Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 7/7/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer Plenarsitzung . Ich möchte vor Eintritt in die Tagesordnung dem Kollegen Michael Schlecht zu seinem 65 . Geburtstag gratulieren . ({0}) Auch der Kollegin Gabriele Schmidt, die in der vergangenen Woche ihren 60 . Geburtstag gefeiert hat, gratuliere ich . Beiden gelten natürlich unsere guten Wünsche für das neue Lebensjahr . ({1}) Der Kollege Steffen Kampeter hat sein Bundestagsmandat niedergelegt . ({2}) - Wer war das? ({3}) Für ihn ist der Kollege Karl-Heinz Wange nachgerückt . Er wird nun wirklich mit Beifall begrüßt . ({4}) Herzlich willkommen, Herr Kollege Wange . Auf gute Zusammenarbeit! Wir müssen noch die Wahl eines Mitglieds des Ausschusses nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes, also des Vermittlungsausschusses, durchführen . Die SPD-Fraktion schlägt vor, als Nachfolger für den Kollegen Rolf Mützenich den Kollegen Sören Bartol als stellvertretendes Mitglied dieses Gremiums zu berufen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall . Damit ist der Kollege Bartol als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt . Schließlich ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Keine CETA-Ratifizierung ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat ({5}) ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({6}) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck ({7}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beteiligung des Bundestages im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada ({8}) Drucksache 18/9038 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({9}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({10}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- nung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Federführung strittig b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abstimmung über CETA erfordert Beteiligung von Bundestag und Bundesrat Drucksache 18/9030 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({11}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache ({12}) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes Drucksache 18/8514 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({13}) Drucksache 18/9067 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Durch die Gemeinsame Agrarpolitik mehr Tierschutz ermöglichen Drucksache 18/9053 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({14}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschlandstipendium abschaffen - Stipendi- enförderung und Studienfinanzierung stärken Drucksachen 18/4692, 18/9037 d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({15}) Sammelübersicht 344 zu Petitionen Drucksache 18/9060 e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({16}) Sammelübersicht 345 zu Petitionen Drucksache 18/9061 f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({17}) Sammelübersicht 346 zu Petitionen Drucksache 18/9062 g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({18}) Sammelübersicht 347 zu Petitionen Drucksache 18/9063 h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({19}) Sammelübersicht 348 zu Petitionen Drucksache 18/9064 i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({20}) Sammelübersicht 349 zu Petitionen Drucksache 18/9065 j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({21}) Sammelübersicht 350 zu Petitionen Drucksache 18/9066 ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Buchholz, Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rückholung der Bundeswehreinheiten aus der Türkei Drucksache 18/9028 ZP 5 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften Drucksache 18/8620 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({22}) Drucksache 18/9087 ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({23}) zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jemen - Militärische Intervention stoppen Neue Friedensverhandlungen beginnen Drucksachen 18/5380, 18/6145 ZP 7 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes Drucksache 18/4624 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({24}) Drucksache 18/9093 ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes Drucksache 18/9040 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({25}) Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten HansChristian Ströbele, Dr . Konstantin von Notz, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste Drucksache 18/8163 Präsident Dr. Norbert Lammert Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({26}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda ZP 10 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Drucksache 18/9041 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({27}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden . Die Tagesordnungspunkte 23 - hier geht es um eine Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften - und 35 - hier geht es um die Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften - sollen heute abgesetzt werden . Des Weiteren sollen die Tagesordnungspunkte 7 und 18 und die Tagesordnungspunkte 10 und 20 ihre Plätze und Debattenzeiten tauschen . Ebenfalls ihre Plätze tauschen sollen die Tagesordnungspunkte 16 und 22, allerdings unter Beibehaltung ihrer Debattenzeiten . Sind Sie mit diesen Veränderungen im Ablauf einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich bitte schon jetzt, im Hinblick auf den Ablauf unserer Tagesordnung darauf zu achten, dass wir die vereinbarten Debattenzeiten auch konsequent einhalten . Ich bitte, den ansonsten natürlich außerordentlich sympathischen Ehrgeiz, die Debatte durch Zwischenfragen, Kurzinterventionen und andere fantasievolle Erweiterungsmöglichkeiten zu beleben, heute aus bekannten Gründen zu unterlassen . Bevor ich Tagesordnungspunkt 4 aufrufe, möchte ich auf der Ehrentribüne den Präsidenten der Nationalversammlung der Islamischen Republik Pakistan, Herrn Sardar Ayaz Sadiq, mit seiner Delegation begrüßen . ({28}) Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, von denen Sie, lieber Herr Präsident Sadiq, einige bereits in den letzten Tagen persönlich in zahlreichen Gesprächen hier im Hause kennengelernt haben, begrüße ich Sie herzlich . Es ist uns eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch in Deutschland zu haben . Der Bundestag misst der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern, nicht zuletzt auch zwischen unseren beiden Parlamenten, große Bedeutung zu . Wir wissen insbesondere Ihre persönliche Wertschätzung unseres Landes und der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern sehr zu würdigen . Alles Gute für Ihren Aufenthalt! Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit . ({29}) Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 4 auf: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin NATO-Gipfel am 8./9. Juli 2016 in Warschau Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 77 Minuten vorgesehen . - Auch dazu stelle ich Einvernehmen fest . Dann verfahren wir so . Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Frau Bundeskanzlerin . ({30})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir Deutschen haben der europäischen Nachkriegsordnung ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand zu verdanken . Diese Ordnung gründete sich auf die Geltung des Völkerrechts, den Respekt der territorialen Integrität, die Achtung der Souveränität der Staaten und das Recht der freien Bündniswahl . Diese Prinzipien sind allen deutschen Regierungen stets zentrales Anliegen ihres Handelns gewesen. Sie finden ihren Ausdruck nicht zuletzt in der Charta von Paris für ein neues Europa . In diesem Abschlussdokument des KSZE-Gipfels vom November 1990 bekennen sich die 35 Unterzeichnerstaaten einschließlich der damaligen Sowjetunion zum - ich zitiere - „Recht der Staaten, ihre sicherheitspolitischen Dispositionen frei zu treffen“ . Seitdem können auch die Völker Osteuropas an dem teilhaben, was für die Mitgliedstaaten der Nordatlantischen Allianz von Beginn an zum konstitutiven Kanon des Bündnisses gehörte . Hierzu gehört ausdrücklich auch die Freiheit der Bündniswahl . Auf dieser Grundlage hatten sich im Jahr 1949 die ersten zwölf Staaten zusammengeschlossen, um einander Beistand zu versichern . Und mehr noch: Im Wunsch nach Frieden, Freiheit und Sicherheit verpflichteten sich diese Staaten, internationale Streitigkeiten friedlich beizulegen . Jeder der heute 28 Mitgliedstaaten konnte souverän und frei über seine Mitgliedschaft entscheiden und sich zu denselben Zielen und Werten unserer Gemeinschaft bekennen . Dies galt 1999 auch für die Aufnahme der Tschechischen Republik, Polens und Ungarns ebenso wie im Jahr 2004 für die Aufnahme Bulgariens, der drei baltischen Staaten, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens wie auch im Jahr 2009 für die jüngsten Aufnahmen, nämlich Albaniens und Kroatiens . Dieser Prozess der Einladung der Nordatlantischen Allianz an alle transatlantischen Partner, in freier Willensentscheidung Teil dieser Gemeinschaft zu werden, ist nicht beendet . Wir schlagen die Tür nicht zu . Ich freue mich deshalb, dass Montenegro bereits sehr bald dieser Gemeinschaft angehören wird . Meine Damen und Herren, wenn die Staats- und Regierungschefs der Allianz morgen in Warschau zusammenkommen, dann wird das in einer Phase sein, in Präsident Dr. Norbert Lammert der sich die Sicherheitslage in und um Europa signifikant verändert hat . Im Osten hat Russlands Agieren in der Ukra ine-Krise unsere östlichen Alliierten zutiefst verstört . Wenn die Geltung des Rechts und die Unverletzlichkeit von Grenzen durch Worte und Taten infrage gestellt werden, dann geht natürlich Vertrauen verloren . Das hat gerade unsere Bündnispartner im Osten tief verunsichert . Sie bedürfen daher der eindeutigen Rückversicherung durch die Allianz . Aber auch südlich des Bündnisgebietes müssen wir eine dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage feststellen . Der Bürgerkrieg in Syrien, der Zerfall staatlicher Ordnung im Irak und in Libyen haben die Ausbreitung terroristischer Gruppierungen befördert . Hinzu kommt, dass kriminelle Schleuserbanden versuchen, aus dem Leid so vieler Flüchtlinge und Vertriebener Kapital zu schlagen . Das alles ist ein ganzes Bündel von Herausforderungen . Deshalb hat die Allianz bereits auf ihrem Gipfel in Wales im September 2014 erste Maßnahmen beschlossen, mit denen die Verteidigungs- und Reaktionsfähigkeit des Bündnisses gesteigert werden sollen . Die Summe dieser Maßnahmen - zusammengefasst unter der Überschrift „Readiness Action Plan“ - wird die Allianz schneller, reaktionsfähiger und einsatzbereiter machen, und zwar für Herausforderungen in jeder Richtung und jeder Art, das heißt in einem sogenannten 360-Grad-Ansatz . Insbesondere die neuen, sehr schnell in das gesamte Bündnisgebiet verlegbaren NATO-Eingreifkräfte, die sogenannte Very High Readiness Joint Task Force, und der Aufbau von Aufnahmestäben bei unseren östlichen NATO-Partnern sind Ausdruck unserer gelebten Bündnissolidarität . Sie sind nur zwei Beispiele dieses Maßnahmenpakets . Deutschland trägt zu diesen Maßnahmen substanziell bei . Ich bin unserem Außenminister und unserer Verteidigungsministerin wie auch der Bundeswehr für diesen Beitrag sehr dankbar . ({0}) Damit machen wir deutlich, dass für uns die Grundprinzipien der europäischen Sicherheitsarchitektur auch in der Zeit neuer Herausforderungen unverändert gelten . Die Bündnissolidarität aus Artikel 5 des NATO-Vertrages ist zentraler Pfeiler dieser Architektur . Diese Solidarität muss und wird auch in Zukunft sichtbar und glaubwürdig sein . Auf dem morgen beginnenden NATO-Gipfel in Warschau werden wir daher die ersten in Wales beschlossenen Anpassungsmaßnahmen des Bündnisses ergänzen . Es werden Elemente hinzukommen, mit denen die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses verstetigt und dauerhaft gesichert wird . Im Kern geht es darum, eine stärkere Präsenz der NATO in den baltischen Staaten und in Polen zu ermöglichen, also - wie es in der NATO-Sprache heißt - die sogenannte enhanced forward presence . Sie ist wichtig, weil wir im Bündnis festgestellt haben, dass es nicht allein ausreicht, Truppen schnell verlegen zu können, sondern dass es auch darum geht, bereits ausreichend vor Ort präsent zu sein . Deshalb sehen die Planungen eine multilateral zusammengesetzte Präsenz vor . Dabei wird für jedes der drei baltischen Länder und für Polen jeweils ein Alliierter die Führung übernehmen, um die Präsenz der NATO dort sicherzustellen . Dieser Ansatz schließt die Reaktion auf sogenannte hybride Bedrohungen ausdrücklich mit ein, also auch Szenarien ähnlich denen, die Russland in der Ukraine eingesetzt hat und bei denen die klassischen Grenzen zwischen Krieg und Frieden bewusst verwischt werden . Aus diesem Grund werden wir auf dem Gipfel auch Beschlüsse zur Cyberdimension fassen . Dazu werden wir uns politisch verpflichten, die nationalen Cyberabwehrfähigkeiten zu stärken und Cyber zusätzlich zu Land, Luft und See sowie Weltraum als weitere sogenannte operative Domäne zu definieren. Die Bundesverteidigungsministerin hat ja in der Organisationsstruktur der Bundeswehr bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet . Bei unserem Engagement leiten uns zwei zentrale Gedanken, zum einen Artikel 5 des NATO-Vertrags, in dem es heißt: Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird . Das Verständnis der Abschreckung soll von einem solchen Angriff abhalten, es soll eine bewusste Auseinandersetzung vermeiden helfen . Nicht mehr, aber auch nicht weniger . Und das ist ein zutiefst defensives Konzept . ({1}) Zum anderen orientieren wir uns an der NATO-Russland-Grundakte, in der wir uns 1997 zusammen mit Russland auf die Grundlagen unserer Zusammenarbeit verständigt haben . Damals haben wir nicht nur unsere Unterstützung für die Charta von Paris ausdrücklich erneuert, sondern uns auch zu der Absicht bekannt - ich zitiere . . . auf der Grundlage gemeinsamen Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz eine starke, stabile und dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln . ({2}) Das ist Teil der NATO-Russland-Grundakte . Wir werden weiter dafür werben, die NATO-Russland-Grundakte als Basis für das Verhältnis der NATO zu Russland zu erhalten . Denn auch wenn Russland die Bestimmungen dieses Dokuments durch sein Vorgehen gegen die Ukraine verletzt, so sind in diesem Dokument doch unsere Werte und Prinzipien verankert, an denen wir unser Handeln weiter ausrichten werden . ({3}) Das heißt also: Abschreckung und Dialog, das klare Bekenntnis zur Solidarität mit unseren Bündnispartnern gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages und die ausgeBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel streckte Hand zum Dialog sind keine Gegensätze . Nein, das gehört untrennbar zusammen . ({4}) Darüber herrscht bei unseren Partnern im Bündnis auch Einvernehmen . Wir sind uns außerdem einig, dass dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist . ({5}) Zentraler Ort für den Dialog der NATO mit Russland ist und bleibt der NATO-Russland-Rat . Er wurde 2002 ins Leben gerufen . Zuvor hatten die NATO und Russland im Ständigen Gemeinsamen NATO-Russland-Rat zusammengearbeitet, der auf der Grundlage der 1997 unterzeichneten NATO-Russland-Grundakte gegründet worden war . Im NATO-Russland-Rat sollen die NATO und Russland zusammenkommen, um sich über gemeinsame Schritte zur Terrorbekämpfung oder zur Bedrohungsanalyse durch ballistische Raketen zu besprechen . Es ist wichtig, dass dieses Gremium genutzt wird . Ich begrüße es sehr, dass dieser Rat kürzlich wieder zu einer Sitzung zusammenkommen konnte, und möchte dem Bundesaußenminister danken, dass er sich dafür sehr stark eingesetzt hat . ({6}) Es wäre sinnvoll und gut gewesen, wenn Russland das Angebot der NATO zu einer weiteren Sitzung vor dem morgen beginnenden Gipfel angenommen hätte, weil das die Möglichkeit gegeben hätte, die abzusehenden Entscheidungen der Allianz zu erörtern und möglichen Missinterpretationen entgegenzuwirken . Eine solche Sitzung vor dem Gipfel wollte Russland jedoch nicht . Nun kann der NATO-Russland-Rat nach dem Gipfel zusammenkommen . Wir jedenfalls haben großes Interesse daran, weil wir ganz grundsätzlich an einem konstruktiven Verhältnis zwischen der NATO und Russland interessiert sind und weiter nachdrücklich hierfür werben werden . Entscheidend für die weitere Zusammenarbeit mit Russland wird natürlich auch die Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk sein. Zurzeit finden intensive Beratungen dazu statt, einschließlich der Vorbereitung der Kommunalwahlen in Donezk und Luhansk . Leider müssen wir jedoch festhalten, dass es bis heute keine belastbare Waffenruhe gibt . Deshalb haben die Bemühungen der OSZE hier absolute Priorität . Beim NATO-Gipfel wird es im Übrigen auch Treffen der NATO-Georgien-Kommission und der NATO-Ukraine-Kommission geben, letztere zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko . Von großer Bedeutung wäre es natürlich auch, wenn der NATO-Russland-Dialog zu einem ehrlichen erneuten Bemühen zwischen den Nuklearmächten USA und Russland führte, ihre Nuklearwaffen weiter zu reduzieren . Präsident Obama hat Russland bei seiner Rede hier in Berlin, am Brandenburger Tor, im Juni 2013 mutige und weitreichende Vorschläge unterbreitet . Es wäre sehr wichtig, wenn dieses Angebot aufgegriffen würde . Damit könnte auch hier der Weg zu echten Fortschritten geöffnet werden: zu einer Welt ohne Nuklearwaffen . Das wäre ein wichtiger Schritt . ({7}) Eine weitere große strategische Herausforderung für uns alle in Europa und damit auch für die NATO sind natürlich auch die Auswirkungen, die mit dem syrischen Bürgerkrieg, dem Staatenzerfall im Irak und in Libyen und der Ausbreitung der Terrormiliz IS verbunden sind . ({8}) Unsere Welt heute ist eine Welt in Unruhe . Der fanatische, islamistische Terrorismus des IS bedroht auch uns in Europa . Vor allem aber bringt er unendliches Leid über die Menschen in der Region . Die jüngsten verheerenden Anschläge in Bagdad und auch der Anschlag in Dhaka zeigen einmal mehr, welche Menschenverachtung diesem Terrorismus innewohnt . ({9}) Auch die Terrorakte in Brüssel, in Paris und wiederholt in Istanbul mahnen uns, die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus ebenso entschieden wie klug zu führen . Leider weiß auch unser heutiger Gast auf der Ehrentribüne, der pakistanische Parlamentspräsident, was Terrorismus für Schrecknisse anrichten kann . Das heißt ganz konkret: Es ist eine gewaltige Aufgabe, zu Frieden, Stabilität und Prosperität in den Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas und Subsahara-Afrikas beizutragen . Es ist eine Aufgabe, zu der auch die NATO ihren Beitrag leisten kann . Aber es ist keine Aufgabe, die von der NATO allein oder die nur mit militärischen Mitteln zu lösen ist . Der Einsatz der NATO kann immer nur ein Baustein sein . Genau deshalb setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Ursachen von Flucht, Vertreibung, Hoffnungsund Perspektivlosigkeit wirksam zu bekämpfen . ({10}) So unterstützen und stabilisieren wir die Regierung im Irak . Wir fördern die Verhandlungen des UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, und des UN-Sondergesandten für Libyen, Martin Kobler . Wir leiten die Arbeitsgruppe, die mit der Stabilisierung in der Anti-IS-Allianz befasst ist, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten . Darüber hinaus legen wir nicht zuletzt angesichts des enormen Ausmaßes der Flüchtlingstragödie einen Schwerpunkt auf die humanitäre Dimension: bei der Londoner Syrien-Konferenz Anfang Februar als größter Einzelgeber wie auch beim World Humanitarian Summit Ende Mai in Istanbul, bei dem wir uns dafür eingesetzt haben, das humanitäre System neu zu gestalten . Am 20 . September werden wir uns in New York auf einem von US-Präsident Obama ausgerichteten Flüchtlingsgipfel erneut dafür einsetzen, die Lage der Flüchtlinge weltBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel weit zu verbessern . Deutschland hat für dieses Treffen die Kogastgeberrolle übernommen . Die NATO ihrerseits kann einen konkreten Beitrag leisten, indem sie zum Beispiel in der Ägäis hilft, das illegale und menschenverachtende Schleuserwesen einzudämmen . Zusätzlich zum EU-Türkei-Abkommen trägt dieser Einsatz wesentlich dazu bei, dass heute kaum noch Menschen die lebensgefährliche Fahrt über die Ägäis wagen, ihr Leben riskieren und es viel zu oft auch verlieren . NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich sehr früh dafür eingesetzt, dass die Allianz sich auch auf Herausforderungen wie diese einstellt, um zu helfen, die Krisen in unserer südlichen Nachbarschaft zu überwinden . Wir haben ihn hierbei ausdrücklich unterstützt, weil die Allianz über sehr spezifische Fähigkeiten verfügt, die sie genau dafür einsetzen kann . Auch hierzu werden wir in Warschau weitere wichtige Entscheidungen treffen: Erstens . Wir werden uns auf Trainings- und Ausbildungsmaßnahmen der NATO für den Irak verständigen . Dies geht auf eine ausdrückliche Bitte des irakischen Premierministers al-Abadi zurück . Bereits seit einiger Zeit bildet die Allianz in Jordanien irakische Sicherheitskräfte aus, vor allem im Bereich der Kampfmittelräumung . Seit 2014 unterstützt Deutschland bilateral und im Rahmen der Anti-IS-Allianz die Peschmerga im Nordirak mit Waffen und Ausbildung . Ihre Erfolge gegen den IS geben uns in diesem Bemühen auch recht . Die Ausbildungsmaßnahmen der NATO sollen künftig auch im Irak durchgeführt werden, weil irakische Sicherheitskräfte, die gerade auch bei der Stabilisierung der vom IS befreiten Gebiete wichtige Erfolge erzielen, eine Ausbildung und Beratung näher im Lande brauchen . Zweitens . Die Staats- und Regierungschefs werden in Warschau ihre grundsätzliche Bereitschaft erklären, die Anti-IS-Koalition durch NATO-AWACS zu unterstützen . Durch NATO-AWACS können wir den Einsatz unserer Aufklärungstornados im türkischen Incirlik sinnvoll ergänzen . Während die Tornados die Stellungen und Positionen des IS aufklären, könnten die AWACS sicherstellen, dass der Luftraum ordentlich koordiniert und überwacht ist . Gerade mit Blick auf unsere Tornados liegt der Einsatz der AWACS deshalb auch in unserem eigenen Interesse; denn durch die AWACS-Luftraumaufklärung verfügten dann auch unsere Piloten über ein besseres Luftlagebild und damit über ein Mehr an Sicherheit . Sobald die Details der Einsatzplanung seitens der NATO vorliegen, wird die Bundesregierung den Bundestag hierzu wie geboten natürlich befassen . Drittens . Wir werden beim Gipfel die seit 2001 bestehende und auf Artikel 5 des NATO-Vertrages beruhende Operation Active Endeavour im Mittelmeer in eine maritime Sicherheitsoperation überführen und so vom Artikel 5 des NATO-Vertrages entkoppeln . ({11}) Das ist wichtig, weil damit ein umfassender Einsatz zur Sicherung des Mittelmeers möglich sein wird . Dabei wird es darum gehen, ein maritimes Lagebild zu erstellen, Staaten beim Kapazitätsaufbau zu unterstützen und den Terrorismus zu bekämpfen . Ein strukturelles Element dieser Arbeiten ist immer wieder auch die Kooperation zwischen der NATO und der Europäischen Union, die übrigens bereits sehr gut bei den Aktivitäten in der Ägäis, zum Beispiel zusammen mit Frontex, stattfindet. Diese Kooperation ist uns als Bundesregierung grundsätzlich sehr wichtig . Meine Damen und Herren, bei all diesen vielfältigen Bedrohungen aus dem Süden dürfen wir nicht die Proliferation ballistischer Waffensysteme übersehen . Ein Beispiel: In eindeutigem Widerspruch zu den einschlägigen Bestimmungen des UNO-Sicherheitsrates entwickelt der Iran sein Raketenprogramm unvermindert weiter . Es ist leider keineswegs so, dass dieses Raketenprogramm durch das historische Wiener Abkommen zur Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms beendet worden wäre . Die Staats- und Regierungschefs werden in Warschau daher auch die sogenannte Erstbefähigung der NATO-Raketenabwehr erklären, also einen weiteren wichtigen Schritt gehen, mit dem die Menschen im Bündnisgebiet noch besser geschützt werden sollen . Für uns ist äußerst wichtig - ich betone das deshalb hier auch ganz ausdrücklich -: Diese NATO-Raketenabwehr ist rein defensiv ausgerichtet . ({12}) Sie ist nicht gegen Russland gerichtet. Sie beeinflusst auch nicht die strategische Balance zwischen der NATO und Russland . ({13}) Die Bundesregierung wie auch das Bündnis haben nicht die Absicht, dies zu ändern . Unsere Hand zu Transparenz und Dialog auch über diese Maßnahmen des Bündnisses ist und bleibt ausgestreckt . ({14}) Meine Damen und Herren, beim Gipfel in Warschau werden wir darüber hinaus auch die bestehenden Einsätze bewerten und natürlich zukünftige Aufgaben benennen . Seit 2003 ist die NATO in Afghanistan engagiert, zunächst im Rahmen von ISAF ({15}) und seit 2015 im Rahmen der Beratungsmission Resolute Support, an der sich derzeit 39 Nationen beteiligen . Zum einen werden wir beim Gipfel die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte bis 2020 festschreiben können . ({16}) Das ist außerordentlich wichtig, um die afghanischen Streitkräfte weiter zu befähigen, Sicherheitsverantwortung zu übernehmen . Zum anderen wird die Allianz ihren Willen bekräftigen, die Mission Resolute Support auch über 2016 hinaus fortzusetzen . Der amerikanische Präsident hat gestern dazu eine wichtige Erklärung abgegeben, nämlich dass auch die amerikanischen Streitkräfte mit einem Kontingent von 8 400 Soldaten weiter beteiligt sein werden . Das ist für uns von großer Wichtigkeit . Wir wollen weiter in Afghanistan engagiert bleiben, um die Menschen dort zu beschützen . ({17}) Die Nordatlantische Allianz wird in Warschau zudem das Ziel bekräftigen, dass die Bündnispartner 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsaufgaben vorhalten . ({18}) Deutschland unterstützt dies schon seit vielen Jahren ich will darauf noch einmal hinweisen, weil es ja auch aktuell wieder Diskussionen dazu gab -; das ist nicht auf diese Bundesregierung beschränkt . Deshalb haben wir im neuen Finanzplan, den das Bundeskabinett gestern beschlossen hat, eine signifikante Erhöhung von 37,1 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf rund 39 Milliarden Euro im Jahr 2017 vorgesehen . ({19}) Dieser Finanzplan sieht darüber hinaus eine weitere Steigerung des Verteidigungshaushaltes vor; denn 2018 bis 2020 haben wir insgesamt mehr als 2,5 Milliarden Euro zusätzlich eingeplant . Damit ist der Ansatz zur Trendumkehr bei den Verteidigungsausgaben deutlich erkennbar, wenngleich natürlich bis zur Erreichung des 2-Prozent-Ziels noch viel zu tun bleibt . Die ganze Aufstellung der Bundeswehr spiegelt inzwischen die internationale Verantwortung Deutschlands wider . ({20}) Deutschland stellt sich gemeinsam mit seinen Partnern und Verbündeten dieser Verantwortung und den immer neuen Aufgaben, und zwar stets in dem Bewusstsein, dass militärische Mittel allein keine nachhaltigen Lösungen ermöglichen können . Immer geht es um bündnispolitische Schritte und kluge Diplomatie zugleich . ({21}) Genau deshalb engagiert sich die Bundesregierung neben den Einsätzen in NATO und EU auch beim OSZE-Vorsitz in diesem Jahr, in den Nuklearverhandlungen mit dem Iran, im Normandie-Format zur Ukraine oder in der Gruppe um den UNO-Sondergesandten de Mistura . Die Nordatlantische Allianz gemeinsam mit der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik - sie sind der Bezugsrahmen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik . Die NATO schlägt dabei die Brücke über den Atlantik . Sie ist transatlantische Wertegemeinschaft von Europäern und Nordamerikanern . Lassen Sie mich, wenige Tage nachdem die Vereinigten Staaten von Amerika den 240 . Jahrestag ihrer Unabhängigkeit begangen haben, anfügen: Wir danken Amerika, dass es in vielen der Einsätze die Hauptlast bei der Bewältigung der Herausforderungen trägt - sei es in Afghanistan, sei es in Syrien -, in der NATO und weit darüber hinaus . ({22}) Meine Damen und Herren, die NATO vereint uns solidarisch in einem Bündnis mit Nachbarn, Partnern und einstigen Kriegsgegnern . Die Beschlüsse von Warschau sollen dazu dienen, die weiteren großen Herausforderungen zum Wohle der Menschen zu meistern . Lassen Sie mich abschließend ein herzliches Dankeschön an unsere Soldatinnen und Soldaten richten, die in vielen dieser Einsätze ihren Dienst tun und damit unsere Sicherheit gewährleisten . ({23}) Herzlichen Dank . ({24})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Kollegin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke . ({0})

Dr. Sahra Wagenknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004183, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Geschichte wiederholt sich nicht, aber es gibt Phasen, in denen die politischen Uhren rückwärts zu gehen scheinen, unerbittlich zurück in eine Zeit, die sich eigentlich niemand zurückwünschen kann . Wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt, der wird das beklemmende Gefühl nicht los, dass wir heute in genau so einer Phase leben, und ich möchte mir nicht ausmalen, wie das enden kann . 75 Jahre nach Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion finden in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze wieder martialische Kriegsübungen unter deutscher Beteiligung statt . ({0}) Die US-Atomwaffen in Deutschland werden modernisiert - nicht abgebaut, Frau Merkel: modernisiert - und Raketenbasen in ganz Europa aufgebaut . Angeblich geht es immer nur um Abschreckung, darum, Putin davon abzuhalten, ins Baltikum einzumarschieren . Es würde mich wirklich interessieren, ob diejenigen, die uns diesen Schwachsinn erzählen, auch nur eine Sekunde selber daran glauben . ({1}) Wer hat denn seine Grenzen in den letzten zwei Jahrzehnten immer weiter nach vorne geschoben? ({2}) Russland in Richtung NATO, oder war es nicht eher umgekehrt? ({3}) Die USA haben 5 Milliarden Dollar in einen Regime-Change in der Ukraine investiert . Das Ergebnis ist ein zerrissenes Land mit marodierenden faschistischen Banden und, ja, die russische Annexion der Krim, die immer als Beweis für die Aggressivität der russischen Außenpolitik herhalten muss . ({4}) Auch die neue Aufrüstungsspirale dient angeblich immer nur dazu, den russischen Bären im Zaum zu halten . Eine dümmere Begründung kann man sich wirklich nicht ausdenken . ({5}) Aktuell liegen die Militärausgaben der NATO beim etwa 13-Fachen der russischen . Und jetzt brauchen wir noch mehr Aufrüstung, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten? Was ist denn das für ein Irrsinn! ({6}) Trotzdem gehörten Sie, Frau Bundeskanzlerin, wieder einmal zu den ersten, die die Umsetzung des 2-Prozent-Ziels angekündigt haben . 2 Prozent, das bedeutet 25 Milliarden Euro jedes Jahr mehr für Mordwaffen, für Panzer und für Kriegsgerät, aber für gute Renten fehlt uns angeblich das Geld, und für bessere Bildung erst recht . Was sind denn das für absurde politische Prioritäten, die Sie hier setzen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein . ({7}) Der große Außenpolitiker George F . Kennan hat die NATO-Osterweiterung schon Ende der 90er als den verhängnisvollsten Fehler der US-Politik seit der Ära des Kalten Krieges bezeichnet, eben weil die Einkreisung Russlands den Weltfrieden nicht sichert, sondern gefährdet . Und trotzdem wird sie immer weiter vorangetrieben, auch mit Ihrer Unterstützung, Frau Merkel. Wir finden das unverantwortlich . ({8}) Sie haben auf Artikel 5 des NATO-Vertrages hingewiesen . Leider haben Sie Artikel 1 nicht erwähnt, der die NATO-Mitglieder verpflichtet, sich jeglicher Drohung oder Gewaltanwendung zu enthalten . Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass die NATO und allen voran die USA mit ihren völkerrechtswidrigen Kriegen und ihren Drohnenmorden ihren eigenen Vertrag tagtäglich mit Füßen treten . Dazu hätte ich von Ihnen auch ein Wort erwartet . ({9}) Ich muss schon sagen: Über die Destabilisierung des Nahen Ostens zu reden, wie Sie es eben getan haben, aber die Hauptverantwortung von NATO-Staaten und den Irakkrieg noch nicht einmal zu erwähnen, das zeugt nun wirklich von bemerkenswerter Einäugigkeit . ({10}) Die Manöver in Osteuropa, die Hochrüstung, die Raketenbasen, die Truppenstationierung: Was kann Moskau darin denn anderes sehen als Kriegsvorbereitung? Auf jeden Fall werden so die Wahrscheinlichkeit und die Möglichkeit einer militärischen Eskalation mit der Atommacht Russland beträchtlich erhöht . Der Ernstfall, für den Sie in Osteuropa so lässig proben und von dem neuerdings in Militärkreisen wieder geredet wird, als wäre er ein kalkulierbares Ereignis - Frau Merkel, ich finde es ja interessant, dass Sie sich mit Herrn Hofreiter unterhalten; aber ich würde es doch gut finden, wenn Sie meiner Rede wenigstens etwas Gehör verleihen würden . ({11}) Nach einem solchen Ernstfall, für den Sie in Osteuropa so lässig proben und von dem neuerdings in Militärkreisen wieder geredet wird, als wäre er ein kalkulierbares Ereignis, würde es Europa mit seinen über 700 Millionen Einwohnern vielleicht nicht mehr geben . Das Urteil Willy Brandts, dass ein Krieg mit Russland nicht die Ultima Ratio, sondern die Ultima Irratio ist, das gilt doch heute nicht weniger als in den 70er-Jahren . Deshalb ist es dringend an der Zeit für eine eigenständige europäische Außenpolitik in der Tradition der Entspannungspolitik und natürlich auch für die Ersetzung der US-dominierten NATO durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands . ({12}) Schon Helmut Schmidt war der Meinung, dass heute mehr Gefahr von den USA als von Russland ausgeht . Das dürfte nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen, wenn im Weißen Haus entweder ein Halbverrückter oder eine Marionette der US-Rüstungslobby regiert, nicht viel anders werden . ({13}) Aber das Verhältnis zu Russland und die Kriegsgefahr sind leider nicht die einzigen Punkte, bei denen die politischen Uhren rückwärts laufen . Ich muss schon sagen: Ich finde es ebenso bezeichnend wie traurig, dass Ihre Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates letzte Woche mal eben von der Tagesordnung abgesetzt wurde . Wegschweigen, aussitzen, bloß nicht über Veränderungen reden - das können doch nicht ernsthaft Ihre Schlussfolgerungen aus der aktuellen Krise sein . ({14}) Der französische Ökonom Piketty hat doch recht, wenn er Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, eine wesentliche Mitverantwortung für den Brexit und den zunehmenden Nationalismus andernorts gibt . ({15}) Ihre ständigen Alleingänge haben den europäischen Zusammenhalt ebenso wenig gestärkt wie die Besserwisserei, mit der die deutsche Regierung versucht, ganz Europa auf die Linie der deutschen Wirtschaftspolitik zu bringen . Halten Sie doch endlich einmal inne, und überdenken Sie Ihre Politik, bevor es wirklich zu spät ist . ({16}) Das geeinte Europa, Verständigung und Zusammenarbeit zwischen jahrhundertelang verfeindeten Völkern, ein europäisches Sozialmodell als Alternative zum entfesselten Kapitalismus, das war einmal ein großes, ich würde sagen, ein großartiges Projekt . Es geht längst nicht mehr darum, ob dieses Projekt eine Zukunft hat . Es geht darum, ob es wieder eine Gegenwart bekommt; denn die europäische Integration hat sich doch längst ins Gegenteil verkehrt, in ein Projekt zur Entfesselung der Märkte und zur Aushebelung der Demokratie, in ein Projekt, das europaweit die Prekarisierung der Arbeit und den Abbau sozialer Leistungen vorantreibt . Die Wachstumsraten sind heute in den meisten EU-Staaten niedriger und die Arbeitslosigkeit höher als vor Einführung des Binnenmarktes . Ländern, in denen jeder zweite Jugendliche keinen Job und keine Perspektive hat, werden mit kaltem Ehrgeiz Kürzungsprogramme diktiert . Dieser Ehrgeiz verlässt die EU aber sofort, wenn es zum Beispiel darum geht, den Steuertricks von Apple, Google & Co . endlich die Grundlage zu entziehen . Dabei tragen sie, weiß Gott, mehr Verantwortung für die öffentlichen Defizite als angeblich generöse Sozialprogramme . ({17}) Überall in Europa wächst die Ungleichheit . Zwischen schamlosem Reichtum am oberen und hoffnungsloser Armut am unteren Ende lebt eine schrumpfende, abstiegsgefährdete Mittelschicht, die sich politisch im Stich gelassen fühlt . Die Zustimmung zur EU geht doch nicht deshalb zurück, weil irgendwelche Nationalisten Stimmungen schüren . Die Zustimmung geht zurück, weil die Mehrheit schlicht keinen Grund hat, sich für eine EU zu begeistern, die ihren Wohlstand verringert und ihre demokratischen Rechte aushebelt . ({18}) Die agilsten Gegner Europas sitzen heute in Brüssel . Es ist nicht bekannt, ob Marine Le Pen Herrn Juncker inzwischen für ihre Frexit-Kampagne als Mitarbeiter verpflichtet hat; aber er ist definitiv ihr bester Mann. Die Stimmen in Großbritannien waren kaum ausgezählt, als Herr Juncker noch einmal bekräftigte, dass das Handelsabkommen CETA ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt werden soll . Inzwischen hat die Kommission den Mitgliedstaaten zwar großzügig das Recht zur Ratifizierung eingeräumt; allerdings ist das wieder nur ein Täuschungsmanöver, weil sie das Abkommen vorläufig in Kraft setzen will. Ich hätte von der Bundesregierung schon gerne gehört, wie sie zu dieser erneuten Unverschämtheit unserer Brüsseler Antidemokraten steht . ({19}) Das ist ja nicht alles . Wenige Tage nach dem Brexit entschied die EU-Kommission, das mutmaßlich krebserregende Pflanzengift Glyphosat für weitere anderthalb Jahre zuzulassen. Das Defizitverfahren gegen Portugal und Spanien soll trotz Krise verschärft werden . Ignoranz gegenüber demokratischen Rechten, Einknicken gegenüber der Wirtschaftslobby und Gleichgültigkeit ({20}) gegenüber einer perspektivlosen jungen Generation: Deutlicher als mit diesen drei Entscheidungen konnte man in der kurzen Zeit seit dem Brexit wirklich nicht all das demonstrieren, was die Menschen an der EU abstößt . ({21}) Wer nicht will, dass Europa endgültig zerfällt, der muss doch spätestens jetzt auf einen sozialen und demokratischen Neubeginn setzen, auf ein Europa, das die Menschen wieder begeistern kann und in dem Referenden nicht als Bedrohung, sondern als normaler Bestandteil der Demokratie empfunden werden . ({22}) So ein Europa wollen zumindest wir als Linke, gerade weil wir nicht wollen, dass die Geister der Vergangenheit über unsere Zukunft bestimmen . ({23})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Thomas Oppermann das Wort . ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Wagenknecht, ({0}) über Ihre Angriffe und Ihre Ausführungen zur Kriegstreiberei der NATO war ich nicht überrascht . ({1}) Aber als Sie eben von den „Brüsseler Antidemokraten“ gesprochen haben, war es das erste Mal, dass jemand den Sprachgebrauch der AfD im Deutschen Bundestag benutzt hat . ({2}) Wie kommen Sie dazu, demokratisch legitimierte, demokratisch gewählte Vertreter der europäischen Völker, der Europäischen Kommission als Antidemokraten zu bezeichnen? Das zeigt ein unglaubliches Maß an politischer Desorientierung und Verwirrung auf Ihrer Seite . ({3}) Was Sie zur Kriegstreiberei der NATO gesagt haben, hat mich nicht überrascht, aber ich finde, Sie verkennen dabei immer eines: ({4}) Eine der Lehren aus dem militärischen Größenwahn der Nazis war, dass ein demokratisches Deutschland seine Landesverteidigung, seine militärischen Angelegenheiten nicht allein nationalstaatlich organisiert, sondern in ein Bündnis aus Demokratien einbettet . Ein Bündnis aus Demokratien ist der beste Schutz für unser Land, für unsere Länder, aber auch der beste Schutz vor Kriegstreiberei . ({5}) Dann haben Sie - das will ich Ihnen als Drittes sagen auch noch den Irakkrieg erwähnt . Ich will in aller Deutlichkeit daran erinnern - Sie haben es teilweise angedeutet -: Der Irakkrieg war kein Krieg der NATO, sondern er war eine Aktion der sogenannten Koalition der Willigen . Und ich muss sagen: Ich bin heute noch froh - und wir sind alle stolz darauf -, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Jaques Chirac Deutschland und Frankreich aus diesem Krieg herausgehalten haben . ({6}) - Immerhin auch ein bisschen Beifall vom Koalitionspartner . Meine Damen und Herren, wir haben erst vor wenigen Tagen in diesem Plenum daran erinnert, dass Deutschland vor 75 Jahren ganz Osteuropa mit einem mörderischen Krieg überzogen hat . Daraus erwächst für uns eine Verantwortung gegenüber unseren Nachbarn in Osteuropa, aber ebenso gegenüber Russland . Willy Brandt ist es vor 50 Jahren mit der Einleitung der Entspannungspolitik wie keinem anderen gelungen, dieser Verantwortung gerecht zu werden . ({7}) Übrigens: Die Einleitung der Entspannungspolitik begann auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges . Das zeigt, auch in schwierigen Zeiten ist Verständigung möglich . 1990 mit dem Fall des Eisernen Vorhanges hatten wir alle die Hoffnung, dass eine Epoche des Friedens und der Demokratie in Europa beginnen wird . Aber heute, ein Vierteljahrhundert später, sind konfrontative Sprache und aggressives Verhalten auf die politische Bühne zurückgekehrt . Es droht ein Rückfall in gefährliche Zeiten . Ich finde, wir müssen alles tun, um das zu verhindern. ({8}) Mit der Annexion der Krim und mit dem militärischen Eingreifen in der Ukraine hat Russland die Grenzen gewaltsam verschoben, das Völkerrecht verletzt und die europäische Friedensordnung infrage gestellt . ({9}) Großangelegte russische Militärmanöver mit bis zu 100 000 Soldaten verstärken die Furcht in Polen und in den baltischen Staaten . ({10}) Ich finde es auch nicht vertrauenserweckend, dass Putin über russische Banken überall in Europa rechtsradikale, rechtspopulistische Parteien wie den Front National finanziert . ({11}) Ich finde, darauf müssen wir klare Antworten geben. Aber wenn wir auf jedes russische Manöver mit einem eigenen Manöver antworten, wenn auf jede militärische Aktion eine militärische Reaktion folgt, wenn auf jede Aufrüstung eine eigene Aufrüstung folgt, dann rutschen wir wieder in die Logik des Kalten Krieges . Ich sage, wir müssen alles daransetzen, dass wir in diese verhängnisvolle Spirale nicht wieder hineinkommen . Ein Rüstungswettlauf wäre das Letzte, was Russland und Europa gebrauchen können . ({12}) Zum Glück gibt es einen großen Konsens in diesem Haus, dass ein Ausweg aus dem Konflikt in der Ukraine nicht mit militärischen, sondern nur mit diplomatischen Mitteln möglich ist . Frank-Walter Steinmeier hat völlig recht, dass man mit Truppenparaden und Manövern allein keine Sicherheit gewinnen kann . Ich bin FrankWalter Steinmeier dankbar, dass er darauf aufmerksam gemacht hat, dass man mit militärischer Stärke allein keinen Frieden sichern kann . ({13}) Angesichts der globalen Krisen müssen wir die Konfrontation in Europa überwinden . Es gibt für uns Sozialdemokraten für das Verhältnis zwischen Russland und der NATO drei klare Leitlinien . Die erste ist Verteidigungsbereitschaft . An der Verteidigungsfähigkeit und dem Verteidigungswillen der NATO darf kein Zweifel bestehen . Die kollektive Verteidigung des Bündnisses ist für uns und besonders für die baltischen Länder und Polen ein Garant für Sicherheit . Deshalb unterstützen wir die Maßnahmen zur Rückversicherung, wie sie auf dem NATO-Gipfel beschlossen werden sollen . Die zweite ist Dialogfähigkeit . Wir müssen mehr miteinander und nicht mehr nur übereinander sprechen . In guten Zeiten ist das eine Selbstverständlichkeit . Aber gerade in schwierigen Zeiten ist Dialog besonders wichtig und die größte außenpolitische Herausforderung . ({14}) Für die nächste Zeit muss deshalb die Devise lauten: So viel Sicherheit wie nötig, aber so viel Dialog und Kooperation wie möglich . Dritte Leitlinie: Die nachhaltige Sicherheit für Europa kann es nicht ohne Russland und erst recht nicht gegen Russland geben . ({15}) Deshalb muss es unsere Strategie sein, Russland als einen verantwortungsvollen Partner zurückzugewinnen, Russland wieder in eine verantwortungsvolle Partnerschaft einzubinden . ({16}) Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, dass immer wieder Leute kritisiert werden, die den Dialog mit Russland fordern . ({17}) All denen, die unseren Außenminister jetzt als „Russlandversteher“ bezeichnet haben, hat Frank-Walter Steinmeier am Wochenende, wie ich finde, eine ganz eindeutige Antwort gegeben, nämlich: Wer aufhört, andere zu verstehen, wer aufhört, andere verstehen zu wollen, der sollte keine Außenpolitik betreiben . ({18}) Meine Damen und Herren, ich bin froh - und ich glaube, auch die ganz große Mehrheit der Deutschen ist froh -, dass Frank-Walter Steinmeier und nicht jemand anderes unser Außenminister ist . ({19}) - Nein, mein lieber Volker, ich glaube, du bist in Wirklichkeit auch froh, dass Frank-Walter Steinmeier unser Außenminister ist . ({20}) - Nein, aber wir wissen das sehr zu schätzen, und was man zu schätzen weiß, sollte man gelegentlich auch sagen . ({21}) Wir sind für eine schrittweise Annäherung an Russland . Sanktionen sind kein Selbstzweck - die Aufhebung von Sanktionen allerdings ebenso wenig . Nur wenn Russland sein Verhalten ändert, erfüllen sie ihren Sinn . Deshalb wird es mit uns auch kein Aufweichen der Sanktionen geben, ohne dass es echte Zugeständnisse von Wladimir Putin gibt . Es gibt Hardliner, die nun sagen: Alles oder nichts! Sie fordern und erwarten, dass Russland bedingungslos in Vorleistung geht . Ich halte diesen Ansatz nicht für erfolgversprechend . Für die SPD ist klar: Wenn es bei der Umsetzung substanzielle Fortschritte gibt, dann können die Sanktionen auch schrittweise aufgehoben werden . ({22}) Auch Ronald Pofalla als Vorsitzender des Petersburger Dialoges hat diese Position ausdrücklich vertreten . Ausgerechnet Ronald Pofalla! ({23}) Eine Stimme der Vernunft im konservativen Lager! ({24}) - Ich lasse ja keine Gelegenheit aus, unseren Koalitionspartner zu loben . ({25}) Meine Damen und Herren, die Frau Bundeskanzlerin ist im Augenblick verhindert, ({26}) aber ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf den letzten Europäischen Rat zurückkommen . Ich fand es gut, dass Frankreich, Italien und Deutschland auf diesem Rat klargemacht haben: Wir brauchen beim Brexit möglichst schnell Klarheit . Europa muss sich neu orientieren . Die 27 verbleibenden Mitglieder der Europäischen Union brauchen eine Grundlage, auf der sie arbeiten können . Ich fand es auch gut, dass klargemacht wurde und dass es einen breiten Konsens in Europa gibt, dass es keine Sonderbehandlung von Großbritannien geben kann. Alle Vorteile, aber keine Pflichten: Das geht nicht, das würde nur Anreize für andere in Europa schaffen, sich selbst auch nur die Vorzüge zu sichern . Im Augenblick ist die Neigung in der EU, sich von ihr abzuwenden, gesunken . Das ist in den letzten Tagen ganz deutlich geworden und liegt vor allen Dingen daran, dass Großbritannien nach der Brexit-Bruchlandung im politischen Chaos versunken ist . Auch darüber müssen wir im Deutschen Bundestag und überall in Europa reden - übrigens nicht mit Häme, aber in aller Klarheit . Mit jedem Tag wird deutlicher: Die „Leave“-Kampagne hatte nie einen Plan für den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union . Sie hat den Wahlkampf mit unhaltbaren Versprechungen geführt, ({27}) und anschließend sind die Brexit-Ideologen in der politischen Versenkung verschwunden . ({28}) Der Slogan der Brexit-Kampagne, „Take back control“, wirkt angesichts der politischen Führungslosigkeit wie blanker Hohn . ({29}) Es sieht so aus, als würden die Brexit-Ideologen kein einziges ihrer Versprechen halten können . Ich sage: Das würde auch in Frankreich passieren, wenn Marine le Pen gewählt würde, ({30}) und das würde auch in den Niederlanden passieren, wenn Geert Wilders die Wahlen gewinnen würde . Das würde überall in Europa passieren, wenn die Populisten die Oberhand gewinnen würden . ({31}) Boris Johnson und Nigel Farage sind angetreten, um die Geschichte zu ändern . Jetzt sind sie - leider zu spät als politische Hochstapler und verantwortungslose Hasardeure demaskiert worden . ({32}) Ich wünsche mir, dass wir die vielen Hochstapler in Europa rechtzeitig entlarven, bevor sie einen so großen Schaden anrichten können wie in Großbritannien . ({33}) Es lohnt sich auch deshalb, darüber zu reden, weil ich das Gefühl habe: Mit jedem Tag und mit jedem Blick auf das politische Chaos, das angerichtet worden ist, wächst wieder die Wertschätzung für seriöse Parteien, wächst wieder die Wertschätzung für seriöse Politik . Ich glaube, das ist gut für unsere Demokratie . ({34}) Das beste Mittel gegen die Feinde Europas ist aber ein besseres Europa . Die Europäische Union muss das Vertrauen der Menschen durch Handlungsfähigkeit wieder zurückgewinnen . Das geht nur, wenn wir uns auf die großen und wichtigen Fragen konzentrieren, wenn wir in den besonders notleidenden Ländern wieder für Wachstum und Beschäftigung sorgen . Dazu brauchen wir mehr Investitionen in Ausbildungsprogramme für junge Menschen, in Forschung, in Entwicklung, in eine moderne Infrastruktur, in ein europaweites Glasfasernetz für schnelles Internet . All das, Herr Schäuble, wollen wir entgegen der Darstellung, die Sie verbreitet haben, nicht mit neuen Schulden in Europa finanzieren, sondern mit regulären Staatseinnahmen . Es ist kein sinnvolles politisches Ziel, die Verschuldung in Europa auszuweiten . Es ist aber sehr wohl ein sinnvolles politisches Ziel, die finanzielle Handlungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union wiederherzustellen . ({35}) Deshalb sage ich: Wir müssen die Steuerhinterziehung in Europa bekämpfen. Wir müssen die Steuerschlupflöcher schließen . Wir müssen die Finanztransaktionsteuer einführen . Wenn alle ihren gerechten Teil zur Finanzierung der Europäischen Union beitragen, dann brauchen wir keine neuen Schulden in Europa . Nur so, mit gerecht finanzierten Investitionen, können wir das Kernversprechen der Europäischen Union wieder erfüllen: Fortschritt, Gerechtigkeit und Demokratie für alle Menschen in Europa . Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten . ({36})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Verhältnis zu Russland ist so schlecht wie seit der Zeit des Kalten Krieges nicht mehr . Die Sorge vieler Menschen auf dem Kontinent vor einem Krieg ist so groß wie schon lange nicht mehr . Mit der Annexion der Krim und mit den Aktionen in der Ostukraine hat Russland, hat Putin die Friedensordnung in Europa auf den Kopf gestellt . Man muss ganz klar sagen: Es ist eine besondere Tragik, dass mit der Ukraine das erste Land weltweit, das freiwillig seine Atomwaffen komplett abgegeben hat, von seiner eigenen Garantiemacht überfallen worden ist . ({0}) Von einer Fraktion, die gern von sich behauptet, dass ihr Friedenspolitik wichtig wäre, ({1}) dazu nie wirklich etwas zu hören, finde ich, ehrlich gesagt, beschämend und problematisch . Dass ein Land, das, wie gesagt, freiwillig seine Atomwaffen komplett abschafft, von seiner Garantiemacht überfallen wird, ist ein solcher Rückschlag für eine vertragsbasierte Friedenspolitik, wie wir ihn lange nicht erlebt haben . Da würde ich mir vonseiten der Linksfraktion ganz klare Worte wünschen . ({2}) Putin ist über das Budapester Abkommen hinweggetrampelt . Er hat die Souveränität der Ukraine ignoriert, und er hat ihre territoriale Integrität ignoriert . Es ist ganz klar, dass dieses Vorgehen nicht hinnehmbar ist . Daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben . ({3}) Deshalb war die Reaktion der EU und war die Reaktion der NATO richtig und wichtig . Es war richtig und wichtig, dass die Europäische Union gemeinsam Sanktionen verhängt hat . Es ist völlig verständlich und nachvollziehbar - das darf man auch mit Blick auf die Geschichte nicht ignorieren -, dass die östlichen Staaten der NATO jetzt größere Sicherheitsbedürfnisse und Bedenken haben . Das liegt doch auf der Hand . Es ist notwendig und richtig, dass es eine Rückversicherung im Bündnis gibt und dass das Bündnis zusammenstehen muss . ({4}) Aber dabei stellt sich die Frage: Was ist die richtige Antwort darauf? Ich habe gewisse Zweifel, dass der Einstieg in die Aufrüstungsspirale und Sprachlosigkeit die richtige Antwort sind . Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz - ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn einmal als friedenspolitischen Kronzeugen zitieren würde -, ({5}) hat gesagt, dass die Gefahr so groß wie selten ist, dass die Eskalationsschritte in Richtung militärische Kampfhandlung führen werden, und er gibt einen ganz klaren Rat in Richtung NATO und Bundesregierung: Nicht draufsatteln, sondern mäßigen! ({6}) Ich glaube, es wäre wichtig, dass die Bundesregierung diesen Rat beherzigt . Denn das ist der alte Irrweg, dass man auf ein Manöver mit dem nächsten Manöver und auf Aufrüstung auch mit Aufrüstung reagiert; das ist die Spirale des Kalten Krieges . Wir sollten eigentlich etwas aus dem Kalten Krieg gelernt haben . Da teile ich ja die Meinung von Thomas Oppermann, aber ich würde dann auch erwarten, dass ihr euch mit dieser Haltung gegenüber der Bundesregierung und der NATO durchsetzen könnt . Da werden nämlich andere Dinge diskutiert . Die Kanzlerin hat es dargestellt . Da wird diskutiert, dass die Raketenabwehr als angeblich defensives System - es wird von Russland überhaupt nicht als defensiv empfunden - weiter ausgebaut werden soll . Die Reaktion darauf zeigt sich bereits: In Kaliningrad werden jetzt auch Raketen aufgestellt . Genau das ist der Einstieg in die Rüstungsspirale . Das ist in der Vergangenheit immer mit dem Iran begründet worden . Jetzt haben wir das Abkommen mit dem Iran, aber es wird weiter daran festgehalten . Das ist genau der Irrweg, den wir eigentlich überwunden haben sollten . Ich würde von euch und auch von Herrn Steinmeier erwarten, dass ihr euch, wenn das schon erkannt wird, gegenüber der Bundesregierung entsprechend durchsetzt . ({7}) Was die Gespräche darüber angeht, dass jetzt dauerhaft NATO-Truppen in den östlichen Staaten stationiert werden sollen - wir sprechen nicht von Air Policing; das können wir absolut verstehen und halten es für richtig, sondern es geht um die dauerhafte Stationierung von Truppen -, besteht die Gefahr, dass die NATO-Russland-Grundakte auch von unserer Seite gebrochen wird . Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich ganz eindeutig dagegenstellt . Denn das wäre ein weiterer Schritt in Richtung Eskalation . ({8}) Die Bundeskanzlerin hat auch hier davon gesprochen, dass 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgegeben werden sollen . Das würde bedeuten, wenn wir es wirklich umsetzen, dass wir 25 Milliarden Euro mehr für Rüstung ausgeben würden . Es kann doch nicht ernsthaft die Antwort der Großen Koalition auf die globalen Herausforderungen sein, 25 Milliarden Euro mehr für Waffen ausgeben zu wollen . Ist das eine Belohnung für das, was wir bereits sehen: dass Frau von der Leyen die Bundeswehr nicht im Griff hat und dass bis jetzt viel Geld verschwendet worden ist? Das kann doch nicht ernsthaft Ihre Antwort auf die globalen Herausforderungen sein . ({9}) Es war die Rede davon, dass die NATO im Abriegeln der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei sehr erfolgreich ist und dass dort weniger Menschen sterben . Ja, das kann man, wenn man so will, als Erfolg sehen . Aber wenn man sieht, was im Mittelmeer insgesamt pasDr. Anton Hofreiter siert - dass die Menschen jetzt über Ägypten fliehen, was ein weitaus gefährlicherer Weg ist und dazu führt, dass sie wesentlich länger auf dem Meer sind, sodass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass mehr Menschen ertrinken -, zeigt sich eindeutig, dass militärische Abschottung keine sinnvolle Maßnahme ist, wie man mit Geflüchteten umgeht . Auch da würde ich erwarten, dass Sie sich um die Ursachen kümmern und nicht nur auf Abschottung setzen . ({10}) Ursprünglich war ja vorgesehen, dass wir heute auch über den Brexit sowie über die Ergebnisse des Europäischen Rates diskutieren ({11}) und dass Frau Merkel in der Regierungserklärung etwas dazu sagt. Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir von ihr dazu nichts gehört haben . Von der Bundesregierung insgesamt haben wir nämlich sehr, sehr viel gehört - aber extrem viel Unterschiedliches . Europa steht vor der größten Herausforderung in seiner Geschichte . Die Europäische Union ist bedroht wie nie, und was haben wir für eine Bundesregierung? Wir haben einen Herrn Schäuble, der mehr Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten fordert und gleichzeitig auf die EU-Institutionen wie die Kommission eindrischt . Wenn ich mir Herrn Schäubles Bilanz bei der Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten anschaue, so fällt mir zum Beispiel die Finanztransaktionsteuer ein, die in der letzten Legislaturperiode vereinbart wurde . ({12}) Ich glaube, wir haben sie immer noch nicht umgesetzt . Sie sollten sich einmal an die eigene Nase fassen, Herr Schäuble, und überlegen, wie erfolgreich diese Zusammenarbeit bis jetzt ist, statt auf andere einzudreschen . ({13}) Wenn ich mir diese Bundesregierung weiter anschaue, so haben wir dort einen Herrn Gabriel, der die EU gleich neu gründen möchte und davon spricht, dass mehr investiert wird . - Ja, das halten wir für richtig, dass mehr investiert wird . ({14}) Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union - ich glaube, ihr seid in der gleichen Koalition; Herr Gabriel ist immerhin Vizekanzler - antwortet auf die Vorschläge des Vizekanzlers mit der Aussage: Griff in die sozialistische Mottenkiste . ({15}) So präsentiert sich die Große Koalition . So präsentiert sich die Bundesregierung in der größten Herausforderung, vor der die Europäische Union steht . ({16}) So präsentiert sich die Regierung eines der wichtigsten und mächtigsten Länder der Europäischen Union . Das kann doch nicht euer Ernst sein! ({17}) Und wie reagiert die Bundeskanzlerin auf das Ganze? Wie reagiert sie auf das Chaos in ihrer eigenen Regierung? Sie reagiert damit, dass sie einfach dazu schweigt . Das kann doch nicht ihr Ernst sein angesichts der historischen Aufgabe, vor der wir stehen! Das ist ein historisches Versagen dieser Bundesregierung . ({18}) Selbstverständlich müssen wir uns intensiv damit beschäftigen, was eigentlich los ist in Europa, warum Antieuropäer und Rechtspopulisten einen solchen Zulauf erhalten: fast 50 Prozent für die FPÖ in Österreich, Le Pen führt in den Umfragen für die Präsidentschaftswahlen, und in Polen und Ungarn sind bereits Regierungen mit einem extrem seltsamen Demokratieverständnis an der Macht . Wir könnten viele weitere Länder aufzählen . Wir müssen uns überlegen, wo die Zusammenhänge sind . Natürlich hat das auch etwas mit Fehlern in nationaler und europäischer Politik zu tun . Wir halten CETA auch für grundfalsch und haben die Rechtsauffassung, dass CETA stark in die Belange der Nationalstaaten eingreift und deshalb rechtlich ein gemischtes Abkommen ist . ({19}) Aber man kann nicht davon sprechen, dass es, wenn nur das Europaparlament darüber abstimmen würde, antidemokratisch wäre . Es ist in unseren Augen eine falsche Entscheidung, dies zu tun . Aber eine falsche Entscheidung, die von einer Mehrheit gedeckt ist, ist nicht deshalb antidemokratisch, nur weil ich oder die Linksfraktion sie für falsch halten . Vielmehr muss man dann halt für andere Mehrheiten kämpfen und darf nicht davon reden, dass diese Entscheidungen antidemokratisch wären . ({20}) Europa muss wieder dafür sorgen, dass es seine vier Grundversprechen erfüllt . Diese waren: Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand für alle . Wenn wir gemeinsam dafür sorgen, dann haben wir auch alle Chancen, dass die Menschen wieder der Meinung sein werden: Die Europäische Union ist eine gute Sache; die Europäische Union dient allen . Die Europäische Union ist unsere einzige Chance, bestimmte grundlegende Probleme weltweit zu lösen . Viele Nationalstaaten sind zu klein, um Herausforderungen wie der Klimakrise

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- und den Steuerhinterziehungen transnationaler Konzerne zu begegnen . Dazu brauchen wir die Europäische Union - nicht, weil es eine Garantie dafür gibt, dass sie die richtige Politik macht, aber weil es die Chance gibt, dass sie die richtige Politik macht, wenn wir die richtigen Mehrheiten erkämpft haben . Vielen Dank . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der NATO-Gipfel in dieser Woche findet in einer politisch bewegten Zeit in Europa und in der Welt statt . Der NATO-Gipfel macht auch deutlich, dass es zur Lösung der Probleme auf uns alle ankommt . In der NATO sind die Staaten Europas und andere in einem Bündnis miteinander vereint, und zwar in einem Bündnis, ({0}) das ausschließlich - ich habe Veranlassung, dies so deutlich zu sagen, nach einigen Äußerungen in den letzten Tagen - defensiv angelegt ist . ({1}) - Bei Ihnen fällt mir eigentlich nichts mehr ein nach dem, was Ihre Fraktionsvorsitzende heute abgeliefert hat . ({2}) Sie können genauso wie wir alle stolz darauf sein, dass wir in einer Demokratie leben, wo auch solche Sachen gesagt werden können, und nicht in einem Land wie Russland, wo Pressefreiheit nicht existiert und wo Menschen, die etwas sagen, was der Regierung nicht passt, verfolgt werden . ({3}) Wir dürfen stolz darauf sein, in einer solchen Demokratie zu leben . ({4}) In dieser bewegten Zeit kommt es also darauf an, dieses Europa zu stärken und eine Antwort auf die Konflikte zu geben, die uns alle so beschäftigen und belasten . Ja, es ist richtig, dass dieses Bündnis, das defensiv angelegt ist, den Dialog mit denjenigen sucht, die als wichtige Mitspieler auf der politischen Bühne auftreten . Aber es kommt auch darauf an, dass man die Dinge richtig benennt. Deswegen finde ich das völlig richtig, Herr Hofreiter, was Sie heute gesagt haben und was auch im Entschließungsantrag Ihrer Fraktion steht . Aber was als Konsequenz formuliert wird, ist nicht überzeugend . Wenn ich in Ihrem Antrag den Satz lese: „Gleichzeitig muss Russland auch bereit sein, dieses Angebot anzunehmen“, dann kann ich nur sagen: Russland nimmt das eine oder andere Angebot eben nicht an . Auch darauf müssen wir eine Antwort finden. Es ist ein wenig blauäugig, zu formulieren, dass wir nicht in eine neue Spirale der Aufrüstung geraten und nicht auf jedes Manöver eine gleiche Antwort geben dürfen, und dann zu sagen: Aber Russland muss das Angebot, das wir machen, auch annehmen . - Damit Russland dieses Angebot annimmt, muss klar und deutlich gesagt werden: Wir sind nicht wehrlos, wenn Verträge mit Füßen getreten werden und wenn Länder wie die Ukraine überfallen werden . Sie haben völlig recht: Das ist noch viel schlimmer, als das Völkerrecht zu verraten, wie es die Russen getan haben . Die Russen haben den Ukrainern versichert: Wenn ihr die Atomwaffen abgebt, sind eure Grenzen sicher . - Das ist eine der großen politischen Lügen, die wir in dieser Zeit erlebt haben . ({5}) Das darf nicht einfach mit dem lapidaren Satz „Russland muss das Angebot auch annehmen“ beiseitegeschoben werden . Richtig ist - da wir nach politischen Lösungen suchen -, dass wir miteinander reden müssen . Aber dieses Miteinanderreden muss, wie es so schön heißt, auf Augenhöhe stattfinden. Dieses Miteinanderreden muss auch bedeuten, dass der andere weiß, dass der Gesprächspartner genauso stark ist wie er selber, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Kauder, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein . ({0}) - Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: Es muss auch möglich sein, wenn man eine Redezeit von nur zehn Minuten hat, in diesem Haus Gedanken klar zu formulieren . Sie hatten Ihre Redezeit und machen sowieso Zwischenfragen, wie es Ihnen gerade passt . ({1}) Wir müssen klipp und klar sagen, dass wir auf Augenhöhe sein müssen, damit der andere nicht den Eindruck hat, dass er mit dem, was er schon einmal gemacht hat, nämlich andere zu überfallen, Gesprächspartnern drohen kann . Jetzt, Herr Hofreiter, kann ich nur sagen: Wir alle wollen keine Spirale der Aufrüstung . Aber ich habe damals - Sie wahrscheinlich auch - intensiv an der Debatte über den NATO-Doppelbeschluss teilgenommen . Ich weiß noch, was mir damals alles gesagt worden ist . Das Ergebnis war: Nur dadurch, dass wir die NATO-Nachrüstung beschlossen haben, wie Gorbatschow formuliert hat, war es überhaupt möglich, einen anderen Weg, nämlich einen friedlicheren Weg, zu beschreiten . Es ist eben nicht so, dass wir aus der Geschichte nicht lernen können . ({2}) Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass Helmut Schmidt dies gesehen hat, aber die SPD ihm darin nicht ganz so richtig gefolgt ist . Aber wir sollten die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen . Deswegen sage ich: Ja, es ist richtig, wenn die NATO demonstriert: Wir sind so stark, dass wir uns verteidigen können, aber wir sind auch so stark, dass wir den Dialog führen können . - Der Dialog mit Russland wird geführt . Auch ich hätte mich gefreut, wenn der NATO-Russland-Rat vor dem NATO-Treffen hätte stattfinden können. Die Russen wollten das nicht . Sie wollen den NATO-Russland-Rat erst nachher einberufen. Okay, aber er findet auf jeden Fall statt . Deswegen halte ich es für völlig falsch, wenn für die NATO durch Formulierungen der Eindruck erweckt wird, als ob sie Aggressionen ausübt . Die NATO ist ein defensives Bündnis, ({3}) und die Aggression kam von anderen, nicht von der NATO . ({4}) Eine Voraussetzung dafür, dass die NATO stark bleiben kann - da hat Thomas Oppermann völlig recht -, ist, dass Europa stark bleibt . Ohne ein starkes Europa und starke europäische Staaten wird die NATO ihre Aufgabe nicht erfüllen können . Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen diesem Verteidigungsbündnis und Europa . Dass Europa stark bleibt und in Teilen wieder stark wird, hängt natürlich damit zusammen, dass Europa wirtschaftlich konkurrenzfähig ist . Da zeigt doch der Blick auf unsere innenpolitische Situation: Stark im Wettbewerb kann nur ein Land sein, das sich entschließt, erstens Reformen durchzuführen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, und zweitens keine neuen Schulden zu machen . Angriffe auf unseren Bundesfinanzminister wie die, die schwarze Null sei ein Fetisch, sind absolut nicht in Ordnung . Das hat nicht Kollege Oppermann gemacht, aber aus der SPD ist das gekommen . Da kann ich nur sagen: Die schwarze Null ist kein Fetisch, sondern sie ist eine existenzielle Voraussetzung dafür, dass auch die junge Generation Chancen in diesem Land und in Europa hat . ({5}) Zu der Aussage „Wir wollen keine neuen Schulden machen, sondern wir wollen das in Europa anders organisieren“ kann ich nur sagen: Es war auch eine Stimme aus der SPD, die damals im Zusammenhang mit Griechenland formuliert hat, der deutsche Arbeiter könne mit seinen Steuergeldern nicht die Renten in Athen bezahlen . Auch daran muss ich einmal erinnern . ({6}) Deswegen rate ich dazu, alles in Ruhe miteinander zu besprechen . Jetzt kann ich noch einmal sagen, was ich schon in der letzten Debatte gesagt habe . ({7}) - Nein, Herr Gabriel . Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern mit der Realität, die ich jetzt abgebildet habe . Aber das wollen wir jetzt nicht vertiefen . Außerdem dürfen Sie von der Regierungsbank gar nicht dazwischenrufen . Wenn Sie das tun möchten, müssen Sie auf den Abgeordnetenbänken Platz nehmen . Aber lassen wir das . ({8}) Ich möchte darauf hinweisen, dass es keinen Sinn macht - lieber Thomas Oppermann, da sind wir uns ja einig -, Geld in etwas hineinzuwerfen, ohne dass man vorher die Strukturen verändert hat . Ich erläutere das einmal an einigen Beispielen . Wenn wir der jungen Generation keine berufliche Ausbildung ermöglichen und glauben, dass der Facharbeiter nichts mehr wert ist, sondern dass jeder studieren muss, dann haben wir eine Situation wie beispielsweise in Spanien . Auf eine solche Situation können wir nicht dadurch reagieren, dass wir noch mehr Geld geben . Stattdessen müssen sich Strukturen ändern, und es muss für Wachstum gesorgt werden . Nächstes Beispiel . Wir wollen in Europa bei Projekten zusammenarbeiten . Der

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Bei gemeinsamen Rüstungsprojekten können wir nicht zusammenarbeiten, weil die Vorschriften in Deutschland so sind, dass wir Franzosen damit nicht leben können . - Dazu kann man sagen: Das ist okay . Aber dann darf man nicht bejammern, dass wir keine Chance auf gemeinsame Wachstumsprojekte in der Europäischen Union haben . Auch das muss man einmal klar und deutlich sagen . ({0}) Ich rate, dass wir in Europa erst einmal in aller Ruhe die Antwort aus Großbritannien abwarten, dann Gespräche führen, dass wir uns vor allem aber bewusst machen, dass wir den Weg, der bei uns zum Erfolg geführt hat, nämlich Reformen durchzuführen und Wachstumsimpulse zu setzen, auch in Europa beschreiten müssen . Wir sollten nicht auf Rezepte zurückgreifen, die sich in der Vergangenheit auch in unserem Land nicht bewährt haben . ({1}) Richtig ist auch, dass die Zustimmung zu Europa gerade bei der jungen Generation davon abhängt, dass dieVolker Kauder ses Europa Perspektiven für sie bieten kann . Das, was wir als einen Grund für die Flucht in Afrika und anderen Regionen benennen - dass junge Menschen keine Perspektive erkennen -, das darf nicht das Ergebnis in Europa sein . Auch deswegen ist es richtig, dass wir für junge Menschen Perspektiven schaffen . Ich habe darauf hingewiesen, dass dafür Reformen notwendig sind . Gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung, die in Großbritannien getroffen worden ist, müssen wir aber auch klar und deutlich sagen - da stimme ich Thomas Oppermann zu -, was es für Konsequenzen hat, wenn man Leuten nachläuft, die populistisch sind, die, um es einmal vorsichtig zu formulieren, falsche Aussagen machen und die, was ebenfalls der Wahrheit entspricht, die Menschen anlügen . Wer Populisten nachläuft - das zeigt Großbritannien -, der schadet sich selbst, und dies müssen wir immer wieder deutlich machen . Aber dazu gehört auch, festzustellen - ich habe Veranlassung, das heute zu sagen -: In einer Koalition, in jeder Koalition gibt es bei der einen oder anderen Frage natürlich unterschiedliche Auffassungen . Das sage ich jetzt ohne Ironie - das gibt es in deiner Partei, Thomas Oppermann, und auch in meiner -: Es ist eben so, dass nicht alle Menschen die gleiche Meinung haben . Das wäre ja auch wirklich langweilig . Aber eines ist doch klar - das anzuerkennen, darum bitte ich -: Wir sollten das, was wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren in dieser Großen Koalition gemeinsam erreicht haben, was unserem Land nützt und was den Menschen nützt, jetzt nur wegen des Wahlkampfs nicht kleinreden . Es gab noch nie eine Situation in unserem Land - in Deutschland -, in unserer Zeit, in der es den Menschen so gut ging wie heute . ({2}) Dazu können wir aus gutem Grund sagen, ({3}) um genau den Populisten entgegenzutreten: Das hat auch etwas mit unserer Politik, mit der Politik dieser Großen Koalition zu tun . Dazu sollten wir uns bekennen . ({4}) - Damit das einmal ganz klar ist: Sie haben dazu keinen Beitrag geleistet . ({5}) Deshalb finde ich, dass wir auf das, was wir miteinander gemacht haben, was den Menschen dient und vor allem der jungen Generation in unserem Land dient - sie hat alle Chancen -, miteinander stolz sein dürfen, und dies dürfen wir auch sagen. Ja, unser Land befindet sich in einem guten Zustand . Es gibt große Herausforderungen, aber gerade weil wir wissen, was wir durch richtige Politik leisten können, sind wir zuversichtlich - auch für die Zukunft . ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Niels Annen ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion . ({0})

Niels Annen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank . - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kauder, wir sind auch zuversichtlich; darauf können Sie sich gern beziehen . ({0}) Ich möchte in meiner kurzen Redezeit doch noch einmal etwas zur NATO sagen . Herr Kauder, Sie haben Helmut Schmidt genannt . Es ist immer gut, ihn in diesem Hause zu nennen, aber ich darf schon darauf hinweisen, dass es in diesem Parlament einen Grundkonsens gibt vielleicht mit Ausnahme der Kolleginnen und Kollegen der Linken . Schon seit 1960, seit der großen Rede von Herbert Wehner, bekennt sich dieses Land zur engen Einbindung in die NATO . Ich glaube, dass uns das insgesamt, dass es unserer Sicherheit und unserer Verankerung gutgetan hat . Deswegen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sagen wir auch vor dem NATO-Gipfel: Beides brauchen wir . Wir brauchen die Stärke des Bündnisses, ja, auch die Abschreckung, aber wir brauchen ebenfalls die Dialogbereitschaft . Dass das nicht nur eine Phrase ist, hat unser Außenminister in den letzten Monaten bewiesen . Wir handeln nach der Philosophie des Harmel-Reports . Dazu will ich hier einige Beispiele nennen . Das erste Beispiel ist die NATO-Russland-Grundakte . Sie ist ein Dokument, das wir dringender als jemals zuvor nötig haben; das hätten wir alle uns nicht träumen lassen . Wir müssen es jetzt wieder mit neuem Leben erfüllen . Deswegen haben wir eine klare Linie formuliert . Es bleibt dabei: keine permanente Stationierung substanzieller Kampftruppen in den neuen Mitgliedstaaten . Dafür hat sich die SPD eingesetzt, und es wird umgesetzt . ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin ferner dankbar, dass die Bundeskanzlerin das angesprochen hat - wir haben lange daran gearbeitet -: Die Operation Active Endeavour wird von Artikel 5 des Washingtoner Vertrages entkoppelt, und damit wird die Möglichkeit geschaffen, sie auf eine breitere politische Grundlage zu stellen - das richtige Signal vor den Beratungen, die jetzt in Warschau beginnen . ({2}) Insgesamt ist diese Philosophie von Abschreckung und Dialog auch in dem nachlesbar, was jetzt an Gipfeldokumenten vorbereitet worden ist . Ich will aufgrund der aktuellen Spannungen, auf die hingewiesen worden ist, noch ein paar andere Punkte nennen, zum Beispiel die militärische Krisen-Kontakt-Diplomatie, wenn man das so sagen darf, also das, was man früher „Rotes Telefon“ genannt hat . Meine Damen und Herren, wir brauchen offensichtlich solche Instrumente heute wieder . Ich bin unserem Außenminister dankbar, dass diese Initiative gestartet worden ist, dass es wieder direkte Militär-zu-Militär-Kontakte gibt, um Missverständnisse zu vermeiden . Ich habe mir die Reaktivierung des NATO-Russland-Rats hier dick angestrichen, weil auch sie ganz entscheidend ist . Ich hätte mir gewünscht, dass es noch ein Treffen vor dem Gipfel gibt . Es gibt eines nach dem Gipfel; Russland hat sich mit der NATO darauf verständigt . Aber es bietet auch eine Chance der direkten Kommunikation, wenn die Beratungen abgeschlossen sind . Wir sollten uns vornehmen, das weiter fortzusetzen . Ich glaube, das kann in diesem Parlament unterstützt werden . Ich will einen weiteren Punkt nennen . Wir haben eine ganze Reihe von Instrumenten aus der Zeit des Kalten Krieges, die Vertrauen schaffen sollen, und wir brauchen sie heute wieder . Deswegen ist die Frage, ob man bei Manövern, bei Übungen Beobachter einlädt, keine Banalität . Wir wissen, dass die Regeln zum Teil unterlaufen werden: durch die Größe der Manöver, durch kurzfristige Ankündigungen etc . Also: Wir müssen zu dieser Kultur des Vertrauens zurückkommen . Deswegen setzen wir uns als SPD-Fraktion dafür ein, dass beispielsweise das Open-Skies-Regime auch durch einen eigenen Beitrag unterstützt wird . Ich hoffe, Frau Ministerin, dass wir das versprochene, in Aussicht gestellte Flugzeug hierfür bald bereitstellen können . Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu der allgemeinen Philosophie sagen, über die ich gesprochen habe . Deutschland steht zu den Rückversicherungsmaßnahmen . In der deutschen Öffentlichkeit ist nicht immer im Detail darüber gesprochen worden, was wir alles getan haben . Air Policing, Very High Readiness Joint Task Force - wer sich solche Begriffe ausdenkt, weiß ich auch nicht so genau - und andere Maßnahmen sind ein ganz klares Commitment zur Sicherheit der baltischen Staaten . Auch der Dialog mit Russland - ich würde mir manchmal wünschen, das würde von den Kolleginnen und Kollegen in den baltischen Staaten einmal honoriert - dient der Sicherheit des Bündnisses . Deswegen ist es richtig gewesen, dass unser Außenminister das deutlich gemacht hat . ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir haben uns vor diesem Gipfel vernünftig, ausgleichend, aber auch entschlossen aufgestellt . Das wird sicherlich auch in den Beratungen deutlich werden . Dass sich das deutsche Parlament in diesem Geiste mit der NATO identifiziert, aber auch die eigenen Interessen deutlich macht,

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Niels Annen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- das ist der richtige Weg . Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche gute Beratungen in Warschau . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Florian Hahn ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gipfel in Warschau fällt in eine wahrlich turbulente Zeit . Die Herausforderungen, darunter das Verhältnis zu Russland sowie der Krisengürtel, der vom Nahen Osten bis nach Nordafrika reicht, sind gewaltig . Daneben schaffen der internationale Terrorismus, der mitten unter uns wütet, wie wir mit Blick auf den furchtbaren Anschlag in Istanbul vor wenigen Tagen einmal mehr erleben mussten, die Verbreitung ballistischer Raketen und die Bedrohung durch Cyberangriffe eine neue, komplexe Unsicherheit, in der konkrete Gegenmaßnahmen immer schwerer zu finden sind. Kurz: Die NATO befindet sich in der schwierigsten Phase seit dem Ende des Kalten Krieges . Genau aus diesem Grund muss eine zentrale Botschaft in Warschau sein, dass wir weiterhin gemeinsam auf diese Veränderungen reagieren . Das wichtigste Signal nach außen muss unsere Geschlossenheit sein . In Zeiten wie diesen, in denen wir große sicherheitspolitische Aufgaben in Angriff nehmen, müssen Allianz und Partnerschaften wachsen, an Rückgrat gewinnen - zum einen aus den pragmatischen Gründen, aus der simplen Logik, dass man gemeinsam mehr erreicht als allein, zum anderen aufgrund der schlichten Erkenntnis, dass der Rückzug, die Einigelung, der Ausruf „Das geht mich nichts an“ oder „Wir können das auch alleine“ in der heutigen Welt, bei den aktuellen Bedrohungen nicht mehr möglich sind . Das Votum der Briten für den Austritt aus der EU erscheint vor diesem Hintergrund besonders gravierend . Aber auch wenn es eine tiefe Zäsur darstellt, ist es nicht das Ende Europas und erst recht nicht das Ende unserer sicherheitspolitischen Beziehungen zu Großbritannien . Wir werden weiterhin sehr eng mit den Engländern zusammenarbeiten, gerade im Rahmen der NATO . Auch bei uns und in den anderen europäischen Ländern gibt es Stimmen, die sagen: Die Kosten einer Allianz wie der NATO sind höher als ihr Nutzen . - Teilweise wird die Idee der transatlantischen Partnerschaft rundheraus abgelehnt . Ängste vor einer zu großen Dominanz der USA oder klassischer Antiamerikanismus sind treibende Kräfte der NATO-Kritiker . Die inhaltliche und sprachliche Nähe von Frau Wagenknecht und der Linken auf der einen Seite und von Herrn Höcke, AfD, auf der anderen Seite ({0}) finde ich in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert und wirklich entlarvend . ({1}) Dem möchte ich entgegensetzen: Die NATO ist nicht nur ein Verteidigungsbündnis, durch das sich die Mitgliedsländer gegenseitig stützen; sie ist auch eine Wertegemeinschaft freier Staaten . Gemeint ist damit, dass wir geeint sind in unseren demokratischen Prinzipien und dass freie Rede und offene Diskussion die Basis aller Bündnisbeschlüsse sind . Hier muss, wenn nötig, auch Kritik geäußert werden . So ist beispielsweise das Verhindern eines Besuchs deutscher Abgeordneter bei unseren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Incirlik, in einem NATO-Partnerland, indiskutabel und muss bei der NATO entsprechend angesprochen werden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussionen über die Prioritätensetzung angesichts gleichzeitiger Unsicherheiten im Osten und im Süden waren sehr lehrreich . Wie soll die NATO reagieren, wenn die Bedrohungsempfindungen der Mitglieder divergieren? Welche unterschiedlichen Antworten sind möglich, wenn sie zeitgleich gegeben werden müssen? Mit der schnellen Einigung auf die Mission in der Ägäis - übrigens ein Beispiel dafür, dass Frau von der Leyen die Dinge sehr gut im Griff hat, lieber Herr Hofreiter - sowie auf die Unterstützung Jordaniens hat die NATO gezeigt, dass sie keinesfalls auf den Osten fixiert ist, sondern auch im Süden entschlossen reagiert . Islamistischer Terror, bei dem Gewalt zum Selbstzweck geworden ist, aber auch Staatszerfall und Flüchtlingskrise fordern uns an der Südflanke in besonderem Maße . Eine ausschließlich militärische Antwort greift zu kurz . Weitere Anpassungen unserer Instrumente zur Stabilisierung der Region und eine enge Abstimmung mit den Vereinten Nationen und der Europäischen Union werden notwendig sein . Mit Blick auf russische Realitäten und die Sorgen unserer Bündnispartner im Osten möchte ich auf eine Tatsache hinweisen, die in der Mitte oder im Süden Europas gelegentlich in Vergessenheit gerät: Entfernung spielt eine Rolle . So trennt der Fluss Narva nicht nur Russland und Estland, sondern ist heute auch Trennungslinie zwischen Russland und der NATO. Außerdem befindet sich hier seit dem 1 . Mai 2004 eine östliche Außengrenze der Europäischen Union . Glaubt man Experten, dann kann Russland in nur 60 Stunden das Baltikum überrennen . Selbst wenn ein solches Vorgehen hochgradig irrational wäre, muss man diese Fähigkeiten beachten und das Bedrohungsgefühl in Litauen, in Lettland, in Estland oder in Polen gerade mit Blick auf die Geschichte ernst nehmen . Das hat der Kollege Hofreiter ja sehr gut dargestellt . Ich möchte betonen: Vier ständige, rotierende Kampfbataillone im Osten des Bündnisgebietes sind dringend notwendig und stehen als begrenzte Militärpräsenz im Einklang mit der NATO-Russland-Grundakte . 4 000 Soldaten sind wirklich kein Grund für Moskau, sich bedroht oder eingekreist zu fühlen . Sollte das wirklich so sein, wird das dem sonstigen militärischen Selbstbewusstsein der Russischen Föderation nicht gerecht . Bei all den Diskussionen der letzten Tage sollte eines klar sein - Generalsekretär Stoltenberg betont dies zu Recht immer wieder -: Die NATO sucht keine Konfrontation mit Russland . Die NATO reagiert auf russisches Handeln mit Maß, Transparenz und Verantwortungsbewusstsein . ({2}) Aber reagieren müssen wir, um glaubhaft zu demonstrieren, dass Bündnissolidarität weiterhin oberste Priorität hat . Natürlich müssen dabei die Abschreckungsanstrengungen mit Augenmaß erfolgen . Leider hat Russland in der Vergangenheit klassische Instrumente der Konfliktverhütung ignoriert, wie die Absage eines Treffens des NATO-Russland-Rates noch vor dem Warschauer Gipfel zeigt . Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zudem auf eines hinweisen: Die NATO veröffentlicht auf ihrer Website alle Informationen zu ihren geplanten und vergleichsweise bescheidenen Manövern . Sie hält sich damit strikt an das Wiener Dokument der OSZE zur Beobachtung und Kontrolle von Manövern . Nicht so Russland: Übungen ohne Vorwarnungen in Grenznähe, sogenannte Snap Drills, häufen sich . 2016 wurden bereits acht unerwartete russische Übungen mit massivem Truppeneinsatz durchgeführt . Solche Provokationen können zu fatalen Fehlkalkulationen führen . Wir brauchen eine umfassende Transparenz der Manöver, um das Eskalationspotenzial so weit wie möglich kleinzuhalten . Gesprächskanäle und Möglichkeiten zur Kooperation gilt es immer aufrechtzuerhalten . Es ist wichtig, dass wir nicht ausschließlich übereinander reden, sondern auch miteinander .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn der Kreml Bereitschaft zum Dialog und zur Zusammenarbeit zeigt, dann steht die Tür weit offen . Bis dahin muss aber das Signal sein, dass wir geschlossen hinter den verteidigungspolitischen Maßnahmen der NATO stehen . Eine Doppelstrategie aus Abschreckung und ausgestreckter Hand hat sich schon in der Vergangenheit bewährt .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen .

