Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott! Die Sitzung ist eröffnet .
Vor Eintritt in die Tagesordnung dieser 178 . Sitzung
des Deutschen Bundestages darf ich folgende amtliche
Mitteilung verlesen: Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates auf der Drucksache 18/8840
zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der EU-Richtlinien 2015/566 und 2015/565
zur Einfuhr und zur Kodierung menschlicher Gewebe
und Gewebezubereitungen an den federführenden Ausschuss für Gesundheit sowie zur Mitberatung an den
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und den
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung zu überweisen .
Des Weiteren sollen die Mitberatungen des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
und des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem bereits überwiesenen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf der Drucksache 18/8273 aufgehoben werden .
Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Widerspruch sehe ich keinen . Dann ist das so beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus
Drucksache 18/8824, 18/8881
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({0})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union
Ausschuss Digitale Agenda
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen . Wir
kommen daher gleich zur Überweisung . Interfraktionell
wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf den Drucksachen 18/8824 und 18/8881 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es dazu
andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall . Dann ist die
Überweisung so beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Bevor wir zur Befragung der Bundesregierung kommen, habe ich eine Bitte an die Parlamentarischen Geschäftsführer: Wenn Sie uns die Namen der Fragesteller
vorab geben könnten, dann können wir unverzüglich mit
den Fragen beginnen .
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung
für die Siebte Überprüfungstagung zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit im März/April 2017.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit, Frau Dr . Barbara Hendricks . Frau Ministerin, Sie haben das Wort .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Bundeskabinett hat heute den Bericht für die Siebte
Überprüfungstagung zum Übereinkommen über nukleare
Sicherheit beschlossen, die im März/April 2017 in Wien
stattfinden wird. Die nukleare Sicherheit ist eine zentrale
Aufgabe, die auch nicht dadurch geschmälert wird, dass
Deutschland bis 2022 aus der Nutzung der Kernenergie aussteigt . Die Sicherheit der Atomkraftwerke muss
bis zum letzten Betriebstag und auch anschließend bei
der Stilllegung und beim Rückbau vollständig gewährleistet bleiben . Die Sicherheit der Nuklearanlagen steht
auch im Zentrum des Übereinkommens . Es handelt sich
um einen wichtigen Vertrag, der in den 1990er-Jahren
unter maßgeblicher Beteiligung der damaligen Bundesregierung zustande gekommen ist . Die Vertragsstaaten
verpflichten sich darin zur Erfüllung eines international
hohen Standards der nuklearen Sicherheit von Kernanlagen sowohl durch innerstaatliche Maßnahmen wie auch
durch internationale Zusammenarbeit, zur Schaffung und
Beibehaltung wirksamer Abwehrvorkehrungen in Kernanlagen gegen mögliche radiologische Gefahren und zur
Verhütung von Unfällen mit radiologischen Folgen bzw .
zur Milderung dieser Folgen .
Dem Übereinkommen gehören gegenwärtig 78 Vertragsparteien an, die alle drei Jahre einen nationalen
Bericht für die Überprüfungskonferenz vorlegen sollen .
Eine Reihe von Vertragsstaaten hat das im Jahr 2014
nicht getan und auch nicht an der Konferenz teilgenommen . Wir sind überzeugt, dass die Vertragsziele viel zur
internationalen Sicherheit beitragen können . Deshalb
unterstützt Deutschland die kanadische Präsidentschaft
dabei, diese Vertragsstaaten von der Notwendigkeit einer
aktiven Mitarbeit zu überzeugen . Darüber hinaus ist es
aus deutscher Sicht notwendig, weitere Staaten, die bislang keine Vertragsstaaten sind, in den Überprüfungsprozess einzubinden . Deutschland wird alle Bemühungen in
diese Richtung unterstützen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Wiener
Deklaration zum Übereinkommen hat die internationale Staatengemeinschaft ein weiteres Signal zur Verbesserung der Sicherheit in Atomkraftwerken nach den
Reaktorunfällen in Fukushima gesetzt . Danach sollen
in zahlreichen anderen Staaten Kernanlagen sicherheitstechnisch nachgerüstet werden . Ob dies tatsächlich
geschieht, liegt in der souveränen Entscheidung des
Betreiberstaates bzw . der jeweiligen atomrechtlichen
Aufsichtsbehörden . Hier hätte sich Deutschland ganz
klar rechtsverbindlichere Regelungen gewünscht . Das
ist aber leider am Widerstand einiger Betreiberstaaten
gescheitert . Immerhin wird ein gewisser Druck durch
die so erweiterten Berichtspflichten ausgeübt, und man
wird aus den nationalen Berichten ersehen, ob Verbesserungen vorgenommen werden . Wir werden die Berichte
der anderen Vertragsstaaten, insbesondere die unserer
Nachbarn mit Atomkraftwerken, auswerten . Die Überprüfungstagung vom 27 . März bis zum 7 . April 2017 in
Wien gibt dann den Rahmen, um alle kritischen Fragen
zur nuklearen Sicherheit zu stellen .
Mit dem nationalen Bericht stellen wir fest, dass die
Bundesrepublik Deutschland alle Verpflichtungen aus
dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit erfüllt .
Deutschland bleibt darüber hinaus Ansprechpartner in allen Sicherheitsfragen und wird sich auch zukünftig aktiv
für Sicherheitsverbesserungen in den Staaten einsetzen,
die weiter an der Atomenergie festhalten . Wir werden
insbesondere die Sicherheit der Kernanlagen in unseren
Nachbarstaaten weiter kritisch hinterfragen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der nationale Bericht wird jetzt in englischer Sprache bei der IAEO
hinterlegt . Alle Vertragsstaaten haben die Möglichkeit,
Fragen zum Bericht zu stellen, die wir dann beantworten
werden . Umgekehrt können wir auch Fragen zu den übrigen nationalen Berichten stellen . Das Ziel dieses Verfahrens sind eine transparente Bewertung der nationalen
Berichte durch andere sowie das gemeinsame Lernen aus
den Erfahrungen der anderen . Außerdem werden wir den
Bericht noch heute an die Ausschüsse für Umwelt und
Bau des Deutschen Bundestages sowie des Bundesrates
versenden .
Abschließend möchte ich allen danken, die an der
Erstellung des Berichtes beteiligt waren . Das sind das
Bundesamt für Strahlenschutz, die Bundesländer mit
Kernanlagen, die Genehmigungsinhaber, die beteiligten
Bundesressorts und das Bundeskanzleramt .
Herzlichen Dank .
Vielen Dank, Frau Bundesministerin . - Mir liegen
jetzt bereits einige Fragen vor, die sich mit dem Themenbereich beschäftigen, über den Frau Bundesministerin
soeben berichtet hat .
Als Erstes erteile ich dem Kollegen Hubertus Zdebel
von den Linken das Wort für eine Frage .
Danke schön, Herr Präsident . - Frau Ministerin, meine
Frage bezieht sich auf den Themenkomplex AVR Jülich .
Ich beziehe mich auf den Bericht für die Überprüfungstagung 2014, in dem der Standort AVR Jülich im Anhang 1-2 als Kernkraftwerk in Stilllegung klassifiziert ist.
Meine Frage lautet, ob das im neuen Bericht immer noch
so ist; denn da stellen sich natürlich Fragen bezüglich des
Exports der Brennelemente in die USA . Darüber wird ja
immer noch verhandelt, obwohl das nach dem Atomgesetz
gar nicht zulässig wäre, wenn es sich um ein Kernkraftwerk handelte und nicht um einen Forschungsreaktor .
Ich stimme Ihnen zu: Wenn es sich um Brennelemente
aus einem Kernkraftwerk handelte, dann können wir diese
gemäß Atomgesetz nicht exportieren; das ist vollkommen
richtig . Die Position meines Hauses ist, dass wir Exporte vermeiden wollen . Dies ist noch nicht die Position der
Bundesregierung . Ich bin aber zuversichtlich, dass wir
eine gute, alternative Lösung im Inland finden werden.
Die nächste Frage stellt Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
vom Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, ich
möchte anschließen an Ihre Aussage - Zitat -: „Die Sicherheit … muss bis zum letzten Betriebstag … gewährleistet bleiben .“ Sie stimmen wahrscheinlich mit mir
überein - zumindest was die belgischen Atomkraftwerke
betrifft -, dass es an unseren Grenzen Atomkraftwerke
gibt, auf die sich die Frage nach der Sicherheit stärker
bezieht als auf Atomkraftwerke bei uns in Deutschland .
Wir haben das Paradoxon: Auf der einen Seite steht die
souveräne Entscheidung des Betreiberstaates über allem Sie haben es eben angesprochen -, auf der anderen Seite
wissen wir alle, dass Strahlung und Risiko an Landesgrenzen nicht haltmachen . Meine Frage lautet: Wann wird sich
die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis heraus endlich
dafür einsetzen, zum Beispiel bei der nächsten Tagung im
Jahr 2017, dass zumindest die von einem GAU direkt beBundesministerin Dr. Barbara Hendricks
troffenen Nachbarländer ein Mitspracherecht in Bezug auf
die Sicherheitsanforderungen von grenznahen Atomkraftwerken bekommen? Man könnte das zum Beispiel über
Euratom installieren . Wird sich die Bundesregierung für
eine solche Regelung starkmachen?
Frau Kollegin, ich hatte eben gesagt, dass wir zunächst die Berichte der Länder mit Atomenergieanlagen, insbesondere die Berichte unserer Nachbarländer,
besonders sorgfältig prüfen werden . Wenn das Ergebnis
der Prüfung einen Anhaltspunkt ergibt, genau in dieser
Richtung auf der Konferenz in Wien voranzuschreiten,
dann werden wir dies tun .
Im Übrigen haben wir mittlerweile Wege der Zusammenarbeit mit Belgien gefunden, die es bisher so nicht
gab . Im Ergebnis ist das alles aber noch nicht befriedigend; da sind wir uns sicherlich einig .
Die nächste Frage stellt die Kollegin Inge Höger von
der Fraktion Die Linke .
Vielen Dank . - Unsicherheit geht nicht nur von Atomkraftwerken aus, sondern auch von den nach wie vor in
Deutschland gelagerten Atomwaffen in Büchel . Diese
sollen jetzt sogar modernisiert werden . Wie steht die
Bundesregierung dazu?
Frau Kollegin, dazu kann ich keine Aussage treffen,
weil das nicht in meinem Verantwortungsbereich liegt . Der Kollege Brauksiepe aus dem Bundesverteidigungsministerium wäre vielleicht in der Lage, darauf eine Antwort zu geben .
Möchte Herr Staatssekretär Brauksiepe für die Bundesregierung spontan eine Antwort auf diese Frage geben?
Er muss nicht; das ist klar .
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .
Herr Präsident, es ist wohlgeübte Praxis der Bundesregierung, darüber nicht öffentlich Auskunft zu geben, und
diese bewährte Praxis wird auch fortgeführt werden .
({0})
Damit ist eine Antwort auf die Frage gegeben worden . - Die nächste Frage stellt der Kollege Oliver
Krischer für Bündnis 90/Die Grünen .
Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin,
die Kollegin Kotting-Uhl hat die grenznahen AKWs
schon angesprochen . Das Problem betrifft mehrere Staaten, nicht nur Belgien, aber ich möchte konkret nach Belgien fragen . Sie haben ein Atomabkommen mit Belgien
in Aussicht gestellt . Sie haben eben davon gesprochen,
es gebe eine Zusammenarbeit, die aber noch unbefriedigend sei; so habe ich Sie jedenfalls verstanden . Meine
Frage lautet: Sind Sie in konkreten Verhandlungen mit
Belgien über ein Sicherheitsabkommen mit Deutschland,
und wenn ja, wann können wir mit einem solchen Abkommen rechnen, und welche Inhalte wird ein solches
Abkommen haben?
Herr Kollege Krischer, auf Basis der Beratungen der
Reaktor-Sicherheitskommission und der Bewertungen
der Experten des Bundesumweltministeriums hatte ich
die belgische Regierung gebeten, bis zur abschließenden
Klärung von noch notwendigen weiter gehenden Untersuchungen die Reaktorblöcke Tihange 2 und Doel 3 vorübergehend stillzulegen . Bei einem bilateralen Gespräch,
das auf meine Initiative hin zwischen dem BMUB und
der Atombehörde FANC am 5 . und 6 . April 2016 stattfand, haben sowohl die deutschen als auch die belgischen
Experten weiteren Untersuchungsbedarf festgestellt .
Erste Vorschläge für ein weiteres Untersuchungsprogramm wurden von belgischer Seite bereits erarbeitet .
Das Bundesumweltministerium begrüßt die Initiative
und ist bereit, das Untersuchungsprogramm gemeinsam
mit den belgischen Experten auf internationaler Ebene zu
begleiten . Dies haben meine Experten gegenüber der zuständigen Atombehörde in Belgien kommuniziert .
Ich halte es weiterhin für richtig, die Anlagen vorübergehend vom Netz zu nehmen, jedenfalls so lange, bis
die weiteren Untersuchungen abgeschlossen sind . Ich
habe mich mit dem belgischen Innenminister Jambon auf
den baldigen Abschluss eines bilateralen Nuklearabkommens, welches Sie ansprechen, Herr Kollege Krischer,
geeinigt . Dieses Abkommen wird eine bilaterale Nuklearkommission vorsehen, keine gemeinsame Sicherheitspolitik, sondern eine bilaterale Nuklearkommission, wie
wir sie mit allen anderen Nachbarländern, in denen es
AKWs gibt, schon gebildet haben . In diesem Rahmen
sollen regelmäßig Gespräche über Themen der Reaktorsicherheit stattfinden. Die Arbeiten an diesem Abkommen schreiten voran . Ich bin allerdings heute nicht in der
Lage, zu sagen, wann wir damit fertig sein werden . Wir
bemühen uns um einen raschen Abschluss .
Der Kollege Hubertus Zdebel von der Fraktion Die
Linke stellt die nächste Frage .
Danke schön, Herr Präsident . - Frau Ministerin, ich
habe eine Nachfrage zum Einsatz von sogenannten
MOX-Brennelementen, also von Plutonium-Uran-Mischbrennelementen . Ich beziehe mich auf den Bericht von
März/April 2014, in dem in groben Eckdaten die Genehmigungssituation für den Einsatz dieser MOX-Brennelemente beschrieben wird . Danach wurde der Einsatz von
MOX-Brennelementen in sieben der noch in Betrieb befindlichen Reaktoren genehmigt. Angaben zum tatsächlichen Einsatz und der Anzahl der MOX-Brennelemente fehlten allerdings völlig . Meine Frage an Sie lautet:
Werden in dem neuen Bericht bessere Angaben dazu
gemacht, und können Sie, Frau Ministerin, sagen, wie
sich der Einsatz von MOX-Brennelementen in den verbliebenen Reaktoren seitdem entwickelt hat und ob dem
Bericht zu entnehmen sein wird, wann der Einsatz von
MOX-Brennelementen in den Reaktoren abgeschlossen
sein wird?
Herr Kollege, das kann ich im Moment nicht beantworten . Ich werde Ihnen die Antwort aber gerne schriftlich nachreichen .
Die nächste Frage stellt die Kollegin Katja Keul für
Bündnis 90/Die Grünen .
Auch wenn Staatssekretär Brauksiepe jetzt nichts zu
Atomwaffen sagen will, stellt sich natürlich die Frage,
ob auf der Überprüfungskonferenz im nächsten Jahr
auch die Gefährdungen durch militärische Nutzungen
der Nuklearenergie auf der Tagesordnung stehen . Es geht
ja nicht nur um moderne Waffen wie in Büchel, sondern
auch um die ganz erhebliche Gefahr durch Proliferation
von Altlasten . Deswegen frage ich mich, ob das auf dieser Überprüfungskonferenz zumindest Thema sein wird .
Nein, dies wird nicht Thema auf der Überprüfungskonferenz sein, weil auf dieser Überprüfungskonferenz
die kommerzielle Nutzung von Kernenergie im Vordergrund stehen wird .
Der Kollege OIiver Krischer stellt die nächste Frage
für Bündnis 90/Die Grünen .
Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin,
vor einigen Tagen waren 60 Landräte, Bürgermeister
und Oberbürgermeister in Brüssel, um einen Fragen- und
Forderungskatalog bezüglich des Betriebs von Tihange 2
und Doel 3 an den Präsidenten des Europäischen Parlaments und eine Reihe von Europaabgeordneten zu
übergeben . Es wurden Fragen und Forderungen an die
Europäische Kommission formuliert, auch mit Blick
auf Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz . Meine Frage an Sie lautet: Ist die Bundesregierung bereit,
die Kommunen, die sich gegen den Weiterbetrieb dieser
Reaktoren aussprechen und dabei viel Know-how und finanzielles Engagement aufbringen, zu unterstützen und
insbesondere die Befriedigung ihres Informationsbedürfnisses mit Mitteln der Bundesregierung gegenüber der
Europäischen Kommission durchzusetzen?
Die Bundesregierung hat selbstverständlich großes
Verständnis dafür, dass die Menschen in der Region Aachen - sei es auf deutscher, belgischer, niederländischer
oder luxemburgischer Seite - ein Informationsbedürfnis
haben . Dieses wird bisher nicht befriedigt . Das liegt auf
der Hand . Wir sind gerne bereit, mit unseren Möglichkeiten bilateral - im Verhältnis zu Belgien -, aber auch
gegenüber der Europäischen Union darauf hinzuwirken,
dass der Befriedigung dieses Informationsbedürfnisses
möglichst nachgekommen wird . Wir sehen das auch so .
Sofern Fragen von uns zu beantworten sind, werden wir
das natürlich gern tun .
Frau Kollegin Höger, Sie möchten eine weitere Frage
stellen .
Frau Bundesministerin, ich habe eine Frage zum Thema Nuklearterrorismus . Dazu stand im Bericht von 2014
geschrieben, dass Sie Vorkehrungen gegen Sicherheitsstörungen in einem separaten Sicherheitsbericht zusammenstellen, der vertraulich ist . Unabhängig davon lautet
die Frage: Wird das Thema bei der nuklearen Überprüfungskonferenz sein, und welche Vorkehrungen hat die
Bundesregierung da getroffen?
Ja, das wird Thema sein, weil es sich auf die kommerzielle Nutzung von Atomenergie bezieht . Aber es wird
vertraulich behandelt werden . Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich in der Öffentlichkeit nicht über die Vorkehrungen sprechen kann, die die Bundesregierung getroffen
hat .
Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie wollten noch eine Frage stellen .
Frau Ministerin, ich muss noch einmal auf die grenznahen Atomkraftwerke zurückkommen . Wir haben es
nicht nur mit Auffälligkeiten oder Löchern im Herzen
des Reaktors, wie ich es gern nenne, in Belgien, sondern
auch mit dem Problem der Überalterung der Atomkraftwerke in Europa und vor allem an unseren Grenzen zu
tun . Ich nenne nur das AKW in Beznau, das dienstälteste der Welt, oder das AKW Fessenheim direkt an der
Grenze zu Baden-Württemberg, das älteste Frankreichs,
als Beispiele . Hat die Bundesregierung denn vor, auf der
nächsten Konferenz 2017 wenigstens die Notwendigkeit
für ein strengeres Regelwerk für überalterte Atomkraftwerke deutlich zu machen, oder hat die Bundesregierung
bzw . haben Sie vielleicht sogar vor - das würde mir noch
besser gefallen -, mit einem konkreten Vorschlag im
CNS-Bericht auf der nächsten Tagung aufzutreten?
Frau Kollegin, wir sehen die Verlängerung der Laufzeiten älterer Atomkraftwerke auch mit Sorge . Als Erstes versuchen wir, mindestens eine grenzüberschreitende
Umweltverträglichkeitsprüfung durchzusetzen, sofern
Verlängerungen vorgenommen werden . Dies ist bisher
fakultativ; das Recht ist nicht eindeutig . Es ist nicht zwingend . Wir haben diesen Wunsch durchaus als Forderung
formuliert - auch gegenüber unseren Nachbarn -, sofern
es um Laufzeitverlängerungen bei bestehenden AKWs
geht . Bisher sind unsere Nachbarn uns dabei nicht entgegengekommen, aber das ist einer der Punkte, den wir auf
der Konferenz in Wien voranbringen wollen .
Herr Kollege Zdebel, Sie hatten noch eine Frage .
Danke, Herr Präsident . - Frau Ministerin, ich habe
eine Nachfrage zum Thema Zwischenlagerung . In dem
Bericht von 2014, den ich schon mehrere Male erwähnt
habe, war nur eine kurze Notiz auf Seite 179 über die Genehmigungssituation der Zwischenlager zu lesen, ohne
dass Details genannt worden sind . Wird das in dem neuen
Bericht anders sein? Ich frage insbesondere vor dem Hintergrund der Situation im AVR-Lager in Jülich und der
aufgehobenen Genehmigung für das Zwischenlager in
Brunsbüttel . Beide Zwischenlager verfügen derzeit nicht
mehr über die erforderlichen atomrechtlichen Genehmigungen, sondern werden nur noch geduldet . Werden Sie
darauf in Ihrem neuen Bericht ausführlicher eingehen?
Ja, wir gehen darauf ausführlicher ein . Wir haben natürlich genauso wie Sie auch zur Kenntnis genommen,
dass insbesondere Brunsbüttel nur noch eine vorübergehende Genehmigung hat, die tatsächlich im Wege der
Ersatzvornahme - so will ich es bezeichnen - durch den
zuständigen Landesminister erteilt worden ist . Selbstverständlich sind wir uns dieser Tatsache bewusst .
({0})
- Was Jülich anbelangt, so sind wir mit dem Land
Nordrhein-Westfalen im Gespräch . Da geht es um die
Frage: Wohin werden die Kernbrennstäbe verbracht? Das
ist noch nicht endgültig geklärt, aber auf gutem Weg . Es
geht insbesondere auch um die Frage: Auf welche Art
und Weise wird der dafür notwendige Transport am besten durchgeführt? Das ist ja eine Frage, die von großem
Interesse ist . Nach meinem Kenntnisstand ist aus Sicht
der Landesregierung nicht vorgesehen, ein eigenes Zwischenlager am Standort in Jülich zu errichten . Ich weiß,
dass es dazu unterschiedliche politische Auffassungen
im Land Nordrhein-Westfalen gibt . Ich weise allerdings
darauf hin, dass Jülich durchaus in einem erdbebengefährdeten Gebiet liegt, sodass man genau genommen den
Forschungsreaktor dort schon gar nicht hätte errichten
dürfen . Infolgedessen muss man dafür sorgen, dass die
Kernbrennstäbe so zügig, aber natürlich auch so sicher
wie möglich an einen anderen Ort verbracht werden .
Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie werden die nächste
Frage stellen .
Vielen Dank . - Frau Ministerin, da sich die Umweltministerkonferenz gerade wieder mit Gronau und Lingen befasst hat, möchte ich Ihnen dazu gerne eine Frage
stellen . Im CNS-Bericht von 2014 - als er erstellt wurde, waren Sie noch nicht Ministerin - wird lediglich die
Existenz dieser beiden Atomfabriken, also der Urananreicherungsanlage und der Brennelementefabrik, festgestellt . Ich fand das schon damals etwas verwunderlich,
weil es einen Bundesratsbeschluss gab, aus dem hervorging, dass man ein Konzept für ein rechtssicheres Ende
dieser beiden Anlagen vorlegen sollte . Inzwischen ist
dies von verschiedenen Seiten immer wieder gefordert
worden . Wie wollen Sie in dem neuen CNS-Bericht mit
der Existenz dieser Anlage und den vielen Forderungen,
sie zu einem rechtssicheren Ende zu führen, umgehen?
Selbstverständlich sind die beiden Anlagen Teil unserer Berichterstattung . Es ist klar, dass wir zu allem, was
relevant ist, Bericht erstatten werden . Es gibt allerdings
auf der Ebene des Bundes nicht die Absicht, dort zu einem Ende zu kommen .
Der Kollege Volker Beck wird die nächste Frage stellen .
({0})
- Okay . - Dann ist der Kollege Krischer mit der nächsten
Frage dran .
Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin,
ich möchte noch einmal auf das Thema grenznahe AKWs
zurückkommen und insbesondere auf einen Bericht, der
vor einigen Wochen Aufmerksamkeit erregt hat . Dort
stand, dass es in der EU-Kommission Überlegungen
betreffend Neubau und Förderung von Atomkraftwerken gibt. Dort war auch ein Passus zu finden, dass die
nächste grundsätzliche Sicherheitsüberprüfung in Form
eines Stresstests erst im Jahr 2025 stattfinden soll. Dieser
Zeitpunkt liegt in deutlicher Ferne und ist sicherlich nicht
mit der Problematik der Reaktoren in Einklang zu bringen . Deshalb lautet meine Frage an Sie: Sind Sie bereit,
sich dafür einzusetzen, dass Stresstests und Sicherheitsüberprüfungen - auch im Hinblick auf die Reaktoren in
Belgien, die Risse aufweisen - grundsätzlich deutlich
früher stattfinden, und zwar generell, also nicht nur für
diese Reaktoren, sondern für alle in Europa laufenden
Atomkraftwerke, und wenn ja, welche konkreten Schritte
unternehmen Sie?
Herr Kollege, zunächst einmal: Die Unterlage, auf
die Sie sich beziehen, war eine nicht abgestimmte Vorlage aus dem Bereich der Kommission . Es war keine
abgestimmte Vorlage, die sozusagen schon über den
Kommissar, über den Rat oder ähnliche Wege gelaufen
wäre . Anschließend wurde durch die Kommission das,
was als besonders kritisch angesehen wurde, nämlich der
Vorschlag dieser unautorisierten Stelle, zukünftig europäisches Geld in neue Kernkraftwerke zu stecken, deutlich zurückgewiesen . Es ist einvernehmlich, dass auch
Forschung von der Europäischen Union nur insofern
mitfinanziert wird, als es sich um Sicherheitsforschung
handelt . Atomforschung in engerem Sinn wird nicht mitfinanziert, sondern ausschließlich Sicherheitsforschung.
Was die grenznahen AKWs anbelangt, so sind wir, wie
ich meine, auf einem guten Weg, da es bald, nachdem wir
das auch mit Belgien vereinbart haben, mit allen Nachbarn bilaterale Überprüfungsmechanismen geben wird,
also gemeinsame Kommissionen, die sich auf Grundlage
von wissenschaftlich basierten Auskünften auf der Ebene
von Fachleuten regelmäßig austauschen . Ich glaube, dass
dies der richtige Weg ist .
Allerdings haben Sie recht: Stresstests nur alle zehn
Jahre sind wahrscheinlich nicht zielführend . Bezogen auf
Belgien müssen wir bis jetzt davon ausgehen - jedenfalls
gibt es keine anderslautende Aussage -, dass das Land
bis zum Jahr 2025 aus der Atomenergie aussteigen will .
Dann wäre Belgien beim nächsten Stresstest also nicht
mehr dabei .
Der Kollege Zdebel hat für die nächste Frage das Wort .
Danke, Herr Präsident . - Frau Ministerin, auch ich
möchte noch einmal kurz auf die Urananreicherungsanlage Gronau zu sprechen kommen, allerdings unter einem anderen Aspekt, nämlich vor dem Hintergrund der
möglicherweise anstehenden Verkaufsverhandlungen .
Sie wissen ja, dass es da Gespräche gibt, und zwar zwischen Großbritannien, den Niederlanden und den deutschen Firmen, an denen wegen des Vertrages von Almelo
natürlich auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt
ist . Wie bewerten Sie das?