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deutschland hat 60 Jahre lang von der NATO profitiert . Das Bündnis war ein Garant für Frieden, Freiheit, Sicherheit und territoriale Integrität . Gerade in Berlin erinnern sich viele an den Sinn und Zweck faktischer militärischer Präsenz der NATO-Verbündeten . Das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten . Danke schön . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Wolfgang Hellmich das Wort . ({0})

Wolfgang Hellmich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004226, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich der Bundeskanzlerin für ihre Regierungserklärung danken, weil sie den Soldatinnen und Soldaten, die mit ihren in der NATO hochgeschätzten Fähigkeiten an vielfältigen Stellen - in Stettin, in Polen und in den baltischen Ländern - im Auftrag der NATO ihren Dienst leisten, klargemacht hat, dass ihr Einsatz im Rahmen eines sehr ausgewogenen Konzepts der Bundesregierung auf der einen Seite Bestandteil des diplomatischen Dialogs ist und auf der anderen Seite Bestandteil der Bemühungen, die Verteidigungsfähigkeit der Bündnispartner der NATO zu stärken, zu sichern und zu festigen . Ich glaube, das ist der nötige politische Rahmen, der deutlich macht, dass nicht nur dieses Parlament, sondern auch die Bundesregierung hinter dem steht, was unsere Soldatinnen und Soldaten dort leisten . Wir müssen im Laufe der nächsten Zeit auch für die entsprechende Ausrüstung, Versorgung und personelle Ausstattung der Bundeswehr sorgen, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann . ({0}) Frau Wagenknecht, eines zu Ihnen: Sie können noch so sehr versuchen, dieses Rednerpult zur Bühne Ihrer Propaganda zu machen . Ich möchte aber darauf hinweisen, dass, während wir in der NATO-Parlamentarierkonferenz versucht haben, in intensiven Diskussionen mit den Delegierten, mit vielen Parlamentariern aus anderen NATO-Staaten, dafür zu sorgen, den Ansatz der Bundesregierung, die 360-Grad-Perspektive, die dort wichtig ist, in den Beschlüssen zu verankern, Ihre Delegierten es vorgezogen haben, gar nicht erst zu kommen . - Das zu der Frage, was die Realität ist und was man im politischen Alltag tut . Deshalb fällt niemand auf Ihre Propaganda herein . ({1}) Das heißt wohl: Wenn man keine Mehrheit hat, geht man gar nicht erst in eine Debatte mit Abgeordneten . Das ist ein sehr interessanter Ansatz . Zuallerletzt, um meine drei Minuten sinnvoll auszufüllen, eine wichtige Botschaft: Die Bundesministerin der Verteidigung kann vieles regeln, auch in der Türkei; sie kann aber nicht das Zugangsrecht für Abgeordnete regeln . Deshalb werden wir es selber versuchen . Wir haben gestern im Verteidigungsausschuss einstimmig beschlossen, im Herbst eine Delegationsreise des Ausschusses in die Türkei zu machen mit dem Besuch der NATO-Einrichtungen, mit dem Besuch unserer Soldatinnen und Soldaten und mit Gesprächen mit den türkischen Abgeordneten, um an dieser Stelle deutlich zu machen, dass unter NATO-Partnern Abgeordnete freien Zugang nicht nur zu den Standorten der Soldatinnen und Soldaten des eigenen Landes, sondern auch zu den dortigen NATO-Einrichtungen haben und auch mit Abgeordneten des türkischen Parlamentes diskutieren können . In Tirana hatten wir die Gelegenheit, mit türkischen Abgeordneten zu sprechen, die uns sagten: Wir wissen nicht, ob wir nicht vielleicht schon in zwei Wochen im Gefängnis sitzen . - Wir werden all diese Punkte thematisieren, weil sie in eine Debatte um die NATO gehören . Das werden wir als Abgeordnete in der Türkei selber machen . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Henning Otte erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, vielen Dank . - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der bevorstehende NATO-Gipfel in Warschau ist die Zusammenkunft einer Verantwortungsgemeinschaft, die als festes Bündnis für Frieden, für Freiheit und für Stabilität einsteht . Gerade in dieser Zeit, in der wie in einer Zeitenwende stabil geglaubte Strukturen plötzlich instabil zu sein scheinen, in der eine russische Regierung mit einem Völkerrechtsbruch eine aggressive Politik führt, in der Staaten im Nahen und Mittleren Osten zu zerfallen drohen und in der der IS-Terror zu einer Bedrohung des Weltfriedens wird, ist es von elementarer Bedeutung, dass wir auf dem NATO-Gipfel das Signal nach außen senden, und zwar geschlossen und entschlossen: Freiheit und Sicherheit sowie die Wahrung unserer Werte innerhalb unseres Bündnisses sind für uns unantastbar . Meine Damen und Herren, mit einem Dreiklang aus Verteidigungsbereitschaft, Ertüchtigungsbereitschaft und Dialogbereitschaft gewährleisten wir die Souveränität der Mitgliedstaaten . Die Souveränität, über die Deutschland jetzt verfügt, basiert auch darauf, dass die NATO eine Säule für den ständigen Dialog auch im Kalten Krieg war und ein Pfeiler der Wiedervereinigung . Dass die Linken das komplett anders sehen, ist nur so zu begründen, dass sie mit ihrer Geschichtsdeutung ohnehin ein Problem haben . Ich kann nur sagen: Wir von der Union und auch in der Großen Koalition wollen, dass diese Stabilität und Souveränität auch für die nächste Generation erhalten bleiben . Deutschland ist bereit, dafür Verantwortung zu übernehmen . ({0}) Mit der Neuausrichtung der Bundeswehr sind die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden . Wir haben ein breites Fähigkeitsspektrum, sodass wir als Rahmennation unseren Partnern anbieten können, sich anzulehnen. Wir können frühzeitig mit flexiblen Strukturen auf sich verändernde Sicherheitslagen reagieren, und wir übernehmen auch Verantwortung in Vorleistung, beispielsweise mit der sogenannten schnellen Speerspitze. Dies begleiten wir mit einer stärkeren finanziellen, personellen und auch materiellen Ausstattung; denn wir sagen: Attraktivität, Ausrüstung und Ausbildung sind die drei festen Säulen für unsere Streitkräfte innerhalb der NATO . Unsere Bundeskanzlerin hat auch deutlich gesagt, dass wir, gemessen an der NATO-Quote, bereit sein müssen, mehr zu investieren . Eine gute Investition in Sicherheit, in Freiheit ist das unverrückbare Fundament unserer Gesellschaft . Diese Freiheit ist allerdings in Gefahr, zum einen aufgrund des aggressiven Vorgehens, mit dem Grenzen in Europa wieder mit militärischen Mitteln verschoben werden, zum anderen aufgrund des Aufkommens des IS-Terrors, im Zuge dessen ganze Staaten unterhöhlt, Menschen rücksichtslos gewaltsam ermordet oder durch Terroranschläge getötet werden . Dieser doppelten sicherheitspolitischen Bedrohung müssen wir ein klares Signal entgegensetzen, und zwar durch Bündnistreue und Verlässlichkeit . Insbesondere unsere Partner in den baltischen Staaten und in Polen machen sich Sorgen um die Integrität ihres Staatsgebietes . Gerade wir in Deutschland können dies nachempfinden. Deswegen ist es gut, dass wir die NATO-Pläne in Warschau konkretisieren, dass wir mit einer Enhanced Forward Presence, einer „Vorne-Präsenz“, deutlich machen: Wir stehen füreinander ein . Warum und mit welchem Ziel? Mit dem Ziel, einem möglichen Aggressor deutlich zu machen, dass er sich, wenn er Grenzen überschreiten sollte, nicht nur mit einem Land anlegt, sondern mit allen, und mit dem klaren Ziel, dass dies möglichst nicht geschieht . Dieses Vorgehen ist in Bezug auf den Personalumfang und durch die rotierenden Formationen im Einklang mit der NATO-Russland-Grundakte . Es bleibt unverrückbar, dass die NATO-Russland-Grundakte durch die Annexion der Krim gebrochen worden ist; das müssen wir immer wieder ganz deutlich herausstellen . Wir lassen unsere Verbündeten nicht allein, und wir lassen uns durch Drohungen auch nicht einschüchtern . Das ist beileibe kein Säbelrasseln, sondern Ausdruck politischer Verantwortung für Frieden und Freiheit in Deutschland und Europa . Ich danke unserer Bundeskanzlerin und unserer Bundesverteidigungsministerin, dass sie keinen Zweifel daran aufkommen lassen . ({1}) Der osteuropäische NATO-Deich muss so erhöht werden, dass Aggressionen nicht überschwappen können, und er muss so stabil sein, dass auch eine Unterhöhlung durch eine hybride Kriegsführung mittels Propaganda nicht gelingen kann . Eine solche Garantiestellung darf aber keine Einbahnstraße sein . Alle osteuropäischen NATO-Partner sind aufgefordert, das Mögliche zu tun, um ihre Strukturen zu stärken . Wir wollen mit einer klaren Dialogbereitschaft und mit einer klaren abschreckenden Verteidigungsstrategie deutlich machen, dass diese Investition der beste Schutz der Sicherheit sozusagen im inneren Ring ist . Aber auch der äußere Ring muss vor dem weltweit agierenden Terrorismus geschützt werden . Terrororganisationen wie al-Qaida, al-Nusra, Boko Haram, Taliban oder eben der IS sind eine Bedrohung für den Weltfrieden . Dem stellen wir uns aus unserer Überzeugung für eine zivilisierte Welt entgegen - zur Wahrung der Menschenrechte und zum Schutz unserer Bündnispartner . Wir wollen uns Gefahren dort entgegenstellen, wo sie entstehen . Deswegen ist es gut, dass wir Länder wie Afghanistan und Irak auf ihre Einladung hin unterstützen, dass wir sie in die Lage versetzen, für Stabilität und Sicherheit im eigenen Land zu sorgen, indem wir sie im Kampf unterstützen, aber vor allem auch bei der Ausbildung, über Beratung und Ertüchtigung, immer orientiert an der jeweiligen Lage, immer orientiert am besten Einsatz der Institutionen, Vereinte Nationen, OSZE, EU oder auch NATO . Die Gleichzeitigkeit und Schnelligkeit der Krisen fordern uns . Das ist eine Herausforderung . Ebenso haben wir eine unsichtbare Herausforderung, nämlich die Gefahr im Cyberraum . Darauf wird mit dem Weißbuch aus dem Verteidigungsministerium ein deutlicher Schwerpunkt gelegt . Wir müssen uns diesen Gefahren entgegenstellen; denn Angriffe über Server in allen Teilen der Welt, deren Wirkung erst später sichtbar wird, können verheerende Konsequenzen haben . Zusammengefasst: Der NATO-Gipfel muss auf die gleichzeitigen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, Antworten finden, und zwar immer im Geiste der Kooperation, immer im Geiste der Diplomatie . Wir wollen, dass unsere Werte und Grundsätze gelebt, geschützt und auch verteidigt werden können . Freiheit kann es nur mit Sicherheit geben . Gemeinsam sind wir stark - gestern, heute und auch morgen für die nächsten Generationen . Herzlichen Dank . ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Jürgen Hardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich als abschließender Redner meiner Fraktion und auch in dieser Debatte einige Aspekte beleuchten, die mir besonders wichtig sind und die in dieser Form vielleicht noch nicht angesprochen worden sind . Am heutigen Tag möchte ich in Anlehnung an einen berühmten Satz aus dem Fußball sagen: 29 Freunde müsst ihr sein . - Ich möchte damit sagen, dass die NATO ein Wertebündnis ist und dass die Parlamentarier und die Regierungen, die in der NATO zusammenarbeiten, ein Stück weit den Geist ausstrahlen sollten, den wir von unseren Soldatinnen und Soldaten erwarten, die innerhalb der NATO zusammenarbeiten, nämlich Fairness und Kameradschaftlichkeit . Artikel 3 des Washingtoner Vertrages, also des NATO-Vertrages, besagt: Gegenseitige Unterstützung ist eine der wichtigen Aufgaben des Bündnisses . Vor diesem Hintergrund waren wir ziemlich befremdet, als die türkische Regierung vor einigen Wochen zunächst den Zugang von Journalisten im Rahmen der Pressearbeit der Bundeswehr zu den deutschen Soldaten in der Türkei verhinderte und dann auch noch die Reise unseres Parlamentarischen Staatssekretärs . Das führt mich zu dem Gedanken: Vielleicht sollten wir angesichts solcher unakzeptablen Vorgänge einmal auf NATO-Ebene in aller Ruhe über eine Verfahrensordnung nachdenken, mit der geregelt wird, wie mit den Wünschen von Regierungen oder Parlamentariern, ihre eigene Truppe in einem anderen Land zu besuchen, umzugehen ist . Ich hatte gedacht, das wäre selbstverständlich . Ein Regelwerk dazu gibt es bisher nicht . Deswegen rege ich an - vielleicht nicht auf dem Gipfel, aber im NATO-Rat -, einmal darüber nachzudenken, wie man hier zu besseren Ergebnissen kommen könnte; denn es ist schlicht unakzeptabel, dass die Bürgerarmee Bundeswehr in der Türkei von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern nicht besucht werden darf . ({0}) Der zweite Aspekt, auf den ich hinweisen möchte, ist: Wer rüstet hier eigentlich auf? Ich möchte an dieser Stelle in Erinnerung rufen: Es geht nicht nur um den Einmarsch Russlands auf der Krim und um die Einmischung Russlands im Osten der Ukraine, sondern es geht auch darum, dass die russische Regierung im Mai des vorletzten Jahres anlässlich der Feierlichkeiten zum Jahrestag des Kriegsendes angekündigt hat, im großen Stil den Bau einer neuen Generation von Panzern in Auftrag zu geben . Wir wissen, dass diese Panzer vermutlich eher im Westen Russlands eingesetzt werden, also westlich des Urals, und sind schon der Meinung, dass dieser Schritt eine Aufrüstung Russlands darstellt, die wir nur mit großer Sorge betrachten können . Wir haben ganz konkret mit Blick auf das, was im Westen Russlands passiert, Kenntnis von öffentlichen Ankündigungen, dass drei Divisionen umgruppiert werden . Mindestens 30 000 Soldaten werden an der Westgrenze Russlands und an der Grenze zur Ukraine verstärkt eingesetzt . Dagegen ist die Stationierung von maximal 9 000 Soldaten, die die NATO im Zuge ihres transparenten Plans zur Verstärkung der Soldaten im Osten Europas aufbaut, doch nun wirklich eine vergleichsweise milde und angemessene Reaktion . Das als Einstieg in eine Aufrüstungsspirale zu sehen, finde ich schlicht falsch . Das wird der Sache nicht gerecht . Die Bundeswehr beteiligt sich ganz konkret in Litauen mit der Übernahme der Führung über ein Bataillon . Wir sind im Übrigen auch in Polen beim Multinationalen Korps stark engagiert, um nur zwei Beispiele zu nennen . Deutschland wird seiner Bündnisverpflichtung also gerecht . Zu einem dritten Aspekt, den ich kurz ansprechen will . Es wird gelegentlich der Eindruck erweckt, auch durch Äußerungen von Politikern in Deutschland, die NATO hätte ein Defizit mit Blick auf den Dialog mit Russland. Ich möchte dem ausdrücklich widersprechen . Man bietet nicht nur häufig an, den NATO-Russland-Rat einzuberufen, um mit Russland zu diskutieren - ich bin übrigens der Meinung, dass das eines Tages auch im Ministerformat geschehen kann -, sondern es gibt auch auf ganz vielen anderen Ebenen Gespräche zwischen NATO-Partnern und Russland . Das sind im Übrigen sehr konstruktive Gespräche . Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass ich mich gefreut und fast ein bisschen gewundert habe, dass die neue UN-Resolution zu Libyen mit 15 : 0 durch den Sicherheitsrat gegangen ist, also ausdrücklich mit Unterstützung Russlands . Eine Sprachlosigkeit zwischen Russland und dem Westen kann ich insofern Gott sei Dank nicht erkennen . Wir sollten uns diesen Schuh auch nicht anziehen, zumal Deutschland hier eine führende Rolle innehat . Der NATO-Gipfel findet in einer schwierigen Zeit an einem bedeutenden Ort statt . Ich bin absolut sicher, dass alle Staats- und Regierungschefs diesen Gipfel sehr verantwortungsvoll nutzen werden, einerseits, um weiter Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, andererseits, um keinen Zweifel an unserer Verteidigungsfähigkeit zu lassen . Das sind wir unseren Partnern im Osten Europas schuldig . Herzlichen Dank . ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9086 . Die Kollegin Beck hat mir mitgeteilt, dass sie an die- ser Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung nicht teilnimmt . Sie hat eine persönliche Erklärung vor- gelegt, die wir dem Protokoll beifügen .1) Ich lasse jetzt über diesen Entschließungsantrag abstimmen . Wer stimmt dem Entschließungsantrag zu? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt . Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 5: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung Drucksachen 18/8210, 18/8626, 18/8767 Nr. 3 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Cornelia Möhring, Frank Tempel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts ({0}) Drucksache 18/7719 - Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Katja Keul, Ulle Schauws, Renate 1) Anlage 2 Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung Drucksache 18/5384 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({1}) Drucksache 18/9097 Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werden wir später drei namentliche Abstimmungen durchführen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Das ist offenkundig einvernehmlich . Also können wir so verfahren . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort erhält zunächst die Kollegin Eva Högl für die SPD-Fraktion . ({2})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Einen schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen heute im Deutschen Bundestag eine Reform des Sexualstrafrechts beschließen . Wir wollen mit dieser Reform endlich den Grundsatz „Nein heißt nein“ ins deutsche Strafgesetzbuch schreiben . ({0}) Wir wollen, dass jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung künftig unter Strafe gestellt wird . Wer gegen den erkennbaren Willen eine sexuelle Handlung an einer anderen Person vornimmt, macht sich künftig strafbar . Das ist eine wirklich wegweisende Reform . Wir nennen das auch einen Paradigmenwechsel . Außerdem wollen wir die sexuelle Belästigung endlich unter Strafe stellen . Bisher ist es so, dass viele sexuelle Belästigungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle sind und nicht mit dem Strafrecht geahndet werden können . Das wollen wir ändern . ({1}) Und wir wollen bestrafen, wer sich an einer Gruppe beteiligt, wenn aus der Gruppe heraus Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen werden . Das ist eine wegweisende Reform . Wir können mit dieser Reform auch die Istanbuler Konvention ratifizieren, die 2011 unterschrieben wurde. Sie kann jetzt endlich umgesetzt werden . ({2}) - Das wurde auch Zeit . Eine solche Reform hat immer viele Väter und Mütter, in diesem Fall ganz besonders viele Mütter . Deswegen möchte ich an dieser Stelle den vielen danken, die an dieser Reform mitgearbeitet haben; denn so etwas ist immer Teamwork . Verbände, Vereine und Einzelpersonen haben uns ganz tatkräftig unterstützt . Ich möchte hier einige stellvertretend für viele andere herausheben . Einige von ihnen haben wir eingeladen, heute an unserer Debatte teilzunehmen . Ich begrüße sie auf der Tribüne ganz herzlich . ({3}) Herzlichen Dank an Katja Grieger und den Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe für die profunde Analyse der Strafbarkeitslücken, die eine gute Grundlage für unsere Debatte war . ({4}) Herzlichen Dank dem Deutschen Juristinnenbund, stellvertretend Dagmar Freudenberg, dem Deutschen Institut für Menschenrechte, hier insbesondere an Heike Rabe, der Rechtsanwältin Christina Clemm, der Professorin Tatjana Hörnle, dem Professor Jörg Eisele und vielen anderen für guten juristischen Rat, für Unterstützung und für Hilfestellung bei den Formulierungen . Ich möchte mich auch ausdrücklich nicht nur beim Koalitionspartner für die guten Gespräche bedanken, sondern auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Opposition . Vielen Dank für den guten Austausch, der ermöglicht, dass wir heute - mit großer Mehrheit hoffentlich - diese Reform im Deutschen Bundestag beschließen können . Auch dafür an dieser Stelle ganz herzlichen Dank . ({5}) Als erste Rednerin in dieser Debatte möchte ich, lieber Heiko Maas, auch dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zunächst einmal für den guten Gesetzentwurf, der vor einem Jahr, im Sommer 2015, vom Bundesjustizministerium vorgelegt wurde und der Strafbarkeitslücken schließen wollte, danken . Das war das Ansinnen . Damals - daran muss ich an dieser Stelle auch erinnern - war in unserer Koalition nicht mehr möglich . Damals ging schon dieser Gesetzentwurf aus dem Haus von Heiko Maas dem Koalitionspartner zu weit, weswegen er lange blockiert wurde . ({6}) Jetzt haben die Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Initiative ergriffen . Es gab eine Möglichkeit, weiterzugehen . Deswegen, lieber Heiko Maas, möchte ich mich an dieser Stelle für die tolle Unterstützung bedanken . Bis zur letzten Minute hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz uns Abgeordnete mit fachlichem Rat und guten Formulierungen unterstützt . Dafür herzlichen Dank . ({7}) Präsident Dr. Norbert Lammert Ein Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Kritikern . Uns wird vorgeworfen, diese Reform greife viel zu weit und produziere Beweisschwierigkeiten . Diese Argumente kennen wir schon aus der Debatte um die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe . Erst seit 1997 - man mag es sich kaum vorstellen - ist die Vergewaltigung in der Ehe strafbar . Ja, meine Damen und Herren, wir gehen weit . Wir verschärfen das Strafrecht, verschärfen es ganz ordentlich; denn wir wollen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ganz ausdrücklich stärken . Das tun wir auch mit den Mitteln des Strafrechts, indem wir die Täter schärfer bestrafen . ({8}) Bei der sexuellen Selbstbestimmung gibt es ganz häufig Situationen, in denen nur zwei Personen beteiligt sind, und natürlich produziert das auch Beweisschwierigkeiten . Aber das ist schon jetzt so, und das wird sich durch unsere Reform nicht verändern . Ich vertraue ganz ausdrücklich auf die guten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, auf die Strafgerichte, die mit hoher Kompetenz in der Lage sind, die Aussagen gegenüberzustellen und zu bewerten und dann auch die richtigen Urteile zu sprechen . Das wird sich mit unserer Reform nur verstärken, aber keinesfalls verschlechtern . Meine Damen und Herren, wenn wir das Strafrecht reformieren, dann ist das ein wichtiger Baustein, über den wir heute beraten . Aber was wir vor allen Dingen brauchen, ist eine tatkräftige Unterstützung für Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung . Wir brauchen Schutz für Opfer . Wir brauchen Beratungs- und Hilfsangebote, und wir brauchen vor allen Dingen eine flächendeckende Möglichkeit der anonymen Dokumentation solcher Straftaten, damit die Opfer die Möglichkeit haben, sich in Ruhe zu überlegen, ob sie die Straftat anzeigen oder nicht . Das sind weitere wichtige Begleitmaßnahmen, die wir zusätzlich benötigen . ({9}) Eine letzte Bemerkung in Richtung des Koalitionspartners . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich schon für die guten Gespräche und die gute Verhandlung bedankt . Wir haben in dieser Legislaturperiode die Quote gemeinsam verabschiedet; das war ein langer Weg . Wir haben gute Überzeugungsarbeit geleistet, konnten sie im März verabschieden . Wir verabschieden heute die Reform des Sexualstrafrechts . Diese Reform wurde lange blockiert, jetzt haben Sie sich von uns überzeugen lassen . Das ist gut so . ({10}) Ich würde gern in dieser Legislaturperiode, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einen dritten Schritt mit Ihnen gemeinsam gehen und auch die Lohngleichheit verabschieden . ({11}) Das darf in dieser Debatte auch gesagt werden . Dann hätten wir in dieser Koalition einen ganz wunderbaren Dreiklang aus Quote, Sexualstrafrecht und Lohngleichheit . Herzlichen Dank . ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Eva Högl . - Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von meiner Seite! Nächste Rednerin: Cornelia Möhring für die Linke . ({0})

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir hier heute den Grundsatz des „Nein heißt nein“ endlich verankern, ist tatsächlich ein großartiger Erfolg . Es ist ein Erfolg aller Fraktionen im Bundestag und besonders - das hat Kollegin Högl schon gesagt - ist es auch ein Erfolg der Frauen in Beratungsstellen und Notrufen, die mit ihren Organisationen und Verbänden seit sehr vielen Jahren dafür gekämpft haben . ({0}) Wir wissen, dass viele von ihnen heute hier sind . Ich möchte ihnen noch einmal ausdrücklich danken . Ich bin mir sicher: Ohne sie wären wir heute tatsächlich noch nicht so weit gekommen . Ich hätte vor zwei Jahren auch nicht geglaubt, dass wir es tatsächlich in dieser Legislaturperiode schaffen . Mir scheint es aber aus mehreren Gründen wichtig, hier ausdrücklich zu betonen, dass die Änderung des § 177 StGB auf ein Problem reagiert, das es schon sehr viel länger gibt als erst seit Silvester . ({1}) Kollegin Högl hat schon an die aufrüttelnde Studie des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, bff, erinnert . In dieser Studie wurde die Notwendigkeit der Reform des Sexualstrafrechts sehr anschaulich nachgewiesen . Die Zahlen gingen vor zwei Jahren durch die Medien . Da hieß es: In den Jahren 2001 bis 2012 wurden jährlich 8 000 Vergewaltigungen angezeigt . Aus diesen 8 000 Anzeigen folgten durchschnittlich pro Jahr 1 314 Anklagen, und daraus folgten pro Jahr 986 Verurteilungen . Gemessen an der Zahl der Anzeigen liegt die Verurteilungsquote damit bei gerade einmal 8,4 Prozent . Der Anteil der Frauen, die eine erlebte Vergewaltigung nicht anzeigen, liegt nach unterschiedlichen Studien bei 84,5 bis 95 Prozent . Andersherum gesagt: Nur 5 bis 10 Prozent bringen überhaupt eine Vergewaltigung zur Anzeige, sicherlich auch deshalb, weil die meisten Vergewaltigungen bisher gar nicht als strafwürdig galten . Nun macht sich strafbar, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt . Eine Frau muss also nicht schreien oder sich körperlich wehren . Sexuelle Handlungen gegen ihren Willen sind auf jeden Fall Unrecht . Erniedrigende Erlebnisse wie die, wenn es früher im Gerichtssaal hieß, die angezeigte Vergewaltigung sei gar keine, weil die Frau sich nicht ausreichend gewehrt hätte, sind nun hoffentlich bald Geschichte . ({2}) Die Linke sagt Ja zu dem neuen Grundtatbestand „Nein heißt nein“ . Die Linke wird diesem Paragrafen geschlossen zustimmen . ({3}) Aber Sie werden heute auch Regelungen auf den Weg bringen, denen wir uns als Linke nicht anschließen können . So wollen Sie sexualisierte Straftaten aus Gruppen heraus gesondert unter Strafe stellen . Gemeinschaftliche Handlungen, Mittäterschaften sind aber bereits strafrechtlich erfasst . Wenn Sie sich einmal bitte an die Debatten im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht erinnern, dann wissen Sie doch um das riesige Gewicht, das rassistische Bilder und Argumentationen eingenommen haben . Dann müsste Ihnen doch klar sein, dass Sie solche Bilder, das Problem sei vor allem sexualisierte Gewalt aus migrantischen Gruppen, damit verstärken . Sie wissen aber auch, dass die überwiegende Mehrheit der Täter bei Vergewaltigungen aus dem Nahbereich kommt . Ich wiederhole: Gemeinschaftliche Handlungen, Mittäterschaften sind bereits strafrechtlich erfasst . Trotz dieser grundsätzlichen Kritik hätten wir wahrscheinlich nicht nur zum neuen § 177, dem „Nein heißt nein“, Ja gesagt, sondern zum gesamten Gesetzentwurf . Aber dann haben Sie am Montag ohne Ankündigung Änderungen eingereicht, mit denen Sie die notwendigen Veränderungen des Sexualstrafrechts mit einer erneuten Verschärfung des Aufenthaltsrechts verknüpfen . Sie sagen, Sie folgen damit der Logik Ihrer bereits im März vorgenommenen Verschärfungen im Aufenthaltsrecht . Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wird es mitnichten besser . ({4}) Sie lenken durch diese Verknüpfung den Blick vom Selbstbestimmungsrecht der Frau, Nein zu sagen, erneut auf den potenziellen Täter . So bedienen Sie Fremdenfeindlichkeit und instrumentalisieren unser hart erkämpftes Frauenrecht . Das ist inakzeptabel und wird von der Linken abgelehnt . ({5}) Wir werden uns deshalb insgesamt enthalten . Vielen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Cornelia Möhring . - Nächste Rednerin: Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn wir gleich die Reform des Vergewaltigungsparagrafen verabschieden, dann bringen wir eine gute und notwendige Reform ins Gesetzblatt . Wir setzen damit die Diskussion der letzten Monate um, die vor allem eins klar gezeigt hat: Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung verträgt keine Einschränkung . ({0}) Der Schutz darf nicht davon abhängen, dass sich das Opfer vergeblich gewehrt und weitere Risiken in Kauf genommen hat, sondern ein schlichtes „Nein“ muss reichen . Allein am erkennbaren Willen des anderen in der konkreten Situation entscheidet sich, ob eine sexuelle Handlung schön und in Ordnung ist oder eben nicht, und zwar unabhängig von irgendeiner vermeintlichen Rechtsposition, irgendeiner Erwartung, einer Gegenleistung, einer Bezahlung, unabhängig davon, ob der Wille anfänglich einmal da war und sich dann geändert hat auch das ist jederzeit möglich -, und unabhängig von einer Erkrankung oder einer Behinderung des Opfers . Jeder, der einen Willen hat und ihn zum Ausdruck bringt, ist in Zukunft durch diesen Grundsatz geschützt: „Nein heißt nein“ . ({1}) Natürlich sind auch die anderen Konstellationen im Gesetz klar erfasst . Nötigung, Gewalt, Überraschung, K .-o .-Tropfen, Klima der Gewalt, das sind die Stichworte, die hier zu nennen sind . Auch dafür gibt es passende und effektive Regelungen . Vor allem: Das Prinzip „Nein heißt nein“ bringt jetzt noch einmal ganz klar und für jeden Mann und jede Frau verständlich ins Gesetz, wo die rote Linie des strafbaren Unrechts beginnt, und es ist sehr wichtig, dass diese Botschaft durch das Strafrecht auch in die Gesellschaft hineingetragen wird . ({2}) In der Diskussion in den vergangenen Monaten habe ich fast ausschließlich Zustimmung gehört . Hier und da gab es die besorgte Frage, wie es denn mit der Beweisbarkeit aussieht . Ich kann hier ganz klar beruhigen: Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt weiterhin . Er ist im Strafrecht essenziell . Daran ändert sich gar nichts . Für mich war es wichtig, dass ich bei fast allen Menschen eine große Zustimmung erlebt habe . Bei vielen jungen Frauen erlebte ich auch Erstaunen, dass das nicht längst Gesetz ist . Bei älteren Frauen hörte ich manchmal - das hat mich dann auch sehr berührt - einen Unterton der persönlichen Betroffenheit und der Genugtuung . Aber auch von Männern habe ich ganz viel Zustimmung erlebt, weil es heutzutage eben auch dem Selbstverständnis der Männer entspricht, dass sexuelle Handlungen und sexuelles Erleben auf dem Willen beider Partner beruhen müssen . Hier lassen auch sie sich nichts sagen, und das entspricht auch deren Lebensgefühl und -empfinden. ({3}) Dass wir das heute gesetzlich regeln, ist ein großer Erfolg der sprichwörtlich vielen Väter und diesem Fall Mütter . Auch ich möchte den Frauenverbänden danken, die uns mit ihrer Analyse der Schutzlücken hier wirklich einen entscheidenden Impuls gegeben haben . Er hat dazu geführt - das darf ich hier auch noch einmal feststellen -, dass sich die Rechtspolitiker der Union schon frühzeitig, nämlich bereits vor zwei Jahren, ganz klar dazu positioniert und gesagt haben, dass sie hier einen Reformbedarf sehen . ({4}) Auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition haben das gemacht . Wir haben Pressemitteilungen herausgegeben und Pressegespräche dazu geführt . - Wenn ihr das nicht mitbekommen habt, dann ist das euer Problem . Ich kann das beweisen und belegen . Das war schon ganz früh unsere Position . Wir haben uns dann gemeinsam auf einen langen Weg gemacht, und schon ein Jahr später hat der Justizminister einen Entwurf vorgelegt, ({5}) der uns viel Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat, und das Nachbessern war auch schön . ({6}) Die Fraktion hat das Thema beackert und vorangetrieben, und die Frauen-Union hat dafür gesorgt, dass die angesprochenen klaren Aussagen zu diesem Thema in die Mainzer Erklärung gekommen sind . ({7}) Wir haben den Ball dann gemeinsam mit den Frauen der Koalition aufgegriffen, und ein paar furchtlose Männer waren auch dabei . ({8}) Ich denke, das ist das Entscheidende: Wir haben jetzt eine gute Regelung vorgelegt, die auch ins Gesetzblatt kommt . ({9}) Ich danke an dieser Stelle den Mitarbeitern, die uns hier sehr geholfen haben; das muss ich wirklich sagen . Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern aus dem Ministerium, die am Ende doch nicht beleidigt waren, dass wir den ursprünglichen Entwurf noch einmal grundlegend überarbeitet haben, und uns auf den letzten Metern auch noch sehr geholfen haben . Auch dafür vielen Dank! ({10}) Wir führen zwei neue Tatbestände ein . Wir stellen das Grapschen unter Strafe, das bisher die Erheblichkeitsschwelle des alten Vergewaltigungsparagrafen nicht überschritten hat. Der flüchtige Griff an den Po oder an die Brust wird damit sanktioniert . Auch hier ist der erkennbare Wille des Gegenübers der Maßstab . Der zweite Tatbestand stellt den Übergriff aus einer Gruppe heraus auf ein bedrängtes Opfer unter Strafe . Aus der Perspektive des Opfers ist dieser Übergriff ein ganz besonders traumatisches Erlebnis . Die Opfer schildern das Gefühl von Ohnmacht, Angst und Ekel und sagen, dass sie dieses Gefühl nicht mehr loswerden . In dieser Konstellation ist es eben typisch, dass dem Mitmacher in der dritten oder vierten Reihe nicht mehr genau nachgewiesen kann, dass er wusste, was die da vorne machen, und diesen Vorsatz in sein Handeln mit aufgenommen hat . ({11}) Wir sind aber der Auffassung, dass derjenige, der in der dritten oder vierten Reihe durch sein Mitdrängen das Gefahrenpotenzial für das Opfer erhöht, die Verletzung des Opfers mitverursacht und sein Verhalten ein erhebliches Unrecht darstellt . ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin .

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb halten wir es für richtig, auch daran schon anzuknüpfen und dieses Verhalten unter Strafe zu stellen . Der Täter muss diese beiden Elemente in seinen Vorsatz aufnehmen: Er muss wissen, dass er mitmacht, und er muss wissen, dass diese Gruppe Straftaten begeht . Wenn dann noch als objektive Bedingung der Strafbarkeit ein sexueller Übergriff hinzukommt, dann ist das sanktionierbar .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, Ihre Redezeit .

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, die Verbindlichkeit des „Nein heißt nein“ verträgt keine Einschränkung . Das gilt auch hier . Ich denke, das ist die wichtige und gute Botschaft des heutigen Tages, nicht nur, aber vor allem für Mädchen und Frauen . Herzlichen Dank . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Elisabeth Winkelmeier-Becker . - Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es tatsächlich geschafft: Künftig wird jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen einer Person unter Strafe gestellt . ({0}) Mit diesem neuen Grundtatbestand in § 177 StGB wird die sogenannte „Nein heißt nein“-Lösung rechtstechnisch konsequent umgesetzt . Meine Fraktion hat genau diesen Vorschlag schon im letzten Sommer in einem Gesetzentwurf eingebracht . Umso mehr freue ich mich, dass auch Sie sich letztlich auf diese Formulierung geeinigt haben . ({1}) Bei dieser Gelegenheit will ich noch einmal betonen, dass weder die Ereignisse von Köln noch irgendwelche laufenden Strafverfahren Auslöser dieser Reform waren . Wir haben uns allesamt mit der Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte ausführlich auseinandergesetzt, die einen etwas früher, die anderen etwas später . Aber am Ende wollen wir nicht kleinlich sein: Das Ergebnis zählt . ({2}) Leider haben Sie sich nicht dazu durchringen können, diesen Gesetzentwurf mit uns gemeinsam fraktionsübergreifend einzubringen . Vielleicht hätten wir Sie in diesem Zusammenhang davon überzeugen können, den überflüssigen § 184h StGB mit seiner Erheblichkeitsschwelle im vorliegenden Gesetzentwurf zu streichen . ({3}) Unerhebliche Handlungen können nämlich per se nicht strafbar sein . Das gilt für alle Strafrechtsgüter und damit auch für die sexuelle Selbstbestimmung . ({4}) Wenn wir dann noch die Strafandrohung im geplanten § 177 Absatz 1 StGB im Gesetzentwurf herabgesetzt hätten, wäre ein gesonderter Straftatbestand der sexuellen Belästigung komplett überflüssig geworden. Aber wenn das der einzige Schönheitsfehler gewesen wäre, hätten wir für heute keine getrennte Abstimmung verlangen müssen . Stattdessen haben Sie wieder einmal ein Koalitionspaket geschnürt, in dem sich die CSU mit einem ebenso populistischen wie verfassungswidrigen Straftatbestand verewigen durfte . ({5}) Mit dem neu eingeführten § 184j StGB wollen Sie allen Ernstes eine Gruppenzugehörigkeit unter Strafe stellen . So etwas geht in unserer Rechtsordnung gar nicht . Das ist auch gut so . ({6}) Nach unserer Verfassung kann jede und jeder nur für seine eigene individuelle Schuld bestraft werden, sei es, weil er selbst Mittäter ist, sei es, weil er Beihilfe geleistet hat, sei es, weil er zu einer Tat angestiftet hat . Wenn all diese Voraussetzungen nicht vorliegen, können wir nicht darauf ausweichen, jemanden wegen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, also quasi wegen Sippenhaft, zu verurteilen . ({7}) Daran ändert auch der geänderte Satzanfang nichts, in dem es heißt: „Wer eine Straftat dadurch fördert . . .“ . Auch diese Person kann nur wegen der Straftat, die sie gefördert hat, verfolgt werden, nicht wegen einer völlig anderen Straftat . ({8}) Das Fallbeispiel, Herr Hoffmann, geht so: Eine Gruppe von Jugendlichen, zu denen zufällig Ihr 16-jähriger Sohn gehört, beschließt, einem ortsbekannten Schläger und Drogendealer einmal ordentlich die Meinung zu sagen . Sie erwischen ihn nach dem Kino mit seiner Freundin, drängen ihn in eine dunkle Ecke und drohen ihm Schläge an, wenn er noch einmal in dem Viertel auftaucht . Eine solche Bedrohung ist eindeutig eine Straftat, auch wenn Ihr Sohn irrigerweise glaubt, er sei für Frieden und Freiheit unterwegs . Dummerweise steht an diesem Abend auch ein Ihrem Sohn völlig Unbekannter in der Gruppe, der vor dem Auseinanderlaufen der Freundin des Bedrohten in den Schritt greift und an den Busen grapscht . Dumm gelaufen für Ihren Sohn; denn er wird künftig damit leben müssen, wegen einer Sexualstraftat vorbestraft zu sein . ({9}) Was die Beteiligung an einer Gruppe überhaupt bedeutet, bleibt völlig nebulös . Zur Beruhigung schreiben Sie in Ihrer Gesetzesbegründung, dass reine Ansammlungen von Menschen nicht gemeint sind . Ich zitiere wörtlich aus der Gesetzesbegründung: … zum Beispiel macht sich nicht strafbar, wer in der überfüllten U-Bahn mitfährt, in der eine andere Person sexuelle Handlungen … vornimmt … Jetzt sind wir aber echt beruhigt, dass wir noch U-Bahn fahren dürfen! ({10}) Mit diesen rechtsstaatlich nicht tragbaren Konstruktionen zwingen Sie uns heute zu einer getrennten Abstimmung . Montagnachmittag haben Sie uns dann noch eine Änderung des Aufenthaltsrechts untergejubelt, mit der Sie die Verschärfung der Verschärfung zur Sicherheit noch einmal verschärfen . Bei der Abschiebung Straffälliger wird jetzt auf den neuen § 177 StGB verwiesen, der aber ganz anders als der bisherige Tatbestand viel niedrigschwelligere sexuelle Handlungen erfasst und weder Gewalt noch Nötigung zur Tatbestandsvoraussetzung hat . Das ist schlicht unverhältnismäßig . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an die Redezeit!

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Einem solchen Paket inklusive verfassungswidriger, populistischer Straftatbestände können wir Grünen am Ende nicht zustimmen . Viele in meiner Fraktion bedauern das sehr, zumal wir die Ersten waren, die den heutigen Vorschlag eines § 177 StGB entwickelt und eingebracht haben . ({0}) Aber immerhin: Diesen Erfolg kann uns jetzt niemand mehr nehmen . Der neue § 177 StGB ist ein Meilenstein für den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung in diesem Land, und darauf kommt es am Ende an . Vielen Dank . ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Katja Keul . - Nächste Rednerin: Dr . Carola Reimann für die SPD . ({0})

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 30 Jahren kämpfen Frauen dafür, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besser geschützt wird . Die heutige Reform des Sexualstrafrechts mit der klaren Botschaft „Nein heißt nein“ wäre ohne dieses Engagement nicht möglich gewesen . Der Gesetzentwurf ist also nicht einfach eine schlichte Reaktion auf die Vorfälle in der Silvesternacht . Er ist vielmehr Ergebnis des beharrlichen Einsatzes vieler Frauen innerhalb, aber auch außerhalb des Parlaments . Dafür möchte ich mich bei ihnen - einige sind heute auch anwesend - herzlich bedanken . ({0}) Kolleginnen und Kollegen, bereits 2011 hat Deutschland die Istanbul-Konvention unterzeichnet . Darin ist unmissverständlich festgehalten - das hat die Kollegin Högl heute Morgen schon angesprochen -, dass jegliche nicht einvernehmliche sexuelle Handlung strafbar sein soll . Andere Länder, zum Beispiel Österreich, haben diese Konvention und das Prinzip „Nein heißt nein“ bereits umgesetzt . Es wird jetzt höchste Zeit, dass auch wir diesen Paradigmenwechsel in unserem Sexualstrafrecht mit dieser Reform umsetzen . ({1}) Denn es geht nicht um Lappalien oder Kavaliersdelikte . Wer mit Frauenberatungsstellen spricht, der weiß, welch schwerwiegende Folgen sexuelle Übergriffe haben . Viele Frauen haben sexualisierte Gewalt in ihrem Alltag erlebt, und sie tragen an diesen Erlebnissen oft ihr Leben lang. Das Perfide an solchen Übergriffen ist, dass sie häufig nicht, wie landläufig gedacht wird, nachts in dunklen Ecken passieren, wo ein Fremder einer Frau auflauert. Nein, Übergriffe finden oft dort statt, wo sich das ganz normale Leben abspielt - in der U-Bahn, in den Klubs oder auf Festivals -, und sie sind auf erschreckende Art und Weise Teil des Alltags . Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit dieser Reform auch mit dem neuen Straftatbestand der sexuellen Belästigung eine klare Botschaft aussenden: Das sind keine Kavaliersdelikte und keine Bagatellen . ({2}) Es sind Straftaten, die konsequent verfolgt werden müssen . Grapschen ist kein Flirten . Das muss jetzt auch der Letzte begriffen haben . ({3}) Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Frauen ermutigen, diese Straftaten auch anzuzeigen . Mich ärgert, dass in diesem Zusammenhang immer gleich die Gefahr von Falschanzeigen heraufbeschworen wird . ({4}) Dabei liegt der Anteil gerade einmal bei 3 Prozent . Vielmehr muss uns doch beunruhigen - heute sind ja von der Kollegin auch schon Zahlen zu Verurteilungen genannt worden -, dass überhaupt nur 5 bis 10 Prozent aller strafbaren sexuellen Übergriffe angezeigt werden . Alle anderen Übergriffe bleiben für den Täter folgenlos, und das ist doch der eigentliche Skandal . ({5}) Kolleginnen und Kollegen, auch deshalb wollen wir diese Reform auf den Weg bringen . Wir wollen eine gesellschaftliche Sensibilisierung . Wir wollen das Thema sichtbar machen und ermutigen, genauer hinzuschauen und gegen sexuelle Übergriffe vorzugehen . Wenn uns das gelingt, sind wir auf dem Weg zur Stärkung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung ein gutes Stück vorangekommen . Vielen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Carola Reimann . - Die nächste Rednerin: Halina Wawzyniak für die Linke . ({0})

Halina Wawzyniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004185, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wäre ein richtiges Signal gewesen, wenn wir uns fraktionsübergreifend auf eine Formulierung von „Nein heißt nein“ verständigt hätten . ({0}) Wir werden dieses „Nein heißt nein“ jetzt - das ist gut so - mit übergroßer Mehrheit beschließen . Ich bin mir sicher, wenn wir uns fraktionsübergreifend zusammengetan hätten, hätten wir ein Gesetz gehabt, bei dem es vorrangig um die sexuelle Selbstbestimmung geht . Was wir jetzt vorliegen haben, ist leider ein Gesetz, das in wesentlichen Teilen das Politikverständnis weißer alter Männer widerspiegelt; ({1}) denn es ist offensichtlich bei der Union nicht möglich, die sexuelle Selbstbestimmung zu schützen, ohne gleichzeitig das Strafrecht auf den Kopf zu stellen und das Ausweisungsrecht auszuweiten . ({2}) Sie führen dazu, dass die Debatte um die Verankerung von „Nein heißt nein“ durch andere Debatten überlagert wird, und das ist bitter und widert mich an . ({3}) Die kurzfristige, erst am Montag vorgelegte Änderung des Aufenthaltsrechts ist - mit Verlaub - eine miese Nummer . Vor allem Sie von der Union haben mit dieser Änderung einen Diskurs gestärkt, der unmittelbar nach den Vorfällen in Köln schon einmal lief, der dann aber so war, dass wir eine Debatte darum führen konnten, wie die sexuelle Selbstbestimmung gesichert werden kann . Jetzt müssen wir überall und immer wieder erklären, dass es gerade nicht so ist, dass die Zugezogenen für Straftaten nach dem Sexualstrafrecht besonders anfällig sind . ({4}) Was tun Sie nun eigentlich, außer dass Sie eine Debatte vergiften? Sie haben gerade im März das Ausweisungsrecht geändert . Dort haben Sie das Strafmaß gesenkt und die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aufgenommen, sobald sie mit Gewalt begangen werden, durch Drohung mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List - und das ist eben die überwiegende Anzahl der Straftaten, die wir bei § 177 StGB haben . Doch was tun Sie jetzt? Mit der Änderung ist es möglich, dass ein aufgedrängter Zungenkuss ein Grund sein kann, die Flüchtlingseigenschaft zu verlieren und ausgewiesen zu werden . ({5}) Genau das wollen Sie, Herr Hoffmann, Sie sagen es gerade, und das ist angesichts der Tatsache Ihrer Rede im März, in der Sie lauter Einwände gegen „Nein heißt nein“ hatten - Sie erinnern sich: das war die peinliche Rede, wo die Dame die Kontrolle verliert und es dann zum Äußersten kommt -, mit Verlaub bigott . ({6}) Sie haben offensichtlich das Thema Sexualstrafrecht erst nach den Vorfällen in Köln als Thema begriffen . ({7}) Der Murks in diesem Gesetz wird auch noch einmal beim Gruppenparagrafen deutlich; Frau Keul hat bereits darauf hingewiesen . Was passiert da jetzt eigentlich? Menschen schließen sich zusammen, wollen jemandem das Smartphone oder die Geldbörse klauen, einer aus dieser Gruppe begeht eine Sexualstraftat, und alle - alle! aus dieser Gruppe sind wegen der Sexualstraftat bestrafbar . Das ist absurd und widerspricht dem strafrechtlichen Schuldprinzip . Es gibt noch etwas anderes . Sie erwähnen in der Begründung explizit, dass die Normen für Täterschaft, Teilnahme und Anstiftung im Gesetz hier nicht gelten sollen, sondern Beteiligung im umgangssprachlichen Sinne zu verstehen ist . Das setzt dem Ganzen die Krone auf . Der Verweis auf die Beteiligung an einer Schlägerei - Herr Hoffmann wird später dazu noch lang und breit ausführen - funktioniert hier nicht . Bei der Beteiligung an einer Schlägerei wird die Folge dieser Handlung - Tod oder schwere Körperverletzung - bestraft . ({8}) Hier haben Sie ein zusätzliches Delikt . Das stellt das Strafrecht auf den Kopf . ({9}) Ich komme zum Schluss . Es ärgert mich massiv, dass Sie die gute Initiative für ein „Nein heißt nein“ durch diese beiden Regelungen diskreditieren . ({10}) Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung hätte etwas Besseres verdient als die Ergänzung der von Ihnen vorgeschlagenen Punkte . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Halina Wawzyniak . - Nächste Rednerin: Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will es uns doch antun, uns noch einmal an die Silvesternacht des letzten Jahres zu erinnern; denn ich finde, dass dies schon ein denkwürdiger Abend gewesen ist, der dem Parlament und vielen in unserem Land noch einmal ins Bewusstsein gerückt hat, dass etwas an unserem Sexualstrafrecht, wie es bis zum heutigen Tag gilt, nicht stimmen kann . ({0}) Frauen sind in dieser Nacht am Kölner Hauptbahnhof von ihren Freunden getrennt worden, sind betrunkenen, bekifften Männern hilflos ausgeliefert gewesen. ({1}) Sie wurden bedrängt, begrapscht und beraubt . Sie wurden vergewaltigt . ({2}) Zuerst gab es noch nicht einmal viele Anzeigen, eine typische Reaktion . Eigentlich sollten sich die Täter für ihre Taten schämen und schuldig fühlen . ({3}) Tatsächlich fühlen sich aber die Frauen beschmutzt, und sie scheuen sich vor diesem Weg . Nicht die Informationspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung und ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das wahre Ausmaß dieser Nacht an den Tag gebracht . Nein, es waren die medialen Berichte . Sie waren wichtig und notwendig . ({4}) Es war ein kollektiver Schock, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht . Nach der ersten Phase und der Frage: „Wie konnte das eigentlich passieren?“, gab es auch rasch die bekannten Reaktionsmuster, die sich ein wenig schon in dieser Debatte widerspiegeln: Bitte keine Debattenbeiträge, die Wasser auf die Mühlen von Fremdenfeinden sind . ({5}) Noch während die Anzeigen eingingen, hieß es auf der anderen Seite: Vorsicht! Jetzt bloß keine voreiligen Schlussfolgerungen für das Strafrecht! Es gibt auch viele Frauen, die sich an Männern durch falsche Anzeigen rächen . - Aber ist das wirklich der Kern des Problems? Nein . Jeder zu Unrecht Beschuldigte ist einer zu viel . Aber wie vielen tatsächlichen und angezeigten Vergewaltigungen stehen denn Falschbeschuldigungen gegenüber? Wir erweisen einem rechtstreuen ausländischen Mitbürger doch keinen guten Dienst, wenn wir Straftaten von Ausländern nicht ebenso benennen und ahnden, wie wir es in allen anderen Fällen - auch bei deutschen Straftätern - tun müssen . ({6}) Nicht nur an Silvester glaubten manche Männer, sie könnten in der ausgelassenen Stimmung Frauen ungestraft sexuell belästigen, nötigen oder gar vergewaltigen . ({7}) Auch im Karneval, bei Volksfesten oder Partys gibt es immer wieder solche Exzesse . ({8}) Aber welches Signal geben wir eigentlich, wenn wir weiterhin zulassen, dass ein gezielter Griff an die Brust oder in den Schritt im Sexualstrafrecht als „nicht erheblich“ bewertet wird, wenn Bestrafungen nur dann erfolgen können, wenn der Richter auf den Beleidigungsparagrafen ausweicht? Frauen sind kein Freiwild und sind keine reinen Objekte sexueller Begierde . Hier geht es um die Würde und die Wahrung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung gerade der Frauen . ({9}) Traurig, aber wahr ist auch, dass zum Handy- und Handtaschenklau das sogenannte Antanzen mittlerweile Methode hat . Täter gehen umso ungehemmter vor, je sicherer sie sich in einer Gruppe Gleichgesinnter fühlen . Von solchen Gruppen darf sich der Rechtsstaat doch nicht verhöhnen lassen . Wollen wir wirklich weiter zusehen, dass diejenigen, die mitmachen, umdrängen und so die Tat erst ermöglichen und die Situation für das Opfer verschärfen, ungeschoren davonkommen? Wer mitmacht, auch wenn er nicht selbst übergriffig wird, muss auch bestraft werden . Wer, statt sich zu distanzieren oder dem Opfer zu helfen, in der Gruppe mitmacht, der ist auch mitverantwortlich . Das Strafrecht muss hier ein Stoppschild aufstellen; denn das sagt auch etwas über die Definition von sozial adäquatem Verhalten aus. ({10}) Wir ziehen heute keine voreiligen Schlüsse . Der Gesetzentwurf des Ministeriums war zwar schon in Vorbereitung, aus unserer Sicht aber abschließend nicht geeignet, alle Schutzlücken zu schließen . Es brauchte die Unionsfrauen, es brauchte die Frauen der ASF, es brauchte die Kolleginnen der Koalitionsfraktionen, ({11}) damit es heute zu einem guten Gesetzentwurf gekommen ist . Deshalb danke ich allen, die uns dabei unterstützt haben, von der Verbandsseite über die Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten bis hin zu den Juristinnen und Juristen und den Männern, die uns an dieser Stelle unterstützt haben . ({12}) Wir wollen diesen Paradigmenwechsel, wir wollen ihn jetzt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin .

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss . - Sexuelle Selbstbestimmung, Opferschutz und mehr Sicherheit - das ist das Ziel dieses Gesetzes . Ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Gesetz ({0}) einen wichtigen Beitrag für ein respektvolleres und friedliches Zusammenleben in unserem Land ermöglichen werden . ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin . - Nächste Rednerin: Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen . ({0})

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen überschrieb die taz einen Artikel zum Sexualstrafrecht mit der Frage: „Wie viel wert ist ein Nein?“ Wenn wir heute den neugefassten § 177 Strafgesetzbuch beschließen, können wir diese Frage eindeutig beantworten; denn dem Nein wird endlich strafrechtliche Bedeutung beigemessen . ({0}) Ein für den Täter erkennbares Nein des Opfers, verbal oder konkludent zum Ausdruck gebracht, reicht nun aus, um einen Vergewaltiger zu bestrafen . Ein Nein ist ein Nein, ohne Wenn und Aber . Das ist ein Meilenstein, vor allen Dingen für Frauen, im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und für die sexuelle Selbstbestimmung; denn das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung muss nun nicht mehr aktiv verteidigt werden . Jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung ist strafbar . Damit wird mit § 177 eine gravierende Schutzlücke für die Betroffenen geschlossen . Dafür haben wir Grüne uns lange eingesetzt und gekämpft . Damit wird das Sexualstrafrecht endlich von dem Geist vieler Jahrzehnte gelöst, in dem die Rechte von Frauen als nachrangig galten . ({1}) Ich freue mich, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sich endlich dazu durchgerungen haben, diesen längst überfälligen Schritt zu gehen . Genau dies hat meine Fraktion bereits vor einem Jahr mit einem Gesetzentwurf vorgeschlagen, und dies wird auch von den Linken gefordert . Ich muss Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ganz klar sagen: Es war ein Armutszeugnis, dass das Justizministerium lange überhaupt keinen Handlungsbedarf sah und dass das Bundeskanzleramt selbst den unzureichenden Gesetzentwurf von Minister Maas ein halbes Jahr lang blockierte . Das war peinlich . Da haben Sie sich weiß Gott nicht mit Ruhm bekleckert . ({2}) Es ist letztendlich zu einem großen Teil der konzertierten Aktion und dem Druck der Frauenverbände und den Gesetzentwürfen von Grünen und Linken zu verdanken, dass die Koalition nun mit ihrem Änderungsantrag den Gesetzentwurf aus dem Hause Maas im Sinne der „Nein heißt nein“-Lösung endlich verändert hat . In der letzten Debatte, die wir hier hatten - Sie werden sich alle daran erinnern -, gab es eine große Einigkeit der Frauen . Eine fraktionsübergreifende Initiative für eine „Nein heißt nein“-Lösung wäre nicht ganz abwegig gewesen . Angesichts der Bedeutung der Umsetzung der Istanbul-Konvention wäre das sicherlich ein bemerkenswertes Signal gewesen . Aber ich sage ganz klar, auch angesichts der heutigen Debatte: Über diesen Schatten sind Sie leider nicht gesprungen . ({3}) Neben der Reform des § 177 ist mir wichtig, zu sagen, dass wir jetzt eine Regelung zur Strafbarkeit von sexueller Belästigung haben werden . Das heißt, dass sogenanntes Angrapschen kein Kavaliersdelikt und keine Petitesse ist, das von den Gerichten bislang kaum zufriedenstellend geahndet werden konnte . Ab jetzt müssen Frauen diese Übergriffe nicht mehr hinnehmen . Das war überfällig . Dem stimmen wir Grüne ausdrücklich zu . ({4}) Was wir jedoch klar ablehnen, ist die „Strafbarkeit aus Gruppen“ heraus . Das ist - ich sage es noch einmal ganz deutlich, Frau Widmann-Mauz - reine Symbolgesetzgebung, und das ist nach Köln die Handschrift der Union . Sie setzen so das Schuldprinzip in verfassungswidriger Weise ohne Not außer Kraft, ({5}) obwohl Sie wissen, dass beim Zusammenwirken mehrerer Personen ohnehin die Regelungen der Mittäterschaft und Teilnahme gelten . Wie Sie von der SPD da mitgehen konnten, das ist mir wirklich völlig unverständlich, abgesehen von dem bitteren Beigeschmack, den das Gesetz durch die Verschärfung der Ausweisungsregelungen bekommt . Das Strafrecht allein kann das Problem der sexualisierten Gewalt nicht lösen . Es braucht vielmehr bestmöglichen Opferschutz, ({6}) qualifizierte Notfallversorgung inklusive anonymer Spurensicherung und der Pille danach . Es braucht gut ausgestattete Beratungsstellen - damit müssen wir uns, glaube ich, noch einmal beschäftigen - und eine geschulte Staatsanwaltschaft und Polizei . Sexismus und sexualisierte Gewalt müssen immer und überall geächtet werden . ({7}) Ein Strafrecht, das den Grundsatz „Nein heißt nein“ beinhaltet, trägt dazu bei, dass die sexuelle Selbstbestimmung in der Gesellschaft einen neuen Stellenwert erfährt . Es ist gut für jede Frau in diesem Land, dass wir diese Tür heute aufstoßen und dass wir mit diesem Gesetz endlich diesen historischen Schritt machen . Vielen Dank . ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ulle Schauws . - Nächste Rednerin: Elke Ferner für die SPD . ({0})

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! „Nein heißt nein“, das setzen wir heute um . Das ist ein Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht, und es ist ein Sieg für die sexuelle Selbstbestimmung . ({0}) Dafür kämpfen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit vielen Jahren zusammen mit Frauenverbänden, auch mit anderen politischen Parteien . Ich bin sehr froh, dass es zumindest für die Änderung des § 177 StGB heute eine breite Mehrheit im Bundestag geben wird . Vor fast 20 Jahren, am 15 . Mai 1997, waren die Mehrheiten knapper, als es darum ging, die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen . Aber auch 1997 waren es die Frauen, die fraktionsübergreifend mit großer Unterstützung aus der Zivilgesellschaft die Mehrheit im Bundestag davon überzeugen konnten, dass auch die Vergewaltigung in der Ehe ein Verbrechen ist . ({1}) Fast 20 Jahre später gehen wir jetzt den nächsten Schritt . Ich möchte als eine, die schon damals im Bundestag war, sagen: Das ist auch für mich heute ein sehr guter und ein sehr großer Tag . ({2}) Ich möchte mich auch noch einmal bei den Verbänden bedanken, die den Aufruf „Nein heißt nein“ initiiert und unterstützt haben: beim Deutschen Frauenrat, beim Deutschen Juristinnenbund, bei Terre de Femmes, beim bff, beim KOK, beim Deutschen Komitee für UN Women, bei der Frauenhauskoordinierung und bei der ZIF . Ohne ihre Unterstützung und ohne die Unterstützung der Sachverständigen wären wir heute nicht so weit gekommen . Deshalb noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön . ({3}) Mit der Reform des Sexualstrafrechts stärken wir die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und setzen den potenziellen Tätern klare Grenzen . Der erkennbare Wille darf nicht mehr missachtet werden . Nein heißt jetzt nein . Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute vielleicht nicht der Versuchung erlegen wären, zu fragen, wer welchen Entwurf bis wann irgendwo zurückgehalten hat . ({4}) Es war schon eine göttliche Eingebung im Kanzleramt, kurz vor Weihnachten eine Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf durchzuführen . Wir schauen jetzt wirklich in die Zukunft und sehen, was wir durch Verabschiedung dieses Entwurfs verbessern . Nicht erst seit Köln gab es sexuelle Belästigung und Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen . ({5}) Das gibt es leider in allen Schichten der Gesellschaft - in Europa und anderen Teilen der Welt - seit vielen Jahren, ja, Jahrzehnten, Jahrhunderten . ({6}) Wir machen jetzt auch deutlich, dass das sogenannte Begrapschen ein Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist . Jede Frau kann jetzt selbst darüber entscheiden, ob sie einen Vorfall zur Anzeige bringt oder nicht . Ich will auch klar und deutlich sagen: Für die Opfer macht es einen Unterschied, ob sie aus einer Gerichtsverhandlung herausgehen und ihnen bescheinigt wird: „Das war gar keine Vergewaltigung, was dir da passiert ist“, oder ob der Täter nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden ist . Das macht einen Unterschied . Das beenden wir mit dem Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden . Es ist eben angesprochen worden: Straftaten aus Gruppen heraus . - Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich verstehe nicht, warum Grüne und Linke die Regelung nicht mittragen; ({7}) denn jeder in einer Gruppe hat die Möglichkeit, einzugreifen, Täter an Übergriffen zu hindern oder einfach nur wegzugehen und Hilfe zu holen . ({8}) Manche sagen: Das ist nicht strafbar . - Dieser Auffassung kann man sein; ich bin aber anderer Auffassung . ({9}) Ich verstehe, ehrlich gesagt, auch nicht, warum Grüne und Linke zwar „Nein heißt nein“ unterstützen, die Folgeänderungen im Aufenthaltsrecht aber ablehnen . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Ferner, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau Künast?

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Aber bitte nur eine! Wir wollen heute zügig durchkommen . ({0}) Ich achte sehr auf die Redezeit . Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, sich an die Redezeiten zu halten . Normalerweise bin ich da etwas großzügiger . Also eine kurze Zwischenfrage .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe mich gemeldet, weil Sie, Frau Ferner, schon die Zweite sind, die damit argumentiert - Frau WidmannMauz hat es ähnlich formuliert -: wenn man in der Gruppe mitmacht, daran teilnimmt und sich nicht distanziert . Ich weiß nicht, wie Sie den Tatbestand verstehen . Ich und viele andere verstehen ihn so, dass es dabei darum geht, dass man Teil einer Gruppe ist, die sich verabredet, und die Straftat irgendwie fördert . „Im umgangssprachlichen Sinn“ heißt es gar; also gar nicht nach den strengen Regeln des Allgemeinen Teils des StGB . Wenn sich fünf, sechs Leute zum Beispiel auf dem Schulhof verabreden, jemandem die Jacke abzuziehen so etwas soll es ja geben -, dann macht man sich in dieser Gruppe strafbar, wenn innerhalb dieses Gruppengeschehens eine Person ein Sexualdelikt begeht . Man muss das nicht einmal merken; man muss das nicht einmal sehen . Es wird später angezeigt . Da muss nicht einmal Vorsatz bestehen . Es geht um billigendes Inkaufnehmen . ({0}) Wie soll sich denn jemand von dem Delikt distanzieren, wenn zum Tatbestand nicht einmal gehört, dass man merkt, dass innerhalb des Abziehens der Jacke eine Sexualstraftat begangen wird? ({1}) Das ist das, was uns stört .

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich zumindest lese das nicht so, dass man es nicht merken muss . ({0}) Ich bin auch sicher, dass dann, wenn entsprechende Fälle vor Gericht kommen, auch die Umstände genau betrachElke Ferner tet und bewertet werden, wie immer alles im Einzelfall bewertet wird . ({1}) Ich möchte noch kurz auf die sogenannte Verschärfung des Ausländerrechts eingehen . Wenn Sie der Auffassung sind, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung kein Ausweisungsgrund sein sollen ({2}) - nein, sie sind nicht drin ({3}) - „Nein heißt nein“ ist nicht drin -, dann sagen Sie das einfach so, und sagen Sie nicht: Es gibt sozusagen im Windschatten der Sexualstrafrechtsreform auch noch eine Verschärfung des Ausländerrechts . - Das war nicht der Fall, und das ist nicht der Fall . ({4}) - Wir haben da einfach unterschiedliche Auffassungen . ({5}) Ich möchte mich zum Schluss bei allen Kollegen und Kolleginnen bedanken, auch bei denen der Oppositionsfraktionen, aber insbesondere bei der Unionsfraktion, auch bei der Frauen Union . Wir haben gezeigt: Wenn Frauen zusammen etwas bewegen wollen, dann können sie zusammen auch etwas bewegen . ({6}) Ich würde mir sehr wünschen, dass das auch beim Thema Lohngerechtigkeit der Fall ist . Vielen Dank . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Elke Ferner . - Nächster Redner in der Debatte: Alexander Hoffmann von der CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Alexander Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004304, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da die Kolleginnen und Kollegen der Linken und der Grünen anscheinend schon darauf brennen, dass ich noch ein bisschen Juristisches und Verfassungsrechtliches ({0}) zu dem neuen Tatbestand „Übergriffe aus Gruppen“ sage, will ich das auch gern tun . ({1}) Da wird gesagt: Es gibt überhaupt keinen Bedarf für diese Norm, weil unsere Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme ausreichen . ({2}) Meine Damen, meine Herren, wir erinnern uns an Vorfälle in Köln, in Darmstadt, in Berlin . ({3}) Das Antanzen ist eine Masche geworden, ein echtes Tatbild . Da verabreden sich Männer zu einer Gruppe . Sie gehen auf Frauen zu, separieren eine Frau, versperren ihr die Fluchtwege . Dann wird das Handy geklaut; es geht ans Geld ran, und die Frau wird begrapscht . ({4}) Die Schwierigkeit in diesen Fällen ist: Mit Videomaterial, mit Augenzeugen können wir durchaus den Nachweis führen „Die betreffende Person war in der Gruppe“; Frauen schildern aber - wenn Sie sich mit den Sachverhalten beschäftigen, erfahren Sie das -, dass sie von 10 bis 15 Männern teilweise 20- bis 30-mal angefasst worden sind . Die Frau kann eben nicht mehr sagen, die Hand kam von dem, oder die Hand kam von jenem . ({5}) Das heißt, eine Aufarbeitung der Einzelverantwortlichkeit ist nur bis zu einem gewissen Grade möglich . ({6}) Deswegen wollen wir einen neuen Tatbestand . Da geht es selbstverständlich um Beweisprobleme . Aber, meine Damen, meine Herren, wir sagen: Wer sich zu einer Gruppe verabredet, um eine Frau zu bedrängen, ({7}) um in dieser Situation Straftaten zu begehen, der verwirklicht eigenes Unrecht, und wer eigenes Unrecht begeht, den darf man auch bestrafen . ({8}) Der Täter verursacht eine objektiv gefährliche Situation . Er setzt nämlich einen Kausalverlauf in Gang, den er später nicht mehr beherrschen kann, und der einer gewissen Dynamik unterliegt, weil aus dem Ausgeliefertsein der Frau, aus der übermächtigen Stellung der Gruppe, der eine oder andere dann doch noch mutiger wird . Und dann kommt es zu sexuellen Übergriffen . Dann kommen die verfassungsrechtlichen Bedenken: Das verstößt gegen das Schuldprinzip . Das ist schon zunächst einmal nicht richtig, weil - ich habe es gerade aufgezeigt - der Täter eigene Schuld, eigenes Unrecht verwirklicht . ({9}) Ich empfehle Ihnen noch einmal dringend - ich habe es gestern schon im Rechtsausschuss getan, Frau Künast; offensichtlich haben Sie nicht zugehört -, ({10}) die Rechtsprechung zu § 231 StGB zu verinnerlichen . ({11}) Denn unser Gruppentatbestand ist keine freie Erfindung von der Konstruktion her, sondern es gibt im deutschen Strafrecht schon eine Norm, nämlich die Beteiligung an einer Schlägerei, bei der lediglich die Förderung einer objektiv gefährlichen Situation bestraft wird . ({12}) Nach BGH-Rechtsprechung ist dort folgender Fall strafbar: Es steht jemand am Rande einer Schlägerei, 10, 15 Männer prügeln sich, und er applaudiert . In dieser Schlägerei verliert jemand ein Auge, ohne dass derjenige, der applaudiert, das sieht oder er das will . ({13}) Diese Person ist strafbar wegen dieses Förderungsbeitrags Applaus . ({14}) Jetzt kommt es aber, meine Damen, meine Herren . Wer bei uns einen Verursachungsbeitrag leistet, das heißt, die Kausalkette in Gang setzt mit der Verabredung zur Gruppe, der leistet mehr als jemand, der einfach nur applaudiert . Deswegen glauben wir, dass das eine Strafbarkeit trägt . ({15}) Jetzt sagen Sie; Ja, die zufällige Anwesenheit genügt . Da wundere ich mich dann wirklich - darüber haben wir gestern ausführlich gesprochen -, es gibt nämlich sehr wohl auch eine Definition, wann eine Gruppe vorliegt. Damit Sie es nicht vergessen, will ich es noch einmal zitieren: Eine Gruppe ist eine zu bestimmten Zwecken zusammengeschlossene Anzahl von mindestens drei Personen . Das ist BGH-Rechtsprechung . Das habe ich Ihnen gestern zitiert . Es wird heute trotzdem, wider besseres Wissen, erneut in Abrede gestellt . Dann kommen diejenigen, die sagen, wir brauchen ja bei § 231 StGB eine schwere Folge; das ist ja gar nicht vergleichbar . ({16}) Da sage ich: Vorsicht vor dieser Argumentation . Zum einen ist es so, dass unser Täter ja nicht nur einen Förderbeitrag leistet, sondern einen echten Verursachungsbeitrag . Denn er verwirklicht mehr an Unrecht, er verwirklicht eigenes Unrecht . ({17}) Der zweite Punkt, meine Damen, meine Herren: Beschäftigen Sie sich einmal mit Opfern aus der Kölner Silvesternacht . Dabei sind Frauen, die schwer traumatisiert sind, die heute in keine Menschenmenge mehr gehen können, geschweige denn in den Kölner Hauptbahnhof . Ich will Ihnen sagen: Wir stehen hinter dieser Norm, wir sind zuversichtlich, dass sie verfassungsgemäß sein wird . Zum Ausweisungsrecht will ich Ihnen nur so viel sagen: Bei uns in der Großen Koalition - dafür bin ich der Frau Ferner auch dankbar - ist es so, dass „Nein heißt nein“ auch Nein im Ausweisungsrecht bedeutet . Bei Ihnen scheint das anders zu sein . Vielen Dank . ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Hoffmann . - Der nächste Redner ist Dr . Johannes Fechner für die SPD . ({0})

Dr. Johannes Fechner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir machen diese Reform, weil es in der Vergangenheit Urteile gab, in denen auch höchste Gerichte Abwehrhandlungen des Opfers, der Frauen, gefordert haben . Die Voraussetzungen einer solchen Abwehrhandlung sahen die Gerichte als nicht gegeben an, wenn das Opfer die Gegenwehr unterließ etwa aus Furcht vor einer Kündigung, vor strafrechtlichen Konsequenzen, aus Angst, dass der Täter die Wohnung verwüstet, oder aus Angst vor erneuter Gewalt oder weil das Opfer von der Attacke überrascht wurde und deshalb keine Gegenwehr leistete . Wohlgemerkt: Das waren höchstrichterliche Entscheidungen . Deswegen können wir die heutige Rechtslage, auf der solche Urteile basieren, nicht stehen lassen . Wir müssen die Frauen besser schützen . ({0}) Insofern war es gut, dass Minister Maas schon im Juli 2015 einen sehr präzisen Gesetzentwurf präsentiert hat . Sie sehen: Die Kölner Silvesterereignisse waren für uns nicht nötig, um hier den Handlungsbedarf zu erkennen . ({1}) Wäre der Entwurf nicht im Kanzleramt ein halbes Jahr blockiert worden, dann wären wir heute schon weiter . ({2}) Wohlgemerkt: Der Entwurf ist nicht wegen der Frage der „Nein heißt nein“-Lösung blockiert worden, sondern weil er der Union zu weit ging . Man kann den entsprechenden Schriftverkehr ja nachlesen . ({3}) Im Januar 2016 saßen Herr Maas und ich mit Herrn Strobl zusammen . Wir haben ihn gefragt: Herr Strobl, machen Sie bei „Nein heißt nein“ mit? Wir sind bereit dazu, das Ministerium unterstützt es . - Herr Strobl sagte im Januar: Nein, das machen wir nicht mit . - Es war übrigens der gleiche Januar 2016, in dem Ralf Jäger und Hannelore Kraft, wie es ihre tatkräftige Art ist, ({4}) die Geschehnisse analysiert und in Nordrhein-Westfalen die richtigen Konsequenzen gezogen haben; das will ich hier ausdrücklich klarstellen . ({5}) Wir erweitern nun heute den Entwurf um die „Nein heißt nein“-Lösung, weil wir zu Recht den Willen der Frau entscheiden lassen wollen . Damit schützen wir die Opfer besser . Ein Nein muss ausreichen; das wollen wir heute hier so regeln . Ich meine auch, dass wir nicht beim materiellen Strafrecht stehen bleiben, sondern noch einen Schritt weiter gehen sollten . Das Kernproblem ist ja oft, dass das Opfer aus Angst vor Rache des Täters im Prozess nicht mehr aussagt . Deswegen sollten wir im zweiten Schritt auch strafprozessuale Änderungen einführen . Auch hier hat unser äußerst aktiver Justizminister schon den Vorschlag gemacht, die Strafprozessordnung dahin gehend zu ergänzen, dass die Vernehmung des Opfers bei der Polizei, die erste Aussage auf Video festgehalten wird, wenn es um eine schwere Straftat, wie die Vergewaltigung eine ist, geht . Dann hätten wir im Prozess, wenn das Opfer aus nachvollziehbarer Angst nicht aussagen möchte, die Möglichkeit, uns direkt zu informieren, wie die erste Aussage war . Lassen Sie uns also auch den Schutz der Opfer strafprozessual absichern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen . ({6}) Ein Wort zu den Straftaten aus Gruppen: Ja, auch wir in der SPD wollen, dass diejenigen bestraft werden, die den Täter anfeuern oder als Teil einer menschlichen Mauer das Opfer umzingeln und so den Täter bestärken . Aber gerade weil wir eine präzise Regelung wollen, haben wir erhebliche Bedenken gegen die jetzt getroffene Formulierung . Ich will ausdrücklich klarstellen: Diese Formulierung geht auf einen Vorschlag der Union zurück . Wir hätten lieber eine Präzisierung, eine Kodifizierung des Tatbestands der Beihilfe vorgenommen, um diese Täter wirklich zu erfassen . Wir stimmen dem Gesetz heute nur deshalb zu, weil wir es insbesondere den Frauen und den Frauenverbänden nicht erklären könnten, warum wir diese Reform auf der Zielgeraden stoppen . Wir haben heute die große Chance, erhebliche Strafbarkeitslücken im Sinne eines besseren Schutzes von Frauen zu schließen . Deswegen tragen wir diese aus unserer Sicht bedenkliche Regelung bei der Formulierung der Gruppenstrafbarkeit mit . Wir werden dem Gesetzentwurf heute zustimmen, auch wenn wir das eine oder andere Argument der Opposition auch überlegt hatten . Lassen Sie uns heute diesem Gesetzentwurf so zustimmen . Wir machen ein gutes Gesetz zum Schutz der Frauen vor sexueller Gewalt . Vielen Dank . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Fechner . - Wir haben jetzt noch eine Rednerin und einen Redner . Ich möchte Sie deshalb auffordern und dringend ersuchen, spannende Gespräche zwischen Herren und Damen draußen zu führen oder sich bitte hinzusetzen und der Debatte zu folgen . Das ist eine wichtige Debatte . Ich bitte Sie jetzt, der Kollegin Karin Maag, der nächsten Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion, Ihre Aufmerksamkeit zu schenken . ({0})

Karin Maag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004104, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es ist höchste Zeit, dass wir uns bei Sexualstraftaten der Perspektive des Opfers nähern und das Opfer in das Zentrum rechtspolitischer Überlegungen stellen . Bisher prüfen ja die Staatsanwaltschaften und die Gerichte die Frage: Was hat das Opfer getan? Bisher muss das Opfer begründen, wie, warum und aus welchen Überlegungen heraus es sich gewehrt hat . Die Sachverständige Frau Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte hat in der Anhörung an die Notwendigkeit einer Normverdeutlichung erinnert . Unsere Gesellschaft hat es offensichtlich noch nicht verinnerlicht, dass bei Zweifeln, ob mein Pendant freiwillig kooperiert, sexuelle Kontakte schlicht zu unterlassen sind . Das ist es, worüber wir heute reden . Deshalb stellen vor allen Dingen wir Abgeordnete heute klar, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung unantastbar ist . Wer künftig gegen den erkennbaren Willen des Opfers sexuelle Handlungen am Opfer vornimmt, wird bestraft . Lieber Herr Fechner, glauben Sie es mir: Mir scheint, dass man auf eine Landesregierung, die vier Tage gar nichts bemerkt hat, wohl nicht unbedingt stolz sein kann . ({0}) Und angesichts der Tatsache, lieber Herr Fechner, dass der Justizminister noch 2014 erklärt hat, er sehe gar keinen Handlungsbedarf bezüglich einer Änderung des § 177 StGB, bin ich froh, dass wir Frauen - das betone ich jetzt ausdrücklich - die Sache in die Hand genommen haben . ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir war es ein persönliches Anliegen, dass jetzt auch Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen besser erfasst werden . ({2}) Gerichte haben nämlich die sexuelle Nötigung und Vergewaltigung von Tatopfern mit geistiger Beeinträchtigung oft unzutreffend als sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person verurteilt, obwohl das Opfer klar und deutlich eine Willensbildung gezeigt hat . Das Schlimme daran ist, dass entsprechende Straftaten gegen Behinderte bisher mit einem geringeren Strafmaß geahndet werden . Deshalb stellen wir heute auch sicher, dass sich diese Praxis nicht mehr fortsetzt . ({3}) Meine Damen und Herren, eine weitere Änderung freut mich: Wir bestrafen die Grapscher . ({4}) Es geht allerdings um Taten, die juristisch gesehen die Schwelle der sexuellen Erheblichkeit noch nicht erreichen, aber natürlich das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und die Würde von Frauen erheblich verletzen . Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von uns Frauen wird künftig deutlich besser geschützt . Bestraft wird, wer Frauen und auch Männer sexuell belästigt, das heißt, wer einem Opfer zum Beispiel an die bekleidete Brust fasst, wer es an den Geschlechtsorganen berührt, ohne dazu eingeladen zu sein - das ist der springende Punkt . Ich mache es ganz einfach: Grapschen ist kein Kavaliersdelikt . Grundsätzlich gilt: Finger weg! ({5}) Meine Damen und Herren, liebe Frau Möhring, Frau Wawzyniak, es kommt wie immer im Ausländerrecht auch beim § 177 StGB auf das Strafmaß an . ({6}) - Auf das Strafmaß kommt es in diesem Fall an . - Ich sehe auch nicht, warum sexuelle Übergriffe weniger einschneidende Folgen haben sollen als andere Straftaten . Das müssten Sie mir einmal im Privatissimum erklären . ({7}) Zunehmende Probleme bereiten auch - das hat die Anhörung ergeben; der Leitende Oberstaatsanwalt Ohlenschlager hat das deutlich ausgeführt - sexuelle Handlungen aus Tätergruppen . Dazu wurde schon einiges Richtiges - Stresssituation des Opfers, das Opfer als einziger Zeuge - gesagt . Ich glaube, wir tun gut daran, festzuschreiben, dass sich künftig derjenige, der eine Straftat fördert, der gemeinsam mit anderen das Opfer bedrängt, strafbar macht . ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch betonen: Der Staat mischt sich auch künftig nicht in das Liebesleben seiner Bürger ein . Was beiden gefällt, bleibt erlaubt . Hinsichtlich der Sorge vor Falschanzeigen ist selbstverständlich festzuhalten, dass natürlich die strafrechtliche Beweisführung bei Sexualdelikten eine Herausforderung ist . Das haben die Sachverständigen so formuliert . Selbstverständlich gilt weiterhin die Unschuldsvermutung . Selbstverständlich gilt der Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ . Daran ändert sich auch nichts . Da braucht man keine Sorgen zu haben . Ich will am Ende meiner Rede noch eines betonen: Als Vorsitzende der Gruppe der Unionsfrauen freut es mich ganz besonders, dass wir heute im Bundestag ein ganzes Paket an Gesetzen zum Schutz vor sexueller Gewalt vor allem gegen Frauen verabschieden . Es geht heute noch um das Prostituiertenschutzgesetz, das die Menschen in der legalen Prostitution vor Gewalt, Ausbeutung und Erniedrigung schützt . Wir haben es geschafft, dass bei Handlungen gegen Frauen, indem sie etwa zur Prostitution gezwungen werden, indem sie etwa Opfer von Menschenhändlern sind, die Strafbarkeit erhöht wird, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden; dazu gehören übrigens auch Freier .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, Ihre Redezeit .

Karin Maag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004104, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

An dieser Stelle bedanke ich mich, liebe Frau Präsidentin, bei allen, die mitgewirkt haben . Wir Frauen haben für diesen Tag lange gekämpft . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin . - Ich sage es jetzt noch einmal: Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, Platz zu nehmen und ihre Gespräche einzustellen . Ansonsten rufe ich nämlich den nächsten Redner nicht auf . Dann kriegen Sie zumindest mit einem Großteil des Hauses Ärger, weil sich diese Zeitverzögerung dann fortsetzt . ({0}) Das gilt für Johannes Kahrs, das gilt auch für die Seite rechts von uns . Ich sage es noch einmal: Setzen Sie sich jetzt bitte hin! Hören Sie dem nächsten Redner zu! Ansonsten rufe ich den nächsten Redner nicht auf, ({1}) zumal es ein Redner ist, der einmal sehen soll, wie es im Bundestag zugeht; denn er kommt vom Bundesrat . Ich gebe dem Senator für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin, Thomas Heilmann, das Wort . ({2})

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor der namentlichen Abstimmung bin nur noch ich dran . Ich mache es kurz und verzichte auf Wiederholungen . Das Strafrecht definiert die wichtigsten Rechtsgüter in einer Gesellschaft . Heute stärkt der Deutsche Bundestag das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung . Das ist die wirklich gute Nachricht des Tages . Hinter uns liegen viele Jahre des Wandels und der Überzeugungsarbeit . Ein solches Gesetz, wie es heute zur Abstimmung vorliegt, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen . Sexuelle Aufdringlichkeiten galten noch nicht einmal als Kavaliersdelikt . Aber niemand hat Anlass zu Hochmut . Frau Schauws, Sie haben vor diesem Hintergrund von einem Armutszeugnis gesprochen . Ich will Sie daran erinnern, dass auch Ihre Fraktion und Ihre Partei durchaus einen Wandel im Hinblick auf zu schützende Rechtsgüter im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung hinter sich haben . ({0}) Ich denke an die Frage: Wie sind eigentlich Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen? ({1}) Liebe Frau Dr . Högl und lieber Herr Dr . Fechner, einer der Gründe, warum ich heute hier rede, ist: Sie erwähnten die Meinungsäußerungen in der Union, die es natürlich gegeben hat, ({2}) und lobten den Bundesminister Maas . ({3}) Das ist aber - vorsichtig formuliert - etwas einseitig . Ich erinnere mich sehr gut an die Justizministerkonferenzen 2014 und 2015 . ({4}) Während der Antrag von Frau Kuder aus Mecklenburg-Vorpommern von uns in Berlin immer unterstützt wurde, die damals schon sagte: „Nein heißt nein“, war die Haltung des Bundesjustizministeriums - vorsichtig formuliert - noch sehr zurückhaltend . Jedenfalls wurde damals kein Änderungsbedarf gesehen . Insofern haben wir alle gemeinsam uns bewegt; ich finde, das hat Frau Ferner auch sehr gut dargestellt . ({5}) - Ich war auch damals schon Landesjustizminister bzw . Senator . Das FDP-geführte Ministerium war in der Tat der Meinung, es gebe keinen Änderungsbedarf . Auch dort hat es offensichtlich eine Änderung gegeben . Aber Sie haben ja recht, Frau Ferner, wir sollten nicht zurückblicken . Viele haben dankgesagt . Das möchte ich nicht wiederholen . Aber ich möchte Ihnen, Frau Winkelmeier-Becker und Herrn Hoffmann, sehr herzlich danken, weil auch Sie die Debatte und die Reform, die diesen Namen nun auch verdient, befördert haben . ({6}) Ein zweiter Grund, warum ich rede, betrifft die Berliner Staatsanwaltschaft und insbesondere die Berliner Gerichte . Wir haben ein sehr prominentes schwebendes Verfahren, in das wir uns nicht einmischen wollen . Liebe Frau Bundesministerin Schwesig, ich habe es sehr bedauernd zur Kenntnis genommen, dass Sie sich da parteiergreifend geäußert haben. Ich finde, ein Berliner Gericht sollte entscheiden, wie der Sachverhalt damals tatsächlich war . Es geht ja um die Beweiswürdigung, danach kommt die rechtliche Entscheidung . ({7}) Letzter Punkt . Wir alle in Berlin wollen eine Kultur des Respekts . Wir wollen, dass jeder und jede selbstbestimmt, selbstbewusst und tolerant leben kann . Wir tolerieren keine Übergriffe . Die sexuelle Selbstbestimmung gehört zu den Kernwerten unserer Gesellschaft . Verstöße dagegen sind schwerwiegend . Es ist deswegen richtig, dass das Gesetz nun auch sexuelle Übergriffe als Abschiebungsgrund definiert, wenn das Strafmaß hinreichend ist . Wir kommen heute einen großen Schritt voran, aber es wird nicht der letzte sein . Wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, wie wir die Integrität von Frauen besser schützen können, ({8}) Vizepräsidentin Claudia Roth die durch verbale Angriffe in der Öffentlichkeit zu sexualisierten Objekten gemacht werden . Auch beim Opferschutz müssen wir noch mehr tun . Es ist also gut, wenn wir unser Strafrecht kontinuierlich weiterentwickeln . Heute ist jedenfalls erst einmal ein guter Tag . Vielen Dank . Gute Abstimmung! ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Senator Heilmann . - Ich schließe die Aussprache . Wir kommen jetzt zur Abstimmung . Ich bitte sehr um Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Konzentration . Das wird jetzt ein kleiner Marathon, von daher ist es ganz gut, wenn wir uns etwas konzentrieren . Zu den Abstimmungen liegen mehrere Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor .1) Zunächst geht es um den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9097, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa- chen 18/8210 und 18/8626 in der Ausschussfassung an- zunehmen . Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grü- nen haben beantragt, über Teile des Gesetzes in zweiter Beratung getrennt abzustimmen . Wir werden dazu drei namentliche Abstimmungen durchführen . Dann gibt es eine Unterbrechung, und nach dieser Unterbrechung, während der ausgezählt wird, werden wir mit einfachen Abstimmungen fortfahren . Wir stimmen zunächst ab über Artikel 1 Nummern 6 bis 8, 10 und 11 des Gesetzentwurfs in der Ausschuss- fassung . Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben dazu namentliche Abstimmung verlangt . Ich bitte die Schriftführer und Schriftführerinnen, die vorgesehenen Plätze einzunehmen . - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Nein, im mittleren Gang oben rechts fehlt noch ein Schriftführer oder eine Schriftführe- rin; vorher kann ich nicht beginnen . - Sind jetzt alle Plät- ze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Dann eröffne ich die erste namentliche Abstimmung; sie geht - ich sage es noch einmal - über Artikel 1 Nummern 6 bis 8, 10 und 11 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung . Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben alle abge- stimmt? - Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch abstimmen müssen? - Das scheint nicht der Fall zu sein . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu be- ginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben .2) 1) Anlagen 3 und 4 2) Ergebnis Seite 18015 D Nächste Abstimmung . Wir stimmen jetzt namentlich ab über Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung, und zwar nur über die Einfügung des § 184j Strafgesetzbuch . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat namentliche Abstimmung verlangt . Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim- mung; sie geht über Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzent- wurfs in der Ausschussfassung, und zwar - ich sage es noch einmal - nur über die Einfügung des § 184j Straf- gesetzbuch . Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht ab- gestimmt haben? - Da sich niemand meldet, schließe ich jetzt die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .3) Wir kommen nun zur Abstimmung über Artikel 2 Ab- satz 3 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung . Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmung verlangt . Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Dann eröffne ich die dritte namentliche Abstim- mung; sie geht über Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzent- wurfs in der Ausschussfassung . Gibt es noch Kollegen oder Kolleginnen, die die Stimme nicht abgegeben haben, die nicht in wichtige Ge- spräche verwickelt wurden, die nicht rechtzeitig in den Bundestag eingelassen wurden - Sie glauben gar nicht, was es da alles an Begründungen gibt -, die den heißen Kaffee noch nicht trinken konnten? - Die Kollegen ha- ben also abgestimmt . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . 4) Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen unterbreche ich jetzt die Sitzung . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet . Ich werde Ihnen jetzt die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt geben ({0}) - alles klar, Herr Kauder; net hudle -: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung; hier: Artikel 1 Nummern 6 bis 8, 10 und 11 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung, Drucksachen 18/8210, 18/8626, 18/9097: abgegebene Stimmen 601 . Mit Ja haben gestimmt 601 . ({1}) Artikel 1 Nummern 6 bis 8, 10 und 11 des Gesetzent- wurfs in der Ausschussfassung ist damit einstimmig an- genommen . 3) Ergebnis Seite 18018 D 4) Ergebnis Seite 18021 D Senator Thomas Heilmann ({2}) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 599; davon ja: 599 nein: 0 enthalten: 0 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens ({3}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Ingrid Fischbach Axel E . Fischer ({4}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({5}) Michael Frieser Dr . Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Dr . Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({6}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Thorsten Hoffmann ({7}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr . Karl A . Lamers Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({8}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({9}) Stefan Müller ({10}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Thomas Rachel Alexander Radwan Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({11}) Dr . Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({12}) Gabriele Schmidt ({13}) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Nadine Schön ({14}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({15}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({16}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({17}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Dr . h .c . Albert Weiler Marcus Weinberg ({18}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({19}) Sabine Weiss ({20}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Heinz Wiese ({21}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({22}) Burkhard Blienert Dr . Karl-Heinz Brunner Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h .c . Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Dr . Ute Finckh-Krämer Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({23}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({24}) Gabriela Heinrich Marcus Held Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({25}) Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({26}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller ({27}) Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({28}) Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Joachim Poß Florian Post Achim Post ({29}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({30}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr . Hans-Joachim Schabedoth Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({31}) Matthias Schmidt ({32}) Dagmar Schmidt ({33}) Carsten Schneider ({34}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({35}) Frank Schwabe Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Waltraud Wolff ({36}) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W . Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Niema Movassat Norbert Müller ({37}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold ({38}) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel ({39}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck ({40}) Volker Beck ({41}) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr . Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({42}) Christian Kühn ({43}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Tabea Rößner Claudia Roth ({44}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms ({45}) Artikel 1 Nummer 9 - und zwar nur Einfügung von § 184j Strafgesetzbuch - des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung, Drucksachen 18/8210, 18/8626, 18/9097: abgegebene Stimmen 599 . Mit Ja haben gestimmt 478, mit Nein haben gestimmt 119, Enthaltungen 2 . Artikel 1 Nummer 9 ist damit angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 598; davon ja: 477 nein: 119 enthalten: 2 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens ({46}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Ingrid Fischbach Axel E . Fischer ({47}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({48}) Michael Frieser Dr . Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Dr . Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({49}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Thorsten Hoffmann ({50}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr . Karl A . Lamers Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Patricia Lips Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({51}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({52}) Stefan Müller ({53}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Thomas Rachel Alexander Radwan Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({54}) Dr . Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({55}) Gabriele Schmidt ({56}) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Nadine Schön ({57}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({58}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({59}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({60}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr . h .c . Albert Weiler Marcus Weinberg ({61}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({62}) Sabine Weiss ({63}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Heinz Wiese ({64}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({65}) Burkhard Blienert Dr . Karl-Heinz Brunner Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h .c . Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Dr . Ute Finckh-Krämer Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({66}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({67}) Gabriela Heinrich Marcus Held Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({68}) Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({69}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller ({70}) Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({71}) Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Joachim Poß Florian Post Achim Post ({72}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({73}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr . Hans-Joachim Schabedoth Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({74}) Matthias Schmidt ({75}) Dagmar Schmidt ({76}) Carsten Schneider ({77}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({78}) Frank Schwabe Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Waltraud Wolff ({79}) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Nein SPD Rüdiger Veit DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W . Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Norbert Müller ({80}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold ({81}) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel ({82}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck ({83}) Volker Beck ({84}) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr . Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({85}) Christian Kühn ({86}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Tabea Rößner Claudia Roth ({87}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms Enthalten SPD Marco Bülow DIE LINKE Dr . Gregor Gysi ({88}) Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung - die Drucksachen bleiben dieselben -: abgegebene Stimmen 601 . Mit Ja haben gestimmt 480, mit Nein haben gestimmt 121 . Kolleginnen und Kollegen, Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung ist damit angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 600; davon ja: 479 nein: 121 enthalten: 0 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens ({89}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Ingrid Fischbach Axel E . Fischer ({90}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({91}) Michael Frieser Dr . Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Dr . Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({92}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Thorsten Hoffmann ({93}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr . Karl A . Lamers Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({94}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({95}) Stefan Müller ({96}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Thomas Rachel Alexander Radwan Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({97}) Dr . Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({98}) Gabriele Schmidt ({99}) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Nadine Schön ({100}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({101}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({102}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({103}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr . h .c . Albert Weiler Marcus Weinberg ({104}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({105}) Sabine Weiss ({106}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Heinz Wiese ({107}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({108}) Burkhard Blienert Dr . Karl-Heinz Brunner Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h .c . Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Dr . Ute Finckh-Krämer Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({109}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({110}) Gabriela Heinrich Marcus Held Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({111}) Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({112}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller ({113}) Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({114}) Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Joachim Poß Florian Post Achim Post ({115}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({116}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr . Hans-Joachim Schabedoth Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({117}) Matthias Schmidt ({118}) Dagmar Schmidt ({119}) Carsten Schneider ({120}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({121}) Frank Schwabe Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Waltraud Wolff ({122}) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Nein SPD Marco Bülow DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W . Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Niema Movassat Norbert Müller ({123}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold ({124}) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel ({125}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck ({126}) Volker Beck ({127}) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr . Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({128}) Christian Kühn ({129}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Tabea Rößner Claudia Roth ({130}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms ({131}) Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzentwurfs in der Aus- schussfassung, und zwar nur die Einfügung des § 184i Strafgesetzbuch . Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzent- wurfs in der Ausschussfassung - hier die Einfügung des § 184i Strafgesetzbuch - ist bei einer Enthaltung ange- nommen .1) Wir kommen nun zu den übrigen Teilen des Gesetz- entwurfs in der Ausschussfassung . Ich bitte diejenigen, 1) Anlage 5 die zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch die übrigen Teile des Gesetzentwurfs sind angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, enthalten haben sich Bündnis 90/Die Grünen und die Linke . Damit ist der Gesetzentwurf insgesamt in zweiter Beratung angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, enthalten haben sich die Linke und Bündnis 90/Die Grünen . Abstimmung über den von der Fraktion Die Linke eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9097, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7719 abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt . Zugestimmt haben die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, dagegengestimmt haben CDU/CSU und SPD . Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung . ({132}) Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9097, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5384 abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, jetzt um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt . Zugestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, dagegen waren CDU/CSU und SPD . Auch damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung jetzt die weitere Beratung . Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen . - Es wäre schön, wenn Sie die Plätze zügig wechseln könnten . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zeit für mehr - Damit Arbeit gut ins Leben passt Drucksache 18/9007 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({133}) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen .

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Zeit zu haben, sich gehetzt zu fühlen: Das ist zu einem Massenphänomen in unserer Gesellschaft geworden . Burn-out an der Uni ist ein Alltagsphänomen . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fehlen immer häufiger aufgrund psychischer Erkrankungen. Die Fehltage deswegen haben sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt, und auch fast jede zweite Frühverrentung ist durch psychische Erkrankungen verursacht . Das alles sind klare Zeichen dafür, dass unserer gehetzten Gesellschaft die Puste ausgeht . Wir Grünen wollen dem nicht tatenlos zusehen . Wir machen ganz konkrete Vorschläge, wie Menschen wieder mehr Souveränität über das bekommen können, was eines ihrer wichtigsten Güter überhaupt ist, nämlich über ihre Zeit . Wir fordern die Bundesregierung auf, hier endlich aktiv zu werden . ({0}) Das Thema ist nicht neu . Allein auf der Website des Familienministeriums gibt es 116 Treffer, wenn man nach dem Begriff „Zeitpolitik“ sucht, mit vielen Verweisen auf umfassende Studien und Forschungsarbeiten . Das zeigt: Wir haben überhaupt kein Erkenntnisproblem . Aber diese Bundesregierung handelt nicht . Deshalb sagen wir Grünen: Die Menschen brauchen jetzt eine bessere Balance zwischen Beruf und Familie, ({1}) zwischen Pflege und/oder Ehrenamt, zwischen den vielen Mosaiksteinen, die unser Leben ausmachen . Denn auch der Sankt-Nimmerleins-Tag hat nicht mehr als 24 Stunden . ({2}) Ich muss keine Prophetin sein, um davon auszugehen, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen gleich das Elterngeld Plus und die Familienpflegezeit anführen werden. ({3}) Ich sage Ihnen aber: Lassen Sie das lieber stecken! Das Elterngeld Plus ist ein Bürokratiemonster, ({4}) Vizepräsidentin Claudia Roth das an der Lebensrealität der meisten Familien kilometerweit vorbeigeht . Die Familienpflegezeit bleibt ein Rohrkrepierer. Sie schließt den größten Teil der Frauen vom Rechtsanspruch aus und ist für Menschen mit geringem Einkommen sowieso unerschwinglich . Deshalb sagen wir: Wir brauchen passgenaue und realitätstaugliche Instrumente, damit Arbeit gut ins Leben passt, und wir brauchen diese Instrumente jetzt . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das eine Arbeitszeitmodell reicht schon lange nicht mehr aus, um Erwerbsarbeit und private Anforderungen unter einen Hut zu bringen . Deshalb wollen wir einen Vollzeitkorridor mit Wahlarbeitszeiten schaffen . Beschäftigte sollen das Recht haben, ihren Arbeitszeitumfang im Bereich von 30 bis 40 Stunden bedarfsgerecht nach oben oder unten anpassen zu können. Mit dieser flexiblen Vollzeit schaffen wir echte Zeitsouveränität . Die Arbeitszeiten sollen endlich so beweglich werden, wie die Menschen in unserem Land es schon lange sind . ({6}) Es gibt aber auch Phasen im Leben, in denen mehr Flexibilität allein nicht ausreicht: wenn man Verantwortung für andere übernimmt, Kinder hat oder sich um Pflegebedürftige kümmert, übrigens auch, wenn man sich in der Mitte des Lebens nochmals beruflich umorientieren möchte oder auch muss . In diesen Phasen braucht es gezielte Unterstützung . Mit der Kinderzeit Plus, der Pflegezeit Plus und unserer Bildungszeit Plus versetzen wir Menschen auch finanziell in die Lage, in diesen Lebensphasen beruflich kürzerzutreten, und zwar ganz egal, ob sie Reinigungskraft oder Professorin sind . Mehr Zeit für Familie, mehr Zeit für Bildung muss jedem möglich sein, unabhängig vom Geldbeutel . ({7}) Ein Aspekt ist mir besonders wichtig . Es sind immer noch meistens die Frauen, die als Mütter bzw. als pflegende Angehörige zulasten ihrer eigenen Existenzsicherung beruflich zurückstecken. Hier wirkt ein sehr ungutes Zusammenspiel von althergebrachter Rollenverteilung, Minijobs, Ehegattensplitting, noch immer unzureichender Kinderbetreuung und zu wenigen Tagesbetreuungsangeboten für Pflegebedürftige. Dabei wissen wir aus Umfrage über Umfrage, Studie über Studie, dass Frauen und auch Paare so gar nicht mehr leben wollen . Eine Mehrzahl will heute nicht mehr so leben . Paare, vor allem wenn sie junge Eltern sind, wollen Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich untereinander aufteilen . Aber in ihrem Alltag können sie das nicht; sie haben nicht die Möglichkeit dazu . Das ist doch der Arbeitsauftrag an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen: dafür zu sorgen, dass die Menschen so leben können, wie sie es selber wünschen . ({8}) Dafür brauchen wir neue Instrumente wie die flexible Vollzeit oder die Kinderzeit Plus. Ich finde, es ist wirklich Zeit, dass die Bundesregierung bei diesem Thema endlich die Ärmel hochkrempelt . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Katja Dörner . - Nächste Rednerin ist Bettina Hornhues für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Bettina Hornhues (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004307, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünen mit ihrem Antrag ein wichtiges Thema auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben . Als Familienpolitikerin und Berichterstatterin für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möchte ich besonders einen Blick auf den Teil des Antrags werfen, der sich mit der Zeit für die Familie beschäftigt . Es herrscht wahrscheinlich über kein Thema der Familienpolitik so viel Einigkeit wie darüber, dass wir mehr Zeit für Familien schaffen müssen, und zwar Zeit, die sich Familien selbst einteilen können, je nachdem, wie die individuellen Bedürfnisse sind . Für Mütter und Väter, die als Paar zusammenleben, stellt sich nicht nur die Frage, wie beide Elternteile, für sich betrachtet, Familie und Beruf vereinbaren . Von hohem Interesse ist für Paare mit Kindern zudem das Zusammenspiel der Partner bei der Balance zwischen Familie und Beruf . Zeitpolitik ist deshalb ein brandaktuelles Thema und wird auch in den nächsten Jahren weiterhin die größte Herausforderung in der Familienpolitik sein . Bereits vor zehn Jahren wurde mit dem Siebten Familienbericht der Bundesregierung die Zeitpolitik auf die Agenda gesetzt und läutete damit einen Wendepunkt in der Familienpolitik ein . Erstmals wurde der Zeitorganisation ein eigenes Kapitel gewidmet . Dieses beschreibt das Spannungsfeld zwischen Erwerbs- und Familienzeit . Seitdem schaffen wir mit zahlreichen familienpolitischen Maßnahmen Möglichkeiten für Familien, eine bessere Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden und damit die Vereinbarkeit zu verbessern . In dieser Legislaturperiode haben wir bereits einiges dafür getan und wichtige Ziele unseres Koalitionsvertrages umgesetzt, beispielsweise mit der Einführung des Elterngeld Plus, mit Partnerschaftsbonus und einer flexiblen Elternzeit oder mit dem Familienpflegezeitgesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Genau diese Erfolge der Großen Koalition zeigen, dass wir in den letzten drei Jahren gute Arbeit geleistet haben . ({0}) Jetzt gehen die Kollegen der Grünen aber einen Schritt weiter und wollen dem Kind einen neuen Namen geben . So soll aus dem Elterngeld und dem Elterngeld Plus die Kinderzeit Plus werden usw . Liebe Kolleginnen und Kollegen, das leuchtet mir an dieser Stelle leider nicht ein . Warum sollen wir bewährte familienpolitische Leistungen umbenennen und es so den Eltern noch schwerer machen, zwischen den verschiedenen Antragsmöglichkeiten zu unterscheiden? Dies spart meiner Meinung nach weder Zeit noch Nerven und ist somit doch eher kontraproduktiv für einen Antrag, der unter anderem mehr Zeit für Familien fordert . Nichtsdestotrotz werden wir als CDU/ CSU-Bundestagsfraktion auch weiterhin dem Wunsch der Eltern nach mehr Zeit mit der Familie nachkommen, und wir machen uns für eine zukunftsorientierte Zeitpolitik stark, aber mit anderen Schwerpunkten . ({1}) Die im letzten Jahr vorgestellte Zeitverwendungsstudie des Bundesamtes für Statistik hat gezeigt, dass auf der einen Seite jeder dritte Vater und jede fünfte Mutter bemängeln, dass sie nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder haben . Mit der Studie wurden im letzten Jahr erstmals Zahlen ermittelt, die auf die Veränderungen bei der Verwendung von Zeit eingehen . Weiter gibt die Studie darüber Aufschluss, dass sich 7 Prozent der Väter und 28 Prozent der Mütter auf der anderen Seite aber auch mehr Zeit für die Erwerbsarbeit wünschen . Das heißt, dass jede dritte Mutter gern mehr arbeiten möchte . Dies verdeutlicht sehr gut, dass die Mütter und Väter von heute eben beides wollen: arbeiten und Zeit mit den Kindern verbringen . Doch - um nochmals auf den Antrag zurückzukommen - zeigt sich hier wieder die Frage, wie wir diesen Wünschen der Mütter und Väter gerecht werden wollen . Hierbei gehen unsere politischen Vorstellungen nämlich auseinander . Fest steht, dass der Zeitabschnitt für Kinder im Lebenslauf kaum variabel ist und im Alter zwischen 25 und 40 Jahren alles zusammenkommt . Sowohl die Familienplanung steht im Vordergrund als auch die berufliche Entwicklung und die Karriereplanung. Zahlen aus dem Jahr 2014 zeigen, dass Mütter bei ihrem ersten Kind durchschnittlich 29,5 Jahre alt sind . Die Familiengründung rückt im Lebensverlauf also immer weiter nach hinten . Dies ist ein signifikanter Wandel, vergleicht man dies mit den 1950er- und 1960er-Jahren . Damals kamen fast alle Kinder in Ehen zur Welt, und der Mann war der Hauptverdiener und Ernährer der Familie . In diesem klassischen Familienmodell hat sich die Frau, die im Schnitt beim ersten Kind deutlich jünger war als heute, um Haushalt und Kinder gekümmert . Heute ist jedoch das Zweiverdienermodell meistens in den Familien zu finden, wonach sich Mütter und Väter jeweils Erwerbsarbeit und Fürsorge für die Kinder teilen . Diesem Wandel in den Lebensverläufen müssen wir Rechnung tragen . Dieser Wandel in den Familienmodellen bewirkt, dass es in der vielbesagten Rushhour des Lebens nun zu Verschärfungen kommt . Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf den Wandel der Arbeitswelt und auf den steigenden Anteil der erwerbstätigen Frauen in Deutschland, und dieser Wandel war - trotz aller Diskussionen - längst überfällig und ist nur zu begrüßen . ({2}) Allein in den letzten Jahren, zwischen 2009 und 2013, gab es einen weiteren Anstieg um 4,2 Prozent, Tendenz weiter steigend . Weitere Studien zeigen aber auch, dass eine Erhöhung der Zeit von Vätern zu Hause nicht die Probleme lösen wird . Auch wenn sich fast 80 Prozent der Väter mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen, ist dies nicht das Allheilmittel . Wir sollten uns schwerpunktmäßig weiter darum kümmern, die Karrierechancen der Frauen in dieser Lebensphase noch mehr zu verbessern und diejenigen Frauen zu fördern, die mehr arbeiten möchten, indem beispielsweise die typischen Frauenberufe in den sozialen Bereichen aufgewertet und besser bezahlt werden oder den Frauen der Wiedereinstieg nach der Geburt des Kindes und der Elternzeit erleichtert wird . Jungen Familien in der Phase der Familiengründung fehlen schließlich nicht nur Zeit, sondern vor allem auch Geld . Neben Geld ist aber auch eine gute Infrastruktur wichtig, um Familien zu entlasten . Bereits in den letzten Jahren haben Bund und Länder viel Geld in den Kitaausbau gesteckt; darauf sollten wir weiter aufbauen . Die aktuellen Zahlen bestätigen, dass der Ausbau der Krippenplätze in den vergangenen Jahren gut vorangekommen ist . Meiner Meinung nach müssen wir uns in den nächsten Jahren aber auch um bessere Betreuungsmöglichkeiten für Grundschulkinder kümmern . Bisher wurde dieses Thema in der politischen Diskussion leider viel zu wenig beachtet . Bis zur Einschulung wird eine gute Betreuung mit Krippe und Kindergarten mittlerweile gewährleistet . Neue Probleme tauchen aber wieder mit dem Eintritt in die Schule auf, vor allem da Betreuungsplätze in einem Hort oder in einer Ganztagsschule für Grundschulkinder in vielen Kommunen knapp sind . Hier müssen die Länder in die Verantwortung genommen werden und in die Infrastruktur investieren . Den Eltern ist nicht geholfen, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, weil ihr Kind in die Grundschule gekommen ist und nicht mehr betreut werden kann . Hier, liebe Kollegen der Grünen, könnte man dort, wo Sie an der Landesregierung beteiligt sind, viel erreichen . Aber leider passiert in den rot-grün geführten Bundesländern bisher auch auf diesem Feld viel zu wenig . Fassen wir zusammen: Mehr Zeit für Familien ist ein schönes Ziel, welches wir als Politik allerdings nicht alleine erreichen können . Vielmehr sind wir dabei auf die Unterstützung der Gesellschaft und der Arbeitgeber angewiesen . Zum Schluss möchte ich besonders den Betrieben und Unternehmen danken, die bereits in den letzten Jahren erkannt haben, dass Familienfreundlichkeit ein wichtiger Faktor der Arbeitnehmerzufriedenheit ist . Ohne sie würden unsere Maßnahmen nicht den Erfolg haben . Herzlichen Dank . ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Bettina Hornhues . - Nächste Rednerin: Cornelia Möhring für die Linke . ({0})

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße sehr, dass wir hier über Zeit diskutieren . Das ist ein wichtiges und dringliches Thema . Wir wissen: Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden unter dem sogenannten Burn-out, schaffen die ständig wachsenden Anforderungen nicht mehr . Während die einen im Hamsterrad rotieren, wird ein anderer Teil in der Gesellschaft von der Arbeitswelt ausgegrenzt und darf nicht mehr teilhaben . Das kann auch nicht sein . ({0}) Sie stellen als Grüne in Ihrem Antrag die Frage, was denn nötig sei, damit Arbeit und Leben besser zueinander passen . Ich habe ein kleines Problem mit der grundsätzlichen Herangehensweise, denn das klingt ein bisschen so, als ob Sie Arbeit und Leben als Gegensätze einander gegenüberstellten, hier die Arbeit, dort das Leben . Aber Arbeit und Lebensweise gehören untrennbar zusammen, und Arbeit ist auch mehr als Erwerbsarbeit . ({1}) Ich finde, das, was wir brauchen, ist doch Zeit für das ganze Leben . Wir brauchen Zeit für Erwerbsarbeit, sodass wir sie ohne Stress und gesund bleibend tun können . Wir brauchen Zeit für Sorgearbeit, das heißt für Kinderbetreuung, für die Pflege von Angehörigen, für den Haushalt . Wir brauchen Zeit, um uns weiterzuentwickeln, für Bildung, Kultur, zum Faulenzen, und wir brauchen nicht zuletzt Zeit - das sehen wir in Zeiten wie heute besser denn je - für politische Meinungsbildung und Teilhabe . Diese Verfügung über unsere eigene Zeit muss für jede und jeden gleich gelten, egal ob Mann oder Frau, arm oder reich, mit oder ohne Kinder . ({2}) Aber leider sind wir von dieser gerechten Verteilung von Arbeit und Zeit noch weit entfernt, und von einem Zeitwohlstand können wir bei weitem noch nicht reden . Die Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass auch die reale Erwerbsarbeitszeit meist nicht mehr der gewünschten Arbeitszeit entspricht . Kurz gesagt: Väter wollen weniger erwerbsarbeiten und mehr Zeit für Familie haben, Frauen möchten gerne mehr erwerbsarbeiten, und alle möchten Zeit für alle Seiten des Lebens . Aber diese Wahlfreiheit haben sie nicht . Sie können nicht so einfach frei aushandeln, wie die Arbeit verteilt werden soll; denn wir haben nicht nur eine ungerechte Verteilung von Arbeit und Zeit, sondern auch von Einkommen, auch zwischen den Geschlechtern . Deswegen lautet in vielen Paarbeziehungen die Frage gar nicht, wer wie viele Monate Elternzeit nehmen kann, sondern sie lautet: Wie viel Gleichberechtigung können wir uns eigentlich leisten? Deshalb führt die gut gemeinte Forderung nach der Weiterentwicklung der Elternzeit nicht automatisch zu mehr Geschlechtergerechtigkeit . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir Zeit für das ganze Leben, wollen wir die Verfügung über unsere Zeit zurückgewinnen, dann müssen wir die Arbeit zwischen den Geschlechtern und zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen umverteilen - und das mit guten Löhnen . ({3}) Das geht am besten mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung . Weil deren Sinn und Zweck nicht darin bestehen kann, noch mehr Sorge- und Pflegearbeit in die Familien zu verlagern, damit sich Eltern und pflegende Angehörige besser im Hamsterrad platzieren können, brauchen wir unbedingt einen massiven Ausbau der sozialen Infrastruktur, also sowohl der Ganztagskinderbetreuung als auch der pflegerischen Infrastruktur. ({4}) Das schafft echte Entlastung . Das wird auch entscheidend sein, wenn wir über solche Maßnahmen wie eine Pflegezeit Plus diskutieren. Wir sollten endlich das Verständnis eines Normalarbeitsverhältnisses ein für alle Mal über Bord werfen . Die Menschen wollen keine starren Vorgaben, sie wollen Flexibilität, bei der sie auch ein Wort zu sagen haben, sie wollen weder ausufernde Arbeitszeiten, die nur Stress bedeuten, noch Teilzeitstellen, von denen sie nicht leben können . Es geht also um viel mehr als um Vereinbarkeit, es geht um viel mehr als um die Weiterentwicklung verschiedener Vereinbarkeitsmaßnahmen . Aber ich freue mich auf die Diskussion auf dem Weg in eine neue Arbeitswelt und Lebensweise, für mehr Zeitwohlstand für alle . Packen wir es an . ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollegin Möhring . - Der nächste Redner: Dr . Fritz Felgentreu für die SPD . ({0})

Dr. Fritz Felgentreu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An Ton und Inhalt des Antrags der Grünen zum Thema „Zeit für mehr“ merkt man, dass wir uns so langsam dem Wahlkampf nähern . Das muss für die Qualität der parlamentarischen Debatten nicht unbedingt schlecht sein . Aber wenn wir uns Ihre Vorschläge anschauen, liebe Frau Dörner, dann wird auch klar, dass das schon relativ ehrgeizig ist, was Sie da skizzieren . Wenn Sie sich hier vorne hinstellen und sagen, das müsste alles sofort umgesetzt werden, dann kommt mir das nicht so richtig realistisch vor . Wenn Sie mit einem Gesetzentwurf angekommen wären und das Anliegen schon konkret ausgestaltet gewesen wäre, dann hätte ich dem folgen können . Aber der Arbeitsauftrag, den Sie der Regierung geben wollen, bedarf doch erheblicher Ausarbeitungen - das ist Ihnen doch selber klar -, die geraume Zeit in Anspruch nehmen . Nach meiner unmaßgeblichen parlamentarischen Erfahrung muss ich deswegen sagen: Wenn man mit so etwas im letzten Jahr einer Legislaturperiode beginnt, dann geht es in Wirklichkeit nicht darum, dass das noch in ein Gesetz mündet, sondern es geht darum, ein Thema zu besetzen, es geht darum, vor der Wahl mit den eigenen Ideen die Debatte zu bestimmen . Das ist alles völlig legitim . Aber tun Sie doch nicht so, als wollten Sie hier und heute irgendetwas ändern . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion begrüßt diesen Vorstoß der Grünen sogar; denn er gibt uns die Gelegenheit, darzustellen, was wir in der Regierung erreicht haben, ({1}) um eine moderne Zeitpolitik für Familien zu gestalten, und er gibt uns auch die Gelegenheit, darzustellen, was wir in Zukunft erreichen wollen . ({2}) Die drei Arbeitsfelder, die der Grünenantrag definiert, sind klar: Es geht um mehr Zeit für Kinderbetreuung in der Familie, es geht um mehr Zeit für Pflege, und es geht um mehr Zeit für Weiterbildung . Überall da soll der rechtliche Rahmen ein bisschen ausgeweitet und die Vereinbarkeit mit dem Berufsleben verbessert werden . Die SPD-Fraktion teilt diese Zeile, und deswegen sind wir stolz darauf, dass wir in der Regierung in den letzten zwei Jahren auf dem Gebiet von Betreuung und Pflege erhebliche Fortschritte gemacht haben. Wir haben einen Rechtsanspruch geschaffen, die Arbeitszeit bis zu 24 Monate auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche zu reduzieren, um Zeit für pflegebedürftige Angehörige zu haben . Ein halbes Jahr können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Pflege freistellen lassen. Mit dem Familienpflegezeitgesetz stehen wir den Menschen in einer besonders schweren Lebensphase zur Seite . ({3}) Oft geht es ja darum, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen . Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass jemand die Kraft und den Willen aufbringt, sich persönlich um chronisch Kranke oder sterbende Angehörige zu kümmern . Wir wollen allen, die sich dafür entscheiden, ermöglichen, dass sie diesen Liebesdienst mit dem Berufsleben in Einklang bringen können, und wir sind dabei auch ein großes Stück weitergekommen . Mindestens genauso wichtig ist für uns, dass junge Eltern Zeit haben, sich um ihre kleinen Kinder zu kümmern . Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung für Eltern, die eine Auszeit für die Babypflege nehmen. Diese Leistung ist inzwischen schon fast zehn Jahre alt, und sie ist ein Baby der SPD, auf das wir auch stolz sind . ({4}) Im Unterschied zu den Grünen freuen wir uns, dass wir das Elterngeld vor über einem Jahr um das Elterngeld Plus ergänzen konnten . Durch das Elterngeld Plus können Paare jetzt auch gemeinsam für ihre kleinen Kinder sorgen, wenn sie dafür in Teilzeit arbeiten . Ganz offenkundig hat die Politik mit dem Elterngeld Plus einem echten Bedürfnis junger Eltern Rechnung getragen . Wenn man bedenkt, wie neu diese Leistung ist, dann ist es schon ein sensationeller Erfolg, dass im ersten Quartal dieses Jahres schon fast 20 Prozent der jungen Eltern Elterngeld Plus beantragt haben . ({5}) So schlimm kann der bürokratische Aufwand dafür also gar nicht sein . Die SPD beabsichtigt nicht, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen . Eine moderne Zeitpolitik - darauf hat auch die Kollegin Hornhues hingewiesen - muss auch Familien erreichen, deren Kinder zur Schule gehen . Sie muss die vielen neuen Formen von Erwerbstätigkeit im Blick haben, die die digitale Revolution mit sich bringt . Sie muss die Ausbeutung und die Selbstausbeutung der sogenannten Soloselbstständigen zu verhindern helfen . Für all das ist nicht nur die Familienpolitik gefragt . Auch die Tarifparteien und die Sozialpartner müssen mitmachen bei der Entwicklung neuer, flexibler Arbeitszeitmodelle, die den Bedürfnissen von Familien und Alleinstehenden in einer Volkswirtschaft, die hochproduktiv ist und auch bleiben soll, gerecht werden . ({6}) Ein Modell, das die SPD auch im edlen Wettstreit der Ideen mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Linken, auf jeden Fall weiterverfolgen wird, ist die Familienarbeitszeit . Wir wollen eine Unterstützung für Paare organisieren, die Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen . ({7}) Das alte Modell „Einer arbeitet, und in der Regel bleibt eine zu Hause“, das lehnen wir überhaupt nicht ab, und es wird auch vom Staat massiv gefördert, zum Beispiel durch Mitversicherung und Steuersplittingmodelle, über die wir auch kontrovers diskutieren . Aber ein Modell, bei dem beide gemeinsam zu zwei Dritteln arbeiten und sich zu je einem Drittel um Kinder und Haushalt kümmern, könnte sich in unserer Zeit noch mehr bewähren . Denn es ist für beide Geschlechter fair, es ist gut für die Familie, und es ist auch gut für die Wirtschaft . ({8}) Über 90 Prozent der Frauen und Männer unter 40 finden, dass beide, Mütter und Väter, sich um die Kinder kümmern sollen . Dabei wollen viele Mütter gerne mehr arbeiten und Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen . Mit unserer Familienarbeitszeit können wir diesen Eltern helfen, ihren Wunsch zu verwirklichen . Für die Wirtschaft bedeutet Familienarbeitszeit, dass mehr Menschen arbeiten gehen können und dass den Unternehmen und der öffentlichen Hand mehr gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen . Besonders die Mütter werden dank der Familienarbeitszeit mehr für ihre Rente vorsorgen und der Altersarmut vorbeugen können . Die Kinder profitieren davon, weil sie mit beiden Eltern mehr Zeit verbringen können . Einen wichtigen Schritt in Richtung Familienarbeitszeit sind wir mit dem Elterngeld Plus bereits gegangen . Aber genau wie das traditionelle Modell der Arbeitsteilung in Familien wird auch die Familienarbeitszeit staatliche Förderung brauchen, vor allem durch Lohnersatz, aber auch durch den weiteren Ausbau von Betreuungsangeboten; auch darauf hatte Kollegin Hornhues hingewiesen . Deshalb werden wir auch weiter daran arbeiten, dass erstklassige Kitas und Schulen mit flexiblen Betreuungsangeboten für alle Bedürfnisse zur Verfügung stehen . Das nennen wir „Familienarbeitszeit“, und da wollen wir hin . ({9}) Lassen Sie uns doch einfach die Zeit bis zur Bundestagswahl nutzen, um über die besten Lösungen zu streiten . Ich freue mich darauf und wünsche uns weiterhin eine gute Debatte . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Zum Thema Zeit passt auch, dass Sie sich bitte an die Zeit halten .

Dr. Fritz Felgentreu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

14 Sekunden!

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Das war jetzt ins allgemeine Rund gesprochen .

Dr. Fritz Felgentreu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ach so . Dann ist ja gut .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen herzlichen Dank, Dr . Felgentreu . - Nächster Redner: Maik Beermann für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! George Orwell sagte einst: „Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“ - Ich finde, das beschreibt auch deutlich, wie heute einige Situationen aussehen . Ja, wir leben in einer sehr anspruchsvollen Zeit, in der uns Smartphones in zehnminütigen Abständen auf neue Termine hinweisen, E-Mails mit Arbeitsaufträgen aufploppen, die abgearbeitet werden müssen . Ja, ich kann verstehen, dass Menschen sich gehetzt fühlen . Natürlich müssen wir diese Entwicklung sehr ernst nehmen . Wie ernst wir sie nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das möchte ich gern kurz skizzieren . Das Thema „Zukunft der Arbeit“ steht ganz oben auf der Agenda der CDU . Bereits am 15 . Dezember letzten Jahres haben wir auf unserem Parteitag in Karlsruhe intensiv über das Thema „Arbeit der Zukunft - Zukunft der Arbeit“ debattiert und dazu auch ein Papier einstimmig verabschiedet . Damit haben wir auf die Veränderungen in der Arbeitswelt, so auch den Wunsch nach mehr Souveränität bei der Arbeitszeit, aus parteipolitischer Sicht bereits reagiert, und wir werden dies natürlich auch in die parlamentarische Debatte einbringen; das haben wir an der einen oder anderen Stelle auch schon getan . „Familien brauchen Zeit füreinander .“ Dieser Satz, meine Damen und Herren, stammt aus dem Koalitionsvertrag . Er macht deutlich, dass wir Familien und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellen . Zeit ist das kostbarste Gut der Familien . Daher haben wir bereits am 11 . März 2014 gemeinsam mit dem Koalitionspartner im Antrag „Mehr Zeitsouveränität“ das Thema aufgegriffen . Zeit ist eben auch eine Schlüsselressource . Aus diesem Grunde machen wir uns stark für eine moderne, lebenslauforientierte Zeitpolitik, die Frauen und Männer dabei unterstützt, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren . Wir wollen Familien wieder zum Taktgeber des Lebens machen . ({0}) Die Prioritäten innerhalb der Gesellschaft haben sich geändert . Eltern sagen heute: Ich würde gern auf gewisse Dinge verzichten, wenn ich mehr Zeit mit den eigenen Kindern, mit der eigenen Familie verbringen dürfte . Darauf haben wir als Gesetzgeber auch schon reagiert . Um den Bedürfnissen von Eltern besser gerecht zu werden, haben wir - die Kollegen Hornhues und Felgentreu haben es erwähnt - das Elterngeld und dann das Elterngeld Plus eingeführt . In meinen Augen war das ein Meilenstein in der Familienpolitik . Durch diese Regelungen haben Eltern die Möglichkeit, die ersten zwei Jahre mit ihrem Kind individuell zu gestalten - ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung Familienzeitpolitik und somit ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn . Ich bin davon überzeugt, dass die vielen variablen und flexiblen Ausgestaltungen des Elterngelds auch ihren Anteil an der steigenden Geburtenrate haben . Wir hatten im Jahr 2015 immerhin 23 000 mehr Geburten als 2014, und 2014 hatten wir auch schon mehr als 2013 . Das heißt, es bewegt sich etwas, und das ist auch gut so . ({1}) Neben Zeit brauchen Familien vor allen Dingen Sicherheit . Gerade in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes hat Sicherheit, auch in Form von finanzieller Sicherheit, eine ganz besondere Bedeutung . Dass wir da die richtigen Schritte gemacht haben, zeigt ein Blick auf die Zahlen . Jährlich werden aktuell 6 Milliarden Euro für das Elterngeld ausgegeben . Es wird davon auszugehen sein, dass bis zum Jahr 2020 sogar noch 1 Milliarde Euro jährlich dazukommt; dann sind wir bei 7 Milliarden Euro pro Jahr . Das ist ein deutliches Zeichen . An dieser Stelle möchte ich zu bedenken geben, dass wir auch als Familienpolitiker nie aus dem Blick verlieren dürfen, dass das Geld, das wir ausgeben, erwirtschaftet werden muss . Es sind immerhin Steuergelder, die hier sicherlich eine sinnvolle Verwendung finden. Das streitet keiner ab . Aber wir haben insbesondere auch eine Verantwortung den nachfolgenden Generationen gegenüber . Daher möchte ich hier noch einmal betonen, dass wir genau aus diesem Grund keine neuen Schuldenberge anhäufen dürfen . Als verantwortungsvolle Politiker müssen wir immer zwischen dem, was wünschenswert ist, und dem, was machbar ist, unterscheiden und abwägen . Ein Dank hier auch einmal in Richtung des Bundesfinanzministers - Herr Dr . Meister, nehmen Sie ihn bitte mit -, dass es gelungen ist, auch für 2017 einen Haushalt aufzustellen, der ohne neue Schulden auskommt . Die schwarze Null steht . Und das ist ebenfalls gut so . ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in dieser Legislaturperiode schon viel erreicht . Mit der Weiterentwicklung der Familienpflegezeit, die wir verbindlicher und attraktiver gestaltet haben, wird es Erwerbstätigen ermöglicht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um Zeit für die Pflege von Angehörigen zu haben. So können die Familien die Pflege ihrer Angehörigen ganz nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen gestalten, ohne sich Gedanken machen zu müssen, dass sie durch ihre Pflegetätigkeit ihre Berufstätigkeit möglicherweise aufgeben müssen . Aktuelle Zahlen belegen, dass die Familienpflegezeit mehr und mehr angenommen wird . Denn laut Berechnungen des Familienministeriums haben seit Inkrafttreten dieser neuen Regelungen bereits 39 000 Berufstätige für die Pflege von Angehörigen eine mehrmonatige Pflegezeit in Anspruch genommen . Ich habe den allerhöchsten Respekt vor der Leistung, die pflegende Angehörige täglich erbringen. Ich selber komme aus einer Familie, in der meine Eltern meine Großeltern bis zum Lebensende zu Hause gepflegt haben . Das waren emotionale Momente, das waren schwierige Momente und anstrengende Momente . Diesen Herausforderungen muss man dann auch erst einmal gerecht werden können . Aber ich darf auch sagen, dass es meiner Schwester, meinem Bruder und mir - so gut es uns gelingen konnte - ein Bedürfnis war, unsere Eltern dabei zu unterstützen . Diese Erfahrung, die wir da gemacht haben, war wirklich sehr prägend; denn die körperliche, aber besonders auch die emotionale Belastung ist in solchen Fällen sehr hoch. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf stellt Betroffene täglich vor große Herausforderungen . Deshalb war diese Reform ein ganz wichtiger Schritt . Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, in Ihrem Antrag sprechen Sie von lebenslangem Lernen . Ich gebe Ihnen gern eine kleine Gedächtnisstütze . Denn am 2 . Juni dieses Jahres, also vor ziemlich genau einem Monat, wurde das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung verabschiedet . Damit wurde die Rolle von Aus- und Weiterbildung als zentrale Elemente der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bekräftigt . Ich bin ausdrücklich für eine Intensivierung der Weiterbildungsförderung, gerade auch deshalb, weil ich selber zu jenen gehöre, die eine dreijährige Ausbildung genossen und dann eben auch von Fortbildungsmaßnahmen profitiert haben. In vielen Gesprächen in meinem Wahlkreis im niedersächsischen Nienburg und im Schaumburger Land berichten mir die Unternehmen, dass neben der Gewinnung von Fachkräften und der Personalentwicklung die Themen „Fort- und Weiterbildung“ und „Einräumen individueller Zeitfenster“ von Bedeutung sind, da diese häufig eine Berufsentscheidung junger Menschen beeinflussen. Die Ansprüche an die Beschäftigten haben sich in den letzten Jahren stark verändert . Gerade die Digitalisierung beeinflusst diese Entwicklung; denn sie eröffnet eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die den Arbeitsalltag besser machen können und somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch fördern . Die Digitalisierung bietet in diesem Bereich enorme Chancen . Diese Chancen gilt es in Zukunft noch besser zu nutzen und für alle zugänglich zu machen . Das Internet verändert Arbeitsorganisationen und Arbeitsbeziehungen . Aber Arbeit ist immer weniger ortsund zeitgebunden und zunehmend dezentral organisiert . Die Digitalisierung bedeutet in dieser Hinsicht einen qualitativen Sprung und führt nicht nur zu einer quantitativen Ausweitung von schon lange bekannten Arbeitsformen wie Telearbeit und Home Office. Für uns war es schon immer wichtig und richtig, Familien in ihren verschiedenen Lebensphasen und -situationen zu unterstützen . Dafür schaffen wir verlässliche Rahmenbedingungen, dabei achten wir nicht nur auf die Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit jeder einzelnen Familie, sondern bestärken diese auch . Zum Thema Selbstbestimmtheit bzw . Wahlfreiheit möchte ich an dieser Stelle noch einmal Folgendes ganz deutlich sagen: Wir von der Union werden Regelungen, die die Freiheit der Familiengestaltung beeinflussen und lediglich ein ganz bestimmtes Familienmodell fördern, ganz klar ablehnen . ({3}) Für uns hat eine echte Wahlfreiheit oberste Priorität bei familienpolitischen Überlegungen . Eine starre gesetzliche Regelung, die nur ein bestimmtes Modell berücksichtigt, lehnen wir ab . ({4}) Ich danke der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie diesen Antrag gestellt hat und mir somit die Möglichkeit gibt, in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause meine Redezeit zu nutzen, die jetzt leider abgelaufen ist, um die gute und lebensnahe Familien- und Pflegepolitik der Großen Koalition zu erörtern, unsere gute Arbeit in diesem Bereich nochmals in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen und auf das wichtige Thema der Digitalisierung hinzuweisen . Die Digitalisierung wird in der Zukunft große Herausforderungen mit sich bringen; das haben Sie in Ihrem Antrag leider komplett unterschlagen und vergessen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, Familien und pflegende Angehörige haben eines wirklich verdient, nämlich dass sie im Fokus unserer Gesellschaft stehen . Das soll auch so sein . Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist daher leider abzulehnen . ({5}) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Wenn jeder, wenn er gemerkt hat, dass die Redezeit zu Ende ist, noch eine Minute länger redet, dann wird das heute Abend nichts . Jetzt hat der Kollege Jörn Wunderlich für die Fraktion Die Linke das Wort . - Bitte schön . ({0})

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich versuche, mich daran zu halten .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Gut .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Zeit für mehr“: Ich hätte gerne mehr Zeit zum Reden . Die allgemeinen Zeitprobleme hat die Kollegin Möhring ja hier schon erörtert . Aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Redezeit möchte ich nur auf den ersten Punkt im Antrag der Grünen eingehen . Sie fordern, dass der Anspruch auf Kinderzeit Plus, so nennen Sie es jetzt, auf 24 Monate erhöht wird - pro Elternteil 8 Monate zuzüglich 8 Monate, die die Eltern untereinander aufsplitten können . Alleinerziehende sollen die vollen 24 Monate in Anspruch nehmen können . Der Schonraum im ersten Lebensjahr soll erhalten bleiben, sodass Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes die Möglichkeit des vollständigen Ausstiegs aus dem Berufsleben nutzen können . Kinderzeit Plus kann genommen werden, wenn der vorherige Stellenumfang um mindestens 20 Prozent reduziert wird und dabei noch mindestens die Hälfte der tariflichen oder branchenüblichen Wochenarbeitszeit umfasst . Und letztlich soll die Kinderzeit Plus unterbrochen werden und bis zum 14 . Lebensjahr des Kindes - bis zur Strafmündigkeit - verlängert werden können . Das klingt alles ganz toll, auch die Überschrift „Zeit für mehr - Damit Arbeit gut ins Leben passt“ . ({0}) Schöne Forderungen, welche die Linke bereits 2009 erhoben hat! Wir wollten seinerzeit 12 Monate pro Elternteil und die vollen 24 Monate für Alleinerziehende . ({1}) - Kein Stress! Erst einmal zuhören . - Diese Zeit sollte auch aufgesplittet werden können bis zum 7 . Lebensjahr des Kindes, damit Eltern die Möglichkeit eröffnet wird, auch während der Einschulungsphase Elternzeit nehmen zu können . Und wissen Sie noch, was Sie dazu gesagt haben? Frau Haßelmann ist vorhin leider gegangen . Sie hat wahrscheinlich geahnt, was jetzt kommt . Denn Frau Haßelmann hat damals, ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 5 . März 2009 gesagt - ich zitiere -: Jörn Wunderlich, wir sollten uns einmal anschauen, welche Auswirkungen Ihre Vorschläge voraussichtlich auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Einstellungspraxis der Betriebe haben werden . Mit … den anderen bereits angesprochenen Maßnahmen geben Sie in Ihrem Antrag definitiv keine Antwort auf die anstehenden Herausforderungen bei der Zeitsouveränität von Frauen und Männern . … Ihre Vorschläge werden negative Auswirkungen auf die Einstellung von Frauen in der Praxis haben . Das kann man nicht wegdiskutieren . ({2}) Alle Fraktionen im Bundestag, auch die Grünen, haben damals gegen den Antrag der Linken gestimmt . Jetzt, sieben Jahre später, kommen Sie mit nahezu gleichen Forderungen, wollen allerdings die Elternzeit nicht nur bis zum 7 . Lebensjahr, so wie wir damals, sondern sogar bis zum 14 . Lebensjahr ausdehnen . Was ist denn da mit den negativen Auswirkungen, die man nach Ihrer Meinung nicht wegdiskutieren kann? Aber nicht aufregen: Dass ihr euch selbst konterkariert, zeigt, dass sich inzwischen ja einiges getan hat . So können Eltern mittlerweile zwischen Elterngeld und Elterngeld Plus entscheiden . Auszeiten können bis zu 24 Monate lang sein und bis zum 8 . Geburtstag des Kindes genommen werden, wobei der Arbeitgeber nicht mehr zustimmen muss . Die Elternzeit muss nur innerhalb bestimmter Fristen beim Arbeitgeber angemeldet werden, und die Elternzeit kann in drei Zeitabschnitte pro Elternteil geteilt werden . So haben Eltern schon jetzt die Möglichkeit, ihr Kind auch zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei Eintritt in die Schule, intensiver zu begleiten . Sie wollen diesbezüglich offenbar mit Ihrem Antrag bestehende Regelungen umbenennen, auf die Zeit vom 8 . Lebensjahr bis zum 14 . Lebensjahr des Kindes ausdehnen und haben Ihre nicht wegzudiskutierenden Bedenken einfach beiseitegeschoben . Oder anders ausgedrückt: Sie haben es endlich auch begriffen, wenn auch als die Letzten hier im Saal . Die seit Jahren bestehenden diesbezüglichen Forderungen meiner Fraktion sind inzwischen nahezu vollständig umgesetzt . Links wirkt eben . Es dauert ein bisschen, aber es wirkt . ({3}) - Doch, das ist so . Sie hätten einfach einmal in die alten Protokolle schauen und den Webauftritt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Elterngeld Plus beachten müssen, dann hätten auch Sie Zeit für mehr . ({4}) Mit den anderen Punkten des Antrags werde ich mich in den abschließenden Beratungen nach der Sommerpause beschäftigen . Darauf freue ich mich auch schon . Vielen Dank . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön . - Jetzt spricht die Kollegin Ulrike Bahr für die SPD-Fraktion . ({0})

Ulrike Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Zunächst einmal herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, die uns mit ihrem Antrag die Gelegenheit geben, das wichtige Thema Zeitpolitik in der Kernzeit zu debattieren . Das freut mich wirklich sehr . In meiner Fraktion setzen wir uns seit etwa einem Jahr in einer Projektgruppe „Neue Zeiten“ intensiv mit den im Antrag thematisierten Fragen auseinander, aber darüber hinaus noch mit weiteren Aspekten . ({0}) Manuela Schwesig fordert schon seit ihrem Amtsantritt eine Familienarbeitszeit, die Eltern unterstützen soll, auch über die Babyzeit hinaus Erwerbsarbeit und Familienarbeit partnerschaftlich zu teilen: mit hochwertigen Betreuungsangeboten, einem Anspruch auf reduzierte Arbeitszeit und mit einer Kompensation der Einkommensverluste wie beim Elterngeld Plus . Denn wir wissen: Mütter wollen vielfach mehr, Väter weniger arbeiten . Dabei muss aber unter dem Strich das Familieneinkommen stimmen . Unser Ziel ist eine lebensphasenorientierte Arbeitszeit. Dazu gehört zum Beispiel auch ein Pflegebudget. Es könnte da einspringen, wo Pflegende heute Kredite aufnehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern . Zur Finanzierung von Zeiten für Weiterbildung und persönliche Weiterentwicklung diskutieren wir ein Chancenbudget . Dafür sind viele Finanzierungsmöglichkeiten denkbar: von Zuschüssen aus einer fortentwickelten Arbeitsversicherung über selbst angesparte Zeitwertkonten der Erwerbstätigen bis hin zu Darlehen . Ich meine aber: Zeitpolitik kann sich nicht auf Lohnersatzleistungen beschränken, die ja immer zeitlich begrenzt sein müssen . Darum haben wir in unserer Projektgruppe weitere Modelle diskutiert, um Erwerbsarbeit und Familie besser in Einklang zu bringen . Ein wichtiges Instrument dafür wäre eine Wahlarbeitszeit . Viele Tarifverträge bieten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bereits Korridore für die Arbeitszeit an . Dabei gilt es, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Erwerbstätigen und den Belangen der Betriebe zu finden. Das gelingt am besten mit Regelungen auf betrieblicher Ebene, die von den Tarifpartnern ausgehandelt werden . Für Eltern oder Pflegende in nicht tarifgebundenen Unternehmen müssen gesetzliche Auffangregelungen geschaffen werden . Einen ersten Schritt in Richtung Wahlarbeitszeit planen wir noch in dieser Legislaturperiode . Mit einem Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit holen wir Mütter und Väter aus der Teilzeitfalle . Besonders bei Frauen sehen wir immer noch viel zu häufig: Auf eine Phase familiärer Sorgetätigkeit folgt dann eine Berufstätigkeit weit unterhalb des ehemaligen Qualifikations- und Gehaltsniveaus . Dieses Schema müssen wir durchbrechen . Es führt besonders Mütter immer noch direkt in die Altersarmut . Wahlarbeitszeit und befristete Teilzeit haben den großen Vorteil, nicht nur in den Lebenssituationen anwendbar zu sein, die der Antrag der Grünen nennt, nämlich Kinder, Pflege und Weiterbildung; denn einen sehr wichtigen Bereich, für den wir dringend Zeit neben der Erwerbstätigkeit brauchen, nennt der vorliegende Antrag nicht: das bürgerschaftliche Engagement . ({1}) Wir alle wünschen uns eine lebendige Bürgergesellschaft, Beteiligung, gelebte Demokratie und Arbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt . Auch dafür müssen Zeit und Freiraum zur Verfügung stehen . Das scheint mir in allen politischen Parteien noch zu wenig im Blick zu sein . Dabei haben wir gerade im letzten Jahr erlebt, dass ohne das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten kein Staat zu machen ist . ({2}) Laut dem kürzlich vorgestellten Freiwilligensurvey ist fast die Hälfte aller Berufstätigen irgendwo engagiert . Sie haben für ihr Engagement aber immer weniger Zeit . Besonders schwierig ist es darum, Menschen für ehrenamtliche Leitungsfunktionen zu gewinnen . Das liegt nicht daran, dass sich niemand mehr verpflichten möchte. Immer noch engagieren sich die meisten Menschen sehr langfristig . Es liegt daran, dass gerade Berufstätige zu wenige planbare Freiräume haben . Ich bin mir sicher: Genauso wichtig wie eine Reduzierung der Stundenzahl sind darum Regeln für eine planbare und verlässliche Arbeitszeit . Arbeit passt dann gut ins Leben, wenn Flexibilität nicht immer nur zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht . Und manchmal muss man auch die Leute vor sich selbst schützen - mit verbindlichen Ruhezeiten und Regeln für die Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit . ({3}) Dieser Ausgleich gelingt übrigens in kleinen und mittleren Unternehmen oft besser, weil man sich besser kennt . Wer Familie hat, sich kümmert, sich fortbildet, sich engagiert, ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft und für jedes Unternehmen . Darum müssen wir hier gemeinsam mit den Tarifpartnern weiter an umfassenden Konzepten für mehr Zeitsouveränität arbeiten . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Dr . Franziska Brantner ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eltern wollen Zeit mit ihren Kindern, und das auch nach dem ersten Lebensjahr . Man kann ja heute viele Aufgaben effektiver und schneller erledigen; aber eine Geschichte liest sich nicht schneller vor, und auch Trösten im Eiltempo gibt es einfach nicht . Wir wollen deswegen Eltern mehr Zeit geben . Wir wollen den Bezug des Elterngeldes auf zusammen 24 Monate ausweiten . ({0}) Aber Eltern wollen Arbeit und Fürsorge auch partnerschaftlicher gestalten - das sagen alle Umfragen . Väter wären gerne dabei, wenn das Kind die ersten Worte spricht . Viele Väter würden gern mehr Elternzeit in Anspruch nehmen als die mittlerweile üblichen zwei Monate . Aber die Frage quält: Was passiert denn dann im Job? Viele Mütter möchten auch gerne mehr arbeiten . Sie wollen vor allen Dingen gerne etwas von der Hausarbeit abgeben . ({1}) Beim Elterngeld Plus finden es viele nicht fair, dass es egal ist, ob Frau oder Mann auf eine halbe Stelle reduziert oder zum Beispiel auf 70 Prozent - das Elterngeld bekommt man in beiden Fällen nur doppelt so lange . Das ist ein finanzieller Anreiz für eine kleine Teilzeit und entspricht nicht den Wünschen der Eltern . Unsere Kinderzeit Plus bietet Antworten darauf: Erstens - Herr Wunderlich, da liegt ein Unterschied soll eine große Teilzeit nicht mehr bestraft werden, sondern es soll gelten: Wer halbtags arbeitet, bekommt doppelt so lange Elterngeld; wer um ein Fünftel reduziert, bekommt fünfmal so lang Elterngeld - natürlich auch nur den entsprechenden Betrag . Diese große Teilzeit ist das, was in Skandinavien beide Elternteile in der Mehrheit wählen . Das wünschen sich auch die Eltern in Deutschland . Dafür wollen wir die Rahmenbedingungen setzen . ({2}) Zweitens . Jeder Elternteil, Mutter und Vater, erhält acht Monate Elternzeit; weitere acht Monate können sie sich frei untereinander aufteilen . Es können auch zwei Partnerinnen bzw . Partner sein . Wir haben ja bunte Familien . Es kann auch jemand sein, der einfach zur Familie dazugehört . ({3}) Drittens . Herr Wunderlich, jetzt komme ich zu Ihrem Punkt . Für uns ist wichtig, zu sagen: Das erste Lebensjahr des Kindes steht allen für einen kompletten Ausstieg zur Verfügung, und danach ist eine halbe Stelle als Minimum die Voraussetzung für den Bezug von Elterngeld . Dadurch wird ermöglicht - und zwar allen -, das niedrigere Gehalt bei Teilzeitbeschäftigung auf hohem Niveau finanziell abzufedern. Heute ist es so, dass es sich nur manche leisten können; diejenigen, die geringe Einkommen haben, können es sich nicht leisten . Wir möchten gerne dafür sorgen, dass die Möglichkeit, dieses Modell zu leben, nicht mehr davon abhängig ist, ob man einen sehr gut bezahlten oder einen weniger gut bezahlten Job hat . ({4}) Viertens . Ich komme zum Unterschied zum Modell der Familienarbeitszeit von Frau Schwesig . Ihr Modell schafft ein enges Korsett . Es sieht vor, dass beide zwischen 30 und 32 Stunden pro Woche arbeiten, und zwar beide gleichzeitig . Das kriegt man im öffentlichen Dienst hin, aber ansonsten, in der freien Wirtschaft, eigentlich nirgends . Das Institut, das in Ihrem Auftrag berechnet hat, wie viele Eltern das in Anspruch nehmen würden, hat gesagt: 1 Prozent der Eltern . Das heißt, Sie machen Politik für 1 Prozent der Eltern . Wir machen Politik für alle . ({5}) Das ist moderne Familienpolitik . Sie haben die Familienpflegezeit hier heute so häufig lobend erwähnt. Wissen Sie, wie viele pflegende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sie in Anspruch nehmen? Die Zahlen von heute zeigen: Es sind 3 Prozent derjenigen, die anspruchsberechtigt sind, 39 000 in ganz Deutschland . Wenn Sie das als Erfolg verkaufen und behaupten, das sei eine Leistung, die von den Berechtigten massiv in Anspruch genommen werde, dann würde ich echt gerne wissen, wo Ihre Messlatte für Misserfolg hängt . Bei 0,2 Prozent? Die 3 Prozent zeigen eindeutig: Ihre Politik ist fehlgeleitet, das ist nicht die richtige LeisUlrike Bahr tung. Wir wollen mit der Pflegezeit Plus den Pflegenden mit drei Monaten Lohnersatzleistung endlich wirklich helfen; denn das haben sie verdient . ({6}) Pflege ist selten planbar, oft muss man auf Notfälle reagieren. Wir wollen, dass sich die Pflegenden, analog zum Kinderkrankengeld und im Gegensatz zum geltenden Pflegezeitgesetz, jährlich bis zu zehn Tage freistellen lassen können .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Brantner, gestatten Sie noch kurz eine Zwischenfrage des Kollegen Pols von der CDU/CSU?

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön .

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brantner, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen . Mich als selbstständiger Handwerksmeister, der ich nebenbei auch noch bin, hier im Deutschen Bundestag würde interessieren, wer Ihre wunderbare Idee von der 32-Stunden-Woche bezahlen soll . Mit Blick auf den Stundenlohn, den meine Gesellen bekommen, die 39 oder 38,5 Stunden arbeiten - sie bekommen ihn zu recht, sind ihn auch wert -, frage ich mich: Bekommen sie für 32 Stunden den gleichen Stundenlohn, oder muss ich den Stundenlohn hochfahren, damit sie am Ende auf ihr Gehalt kommen? Eine Antwort auf diese Frage sind Sie bislang schuldig geblieben . Ich warte darauf .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke, Herr Kollege Pols . Frau Brantner, ich darf Sie bitten, kurz darauf zu antworten und Ihre Antwort gleichzeitig mit einem Schlusswort zu verbinden .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich gebe mein Bestes . - Herr Pols, die 32 Stunden stammen aus dem Modell der SPD; von daher müssen Sie die SPD fragen, wenn Sie eine Antwort wollen . ({0}) - Ich habe erwähnt, dass wir explizit ein anderes Modell haben wollen, in dem sich die Eltern selbst aussuchen können, wie viel sie arbeiten wollen . Wir wollen keine feste Stundenzahl vorschreiben . Alles andere - das sehe ich wie Sie - macht nicht viel Sinn . Uns geht es darum, einen flexiblen Zeitrahmen zu ermöglichen . Das bedeutet natürlich nicht, dass die Unternehmen dafür mehr zahlen . Bei der Gestaltung wäre es gut, wenn die Unternehmen länger Zeit bekämen, um sich darauf einzustellen . Wir haben mit vielen Unternehmern und Verbänden Rücksprachen gehalten, die alle betont haben: Den Betrieben hilft eine langfristige Planungssicherheit auf hohem Niveau, und zwar nicht nur bei Teilzeit in geringem Umfang . Von daher, glaube ich, dass wir eine sehr gute Lösung gefunden haben . ({1}) Ich komme zum Schluss . Das ist unsere Antwort: Zeit für mehr . Ich freue mich auf gute Debatten im Ausschuss . ({2})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Dr . Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . ({0})

Dr. Volker Ullrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004427, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag „Zeit für mehr - Damit Arbeit gut ins Leben passt“ berührt den Kern vieler Fragen der Menschen in unserem Land . Sie fragen sich: Wie kann ich Familie und Beruf unter einen Hut bringen? Sie fragen sich, wie sie die notwendige finanzielle Basis für ihr alltägliches Leben schaffen können . Aber der vorliegende Antrag macht deutlich, dass auch wir eine Verantwortung haben . Wir müssen uns fragen: Wie kann der Staat helfen? Was muss der Staat innerhalb seiner Verantwortung leisten? Ausgangspunkt ist unser Menschenbild und unsere Konzeption der Familie . Familien sind der Kern sozialer Beziehungen in einer Gesellschaft . Sie verdienen Anerkennung und Unterstützung, und zwar nicht im Sinne von reinen Lippenbekenntnissen, sondern im Sinne eines echten politischen Eintretens für Familie und Zusammenhalt . Ausgangspunkt ist der Schutz der Familie gemäß unserem Grundgesetz . ({0}) Jede Familie muss und soll selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben gestaltet . Der Staat hat Unterstützung anzubieten, er hat Familien zu helfen, aber staatliche Hilfe darf nicht zu einer sanften Lenkung führen . Familienpolitische Leistungen sind keine Vorgabe, sondern sie sind Angebote des Staates . Das ist unser Leitbild . ({1}) Wenn wir über die Angebote des Staates sprechen, dann gilt es festzuhalten, dass die Angebote für Familien in unserem Land noch nie so gut waren wie heute . ({2}) Allein das Elterngeld beziehen im Schnitt über 800 000 Familien . Unser Staat gibt 7 Milliarden Euro allein für das Elterngeld aus . Aber selbst diese großartige familienpolitische Leistung ist nur ein Bruchteil dessen, was auf allen staatlichen Ebenen für die Belange von Familien mit Kindern, aber auch für die Belange von Familien mit zum Beispiel pflegebedürftigen Eltern ausgegeben wird . Wir sollten diese Erfolge nicht kleinreden, sondern stolz sein, dass es diesem Land gelingt, dies auf die Beine zu stellen . ({3}) Die Grünen fragen sich - das wird in ihrem Antrag deutlich -, wie mehr Zeit für eine bessere Betreuung der Kinder, wie mehr Zeit für die Familie mit der Arbeit unter einen Hut zu bringen sind . ({4}) Ich zitiere aus Ihrem Antrag: Die Menschen sollen so leben können, wie sie es sich wünschen . ({5}) Ja, das ist richtig . Das ist gelebte Freiheit . Aber dann frage ich mich, warum Sie in den letzten Jahren das Betreuungsgeld so bekämpft haben . ({6}) Das Betreuungsgeld ist gelebte Wahlfreiheit für Familien . ({7}) Es bietet den Familien die Chance, ihr Kind in den ersten Lebensmonaten selbst zu betreuen, so wie sie es gerne hätten . Der Staat leistet eine Kompensation für diesen Erziehungs- und Betreuungsaufwand . Das ist gelebte Freiheit . Wenn Sie den Menschen sagen, dass sie so leben sollen, wie sie es sich wünschen, dann hätten Sie nicht diesen harten Kampf gegen das Betreuungsgeld führen sollen . ({8}) Meine Damen und Herren, wir werden auch über die Kosten für die Forderungen, die Sie hier gestellt haben, reden müssen . Sie fordern einen Ausbau des Elterngeldes zu einer Kinderzeit Plus, einen Ausbau des Pflegegeldes zu einer Pflegezeit Plus und zusätzlich auch noch eine Bildungszeit Plus, sagen aber nicht, wie das Ganze finanziert werden soll . Allein die Ausdehnung des Elterngeldes würde zu Kosten in Höhe von etwa 10 bis 12 Milliarden Euro führen . ({9}) Das soll und muss der Staat finanzieren. ({10}) Es ist unseriös, Forderungen in den Raum zu stellen, aber keine Silbe darüber zu verlieren, wie der Staat das finanzieren soll . So können Sie nicht Politik machen . ({11}) Der Kollege Beermann und die Kollegin Hornhues haben es zu Recht angesprochen: Der Staat muss das, was er aus guten und vernünftigen Motiven heraus verteilt, auch erwirtschaften . Wenn wir über das Erwirtschaften reden, sind zwei Dinge von wesentlicher Bewandtnis: zum einen die Frage der Steuereingänge des Staates und zum anderen die Frage, was die Menschen in diesem Land verdienen . Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diesbezüglich ein Stück weit die Realität in diesem Land beschrieben hätten . Realität ist, dass wir zum ersten Mal seit 1991 eine Arbeitslosenquote von unter 6 Prozent haben, dass in vielen Bereichen Deutschlands Vollbeschäftigung herrscht, dass wir Rekordsteuereinnahmen haben und dass in letzter Zeit nicht nur die Renten, sondern auch die Löhne gestiegen sind . Man macht die beste Familienpolitik, wenn man dafür sorgt, dass die Menschen ordentlich was in der Tasche haben . Das hat diese Bundesregierung erreicht . Das hätten Sie bitte einmal erwähnen können . ({12}) An dieser Stelle, da wir darüber sprechen, dass das, was verteilt werden soll, auch erwirtschaftet werden muss, geht ein Dank an unsere Unternehmen . Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass diese Flexibilität, die viele Familien zu Recht erfahren, in den Unternehmen gelebt wird und dass viele Unternehmen auch jenseits der gesetzlichen Verpflichtungen bereit sind, den Lebensentwürfen ihrer Mitarbeiter gerecht zu werden . ({13}) Das zeigt doch, dass die Frage des Umgangs mit Zeit und den Bedürfnissen von Familien eine Kategorie darstellt, die wir nicht verordnen können, sondern die gelebt werden muss, die einem gesellschaftlichen Geist entspringen muss, einem Geist, einem Spirit, der letztlich sagt, dass Familien mit Kindern mit das Kostbarste sind, was wir in unserem Land haben, und dass Pflegeleistungen, die Menschen gegenüber ihren Eltern erbringen, etwas Wunderbares sind, was wir nicht in Euro und Cent messen können . Ich komme auf den Beginn meiner Rede zurück . Unser Menschenbild steht im Mittelpunkt unserer Politik . Es ist die freie Entscheidung der Familien, wie sie leben wollen . Dabei werden wir sie unterstützen . Da bitte ich Sie, an unserer Seite zu sein . Aber ich bitte Sie auch, nicht Anträge zu stellen, die diese Erfolge konterkarieren und es den Familien eher erschweren . In diesem Sinne werden wir Ihren Antrag ablehnen . Vielen Dank . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Sönke Rix, SPD-Fraktion . ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Schade, dass das Betreuungsgeld nun doch noch einmal Thema dieser Debatte werden musste . Natürlich muss ich als letzter Redner, wenn Sie es schon angesprochen haben, auch noch einmal darauf eingehen . Ich dachte, wir wären an dieser Stelle weiter . ({0}) Ich unterstelle niemandem hier, dass er das Wahlrecht infrage stellt . Aber in dem Moment, wo jemand das Betreuungsgeld wieder aufs Tableau hebt, fange ich zu überlegen an; denn das hat mit Wahlrecht nichts zu tun . ({1}) Es ist nicht nur gleichstellungspolitisch und integrationspolitisch kontraproduktiv, sondern es wäre die einzige Leistung, die wir dafür zahlen würden, dass Menschen eine Infrastruktur des Staates nicht nutzen . ({2}) Es ist doch albern; wir zahlen doch auch nicht, wenn die Menschen nicht zum Sportverein oder nicht in die Bücherei gehen . Was wollen Sie also damit erreichen? Sie wollen lenken, und damit setzen Sie die Wahlfreiheit außer Kraft . ({3}) Nun zu der Frage, ob der Grünenantrag ein guter oder ein weniger guter Antrag ist . Auf jeden Fall ist er eine wunderbare Grundlage nicht nur für diese Debatte, sondern auch für die weitere Diskussion . Wenn wir überlegen, wie wir die familienpolitischen Diskussionen in den vergangenen Jahren geführt haben, dann stellen wir fest, dass wir sie in erster Linie in Richtung Ausbau von Infrastruktur geführt haben, um Betreuung zu gewährleisten . Da haben wir gemeinsam auch viele Erfolge erzielt . Nun könnten wir sagen, wir seien die Ersten gewesen, die den Ausbau der Betreuungsplätze gefordert haben . Ich aber sage: Wir haben da gemeinsam viele Erfolge erzielt . Dass wir jetzt schon weiter sind und nach der Einführung von Elternzeit, Elterngeld, Elterngeld Plus dafür sorgen wollen, dass Familien mehr Zeit beanspruchen können, ist auch ein guter gemeinsamer Schritt . Da danke ich den Grünen ganz herzlich für die Ideen, die sie in diesem Antrag aufgeschrieben haben . ({4}) - Den Applaus nehme ich noch gerne mit . - Allerdings sagen wir auch: Man muss das, was wir auch gemeinsam geleistet haben, nicht so abwerten . Das Elterngeld Plus, die Elternzeit sowie das Elterngeld sind Riesenerfolge, und das sollte man an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen . ({5}) Es sind zeitpolitische Erfolge, es sind gleichstellungspolitische Erfolge . Wir bringen mit dem Elterngeld Plus auch mehr Männer in die Elternzeit; auch diesen Erfolg sollte man hier deutlich benennen . Wir danken dem Koalitionspartner, dass er das gemeinsam mit uns auf den Weg gebracht hat . ({6}) Zur Familienpflegezeit. Natürlich wäre es viel schöner, wenn wir analog zum Elterngeldmodell so etwas auch für Familienpflegezeit auf den Weg gebracht hätten. Unsere Idee war es, auch da mit einer Lohnersatzleistung heranzugehen . Zu behaupten, dass ein Modell, das für 37 000 Menschen in Kraft tritt, nicht nützlich und kein positiver Schritt sei, finde ich falsch. ({7}) Es ist ein guter Schritt, und wir erreichen damit mehr Vereinbarkeit von Familie und Pflege. Von daher lohnt es sich, auch das positiv zu erwähnen . ({8}) Wir haben einen Konflikt in der Fragestellung: Müssen die Unternehmen und die Tarifparteien die Regelungen zur Arbeitszeit selber vornehmen oder nicht? Den Konflikt haben wir übrigens bei der Quote gehabt, den Konflikt haben wir demnächst noch einmal deutlich bei der Lohngerechtigkeit, und den Konflikt haben wir auch hier . Wir sehen doch, dass es nicht funktioniert, wenn wir nicht auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine vernünftige Familienarbeitszeit schaffen . ({9}) Deshalb, liebe Union, geben Sie sich einen Schubs, und schaffen Sie solche gesetzliche Regelungen mit uns in der Koalition . ({10}) Einen Fakt aber will ich zum Schluss noch einmal benennen. Wenn man durch das Internet surft, findet man von der Deutschen Bahn - dieser Betrieb ist ja unser eigener, damit mache ich keine Schleichwerbung - ein Video dazu, was sich Kinder wünschen . Erst einmal werden die Eltern gefragt, was sich wohl die Kinder wünschen . Die Eltern erzählen sehr viel über materielle Dinge oder darüber, was die Kinder vielleicht später einmal werden wollen . Die Kinder sagen, dass sie mehr Zeit mit ihren Eltern haben wollen . Nicht nur wegen der Tatsache, dass die Eltern vielleicht aufgrund eines schlechten Gewissens - das will ich nicht unterstellen; ich bin selber Vater - mehr Zeit für Familie haben wollen, sondern auch, weil Kinder mehr Zeit mit ihren Eltern haben wollen, lohnt es sich, über eine andere Zeitpolitik, eine bessere Zeitpolitik zu diskutieren . ({11}) Machen wir es also nicht so, dass in erster Linie die Arbeit im Vordergrund steht, sondern machen wir es so, dass in erster Linie die Familie im Vordergrund steht . Wenn wir dann auch noch die Kinder in den Mittelpunkt stellen, dann können wir eine vernünftige Familienarbeitszeit auf den Weg bringen . Herzlichen Dank . ({12})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit ist die Aussprache beendet . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9007 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden . Dann ist die Überweisung so be- schlossen . Wir kommen jetzt zu einer ganzen Reihe von Über- weisungen und Abstimmungen . Da bitte ich einfach um Konzentration . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 g sowie die Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf: 38 . a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr Drucksache 18/8951 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln ({0}) Drucksache 18/8960 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({1}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- sicherheit c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/8961 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({2}) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Kunert, Dr . Kirsten Tackmann, Caren Lay, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes Drucksache 18/9034 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({3}) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Haushaltsausschuss e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Petzold ({4}), Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Nachhaltige Bewahrung, Sicherung und Zugänglichkeit des deutschen Filmerbes gewährleisten Drucksache 18/8888 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien ({5}) Haushaltsausschuss f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerschlupflöcher schließen - Gewinnverlagerung durch Lizenzzahlungen einschränken Drucksache 18/9043 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({6}) Ausschuss für Wirtschaft und Energie g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Maisch, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neues Düngerecht endlich beschließen Drucksache 18/9044 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft ({7}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- sicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck ({8}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beteiligung des Bundestages im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada ({9}) Drucksache 18/9038 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({10}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({11}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Federführung strittig b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abstimmung über CETA erfordert Beteiligung von Bundestag und Bundesrat Drucksache 18/9030 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({12}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte . Wir kommen zunächst zu den unstrittigen Überweisungen . Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 g sowie Zusatzpunkt 2 b . Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Die Vorlage auf Drucksache 18/9030, Zusatzpunkt 2 b, soll nicht an den Auswärtigen Ausschuss, jedoch zusätzlich an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen werden . Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall . Dann ist so beschlossen . Wir kommen jetzt zu einer Überweisung, bei der die Federführung strittig ist . Zusatzpunkt 2 a . Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9038 mit dem Titel „Beteiligung des Bundestages im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada ({13})“ an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Federführung beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz . Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Federführung beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz . Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt . Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie . Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 39 a bis 39 t sowie die Zusatzpunkte 3 a bis 3 j auf . Es handelt sich hierbei um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist . Tagesordnungspunkt 39 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. November 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung Drucksache 18/8830 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({14}) Drucksache 18/9068 Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9068, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8830 anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen . Tagesordnungspunkt 39 b: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung Drucksache 18/8858 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien ({15}) Drucksache 18/9079 - Bericht des Haushaltsausschusses ({16}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9082 Vizepräsidentin Ulla Schmidt Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9079, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8858 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen . Tagesordnungspunkt 39 c: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD Herstellung des Einvernehmens des Deutschen Bundestages mit der Bestellung des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation beim Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung, Speyer, als wissenschaftlichen Sachverständigen im Rahmen der Evaluierung der Terrorismusbekämpfungsgesetze nach Artikel 5 des Gesetzes zur Verlängerung der Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbekämpfungsgesetzen Drucksache 18/9031 Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Abstimmung in der Sache, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Überweisung an den Innenausschuss . Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Überweisung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt . Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 18/9031 . Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen . Tagesordnungspunkt 39 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({17}) zu dem Antrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen jetzt angehen Drucksachen 18/8079, 18/8903 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8903, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8079 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Tagesordnungspunkt 39 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({18}) zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Herbert Behrens, Dr . Anton Hofreiter, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Stephan Kühn ({19}) und weiterer Abgeordneter Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksachen 18/8273, 18/8932 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8932, den Antrag auf Drucksache 18/8273 in der Ausschussfassung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von CDU/CSU und SPD angenommen . Damit ist der 5 . Untersuchungsausschuss der 18 . Wahlperiode eingesetzt . Tagesordnungspunkt 39 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({20}) zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wilderei und illegalen Artenhandel stoppen Drucksachen 18/5046, 18/8942 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8942, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5046 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Tagesordnungspunkt 39 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({21}) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Wildtierschutz weiter verbessern - Illegalen Wildtierhandel bekämpfen Drucksachen 18/8707, 18/8940 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8940, den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8707 anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der KoalitiVizepräsidentin Ulla Schmidt onsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Tagesordnungspunkt 39 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({22}) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten ({23}) Drucksachen 18/8561, 18/8660 Nr. 2.2, 18/9081 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9081, der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 18/8561 zuzustimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen . Tagesordnungspunkt 39 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({24}) Übersicht 8 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/9072 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen . Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 39 j bis 39 t . Tagesordnungspunkt 39 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({25}) Sammelübersicht 333 zu Petitionen Drucksache 18/8891 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 333 ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen . Tagesordnungspunkt 39 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({26}) Sammelübersicht 334 zu Petitionen Drucksache 18/8892 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 334 ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Tagesordnungspunkt 39 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({27}) Sammelübersicht 335 zu Petitionen Drucksache 18/8893 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 335 ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen . Tagesordnungspunkt 39 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({28}) Sammelübersicht 336 zu Petitionen Drucksache 18/8894 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 336 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Tagesordnungspunkt 39 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({29}) Sammelübersicht 337 zu Petitionen Drucksache 18/8895 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 337 ist einstimmig angenommen . Tagesordnungspunkt 39 o: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({30}) Sammelübersicht 338 zu Petitionen Drucksache 18/8896 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 338 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Tagesordnungspunkt 39 p: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({31}) Sammelübersicht 339 zu Petitionen Drucksache 18/8897 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 339 ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Tagesordnungspunkt 39 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({32}) Sammelübersicht 340 zu Petitionen Drucksache 18/8898 Vizepräsidentin Ulla Schmidt Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 340 ist einstimmig angenommen . Tagesordnungspunkt 39 r: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({33}) Sammelübersicht 341 zu Petitionen Drucksache 18/8899 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 341 ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Tagesordnungspunkt 39 s: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({34}) Sammelübersicht 342 zu Petitionen Drucksache 18/8900 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 342 ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen . Tagesordnungspunkt 39 t: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({35}) Sammelübersicht 343 zu Petitionen Drucksache 18/8901 Ich weise darauf hin, dass hierzu eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegt .1) Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 343 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung des Kollegen Wunderlich angenommen . ({36}) - Das kann schon mal passieren . ({37}) Ich rufe den Zusatzpunkt 3 a auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes Drucksache 18/8514 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({38}) Drucksache 18/9067 Durch diesen Gesetzentwurf erfolgt eine Änderung der Vorschriften über die Ausweisung von Gebieten mit 1) Anlage 6 umweltsensiblem Dauergrünland und über die Genehmigung zur Umwandlung von Dauergrünland . Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9067, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8514 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen . Zusatzpunkt 3 b: Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Durch die Gemeinsame Agrarpolitik mehr Tierschutz ermöglichen Drucksache 18/9053 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt . Zusatzpunkt 3 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({39}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschlandstipendium abschaffen - Stipendienförderung und Studienfinanzierung stärken Drucksachen 18/4692, 18/9037 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9037, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/4692 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Zusatzpunkte 3 d bis 3 j . Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses . Zusatzpunkt 3 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({40}) Vizepräsidentin Ulla Schmidt Sammelübersicht 344 zu Petitionen Drucksache 18/9060 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 344 ist einstimmig angenommen . Zusatzpunkt 3 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({41}) Sammelübersicht 345 zu Petitionen Drucksache 18/9061 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 345 ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen . Zusatzpunkt 3 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({42}) Sammelübersicht 346 zu Petitionen Drucksache 18/9062 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Sammelübersicht 346 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Zusatzpunkt 3 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({43}) Sammelübersicht 347 zu Petitionen Drucksache 18/9063 Bevor wir zur Abstimmung über diese Sammelübersicht kommen, erteile ich der Kollegin Corinna Rüffer das Wort zu einer ergänzenden Berichterstattung . - Bitte schön, Frau Kollegin .

Corinna Rüffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004390, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Ich habe jetzt die Freude, für den gesamten Petitionsausschuss sprechen zu dürfen - also nicht als Vertreterin einer Fraktion - und bei dieser Gelegenheit auch ein wenig zu erhellen, worum es eigentlich geht, wenn wir hier über Sammelübersichten abstimmen . Es geht um ganz viele Menschen . Es geht um Probleme sehr konkreter Natur, und es geht darum, dass wir gemeinsam versuchen, diese zu lösen . Am Mittwoch haben wir im Ausschuss eine bestimmte Petition übereinstimmend mit hohem Votum verabschiedet und damit der Bundesregierung signalisiert, dass wir uns von ihr erhoffen, dass sie sich des Problems annimmt . Im Namen des Petitionsausschusses darf ich Ihnen, wie gesagt, das Anliegen kurz vortragen . Es geht um die Durchsetzung verbesserter Qualitätsstandards in der Versorgung von Betroffenen mit Inkontinenzhilfsmitteln . Das hört sich erst einmal nach einem Randthema an . Das ist es aber nicht, sondern es betrifft 1,5 Millionen Menschen in diesem Land, die auf entsprechende Rezepte angewiesen sind . Nach geltender Rechtslage sollte es eigentlich so sein, dass diese Menschen ausreichend mit Hilfsmitteln in guter Qualität versorgt sind; aber es häufen sich seit Jahren die Beschwerden darüber, dass dem leider nicht so ist . Bei den Patientenorganisationen häufen sich die Hilferufe . Darum geht es auch in dieser Petition, und darum haben wir uns gekümmert . Es gibt viele andere, die ebenfalls davon profitieren könnten, wenn sich die Bundesregierung dieses Anliegens annimmt . Es geht natürlich vornehmlich um alte Menschen, aber es geht auch um ganz junge Menschen mit Behinderung . Lukas Schneider wäre nichts unangenehmer, als in der Schule aufzufallen . Der 17-Jährige aus Stuttgart ist seit seiner Geburt inkontinent . Mit Windeln hatte er zu leben gelernt, nicht aber mit den neuen Einlagen, die ihm seine Versicherung seit dem vergangenen Herbst anbietet . Diese knisterten so laut, dass jeder Mitschüler sie hätte hören können - oder waren so dünn, dass er einen ganzen Koffer davon für einen Schultag benötigt hätte . Seit November zahlen seine Eltern jeden Monat 120 Euro für dickere Einlagen dazu . „Uns blieb keine andere Wahl“, sagt seine Mutter . Allerdings muss man sich diese Wahl auch leisten können . Das ist ein Zitat aus einem Spiegel-Artikel . Es ist nur ein einzelner Fall; wir hätten noch mehr konkrete Anliegen dieser Art zitieren können . Wir hoffen, dass schnell eine Lösung gefunden wird, Kontrolle stattfindet und sich die Situation der Menschen ändert . Wäre dies der Fall, könnte man sagen: Der Petitionsausschuss hat wieder einmal weitergeholfen . - Dies tut er regelmäßig: Regelmäßig werden Gesetze geändert, weil Bürgerinnen und Bürger auf Probleme hinweisen, die wir vielleicht vorher so nicht gesehen haben . Ich hoffe sehr, dass uns das weiterhin erfolgreich gelingt . Vielen Dank . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nun kommen wir zur Abstimmung über die Sammelübersicht 347 auf Drucksache 18/9063 . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 347 ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen . Zusatzpunkt 3 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({0}) Sammelübersicht 348 zu Petitionen Drucksache 18/9064 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 348 ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen . Vizepräsidentin Ulla Schmidt Zusatzpunkt 3 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({1}) Sammelübersicht 349 zu Petitionen Drucksache 18/9065 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Sammelübersicht 349 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Zusatzpunkt 3 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({2}) Sammelübersicht 350 zu Petitionen Drucksache 18/9066 Hierzu liegt eine Erklärung nach § 31 unserer Ge- schäftsordnung vor .1) Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer ent- hält sich? - Die Sammelübersicht 350 ist mit den Stim- men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksam- keit . Jetzt können Sie wieder reden . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen Drucksache 18/8556 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({3}) Drucksachen 18/9036 ({4}), 18/9080 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({5}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Ulla Jelpke, Sigrid Hupach, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeite- rinnen und Sexarbeitern stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesetz zur Regulierung von Prostitutions- stätten vorlegen 1) Anlage 7 Drucksachen 18/7236, 18/7243, 18/9036 ({6}), 18/9080 Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Bundesministerin Manuela Schwesig . - Bitte schön . ({7})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005303

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Heute ist ein guter Tag für viele Frauen im Land, weil der Deutsche Bundestag wahrscheinlich - das liegt in Ihrer Hand - mehrere Gesetze verabschieden wird - er hat es jedenfalls vor -, die vor allem die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen stärken und gerade Frauen, die in schwierigen Situationen sind, besser schützen . Das war schon bei der vorangegangenen Abstimmung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts der Fall . Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt und meinen Dank den Abgeordneten, insbesondere den Frauen aus allen Fraktionen, bekunden, die dafür gesorgt haben, dass eine jahrzehntelange Debatte über die bessere Anerkennung der Rechte von Frauen einen guten Abschluss gefunden hat . Mit dem Prostituiertenschutzgesetz und dem Gesetz zur Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution, über deren Entwürfe wir heute abschließend beraten, wollen wir Frauen besser schützen, die in der Prostitution arbeiten und nicht Selbstbestimmung, sondern sehr oft Ausbeutung, Zwang und Gewalt erleben . Zu diesem Thema gibt es unterschiedliche Positionen . Gerade in der Frauenbewegung gibt es unterschiedliche Positionen zu der Frage, wie man mit Prostitution umgehen soll . Prostitution gibt es . Dabei geht es nicht allein um Frauen . Auch Männer sind in der Prostitution tätig und erleben schwierige Bedingungen . Aber überwiegend sind Frauen betroffen . Deswegen betrachten wir es oft als Frauenthema . Aber es ist, wie gesagt, auch ein Männerthema . Die Frauen und Männer im Prostitutionsgewerbe erleben die unterschiedlichsten Situationen . Es gibt Frauen, die das selbstbestimmt machen - ich selber habe mit ihnen gesprochen - und sagen: Sexarbeit ist eine Arbeit, die ich mir selber ausgesucht habe; die möchte ich machen . Dafür möchte ich nicht am Pranger stehen und schon gar nicht gegängelt werden . - Aber es gibt auch Frauen, die sich das nicht ausgesucht haben, die dazu gedrängt wurden, die sich in finanziellen Abhängigkeiten befinden, vor allem in Abhängigkeiten von Männern, die sie dazu zwingen . Nicht in jedem Fall kann man Zwangsprostitution sofort nachweisen . Es gibt ganz unterschiedliche Antworten auf diese Lebenslagen . Es gibt, kann man sagen, einen regelrechten Streit insbesondere in der Frauenbewegung . Die einen Vizepräsidentin Ulla Schmidt sagen: Alles verbieten! Die anderen sagen: Alles möglichst so liberal halten, wie es gerade ist! Ich glaube, dass beide Extrempositionen nicht richtig sind . Wir müssen respektieren, wenn Frauen sagen, dass sie diese Arbeit machen möchten . Dann sollten diese Frauen nicht in eine Schmuddelecke gestellt, sondern geachtet werden . Aber wir müssen auch der Tatsache ins Auge sehen, dass eine Vielzahl von Frauen und Männern in der Prostitution nicht ihre Selbstbestimmung finden, sondern Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt erleben . Wir müssen uns fragen, wenn wir ein Gesetz machen: Müssen wir mit einem Gesetz diejenigen stärken, die gut klarkommen, oder müssen wir mit einem Gesetz vor allem diejenigen schützen, die massenhaft ausgebeutet werden? Ich nehme ganz klar die Haltung ein: Ich möchte diejenigen schützen, die dort leiden . ({0}) Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es die verantwortlichen Bundesregierungen zuvor versäumt haben, zeitgleich mit der Legalisierung in den letzten zehn Jahren Regeln aufzustellen . Warum das nicht geschehen ist, müssen sich alle fragen . Deswegen rate ich dazu, nicht mit dem Finger aufeinander zu zeigen, sondern zu versuchen, gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen . Das haben wir jetzt gemacht . Zwei Jahre lang wurde das Thema intensiv diskutiert . Ich freue mich - das habe ich der Beratung entnommen -, dass wir uns im Großen und Ganzen jedenfalls darüber einig sind, dass es für die Prostitutionsstätten, also für die Bordelle, klare Regeln geben muss . Denn, Frau Pantel, es ist schwerer, eine Pommesbude anzumelden - dafür gibt es Auflagen -, als ein Bordell. Es gibt keine Auflagen für den Betrieb von Bordellen. Dort können die Zuhälter mit den Frauen machen, was sie wollen . Neben der Zwangsprostitution gibt es einen großen Graubereich, und den müssen wir besser in den Griff bekommen . Deshalb ist es richtig, dass in Zukunft klare Auflagen erteilt werden, wer ein Bordell errichten kann und welche Maßnahmen zum Schutz der Frauen ergriffen werden müssen . Wer sich nicht daran hält, dem wird das Gewerbe entzogen . Das ist der richtige Weg . ({1}) Nun weiß ich, dass die Anmeldepflicht für alle Frauen umstritten ist . Einige sagen: Warum sollen denn die Frauen, die gut klarkommen, sich anmelden müssen und gesundheitlich beraten lassen? Noch einmal: Wir haben die Frauen im Blick, die niemals irgendwo sichtbar sind, die niemals in einer Talkshow auftreten und für sich sprechen können, die das auch nicht in Diskussionsveranstaltungen können . Wir haben die Frauen im Blick, die, wie mir eine junge Osteuropäerin geschildert hat, niemand zu Gesicht bekommen, weil der Zuhälter alles für sie tut, im negativen Sinne . Wir wollen auf diese Frauen aufmerksam werden . Wer sagt, dass Prostitution wie andere Berufe auch geachtet werden muss, dem sage ich: Dann können auch die Regeln wie für andere Berufe gelten, nämlich dass man sein Gewerbe anmeldet, dass man sich bei der Krankenversicherung anmeldet und auch Steuern zahlt . Die geringe Zahl der in Deutschland angemeldeten Prostituierten zeigt, dass da etwas schiefläuft. Deshalb ist es richtig, dass wir solche Pflichten jetzt einführen. ({2}) Diese Pflichten dienen nicht der Gängelung, sondern dem Schutz der Frauen . Es soll nicht mehr so sein, dass der Zuhälter alles klärt, sondern die Frau soll das Recht haben, sich gesundheitlich beraten zu lassen . Darauf kommt es an. Mit der Anmeldepflicht setzen wir dieses Recht durch . Dann reicht es nämlich nicht, dass sich der Zuhälter um alles kümmert, sondern dann ist die Frau endlich sichtbar . Dann hat sie eine Vertrauensperson, die Ärztin oder den Arzt, und kann über ihre Situation sprechen. Das dient dem Schutz. Ich finde es richtig, dass wir das auf den Weg bringen . ({3}) Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in der parlamentarischen Beratung wurden Vorschläge zum Schutz der werdenden Mutter und des ungeborenen Lebens gemacht . Natürlich gibt es auch schwangere Frauen in der Prostitution . Ich begrüße Ihre Anregungen ausdrücklich und finde gut, dass diese jetzt in das Gesetz aufgenommen werden . Ich hoffe sehr, dass dieses Gesetz dazu beiträgt - wenn es umgesetzt wird und in der Praxis ankommt -, dass wir wirklich die Frauen und auch die Männer in der Prostitution, die unseren Schutz brauchen, besser schützen . Damit haben wir klare Arbeitsregeln, wie wir sie auch in allen anderen Berufen einfordern . Das dient auch dazu, der Zwangsprostitution besser vorzubeugen . Ich begrüße sehr, dass heute wahrscheinlich der Gesetzentwurf des Justizministers zu diesem Thema verabschiedet wird und damit ein klares Signal an die Freier geht: Ihr könnt nicht einfach die Augen zumachen, egal was mit der Frau ist . Wenn ein Freier sieht, dass eine Frau in einer Zwangslage ist, dann hat er eine besondere Pflicht. Das wurde übrigens auch in der Debatte zum Tagesordnungspunkt über die sexuelle Selbstbestimmung diskutiert: Wenn es um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau geht, dann geht das nicht nur die Frau etwas an, sondern auch die Männer haben Verantwortung - im positiven Sinne . Auch dafür sorgen wir mit den Gesetzen, die an diesem Tag verabschiedet werden sollen . Ich sage herzlichen Dank für die guten Beratungen . Ich freue mich, dass nach jahrelangem Stillstand beim Schutz von Prostituierten jetzt nach kontroversen Debatten ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht wird . Ich bedanke mich für die Unterstützung und setze darauf, dass wir damit Frauen und auch Männer in unserem Land besser schützen vor Ausbeutung, Gewalt und Zwang . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Cornelia Möhring, Fraktion Die Linke . ({0})

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Schwesig, wir führen hier, ehrlich gestanden, keine Debatte darüber, ob wir Prostitution gut oder schlecht finden, sondern es geht um einen Gesetzentwurf, der dieses Arbeitsfeld regeln soll . Deswegen ist es ein Problem, wenn man anfängt, darüber zu reden, ob man dieses Arbeitsfeld für richtig oder für falsch hält . ({0}) Sie werden heute ein Gesetz verabschieden, das seine Ziele komplett verfehlt . Es wird Prostituierten keinen Schutz bieten . Es wird Menschenhandel nicht wirksam bekämpfen, und es wird in keinster Weise die Selbstbestimmungsrechte von Prostituierten stärken . ({1}) Ich verstehe eigentlich auch nicht wirklich, warum Sie im Zuge der Debatten, die wir hier seit zweieinhalb Jahren führen, insgesamt nichts Wesentliches dazu beigetragen haben, um genau diese Ziele zu erreichen . Sie wollen vor allem Maßnahmen einführen, die genau diese Ziele nicht erreichen . Ich habe jetzt leider zu wenig Zeit, um alle Kritikpunkte zu wiederholen . Aber ich will versuchen, einmal in Kürze am Beispiel der Beratungs- und Registrierungspflicht deutlich zu machen, was ich meine. Sie erreichen gerade diejenigen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, auch mit der Registrierungspflicht nicht, weil bei denen die Angst vor einem Zwangsouting viel zu groß ist . Wenn man einerseits weiß, wie groß die Stigmatisierung ist, dann kann man sich doch hier nicht hinstellen und sagen: Na ja, Prostitution soll behandelt werden wie jeder andere Beruf. - Das finde ich, ehrlich gestanden, ziemlich mies in der Argumentation . ({2}) Gehen wir einmal ganz sachlich-fachlich an die Frage der Beratung heran . Sie wissen doch, dass ein einmaliger kurzer Kontakt zu einer Behörde weder ausreichen wird, um Menschenhandelsopfer zu erkennen, ({3}) noch, um so viel Vertrauen aufzubauen, dass sich Betroffene offenbaren . Das bestätigen uns alle Beratungsstellen und alle kenntnisreichen Verbände. Ich finde es wirklich ärgerlich, dass Sie nicht bereit sind, weiterzudenken, und dass Sie sich nach der Anhörung nicht die Zeit genommen haben, um das mit uns wirklich kompetent weiterzudiskutieren und andere Wege zu finden. ({4}) Wenn Sie wirklich eine qualifizierte Beratung anbieten wollen, dann müssen doch die jetzt schon überarbeiteten Behördenmitarbeiter auch fortgebildet werden . Es kann doch nicht darum gehen, dass eine Checkliste abgehakt wird, nach dem Motto: Personalausweis und Foto liegen vor - abgehakt; Gesundheitsberatung hat stattgefunden abgehakt; Aliasausweis ist ausgestellt - abgehakt; Zettel mit Rechten wurde verteilt - abgehakt . Das macht nun wirklich keine qualifizierte Beratung aus. ({5}) Das wurde im Übrigen auch in der Anhörung sehr deutlich gesagt, und zwar von einer Kollegin vom Bund Deutscher Kriminalbeamter . Sie hat das sehr deutlich beschrieben - Zitat -: Die Behördenangestellten müssten das Milieu sehr genau kennen, interkulturell geschult sein und insbesondere auch für Traumatisierungen sensibilisiert sein; sonst handele es sich um eine bürokratische Checkliste und kein bisschen mehr . - Genau das führen Sie jetzt ein, und das finde ich unverantwortlich. ({6}) Gleichzeitig sehen Sie nicht einmal Mittel für die Qualifizierungsmaßnahmen vor. Sie schlüsseln in Ihrem Gesetzentwurf den Finanzbedarf überhaupt nicht differenziert auf, sondern Sie sagen schlicht und ergreifend: 11,3 Millionen Euro Umstellungsaufwand und 13,4 Millionen Euro sogenannter jährlicher Erfüllungsaufwand . Das wird schön auf die Länder und Kommunen umgerubelt . Der Bund übernimmt generös ganze 33 000 Euro . Da besteht zusätzlich die Gefahr, dass die Verwaltungsgebühren von den Kommunen auf die Prostituierten abgewälzt werden, die sowieso wenig Geld haben . Bereiche, die für eine qualifizierte Beratung wichtig sind, haben Sie sogar ausgeklammert: Es sind keine Mittel vorgesehen für Sprachmittler oder für Dolmetscher . Für die Gesundheitsberatung veranschlagen Sie gerade einmal 4,4 Millionen Euro . Uns liegen Beispielberechnungen vor, wonach für die Umsetzung der Beratungspflicht selbst bei vorsichtiger Schätzung fast 25 Millionen Euro anzusetzen sind . Zwischen 25 Millionen Euro und 4,4 Millionen Euro besteht ein deutlicher Unterschied . Das müssten auch Sie erkennen können . Einmal ganz ehrlich: Auch der Teil, der die Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten und die Arbeitsbedingungen regelt - wir haben das hier schon eindeutig diskutiert -, ist doch nicht zu Ende gedacht . Sie legen für kleine Wohnungsbordelle die gleichen Maßstäbe wie für Großbordelle an . Aber das ist völlig undifferenziert . Im Ergebnis werden Sie damit gerade die Großbordelle stärken, und die kleinen Wohnungsbordelle gehen kaputt . ({7}) Gegen die Ausbeutung in der Prostitution werden Sie so nichts bewirken . Der beste Schutz besteht in der Bekämpfung der Armut, in mehr sozialer Sicherheit, in einer Stärkung der Selbstbestimmungsrechte . Aber wir können es wirklich drehen und wenden, wie wir wollen: Ihr Gesetz hält nicht, was es verspricht . Sie haben offensichtlich keinerlei Folgenabschätzung vorgenommen . Sie richten womöglich großen Schaden an . Sie fördern die Stigmatisierung . Auch wenn Ihre Ohren schon lange auf Durchzug stehen, sage ich Ihnen: Lassen Sie es! Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück! ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ dieses Bild der drei Affen kennen Sie alle sicher, ({0}) und nach diesem Prinzip ist man über Jahre - leider mit den Zuständen in der Prostitution umgegangen . Wir sehen sie nicht in unserem Alltag: die vielen jungen Frauen aus Osteuropa, die hierherkommen, entweder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder als Opfer von Menschenhändlern oder auch deshalb, weil sie geschickt werden, um ihre Familie im Heimatland zu ernähren . Sie verkaufen hier ihren Körper an Männer, die sie nicht kennen . Sie sind das Opfer von Zuhältern, denen sie nicht nur ihren Pass und ihr Geld geben; sie geben dort auch ihre sexuelle Selbstbestimmung, ihre Würde, ihre Menschenwürde ab . Wir erfahren immer nur am Rande davon, dass die Zustände immer schlimmer werden, dass diese Frauen immer jünger, immer unerfahrener sind, die hierherkommen, ohne Sprachkenntnisse, und dass gleichzeitig das, was von ihnen verlangt wird, immer extremer wird: Geschlechtsverkehr ohne Kondom, Gangbang, Sexualpraktiken mit Fäkalien, Sex in der Schwangerschaft bis kurz vor der Entbindung, Gewalt . Die Zustände im Milieu sind furchtbar, und das Schlimmste daran ist, dass sich viele hier eine goldene Nase verdienen - mit diesen Frauen, die das Ganze ganz und gar nicht freiwillig machen . All diesen Zuständen gegenüber gab es in unserem Land jahrelang eine unglaubliche Ignoranz: von der Gesellschaft, von Medien und auch von der Politik . Das Prostitutionsgesetz von 2001 hat all das möglich gemacht . ({1}) Die EU-Osterweiterung hat für das nötige „Angebot“ an Frauen gesorgt und die viel strengeren Gesetze in unseren Nachbarländern für die nötige Nachfrage von Freiern . Erst seit einigen Jahren wird hingeschaut und mit Vehemenz darauf hingewiesen, dass da einiges schiefläuft in unserem Land . Deshalb will ich an dieser Stelle gern allen danken, die sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt haben, dass wir endlich hinschauen: Hilfsorganisationen, Polizei, engagierte Polizisten, engagierte Ordnungsbehörden, Länder, Kommunen, Journalisten . Sie haben aufgeschrien und gesagt: Das kann nicht so weitergehen . Wir sind das Bordell Europas . Das darf nicht sein . Wir müssen endlich etwas dagegen tun . ({2}) Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, tun wir etwas dagegen . Mit dem Prostituiertenschutzgesetz geben wir Ländern, Kommunen, Ordnungsbehörden und auch der Justiz endlich die Instrumente an die Hand, die sie brauchen, um etwas dagegen zu tun . Die zentralen Instrumente sind zum Ersten die Anmeldepflicht für die Prostituierten und zum Zweiten die Erlaubnispflicht für die Bordellbetreiber . Mit der Anmeldepflicht erreichen wir etwas ganz Wichtiges . Frau Möhring, es ist total schade und irgendwie auch schlimm, dass Sie immer noch nicht den Sinn dahinter verstanden haben . Wir sorgen mit der Anmeldepflicht dafür, dass die einzelne Frau nicht weiter in der anonymen Masse untergeht . ({3}) In der Anhörung wurde das so formuliert: Ohne Anmeldung gibt es diese Frauen gar nicht; man vermisst sie nicht; sie sind die perfekte Beute der Menschenhändler . ({4}) Das darf nicht sein . Deshalb sehen wir die Anmeldung vor, die diesen Frauen erstmals Kontakt außerhalb des Milieus ermöglicht . ({5}) Es besteht zum ersten Mal die Möglichkeit, dass sie aufgeklärt werden: über ihre Rechte, über Beratungsangebote, die es in unserem Land gibt, auch über unser Gesundheitssystem, über ihre eigene Gesundheit, über Präventions- und Schutzmöglichkeiten . Diese Beratung stärkt doch die Frauen . Das gibt ihnen die Chance auf Information . Das gibt ihnen die Chance auf Hilfe und die Chance auf Kontakt außerhalb des Milieus . Das ist eine Riesenchance für diese Frauen, und für die Zuhälter und für die Menschenhändler ist es das klare Signal: Der Staat schaut hin . Uns ist es nicht egal, ob massenweise junge Frauen, die sich hier aufhalten, ohne ihre Rechte zu kennen, ausgebeutet werden . Der Staat schaut hin . Mit der Anmeldepflicht haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit, zu jeder einzelnen dieser Frauen Kontakt aufzunehmen, sie ins Hellfeld zu holen und ihnen diese Beratung tatsächlich zu geben . ({6}) Deshalb habe ich auch kein Verständnis dafür, dass Sie sagen: „Auf diesen Schutz können wir verzichten“, weil es eine Handvoll Sexarbeiterinnen in unserem Land gibt, denen das alles zu viel ist, denen es zu viel ist, aufs Amt zu gehen und sich anzumelden . ({7}) Diejenige, die aus freien Stücken der Prostitution nachgeht, kann das weiterhin tun . Sie muss sich eben nur anmelden . Sie kann auch mit einem Aliasnamen agieren; sie muss ihre Identität noch nicht einmal gegenüber Polizisten und Kontrollbehörden offenbaren . Wir haben auf den Datenschutz geachtet . Die vielen Chancen, die sich für die Zwangsprostituierten daraus ergeben, gehen mit ihrem Schutz einher . Deshalb ist das genau das richtige Instrument . Das zweite Instrument - neben der Anmeldung - ist die Erlaubnispflicht. Dass jede Pommesbude besser kontrolliert wird als ein Bordell, ist mittlerweile ein geflügeltes Wort. Es beschreibt aber ganz gut, wie die Situation heute ist . Wir werden jetzt Standards schaffen: Mindestanforderungen, was die Hygiene angeht, und Schutzstandards in Bordellen . Wir lassen es nicht mehr zu, dass jeder, der einschlägig vorbestraft ist, ein Bordell eröffnen und sich mit den Körpern von Frauen eine goldene Nase verdienen kann . Es wird in Zukunft eine Zuverlässigkeitsprüfung für Bordellbetreiber geben und die Möglichkeit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten mit harten Strafen . Wenn die Vorschriften nicht eingehalten werden, kann der eine oder andere Laden auch dichtgemacht werden . Wer sich nicht an die Regularien hält, wer Frauen in seinen Etablissements ausbeutet, muss die Konsequenzen tragen: harte Strafen und Entzug der Erlaubnis . Nur das funktioniert . ({8}) Mit den Regelungen, die wir heute verabschieden, bieten wir den vielen Zwangsprostituierten einen besseren Schutz und geben Ländern, Kommunen und Ordnungsbehörden die Instrumente, die sie brauchen, um tatsächlich genau hinschauen zu können, damit es nicht nach dem Prinzip der drei Affen geht: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen . Ab heute können wir vor Ort handeln zum Schutz von vielen Frauen in unserem Land . Ich danke Ihnen ganz herzlich und hoffe, dass wir das Gesetz heute in großer Übereinstimmung beschließen . ({9})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prostitution ist eine komplexe und vielfältige Branche . Es gibt Laufhäuser, kleine Bars, Kinos, Wohnungsbordelle . Es gibt Hausfrauen, die an zwei Vormittagen in der Woche als Prostituierte arbeiten . Es gibt Männer im Escortservice . Es gibt Prostituierte, die vor allem auf dem Straßenstrich arbeiten, sowie Frauen, die mit Kolleginnen in einer Wohnung sexuelle Dienste anbieten und so ihr Einkommen sichern . Und es gibt im Bereich der Prostitution Kriminalität und Ausbeutung . Wer diese bekämpfen will, muss differenzieren . ({0}) Wer das nicht macht - und das machen Sie von der Union tatsächlich nicht -, der bedient konstant nur das Klischee der Prostituierten . Sie vermischen dies wieder und wieder mit Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung . Das kann nicht zielführend sein . ({1}) Sie zeichnen permanent Bilder der Gegensätze von der selbstbestimmten Edelprostituierten zur Zwangsprostituierten . Und wenn Sie über Prostituierte aus Osteuropa reden, unterstellen Sie auch gern einmal einer Mehrheit der Frauen, sie seien minderbemittelt, Analphabetinnen, schwanger, drogen- oder alkoholabhängig oder alles gleichzeitig . Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie für sich die Rolle einnehmen wollen, Prostituierte zu retten . Aber was machen Sie? Sie sprechen ihnen die Entscheidung über ihren eigenen Körper und ihre Berufsentscheidung, über das, was sie tun, um ihr Geld zu verdienen, ab . Das ist weder differenziert noch eine praxistaugliche Lösung für einen besseren Schutz in einem schwierigen und sehr gefahrvollen Arbeitsbereich . Liebe Kolleginnen und Kollegen, so vielfältig die Branche ist, so vielfältig müssen auch die Maßnahmen sein . Runde Tische wie in NRW haben sich als erfolgreich erwiesen . ({2}) Sie bringen alle Akteurinnen und Akteure zusammen, sie schließen niemanden aus, und sie suchen gemeinsam nach konkreten Lösungen . ({3}) Eine Genehmigungspflicht für das Prostitutionsgewerbe ist sinnvoll, weil hierdurch der Schutz von Prostituierten gewährleistet werden kann . Allerdings muss sichergestellt sein, dass auch kleine Bordelle die Auflagen erfüllen können, die eine solche Genehmigungspflicht mit sich bringt . Der Bund sollte zudem die Länder dabei unterstützen, die freiwillige Beratung auszubauen; denn hier können Menschen erreicht werden, ({4}) hier können sie Vertrauen fassen und Unterstützung auch bei Fragen nach Alternativen zur Tätigkeit in der Prostitution finden. Das sind Maßnahmen, die funktionieren und sinnvoll sind, weil sie Menschen nicht bevormunden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, im vorliegenden Gesetzentwurf werden diese Maßnahmen nicht aufgegriffen . Schlimmer noch: Er ist moralisierend, er setzt auf das Instrument der Kontrolle . In unserem Entschließungsantrag zum vorliegenden Gesetzentwurf haben wir unsere Kritik daran sehr deutlich gemacht . Hauptkritikpunkte sind und bleiben die Anmeldepflicht und die Nadine Schön ({5}) jährliche gesundheitliche Pflichtberatung. Sie sind kontraproduktiv . Das sind die Fakten . ({6}) Sehr deutlich formulierten das die von der SPD eingeladenen Expertinnen in der Anhörung . Was machen Sie von Union und SPD eigentlich mit den Ergebnissen der Anhörung? ({7}) Nachdem die Sachverständigen mehrheitlich die von uns angebrachte Kritik an der Anmelde- und Beratungspflicht unterstützt haben, ({8}) gehen Sie hin und lassen die Argumente der Sachverständigen unter den Tisch fallen . Werten Sie doch einmal die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung aus! ({9}) Wozu machen Sie ein parlamentarisches Verfahren mit einer Anhörung, wenn Sie am Ende nichts mit den Ergebnissen machen? ({10}) Sehr bemerkenswert finde ich auch, dass Sie die Kritik des Bundesrates nicht beachten . Vonseiten des Bundesrates wurden ein immenser bürokratischer Aufwand und die daraus resultierenden Kosten kritisiert . Wie gehen Sie darauf ein? Sie lassen die Länder und die Kommunen mit den Kosten allein . Es ist doch jetzt schon absehbar, dass es in den Kommunen knirschen wird, wenn sie die Auflagen der Pflichtberatung erfüllen müssen. Die Kommunen müssen dann tief in die Tasche greifen . ({11}) Aber genau an dieser Stelle interessiert Sie die Lage der Kommunen interessanterweise gar nicht . ({12}) Man kann überhaupt nicht erkennen, dass Sie hier für einen reibungslosen Ablauf irgendetwas in Bewegung setzen wollen . Das scheint Ihnen egal zu sein . ({13}) Mal ganz ehrlich: Dieses Gesetz ist ein einziger Kompromiss . Frau Schwesig, Sie halten den Frieden in der Koalition höher als den Schutz der in der Prostitution tätigen Menschen . ({14}) Dieses Gesetz bringt de facto mehr Schutzlosigkeit . Es trägt dazu bei, das Stigma von Prostituierten zu verstärken, anstatt es abzubauen . Wir haben jetzt wohl hinreichend erklärt, warum . Prostituierte werden sich nicht anmelden . Sie werden in Zukunft illegal arbeiten . ({15}) Im Falle von Illegalität, Bedrohung und Gewalt werden sie sich dann nicht einmal mehr bei einer Behörde melden können . So wird ihnen jeder Schutz verwehrt bleiben . Das wäre wirklich fatal . ({16}) Ich komme zum Schluss . Dieses Gesetz ist frauenpolitisch ein Desaster, gesundheitspolitisch Unsinn, ({17}) steuerrechtlich ein schwarzes Loch und bürgerrechtlich hochbedenklich . Darum stimmen wir Grüne gegen dieses Gesetz . Vielen Dank . ({18})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Frau Schauws, genau das Gegenteil ist der Fall: Dieses Gesetz ist die Antwort auf die Situation in Deutschland . ({0}) Wenn ich das ergänzen darf: Heute ist ein besonderer Tag wegen der Gesetze, die wir verabschiedet haben, jetzt verabschieden und noch verabschieden werden . Es ist ein guter Tag für die Frauenpolitik in Deutschland . Ich glaube, die Große Koalition kann sagen: Wir haben hier gute Gesetze auf den Weg gebracht . Dafür wurde es höchste Zeit . ({1}) Mit diesem Prostituiertenschutzgesetz stehen wir nicht am Ende der Debatte und nicht am Ende des Kampfes gegen Fremdbestimmung und Ausbeutung, sondern am Anfang . Dieses Prostituiertenschutzgesetz ist eine klare Kampfansage an Zuhälter, Ausbeuter und Frauenhändler . Das Prostitutionsgesetz bedeutete die Legalisierung der Prostitution; das ist richtig . Aber es muss die Frage gestellt werden: Wer hat davon profitiert? In erster Linie haUlle Schauws ben die Vermieter von Laufhäusern, die Bordellbetreiber und die Zuhälter profitiert. Diejenigen, die nicht profitiert haben, waren die Prostituierten . Es sind mehr geworden . Sie sind in Elendssituationen, in Armutsprostitution . Sie sind diejenigen, die dringend unsere Hilfe als Staat und dieses Prostituiertenschutzgesetz brauchen . ({2}) Frau Möhring, ich will auch noch etwas zur Stigmatisierung sagen, weil das wieder einmal Ihr Hauptthema war . Die meisten Frauen können gar nicht stigmatisiert werden, ({3}) weil sie am öffentlichen Leben mittlerweile gar nicht mehr teilnehmen, weil sie nach Deutschland gekarrt werden, weil sie sich 24 Stunden in einem Zimmer aufhalten und bereitstehen müssen, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, weil sie einen Lieferservice in Anspruch nehmen müssen und weil sie in Städte kommen, von denen sie gar nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt . Insofern gibt es diese Stigmatisierung in der Form überhaupt nicht . Angesprochen wurden in diesem Zusammenhang bereits die datenschutzrechtlichen Aspekte bei der Anmeldung . Wir haben darauf geachtet, dass es dort nicht zur Stigmatisierung kommt . Stigmatisierung erleben wir in anderen Bereichen, und darum geht es uns . Mit der Situation der betroffenen Frauen muss Schluss sein . Einige Sätze zur Diskussionskultur: Es ist ja heutzutage Mode, dass man diese Konsensdemokratie oder Verhandlungsdemokratie in der Gesellschaft kritisiert und sagt: Wir brauchen wieder klare Ansagen und klare Linien . - Angesprochen wurden die unterschiedlichen Bewertungen der Prostitution . Dass Sozialdemokraten, Christsoziale und Christdemokraten gemeinsam ein Gesetz hinbekommen, war politisch wirklich ein hochambitioniertes Vorhaben . Die Alternative zu diesem Konsens, zu diesem gemeinsamen guten Kompromiss, wäre möglicherweise gewesen, dass wir gar kein Gesetz bekommen . ({4}) Dann - das kann ich nur sagen - hätten Sie die Elendssituation der Prostituierten in den nächsten Jahren weiterhin erleben müssen . Deswegen war es gut, dass wir uns auf dieses Prostitutionsschutzgesetz geeinigt haben . ({5}) Es ist nicht so - das haben Sie uns vorgeworfen -, dass wir immer sofort das Thema „Zwangsprostitution und Menschenhandel“ im Kopf haben . Nein, die Prostitution läuft heute anders ab . Das ist nicht erfunden; das ist die Realität . Schauen Sie nach Bayern! Dort gibt es Laufhäuser im Gewerbegebiet, ({6}) In denen die Frauen 100 Euro Miete am Tag zahlen, das heißt 3 000 Euro im Monat . Bei 30 Zimmern sind das für den Vermieter 90 000 Euro im Monat . Aber für diese 100 Euro, die die Prostituierte jeden Tag zahlen muss, braucht sie mindestens zwei oder drei Freier . Ich sage Ihnen: Auch diese Form der Prostitution müssen wir jetzt abstellen . Mit dem Prostituiertenschutzgesetz eröffnen wir die Möglichkeit, bei dieser Form von Mietwucher, bei dieser indirekten Fremdbestimmung einzugreifen und das Laufhaus, das Bordell dichtzumachen . Wir müssen die Prostituierten dringend vor dieser Form von Ausbeutung schützen . ({7}) Angesprochen wurden bereits die stärkeren Kontrollen, die restriktivere Erlaubniserteilung für Betriebe, mehr Beratung, die Stärkung der Pflichten und der Rechte, Hilfsangebote und Ähnliches . Viele Punkte waren uns extrem wichtig . Ich will einige herausgreifen . Ein Thema war die Prostitution von schwangeren Frauen . Es gibt in Zukunft keine Betriebserlaubnis mehr, wenn Bordelle Flatratesex, Gangbang-Partys oder Sex mit Schwangeren anbieten . Uns war wichtig, dies endlich zu untersagen, um auch das ungeborene Leben zu schützen . Das war ein großer Erfolg . ({8}) Das Gleiche gilt für die Bereiche Miete - das habe ich angesprochen - und Weisungsrecht . Endlich gibt es kein Weisungsrecht mehr hinsichtlich des Ob, der Art und des Ausmaßes einer sexuellen Dienstleistung . Endlich werden wir eine bessere Beratung bekommen . Endlich haben wir Beratungseinrichtungen und Gesundheitsbehörden, die auch Zutrittsrechte zu den Prostitutionsstätten bekommen . Dann noch zu Ihrer Kritik an der Anhörung . Ich weiß, wen wir als CDU/CSU eingeladen haben: Ärzte, Sozialberater, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und keine Verbandsvertreter . Das sind Menschen, die mit den Prostituierten arbeiten und die Situation der Prostituierten einschätzen können; und sie alle unterstützen dieses Gesetz . Sie haben uns gesagt: Schaut euch an, was in diesem Bereich passiert! Schaut euch an, wie die Prostituierten leben! Macht endlich etwas! Macht endlich dieses Gesetz! Das ist gut und wichtig . ({9}) Sie können uns vorwerfen, dass wir die großen Verbände, die sich für Prostituierte, für Sexdienstleisterinnen, einsetzen, nicht im Fokus haben bei 250 000 oder 300 000 Prostituierten, wenn ein Verband 70 oder 80 Prostituierte vertritt . Das mag vielleicht sein . Aber eines, Frau Möhring, muss ich Ihnen sagen: Sie haben sich nicht ein einziges Mal geöffnet bei der Frage: Wie ist die Situation in diesem Bereich? Sie haben ein falsches Bild, zumindest präsentieren Sie das in den Debatten . Ich hätte mir von der Opposition gewünscht, dass Sie ernsthafter mit gewissen Themen und Problemen umgehen . ({10}) Marcus Weinberg ({11}) - Von mir bekommen Sie sicher keine Redezeit . ({12}) Ich komme zum Schluss . Es ist ein gutes Gesetz . Wir erwarten von den Ländern, dass sie es auch umsetzen . Wir wissen aus unseren Wahlkreisen, aus den Bundesländern, dass vor Ort geschaut werden muss, wie wir dieses Gesetz maximal umsetzen können . ({13}) Wir werden evaluieren und auch nachsteuern . Noch einmal: Wir sind nicht am Ende des Kampfes gegen Fremdbestimmung und Ausbeutung, sondern am Anfang des Kampfes gegen Fremdbestimmung und Ausbeutung . Heute ist ein guter Tag für die Betroffenen und ein schlechter Tag für die Ausbeuter und Zuhälter . So soll es sein . Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem guten Gesetz . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Das Wort hat Ulrike Bahr, SPD-Fraktion . ({0})

Ulrike Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Vor nun fast zwei Jahren war meine Kollegin Eva Högl bei mir in Augsburg zu Gast . Ihr Besuch stand unter dem Motto „Rotlicht im Fokus“ . Es ging, wie unschwer zu erraten, um die aktuellen Gesetzesvorhaben zur besseren Regulierung von Prostitution sowie zur Bekämpfung von Zwangsprostitution. In dieser Woche nun finden beide Gesetzesvorhaben - das Prostituiertenschutzgesetz auf der einen und das Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels auf der anderen Seite - nach langen und intensiven Beratungen nahezu gleichzeitig einen erfolgreichen Abschluss . So setzen wir heute, fast im direkten Anschluss, ganz zentrale Vereinbarungen aus unserem Koalitionsvertrag um . Dass nach dem Prostitutionsgesetz von 2002 eine weitere Regulierung der Prostitution notwendig und damit unser gemeinsames Ziel war, darin waren wir uns von Beginn an einig . Über den Weg dorthin war die Einigkeit dann allerdings nicht immer nicht ganz so groß . Uns von der SPD-Bundestagsfraktion war dabei insbesondere der Schutz der Prostituierten wichtig . Dabei will ich eines klarstellen: Wir halten das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2002 nach wie vor für richtig . Oft und gern heißt es, Deutschland sei dadurch zum Bordell Europas geworden . ({0}) Fast noch lieber wird dieses Gesetz pauschal als gescheitert erklärt . Für viele ist es daher geradezu ein vermeintliches Symbol für das Leid von Zwangsprostituierten und Opfern von Menschenhandel - wie ich finde, zu Unrecht. ({1}) Zum einen bringt uns diese ständige Vermischung von freiwilliger und damit legaler Prostitution mit Straftaten wie Menschenhandel nicht wirklich weiter . ({2}) Wer zum anderen das Prostitutionsgesetz von damals ganz allgemein zum Sündenbock für soziale und gesellschaftliche Missstände abstempelt, der kehrt doch klammheimlich ganz grundsätzliche Fragen gesellschaftlicher Ungleichheit und Armut in einem erweiterten Europa unter den Teppich . ({3}) Weder die EU-Osterweiterung noch die damit verbundene Freizügigkeit wollen wir heute missen . Dennoch müssen wir uns natürlich mit den Folgewirkungen auseinandersetzen . Diese waren allerdings zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes 2002 ohne hellseherische Fähigkeiten wohl kaum abschätzbar . ({4}) Wem es wirklich ernst ist mit dem Kampf gegen Armutsmigration und Armutsprostitution, der muss sich auch die Bekämpfung sozialer Ungleichheit in Europa verstärkt auf die Fahnen schreiben . ({5}) Mit Blick auf die Prostitution hier in Deutschland gilt es deshalb vor allem, die Arbeitsbedingungen und den rechtlichen Rahmen so auszugestalten, dass sie keinen Missbrauch zulassen . Genau das packen wir mit diesem Gesetz nun an . Außerdem muss angesichts der vielen Schmähreden über das Prostitutionsgesetz auch eine entscheidende Nachfrage erlaubt sein: Warum ist denn dann eigentlich so lange nichts passiert in diesem Bereich? ({6}) Die Evaluation des Gesetzes von 2002 wurde im Jahr 2007 vorgelegt . Hinter uns liegen zwei Wahlperioden mit Frauenministerinnen aus den Reihen der Union . Aber scheinbar braucht es doch wieder eine SPD-Ministerin, um hier wichtige Weiterentwicklungen in Angriff zu nehmen . ({7}) Marcus Weinberg ({8}) Das Prostitutionsgesetz war nicht der Anfang vom Ende, sondern ein zentraler Schritt für die Prostituierten, ({9}) nämlich der Schritt raus aus der Sittenwidrigkeit . Wir halten es daher nicht für gescheitert, aber für ausbaufähig . Genau darum geht es bei den neuen Maßnahmen und Regelungen im Prostituiertenschutzgesetz . Wie schon 2007 in den Schlussfolgerungen der Evaluation empfohlen, wird es nun erstmals eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten geben . Wer ein Bordell betreiben will, muss ein Betriebskonzept vorlegen, die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und bestimmte Mindeststandards einhalten . Außerdem wird es verboten, mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder gar mit Sex mit Schwangeren zu werben . Gerade diese Maßnahmen stehen ja auch keineswegs in großem Gegensatz zu den Vorstellungen der Opposition . Viele Gespräche mit Fachberatungsstellen, Frauenverbänden oder Polizei haben uns darin bestärkt, uns gegen verpflichtende Untersuchungen und ein Mindestalter von 21 Jahren auszusprechen . Unser Kompromiss in der Koalition besteht nun darin, die Anmeldung mit einer Gesundheitsberatung und eben nicht einer Untersuchung zu verknüpfen . Für junge Prostituierte zwischen 18 und 21 werden dafür kürzere Fristen vorgesehen, aber eben kein Verbot . Für uns waren das wichtige Punkte; denn wir wollten den Zugang zu Beratung und anderen Unterstützungsangeboten erweitern, anstatt ihn durch Zwangsuntersuchungen und Verbote zu verbauen .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Bahr, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen .

Ulrike Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich komme zum Schluss . - Eine Evaluation wird schließlich nach fünf Jahren zeigen, ob und inwiefern das Prostituiertenschutzgesetz alle seine Ziele erreicht und die damit verbundenen Erwartungen erfüllt hat . Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 haben wir den Weg beschritten, Prostituierten mehr einklagbare Rechte zu verschaffen . Mit dem Prostituiertenschutzgesetz gehen wir 14 Jahre später diesen Weg weiter, indem wir für mehr Schutz, mehr Beratung und mehr Rechtssicherheit in der Prostitution sorgen . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Paul Lehrieder, CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Oft haben wir an dieser Stelle schon den Ausspruch „Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht“ bemüht und damit - Frau Kollegin Bahr, passen Sie auf; ich komme jetzt zu dem Punkt, an dem Sie aufgehört haben - das Prostitutionsgesetz der rot-grünen Regierung aus dem Jahr 2002 gemeint . Es ist nicht damit getan, zu sagen: Ihr habt das Gesetz nicht schnell genug geändert in den letzten Jahren . - Dadurch wäre die Fehlentwicklung, die durch das 2002 auf den Weg gebrachte Gesetz ausgelöst wurde, nicht verhindert worden . Ja, Deutschland ist 2002 durch die Legalisierung und durch die Erleichterung der Prostitution zum „Bordell Europas“ geworden . Wir wollten die Prostituierten aus dem Schmuddelmilieu holen . Damit haben wir aber etwas erreicht - ich unterstelle Ihnen keine Absicht -, was wir nicht wollten; denn die Folge war, dass Prostitution in den letzten Jahren in keinem Land so leicht durchzuführen war wie hier in Deutschland . Das ändern wir jetzt gemeinsam . Ich darf mich an dieser Stelle sehr herzlich bei Ihnen, Frau Ministerin, und Ihrem Team bedanken . Wir haben es uns in den letzten zwei Jahren wahrlich nicht leicht gemacht . Wir sind von einer großen Bandbreite an Prostituierten ausgegangen - ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das angesprochen haben -: die selbstbewusste 23-jährige oder 24-jährige Jurastudentin aus Deutschland, die ihre Rechte kennt und weiß, was sie mit sich und mit ihrem Körper tut, aber auch die 18-jährige Rumänin . Die Veranstaltung „Rotlicht im Fokus“ wurde erwähnt . Liebe Kollegin Pantel, auch wir sind dem Aspekt „Rotlicht im Fokus“ nachgegangen . In Vorbereitung auf dieses Gesetz sind wir auf den Straßenstrich in Berlin gegangen und haben mit Prostituierten gesprochen . - Ja, Sie müssen nicht erschrecken . Das war zur sachgerechten Aufklärung aus unserer Sicht durchaus angezeigt . Dort haben wir mit jungen Rumäninnen und jungen Ungarinnen gesprochen, die mit der Loverboy-Methode nach Europa gelockt wurden und deren wirtschaftliche, physische und psychische Abhängigkeit - manche sind alleinerziehend und haben ein Kind, das zu Hause betreut werden muss - in Deutschland ausgenutzt wird . Für diese Frauen wollen wir die Situation verbessern . Wir geben ihnen mit dem Prostituiertenschutzgesetz die Möglichkeit, Kontakte außerhalb des Milieus aufzunehmen . Wir wollen auch, Frau Schauws, dass gerade mit zwischen 18- und 21-Jährigen jedes halbe Jahr ein Beratungsgespräch durchgeführt wird, damit diese Frauen eine Anlaufstelle außerhalb des Milieus haben, damit sie Menschen haben, denen sie sich anvertrauen können, wenn etwas passiert . Das ist wichtig, und deshalb ist der vorliegende Gesetzentwurf elementar . ({0}) Ich muss noch auf ein paar Fehleinschätzungen von Ihnen zu sprechen kommen, Frau Schauws . Es ist natürlich das Vorrecht der Opposition, über ein Gesetz zu schimpfen, an dessen Entstehung sie nicht beteiligt war . Hätten Sie mitverfolgen können, wie oft wir bis in die Nacht hinein mühselige Unterredungen geführt haben, um die einzelnen Punkte, die Sie jetzt kritisieren, zu beleuchten, dann hätten Sie vielleicht eine andere Rede gehalten . Sie haben ausgeführt, durch die Anmeldepflicht würden die Frauen in die Illegalität getrieben . Die Polizei, die sich in diesem Milieu auskennt, sagt: Wo der Freier hinkommt, da kommen wir Polizisten auch hin; wir werden die Prostituierten auch in der Illegalität finden. Ich darf Ihnen versichern: Sie brauchen keine Angst zu haben, dass die Frauen durch die Anmeldepflicht in die Illegalität getrieben werden . Unsere Polizei nutzt die zugänglichen Werbeportale und geht zu den Orten, für die Werbung betrieben wird . Ein weiterer Punkt waren die Bürokratiekosten . Ja, durch das Gesetz entsteht mehr Bürokratie, aber hauptsächlich für die Bordellbetreiber . Bisher war es in Deutschland leichter, ein Bordell zu betreiben als eine Pommesbude, wenn man die bürokratischen Regularien vergleicht . Die freiwillige Beratung, Frau Schauws, die Sie angesprochen haben, ist gut und schön; wenn es denn so einfach wäre . Aber glauben Sie, dass die 18-jährige rumänische Prostituierte, die anonym und ohne Sprachkenntnisse in Deutschland lebt und, wie der Kollege Weinberg gerade ausgeführt hat, die Örtlichkeiten oft gar nicht kennt, ohne Weiteres den Weg zu einer freiwilligen Beratung findet? Deshalb haben wir gesagt: Wir brauchen eine Pflichtberatung, damit sie überhaupt eine Beratungsstelle aufsuchen . Wir wollen eine Beratung, die ohne den Bordellbetreiber stattfindet. Die Anmeldung kann auch nicht anonym über ein Onlineportal erfolgen . Wir wollen die Frauen sehen . ({1}) Ich will Ihnen eines sagen: Wenn uns in der Anhörung die Sachverständigen aus dem Bereich der Kriminalpolizei sagen: „Wir können nur die schützen, die wir kennen“, dann sollte uns das zu denken geben . ({2}) Das heißt, wir müssen die Frauen aus der Anonymität, aus der Illegalität herausholen . Wenn sie die Materialien für die Anhörung gründlich durchgelesen haben, Frau Schauws, dann wissen Sie, dass laut Schätzungen die Zahl von Frauen und Männern, die in Deutschland derzeit diesem Gewerbe nachgehen, zwischen 170 000 und 700 000 variiert . Das heißt, niemand hat auch nur ansatzweise eine Ahnung, ({3}) wie groß die Zahl derer, die in diesem Gewerbe arbeiten, tatsächlich ist . Deshalb ist es wichtig, dass wir hinschauen und Licht in dieses Dunkel, in diese Grauzone der Gesellschaft bringen . Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg . Herzlichen Dank allen, die konstruktiv mitgearbeitet haben . Herzlichen Dank den Kolleginnen und Kollegen von der SPD . Das waren zwei harte Jahre . ({4}) Aber wir haben es geschafft . Ich bin heilfroh, dass wir jetzt ein gutes Gesetz auf den Weg bringen, mit dem wir den - zugegeben - guten Willen von Rot-Grün in eine gute Tat umsetzen . Herzlichen Dank . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit ist die Aussprache beendet . Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen . Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mehrere Erklä- rungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor .1) Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/9036 ({0}) und 18/9080, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8556 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen . Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/9036 ({1}) und 18/9080 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Wir kommen damit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9071 . Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt . Tagesordnungspunkt 18 b . Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf den Drucksachen 18/9036 ({2}) und 18/9080 fort . 1) Anlagen 8 und 9 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7236 mit dem Titel „Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärken“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7243 mit dem Titel „Gesetz zur Regulierung von Prostitutionsstätten vorlegen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes Drucksachen 18/8578, 18/8958 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft ({3}) Drucksache 18/9074 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich sehe keinen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen . Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen . - Ich eröffne die Aussprache . Das Wort für die Bundesregierung hat Bundesminister Christian Schmidt . ({4})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war beeindruckend, zu sehen, wie viele unserer Kollegen soeben zu neuen Ufern außerhalb des Plenarsaals dieses Hohen Hauses aufgebrochen sind . Ich vermute, dass sie sich die Situation in den ländlichen Räumen Deutschlands vor Ort anschauen wollen . Das ist lobenswert, und darüber freue ich mich . ({0}) Manchmal endet der Blick in den großen Agglomerationen - den Ballungsräumen -, in den Städten . Das ist falsch . Der größte Teil unseres Landes lebt und bewegt sich im ländlichen Raum - von der Fläche her 85 Prozent und von der Bevölkerung her immerhin mehr als die Hälfte . Dieser Teil unseres Landes hat einen Anspruch darauf, dass er nicht in zweiter Linie gesehen wird, dass er nicht vergessen, sondern in den Blick genommen wird und ihm die gerechte Unterstützung zuteilwird, die wir alle für ihn fordern . ({1}) Es gab vor vielen, vielen Jahren eine Große Koalition, die sich damit beschäftigt hat, wie man denn die Länder und den Bund gemeinsam in Verantwortung bringen könnte . Die Namen, die man damit verbindet, sind Franz Josef Strauß und Karl Schiller . Lang, lang ist’s her, aber die Wirkung ist noch da . Ich weise darauf hin - das sollten wir uns ab und zu vor Augen führen -, dass wir damals in Artikel 91a des Grundgesetzes - das steht heute noch darin und soll so bleiben - festgelegt haben: Wenn für die Gesamtheit eine Aufgabe bedeutsam und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist, dann kann und wird auch der Bund seinen Beitrag im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe - in diesem Fall „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - wahrnehmen . Dabei bleibt es, und ich bin sehr dankbar, dass diese Gemeinschaftsaufgabe alle Föderalismusreformen überstanden hat . ({2}) Es ist völlig unabweisbar, dass die Notwendigkeit der Verbesserung der Lebensverhältnisse gerade unter dem Aspekt der schwierigen demografischen Entwicklung, unter dem Aspekt der Veränderungen im ländlichen Raum insgesamt höhere Bedeutung gewonnen hat . Deswegen ist es gut, dass wir das Grundgesetz betrachtet haben . Es ist übrigens auch gut, dass wir keine Grundgesetzänderung vorgenommen haben . Wir haben das geprüft, nicht nur im Sinne von Theodor Heuss, der uns zur Sparsamkeit aufgerufen hat . Aber vor jeder Grundgesetzänderung sollten wir austesten, welche Möglichkeiten uns die jetzige grundgesetzliche Regelung bietet . Und siehe da: Es gibt Möglichkeiten, die wir noch nicht ausgeschöpft hatten und haben . Damit kann das Ziel unseres Koalitionsvertrags - gute Entwicklungschancen für den ländlichen Raum - besser erreicht werden . Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei allen, die an der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs und insbesondere an der Beratung im Ausschuss mitgewirkt haben, aber auch - lassen Sie mich das sagen - für die konstruktiven Hinweise aus dem Bundesrat sehr bedanken . ({3}) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird nicht nur die Landwirtschaft in den schwierigen Zeiten der angespannten Märkte modern und leistungsfähig gehalten, sondern wir haben auch eine mittel- und langfristige Stärkung der Strukturen im ländlichen Raum erreicht . Wir haben dank der Entscheidungen des Deutschen Bundestages die Mittel bereits in diesem Jahr beträchtlich aufgestockt: Wir fügen 30 Millionen Euro für investive Maßnahmen und weitere 30 Millionen Euro für neue Maßnahmen dieser neuen Gemeinschaftsaufgabe hinzu . Im Haushaltsjahr 2017 werden wir nach dem Entwurf des Bundesfinanzministers, den wir gestern im Kabinett beschlossen haben, neben den 600 Millionen Euro für klassische GAK-Aufgaben weitere 100 Millionen Euro für den Sonderrahmenplan Nationaler Hochwasserschutz Vizepräsidentin Ulla Schmidt und 65 Millionen Euro nach dieser Erweiterung der GAK vorsehen . Ich darf ergänzend hinzufügen, dass die Mittel für mein Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, das Leuchtturmprojekte in Bundesverantwortung mitentwickeln soll, für das kommende Haushaltsjahr von 10 Millionen auf 20 Millionen Euro aufgestockt werden . Damit schaffen wir größere Gestaltungsspielräume des Bundes . ({4}) Dreh- und Angelpunkt bleibt die Verbesserung der Agrarstruktur . Wir wollen sie in der GAK weitestmöglich an das Förderspektrum des ELER bzw . der ELER-Verordnung anpassen . Über diesen Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums - so heißt es in der Langform - fließen den Bundesländern jährlich bereits etwa 1,4 Milliarden Euro zu . Damit können die Länder Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums finanzieren. Ich freue mich, dass der Handlungsspielraum so weit geht, dass wir zukünftig auch Investitionen in nichtlandwirtschaftliche „Kleinstbetriebe“ fördern können, sprich den Friseurbetrieb oder den Bäcker am Dorfplatz . Ich freue mich, dass wir die Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen vor Ort verbessern können, dass der ländliche Tourismus angekurbelt werden kann und dass es Unterstützung für die Umnutzung von Bausubstanz gibt, zum Beispiel als dörfliches Begegnungszentrum oder - so machen wir es jetzt in Dörfern; das ist ein weiteres Konzept - als ein Multifunktionshaus . Darüber hinaus - ich sehe den Kollegen Göppel, der sich sehr für die Landschaftspflege engagiert -, haben wir die Fördermöglichkeiten im Bereich des Klima- und Naturschutzes, des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege erweitert und manches andere mehr verbessert . Meine Damen, meine Herren, wir müssen die Abwanderung junger Menschen aus den ländlichen Räumen stoppen . Das ist die Kernaufgabe; es ist eine darüber hinausgehende Aufgabe . ({5}) Deswegen müssen wir alle Maßnahmen unternehmen, die die Attraktivität des ländlichen Raums steigern, ohne die Identität des ländlichen Raums infrage zu stellen . Ein letztes Wort . Ich bedanke mich im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsaufgabe bei denen, die das Geld bereitstellen . Das sind der Deutsche Bundestag und die Länder . Ich wäre insbesondere dankbar, wenn wir immer darauf achten würden - das richtet sich jetzt auch an die verehrten Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern -, dass, wenn die Maßnahmen auf den Weg gebracht werden und die Tafeln für die Bauprojekte erstellt werden, nicht vergessen wird, dass 60 Prozent der Gelder vom Bund kommen . ({6}) Manchmal verwittern diese Schriftzeichen relativ schnell . Ich denke, wir alle haben ein Interesse daran, dass wir nicht nur Gutes gemeinsam tun, sondern es auch gemeinsam darstellen . In diesem Sinne herzlichen Dank . ({7})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke . ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Sehr geehrte Gäste! Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, einem dünn besiedelten, aber trotzdem schönen Bundesland . ({0}) Mein Wahlkreis ist der größte Wahlkreis Deutschlands und auch der schönste Wahlkreis Deutschlands, nämlich der Müritzkreis . ({1}) Bei uns stellen sich andere Fragen als hier in Berlin . Herr Minister Schmidt hat eben bereits einiges in dieser Richtung vorgetragen . Bei uns ärgert man sich nicht darüber, dass die S-Bahn oder die U-Bahn nur im Zehnminutentakt fährt, sondern bei uns stellt sich die Frage, ob der Jugendliche mit dem Bus zum Sportklub oder ob die Oma ins Theater in die kleine anliegende Stadt kommt . Bei uns fragt sich so mancher Ortsbürgermeister, ob er die Kita oder den Supermarkt, den kleinen Laden, den er immer noch im Dorf hatte, noch halten kann oder was damit passiert . Bei uns brauchen vor allem kleine Unternehmen eine Zukunftsperspektive . Bei uns fragen sich die Menschen auch, wie man die vielen Potenziale, die es im ländlichen Raum gibt, am besten schöpft und fördert, beispielsweise im Tourismus, in der Energieproduktion oder aber auch in der nachhaltigen Landwirtschaft, zum Beispiel durch regionale Wirtschaftskreisläufe; denn viele der kleinen Städte und Gemeinden verfügen heute über individuelle Qualitäten . Dafür sind aus unserer Sicht eine wirkungsvolle, umfassende und integrierte Förderung des ländlichen Raums ({2}) und eine Strategie über Ressortgrenzen hinweg notwendig . Dafür stehen viele Ministerien hier in Berlin in der Verantwortung, nicht nur der Landwirtschaftsminister . Ein wichtiges Instrument der Bundespolitik zur Entwicklung des ländlichen Raumes ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, über die wir hier heute debattieren wollen . Auf unsere Initiative hin gab es am Dienstag eine Anhörung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf. Ich finde es schade, dass wir nicht über eine Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ reden, sondern immer noch allein mit „Agrarstruktur“ und „Küstenschutz“ im Titel antreten . ({3}) Diese Anhörung war wichtig; denn die Koalition zeigte vor allem Lernfähigkeit, und sie korrigierte mit einem Änderungsantrag wichtige Punkte, die auch in dieser Anhörung eine Rolle gespielt haben . Das begrüßen wir natürlich . Eine wirkliche GAK-Reform, wie im Koalitionsvertrag auch angekündigt, bleibt die Koalition aus meiner Sicht aber weiterhin schuldig . ({4}) Dort, wo eigentlich ein großer Schritt notwendig gewesen wäre, sprach der Deutsche Landkreistag von einem kleinen „Trippelschritt in die richtige Richtung“ . Aber nicht nur in der Anhörung wurde erneut viel Kritik an diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung geübt, sondern auch der eigens von Herrn Minister Schmidt angeregte Sachverständigenrat fand deutliche Kritik an diesem Gesetzentwurf, vor allem wegen des begrenzten Maßnahmenspektrums, der beschränkten Gebietskulisse, der fehlenden zusätzlichen Mittel und der fehlenden Angleichung an die Fördermöglichkeiten der EU durch den ELER . Ich zitiere aus dem Bericht des Sachverständigenrates: Aus Sicht des Sachverständigenrates verfehlt der Gesetzentwurf damit die Zielsetzungen des Koalitionsvertrags und wird nicht den Herausforderungen der ländlichen Räume gerecht . Die Kritik des Sachverständigenrates benennt also wesentliche Punkte, die auch mit dem neuerlichen Antrag der Koalition leider nicht behoben werden . Das kritisieren wir unter anderem auch, vor allem die fehlende Abdeckung des gesamten ELER-Spektrums . Herr Schmidt hat eben gesagt: Wir kommen dem näher, aber wir schöpfen ihn nicht aus . - Wir ändern das Grundgesetz nicht, um eine wirkliche Reform der GAK im Sinne der ländlichen Entwicklung zu ermöglichen . Das schaffen wir damit eben nicht . Wir stellen auch die ausreichenden Mittel nicht zur Verfügung . Die Experten sagen, dass mindestens 200 Millionen Euro zusätzlich notwendig wären, um hier einen Entwicklungsschub zu erreichen . Auch wenn wir im nächsten Jahr mit 65 Millionen Euro mehr rechnen können, werden hier nur ganz kleine Impulse gesetzt . Für die ländlichen Räume werden jetzt 5 Prozent des Gesamtbudgets der GAK ausgegeben . Das, glaube ich, wird nicht reichen . ({5}) Eine wirklich integrierte ländliche Entwicklung wird erst durch eine umfassende Reform der GAK möglich . Die Agrarstruktur, der Küstenschutz und der Umweltschutz wären dann in die ländliche Gesamtentwicklung einzugliedern . Wir fordern deshalb eine Grundgesetzänderung, um den ELER vollständig auszuschöpfen . Wir fordern vor allem, die Daseinsvorsorge für die Menschen auf dem Lande verlässlich zu fördern; denn die Wirtschaft im ländlichen Raum ist mehr als nur Agrar- und Kleinstbetriebe - vor allem in der Zukunftsperspektive . Wir fordern eine demokratische Kontrolle und Transparenz bei der Mittelverteilung durch Landes- und Bundesparlamente . Das ist bis heute nicht gegeben . Wir fordern einen eigenen Gestaltungswillen der Bundesregierung, der nicht nur die gemeinsame Agrarpolitik der EU, sondern vor allem auch die Zukunft der ländlichen Räume insgesamt im Auge behält, und wir fordern mehr Geld, mindestens die angesprochenen 200 Millionen Euro mehr, um diese Herausforderungen des ländlichen Raumes bewältigen zu können . ({6}) Die Linke sagt: Wir müssen vor allem die sozialen Auswirkungen unserer Politik im Auge behalten und diese vor allen Dingen aktiv gestalten, besonders weil wir über 85 bis 90 Prozent des Bundesgebietes reden . Sie wollen die Menschen damit vielleicht etwas stärker in den Vordergrund stellen, aber sie bleiben trotzdem abgehängt . Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland . Herzlichen Dank . ({7})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die SPD spricht jetzt der Kollege Willi Brase . ({0})

Willi Brase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer sich so schnell verändernden Welt kann nur bewahren, wer zu verändern bereit ist . Wer nicht verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte . So Gustav Heinemann. Ich finde, er hat völlig recht. ({0}) Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen die Perspektiven und die Vielfalt der ländlichen Räume bewahren, aber auch die Chancen der Weiterentwicklung fördern . Wir haben über diese Frage im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz schon in der 17 . Wahlperiode intensiv debattiert . Wir haben festgestellt: Unsere ländlichen Regionen sind vielfältig, unterschiedlich stark, mit Blick auf die Bevölkerungszahl manchmal aber auch schrumpfend; das wollen wir nicht vergessen . Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verankert: Wir streben an, diese Gemeinschaftsaufgabe zu einer „Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung“ weiterzuentwickeln . Ich glaube, dass wir mit dem Gesetzentwurf einschließlich des Änderungsantrags der KoalitionsfraktiHeidrun Bluhm onen einen richtig guten Schritt nach vorne gehen . Ich bin dankbar, dass wir nach intensiver Beschäftigung und Verhandlung ein Stück vorwärtsgekommen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Der ELER und die Gemeinsame Agrarpolitik der EU zielen auf die Infrastruktur ländlicher Gebiete . Es geht um Daseinsvorsorge, das wollen wir nicht vergessen; Kollegin Bluhm, Sie haben es teilweise angesprochen . Lokale Lebensqualität wollen wir voranbringen; das haben wir im Änderungsantrag genau so formuliert . Es geht bei der Daseinsvorsorge um Lebensmittel, um Energie, um Mobilität, um kulturelle Einrichtungen, um Gesundheitsversorgung, um Brandschutz und Hilfestellung . Wir haben das im Änderungsantrag als „Basisdienstleistungen“ formuliert. Wir wollen die dörfliche Struktur und Bausubstanz erhalten . Wir wollen den ländlichen Tourismus stärken . Auch wollen wir das kulturelle Erbe von Dörfern bewahren und weiter ausbauen. Ich finde, das, was wir beschlossen und vorgelegt haben, gibt genau das wieder, was wir zur Weiterentwicklung der ländlichen Regionen brauchen . Auch unser Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat schon seit 2010 Initiativen zur Entwicklung ländlicher Regionen auf den Weg gebracht . Dabei geht es unter anderem um Zusammenarbeit, um den Aufbau von Netzwerkstrukturen und um die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements . Wenn man das zur Kenntnis nimmt, kann man sagen: Diese Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen unterstützen diesen Ansatz . Es geht darum, dass nicht nur das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, sondern auch andere etwas auf den Weg bringen und Geld zu Verfügung stellen, damit sich die ländlichen Regionen weiterentwickeln . Ziel war und ist: Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse erreichen . ({2}) Es ist schon darauf hingewiesen worden: Wir haben nach der Anhörung die vorgebrachten Argumente geprüft . Wir haben die entsprechenden Änderungen auf den Weg gebracht, auch das, was der Bundesrat in seiner ersten Befassung zum Ausdruck gebracht hat . Ich nenne das Stichwort „Gebietskulisse“ . Das, was dazu ursprünglich vorgesehen war, hat sich als nicht praktikabel herausgestellt . Wir sind das vernünftig angegangen und haben es verbessert . Es geht auch um das Antragsverfahren: Die Anträge, die mehrjährig laufen, sollen nicht jedes Mal wieder neu begründet werden müssen . Es geht unter anderem auch um den Vertragsnaturschutz . Das sind einige Beispiele, worüber wir nicht nur beraten haben, sondern bei denen wir auch für eine schnelle Umsetzung gesorgt haben . Mit unserer Entschließung beschreiben wir den zukünftigen Weg der Stärkung ländlicher Regionen . Wir wollen ein ressortübergreifendes und abgestimmtes Handeln der Bundesregierung . Ich habe das eben am Beispiel des Bundesbauministeriums deutlich gemacht . Es ist gut, dass es einen entsprechenden Staatssekretärsausschuss gibt . Ich bin mir sicher: Wenn wir diese Politik weiterführen, werden wir im Rahmen eines abgestimmten Vorgehens in der Regierung die ländlichen Regionen in naher Zukunft noch stärker miteinander verbinden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die finanziellen Mittel für die GAK Zug um Zug ausweiten . Wir haben lange Gespräche mit den Vertretern der Länder geführt . Es geht um die Frage: Wie gehen wir mit dem Mittelabfluss um? In verschiedenen Bundesländern gibt es Doppelhaushalte . Mein und unser Wunsch an die Haushälter ist - das müssen wir gut überlegen -, dass dieser Mittelabfluss vernünftig gestreckt wird und er auch übertragen werden kann, damit die Mittel für die GAK und für die ländlichen Regionen nicht verloren gehen . Wir möchten aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die 30 Millionen Euro, Herr Minister, die wir als Bundestag letztes Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt haben, aufgrund des langen Verfahrens und der späten Beschlussfassung hier im Bundestag übertragen werden, sodass sie der GAK und den ländlichen Regionen nicht verloren gehen . Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt . ({3}) Es geht zukünftig darum, dass wir eine intensivere Abstimmung zwischen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, der Mittelstandsförderung und dem Städtebau als ein Gesamtpaket zur Unterstützung der ländlichen Regionen betrachten und begreifen . Wer nur die GAK schaut und nur das im Blick hat, was wir in diesem Bereich an Mitteln für die ländlichen Regionen ausgeben, der greift zu kurz . ({4}) Wir müssen das Gesamtpaket sehen, und dabei haben wir als Koalitionsfraktion einiges auf den Weg gebracht . Es geht uns als sozialdemokratische Fraktion darum, die Vielfalt der ländlichen Regionen zu erhalten . Jeder von uns weiß: Es gibt Regionen, in denen wir es sehr stark mit demografischen Problemen zu tun haben; dazu wird meine Kollegin Petra Crone etwas sagen . Wir haben aber auch Regionen, die wirtschaftlich sehr stark sind, in denen es kaum Arbeitslosigkeit gibt und die fantastische industrielle und gewerbliche Strukturen haben . Wenn ich heute wenig über die Landwirtschaft gesprochen habe, liegt das daran, dass unsere Landwirtschaft hoch konkurrenzfähig ist, sehr viel exportiert und auf höchstem Niveau arbeitet . Deshalb braucht sie manchmal etwas weniger Unterstützung . Wir müssen die Unterstützung aber zu den ländlichen Regionen umleiten, die teilweise schrumpfen . Ich denke, das ist ein richtiger Weg . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Unterschiedlichkeit der ländlichen Regionen in unserem Land bewahren . Es ist gut und wichtig, allen zu helfen . Deshalb nehmen wir diese Chance an . Es ist gut, dass wir nächstes Jahr mehr Geld haben . Ich möchte wiederholen, was ich schon an anderer Stelle gesagt habe: Perspektivisch sind für die weitere Entwicklung 65 Millionen bis 100 Millionen Euro an jährWilli Brase lichem Zuwachs zu wenig . Aber das muss spätestens in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden . Ich werde nicht mehr dabei sein . Vielen Dank fürs Zuhören . ({5})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Ich möchte mich für die präzise Einhaltung der Redezeiten bedanken . Auch das muss - gerade heute - einmal festgestellt werden . Nächster Redner ist der Kollege Markus Tressel für Bündnis 90/Die Grünen .