Wie wir wissen, gibt es Hinweise, dass möglicherweise ein komplett privatisiertes Unternehmen, nämlich
Urenco, mit der Urananreicherungsanlage in Gronau,
aber auch in Almelo an die Börse gebracht werden soll .
Wie schätzen Sie es vor dem Hintergrund der Nonproliferation ein, wenn eine solch hochsensible Technologie sie ist ja nicht nur dazu fähig, Uran für Atomkraftwerke
anzureichern, sondern mit ein paar Umdrehungen mehr
wäre man durchaus auch in der Lage, Uran zumindest
für eine schmutzige Atombombe zu produzieren - an ein
börsennotiertes Unternehmen gehen würde?
Sie haben vollkommen recht: Es handelt sich nicht um
ein ganz normales und übliches Unternehmen . Deswegen
wird die Bundesregierung ihre Rechte nicht aufgeben,
und deswegen wird die Bundesregierung Sicherheitsaspekte immer beachten .
Frau Kollegin Höger, Sie haben als nächste Kollegin
das Fragerecht .
Frau Ministerin Hendricks, ich möchte auf die Pannenreaktoren in Belgien zurückkommen . Sie sagten, Sie
führen Sicherheitsüberprüfungen durch und Sie seien auf
einem guten Weg . Es gibt ja nun die Forderung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und der anliegenden
Gemeinden nach sofortiger Stilllegung bzw . Nicht-wieder-Inbetriebnahme, weil die Reaktoren nach einer neuerlichen Inbetriebnahme immer wieder stillgelegt werden müssten . Wie wollen Sie das umsetzen? Bis 2025 ist
es ja, auch wenn es eine entsprechende Zusage gibt, noch
ein langer Zeitraum .
Sehen Sie, Frau Kollegin: Es handelt sich um zwei
AKWs mit insgesamt sieben Kraftwerksblöcken . Zwei
von ihnen sind - sagen wir es einmal so - besonders auffällig: Doel 3 und Tihange 2 . Wie Sie wissen, habe ich
die belgische Regierung im Namen der Bundesregierung
gebeten - unter diplomatischen Gesichtspunkten gebeten, also keine Forderung gestellt -, man möge diese beiden Blöcke mindestens so lange nicht wieder in Betrieb
nehmen, bis alle Fragen restlos geklärt sind .
Die zwei Reaktorblöcke, die ich genannt habe, haben
eine andere Bauart als die übrigen fünf; sie sind zu unterschiedlichen Zeiten errichtet worden . Diese beiden haben
die gleiche Bauart, aber eine andere als die übrigen fünf .
Es gibt in der Tat eine große Zahl von Rissen im Reaktordruckbehälter . Dabei handelt es sich um feine Haarrisse .
Man darf sich das nicht so vorstellen, als seien da dicke
Löcher zu sehen . Vielmehr geht es um feine Haarrisse,
die im Reaktordruckbehälter allerdings in großer Zahl
festgestellt worden sind .
Hier brauchen wir in der Tat noch weiter gehende Untersuchungen, weil unsere Fachleute in der Reaktor-Sicherheitskommission, die uns in diesem Zusammenhang
wissenschaftlich zur Seite steht, gesagt haben, dass sie
nicht ganz sicher seien, ob diese Reaktordruckbehälter
unter Nichtnormalbetrieb, also dann, wenn tatsächlich
etwas passiert, noch standhalten würden . Für den Normalbetrieb hat auch unsere Reaktor-Sicherheitskommission keine Bedenken . Da man aber natürlich doch damit
rechnen muss, dass es irgendwann einmal so etwas wie
einen Nichtnormalbetrieb geben könnte, haben wir unsere Bedenken selbstverständlich deutlich gemacht .
Meine Einschätzung ist, dass es ganz sinnvoll wäre,
die sieben Reaktoren, über die man verfügt, nach und
nach stillzulegen; denn wenn man eine Energiepolitik
verändern will, dann geht das nicht von heute auf morgen, und es kann eben nicht sinnvoll sein, alle Reaktoren
2025 stillzulegen, während bis dahin keine andere Energiepolitik auf den Weg gebracht wurde . Das kann nicht
funktionieren .
So ähnlich habe ich das auch in meinem Gespräch in
Brüssel Anfang Februar dieses Jahres zum Ausdruck gebracht . Meine belgische Kollegin Umweltministerin hat
mir geantwortet, dass wir ja auch nicht gefragt würden,
ob wir unsere Kohlekraftwerke länger weiterbetreiben
oder nicht . Man hätte hier noch mit der allgemeinen
Windrichtung argumentieren können, aber so sehen die
Einflussmöglichkeiten manchmal eben aus.
Frau Kollegin Kotting-Uhl .
Frau Ministerin, ich möchte Sie gerne noch zur Atomhaftung fragen . In den bisherigen CNS-Berichten ist immer nur die Rede davon, wie das bei uns in Deutschland
geregelt ist . Man kann sich sicher darüber streiten, ob das
bei uns angemessen geregelt ist, aber es ist hier jedenfalls
definitiv weit besser geregelt als im Rest der Welt.
Deshalb lautet meine Frage: Sind Sie bereit, mit einem
konkreten Vorschlag dafür, wie die Atomhaftung besser
geregelt werden könnte, auf die nächste CNS-Tagung zu
gehen? Wir sind uns spätestens seit Fukushima sicher
einig, dass die entsprechenden Regelungen in den verschiedenen Ländern lächerlich bis katastrophal sind .
Frau Kotting-Uhl, Sie haben vollkommen recht, dass
das im konkreten Fall sicherlich nicht ausreichen kann,
und wenn das nicht ausreicht, ist die logische Folge, dass
der Staat eintritt . Das heißt, wenn ein Land seine Atomhaftung unzureichend per Gesetz geregelt hat, dann wird
der Staat, wenn tatsächlich etwas Schlimmes passiert, im
Zweifelsfall haften müssen .
Das geschieht zum Beispiel auch in Fukushima . Tepco arbeitet dort zwar weiterhin und versucht, die Folgen
dieses GAU zu beseitigen, aber das Unternehmen gehört
mittlerweile zu 100 Prozent dem japanischen Staat . Auf
diese Weise tritt dort also die Staatshaftung ein . Das ist
die logische Folge bei einer unzureichenden Haftung der
Betreiber .
Herr Kollege Krischer, Sie haben das Wort für die
nächste Frage .
Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin,
ich habe Sie eben so verstanden, dass Sie sich nicht für
deutlich vor 2025 generell stattfindende Stresstests in
Europa einsetzen, sondern versuchen, das über bilaterale
Vereinbarungen zu erreichen . Das ist sicherlich eine interessante Auskunft .
Ich habe noch einmal eine konkrete Frage zu den belgischen AKWs . Anders als Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz unterstützt die Bundesregierung die
Klagen der Kommunen gegen den Weiterbetrieb dieser
AKWs zu meinem großen Bedauern nicht . Dort sind übrigens nicht nur zwei Blöcke problematisch, nämlich die
beiden mit den Rissen, sondern auch die anderen fünf
dort sind nicht ganz unproblematisch .
Jetzt gibt es einen umfänglichen Fragenkatalog, den
die Kommunen erarbeitet haben . Sie haben eben gesagt,
dass Sie das alles gut finden und auch unterstützen werden . Weil sich diese Fragen nicht an die belgische Regierung, sondern an die EU-Kommission richten, ist meine ganz konkrete Frage: Ist die Bundesregierung bereit,
diese Fragen stellvertretend für die Kommunen auch der
EU-Kommission zu stellen, um dann auch substanzielle
Antworten zu bekommen?
Diesen Sachverhalt haben wir noch nicht geprüft . Ich
gehe allerdings davon aus, dass die EU-Kommission die
Fragen auf Wunsch der Kommunen bzw . auf das geäußerte Petitum der Kommunen hin auch beantworten wird .
Sollte dies nicht der Fall sein, so bin ich gerne bereit, mit
den Möglichkeiten, die wir haben, auf die EU-Kommission zuzugehen .
Vielen Dank, Frau Bundesministerin . - Zu diesem
Themenbereich, über den die Bundesregierung berichtet
hat, liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor . Die
Zeit ist auch schon ziemlich weit fortgeschritten .
Es gibt aber noch vier Kolleginnen und Kollegen, die
zu weiteren Themen der Kabinettssitzung eine Nachfrage
haben . Diese vier Wortmeldungen, die bei mir eingegangen sind, möchte ich gerne auch noch zulassen . - Wir
beginnen mit dem Kollegen Harald Ebner .
Danke schön, Herr Präsident . - Frau Ministerin
Hendricks, am Freitag findet in Brüssel die vorläufig
endgültige Abstimmung über die Zulassungsverlängerung von Glyphosat statt; ein Stichwort, von dem alle
schon gehört haben . Die Bundesregierung ist in ihrer Position bekanntlich gespalten: die Union dafür, die SPD
dagegen . Ich habe großen Respekt vor Ihrer Haltung,
Frau Bundesministerin, wenn ich das an dieser Stelle saBundesministerin Dr. Barbara Hendricks
gen darf, dass Sie dem Vorsorgeprinzip die Treue halten .
So muss sich die Bundesregierung am Freitag enthalten .
Jetzt hat das Magazin Politico letzte Woche berichtet,
dass die Bundesregierung den EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis am 6 . Juni vertraulich kontaktiert und
dazu gedrängt habe, die Neuzulassung für Glyphosat
auch ohne ihre Unterstützung voranzutreiben . Das ist ein
sehr unglaublicher Vorgang: Ein Mitgliedstaat versagt
der Kommission die Zustimmung zu ihrem Vorschlag
und bittet gleichzeitig darum, diesen dennoch umzusetzen . Mich interessiert, ob der beschriebene Sachverhalt
zutrifft und ob es sich dabei um eine Initiative der gesamten Bundesregierung handelt, also einschließlich der
SPD-geführten Ressorts und damit auch des Umweltministeriums .
Herr Kollege, zunächst will ich vorwegschicken: Das
war nicht Gegenstand der heutigen Beratung im Kabinett . Ich könnte also auf eine Antwort verzichten; denn
nur unter diesem Rubrum bin ich zur Beantwortung der
Frage aufgerufen worden . Ich kann dazu allerdings sagen, Herr Kollege: Es kann keinesfalls eine Initiative der
ganzen Bundesregierung sein; denn dann müsste ich davon wissen . Aber ich gehe davon aus, dass darüber hinaus
dieser Sachverhalt nicht zutrifft . Er ist mir nicht bekannt .
Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Julia Verlinden .
Sehr geehrte Frau Umweltministerin, ich möchte gern
fragen, inwiefern es zu der Klimaschutzpolitik und zu
den Energiewendezielen der Bundesregierung passt, dass
diese Woche im Bundestag Fracking im Sandstein, also
das sogenannte Tight-Gas-Fracking, explizit erlaubt werden soll . Diese Art des Frackings war bisher gar nicht
geregelt . Sie wurde praktiziert, aber es gab dazu keine
rechtlichen Regelungen . Jetzt soll dieses Fracking explizit erlaubt werden, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ein Fracking-Verbot möchte .
Ihr Ministerium ist auch eine Schnittstelle für Umwelt
und Gesundheit . Als Ministerin haben Sie damals bei
der Einbringung des Gesetzentwurfs zum Fracking letztes Jahr gesagt, Sie hielten Fracking für unnötig und Sie
bezweifelten, dass Fracking jemals umweltverträglich
hinzubekommen sei. Ich finde, dass Sie da sehr wichtige Worte gesagt haben, und möchte Sie, wie gesagt, fragen, wie die Bundesregierung diesen Vorschlag, der am
Freitag vermutlich beschlossen werden soll, in Einklang
mit der Klimaschutzpolitik und den Energiewendezielen
bringt .
Zunächst, Frau Kollegin Verlinden, möchte ich vorwegschicken: Fracking soll jetzt nicht neuerdings erlaubt
werden, sondern Fracking in Sandstein, wie es das schon
seit etwas mehr als 50 Jahren in Niedersachsen gibt, ist
nach dem Bergrecht durchgeführt worden . Es gab dafür
also schon immer eine Rechtsgrundlage . Jetzt wird dieser
Regelung das Wasserhaushaltsrecht und das Umweltverträglichkeitsrecht an die Seite gestellt, sodass das, was
bisher schon gemacht und lediglich nach dem Bergrecht
durchgeführt worden ist, jetzt sehr strengen Regeln unterliegen soll . Es wird damit nicht neu erlaubt . Es hat
auch nicht einfach so stattgefunden, sondern es wurde
nach den Regelungen des Bergrechts durchgeführt . Daher ist das keine neue Erlaubnis, sondern die Anwendung
von sehr strengen Regeln .
Die Aussage von mir, die Sie zitieren, hat sich natürlich auf das sogenannte unkonventionelle Fracking bezogen .
({0})
- Nun, Sie müssen schon richtig zitieren . - Wir haben die
Debatte über das konventionelle Fracking geführt, also
über das, was schon seit langem durchgeführt wird . Das
unkonventionelle Fracking wird verboten, und zwar unbefristet verboten; es sei denn, ein anderer Gesetzgeber
würde das demnächst ändern . Das kann ein Gesetzgeber
natürlich immer tun .
Das Einzige, was erlaubt wird, sind zum Zwecke der
wissenschaftlichen Erforschung bundesweit vier Probebohrungen, die allerdings nur dann erlaubt sind, wenn
das jeweilige Bundesland zustimmt . Insofern kann ich
Ihre Frage, bezogen auf die Klimaschutzpolitik, eigentlich nicht beantworten . Es wird nämlich nicht mehr oder
weniger Fracking geben als früher . Deswegen hat es
auch keine neuen oder anderen Auswirkungen auf die
Klimapolitik, sondern es wird strengere Regeln für das
schon seit mehr als 50 Jahren stattfindende Fracking geben .
Der Kollege Volker Beck stellt die nächste Frage .
Ich habe eine Frage, die sich eher an das Kanzleramt
oder an das Finanzministerium richtet . Aber Sie als ehemalige Staatssekretärin des Finanzministeriums sind sicher auch in der Lage, sie zu beantworten .
Mir liegt der Entwurf einer Richtlinie für eine Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter
vor, die ADZ-Anerkennungsrichtlinie. Bei der Definition
des Berechtigtenkreises fiel mir auf, dass Regelungen,
die wir ansonsten für deutsche Opfer aus dieser Zeit
vorgesehen haben, wie zum Beispiel im Bundesversorgungsgesetz, hier nicht zur Anwendung kommen . In § 1a
des Bundesversorgungsgesetzes haben wir geregelt, dass
Kriegsverbrecher bzw . Personen, die Verbrechen gegen
die Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begangen
haben, von Entschädigungsleistungen oder Versorgungsleistungen nach diesem Gesetz ausgeschlossen sind . Ein
Hinweis darauf, dass ein Ausschlussgrund vorliegen
könnte - das könnte bei der von der Richtlinie betroffenen Gruppe einschlägig sein -, ist insbesondere eine
freiwillige Mitgliedschaft in der SS .
Warum ist der Ausschlussgrund aus § 1a Bundesversorgungsgesetz in die Richtlinie nicht aufgenommen,
bzw . erwägt die Bundesregierung, dies noch zu prüfen?
Vielen Dank, Herr Kollege Beck . - Bevor Sie, Frau
Ministerin, antworten, darf ich darauf hinweisen, dass
wir jetzt bei einem Punkt sind, bei dem es um andere
Themen geht .
Ich kenne den Entwurf nicht, Herr Kollege Beck, aber
der Kollege Spahn wäre bereit, die Frage zu beantworten .
Herr Präsident, ich weiß nicht, ob man das so machen
kann .
Allerdings muss ich gleich ins Kanzleramt zu den
deutsch-polnischen Regierungskonsultationen . Könnten
wir vielleicht die Fragen, die sich an mich richten, vorziehen, und der Kollege Spahn beantwortet anschließend
die Frage von Herrn Beck? Wäre das möglich?
({0})
Ich denke, dass wir das so machen können . - Es gibt
noch eine Frage der Kollegin Dağdelen. Wenn Sie jetzt
Ihre Frage stellen wollen, dann könnten wir, glaube ich,
so verfahren .
Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident . - Verehrte
Frau Ministerin, seit letzter Woche gibt es die Aktion
„Flüchtlinge fressen - Not und Spiele“ der Künstlergruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ . Sie hat einen
Flug für 100 Schutzsuchende aus Syrien, die Familienangehörige in Deutschland haben, von der Türkei nach
Deutschland organisiert .
Meine Frage ist, ob das Thema der Kabinettssitzung
war und inwieweit die Bundesregierung der Bitte und
Forderung nachkommen möchte, dass das Flugzeug
Joachim 1 der „Flugbereitschaft der deutschen Zivilgesellschaft“ ungehindert nach Deutschland kommen
kann - ich frage das auch mit Blick auf § 63 Absatz 3
Aufenthaltsgesetz, wonach es Sanktionen gegen Beförderungsunternehmen geben kann -, sodass die Menschen
sicher zu ihren Familienangehörigen in Deutschland gelangen können, statt die lebensgefährliche Route über
das Mittelmeer zu nutzen . War das Thema, und wie positioniert sich die Bundesregierung?
Frau Kollegin, das war nicht Thema der Kabinettssitzung . Die Bundesregierung ist aber prinzipiell der
Auffassung, dass eine Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland mit den notwendigen Erlaubnissen über die
deutschen Konsulate erfolgen sollte .
Vielen Dank, Frau Bundesministerin . Ich danke auch
für die Beantwortung der Fragen und für den Bericht .
Für die Beantwortung der Frage des Kollegen Beck
hat jetzt Herr Staatssekretär Spahn das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Beck,
auch wenn es nicht Thema der Kabinettssitzung war, ist
es eigentlich in Richtlinien wie der, die Sie angesprochen haben, regelmäßig der Fall, dass wir eine ähnliche
Regelung haben wie im Bundesversorgungsgesetz, dass
insbesondere Kriegsverbrecher nicht von entsprechenden Entschädigungsleistungen profitieren können. Aber
ich nehme Ihre Frage gerne zum Anlass, das noch einmal intensiv zu prüfen . Aber wir sehen das, wie gesagt,
regelmäßig vor, weil es sonst der eigentlichen Intention
widersprechen würde .
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär . - Damit beende
ich die Befragung der Bundesregierung .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
Drucksachen 18/8816, 18/8852
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nummer 10 Absatz 2 der Richtlinien für die Fragestunde die
dringlichen Fragen auf Drucksache 18/8852 auf . Wir
kommen damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts .
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Abgeordneten
Katrin Göring-Eckardt auf:
Was hat die Bundesregierung unternommen, um eigene
Erkenntnisse über die übereinstimmenden Berichte mehrerer
Beobachter, darunter der Syrischen Beobachtungsstelle für
Menschenrechte, in der Nacht zum 19 . Juni 2016 seien an der
syrisch-türkischen Grenze wiederum mindestens acht Menschen erschossen worden, darunter vier Kinder, und weitere
acht Menschen seien teilweise schwer verletzt worden, zu
erlangen ({0})?
Für die Beantwortung steht Herr Staatsminister
Michael Roth zur Verfügung, dem ich das Wort geben
darf . - Der Herr Staatsminister wird noch gesucht . Er
war jedenfalls - das habe ich gesehen - vor wenigen Augenblicken noch anwesend .
({1})
Deshalb vermute ich, dass er auch gleich wieder hier im
Plenum sein wird . - Vielleicht kann ein Kollege der Bundesregierung den Herrn Staatsminister, der sich vermutlich unweit hinter der Säulenwand aufhält, bitten, dass er
nach vorne tritt .
({2})
Volker Beck ({3})
Herr Staatsminister, wir hatten vermutet, dass Sie nicht
allzu weit weg sind .
Ich darf Ihnen nun für die Beantwortung der dringlichen Frage das Wort erteilen .
Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt,
ich bitte um Entschuldigung . Das ist für mich das erste
Mal, dass ich eine dringliche Frage zu beantworten habe .
Mir waren die Usancen nicht ganz vertraut; deshalb bin
ich einem ganz persönlichen Bedürfnis nachgegangen .
({0})
Frau Abgeordnete, jetzt auf Ihre sehr ernste Frage eine
sehr ernste Antwort . Selbstverständlich hat die Bundesregierung unmittelbar nach Bekanntwerden der Berichte über die jüngsten Schüsse an der türkisch-syrischen
Grenze, auf die Sie sich ja in Ihrer Frage beziehen, verschiedenste Kontakte bemüht, um weitere Informationen zu erhalten . Wir haben uns dabei mit verschiedenen
Nichtregierungsorganisationen, mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dem UNHCR, sowie
mit verschiedenen Gewährspersonen im türkisch-syrischen Grenzgebiet in Verbindung gesetzt . Darüber hinaus haben wir verschiedene türkische Quellen - unter
anderem Stellungnahmen des türkischen Außenministeriums sowie des türkischen Militärs - ausgewertet .
Frau Kollegin Göring-Eckardt, haben Sie zu dieser
Ihrer ersten gestellten dringlichen Frage noch eine Nachfrage?
Ja . Meine Frage lautet: Was ist das Ergebnis dieser
Nachfragen gewesen, und mit welchen Nichtregierungsorganisationen haben Sie gesprochen? Sind insbesondere
Human Rights Watch und Amnesty International dabei
gewesen, die ja schon seit vielen Monaten auf entsprechende Aktivitäten an der türkisch-syrischen Grenze verweisen?
Herr Präsident, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, würde ich versuchen, das zusammen mit der zweiten dringlichen Frage zu beantworten; denn die Beantwortung der
zweiten dringlichen Frage gibt Aufschluss über die Bereiche, die Sie in Ihrer Nachfrage angesprochen haben .
Herr Staatsminister, bei der Beantwortung der Fragen
haben Sie völlige Freiheit . Ich rufe deshalb nun auch die
dringliche Frage 2 auf:
Hat das Auswärtige Amt bzw . die deutsche Botschaft in der
Türkei das Gespräch mit der türkischen Regierung aufgrund
der erneuten Schüsse auf Flüchtende in der Nacht zum 19 . Juni
2016 gesucht, und was hat dieses ergeben?
Ich komme jetzt also zur Beantwortung Ihrer zweiten
dringlichen Frage . Es gibt ja dann die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen .
Selbstverständlich nehmen wir die Berichte, die Sie
eben auch genannt haben, nämlich die von Human Rights
Watch und von Amnesty International, sehr ernst . Auch
ich selbst habe vor geraumer Zeit mit den Institutionen
persönliche Gespräche geführt . Wir haben verabredet,
dass wir uns eng austauschen . Für entsprechende Informationen sind wir natürlich dankbar . Wir versuchen, ihnen bestmöglich nachzugehen .
Anders als bei bisherigen vergleichbaren Vorfällen in
der Vergangenheit, über die ja die von Ihnen genannten
Institutionen bzw . NGOs schon berichtet haben, hat das
türkische Außenministerium diesmal unmittelbar nach
Bekanntwerden der Vorwürfe eine Stellungnahme abgegeben, in der die Vorwürfe dementiert worden sind,
türkische Sicherheitskräfte hätten absichtlich das Feuer
auf syrische Zivilisten eröffnet, die versucht hätten, die
Grenze illegal zu überqueren . Zudem hat die türkische
Armee eine ausführliche Schilderung des gesamten
Vorgangs - ich darf das jetzt berichten - veröffentlicht .
Demnach habe eine Gruppe von circa 60 Personen versucht, die Grenze zu überqueren . Zunächst sei das Gelände ausgeleuchtet worden, und dann habe es Warnrufe gegeben . Erst dann seien Warnschüsse abgegeben worden,
die jedoch nicht auf die Personen gerichtet worden seien .
Die Bundesregierung selbst ist nicht vor Ort präsent .
Wir haben trotz intensiver Recherchen, über die ich Sie
schon informiert habe, keine eigenen gesicherten Erkenntnisse, ob und, falls ja, wie es zu den Todesfällen
kam und wer hierfür letztendlich die Verantwortung trägt .
Sie wissen selbst: Die Lage im türkisch-syrischen
Grenzgebiet ist sehr volatil, und das ist eine sehr diplomatische Formulierung . Wir haben es in Syrien mit einem Bürgerkrieg zu tun, mit terroristischen Aktivitäten,
und selbstverständlich hat die Türkei ein berechtigtes
Interesse daran, ihre Grenze vor möglichen Sicherheitsgefahren zu schützen . Sie kommt damit natürlich auch
dringlichen Forderungen der internationalen Staatengemeinschaft nach .
Die Bundesregierung - jetzt komme ich zu Ihrer Zusatzfrage - betont in all ihren Gesprächen mit Vertretern
der türkischen Regierung - zuletzt haben solche Gespräche am 1 . Juni im Rahmen der sogenannten Staatssekretärskonsultationen in Istanbul stattgefunden - immer ihre
Erwartung, dass die Türkei trotz der sehr volatilen, gefährlichen Lage beim Schutz ihrer eigenen Grenze zu Syrien umsichtig und verantwortungsvoll vorgehen muss .
Selbstverständlich wird die Bundesregierung dieses Thema gegenüber der Türkei weiter ansprechen, sooft uns
die Möglichkeit dazu gegeben ist .
Frau Kollegin Göring-Eckardt, weil wir die beiden
Fragen zusammengefasst haben, haben Sie jetzt die
Möglichkeit, drei weitere Nachfragen zu stellen, wenn
Sie das wünschen .
Vizepräsident Johannes Singhammer
Ich fange noch einmal an und nehme Bezug auf das,
was Sie quasi zwischen der Beantwortung der beiden
Fragen gesagt haben, nämlich dass Sie schon verschiedene Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen geführt
haben . Als ich in der letzten Sitzungswoche nach den
Selbstschussanlagen fragte, gab es den konkreten Fall,
von dem hier berichtet worden ist, noch nicht . Da hat die
Bundesregierung geantwortet, sie hätte Informationen
bei den türkischen Behörden, der türkischen Regierung
eingeholt . Offensichtlich haben parallel Ihrerseits, die
Sie auch Teil der Bundesregierung sind, Gespräche mit
Nichtregierungsorganisationen stattgefunden .
Deswegen will ich gern meine Frage wiederholen:
Haben Sie in dem Fall von diesem Wochenende mit den
Nichtregierungsorganisationen Human Rights Watch
und Amnesty International, die ja offensichtlich sehr gut
informiert sind, über das, was konkret an der Grenze passiert, gesprochen, und welche Auskünfte haben Sie darüber, was geschehen ist, bekommen, über das hinaus, was
die türkische Seite veröffentlicht hat?
Ich darf Ihnen noch einmal versichern, Frau Abgeordnete, dass es im Interesse der Bundesregierung, auch im
Interesse unseres Landes, liegt, diese schwerwiegenden
Vorwürfe aufzuklären . Wir gehen allen Informationen
verantwortungsbewusst nach . Ich kann Ihnen, weil ich
solche Gespräche nicht persönlich geführt habe, nicht
sagen, ob es in den vergangenen Tagen, also nach diesen
möglichen Ereignissen, zu direkten Gesprächen oder zu
einem direkten Austausch zwischen meinem Haus, der
Bundesregierung und den von Ihnen genannten Nichtregierungsorganisationen gekommen ist .
Herr Staatsminister, vielen Dank . Ich gehe dann davon
aus, dass Sie sicherlich nachfragen können und mir das
nachreichen können, ob und mit welchem Ergebnis mit
diesen Nichtregierungsorganisationen gesprochen worden ist .