Markus Tressel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004178, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ländlichen Räume stehen unzweifelhaft vor großen und vielfältigen Herausforderungen . Deswegen hätten wir jetzt endlich eine kohärente Strategie für die ländlichen Räume gebraucht, die sich nicht mehr nur auf die Landwirtschaft fokussiert . Das ist der Grundfehler, den der vorliegende Gesetzentwurf leider nicht löst, obwohl Sie es in Ihrem Koalitionsvertrag anders angekündigt haben . ({0}) Wir brauchen Daseinsvorsorge; wir brauchen aber auch „Dableibensvorsorge“ in unseren ländlichen Regionen . Das werden wir auf diese Art und Weise vielleicht ansatzweise hinbekommen, aber der große Wurf ist das nicht . Bei aller Wertschätzung für die Landwirtschaft sage ich, sie verliert leider an Bedeutung für die ländlichen Regionen . Seit 1993 hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe mehr als halbiert, und die Bruttowertschöpfung in der Land- und Forstwirtschaft ist um knapp 20 Prozent zurückgegangen . Immer weniger Wertschöpfung und immer weniger Beschäftigung in der Landwirtschaft: Das sind die Folgen eines tiefgreifenden Strukturwandels . Aber nicht nur das macht ländlichen Regionen zu schaffen . Genauso treffen auch andere wirtschaftliche Veränderungen periphere ländliche Regionen hart, beispielsweise in den Kohleregionen - ich komme aus einer solchen Region - oder in ehemals großindustriell geprägten Regionen . Diese Regionen schrumpfen vielfach ökonomisch, und sie schrumpfen demografisch. Wir alle wissen: Wenn die jungen Leute wegziehen, werden die ohnehin schon knappen finanziellen Spielräume der Kommunen noch kleiner . Krankenhäuser werden geschlossen, Ortskerne veröden, weil sich der Einzelhandel nicht mehr rentiert, und mittelständische Unternehmen finden keine Auszubildenden und Fachkräfte mehr. Die Ungleichheit zwischen den regionalen Lebensverhältnissen nimmt zu . Deswegen können wir heute in vielen Bereichen nicht mehr von der Gleichheit der Lebensverhältnisse sprechen . Das ist eine fatale Entwicklung; es ist eine Spirale, die nach unten zieht . Hier müssen wir den Menschen vor Ort neue Perspektiven eröffnen, und die liegen bei aller Sympathie nicht nur in der Landwirtschaft . ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das im Grundgesetz formulierte Ziel einer Gemeinschaftsaufgabe heißt, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern . Das ist der Kernpunkt . Die GAK, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf heute beschließen wollen, wird in ihrer derzeitigen Form diesem Ziel nicht gerecht . Sie waren zu Beginn Ihrer Koalition der gleichen Meinung, als Sie in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz zur „Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung“ weiterzuentwickeln, sodass sie die Herausforderungen ländlicher Räume anpacken kann . Das war und ist ein richtiger Gedanke . Drei Jahre später ist aber von diesem Vorhaben - ich sage ganz klar: leider - wenig übrig geblieben . Statt der nötigen Grundgesetzänderung, die wir als Opposition und, glaube ich, im Übrigen auch viele Bundesländer unterstützt hätten, kommt nun ein Reförmchen, das ganz klar macht: Was nicht der Landwirtschaft dient, kann nach wie vor nicht gefördert werden . Die Bundesregierung selbst hat uns noch im Mai auf eine Kleine Anfrage geantwortet - ich zitiere -: Maßnahmen, die gar keine Rückbindung an den Agrarbegriff erkennen lassen, sind auch mit der neuen GAK nicht förderfähig . Sie sagten eben, Herr Minister Schmidt, Dreh- und Angelpunkt bleibt die Agrarstruktur . Das wird, denke ich, in der Praxis Probleme geben . Es ist meines Erachtens dem Problem auch nicht angemessen . ({2}) Die Erweiterung der GAK, die Sie heute vornehmen, zeigt: Sie machen im Kern weiter allein Landwirtschaftspolitik und eben keine Politik für die ländlichen Räume . Sie nannten vorhin selbst die Vielschichtigkeit der Probleme, aber Sie betreiben weiterhin allein Landwirtschaftspolitik, und damit setzen Sie den Koalitionsvertrag eben genau nicht um . Sie vertun eine große Chance, die Förderpolitik für die ländlichen Räume neu aufzustellen - im Übrigen zusammen mit der Landwirtschaft . ({3}) Die Kollegin Bluhm hat vorhin gesagt: Gut, dass wir die Anhörung in dieser Woche hatten . - Dort gab es deutliche Kritik der Sachverständigen, und diese hat am Schluss auch etwas bewirkt . Das ist außerordentlich lobenswert . Sie haben die allergröbsten Mängel des Gesetzentwurfes beseitigt, wie die rechtsunsichere Gebietseinschränkung, die doppelte und dreifache Bürokratie für die Länder bedeutet hätte, und Sie haben zumindest den Vertragsnaturschutz auch als Ziel der GAK formuliert . Das ist außerordentlich lobenswert . Aber ich hätte mir gewünscht, dass sich das, was Sie in Ihrer Entschließung fordern, von vornherein im Gesetzentwurf wiedergefunden hätte . Das Ziel der integrierten Entwicklung, der regionalen Wertschöpfung, der Frauenförderung, die bessere Kombinierbarkeit mit anWilli Brase deren Fördertöpfen - die GRW haben Sie angesprochen, Herr Kollege Brase - und die regelmäßige Evaluation der Mittelausgaben; all dies hätte ins Gesetz gehört, weil es das Gesetz besser gemacht hätte . ({4}) Wir brauchen eine Zukunftsperspektive für die ländlichen Räume, die in ihrer Unterschiedlichkeit auch unterschiedliche Voraussetzungen haben . Diese zusätzlichen Mittel sind ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man sich die Größe der Aufgabe betrachtet . Deshalb hat auch der Sachverständigenrat im Vorfeld in seiner Stellungnahme mehr Geld gefordert . Die GAK, wie sie jetzt vorliegt, beinhaltet im Kern, was ihr Name sagt: Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes . Die Förderung ländlicher Entwicklung bleibt in den Kinderschuhen . Das ist bedauerlich, da wäre mehr gegangen . Jetzt muss man, wenn man ehrlich ist, sehen: Wertvolle Zeit für die ländlichen Räume wird wieder verstreichen, bis wir nochmals an dieses Thema herangehen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Das ist außerordentlich schade . Vielen Dank . ({5})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Hans-Georg von der Marwitz . ({0})

Hans Georg Marwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004107, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zentrum des Gesetzentwurfes zur Reform der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, kurz: GAK, steht ein entscheidender Paradigmenwechsel von gesellschaftlicher Bedeutung, Herr Tressel . Mit diesem Gesetz erweitern wir in den engen Grenzen des Artikels 91a im Grundgesetz den Fokus der GAK über die Landwirtschaft hinaus auf den ländlichen Raum . Wir fördern mit diesem Gesetz erstmals auch außerlandwirtschaftliche Infrastruktur - eine wichtige Maßnahme für unsere Gemeinden und Dörfer . In weiten Gebieten Deutschlands ist die Landwirtschaft längst nicht mehr der Wirtschaftsmotor Nummer eins - von den Beschäftigten auf den Feldern und in den Ställen ganz zu schweigen . Die agrarpolitischen Diskussionen der letzten Monate bieten zusätzlich reichlich Anlass, über die weitere Entwicklung der ländlichen Räume nachzudenken . Zwar prägt die Landwirtschaft optisch noch viele Regionen, doch hinter den Fassaden haben Gewerbe und Dienstleistungen die Urproduktion längst überholt . Unsere Landwirte geraten nicht nur durch die Agrarmarktkrise immer stärker unter Druck . Unabhängig davon schreitet der Strukturwandel weiter voran . Entleerte Dörfer und demografische Verwerfungen drohen. Kurzum: Teile des ländlichen Raumes stecken in der Krise - übrigens im Osten Deutschlands wesentlich offensichtlicher als im Westen . Meine Heimat Brandenburg hat einen hohen Anteil an ländlichen Regionen . Sie alle kennen meine Position, und ich werde nicht müde, auch bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie wichtig eine vielschichtige Agrarstruktur ist . Durch eine unbedachte Überführung alter DDR-Strukturen in die Marktwirtschaft und die Vernachlässigung der Familienbetriebe in den 90er-Jahren verschärft sich bis heute die Krise zusätzlich, gerade wenn der Markt schwächelt und geordnete Betriebsübergaben ausbleiben . Die Causa KTG sei hierfür beispielgebend erwähnt . Wir haben zwei Seiten einer Entwicklung . Die Märkte sind durch hohe Produktionsmengen deutlich übersättigt . Die deutsche Landwirtschaft ist durchrationalisiert, hochleistungsorientiert, profiliert auf dem Weltmarkt und damit ökonomisch eng mit China und Russland verzahnt . Doch die daraus resultierenden Wechselwirkungen stehen heute vielen Landwirten zum Teil im Weg . Die derzeitige Krise wird, langfristig betrachtet, tiefe Spuren in der deutschen Agrarstruktur hinterlassen . Mit einer baldigen Besserung ist derzeit nicht zu rechnen . Wir führen hier eine strukturpolitische Diskussion . Deshalb zurück zur GAK, Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ . Zusammen mit den Ländermitteln verteilen wir auf diesem Weg in diesem Jahr rund 1,2 Milliarden Euro, eine beachtliche Summe . Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des GAK-Gesetzes setzen wir heute auf eine Neuorientierung, sicherlich noch in einem sehr überschaubaren Rahmen - da gebe ich Ihnen absolut recht -, aber immerhin ist es ein Anfang . Wir brauchen alternative Entwicklungen für den ländlichen Raum . Mehr als die Hälfte der Bevölkerung - der Herr Minister hat das vorhin erwähnt - lebt auf dem Land . Mit der geplanten Öffnung der GAK durch die Novellierung des Gesetzes schaffen wir dafür neue Voraussetzungen . Dennoch hat für mich weiterhin Priorität: der bleibende Bezug zur Landwirtschaft in diesem Gesetz . Denn der Agrarbezug steht im Zentrum der Gemeinschaftsaufgabe . ({0}) Durch die Erhöhung der Mittel wird gleichzeitig sichergestellt, dass die Förderung der neuen Maßnahmen nicht zulasten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ geht . Mir ist wichtig, dass sich mein Berufsstand zukunftsorientiert aufstellt . Wenn nicht wir Bauern den Transformationsprozess mit beeinflussen, dann werden das andere für uns tun . Die Öffnung der GAK für andere Schwerpunkte im ländlichen Raum ist ein sprichwörtliches Wetterleuchten am Agrarhimmel . Wir tun klug daran, die Zeichen der Zeit zu deuten . ({1}) Ich habe zu Beginn auf die derzeitige Krise verwiesen . Es ist wichtig für die Landwirte, aber auch für den gesamten ländlichen Raum, Anreize zu schaffen für unternehmerisches Engagement, für Investitionen in die Zukunft und nicht zuletzt für eine neue Definition heimatlicher Verbundenheit . Mein Appell geht deshalb an Sie alle, Verbraucher und Produzenten, Verarbeiter und den Handel: Die Bauernschaft ist kein Berufsstand wie jeder andere . Wir sorgen schließlich für das täglich Brot im Einklang mit dem geliehenen Gut unserer Kinder . Im Wohlstand mag das wenigen von Bedeutung sein . Aber die Geschichte lehrt uns: Ist ruiniert der Bauernstand, ziehen Teuerungen übers Land . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({2})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Kollegin Petra Crone spricht jetzt für die SPD . ({0})

Petra Crone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Erinnern Sie sich noch an den letzten Demografiegipfel vor knapp neun Monaten? Man könnte fast die Frage stellen: Gibt es den demografischen Wandel überhaupt noch? Ich sage: Ja, und wie! In der Politik gilt es, schnell zu reagieren, wenn ein Thema akut wird. Der demografische Wandel eignet sich dafür nicht. Er ist - genauso wie die Globalisierung - ein stetiger Prozess, der die Politik auch stetig fordert . Genau deshalb dürfen wir die Debatte nicht vernachlässigen, auch wenn das Thema in den letzten Monaten durch viele Ereignisse in unserer Wahrnehmung weggerutscht ist . Um die demografische Entwicklung besonders im ländlichen Raum zu gestalten, müssen wir neue Wege gehen, manche Kulisse hinter uns lassen, neue, passgenaue finden und dann auch den Mut haben, diese zu bauen. Darum finde ich es richtig klasse, dass es uns mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gelungen ist, einen spürbaren Schritt nach vorne zu machen . ({0}) Wir haben im GAK-Gesetz eine Gebietskulisse gebaut, die handhabbar ist und den Verwaltungsaufwand für die Bundesländer in Grenzen hält . Auf Wunsch des Bundesrates haben wir das Gesetz verbessert, um den demografischen Wandel in den ländlichen Regionen positiv gestalten zu können . Aber wir können auch noch mehr tun . Zwei Vorschläge: Erstens . Die SPD forderte schon 2015, der GAK eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Integration und demografischer Wandel“ zur Seite zu stellen - ohne störende Zuständigkeitsgrenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen . Deshalb müssen wir das Kooperationsverbot im Grundgesetz noch einmal bereden . ({1}) Gute Bildung für alle braucht Unterstützung und keine Schranken . ({2}) Zweitens. Wir plädieren für einen Demografiestrukturfonds, in den Bund und Länder gemeinsam einzahlen . Damit können wir denjenigen Kommunen und Regionen Mittel zur Verfügung stellen, die besonders vom demografischen Wandel betroffen sind. Insbesondere die strukturschwachen und ländlichen Regionen benötigen die Hilfe des Bundes, unabhängig davon, ob sie im Osten oder im Westen dieser Republik sind . ({3}) Hierfür braucht es aussagekräftige Indikatoren für Demografie als Umverteilungskriterien. Diese beiden Maßnahmen müssten genauso wie die GAK in das gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Regionen ab 2020 eingebunden werden . Das hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schon auf den Weg gebracht . Es soll den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land auch nach Auslaufen des Solidarpakts 2019 stärken . Ich kann diese Forderung nur unterstützen . ({4}) Klar ist natürlich: Die Länder sind frühzeitig in die Planung einzubeziehen, um am Ende ein wirklich wirkungsvolles Förderregime zu haben . Ein letzter Punkt: Die große Leistung im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel findet in unseren Wahlkreisen statt . Vor Ort werden kreative, praxistaugliche Lösungen gesucht und gefunden - mithilfe vieler Männer und Frauen, die sich für das Gemeinwohl auf verschiedene Weise ehrenamtlich engagieren . Ihnen gilt mein und sicherlich auch Ihr ganz besonderer Dank . ({5}) Aber unsere Kommunen benötigen zur Gestaltung des demografischen Wandels ebenso auch hauptberufliche Demografiebeauftragte. Die Regierungsfraktionen haben in den vergangenen Jahren für die Rahmenbedingungen für unsere Kommunen ganz viel getan und Gelder in Milliardenhöhe bereitgestellt . Natürlich muss die kommunale Handlungsfähigkeit auch weiterhin nachhaltig verbessert werden . Die Herausforderungen werden nicht weniger. Ich nenne nur das Stichwort „Pflege“. Mein Wunsch an die Kommunen: Betreiben Sie eine mutige Personalpolitik, die aktiv und nicht reaktiv ist, die Chancen und Potenziale des demografischen Wandels erkennt und in Köpfe, Wissen und Herzen investiert - zum Wohle unserer Kommunen . Ich danke Ihnen . ({6})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Abschließende Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Marlene Mortler für die CDU/ CSU . ({0})

Marlene Mortler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003596, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Präsident . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute viele gute Botschaften mitgebracht . Die Erste lautet: Wir stehen zu unseren Bauern und Bäuerinnen . ({0}) Zweitens . Die GAK bleibt für unsere landwirtschaftlichen Betriebe erhalten . Drittens . Wir werden die GAK für alle Menschen im ländlichen Raum erweitern . ({1}) Wir haben es mehrfach gehört: Es gibt nicht den ländlichen Raum, sondern es gibt Räume mit größeren Herausforderungen, und es gibt Räume wie den bei mir in Bayern, um München, mit ganz anderen Herausforderungen . Ich persönlich freue mich, dass uns mit diesem Gesetz der Einstieg in einen Paradigmenwechsel gelungen ist . Natürlich kann man immer mehr und mehr und mehr Geld fordern, wie dies auf der ganz linken Seite dieses Hauses geschieht . Ich danke zunächst einmal allen Kolleginnen und Kollegen, unseren Haushältern im Bund und hoffentlich auch in den Länderregierungen dafür, dass sie Geld freigemacht haben bzw . freimachen . ({2}) Die Bundesländer haben es nun zusammen mit dem Bund in der Hand, innerhalb des Rahmenplans ihre Maßnahmen und Prioritäten länderspezifisch und individuell zu setzen . Ich bin gespannt auf viele gute Ideen und auf die Kreativität vor Ort . An dieser Stelle erinnere ich mich an das Jahr 2010 . Damals hat das Bundesministerium unserer damaligen Ressortchefin Ilse Aigner zum Erstaunen vieler als erstes Haus in Berlin das Breitbandförderprogramm auf den Weg gebracht . ({3}) 10 Millionen Euro wurden dafür zur Verfügung gestellt . Heute kann man feststellen: Wir waren Vorreiter . Das Ganze hat Schule gemacht . Inzwischen führt das zuständige Ministerium fast jeden Monat Veranstaltungen durch, und es übergibt Breitbandförderbescheide . Diese Bescheide sind nahezu ein Renner, und wir waren der Auslöser - klasse! ({4}) Wir wollen und wir können mit unserem neuen Ansatz nicht mit anderen Förderinstrumenten konkurrieren bzw . uns mit ihnen nicht kreuzen; wir können nicht alles fördern . Wir gehen vielmehr mit unseren Maßnahmen dorthin, wo zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ erst gar nicht hinkommt . Das heißt, wir legen eine gute Grundlage dort, wo es keine anderen Möglichkeiten für Leistungsfähigkeit und für Lebensqualität gibt . Der Minister hat es gesagt: 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wohnen in Dörfern und in Städten . Diese Menschen brauchen heute und in Zukunft Perspektiven . Ich erinnere daran, dass rund 40 Prozent aller Arbeitsplätze in wissens- und innovationsintensiven Unternehmen sind, und zwar in der Fläche; viele Hidden Champions befinden sich darunter. Ich möchte abschließend noch ein paar persönliche Worte loswerden . Erst einmal sage ich ein herzliches Dankeschön an Wilhelm Brase für die gute Zusammenarbeit . ({5}) - „Willi“, wie der Bauer Willi, jawohl . - Ich bin aus Erfahrung zutiefst überzeugt von den Menschen im ländlichen Raum, wenn es um Solidarität, Nachbarschaftshilfe, enge Netzwerke und gesellschaftliches Engagement geht . Ich bin aber auch zutiefst überzeugt vom Herzstück, von der Seele des ländlichen Raumes, nämlich von unseren Bauern und Bäuerinnen . Lieber Kollege Tressel, ich gebe Ihnen recht: Die landwirtschaftlichen Betriebe werden zwar weniger, aber die Bedeutung der Landwirtschaft, wenn es um Wertschöpfung geht, hat zugenommen, und auch die Anzahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft hat zugenommen - Gott sei Dank . ({6}) Erinnern wir uns daran, dass unsere Bauern dafür sorgen, dass unser Tisch jeden Tag so vielfältig, so reichhaltig gedeckt ist . Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir tut es in der Seele weh, wenn in diesen Wochen aus Unwissen, aus Halbwissen oder auch mit voller Absicht unsere Bauern als Feindbild und als Sündenbock herhalten müssen, zuletzt beim Thema Hochwasser, als man der Meinung war, nur die Landwirtschaft - der Maisanbau, die Monokultur - sei daran schuld . Ich sage: Jede Kultur ist für sich eine Monokultur, egal ob man Bioanbau oder konventionellen Anbau betreibt . Der Bäcker will vielleicht Backweizen haben, und er will kein Maismehl dazwischen haben - oder umgekehrt . Gott sei Dank leben wir in einem Land, wo wir die vier Jahreszeiten - Frühling, Sommer, Herbst und Winter noch erleben können, und da ist das Feld unterschiedlich bestellt . Wenn in einer Zeit wie vor wenigen Wochen Sturzfluten vom Himmel herunterkommen, dann fragen diese Sturzfluten nicht: Ist hier Mais angebaut, oder ist hier gerade eine Blumenwiese angesät worden? Sturzfluten nehmen schlicht alles mit . Gehen wir also in uns, jetzt in der Sommerpause, werden wir uns bewusst, wie wichtig Landwirte und Landwirtschaft und ländlicher Raum sind, sodass wir weiter im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land kämpfen, und seien wir dankbar für jeden Bauern um die Ecke! Ich danke Ihnen . ({7})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Damit schließe ich die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än- derung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- zes“ . Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9074, den Gesetzentwurf der Bun- desregierung auf Drucksachen 18/8578 und 18/8958 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte jetzt dieje- nigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist da- mit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion der Linken angenommen . Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzent- wurf ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9074 empfiehlt der Ausschuss für Ernäh- rung und Landwirtschaft, eine Entschließung anzuneh- men . Wer für diese Beschlussempfehlung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD, Bündnis 90/ Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ange- nommen . Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- che 18/9102 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan- trag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt . Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b so- wie den Zusatzpunkt 4 auf: 9 . a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die NATO durch ein kollektives System für Frieden und Sicherheit in Europa un- ter Einschluss Russlands ersetzen Drucksache 18/8656 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Verlegung von Bundeswehr-Einheiten nach Litauen Drucksachen 18/8608, 18/8733 ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Buchholz, Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rückholung der Bundeswehreinheiten aus der Türkei Drucksache 18/9028 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Widerspruch erhebt sich keiner . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke das Wort . ({1})

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! 1955 ist die Bundesrepublik Deutschland der NATO beigetreten . 61 Jahre NATO-Mitgliedschaft - es hat noch nie in diesem Zeitraum im Bundestag eine Debatte gegeben: „Wie kann man die NATO ersetzen? Wie kann man sie abschaffen oder überwinden?“, sondern es ist immer nur diskutiert worden: Wie kann man die NATO stärken? Wie kann man rüsten? Wie kann man aufrüsten? Wie kann man NATO-Treue beweisen? - Damit wollen wir Schluss machen . ({0}) Wir haben mit unserem Antrag die Debatte eingeleitet, die NATO durch ein ziviles kollektives Sicherheitssystem in Europa zu ersetzen . Wir möchten, dass diese Debatte hier im Bundestag weitergeführt wird, dass sie vor allen Dingen in der Öffentlichkeit geführt wird . Das ist der Sinn unseres Antrags . Ich glaube nicht, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden; ({1}) es würde mich schon sehr überraschen . Aber Sie werden Ihren Kurs ändern, wenn immer mehr Menschen in diesem Land sagen: „NATO ist nicht Sicherheit, sondern Unsicherheit“, wenn immer mehr Menschen sagen: „Wir wollen etwas anderes als die NATO“, wenn die Demonstrationen größer werden . ({2}) Mich wundert ein bisschen, dass Sie nicht einmal auf einige Kolleginnen und Kollegen aus Ihren eigenen Reihen, die bei Ihnen zumindest früher bedeutsam waren, hören . Also, ich bin weiß Gott kein Freund mehr von Gerhard Schröder . Aber das, was er zu Russland sagt, ist vernünftig . ({3}) - Ich war es einmal, ja . - Das, was er zu Russland sagt, finde ich sehr vernünftig. Ich bin kein Freund von Vizepräsident Johannes Singhammer Ischinger, obwohl er die Linke an der Sicherheitskonferenz beteiligt hat . Aber er warnt zu Recht . ({4}) - Nein, mit dem war ich nicht befreundet . - Ich lese das, was Gernot Erler zur Sicherheit sagt . Wir diskutieren nicht in allgemeinen Zeiten über unseren Vorschlag, sondern wir diskutieren in Zeiten, in denen eine tatsächliche, akute Kriegsgefahr vorhanden ist . Und dann muss man zu mutigen, neuen Schritten kommen . Ein mutiger, neuer Schritt wäre, die NATO aufzulösen und eben durch ein solches Sicherheitssystem zu ersetzen . Das ist das, was wir Linke wollen . ({5}) Wir wollen Frieden in Europa und außerhalb Europas . Aber wir machen keinen Frieden mit der NATO . Wir waren NATO-Gegner und sind es geblieben . Das unterscheidet uns zum Beispiel von den Grünen . ({6}) Wir wollen in der NATO-Politik eine Kurswende . Wir wollen heraus aus der Sackgasse, wir wollen heraus aus Konfrontation, und wir schlagen dem Bundestag vor: Überlegen Sie doch einmal, welche Alternativen Sie sehen, oder wollen Sie immer weiter in die Sackgasse rennen? ({7}) Ich nenne Ihnen ein paar Gründe . Wir können heute das nachholen, was beim Abschluss des Zwei-plus-VierVertrages versäumt wurde . Der Warschauer Pakt ist aufgelöst . Die NATO muss jetzt folgen . Lange Zeit galt die NATO in Deutschland - West - als ein Garant von Sicherheit . Das war im Kalten Krieg . Dieses Bild des Garanten für Sicherheit hat die NATO spätestens mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien verloren . Das war ein völkerrechtswidriger Krieg, und diesen Krieg verantwortet die NATO . ({8}) 1999 änderte die NATO in Washington ihre Charta und definiert sich nicht mehr nur oder vorwiegend als Verteidigungsbündnis, sondern als Bündnis zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitgliedstaaten . Das ist offen und vielfältig, was Interessen angeht . Nur unter dem Vorwand, dass es ein Verteidigungsbündnis ist, durfte Deutschland überhaupt der NATO beitreten . Denn das Grundgesetz verbietet die Beteiligung an Angriffskriegen, stellt sie sogar unter Strafe . Wenn also aus einem Verteidigungsbündnis ein Angriffsbündnis geworden ist, darf Deutschland nicht mehr in der NATO verbleiben, sondern muss die NATO verlassen . Das ist eine Logik der Dinge . ({9}) Wer heute Ja sagt zur NATO, zu NATO-Einsätzen, sagt Ja zu Kriegen und damit zu Handlungen, die außerhalb des Grundgesetzes stehen . Die Bundeskanzlerin hat davon gesprochen, dass die Freiheit der Bündniswahl entscheidend ist . Wenn es eine Freiheit der Bündniswahl gibt, muss es auch eine Freiheit geben, die Bündnisse zu verlassen . Sonst hat das Erste keinen Sinn . ({10}) Dazu berufen, das zu entscheiden, wäre der Bundestag . Denken Sie einmal darüber nach! Die NATO steht im Verdacht, an illegalen Putschen in Europa beteiligt gewesen zu sein . Auch das hat Menschen in Distanz zur NATO gebracht . Ich erinnere mit dem Stichwort „Gladio“ - der Geheimarmee der NATO an Anschläge in Italien . Ich erinnere an die Aktion Prometheus, an den Obristenputsch in Griechenland . Ich erinnere an solche Einrichtungen wie Stay-behind, also an NATO-Geheimarmeen, deren Existenz oder Nichtexistenz nie offengelegt worden ist . NATO in den einzelnen Ländern bedeutet immer eine latente Putschgefahr . Die NATO verschlingt ungeheuer hohe finanzielle Mittel . 2015 zum Beispiel beliefen sich die kollektiven Ausgaben auf 905 Milliarden Dollar . Zur Beseitigung von Hunger und extremer Armut in der Welt wurden nur 39 Milliarden bis 54 Milliarden Dollar ausgegeben . Jetzt will die NATO mit der Forderung, dass jedes Land mit Ausgaben in Höhe von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Finanzierung der NATO beitragen soll, in die Steuerkassen greifen . Was Deutschland angeht, entspricht dies einer Steigerung von 35 Milliarden auf 60 Milliarden Euro . Das ist unverantwortlich in einer Zeit, in der in der Welt Hunger, Armut, Vertreibung, Not und Elend herrschen . Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns das Geld für die Entwicklungszusammenarbeit, gegen Not und gegen Armut einsetzen . Damit leisten wir mehr für den Frieden in der Welt, als wenn wir die NATO noch weiter aufrüsten . Keinen Frieden mit der NATO, das ist es, was wir rüberbringen wollen . Wir wollen die NATO ersetzen, und es wäre schön, wenn Sie mitmachen würden . Herzlichen Dank . ({11})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Henning Otte . ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir eben aus diesem Hohen Hause von diesem Rednerpult gehört haben, greift die Fundamente unserer Republik an . ({0}) Es greift die Fundamente eines erfolgreichen Verteidigungsbündnisses an, und es greift vor allem die Stabilität und den Frieden in Europa und in Deutschland an . ({1}) Sie sind mit Ihrer Forderung, die NATO durch ein neues kollektives System zu ersetzen, gar nicht auf den Inhalt Ihres Antrags eingegangen, nämlich die deutschen Soldaten aus der Türkei abzuziehen und keine multinationalen Truppen im Baltikum zu stationieren . ({2}) Sie verhohnepipeln damit die Sorgen der baltischen Staaten, Sie spielen dem IS in die Hände . ({3}) Ich kann Ihnen nur sagen: Sie bedienen ein ideologisches Kalkül, das nicht dadurch besser wird, dass Sie lauter werden . Das ist schon sehr verwunderlich nach der Regierungserklärung unserer Bundeskanzlerin mit einer großen Aussprache heute Morgen . Weil Sie kein Gehör finden, weil Sie die Menschen nicht überzeugen, kommen Sie jetzt mit einem neuen Antrag . ({4}) Diesen lehnen wir vehement und aus Überzeugung ab . ({5}) Würden wir Ihrem Antrag folgen, dann würden wir Instabilität erzeugen . Dahinter steckt offensichtlich ein Kalkül, das seinen Ausdruck auch darin findet, dass Sie ein zerrüttetes Verhältnis zu den Strukturen haben . Wir leben in einem wiedervereinigten Deutschland mit friedlichen Nachbarn . Deutschland geht es gut . All das wollen Sie in Zweifel ziehen, als sei es nicht gut für unser Land und unsere Bürgerinnen und Bürger . Auch heute Morgen war dies so, als Ihre Vorsitzende hier gesprochen hat . Im Grunde genommen bedienen Sie damit eine AfD-Klientel . ({6}) Ich finde sowohl Ihre Zwischenrufe als auch das Lachen, das Sie offensichtlich auf Ihren Lippen tragen, der sicherheitspolitischen Lage und der Sorge der Menschen nicht angemessen . Die Bundeskanzlerin hat heute eine Regierungserklärung zum NATO-Gipfel abgegeben . Sie wollen die NATO ersetzen . Die NATO war eine wichtige Säule für die Wiedervereinigung Deutschlands und ein Pfeiler der Dialogbereitschaft . Die NATO-Russland-Grundakte war ein gutes Modell, ein gutes Medium, um miteinander die großen Probleme dieser Welt zu lösen . Leider ist diese NATO-Russland-Grundakte einseitig aufgekündigt worden durch die Annexion der Krim . Sie sagen kein einziges Wort zu einem Verstoß gegen das Völkerrecht . Fragen Sie doch einmal die Menschen in der Ukraine, in Polen oder im Baltikum, wie es ihnen geht . Ich kann nur ganz deutlich sagen: Nachdem man die Ukraine von russischer Seite aufgefordert hatte, das atomare Verteidigungsmedium abzuschaffen, hat man die Krim offensichtlich an sich gezogen . Wir glaubten, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man in Europa mit militärischen Mitteln Grenzen verschiebt . Insofern ist es gut, dass wir hier in Deutschland Verantwortung tragen . Wir werden Ihren Antrag heute ablehnen . ({7})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Herr Kollege Otte, darf ich kurz unterbrechen? - Das ist eine lebhafte Debatte . Selbstverständlich besteht auch der Wunsch, Zwischenfragen zu stellen . Ich hätte aber die Bitte an diejenigen Kollegen, die den dringenden Wunsch verspüren, eine Zwischenfrage zu stellen, sich zunächst einmal mit ihrem jeweiligen Parlamentarischen Geschäftsführer oder Ihrer Geschäftsführerin ins Benehmen zu setzen und zu prüfen, ob sie diesen Wunsch weiterverfolgen wollen . Herr Kollege Otte, Sie haben das Wort .

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hätte ohnehin eine Frage nicht zugelassen, weil ich eben feststellen musste, dass Sie offensichtlich Ihrer Ideologie entsprechend eine Rede gehalten haben, die auf die Anträge, die Sie hier im Deutschen Bundestag gestellt haben, gar nicht mehr eingegangen ist, sondern ausschließlich Ihre Programmatik abgebildet hat . Ich komme zum zweiten Antrag, nämlich keine deutschen Soldaten nach Litauen zu verlegen . Es geht hier darum, dass die NATO eine Initiative ergreifen will, multinationale Kräfte in Litauen, in Estland, in Lettland und in Polen zu stationieren, um die Sorgen der Menschen im Baltikum aufzunehmen . Die Sorgen sind darauf begründet, dass an der Grenze massive Truppenbewegungen auf russischer Seite vollzogen werden . Wir alle haben ja das Kalkül der hybriden Kriegsführung in der Ukraine noch in den Ohren und im Sinn . Es geht ausschließlich darum, ein Bataillon zu stationieren, das rotiert und vom Personalumfang der NATO-Russland-Akte entspricht: zwei Kompanien multinational, eine Host-Nation-, also eine einheimische, Kompanie, eine Einsatzkompanie und eine Ausbildungskompanie . Ich kann nach den Erfahrungen, die wir als friedliche Völkergemeinschaft in der Ukraine machen mussten, nur sagen: Ich halte diese Sorgen für berechtigt, und ich halte es vor allem für verantwortungsvoll und auch notwendig, den baltischen Staaten beizustehen, aus der Überzeugung der Bündnisfähigkeit, auch aus den Erfahrungen Deutschlands, als wir uns Sorgen um unser Land machten, und auch aus Überzeugung für eine friedliebende Zukunft . Hier bin ich bei Ihrem dritten Antrag, den Sie offensichtlich vergessen hatten hier vorzutragen . ({0}) Darin fordern Sie, wir sollen die deutschen Soldaten aus der Türkei abziehen . Wir machen uns Sorgen über die innenpolitische Lage in der Türkei . Wir sprechen mit Oppositionskräften . Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir haben ein übergeordnetes Ziel, nämlich dass wir gemeinsam gegen den unbarmherzigen IS-Terror vorgehen und dass wir gemeinsam militärisch dafür sorgen, dass sich dieses menschenverachtende System dort nicht etabliert . ({1}) Wir haben auch den Anspruch, meine Damen und Herren, dass wir als Parlament unsere Soldatinnen und Soldaten dort besuchen . Das werden wir Ende September, Anfang Oktober wahrnehmen . Wir sind vor allem unserer Ministerin dankbar, dass sie spontan und resolut unsere Soldatinnen und Soldaten besucht hat . ({2}) Wir wollen Stabilität und Sicherheit in Ländern erzeugen, damit sie selbst in die Lage versetzt werden, für Sicherheit zu sorgen, ({3}) damit sich die Menschen nicht als Flüchtlinge aufmachen müssen, damit sich die Menschen nicht in die Hände von Schlepperbanden begeben . Deswegen ist es gut, dass die NATO einen Einsatz fährt, und zwar zwischen Griechenland und der Türkei, um die Schlepperstrukturen auffliegen zu lassen, um sie auch ein wenig zu zerstören, damit Menschen nicht getrieben werden, sich in illegale Schlepperhände zu begeben . Meine Damen und Herren, denken Sie immer auch an die Terrorangriffe in der Türkei . Wir stehen ein für Bündnisfähigkeit, für Verlässlichkeit, für Frieden und Freiheit und auch für Menschlichkeit . Deswegen lehnen wir all Ihre Anträge ab . Danke schön . ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für Bündnis 90/Die Grünen .

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man Herrn Gehrcke und Herrn Otte hier so zuhört: Ja, das ist ja so wie früher; das ist ja déjà vu . ({0}) Es gibt offensichtlich eine Nostalgie zur Linken wie zur Rechten in diesem Haus . Beginnen wir mit der Nostalgie der Linken: raus aus der NATO, rein ins Vergnügen - das ist so etwas von 80er, dass man dagegen eigentlich gar nichts mehr sagen kann . ({1}) Aber eines sollten Sie sich doch klarmachen: Ein Bündnis wie die NATO ist ein Mittel auch gegen nationale Alleingänge . ({2}) Um es vielleicht Wolfgang-Gehrcke-gerecht zu formulieren - der erste NATO-Generalsekretär hat das Bündnis einmal so definiert -: to keep the Russians out, to keep the Americans in, and to keep the Germans down . - Wenigstens das Letzte solltest Du doch verstehen, Wolfgang . ({3}) Es kommt eine andere Geschichte hinzu - hier gleichen sich die Brüder zur Linken und die schwarzen Brüder zur Rechten -, nämlich eine mehr oder weniger klammheimliche Gleichsetzung des heutigen Russlands mit der Sowjetunion. Ich finde, darüber sollte man noch einmal nachdenken . Die alte Sowjetunion hat in ihrem Herrschaftsbereich brutal mit Panzern jeden Versuch der Demokratie niederkartätscht . Aber sie hat nicht die Nachkriegsordnung nach Jalta infrage gestellt . Was hat Russland gemacht? Es verhält sich anders . Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Vorgehen in der Ostukraine die europäische Sicherheitsarchitektur nach 1990 infrage gestellt . ({4}) Russland hat das infrage gestellt, was die Sowjetunion selber vereinbart hat, und hat die eigenen Prinzipien als Garantiemacht des Budapester Abkommens mit Füßen getreten . ({5}) Das ist der Grund, warum wir heute über Rückversicherung reden müssen und auch dementsprechend handeln müssen . ({6}) Dann gibt es auch die Nostalgie auf der anderen Seite . Morgen beginnt ja der NATO-Gipfel in Warschau . Wenn man sich anschaut, was da vorbereitet ist, dann sieht man: Da will man mit den Mitteln des 20 . Jahrhunderts die Herausforderungen des 21 . Jahrhunderts bewältigen . Herr Stoltenberg formuliert das so: „…wir bewegen uns von der Rückversicherung zur Abschreckung .“ Er hätte auch sagen können: Wir bewegen uns zurück in den Kalten Krieg . - Wolfgang Schäuble will, anders als der Außenminister, sogar zurück zum Harmel Report von 1967 . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist so was von 60er; da würde ich Ihnen empfehlen: Schauen Sie sich noch mal Eins, Zwei, Drei von Billy Wilder an . Dann wissen Sie, in welcher Zeit Sie gelandet sind . ({7}) Zurück in den Kalten Krieg - das kann doch nicht ernsthaft die Lösung sein . Die Bundeskanzlerin hat heute Morgen gesagt, dass sie die 25 Milliarden Euro, die sie nicht für die Entwicklungshilfe zur Verfügung stellt, in die Nachrüstung stecken möchte . Gibt es eigentlich einen Nachrüstungsbedarf? Die NATO gibt für Verteidigungsaufgaben 900 Milliarden US-Dollar aus, die Russen 90 Milliarden . Die NATO-Staaten ohne die USA geben dreimal so viel aus wie Russland . Selbst wenn man die Kategorien des Kalten Krieges zugrunde legt, gibt es keinen Nachrüstungsbedarf . Aber es ist noch viel schlimmer: Das, was da jetzt passiert, geht an den aktuellen Herausforderungen vorbei . Panzer, Herr Otte, taugen nicht zur Bewältigung einer Situation der hybriden Kriegsführung . ({8}) Staatszerfall bekämpft man doch nicht mit einer Raketenabwehr . Und Terroristen lassen sich übrigens nicht abschrecken, Selbstmordattentäter schon gar nicht . Das alles wird nicht zu mehr Sicherheit führen, sondern nur zu höheren Geldausgaben . ({9}) Es droht eine Eskalationsspirale . Die NATO verspricht, sie wolle Stabilität . Aber das wird es mit einem Ansatz, der sich auf Abschreckung reduziert, nicht geben . Wir brauchen eine glaubwürdige Politik des Dialogs und der Entspannung . ({10}) Und das hat nichts mit Naivität zu tun . Gerade in schwierigen Zeiten ist Dialogfähigkeit die Grundvoraussetzung für eine kluge Interessenvertretung . ({11}) Insofern glaube ich, es wäre klug, an der NATO-Russland-Akte festzuhalten . Das hieße, bei allen Rückversicherungsmaßnahmen keine substanziellen Truppen in Osteuropa zu stationieren . Das ist bei unseren Bündnispartnern im Osten schwer umstritten . Das hieße zum Beispiel, den Einsatz des überflüssig gewordenen Raketenschilds zu stoppen . Das hieße zum Beispiel, sich klar dafür auszusprechen, keine Waffen in Krisenregionen, auch nicht in die Ukraine, zu schicken . Und es hieße, bereit zu sein, endlich die Zusagen in der Entwicklungszusammenarbeit zu erfüllen statt aufzurüsten . ({12}) Das hieße, tatsächlich einen Schritt zu machen, um die amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen . Es wäre klug, auch die konventionelle Rüstungskontrolle wiederzubeleben . Nur so, auf einer solchen Basis und im Bündnis der NATO, kann man tatsächlich Frieden und Sicherheit in Europa sichern . Alles andere ist Nostalgie . ({13})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist für die SPD der Kollege Niels Annen . ({0})

Niels Annen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, es ist mir schwergefallen, aber ich habe mir Ihren Antrag mal genauer angeschaut . Vielleicht sollte man sich die Zeit nehmen, sich bei den ganzen Schaumschlägereien, die Sie hier veranstalten, einmal anzuschauen, was Sie wirklich aufgeschrieben haben . Sie schreiben - Zitat -: Der entspannungspolitische Aufbruch, der sich 1990 mit dem Ende der Systemkonfrontation … verband, ist vor allem durch das Agieren der NATO-Staaten und der NATO-Administration der globalen Restauration einer militärischen Logik gewichen . ({0}) Das erinnert mich ein bisschen an Facebook-Posts, die man ab und zu auf seiner Seite findet. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, Sie verlieren kein einziges Wort darüber, wer das Völkerrecht und damit, wie Kollege Trittin zu Recht gesagt hat, die Nachkriegsordnung, auf die man sich ja auch vertraglich verständigt hat, infrage gestellt hat . ({2}) Sie wollen uns und der Öffentlichkeit mit Ihrem Antrag weismachen, dass es sozusagen umgekehrt war, dass es quasi die NATO gewesen sei, die für die gegenwärtigen Spannungen in Europa verantwortlich sei . ({3}) Weil das wirklich absurd ist, habe ich noch eine zweite Textstelle herausgesucht . Ich zitiere: Von Afghanistan über Irak bis Libyen und der Ukraine übte die kollektive militärische Logik der Kommandostruktur der NATO auf die Bundesrepublik Deutschland regelmäßig einen Druck in Richtung Krieg und militärische Eskalation aus und nicht etwa dem entgegen . Da fragt man sich - wobei ich, wenn ich mir Sie so anschaue, den Eindruck habe, Sie glauben das wirklich -: Was bitte schön ist eigentlich die NATO-Administration - das klingt ja so ein bisschen, als ob es in Brüssel so eine Art Weißes Haus geben würde -, die diesen Druck ausübt? Meine Damen und Herren, Sie müssen es nicht richtig finden, dass wir Mitglied dieses Bündnisses sind. Es hat inzwischen auch der Letzte in diesem Haus verstanden, dass Sie aus der NATO austreten und die Organisation auflösen wollen. ({4}) Das können Sie jedes Mal wiederholen . Die Botschaft ist angekommen, aber die Mehrheit ist anderer Meinung . ({5}) Trotzdem, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Linken, müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen: Es gibt nicht die NATO . Die Mitgliedstaaten bilden die NATO . Es gibt einen demokratischen Willensbildungsprozess . ({6}) Ich kann an dieser Stelle natürlich darauf hinweisen das tue ich übrigens auch sehr gerne -, dass es genau über die Frage der Bewaffnung und der Zurverfügungstellung von Waffen für die ukrainische Armee einen Disput gegeben hat . Das ist übrigens ein Kennzeichen einer demokratischen Diskussionskultur in einem demokratischen Bündnis . ({7}) Ich darf Ihnen ein Geheimnis verraten: Die Position der Bundesregierung, die von meiner Fraktion immer unterstützt worden ist, nämlich keine Waffen zu liefern, sondern auf einen politischen Prozess zu setzen - den Sie übrigens abgelehnt haben -, zu dem auch die Sanktionen gehören, hat sich innerhalb der NATO durchgesetzt . Das könnten Sie ja mal zur Kenntnis nehmen, haben Sie jedoch nicht getan . ({8}) Man kann diese Debatte führen . Aber es wäre angemessen gewesen, wie ich finde, die Kräfte - unseren Außenminister und die Bundeskanzlerin, die ich ausdrücklich einschließe -, die sich für die diplomatische Lösung starkgemacht haben, zu unterstützen, statt der gesamten Bundesregierung Kriegstreiberei vorzuwerfen . Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion, die SPD-Fraktion, hat am Dienstag ein Positionspapier beschlossen, in dem wir den Grundsatz von Rückversicherung, auch Abschreckung, aber auch Dialog betonen . Das sind die Grundelemente der Politik in der NATO . Es ist richtig, dass es im Bündnis sehr unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen gibt . Die muss man nicht immer teilen . Ich halte vieles von dem, was von meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen aus dem Baltikum, manchmal auch in NATO-Foren, wahrscheinlich auch in wenigen Stunden in Warschau gesagt wird, nicht immer für plausibel . Aber klar ist doch: Auch unsere Sicherheit ist durch die Solidarität dieses Bündnisses mit garantiert worden . Das bedeutet doch: Wir müssen eine Haltung entwickeln, Sorgen und Ängste, die ja begründet sind, ernst zu nehmen, sonst wird das gesamte Bündnis nicht funktionieren . Deswegen bekennen wir uns zur Rückversicherung, aber eben auch zu dem Dialogelement; darüber haben wir heute Morgen anlässlich der Regierungserklärung ja schon diskutiert . Angesichts dessen, was Sie hier vortragen, ist es, wie ich finde, schon der richtige Ort, um darauf hinzuweisen: Sie haben die Dimension dessen, was die russische Politik in den letzten Monaten und Jahren vorangetrieben hat, mit keinem Wort erwähnt, weder in Ihrem Papier noch in Ihren Debattenbeiträgen . Die Mobilisierungsfähigkeit der russischen Armee, etwa die Fähigkeit zur schnellen Verlegung von 30 000 bis 40 000 Soldaten an die Grenze der Ukraine, und Alarmübungen der russischen Armee mit bis zu 100 000 Soldaten ({9}) haben Sie mit keinem Wort erwähnt. Das finde ich hochinteressant für eine linke Partei . Auch das, was wir inzwischen hybride Fähigkeiten nennen, inklusive der Einmischung in einen Fall, den wir alle als den Fall des Mädchens Lisa kennen, wird von Ihnen mit keinem Wort erwähnt . Auch die Unterstützung von rechtspopulistischen, antieuropäischen und antidemokratischen Parteien und Bewegungen findet keine Erwähnung. Deswegen frage ich mich, ob wir hier letztendlich noch auf einer rationalen Ebene diskutieren oder nicht . Ich bin übrigens nach wie vor der festen Überzeugung, dass die NATO, auch wenn nicht alles, was die NATO in den letzten Jahren an Strategien formuliert und an Politik gemacht hat, immer zutreffend war, das einzige Bündnis ist, das nicht nur unsere Sicherheit gewährleistet, sondern es uns auch möglich macht, in einem demokratischen Staatenbund unsere Interessen zu vertreten, ohne dass die alten Ängste und Sorgen vor deutscher Macht oder Übermacht in Europa wieder latent artikuliert werden . ({10}) Deswegen ist die NATO am Ende auch ein Friedensprojekt . ({11}) Aber das, Herr Gehrcke, haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen da drüben noch nie verstanden . ({12})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Ingo Gädechens spricht als Nächster für die CDU/CSU . ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Niels Annen, das ist in der Tat keine rationale Ebene, auf der wir hier diskutieren . Wenn man sich die Mühe macht und sich die Anträge gründlich durchliest - ich vermute, die Kolleginnen und Kollegen von der Linken haben das nicht getan -, stellt man fest, dass es sich wahrlich um keine rationale Ebene handelt . Vielmehr drängt sich mir mehr und mehr der Eindruck auf, dass zum wiederholten Male diese Anträge nur in die linke Fraktion, in das linke Wählerklientel hineinwirken sollen . Sie von der Linken merken ja, dass es hier keine demokratisch legitimierte Mehrheit für Ihre Anträge gibt, und das wird hoffentlich auch in Zukunft so bleiben . ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich sieht sinnvolle Oppositionsarbeit wahrlich anders aus . Aber gut, die Fraktion Die Linke möchte darüber diskutieren, dass Bundeswehreinheiten nicht ins Baltikum verlegt werden . Darüber hinaus möchte diese Fraktion einsam und allein so ganz nebenbei die NATO auflösen. Man könnte über diese Anträge schmunzeln, wenn es nicht so traurig wäre . ({1}) Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik ist seit jeher eingebettet in ein System kollektiver Sicherheit . Wir agieren nie alleine, sondern immer im Einklang mit unseren Partnern . Wir organisieren unsere Sicherheit in einem gewachsenen Vertrauensverhältnis mit unseren Verbündeten in Europa und im transatlantischen Bündnis. Dieses Bündnis, welches Sie auflösen möchten, ist viel mehr als eine reine militärische Partnerschaft . Es ist eine Wertegemeinschaft, ein Pakt freier Staaten, von Demokratien, die an Rechtsstaatlichkeit und die Unverletzlichkeit der Grenzen souveräner Staaten glauben . ({2}) Anhand dieser Beschreibung sollte es Ihnen einleuchten, dass mit einem wie auch immer gearteten Bündnis mit einem Staat, der sich um diese Prinzipien nicht schert, kein System kollektiver Sicherheit aufgebaut werden kann . ({3}) Ich glaube, jeder hier im Plenum - das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner deutlich gemacht - würde sich eine Entspannung des Verhältnisses zwischen Russland und dem Westen wünschen . Eine Partnerschaft mit Russland und ein konstruktives Verhältnis sind wichtiger denn je . ({4}) Der Ball liegt aber im Feld der Russen und nicht auf unserer Seite . ({5}) Wir können und werden unsere Prinzipien nicht über Bord werfen . Ich kann daher die Russland- und Putin-Versteher in der Fraktion Die Linke nicht verstehen . Sie sollten mal ihre sehr selektive Wahrnehmung dessen, was gerade in Osteuropa vonstattengeht, ernsthaft überprüfen . ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, was mich an diesen Anträgen richtig ärgert, ist, wie hier ideologisch verbrämt Fakten und Tatsachen nach Belieben verdreht werden, und zwar so lange, bis es endlich in Ihre linke Weltanschauung passt . Die in Ihren Anträgen formulierten einseitigen Behauptungen sind so abenteuerlich und grotesk, dass dies nicht nur eine Beleidigung für das deutsche Parlament darstellt, sondern auch für die deutschen Soldatinnen und Soldaten, die ihren Dienst für unser Land und damit auch für Sie verrichten, meine sehr verehrten Damen und Herren . ({7}) Man muss schon sehr in seinem eigenen ideologischen Saft schmoren, um auf solch abstruse Ideen zu kommen, dass man der NATO und der Bundeswehr unterstellt, sie seien an allem Grundübel der Welt schuld, würden Völkerrecht brechen und für eine Eskalation in Osteuropa sorgen . ({8}) Genauso abwegig sind Ihre daraus abgeleiteten Forderungen, die nichts anderes bedeuten, als einseitig die NATO zu verlassen . Es ist aus gutem Grund - auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte - deutsche Staatsräson, keine Sonderwege zu beschreiten . Wir agieren nicht allein - ich sage es noch einmal -, sondern stets mit unseren Verbündeten, mit unseren Partnern in einem Bündnis . In einem Bündnis hat man nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten . Die Linke scheint das allerdings nicht zu begreifen . Meine Damen und Herren, wie eingangs gesagt, halte ich diese Debatte zu den Anträgen der Linken für überflüssig und für eine Verschwendung wertvoller Debattenzeit . Es ist nicht an der Union, den ideologisch aufgeladenen Abgeordneten der Linken im Plenum Nachhilfe in Außen- und Sicherheitspolitik zu geben . ({9}) Ich würde es ja tun, wenn ich die Hoffnung hätte, dass gute Argumente bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fielen. ({10}) Bei Ihnen sehe ich sicherheits- und außenpolitisch nur Wüste; da wächst kein vernünftiges Pflänzchen. In diesem Sinne werden wir die Anträge auch ablehnen . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({11})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist Kollege Fritz Felgentreu von der SPD . ({0})

Dr. Fritz Felgentreu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Diskussionen über die Rolle der NATO im Baltikum höre ich oft die Frage - ich glaube, bei der Aussprache zur Regierungserklärung heute Morgen hat sie auch Frau Wagenknecht gestellt -: Glauben Sie denn ernsthaft, dass Russland die NATO angreifen will? Diese Frage beruht auf einem großen Missverständnis; denn seriöse Verteidigungspolitik - im Unterschied auch zur Außenpolitik fragt erst einmal nicht nach Absichten . Absichten können sich ändern . Verteidigungspolitik fragt vielmehr nach Fähigkeiten . Es sind die Fähigkeiten, anhand derer wir potenzielle Bedrohungen abschätzen . ({0}) Wenn wir deshalb fragen „Müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Russland das Baltikum angreifen kann?“, müssen wir die Antwort geben: Ja, so ist es . Die Armee der Russländischen Föderation hat mehrfach in großen Manövern geübt, Truppen mit einer Stärke von bis zu 100 000 Soldaten schnell zum Einsatz zu bringen, und sie hat das auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu Litauen getan . Und Russland hat in der Ukraine gezeigt, dass es bereit ist, militärische Gewalt einzusetzen, um seine politischen Ziele zu erreichen, auch unter Verletzung von Verträgen, die es selber unterzeichnet hat . ({1}) Das sind schlichte Tatsachen, Tatsachen, die dazu führen, dass wir die militärische Bedrohung des Baltikums heute seriöserweise anders beurteilen müssen als vor fünf Jahren . Die NATO hat auf diese veränderte Bedrohung maßvoll, aber entschieden reagiert . Sie hat die sogenannte Speerspitze ({2}) aufgebaut, eine schnell über weite Strecken verlegbare Kampfeinheit von 5 000 Mann . Sie führt Manöver durch, um die Einsatzbereitschaft der Bündnisarmeen zu verbessern, und sie wird auf dem Warschauer Gipfel beschließen, dass NATO-Truppen in der Stärke von 4 Bataillonen, also etwa 4 000 Soldaten rotierend - also keines davon dauerhaft -, im Baltikum Präsenz zeigen werden . ({3}) Diese Maßnahmen verletzen nicht den Grundlagenvertrag, der die Beziehungen der NATO zu Russland definiert. ({4}) In ihrem Gesamtumfang entsprechen sie noch nicht einmal ansatzweise der Truppenstärke und der Kampfkraft der Russländischen Armee in der Region . Aber zugleich lassen sie keine Zweifel mehr daran zu, dass ein Angriff auf das Baltikum auch ein Angriff auf das ganze Bündnis wäre . So erfüllen sie ihren verteidigungspolitischen Zweck, nämlich Rückversicherung der Bündnispartner und Abschreckung einer potenziellen Bedrohung . Ist das jetzt eine Eskalation, wie die Linke in ihrem Antrag schreibt? Jedenfalls ist es aus verteidigungspolitischer Sicht das Minimum dessen, was nötig ist, damit in einer gefährlicher gewordenen Welt die Menschen im Baltikum darauf vertrauen können, dass ihr Bündnis sie auch wirklich schützt . Die Linke fordert nun, dass sich Deutschland an dieser Gemeinschaftsaufgabe nicht beteiligen soll . Ihr Hauptargument in der Begründung ihres Antrags ist die historische Verantwortung Deutschlands für den Überfall auf die Sowjetunion vor 75 Jahren . ({5}) Meine Damen und Herren, ich kann die Forderung, dass wir sensibel mit der historischen Erfahrung der ehemaligen Sowjetunion umgehen, durchaus nachvollziehen . Wer Russland kennt, weiß, wie viel Raum die Erinnerung an den sogenannten Großen Vaterländischen Krieg in den Herzen der Menschen einnimmt . Auch deshalb hat die SPD-Fraktion die Bundesregierung immer darin unterstützt, am NATO-Russland-Grundlagenvertrag festzuhalten . Wir haben eine klare Haltung gegenüber der aggressiven Politik Moskaus einerseits, aber wir wollen diese klare Haltung auch immer mit der Suche nach Dialog, Vertrauensbildung und Abrüstung verbinden . ({6}) Es stimmt doch, liebe Genossinnen und Genossen - Liebe Kolleginnen und Kollegen - jetzt ist die Parteitagsrhetorik mit mir durchgegangen -, es stimmt doch, die Menschen in Russland, Weißrussland und der Ukraine sind von ihren historischen Erfahrungen geprägt . ({7}) Aber das Gleiche gilt doch auch für die Menschen in Polen, Litauen, Lettland und Estland . ({8}) Die Menschen dort haben auch die Vorgeschichte des Überfalls auf die Sowjetunion nicht vergessen . Sie erinnern sich nur zu gut an den Hitler-Stalin-Pakt, mit dem Deutschland ihre Großeltern und Urgroßeltern 1939 dem sowjetischen Imperialismus ausgeliefert hat . ({9}) Nichts beunruhigt die Menschen dort mehr als die Vorstellung, dass sich Deutschland und Russland über ihre Köpfe hinweg die Hände reichen . ({10}) Sensibel mit diesen historischen Erfahrungen umzugehen, bedeutet deshalb auch, die Sorgen der kleineren Länder ernst zu nehmen, über deren Interessen wir uns im letzten Jahrhundert brutal und kaltschnäuzig hinweggesetzt haben . ({11}) Dazu sind wir Deutschen umso mehr verpflichtet, weil wir heute mit ihnen verbündet sind . ({12}) Ich komme zum Schluss . Nicht nur aus verteidigungspolitischer Vernunft, sondern auch aus historischer Verantwortung ist es richtig, dass sich Deutschland an den geplanten Maßnahmen der NATO beteiligt . Zur guten Tradition deutscher Ostpolitik gehörte neben Dialog und Vertrauensbildung auch immer das unverrückbare Bekenntnis zum westlichen Bündnis . Die Bundesrepublik hat deutschen Sonderwegen ein für alle Mal abgeschworen . Dabei soll es auch bleiben . Danke schön . ({13})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Schlussredner in dieser Aussprache ist der Kollege Wilfried Lorenz für die CDU/CSU . ({0})

Wilfried Lorenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004343, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Das, was ich zu den Anträgen zu sagen haben, kann ich - ich muss ehrlich sagen, dass ich da immer noch ein bisschen unter dem Eindruck der Rede der Fraktionsvorsitzenden der Linken stehe ({0}) eigentlich relativ schnell zusammenfassen . Insofern nur so viel zu den Anträgen: An Absurdität sind diese Texte, die in einer langen Reihe unsäglicher Elaborate stehen, kaum noch zu überbieten . Das Gleiche gilt auch für die heutige Rede der Fraktionsvorsitzenden der Linken . ({1}) Was hat die Linke nicht schon alles gefordert? Ablehnung von Einsätzen generell - diese werden jetzt zum Teil sogar gerichtlich angefochten -, dann die Abschaffung der Bundeswehr und jetzt noch die Abschaffung der NATO . Als ob man ein Wertebündnis, in dem sich Staaten für Frieden, Freiheit und Demokratie zusammengeschlossen haben, so einfach wegwischen könnte . ({2}) Die NATO ist eben mehr als nur ein Verteidigungsbündnis! Kann man eigentlich weiter entfernt sein von der Realität als die Autoren dieser drei Anträge, weiter entfernt sein von den immer komplexeren sicherheitspolitischen Bedrohungen, denen sich die internationale Staatengemeinschaft insgesamt und damit auch Deutschland stellen muss? Die Antwort ist für uns ziemlich klar: Natürlich nein . Politik beginnt nun einmal mit der Betrachtung der Wirklichkeit . Davon sind Sie, Kolleginnen und Kollegen der Linken, Lichtjahre entfernt . Wo stehen wir wirklich? Wir haben es in Mittel- und Osteuropa mit einer konkreten Gefährdungslage zu tun, die viele in ihrer Dimension an Zeiten des letzten Jahrhunderts erinnert . Zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation - auch daran darf man einmal erinnern - kam es im europäischen Raum nicht zu militärischen Auseinandersetzungen . ({3}) Glaubwürdige Abschreckung und das Gleichgewicht der Kräfte taten ihre Wirkung . Heute werden Grenzen verletzt und Souveränitätsfragen einfach beiseitegeschoben . ({4}) Russland hat sich völkerrechtswidrig der Krim bemächtigt und eine Maschinerie hybrider Kriegsführung in noch nie dagewesenem Ausmaß in Gang gesetzt . Der Machtanspruch des Kreml, bemäntelt als Schutzanspruch, der sich auf alle russischen Landsleute über das Baltikum hinaus bis hin zu deutschstämmigen Aussiedlern bei uns erstreckt, ist noch wesentlich weniger hinzunehmen; denn dieser Anspruch birgt weiteres Gefahrenpotenzial . Bei meiner Reise nach Litauen vor nicht allzu langer Zeit, im Juni, konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass sich die Menschen vor Ort massiv bedroht fühlen . Sie haben mit Blick auf die Grenze zu Kaliningrad auch allen Grund dazu . Es wird ja oft gesagt, Litauen habe keine Grenze zu Russland . Das mag zwar auf den südlichen Teil zutreffen, aber es hat eine Grenze zu Kaliningrad . Dazu Folgendes: Erstens. Dort befindet sich das größte russische Militärlager, und auf dem Luft- und Seeweg kann Russland in kürzester Zeit einen Personalaufwuchs durchführen, und dies wird auch permanent geübt . Zweitens . Der Kreml hat in Kaliningrad schon vor zwei Jahren mittelstreckenfähige Iskander-Raketen stationiert. Das ist, wie wir finden, ein eindeutig aggressiver Akt, der dem INF-Vertrag zuwiderlaufen dürfte . Drittens . Moskau führt - das ist schon gesagt worden - großflächig angelegte Manöver an der russischen Westgrenze durch und meldet diese nicht, wie vertraglich geregelt, bei der OSZE an . Das heißt, nicht Deutschland und nicht die NATO sind Aggressoren, von denen eine Bedrohung ausgeht. Ich finde, die chronische Wirklichkeitsverquasung bei den Kollegen der Linken ist einfach erschreckend . Die baltischen Staaten, Polen, Rumänien und Bulgarien haben sich wegen der Erfahrungen zu Sowjetzeiten freiwillig der NATO angeschlossen . Jetzt vertrauen diese Länder natürlich auf ihre Partner in der Allianz, so wie sich die Bundesrepublik Deutschland, wir also, seit Jahrzehnten auf die NATO verlassen konnte - mit all den Vorteilen, die wir haben: Frieden, Freiheit, Wohlstand . Auch souveräne Staaten wie Litauen, die dem NATO-Bündnis beigetreten sind, haben natürlich das Recht, den Schutz ihrer Partner zu erbitten . Warum sollte gerade Deutschland als Bündnispartner nicht helfen, wenn wir darum gebeten werden? Dazu sind wir, nebenbei bemerkt, gemäß dem NATO-Vertrag verpflichtet, aber wir sind aufgrund unserer eigenen Geschichte auch moralisch dazu verpflichtet. Die gleiche Bündnistreue lässt Deutschland auch der Türkei zuteilwerden . Der Warschauer Gipfel wird am Wochenende die rotierende Aufstellung multinationaler Bataillone in Estland, Litauen, Lettland und Polen beschließen . Diese verstärkte Präsenz des Bündnisses haben die genannten Staaten seit langem und mit immer deutlicherem Nachdruck eingefordert . Kollegen der Linken, finden Sie sich endlich mit den Realitäten ab ({5}) - Sie urteilen ja schon, bevor Sie zugehört haben; das ist eine neue Logik bei Ihnen -: ({6}) Erstens . Die Bundeswehr ist fest verankert in unserer Gesellschaft . Zweitens . Die Soldatinnen und Soldaten und die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der Bündnisse und nicht zuletzt gegen den IS-Terror finden breite Unterstützung in der deutschen Bevölkerung . ({7}) Drittens . Die Menschen haben erkannt, wie ernst die Lage ist . Nur zur Erinnerung sei einfach einmal gesagt: Seit 26 Jahren ist Deutschland wiedervereint . Die DDR existiert nicht mehr . Es gibt kein kapitalistisches System, das Sie unterwandern müssten, geschweige könnten; denn die große Mehrheit der Deutschen denkt und wählt freiheitlich-demokratisch . Was Sie hingegen fordern, bringt unserem Land nur Unsicherheit, nämlich die Auflösung der Strukturen, die die Sicherheit Deutschlands schon viele Jahre zuverlässig garantiert haben . Ich komme zum Schluss: Solange Aggressoren nur durch glaubwürdige Abschreckung in ihrem Expansionsdrang gestoppt werden können, brauchen wir die NATO in der jetzigen Form .

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Kollege Lorenz, denken Sie an die vereinbarte Redezeit .