Ich schließe deswegen meine dritte - und vielleicht
brauche ich dann keine vierte - Nachfrage an . Sie lautet: Hat das, was Sie dort über diese schwierige Situation an der Grenze erfahren und schon erfahren haben,
irgendwelche Auswirkungen auf den EU-Türkei-Deal
in der Frage der Unterbringung und des Austauschs von
Geflüchteten?
Wir sind über die Erklärung zwischen der Europäischen Union und der Türkei selbstverständlich in einem
regelmäßigen Austausch, auch mit türkischen Regierungsvertretern . Wir alle wissen, dass die Türkei in den
vergangenen Jahren circa 2,75 Millionen Flüchtlinge,
insbesondere aus Syrien, aufgenommen hat . Wir wissen
auch, dass diese Flüchtlinge in der Regel gut und anständig behandelt werden . Das wird uns auch in unseren
Gesprächen mit dem UNHCR und anderen Nichtregierungsorganisationen bestätigt .
Wir sind dafür sehr dankbar, und es ist unser Bestreben, dass sich die Lage der Flüchtlinge in der Türkei
weiter verbessert . Deshalb stellen wir auch seitens der
Europäischen Union insgesamt mehrere Milliarden Euro
zur Verfügung, die wir insbesondere in Bildung, Qualifizierung und bessere Unterbringung der Flüchtlinge investieren wollen, insbesondere der Flüchtlinge - das ist
der übergroße Teil -, die sich eben nicht in den Flüchtlingscamps aufhalten, sondern die in Dörfern und in
Städten leben .
Herr Staatsminister, dann muss ich doch noch die vierte Nachfrage stellen . Ich gehe davon aus, dass Ihre Dankbarkeit steigt, wenn Sie von solchen Vorkommnissen an
der türkisch-syrischen Grenze erfahren . So muss ich Sie
verstehen, wenn Sie sagen, Sie seien der Türkei sehr
dankbar, und wenn Sie auf meine Frage, ob das irgendwelche Auswirkungen auf den EU-Türkei-Deal habe,
Ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen . Deswegen frage ich Sie noch einmal: Ihre Dankbarkeit steigt, wenn Sie
von solchen Vorkommnissen an der türkisch-syrischen
Grenze erfahren?
Meine Dankbarkeit gegenüber der Türkei ist deshalb
vorhanden, weil die Türkei 2,7 Millionen Flüchtlinge
aufgenommen hat und diese anständig behandelt . Das
sind nicht nur meine persönlichen Wahrnehmungen . Ich
darf das so sagen, weil ich mit vielen Menschen spreche - möglicherweise genauso wie Sie -, die selbst in
diese Arbeit aufs Engste eingebunden sind . Aus Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen nehmen wir selbstverständlich jeden Bericht sehr ernst und gehen diesen
Vorwürfen nach; denn es liegt in unserem gemeinsamen
Interesse, dass die Flüchtlinge in der Türkei bestmöglich
behandelt werden .
Vielen Dank, Herr Roth . - Einen herzlichen schönen
Nachmittag von meiner Seite .
Die Fragen von Frau Göring-Eckardt sind damit gestellt, und jetzt kommen die anderen . Zu den dringlichen
Fragen haben sich einige Kolleginnen und Kollegen gemeldet. Die erste Kollegin ist Sevim Dağdelen. Da die
zwei Fragen zusammen beantwortet wurden, sind jetzt
zwei Nachfragen möglich .
Das heißt, ich kann zwei Fragen sofort nacheinander
stellen oder eine Frage jeweils?
Eine jeweils . Das macht Sinn .
Ich melde mich also jetzt und gleich noch einmal .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister
Roth, mich erstaunt schon, dass Sie sagen, die Grenze
sei volatil und die Türkei müsse die Grenze schützen .
Eine 100 Kilometer lange Grenze zu Syrien, auf deren
anderer Seite der IS ist, wird nicht geschützt, sondern sie
wird offen gelassen . Sie sagen, es herrsche Terrorismus
im Nachbarland . Auch die Bundesregierung weiß aus
Geheimdienstinformationen, die letztes Jahr öffentlich
geworden sind, dass die Türkei selbst Terrorbanden in
Syrien bewaffnet und dadurch Menschen in Syrien in die
Flucht treibt .
Ich würde aber gerne etwas anderes wissen . Es ist jetzt
nicht das erste Mal, dass berichtet wurde, dass die türkischen Sicherheitskräfte auf schutzsuchende Menschen
an der Grenze schießen . Eine Meldung ist im Mai gewesen . Wir hatten im Innenausschuss mit Staatssekretär
Schröder darüber beraten . Es kam auch im Vorfeld der
Reise von Bundeskanzlerin Merkel zu solchen Vorfällen .
Deshalb würde ich gerne wissen, ob die Bundesregierung
bereit ist, eine unabhängige Untersuchungskommission
auf den Weg zu bringen, damit diese Vorkommnisse unabhängig geprüft werden und die Bundesregierung nicht
auf Informationen seitens der türkischen Regierung angewiesen ist, die natürlich kein Interesse an Aufklärung
hat .
Die Bundesregierung hat allergrößtes Interesse an der
Aufklärung dieser Vorwürfe, auch im Interesse der Türkei und im Interesse der Zusammenarbeit, vor allem aber
im Interesse der Menschen und der Flüchtlinge, die Sie
eben genannt haben . Welche konkreten Mittel dies umfasst, dazu gibt es noch keine abschließende Auffassung
der Bundesregierung . Aber wir sind hier nicht nur im engen Dialog und im kritischen Austausch mit der Türkei,
sondern wir stimmen so etwas natürlich auch mit unseren
Partnern in der Europäischen Union und mit der internationalen Gemeinschaft ab .
Frau Dağdelen, wenn Sie wollen: zweite Frage.
Offensichtlich dauert es ganz schön lange, bis die
Bundesregierung zu einer Entscheidung kommt, mit
welchen Mitteln sie diese Vorkommnisse untersuchen
will . Deshalb möchte ich gerne fragen: Wie viele Menschen müssen noch an der türkisch-syrischen Grenze
durch türkische Sicherheitskräfte, die auf Schutzsuchende schießen, sterben, damit die Bundesregierung zu der
Entscheidung kommt, eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzen zu lassen, vielleicht sogar unter
der Leitung der Vereinten Nationen, um diesem Töten
von Schutzsuchenden an der türkisch-syrischen Grenze
ein Ende zu bereiten?
Frau Kollegin Dağdelen, Sie haben selber auf die Vereinten Nationen hingewiesen . Es sollte hier nicht der Eindruck erweckt werden, als läge es ausschließlich in den
Händen der deutschen Bundesregierung, eine unabhängige Institution ins Leben zu rufen und sie zu beauftragen,
diese Vorwürfe aufzuklären .
Ich will aber wiederholen: Die Bundesregierung hat
trotz intensiver Recherche - ich habe hier schon einige
Recherchebemühungen aufgezählt - keine eigenen gesicherten Erkenntnisse zu den behaupteten Vorfällen . Deswegen kann ich hier auch nicht die Behauptung bestätigen, dass Menschen an der türkisch-syrischen Grenze
durch Schüsse des türkischen Militärs oder türkischer Institutionen zu Tode gekommen sind . Ich wiederhole: Ich
kann dies nach den mir vorliegenden Erkenntnissen nicht
bestätigen; denn solche Erkenntnisse habe ich gar nicht .
Vielen Dank, Herr Staatsminister . - Die nächste Fragestellerin: Katja Keul .
Vielen Dank . - Herr Staatsminister, Sie haben jetzt
mehrfach gesagt, dass die Bundesregierung selbst keinerlei Erkenntnisse über Vorfälle im syrisch-türkischen
Grenzgebiet hat . Es gibt einiges, was ich nicht so ganz
verstehe, wenn ich mir anschaue, was wir vor Ort zur
Verfügung haben: in der Türkei die AWACS-Flugzeuge,
in Syrien die Tornados und zusätzlich die Aufklärungsflugzeuge unserer Bündnispartner. Angesichts so einer
Aufklärungsdichte frage ich mich schon, wie es eigentlich sein kann, dass es keine Erkenntnisse über das Geschehen im türkisch-syrischen Grenzgebiet gibt .
({0})
Wie kann das sein? Was machen wir da eigentlich? Werden die Informationen, die da zusammengetragen werden, auch im Hinblick auf die Aufklärung solcher Vorfälle verwendet und ausgewertet?
Ich kann nur wiederholen, dass die Bundesregierung
allergrößtes Interesse daran hat, dass diese Vorwürfe, die
sehr schwerwiegend sind, aufgeklärt werden . Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten, einen Beitrag
zu leisten . Ich kann Ihnen versichern, dass wir alle Möglichkeiten nutzen - einige habe ich beschrieben -; bislang konnten diese Vorwürfe aber nicht bestätigt werden .
Frau Keul, zweite Frage .
Wenn die Bundesregierung also alles tut, um die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, dann bleibt immer noch die Frage: Was ist denn mit den Informationen,
die all unsere, salopp gesagt, Aufklärungsgeräte dort
sammeln? Wo und von wem werden sie ausgewertet?
Warum stehen diese Informationen der Bundesregierung
offensichtlich nicht zur Verfügung?
Derzeit liegen mir keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse vor; womöglich beziehen Sie sich darauf . Wir
nutzen selbstverständlich den gesamten Instrumentenkasten, der der Bundesregierung zur Verfügung steht .
Vielen Dank, Herr Staatsminister . - Die nächste Fragestellerin: Inge Höger .
Herr Staatsminister, die Hinweise auf Zwischenfälle
an der türkisch-syrischen Grenze, etwa Hinweise auf
Schüsse auf Flüchtlinge, sind nicht neu . Sie kommen von
NGOs; sie kommen über die Medien . Wenn die türkische
Regierung das nicht bestätigt, muss das ja nicht heißen,
dass das nicht stimmt; vielmehr kann man - ganz im Gegenteil - von dieser türkischen Regierung kaum erwarten, dass sie dazu richtig Auskunft gibt .
Wir haben in der letzten Sitzung des Ausschusses für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe über die Vorwürfe von Pro Asyl gesprochen - da waren Sie anwesend -,
durch die türkische Regierung werde im Grunde die
Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt . Die Rede war
von Schüssen auf Flüchtlinge, von Rückführungen von
Kriegsflüchtlingen und von der Nichtöffnung der Grenze für Flüchtlinge . Wie sind Sie diesen Vorwürfen bisher
nachgegangen?
Ich weise die Unterstellung noch einmal zurück, Frau
Abgeordnete Höger, wir bezögen uns ausschließlich auf
die uns durch die türkische Regierung zur Verfügung gestellten Informationen . Wir haben uns gerade eben intensiv über die Informationen ausgetauscht, die Ihnen, die
der Öffentlichkeit, die uns von Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt worden sind . Ich habe auf
weitere Informationsquellen hingewiesen .
Ich habe eben noch einmal dargestellt, dass es bei den
jüngsten Vorfällen so war, dass sich die türkische Regierung unmittelbar nach Erhebung dieser schwerwiegenden Vorwürfe mit einer eigenen Stellungnahme an die
Öffentlichkeit gewandt hat . Darin hat sie dementiert, sie
hat den Vorgang beschrieben und noch einmal dezidiert
bestritten, dass es zu gezielten Schüssen auf Menschen
gekommen ist . Ich habe dies nur zitiert, und ich habe darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine, aber nicht
um die ausschließliche, die einzige Informationsquelle
handelt .
Frau Höger, Ihre zweite Nachfrage .
Dann haben Sie also hoffentlich weitere Informationen, die vielleicht doch belegen, dass auf Flüchtlinge
geschossen wurde und dass Flüchtlingen der Zugang in
die Türkei verwehrt wurde . Wie stehen Sie dann zu den
Forderungen der Nichtregierungsorganisationen, den
Flüchtlingsdeal mit der Türkei endlich auszusetzen?
Das Abkommen mit der Türkei dient vor allem dem
Ziel, die Lage der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern .
({0})
Ich habe bislang keinen Anlass, daran zu zweifeln . Wir
leisten unser Möglichstes - in einem engen Austausch, in
dem wir immer wieder auch unsere Erwartungshaltung
formulieren und in dem wir auch Finanzmittel und Expertise zur Verfügung stellen sowie die Nichtregierungsorganisationen bei ihrer schwierigen, aber so unendlich
wichtigen Arbeit unterstützen .
Noch einmal: Es liegen mir keinerlei Erkenntnisse
vor, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten
wirklich zu gezielten Schüssen auf Flüchtlinge gekommen ist . Ich habe diese Erkenntnisse nicht .
Danke, Frau Höger . - Nächster Fragesteller: HansChristian Ströbele .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister, mir
hat sich auch die Frage der Kollegin Keul aufgedrängt,
und ich erweitere sie etwas . Vor einigen Wochen gab es
Berichte und Bilder - das ist unstreitig - zu Angriffen
aus der Luft oder möglicherweise auch durch Beschuss
mit Kanonen auf ein Flüchtlingslager an der syrisch-türkischen Grenze . Die Bundesregierung hat mir auf meine
Frage dazu geantwortet, ihr lägen bisher keine Erkenntnisse darüber vor, wer da aus der Luft bombardiert oder
wer da am Boden geschossen hat .
Angeblich soll gerade dieser Raum - Syrien/Irak/
Grenze zur Türkei - der militärisch am besten überwachte Raum auf der ganzen Erde sein . Ich frage mich allen
Ernstes: Was machen eigentlich die deutschen Flugzeuge, die nur zur Aufklärung da sind? Was machen eigentlich die ganzen Aufklärer der USA, wenn sie nicht einmal
feststellen können, wer da ein Flüchtlingslager bombardiert oder eine Schießerei veranstaltet, sodass Flüchtlinge zu Tode kommen? Haben Sie mal ganz gezielt bei der
Bundeswehr und bei den US-Verbündeten nachgefragt?
Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen erst einmal dankbar,
dass Sie auf die dramatische Lage im türkisch-syrischen
Grenzgebiet hingewiesen und noch einmal klargestellt
haben: Wir haben es in Syrien mit einem furchtbaren
Bürgerkrieg zu tun . Die Lage ist ausgesprochen volatil,
unsicher und gefährlich - das will ich hier einfach noch
einmal unterstreichen -; darin stimmen wir überein .
Selbstverständlich informieren wir uns bestmöglich .
Wenn ich hier spreche, dann tue ich das nicht nur für mein
Haus und nicht nur auf der Grundlage der Informationen,
die mir über mein Haus zur Verfügung gestellt werden,
sondern dann tue ich das natürlich stellvertretend auch
für andere Ressorts . Ein Ressort haben Sie schon genannt, das Bundesverteidigungsministerium; ich könnte
auch andere Häuser nennen, die mich in der Beantwortung der Fragen hier selbstverständlich unterstützen .
Über die Informationsquellen der Bundesregierung
hinaus nutzen wir natürlich noch die Quellen, die uns im
Dialog mit unseren Partnern in der Europäischen Union
und mit der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung
stehen, und selbstverständlich auch die Informationen
der Nichtregierungsorganisationen . Ich kann aber hier
nichts bestätigen, wovon wir derzeit nichts wissen und
was uns auch noch keine sichere Quelle selbstverantwortlich bestätigen konnte .
Herr Ströbele, die zweite Frage .
Herr Staatsminister, Sie haben meine Fragen leider
nicht beantwortet . Wenn Sie sagen: „Das Verteidigungsministerium beispielsweise hat nichts herausbekommen“, stellt sich immer noch die Frage: Was klären die
dort auf? Klären die in ganz anderen Gegenden auf?
Klären die nur Ziele auf, die anschließend bombardiert
werden sollen? Nach meinen bisherigen Kenntnissen und
nach meinem bisherigen Verständnis sind die allgemein
für die Aufklärung des Gebiets in Syrien zuständig . Oder
lassen die diesen Teil an der Grenze aus? Können Sie nähere Auskünfte darüber geben, oder können Sie vielleicht
noch einmal beim Kollegen nachfragen?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass wir das allergrößte Interesse haben, Ihre Fragen bestmöglich zu beantworten . Wenn Sie ein Interesse daran haben, zu erfahren, wie
genau die Arbeit bei den Aufklärungsflügen ausschaut
und wie die Ergebnisse sich bislang darstellen, dann wäre
mein Angebot, dass wir noch einmal intensiv recherchieren und Ihnen eine entsprechende Antwort schriftlich zukommen lassen - sofern Sie damit einverstanden sind .
({0})
Vielen Dank, Christian Ströbele . - Nächster Fragesteller: Omid Nouripour .
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister, ich bin ein bisschen verwirrt . Ich dachte, Sie recherchieren, bevor Sie die Fragen beantworten . Aber wir
freuen uns immer über gute Antworten .
Ja, habe ich das - - Entschuldigung .
Sie haben gesagt, Sie würden ja noch einmal recherchieren .
Ja .
Was die Dankbarkeit der Türkei gegenüber betrifft, ist
es ja richtig: Die Türkei hat sehr viele Leute aufgenommen und sehr gut behandelt. Das entpflichtet aber weder
uns als Parlamentarier noch Sie als Bundesregierung,
auch Dinge anzusprechen, bei denen die Türkei gegen
das Völkerrecht verstößt . Dazu gehört natürlich, wenn
auf Flüchtlinge geschossen wird, dazu gehört aber auch
die Rückführung in ein Kriegsgebiet . Nun gibt es Human
Rights Watch, Amnesty International, die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und viele andere, die
Studien vorlegen mit klarer, transparenter Methodik, in
denen sie das nachweisen .
Sie sagen, das ist nur eine Quelle . Das ist mir neu, dass
die Bundesregierung mit solchen Organisationen so umgeht . Denn im Falle von Nordkorea beispielsweise haben
wir nur sie, um festzustellen, dass es dort Arbeitslager
und Folter gibt . Deshalb ist es ein bisschen skurril, dass
diese auf einmal nur noch „Quellen“ sind, deren Glaubwürdigkeit damit unmittelbar infrage gestellt wird .
Eine weitere solche Quelle ist der Norwegische
Flüchtlingsrat - weltweit renommiert . Er weist jetzt darauf hin, dass es an der Grenze zwischen Syrien und der
Türkei über 140 000 Menschen gibt - an der Südgrenze
zu Jordanien sind es über 63 000 Menschen -, die von der
Türkei nicht ins Land gelassen werden . Aber die Türkei
verweigert ihnen genauso den Zugang zu humanitärer
Hilfe . Es gibt NGOs, die würden diesen Menschen helfen, aber die Türkei lässt die NGOs nicht .
Meine Frage ist: In welchem Rahmen und wie hat die
Bundesregierung dieses Thema der Türkei gegenüber angesprochen, damit, wenn die Leute schon nicht hineingelassen werden, wenigstens Hilfsgüter zu ihnen gelangen
können?
Herr Roth .
In den regelmäßigen Konsultationen mit der türkischen Regierung, auch in der Umsetzung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Türkei,
werden all die von Ihnen genannten Punkte sehr deutlich
angesprochen, vor allem auch im Interesse der Flüchtlinge . Wir gehen - ich kann das nur wiederholen - allen
Vorwürfen nach, besprechen dies mit den verantwortlichen Stellen . Sollte dies geschehen sein - Sie haben eben
das Non-Refoulement-Prinzip angesprochen -, sollten
also Menschen aus Syrien, die sich in der Türkei aufgeStaatsminister Michael Roth
halten haben, wieder in ihre syrische Heimat zurückgeschickt worden sein, wäre dies nicht nur ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die die
Türkei selbstverständlich ratifiziert hat, es wäre auch ein
Verstoß gegen die nationale Gesetzgebung der Türkei .
Gemäß dem türkischen Ausländergesetz ist die Türkei
verpflichtet, Flüchtlinge nicht dorthin zu schicken, wo
ihnen Gefahr für Leib und Leben droht .
Herr Nouripour, zweite Frage .
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden,
dass die Bundesregierung tatsächlich das Thema derjenigen, die an der türkisch-syrischen Grenze festsitzen und
nicht ins Land dürfen, der Türkei gegenüber angesprochen hat und auch weiterhin ansprechen wird? Und habe
ich jetzt Ihre Aufmerksamkeit, wenn ich Sie frage, was
denn eigentlich mit den Leuten passiert, die zurzeit aus
Falludscha fliehen? Es sind bisher 80 000, Tendenz steigend . Viele versuchen natürlich, nach Norden zu kommen, aus dem Irak herauszukommen . Die Iraki sind wenn ich es richtig verstanden habe - nicht unbedingt
Teil des Deals mit der Türkei . Was passiert eigentlich mit
diesen Leuten?
Wir haben allergrößtes Interesse daran, dass die
Flüchtlinge ordentlich behandelt werden, und wir unterstützen die Türkei dabei . Sie haben jetzt einen konkreten
Fall angesprochen . Ich würde auch dazu, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, noch einmal Rücksprache nehmen und
Ihnen dann eine schriftliche Antwort zukommen lassen .
Vielen Dank . - Nächste Fragestellerin: Heike Hänsel
für die Linke .
Danke schön . - Herr Staatsminister, ich möchte einfach noch einmal nachhaken, weil Sie sagten, Sie hätten
keine eigenen Erkenntnisse darüber, dass auf Flüchtlinge
geschossen wird . Der aktuelle Fall liegt erst sehr kurze Zeit zurück, aber die Meldungen häufen sich ja seit
Monaten . Dazu würde ich von Ihnen gern noch einmal
hören - das habe ich noch nicht so richtig gehört -: Was
haben Sie in den letzten Monaten alles unternommen,
um zu Erkenntnissen zu gelangen, was sich an der türkisch-syrischen Grenze abspielt? Welche Stellen haben
Sie konkret gefragt und wen alles kontaktiert? Waren Sie
auch selber vor Ort?
Ich habe in meiner Antwort auf die zweite Nachfrage
der Kollegin Göring-Eckardt schon detailliert geschildert, mit wem alles wir uns in Verbindung gesetzt haben .
Ich habe dabei auf unsere Staatssekretärskonsultationen
hingewiesen . Unser Staatssekretär, der für den Bereich
zuständig ist, war am 1 . Juni in Istanbul und hat diese
Punkte selbstverständlich angesprochen .
Darüber hinaus sind immer wieder die Berichte von
Menschenrechtsorganisationen und anderen Nichtregierungsorganisationen angesprochen worden . Wir haben
mit den Verantwortlichen gesprochen, die selbst in der
Region präsent sind . Weil die Vorwürfe - nicht nur die
jüngsten -, Frau Abgeordnete Hänsel, so schwerwiegend
sind, haben wir ein allergrößtes Interesse, mit all denjenigen in Kontakt zu treten, die möglicherweise mehr
wissen als wir . Ich kann nur wiederholen: Diese vielfältigen Kontakte, Gespräche und der Versuch, weitere Informationen zu erhalten, haben nicht zu dem Ergebnis
geführt, dass ich diese sehr schwerwiegenden Vorwürfe
bestätigen kann .
Zweite Frage, Frau Hänsel?
Ja, danke . - Sollten sich die Vorwürfe, also die Rückführungen, der Verstoß gegen das Refoulement-Verbot,
Schüsse auf Flüchtlinge - all das bricht internationales
Recht - bewahrheiten: Welche Konsequenzen zieht die
Bundesregierung daraus? Stellt die Bundesregierung
dann auch das Abkommen mit Erdogan infrage? Oder
wäre es kein Hindernis, das Abkommen mit Erdogan aufrechtzuerhalten, wenn auf Flüchtlinge geschossen wird?
Dieses Abkommen mit der Türkei beruht auf einer
festen Verankerung im Völkerrecht und auf rechtsstaatlichen Prinzipien . Ich kann Ihnen nur noch einmal versichern, dass wir davon ausgehen und dies in unseren Gesprächen selbstverständlich immer wieder formulieren,
dass diesen rechtsstaatlichen Prinzipien vollumfänglich
Geltung verschafft wird . Das ist die Grundlage dieser
Vereinbarung .
Vielen Dank . - Nächster Fragesteller: Uwe Kekeritz .
Frau Präsidentin, herzlichen Dank . - Im Prinzip ist
die Frage, die ich stellen wollte, schon drei- oder viermal gestellt worden . Sie ist immer in der gleichen Weise
beantwortet worden . Ich weiß nicht, ob das Sinn macht .
Ich habe noch eine Frage, die hier bisher nur einmal
gestellt worden ist . Sie selbst sagten, dass Sie keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse haben . Haben Sie bei
Ihrem Nachrichtendienst diesbezüglich nachgefragt? Inwieweit arbeiten die Nachrichtendienste zusammen? Es
ist wohl wirklich so, wie der Kollege Christian Ströbele
sagte: Es ist die bestüberwachte Grenze, die wir auf der
Welt haben . Hier ist es völlig unglaubwürdig, zu sagen,
dass wir nichts wissen, obwohl Sie zugeben, dass Sie
sehr wohl Quellen haben, die Sie über die Vorfälle informieren, nur würden Sie sie so nicht akzeptieren .
Herr Abgeordneter Kekeritz, es steht Ihnen völlig frei,
mich hart und scharf zu kritisieren . Wo mich Ihre Kritik,
die Sie insinuieren, etwas verwundert, ist, dass ich auf
gleiche Fragen gleich antworte . Es würde mich hingegen
sehr verwundern, wenn ich auf gleiche Fragen verschiedenartig antworten würde . Insofern ist es nur konsequent .
Ich habe darauf hingewiesen, dass zu unseren Quellen selbstverständlich auch nachrichtendienstliche Quellen gehören, sollten sie vorhanden sein . Wir werden die
Informationen natürlich entsprechend auswerten . Wenn
mir diese Informationen vorlägen oder wenn ich nachrichtendienstliche Erkenntnisse hätte, ich hier aber eine
Aussage treffen würde, die nicht der Wahrheit entspricht,
dann hätte das für mich letztendlich Folgen und Konsequenzen, die ich mir nicht wünsche .
Herr Kekeritz, zweite Frage .
Da die Fragen schon alle beantwortet worden sind,
verzichte ich darauf . Ich möchte nur noch darauf eingehen, dass Sie natürlich auf die gleiche Frage gleich antworten . Das Problem bestand nicht in der gleichen Antwort, das Problem liegt darin, dass die gleiche Antwort
immer nicht glaubwürdig ist . Das wollte ich nur sagen .
Herr Abgeordneter, es ist Ihr gutes Recht, meine Antworten als nicht glaubwürdig einzustufen . Aber ich darf
allen Abgeordneten noch einmal versichern, dass ich hier
nach bestem Wissen und Gewissen versuche, Ihre ehrenwerten Fragen zu beantworten . - Danke schön .
Vielen Dank, Herr Staatsminister . - Wir haben jetzt
noch einen Fragesteller . Das ist der Kollege Mutlu .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatsminister, ich
möchte Ihnen hier nicht unterstellen, dass Sie Amnesty
International und Human Rights Watch der Lüge bezichtigen . Aber Sie zweifeln in Ihren Antworten durchaus die
Aussagen und Berichte dieser weltweit anerkannten Organisationen mehrfach an . Diese Informationen und die
Studien sind nicht von gestern, sondern liegen schon seit
Wochen vor .
Wenn Sie schon nicht auf diese Quellen vertrauen,
frage ich Sie angesichts all der Aufklärungsmaßnahmen
des Militärs in der Zuständigkeit unseres Verteidigungsministeriums - AWACS, Tornados sind vor Ort - und der
Tatsache, dass Sie bisher keinerlei Aussagen zu deren
konkreten Auftrag treffen konnten: Wer von der Bundesregierung kann uns denn dazu Auskunft geben, wenn Sie
nicht Auskunft geben können? Wie wäre es mit Informationen aus dem Verteidigungsministerium?
Herr Abgeordneter Mutlu, ich gehe fest davon aus,
dass andere Vertreterinnen und Vertreter unserer Bundesregierung gleiche Antworten geben würden - es ist
unabhängig von meiner Person -, weil ihnen allen nur
die Informationen zur Verfügung stehen, die auch mir zur
Verfügung stehen .
Ansonsten kann ich Ihnen nur zustimmen, dass es sich
bei den von Ihnen genannten Nichtregierungsorganisationen um weltweit anerkannte Organisationen handelt,
mit denen wir eng zusammenarbeiten . Aber es ist selbstverständlich auch unsere Pflicht, dass wir den schwerwiegenden Vorwürfen entsprechend nachgehen . Ich habe
Ihnen heute hier mehrfach zum Ausdruck zu bringen
versucht, dass uns keine eigenen Erkenntnisse dazu vorliegen, dass diese schwerwiegenden Vorwürfe zutreffend
sind .
Haben Sie eine Rückfrage?
Ich brauche keine weitere Frage zu stellen, weil wir
immer dieselbe Antwort kriegen .
({0})
Frau Kollegin Keul .
Vor dem Hintergrund, dass wir jetzt mehrfach gefragt haben, was mit den Informationen ist, die dem militärischen Bereich zur Verfügung stehen, und sich der
Staatsminister jetzt hier nicht in der Lage sah, aus eigener
Kenntnis die Frage zu beantworten, welche Erkenntnisse
es dort gibt, würde ich jetzt mit Verweis auf unsere Geschäftsordnung die Verteidigungsministerin herbeirufen,
damit wir sie fragen können, welche Informationen denn
tatsächlich dort vorliegen .
Gehe ich recht in der Annahme, dass das jetzt der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist? - Dann
muss ich darüber abstimmen lassen .
Wer stimmt dem Antrag auf Herbeirufung der Verteidigungsministerin zu? - Wer stimmt dagegen? - Nach
unserer Einschätzung ist die Mehrheit dafür .
({0})
- Ja, dann zählen wir es jetzt aus . Gut .
({1})
- Oh .
({2})
- Ich sage ja nichts . Ich habe nur „Oh“ gesagt . - Wir
kommen hier auf 19 Stimmen für den Antrag und auf
18 Stimmen dagegen .
({3})
Damit gibt es eine knappe Mehrheit für den Antrag .
({4})
- Möchten Sie infrage stellen, dass wir hier richtig gezählt haben?
({5})
- Ich gehe nicht davon aus . Wir haben gemeinsam ausgezählt . Es ist so abgestimmt worden, und so ist es jetzt .
({6})
Dann unterbreche ich die Sitzung, bis die Frau Verteidigungsministerin hier anwesend ist .
({7})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet .
Herzlich willkommen, Frau Ministerin . Wir sind in
der Fragestunde und behandeln gerade die dringlichen
Fragen auf Drucksache 18/8852 . Es geht um die Reaktionen der Bundesregierung auf Berichte über Todesopfer
an der türkisch-syrischen Grenze .
Dazu gibt es Wortmeldungen von einigen Kolleginnen
und Kollegen, die Ihnen jetzt Fragen stellen wollen . Die erste Frage hat Katrin Göring-Eckardt .
Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie es einrichten
konnten, hierherzukommen, was aus Ihrer Sicht ja sicherlich selbstverständlich ist, wenn Fragen offen bleiben . Hier geht es speziell um Fragen, die offensichtlich
nur Sie als Verteidigungsministerin beantworten können;
denn das Auswärtige Amt hat uns hier nur gesagt, man
würde alle Erkenntnisse aufnehmen .
Für uns war die konkrete Frage, inwieweit die Aufklärungsflugzeuge, die an der syrisch-türkischen Grenze
sind und von denen wir ja Informationen darüber bekommen, was dort gerade stattfindet, ausgewertete Informationen über die Selbstschussanlagen haben, die dort
stationiert sein sollen . Darüber hatten Nichtregierungsorganisationen berichtet . Die deutsche Bundesregierung
hat seitens des Auswärtigen Amtes in der letzten Woche
schon einmal darauf hingewiesen, dass sie versucht hat,
von der türkischen Regierung dazu Informationen zu bekommen . Darüber hinaus ist die Frage, inwieweit diese
Aufklärungsflugzeuge Informationen, die Sie auswerten
können, zu einem Fall von diesem Wochenende haben,
wonach offensichtlich eine Familie mit vier Kindern erschossen worden ist .
Frau Göring-Eckardt, zunächst einmal danke ich
für die Geduld des Parlamentes . Ich war gerade in den
deutsch-polnischen Regierungskonsultationen . Ich bin
sehr dankbar, dass ich die gemeinsamen Ergebnisse mit
dem polnischen Kollegen noch vorstellen konnte . Ich bin
dann aber selbstverständlich so schnell wie möglich hierhergekommen .
Zu dem Sachverhalt, den Sie soeben geschildert haben: Aus dem gesamten militärischen Nachrichtenwesen - das ist das, was ich überblicken kann - liegen uns
keinerlei Erkenntnisse vor, die diesen Sachverhalt bestätigen können . Wir haben nach Bekanntwerden unverzüglich mit dem Militärattachéstab in der Türkei Kontakt
aufgenommen . Auch dort liegen keine Erkenntnisse vor,
die diesen Sachverhalt bestätigen könnten .
({0})
Vielen Dank, Frau Ministerin . - Nächste Fragestellerin: Katja Dörner .
Vielen Dank . - Frau Ministerin, ich möchte Sie ganz
konkret fragen, wenn Sie sagen, Ihnen liegen keine Erkenntnisse zu dem von Frau Göring-Eckardt thematisierten Sachverhalt vor: Welche Erkenntnisse liegen Ihnen
denn seitens AWACS und der Tornados, die in diesem
Grenzgebiet im Einsatz sind oder sein sollen, zur Situation von Flüchtlingen in diesem Gebiet generell vor?
Es ist nicht Aufgabe der Tornados und auch nicht
Aufgabe von AWACS, solche Erkenntnisse zu sammeln .
Insofern liegen mir keine spezifischen Erkenntnisse vor,
die die Thematik, die Sie zurzeit in der Fragestunde besprechen, betreffen . Noch einmal: Wir haben bewusst das
gesamte militärische Nachrichtenwesen auf diesen spezifischen Sachverhalt hin befragt, und es liegen keinerlei
Erkenntnisse vor .
Eine zweite Frage, Frau Dörner .
Vor dem Hintergrund Ihrer Antwort möchte ich gerne
fragen, welche Erkenntnisse Ihnen denn seitens der Aufklärungsflugzeuge in diesem Gebiet vorliegen. Und zwar
nicht allgemein, sondern konkret: Was machen die da?
({0})
Vizepräsidentin Claudia Roth
Es gibt einen klar beschriebenen Auftrag von AWACS,
den Luftraum - den Luftraum! - über der Türkei aufzuklären . Genau das tun die AWACS-Flugzeuge . Die Tornados haben innerhalb der Koalition gegen den Terror
spezifische Aufträge, bestimmte Regionen aufzuklären.
Diese Aufgaben kommen in unterschiedlicher Weise täglich, um dann von den Tornados umgesetzt zu werden .
Vielen Dank . - Nächste Fragestellerin: Renate Künast .
Frau Ministerin, ich zucke - sehen Sie mir das nach immer zusammen, wenn ich höre, dass militärische Aufklärungsdienste keinerlei Erkenntnisse haben . Wenn ich
in den Kategorien von Herrn Maaßen denken würde,
wäre ich jetzt hundertprozentig sicher, dass doch etwas
im Busch ist . Er sagte auch immer: Wir wissen nichts . Und dann sind die Tresore voll . Deshalb versuche ich
einmal, hinter Ihren Begriff „keinerlei Erkenntnisse“ zu
kommen .
Was haben diese militärischen Dienste angestellt, um
zu dem Stand „keine Erkenntnisse“ zu kommen? Haben
sie und die Militärattachés sich einfach gefragt: „Wissen
wir schon etwas?“? Haben sie, weil sie logischerweise
auch wissen wollen, ob der EU-Türkei-Vertrag seitens
der Türkei eingehalten wird, nachgefragt oder selber
Befragungen von Geflüchteten vorgenommen, ob diese Hinweise stimmen? Haben die militärischen Dienste
bei Human Rights Watch oder bei Amnesty International, einer Organisation mit hohem internationalem Ansehen - ich kenne keinen Vorwurf, sie würden lügen -,
die eine ganze Menge Wissen sammelt, recherchiert, um
auf dieser Basis zu dem Ergebnis zu kommen, sie wüssten nichts, oder um, umgekehrt, auf dieser Basis genauer
nachzusehen, um zum Beispiel in Zukunft in der Region
Idlib, um die es geht, Obacht auf das zu geben, was da
passiert?
Ich habe Ihnen über die Thematik berichtet, die meine
Zuständigkeit betrifft, und das ist das militärische Nachrichtenwesen . Sie haben breitere Facetten und Themen,
zum Beispiel Human Rights Watch, angesprochen, die
nicht innerhalb der Zuständigkeit des militärischen Nachrichtenwesens liegen . Das, wozu ich gebeten worden bin
vorzutragen, ist der Bereich, den ich - innerhalb des militärischen Nachrichtenwesens - überblicken kann . Dort
liegen zu dem spezifischen Sachverhalt keine weiteren
Erkenntnisse vor .
Frau Künast, Nachfrage?
Ich habe mich nicht deshalb auf Human Rights Watch
oder Amnesty bezogen, weil ich nach dem gesamten
Menschenrechtsgeschehen in dieser Region fragen wollte; die Frage ist vielmehr, inwiefern die militärischen
Dienste vor Ort Wissen darüber haben, dass Menschen
erschossen oder verletzt wurden . Dann kann man die Augen zumachen und sagen: „Ich habe keine Erkenntnisse“,
oder man kann sagen: Ich recherchiere erst einmal eine
gewisse Basis, um diese Frage zu beantworten .
Wir bräuchten die Dienste übrigens nicht, wenn sie
nur weggucken und dann sagen, was sie nicht wissen .
Das könnte ich auch hinkriegen; weggucken könnte ich
auch .
Seit Dezember wissen diese Dienste von den Vorwürfen und Hinweisen, zum Beispiel von Amnesty und
anderen, dass dort geschossen wird und dass es dort entsprechende Vorrichtungen gibt . Da muss es doch ein Aufklärungsinteresse oder einen Aufklärungswillen geben .
Dazu sind doch Dienste da . Deshalb frage ich: Was haben
die militärischen Dienste ganz konkret seit Dezember
letzten Jahres unternommen, um zu recherchieren?
Wenn Sie es nicht mündlich beantworten können,
nehme ich auch gerne eine schriftliche Antwort entgegen . Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass solche
Ungeheuerlichkeiten seitens der Türkei auf die Agenda
gesetzt werden und bekannt sind, ohne dass das jemand
recherchiert .
Zunächst einmal möchte ich auf das Schärfste Ihre
Unterstellung zurückweisen, das militärische Nachrichtenwesen würde die Augen schließen und weggucken .
All das, was Sie eben geschildert haben, ist ja schon ein
erheblicher Vorwurf, den Sie da aussprechen . Den weise
ich auf das Schärfste zurück .
Ich möchte noch einmal klar aufzeigen, dass die Aufgabe des militärischen Nachrichtenwesens begrenzt ist
und einen bestimmten Fokus hat . Wenn Sie in einer breiteren Form das gesamte Nachrichtenwesen der Bundesregierung abfragen möchten, dann müsste ich sicherlich
mit den zuständigen Ressorts Kontakt aufnehmen und
könnte Ihnen das dann gerne schriftlich zukommen lassen .
Vielen Dank, Frau Ministerin . - Nächster Fragesteller:
Dr . Alexander Neu .
Frau Ministerin, Human Rights Watch ist eine Menschenrechtsorganisation mit einer hohen Reputation . Seit
vielen Monaten wird immer wieder über Vorfälle mit tödlichem Ausgang berichtet, dass also angeblich Menschen
bzw . Flüchtlinge aufgrund des Waffeneinsatzes der türkischen Sicherheitskräfte ums Leben kommen . Sie sagen,
es gebe seitens des Nachrichtenwesens der Bundeswehr
keine gesicherten Erkenntnisse .
Wenn Sie Human Rights Watch nicht glauben, frage
ich Sie: Welche Quelle ist erforderlich, damit Sie es glauben? Ist es das Erdogan-Regime, der türkische Verteidigungsminister oder der türkische Geheimdienst, damit
Sie es irgendwann einräumen? Wenn Sie sich nicht einmal auf eine Quelle wie Human Rights Watch verlassen,
stelle ich mir die Frage: Auf welche Quelle verlassen Sie
sich?
Es geht nicht darum, was ich glaube, sondern darum,
welche Erkenntnisse das Nachrichtenwesen, für das ich
zuständig bin, hat .
Herr Neu .
Bewegt sich das Nachrichtenwesen der Bundeswehr
denn genau an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei und überwacht diese Grenze lückenlos?
Das militärische Nachrichtenwesen bezieht sich auf
den Schutz der militärischen Einrichtungen, die wir
dort betreiben, und das ist die Aufgabe des militärischen
Nachrichtenwesens . Für weitere Fragen, die Nachrichtenwesen im Allgemeinen betreffen, würde ich das Kanzleramt bitten, zu übernehmen .
Danke, Herr Neu . - Dann hat jetzt Frau KleinSchmeink die nächste Frage .
Frau Ministerin, Sie haben vorhin darauf abgehoben,
dass Sie Ihre militärischen Nachrichtendienste befragt
hätten . Wann war das ganz konkret? Soweit ich das sehe,
gibt es hier über AWACS eine Zuständigkeit für den Bereich der Türkei und über die Tornados für den syrischen
Raum . Haben Sie da auch ganz konkret - und wann zuletzt - nach Informationen gefragt? Haben Sie auch ganz
konkret nach den Vorfällen gefragt, die hier in Rede stehen?
Direkt nach Bekanntwerden der Vorfälle sind in den
üblichen Kanälen und Gremien diese Erkenntnisse breit
abgefragt worden . Es sind potenzielle Erkenntnisse gesammelt worden, aber es stellte sich heraus, dass zu dem
spezifischen Sachverhalt keine Erkenntnisse vorliegen. Das ist ein standardisiertes Verfahren; das sind Prozeduren, die fixiert angelegt sind. Das ist auch richtig so;
denn es muss mit einer gewissen Regelmäßigkeit und
im Rahmen einer gewissen Qualitätssicherung erfolgen .
In diesen standardisierten Verfahren verdichten sich die
abgefragten Elemente . Dann wird zum Schluss auf den
hochspezifischen Fall gesehen; der ist ja erst kürzlich als
Nachricht präsentiert worden; dabei war also kein langer
Zeitraum zu überblicken . Dann hat man ein gesichertes
Lagebild . Und das habe ich Ihnen eben im Rahmen der
ersten Beantwortung der Frage erläutert .
Rückfrage?
Ich darf nachfragen . Sie haben mir nicht beantwortet,
ob anlässlich dieses konkreten Falles tatsächlich in den
letzten Tagen bzw . in der letzten Woche eine solche Konsultation erfolgt ist .
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich bei einer der
früheren Beantwortungen der Fragen bereits gesagt habe,
dass das gesamte Nachrichtenwesen befragt worden ist,
ob Erkenntnisse vorliegen . Sie liegen nicht vor . Und ich
habe gesagt, dass Kontakt mit unserem Militärattachéstab
in der Türkei aufgenommen worden ist . Das ist ein aktives Vorgehen . Auch dort gab es keinerlei Bestätigung des
von Ihnen eben spezifisch abgefragten Sachverhaltes.
Vielen Dank, Frau Ministerin . - Nächste Fragestellerin: Tabea Rößner .
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie hätten jetzt
keine Informationen bekommen; aber die türkisch-syrische Grenze - das muss man ja einmal feststellen - ist
die best überwachte Grenze auf der ganzen Welt . Deshalb
ist es schon sehr erstaunlich, dass es da keine Informationen gibt . Deshalb frage ich Sie, was Ihr Ministerium
bzw . die Bundesregierung in Gänze zu tun gedenkt, um
tatsächlich an weitere Informationen - gerade auch über
den militärischen Nachrichtendienst - zu kommen .
Wer antwortet? - Das Kanzleramt .
Ich glaube, der Kollege Roth hat eingangs sehr ausführlich geschildert, dass die Bundesregierung hier über
keine spezifischen Kenntnisse verfügt und dass die Mittel, die wir als Bundesregierung haben, auch an der Stelle keinerlei Erkenntnisse gebracht haben . Und darüber
hinaus können wir als Bundesregierung dazu jetzt auch
keine Stellung mehr nehmen .
Frau Rößner .
Also, das erstaunt mich schon sehr; denn es ist ja die
Frage, was für Konsequenzen es gibt, wenn alle diese ErDr. Alexander S. Neu
eignisse bestätigt werden . Von daher müsste die Bundesregierung doch ein großes Interesse haben, Erkenntnisse
über den Sachverhalt zu bekommen . Deshalb auch noch
diese Frage an Sie, Frau Ministerin: Welche Konsequenzen hätte es denn im militärischen Bereich, wenn diese
Ereignisse alle bestätigt werden?
Wir müssten bestätigte Erkenntnisse haben . Ich kann
nicht allgemein auf hypothetische Situationen antworten .
Im Übrigen sind „militärische Folgen“ bzw . - habe ich
es richtig verstanden, dass Sie das so genannt haben? „militärische Konsequenzen“ sehr schwierige Begriffe,
die ich hier niemals so benutzen würde . Vielmehr sage
ich noch einmal: Man muss sehr genau wissen, was vorliegt, und man muss genau wissen, auf welchem Grund
und Boden man sich bewegt und was die Tatsachen sind .
Anhand der Tatsachen kann man dann analysieren und
entscheiden, aber nicht anhand von hypothetischen Vorstellungen .
Es gab eine Rückfrage, und ich will das für alle noch
einmal deutlich machen . Herr Brauksiepe, glaube ich, hat
sich dafür interessiert, warum jeweils zwei Nachfragen
möglich sind . Das liegt daran, dass es zwei dringliche
Fragen sind .
({0})
Jetzt haben wir Kordula Schulz-Asche .
Frau Ministerin, ich glaube, wir sind uns einig, dass
die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorganisationen gerade in Gebieten, in denen Krieg herrscht oder in
denen die Situation von großer Unsicherheit geprägt ist,
bei der Beobachtung von Menschenrechtsverletzungen
oder der Menschenrechtssituation insgesamt eine sehr
große Rolle spielen . Wir haben mit drei Organisationen,
die ich hier beispielhaft nennen möchte, nämlich Amnesty International, Human Rights Watch und der Syrischen
Beobachtungsstelle für Menschenrechte, sehr renommierte Nichtregierungsorganisationen, die in der Region,
in der die Vorfälle stattgefunden haben sollen, arbeiten
und von daher nicht nur renommiert sind, sondern, wie
ich finde, auch eine hohe Glaubwürdigkeit haben, was
ihre Berichte angeht .
Jetzt ist meine Frage: Wenn Sie als Bundesregierung
keine militärischen Erkenntnisse oder keine Sicherheitserkenntnisse haben, warum akzeptieren Sie dann nicht
die Zivilgesellschaft als glaubwürdige Quelle?
Ich kann Sie auf die im Laufe dieser Fragerunde gegebenen Antworten verweisen . Insofern entbehrt die Frage, die Sie mir gestellt haben, einer Grundlage; denn sie
unterstellt mir eine bestimmte Annahme bezüglich der
von Ihnen genannten Organisationen, und das ist nicht
der Fall .
Die zweite Frage .
Vielleicht muss ich dann einmal das Kanzleramt fragen . Ich frage, warum, wenn es keine militärischen oder
nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gibt, die Bundesregierung nicht die Aussagen renommierter Nichtregierungsorganisationen bzw . der Zivilgesellschaft als
glaubwürdige Quellen anerkennt, sondern diese in Ermangelung anderer Quellen infrage stellt und keine weiteren Maßnahmen ergreift .
Frau Kollegin, im Hinblick auf die Einschätzung der
Lage und der gewonnenen Erkenntnisse durch die Bundesregierung verweise ich auf die ausführlichen Antworten zu den gestellten Fragen durch den Kollegen Roth
und auch Frau Bundesminister von der Leyen .
Vielen Dank, Herr Braun . - Wir haben jetzt noch zwei
Fragestellerinnen, und zwar zunächst die „Fragestellerin“ Jörn Wunderlich .
Ja, ich wollte gerade sagen: kodiert . - Vielen Dank . Human Rights Watch und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte stellen so etwas fest . Wenn Sie,
Frau von der Leyen, angesichts der Meldung derartiger
Vorfälle sagen, das liegt nicht in Ihrer Zuständigkeit, weil
die von Ihnen befehligten Truppenteile dafür zuständig
sind, militärische Objekte zu schützen und den Luftraum
klar zu halten, zeigt das, dass von Ihrer Seite mangels
Zuständigkeit ja offensichtlich doch nichts unternommen
wird, obwohl Sie das strikt zurückweisen . Andererseits
sagen Sie - das haben Sie gerade eben gesagt; ich zitiere -: „Man muss sehr genau wissen, was vorliegt .“
Deswegen meine Frage an das Kanzleramt: Wenn
über solche Dinge berichtet wird, diese Vorfälle durch
die Zivilorganisationen bekannt werden und Frau von
der Leyen als Verteidigungsministerin sagt: „Im Rahmen
der Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung bin ich
nicht zuständig“, was unternimmt dann das Kanzleramt
als in der Bundesregierung zuständige Stelle, auch für die
übrigen Dienste, um eben die von Frau von der Leyen
geforderte Zuverlässigkeit des Wissens - „man muss sehr
genau wissen, was vorliegt“ - zu erlangen? Was hat die
Bundesregierung bisher unternommen? In welcher Form
hat sie nachgeforscht: „Gab es da die Toten? Gab es da
die Schüsse? Oder lügen die Organisationen alle?“? Ist
mit der türkischen Regierung Kontakt aufgenommen
worden? Was ist konkret unternommen worden, um diesen Sachverhalt aufzuklären?
Lieber Herr Kollege, schon daran, dass wir diese
dringliche Frage heute durch das Auswärtige Amt haben
beantworten lassen, wird deutlich, dass diese Angelegenheit aus dem Bereich des Auswärtigen, was die Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung angeht, zunächst
einmal beim Auswärtigen Amt liegt .
({0})
Deshalb haben Sie die Auskünfte von da bekommen .
Wir haben darüber hinaus jetzt auf Ihren Wunsch hin
von der Bundesverteidigungsministerin zusätzliche Informationen über die Rolle der Bundeswehr in der Region bekommen . Bezüglich der Einschätzung, die die Bundesregierung im Hinblick auf das Handeln der von Ihnen
genannten Organisationen hat, verweise ich Sie auf die
bereits gegebenen Antworten des Auswärtigen Amts .
Vielen Dank, Herr Braun . - Herr Wunderlich, eine
zweite Frage, wenn Sie mögen .
Immerhin freut es mich, dass Sie heute wissen, was
die eigentliche Aufgabe dieses im Dezember beschlossenen Einsatzes ist .
({0})
Gleichwohl sind Sie mir die Antwort schuldig geblieben, was konkret unternommen worden ist . Dazu haben
Sie keine Aussage getroffen . Daraus kann ich nur schließen: Sie haben nichts unternommen . Deshalb kann ich
den Vorwurf, den Frau von der Leyen hier der Fraktion
der Grünen gemacht hat - sie hat es ja zurückgewiesen,
weggeguckt zu haben -, nur ebenfalls aufs Schärfste
zurückweisen; denn es scheint doch den Tatsachen zu
entsprechen . Hier werden Zuständigkeiten hin- und hergeschoben, aber die Antwort auf die Frage, was konkret
unternommen wird, um zu verhindern, dass es möglicherweise weitere Tote an der Grenze gibt, bleibt diese
Regierung schuldig, nicht nur diesem Parlament, sondern
auch der Öffentlichkeit .
({1})
Herr Staatsminister Roth, bitte .
Bei allem Respekt, Herr Abgeordneter, vor einer lebendigen Debattenkultur möchte ich Sie aber auch um
ein Mindestmaß an Fairness bitten .
({0})
Wir diskutieren diesen Sachverhalt aufgrund einer dringlichen Frage der Abgeordneten Göring-Eckardt seit ungefähr anderthalb Stunden, mit einer Unterbrechung . Ich
habe den Abgeordneten detailliert Auskunft erteilt . Ich
kann auch gerne, damit Sie einen anderen Eindruck bekommen, diese Antworten noch einmal vortragen; denn
inzwischen hat sich das Publikum hier deutlich verändert . Es nehmen inzwischen Abgeordnete an der Diskussion teil,
({1})
die den ersten, ausführlichen Teil der Beantwortung nicht
mitbekommen haben . Daraus können Sie doch nicht den
Vorwurf konstruieren, dass die Bundesregierung nicht
bestmöglich informiert habe . Ich habe dies für die Bundesregierung getan .
({2})
- Da waren auch Sie, Frau Abgeordnete, nicht dabei .
({3})
Können wir jetzt bitte wieder in Ruhe diskutieren?
Die letzte Fragestellerin zu den dringlichen Fragen ist
Frau Lemke .
({0})
Ob es die Aufgabe der Regierung ist, von der Regierungsbank aus die Arbeit der Abgeordneten zu bewerten,
lasse ich für den Moment einmal dahingestellt;
({0})
denn ich glaube, dass wir gerade andere Dinge zu tun
haben . Herr Roth, wir diskutieren diesen Sachverhalt
aufgrund der Tatsache, dass seit Dezember, das heißt seit
sechs Monaten, der Vorwurf von Nichtregierungsorganisationen im Raum steht, dass via Selbstschussanlagen
oder auf andere Art und Weise dort Menschen zu Tode
kommen, und die Bundesregierung - ich zitiere Frau von
der Leyen - keinerlei Erkenntnisse darüber hat, ob diese
Aussagen richtig oder falsch sind . Dieses Spiel haben Sie
hier in der Tat anderthalb Stunden aufgeführt und gesagt,
dass Sie keinerlei Erkenntnisse darüber haben .
In diesen sechs Monaten sind entscheidende Abkommen mit der Türkei, die auch die Sicherheitslage in
Deutschland durchaus tangieren, getroffen worden . Ich
lasse jetzt einmal das Schwarze-Peter-Spiel, das Sie innerhalb der Bundesregierung gerade aufgeführt haben,
beiseite und möchte das Kanzleramt fragen: Was passiert
denn in den nächsten sechs Monaten? Wann können Sie
uns Erkenntnisse mitteilen, ob die Vorwürfe von Amnesty und Human Rights Watch richtig oder falsch sind?
Herr Braun, bitte .
Frau Kollegin, ich möchte zunächst darauf hinweisen,
dass Sie in Ihrer Frage eine Reihe von Unterstellungen
machen . Die Bundesministerin hat eben deutlich gesagt,
dass aus dem Nachrichtenbereich des Militärs keine Erkenntnisse vorliegen . Das ist etwas anderes als das, was
Sie in Ihrer Aussage zusammengefasst haben .