Wilfried Lorenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004343, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja . - Herr Gehrcke, jetzt auch an Sie persönlich: Erst wenn wir in einer Welt leben, in der es keine völkerrechtswidrigen Annexionen wie die der Krim mehr gibt und niemand mehr mit Waffen oder Terror Staaten bedroht und Menschen nach dem Leben trachtet, brauchen wir keine Verteidigungsbündnisse mehr . So und nicht anders sind die Zusammenhänge . Mehr gibt es zu Ihren absurden Anträgen eigentlich nicht zu sagen . Ich bedanke mich . ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Damit schließe ich die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8656 mit dem Ti- tel „Die NATO durch ein kollektives System für Frieden und Sicherheit in Europa unter Einschluss Russlands er- setzen“ . Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- gen? - Der Antrag ist damit mit den Stimmen von CDU/ CSU und SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt . Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 b: Be- schlussempfehlung des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kei- ne Verlegung von Bundeswehr-Einheiten nach Litauen“ . Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8733, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8608 abzulehnen . Wer für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Ent- haltungen? - Die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen . Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 4 . Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- che 18/9028 mit dem Titel „Rückholung der Bundesweh- reinheiten aus der Türkei“ . Wer stimmt für diesen An- trag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und mit einer Stimme von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und bei sonstiger Ent- haltung der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen abge- lehnt . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates Drucksache 18/4613 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({0}) Drucksache 18/9095 b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck ({1}), Kordula SchulzAsche, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland Drucksache 18/3256 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({2}) Drucksache 18/9077 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Widerspruch sehe ich keinen . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr . Matthias Bartke für die SPD das Wort . ({3})

Dr. Matthias Bartke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Menschenhandel gilt als eine der schwersten Straftaten weltweit, als schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, moderne Form der Sklaverei und äußerst gewinnbringendes Geschäft der organisierten Kriminalität . So steht es wortwörtlich im Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung von Menschenhandel . Dieser Satz beschreibt, weshalb wir dem Menschenhandel ohne Wenn und Aber einen Riegel vorschieben müssen . In der EU-Richtlinie von 2011 heißt es daher auch: Die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels ist für die Union und die Mitgliedstaaten ein vorrangiges Ziel . Der Handlungsauftrag war damit eigentlich klar definiert - eigentlich. Denn die Richtlinie hätte bereits bis April 2013 umgesetzt werden müssen . Unsere Vorgängerregierung hat das aber nicht hinbekommen . Um es klar zu sagen: Schwarz-Gelb hat an dieser Stelle deutlich versagt . Die damalige Justizministerin LeutheusserSchnarrenberger schlug auf den letzten Metern ihrer Amtszeit kleine Änderungen im Strafrecht vor . Ein paar Worte raus, ein paar dazu . Der Gesetzentwurf war in der Folge völlig unzureichend, um den Menschenhandel einzudämmen und Zwangsprostitution zu bekämpfen . Aus gutem Grund haben damals die rot-grün regierten Länder den Vermittlungsausschuss angerufen . Weil aber alles so kurz vor knapp war, konnte der Vermittlungsausschuss nicht mehr zusammentreten, und das Gesetz war in der Folge gescheitert . Deutschland ist nun also das letzte Land in der Europäischen Union, das die Richtlinie nicht umgesetzt hat . Ich glaube, wir können alle froh sein, dass wir diese blamable Situation nun hinter uns lassen . ({0}) Die Richtlinienumsetzung ist dringend notwendig und überfällig . ({1}) Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dafür vor allem die Erweiterung der Zwecke des Menschenhandels vor . Aufgenommen wurden Betteltätigkeiten und strafbare Handlungen des Opfers sowie auch die Organentnahme bei Opfern . Diese Änderungen reichen aber nicht aus, um den Menschenhandel erfolgreich zu bekämpfen . Das wurde bereits in der Anhörung in der vergangenen Legislaturperiode deutlich . Es war damals der Sachverständige Kriminalkommissar Sporer, der sich in die Rolle eines Unternehmensberaters hineinversetzte . Als solcher, sagte er, würde er einem Straftäter mit viel Geld keinesfalls zu Waffen- oder Drogenhandel raten . Das sei viel zu gefährlich . Stattdessen würde er empfehlen, in den Menschenhandel einzusteigen . Hier gebe es die geringsten Risiken, erwischt zu werden . Grund für diese zynische Einschätzung sind unsere derzeit immer noch stumpfen Gesetze, die nur schwer anwendbar sind . Bisher kann Menschenhandel fast nur dann nachgewiesen werden, wenn das Opfer eine Aussage macht . Daran ändert sich nichts, nur weil der Anwendungsbereich in Bezug auf die Zwecke des Menschenhandels geändert wird . Wir haben uns daher in der Großen Koalition mit einem Änderungsantrag auf eine grundlegende Reform geeinigt, an der wir lange gefeilt haben . Es ist eine Reform, die den Bedenken aus der Praxis Rechnung trägt . Die erdrückende Bedeutung der Opferaussage haben wir abgemildert . Der strafrechtliche Schutz vor sexueller Ausbeutung und vor Arbeitsausbeutung wird in Zukunft auf die Ausbeutung als solche fokussiert werden . Damit steht die Willensbeeinflussung des Opfers endlich nicht mehr im Mittelpunkt des Strafverfahrens . Vizepräsident Johannes Singhammer Daneben war es uns wichtig, die Ausbeutung der Arbeitskraft stärker in den Fokus zu rücken . Wenn wir von Menschenhandel sprechen, dann fallen uns meist Frauen ein: Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden . Es gibt aber auch Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung . Uns sind Fälle aus der Landwirtschaft, der Gastronomie, dem Bau und der Fleischverarbeitung bekannt . Das BKA geht hier von einem richtig großen Dunkelfeld aus . Im Kampf gegen die Zwangsprostitution haben wir uns außerdem auf eine Freierstrafbarkeit geeinigt . Künftig macht sich ein Freier strafbar, wenn er erkennt, dass er die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nimmt . Das ist vielleicht nicht immer offensichtlich . Es gibt jedoch genug Hinweise, die freiwillige Prostitution geradezu ausschließen . Dazu gehören zum Beispiel Verletzungen oder ein stark eingeschüchterter Zustand des Opfers . Meine Damen und Herren, keiner soll mehr die Augen verschließen dürfen, wenn klare Anzeichen von Zwangsprostitution offenkundig sind . ({2}) Im Nachgang zur Anhörung haben wir an unserem Antrag noch Änderungen vorgenommen . Dazu gehört die Klarstellung, dass auch die sogenannten Loverboy-Fälle von den Straftatbeständen Menschenhandel und Zwangsprostitution erfasst werden . Loverboys machen Frauen verliebt und spielen ihnen eine gemeinsame Zukunft vor . Ursprünglich kommt der Begriff daher, dass man Schulmädchen heimlich in die Prostitution schickte . Das funktioniert aber auch bei über 21-Jährigen . Denn auch die wollen sich verlieben und träumen von einer gemeinsamen Zukunft, erst recht, wenn sie aus einem armen Land kommen . Sie sind dann bereit, Dinge zu tun, die sie sonst nicht tun würden . Die Gefühle von Frauen werden hier rücksichtslos für Straftaten ausgenutzt . Umso wichtiger ist es, dass wir nun auch diese Fälle erfasst haben . Meine Damen und Herren, wir haben heute schon das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung und auch das Prostituiertenschutzgesetz beschlossen . Insgesamt bringen wir damit drei Gesetze auf den Weg, die vor allem für Frauen mehr Schutz und mehr Selbstbestimmung ermöglichen . Diese drei Gesetze zeigen eines deutlich: Die Große Koalition ist handlungsfähig, und sie löst die Probleme unseres Landes . Ich danke Ihnen . ({3})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Ulla Jelpke . ({0})

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich sind wir uns einig, was den Kampf gegen den Menschenhandel angeht: Es sind schwere Verbrechen von Ausbeutung bis zur Zwangsprostitution . Das muss bekämpft werden . Aber das reicht nicht aus . Wer Menschenhandel wirklich bekämpfen will, muss unbedingt den Opfern mehr Schutz geben . Sie haben leider versäumt, in Ihrem Gesetzentwurf diesen Schutz festzuschreiben . ({0}) Es gibt ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen von Menschenhandel, und zwar vor allem in Deutschland . Das muss man sich einmal vorstellen: Menschen werden illegal nach Deutschland gelockt und zum Beispiel in der Gastronomie, auf dem Bau, in der Pflege oder auch als Reinigungskräfte oft massiv ausgebeutet . Junge Frauen, aber auch Männer werden der Zwangsprostitution zugeführt . Wir sprechen hier von modernen Formen von Sklaverei; anders kann man das wirklich nicht nennen . Wir haben eben schon gehört, dass die Dunkelziffer in der Tat sehr hoch ist . Das BKA geht gegenwärtig davon aus, dass wir allein in Deutschland etwa 14 000 Betroffene haben . Aber die Aufklärung dieser Verbrechen ist äußerst schwierig . Das BKA selbst sagt, dass es gerade einmal in 400 Fällen ermittelt . Das heißt noch lange nicht, dass es zu einer Verurteilung kommt . Auch hier ist die Dunkelziffer wieder sehr hoch . Wir denken: Wenn man wirklich will, dass die Opfer bereit sind, Aussagen vor Gericht oder bei der Polizei zu machen, dann brauchen sie auch einen entsprechenden Schutz . Das bedeutet, sie müssen zum Beispiel ein Bleiberecht haben, damit sie das Gefühl haben, dass sie bleiben können, und damit sie keine Angst haben müssen, abgeschoben zu werden . ({1}) Denn viele Opfer, die hier sind, sind häufig von ihren Peinigern zu Straftaten verleitet worden oder haben diese begehen müssen, und viele Opfer haben einfach Angst, auszusagen, auch weil ihre Peiniger ihnen drohen, dass entweder ihnen oder ihren Familien in ihren Herkunftsländern Gewalt angetan wird . Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Vorschrift, damit diesen Opfern geholfen wird . Es ist wirklich beschämend, meine Damen und Herren - das sage ich besonders in Richtung der SPD -, dass Sie das nicht fertiggebracht haben . Immerhin haben die Grünen einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt, den wir auch unterstützen werden . ({2}) Man hätte endlich einmal die Chance ergreifen müssen, den Opferschutz festzuschreiben . ({3}) Damit komme ich noch einmal zu dem Kollegen Bartke . Sie haben sich ja so schön auf die EU-Richtlinie und die Europaratskonvention bezogen . Ja, in der Tat haben Sie hier gerade nicht das umgesetzt, was diese Richtlinie bzw . Konvention vorschreibt . Die Richtlinie schreibt verbindlich vor, dass es einen Schutzstandard unabhängig davon geben muss, ob ein Opfer bereit ist, vor Gericht auszusagen . Wo steht das in Ihrem Gesetzentwurf? Es ist einfach nicht zu finden. Wenn wir erreichen wollen, dass Betroffene Aussagen machen, dann brauchen wir Schutzmaßnahmen . Man muss bei ihnen das Vertrauen wecken, dass sie hier keine Verschlechterung ihrer Situation, Abschiebung oder Ähnliches zu erwarten haben . Die Entschädigungsleistungen fehlen meines Erachtens auch . Auch das schreibt die EU-Richtlinie fest und sagt ganz deutlich, dass wir Maßnahmen in Sachen Entschädigung brauchen . Ein weiterer Punkt, der ebenfalls fehlt, ist eine unabhängige Berichterstatterstelle . Nicht einmal diese ist eingerichtet worden; nicht einmal das steht im Gesetz . Ich finde, es ist ein Armutszeugnis vor dem Hintergrund, wie Sie dieses Gesetz hochloben; denn es kann keine Frage sein, dass für Organhandel - diesen haben Sie jetzt einbezogen -, Zwangsbettelei und ähnliche Dinge Strafverfolgungsmaßnahmen notwendig sind . Aber wenn man die Strafen immer höher ansetzt und nichts für die Opfer tut, dann wird man meiner Meinung nach auch mit diesem Gesetz den Menschenhandel nicht wirklich bekämpfen können . Deshalb wird die Linke auf jeden Fall diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können . Zum Schluss möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen: Erst wenn die Betroffenen wirklich vor ihren Peinigern sicher sind und den notwendigen Schutz bekommen, wird man auch den Menschenhandel besser bekämpfen können . Denn ich bin mir ganz sicher: Mit höheren Strafen werden wir das niemals erreichen, sondern nur dann, wenn wir wirklich Rücksicht auf die Opfer nehmen, und das leistet das Gesetz leider nicht . Danke schön . ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Kollegin Dr . Silke Launert spricht jetzt für die CDU/CSU . ({0})

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich ein junges rumänisches Mädchen vor, irgendwo zwischen Bukarest und absoluter Perspektivlosigkeit . Sie ist kaum 20 Jahre alt, ohne Geld, ohne Job und möglicherweise sogar ohne abgeschlossene Berufsausbildung . Eines Tages trifft sie auf einen jungen Mann . Er erzählt ihr von einem besseren Leben in Deutschland . Er hat ein Smartphone bei sich und zeigt ihr Bilder und Videos . Die junge Frau sieht schöne, saubere Straßen, hübsche Reihenhäuschen, volle Supermärkte, viele schöne Geschäfte mit Kleidern und Schmuck . Vielleicht hat er ihr sogar ein Geschenk mitgebracht . Er sagt, das Glück sei zum Greifen nah; sie müsse doch nur ein bisschen mutig sein und ihm vertrauen; er könne ihr Arbeit in einem Restaurant besorgen, und gemeinsam könne man ein neues Leben aufbauen . Es dauert nicht lange, und das Mädchen wird mutig . Sie verlässt ihre Heimat und folgt dem jungen Mann nach Deutschland . Zum bösen Erwachen kommt es dann, wenn sie sich in irgendeinem Bordell oder vielleicht hier in Berlin auf der Kurfürstenstraße wiederfindet. Ja, auch dort wird sie bedienen müssen, aber nicht Gäste im Restaurant, sondern 25 bis 40 Freier täglich . Ruhepausen oder Sonntage gibt es für sie nicht, auch dann nicht, wenn sie schwanger oder einfach nur krank ist . Diesen soeben beschriebenen Fall können Sie nun in verschiedenen Variationen abwandeln . Nehmen wir statt des Mädchens einen jungen Mann, der jung, kräftig, ausdauernd und hoffnungsvoll nach Deutschland kommt, um eine Arbeit auf dem Bau oder vielleicht in einer Fleischwarenfabrik zu finden, und dann merkt, dass er faktisch in einer Knechtschaft landet, und das nicht zum Mindestlohn, sondern für einen Hungerlohn . Es gibt auch Variationen mit Kindern, die - aus welchen Gründen auch immer - auf der Straße leben und schließlich in die Hände skrupelloser Menschenhändler geraten . Ihr Schicksal wird es vielleicht sein, zu betteln, möglicherweise am Brandenburger Tor Passanten anzusprechen und um etwas Geld zu bitten, natürlich nur für karitative Zwecke . Oder sie müssen stehlen . Wenn sie am Ende des Tages nicht mindestens 300 Euro zusammengestohlen haben, dann gibt es Prügel . So oder so ähnlich läuft es täglich ab, hier in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt . Ja, der Menschenhandel und die damit einhergehende systematische Ausbeutung haben sich inzwischen zu einem lukrativen, milliardenschweren Geschäft entwickelt . Das Geschäft hat Wachstumspotenzial . Die Ware Mensch wächst ja immer wieder nach . Mit dem Gesetz, dessen Entwurf wir heute verabschieden werden, versuchen wir, diesem skrupellosesten aller Geschäfte ein Ende zu setzen, einen Riegel vorzuschieben und klarzustellen: Menschen sind keine Ware . Es verbietet sich, sie zu kaufen, sie zu verkaufen oder sie in irgendeiner anderen Form auszubeuten . Jeder, der dies anders sieht und sich an diesem Geschäft beteiligt, wird mit aller Macht verfolgt und auf das Schärfste bestraft . Das vorliegende Gesetz erfasst mit seinen Vorschriften all die Fälle, die ich aufgezählt habe, inklusive des extremen Falls des Organhandels . Bestraft und erfasst von den Vorschriften wird nicht nur der Haupttäter, sondern jeder, der sich an dieser Kette beteiligt . Besonders wichtig ist mir gerade heute, wo wir das Prostituiertenschutzgesetz verabschiedet haben, den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und die Zwangsprostitution zu stoppen, und zwar nicht nur, weil diese Form das Gros des Menschenhandels darstellt, sondern auch, weil erzwungene Prostitution das Schlimmste ist, was einem Menschen widerfahren kann . Demütigungen durch sexuelle Gewalt sind ebenso verheerend wie Folter . Man muss sich einmal vorstellen, dass das Geschäft mit der Prostitution weltweit jährlich Gewinne in Höhe von rund 91 Milliarden Euro bringt . Die Basis für dieses riesige Geschäft seien - so will uns die Lobby der Sexindustrie glauben machen - rein wirtschaftliche BeziehunUlla Jelpke gen zwischen verantwortungsvollen Erwachsenen . Da gibt es die selbstständig tätige Sexarbeiterin, die mit der Prostitution einem liberalen, freien und modernen Beruf nachgeht . Daneben gibt es den Zuhälter, der natürlich kein Ausbeuter ist, sondern allenfalls Räume vermietet . Schließlich gibt es den Freier, der keine Zwangslage ausnutzt, sondern ganz gewöhnliche Dienstleistungen in Anspruch nimmt . Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus . Oder glauben Sie ernsthaft, dass die 91 Milliarden Euro jährlich wirklich in den Taschen der Sexarbeiterinnen landen? Selbstverständlich nicht . Tatsächlich steckt hinter der Sexindustrie sehr häufig der Menschenhandel, die Einschüchterung durch brutale Gewalt, Demütigung und Entwürdigung . Deshalb müssen wir in diesem Bereich genau hinsehen, und wir müssen alle in die Pflicht nehmen . Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit der Vorschrift über die Strafbarkeit von Freiern, die eine Zwangsprostituierte für ihre sexuelle Befriedigung ausnutzen, einen enormen Vorstoß im Kampf gegen diese Straftaten zu machen . ({0}) Wir setzen den Hebel nämlich genau da an, wo er eigentlich am wirkungsvollsten sein könnte: bei der Nachfrage . Das ist auch richtig so; denn es muss selbstverständlich sein, dass derjenige bestraft wird, der die Lage geknechteter Frauen ganz bewusst für seine sexuellen Zwecke missbraucht . Wenn es uns dadurch gelingt, die Nachfrage deutlich zu senken, dann entziehen wir den Drahtziehern dieses Geschäfts den Boden . Im Übrigen wäre alles andere vor dem Hintergrund der heute beschlossenen Reform mit dem Grundsatz „Nein heißt nein“ eine Farce . Niemand darf zu sexuellen Handlungen gezwungen werden, auch nicht Prostituierte . ({1}) Neben dem neu eingeführten Aspekt der Freierstrafbarkeit haben wir - Sie haben es schon angesprochen die Loverboy-Fälle mehr geregelt . Es geht da um die Fälle, in denen einem Mädchen oder einer Frau die große Liebe vorgespielt wird, um sie letztlich in der Prostitution auszunutzen . Es ist völlig richtig, dass wir da nicht mehr nach dem Alter des Mädchens oder der Frau oder danach, ob es sich um eine deutsche oder eine ausländische Frau handelt, unterscheiden . Wir machen hier keine Unterschiede; alle Fälle müssen erfasst sein . Ein wichtiges Anliegen der Union war es auch - ich halte das für eines der wichtigsten Anliegen -, die Ermittlungsbehörden mit den richtigen Instrumenten auszustatten; ({2}) denn ohne Ergebnisse im Ermittlungsverfahren kann es keine Verurteilung geben, damit keine Abschreckung und dann natürlich keinen Schutz für die Opfer . Aber wir haben auf jeden Fall einen Erfolg erzielt . Das ist die Tatsache, dass künftig die akustische Wohnraumüberwachung bei dem Verdacht auf einen besonders schweren Fall von Menschenhandel möglich ist, zum Beispiel wenn er durch eine Bande oder gewerbsmäßig betrieben wird . Aber ich sehe auch - Sie sagen es zu Recht -: Wir brauchen da mehr Maßnahmen . Ich bedauere sehr, dass es uns nicht gelungen ist, mit der SPD noch mehr hinzubekommen, insbesondere beim Verdacht auf Zuhälterei oder Ausbeutung der Prostitution die Telekommunikationsüberwachung zu ermöglichen . Vielleicht gelingt uns das noch; denn die Praxis ist häufig so, dass man nur über die Zuhälter an die Menschenhändler, die dahinter stehen, herankommt . Erst wenn ich die Chance habe, da Informationen zu erhalten, kann ich den Menschenhändlerring auffliegen lassen. Wir hatten viele Gespräche mit dem Praktiker Herrn Sporer . Er wurde heute schon genannt . Er hat das immer gefordert . Es ist wirklich schade, dass wir das nicht geschafft haben . Ebenso bedauerlich ist, dass es mit der SPD noch nicht möglich war, die Straftatbestände „Ausbeutung von Prostituierten“ und „Zuhälterei“ zu reformieren . Das wäre erforderlich gewesen, um einen Gleichlauf zu schaffen . Aber uns ist versprochen worden, dass das noch in dieser Legislaturperiode kommt . Ich hoffe, dass das keine leeren Versprechungen waren . ({3}) Stattdessen wurde ein besonderes Augenmerk auf den Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft gelegt . Völlig zu Recht besteht auch hier ein strafrechtlicher Handlungsbedarf; denn auch das geht nicht, keine Frage . Aber ich hätte mir doch gewünscht, dass man einen Unterschied zum Beispiel beim Strafrahmen macht; denn Zwangsprostitution ist auch Arbeitsausbeutung, aber sie bedeutet zusätzlich noch eine massive Verletzung des höchstpersönlichen Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung . Man ist doppelt gestraft . Ich glaube, da hätten wir Unterscheidungen treffen können . Wo wir uns einig waren - das ist versöhnlich zum Schluss -, ist, dass wir vorhaben - das unterstelle ich auch allen anderen, natürlich auch der Opposition -, alle Register zu ziehen . Wir wollen die Handlanger und die Hintermänner zu fassen bekommen . Wir wollen mehr Verurteilungen im Bereich des Menschenhandels erreichen . Wir wollen alles dafür tun, dass das Geschäft mit der Ware Mensch - egal zu welchen Zwecken: Prostitution, Arbeit, Organhandel oder Sonstiges - so unattraktiv wie möglich wird . Wenn uns das mit diesem Gesetz nicht gelingt, dann müssen wir nachbessern . Vielen Dank . ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter EU-Staat versuchen wir heute, die Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates von April 2011 zur Bekämpfung des Menschenhandels umzusetzen . Ich würde an dieser Stelle gern sagen: Was lange währt, wird endlich gut . Aber das kann ich leider nicht . Die wenigen Verbesserungen in Ihrem Gesetzentwurf können die Mängel an anderen Stellen, vor allem die fehlenden weiteren Maßnahmen zum Opferschutz, nicht aufwiegen . Viele der grundlegenden Kritikpunkte haben sich seit der ersten Lesung in der Expertenanhörung bestätigt . Leider haben Sie so gut wie nichts davon korrigiert . Bei Ihrer Legaldefinition von Arbeitsausbeutung reicht es nach wie vor nicht aus, dass die Beschäftigten zu unwürdigen Bedingungen arbeiten . Ausbeuterische Beschäftigung soll nur vorliegen, wenn das Gewinnstreben auch noch rücksichtslos ist . Den Mehrwert dieses Tatbestandsmerkmals konnten sich auch die Experten in der öffentlichen Anhörung nicht erklären . Im Gegenteil: Die Beibehaltung des Erfordernisses von rücksichtslosem Gewinnstreben wird die Verfolgung von Menschenhandel in der Praxis erheblich erschweren . Auch die Frage, warum Sie jetzt im Gesetz durchgehend von „veranlassen“ reden statt wie bisher von „dazu bringen“, wurde nie wirklich beantwortet . Sie behaupteten, damit ein objektives Element einzuführen, das die Beweisbarkeit erleichtert . Die Expertenanhörung hat eindeutig ergeben, dass dies eine Illusion bleibt . Die Änderung der Begrifflichkeit bringt keinen Vorteil und ist eine Luftnummer . ({0}) Bei § 232a StGB - Schaffung des Straftatbestandes „Zwangsprostitution“ - haben Sie heute wirklich eine große Chance verpasst . Heute Vormittag haben wir im Deutschen Bundestag mit der Reform des § 177 StGB erstmals das sexuelle Selbstbestimmungsrecht als Rechtsgut umfassend geschützt . Jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen einer Person ist künftig strafbar . Da kann es doch keinen Unterschied machen, ob diese Person eine Prostituierte ist oder nicht . Sie hätten die Ahndung von Zwangsprostitution im Zusammenhang mit dem Dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung - regeln können und müssen; denn dabei geht es im Kern um den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und nicht, wie hier jetzt, um die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit . ({1}) Gleiches gilt für die Einführung der Freierstrafbarkeit . In der Anhörung haben die Sachverständigen klar zum Ausdruck gebracht, dass es eines Sondertatbestandes der Freierbestrafung nicht bedürfe, wenn wir einen allgemeinen Grundtatbestand im Sexualstrafrecht schaffen würden, der sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen des Opfers sanktioniere . Stattdessen kreieren Sie einen langen und verworrenen Tatbestand, dessen diverse Voraussetzungen kaum je nachweisbar vorliegen werden . Sie wollen ein Zeichen setzen; aber dieses Zeichen funktioniert in der Sache nicht . Man nennt das auch Symbolpolitik . Es bleibt in Ihrem Entwurf auch bei dem schwer zu ertragenden Widerspruch, dass die Strafbarkeit des Freiers bei einer Anzeige von Gesetzes wegen entfällt, während bei einer Anzeige durch das Opfer die Strafbarkeit desselben nur entfallen kann, also im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegt . Hier wäre doch wohl mindestens Gleichbehandlung erforderlich gewesen . ({2}) Leider ist auch der neue § 233 StGB missglückt, mit dem die Arbeitsausbeutung unter Strafe gestellt werden soll . Bisher bleibt der Arbeitsausbeuter nämlich straffrei, wenn er nicht gleichzeitig auch derjenige ist, der die andere Person dazu bringt, das Arbeitsverhältnis einzugehen . Hier könnte ich mir tatsächlich auch eine weiter gehende Strafbarkeit vorstellen . Sie haben jedoch dazu einen Tatbestand geschaffen, der für die Praxis nicht handhabbar sein wird; denn die Strafbarkeit jeglicher Arbeitsausbeutung ist daran geknüpft, dass der Ausbeuter eine persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage oder die auslandsspezifische Hilflosigkeit des Opfers kennt und - das kommt noch dazu - gesondert ausnutzt . Das wird aber gerade dann, wenn der Ausbeuter nicht gleichzeitig der Veranlasser ist, kaum je relevant werden . Nicht nur als ungeeignet, sondern schlicht als überflüssig, haben die Experten den neuen § 233a des Strafgesetzbuches mit dem schönen Titel „Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung“ bewertet . Diese Norm enthält keinerlei Mehrwert gegenüber der bereits existierenden Regelung zur Freiheitsberaubung, § 239 StGB . Um symbolhafte Überschriften zu produzieren, ist das Strafgesetzbuch nun wahrlich nicht geeignet . Unnötige Strafnormen machen das Leben nicht besser und gehören gestrichen . Auch die Gelegenheit dazu haben Sie verpasst . Das größte Manko ist allerdings, dass Sie sich mal wieder auf das Strafrecht beschränken . Die viel relevanteren Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels gehen Sie gar nicht an . Daher hat meine Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der heute ebenfalls zur Abstimmung steht . Zeigen die Opfer die Menschenhändler an, müssen sie fürchten, ausgewiesen zu werden . Eine Rückkehr in ihre Heimat und ihr altes Leben ist vielen aber unmöglich . Was wir daher brauchen, ist ein Anspruch auf aufenthaltsrechtlichen Schutz für Opfer von Menschenhandel . ({3}) Daneben soll ein Fonds für Härteleistungen eingerichtet werden; denn in vielen Fällen ist unser Opferentschädigungsgesetz da unzureichend . Außerdem schlagen wir die Einrichtung einer Berichterstatterstelle vor, so wie das in anderen europäischen Ländern längst geschehen ist . Ich würde mir wünschen, dass Deutschland durch ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Vorreiter in Sachen „Kampf gegen Menschenhandel“ wird . Ihr heute vorliegender Entwurf bläht das Strafrecht dagegen unnötig auf und ist nicht geeignet, das eigentliche Problem zu lösen . Da bleibt uns am Ende leider nur die Ablehnung . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist Dr . Johannes Fechner für die SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Johannes Fechner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Menschenhandel und Ausbeutung, das gibt es nicht nur in der sogenannten Dritten Welt; leider gibt es auch in Deutschland zu viele Menschen, die ausgebeutet werden, im schlimmsten Fall sogar zur Prostitution gezwungen werden, und das ist nicht hinnehmbar . Deshalb ist das Gesetz, das wir heute beschließen, ein wichtiges Gesetz . Wir müssen die Opfer von Zwangsprostitution und Zwangsarbeit besser schützen, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({0}) In der Vergangenheit ist die Bestrafung der Täter allzu oft daran gescheitert, dass das Opfer aus Angst vor Repressalien oder der Rache des Täters nicht bereit war, gegen den Täter auszusagen . Der Tatbestand des Menschenhandels ist im heute noch geltenden Recht so formuliert, dass der Menschenhändler entscheidenden Einfluss auf den Willen des Opfers genommen haben muss, sich zur Prostitutionsaufnahme zu entschließen . Diesen Einfluss auf den Willen des Opfers ohne die Aussage des Opfers nachzuweisen, das war in vielen Strafprozessen das Kernproblem, und das machte eine Verurteilung oft unmöglich . Durch eine geänderte Formulierung des Tatbestandes wollen wir nun ermöglichen, dass sich der Tatrichter zukünftig auch auf andere Beweismittel stützen kann . Wenn durch Zeugenaussagen nachgewiesen ist, dass der objektive Tatbestand erfüllt ist, dass etwa die Tathandlung begangen wurde - das Anwerben einer Jugendlichen, die durch Prostitution ausgebeutet werden soll -, dann kann eine Verurteilung erfolgen, ohne dass der heute nötige Nachweis erbracht werden muss, dass gerade der Täter den Willensentschluss des Opfers hervorgerufen hat . Das ist eine wichtige Verbesserung gegenüber dem heutigen Recht . ({1}) Der SPD war auch wichtig, dass die brutalen Straftaten des Menschenhandels und der Zwangsprostitution angemessen bestraft werden können . Auf unseren Vorschlag hin erhöhen wir deshalb das Strafmaß im Grundtatbestand von drei Monaten auf sechs Monate . Uns war weiter wichtig - Kollege Bartke hat schon darauf hingewiesen -, dass auch die sogenannten Loverboy-Fälle zweifelsfrei erfasst werden . Deswegen haben wir in der recht ausführlichen Begründung ergänzt, dass diese Masche der Zuhälter, bei der die Zuhälter den Frauen die große Liebe vorspielen, sie aus ihrem sozialen Umfeld, aus ihren familiären Bindungen lösen und dadurch eine Art psychischer Abhängigkeit schaffen, zukünftig als List im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist . Damit regeln wir genau diese perfide Masche als strafbar, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({2}) Auch bei uns in Deutschland gibt es Menschen, die in sklavenähnlichen Zuständen arbeiten . Da können wir nicht zuschauen . Es ist uns wichtig, dass wir Straftatbestände schaffen, wonach sich Täter strafbar machen, die in solchen Fällen die Arbeitskraft anderer Menschen ausbeuten . Wer insbesondere Jugendliche anwirbt oder nach Deutschland befördert und sie hier dadurch ausbeutet, dass sie Straftaten begehen müssen oder zum Betteln geschickt werden, anstatt in die Schule zu gehen - das sind nicht hinnehmbare Zustände -, den wollen wir ebenfalls als Täter bestrafen . Eine wichtige Regelung ist auch, dass sich zukünftig Freier strafbar machen, wenn sie die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen . Dabei war uns als SPD besonders wichtig, dass wir die Kriterien, wann von der Erkennbarkeit der Zwangsprostitution auszugehen ist, in der Begründung klar formulieren . Denn wir wollen nicht, dass sich Freier einfach herausreden können mit der Begründung, sie hätten die Zwangsprostitution nicht erkennen können . ({3}) Wenn eine Frau eingeschüchtert ist, wenn sie weint, sie kaum deutsch spricht, wenn der Zuhälter die Verhandlungen über Geld und Dienste führt oder wenn die Frau gar Verletzungen aufweist, dann ist für den Freier erkennbar, dass sich die Frau nicht freiwillig prostituiert, sondern dass sie gezwungen wird . Weil wir Zwangsprostitution verhindern wollen, da sie ein massiver und für die Opfer oft lebenslang traumatisierender Eingriff ist, müssen wir diese Regelungen hier heute so beschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({4}) Ich habe schon heute Morgen bei der Diskussion zum Sexualstrafrecht gesagt, wir sollten uns bei einer Prüfung, ob auch die Strafprozessordnung zu ändern ist, auch fragen, ob es nicht gerade in derartigen Fällen Sinn macht, dass schon die erste polizeiliche Vernehmung des Opfers auf Video aufzuzeichnen ist . Denn dann könnten wir dieses Video im Prozess einführen, wenn die Zwangsprostituierte aus Angst vor dem Zuhälter eben nicht mehr bereit ist, Aussagen zu machen . Ich glaube, das wäre eine wichtige Ergänzung der Strafprozessordnung, die wir uns vornehmen sollten . Zu der Kritik, wir würden hier nichts für die Opfer tun im Hinblick auf die Aufenthaltserlaubnis, gestatte ich mir den Hinweis auf § 25 Absatz 4a des Aufenthaltsgesetzes . Das haben wir vor etwa einem Jahr neu geregelt, um genau Ihrem Anliegen nachzukommen . Wenn eine Zwangsprostituierte im Strafprozess aussagt, dann kann sie in Deutschland bleiben . ({5}) Sie bekommt ein Aufenthaltsrecht, und zwar nicht nur während des Prozesses, sondern es gibt auch die Möglichkeit, darüber hinaus ein Aufenthaltsrecht zu bekommen . ({6}) Also, Ihr berechtigtes Anliegen, Frau Kollegin Jelpke, haben wir schon vor einem Jahr berücksichtigt . ({7}) Angesichts dessen, dass in Deutschland nach Schätzungen Zehntausende Zwangsprostituierte oder Menschen in sklavenähnlichen Zuständen ausgebeutet werden, können wir nicht weiter zuschauen, dann müssen wir solch ein Gesetz machen, dass es für Verurteilungen eben nicht nur auf die Opferaussage ankommt . Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu . Wir sind es den Opfern schuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist die Kollegin Kathrin Rösel, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Kathrin Rösel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004636, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn im Alltag über Menschenhandel geredet wird, beschreibt das oft sehr unterschiedliche Dinge . Mal ist es Prostitution, mal ist es Leiharbeit, mal ist es Menschenschmuggel, und manchmal - ja, manchmal wird sogar der Verkauf von Fußballspielern als moderner Menschenhandel bezeichnet . Dieses Alltagsverständnis entspricht jedoch nicht dem strafrechtlichen Begriff, über den wir hier heute diskutieren . Wir reden über nicht weniger als über eines der zentralen Grundrechte, nämlich über Menschenwürde . Menschenhandel in all seinen Ausprägungen - ob er zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, zur Arbeitsausbeutung oder in anderen Formen stattfindet - stellt eine schwere Verletzung der Menschenwürde dar . ({0}) Schätzungen gehen davon aus, dass im letzten Jahr weltweit rund 2,7 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel geworden sind . Die Menschenhändler verdienen an diesem Geschäft mehr als 30 Milliarden Euro jährlich . Das Geschäft mit der Handelsware Mensch gilt vom Gewinn her als drittwichtigste kriminelle Einkommensquelle nach dem Drogen- und Waffenhandel . Fakt ist: Menschenhandel ist vor dem Hintergrund von 400 Jahren Sklavenhandel kein neues Phänomen, aber ein Problem, das mittlerweile Ausmaße annimmt, die uns vergessen lassen, dass wir im 21 . Jahrhundert leben . ({1}) Die Umsetzung der EU-Richtlinie, die zum Ziel hat, Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen und die Opfer von Menschenhandel zu schützen, zielt nicht nur darauf ab, ebendieses Grundrecht auf Menschenwürde durchzusetzen, sondern auch darauf, die Täter noch härter zu bestrafen; eigentlich eine Sache, die uns selbstverständlich erscheint und schon längst hätte gesetzlich geregelt sein müssen . Leider ist das nicht so . Wir müssen nämlich auch darüber reden, dass der Begriff „Menschenhandel“ im Strafgesetzbuch viel weiter als bisher gefasst werden muss . Hier geht es um Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft, Menschenhandel zum Zweck der Bettelei und Menschenhandel zur Durchführung von Straftaten . Es geht darum, dass mit Menschen gehandelt wird, um ihnen Organe zu entnehmen, und es geht insbesondere - das ist mir ganz besonders wichtig - um den Tatbestand der Zwangsprostitution . Neu in der Gesetzesvorlage ist, dass nun auch im Strafgesetzbuch verankert wird, wenn Menschen - hier sind es zum größten Teil Frauen und Kinder - gezwungen werden, zum Betteln auszuharren oder professionell auf Diebestour zu gehen . Gut und richtig ist es ebenso, dass der neue § 232 Strafgesetzbuch nun auch den Tatbestand des Menschenhandels zum Zweck des Organhandels erfasst . Die Erweiterung um diese Straftatbestände ist meines Erachtens überfällig, und ich bin froh, dass wir heute deren Umsetzung beschließen werden . ({2}) Aber nicht nur die Erweiterungen um die genannten Straftatbestände sind Inhalt der Gesetzesvorlage . Wir gehen noch viel weiter, indem wir nämlich zum einen die Gesetzeslücke auf der Nachschub- und Logistikebene des Menschenhandels schließen . Künftig wird auch das Anwerben, Befördern, Weitergeben und Beherbergen, also jede noch so gering erscheinende Form der Beteiligung am Menschenhandel, strafbar sein . Wir schaffen Instrumente, die es ermöglichen, die Täter noch härter zu bestrafen, wenn zum Beispiel die Opfer minderjährig sind oder wenn das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet wird . Zum anderen ziehen wir auch diejenigen zur Verantwortung, die von einer offensichtlichen Zwangslage eines Menschen profitieren. Hiermit meine ich - das ist ein großer Schritt nach vorn -, dass sich Freier von Zwangsprostituierten strafbar machen . Ob es sich um Zwangsprostitution handelt, ist in den allermeisten Fällen klar erkennbar . Wer seine Augen vor offensichtlichen Anzeichen wie körperlichen Verletzungen, eingeschüchtertem Verhalten oder nicht vorhandenen Deutschkenntnissen verschließt oder wer die Dienstleistung mit einem Zuhälter anbahnt und aushandelt, gehört bestraft . Diese Strafbarkeit ist seit jeher ein wichtiges Anliegen der Union und wird nun endlich umgesetzt . ({3}) Allerdings soll den Freiern, die zur Aufdeckung und zur Aufklärung von Zwangsprostitution beitragen, Straffreiheit gewährt werden . Hier stellen wir den Schutz der Opfer und die Vermeidung von weiteren Straftaten über den Strafanspruch an die Freier, und das ist gut so . Was ich an dieser Stelle nicht nachvollziehen kann, ist die Kritik der Opposition, dass wir beim Opferschutz nicht weit genug gehen würden und hier hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis nochmals nachgebessert werden solle . ({4}) Wenn Sie bei der Expertenanhörung vor einigen Wochen zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass uns allen deutlich gemacht wurde, dass dem mit der Erweiterung Sie erwähnten es schon, Dr . Fechner - des § 25 Aufenthaltsgesetz ausreichend Rechnung getragen wird . Insofern ist diese Kritik völlig überflüssig. ({5}) Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben heute Vormittag den Grundsatz „Nein heißt nein“ im Strafrecht verankert . Nein heißt nein nämlich auch dann, wenn offensichtlich ist, dass eine Frau - in über 95 Prozent der Fälle sind es Frauen - sich aufgrund einer Zwangslage prostituiert . Ich bedauere es sehr, dass es aufgrund der Weigerung der SPD nicht dazu gekommen ist, heute früh im Gesetz eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung von Prostituierten zu verankern . ({6}) Es wurde dadurch versäumt, die Gesundheit der Prostituierten und deren Freier besser zu schützen . Ebenso hätte eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung entscheidend dazu beitragen können, dass Zwangsprostitution schneller und besser identifiziert und geahndet werden kann . Schade! Ich denke, hier wurde die Chance klar versäumt, Opfer von Misshandlungen, Zwangsprostitution und Menschenhandel noch besser zu schützen und ihnen zu helfen . ({7}) Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir mit den vorliegenden Änderungen des Strafgesetzbuches nicht nur die geforderte EU-Richtlinie umsetzen . Wir haben ein Instrument geschaffen, das es uns ermöglicht, Menschenhändler härter zu bestrafen und Opfer noch besser zu schützen . ({8}) Daher bitte ich um Zustimmung . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({9})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit sind wir am Ende der Aussprache . Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich nicht versäumen, der Kollegin Rösel zu ihrer ersten Rede zu gratulieren . ({0}) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5 . April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9095, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/4613 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis in dritter Beratung angenommen worden . Tagesordnungspunkt 20 b . Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9077, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3256 abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt . Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung . Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Kai Gehring, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jetzt Zugang zu Wissen erleichtern - Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlich gestalten Drucksache 18/8245 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({1}) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({2}) Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Federführung strittig Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen .

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Wissenschaft, Forschung und Lehre stecken enorme Potenziale in der Digitalisierung . Um diese Chancen nutzen zu können, bedarf es endlich eines bildungs- und forschungsfreundlichen Urheberrechts; denn bessere Forschungs- und Wissenszugänge sind wichtige Zukunftsmotoren für unsere Volkswirtschaft und Wissensökonomie . ({0}) Wissenschaft und Bildung dürfen nicht durch politische Trägheit und veraltete Strukturen behindert werden . Tatsächlich passiert aber genau das . ({1}) Daher sagen wir: Der Modernisierungsstau im Urheberrecht gehört endlich überwunden . ({2}) Für uns alle sind Ausbildung oder Studium schon eine Weile her . Dennoch wissen wir, wie wichtig der Zugang zu digitalem Wissen bereits bei Schülerreferaten geworden ist . An den Universitäten sind digitale Semesterapparate nicht mehr wegzudenken . § 52a Urheberrechtsgesetz ermöglicht die zustimmungsfreie Nutzung von geschützten Werken per öffentlicher Zugänglichmachung für Lehr- und Forschungszwecke . Diese Regelung ist aber schwer verständlich und hat auch ihre Grenzen . Wer sich wirklich schlaumachen will, was er unter welchen Bedingungen darf oder nicht darf, scheitert oft am Dickicht von Einzelgesetzen . Was fehlt? Es fehlt also eine umfassende und klare rechtliche Regelung, die leicht verständlich und vermittelbar ist und so den Wissensfluss erleichtert. Darum geht es uns . ({3}) Doch mit der wissenschaftsgerechten Reform des Urheberrechts quält sich die GroKo im Bund so ähnlich wie die in Berlin beim BER . ({4}) Ein ums andere Mal wird die Eröffnung versprochen, dann vertagt . Die Wissenschaftsschranke wird ein ums andere Mal hier im Bundestag angekündigt, dann tut sich wieder Jahre nichts . ({5}) Anders als beim BER lässt sich diese Baustelle einfach fertigstellen . Folgen Sie unserem Antrag zur Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke . Schließlich haben Sie genau dieses Instrument im Koalitionsvertrag verankert und versprochen und erst vor einem Jahr hier im Plenum erneut angekündigt . Also legen Sie endlich los . ({6}) Ihre eigenen Gutachter von der Expertenkommission für Forschung und Innovation bis zur BMBF-finanzierten HU-Studie attestieren Ihnen, in Forschung und Lehre sowie bei Bibliotheken, Archiven und Museen durch Ihre Untätigkeit in Sachen Wissenschaftsschranke für große Rechtsunsicherheit zu sorgen . Das muss sich endlich ändern . ({7}) Das BMBF schreibt auf seiner Website: „Das Urheberrecht muss der Wissenschaft dienen“ . Stimmt, liebe Ministerin Wanka; das ist aber nach wie vor nicht gesetzliche Realität . Seit über elf Jahren bleiben CDU-Wissenschaftsministerinnen Vorschläge schuldig . Damit verschleppen Sie die Probleme . Es ist höchste Zeit, bei dieser Frage dem Wissenschaftsstandort Deutschland zu dienen . ({8}) Eine umfassende Bildungs- und Wissenschaftsschranke, wie wir sie wollen, würde es Lehrenden, Lernenden und Forschenden erleichtern, publizistische Werke jedweder medialer Art für den nichtgewerblichen wissenschaftlichen Gebrauch generell genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen zu nutzen . In diesem Zuge könnte auch die Verleihung digitaler Inhalte durch wissenschaftliche Bibliotheken ermöglicht werden, und zwar unabhängig davon, von welchem Ort die Ausleihe bzw . dann Vizepräsidentin Ulla Schmidt die Nutzung erfolgt . Das wären wichtige Weichenstellungen für unsere Wissenschaft . ({9}) In der letzten Wahlperiode waren wir hier schon deutlich weiter: Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hatte mit Zustimmung aller Fraktionen hier im Haus eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke gefordert . Diese und weitere Vorarbeiten gilt es doch jetzt endlich mal zu nutzen . Ergänzt werden müsste die Wissenschaftsschranke um weitere Verbesserungen, unter anderem beim Zweitveröffentlichungsrecht . Das stärkt Autorinnen und Autoren von wissenschaftlichen Beiträgen, wenn sie ihre Beiträge mit Open Access publizieren wollen . Auch dazu haben wir Ihnen längst Vorschläge gemacht . ({10}) Der Koalition scheint für einen solchen Aufbruch im Urheberrecht die Kraft zu fehlen . ({11}) Wir geben die Hoffnung aber nicht auf . Deshalb appelliere ich abschließend an Sie: Beenden Sie endlich die Zeit verlorener Chancen für den Innovationsstandort und für alle Lehrenden und Lernenden in Deutschland . ({12}) Legen Sie endlich einen Gesetzentwurf vor . Wenn Sie die Zeit in der Sommerpause nutzen wollen, dann nutzen Sie sie so, dass wir im September, spätestens im Oktober über einen konkreten Gesetzentwurf von SPD und CDU/ CSU diskutieren können . Ich hoffe, dass da nicht so eine Baustelle wie beim BER herauskommt, ({13}) sondern dass Sie es echt noch schaffen . ({14}) Selbst Schwarz-Gelb hatte solch eine Wissenschafts- und Bildungsschranke schon einmal angekündigt . Das heißt, seit Jahren diskutieren wir hier herum . Wissen wächst, wenn es geteilt wird . Wir warten auf Ihren Gesetzentwurf . ({15})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Das Wort hat jetzt Dr . Stefan Heck, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Stefan Heck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf jetzt seit knapp einem Jahr das Urheberrecht für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mitbetreuen . Ich habe gelernt, es ist - erstens - ein sehr komplexes Rechtsgebiet, und - zweitens - es gibt unzählige und meist unterschiedliche, gelegentlich auch ganz gegenläufige Interessen, die hier zusammenlaufen. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, ({0}) hier einen gerechten Ausgleich zu finden. Das gilt für alle Gesetzgebungsvorhaben in diesem Bereich . ({1}) Das ist uns beim Verwertungsgesellschaftengesetz, dem ersten großen Vorhaben, das wir kürzlich zum Abschluss gebracht haben und bei dem wir es hinbekommen haben, einen guten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und der Verwertungsgesellschaften auf der einen Seite und denen der Geräteindustrie auf der anderen Seite zu finden, gelungen. Das Gleiche gilt für das Urhebervertragsrecht, das wir gerade beraten und bei dem wir eine Balance zwischen den Interessen der Urheber auf der einen Seite und denen der Verwerter auf der anderen Seite finden werden. Und ja, das muss auch für die Bildungs- und Wissenschaftsschranke gelten, das dritte große Reformvorhaben, das in dieser Legislatur noch ansteht . ({2}) Hier geht es darum, einen gerechten Ausgleich zwischen den Urhebern auf der einen Seite und den Nutzern geschützter wissenschaftlicher Werke auf der anderen Seite zu finden. Ich muss Ihnen, Herr Gehring, sagen: Da hilft Ihr Antrag leider nicht weiter . ({3}) Es ist gut, dass Sie ihn parallel zu den Beratungen über das Urhebervertragsrecht einbringen . ({4}) Wir hatten gestern dazu eine öffentliche Anhörung . Gegenstand dieser Anhörung war auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, in dem Sie explizit schreiben, Sie wollten eine Stärkung der Rechtsstellung der Urheber und eine angemessene Vergütung sicherstellen . Das wollen wir auch . Aber, lieber Herr Gehring, wie passt das mit Ihrem heutigen Antrag zusammen? ({5}) Gestern setzten Sie sich für die Rechte der Urheber ein, und heute diskutieren wir hier einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, in dem die angemessene VerKai Gehring gütung der Urheber mit keinem Wort erwähnt wird . Sie müssen hier Farbe bekennen . Das, was Sie hier machen, passt nicht zusammen, und das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen . ({6}) Ich sage ganz klar: Auch wir wollen noch in dieser Legislatur eine Wissenschaftsschranke im Urheberrecht verankern . ({7}) Wir alle wissen wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, aus der Schule, aus der Universität, wie wichtig es ist, einen Zugang zu Material für Forschung und Lehre zu haben und wie sehr man dabei auf die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke angewiesen ist . Dabei hat sich durch die Digitalisierung vieles verändert, wahrscheinlich auch seit der Schulzeit von uns jüngeren Abgeordneten . All dem muss das Urheberrecht Rechnung tragen . ({8}) Es gibt einiges zu tun . Die heutigen Regelungen sind nicht mehr praxistauglich, und sie sind für die Rechtsanwender oft nur schwer durchschaubar . Für uns ist auch klar: Natürlich muss das Urheberrecht der Wissenschaft dienen, aber das Urheberrecht muss vor allem erst einmal den Urhebern dienen; deswegen heißt es auch so . ({9}) Der Urheber muss weiterhin im Mittelpunkt stehen . Egal wie es verwertet wird: Es bleibt am Ende sein Werk, das auch durch das Eigentumsrecht aus Artikel 14 Grundgesetz geschützt wird . Deswegen ist es gut, dass wir uns dazu bekennen, dass der Urheber weiterhin im Mittelpunkt steht . ({10}) Wir brauchen auch starke Wissenschaftsverlage . Sie spielen bei der Finanzierung eine wichtige Rolle, und sie spielen auch eine ganz wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung und bei der Publikation . ({11}) Für uns bedeutet das konkret: Erstens, auch im Urheberrecht gilt weiterhin die Vertragsfreiheit . Deshalb müssen angemessene Lizenzangebote weiterhin Vorrang haben . Zweitens bedeutet das für uns, dass die Regelung, die wir beschließen werden, so differenziert sein muss wie die Wissenschaftslandschaft insgesamt . Es macht einen großen Unterschied, ob ein Werk in seinen verschiedenen Stadien durch öffentliche Mittel gefördert wird oder ob wir es mit einer Visualisierung hochkomplexer naturwissenschaftlicher Vorgaben zu tun haben, die mit vielen Investitionen verbunden ist und sich am Ende amortisieren muss . Lassen Sie uns nicht vergessen: Die Änderungen der Regelungen im Urheberrecht finden in einer sehr sensiblen Zeit statt . Viele Verlage sind völlig unverschuldet durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs in eine schwierige, teilweise existenzbedrohende Situation geraten . Ich glaube, bevor wir weitere Schritte unternehmen, ist es gut, dass wir als Gesetzgeber unsere Hausaufgaben machen und an dieser Stelle Abhilfe schaffen . Ich komme zum Schluss . Wir wollen eine Wissenschaftsschranke einführen . ({12}) Ihr Antrag ist einseitig, er ist undifferenziert, und er vergisst diejenigen, die im Mittelpunkt des Urheberrechts stehen, nämlich die Urheber selbst . Das wäre der Weg in eine rein staatlich finanzierte Publikationslandschaft, die wir nicht wollen . Es ist gut, wenn wir den vorliegenden Antrag mit großer Mehrheit ablehnen . Vielen Dank . ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Das Wort hat jetzt Dr . Petra Sitte, Fraktion Die Linke . ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ({0}) - Wichtig ist das Hören, das Sehen ist nicht so wichtig . Ich möchte mit Blick auf den Sommer, die Urlaubszeit oder auch das Halbfinale der Fußball-EM mit folgendem Satz beginnen: „Komm, wir gehen!“ ({1}) Das sagte Estragon zu seinem Freund Wladimir . Der antwortete: „Wir können nicht .“ Darauf Estragon: „Warum nicht?“ Wladimir: „Wir warten auf Godot .“ Estragon: „Ah!“ - Theaterfreunde wissen: Das ist der Schlüsseldialog aus Samuel Becketts berühmtem Stück Warten auf Godot . Der traurige Clou ist: Das Warten bringt nichts, Godot kommt nicht . Nun weiß aber auch niemand, wer oder was Godot eigentlich ist . ({2}) Das lässt Beckett offen, und mich beschleicht nun das Gefühl: Wir wissen ziemlich genau, was Godot ist . ({3}) Seit mindestens zwölf Jahren wird über die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht debattiert . Dabei geht es um den freien Zugang zu allen Werkarten zum nicht kommerziellen Zweck von Wissenschaft, Bildung und Forschung . Und Herr Heck: Immer dort, wo man eine Schranke einsetzt, gibt es pauschale Vergütungsregelungen . Das haben Sie nicht sauber dargestellt . ({4}) Damals wurde vom Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ das Prinzip skizziert . Wir Linken haben dazu erstmals vor neun Jahren Anträge gestellt . Andere folgten und haben vergleichbare oder ähnliche Anträge gestellt . Es folgten dann Jahr um Jahr Empfehlungen, Vorschläge und Anträge . In diese lange Reihe stellt sich nun auch der völlig richtige Antrag von den Bündnisgrünen . ({5}) Allein, die Wissenschafts- und Bildungsschranke kommt nicht, und die Realität in Schulen und Hochschulen bleibt frustrierend . Die aktuellen Urheberrechtsregelungen sind eben keine Erleichterung für Bildung, Wissenschaft und Forschung . Meine Damen und Herren, Warten auf Godot gilt als Meisterstück des absurden Theaters, nicht zuletzt deshalb, weil zwischenzeitlich ein ominöser Bote Estragon und Wladimir ankündigt, Godot werde kommen . Die Große Koalition steht in Sachen Absurdität in diesen Fragen dem Theaterstück in nichts nach; ({6}) denn auch Sie kündigen nun schon zum wiederholten Mal an, die Schranke komme . ({7}) Im Koalitionsvertrag von 2013 finden wir sie, auch in der Digitalen Agenda der Bundesregierung vom Sommer 2014 . ({8}) Im November 2014 haben wir hier zuletzt über diese Fragen debattiert . Damals hieß es, die Koalition sei ein Jahr nach Amtsantritt noch in intensiven Diskussionen . ({9}) Das ist nun allerdings auch schon wieder 20 Monate her . ({10}) Zwischenzeitlich hat die Koalition einen Antrag durch den Bundestag gebracht . Was enthält er? - Man fordert die Einführung der Schranke . ({11}) Wir aber warten wie Estragon und Wladimir immer noch . Eigentlich kann die Bundesregierung Absurdität sogar noch besser als Beckett; denn im Gegensatz zu Godot ist längst bekannt, wie die Bildungs- und Wissenschaftsschranke ausgestaltet werden könnte . Ich erinnere an unsere letzte Debatte vor 20 Monaten, in der ich gesagt habe - es ist kuschelig, wenn man sich selbst zitiert -: Frau Professor de la Durantaye von der Humboldt-Universität zu Berlin hat im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung genau jene Regelung ausformuliert - in Ihrem Auftrag . - Wir haben alles da; wir müssen es nur beschließen . ({12}) Also sagen wir einmal: Der Godot der Bundesregierung hat es bis vor die Tür geschafft . ({13}) Lassen Sie ihn endlich rein, oder, liebe Damen und Herren von der Koalition, machen Sie sich ehrlich und erklären Sie den Menschen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, warum Sie kein Interesse an deren Arbeitsbedingungen und ihren eigenen Versprechen gegenüber den Betroffenen haben . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Christian Flisek . ({0})

Christian Flisek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004274, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es ist Ihr ausdrücklicher Wunsch, dass wir heute über die Bildungs- und Wissenschaftsschranke diskutieren . ({0}) Wir kommen diesem Wunsch natürlich sehr gerne nach . ({1}) Aber, Herr Kollege Gehring, wenn Sie sagen, wir würden uns in dieser Koalition mit dem Urheberrecht quälen - Sie haben ein paar hinkende Vergleiche gebracht; der arme Flughafen Berlin muss ja mittlerweile für alles herhalten -, ({2}) dann sind Sie beim aktuellen Stand in Sachen Urheberrecht in dieser Legislaturperiode noch nicht angekommen . Die hinter Ihnen sitzende Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Frau Kollegin Künast, ({3}) kann sich, glaube ich, über mangelnde Arbeitsbelastung in Sachen Urheberrecht in dieser Legislaturperiode nicht beschweren, weil wir nämlich einen Gesetzentwurf nach dem anderen behandeln und handwerklich sauber ein Projekt, das wir im Koalitionsvertrag angekündigt haben, nach dem anderen abarbeiten . ({4}) Lieber Herr Kollege Gehring, wenn Sie sich das einmal anschauen, stellen Sie fest, dass wir einiges zu bieten haben: Wir haben das Verwertungsgesellschaftengesetz komplett neu aufgesetzt . Das war ein ziemlicher Rundumschlag . Das waren sehr intensive Diskussionen; das wird Ihnen die Kollegin Künast bestätigen . ({5}) Gestern fand eine öffentliche Anhörung in Sachen Urhebervertragsrecht statt . Dazu liegt ein Entwurf vor, über den sehr intensiv diskutiert wird . Aktuelle Ereignisse und Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie des Europäischen Gerichtshofs machen den nationalen Handlungsbedarf in Sachen Urheberrecht deutlich . ({6}) Wir haben jetzt ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministers vorgelegt bekommen ({7}) - bleiben Sie mal ruhig ({8}) zur Regelung der sogenannten Vogel- und Reprobel-Problematik . Herr Kollege Gehring, wenn Sie sich angesichts dessen hier hinstellen und sagen, dass man in der letzten Legislaturperiode in Sachen Urheberrecht weiter war, weiß ich nicht, aus welcher Welt Sie kommen . ({9}) In der letzten Legislaturperiode ist in Sachen Urheberrecht nichts, aber auch gar nichts passiert . ({10}) Jetzt möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen, dass Sie vielleicht einmal etwas weniger Aktionismus an den Tag legen sollten. Ich finde, es ist Ihr gutes Recht, einen solchen Antrag zu stellen . ({11}) Aber wir gehen sauber vor; wir arbeiten die Urheberrechtsagenda handwerklich sauber ab . Herr Justizminister Maas hat deutlich gemacht, dass er einen Gesetzentwurf vorlegen wird . ({12}) Frau Ministerin Wanka ist mit entsprechenden Gutachten an die Öffentlichkeit gegangen . ({13}) Ich denke, das wird sich ganz klar wie an einem roten Faden abspulen lassen . Wir werden das komplette Schrankenwesen im Wissenschafts- und Bildungsbereich aufräumen müssen . Es ist nämlich sehr unübersichtlich geworden; das hat Kollege Heck in seinem Beitrag schon angesprochen . Ich glaube, selbst Urheberrechtsexperten und insbesondere Leute, die Verantwortung im Bereich der Schulen, der Universitäten tragen, haben es mittlerweile mit einem Schrankendschungel zu tun . Es ist höchste Zeit, aufzuräumen . Das werden wir tun . ({14}) - Ich verstehe gar nicht, warum Sie einen Antrag zu einer Sache stellen und sie dann so ins Lächerliche ziehen . ({15}) Entweder debattieren wir das hier mit dem notwendigen Ernst oder debattieren es eben nicht . Ich bin dafür, dass wir das tun . ({16}) In der Tat ist es so, dass diese Schranken allesamt vergütungspflichtig sein werden. Das heißt, wir haben wieder zu sehr aktuellen Themen - wie diese Vergütungen verteilt werden - einen aktuellen Link, nämlich zu der rechtspolitisch ungeheuer spannenden Debatte, wie die Verteilung zwischen Urhebern und Verlagen am Ende läuft . ({17}) Das heißt, genau das, was ich gerade angesprochen habe - die BGH-Problematik durch das Vogel-Urteil und die EuGH-Problematik durch das Reprobel-Urteil -, spielt bei der Frage eine Rolle, wie wir es mit den vergüChristian Flisek tungspflichtigen Schranken halten. Wir werden da eine Lösung finden, das kann ich Ihnen garantieren. Aber wir werden nicht in Aktionismus verfallen . ({18}) Eines möchte ich am Ende noch sagen: Diese vergütungspflichtigen Schranken werden Vorrang vor einem Lizenzdschungel genießen; denn nur so ist den Urheberrechtspraktikern in der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft gedient; denn nur so werden sie vertrauen können, dass wir einen gelichteten Schrankendschungel auch für sie in der Praxis handelbar machen . Nur so werden wir am Ende einen wesentlichen Schritt bei dieser komplexen Materie weiterkommen . ({19})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Das war ein schönes Schlusswort, Herr Flisek .

Christian Flisek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004274, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das war das Schlusswort . - Wir werden diesen Antrag heute an die Ausschüsse überweisen . Am Ende aber lautet mein Schlusswort: Das ist ein Schaufensterantrag, er ist wohlfeil . Wir werden uns, wenn der Gesetzentwurf vorliegt, intensiv über die Sache auseinandersetzen . Herzlichen Dank . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Kollege Tankred Schipanski . ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist eine sehr unterhaltsame Urheberrechtsdebatte; man kann nicht sagen, dass irgendetwas trocken wäre . Frau Sitte, das war eine schöne, launige Rede; das muss man einfach sagen . ({0}) Kollege Flisek hat schon, lieber Kai Gehring, sehr deutlich gemacht, dass die Koalition beim Thema Urheberrecht in drei großen Blöcken arbeitet; so möchte ich es ausdrücken . Wir haben das Verwertungsgesellschaftengesetz im ersten großen Block gehabt und sind jetzt beim Urhebervertragsrecht . Der dritte Block wird wie angekündigt und wie es auch im Koalitionsvertrag steht - die Bildungs- und Wissenschaftsschranke sein . Nichtsdestotrotz, lieber Kai Gehring, bin ich den Grünen ausdrücklich dankbar, dass wir das heute debattieren . Wenn wir als Forschungspolitiker in den Antrag schauen, stellen wir fest, dass wir inhaltlich nicht weit voneinander entfernt sind . Man kann Ihre Ungeduld schon verstehen . ({1}) Ich gestehe offen, dass ich der Meinung bin, dass das Bundesjustizministerium den Arbeitsauftrag aus dem Koalitionsvertrag ruhig etwas schneller bearbeiten könnte . ({2}) Der Gesetzentwurf, so hörte ich, liegt dem BMJV mittlerweile vor, und ich erwarte, dass er in Kürze in die Ressortabstimmung geht ({3}) und dann zügig hier im Parlament in erster Lesung behandelt wird . ({4}) Allerdings waren weder die Bundesregierung noch der Bundestag bei dem Thema Wissenschaftsschranke in den letzten knapp drei Jahren untätig . So hat - es wurde angesprochen - Frau Katharina de la Durantaye im Auftrag des BMBF ein vielbeachtetes Gutachten vorgelegt und damit in der Tat den fundiertesten Diskussionsvorschlag für eine Allgemeine Bildungs-, Wissenschafts- und Bibliotheksschranke eingebracht . Worum geht es bei diesem Thema? Wir wollen eine technologieoffene Regelung haben, die wir nicht nach jeder technischen Neuentwicklung wieder anpassen müssen . Wir wollen eine lesbare, verständliche Regelung aus einem Guss; das haben meine Vorredner betont . Wir wollen auch langfristige Rechtssicherheit für alle Beteiligten erreichen . Dass solche Regelungen möglich sind, zeigt im Übrigen ein völkerrechtliches Abkommen im Urheberrecht: die Berner Übereinkunft von 1886 . Hier wurde der sogenannte Drei-Stufen-Test eingeführt, welcher bis heute Gültigkeit hat und Leitlinie für unsere Schrankenregelungen im Urheberrecht ist . Den sogenannten Schrankendschungel hat Kollege Flisek bereits angesprochen . ({5}) Es wurde auch gesagt, dass nicht alle Wissenschaftler oder Bibliothekare auch Juristen sein müssen, um das Ganze zu verstehen . Von daher, denke ich, ist das Gutachten von Frau de la Durantaye ein sehr guter Diskussionsvorschlag . Sie arbeitet mit einer Generalklausel und dem Rechtsbegriff der Gebotenheit . Die Schranke bleibt selbstverständlich vergütungspflichtig. Das möchte ich von unserer Seite aus noch einmal ausdrücklich betonen . Meines Erachtens ist das Ziel der Neufassung dieser Schranke nicht, dass sie möglichst oft und umfassend anChristian Flisek gewendet wird. Denn dort, wo es leicht auffindbare und preislich fair gestaltete Lizenzangebote gibt, werden diese sicherlich auch in Zukunft die erste Wahl sein . ({6}) Gleichwohl brauchen wir diese Wissenschaftsschranke . Wir kennen die stark gestiegenen Preise und die Bündelung in Datenbanken, die oft dazu führen, dass wissenschaftliche Werke für unsere Hochschulbibliotheken schwerer zu lizenzieren sind . Die Hochschulbibliotheken beschweren sich über Marktversagen und punktuelle Monopolbildung durch wissenschaftliche Großverlage . Die Länder wiederum beklagen die enormen Preissteigerungen bei wissenschaftlicher Literatur . Hier kann die Wissenschaftsschranke quasi als Überdruckventil dienen . Wenn nämlich die Verlage keine angemessenen Lizenzangebote machen, hat der Wissenschaftler die alternative Möglichkeit, den Zugang zu Literatur eben über diese Schranke zu erhalten . Ohne diese Wissenschaftsschranke bekämen wir meines Erachtens einen asymmetrischen Markt . Ich darf festhalten, dass wir natürlich insbesondere die Bibliotheken nicht vergessen sollten . Auch diese sollten wir in diese neue Regelung einbeziehen . Es ist sehr wichtig, dass die Bibliotheken und Archive angemessen Berücksichtigung finden. Vielleicht - wir kennen ja den Vorschlag des BMJV noch nicht - kann man auch noch im Bibliotheksbereich die eine oder andere Anpassung in diesem Rahmen vornehmen . Ich denke an die Fernleihe, die elektronischen Archivierungsmöglichkeiten oder auch neue technische Möglichkeiten wie das Data-Mining, das wir gesetzlich natürlich noch ein ganzes Stück voranbringen müssen zum Wohle unserer Bibliotheken . Als Bildungs- und Forschungspolitiker bin ich überzeugt, dass sich Wissen und wissenschaftlicher Fortschritt möglichst schnell und unkompliziert verbreiten sollten . Das wollen wir mit einer Wissenschaftsschranke sicherstellen . Daher führen wir heute diese Debatte . Daher gibt es den Druck auf das BMJV . Ich danke ganz herzlich dafür . ({7})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Marianne Schieder für die SPD-Fraktion . ({0})

Marianne Schieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003838, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag greift ein überaus wichtiges Thema auf . Das Urheberrecht braucht in der Tat dringend eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke . Niemand will die Interessen der Urheberinnen und Urheber schmälern, aber der Zugang zu Wissen muss verbessert werden . Es ist in der Tat so, dass viele Nutzerinnen und Nutzer von entsprechenden Werken in ihrer täglichen Arbeit, bei der sie auf wissenschaftliche Publikationen, Bilder, Filme oder sonstige Dokumente angewiesen sind, wirklich nicht genau wissen, wie sie sich urheberrechtlich korrekt verhalten sollen . Das liegt - das kann ich nur noch einmal betonen, auch wenn es schon mehrmals gesagt worden ist - daran, dass die einschlägigen rechtlichen Regelungen im ganzen Urheberrecht verteilt sind . Das liegt auch daran, dass sie wenig praxistauglich und oftmals auch zu starr formuliert sind . Um hier für Klarheit zu sorgen, braucht es eine allgemeine Bildungsund Wissenschaftsschranke . Das stellt niemand infrage . ({0}) Wir brauchen deswegen eine allgemeine Bildungsund Wissenschaftsschranke, weil es diese neuen rechtlichen Regelungen für möglichst alle Anwendungsbereiche in Forschung, Lehre und Unterricht geben muss . Das ist in der Tat - auch da erzähle ich für Sie alle nichts Neues - eine besondere Herausforderung im Zeitalter der Digitalisierung . Es wurde schon mehrmals auf den Koalitionsvertrag hingewiesen . Ich möchte ihn zitieren . Dort heißt es: Wir werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen . Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Linken, Sie können sich sicher sein: Wir halten unsere Zusagen ein . ({1}) Hier gilt aber in besonderem Maße die alte Lebensweisheit „Gut Ding will Weile haben“ . ({2}) Das Urheberrecht ist ein komplexes Werk, und da hilft kein Drängeln . Es muss vielmehr vieles bedacht und ein handwerklich wirklich guter Gesetzentwurf gemacht werden . Hier gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit . ({3}) Lieber Herr Kollege Schipanski, es muss auch manche Gegenwehr in Ihren Reihen überwunden werden . Damit erzähle ich Ihnen auch nichts Neues . Sie haben es schon erwähnt: Es gibt das Gutachten von Frau Professor de la Durantaye . Es enthält wirklich viele gute Ansätze, mit denen wir arbeiten, um daraus einen guten Gesetzentwurf zu machen . Es geht hierbei aber natürlich auch - auch damit erzähle ich kein großes Geheimnis - um das Europarecht . Von der Europäischen Kommission wurde schon mehrfach eine Reform des europäischen Urheberrechts angekündigt . Wir haben gedacht, dass wir diese Änderungen abwarten könnten, um sie in unseren Gesetzentwurf gleich mit einzuarbeiten . Es liegt aber immer noch nichts Konkretes vor . ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass eine allgemeine Bildungsund Wissenschaftsschranke notwendig ist . Wir alle sind uns aber auch darüber einig, dass niemandem mit einem übereilten Werk gedient ist, ({5}) sondern dass allen viel mehr damit gedient ist, wenn wir einen gut durchdachten und gut ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorlegen; denn nur damit helfen wir den Menschen, die Werke schaffen, ebenso wie denjenigen, die sie nutzen wollen . Lieber Kai Gehring, du kannst versichert sein: Du wirst uns für den hervorragenden Gesetzentwurf, den wir vorlegen werden, loben müssen . In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Damit ist die Aussprache beendet . Zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, die Vorlage auf Drucksache 18/8245 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Nicht geeinigt hat man sich darauf, wo die Federführung liegen soll . Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz . ({0}) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Federführung beim Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung . ({1}) Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen . Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dage- gen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt . Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD abstimmen . Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition angenommen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 d auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Integrationsgesetzes Drucksache 18/8615 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Integrationsgesetzes Drucksachen 18/8829, 18/8883 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({2}) Drucksache 18/9090 - Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9091 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({4}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann ({5}), Ulla Jelpke, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Flüchtlinge auf dem Weg in Arbeit unterstützen, Integration befördern und Lohndumping bekämpfen - zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Luise Amtsberg, Beate MüllerGemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeitsmarktpolitik für Flüchtlinge - Praxisnahe Förderung von Anfang an - zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck ({6}), Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Integration ist gelebte Demokratie und stärkt den sozialen Zusammenhalt Drucksachen 18/6644, 18/7653, 18/7651, 18/9090 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({7}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zugang zu Bildung und Ausbildung für junge Flüchtlinge sicherstellen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vielfalt stärkt Wissenschaft - Studienchan- cen für Flüchtlinge schaffen Drucksachen 18/6198, 18/6345, 18/9101 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({8}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gleicher Zugang zur Bildung auch für Geflüchtete - zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mehr Bildungsgerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft - Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt Drucksachen 18/6192, 18/7049, 18/9022 Zu dem Entwurf eines Integrationsgesetzes liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich darf Sie nun bitten, möglichst zügig Ihre Plätze einzunehmen . - Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Staatsministerin Aydan Özoğuz. ({9})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Professor Zick von der Uni Bielefeld hat heute Morgen eine Studie mit dem Titel „ZuGleich“ vorgestellt . Er hat einen Vergleich zwischen den Einstellungen der Menschen in der Zeit 2013/2014 und heute gezogen und stellt dabei fest, dass sich manche Dinge leicht verändert haben . Ein Beispiel ist, dass eine kulturell vielfältige Gesellschaft nicht mehr den gleichen Stellenwert wie vor zwei Jahren hat . Das Eigene rückt wieder stärker in den Fokus, das sogenannte Andere wird an den Rand gedrängt . Das Eigene und das Andere entfernen sich also voneinander . Professor Zick hat dabei aber auch Erfreuliches herausgefunden: Ein Großteil unserer Bevölkerung zum Beispiel - das glauben viele ja nicht - steht Flüchtlingen positiv gegenüber . Eine Mehrheit in unserer Bevölkerung begrüßt die zunehmende Vielfalt in der Bevölkerung, und die Mehrheit der Bevölkerung, und zwar mit und ohne Einwanderungsgeschichte, möchte, dass allen Menschen Teilhabe ermöglicht wird . Genau das tun wir heute mit diesem Integrationsgesetz, indem wir nämlich denjenigen Teilhabe ermöglichen, deren Asylverfahren noch laufen und die in der Vergangenheit bis zum Ende ihres Verfahrens warten mussten - das konnte lange dauern; ein Jahr oder auch zwei Jahre -, bis sie endlich einen Sprachkurs oder überhaupt etwas machen durften, obwohl sie die ganze Zeit über hier waren . Das, was wir heute machen, ist ein Riesenschritt . Ich möchte den verhandelnden Ministern sehr dafür danken und freue mich, dass der Deutsche Bundestag heute diesen Schritt gehen möchte . ({0}) Man muss noch einmal betonen, dass viele Fehler der Vergangenheit mit diesem Gesetz beseitigt werden und hier tatsächlich sehr genau auf die Details geschaut wurde, damit Menschen auf dem Ausbildungs- wie auf dem Arbeitsmarkt schneller Fuß fassen können . Denjenigen mit guter Bleibeperspektive wird beispielsweise der Zugang zu Fördermaßnahmen des SGB III ermöglicht, also Berufsausbildungsbeihilfe, Berufsbegleitende Hilfen oder Assistierte Ausbildung . Dass ein Duldungsanspruch für die Berufsausbildung mit der Drei-plus-zwei-Regelung geschaffen wird, erinnert mich sehr an meine Studienzeit . Damals hieß es: Ausländer sollen bitte einen Tag nach Beendigung ihres Studiums das Land verlassen . - Es hat ein paar Jahre gedauert, bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es unsinnig ist, Menschen hier auszubilden und sie dann nach ihrer Ausbildung wegzuschicken . Das machen wir auch nicht mehr bei Menschen in Ausbildung, eine Situation, die mit einem Studium vergleichbar ist, sondern geben diesen Menschen sechs Monate Zeit, um eine adäquate Stelle zu finden. Hinzu kommen die hunderttausend Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, damit diese Menschen schon in der Erstaufnahme einer gemeinnützigen, sinnvollen Beschäftigung nachgehen können . Dafür stellt der Bund immerhin 300 Millionen Euro bereit. Geflüchtete wollen schließlich nicht herumsitzen. Sie wollen, so schnell es geht, arbeiten, auch wenn es für sie auf dem ersten Arbeitsmarkt noch keine Perspektive gibt . Ich möchte hier einen großen Dank an die Arbeitsministerin Nahles aussprechen . ({1}) Ich finde es auch sehr gut - darüber haben wir schon länger gesprochen -, dass wir Erstorientierungskurse für Asylbewerber, unabhängig von ihrer Bleibeperspektive, ihren Sprachkenntnissen und ihren Vermittlungsmöglichkeiten, etablieren können . Aber erlauben Sie mir, dass ich als Beauftragte hinzufüge: Es wird nicht reichen, in der zweiten Jahreshälfte zwei Modellprojekte auf den Weg zu bringen und abzufragen, welche Bundesländer mitmachen . Es sei mir erlaubt, dass ich das etwas kritisch anmerke . Gerade Bayern hat uns schon vor zwei Jahren gesagt: Das gibt es doch bei uns alles schon . Diese Projekte könnten doch sofort in anderen Bundesländern durchgeführt werden . - Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir Vizepräsidentin Ulla Schmidt wirklich allen einen Sprachkurs oder zumindest einen Orientierungskurs ermöglichen könnten . ({2}) Dass das nicht so ohne Weiteres geht, liegt daran, dass wir keine gesetzliche Definition für die „gute Bleibeperspektive“ haben . Wir halten uns an die starren Schutzquoten von 50 Prozent . Es ist für keinen hier im Haus ein Geheimnis, dass zum Beispiel der Anteil der Afghanen mit 48 Prozent knapp unterhalb dieser Quote liegt und wir gleichzeitig wissen, dass viele von ihnen, wenn nicht die meisten, hierbleiben werden . An der Stelle brauchen wir endlich eine gesetzliche Definition dieser Bleibeperspektive, die sich natürlich an der Realität orientieren muss, also daran, ob jemand tatsächlich bleiben wird, damit wir all denen auch Sprachkurse, Ausbildungsangebote etc . zukommen lassen können . Ich glaube, in diesem Bereich sind noch weitere Schritte möglich, wenn das Integrationsgesetz heute beschlossen wird . Man muss ja nicht auf der Stelle stehen bleiben, wo man gerade ist . ({3}) Ich möchte einen letzten Punkt erwähnen: Auch das BAföG sollte weiter geöffnet werden . Denn die Ausbildungsförderung nach SGB III sollte auch für Drittstaatsangehörige weiterhin gleich ausgestaltet sein . Es ist ein guter Tag für die Integration, weil wir aus der Vergangenheit gelernt haben . Ich hoffe, dass wir in diesem Sinne weitermachen und gute weitere Schritte ermöglichen können . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke . ({0})

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sagen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, das sei ein Integrationsgesetz . Ich sage Ihnen: Das ist ein Ausgrenzungsgesetz für Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen . So werden Sie die Integration nicht bewältigen . ({0}) Sie ignorieren praktisch komplett die Mahnungen und Hinweise der Verbände, die tatsächlich mit Flüchtlingen arbeiten . Sie unterstellen den Menschen, die zu uns kommen, fehlenden Integrationswillen . Im Wesentlichen präsentieren Sie nur Verschärfungen, Kürzungen und Sanktionen . ({1}) Aber am schlimmsten ist: Sie geben damit der Ausländerfeindlichkeit am rechten Rand nach . Das ist genau der falsche Weg, meine Damen und Herren . ({2}) - Hören Sie mir zu, liebe Kollegin Mast! Dann können Sie vielleicht noch ein bisschen lernen, gerade was 1-Euro-Jobs angeht . - Integration in den Arbeitsmarkt gelingt eben nicht über 1-Euro-Jobs, und schon gar nicht über die 80-Cent-Jobs . Das zeigt die Erfahrung, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben . ({3}) Die kommunalen Spitzenverbände haben zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass ein gewaltiger Verwaltungsaufwand auf sie zukommt, weil die Flüchtlinge 30 Euro weniger im Monat bekommen sollen . Dazu sagt die Linke: Das ist völlig unsinnig . ({4}) Diese Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlingen bieten keine Qualifikationsmöglichkeiten. Sie sind auch nicht dazu geeignet, die deutsche Sprache zu erlernen . Wo sie innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte stattfinden, werden sie auch reguläre Beschäftigung verdrängen . Sinnvoll wären stattdessen durchgehende Einstiegsqualifizierungen mit Deutschkursen und verstärkte Anstrengungen, die Berufsabschlüsse der Flüchtlinge anzuerkennen . ({5}) Der Bundesrat wollte, dass Flüchtlinge rasch Zugang zu Ausbildungsbeihilfe und zum Ausbildungsgeld erhalten . „Rasch“ heißt sofort und nicht erst in 15 Monaten . Das hat die Bundesregierung ebenso abgelehnt wie alle anderen vom Bundesrat vorgeschlagenen Erleichterungen zum Hochschulzugang . Das ist völlig unverständlich . ({6}) Wir sind uns alle einig: Für Integration sind Sprachkenntnisse nötig . Aber statt allen Asylsuchenden Integrations- und Sprachkurse anzubieten, bleibt das Angebot hinter dem Bedarf zurück . Wir brauchen circa 800 000 Plätze in den Integrationskursen, schätzt Pro Asyl . Es ist aber nur Geld für 300 000 Menschen da . Dabei haben wir noch nicht einmal über die Qualität der Kurse geredet . Wer keinen Platz in einem Integrationskurs findet, der gilt nach Ihrem Gesetzentwurf als integrationsunwillig und wird dann mit Sanktionen bestraft . ({7}) Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Integration zu tun . Das ist Demütigung und Angstmache . ({8}) Die Linke fordert: Sanktionen für Flüchtlinge und auch für Erwerbslose in Deutschland müssen endlich abgeschafft werden . ({9}) Ich komme zum Schluss . Wir brauchen frühzeitige Sprachkurse, Qualifikationsangebote und sichere Bleibeperspektiven gerade für Menschen, die einen Beruf oder eine Ausbildung aufgenommen haben, und eine schnellere Anerkennung der Berufsabschlüsse . Nur so funktioniert es . Was Sie unter Fordern und Fördern verstehen, haben wir bei Hartz IV gesehen . Die Linke fordert: keine Neuauflage von Hartz IV! Wir werden das auf gar keinen Fall unterstützen . ({10})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin kommt jetzt die Kollegin Sabine Weiss für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Sabine Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004187, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schönen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Zimmermann, vielleicht hören Sie jetzt einmal zu . Wir hatten ja in den vergangenen Wochen ausgiebige Diskussionen . Einfach mal zuhören und dann vielleicht verstehen . ({0}) Das Integrationsgesetz stellt das Fördern und Fordern in den Mittelpunkt . Es fördert die Integration und fordert sie aber auch ein, ({1}) und zwar soll Integration durch schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt sowie durch die Verbesserung und den Ausbau des Angebotes an Integrations- und Sprachkursen gelingen . Das Integrationsgesetz fordert von den Menschen, die zu uns kommen, diese Angebote aber auch anzunehmen . Das ist gut, und es ist der richtige Weg . Wichtig dabei ist: Wir wollen keine Konkurrenz zu Langzeitarbeitslosen aufbauen, und das wird auch nicht der Fall sein . Fast alle Maßnahmen, die Flüchtlingen zugutekommen, stehen auch unseren Langzeitarbeitslosen offen, und nur wenige Förderungen, die insbesondere dem Spracherwerb dienen, sind ausschließlich für Flüchtlinge . Ich möchte einige Arbeitsmarktinstrumente für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge hervorheben: Das sind Praktika, Berufseinstiegsqualifizierungen, Lohnkostenzuschüsse, Arbeitsgelegenheiten, assistierte Ausbildung und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem SGB III . Wenn ich mir so die Diskussionen der letzten Wochen vor Augen halte: Ja, es ist richtig: Nicht jeder ist deshalb ein guter Mensch, weil er ein Flüchtling ist . Deswegen müssen wir einfordern, dass unsere Gesetze eingehalten werden und dass das Leben in unserem Land eben nur auf der Grundlage unserer Verfassung möglich ist . ({2}) Und ja, es ist richtig: Wir brauchen große Anstrengungen, da viele von denen, die schon hier sind oder die zu uns kommen, eine noch mangelhafte Bildung und eine geringe berufliche Qualifikation besitzen. Gut finde ich dabei, dass durch das Integrationsgesetz zahlreiche Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden . Diese qualifizieren die Menschen nicht, Frau Zimmermann; wir brauchen aber niederschwellige Arbeitsangebote, da auch durch Arbeit Spracherwerb leichter möglich ist, und Spracherwerb ist der zentrale Punkt für Integration . ({3}) Es ist auch richtig, dass noch nicht ausreichend Sprachkurse vorhanden sind . Hier müssen wir weiterhin mit Hochdruck arbeiten, das wissen wir alle; und das geschieht aber auch . Meine Damen und Herren, wir reden und entscheiden hier über Menschen, und dies braucht Zeit, Geduld und einen kühlen Kopf . Es ist nicht nur einfach ein Schalter, der umgelegt wird, und die Welt ist wieder so, wie sie mal war - schön oder nicht . So wollen es uns allerdings einige vormachen . Daher ist es für mich einfach unerträglich, wenn man, wie auch heute schon wieder angeklungen ist, die vielen - in meiner Region würde man sagen - Rumnöler hört . Frau Zimmermann, ich sehe, Sie teilen Ihre fünf Minuten auf, damit Frau Daǧdelen gleich auch noch zwei Minuten Zeit hat - Gott sei Dank nur zwei -, um auch mal wieder rumzunölen . ({4}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, da freuen sich die Rechten . Immer wieder wird gesagt: Klappt doch alles nicht, alles wird falsch gemacht . - Unser Land wird schlicht schlechtgeredet und leider auch oft schlechtgeschrieben . Es gibt erhebliche Anfeindungen und Angriffe gegen Flüchtlinge und gegen ihre Unterstützer, die vielen ehrenamtlichen Menschen, denen man in unserem Land nur dankbar sein und auf die man stolz sein kann . ({5}) Außerdem wird zum Teil kübelweise Hass im Internet und in den sozialen Medien ausgeschüttet . In der letzten Woche war ich bei der Bundesagentur für Arbeit meines Wahlkreises . Dort werden zurzeit circa 1 000 Flüchtlinge betreut . Die Geschäftsführerin berichtete mir: Erstens . Die meisten dieser Menschen sind hoch motiviert . Zweitens . Sie wollen die deutsche Sprache schnell erlernen . Drittens . Sie wollen schnell in Arbeit kommen . Vor allem aber viertens sind sie glücklich, Krieg und Bomben Sabine Zimmermann ({6}) entkommen zu sein und jetzt in unserem Land leben zu dürfen . Ich war, bevor ich Mitglied des Deutschen Bundestages wurde, zehn Jahre Bürgermeisterin . Als Bürgermeisterin habe ich immer wieder Kitas und Schulen schließen müssen, weil schlicht keine Kinder mehr da waren . Jetzt wird in meinem Wahlkreis - genauso wie in vielen anderen Kommunen - darüber nachgedacht und zum Teil schon geplant, neue Kitas und Schulen zu bauen. Ich finde, das sind auch mal gute Nachrichten . ({7}) 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht . Klar ist: Wir können nicht alle diese Menschen aufnehmen . Wir müssen hier eine Auswahl treffen . Diejenigen, die wirklich Schutz vor Krieg suchen, sollen bleiben dürfen. Den Armutsflüchtlingen muss man in den Herkunftsländern helfen . ({8}) Das tun wir schon seit vielen Jahren, unter anderem in der Entwicklungspolitik . Eine Begrenzung ist also zwingend notwendig . Nun sollen Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, damit die Asylverfahren schneller abgeschlossen werden können . Hier blockiert plötzlich - unverständlich - die SPD-geführte Landesregierung von NRW. Das ist mir unbegreiflich. ({9}) Diese Landesregierung hat durch ihren Innenminister Jäger im Januar ({10}) - das war nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln - über die Migranten aus den Maghreb-Staaten gesagt, sie seien eine Problemklientel, und hat dann einseitig einen Aufnahmestopp für diese Gruppe in NRW erklärt . Bei der Einstufung dieser Länder zu sicheren Herkunftsländern blockiert NRW nun. Ich finde, das ist grotesk und aus meiner Sicht unverantwortlich und im Übrigen gegen die Entscheidung der SPD-Bundestagsfraktion . ({11}) Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wirken Sie noch einmal auf die Ministerpräsidentin Frau Kraft ein . ({12}) Wir haben mit dem vorliegenden Integrationsgesetz ein gutes Gesetz vorgelegt . Ich freue mich, dass wir das heute zum Abschluss bringen können . Wir werden damit Erfolg haben . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Brigitte Pothmer .

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Weiss, Sie haben recht: Nicht jeder ist ein guter Mensch, weil er ein Flüchtling ist . Ich habe sogar lernen müssen: Nicht jeder ist ein schlechter Mensch, nur weil er in der CDU ist . ({0}) Frau Weiss, Sie haben eine Chance vertan, auch wenn der vorliegende Gesetzentwurf einige positive Elemente enthält; das will ich gar nicht bestreiten . Aber ein Gesetz, das die Hälfte der Asylbewerber von Integrationsangeboten ausschließt, hat sein Ziel nicht erreicht . Das ist ein schlechtes Gesetz . ({1}) Tatsächlich sind wir im Begriff - ich zitiere die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung -, „sehenden Auges die Fehler der Vergangenheit“ zu wiederholen. Ich finde, damit hat Frau Özoǧuz ausdrücklich recht. ({2}) Die entscheidende Frage lautet nur, warum ihr das erst jetzt auffällt. Wo war eigentlich Frau Özoǧuz bis jetzt? ({3}) Mit dem Festhalten an der diskriminierenden Einteilung der Flüchtlinge nach guter bzw . schlechter Bleibeperspektive verhindern Sie ausdrücklich die Integration von mehr als der Hälfte der Flüchtlinge . Nur weil Sie den Menschen aus Afghanistan, Somalia und dem Sudan das Label „schlechte Bleibeperspektive“ verpassen, bleibt die Vielzahl dieser Menschen hier; das wissen Sie doch auch . Das Einzige, was sich durch dieses Label verändert, ist, dass sich die Integrationschancen dieser Menschen verschlechtern, und zwar rapide . Das ist nicht nur ein Drama für die betroffenen Menschen, die im Grunde ihren Integrationsehrgeiz nicht befriedigen können - dieser verwandelt sich dann in Frustration -, sondern das treibt auch die Kosten enorm in die Höhe . Das ist besonders dramatisch, weil Sie mit dieser Politik die gesellschaftliche Unterstützung, die wir immer noch haben, aufs Spiel setzen . Sie treiben die Betroffenen in die Schwarzarbeit und in die Illegalität und schaffen damit erst die Probleme, die die AfD mit ihren rechtspopulistischen Äußerungen heraufbeschwört . Das ist schlechte Politik . ({4}) Daran werden die 100 000 Arbeitsgelegenheiten auch nichts ändern . Es ist und bleibt das falsche Instrument, Sabine Weiss ({5}) weil es qua Definition arbeitsmarktfern ist. Aber ich habe in der letzten Ausschusssitzung gelernt, dass die Arbeitsmarktintegration gar nicht das Ziel ist . Sie nehmen 300 Millionen Euro in die Hand, um den Flüchtlingen die Langeweile zu vertreiben . So haben Sie das im Ausschuss erklärt . Aber die Flüchtlinge wollen keine Beschäftigungstherapie . Sie wollen etwas lernen, und sie wollen arbeiten . ({6}) Mit 300 Millionen Euro könnten wir Sprachkurse und Qualifizierung finanzieren. Dieses Geld wäre besser bei den Flüchtlingen angelegt, selbst wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren . Dann könnten sie einen besseren Beitrag zum Aufbau zu Hause leisten . Das wäre tatsächlich hilfreich bei der Fluchtursachenbekämpfung . ({7}) Sehr geehrte Frau Nahles, Sie haben in der Vergangenheit, wie ich finde, mit Verve und zu Recht dagegen gekämpft, dass es eine Mindestlohnabsenkung für Flüchtlinge gibt . Aber dass jetzt ausgerechnet Sie ein extra Billigangebot bei den Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge schaffen, empfinde ich als eine Schande. ({8}) Da werden die 1,50 Euro, die die deutschen Langzeitarbeitslosen erhalten, für die Flüchtlinge auf 80 Cent abgesenkt . Sie schaffen ein Zweiklassensystem . Das ist hochgradig diskriminierend . ({9}) Ich hätte mir nie vorstellen können, dass eine sozialdemokratische Arbeitsministerin das macht . Was setzen Sie damit für ein Signal! ({10}) Dieses Zweiklassensystem setzen Sie bei den Sanktionen fort . Die Sanktionen, die Sie für die Flüchtlinge vorsehen, sind deutlich härter als das, was wir aus dem SGB-II-System kennen. Ich finde, das ist wirklich eine Schande . ({11}) Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Was haben eigentlich Verschärfungen im Asyl- und im Aufenthaltsrecht in einem Integrationsgesetz zu suchen? ({12}) Das ist doch Etikettenschwindel . Sie schaffen zusätzliche Unsicherheit bei den Betroffenen . Bekanntermaßen ist Unsicherheit Gift für die Integration . ({13}) Die Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist eine riesige Herausforderung, deren Bewältigung Jahre in Anspruch nehmen wird . Wir bräuchten dafür eigentlich ein richtig konsistentes Integrationskonzept . Aber Ihr Gesetz ist vom Geist der Abschreckung und der Ausgrenzung durchzogen . Dem werden wir unsere Zustimmung jedenfalls nicht geben . Ich danke Ihnen . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist der Kollege Josip Juratovic für die SPD-Fraktion . ({0})

Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003782, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ein gutes Integrationsgesetz muss beide Seiten berücksichtigen: die der Flüchtlinge und Zuwanderer, die in unserer Gesellschaft ankommen und dazu faire Bedingungen erhalten müssen, und die der Mehrheitsgesellschaft, die ihre Türen verantwortungsbewusst öffnet, um ebenjene Menschen aufzunehmen . ({0}) Für mich als Integrationsbeauftragten der SPD-Fraktion sind beide Seiten gleichermaßen wichtig . Das Integrationsgesetz, das SPD und Union erarbeitet haben, kommt beiden Seiten gleichermaßen entgegen . Natürlich gibt es auch öffentlich umstrittene Punkte . Es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre; denn schließlich ist dies ein Kompromiss unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Interessen . Das gilt zum Beispiel für die Wohnsitzauflage. Manche Stimmen meinen, Flüchtlinge müssten selbst entscheiden können, wo sie ankommen . Wenn sie bei Verwandten oder ihrer Community Unterschlupf finden, sei das schon ein erster Schritt in Richtung Integration . Viele der Flüchtlinge bevorzugen als ihren neuen Lebensmittelpunkt Großstädte, weil sie meinen, sie hätten dort größere Chancen als im ländlichen Raum . Ich selbst kam mit 15 nach Deutschland in eine Kleinstadt im baden-württembergischen Ländle . Es war das Beste, was mir passieren konnte . Die Welt ist klein und überschaubar . Wenn man Anschluss sucht, sei es in einem Verein oder einer Initiative, kann man schnell in Kontakt mit Menschen kommen; man ist sofort mittendrin . Ich will nichts beschönigen: Auch in einer Dorfgemeinschaft ist man drin oder eben draußen, wenn es schlecht läuft . Aber man hat alle Chancen der Welt, schnell und direkt Teil der Gesellschaft zu werden, zumal wenn auf kommunaler Ebene ausreichend Angebote an Sprach- und Integrationskursen vorhanden sind; das Angebot solcher Kurse ist ja auch Teil des Gesetzes . ({1}) Auch hier kommen wir mit diesem Gesetz den Bedürfnissen der Menschen entgegen . Länder und Kommunen baten dringend um gezieltere Steuerungsmöglichkeiten . Sie möchten Flüchtlinge besser versorgen, aber sich stellenweise auch entlasten . Diese Möglichkeit bekommen sie jetzt . Kolleginnen und Kollegen, das Integrationsgesetz sendet somit deutlich positive Signale in alle gesellschaftlichen Gruppen . Der Staat stellt sich seiner Verantwortung und wird den aktuellen Erfordernissen gerechter . Auch die vielen freiwilligen Helfer, die stillen Helden in unserem Land, die Flüchtlinge in so großer Zahl unterstützen, sollten sich durch das Gesetz und die institutionelle Unterstützung ermutigt und nicht alleingelassen fühlen . Doch für mich ist es auch sehr wichtig, dass sich Integration und Teilhabe nicht nur um Flüchtlinge drehen; denn Integration funktioniert nur dann, wenn sich keine Bevölkerungsgruppe benachteiligt fühlt . ({2}) Abschließend möchte ich betonen: Ja, das Integrationsgesetz geht in die richtige Richtung, und ich hoffe, dass es schnell umgesetzt wird . Aber unsere Gesellschaft braucht mehr, um Zuwanderung zu regeln . Deshalb ist das Integrationsgesetz erst der Anfang, dem ein Einwanderungsgesetz dringend folgen muss . ({3}) Ich bitte um Zustimmung . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Sevim Dağdelen das Wort. ({0})

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, dass jetzt der Opposition Kritik an einem Gesetzentwurf der Regierung vorgeworfen wird . Aber ich möchte Sie von der CDU/ CSU doch wirklich bitten: Hören Sie lieber den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen zu . ({0}) All das sind Organisationen, die dieses Gesetz massiv kritisiert haben . All das sind aber die Organisationen, die den Flüchtlingen ihre Ankunft hier so angenehm wie möglich zu organisieren versucht haben, nachdem der Bund die Länder und die Kommunen im Stich gelassen hatte, nachdem zuvor die Kanzlerin die Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen hat . Das war doch das Problem . Diese Organisationen haben in den Kommunen die Integration möglich gemacht . Selbst Ihre Integrationsbeauftragte hat noch heute in der Presse dieses Gesetz kritisiert als ein Gesetz, das die Integration von Migrantinnen und Migranten zu beinträchtigen droht . Das ist doch ein Armutszeugnis ohnegleichen . Die Integrationsbeauftragte kritisiert ein Gesetz, das Sie Integrationsgesetz nennen . ({1}) Ich möchte einen zweiten Punkt anmerken. Ich finde besonders schlimm, welche Verschärfungen Sie noch in letzter Sekunde in diesem Gesetz vorgenommen haben . Im Kabinettsentwurf war vorgesehen, dass die umstrittene Zuweisung des Wohnortes dann entfallen kann, wenn ein Flüchtling einen angemessenen Wohnraum oder eine Beschäftigung woanders nachweisen kann . Die Möglichkeit, sich selbst angemessenen Wohnraum zu suchen und an diesen Ort ziehen zu dürfen, wurde per Änderungsantrag der Großen Koalition einfach mal gestrichen . Das heißt, dass die Wohnsitzauflage bestehen bleibt, selbst wenn sich die Betroffenen erfolgreich um Alternativen gekümmert haben . Da frage ich Sie: Glauben Sie wirklich, dass es die Integration fördert, wenn die Flüchtlinge nicht für sich selbst sorgen können? Ich halte es wirklich für abenteuerlich, die Eigeninitiative von Flüchtlingen dermaßen zu bestrafen . Allein schon an diesem Beispiel zeigt sich, dass es Ihnen nicht um die Integration von Flüchtlingen geht, sondern um die Gängelung von Flüchtlingen, ({2}) und das finden wir inakzeptabel, meine Damen und Herren . ({3}) Wir sind dafür, Eigeninitiative und Integrationsbemühungen von Flüchtlingen nicht zu erschweren; anderenfalls schaffen Sie nur Ausgrenzung und Ghettoisierung . ({4}) Deshalb hat die Integrationsbeauftragte dieser Bundesregierung recht . Dies ist kein Integrationsgesetz; ({5}) das Gesetz wird Desintegration befördern . Vielen Dank . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin für die CDU/ CSU-Fraktion ist die Kollegin Cemile Giousouf . ({0})

Cemile Giousouf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004279, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich noch an die Diskussionen vor einem Jahr? Da haben wir alle in unseren Fraktionen darüber diskutiert, wie wir die Kommunen unterstützen können, damit sie die Kriegsflüchtlinge versorgen können - mit einer Unterkunft, mit einer Erstaufnahme . Es ging darum, dass die Asylanträge schneller bearbeitet werden sollen . Und heute? Heute reden wir über ein Gesetz, das Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns geflohen sind, dabei helfen soll, in der Zeit, in der sie hier leben, Teil unserer Gesellschaft zu sein . In so kurzer Zeit hat unser Innenminister gemeinsam mit der Arbeitsministerin ein Gesetz auf den Weg gebracht, in dem es um Integration und Teilhabe geht . Während andere europäische Länder sich noch immer weigern, Menschen auch nur Unterschlupf zu geben, streiten wir heute darum, wie wir Bleibeberechtigte am besten und schnellsten integrieren können . Dazu möchte ich uns allen gratulieren; es zeigt doch sehr, was wir unter Verantwortung verstehen . ({0}) Heute verabschieden wir das erste Integrationsgesetz Deutschlands . Das Gesetz ist wirklich ein Meilenstein, wie die Bundeskanzlerin es gesagt hat . Dieses Gesetz zeigt, dass wir keine Zuwanderung ohne Integration mehr wollen und in diesem Land auch nicht mehr haben werden . Anerkannte Flüchtlinge unterstützen wir, aber Integration braucht eben auch Regeln . Regeln haben wir in allen gesellschaftlichen Bereichen, und deswegen brauchen wir sie auch im Bereich der Integration . Es ist ein Gesetz der Partnerschaftlichkeit . Wenn wir den Flüchtlingen sagen, dass wir auch etwas von ihnen erwarten, nehmen wir sie als eigenverantwortliche Menschen ernst . Wir beziehen sie auf Augenhöhe in unsere Gesellschaft ein, weil wir sie nicht nur paternalistisch versorgen wollen . Die Kollegen von der Opposition haben einige Punkte kritisiert . Es ist ihr Recht . ({1}) Aber schauen wir uns die Verhältnismäßigkeit an! Sie, Frau Dağdelen, bezweifeln - das haben Sie eben noch einmal deutlich gemacht -, dass die Wohnsitzauflage die Integration überhaupt fördern könne . Experten des Sachverständigenrates sagen - also nicht nur die Politiker -: Wenn etwas Integration am meisten befördert, dann sind es Sprache und Arbeit . Deshalb ist es auch richtig, dass die Flüchtlinge dorthin ziehen, wo sie eine Arbeit bekommen, wo sie Integrationskurse bekommen und die Sprache lernen können . ({2}) An einer Stelle muss ich Frau Dağdelen allerdings recht geben . Es hat auch mich etwas irritiert, heute in der Presse zu lesen, dass selbst die Staatsministerin für Integration das Gesetz kritisiert hat . ({3}) In ihrer Rede hat sich das alles anders angehört . ({4}) Ich glaube, dass es einen faden Beigeschmack bei unseren Bürgerinnen und Bürgern hinterlässt, wenn wir nicht geschlossen hinter diesem Gesetz stehen . Wir sollten nach außen die klare Botschaft senden, ({5}) dass dieses Gesetz hilft und herausfordern kann: ({6}) Wir fordern die Menschen auf, die Sprache zu lernen . Aber wir stellen natürlich auch die Angebote dafür zur Verfügung. Allein in diesem Jahr fließen 250 Millionen Euro zusätzlich für die Integrationskurse . Wir heben den Stundensatz für Integrationslehrer an . ({7}) Wir erweitern mit dem Integrationsgesetz außerdem die Orientierungskurse von 60 auf 100 Stunden . Dabei legen wir verstärkt Wert darauf, dass unsere Grundrechte und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen besser erklärt werden . Das kommt übrigens besonders den Flüchtlingsfrauen selbst zugute . Ganz wichtig für uns: Die Hälfte der Flüchtlinge sind zwischen 18 und 27 Jahre alt . Es sind junge Menschen, die wir frühzeitig unterstützen können, einen Beruf zu erlernen . Der Arbeitsmarkt kann das auch schaffen . Im Moment haben wir in Deutschland 41 000 offene Ausbildungsplätze . Auch für Geduldete schaffen wir Rechtssicherheit . Wer eine Ausbildung beginnt, soll für die gesamte Dauer in Deutschland bleiben dürfen . Die bislang bestehende Altersgrenze zu Beginn der Ausbildung fällt weg . Da, wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist, können die Länder entscheiden, auf die Vorrangprüfung zu verzichten - eine Forderung, die oft von Unternehmen kam . ({8}) Nun beschweren sich die Kollegen der Grünen immer noch darüber, dass wir die berufsvorbereitenden Maßnahmen für Geduldete erst nach sechs Jahren zugänglich machen . Da frage ich mich schon bei so manchem Beitrag, ob Sie überhaupt wissen, wer Geduldete sind . Geduldete sind Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde . ({9}) Hinzu kommt: Nur 0,6 Prozent der Asylentscheidungen in diesem Jahr endeten mit einer Duldung . Über wie viele Menschen reden wir also? Wer als Geduldeter einen Ausbildungsplatz findet, hat auch Zugang zu allen Unterstützungsmaßnahmen . Nur die berufsvorbereitenden Maßnahmen haben diese Koppelung an den Arbeitsmarkt nicht, sondern finden allein bei einem Bildungsträger statt . Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass Sie ein Gesetz schlechtreden, ({10}) das 99 Prozent der Betroffenen unterstützt, nur weil Sie meinen, dass weniger als 1 Prozent der Menschen nicht schnell genug geholfen wird . Also bei allem Respekt: Das ist einfach Quatsch . ({11}) Insgesamt sieht der Finanzplan für dieses Jahr zusätzlich rund 10 Milliarden Euro für die Aufnahme der Flüchtlinge und die Bekämpfung von Fluchtursachen vor . Wer all das, was wir gemacht haben und jetzt auch vorhaben, gebetsmühlenartig schlechtredet, selbst gegen Expertenmeinungen und Erläuterungen, der betreibt das Geschäft der Angstmacher . ({12}) Stellen Sie sich doch einmal hinter die Menschen dieses Landes, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu! ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Katja Mast das Wort . ({0})

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir mehr für die Integration tun, dann tun wir das nicht nur für die Betroffenen, für die zu Integrierenden, sondern für uns alle . ({0}) So hat das Johannes Rau 2001 auf den Punkt gebracht . Dieses Integrationsgesetz ist ein Zukunftsgesetz und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Zuwanderungsgesetz . ({1}) Um vom Fremden zum Nachbarn, zum Kollegen, zum Vereinsmitglied zu werden, ist die Integration in Arbeit und Ausbildung der beste Weg, weil Arbeit Teilhabe ist; davon sind wir in der SPD überzeugt . ({2}) Arbeit und Ausbildung sind Dreh- und Angelpunkt für alle Integrationsbereiche, für Sprache, Bildung und soziale Teilhabe . Lassen Sie mich ein Beispiel aus dem Gesetz herausgreifen, welches das verdeutlicht . Jeder geduldete Flüchtling kann künftig eine Ausbildung machen . Für ihn und seinen ausbildenden Betrieb ist klar, wie lange er oder sie hierbleiben darf: drei Jahre für die Ausbildung und zwei Jahre für die Weiterbeschäftigung . Das ist gut und wichtig, weil sich jetzt für den Betrieb die Ausbildung lohnt; denn die Betriebe bilden für sich selbst aus . ({3}) Damit ist endlich Schluss mit der Unsicherheit für alle Beteiligten . Mit Ausbildungsbegleitenden Hilfen und Assistierter Ausbildung stehen Instrumente der Bundesagentur für Arbeit schneller zur Verfügung, um das Ausbildungsverhältnis zu stabilisieren . Neu ist auch, dass jetzt der Ausbildungsvertrag das Aufenthaltsrecht klärt und nicht mehr, wie bisher, das Ausländeramt . Das ist für alle Beteiligten unbürokratischer und am Ende auch besser . ({4}) Bei einem Ausbildungsabbruch - das hat die SPD in den Verhandlungen durchgesetzt; darauf lege ich schon viel Wert; das haben bisher alle vergessen zu sagen -, kann künftig einmalig sechs Monate nach einem neuen Ausbildungsplatz gesucht werden . Das ist deshalb so wichtig, weil jeder vierte Ausbildungsvertrag aufgelöst wird, meist durch Abbruch . Dieses Verhältnis wollen wir nicht mit ausländerrechtlichen Fragen belasten . Insofern ist auch das ein großer Erfolg . (Beifall bei der SPD Vor dem Hintergrund, dass 70 Prozent der geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, unter 30 Jahre alt sind, ist dieses Integrationsgesetz ein Ausbildungsförderprogramm erster Güte, und das ist auch gut so . ({5}) Deshalb danke ich insbesondere unserer Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und ihrem Haus . Sie hat Wert darauf gelegt, dass es in Deutschland bei der Integration durch Arbeit endlich einen Meilenschritt nach vorne geht . ({6}) Warum ist das der wichtigste Schritt auf dem Weg zum Zuwanderungsgesetz? Weil zum ersten Mal beim Bleiberecht nicht mehr danach gefragt wird, wo jemand steht, sondern danach, wohin jemand will . Und das ist der Schritt in Richtung Zuwanderungsgesetz . ({7}) Kurzum: Nie waren die Rahmenbedingungen für das Gelingen von Integration - vom Fremden zum Nachbarn, zum Kollegen und zum Vereinsmitglied - so gut, wie sie es mit diesem Integrationsgesetz zukünftig sein werden . Das ist ein gutes Gesetz . Geben Sie ihm Ihre Stimme! ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004342, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute wollen wir mit diesem Integrationsgesetz die Integration der schutzberechtigten Menschen verbindlicher gestalten . Wir verbessern mit dem Integrationsgesetz aber nur den gesetzlichen Rahmen . Den Integrationswillen des Einzelnen kann der Staat nicht ersetzen . Er lebt hier von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann . Ohne die vielen Verantwortlichen vor Ort und ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer, die heute als Lotsen den Weg in die deutsche Gesellschaft weisen, könnte die schwierige Integrationsarbeit nicht gelingen . Sie übernehmen nach wie vor Tag für Tag Verantwortung, und dafür gebührt ihnen unser Dank . ({0}) Frau Kollegin Zimmermann, Ihrem Vorwurf, man kümmere sich nicht um die Menschen, die hierherkommen, widersprechen die vielen Menschen, die sich tagein, tagaus darum kümmern . Dem widersprechen aber auch die Zahlen: Die Finanzminister der Länder rechnen für die Versorgung und Integration mit zusätzlichen Kosten in Höhe von jährlich mindestens 20 bis 30 Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium rechnet bis 2020 mit knapp 94 Milliarden Euro . Es kann also keine Rede davon sein, dass man sich in Deutschland nicht um die Menschen kümmert . Wir legen mit diesem Gesetz den Fokus nach wie vor ganz bewusst auf die Integration der Schutzberechtigten . Rund ein Drittel der Asylbewerber wird nach wie vor abgelehnt; bei ihnen steht die Ausreise im Vordergrund . Wir erwarten in diesem Jahr 550 000 Neuanmeldungen für Integrationskurse . Im letzten Jahr waren es im Vergleich dazu 180 000 . Die Bundesmittel hierfür sind auf 558 Millionen Euro verdoppelt worden . Der Zugang zu diesen Kursen kann nicht beliebig ausgeweitet werden . Wir müssen uns auf die wirklich Schutzberechtigten konzentrieren . Unsere Integrationspolitik folgt dem Prinzip des Förderns und Forderns . Wir fördern in den Bereichen Sprache, Ausbildung und Arbeit, und wir fordern die Inanspruchnahme der Integrationsangebote . Die Kurse müssen zügiger angetreten und durchgeführt werden . Wenn jemand die Integrationskurse nicht ordnungsgemäß absolviert, ({1}) gemeinnützige Arbeit, die ihm zumutbar ist, nicht akzeptiert oder gegen die Mitwirkungspflichten verstößt, dann können Leistungen im Einzelfall auch gekürzt werden . ({2}) Ich halte das auch für richtig . Es geht darum, zu fördern, aber auch zu fordern . Flüchtlinge können sich auch nicht mehr, wie bisher, eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis ersitzen . Wir legen fest, dass Schutzberechtigte, die länger bei uns bleiben wollen, nach fünf Jahren bestimmte Sprachkenntnisse vorweisen und ihren Lebensunterhalt größtenteils selbst bestreiten müssen, bevor sie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten . Wir verbessern auch die Steuerung der Integration. Mit der Wohnsitzauflage können die Länder anerkannten Flüchtlingen für drei Jahre einen festen Wohnsitz zuweisen . Frau Dağdelen, ich habe den Eindruck, Sie haben nicht allen Sachverständigen und auch nicht den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände zugehört . In der Anhörung haben sie diese Forderung noch einmal ganz klar formuliert . Unsere Kommunen brauchen die Wohnsitzauflage zur Steuerung. Dazu gehören Wohnen und Arbeit . Flüchtlinge müssen und sollen dahin gelotst werden, wo es Wohnraum und Arbeit gibt, um soziale Brennpunkte und Ghettobildung zu vermeiden . Selbstverständlich sind Ausnahmen möglich, zum Beispiel aus familiären Gründen oder wenn man anderswo eine Arbeit findet. ({3}) Mit der Drei-plus-zwei-Regelung kommen wir einer Forderung insbesondere der Arbeitgeber nach . Die Dreiplus-zwei-Regelung besagt, dass Betriebe mehr Rechtssicherheit erhalten, wenn sie abgelehnte Asylbewerber bei sich aufnehmen und ihnen einen Berufsausbildungsplatz bewilligen . Das ist in Bezug auf unser bisheriges migrationspolitisches Verständnis, nämlich keinen Spurwechsel zwischen der Arbeitsmigration und dem Asylsystem vorzunehmen, eine Veränderung . Wir gehen diese Veränderung mit, weil wir die Notwendigkeit sehen, für die Auszubildenden und die Betriebe mehr Rechtssicherheit zu schaffen . Aber das darf keine dauerhafte Abweichung von unserem Prinzip werden . Ich halte es für erforderlich und wichtig, dass die Betriebe, die es jetzt in der Hand haben, ob ein abgelehnter Asylbewerber ein Aufenthaltsrecht bekommt, melden müssen, wenn die Ausbildung abgebrochen wird . Das haben wir geregelt . Der Abbruch der Ausbildung muss nicht unverzüglich, aber binnen sieben Tagen gemeldet werden . Mit diesen Änderungen haben wir Rechtssicherheit geschaffen . Die Union hat sich auch mit der Forderung durchgesetzt, dass, wenn konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen bevorstehen, keine Möglichkeit mehr besteht, auf diesem Weg ein Bleiberecht zu erhalten . Auch das ist wichtig und richtig . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Sie kommen dann bitte zum Schluss . ({0})

Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004342, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unser Kurs in der Asylpolitik ist damit klar: Wir fördern und fordern die Integration der Schutzberechtigten . Ein Mehr kann man sich immer wünschen . Die Innenpolitiker wünschen sich manchmal ein Weniger . Trotzdem sage ich: Es ist ein gutes Gesetz . Ich bitte Sie heute, diesem Gesetz zuzustimmen . Es enthält viele gute Ansätze . Danke schön . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Ich schließe damit die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Integrationsgesetzes. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9090, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8615 sowie den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/8829 und 18/8883 zusammenzuführen und in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen . ({0}) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- che 18/9103 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan- trag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliti- onsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abge- lehnt . Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh- lung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Druck- sache 18/9090 fort . Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6644 mit dem Titel „Flüchtlinge auf dem Weg in Arbeit unterstützen, Integration befördern und Lohndumping bekämpfen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an- genommen . Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp- fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7653 mit dem Titel „Arbeitsmarktpolitik für Flüchtlinge - Praxis- nahe Förderung von Anfang an“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta- be d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- sache 18/7651 mit dem Titel „Integration ist gelebte De- mokratie und stärkt den sozialen Zusammenhalt“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfeh- lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 18/9101 . Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6198 mit dem Titel „Zugang zu Bildung und Ausbildung für junge Flüchtlinge sicherstellen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh- nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6345 mit dem Titel „Vielfalt stärkt Wissenschaft - Studienchancen für Flüchtlinge schaf- fen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 18/9022 . Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- tion Die Linke auf Drucksache 18/6192 mit dem Titel „Gleicher Zugang zur Bildung auch für Geflüchtete“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfeh- lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh- nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7049 mit dem Titel „Mehr Bildungs- gerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft - Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Schulen fördern Drucksache 18/8420 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({1}) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Inklusive Bildung für alle - Ausbau inklusiver Bildung in der Kindertagesbetreuung umsetzen Drucksache 18/8889 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({2}) Innenausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Dazu höre ich keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen . - Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin Dr . Rosemarie Hein, Fraktion Die Linke . ({3})

Dr. Rosemarie Hein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004053, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2009 haben wir uns verpflichtet, Inklusion in der gesamten Gesellschaft umzusetzen . Die Voraussetzungen dafür muss die Politik schaffen, also wir . Da haben wir noch ein großes Stück Arbeit vor uns . Wie weit wir davon noch in der Bildung entfernt sind, sollen zwei Beispiele belegen . Erstes Beispiel . Eine Familie im Harz möchte ihr zweijähriges behindertes Kind in einer Regelkita in Wohnortnähe betreuen lassen . Diese Kita ist auch aufnahmebereit . Doch das zuständige Jugendamt verweist die Familie auf eine besondere Kita am anderen Ende des Harzes . Dort sind bereits andere Kinder mit Handicaps in Betreuung . - Das ist nicht Inklusion, sondern Exklusion, Ausgrenzung . ({0}) Es ist zudem eine zusätzliche Belastung für das Kind und seine Familie . Zweites Beispiel . Ein junger Mann aus dem Süden Sachsen-Anhalts hat eine diagnostizierte Lese- und Rechtschreibstörung; die behält man sein ganzes Leben . In der Schule wurde seine besondere Situation zunächst nicht beachtet . Es kam zu einem Schulwechsel . Dort wurde dann seine Rechtschreibleistung nicht mehr bewertet . Das ist bis zur 10 . Klasse möglich, und das ist auch so gehandhabt worden . Der junge Mann hat sich bis zur gymnasialen Oberstufe durchgekämpft; aber dort ging das dann nicht mehr . Das ist nicht nur in Sachsen-Anhalt so, sondern auch noch in 14 anderen Bundesländern . ({1}) Die Folge: Das Abitur fiel entsprechend schlechter aus, was zu unnötigen Wartesemestern bei der gewünschten Studienwahl führt . Nun frage ich Sie: Was berechtigt uns, ein Kind wegen seines Handicaps gegen den Willen der Eltern in eine deutlich weiter weg gelegene Kita zu verweisen? Was berechtigt uns, einem jungen Mann mit einer Leseund Rechtschreibstörung den Zugang zum Studium zu erschweren? Ich sage es Ihnen: Nichts! ({2}) Weil wir dieses Recht nicht haben, haben wir Ihnen heute die beiden Anträge vorgelegt . Das sind ja keine Einzelfälle; das findet immer wieder in vielfältiger Art und Weise statt . Es ist doch paradox: Wer es wegen einer irgendwie gearteten Benachteiligung schwerer hat, Bildung zu erlangen und erfolgreich zu lernen, dem baut unser Bildungssystem noch zusätzliche Hürden auf, ({3}) entweder dadurch, dass Hilfeleistungen erst kompliziert beantragt werden müssen oder fadenscheinig verweigert werden, oder dadurch, dass die individuelle Situation gar nicht berücksichtigt wird, weil sie in keinem der Sozialgesetzbücher vorkommt . Wer Inklusion will, der muss sie im gesamten Bildungsbereich durchsetzen, der muss einen uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zu Bildung für alle - ohne Ausnahme - gewährleisten, ({4}) und ich sage „gewährleisten“, nicht „gnädigerweise“ oder, wie es so schön im Verwaltungsdeutsch heißt, „nach pflichtgemäßem Ermessen gewähren“. Es geht nicht um Ermessen, es geht um einen Rechtsanspruch . ({5}) Für das Gewährleisten sind wir alle zuständig, nicht nur die Länder, nicht nur die Kommunen, sondern auch der Bund . Darum umfasst unser Forderungskatalog in beiden Anträgen Forderungen an alle drei Ebenen . Wir Vizepräsidentin Ulla Schmidt brauchen überall inklusive Kitas und inklusive Schulen; den Rahmen dafür müssen wir schaffen . ({6}) Wir benötigen Inklusion auch im politischen Handeln . ({7}) Darum fordern wir zum wiederholten Male, die gemeinsame Verantwortung für Bildung von Bund, Ländern und Kommunen endlich im Grundgesetz festzulegen . ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Ihnen vor wenigen Wochen mit dem Berufsbildungsbericht schon einmal einen solchen Antrag vorgelegt . Sie werden gemerkt haben, dass sie teilweise wortgleich sind; das ist Absicht . ({9}) Es ging damals um die berufliche Bildung. Es gibt aber auch Unterschiede, die sich durch die speziellen Bildungsbereiche ergeben . Heute nun folgen der zweite und der dritte Streich, und ich verspreche Ihnen: Nach der Sommerpause kommt der vierte Streich, nämlich zur Hochschulbildung . Ich danke Ihnen . ({10})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Der Kollege Xaver Jung hat als Nächstes das Wort für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Xaver Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004316, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben viele Einzelbeispiele gehört zu inzwischen drei Anträgen - einen werden Sie noch vorlegen - mit der Überschrift „Inklusive Bildung für alle“ . Sie plädieren inhaltlich für ein ganzheitliches Konzept . Warum also vier verschiedene Anträge? Das erschließt sich mir nicht . ({0}) Wenn man die vorliegenden Anträge liest, stößt man schnell auf Widersprüche . Sie begründen die Anträge ausschließlich mit den Ausführungen der UN-Behindertenrechtskonvention . ({1}) Als verantwortliche Politiker müssen wir aber vor allem das Kindeswohl und somit die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler im Blick haben . ({2}) Es gibt einen gesellschaftlichen Wandel . Die UN-Behindertenrechtskonvention ist aber nicht Auslöser dieses Umdenkens, sondern das erste Ergebnis . In der Folge ist Inklusion nicht die Umsetzung dieser Konvention, sondern die bedarfsgerechte Berücksichtigung von gesellschaftlich anerkannten Bedürfnissen . ({3}) Dieser strukturelle Wandel hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, die Sie in Ihrem Antrag schlichtweg nicht zur Kenntnis nehmen . ({4}) Unsere Bildungseinrichtungen befinden sich gegenwärtig in einer Phase des Übergangs, wie der Bildungsbericht 2014 attestiert . In unserem Antrag zur inklusiven Bildung von vor zwei Jahren haben wir bereits entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet . ({5}) Des Weiteren gibt es die von Ihnen geforderten verbindlichen Empfehlungen für inklusive Bildung als Leitlinien der KMK, also in dem von Ihnen geforderten Rahmen, bereits seit 2011 . Einzelprobleme lassen sich mit den Maßnahmen, die Sie in Ihren Anträgen formuliert haben, leider nicht lösen . ({6}) Wenn man, von der UN-Behindertenrechtskonvention ausgehend, zur Lösung der Probleme wiederum zu einer Schwächung oder gar zur Abschaffung des Gymnasiums kommt, ({7}) widerspricht das jedem zielorientierten Denken . ({8}) - Das steht in Ihrem Antrag . Sie haben doch drei gleichlautende Anträge hier abgegeben; Sie müssten wissen, dass das drinsteht . Oder kennen Sie Ihre Anträge nicht? ({9}) Frau Hein, Sie glauben doch nicht wirklich, dass die Abschaffung des Gymnasiums zu mehr Akzeptanz für unser gemeinsames Inklusionsanliegen führt . ({10}) Damit erreichen Sie doch das Gegenteil von breiter gesellschaftlicher Akzeptanz . Das Thema wird als Vehikel missbraucht, um hier schulpolitische, systempolitische Gedanken einzuführen . ({11}) Ebenso wird der Begriff der Exklusion verwendet, um unser Förderschulsystem abzuwerten . Ständig taucht der Begriff der Exklusion in einer Art und Weise auf, die ich nicht teile . In unserem traditionellen Förderschulsystem werden Kinder nicht ausgegrenzt, wie Sie es formulieren; Sie haben das ja gerade wiederholt . Vielmehr erfahren Kinder mit Beeinträchtigungen bei uns bisher in zwölf differenzierten Förderschularten eine ganz besondere schulische, physiologische und besonders liebevolle Förderung . ({12}) Dieses über Jahrzehnte gewachsene System kann nur schrittweise in ein noch besseres inklusives Schulsystem überführt werden . Die notwendigen Schritte sind eingeleitet. Wir befinden uns gemeinsam mit den Ländern auf dem Weg zu mehr Inklusion . Wir haben ein großes Stück des Weges noch vor uns . Sie haben in Ihrem Antrag viele Zahlen aufgeführt . Wettbewerbe um die jeweils höchste Inklusionsquote, ohne dabei Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, machen aber keinen Sinn . Viele Bundesländer rühmen sich ihrer Quantität statt ihrer Qualität . ({13}) Das schadet eher dem Kindeswohl . Die sogenannte kalte Inklusion darf nicht auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen ausgetragen werden . ({14})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege, lassen Sie Ihre Redezeit nicht verstreichen . Reden Sie einfach weiter . ({0})

Xaver Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004316, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann nur sagen: Die Anträge, die Sie hier vorgelegt haben, bieten uns keine neuen Erkenntnisse . Sie helfen uns nicht wirklich weiter . Klassenideologische Ansätze dienen dem Ziel der Inklusion nicht, sondern schaden eher . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist der Kollege Özcan Mutlu, Bündnis 90/Die Grünen .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Xaver Jung, ich rate vor allem Ihnen: Verlassen Sie erst einmal Ihre ideologischen Gräben, dann können wir über vernünftige Bildungspolitik reden . ({0}) Das, was Sie hier gemacht haben, war Ideologie pur . Sie sind gar nicht auf die Rede der Kollegin von der Linken eingegangen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Woche habe ich in einer Tageszeitung aus NRW gelesen, dass eine junge Frau aus dem schönen Nettetal das beste Abitur ihres Schuljahrgangs absolviert hat . ({1}) Manche mögen jetzt fragen: Was ist daran so ungewöhnlich? Ich sage es Ihnen: Die junge Frau hat als Schülerin bis zur achten Klasse die Förderschule besucht . ({2}) Diese junge Frau hat es dank ihres eigenen Engagements, aber auch dank des Engagements ihrer Eltern und ihres Umfelds geschafft, nach der achten Klasse auf eine Gesamtschule zu wechseln; ({3}) ein Glück für sie . Ich sage: Weil viele Kinder und Jugendliche dieses Glück nicht haben und wir ein strukturelles Bildungsproblem haben, müssen wir umsteuern . ({4}) Deshalb sollten Sie genau zuhören . Viele junge Menschen bekommen schlichtweg nicht die Chance, eine Regelschule zu besuchen . Aber wir saXaver Jung gen: Der Bildungserfolg unserer Kinder darf weder vom Glück abhängig sein noch davon, ob sie in einer Förderschule oder einer Regelschule lernen . Der Sonderstatus und die konstruierte Andersartigkeit fallen beim inklusiven Unterricht weg . Nur so können alle sich bestmöglich entwickeln und bestmöglich gefördert werden . ({5}) Inklusion ist nicht - wie es in einem Zwischenruf von der CDU/CSU eben hieß - Gleichmacherei, sondern das Gegenteil von Gleichmacherei . ({6}) Inklusion heißt nämlich: Jeder und jede wird individuell gefördert, ohne ausgeschlossen oder stigmatisiert zu werden . Nur so kann Bildungsgerechtigkeit gelingen . ({7}) Das, liebe Kolleginnen und Kollegen - ich schaue in Richtung der CDU/CSU -, sollte unser aller Anliegen sein, und nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Kitas . Der jüngste nationale Bildungsbericht hat erneut bestätigt, dass Bildungsungerechtigkeit und soziale Disparität immer noch die Achillesferse unseres Bildungssystems darstellen, obwohl kleine Fortschritte zu verzeichnen sind . Es wird weiterhin selektiert und aussortiert . ({8}) Wir Grüne sagen: Damit muss Schluss sein! ({9}) Das leidige Kooperationsverbot ist, auch wenn Sie es nicht gern hören, ein wesentliches Inklusionshemmnis das sollten Sie endlich akzeptieren -; ({10}) denn Inklusion kostet Geld . Hier darf sich der Bund keinen schlanken Fuß machen . Wir sehen den Bund auch in der Pflicht. ({11}) Wir brauchen endlich eine gemeinsame Bildungsstrategie für unser Land . Deshalb sagen wir: Packen Sie es an! Lassen Sie uns gemeinsam das Kooperationsverbot abschaffen! ({12}) Meine Damen und Herren, inklusiver Unterricht muss auf variierende Lerntempos der Schülerinnen und Schüler eingehen . Das erfordert mehr Investitionen in die Bildung und neue Konzepte . Auf der Nationalen Konferenz zur inklusiven Bildung im Jahre 2013 hat Frau Ministerin Wanka in Richtung der Länder gesagt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: Jeder Cent für inklusive Bildung ist gut angelegt . - Da nehmen wir Sie beim Wort, da stimme ich Ihnen absolut zu . Das muss auch die Bundesregierung endlich beherzigen und nicht nur Sonntagsreden von sich geben . ({13}) Unterstützen Sie die Länder, damit inklusive Bildung für alle keine Illusion bleibt!

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen .

Özcan Mutlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004360, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Mit der 2009 ratifizierten UN-Konvention haben wir uns verpflichtet. Darin wird inklusives Lernen als ein Menschenrecht anerkannt . Uns ist es aber bislang nicht gelungen, das flächendeckend vollumfänglich umzusetzen . Jetzt ist es an der Zeit! Lassen Sie uns gemeinsam anpacken, statt immer noch in ideologischen Gräben - wie Sie da drüben von der CDU/ CSU - zu verharren . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat Oliver Kaczmarek von der SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal finde ich es vom Grundsatz her gut, dass wir heute die Gelegenheit haben, dieses Thema zu diskutieren . Allerdings glaube ich, dass wir in der Thematik doch schon etwas weiter sind; denn die Behindertenrechtskonvention ist seit sieben Jahren in Kraft . Kitas, Schulen und Hochschulen haben sich auf den Weg gemacht, und deshalb finde ich einige Stichpunkte grundsätzlicher Art in Ihrem Antrag, in dem es um neue Lernkulturen und meinetwegen auch um eine Enquete-Kommission geht, durchaus diskussionswürdig . Aber das hilft den Schulen, die sich schon auf den Weg gemacht haben, in ihrem Alltag im Moment recht wenig . Deswegen möchte ich drei Anmerkungen zu dem machen, was wir in der Praxis von Inklusion, die wir schon seit einigen Jahren in den Ländern beobachten können, lernen können und was wir umsetzen müssen . Die erste Anmerkung ist ganz klar: Es ist schon viel geleistet worden . Jedes dritte Kind mit Förderbedarf wird heute im gemeinsamen Unterricht in Deutschland beschult . Das ist ein Erfolg . Deswegen geht der erste Dank an diejenigen, die sich jeden Tag in ihre Klassen stellen, manchmal auch der Meinung sind, dass die Ausstattung nicht gerade optimal ist, und trotzdem jeden Tag dafür sorgen, dass Kinder gemeinsam beschult werden, dass Chancengleichheit ein Stück näher rückt . ({0}) Da gibt es natürlich auch Unterschiede . Die Pionierländer wie Bremen oder Schleswig-Holstein sind schon weiter . Sie haben eine Inklusionsquote von über 60 Prozent an Schülern mit Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht . Hessen liegt als Schlusslicht bei gerade einmal gut 20 Prozent . Da gibt es unterschiedlichen Nachholbedarf . Darauf muss man differenziert eingehen . Zweite Anmerkung: Ja, wir müssen da unterstützen, wo es hakt . Wir müssen die Probleme des Alltags aufgreifen . Ich will dazu zwei Stichworte aufnehmen . Das erste Stichwort dazu, das Sie im Antrag richtigerweise nennen, ist die Barrierefreiheit . Dabei geht es um Investitionen in Schulgebäude . Das sind Zukunftsinvestitionen . Ich kann mir eigentlich kaum eine bessere Zukunftsinvestition in die Lern- und Lebensbedingungen von jungen Menschen, von Schülerinnen und Schülern vorstellen . Ich glaube, der Bund hat tatsächlich ein bisschen mitgeholfen, dass in den Ländern Spielraum dafür besteht . Ich denke zum Beispiel an die BAföG-Entlastungen . Das sind jedes Jahr knapp 1,2 Milliarden Euro, die in die Länder fließen und die die Länder - ich bin der Bundesregierung dafür dankbar, dass sie das in einer Unterrichtung klargestellt hat - genau für Bildung ausgeben . In der Unterrichtung steht, dass die Annahme gestützt wird, dass die freigewordenen Mittel den Bildungs- und Wissenschaftshaushalten der Länder zugutekommen . Ich bin der Bundesregierung dankbar, dass sie diese absurde Diskussion über die Verwendung der BAföG-Mittel damit endlich beendet hat . Sie kommen der Bildung zugute . ({1}) Ich glaube, auch die Länder machen einiges . Ich will hier nur beispielhaft darauf hinweisen, dass Nordrhein-Westfalen gestern bekannt gegeben hat, dass in den nächsten vier Jahren zusammen mit der NRW .BANK jeweils eine halbe Milliarde Euro pro Jahr mobilisiert wird, um Schulgebäude in Nordrhein-Westfalen zu modernisieren . Ich glaube, das ist genau das richtige Zeichen . ({2}) Zweites Stichwort: Ja, gute und überzeugte Lehrerinnen und Lehrer, Profis für Inklusion sind der Schlüssel für das Gelingen von inklusiver Bildung . Die Länder leisten da sicherlich ganz viel . Das jetzt im Einzelnen aufzuführen, würde zu weit führen . Ich glaube, dass auch der Bund seinen Beitrag dazu leistet . Wir haben mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ein Instrument in der Hand, mit dem wir Innovationen im Bildungswesen anreizen und Best Practice verbreiten wollen . Tatsächlich ist es so, dass in der ersten Förderrunde neun Projekte bewilligt worden sind, die sich direkt auf Inklusion beziehen . 51 von 59 geförderten Projekten beziehen Heterogenität im Unterricht, heterogene Lerngruppen und Inklusion ausdrücklich in ihre Konzepte ein . An dieser Stelle erhoffen wir uns auch für die zweite Förderrunde eine ganze Menge . Ich glaube, es ist wichtig, dass wir mithelfen, die Lehrerausbildung zu modernisieren . Zuhören und bei den Alltagsproblemen anpacken - das ist das, was jetzt gefordert wird . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Anmerkung zum Schluss . Ich sorge mich - wie viele andere auch darum, dass sich kritische Meldungen häufen über die Frage, wie eigentlich Inklusion an Schulen umgesetzt wird und wie sich das Klima an Schulen entwickelt . Ich glaube, wir müssen auf Folgendes hinweisen: Inklusion, inklusive Bildung, das bedeutet einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft - für die Kinder mit Behinderung, weil sie mehr Chancengleichheit bekommen, aber auch für alle anderen, weil sie etwas über soziales Lernen erfahren, über Diversität in pluralistischen Gesellschaften usw . Wir müssen immer wieder die Akzeptanz aufrechterhalten . Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen sehen, dass es einen Mehrwert hat . Es lohnt sich, für inklusive Bildung zu kämpfen . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner spricht Marcus Weinberg von der CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Hein, „Schein“ hat mehr Buchstaben als „sein“. Bei Ihrem Debattenbeitrag fiel mir deutlich auf, dass Sie das eigentliche Kernthema Ihres Antrags gar nicht angesprochen haben . Wieder einmal sind es die drei Punkte: Erstens wollen Sie das föderative System auf den Kopf stellen, zweitens soll der Bund auch noch die Kitas finanzieren, und drittens wollen Sie die Elternbeiträge abschaffen . Das hat mit dem Thema inklusive Bildung und mit den Maßnahmen, die der Bund mittlerweile unternimmt, nichts zu tun . ({0}) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben uns hier ja schon vor vielen Jahren darüber unterhalten und haben darüber diskutiert, wie wir das sehen . Viel weiter sind Sie nicht gekommen, ({1}) und viel kreativer sind Sie auch nicht geworden . Deswegen komme ich jetzt zu dem Thema, Herr Mutlu, um das es eigentlich geht . Es ist doch unbestritten, dass die Inklusion ein Ziel ist . Aber - ich greife das auf, was Sie gesagt haben - man sollte es sorgsam tun . Das Umsteuern darf nicht dazu führen, dass man die Kinder nicht mitnimmt . ({2}) Es häufen sich die Meldungen aus einzelnen Schulen, dass mittlerweile ganze Schulsysteme vor dem Kippen sind, weil sie nicht ausfinanziert sind und weil die Inklusion dort nicht funktioniert . Wir sind für die Inklusion, aber im Mittelpunkt steht das Kindeswohl . Das muss unser Leitinteresse sein . ({3}) Wenn Kinder in Förderschulen gut gefördert werden, dann ist das auch im Sinne der Kinder und der Eltern . ({4}) Dann kommen Sie mit Ihrem Antrag, in dem es wieder einmal heißt: Das Verbot der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, das Kooperationsverbot soll aufgehoben werden . Nein, das Gegenteil ist doch gut: Bund und Länder sollen kooperieren, aber die Verantwortung für das Schulsystem und für das System der Kindertagesbetreuung muss doch dort liegen, wo wir eine gewisse Historie haben, wo wir verschiedene Entwicklungen haben . Sie können die Systeme in Hamburg, Berlin und München nicht miteinander vergleichen . Deswegen sollte man den Ländern und den Kommunen die Freiheit geben, ihre Systeme weiterzuentwickeln . ({5}) Die Kindertagesbetreuung ist dabei Teil der öffentlichen Fürsorge in der geteilten Verantwortung . Ein weiterer Punkt ist wieder einmal die Umverteilung vom Bund zu den Ländern . Der Kollege der SPD hat es angesprochen: Der Bund macht einiges . Ich sage das einmal in Bezug auf die Kindertagesbetreuung: Ab dem Jahr 2017 werden wir den Ländern einen Betriebskostenzuschuss von 945 Millionen Euro im Jahr zahlen, also für die originäre Aufgabe der Länder . Das tun wir, weil es wichtig ist . Wir haben 5,4 Milliarden Euro in den Ausbau der Krippenversorgung investiert, und wir haben viele Teilprogramme im Bildungsbereich und für die Kindertagesbetreuung, um die Länder zu entlasten . Eines sage ich Ihnen aber auch ganz deutlich: Das Grundsystem der föderativen Einteilung bleibt bestehen und muss auch bestehen bleiben, weil die Länder hier in der Verantwortung sind . ({6}) Sie schreiben in Ihrem Antrag - ich lese Ihre Anträge aufmerksam; ({7}) Sie haben das eben nicht so genau ausgeführt -, dass gemeinsam mit den Ländern ein Masterplan entwickelt werden soll, um mittelfristig in allen Ländern die Elternbeiträge für die Kindertagesbetreuung abzuschaffen . Der engere Zusammenhang mit der inklusiven Bildung fehlt mir momentan noch . Ich sage Ihnen eines aber auch einmal ganz deutlich: Das sehen wir anders . Erstens . Es gibt einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz . Deswegen wollen wir den Ausbau vorantreiben . Zweitens . Danach geht es um die Qualität in den Kindertagesstätten . Drittens . Wenn dann noch Geld da ist, können wir uns über die Elternbeiträge unterhalten . Ich sage ganz deutlich: In Hamburg wurden die Elternbeiträge gestrichen. Davon profitieren die Besserverdienenden, so wie ich . Ich würde mir wünschen, die Sozialdemokraten in Hamburg würden mehr Erzieherinnen einstellen, damit sich die Qualität steigert . Das ist aber leider ausgeblieben . ({8}) Ich kann Ihnen sagen: Für Kindertagesstätten besteht über den Grundsatz der Teilhabe hinaus ein integrativer Förderauftrag . Demnach sollen Kinder mit und ohne Behinderung grundsätzlich in den Gruppen gemeinsam gefördert werden . Sie hatten Beispiele aus dem Harz angesprochen . Ich weiß nicht, wer da aktuell regiert . Ist das vielleicht Niedersachsen? Keine Ahnung! Ich kann Ihnen nur sagen: In meinem Bundesland, in Hamburg, werden 99 Prozent der Kinder gemeinsam in Kindertagesstätten betreut . Der Bund hat darüber hinaus das Thema „inklusive Bildung“ sogar exklusiv aufgenommen . Die Programme des Bundes wurden bereits angesprochen . Ich erinnere zum Beispiel an das Bundesprogramm „SprachKitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ mit über 4 000 Schwerpunkt-Kitas . Um auf das Geld zu schauen: Für dieses Programm werden im Jahr 2016 131 Millionen Euro und im Jahr 2017 278 Millionen Euro bereitgestellt . Themen dieses Programms sind nicht nur die Integration und die Sprache, sondern - oha, oha - das zweite der drei Themen dieses Programms lautet „Inklusive Pädagogik“ . Ich darf aus dem Programm zitieren: Eine inklusive Pädagogik ermutigt Kinder und Erwachsene, Vorurteile, Diskriminierung und Benachteiligung kritisch zu hinterfragen sowie eigene Gedanken und Gefühle zu artikulieren . Das bedeutet, dass man sowohl den Gemeinsamkeiten und Stärken von Kindern Aufmerksamkeit schenkt als auch Vielfalt thematisiert . Auf Deutsch gesagt: Der Bund nimmt Geld in die Hand, um die inklusive Bildung über dieses Programm zu fördern . ({9}) Insoweit kann ich als Fazit feststellen: Die Länder sind in der Verantwortung . ({10}) Der Bund unterstützt die Länder gerne . Aber bitte: Ordnungspolitisch muss es noch gewisse Grundsätze in diesem Land geben . Ich sage hier ganz deutlich: Die Kindertagesstätten und der Schulbereich bleiben in der Marcus Weinberg ({11}) Zuständigkeit der Länder . Inklusive Bildung ja, aber es muss sorgsam umgeschichtet und umgesteuert werden, damit kein Kind auf der Strecke bleibt . Das darf uns nicht passieren . Deswegen sollten wir im Übrigen auch beide Systeme, das inklusive System und das Fördersystem, weiter schützen und stärken . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . ({12})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Stefan Schwartze von der SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das gemeinsame Lernen und Aufwachsen von Kindern mit oder ohne eine Behinderung muss eine Selbstverständlichkeit sein . Es ist eine Chance für uns alle, Barrieren in den Köpfen zu überwinden, und eine Chance für jeden Einzelnen, seine soziale Kompetenz zu stärken . ({0}) Kinder selbst haben keine Barrieren . Sie sind interessiert, fragen nach und spielen miteinander . Im Umgang miteinander können wir vieles von ihnen lernen . ({1}) Nicht ohne Grund sind inklusive Kitas Bestandteil des gerade vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Aktionsplans 2 .0 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention . Entwicklungsförderung von Anfang an und die Stärkung der Qualität inklusiver frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung werden wir weiterhin in den Fokus nehmen . Doch so sehr wir uns einbringen wollen, einheitliche Standards für jedes Kind zu schaffen, und zwar unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht und wo es in Deutschland aufwächst, so sehr sind wir auf eine intensive Zusammenarbeit mit den Ländern angewiesen; denn die Standards sind in den Ländern äußerst unterschiedlich . Die Länder und Kommunen haben auf diesem Weg bisher Großes geleistet . Allein in Nordrhein-Westfalen sind seit 2010 mehr als 600 000 Kitaplätze geschaffen worden . Hier gab es nach der schwarz-gelben Landesregierung sehr viel aufzuholen . ({2}) Doch wir haben in Deutschland mit Blick auf die unterschiedlichen Betreuungsstandards weiterhin einen Flickenteppich . Diese Unterschiede kann niemand wirklich wollen . Ich bin sicher, dass es hier im Haus eine breite Mehrheit für die Einführung eines Bundesqualitätsgesetzes gibt . ({3}) Mit ihrem Qualitätsdialog ist Manuela Schwesig auf dem richtigen Weg . Nur in einem Dialog mit den Ländern können wir vergleichbare Bildungschancen und einheitliche Qualität liefern . Dabei ist klar: Bessere Personalschlüssel, Barrierefreiheit und Weiterbildung gibt es für Bund, Länder und Kommunen nicht umsonst . ({4}) Noch nie hat der Bund so viel Geld für den Kitaausbau gegeben und wird das auch in Zukunft tun: bis 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro . Seit 2015 liegen wir bei einer jährlichen Unterstützung für die Betriebs- und Personalkosten von 845 Millionen Euro . Im dritten Investitionsprogramm geben wir eine weitere Milliarde für den Kitaausbau . 2017 und 2018 werden wir noch einmal jeweils 100 Millionen Euro für die Betriebskosten bereitstellen . Auch die freiwerdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld stehen den Ländern zur Verfügung . Das, was der Bund hier macht, ist eine wirkliche Kraftanstrengung, mit der wir die Länder strukturell und finanziell unterstützen. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel . Daran werden wir weiter arbeiten . Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit . ({5})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Damit schließe ich die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/8420 und 18/8889 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist das so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA Drucksachen 18/8878, 18/9035 - Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9073 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen . Marcus Weinberg ({2}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat Rainer Arnold für die SPD-Fraktion das Wort . ({3})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles, was wir hier entscheiden, tun wir in dem Bewusstsein: Das, was wir leisten können, ist nur ein Heftpflaster; nicht mehr und nicht weniger, angesichts eines Staates, der mehr und mehr zerfällt, angesichts einer Regierung, deren Vertreter es schon an der nächsten Straßenecke mit Milizen zu tun haben, die in diesem Land ganz andere Dinge durchsetzen wollen . Die Bildung der Einheitsregierung in Libyen ist zwar ein kleiner, aber wichtiger Schritt zu mehr Stabilität . Wir wissen, wir werden Geduld brauchen, bis sich diese Regierung in Libyen wieder durchsetzen kann und die Kontrolle über das Land erhält . Ich sage das deshalb am Anfang, weil wir wissen: Das Allerwichtigste zur Bewältigung dieser Situation ist, dass dieses Land Libyen nicht weiter zerfällt, sondern wieder auf einen stabilisierenden Pfad zurückgeführt wird . Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Martin Kobler, leistet mit seiner Kompetenz, aber auch mit seinem diplomatischen Geschick Herausragendes . ({0}) Ich denke, er legt mit seiner Arbeit in der Staatengemeinschaft für unser Land Ehre ein . Deshalb ist es Unsinn, wenn die Linken immer wieder behaupten, es gäbe eine Militarisierung der Außenpolitik . Allein dieses Beispiel zeigt doch: Diplomatie ist das Allerwichtigste und das Allererste . ({1}) Humanitäre Hilfe, die in Libyen so dringend gebraucht wird, ist das zweite Wichtige . Deutschland bringt dafür dieses Jahr über 20 Millionen Euro auf . Als Drittes ist aber leider auch wahr, wichtig und notwendig: Dem furchtbaren Terror des „Islamischen Staates“ muss man sich auch mit Waffen entgegenstellen, damit am Ende nicht die Brutalsten obsiegen . Es ist also kein Entweder-oder; es gibt auch keinen Königsweg, sondern alle drei Bereiche - das Humanitäre, das Militärische und die Diplomatie - zusammen sind ein Dreiklang, der eine Chance auf eine Veränderung und Verbesserung der Situation bietet . Dabei geht es nicht nur um die Situation der Menschen in Libyen; es geht auch um unsere eigenen Sicherheitsinteressen . Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS sich weiter in diesem zerfallenen Land ohne Rechtlichkeit breitmacht . Es hat etwas mit unseren Sicherheitsinteressen zu tun, wenn der IS, der im Irak und in Syrien unter Druck ist, jetzt die Chance nutzt, das Vakuum in Libyen auszunutzen . Der Antrag der Bundesregierung zur Erweiterung der Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia um drei zusätzliche Aufgaben ist deshalb richtig, weil das auch in unserem Interesse ist und aus humanitären Gründen richtig ist . Die drei Erweiterungen sind erstens: Es wird in Zukunft ein libyscher Küstenschutz ausgebildet . Es liegt in der Tradition, Ausbildung in fernen Ländern zu leisten, damit diese Länder sich am Ende selbst helfen können und nachhaltig für ihre eigene Sicherheit sorgen können . Es gibt also so etwas wie ein schwimmendes Klassenzimmer und wahrscheinlich auch Auszubildende in sicheren Staaten . Das Zweite ist ebenso richtig: Man muss den Schmuggel von Waffen nach Libyen stoppen . In Libyen gibt es über 20 Millionen Waffen . Wir wissen zwar, dass die meisten über die Landgrenze kommen . Aber das ist noch lange kein Grund, auf See dem Waffenschmuggel zuzuschauen . Deshalb ist es richtig, dass das Waffenembargo der Vereinten Nationen beim Schmuggel von Waffen durchgesetzt werden muss, damit man nicht mehr darauf warten muss, bis der jeweilige Flaggenstaat der Schiffe das akzeptiert . Es ist interessant, Kolleginnen und Kollegen von der Linken. Sie finden sonst das meiste gut, was die Russen tun . Finden Sie es doch hier auch einmal gut! ({2}) Russland hat dem nämlich zugestimmt . Darüber sind wir sehr froh, und das zeigt, dass wir Russland als Partner zur Bewältigung der großen Probleme in der Welt brauchen . Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Mission, die sich auch an Land noch ein Stück weit ausdehnt an der 2 000 Kilometer langen Küste -, ist auch deshalb wichtig, weil es um die Rettung von Menschenleben geht . Über 18 000 in Seenot geratene Flüchtlinge, von üblen Schleuserbanden auf Schlauchboote gesetzt - mit Millionengewinnen für die kriminellen Banden -, wurden in der Zeit, seit die Operation Sophia läuft, gerettet . Ich glaube, wer dies nicht schätzt, geht zynisch mit den Belangen der Menschen um . ({3}) Ich weiß sehr wohl: Die Rettung der Schiffsbrüchigen ist am Ende auch ein Teil des Geschäftsmodells der Schleuser . Sie schicken die Menschen los, nach dem Motto „Da draußen ist ein Schiff der Streitkräfte, das euch retten wird“, und trotzdem tun wir das, und wir müssen es tun, weil es rechtlich und humanitär geboten ist . Aber gleichzeitig dürfen wir nicht zuschauen, wie das Schleuserunwesen weiter zunimmt . Deshalb muss auch auf See, wo es derzeit möglich ist, außerhalb der 12-Meilen-Zone, das Schleuserunwesen bekämpft werden . Ich sagte schon: Wir brauchen eine libysche Regierung, die wieder Staatlichkeit durchsetzt und verhindert, dass die Menschen überhaupt auf diese Boote geführt werden . Über 200 000 Menschen warten auf eine Überfahrt nach Europa . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn Liebe Kolleginnen und Kollegen, wem zerreißt es nicht das Herz, wenn er die Bilder der Schiffsbrüchigen sieht? Die Zahl von 2 500 ertrunkenen Menschen allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres - es sind übrigens mehr als im letzten Jahr - darf uns nicht ruhen lassen . Diese Menschen sind auch Opfer des fundamentalistischen islamistischen Terrors . Sie sind Opfer von kriminellen, mafiösen Schleuserbanden und -strukturen, aber sie sind zuletzt auch Opfer von Industriestaaten und befreundeten Ländern, auch in der Europäischen Union, die nicht bereit sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den fairen Anteil von Menschen aufzunehmen, der dem entspricht, was diese Staaten leisten könnten . Auch dies gehört leider zur Wirklichkeit . ({4}) Vor diesem Hintergrund, werte Kolleginnen und Kollegen, ist doch klar: Wir können und dürfen all dieses Leid nicht verdrängen, deshalb müssen und werden wir diesem Antrag der Bundesregierung zustimmen . Recht herzlichen Dank . ({5})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Sevim Dağdelen von der Fraktion Die Linke das Wort. ({0})

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Infolge des NATO-Krieges gegen Libyen herrschen in dem Land am südlichen Ufer des Mittelmeeres inzwischen islamistische Terrorbanden und Warlords, die einen erbitterten Bürgerkrieg um die Ressourcen des Landes führen . Jetzt weiten Sie den Bundeswehreinsatz, die Mission EUNAVFOR MED, aus, sodass unserer Ansicht nach dieser Bürgerkrieg in Libyen weiter internationalisiert wird . Ziel der Mission soll es auch sein, Einheiten von Polizei und Armee der nichtgewählten Übergangsregierung zu bewaffnen und auszubilden . Wie sieht eigentlich die bisherige Praxis der militärischen Migrationsabwehr - sprich: der Flüchtlingsabwehr - aus? Amnesty International gibt der libyschen Küstenwache, die jetzt noch enger mit der Europäischen Union kooperieren soll, eine Mitschuld an den furchtbaren Leiden der Flüchtlinge . Seit Ende Mai haben sie 3 000 Menschen aus dem Meer gezogen und wieder in die Lager gebracht, von denen es 24 irreguläre in dem Land gibt, die vorwiegend von bewaffneten Banden, auch Islamisten, kontrolliert werden . - So der Bericht der Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International . Mit Ihrer militarisierten Flüchtlingsabwehr und der Kooperation mit Antidemokraten und üblen Schergen in Libyen tragen Sie zu einer massiven Verschlechterung der Lage der Menschen bei . ({0}) Die deutsche Bundesregierung wie auch die deutschen Soldaten tragen somit Mitverantwortung für die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen und für Verbrechen an der Bevölkerung in Libyen so die Menschenrechtsorganisationen. Ich finde, das ist inakzeptabel, und das ist schändlich . ({1}) Ich frage Sie auch: In welche Bürgerkriege möchten Sie sich eigentlich noch einmischen? Wurde dazu die Bundeswehr einmal aufgestellt, um Truppen zu entsenden, die durch Waffenhilfe und -ausbildung weltweit Bürgerkriegsparteien ertüchtigen sollen? Ist das Aufrüsten von Verbrechern in Libyen für Sie Teil der Territorialverteidigung, etwa Deutschlands? Was Sie hier schaffen, ist wiederum ein neues Frankensteinmonster, das Sie in Zukunft eben nicht mehr hegen und bekämpfen können; ({2}) denn wie wollen Sie kontrollieren, in welche Hände Ihre Waffen, die Sie bei der Ausbildung ausgeben werden, eigentlich gelangen? ({3}) Wie wollen Sie garantieren, dass Ihre ausgebildeten Menschen nicht zu den feindlich gesonnenen islamistischen Terrorbanden überlaufen werden? Sie können es nicht garantieren . ({4}) Sie können nicht ausschließen, dass Sie sich an der Ausbildung derjenigen beteiligen, die sich im Grunde genommen dann gegen Sie richten werden; das wissen Sie auch . Das Einzige, das sicher ist, ist, dass Sie den Bürgerkrieg in Libyen damit natürlich weiter anheizen werden, wenn Sie dort Menschen bewaffnen und ausbilden . ({5}) Das ist für uns völlig inakzeptabel, und es ist eine abenteuerliche Außenpolitik . Deshalb fordern wir Sie auf, die Bundeswehr dort abzuziehen . ({6}) Wenn Sie tatsächlich eine Seenotrettung wollen, dann machen Sie doch eine zivile Seenotrettung . ({7}) Warum schicken Sie Kriegsschiffe zu den Flüchtlingen und keine Fähren? Der Kommandant der Fregatte „Karlsruhe“, Christian Clausing, der selbst an dieser Mission beteiligt gewesen ist, hat gesagt: Kriegsschiffe sind für Seenotrettung nicht optimiert . Ich finde, eine militärische Flüchtlingsabwehr genauso wie eine Kriegsbeteiligung ({8}) in Libyen durch Ausbildung und Bewaffnung von Schurken und Schergen stellen einen Bruch unseres GrundgeRainer Arnold setz dar und sind auch nicht mit dem Völkerrecht vereinbar . Deshalb lehnen wir diesen Bundeswehreinsatz ab . ({9}) Wir hoffen, dass bei Ihnen irgendwann Vernunft einkehrt und Sie weiter nicht irgendwelche Islamisten ausbilden . Vielen Dank . ({10})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Da beide Redner, wenn auch nur leicht, ihre Redezeit überschritten haben, appelliere ich nun noch einmal, die Redezeit einzuhalten . Ich werde hier ab 21 Uhr nicht alleine die Abstimmungen leisten können . Sie müssen dann schon dabei sein . Ich erwarte, dass jeder anschließend hier ist . Sie alle wissen, worum es geht . ({0}) Der Kollege Kiesewetter von der CDU/CSU-Fraktion hat das Wort und wird zeigen, dass das geht . ({1})