Über die Frage, welche zukünftigen Erkenntnisse die
Bundesregierung noch gewinnen wird, kann ich nicht
spekulieren .
({0})
Sie haben durch die Aussagen, die wir getroffen haben, erfahren, was wir in der Vergangenheit unternommen haben . Wir haben auch deutlich gemacht, dass uns
die Situation der Flüchtlinge in der Türkei insgesamt sehr
wichtig ist und wir deshalb sehr genau da hinschauen .
Aber welche zukünftigen Erkenntnisse wir gewinnen
können, darüber kann ich hier nicht spekulieren .
Frau Lemke, zweite Frage .
Den Sachverhalt, den Sie eben angedeutet haben dass nur der militärische Nachrichtendienst keine Erkenntnisse hat, und darin ist intendiert, dass andere
Nachrichtendienste Erkenntnisse haben -, lasse ich jetzt
aus Zeitgründen beiseite . Dazu werden wir schriftlich an
anderer Stelle nachfragen .
({0})
- Da brauchen Sie gar nicht zu lachen .
Wenn Sie für die Zukunft keine Aussage treffen können, möchte ich bezüglich Erkenntnissen wissen, auf
welche Art und Weise Sie diesem Sachverhalt politisch
nachgehen werden, um der deutschen Öffentlichkeit
und dem deutschen Parlament sagen zu können, ob die
Aussagen von Amnesty und Human Rights Watch richtig oder falsch sind . Wann werden Sie diesbezüglich zu
Erkenntnissen gelangt sein? Das ist eine politische Bewertung und keine nachrichtendienstliche .
Wenn Sie sagen: „Diese Aussagen stimmen nicht“
oder: „Wir haben keinerlei Erkenntnisse darüber“, dann
wäre der Umkehrschluss, dass sie falsch sind . Ich möchte dazu von Ihnen eine klare Aussage haben . Wenn Sie
diese heute nicht treffen können, dann möchte ich gerne
wissen, bis wann Sie politisch gedenken diese Aussagen
bewerten zu können: Braucht das noch sechs Monate,
drei Monate oder zwölf Monate? Denn ansonsten kann
ich Ihnen Ihre behauptete Sorge um die Flüchtlinge in
diesem Grenzgebiet leider nicht abnehmen .
Herr Braun .
Frau Kollegin, in der Frage waren zweimal Dinge enthalten, mit denen Sie eine implizierte Unterstellung vornehmen, die so nicht Gegenstand meiner Antwort war .
Das Erste war, dass ich die Antwort der Bundesministerin klargestellt habe . Das, was Sie eben daraus geschlossen haben - was das implizit für andere Dienste
heißt -, ist ausdrücklich nicht Gegenstand meiner Antwort gewesen .
Das Zweite ist, dass Sie eben gesagt haben, dass die
Tatsache, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse
hat, implizit bedeutet, dass die Aussagen falsch wären .
Genau diese Bewertung hat die Bundesregierung an der
Stelle nicht vorgenommen .
({0})
Insofern kann ich über die zukünftigen Erkenntnisse
nichts sagen, möchte aber die beiden Unterstellungen,
die in Ihrer Frage enthalten sind, zurückweisen .
Vielen Dank, Herr Braun . - Jetzt wirklich die allerletzte Fragestellerin: Frau Werner .
Danke schön . - Ich möchte nachhaken; ich bin in dieser Debatte von Anfang an dabei . Ich gehe hier eigentlich
mit noch mehr Fragen heraus, wobei wir das ja anscheinend nicht klären können . Insofern vielleicht ganz einfach:
Für mich war jetzt so ein bisschen das Problem, dass
mir nicht ganz klar ist, wer jetzt wem die Zuständigkeiten
zuschieben möchte . Könnten wir uns vielleicht darauf
verständigen, dass in dieser öffentlichen Debatte viele
Fragen gestellt wurden, viele Hinweise gegeben wurden,
dass es Organisationen gibt, die einfach Berichte veröffentlicht haben, die von Toten an Grenzen gesprochen
haben, und dass diese Berichte oder diese Debatte, welches Ministerium auch immer zuständig wäre, von den
zuständigen Ministerien zum Anlass genommen werden,
um schnellstmöglich die offenen Fragen aufzuklären?
Wenn dem so ist - es ist ja jetzt bekannt, dass es jetzt im
Raum steht, zumindest nach der Debatte -, dann würde
ich die Frage anschließen, wie lange Sie denn bräuchten,
um zu überprüfen, ob diese Berichte stimmen, und, wenn
Sie sie dann überprüft haben, zu welchen Konsequenzen
oder Initiativen Sie dann kommen würden .
({0})
Herr Braun .
Frau Kollegin, das hat man schon am Konjunktiv Ihrer
Frage gemerkt, dass Sie auch hier wieder wollen, dass
wir spekulieren . Das tun wir nicht . Wir haben Sie über
die Erkenntnislage der Bundesregierung informiert . Über
die Frage, welche zukünftigen Erkenntnisse wir noch gewinnen, kann ich hier nicht spekulieren .
({0})
Frau Werner .
Ich mache das dann, auch wenn Sie mir die gleiche
Antwort dann noch einmal geben .
Für mich ist eigentlich das, was ich hier mitnehme,
dass wir nicht die richtigen Antworten bekommen - es
sind ja Ihre Antworten -, dass andere Erkenntnisse vorhanden sind .
Also: Es gab Antworten, denen ich entnehme, dass
es keine Erkenntnisse gibt, und es gibt die Berichte . Ich
möchte Ihnen oder den anderen Organisationen nicht unterstellen, dass die Berichte nicht stimmen, sondern ich
möchte wissen, ob Sie aufgrund der Debatte heute Initiativen ergreifen, ob Sie den Raum hier verlassen und ob
diese Debatte für Sie erledigt ist oder ob Sie eventuell irgendwelche Initiativen starten, Gespräche haben werden
und ob Sie in der Lage sind, uns vielleicht in der nächsten
Sitzungswoche detaillierter Antworten zu geben .
Herr Staatsminister Braun, bitte .
Frau Kollegin, ich bewundere Ihre hellseherischen
Fähigkeiten . Ich kann heute keine Aussage darüber machen, welche Erkenntnisse es zukünftig noch geben wird,
und deshalb kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob wir in
der nächsten Woche zusätzliche Informationen liefern
können .
({0})
Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und vonseiten der Regierung beantwortet worden sind - vielen
Dank, Frau Ministerin, vielen Dank, liebe Kolleginnen
und Kollegen -, rufe ich jetzt die mündlichen Fragen auf
Drucksache 18/8816 in der üblichen Reihenfolge auf .
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend . Die Frage 1 von Frau Kollegin Beate WalterRosenheimer wird schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit . Beantworten wird Staatssekretärin Ingrid Fischbach .
Die Fragen 2 und 3 von Frau Kollegin Sabine
Zimmermann werden schriftlich beantwortet .
Die Frage 4 von Frau Kollegin Kordula Schulz-Asche
kann leibhaftig beantwortet werden:
Welche konkreten Regelungen zur gruppennützigen Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen plant die
Bundesregierung, nachdem in den letzten Wochen einerseits
von verschiedenen Akteuren wie den Kirchen und Patientenorganisationen eine Ausweitung des Schutzniveaus bei nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen bei Arzneimittelstudien
abgelehnt wurde und andererseits von Dr . Karl Lauterbach,
stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen
Bundestag, weitere mögliche Änderungen zur geplanten Ausweitung von klinischen Studien vorgeschlagen wurden ({0})?
Frau Kollegin Schulz-Asche, gern beantworte ich Ihre
Frage: Maßgebliche Bestimmung für die gruppennützige Teilnahme an einer klinischen Prüfung ist Artikel 31
Absatz 1 Buchstabe g Ziffer ii der EU-Verordnung Nummer 536/2014 . Die Bundesregierung hat in dem von ihr
beschlossenen Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Artikel 2 Nummer 11 für die Einbeziehung nichteinwilligungsfähiger
Erwachsener zu gruppennützigen Forschungszwecken
noch strengere Voraussetzungen vorgesehen . Mögliche
Änderungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
werden derzeit im parlamentarischen Verfahren beraten .
Frau Kollegin Kordula Schulz-Asche .
Zunächst einmal herzlichen Dank für die Beantwortung . - Sie sagten gerade, dass Änderungen derzeit beraten werden . Dazu möchte ich Sie gleich als Erstes fragen,
wie Sie mir erklären können, dass die Änderungsanträge,
die im Parlament offensichtlich beraten werden, zurzeit
nur einigen Verbänden und einigen Pressepersonen vorliegen, nicht aber der Opposition dieses Hauses, die sie
bräuchte, um tatsächlich darüber beraten zu können .
Wie es im parlamentarischen Verfahren üblich ist,
beraten zunächst die Regierungsfraktionen diese Änderungsanträge, um dann ein gemeinsames Paket an die
Opposition weitergeben zu können .
Frau Schulz-Asche .
Können Sie mir dann beantworten, über welche der
Varianten, die in der letzten Zeit von den Koalitionsfraktionen diskutiert wurden, gerade diskutiert wird? Ist
es die Version von dem SPD-Kollegen Lauterbach, die
vorsieht, dass eine Vorabeinwilligung der Patientin oder
des Patienten mit einer Vorsorgevollmacht oder auch mit
einer Betreuungsverfügung möglich ist, oder wird derzeit
der Vorschlag von Herrn Minister Gröhe diskutiert, der
vorsieht, dass man die klinischen Prüfungen nach einer
ärztlichen Aufklärung machen kann?
Dann gleich meine fachliche Frage, die sich daran
anschließt: Wenn Sie dem Vorschlag von Herrn Minister
Gröhe folgen, ist die Frage, wie es möglich sein soll, dass
ein Arzt einen Patienten, der noch einwilligungsfähig ist,
über eine Studie aufklärt, die noch gar nicht konzipiert
wurde . Wie kann ein Arzt überhaupt über eine solche
Studie aufklären?
Ist das die Konstruktion, die Sie jetzt vorsehen, oder
über welche konkrete Vorlage wird gerade diskutiert? Es
gab gestern Fraktionssitzungen . Deswegen frage ich Sie:
Über welchen konkreten Vorschlag diskutieren Sie gerade?
Frau Kollegin, welche Vorlage das Parlament und die
einzelnen Fraktionen diskutieren, liegt in der Hand der
Fraktionen; es ist ihnen überlassen . Ich kann Ihnen nicht
sagen, worüber die SPD-Fraktion diskutiert hat .
({0})
Danke schön, Frau Schulz-Asche . - Dann hat die
nächste Frage dazu Frau Dörner .
Vielen Dank . - Frau Staatssekretärin, ich würde gern
wissen, auf welche Initiative diese umstrittene Regelung
Eingang in den Regierungsentwurf gefunden hat .
Frau Kollegin, vielleicht können Sie noch einmal genau sagen, welche umstrittene Regelung Sie meinen .
Ich meine die umstrittene Regelung bezogen auf die
gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen
Erwachsenen . Ich dachte, das wäre deutlich .
({0})
Ich habe mich nicht zur Wand umgedreht; aber ich
habe einige Fragen zu beantworten und weiß, wie sie lauten, Frau Kollegin Künast . Aber wenn Sie jetzt mit mir
diskutieren wollen, ist das auch in Ordnung .
Ich antworte Frau Kollegin Dörner gerne auf ihre Frage . - Frau Kollegin Dörner, es gibt eine EU-Verordnung,
die wir umsetzen . Im Rahmen dieser Vorlage ist die klinische Prüfung mit Nichteinwilligungsfähigen ein Thema .
Deswegen ist das in unserem Gesetzentwurf enthalten .
Nächste Frage, Maria Klein-Schmeink .
Ich habe eine Nachfrage zur letzten Antwort . Inwiefern haben Sie den Gestaltungsspielraum, den die EU in
dieser Frage durchaus lässt, genutzt, und warum haben
Sie die Variante gewählt, eine Ausweitung in Richtung
gruppennütziger Forschung vorzuschlagen?
Frau Kollegin, ich möchte noch einmal sehr deutlich
feststellen, dass auf Druck Deutschlands in der damaligen Verhandlungsrunde der Ratsarbeitsgruppe überhaupt
eine nationale Abweichungsregel in die EU-Verordnung
aufgenommen wurde . Das war unser persönliches Anliegen, weil wir wissen, dass wir Vorgaben des Bundestages
haben und diese nicht aufweichen wollen . Danach bleiben strengere nationale Regelungen in den Mitgliedstaaten davon unberührt . Diese können wir durchsetzen, und
das werden wir auch tun .
Wir haben in den Beratungen festgestellt, dass wir
volle Unterstützung lediglich von Österreich bekommen
haben und dass alle anderen Mitgliedstaaten die Ermöglichung gruppennütziger klinischer Prüfungen mit nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen wollten . Uns war
wichtig, an der Stelle noch einmal deutlich zu machen,
dass wir an dem Prinzip festhalten, dass mit nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen nicht geforscht werden
kann . Uns geht es darum, die Möglichkeit zu schaffen,
dass im Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden können, von
denen andere Menschen und vor allen Dingen die gruppennützige Forschung profitieren.
Corinna Rüffer .
War die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen bei Ihren Konsultationen
und Beratungen einbezogen? Gab es von ihrer Seite oder
vonseiten ihres Beraterstabes eine Stellungnahme?
Wie im normalen parlamentarischen Verfahren üblich,
bekommen alle beteiligten Ressorts die Vorlagen . Entsprechende Rückmeldungen fließen in die Beratungen
ein .
Hubert Hüppe .
Frau Staatssekretärin, ich hätte die Frage doch gern
genauer beantwortet bekommen . Es gab ja einen Referentenentwurf, der die fremdnützige Forschung an Nichteinwilligungsfähigen entsprechend dem Beschluss des
Bundestags aus dem Jahr 2013 nicht vorsah . Auf welche
Veranlassung hin ist diese umstrittene Passage dann doch
in den Referentenentwurf hineingekommen, um dem Kabinett vorgelegt zu werden?
Herr Kollege Hüppe, es gab natürlich die ersten Beratungen, wie es in einem parlamentarischen Verfahren
üblich ist . Uns ist gerade vonseiten der Wissenschaft und
anderer Vereinigungen und Verbände deutlich gemacht
worden, dass wir diese Forschung brauchen . Ich möchte
daran erinnern, dass gerade im Bereich der demenziell
erkrankten Menschen deutlich wurde, dass sich alle Forschungsergebnisse, die wir haben, auf das Frühstadium
der Erkrankung beziehen und nicht auf das Ende . Hier
besteht Forschungsbedarf; das ist sehr deutlich signalisiert worden . Deswegen haben wir diese Vorgaben aufgenommen .
Frau Fischbach, wir kommen jetzt zur Frage 5 der
Kollegin Kordula Schulz-Asche:
Welche klinischen Studien konnten aufgrund der derzeitigen Rechtslage, die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen verbietet, nicht durchgeführt
werden?
Frau Kollegin, gern antworte ich Ihnen auf Ihre Frage:
Die Verordnung findet noch keine Anwendung. Konkrete
Forschungsvorhaben in Europa konnten daher noch nicht
durchgeführt und deshalb auch noch nicht benannt werden .
Frau Schulz-Asche .
Frau Staatssekretärin Fischbach, der Kollege Hüppe
hat eben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Deutsche
Bundestag im Jahr 2013 fast einstimmig einem Antrag
zugestimmt hat, der die heute geltende Regelung enthält,
dass nur bei eigennützigen Studien nichteinwilligungsfähige Personen einbezogen werden dürfen, dass hier also
ganz strenge Vorgaben gemacht werden . Deswegen frage ich Sie: Welche Studien konnten nicht durchgeführt
werden, weil nichteinwilligungsfähige Personen ohne
Eigennutz nicht teilnehmen durften? Gibt es konkrete
Beispiele, welche Forschungseinrichtungen im Bereich
der Demenz bestimmte Studien nicht durchführen konnten, die es nun notwendig machen, dass sich die Bundesregierung bzw . die sie tragenden Fraktionen von dem
gemeinsamen Beschluss aus dem Jahre 2013 verabschieden, noch dazu in einem sehr kurzen und fragwürdigen
Verfahren?
Frau Kollegin, ich hatte gerade deutlich gemacht, dass
die EU-Verordnung noch keine Anwendung findet. Insofern sind auch keine Anträge auf Studien eingegangen .
Wie Sie sich vorstellen können, werden, wenn der rechtliche Rahmen noch gar nicht gegeben ist, auch keine entsprechenden Anträge gestellt .
Frau Schulz-Asche .
Wir können gerne auf dem Niveau weiterdiskutieren .
Aber wir wissen, dass es Anfragen vonseiten der Forschung gegeben hat, sich nicht mehr an die Regelungen
zu halten, die vom Bundestag im Jahr 2013 beschlossen
wurden . Dafür muss es ja Anlässe geben . Deswegen frage ich Sie noch einmal konkret: Welche Studien sind von
der Wissenschaft benannt worden, die aufgrund der jetziParl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach
gen Rechtslage nicht durchgeführt werden konnten, was
die Bundesregierung jetzt veranlasst, sehr kurzfristig und
in einer die parlamentarischen Rechte sehr einschränkenden Art und Weise Änderungen vorzunehmen?
Frau Kollegin, ich denke, uns geht es um den Schutz
Nichteinwilligungsfähiger . Da sind wir auf einer Linie .
Deswegen bitte ich Sie, die Fragen vernünftig miteinander zu diskutieren .
Ich gebe Ihnen gerne Antwort . Uns wurde im Rahmen
des Gesetzgebungsvorhabens in vielen Gesprächen gerade vonseiten des KKS-Netzwerks und des Arbeitskreises
Medizinischer Ethik-Kommissionen, in dem 50 der 52
landesrechtlich gebildeten öffentlich-rechtlichen Ethikkommissionen in Deutschland Mitglied sind, deutlich gemacht: Wir brauchen Forschung im Bereich demenziell
Erkrankter gerade im Spätstadium . Hier reichen uns die
Studien, die wir haben, nicht; denn sie beziehen sich alle
auf den Anfang des Verlaufs . Wir haben festgestellt, dass
wir zum Beispiel aufgrund der Veränderung der Verstoffwechselung im Körper der Menschen neue Studien brauchen . Deswegen haben wir den Wunsch des KKS und des
Arbeitskreises aufgenommen .
Danke schön . - Frau Kollegin Dörner .
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin . - Sie haben selber ausgeführt, dass es die Bundesregierung war, die sich
auf EU-Ebene dafür eingesetzt hat, dass es überhaupt
Ausnahmeregelungen geben soll, und den Auftrag des
Bundestages an die Bundesregierung in der Frage selbst
genannt . Ich schließe daraus, dass Sie den Beschluss des
Bundestages aus dem Jahr 2013 zu dem Sachverhalt meinen . Deshalb meine Frage: Warum setzen Sie jetzt den
Beschluss des Bundestages von 2013 nicht vollständig
um und nutzen damit die Spielräume auf EU-Ebene, die
Sie angeblich als Bundesregierung erst ermöglicht haben?
Frau Kollegin, ich möchte deutlich machen: Das haben wir nicht angeblich getan, sondern mit vollem Nachdruck getan, weil bei uns wie bei Ihnen - hier lasse ich
keine andere Deutung zu - der Schutz Nichteinwilligungsfähiger oberste Priorität hat . Deswegen wird sich
an der Gesetzeslage und an der bisherigen Position nichts
ändern, dass die gruppennützige Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen grundsätzlich verboten
ist . Daran ändert sich nichts .
Wir wollen eine Ausnahme unter ganz engen Voraussetzungen möglich machen; das sollte auch in Ihrem Sinne sein . Ich glaube, wir sollten nicht nur an uns selber
denken, sondern haben auch der Allgemeinheit gegenüber eine Verantwortung . Altruismus steht nicht nur auf
dem Papier . Deswegen haben wir gesagt: Unter ganz engen Voraussetzungen dürfen Menschen, die im Vollbesitz
ihrer geistigen Fähigkeiten sind - wir reden nicht über
Nichteinwilligungsfähige, sondern über Menschen, die
im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten sind -, für sich
eine Entscheidung treffen, was passieren könnte, wenn
sie im Alter an Demenz erkranken . Ich denke, das ist eine
Möglichkeit, die im Rahmen unseres Grundgesetzes vertretbar ist .
Hubert Hüppe .
Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade gesagt, dass
das KKS offensichtlich die einzige Institution ist, die
eine solche Möglichkeit fordert . Das KKS konnte auf
meine Anfrage hin keine einzige Studie aus dem Ausland
vorlegen - dort, wo es schon seit vielen Jahren erlaubt
ist, eine solche Forschung zu betreiben -, bei der die
Möglichkeit genutzt wurde, fremdnützige Forschung an
Nichteinwilligungsfähigen zu betreiben, und die irgendeinen Nutzen für irgendeinen Patienten gehabt hat . Wie
können Sie sich das erklären?
Herr Kollege, da liegen Ihnen andere Unterlagen vor
als uns . Das KKS-Netzwerk hat noch einmal recherchiert
und zum Beispiel auf eine Prüfung hingewiesen, die im
Juni 2007 in den USA durchgeführt wurde . Das war eine
Prüfung, bei der gemeinnützige klinische Forschung an
nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen durchgeführt
wurde . Parallel wurde an Erwachsenen geforscht, die
einwilligungsfähig waren . Das ist eine Studie, die in den
USA durchgeführt wurde, und sie ist uns auch vom KKS
genannt worden .
({0})
Frau Kollegin Klein-Schmeink .
Ich möchte einen ergänzenden Sachverhalt ansprechen . Die Bundesregierung plant, dass für die Genehmigung klinischer Studien eine positive Stellungnahme der
zuständigen unabhängigen Ethikkommission zukünftig
nicht mehr zwingend erforderlich sein soll . Da stellt sich
die Frage, ob damit nicht die Unabhängigkeit der Ethikkommission ausgehebelt wird und Sie gleichzeitig in die
Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen des Bewertungsverfahrens eingreifen .
Ich muss feststellen, Frau Kollegin, dass wir formuliert haben, dass die Stellungnahme der Ethikkommission eine maßgebliche Berücksichtigung finden muss. Wir
haben aufgrund der EU-Verordnung das Problem, dass
wir eine Stellungnahme abgeben müssen . Wir haben die
Voraussetzungen dafür geschaffen . Ich sage noch einmal: Die Stellungnahmen der Ethikkommission müssen
„maßgeblich berücksichtigt“ werden - das ist ein Fachbegriff, den alle Experten entsprechend anwenden .
Herr Kollege Rudolf Henke, bitte .
Frau Staatssekretärin, es ist jetzt mehrfach auf den Beschluss verwiesen worden, den der Deutsche Bundestag
in der 17 . Legislaturperiode auf Antrag der Fraktionen
von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen,
Drucksache 17/12183, gefasst hat . Ist es auch nach Ihrer
Auffassung so, dass sich dieser Text auf den damals in
den EU-Verhandlungen befindlichen Vorschlag für eine
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
bezog und auf die Frage, wie die Bundesregierung Einfluss auf diese Beratungen nehmen sollte, nicht dagegen
auf ein vom Deutschen Bundestag zu beschließendes Gesetz?
Herr Kollege, ich danke Ihnen sehr für die Frage . Ich
kann Ihre Ausführungen nur bestätigen . Ich war seinerzeit selber im Parlament und habe den Auftrag an der
Stelle genau so verstanden . Ich schließe mich also der
von Ihnen ausgeführten Bewertung an .
Frau Kollegin Fischbach, jetzt kommen wir zur Frage 6 der Kollegin Dörner:
Wie viele bedeutsame klinische Studien zur Demenz wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im außereuropäischen
Ausland ausschließlich an Nichteinwilligungsfähigen bisher
durchgeführt?
Frau Kollegin Dörner, der Bundesregierung liegen
hierzu keine Erkenntnisse vor . Auch eine Auswertung
der amerikanischen Datenbank zu klinischen Studien, bei
der es sich um eine Sammlung freiwilliger Dateneinträge
handelt, ermöglicht nur eine Suche nach Studien mit Erwachsenen . Eine Einschränkung auf Nichteinwilligungsfähige ist in dieser Datenbank nicht möglich .
Frau Dörner, bitte .
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin . - Ich würde meine Frage gerne ausweiten, und zwar mit Blick auf die
Fremdnützigkeit: Wie viele bedeutsame klinische Studien zur Demenz an Nichteinwilligungsfähigen, die ausschließlich fremdnützig sind, wurden bisher im außereuropäischen Ausland durchgeführt?
Auch dazu habe ich gerade schon etwas gesagt: Wir
können dazu keine Aussagen machen, weil es in dem Bereich keine Statistik gibt .
Ich möchte noch einmal deutlich machen, Frau Kollegin Dörner, dass es nicht um fremdnützige Forschung
geht . Es geht um gruppennützige Forschung . Es ist schon
etwas anderes, ob man die Zustimmung gibt, der Forschung in irgendeinem Bereich zur Verfügung zu stehen,
oder ob man selber einer Gruppe von Betroffenen zugehört, deren Krankheit erforscht werden soll, und dann
im altruistischen Sinne sagt: Ich habe zwar im Moment
vielleicht keinen Eigennutzen, aber die nachfolgende Generation kann daraus einen Nutzen ziehen . - Deswegen
unterscheiden wir schon zwischen fremd- und gruppennütziger Forschung .
Frau Kollegin Dörner? - Gut, dann Herr Hüppe .
Frau Staatssekretärin, zu der von Ihnen eben genannten Studie aus dem Jahr 2007: Ist Ihnen bekannt, dass an
dieser Studie sowohl einwilligungsfähige wie nichteinwilligungsfähige Patienten teilgenommen haben, die in
randomisierte Gruppen aufgeteilt wurden, was nach Artikel 31 EU-Verordnung auch zukünftig in Europa nicht
zulässig wäre, und dass damit dem Subsidiaritätsgedanken widersprochen wird, dass, wo Forschung mit Einwilligungsfähigen stattfinden kann, dies nicht mit Nichteinwilligungsfähigen stattfinden darf?
Herr Kollege, Sie haben bei meiner Antwort nicht
deutlich genug zugehört .
({0})
Ich habe sehr wohl gesagt, dass die Studie mit Nichteinwilligungsfähigen, aber auch mit Einwilligungsfähigen
durchgeführt wurde; das können Sie nachlesen . Sie haben nach Studien gefragt, und ich habe Ihnen das Studienmodell sowie beide beteiligten Gruppen genannt .
Frau Kordula Schulz-Asche .
Frau Staatssekretärin, wir erleben, dass die Bundesregierung seit Wochen über dieses Thema diskutiert und
immer wieder neue Vorschläge auf den Tisch kommen .
Wir reden hier über Studien, die mit Menschen durchgeführt werden sollen, die selber nicht mehr einwilligungsfähig sind und wahrscheinlich auch keinen Eigennutzen aus dieser Studie ziehen können . Ich gehe davon
aus, dass die verschiedenen Vorschläge, die sowohl aus
SPD-Fraktion und CDU/CSU-Fraktion als auch von
der Regierung gekommen sind, von der Justizabteilung
Ihres Ministeriums geprüft und entsprechend bewertet
wurden . Deswegen würde ich Sie bitten, uns die verschiedenen Varianten kurz vorzustellen und zu erläutern,
welche Empfehlungen Ihr Ministerium in Bezug auf die
verschiedenen Vorschläge ausspricht .