Roderich Kiesewetter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß nicht . - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Ihnen gerne ein bisschen von meiner Redezeit ab, wenn es dem Fortkommen im Bundestag dient . Wir, die CDU/CSU, unterstützen die Ausweitung der Mission Sophia . Wir haben heute den ganzen Tag über die schwarze Seite der Linken erlebt, heute früh beginnend mit einer Rede der Fraktionsvorsitzenden . Selbst Russland trägt die Unterstellungen, die wir gerade gehört haben, nicht mit; denn wir haben mit Blick auf Libyen eine Resolution der Vereinten Nationen, die von Russland unterstützt wird . Das, was wir bei Libyen erreicht haben, wünschen wir uns auch für Syrien . Die dunkle Seite der Linken, die uns heute in düsteren Farben vorgeführt wurde, verkennt vollkommen, worum es geht . Der Einsatz Sophia ist eingebettet in ein strategisches Konzept der Vereinten Nationen, das alles bietet, was wir brauchen: erstens eine Resolution der Vereinten Nationen und zweitens regionale Partner, die mithelfen und stabilisieren . Ich möchte ausdrücklich - das hat schon Kollege Arnold getan - das Engagement des Sonderbeauftragten Martin Kobler würdigen . Er hat es durch unermüdlichen Einsatz über viele Monate geschafft, die Konfliktparteien in Libyen weitestgehend zu einigen . Ein großes Kompliment aus diesem Hause an Martin Kobler! ({0}) Des Weiteren ist es gelungen, dass sich Marokko intensiv am Shikrat-Prozess beteiligt hat . Außerdem unterstützt Tunesien, das die europäischen Werte ausdrücklich teilt und verteidigt und massiv unter dem Terror leidet, die europäische Grenzsicherungsmission . Ich will die drei Schritte aufzeigen, die für unsere politische Arbeit wichtig sind . Erstens . Die Ausweitung von Sophia bedeutet, dass wir gemeinsam mit den Vereinten Nationen versuchen, das Waffenembargo durchzusetzen . Ich gestehe den Grünen zu, dass wir Lücken haben . Das betrifft die Landgrenzen im Süden, wo der Großteil des Waffenschmuggels stattfindet. Aber wir müssen beginnen und dürfen kein Vakuum hinterlassen . Dass man mit der zivilen Seeschifffahrt kein Waffenembargo durchsetzen kann, dürfte jedem einleuchten, nur nicht der Linken . Der zweite Schritt, der erforderlich ist, ist die Bildung einer libyschen Zentralregierung . Diese wird, wenn es mehrheitlich gewünscht wird, dafür sorgen, dass die europäische Mission im Auftrag der Vereinten Nationen bis an die Küste geht . Ein weiterer Schritt wäre, dass die Mission Sophia dem Einsammeln von Kleinwaffen dient . 6 Millionen Einwohner, 20 Millionen Kleinwaffen - hier sind wir gefordert . Die Europäische Union hat Erfahrungen in Bosnien und im Kosovo gesammelt . Wir wissen, wie das geht, ({1}) und kennen auch die Tücken . Der dritte Schritt ist dann, dass die europäische Mission, wenn die Einladung durch die libysche Zentralregierung erfolgt, Grenzsicherungskräfte in Libyen ausbildet und möglicherweise auch attestiert . Wenn das erreicht ist, haben wir innerhalb Libyens eine Grundstabilität, aber noch lange nicht die Sicherheit, die wir brauchen, um das durchzusetzen, was wir letztlich wünschen, nämlich eine starke Regierung und eine wieder aufwachsende Zivilgesellschaft, die sich um Bildung, Ausbildung und Aussöhnung im eigenen Land kümmern kann . Ich nenne als weiteren Punkt die Durchsetzung der Menschenrechte, die zwingend erforderlich ist . Aber es bedarf dieses schrittweisen Ansatzes . Ein Letztes: Vergangenes Jahr, im November, hatten wir den EU-Afrika-Gipfel . Auf diesem La-Valletta-Gipfel wurde sehr deutlich, wohin die Reise geht . Es geht um die Unterstützung der Afrikanischen Union, auch der Arabischen Liga, zumindest der Maghreb-Staaten, damit wir eine Marktöffnung erreichen und eine Aussöhnung innerhalb der Zivilgesellschaften hinbekommen . Ferner müssen die Themen Bildung und Tagesstrukturen in aufzubauenden Flüchtlingslagern wieder auf die Tagesordnung . All das zusammen ist das Konzept, das die Europäische Union gemeinsam mit den Vereinten Nationen und den regionalen Partnern im Wesentlichen mitgestaltet . Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle deutlich unterstreichen: Unsere Marine leistet im Verbund mit den anderen europäischen Staaten Außergewöhnliches . Unser Dank gilt der deutschen Marine . Wir müssen aber auch durch öffentliche Information unserer Bevölkerung erSevim Dağdelen klären, dass diese Soldaten einen sinnvollen Dienst leisten . ({2}) In diesem Sinne wünsche ich uns eine weitere Debatte . Die CDU/CSU unterstützt die Ausweitung des Mandats . Danke für die Aufmerksamkeit . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Franziska Brantner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Machen wir uns zu Libyen nichts vor: Die nationale Einheit ist weit entfernt, auch wenn dazu erste Schritte vollzogen worden sind . Diverse Milizen kämpfen um die Vorherrschaft, die Terrorbanden des IS treiben ihr Unwesen. Rund eine halbe Million Geflüchtete harren unter furchtbaren Bedingungen aus . Auch wenn man die Mission kritisiert - ich finde, es gibt sehr berechtigte Kritik an dieser Mission -: Ich muss deutlich sagen, dass im Rahmen der Operation Sophia - das ist übrigens ein schöner Name - bisher an die 15 000 Menschenleben gerettet worden sind . Dafür gebührt unseren und den anderen europäischen Soldatinnen und Soldaten unser Dank . ({0}) Ja, Herr Arnold, Schlepper sind keine Waisenknaben, und, ja, man muss auch Menschenhandel bekämpfen . Aber wir meinen, dieser muss polizeilich bekämpft werden und nicht militärisch . ({1}) Es ist doch so, liebe Kolleginnen und Kollegen: Marineverbände bügeln das Versagen der Europäer aus, auf die Flüchtlingskrise eine gemeinsame, faire, solidarische und humane Antwort zu finden. Sie bügeln das Versagen aus . Die Seenotrettung ist der positive Nebeneffekt eines Kurses, der stets nur die Abschottung zum Ziel hatte und bei dem die zivilen Ansätze keine Rolle spielen . Es ist ein positiver Nebeneffekt, aber ein Nebeneffekt . ({2}) Ja, Libyen braucht unsere Hilfe, gerade vor dem Hintergrund der Militärintervention vor fünf Jahren und gerade vor dem Hintergrund, dass man die Libyer damals alleine gelassen hat . Das war eine verantwortungslose Politik, und daraus müssen wir heute lernen . ({3}) Wir bezweifeln aber, dass EUNAVFOR MED - das ist der nicht so schöne Name für diese Mission - wirklich einen Beitrag zur Stabilisierung leisten kann . Was Libyen braucht, sind rechtsstaatliche Strukturen, Bildung und ein Gesundheitswesen . Das ist es, was wir jetzt in Libyen brauchen . Was ist die Antwort der europäischen Mission? Eine Küstenwache, die uns „hilft“ . Das ist keine richtige Antwort auf die große Herausforderung in Libyen . ({4}) Zur Ausbildung der libyschen Küstenwache: Wer soll denn eigentlich ausgebildet werden? Welcher Rechtsrahmen gilt für die Küstenwache? Kann die fragile Einheitsregierung hier überhaupt eine Kontrolle ausüben? Werden diese Einheiten den Schutz von Flüchtlingsrechten gewährleisten? Es gibt so viele Fragen . Wir haben dazu eine Kleine Anfrage mit sehr vielen Fragen an die Bundesregierung gestellt . Haben wir brauchbare Antworten bekommen? Fehlanzeige . Es gab keine Antworten auf diese sehr relevanten Fragen, in denen es darum ging, was diese Mission genau tun wird . Es gab eine Frage, bei der darauf verwiesen wurde, dass sich entsprechende Informationen in einem Dokument in der Geheimschutzstelle befinden würden. Bis heute war das Papier immer noch nicht zugänglich und nicht einzusehen . Dabei stimmen wir heute über dieses Mandat ab . Das hat überhaupt nichts mehr mit Transparenz und Verantwortung zu tun, sondern es ist einfach Ausdruck des Durchpeitschens eines Mandats, bei dem es sehr viele offene Fragen gibt . ({5}) Wir Grüne haben einen eigenen Antrag eingebracht . Wir sind für die legale Einreise Schutzsuchender, für eine echte europäische Mare-Nostrum-Mission . Wir sind für eine verbesserte Zusammenarbeit der EU-Staaten im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Menschenhandel auch auf hoher See . Wir sind für eine Stärkung der UN in Libyen und für einen echten Einsatz Deutschlands und der EU, für eine Stärkung der Einheitsregierung im zivilen Bereich im Hinblick auf Bildung, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit . Die Bundesregierung hätte bei der Mandatsänderung und bei der Mandatserweiterung die Chance gehabt, das Mandat auf die Füße zu stellen . Sie hat diese Chance vertan . Das ist schade . Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als letzter Redner in dieser Aussprache hat Dr . Brandl von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf meine Vorrednerin, Frau Brantner, antworten . Frau Brantner, in diesen Tagen diskutieren wir in Europa viel darüber, was die zukünftigen Aufgaben der Europäischen Union sein sollten . Wenn Sie die Menschen in Europa fragen, dann stellen Sie fest, dass sie vor allem bezüglich einer Aufgabe eine klare Meinung haben: 87 Prozent der Menschen in Europa sagen, Europa müsse seine Außengrenzen schützen . Das ist eine zentrale Herausforderung für Europa . ({0}) Wenn wir innerhalb Europas das Grundrecht der Reisefreiheit, das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit erhalten wollen, dann brauchen wir dafür sichere Außengrenzen . ({1}) Natürlich leistet EUNAVFOR MED einen Beitrag dazu . Das ist auch kein Nebeneffekt . Aber es ist nicht der einzige Beitrag, den EUNAVFOR MED leistet . EUNAVFOR MED leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Region . Wir dürfen bei der Frage der Sicherung der Außengrenzen nicht nur auf Brüssel zeigen und sagen: Liebes Europa, mach mal . Vielmehr ist gerade die Sicherung von Seegrenzen nur in einem gemeinschaftlichen Ansatz möglich . Brüssel allein hat gar nicht die Ressourcen und die Möglichkeiten dazu . Um Seegrenzen wirklich zu schützen, ist es wichtig, dass man auf der anderen Seite einen stabilen Partner hat . Im Mittelmeer haben wir das Problem, dass wir auf der anderen Seite keinen stabilen Partner haben . Dort sind vielmehr instabile Länder, zum Beispiel Libyen oder eine Reihe anderer Staaten in Nordund Westafrika . Deswegen ist es eine zentrale Herausforderung nicht nur, aber auch für den Schutz der Außengrenzen, die Länder in der Region Nordafrika zu stabilisieren . Die EU leistet dazu gemeinsam mit der UN einen Beitrag mit einer ganzen Reihe von Missionen, zum Beispiel in Libyen, in Mali, in Niger, in Zentralafrika und in Somalia . Deutschland unterstützt alle diese Missionen bzw . hat alle diese Missionen schon in der Vergangenheit unterstützt . Ich betone das deshalb, weil nach dieser Debatte nicht der Eindruck erweckt werden soll, dass EUNAVFOR MED Operation Sophia die Lösung ist . EUNAVFOR MED ist ein kleiner Beitrag in einem Gesamtansatz, den die Europäische Union in dieser Richtung fährt . Die Aufgabe von EUNAVFOR MED ist es, aufzuklären . Die Aufgabe von EUNAVFOR MED ist es, Schleuserstrukturen zu bekämpfen . Die Aufgabe von EUNAVFOR MED wird es in Zukunft sein, die libysche Küstenwache mit auszubilden und den Waffenschmuggel zu bekämpfen . EUNAVFOR MED rettet auch Flüchtlinge . Es ist fast schon erschreckend, zu sehen, wie viele Flüchtlinge dort unterwegs sind . Man muss fast täglich im BMVg nachfragen, um die aktuelle Zahl zu erfahren . Wir haben am Dienstag im Verteidigungsausschuss das Mandat besprochen . Zeitgleich zu unseren Beratungen hat der Tender „Werra“ 656 Flüchtlinge aus Seenot gerettet . In der Zwischenzeit - das ist die aktuellste Zahl - sind es bereits über 19 000 Flüchtlinge, die durch EUNAVFOR MED gerettet worden sind . Wir wissen natürlich, dass wir durch diese Mission, durch das Retten der Flüchtlinge zum Teil das Geschäft der Schleuser noch profitabler machen. Deswegen ist es richtig, dass bei der jetzigen Mission entschieden worden ist, nicht ganz in die Nähe der libyschen Küste zu fahren, sondern in internationalen Hoheitsgewässern zu bleiben, um es den Schleusern nicht noch einfacher zu machen . Es ist genauso richtig, die Küstenwache auszubilden, damit die Soldaten, die Polizisten dort in Libyen in die Lage versetzt werden, ihre Küste selbst zu schützen . Es ist richtig, gegen den Waffenschmuggel vorzugehen und damit dem IS und anderen Terrororganisationen die Nachschubwege trockenzulegen . Meine Damen und Herren, wir zeigen nicht nur auf Brüssel im Sinne des Forderns, sondern wir leisten auch einen aktiven Beitrag, heute auch mit diesem Mandat, und ich bitte Sie um Zustimmung . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung zur Fortsetzung und Erweite- rung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EUNAVFOR MED Operation Sophia . Der Aus- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9035, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/8878 anzunehmen . Wir stimmen über die Beschlussempfehlung nament- lich ab . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen einzunehmen . Bitte zügig! - Ich sehe, dass einige Plätze noch nicht besetzt sind . Wenn man jetzt noch nicht den Platz gefunden hat, an dem man Verantwortung hat, ist das nicht zügig, liebe Kolleginnen und Kollegen . Sind die Plätze jetzt besetzt? - Das ist noch nicht der Fall . Liebe Kollegen, ich kann die Abstimmung nicht er- öffnen, solange die Urnen nicht besetzt sind . Herr Neu, können Sie bitte einmal an die Urne dort gehen? Es fehlt immer noch ein Schriftführer von der Opposition . - Danke . Sind jetzt alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Dann kann ich die Abstimmung eröffnen . Gibt es jemanden in diesem Haus, der noch nicht ab- gestimmt hat? - Liebe Kollegen da hinten, es gibt auch noch andere Urnen . Man muss bloß ein kleines Stück- chen laufen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe niemanden mehr, der noch abstimmen muss . Deshalb schließe ich jetzt die Abstimmung . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt ge- geben .1) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9069 . Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie da mittendrin stehen, kann ich nicht sehen, wie das Abstimmungsverhältnis ist . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Die Linke abgelehnt worden bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, Sven-Christian Kindler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine transparente und geschlechtergerechte Haushaltspolitik - Gender Budgeting als Instrument von Good Governance Drucksache 18/9042 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({0}) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin in der Aussprache hat Ekin Deligöz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas mehr als ein Drittel der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen, und in vielen Bereichen gibt es inzwischen Frauen in Führungspositionen . Wir haben die Gleichstellung in der Verfassung verankert, wir haben viele Einzelgesetze, die dazu führen, dass Frauen gefördert werden . Eigentlich könnten wir doch sagen, in Sachen Gleichstellung haben wir unsere Hausaufgaben gemacht . Das haben wir aber nicht . Denn die Wirklichkeit schaut komplett anders aus . Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, Frauen sind in den Aufsichtsräten und Vorständen noch lange nicht egalitär vertreten . Es ist eine sehr mühsame Entwicklung . Frauen sind immer noch diejenigen, die in dieser Gesellschaft den Mammutanteil an unbezahlter Arbeit leisten - sei es die Pflege, sei es die Kindererziehung, sei es die Familienarbeit . Erst wenn wir diese Entwicklungen transparent machen, erkennen wir, welche Ungerechtigkeiten wir in dieser Gesellschaft haben . ({0}) 1) Ergebnis Seite 18115 D Darum geht es . Ein Instrument, um diese Ungerechtigkeit zu verdeutlichen, ist der Weg über Klarheit und Transparenz in den öffentlichen Finanzen . Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel . In Berlin wurde festgestellt, dass weibliche Sachbearbeiterinnen pflegebedürftigen Männern im Durchschnitt höhere Leistungen zuerkennen als ebenso pflegebedürftigen Frauen, weil sie den Frauen mehr Eigenständigkeit zumuten . Das zeigt eines in der Analyse: dass gesellschaftliche Wertvorstellungen, Rollenbilder, Machtstrukturen in unseren Köpfen gerade dann eine Rolle spielen, wenn es um Finanzen geht . ({1}) Auch die Haushalts- und Finanzpolitik ist nicht davor gefeit . Deshalb lohnt sich diese Analyse . Das Instru ment, diese Analyse nach vorn zu bringen, nennt sich Gender Budgeting . Es ist die Analyse von öffentlichen Haushalten nach Geschlechteraspekten . Gender Budgeting heißt nicht nur Good Governance, gute Regierungsführung, sondern sagt, was mit Steuergeldern in dieser Gesellschaft eigentlich passiert . Gerade weil es so ein transparentes System ist, haben die Österreicher es in ihre Verfassung aufgenommen . Gerade weil es Transparenz und Akzeptanz schafft, verwendet die EU es beim Europäischen Sozialfonds . Auch Berlin und Bremen haben gute Erfahrungen damit gemacht, viele Kommunen übernehmen es . Davon, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir lernen . ({2}) Alle, die dahinter eine Art feministischen Kampfbegriff vermuten, frage ich: Was genau soll denn bitte falsch daran sein, sich für Gerechtigkeit und Gleichstellung in diesem Land einzusetzen? ({3}) Das sollte kein Kampf sein . Vielmehr sollte es in diesem Land selbstverständlich sein, und für diese Selbstverständlichkeit stehen wir jetzt ein . ({4}) Denjenigen, die sagen: „Jetzt wird jeder Cent genau hälftig aufgeteilt“, sage ich: Darum geht es nicht . Es geht nicht um Gleichmacherei und nicht darum, dass immer ganz genauso viel Geld für Männer wie für Frauen ausgegeben wird, sondern es geht um Gerechtigkeit . Es geht darum, die Konsequenzen der Entscheidungen, die wir getroffen haben, zu sehen und zu überlegen, wie wir verantwortungsvoll mit Geld umgehen können . Ein letztes Argument: Es wird immer wieder behauptet, in unserem jetzigen kameralistischen System sei Gender Budgeting nicht machbar . Doch, es ist machbar . Dafür brauchen wir keine große Haushaltsreform, sondern dafür brauchen wir Mut und den Willen, genau hinzuschauen, wofür wir eigentlich unsere Steuermittel ausgeben . ({5}) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn Transparenz - das ist nämlich das, was im Ergebnis dabei herauskommt - führt auch immer zu besserer Akzeptanz . ({6}) Akzeptanz wiederum steht dafür, dass wir die Demokratie in diesem Land voranbringen, Demokratie, die einstehen muss für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, aber auch für die stärkere Akzeptanz bei der Verwendung von Steuermitteln . Das ist unser Auftrag, für den wir heute einstehen . Ideen dazu gibt es genug . Wir haben sie alle aufgeschrieben . Lassen Sie uns diese Diskussion starten . ({7})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Kerstin Radomski von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Forderung nach einem sogenannten geschlechtergleichen Haushaltsplan . Wie bereits dargelegt wurde, sollen mit dem Gender Budgeting zusätzliche Maßnahmen in den Prozess der Aufstellung unseres Haushaltsplans aufgenommen werden, durch die eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter erreichen werden soll . Was heißt das konkret? Bei jeder monetären Ausgabe im Rahmen des Haushaltsentwurfes von über 328 Milliarden Euro soll überprüft werden, ob diese Ausgabe Männern und Frauen gleichermaßen zugutekommt . ({0}) Weil der Staat kein Geschlecht bevorzugen darf, müsste es im Fall einer nicht gleich hohen Ausgabe für beide Geschlechter zu einer Umverteilung kommen . Wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in Ihrem Antrag ganz richtig betonen, ist nach Artikel 3 Absatz 2 unseres Grundgesetzes alles staatliche Handeln der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter verpflichtet. Die jüngere Generation hat das große Glück, mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgewachsen zu sein . Wir nehmen dies heute als selbstverständlich hin . Schließlich dürfen Frauen in Deutschland seit nunmehr 97 Jahren wählen gehen . Im zunehmend globalisierten 21 . Jahrhundert werden wir allerdings tagtäglich auch mit Gesellschaftssystemen konfrontiert, in denen der Frau wichtige Rechte auf Gleichstellung weiterhin nicht gewährt werden . Auch in der Bundesrepublik Deutschland sind viele Dinge, die uns als selbstverständlich erscheinen, noch lange nicht so etabliert, wie es manchmal den Anschein hat . Noch bis ins Jahr 1958 hinein konnte ein Ehemann in der jungen Bundesrepublik das Dienstverhältnis seiner Frau kündigen . Bis 1962 durfte eine Frau ohne die Zustimmung ihres Mannes kein eigenes Bankkonto eröffnen, und erst weitere sieben Jahre später wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen . Wir vergessen oft, dass vollkommene Gleichberechtigung ein langwieriger und anhaltender Prozess ist . Es ist erreicht, dass nach § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien die Gleichstellung von Mann und Frau als Leitprinzip politischen, normgebenden und verwaltenden Handelns der Bundesregierung etabliert ist . Natürlich ist es lobenswert, das Thema Gleichstellung ins Gedächtnis zu rufen . Aber wir, die CDU/CSU-Fraktion, haben dies nie aus den Augen verloren und im Parlament auch in den letzten Jahren weiter begleitet . ({1}) Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen, Herr Kindler . Das von der CDU und CSU eingeführte Elterngeld ist beispielsweise als Ersatzleistung für das wegfallende Erwerbseinkommen gedacht . Dabei lautet das Ziel, beiden Elternteilen eine bessere Beteiligung an der Erziehung der Kinder zu ermöglichen . 10 Millionen Menschen - Mütter und Väter - profitieren von der Erhöhung der Rentenpunkte für die Erziehungszeit von Kindern, die vor 1992 geboren sind . Auf unsere Mütterrente sind wir als CDU/CSU-Fraktion zu Recht stolz . ({2}) Vor dem Gesetz sind wir alle gleich, aber als Individuen doch grundsätzlich verschieden . Wir alle erhalten eine schulische Ausbildung in den gleichen Fächern, und doch entscheidet sich ein Mann vielleicht, Krankenpfleger zu werden, und eine Frau studiert Ingenieurwesen, was früher jeweils selten der Fall war . Die meisten von uns erwerben im selben Alter den Führerschein, und trotzdem fahren nicht alle gleich gerne Auto . Es gibt diverse Studien, die aufzeigen, dass Männer lieber Auto fahren und es viele Frauen gibt, die den ÖPNV bevorzugen . Jetzt stellen wir uns bitte einmal vor, wie das Gender Budgeting in der Praxis aussehen würde: Ist eine Investition in die Sanierung einer Bundesstraße eine männliche oder eine weibliche Bevorteilung? ({3}) In der Konsequenz, dass viele Männer offenbar eher für das Autofahren zu begeistern sind als Frauen, stünde hier womöglich ein klares „männlich“ . ({4}) Aber ganz ehrlich und plump gesagt: Ist eine Frau diskriminiert, wenn unsere Straßen gut saniert sind? Wohl nicht . Auch wenn sie nicht gerne hinter dem Steuer sitzt, profitiert sie trotzdem von der Sanierung der Straßen.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Radomski, ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen, trotz der netten Beispiele . ({0})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, mache ich . - Anstatt die Gesellschaft zu zerteilen, sollten wir uns daran erinnern, dass wir alle gleichberechtigte Menschen sind . Ich möchte noch einen finanziellen Aspekt ansprechen . Natürlich hat auch die Machbarkeitsstudie gezeigt, die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, dass wir im Ergebnis mehr Stellen brauchen und damit Geld .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Sie müssen wirklich zum Schluss kommen .

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bringe den Satz zu Ende . - Ich würde Sie bitten, dieses Geld lieber in Infrastruktur, Bildung, Kitas und Generationengerechtigkeit zu stecken . Deshalb lehnen wir den Antrag ab . Danke . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal die Bitte: Das war jetzt über eine Minute zusätzliche Redezeit . Ich muss nicht darauf hinweisen, was es bedeutet, wenn jeder eine Minute zusätzlich redet . Dann sitzen wir hier noch um elf . ({0}) Deshalb bitte ich wirklich, die Redezeit einzuhalten . Dr . Gesine Lötzsch hat als nächste Rednerin das Wort . ({1})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein transparenter und geschlechtergerechter Haushalt ist wichtig und richtig . Eigentlich ist es erstaunlich und schade, dass wir überhaupt darüber reden müssen . ({0}) Meine Herren von der Union, Sie müssen doch keine Angst haben, dass es Ihnen schlechter gehen wird . Bei diesem Antrag - die Kollegin hat es ja dargestellt - geht es doch erst einmal um Transparenz . Ihnen wird doch noch gar nichts weggenommen . ({1}) Es wäre doch viel zu schade, meine Damen und Herren, wenn Finanzminister und Regierungsfraktionen ausdrücklich nicht wissen wollen, wie viel Geld aus dem Bundeshaushalt bei Männern und Frauen ankommt . Warum eigentlich? Fürchten Sie etwa die Ergebnisse? ({2}) Wir Linke hatten bereits im Frühjahr 2014 das Thema im Haushaltsausschuss auf die Tagesordnung gesetzt . Leider war das Desinteresse bei der Koalition groß . Der damalige Finanzstaatssekretär meinte sogar noch, dass der Haushalt doch nichts mit der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter zu tun habe . Welche Fehleinschätzung! Wir wissen ja: Um vernünftige Politik zu machen, brauchen wir das Geld an der richtigen Stelle . Dafür werden wir uns als Linke immer einsetzen, meine Damen und Herren . ({3}) Wir können ja einmal ein paar Beispiele - die Kollegin Deligöz hat das ja schon gemacht; ich werde noch welche hinzufügen - durchdeklinieren . Mich interessiert zum Beispiel brennend die Frage, wie die Personalmittel in den Bundesministerien auf Frauen und Männer verteilt sind . ({4}) Ich habe dazu eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt . Ich bin sehr gespannt auf die Antwort . Ich kann mir nämlich vorstellen, dass das Personalbudget sehr unterschiedlich verteilt ist, und sicher nicht nur im Verteidigungsministerium zuungunsten der Frauen, meine Damen und Herren . Oder wir können uns die Bundessubventionen unter dem Aspekt der Verteilung zwischen Männern und Frauen anschauen . Werden Männer von der Bundesregierung mehr subventioniert als Frauen? Ich nenne Ihnen einmal ein aktuelles Beispiel: die Subventionierung des Kaufs von Elektroautos . Stellen Sie sich mal ehrlich die Frage: Geht es da wirklich um die Energiewende, oder geht es doch eher um Männerträume? Meine Damen und Herren, ich sage: Es geht um Männerträume . ({5}) Warum wurde zum Beispiel der Frauenbetrieb Schlecker nicht gerettet, dafür aber Schrottbanken, die in der Mehrheit von Männern geführt werden? Auch das ist eine berechtigte Frage, meine Damen und Herren . ({6}) Und wenn Wirtschaftsminister Gabriel immer wieder mehr Waffen exportiert, dann ist doch die interessante Frage: Wer ist eigentlich für die Herstellung dieser WafKerstin Radomski fen verantwortlich, wer sitzt da in den Führungspositionen, Männer oder Frauen? ({7}) Nächster Punkt . Schauen wir uns die Steuerpolitik an . Wie sieht es da aus? Gibt es vielleicht noch keine gerechte Vermögensteuer, weil sich die großen Vermögen zumeist in den Händen von Männern befinden? Ich finde, das sind alles interessante Fragen. Ich denke, niemand wird verstehen, wenn die Koalition - Frau Radomski hat das ja für die CDU/CSU schon vorgetragen - sie nicht beantworten will . Es gibt zu diesem Thema viele gute Erfahrungen in Österreich, in Skandinavien, aber auch in Berlin . Der Berliner Senat hatte 2002 auf Vorschlag der Linken als erstes Bundesland das Gender Budgeting eingeführt . Man kann sich ja ausnahmsweise einmal an Berlin orientieren, meine Damen und Herren . ({8}) Mein Vorschlag an die Frauen im Bundestag: Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, sollten wir gemeinsam die uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mittel nutzen, um die nötigen Informationen auch so herauszufinden und um in der Verteilungsfrage mehr Transparenz herzustellen . Ich habe bereits damit angefangen, und ich denke, es wäre gut, wenn viele mitmachen - aus allen Fraktionen . Herzlichen Dank . - Ich habe zehn Sekunden Redezeit gespart . ({9})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . Ja, Sie haben einige Sekunden eingespart . - Als nächster Redner hat Ewald Schurer das Wort . ({0})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Keinesfalls ist Gender Budgeting ein Kampfbegriff, den man, liebe Kollegin Ekin Deligöz, negativ bewerten muss . Es gibt schon Haushaltsansätze, zum Beispiel im Berliner Senat, bei denen man damit arbeitet . Es gibt auch viele Länder, zum Beispiel skandinavische Länder und Österreich, die man in diesem Zusammenhang als positive Beispiele erwähnen kann . Insofern sehe ich den Diskussionsprozess als sehr produktiv an . Unabhängig von der philosophischen Frage, ob wir den Haushalt eher geschlechterneutral sehen oder eben auch in der Dimension weiblich/männlich bewerten sollten, möchte ich darauf hinweisen, dass von der aktuellen Regierung Frauenpolitik betrieben wird . Es ist zwar beschämend, dass wir die Bestimmungen für mehr Schutz für Frauen vor sexuellen Übergriffen erst heute beschlossen haben - es war ein langer Prozess, und das Thema ist lange Zeit tabuisiert worden -; aber immerhin haben wir heute vor dem Hintergrund jüngster schlimmer Ereignisse, die krimineller Natur waren, Konsequenzen gezogen . Auch das ist konkrete Frauenpolitik, die hier heute im Parlament beschlossen worden ist . ({0}) Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf hinweisen, dass diese Regierung zum Beispiel im April 2015 das Bundesgleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht hat . Das ist noch kein Durchbruch für die gesamte Wirtschaft; aber bei börsennotierten Unternehmen werden nun immerhin 30 Prozent der Spitzenposten für Frauen reserviert . Das ist ein Anfang, aber noch nicht der Durchbruch . Auch das sind Errungenschaften konkreter Frauenpolitik, die von dieser Koalition gemeinsam erreicht worden sind . ({1}) Wir haben dann Mitte 2015 das Elterngeld Plus eingeführt . Auch das ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, weil damit für Väter und Mütter gemeinsam Spielräume im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erzielt werden sollen . Auch das, liebe Ekin, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein konkreter Fortschritt . Es ist gendermäßig eine politisch richtige Maßnahme, die wir in dieser Großen Koalition durchgesetzt haben . ({2}) Für uns Sozialdemokraten war im Kampf um den Mindestlohn auch die Dimension von großer Bedeutung, dass der Mindestlohn zu zwei Dritteln, sogar fast 70 Prozent, die weibliche Hälfte der Bevölkerung betrifft, weil in unserer Gesellschaft vor allen Dingen Frauen in den Berufen tätig sind, in denen entgegen allem Verständnis vom Wert der Arbeit bisher zum Teil so wenig gezahlt worden ist, dass man davon überhaupt nicht leben konnte . Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war also beim Projekt Mindestlohn auch die Dimension, die Frauen besserzustellen, von herausragender Bedeutung . ({3}) Ich muss ganz ehrlich sagen: Ein schwerwiegender Punkt fehlt noch; er ist noch nicht angesprochen worden . Wir Sozialdemokraten, also Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - ganz ernsthaft akzentuiert -, wollen im Zuge des Projektes, künftig Lohngerechtigkeit herzustellen, weitere Fortschritte erzielen . Lohngerechtigkeit ist eine Dimension, die bei einem Mann, einem Vater wie mir - ich habe vier Kinder, darunter drei Töchter -, einen Emanzipationsprozess auslöst . ({4}) - Das meine ich mit großer Ernsthaftigkeit . - Es ist für mich nach wie vor beschämend, dass Frauen in unserer Gesellschaft für ihre Arbeit, statistisch gesehen, 21 Prozent niedrigere Reallöhne bekommen . Selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die Jobs strukturell vergleicht und die Billigjobs, die es leider in unserer Gesellschaft im schlecht bezahlten Dienstleistungsbereich gibt und die oft von Frauen ausgeführt werden oder werden müssen, abzieht, ist es immer noch so: Frauen verDr. Gesine Lötzsch dienen in strukturell vergleichbaren Berufen immer noch 10 Prozent weniger als die männliche Hälfte . Das kann man so nicht lassen . Ich blicke an dieser Stelle mit gewinnendem Blick in Richtung Kolleginnen und Kollegen der Union . ({5}) Das Lohngerechtigkeitsgesetz liegt seit Dezember 2015 im Kanzleramt . Ich kann mir in meiner Fantasie einfach nicht vorstellen, werte Kollegen von der Union, auch auf der Regierungsbank, dass eine Bundeskanzlerin so einem klugen Lohngerechtigkeitsgesetz letztendlich nicht den Zuschlag geben will . ({6}) Das ist sowohl makroökonomisch wie auch individuell schädlich; denn Frauen haben mindestens den gleichen Wert in der Arbeitswelt und sollten deshalb unter Lohngerechtigkeitsgesichtspunkten so bezahlt werden wie Männer und umgekehrt . Das ist für mich ein großer Ruf . Ekin Deligöz hat mit ihrem guten und wichtigen Antrag mir dazu geholfen, ({7}) das innerhalb der Koalition formulieren zu dürfen . Ich glaube, es kommt bei den geschätzten Freundinnen und Freunden des Koalitionspartners, nicht nur bei den Frauen der Union, auch gut an . ({8}) - Lieber Kollege Kindler, jetzt nicht schreien, dazu haben wir im Haushaltsausschuss wieder Zeit, wo Sie Ihre Thesen wieder kräftig vier-, fünfmal wiederholen; das ist auch legitim, damit ich es auch immer verstehe . ({9}) Vor diesem Hintergrund sage ich: Ich würde die Diskussion über Gender Budgeting weiterführen wollen . ({10}) Es sind Ansätze vorhanden, die zumindest in der SPD Widerhall finden. Wir brauchen allerdings ein gemeinsames Konzept; das müssen wir am heutigen Tag nicht übers Knie brechen . Wir brauchen also eine Diskussion über ein gemeinsames Konzept. Ich finde auch die Ansätze interessant wie auch die Philosophie, die dahinter steht, nämlich Haushaltsmittel, wie Frau Kollegin Lötzsch gesagt hat, in Bezug auf die Kategorien „weiblich“ und „männlich“ in Bereichen wie der Personalausstattung genau zu untersuchen . All das sind interessante Aspekte . Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden dieses Thema weiter verfolgen . Zum Schluss kann ich ganz klar sagen: Die Förderung von Frauenpolitik und der Genderprozess insgesamt betreffen einen Bereich, in dem der männliche Teil der Welt in der Tat noch lernen muss . Ich bin mir sicher, dass in allen Parteien Sensibilisierungsprozesse notwendig sind . Erst wenn die Gleichwertigkeit von Mann und Frau zur Selbstverständlichkeit wird, sie also im ökonomischen wie im sonstigen gesellschaftlichen Prozess nicht mehr diskutiert werden muss, sondern real vorhanden ist, sind wir politisch am Ziel . In diesem Sinne wünsche ich mir weitere Fortschritte in diesem Prozess . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({11})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Ich habe gerade gedacht: Viele Töchter wünsche ich mir - für die Kollegen . Alois Rainer hat als letzter Redner das Wort in dieser Debatte . ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Gleichstellung ist nicht zwingend ein haushaltspolitisches Thema, dennoch ist es ein Thema, das wir alle miteinander sehr ernst nehmen sollten und auch wollen . So liegt unserer Gleichstellungspolitik der Ansatz zugrunde, dass wir in einer freien Gesellschaft leben, in der sich jeder Mensch unabhängig vom Geschlecht frei entfalten und entwickeln kann . ({0}) - Immer schon . - Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es in einigen Bereichen immer noch strukturelle Probleme gibt . Die Gleichstellungspolitik der Union besteht im Kern darin, strukturelle Benachteiligungen, die aufgrund des Geschlechts bestehen, zu beseitigen . ({1}) In diesem Sinne wurden gezielt Maßnahmen eingeleitet und Gesetze verabschiedet, um die Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen, zum Beispiel das Elterngeldgesetz für beide Elternteile, das Pflegezeitgesetz, gesetzliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und in der Bundestagsverwaltung, zur Mütterrente - das wurde schon angesprochen - und vieles andere mehr . Meine sehr verehrten Damen und Herren Antragsteller, mit Ihrem Antrag fordern Sie unter anderem: erstens die verbindliche Aufnahme von Gender Budgeting als Prinzip der Haushaltsführung in die Bundeshaushaltsordnung als zweijähriges Pilotprojekt, zweitens die Einrichtung einer interministeriellen Gender-Budgeting-Steuerungsgruppe, um die Umsetzung im Bundeshaushalt zu koordinieren . Drittens wollen Sie auch noch, dass dem Bundestag darüber hinaus ein jährlicher Gender-Budgeting-Bericht vorgelegt wird . ({2}) Dazu sage ich nur: Danke schön . ({3}) Meine Damen und Herren, aus unserer und aus meiner Sicht ist die Implementierung von Gender Budgeting im Bundeshaushalt kein geeignetes Instrument, um die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen . ({4}) Der Bundeshaushalt beschreibt den finanziellen Rahmen der einzelnen Fachbereiche, legt ihn gesetzlich fest und ermächtigt die jeweils zuständigen Ressorts zur Leistung der hierfür erforderlichen Ausgaben . Die Umsetzung derartiger gleichstellungspolitischer Ansätze gehört dorthin, wo sie inhaltlich angebracht ist, und zwar in die Verantwortung der einzelnen Ressorts und Fachbereiche . Die Bundesministerien sind nach § 2 ihrer Gemeinsamen Geschäftsordnung bereits in der Pflicht, in ihrem jeweiligen Fachbereich die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip bei allen Maßnahmen zu fördern . Sollte es sich hierbei um Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen handeln, ist das bereits jetzt Teil der Facharbeit der verschiedenen Ressorts - und das ist gut so; da sind wir dabei . Außerdem sehe ich in Ihren Vorschlägen einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand, ohne dass man dem eigentlichen Ziel näherkommen würde . Ich sehe Gender Budgeting im Rahmen des Bundeshaushalts nicht als geeignetes Instrument an, um die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen . ({5}) - Ich sage das gerne ein zweites Mal, damit das auch die Herren der Linken kapieren . Außerdem ist es nicht zutreffend, dass die Bundesregierung rechtlich verpflichtet ist, Gender Budgeting umzusetzen . Weder völkerrechtlich noch aus der von der EU verabschiedeten Erklärung aus dem Jahr 2005 ergibt sich ein verpflichtender Rechtsakt für die europäischen Mitgliedstaaten . Wenn Österreich, skandinavische Staaten und einige Städte in Deutschland das machen, dann ist das deren Vergnügen . Wir müssen ja nicht alles machen, was die anderen Staaten machen . ({6}) Die Europäische Union - ganz aktuell - wäre auch zu einem derartigen Eingriff in die Haushaltsautonomie ihrer Mitgliedstaaten nicht befugt . Sie, meine Damen und Herren, versuchen, mit diesem Antrag ein Thema in der Bundeshaushaltsordnung zu verankern, das aus meiner Sicht rein gar nichts mit der Haushaltspolitik im eigentlichen Sinn zu tun hat . ({7}) Das sind gleichstellungspolitische Anliegen, und die gehören, wie schon angesprochen, in die jeweiligen Fachressorts . Deshalb kann ich und können wir dem Antrag nichts abgewinnen . Danke schön . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Schluss dieser Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9042 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist das so geschehen . Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich gern das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung mit dem Titel „Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA“ auf den Drucksachen 18/8878 und 18/9035 bekannt geben: Abgegeben wurden 569 Stimmen . Mit Ja haben gestimmt 457, mit Nein haben gestimmt 111, und eine Kollegin oder ein Kollege hat sich enthalten . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 569; davon ja: 457 nein: 111 enthalten: 1 Ja CDU/CSU Stephan Albani Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Manfred Behrens ({0}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . André Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Dr . Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({1}) Axel E . Fischer ({2}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({3}) Michael Frieser Dr . Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Dr . Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({4}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Thorsten Hoffmann ({5}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Dr . Roy Kühne Uwe Lagosky Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Matthias Lietz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({6}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({7}) Stefan Müller ({8}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Thomas Rachel Alexander Radwan Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({9}) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({10}) Gabriele Schmidt ({11}) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Nadine Schön ({12}) Dr . Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({13}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({14}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr . h .c . Albert Weiler Marcus Weinberg ({15}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({16}) Sabine Weiss ({17}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Heinz Wiese ({18}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({19}) Burkhard Blienert Dr . Karl-Heinz Brunner Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h .c . Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({20}) Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Thomas Jurk Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christian Lange ({21}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Andrea Nahles Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({22}) Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Joachim Poß Florian Post Achim Post ({23}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Petra Rode-Bosse Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({24}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr . Hans-Joachim Schabedoth Dr . Nina Scheer Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({25}) Matthias Schmidt ({26}) Dagmar Schmidt ({27}) Carsten Schneider ({28}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({29}) Frank Schwabe Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Nein SPD Klaus Barthel Dr . Ute Finckh-Krämer Cansel Kiziltepe Waltraud Wolff ({30}) DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W . Birkwald Eva Bulling-Schröter Roland Claus Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . André Hahn Dr . Rosemarie Hein Andrej Hunko Sigrid Hupach Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Niema Movassat Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold ({31}) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel ({32}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Volker Beck ({33}) Dr . Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({34}) Christian Kühn ({35}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Dr . Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Lisa Paus Tabea Rößner Claudia Roth ({36}) Manuel Sarrazin Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms Enthalten SPD Petra Hinz ({37}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich Drucksache 18/8334 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur ({38}) Drucksache 18/9099 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Bundesregierung dem Parlamentarischen Staatssekretär Ferlemann das Wort . ({39})

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute eines der wichtigsten Gesetze in dieser Legislaturperiode - jedenfalls im Eisenbahnsektor -, das sogenannte Eisenbahnregulierungsgesetz . Was verbirgt sich dahinter? Eisenbahn ist ein komplexes und kompliziertes System . Bei Eisenbahn gibt es auf der einen Seite Netze, auf denen gefahren wird, und auf der anderen Seite Betriebe, die auf den Netzen fahren . Europa hat sich dazu entschieden, eine Trennung zwischen Netzbetrieb und Fahrbetrieb vorzuschlagen . Wir haben uns als Bundesrepublik Deutschland viele Jahre dagegen gewehrt, dass das auch für Deutschland verpflichtend gilt, und haben durchgesetzt, dass die Eisenbahn auch nach unserem Modell - also einen integrierten Konzern zu fahren, der Netz und Betrieb vereint - betrieben werden kann . Dafür aber, dass man ein integriertes System fahren kann, braucht man eine gute Regulierung . Das sieht das europäische Recht so vor und sieht es auch zu Recht vor . Es wird also ein Markt simuliert, den es so nicht gibt, damit man Wettbewerb darstellen und zu gerechten Trassenpreisen, Trassengebühren kommen kann . Man kann es für die Öffentlichkeit so erklären: Das ist praktisch eine Maut auf der Schiene . Die haben wir in Deutschland schon viele Jahre, und die Frage ist: Wie wird sie gerecht - in welcher Höhe und mit welchem Zuwachs festgesetzt? Dafür braucht es einen unabhängigen Regulierer, der diese Preise ohne politische Vorgabe und Einflussnahme nach bestimmten Kriterien festsetzen kann . Den haben wir in der Bundesnetzagentur gefunden, die diese Aufgabe unserer Auffassung nach schon jetzt in großen Teilen sehr gut erledigt, aber mit diesem Gesetz noch einmal deutlich gestärkt wird und ihrer Aufgabe, wie wir meinen, gut nachkommen wird . Sie ist unabhängig und kann von daher die Preise marktgerecht festsetzen . Das wiederum wird dazu führen, dass das Angebot auf der Schiene leichter zu fahren sein wird . Damit werden wir mehr Verkehr auf die Schiene bekommen, was Ziel der Bahnreform ist, und vor allem mehr Wettbewerb auf der Schiene haben, was für das System insgesamt auch nur wünschenswert und richtig ist . Dafür, dass wir das hinbekommen, brauchen wir aber eine Regulierung . Wir haben uns für die Entgeltregelung entschieden . Das heißt, die Regulierung wird, bevor die Trassen vergeben werden, die Preise festsetzen, sodass jedes Unternehmen, das Trassen erwerben will, weiß, zu welchen Kosten über diese Trassen gefahren werden kann . Das ist der Charme der Lösung, die wir gemeinsam gefunden haben . Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr dankbar, die in den vergangenen Wochen und Monaten dieses Gesetzgebungsverfahren sehr intensiv begleitet haben, allen mit Rat und Tat zur Seite standen und, glaube ich, dem Deutschen Bundestag nicht nur einen guten Gesetzentwurf, sondern vor allem auch gute Ergänzungen formuliert haben . Ich danke insbesondere den beiden Koalitionsfraktionen, die in mühevoller Kleinarbeit noch viele Punkte eingebracht haben . Allerdings ist ein Punkt dabei, den wir kritisch beleuchten müssen . Da geht es darum, wie die Länder ihren Einfluss beim Nahverkehr geltend gemacht haben . Die Länder wollen, dass der Zuwachs der Trassenpreise im Nahverkehr auf die 1,8 Prozent begrenzt wird, die wir über die Regionalisierungsmittel maximal als Zuwachs jedes Jahr finanzieren. Das sind in diesem Jahr 8,2 Milliarden Euro, eine sagenhafte Summe, die es für das Schienenwesen im Nahverkehr noch nie gab . Ich bin Ihnen allen sehr dankbar, dass Sie das Schienenwesen in Deutschland so unterstützen . Aber wir haben in der Regulierung festgelegt, dass diese 1,8 Prozent Maximum sein müssen - das kann man verstehen -, damit der Zuwachs an Mitteln nicht überschritten wird, was ansonsten dazu führte, dass weniger Verkehr gefahren würde, weil mehr für die Trassenpreise aufzuwenden wäre . Was wir heute allerdings beschließen werden, ist, dass diese 1,8 Prozent auch dann genommen werden, wenn der Regulierer sogar unter der Summe bleibt . Das ist so gewollt und okay; wir werden das so nachvollziehen; denn die Regierung hat ja den Auftrag, das umzusetzen, was das Parlament beschließt . Ich vermute, dass das zugunsten des Fernverkehrs und des Güterverkehrs läuft; denn ich glaube, dass wir bei der Regulierung unter den 1,8 Prozent bleiben können, wodurch wir dann höhere Einnahmen aus dem Nahverkehr haben, die zugunsten von Fernverkehr und Güterverkehr umgelenkt werden können . Mithin ist der Sinn der Demonstrationen in dieser Woche überflüssig geworden, weil genau das Gegenteil von dem eintritt, von dem die Demonstranten ausgegangen sind . Insofern können wir, wie ich glaube, einen sehr guten Gesetzentwurf vorlegen . Heute ist hier im Bundestag ein sehr guter Tag für das Eisenbahnwesen in Deutschland . Ich hoffe, dass der Bundesrat morgen so klug ist, diesem Gesetz zuzustimmen . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Herbert Behrens von der Fraktion Die Linke das Wort . ({0})

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wettbewerb im Eisenbahnwesen funktioniert nicht . In den 90er-Jahren wollten die Privatisierer mehr Konkurrenz für die Bahn und dadurch günstigere Preise und besseren Service erreichen . Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Im Nahverkehr gibt es jetzt zwar einen Zuwachs an Nahverkehrsleistungen, die Fahrgastzahlen steigen und auch das Angebot ist attraktiver geworden . Doch dieser Erfolg ist weniger dem Wettbewerb geschuldet als vielmehr der vernünftigen Ausstattung durch die Regionalisierungsmittel . Im Fernverkehr sieht es anders aus . Er soll eigenwirtschaftlich organisiert sein . Hinsichtlich Wettbewerb ist aber völlige Fehlanzeige festzustellen . Im Güterverkehr haben die Bahnen, die nicht zur DB gehören, inzwischen ein Drittel Marktanteil. Doch der Wettbewerb dort findet oft auf dem Rücken der Beschäftigten und zulasten der Sicherheit statt . Die Privatisierer haben ihre Ziele weit verfehlt . Jetzt versucht die Regierung, mit einem aufwendigen Regionalisierungsgesetz der Probleme Herr zu werden . Dafür taugt allerdings dieser Gesetzentwurf nicht . ({0}) Die Linke fordert ein klares Bekenntnis zur Bahn und entsprechende Gesetze, die einen gut funktionierenden Eisenbahnverkehr garantieren, der die Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt stellt . ({1}) Öffentliche Bahnunternehmen, die nicht als oberstem Ziel der Gewinnmaximierung unterworfen sind und auf Zusammenarbeit statt auf Konkurrenz aufbauen, sind nötig . Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Spruch, dass wir die alte Bahn wiederhaben wollen . Nein, darum geht es nicht . Die Linke will eine moderne Bahn . Wir wissen aus europäischen Vergleichen, dass es sie gibt . ({2}) Der Blick in den Südwesten, in die Schweiz zeigt, dass dort mit einem intelligenten Steuerungssystem eine Bahn im öffentlichen Bereich in der Lage ist, den Verkehr vernünftig zu organisieren . ({3}) Vom Fernverkehr bis zum regionalen Busverkehr gibt es dort quasi ein Verkehrsangebot aus einer Hand, weil der öffentliche Verkehr öffentlich organisiert ist - zum Wohle der Nutzerinnen und Nutzer . Der Erfolg gibt diesen Steuerungsmaßnahmen ja auch recht . In der Schweiz fahren viel, viel mehr Menschen mit der Bahn als in Deutschland . ({4}) Wir müssen uns von dort Anregungen holen und das Konzept auf die Eisenbahn in Deutschland übertragen . Das wäre eine richtig gute Maßnahme . ({5}) Die Bundesregierung geht aber in der Tat einen anderen Weg; wir haben es gerade gehört. Eine Anreizfinanzierung soll dazu beitragen, dass das Infrastrukturunternehmen die Gelder, die es bekommt, so einsetzt, wie es erforderlich ist . Wir haben bei der Bahn gesehen, dass die Zuschüsse auf einmal in der Bilanz auftauchten; denn man musste gegenüber der Bundesregierung nachweisen, dass man Profite machen kann. Die Probleme löst man also nicht auf diese Art und Weise . Darum ist es nötig, dass wir ähnlich wie in der Schweiz Kostenrahmen festlegen . Wir müssen festlegen, welche Leistungen wir für welche Kosten haben wollen . Das ist das Beispiel der Schweizer Bahn . Das kann ein Vorbild für uns sein . ({6}) Zu den Trassenpreisen: Die Preise für die Nutzung des Schienennetzes steigen für die privaten Unternehmen, aber auch für das Unternehmen Deutsche Bahn AG, weil sie privatwirtschaftlich organisiert ist und Profite bringen soll . Wenn wir im Nahverkehr eine Deckelung bei maximal 1,8 Prozent haben, dann werden - das haben die Demonstranten hier in Berlin am Montag nachgewiesen - die überschießenden Kosten zulasten des Fernverkehrs gehen . Das fürchten die Kolleginnen und Kollegen . Diese Befürchtungen sind nicht ausgeräumt . Darum brauchen wir ein konsequentes Vorgehen bei den Preisen . Es wäre möglich, dass wir die Trassenpreise auf die sogenannten Grenzkosten reduzieren . Die Fixkosten blieben beim Bund, und es würde ein vernünftiges Infrastrukturnetz garantiert, was in der Lage wäre, die Verkehrsleistungen auch zu bewältigen . ({7}) Wir brauchen eine vernünftige, eine kundenorientierte Eisenbahnpolitik . Die ist mit dem vorgelegten Regulierungsgesetz überhaupt nicht hinzubekommen . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächste Rednerin hat Kirsten Lühmann von der SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr verehrte Anwesende! Der Güterverkehr auf der Schiene ist zwischen 2010 und 2015 um 6,5 Prozent gestiegen . Ich bin mir sicher: Alle, die hier im Raum sind, hätten sich gewünscht, das wäre noch mehr gewesen, aber es ist immerhin eine Steigerung . Im Personennahverkehr gab es von 2010 bis 2015 sogar eine Steigerung um 9 Prozent . Jährlich werden in Deutschland 2,5 Milliarden Menschen im Nahverkehr der Bahn transportiert . Das ist ein Erfolgsmodell . Wir stellen aber fest: Die Netzkapazitäten setzen dem Anstieg Grenzen . Deshalb hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode insgesamt 35 Milliarden Euro ausgegeben, um das Netz zu ertüchtigen, und das ist auch gut so . ({0}) Trotzdem gibt es einen Punkt, der insbesondere für die Länder sehr wichtig ist, nämlich die Trassenpreisbremse, um dem weiteren Zuwachs der Trassenpreise entgegenzuwirken . Die Trassenpreise steigen jährlich nämlich wesentlich stärker als die Teuerungsrate . Das ist auch eines der Themen des hier vorliegenden Gesetzentwurfs . Wir setzen mit diesem Gesetzentwurf zum einen EU-Regeln um, zum anderen geht es uns aber auch noch um zwei weitere Ziele, nämlich zum Ersten um die Trassenpreisbremse und zum Zweiten um mehr Transparenz bei der Preisgestaltung von Netz und Station . Das ist schwierig genug; denn wir müssen die Interessen und Möglichkeiten unterschiedlichster Akteure zusammenbringen: von Bund und Ländern - die Länder haben zum Beispiel 57 Änderungsvorschläge gemacht, von denen wir sehr viele angenommen haben -, aber auch von nicht bundeseigenen Eisenbahnen, wie zum Beispiel der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe aus Moers mit einem Schienennetz von 26 Kilometern und der Deutschen Bahn AG mit einem Schienennetz von weit über 30 000 Kilometern . Zusätzlich haben wir noch einen Auftrag der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen und der Kanzlerin bekommen . Sie haben nämlich beschlossen - der Staatssekretär hat es schon gesagt -, die Regionalisierungsmittel deutlich anzuheben . Den Ländern wurde dabei zugesichert - und zwar von der Kanzlerin -, dass das Geld für die dringend benötigten Mehrbestellungen nicht durch die überproportional steigenden Trassenpreise aufgefressen und die Trassenpreissteigerung auf 1,8 Prozent im Jahr begrenzt wird . Das hatten wir umzusetzen . Der Auftrag war klar: EU-Richtlinie umsetzen, Transparenz schaffen, Trassenpreisanstieg dämpfen, genug Geld für die Deutsche Bahn AG zum Betrieb ihrer Schienen besorgen und eine Deckelung der Trassenpreise im Nahverkehr . Die Lösung liegt jetzt vor Ihnen . Erstens . Wir haben die Rolle der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde ausgeweitet . Sie kann jetzt die Angemessenheit der Preise besser prüfen . Zweitens . Wir haben einen Produktivitätsfaktor eingeführt, der die Trassenpreiserhöhungen dämpfen soll . Drittens . Wir haben den diskriminierungsfreien Zugang zu den Schienennetzen verbessert . Viertens . Wir haben den Auftrag der Länder und der Kanzlerin in § 37 des Gesetzentwurfs umgesetzt und die Trassenpreisbremse geregelt . Wir hatten nur ein kleines Problem: Es war juristisch nötig, dass wir die Defizite an anderer Stelle ausgleichen oder zumindest die Möglichkeit dazu schaffen . Wir haben uns entschieden, das im Bereich des Fernverkehrs zu tun . Uns allen ist aber klar: Dazu soll es nicht kommen . Dank der Beteiligung aller haben wir eine Lösung gefunden, die die Erhöhung der Trassenpreise im Fernverkehr und als Folge daraus die Erhöhung der Ticketpreise im Fernverkehr nicht zum Tragen kommen lässt . Erstens . Wir haben eine Evaluierung in 2019 beschlossen, damit die Folgen der Erhöhung der Regionalisierungsmittel, der Mehrbestellungen und der Trassenpreisbremse aufgearbeitet werden . Dieses Ergebnis soll dann in die Verhandlungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III im selben Jahr einfließen. ({1}) Zweitens . Mit dem Inkrafttreten der LuFV III am 1 . Januar 2020 haben wir die Möglichkeit gestrichen, dass ein mögliches Delta auf den Bereich des Fernverkehrs übertragen wird . Das heißt, bis dahin müssen wir andere Lösungen finden. Drittens . Die Länder haben für 2017 beschlossen, die volle Erhöhung der Trassenpreise, also 2,4 Prozent mehr, zu zahlen, und sie sind damit einverstanden, dass die Deckelung erst 2018 beginnt . Jetzt haben wir folgende Situation: Die Beschäftigten der Deutschen Bahn haben Befürchtungen, die wir sehr ernst nehmen - insbesondere auch unser Kollege Martin Burkert von der entsprechenden Gewerkschaft -, ({2}) dass es durch die Mindereinnahmen in 2018 und 2019 möglicherweise zu Entlassungen kommt . Ich danke dem Bahnchef, Dr . Grube, sehr herzlich dafür, dass er diese Befürchtungen aufgenommen hat und heute die Belegschaft über Inhalt und Folgen dieses Gesetzes informiert hat . Ich zitiere aus dem Brief von Herrn Grube einen Satz: Wichtig ist uns, zu betonen, dass die Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelungen auf unser wirtschaftliches Ergebnis insgesamt beherrschbar bleiben und keine negativen Folgen für die Beschäftigten zu erwarten sind . Ein ganz wichtiges Schreiben . ({3}) Unser Fazit: Dies ist ein schwieriger Gesetzesprozess, der aufgrund des unbedingten Einigungswillens aller Beteiligten erst möglich wurde - ein Gesetz für mehr Transparenz - ein Gesetz für die Stabilisierung der Trassenpreise und ein Gesetz ohne negative Auswirkungen auf die Qualität des Schienenverkehrs und auf die Beschäftigten . Liebe Kollegen und Kolleginnen, im Jahr 2019 werden wir uns, so der Wählende es will, hier alle wiedertreffen, die Evaluation auswerten und über die LuFV III beraten . Ich freue mich darauf . Herzlichen Dank . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Matthias Gastel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort . ({0})

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben auf den Gesetzentwurf zur Umsetzung einer EU-Richtlinie lange gewartet . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden weite Teile dieser Richtlinie nur als Mindestanforderungen übernommen . Zu den wesentlichen Änderungen gegenüber dem Status quo gehören erstens die prinzipielle Einführung einer Anreizregulierung für die Trassenpreise und zweitens die Tatsache, dass die Bundesnetzagentur die Trassenpreise der Infrastrukturunternehmen prüfen muss, bevor diese in Kraft treten können . Das sind zweifelsfrei Vorteile und Fortschritte gegenüber dem Status quo, die wir der EU-Kommission zu verdanken haben und die wir als Grüne ausdrücklich unterstützen . ({0}) Dennoch bleibt festzustellen: Der Gesetzentwurf greift in vielen Punkten zu kurz . In Deutschland sind Netz und Betrieb nicht voneinander getrennt . Dem Wettbewerb ist das nicht dienlich . Für einen fairen Wettbewerb brauchen wir daher eine konsequente gesetzliche Regulierung . Nur wenn der Wettbewerb auf der Schiene funktioniert, kann auch der Wettbewerb zwischen Schiene und Straße funktionieren . ({1}) Der Bundesrechnungshof ist nicht der Einzige, der bezweifelt, dass mit diesem Regulierungsgesetz das Wettbewerbsziel nicht erreicht wird . Zu diesem Ziel würde ganz wesentlich die Bildung der Trassenpreise nach dem Grenzkostenprinzip beitragen, so wie es die EU im Regelfall vorsieht . Doch CDU/CSU und SPD nehmen lieber den Ausnahmefall und machen diesen dann in Deutschland zur Regel . Offensichtlich hat ihnen für eine wirkliche Reform zugunsten von mehr Verkehr auf der Schiene der Mut gefehlt . ({2}) Wir begrüßen die Initiative der Länder und insbesondere die Einigkeit der grün-regierten oder grün-mitregierten Länder ausdrücklich . Zumindest der Anstieg des Trassenpreises im Nahverkehr konnte damit gebremst werden . Festzuhalten ist, dass grün-regierte Länder wie ein Korrektiv zur Großen Koalition im Bund wirken . Es sieht nach einer mehrheitlichen Zustimmung der Länder aus, aber nicht aus Begeisterung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern schlicht deswegen, weil dieses ERegG besser ist als gar keine Regulierung und gar kein neues Gesetz . Vor allem aber brauchen die Länder Sicherheit darüber, wie groß die Kaufkraft ihrer Regionalisierungsmittel ist, damit sie ihre Regionalverkehre bestellen können . Wir als Bundestagsfraktion haben aber über den Regionalverkehr hinaus eine andere Brille aufzusetzen, um zu beobachten, was sich im Schienengüterverkehr und im Fernverkehr tut . Hier ist das Problem im Zusammenhang mit der Trassenpreisbremse eben nicht sauber gelöst . Die Einnahmeausfälle, die entstehen, werden von irgendjemandem ausgeglichen werden müssen . Dafür bleiben eben nur noch Güterverkehr und Fernverkehr übrig . Das kann für beide Segmente problematisch werden . Zwar wird in dem Änderungsantrag der Großen Koalition ein Bericht der Bundesnetzagentur versprochen . Aber was dann passiert und welche Folgen der Bericht hat, ist im Moment noch offen . Genauso ungeklärt ist auch, ob die gesamte Infrastruktur der Anreizregulierung unterliegen wird . Auch hierzu hat sich der Bundesrechnungshof kritisch geäußert . Unter dem extremen Zeitdruck, unter dem wir uns mit diesem Gesetzentwurf und dem vorgestern Nachmittag eingereichten Änderungsantrag der Großen Koalition befassen müssen, lassen sich diese und viele weitere offene Fragen nicht sicher klären . Die von den Ländern erzwungene Trassenpreisbremse ist bei dem Vollkostenprinzip, das zur Anwendung kommen soll, richtig . Sie ist eine Chance für mehr Regionalverkehr . Bei vielen anderen Punkten - von der Anreizregulierung bis hin zur Billigkeitskontrolle vor den Zivilgerichten - lässt der Gesetzentwurf aber viele Chancen ungenutzt . So regiert das Prinzip Hoffnung . Nach so langer Zeit, die Sie hatten, um einen guten Gesetzentwurf vorzulegen, ist das ziemlich traurig . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen . - Der Kollege Ulrich Lange hat seine Rede zu Protokoll ge- geben .1) ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eben keine Zwischenfrage des Kollegen Martin Burkert zugelassen . Ich habe auch bei den vorherigen Debatten keine Zwischenfragen zugelassen . Ich werde das auch in der kommenden Debatte nicht tun . ({1}) 1) Anlage 11 Ich bitte um Verständnis . Wir haben miteinander verein- bart, dass wir heute keine Zwischenfragen zulassen . Das haben auch meine Kolleginnen und Kollegen nicht getan . Wir müssen einigermaßen im Zeitplan bleiben . Deshalb bitte ich dafür um Verständnis . Es liegt eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäfts- ordnung zu dieser Abstimmung vor .2) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich . Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9099, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8334 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition angenommen worden bei Gegenstimmen der Opposition und eines Mitglieds der SPD-Fraktion . ({2}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 a bis 17 c auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE Ausstieg aus Stuttgart 21 - Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster be- wahren Drucksachen 18/7566, 18/9085 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE Änderung der Eisenbahnbau- und Betriebs- ordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Ei- senbahnverkehr Drucksachen 18/5406, 18/9098 c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn ({5}), 2) Anlage 10 weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen Drucksache 18/9039 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ({6}) Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen wor- den, und ich kann die Aussprache eröffnen . Ich weise darauf hin, dass die beiden Kollegen Alexander Funk und Steffen Bilger ihre Reden zu Pro- tokoll gegeben haben .1) ({7}) Damit rufe ich jetzt als erste Rednerin Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke auf . Sie hat das Wort . ({8})

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nein, ich kann Ihnen mitteilen: Meine Kollegin Sabine Leidig ist leider krank - sogar schwer krank -; deswegen habe ich heute sehr gerne für sie diese Rede übernommen . Es ist nämlich sehr wichtig, dass wir über dieses Thema sprechen . Denn diese Woche wurde in der Stuttgarter Zeitung eine Zahl mit enormer Sprengkraft veröffentlicht . Jetzt steht nämlich fest, wovor die Bewegung gegen das Großprojekt Stuttgart 21 bereits seit Jahren gewarnt hat, und sie hat das auch vorgerechnet, nämlich die nächste Kostenexplosion bei diesem Wahnsinnsprojekt . ({0}) Der Bundesrechnungshof geht bei den Kosten von neuen Zahlen aus . Er rechnet mit bis zu 10 Milliarden Euro Kosten für dieses unglaubliche und unnütze Projekt . Das ist eine Bankrotterklärung für all diejenigen, die immer noch dieses Projekt unterstützen . ({1}) Genau deswegen fordern wir den Ausstieg aus Stuttgart 21 . Er ist immer noch möglich . ({2}) Ich will Ihnen deutlich machen, dass dieses Projekt wirklich ein Fass ohne Boden ist . Entweder hat die Bahn den Überblick über ihre eigenen Berechnungen verloren, oder sie lügt hier, dass sich die Balken biegen . Wir ha- ben 1997 mit dem Projekt angefangen . Damals wurde gesagt: Das Projekt kostet 2 Milliarden D-Mark . Dann stieg es etwas an auf schlappe 4,5 Milliarden D-Mark bei 1) Anlage 12 der Volksabstimmung - ein Kostendeckel . Im März 2013 lagen wir dann bei 6,8 Milliarden Euro, und mittlerweile rechnet der Bundesrechnungshof mit 10 Milliarden Euro . Das ist eine Verzehnfachung gegenüber dem Ausgangswert . Dagegen ist sogar der Berliner Flughafen in der Kostensteigerung ein regelrechtes Schnäppchen . So wird hier gerechnet, und das ist unverantwortlich . ({3}) Einen Profiteur gibt es dabei aber ganz bestimmt. Es gibt mehrere, aber einer saß eine Weile im Bundeskanzleramt: Ronald Pofalla, der dieses Projekt 2013 als Vertrauter von Angela Merkel beim Aufsichtsrat noch durchgedrückt hat, obwohl damals schon die Berechnungen davor gewarnt haben, das Projekt weiterzubetreiben . Er hat es durchgedrückt . Mittlerweile sitzt er im Bahnvorstand mit einem schönen Gehalt von über einer halben Million Euro . Ja, herzlichen Glückwunsch, Herr Pofalla! Für Sie hat sich dieses Projekt gelohnt . ({4}) Es gibt in ganz Europa mittlerweile keinen vergleichbaren Großstadthauptbahnhof, der eine derart schräge Planung hat . Zum Beispiel geht es technisch gesehen ja auch um eine Gleisneigung von 25 Promille . Diese liegt beim Fünffachen des eigentlich Zulässigen . So etwas gibt es eigentlich überhaupt nicht . Die Fachleute greifen sich an den Kopf, wie man so eine Planung überhaupt machen kann . ({5}) Dazu kommt - das ist eigentlich der größte Skandal -, dass es auch noch mit einem Kapazitätsabbau verbunden ist, also mehr Geld für weniger Leistung . Das ist wirklich ein Schildbürgerstreich ohnegleichen, und genau deshalb müssen wir dieses Projekt stoppen . ({6}) Es ist auch das Projekt von Angela Merkel . Sie hat, wie gesagt, persönlich mitveranlasst, dass weitergebaut wird, und deshalb ist auch sie und die Bundesregierung verantwortlich für diese Misswirtschaft, diese Fehlkalkulation und den Missbrauch von Steuergeldern . ({7}) Den Grünen kann ich nur sagen: Beenden Sie endlich diese blödsinnig-kritische Begleitung dieses Projektes! Stoppen Sie es in Baden-Württemberg! Die Volksabstimmung ist schon lange obsolet . ({8}) Wir werden jedenfalls am 16 . Juli für ein Ende des Projekts in Stuttgart demonstrieren . Dazu sind Sie alle herzlich eingeladen . Stoppt Stuttgart 21! ({9}) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächste Rednerin hat Annette Sawade von der SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Annette Sawade (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004223, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen auf den Tribünen! In 13 Minuten ist Anpfiff, und ich wünsche unserer Mannschaft vollen Erfolg! ({0}) Aber ich sage dazu: Es ist nicht der Abpfiff für Stuttgart 21 ({1}) auch das in Richtung der Linken . ({2}) Am 25 . Februar debattierten wir hier schon einmal über das Projekt Stuttgart 21 . Ausstieg: ja oder nein? Kosten: realistisch oder illusorisch? Aber mir ist vor allem auch in Erinnerung - und das war in der jetzigen Debatte auch wieder der Fall -: Polemik oder Sachlichkeit? Ich bin ehrlicherweise für Sachlichkeit . ({3}) Um es vorwegzusagen: Stuttgart 21 wird gebaut, und es geht voran; denn es ist nun einmal beschlossen, und es wird an diesem Bahnhof nicht fahrlässig mit der Sicherheit der Fahrgäste umgegangen, auch wenn Frontal 21 etwas anderes suggerieren wollte . ({4}) Wir hatten hier im Haus eine Anhörung zur Gleisneigung . Das Fazit war eindeutig: Die Eisenbahnbetriebsordnung muss nicht geändert werden; Professor Fengler brachte es auf den Punkt - ich zitiere -: Die Eisenbahn ist, verglichen mit dem Straßenverkehr, ein um Größenordnungen sichereres, trotzdem sehr leistungsfähiges und zudem noch umweltfreundlicheres Verkehrsmittel . Es sollte vermieden werden, dieses Verkehrsmittel … durch verschärfte Anforderungen, die wenig nützen, da der Sicherheitsgewinn nur marginal ist, noch teurer zu machen . Wir wollen alle mehr Verkehr auf die Schiene . ({5}) Heute wird deutlich sichtbar: In Stuttgart sowie zwischen Wendlingen und Ulm wird gebaut . Von rund 59 Kilometern sind bereits 16 Kilometer Tunnel ausgehoben . Auf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind es 31 Kilometer von rund 62; übrigens sind dort seit Februar 3,5 Kilometer dazugekommen . Fertig ist seit März 2016 die Unterquerung des Neckars, und das Eisenbahn-Bundesamt hat gerade die Bodenplatte freigegeben, damit sie gebaut werden kann . Ja, das Gelände um Stuttgart 21 ist eine Riesengrube; das stimmt . Jeder wünscht sich ein Ende dieser Baustelle, aber ein Ende im Sinne einer Fertigstellung . Was passiert denn bei dem von Ihnen gewünschten Stopp? Die Tunnel müssten wieder zugemacht werden, die Gruben gefüllt und komplett neu geplant werden . Oder was wollen Sie tun: wie vorgeschlagen einen zentralen Omnibusbahnhof oder ein Eventcenter mit Swimmingpool - eine Grube wäre ja vorhanden - errichten? Nein, natürlich nicht! Wir wollen einen guten Bahnhof und eine Erweiterung des Stadtzentrums, das diesen Namen auch verdient . Das Rosenstein-Viertel ist eine Projektionsfläche für Bürgerbeteiligung . 2 Quadratkilometer Fläche statt Gleisbett! Deshalb sind Worte wie Desaster, Stopp, Ausstieg, Schaden, wie sie im Antrag der Linken zu lesen sind, fehl am Platz . Natürlich gehören Fragen der Sicherheit, der Feinplanung und der Kostenentwicklung offen besprochen . Aber Vermutungen wie „Ich glaube das nicht“ oder „Das funktioniert nicht“ helfen nicht weiter . Vom steten Wiederholen allein werden Chaosvermutungen nicht besser oder überzeugender . ({6}) Mittlerweile arbeiten sowohl der Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann, und der Oberbürgermeister von Stuttgart, Fritz Kuhn - beide sind Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen -, konstruktiv an der Entwicklung des Projekts mit . Oberbürgermeister Kuhn sagte noch vor ein paar Tagen: Die Bahn muss es pünktlich schaffen . - Daran sind auch wir interessiert . Die Stadt hat ein Interesse daran, dass dies gelingt . Wir beteiligen uns jederzeit an Gesprächen, die zum Ziel haben, den Kosten- und Zeitrahmen einzuhalten . In den letzten Wochen war Stuttgart 21 wieder stärker im Fokus der Öffentlichkeit; wir alle kennen die entsprechenden Berichte . Aber wir reden erst darüber, wenn wir die Fakten kennen . Wir fordern, die Fakten auf den Tisch zu legen . Wenn aber der SWR die Stuttgarter Zeitung zitiert und diese wiederum den SWR, dann sind das für uns keine ausreichenden Argumente . Wir wollen die Fakten sehen . Diese werden kommen . ({7}) Am 6. September findet erneut eine Aufsichtsratssitzung statt, in der externe Gutachten vorgelegt werden . Der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs und die Stellungnahme des Verkehrsministeriums liegen bislang nicht vor . Wir sagen heute noch nichts dazu, weil wir die Fakten noch nicht kennen . Vermuten wollen wir nicht . Lassen Sie uns also bitte nicht vorschnell irgendwelche Schlüsse ziehen, die nicht richtig wären . Ruhe und Besonnenheit müssen einkehren . Ständige Spekulationen, Mutmaßungen und Szenarien bringen uns wahrlich nicht weiter . Was sagt ein Sprichwort aus Sambia: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht .“ Herzlichen Dank . ({8})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Matthias Gastel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat als nächster Redner das Wort .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als dieser Tagesordnungspunkt für heute aufgesetzt wurde, konnten wir noch nicht wissen, welche Aktualität dieses Thema durch einen möglichen Bericht des Bundesrechnungshofs, wonach vielleicht die Kosten auf knapp 10 Milliarden Euro gestiegen sind, bekommen wird . Ich gehe noch einmal zurück . Dieses Projekt hat mit dem Versprechen begonnen: Es kostet nichts . Wir verkaufen oben die Grundstücke und bauen dann einen Tunnel darunter. Alle profitieren. - Dann sind die Kosten gestiegen. Aktuell liegen sie offiziell bei 6,5 Milliarden Euro. Nun ist die Rede von knapp 10 Milliarden Euro . Es wird immer deutlicher, dass die Kosten künstlich und aus politischen Gründen niedrig gehalten wurden, um die Mehrheit im Parlament zu sichern und die gesellschaftlichen Widerstände möglichst kleinzuhalten . Die DB hat schlecht geplant . Die DB rechnet schlecht . Die DB informiert schlecht . Die Projektpartner dürfen bezahlen, bekommen aber nicht die notwendigen Informationen bzw . erfahren aus der Zeitung, was mit diesem Projekt los ist . Der Bau von Stuttgart 21 erfolgte sozusagen im Blindflug. Man weiß nicht, wohin sich die Kosten entwickeln. Man weiß nicht, wann dieses Projekt fertig wird . Man weiß noch nicht einmal, ob es am Ende ein Bahnhof ist oder ob tatsächlich eher ein Haltepunkt in Betrieb gehen wird . Wir wissen nicht, welche Kapazitäten nachher zur Verfügung stehen . Am Ende - das ist sicher - bekommen wir wenig Bahnhof für viel Geld . Deswegen haben wir für die heutige Debatte einen Antrag vorgelegt . Wir fordern Transparenz bei den Kosten . Wir wollen, dass die Stellungnahmen des Bundesrechnungshofs, wenn sie fertiggeschrieben sind, umgehend vorgelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden . Wir wollen, dass offengelegt wird, wie viele Mittel aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die eigentlich für Ersatzmaßnahmen, also für den Erhalt der vorhandenen Substanz, vorgesehen sind, in den Neubau von Stuttgart 21 gesteckt werden . Wir wollen wissen, welche Kosten mit Modifizierungen des Projektes, beispielsweise Kombibahnhof, verbunden wären, und wir wollen, dass die Bundesregierung Verantwortung für den bundeseigenen Konzern übernimmt . Es kann nicht sein, dass die Schulden immer weiter steigen und am Ende das Geld für die notwendigen Investitionen in das Netz und in neues Wagenmaterial fehlt . ({0}) Es war ein Riesenfehler, dass nicht allerspätestens im Jahr 2013 beim letzten Kostenanstieg dieses Projekt gestoppt wurde . ({1}) Der Bund war es, der auf den Weiterbau gedrängt hat . Deswegen drängen wir jetzt darauf, dass der Bund endlich bereit ist, seine Verantwortung zu übernehmen . ({2})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie jetzt um Ihre Aufmerksamkeit und um konzentriertes Mitmachen . Wir haben zehn Abstimmungen, die auch strittig sind, und wir haben fünf Überweisungen . Ich werde versuchen, das jetzt konzentriert und zügig zu machen, und bitte Sie, mitzumachen . Zunächst komme ich zum Tagesordnungspunkt 17 a . Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Ausstieg aus Stuttgart 21 - Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster bewahren“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9085, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7566 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden . Tagesordnungspunkt 17 b . Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Änderung der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr“ . Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9098, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5406 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden . Tagesordnungspunkt 17 c . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9039 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 27. Januar 2016 zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte Drucksache 18/8841 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Die mehrseitige Vereinbarung ist offen für die Zeich- nung durch weitere Staaten . Die Reden sind zu Protokoll gegeben worden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .1) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/8841 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Nachtzüge retten - Klimaverträglichen Fernreiseverkehr auch in Zukunft ermöglichen Drucksache 18/7904 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ({1}) Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/7904 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben Drucksache 18/8831 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ({2}) Innenausschuss Sportausschuss Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Sie sind damit einverstanden, wie ich sehe .3) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/8831 an die in der Tagesordnung auf- geführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall . Dann ist das so geschehen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Azize Tank, Matthias W . Birkwald, Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE 1) Anlage 13 2) Anlage 14 3) Anlage 15 eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto Drucksache 18/9029 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({3}) Innenausschuss Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, auch damit sind Sie einverstanden .4) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/9029 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federführung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales liegen soll . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze ({4}) Drucksache 18/8332 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur ({5}) Drucksache 18/9023 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden . - Auch damit sind Sie einverstanden, wie ich sehe .5) Wir kommen dann zur Abstimmung . Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfiehlt in seiner Be- schlussempfehlung auf Drucksache 18/9023, den Gesetz- entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8332 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim- men wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dage- gen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Ge- setzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koali- tion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf 4) Anlage 16 5) Anlage 17 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn Drucksache 18/9070 . Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt worden . Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften Drucksache 18/8620 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({6}) Drucksache 18/9087 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .1) Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung . Der Innen- ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9087, den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung auf Drucksache 18/8620 in der Ausschussfas- sung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Oppo- sition angenommen worden . Dritte Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften Drucksache 18/8965 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({7}) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten Drucksache 18/6361 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit ({8}) Innenausschuss 1) Anlage 18 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, auch damit sind Sie einverstanden .2) Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/8965 und 18/6361 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- gen . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden . Dann sind die Überweisungen so beschlossen . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entschädigung für die Radargeschädigten der Bundeswehr und der ehemaligen NVA noch weiter verbessern Drucksache 18/9032 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Radarstrahlengeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA besser entschädigen Drucksache 18/9027 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .3) Damit kommen wir zur Abstimmung über den An- trag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 18/9032 mit dem Titel „Ent- schädigung für die Radargeschädigten der Bundeswehr und der ehemaligen NVA noch weiter verbessern“ . Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9027 mit dem Ti- tel „Radarstrahlengeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA besser entschädigen“ . Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Ko- alition bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt worden . Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unterstützung für den Friedensprozess in Ko- lumbien Drucksache 18/9033 2) Anlage 19 3) Anlage 20 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für den Frieden in Kolumbien - Paramilita- rismus konsequent bekämpfen Drucksache 18/9026 Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .1) Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/9033 mit dem Titel „Unterstützung für den Friedensprozess in Kolumbien“ . Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Das ist nicht der Fall . Dann ist der Antrag einstimmig angenommen worden . Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9026 mit dem Titel „Für den Frieden in Kolumbien - Paramilitarismus konsequent bekämpfen“ . Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze ({9}) Drucksache 18/8487 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({10}) Drucksache 18/9088 - Bericht des Haushaltsausschusses ({11}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9089 Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2) Wir kommen zur Abstimmung . Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussemp- fehlung auf Drucksache 18/9088, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8487 in der Aus- schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol- len, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition und der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . 1) Anlage 21 2) Anlage 22 Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters Drucksachen 18/8209, 18/8557, 18/8660 Nr 1.2 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({12}) Drucksache 18/9083 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .3) Wir kommen zur Abstimmung . Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9083, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/8209 und 18/8557 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze Drucksache 18/8559 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur ({13}) Drucksache 18/9084 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .4) 3) Anlage 23 4) Anlage 24 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn Wir kommen damit zur Abstimmung . Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9084, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8559 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden . ({14}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Soldatinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/8517 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({15}) Drucksache 18/9078 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .1) Wir kommen damit zur Abstimmung . Der Innenaus- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9078, den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung auf Drucksache 18/8517 in der Ausschussfas- sung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Oppo- sition angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Ent- haltung der Opposition angenommen worden . 1) Anlage 25 Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({16}) - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen ({17}) - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen ({18}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr . Valerie Wilms, Lisa Paus, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Ressourcenverschwendung stoppen - Na- tionales Ressourceneffizienzprogramm zu- kunftsfähig ausgestalten Drucksachen 18/7777, 18/7918 Nr. 1.2, 17/8965, 18/770 Nr. 27, 18/7047, 18/9094 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf Drucksache 18/9094 . Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 18/7777 über das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm II eine Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden . Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss, die Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 18/8965 über das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Was ist denn jetzt mit der Fraktion Die Linke? ({19}) - Ja, weil da hinten eine Enthaltung war . Habe ich das richtig gesehen? - Gut . Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und den Stimmen der Fraktion Die Linke bei Ent- 2) Anlage 26 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn haltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und eines Abgeordneten der Fraktion Die Linke angenommen worden . Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7047 mit dem Titel „Ressourcenverschwendung stoppen - Nationales Ressourceneffizienzprogramm zukunftsfähig ausgestalten“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bei - ({20}) - Über die Kenntnisnahme hatten wir eben abgestimmt . Jetzt stimmen wir über die Ausschussempfehlung, nicht jedoch über den Antrag der Grünen ab . Dies sage ich zur Klarstellung angesichts der Irritationen bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . Ich wiederhole die Abstimmung . Unter Buchstabe c der Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7047 abzulehnen . Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? - Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Drucksache 18/6985 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ({21}) Drucksache 18/9092 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden . 1) ({22}) 1) Anlage 27 - Lieber Kollege, lassen Sie uns doch fortfahren . Wir kommen zur Abstimmung - nicht zur Debatte . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9092, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/6985 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden . Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden . Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9092 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? - Das ist nicht der Fall . Dann ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich bei Ihnen . ({23}) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 8 . Juli 2016, 9 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen jetzt viel Spaß, entweder beim Zuschauen des Fußballspiels, das hoffentlich richtig spannend ist, oder bei einer anderen schönen Nutzung dieses Abends .