Frau Kollegin, da die Beratungen in beiden Fraktionen noch andauern und unterschiedliche Vorlagen auf
dem Tisch liegen, ist es mir im Moment nicht möglich,
zu bewerten, was zum Beispiel in der SPD-Fraktion beraten wurde .
({0})
Ich kann Ihnen nur für unser Haus sagen, dass wir
sehr strenge Vorgaben haben und all die Vorschläge, die
aus den Fraktionen kommen - jetzt ist das Parlament am
Zuge -, aufnehmen werden . Wir warten auf die Rückmeldung und werden dementsprechend reagieren .
Die Fragestellerin hat die Möglichkeit, zwei Fragen zu
stellen . - Frau Dörner .
Ich möchte anschließen an die Antwort, die Sie auf die
Frage von Herrn Henke gegeben haben . Ich muss sagen:
Ich wundere mich ein bisschen . Herr Henke hat ausgeführt, dass sich der Beschluss des Bundestages aus dem
Jahr 2013 auf die auf EU-Ebene getroffene Beschlussfassung bezogen hat . Würden Sie mir darin zustimmen,
dass es ziemlich unsinnig ist, eine Regelung auf EU-Ebene festzuschreiben, die einen sehr umfassenden Schutz
ermöglicht, das aber dann im nationalen Parlament nicht
umzusetzen?
Die Beschlüsse des Parlaments kann ich nicht bewerten, und ich will es auch nicht tun . Das Parlament hat
damals stark mehrheitlich über die Beschlussvorlage
entschieden . Ich möchte diesen Beschluss nicht bewerten .
Vielen Dank . - Herr Henke .
Frau Staatssekretärin, ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie auf eine Bewertung der Meinungsbildung
des Parlaments verzichten wollen, aber würden Sie mir
trotzdem zustimmen, dass folgender Gedanke logisch
ist: Um andere Staaten davon zu überzeugen, dass sie
Deutschland den Freiraum strengerer Regelungen einräumen sollten, musste es gelingen, ihnen klarzumachen,
dass sie auch Regelungen, die sie selbst nicht so streng
treffen wollten, möglich machen müssten . Glauben Sie
nicht, dass das eine vernünftige Haltung gegenüber der
Europäischen Kommission ist, um sie für unterschiedliche nationale Regelungen zu gewinnen, ohne dass eine
Zustimmung zu einer solchen Freiheit in den einzelnen
Staaten automatisch dazu führt, dass man eine nationale
Regelung determiniert?
Als Parlamentarierin, die damals zugestimmt hat,
kann ich Ihnen nur voll zustimmen . Ansonsten beziehe
ich mich auf meine gerade gegebene Antwort: Das Ministerium wird parlamentarische Entscheidungen nicht
bewerten .
Vielen Dank . - Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale
Infrastruktur .
Die Frage 7 der Abgeordneten Bärbel Höhn wird
schriftlich beantwortet .
Die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Stephan Kühn
muss Herr Barthle nicht beantworten, weil der Fragesteller nicht anwesend ist . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Herbert
Behrens werden schriftlich beantwortet .
Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Tabea Rößner
werden schriftlich beantwortet, da die Kollegin nicht anwesend ist . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Matthias Gastel
auf:
Unterstützt die Bundesregierung die Inbetriebnahme der
Neubaustrecke Wendlingen-Ulm unmittelbar nach deren Fertigstellung über die eingleisige Güterzugkurve vom und ins
Neckartal unabhängig vom möglicherweise verschobenen
Fertigstellungstermin von Stuttgart 21, um den Fahrgästen
eine deutliche Fahrzeitreduzierung zu ermöglichen?
Herr Barthle, Sie sind dran .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Gastel,
es ist nach Aussage des Vorhabenträgers DB AG davon
auszugehen, dass das Projekt Stuttgart 21 gemeinsam mit
der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm 2021 in Betrieb gehen kann . Das hat im Übrigen der Vorstandsvorsitzende
der DB AG, Dr . Grube, heute früh im Verkehrsausschuss
nochmals bestätigt .
Danke schön, Herr Staatssekretär . - Herr Gastel .
Herr Barthle, ich gehe davon aus, dass auch im Bundesverkehrsministerium Zeitung gelesen wird und NachKordula Schulz-Asche
richten geschaut werden und deswegen wahrgenommen
wurde, dass die Deutsche Bahn gesagt hat, dass es gut
sein kann, dass das Projekt Stuttgart 21, also der Tiefbahnhof, erst im Jahr 2023 fertig wird . Gleichzeitig ist
zu lesen, dass der Bau der Neubaustrecke WendlingenUlm zügig voranschreitet . Insoweit ist es nicht allzu
wahrscheinlich, dass sich die formulierte Hoffnung erfüllt . Es stellt sich die Frage, ob Sie es riskieren wollen,
dass Fahrzeitverkürzungen, die auf der Strecke zwischen
Stuttgart und Ulm oder zwischen Mannheim und München möglich sind und von denen die Fahrgäste profitieren würden, nicht realisiert werden, weil man beides
gleichzeitig in Betrieb nehmen möchte . Deswegen noch
einmal die Frage: Wenn es so kommt, wie es sich abzeichnet, dass also beide Projekte nicht gleichzeitig fertig
werden, sondern die Neubaustrecke ein, zwei oder mehr
Jahre vorher fertig wird, werden Sie dann dafür sorgen,
dass die Neubaustrecke in Betrieb geht und die Fahrgäste
von kürzeren Fahrzeiten auf den genannten Relationen
profitieren?
Herr Kollege Gastel, die Bundesregierung geht nach
wie vor davon aus, dass die Aussagen des Vorhabenträgers DB AG ernst zu nehmen sind . Die DB AG sagt, dass
sie sich unter eventueller Nutzung von Beschleunigungsmaßnahmen in der Lage sieht, die Strecke WendlingenUlm gemeinsam mit dem Bahnhof Stuttgart 21 in Betrieb zu nehmen . Sollte sich das anders erweisen, müsste
das bei der nächsten Aufsichtsratssitzung im September
beschlossen werden . Diese Aufsichtsratssitzung müssen
wir abwarten .
Herr Gastel, bitte .
Wenn Sie trotz aller anderen Aussagen der Deutschen
Bahn zum Baufortschritt bezüglich Stuttgart 21 immer
noch davon ausgehen, dass beide Projekte gleichzeitig
fertig werden, drängt sich die Vermutung auf, dass die
Baugeschwindigkeit für die Neubaustrecke WendlingenUlm so weit verlangsamt wird, dass sich deren Fertigstellung der Fertigstellung von Stuttgart 21 angleicht .
Können Sie ausschließen, dass das Bautempo für die
Neubaustrecke künstlich verlangsamt wird, damit die
Neubaustrecke gleichzeitig fertig wird?
Andernfalls, also wenn die Neubaustrecke zügig weitergebaut, aber nicht in Betrieb genommen wird, müsste
die Strecke belüftet werden . Das würde bedeuten, dass
leere Züge täglich mehrmals durch diese Tunnelanlage
fahren müssten, damit nichts rostet und nichts schimmelt .
Das genau ist die Situation an der Zufahrt zum BER, also
an der Zufahrt zum Bahnhof unter dem geplanten Flughafen . Es müssen Züge durch diesen Tunnel fahren, nur
um ihn zu belüften; Fahrgäste profitieren davon nicht.
Können Sie eine Verlangsamung des Bautempos oder
eine Belüftung der Tunnelanlage durch das Fahren leerer
Züge ausschließen?
Herr Kollege Gastel, die Bundesregierung nimmt zunächst einmal erfreut zur Kenntnis, dass die Bauvorhaben an der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm im Zeitplan
liegen . Da geht es sehr gut voran . Ein großer Teil der
Tunnelbauwerke ist bereits vollendet . Insofern ist es eine
sehr erfreuliche Erkenntnis, dass auch so große Projekte
innerhalb des Zeitrahmens realisiert werden können .
Darüber hinaus macht sich die Bundesregierung eher
die Auffassung des Vorstandsvorsitzenden der Bahn zu
eigen, der sagt, es sei falsch, von einer Verlangsamung
zu reden, im Gegenteil sei es wichtig, dass man auch bei
Stuttgart 21 den Druck auf die Projektträger aufrechterhalte und dafür sorge, dass dort eine Beschleunigung
stattfindet.
Vielen Dank, Herr Barthle . - Dann kommen wir zu
Frage 15 des Kollegen Matthias Gastel:
Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass der bundeseigene Konzern Deutsche Bahn AG durch etwaige zusätzliche
Baukosten beim Projekt Stuttgart 21 und hierdurch erforderliche investive Eigenmittel keinen höheren Schuldenstand
erreicht und keine Einsparungen bei notwendigen Investitionen für die Instandhaltung der Schienenwege des Bundes
vornimmt?
Die Antwort lautet: Der Bund nimmt seine Kontrollaufgaben über den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG
wahr .
Herr Gastel .
Es überrascht mich jetzt, dass sich das auch so kurz
ausdrücken lässt .
({0})
Aber das ist trotzdem noch immer keine wirkliche Antwort . Denn der Deutschen Bahn steht das Wasser bis zum
Hals - unter anderem wegen des Projekts Stuttgart 21,
das Sie als Bund der Deutschen Bahn aufs Auge gedrückt
haben, obwohl es die Bahn gar nicht wollte . Jetzt wird es
immer teurer . Die Projektpartner beharren darauf, dass
sie ihren gedeckelten Beitrag zugesagt haben und dass
sie sich nicht an den steigenden Kosten beteiligen .
Es ist das Unternehmen des Bundes, der auf den Bau
dieses Projektes gedrängt hat, der aber auch für andere
schwierige wirtschaftliche Einflüsse beim Bahnkonzern
Mitverantwortung trägt . Deswegen ist die Frage: Wie gehen Sie damit um? Werden Sie beispielsweise als Bund
akzeptieren, dass die Deutsche Bahn die Dividende nicht
in der Höhe in den nächsten Jahren wird bezahlen können, wie Sie sie im Haushaltsplan eingestellt haben, weil
das die wirtschaftliche Lage der DB unter anderem wegen Stuttgart 21 kaum mehr zulässt?
Herr Kollege Gastel, Sie wissen so gut wie ich, dass
der Bund nicht Projektbeteiligter bei Stuttgart 21 ist .
Deshalb halten wir uns an das, was wir bezüglich der
Kostenübernahmen vereinbart haben . Wie die Kostensteigerungen aufgeteilt werden, müssen die Projektträger
verabreden .
Die Bundesregierung hat einen Festbetrag zugesagt,
an dem wir auch festhalten wollen . Alles Weitere entscheidet der Vorstand der DB AG . Deshalb gehen wir
davon aus, dass auch die übrigen von der DB AG zu erbringenden Leistungen, die durch die LuFV bzw . durch
die LuFV II festgelegt sind, entsprechend eingehalten
werden . Deshalb halte ich Ihre Vermutungen zunächst
einmal für Vermutungen, zu denen ich keine Stellungnahme abgebe .
Herr Kollege Gastel .
Also noch einmal: Die wirtschaftliche Lage des
DB Konzerns ist extrem schwierig . Es handelt sich um
ein Bundesunternehmen . Da können Sie nicht einfach sagen, die sollten sich selbst mal darum kümmern . Wenn
ein Unternehmen seine Dividende mangels Gewinnen
nicht mehr zahlen kann, muss sich natürlich auch der
Bund als Eigentümer, der auch für den Haushalt des
Bundes und damit für die Einnahmen verantwortlich ist,
damit auseinandersetzen: Wie verhält er sich? Erwartet er
die Dividende oder nicht?
Ich versuche es jetzt anders . Die Deutsche Bahn steht
auch wegen des schwierigen Marktes in den Bereichen
Schienengüterverkehr, Regionalverkehr, Fernverkehr
usw . massiv unter Druck . Die Gewinne schmelzen auch
deswegen, aber auch wegen Stuttgart 21 . Das habe ich
schon ausgeführt . Inwieweit wird die Bundesregierung
dafür sorgen, dass sich die wirtschaftliche Situation des
Systems Schiene insgesamt, aber auch der Deutschen
Bahn ganz konkret verbessert, sodass wieder mehr Güter und Personen auf der Schiene unterwegs sind, damit
sich die wirtschaftliche Lage insgesamt wieder verbessert?
Herr Kollege Gastel, Sie waren heute früh dabei,
als der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG,
Dr . Grube, ausführlich dargelegt hat, wie sich die Finanzsituation der Deutschen Bahn darstellt . Er hat auch die
verschiedenen Faktoren genannt, auf die Ertragsminderungen zurückzuführen sind .
Meiner Erinnerung nach ist dabei Stuttgart 21 nicht
thematisiert und nicht als einer der Faktoren genannt
worden, die für weniger Erträge bei der Bahn verantwortlich sind . Die Bahn ist dabei, ein Konzept zu entwickeln,
wie die Ertragslage wieder verbessert werden kann . Ich
gehe aber nicht davon aus, dass das im direkten Zusammenhang mit Stuttgart 21 steht .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Barthle . - Die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Sabine Leidig und die
Frage 18 des Kollegen Dr . André Hahn werden schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit .
Die Frage 19 des Abgeordneten Dr . André Hahn und
die Frage 20 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet . Die Fragen 21 und 22 des
Abgeordneten Christian Kühn ({0}), die Fragen 23
und 24 der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden sowie die
Frage 25 des Abgeordneten Oliver Krischer werden allesamt schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . Zur Beantwortung begrüße ich Hans-Joachim
Fuchtel .
Die Frage 26 des Abgeordneten Niema Movassat wird
schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
auf:
Welche Maßnahmen wurden von deutscher Seite im Projektvorschlag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ({1}) GmbH, der im Rahmen des „EU
Trust Fund for Migration“ zur Unterstützung von libyschen
Kommunen auf der Migrationsroute eingebracht wurde, vorgeschlagen ({2}), und mit welchen einheimischen Partnerorganisationen und -institutionen sollen die
Projekte umgesetzt werden?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Herr Kollege, der Vorschlag befindet sich derzeit noch
in der Ausarbeitung und soll voraussichtlich im Oktober 2016 beim EU Trust Fund for Migration eingereicht
werden . Soweit man schon jetzt Konturen andeuten
kann, kann ich sagen: Es geht darum, dass die Träger vor
allem die libyschen Kommunen sein werden, die auf der
Migrationsroute von Flüchtlingen aus Subsahara-Afrika
liegen und bei der Aufnahme von Migranten unterstützt
werden sollen .
Herr Kekeritz .
Danke schön . - Herr Staatssekretär, wir haben ja
schon eine lange Beziehung zu Libyen . Insbesondere erinnere ich mich an die Beziehungen zu Libyen noch zu
Gaddafis Zeiten. Damals hat die EU in Zusammenarbeit
mit Gaddafi dafür gesorgt, dass Auffanglager errichtet
worden sind . Meine Frage ist: Ist geplant, zusammen mit
den libyschen Kommunen entlang der Flüchtlingsroute
Gefängnisse, Lager und dergleichen zu errichten, und
wenn ja, wie stellen Sie sicher, dass dort die menschenrechtlichen Aspekte berücksichtigt werden? Inwieweit ist
das überhaupt mit Entwicklungspolitik vereinbar?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich habe vermutet, worauf Sie hinauswollen, und kann
Ihnen dazu folgende Antwort geben: Eine Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden bzw . eine Lieferung
von Ausrüstungsgegenständen für Grenzüberwachung
oder Fortbildungsmaßnahmen für Sicherheitskräfte sind
nicht vorgesehen . Damit verdünnt sich schon sehr stark
Ihre Vermutung .
Herr Kekeritz .
Wir können dann zur nächsten Frage kommen . Das
reicht mir .
Einen Moment .
Ich verzichte auf die Nachfrage .
Ja, aber Kollege Ströbele hat noch eine Nachfrage .
Entschuldigung .
Danke . - Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung
bekannt, dass auf diesen Migrationsrouten, wenn man
das einmal beschönigend so benennen will, sowohl in
Libyen selber als auch vor Libyen von Kommunen und
von verschiedenen libyschen Gruppierungen schon heute
von den Flüchtlingen Gelder in Höhe von vielen Hundert
Dollar pro Flüchtling erpresst werden, dass sie überhaupt
durchgelassen werden? Was macht dann die Unterstützung dieser Kommunen mit Entwicklungshilfegeldern
sinnvoll?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Wir wollen erreichen, Herr Kollege Ströbele, dass
Libyen in Zukunft nicht Durchgangsland wird, sondern
ein Land, wo die Migranten Arbeit finden und sie eine
Destination haben .
Dann kommen wir jetzt zur Frage 28 des Kollegen
Kekeritz:
Wie erklärt die Bundesregierung ihre widersprüchlichen
Antworten zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten
und den westafrikanischen Staaten, der Westafrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaft - ECOWAS - und der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion - UEMOA - ({0}), in denen sie einerseits in der Antwort auf die
schriftliche Frage 106 auf Bundestagsdrucksache 18/8127
vom 11 . April 2016 die verfassungsrechtliche Prüfung des
ECOWAS-WPA durch das Bundesministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz mit dem Ergebnis bestätigte, dass kein
Vertragsgesetz erforderlich sei ({1}) und andererseits in der Fragestunde am
1 . Juni 2016 in ihrer Antwort auf meine mündliche Frage 19
({2}) mitteilte, dass noch keine verfassungsrechtliche Prüfung erfolgt sei, da der offizielle Ratifikationsprozess noch nicht eingeleitet sei und somit noch keine
Entscheidung bezüglich eines Vertragsgesetzes vorliege ({3}), und inwieweit hat nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen und Unterzeichnung
der WPAs die Kooperationsbereitschaft der afrikanischen
Staaten in Migrationsfragen ({4}) eine Rolle gespielt ({5})?
Herr Fuchtel .
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich könnte es jetzt für den Kollegen Kekeritz spannend
machen, der dieser Frage schon sehr lange Aufmerksamkeit zuwendet, oder ich kann gleich zum Ergebnis kommen . Es geht darum, ob der Vertragstext Gegenstand
eines Vertragsgesetzes werden soll und dieses Vertragsgesetz dann auch dem Deutschen Bundestag zur Beratung vorgelegt wird . Der Kollege Kekeritz hat ja darauf
hingewiesen, dass die Prüfungen hier schon etwas länger
andauern und dass sie nicht abgeschlossen worden sind .
Ich darf Ihnen aber jetzt sagen: Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit wird die Bundesregierung den Entwurf für ein Vertragsgesetz vorbereiten .
Herr Kekeritz .
Herr Staatssekretär, Sie glauben es kaum: Die Botschaft hör ich wohl . Aber Sie haben richtig darauf hingewiesen, dass ich mit Ihrem Kollegen, dem Staatssekretär Silberhorn, diese Frage dreimal bearbeitet habe, und
dreimal habe ich unterschiedliche Antworten bekommen .
Es wäre mir sehr recht, wenn dies die finale Antwort ist.
Aber ich bin jetzt etwas irritiert; das ist nämlich die vierte
Antwort . Ist die jetzt rechtsverbindlich, und was kann ich
tun, um die Rechtsverbindlichkeit tatsächlich endgültig
zu überprüfen?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Zunächst einmal habe ich auf die Vorläufigkeit jeder
bisherigen Beurteilung hingewiesen . Ein kluger GesetzUwe Kekeritz
geber prüft auf jeden Fall zunächst einmal gründlich . Das
haben Sie auch akzeptiert; deswegen haben Sie ja dreimal nachgefragt . Ich darf Sie an die Aussage von Konrad
Adenauer erinnern, der einmal gesagt hat: Mich kann niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden . - Wie
Sie dieser Aussage von mir entnehmen können, ist dieser
Fall bei diesem Vorgang hier offensichtlich eingetreten .
Ihre Frage noch .
Ja . - Nur noch einmal zum endgültigen Verständnis das können Sie mit Ja oder Nein beantworten -: Es wird
im Deutschen Bundestag ein Ratifizierungsgesetz bezüglich des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens ECOWAS/EU geben?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl . Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Es hat eine Abstimmung zwischen dem Bundesjustizminister und dem Bundeminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegeben, und da ist dies
vereinbart worden .
Vielen Dank, Herr Fuchtel .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie .
Die Frage 29 des Kollegen Beck ({0}), die Frage 30
der Kollegin Kotting-Uhl, die Frage 31 der Kollegin
Höhn, die Fragen 32 und 33 des Kollegen Ernst, die Frage 34 des Kollegen Krischer und die Fragen 35 und 36
der Kollegin Baerbock werden schriftlich beantwortet .
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts . Kollege Roth ist immer noch da, was uns
freut .
({1})
Die Frage 37 des Kollegen Hunko, die Frage 38 der
Kollegin Dağdelen, die Frage 39 des Kollegen Movassat,
die Fragen 40 und 41 der Kollegin Brantner, die Frage 42
der Kollegin Höger und die Fragen 43 und 44 des Kollegen Nouripour werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Ich begrüße den Parlamentarischen
Staatssekretär Dr . Krings .
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Ströbele auf:
Welche Auskunft gibt die Bundesregierung über Befragungen Inhaftierter im Ausland durch Mitarbeiter deutscher
Nachrichtendienste, nachdem die Gefangenen Murat Kurnaz
in Guantánamo und Mohammed Haydar Zammar in Bagdad
vernommen worden waren, nach dem diesbezüglichen Erlass
des Bundeskanzleramts vom 6 . März 2006 ({2}), und welche Angaben macht
die Bundesregierung über die Zahl von Abbrüchen solcher Befragungen wegen Folterindizien und der Unterrichtungen des
Parlamentarischen Kontrollgremiums über die Befragungen,
die nach dem Erlass im Anschluss des Abschlusses der Befragungen bzw . vierteljährlich erfolgen sollen?
Herr Krings, bitte .
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Mehr sehr verehrten
Damen und Herren! Herr Ströbele, das, was jetzt kommt,
haben Sie sich wahrscheinlich fast schon gedacht: Aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland kann die Beantwortung dieser Frage nicht
offen, sondern nur eingestuft erfolgen . Sie bekommen
die Antwort also, aber nicht in hiesiger offener Sitzung .
Richtig ist natürlich: Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung
gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt . Demgegenüber sind indes nach § 4 Absatz 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, SÜG, im öffentlichen Interesse
geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder
Erkenntnisse entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit einzustufen .
Die Ausführungen zu Ihrer mündlichen Frage sind daher als Verschlusssache gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 2
SÜG bzw . § 3 Nummer 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen sogar mit dem Geheimhaltungsgrad Geheim
eingestuft . Die Angaben sind daher in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehbar .
Sie weisen ja in Ihrer Frage schon darauf hin - wenn
ich das noch ergänzen darf, lieber Herr Ströbele -, dass
es hier um Themen geht, die auch das Parlamentarische
Kontrollgremium beschäftigen . Die Beratungen dieses
Gremiums finden ja bekanntermaßen auch in nichtöffentlicher oder geheimer Sitzung statt . Insofern haben
Sie wahrscheinlich schon damit gerechnet, dass wir diese
Frage in dieser Sitzung nicht beantworten können .
Herr Ströbele .
Herr Staatssekretär, ich rechne bei der Bundesregierung immer mit dem Schlimmsten; aber ganz so habe ich
mir Ihre Antwort doch nicht gedacht . Ich habe ja nach
der Anzahl gefragt . Es geht also um Informationen darüber, wie häufig das geschehen ist. Dann kann man in die
Einzelheiten gehen . Aber erst einmal geht es darum, wie
häufig das Bundesamt für Verfassungsschutz, also der
Inlandsgeheimdienst, und der Bundesnachrichtendienst,
also der Auslandsgeheimdienst, in Foltergefängnissen
wie Guantánamo oder in Damaskus - das sind bekannte Fälle, über die in der Öffentlichkeit diskutiert worden
ist - Befragungen deutscher Staatsbürger oder von Leuten mit Deutschlandbezug durchgeführt haben . Ich sage
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
es einmal ganz vorsichtig: Es wäre eine knifflige Sache,
wenn man in Foltergefängnissen befragt und damit rechnen muss, dass vor der Befragung gefoltert worden ist .
Ich habe natürlich Anlass zu dieser Frage . Sie können
doch wenigstens sagen, ob das fünfmal oder hundertmal
geschehen ist - was weiß ich . Das weiß ich tatsächlich
nicht .
Herr Krings, bitte .
Frau Präsidentin! Lieber Herr Ströbele, dass Sie das
nicht wissen, ist bei dem, was Sie sonst immer von Dingen wissen, die an sich geheimschutzbedürftig sind,
kaum zu glauben .
({0})
Ich habe schon verstanden, was Sie in öffentlicher
Sitzung gerne erfahren und hören wollen . Es geht hier
um Zahlen, um Größenordnungen und um die Frage, ob
es überhaupt dazu gekommen ist, wobei ich den Begriff
„Foltergefängnis“ hier zwar stehen lasse, aber normalerweise gibt es Befragungen in Gefängnissen im Ausland,
die man auch bei böswilliger Art sicherlich nicht mit diesem Begriff belegen kann .
All das, was Sie hier ansprechen und in Erfahrung
bringen wollen, berührt natürlich die Zusammenarbeit
deutscher Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten . Es dürfte nun wirklich nicht neu sein,
dass das hochsicherheitsrelevante Fragen sind . Es steht
gar nicht in unserer Macht . Selbst wenn wir etwas transparenter sein wollten als die Dienste, Parlamente und
Regierungen anderer Länder, würde das die Möglichkeit
der Zusammenarbeit natürlich erheblich beeinträchtigen .
Gerade deshalb gibt es andere Instrumente dafür, zum
Beispiel das Parlamentarische Kontrollgremium, in dem
Sie - das habe ich mir erzählen lassen - einer der eifrigsten Mitstreiter sind . Daneben gibt es die Möglichkeit das haben wir jetzt hier auch angeboten -, Informationen
in der Geheimschutzstelle auszulegen, um das Informationsbedürfnis des Parlaments, das existiert und das wir
sehr ernst nehmen, zu befriedigen . Dieses Informationsbedürfnis war mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland abzuwägen, und diese Abwägung
hat zu dem eben vorgetragenen Ergebnis geführt .
Eine letzte Nachfrage, Herr Ströbele .
Herr Staatssekretär, das überzeugt mich auch deshalb
nicht, weil solche Fragen in öffentlicher Sitzung des
NSA-Untersuchungsausschusses durchaus erörtert werden - auch in Einzelfällen . Sie werden zwar nicht im Detail behandelt - dann geht es in eine geheime Sitzung -,
aber ich frage mich, warum Sie nicht einmal die Zahl
sagen können, damit man sich unter anderem auch im
NSA-Untersuchungsausschuss darauf stützen und damit
argumentieren kann . Das sehe ich nicht ein .
Sind Sie bereit, diese Auffassung der Bundesregierung noch einmal zu überprüfen? Vielleicht machen Sie
sich einmal darüber kundig - ich nehme an, Sie wissen
das nicht -, dass das im NSA-Untersuchungsausschuss
Thema gewesen ist .
Frau Präsidentin, Herr Kollege, ich nehme diesen
Hinweis auf den Untersuchungsausschuss, an dessen Sitzungen ich nicht teilnehme, natürlich ernst, und zwar in
mehrfacher Hinsicht . Zum Ersten zeigt das, dass Sie dort
offenbar auch eine öffentliche Informationsquelle haben,
durch die Sie mehr zu erfahren meinen . Insofern ist die
Dringlichkeit, das hier auch noch zu erörtern, vielleicht
nicht ganz so groß, selbst wenn Sie das nachher öffentlich verwerten wollen . Zum Zweiten werde ich sowohl
prüfen, ob wir hier vielleicht zu streng oder im NSA-Untersuchungsausschuss zu liberal sind, wenn es um öffentliche Informationen geht . In beide Richtungen müssen
wir unser Verhalten noch einmal überprüfen .
Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Zeit für die Fragestunde ist um über zehn Minuten
überzogen . Das war heute eine sehr intensive Frage- und
Antwortrunde . Ich schließe hiermit die Fragestunde . Die
restlichen Fragen fallen nicht weg, sondern werden, wie
vorhin verabredet, schriftlich beantwortet .
Die Sitzung ist unterbrochen und wird um 16 .30 Uhr
wieder eröffnet .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 4 auf:
Vereinbarte Debatte
75. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf
die Sowjetunion
Ich begrüße auf der Ehrentribüne die Botschafter
Russlands, Armeniens und Tadschikistans,
({0})
Vertreter der Botschaften von Belarus und der Ukraine
sowie anderer Botschaften unserer Nachbar- und Partnerländer . Wir freuen uns über Ihr Interesse an dieser
Debatte .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Debatte
erinnern wir an den deutschen Angriffskrieg gegen die
Sowjetunion, einen beispiellosen Vernichtungsfeldzug
im Osten Europas, der in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie wurzelte, an das
unvorstellbare Leid so vieler Russen, Weißrussen und
Ukrainer sowie von Millionen von Soldaten und von
noch mehr Zivilisten, die Opfer nationalsozialistischen
Unrechts geworden sind . Vor allem aber sehen wir heute
unsere Verantwortung, mit all unseren Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass etwas Vergleichbares nie wieder
geschieht .
({1})
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Europas
wurde in der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gemeinsam nach Wegen gesucht, die
eine geregelte friedliche Entwicklung auf unserem Kontinent ermöglichen . Die KSZE-Schlussakte von 1975
schwor einer Konfrontationspolitik ab . Sie war die Lehre
aus einer furchtbaren historischen Gewalterfahrung vor
1945 .
Nach Überwindung der Teilung Europas fanden deren
Leitprinzipien Eingang in die Charta von Paris, darunter Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der
Völker, Unverletzlichkeit der Grenzen, territoriale Integrität der Staaten und friedliche Regelung von Streitfällen .
Mit dieser Charta haben im November 1990 34 Staatsund Regierungschefs innerhalb und außerhalb Europas - darunter die der Bundesrepublik Deutschland und
der Sowjetunion - ihr „unerschütterliches Bekenntnis
zu einer auf Menschenrechten und Grundfreiheiten beruhenden Demokratie, Wohlstand durch wirtschaftliche
Freiheit und soziale Gerechtigkeit und gleiche Sicherheit
für alle unsere Länder“ zum Ausdruck gebracht .
Wenn wir heute an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion erinnern, bekräftigen wir unseren Willen, diesen Lehren einer Geschichte, für die unser Land mehr
Verantwortung trägt als alle anderen, gerecht zu werden
und nie und nirgends zu dulden, dass diese unumstößlichen Prinzipien von Freiheit und Frieden in Europa infrage gestellt werden .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . - Ich stelle fest, dass dazu Einvernehmen
besteht .
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister des Auswärtigen, FrankWalter Steinmeier .
({3})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
den frühen Morgenstunden des 22 . Juni 1941, heute vor
75 Jahren, brach die Hölle los . Millionen deutsche Soldaten, Hunderttausende Fahrzeuge und Pferde, Tausende Panzer, Flugzeuge und Geschütze wurden auf Befehl
Hitlers mit aller Kraft gen Osten geworfen . Über 25 Millionen Menschen in der Sowjetunion, Weißrussen, Ukrainer, Russen und andere, sollten in diesem Angriffskrieg
ihr Leben verlieren . Das Ausmaß des Leidens ist nicht in
Worte zu fassen .
Mir persönlich ist kaum ein Moment der letzten Jahre so tief in Erinnerung, kaum ein Moment inmitten der
vielen aktuellen Turbulenzen hat mich so bewegt wie der
Besuch in der Kriegswüste von Stalingrad vor einem Jahr .
Am 70 . Jahrestag des Kriegsendes stand ich mit meinem
russischen Kollegen Lawrow auf den öden Flächen vor
den Toren der Stadt . Bis zum grauen Horizont reichen die
Kreuze der Kriegsgräber, russische und deutsche darunter; stumm stehen die Kreuze dort, wo unter furchtbaren
Qualen Abertausende Menschen ihr Leben verloren .
Und Stalingrad - das wissen wir - ist nur ein Ort des
Grauens . Was Deutsche in der Sowjetunion angerichtet
haben, dürfen wir niemals vergessen, und genau deshalb
sind wir hier, meine Damen und Herren .
({0})
Wir sind hier, um zu erinnern, und wir sind hier, um
uns im Erinnern der Verantwortung zu vergewissern, die
wir Deutsche für den Frieden auf diesem Kontinent tragen . Denn unserem Land, von dem so viel Unheil ausgegangen ist, ist es über die Jahrzehnte nach dem Krieg
vergönnt gewesen, Schritt um Schritt wieder hineinzuwachsen ins Herz der internationalen Gemeinschaft: zunächst als Bundesrepublik in das Bündnis der westlichen
Demokratien, auch der NATO, dann in das großartige
Friedensprojekt der europäischen Einigung, in die Europäische Union, die morgen bei unseren britischen Freunden vor einer historischen Bewährungsprobe steht, und
schließlich als wiedervereintes Land in eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur, die Ost und West
umfasst und deren Prinzipien über die Schlussakte von
Helsinki in der OSZE verankert sind, deren Vorsitz wir
Deutsche in diesem Jahr innehaben .
Viel Gutes also ist uns in Deutschland und Europa
seit jenen Schreckenszeiten widerfahren, vieles, was es
zu bewahren gilt, vieles, für das wir Deutsche bis heute
dankbar sind: für den Fall der Berliner Mauer, für die
deutsche Einheit als Ergebnis der friedlichen Revolution in der DDR, ermöglicht von den ehemaligen Siegermächten, und für den friedlichen Abzug Hunderttausender russischer Soldaten aus Deutschland .
Und dennoch: Von einem Zeitalter des Friedens sind
wir heute weit entfernt, weiter, leider, als wir jemals seit
dem Ende des Kalten Krieges waren. Blutige Konflikte
toben in Europas Nachbarschaft . Doch auch mitten durch
Europa geht ein tiefer Riss . Mit der Annexion der Krim
und der Destabilisierung der Ostukraine hat sich erstmals
seit dem Ende des Kalten Krieges ein Unterzeichnerstaat der Schlussakte von Helsinki offen gegen eines der
leitenden Prinzipien der europäischen Friedensordnung
gestellt, die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Souveränität eines anderen Staates .
Gerade weil wir unsere historische Verantwortung für
die europäische Friedensordnung ernst nehmen, war es
diese deutsche Bundesregierung, die auf diesen Prinzipienbruch klar und unmissverständlich reagiert hat und die
unsere Partner in diese Reaktion eingebunden hat .
Das Gefühl der Bedrohung, das insbesondere im Baltikum, aber auch in anderen Teilen Ost- und Mitteleuropas entstanden ist, nehmen wir ernst . Ich bin vermutlich
Präsident Dr. Norbert Lammert
in keiner anderen Region in dieser Amtsperiode so häufig
gewesen wie bei den östlichen Partnern in Europa und
dort wiederum in den baltischen Staaten . Dort unterstützen wir nicht nur den Aufbau eines russischsprachigen
Programms im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von
Anfang an waren wir auch bei den Rückversicherungsmaßnahmen der NATO dabei . Wir haben die Wales-Beschlüsse mit vorbereitet und getragen, wir haben Verantwortung in der Umsetzung der Beschlüsse übernommen
und tragen sie jetzt bei der Vorbereitung des Gipfels in
Warschau .
Worauf es ankommt, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ist, dass wir bei all dem nicht aus den Augen verlieren,
dass wir uns im Bündnis spätestens seit dem Harmel-Bericht von 1967 von zwei gleichrangigen Prinzipien haben
leiten lassen: Deterrence and Détente . Oder in Deutsch:
Abschreckung und Entspannung durch Dialog - Grundsätze, die uns später zur NATO-Russland-Akte geführt
haben und die wir gerade jetzt nicht zur Disposition stellen sollten, wie manche es fordern .
({1})
Denn zur Verantwortung für den Frieden auf diesem
Kontinent gehört auch, die richtigen Lehren aus dem blutigen 20 . Jahrhundert zu ziehen . Zu diesen Lehren gehört, sich nicht in einer endlosen Spirale der Eskalation
zu verlieren . Zu diesen Lehren gehört die Bereitschaft,
und zwar auf allen Seiten, immer wieder Auswege aus
der Konfrontation zu suchen, und zu diesen Lehren gehört: so viel Verteidigungsbereitschaft wie nötig, so viel
Dialog und Zusammenarbeit wie möglich . Beide Säulen
müssen stark sein .
({2})
Deshalb sage ich heute ebenso wie in den letzten Jahren: Wenn sich die Sicherheitslage verändert - und das
hat sie -, dann müssen wir unsere militärischen Fähigkeiten anpassen, aber wir dürfen nicht gleichzeitig der Illusion anheimfallen, dass militärische Stärke allein schon
zur Sicherheit führt .
({3})
Es ist vielmehr zugleich unsere Pflicht, die Gesprächsfäden nicht zu kappen, nicht etwa, weil alles fröhlich so
weitergehen soll, als wäre nichts geschehen, sondern
allein schon, um das Risiko von militärischen Missverständnissen zu minimieren, aber noch mehr, um den Prozess der Vertrauensbildung und hoffentlich langfristig
auch Wiederannäherung möglich zu machen .
({4})
Ich gebe zu: All das sind keine neuen Einsichten, sondern diese Prinzipien erwachsen tief aus unserer gemeinsamen Geschichte . Dauerhafte Sicherheit in Europa kann
es nur mit und nicht gegen Russland geben . Seien Sie gewiss, ich sage in Russland genauso: Es kann dauerhafte
Sicherheit für Russland nur mit und nicht gegen Europa
geben .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschichte unserer Völker, Deutsche und Russen, war in den vergangenen Jahrhunderten allzu oft eine Geschichte der Extreme . Wo sich zwischen uns Entfremdung und Feindschaft
breitgemacht haben, da waren die Folgen verheerend für uns selbst, aber auch für andere in Europa . Gerade
deshalb müssen wir verhindern, dass aus den aktuellen
politischen Differenzen und Konflikten, die wir mit der
russischen Regierung haben, eine Entfremdung zwischen
unseren Völkern wird .
Wir dürfen nicht zulassen, dass Vorurteile und Reflexe
aus längst vergangenen Zeiten so auferstehen, als wären sie nie weg gewesen . Auch dazu brauchen wir den
Dialog - nicht um Störendes zu übertünchen oder Widersprüche unter den Teppich zu kehren . Ich glaube, nur
wenn wir vielmehr die Gräben, die uns trennen, auch im
Dialog klar benennen, haben wir die Möglichkeit, sie in
der Zukunft irgendwann zu überwinden . Wir brauchen
den doppelten Dialog: Wir brauchen den Dialog über
Trennendes, und hoffentlich haben wir auch die Möglichkeit des Dialogs über Gemeinsames .
({6})
Auf politischer Ebene nutzen wir gerade in diesem
Jahr die Foren, die Instrumente der OSZE . Aber auch
ganz jenseits von OSZE gilt: Wir brauchen Formen der
Zusammenarbeit mit Russland, um Lösungen für die vielen anderen Konflikte jenseits von Europa zu finden, die
in unserer Nachbarschaft toben, sei es in Syrien, sei es
in Libyen, sei es im Irak . Dass die Zusammenarbeit mit
Russland funktionieren kann, dass sie jedenfalls nicht
aussichtslos ist, das hat uns das Abkommen mit dem Iran
im vergangenen Jahr gezeigt .
Aber neben der politischen Ebene kommt es in diesen
spannungsgeladenen Zeiten, in denen wir sind, aus meiner Sicht umso mehr auf den Draht zwischen den Menschen an, und den müssen wir verstärken . Deshalb habe
ich vor wenigen Tagen mit dem russischen Amtskollegen das Deutsch-Russische Jahr des Jugendaustausches
eingeläutet . Ja, gerade jetzt wollen wir junge Menschen
zueinanderbringen, sozusagen kontrafaktisch zur drohenden Sprachlosigkeit in der Politik .
({7})
Noch eins ist mir gerade am heutigen Tage wichtig:
Gemeinsam mit der russischen Regierung haben wir eine
neue Initiative beschlossen, in der wir die Archivmaterialien über sowjetische und deutsche Kriegsgefangene des
Zweiten Weltkrieges lokalisieren, systematisch erfassen
und digital zugänglich machen . Wir rufen die deutschen
und russischen Fachbehörden, alle Archive, Forscher und
Experten zur Mitarbeit auf . Wir wollen den Nachfahren
ein würdiges Andenken ermöglichen . Wir wollen, kurz
gesagt, den vielen Gefangenen und Verstorbenen schlicht
und einfach ihren Namen zurückgeben .
({8})
Vor einem Jahr, am Abend nach dem Besuch auf den
Schlachtfeldern von Stalingrad, kamen der Kollege Lawrow und ich in die Stadt, die heute Wolgograd heißt .
Auf dem Paradeplatz gaben russische und deutsche Musiker gemeinsam ein Friedenskonzert . Als wir eintrafen,
begrüßten uns Tausende Bürgerinnen und Bürger von
Wolgograd, viele von ihnen Veteranen, alte, stolze Menschen in Uniform, die, die die Hölle von Stalingrad überlebt haben .
Was mich berührt hat: Sie begrüßten den deutschen
Außenminister, den Vertreter des Volkes, das ihnen so
viel Leid über die Stadt und über die Familien gebracht
hat, nicht mit Ablehnung, sondern mit Herzlichkeit, mit
Beifall und mit tränenreichen Umarmungen . Da war kein
Vorwurf, sondern das Signal der Menschen an uns beide
war: Gut, dass ihr zusammen hier seid . Nehmt eure Verantwortung ernst, gerade in dieser Zeit .
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Verantwortung für den Frieden in Europa ist untrennbar verbunden mit der Verantwortung für die deutsch-russischen
Beziehungen . Wir müssen dafür Sorge tragen, dass einer
Geschichte der Extreme nicht eine Zukunft der Extreme
folgt .
({10})
Dies zu verhindern, das ist vor allem Verantwortung derjenigen, die die europäische Friedensordnung durch Verletzung der Souveränität der Ukraine beschädigt haben,
aber es ist auch unsere Verantwortung .
Vielen Dank .
({11})
Nächster Redner ist der Kollege Gregor Gysi für die
Fraktion Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zwei kritische Bemerkungen zum politischen Umgang mit dem 75 . Jahrestag des Überfalls von
Nazideutschland auf die Sowjetunion:
Die erste Anmerkung . Die deutsch-sowjetischen und
danach die deutsch-russischen Beziehungen durchliefen
gute, weniger gute und auch schlechte Phasen . Aber völlig unabhängig davon bleibt diese vertrags- und völkerrechtswidrige Aggression, die 27 Millionen sowjetischer
Opfer zur Folge hatte . Diese Opfer - der größte Teil waren Russinnen und Russen; das Ganze traf aber auch sehr
viele Weißrussinnen und Weißrussen, Ukrainerinnen und
Ukrainer - verlangen einen würdigen Rahmen des Gedenkens .
({0})
Ohne die Linksfraktion hätte es hier auch nicht die vereinbarte Debatte gegeben .
({1})
Unter den 27 Millionen Opfern waren 8,4 Millionen
gefallene Soldaten, 3,3 Millionen in deutscher Kriegsgefangenschaft umgekommene oder ermordete Soldaten und über 15 Millionen sowjetische Zivilistinnen und
Zivilisten, darunter Millionen Jüdinnen und Juden, die
erschossen, ermordet wurden. Auf deutscher Seite fielen
2,7 Millionen Soldaten, und 1,1 Millionen Soldaten kamen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft um; sie starben an Hunger, an Krankheiten . Eine Gedenkveranstaltung des Bundestages wäre angemessen gewesen;
({2})
denn die Opfer eignen sich nun wahrlich nicht für eine
Instrumentalisierung in Abhängigkeit von der Qualität
der deutsch-russischen Beziehungen .
Die zweite Anmerkung . Zum 75 . Jahrestag des Überfalls reist Bundespräsident Gauck durch verschiedene
Länder, nur nicht nach Russland . Ich hoffe, dass bald ein
Besuch des Bundespräsidenten in Russland nachgeholt
wird .
Mit der Weisung Nummer 21 vom 18 . Dezember 1940
befahl Hitler das sogenannte „Unternehmen Barbarossa“, den Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion .
Am 22 . Juni 1941 begann der Krieg, nachdem die Nazis
meinten, in Westeuropa ihre wesentlichen Kriegsziele erreicht zu haben . Der Überfall auf die Sowjetunion und
auf andere osteuropäische Staaten unterschied sich in der
Qualität erheblich von den Überfällen auf die westeuropäischen Staaten . Der Krieg gegen die Sowjetunion war
ein Vernichtungskrieg . Die Vernichtungsziele richteten
sich gegen die sowjetischen Jüdinnen und Juden, gegen
die politischen Kommissare und gegen die, wie es die
Nazis nannten, slawischen Untermenschen . Selbst der
Hungertod der Slawinnen und Slawen wurde geplant und
war beabsichtigt .
Zu den ökonomischen Interessen kamen ein einzigartiger Antisemitismus und Rassismus hinzu . Die Jüdinnen
und Juden mit insgesamt 6 Millionen Opfern und die sowjetischen Völker mit über 27 Millionen Toten, darunter
auch ein großer Teil der genannten Jüdinnen und Juden,
waren die Hauptleidtragenden dieses verbrecherischen,
historisch einzigartigen Krieges, der mit äußerster Brutalität und Grausamkeit geführt wurde .
Man ist heute übrigens immer noch sprachlos angesichts dessen, dass der Überfall der Nazis die Sowjetunion so unvorbereitet traf . Nach dem sogenannten
Hitler-Stalin-Pakt glaubte Stalin sich sicher zu sein, von
den Nazis nicht angegriffen zu werden . Über das „Unternehmen Barbarossa“ - das weiß man inzwischen aus
der historischen Forschung - gab es 267 Meldungen nach
Moskau, darunter auch die des damaligen sowjetischen
Spions Richard Sorge . Aber Stalin glaubte ihm nicht, er
glaubte Hitler . Später war Stalin nicht bereit, Richard
Sorge auszutauschen - wohl nur, weil Sorge recht hatte
und nicht er, und Sorge es auch noch wusste und hätte
verbreiten können .
Nach schweren Verlusten und unermesslichem Leid in
nahezu jeder Familie in Russland und in anderen Völkern
der früheren Sowjetunion und auch nach großem Leid im
deutschen Volk konnte die Wehrmacht letztlich zurückgedrängt und besiegt werden . Die Schlacht bei Stalingrad
mit Abertausenden Toten, auch Hungertoten, führte zur
Wende .
Die Hauptlast des Krieges trugen - auch das ist unumstritten - die Völker der Sowjetunion, wobei die
Leistungen des amerikanischen, des britischen und des
französischen Volkes und der anderen Völker, darunter
gerade auch die des polnischen Volkes, nicht unterschätzt
werden dürfen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutigen Beziehungen des Westens - der USA, der Europäischen Union,
darunter auch Deutschland - zur Russischen Föderation
könnten wahrlich besser sein . Es gab die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland, aber es gab
vorher auch einen völkerrechtswidrigen Krieg der NATO
gegen Jugoslawien, und es gab eine völkerrechtswidrige
Lostrennung des Kosovo . Russland hat sich strikt dagegen gewandt, hatte jedoch keine Chance . Aber Russland
reagierte nicht mit dem Rasseln von Säbeln, sondern hat
im Kosovo bei der Befriedung noch mitgewirkt . Die USA
und die EU reagieren dagegen auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim mit Sanktionen gegen Russland,
die NATO mit der Verlegung von Soldaten nach Osten an
die russische Grenze, mit groß angelegten Militärmanövern gegen Russland .
Was sollen diese Gebärden des Westens? Wenn sich
die Russen eingekreist fühlen, reagieren sie äußerst
nervös . Den für sie überraschenden Überfall durch Hitler-Deutschland haben sie bis heute nicht vergessen .
Bringt das militärische Gebaren der NATO uns dem Frieden und der Sicherheit in Europa nur einen Schritt näher,
hilft das der Ukraine? Nein, im Gegenteil .
({3})
Sie, Herr Außenminister, haben kürzlich gesagt:
Was wir jetzt nicht tun sollten, ist, durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anheizen .
Das ist Ihr Zitat, und Sie haben völlig recht . Nur, weshalb nimmt die Bundeswehr dann an dem Säbelrasseln
teil? Weshalb haben auch Sie als Außenminister dem
Treiben der NATO zuvor zugestimmt? 250 Soldaten der
Bundeswehr werden an die russische Grenze verlegt,
weil sich Nachbarstaaten durch Russland bedroht fühlen .
Was heißt das? Bedeutet das erstens, dass ab jetzt Soldaten entsandt werden wegen eines Gefühls?
({4})
Bedeutet das zweitens, wenn es eine wirkliche Gefahr
gäbe, reichen 250 Soldaten? Die halten nicht einmal einen Tag . Drittens . Meinen Sie, es ist die richtige Symbolik, 75 Jahre nach dem Überfall Hitler-Deutschlands
auf die Sowjetunion deutsche Soldaten an die russische
Grenze zu entsenden?
({5})
Ich finde das völlig falsch.
Wir wissen doch, dass dieses Säbelrasseln nur zu einem neuen Wettrüsten in Europa nach Überwindung des
Kalten Krieges führt, bei dem außer den Rüstungskonzernen niemand gewinnen wird, aber alle in Europa verlieren werden .
({6})
Wir haben morgen die Entscheidung zum Brexit in
Großbritannien . Wenn das negativ ausgehen sollte, was
ich nicht hoffe, dann könnten doch Länder wie Ungarn
und Polen versuchen, zu folgen, dann hätte Ungarn Verluste . Ich könnte mir vorstellen, dass Russland dann bereit ist, die Verluste auszugleichen . Und warum? Weil die
EU gegen Russland Sanktionen beschlossen hat, sehen
die gar keinen Grund mehr, die EU zu stärken . Ganz im
Gegenteil . Es ist doch ganz deutlich zu spüren: Die USA
haben in Bezug auf Russland andere Interessen als die
Europäische Union und Deutschland . Und dieses andere Interesse müssen Sie endlich auch durchsetzen, und
dafür müssen Sie endlich einstehen . Und Sie müssen
endlich begreifen, dass es nichts bringt, militärisch und
wirtschaftlich - hinsichtlich der Sanktionen - den USA
nur hörig zu folgen . Dieser Weg ist falsch .
({7})
75 Jahre nach dem Überfall sollten wir innehalten, der
Opfer des Vernichtungskrieges Deutschlands gedenken
und mindestens folgende Lehre daraus ziehen: Wir haben in Europa nur eine friedliche, sichere Zukunft mit,
nicht ohne Russland und schon gar nicht gegen Russland .
({8})
Jürgen Hardt ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Gäste auf der Ehrentribüne! Als vor 75 Jahren
Hitler-Deutschland über die Sowjetunion herfiel - der
bis heute vielleicht brutalste Feldzug der Weltgeschichte: weit über 3 Millionen Soldaten, 600 000 Fahrzeuge
von der Ostsee bis zu den Karpaten - mit dem Ziel, das
Land vollständig zu unterwerfen, das Land freizuräumen, damit die Hybris vom Volk ohne Raum neuen Platz
bekommt, die Menschen in der Sowjetunion als Arbeitssklaven zu unterwerfen, die politisch Andersdenkenden zu
vernichten, haben wir die vielleicht tiefste und dunkelste
Stunde der deutschen Geschichte erlebt . Deswegen ist es
gut, dass der Deutsche Bundestag 75 Jahre nach diesem
Tag der vielen Opfer, der 27 Millionen Bürger der Sowjetunion gedenkt, die Opfer dieses von Deutschland entfesselten, brutalen Krieges geworden sind . Jedes zweite
Opfer des Zweiten Weltkrieges war ein Bürger der Sowjetunion . Wir können uns 75 Jahre danach vor den Opfern nur verneigen .
({0})
Es war als Überfall geplant, der nach wenigen Wochen
zur Niederwerfung der Sowjetunion führen sollte . Dann
sollte der Blick gewendet werden Richtung England . In
einem dritten Schritt sollte der große Konflikt um die
Weltherrschaft mit Amerika gesucht werden . Welch eine
schaurige Vorstellung, wenn das in irgendeiner Weise in
Erfüllung gegangen wäre! Es ist dem Volk der Sowjetunion zu verdanken, dass es trotz der unsäglichen Opfer
und Entbehrungen, die es auf sich nehmen musste, der
Übermacht der deutschen Wehrmacht und der SS standgehalten hat und dass es es geschafft hat, diesen Angriff
zurückzuwerfen . Die Menschen in der Sowjetunion haben wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland im
Jahre 1945 von der Nazidiktatur befreit wurde . Dafür
danken wir den Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion, die daran mitgewirkt haben . Auch das darf hier
genannt werden .
({1})
Herr Gysi, Sie haben einige Dinge aus der Geschichte
angesprochen und diese sicherlich richtig dargelegt . Allerdings möchte ich Ihnen an einem Punkt massiv widersprechen . Dass Sie das Gedenken an den Überfall auf
die Sowjetunion in Zusammenhang mit NATO-Einsätzen
im ehemaligen Jugoslawien bringen, die zum Ziel hatten, massenweises Ermorden von Menschen und ethnische Säuberungen zu verhindern, finde ich, offen gesagt,
weder der Geschichte noch Ihrem Intellekt angemessen .
Das möchte ich in aller Klarheit zurückweisen .
({2})
Lassen Sie mich den Blick auf die Gegenwart und die
Zukunft lenken . Wir haben leider die Situation, dass die
Völker der ehemaligen Sowjetunion nicht in Frieden und
Eintracht miteinander leben, dass einige im Konflikt zueinander stehen . Das ist anders als bei uns im vereinigten
Europa, wo wir mit unseren Kriegsgegnern ausgesöhnt
sind, wo wir uns vierteljährlich auf der Ebene der Regierungschefs treffen und im Europäischen Parlament,
im Rat und in der Kommission unsere politische Zukunft
gemeinsam gestalten . Wir haben unter den Völkern der
Sowjetunion Konflikte wie zum Beispiel den Konflikt
Russlands mit der Ukraine, den Konflikt Russlands mit
Georgien, den Konflikt Armeniens mit Aserbaidschan.
Über andere Dinge möchte ich hier nicht weiter reden .
Das ist eine Belastung nicht nur für die Menschen im
Osten Europas, sondern auch für Europa insgesamt . Der
Bundesaußenminister hat das richtig ausgeführt: Der
große gemeinsame Bogen aller Europäer ist, dass Konflikte friedlich entschieden werden müssen. Gewaltsame
Grenzverletzungen sind kein Mittel der Politik . Leider hat
Russland - konkret im Fall Ukraine, Krimbesetzung und
Einmischung in der Ostukraine - gegen diesen Grundsatz
verstoßen . Darauf müssen wir angemessen reagieren .
({3})
Es hat am Wochenende missverständliche Äußerungen gegeben, durch die der Eindruck erweckt wurde,
wir hätten in Deutschland oder bei der NATO ein Defizit im Hinblick auf die Bereitschaft, diese Konflikte auf
dem Wege des Dialogs mit Russland zu überwinden . Ich
finde, der Außenminister sollte sein eigenes Licht nicht
unter den Scheffel stellen; denn er ist einer derjenigen,
die maßgeblich den Dialog mit Russland führen, auch
im Namen der NATO und im Namen zahlreicher anderer
Formate, in denen wir uns um die Bewältigung der Konflikte in der Welt bemühen. Ich möchte an dieser Stelle
ausdrücklich sagen, dass die NATO auf Russland zugeht .
({4})
Ich erwähne die Wiederaufnahme der Gespräche im NATO-Russland-Rat und das konkrete Angebot, auch vor
dem Warschauer Gipfel mit Russland zu sprechen . Die
Russen haben jetzt gesagt, sie würden das gerne nach
dem Gipfel machen . Ich sehe es als positives Zeichen,
dass die NATO gesprächsbereit ist und die NATO-Mitgliedstaaten auch in vielen anderen Formaten mit den
Russen im Dialog sind . Insofern sind wir zuversichtlich,
dass der Konflikt letztendlich auf diesem Wege zu lösen
ist .
Dass wir uns auf der anderen Seite rückversichern
müssen, dass wir unseren Partnern Rückendeckung geben müssen, ist auch richtig - wenngleich das Bild des
Säbelrasselns meines Erachtens im Zusammenhang mit
der NATO völlig unangemessen ist .
({5})
Ich habe zuerst gedacht, ich sei vielleicht zu empfindlich.
Aber wenn man im Internet einmal schaut, was Säbelrasseln bedeutet, dann liest man: Es ist aggressives Angriffsgehabe .
({6})
Das ist im Zusammenhang mit der NATO völlig unangemessen . Das Bild des Igels wäre besser . Herr Außenminister, wenn Sie das Bild verwendet hätten, dass sich
die NATO nicht einigeln, sondern gesprächsbereit bleiben soll, dann hätten Sie für diese Äußerungen vielleicht
auch den Beifall der Union bekommen . Aber Sie haben
ja heute einiges dazu gesagt, um die Sache klarzustellen .
Ich glaube, dass wir auf dem Weg fortfahren sollten .
Ich glaube, dass wir die Hand gegenüber Russland und
den Völkern der ehemaligen Sowjetunion ausgestreckt
lassen sollten . Ich glaube, dass uns die Zusammenarbeit
mit Osteuropa in eine gute Zukunft führt und dass der
Deutsche Bundestag mit der heutigen Debatte einen kleinen Beitrag dazu leistet, dass wir die Folgen des Krieges
endgültig überwinden .
Danke schön .
({7})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun
die Kollegin Marieluise Beck das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Gäste! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute an dem
Tag, an dem vor 75 Jahren der Krieg, der ein erklärter
Vernichtungskrieg war, gegen die Sowjetunion begann .
Der Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion war jedoch kein Überfall allein auf Russland, sondern eben auf
den Vielvölkerstaat Sowjetunion . Die 27 Millionen sowjetischen Kriegsopfer stammten aus allen Teilen des sowjetischen Vielvölkerstaates, von der Steppe Zentralasiens
bis in den Fernen Osten . Sie alle schickten ihre Männer
und Frauen zur Verteidigung der Sowjetunion gegen den
deutschen Vernichtungskrieg . Viele - die meisten von ihnen - kehrten nicht zurück . Ihnen allen sind wir unseren
Respekt schuldig .
({0})
Der Zweite Weltkrieg begann jedoch nicht mit dem
Ostfeldzug . Dem hinterhältigen Überfall auf die Sowjetunion ging ein Nichtangriffspakt voraus, den Molotow
und Ribbentrop mit Datum vom 23 . August 1939 in Moskau unterzeichneten . Diesem Abkommen war ein geheimes Zusatzprotokoll angeheftet, in dem die Aufteilung
Mittel- und Osteuropas zwischen dem Deutschen Reich
und der Sowjetunion vereinbart wurde . Das begründet
auch die Empfindlichkeit der „Zwischenländer“, wie
Timothy Snyder sie nennt .
Am 1 . September folgte dann der deutsche Angriff auf
Polen, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert .
Am 17 . September marschierte die Rote Armee von Osten in Polen ein . Damit war Polen von zwei Seiten besetzt, und in beiden Teilen des Landes errichteten die
totalitären Regime eine Schreckensherrschaft mit Hunderttausenden Toten .
Stalin hatte die Belastbarkeit seines Paktes mit Hitler
überschätzt . Herr Gysi hat eben darauf hingewiesen, wie
überrascht Stalin war, als Hitler sich gegen ihn wandte . Der Angriff vom Sommer 1941 traf ihn weitgehend
unvorbereitet und kostete damit vielen sowjetischen
Soldaten das Leben . Die Wehrmacht walzte durch den
sowjetisch gehaltenen Teil Polens, in die Ukraine, nach
Belarus, in das Baltikum und durch Russland bis vor die
Tore Moskaus mit unvorstellbaren Verwüstungen und
Opfern vor allem unter der Zivilbevölkerung .
Die Vernichtung des europäischen Judentums fand
im Zuge dieses Feuersturms durch Osteuropa statt . In
der deutschen Erinnerungskultur steht Auschwitz als
Synonym für diese Vernichtung . Der Historiker Timothy Snyder lehrt uns jedoch, dass der weit größere Teil
der Vernichtung durch Massenerschießungen während
des deutschen Angriffs geschah . Das heißt, SS und
Wehrmacht waren stärker an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung des Ostens beteiligt, als lange wahrgenommen worden ist . Als diese Gräuel des Krieges in
der Wehrmachtsausstellung 1995 gezeigt wurden, gab
es wütende Reaktionen in Deutschland, was zeigte, wie
schmerzhaft die Auseinandersetzung der deutschen Gesellschaft mit diesen Verbrechen der Wehrmacht war und
immer noch ist .
Weit über 5 Millionen Soldaten der Roten Armee
gerieten in Gefangenschaft . Wie die gesamte slawische
Bevölkerung wurden auch sie als sogenannte Untermenschen entwürdigt . Der Schutzstatus von Kriegsgefangenen nach der Genfer Konvention wurde ihnen versagt .
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den sogenannten
Russenlagern ähnelten denen in Konzentrationslagern .
Über die Hälfte der sowjetischen Kriegsgefangenen starb
in der Gefangenschaft . Heute leben nur noch wenige von
ihnen . Es ist an der Zeit, dass das schwere Unrecht, das
an diesen Kriegsgefangenen begangen wurde, von unserem Parlament als nationalsozialistisches Unrecht anerkannt wird .
({1})
Der Vernichtungskrieg wandte sich unbarmherzig
gegen die slawische Bevölkerung. In Belarus fiel jeder
vierte Zivilist dem Krieg zum Opfer . Fast 3 Millionen
Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich
verschleppt . Der weitaus größte Teil von ihnen stammte aus der Ukraine . Bei der Rückkehr in die Sowjetunion drohte sowohl den Kriegsgefangenen als auch den
Zwangsarbeitern ein dramatisches Schicksal . Viele von
ihnen kamen als angebliche Kollaborateure in den Gulag .
Das Aushungern war eine gezielte Strategie der deutschen Kriegsführung gegen die Sowjetunion . Mehr als
4 Millionen Sowjetbürgerinnen und -bürger starben den
qualvollen Hungertod, davon mehr als 1 Million im belagerten Leningrad . Für die deutsche Kriegsführung war
die Ukraine, die sogenannte Kornkammer, von strategischer Bedeutung . Aus dem Land wurden rücksichtslos
Lebensmittel herausgepresst, ohne die der Angriffskrieg
nicht hätte geführt werden können . Unzählige Menschen
mussten deshalb verhungern .
Im Zuge des deutschen Angriffs wurden mehrere Völker der Sowjetunion auf Befehl Stalins deportiert . Hunderttausende kamen während der Transporte ums Leben
oder verhungerten und verdursteten, nachdem man sie
in der kasachischen Steppe oder in Sibirien sich selbst
überlassen hatte . Viele konnten erst nach dem Tod Stalins
wieder zurückkehren, die Krimtataren erst 1989 .
Die Sowjetunion existiert nicht mehr . Die historische
Schuld, die das Deutsche Reich auf sich geladen hat, und
die Verantwortung, die uns bis heute daraus erwächst,
gelten also allen Menschen der Nachfolgestaaten, das
heißt, den Menschen in Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Moldawien, Russland, Tadschikistan,
Turkmenistan, in der Ukraine und Usbekistan . All diesen Ländern müssen wir in dem Wissen gegenübertreten,
dass wir ihnen gegenüber eine historische Verantwortung
tragen, und für ihre Freundschaft dankbar sein .
({2})
Ich wünsche mir, dass wir irgendwann einmal in den
Hauptstädten all dieser Länder diesen Tag mit unseren
Parlamentskollegen als Gedenktag gemeinsam gestalten .
Schönen Dank .
({3})
Franz Thönnes ist der nächste Redner für die
SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute Morgen bin ich aus Sankt Petersburg nach einem
zweitägigen Termin der Ostseeparlamentarierkonferenz
in der Hauptstadt Kareliens, Petrosawodsk, nach Berlin
gekommen . In der letzten Woche war ich drei Tage lang
zu politischen Gesprächen in der Hauptstadt der Ukraine,
in Kiew .
Wenige Wochen nach dem 22 . Juni 1941 hat die Belagerung Leningrads, dem heutigen Sankt Petersburg,
durch deutsche Truppen begonnen . Sie folgte der geheimen Weisung des Oberkommandos der Wehrmacht, die
lautete:
Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg
vom Erdboden verschwinden zu lassen . Es besteht
nach der Niederwerfung Sowjetrusslands keinerlei
Interesse an dem Fortbestand dieser Großsiedlung .
Hieran wurde die für den gesamten rassistischen Eliminierungskrieg geltende Ideologie, mit der der lange
geplante neue Lebensraum im Osten erobert werden
sollte, deutlich . Am Morgen des 22 . Juni 1941 kreisten
auch deutsche Flugzeuge über Kiew und brachten mit
ihren Bomben Tod, Leid und Zerstörung . Drei Monate
nach Kriegsbeginn wurden in der Schlucht von Babi Jar
bei Kiew 33 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder
erschossen . Persönlich hat die heutige Generation der
Deutschen keine Schuld an diesem schändlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit; aber wir haben Verantwortung, Verantwortung dafür, dass Derartiges nie wieder geschieht . Wir haben Verantwortung für den Frieden .
Das sind wir den Opfern schuldig .
({0})
Der 22 . Juni 1941, der Tag des Angriffs auf die Sowjetunion, wird für die Menschen in Russland, in Weißrussland und der Ukraine unauslöschbar in Erinnerung
bleiben . Dennoch haben wir in den letzten Jahrzehnten
vielfältigste gute Beziehungen in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft entwickelt . Wie selbstverständlich haben
wir in den letzten beiden Tagen über eine Intensivierung der Ostseekooperation in Petrosawodsk diskutiert .
Deutsche waren auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg gern gesehene Gäste, und in der Ukraine arbeiten wir unterstützend an der Stabilisierung des Landes
und für eine friedliche Lösung des russisch-ukrainischen
Konfliktes.
Wenn ich an die letzten Stunden in Kiew, in Petrosawodsk und Sankt Petersburg zurückdenke, bin ich als
Teil der deutschen Nachfolgegenerationen von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt, einer Dankbarkeit für die Hand
der Vergebung und Versöhnung, die uns Deutschen gereicht wurde .
({1})
Doch gerade der russisch-ukrainische Konflikt hat uns
deutlich gemacht, dass nichts von Dauer ist . Der russische Verstoß gegen die Prinzipien der Schlussakte von
Helsinki und damit gegen die europäische Sicherheitsordnung hat zur schwersten außenpolitischen Krise in
Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geführt .
Ja, wir haben im Bündnis Sicherheit zu leisten, auch gegenüber unseren NATO-Partnern und den EU-Mitgliedern im Osten Europas; aber wir haben auch darauf zu
achten, dass die Balance und das Risiko, erneut in eine
Rüstungsspirale hineinzugeraten, bedacht werden, wenn
zu sehr in militärischen Konzeptionen und Kategorien
gedacht wird . Wenn genau das Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier anmahnt, so sind mir manche
Kritiken unverständlich .
({2})
Zuhören, den anderen verstehen, heißt noch lange nicht,
dessen Ansichten oder Handlungen zu teilen; es ist für
eine gute Außenpolitik aber unabdingbar .
Es gibt nicht nur Artikel 5 des NATO-Vertrages, sondern auch Artikel 1 . Dieser enthält das maßgebliche Verpflichtungscredo, jeden Streitfall, an dem Mitgliedstaaten
beteiligt sein mögen, durch friedliche Mittel in der Weise
zu regeln, dass Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit unter den Völkern nicht gefährdet sind . Ich frage mich dann
schon, ob „Saber Strike“, also Säbelangriff, der richtige
Name für das bis gestern laufende NATO-Manöver war .
({3})
Deswegen will ich deutlich sagen: Lehren aus der Geschichte zu ziehen, heißt, dass Sicherheitspolitik im Inneren wie im Äußeren eine Abrüstung in der Rhetorik
braucht . Sie braucht den Willen zur Verteidigungsbereitschaft und zur gemeinsamen Sicherheit genauso wie den
Willen zum Dialog, zum Kompromiss und zur Herstellung neuen Vertrauens .
Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, heißt, das
nun wirklich in Angriff zu nehmen und gemeinsam umzusetzen, was die Bundeskanzlerin mit den Präsidenten
Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Minsk im Februar 2015 unterschrieben hat:
Die Staats- und Regierungschefs bekennen sich unverändert zur Vision eines gemeinsamen humanitären und wirtschaftlichen Raums vom Atlantik bis
Marieluise Beck ({4})
zum Pazifik auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts und der Prinzipien der
OSZE .
Das gilt es, jetzt in Angriff zu nehmen, und zwar auf
Grundlage dieser Prinzipien . Auch Putins Unterschrift
steht unter diesem Satz .
({5})
Lehren aus der Geschichte zu ziehen, heißt auch, über
Rüstungskontrolle, Abrüstung und Transparenz zu sprechen . Auch das ist dringend notwendig .
({6})
Abschließend: Lehren aus der Geschichte zu ziehen,
heißt ebenso mehr Jugendaustausch . Die Jugend unserer
Länder soll nicht mit neuen Feindbildern, sondern in einem friedlichen Miteinander aufwachsen .
({7})
Dazu gehören Begegnungen, wie sie von Frank-Walter
Steinmeier vorhin mit Blick auf das Deutsch-Russische
Jugendaustauschjahr genannt worden sind . Doch sie dürfen nicht durch organisatorische Schengen-Schwierigkeiten wie bei den biometrischen Pässen erschwert werden .
({8})
Am ehesten kann man einer Entwicklung von Scheinrealitäten und Missverständnissen entgegenwirken, wenn
Visafreiheit für die Jugendlichen unserer Länder besteht .
Das wäre ein guter Anfang für den schrittweisen Aufbau
neuen Vertrauens, eines neuen Fundaments für ein friedliches Miteinander, bei dem wir gemeinsam zeigen können, dass wir aus den dunklen Tagen unserer Geschichte
gelernt haben .
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Kastner für
die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Heute, am 22 . Juni, in diesen Tagen und in
dieser Debatte sprechen wir über die deutsch-russischen
Beziehungen, über die Besonderheiten, aber auch über
die Tragik der gemeinsamen Geschichte, und wir sprechen über Verantwortung, ja auch über besondere Verantwortung . Wer ein Gefühl dafür bekommen will und
es förmlich physisch sowie mental spüren will, was mit
dieser Verantwortung gemeint ist bzw . gemeint sein sollte, dem empfehle ich den Besuch von zwei Orten .
Erstens empfehle ich den Besuch des Gedenkfriedhofs
Piskarjowskoje in Sankt Petersburg, der auf erschütternde Weise daran erinnert, wie man in dieser Stadt, dem
damaligen Leningrad, in einer über zweijährigen Blockade die Menschen, Alte und Junge, Frauen und Kinder,
schlichtweg elendig hat verhungern lassen - über 1 Million Tote . Unmenschlich! Jeder, der da war oder die Bilder gesehen hat, wird das mitempfinden können.
Zweitens empfehle ich einen Besuch des Soldatenfriedhofs Sologubowka, ebenfalls in der Nähe von
Sankt Petersburg, wo die sterblichen Überreste Tausender
gefallener deutscher Soldaten ruhen - ein Friedhof, der in
dieser Form erst Ende der 1990er-Jahre angelegt wurde .
Das ist eine ganz besondere, nicht zu unterschätzende
Geste Russlands in dieser Stadt . An dieser Stelle richte
ich einen besonderen Dank auch an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und seine russischen Partner,
dass sie dort die Gedenkstätte eingerichtet haben .
({0})
Wenn wir von Soldatenfriedhöfen und Soldaten sprechen, muss uns immer bewusst sein: Wir sprechen vor
allem von jungen Menschen, von Söhnen, jungen Ehemännern, Familienvätern, Brüdern und Freunden, die
gern noch eine Lebensperspektive gehabt hätten . Das
muss uns immer ganz klar sein .
({1})
Die Kriegsgräberstätten und die Gedenkfriedhöfe in
Russland und in Deutschland sind letztlich Narben unserer Geschichte . Narben können verheilen, aber sie
bleiben für immer . Sie sind in diesem Fall Narben der
Mahnung .
Einer der Hauptkriegsschauplätze - das ist schon
gesagt worden - war damals die Ukraine - da, wo heute Krieg ist . Ich sage nur: Vor drei Jahren war Donezk
eine blühende Stadt . Schauen wir heute auf das Elend in
Donezk . Ebenso waren das Baltikum und Weißrussland
Hauptkriegsschauplätze . Herr Gysi, sprechen Sie einmal
in Estland in der Grenzstadt Narwa mit den Menschen
über ihre Besorgnisse, und hören Sie zu, wie konkret sie
sich äußern . Das ist mehr als ein Gefühl .
({2})
Das, was wir heute, 2016, brauchen, sind vor allem
Vertrauen und Verstehen . Hier heißt Verstehen nicht
immer gleichsam Verständnis . Wir brauchen besonders
Vertrauen in der Spitze . Es muss gelten: Wenn zwischen
Ministern Abkommen oder Vereinbarungen getroffen
werden, dürfen sie nicht wenige Tage später wieder zur
Disposition gestellt werden . Wir brauchen vor allem ein
gegenseitiges Verstehen . Was meine ich damit? Russland
muss Europa verstehen . Europa muss Russland verstehen . Wir brauchen ein Verstehen in Russland, was für
uns eigentlich die europäische Idee bedeutet: die strikte
Unverletzlichkeit von Grenzen und die Werte der Charta von Paris . Umgekehrt gilt es, schlicht Interessen zu
verstehen, sie zu kennen, sie letztendlich nicht immer zu
teilen, aber bei Interessenskonflikten gefährliche Missverständnisse frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden .
Wenn man wie ich Russland bald 20 Jahre regelmäßig besucht, ob als Bürgermeister, privat oder als AbFranz Thönnes
geordneter, trifft man auf ein sehr faszinierendes und
vor allem gastfreundliches Land . Ich war auch mit der
Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe unseres Bundestages dort . Man trifft dort auch Menschen außerhalb
der Politik - das ist guter Brauch in den Parlamentariergruppen -, also aus der Wirtschaft, der Wissenschaft,
der Kultur, den über 80 Städtepartnerschaften und den
NGOs . Bei diesen Begegnungen spürt man viel Sympathie für Deutschland . Ich denke, es ist wichtig, an einem
Tag wie dem 22 . Juni zu sagen, dass einem dort Sympathie entgegenschlägt, wenngleich die Gräuel voll im
Bewusstsein der Bevölkerung verankert sind . Aber man
spürt diese Sympathie . Und man spürt sehr emotional
bei seinen Gesprächspartnern in der russischen Gesellschaft, dass ein Miteinander mit Europa und besonders
mit Deutschland gewünscht und auch eingefordert wird .
Ich kann mich beispielsweise an Gespräche mit Wissenschaftlern erinnern, die uns, den Abgeordneten, gesagt
haben: Wir brauchen dringend die Zusammenarbeit mit
Deutschland, mit Europa, mit dem Max-Planck-Institut
und mit den Universitäten . In großen Teilen war die russische Gesellschaft in den vergangenen Jahren schon immer weiter als die politische Führung .
({3})
Lassen Sie mich zum Schluss betonen, wie wichtig
das Deutsch-Russische Jahr des Jugendaustausches ist .
Ich habe über Verstehen gesprochen . Verstehen, kennenlernen, lernen - es ist ganz wichtig, der Jugend diese
Möglichkeiten zu bieten .
Auf der letzten Sicherheitskonferenz in München
sprach Ministerpräsident Dimitrij Medwedew wieder
vom Kalten Krieg . Angesichts der weltweiten Herausforderungen in unserem 21 . Jahrhundert ist das sicherlich da sind wir uns einig - das Letzte, was wir gebrauchen
können .
({4})
Aber wir brauchen auch mehr als einen kalten Frieden .
Vielen Dank .
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Alois Karl .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen des
Deutschen Bundestages! Sehr geehrte Herren Botschafter! Wir gedenken heute des 75 . Jahrestages des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion . Dies
bringt unsere Gedanken zurück an die schlimmsten Niederungen der Aggressionspolitik des Zweiten Weltkrieges: an das Unternehmen Barbarossa . Sehr vieles ist über
diesen Überfall gesprochen worden . Die historischen Daten sind bekannt . Den Historikern kann nicht viel Neues
hinzugefügt werden; aber die Schlussfolgerungen für die
Ankerpunkte unserer Politik - die doch .
Die Furie des Krieges und der Wahnsinn des Vernichtungskrieges haben Millionen, Abermillionen Menschen
den Tod gebracht . Sie wurden in ihrer Gesundheit geschädigt, und sie wurden verwundet . Ich denke auch zurück an meinen eigenen Vater, der damals in Stalingrad
als einer der Letzten ausgeflogen worden ist, schwerstverwundet und völlig erblindet . Ich denke auch an diejenigen, die gesehen haben, wie ihre Heimat vernichtet
worden ist, die obdachlos geworden sind und die vertrieben wurden .
Mit ohnmächtigem Schmerz denken wir an die
26,6 Millionen Toten, die die Sowjetunion am Ende des
Zweiten Weltkrieges beklagen musste - etwa 11,4 Millionen gefallene Soldaten, etwa 15,2 Millionen zivile Opfer -, eine völlig unfassbare, unglaubliche Zahl . Dies hat
es in der Weltgeschichte, meine Damen und Herren, bis
dahin nie gegeben .
Wir denken voll Entsetzen auch an die 2,5 Millionen
Menschen jüdischen Glaubens zurück, die während der
deutschen Besatzungszeit in der Sowjetunion ums Leben
kamen . In der gleichen Weise trauern wir auch um die
deutschen Soldaten: knapp 6 Millionen, die Hälfte davon
an der Ostfront . Ich denke auch an die 2 Millionen Toten, die während der Flüchtlingszüge nach dem Zweiten
Weltkrieg ihr Leben gelassen haben .
All dies waren Ereignisse des Überfalls Deutschlands
auf die Sowjetunion . Dieser hatte verbrecherische Ziele .
Es war der ungeheuerlichste Eroberungs-, Versklavungsund Vernichtungskrieg, den die moderne Geschichte je
gesehen hat . Aber blieben wir beim Erinnern an diese
historischen Fakten stehen, dann würden wir unsere Aufgabe nicht erfüllen . Bei der bloßen Aufzählung kann es
nicht bleiben .
Die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges sind weder beschreibbar noch fassbar . Gewiss haben wir keine
individuelle Schuld; das ist ja schon aufgrund unseres
Lebensalters nicht möglich . Aber ich greife ein Wort
des früheren Bundespräsidenten Professor Dr . Theodor
Heuss auf, der für Deutschland eine kollektive Schuld
verneint hat . Im gleichen Atemzug hat er aber von der
kollektiven Scham der Deutschen gesprochen .
Vielleicht ist der Mensch nie so sehr Mensch wie in
dem Augenblick, wo er sagt: Ich schäme mich . - Dieses
Wort von Bertolt Brecht ist in der Tat richtig, und er hat
recht . Niemand außer dem Menschen selbst kann Scham
empfinden. Scham ist eine zutiefst menschliche Regung.
Theodor Heuss hat dies für die Deutschen akzeptiert und
es so ausgesprochen .
Der Überfall auf die Sowjetunion durch die deutsche
Wehrmacht hatte eine Vorgeschichte . Ihm ging der Hitler-Stalin-Pakt voraus; Herr Gysi hat es angesprochen .
Die Außenminister Joachim von Ribbentrop und Molotow haben den Nichtangriffspakt zwischen Deutschland
und der Sowjetunion geschlossen - mit geheimen Zusatzabkommen -, später dann den Deutsch-Sowjetischen
Grenz- und Freundschaftsvertrag .
Die beiden totalitären Regime, das nationalsozialistische Regime in Deutschland und das kommunistische
Sowjetsystem, waren sich einig: Große Teile Ost- und
Nordeuropas sollten in ihre Interessensphären aufgeteilt
werden . Fünf Länder Europas sollten ihrer Freiheitsrechte, ihrer Souveränität, ihrer Selbstbestimmungsrechte
beraubt werden . Litauen, Lettland, Estland und Finnland
sollten unter die sowjetische Interessenssphäre kommen;
Polen sollte entlang der Linien der Flüsse Narew und
Weichsel in deutsche und sowjetische Interessensphären
geteilt werden . Die Länder waren Spielball der Aggressoren .
Entsprechend diesem Abkommen besetzte die Rote
Armee 1940 die baltischen Staaten, 1941 dann die Deutschen, und 1944 wurden sie wieder von russischen Truppen besetzt . 45 Jahre lang blieben die baltischen Staaten
dann in Unfreiheit, und erst vor 25 Jahren konnten sie
ihre Freiheit nach blutigen Kämpfen wiedererlangen .
Ich führe das deshalb etwas näher aus, weil ich erst
vor einer Woche mit einer Delegationsreise im Baltikum
war . Auch die Balten haben in der letzten Woche eines
75 . Jahrestages gedacht . Staatspräsident Vejonis und die
hohen Vertreter des Landes, viele Diplomaten und Hunderte von Bürgern haben an diesem Gedenktag Kränze
und Blumen niedergelegt und daran gedacht, dass exakt
vor 75 Jahren Tausende Letten vom sowjetischen Geheimdienst in die Gulags und später von den Deutschen
in die Vernichtungslager von Auschwitz und Birkenau
abtransportiert worden sind .
Eine alte Frau hielt ein Schild hoch und hat auf die
Opfer von beiden Regimen hingewiesen . Diese Frau
wollte nicht aufrechnen - womit hätte sie auch aufrechnen sollen? -, aber sie hat darauf verwiesen, dass es die
Opfer in ihrem Heimatland aufgrund der beiden aggressiven Regime gegeben hat .
Zum Schluss bleibt die Frage: Welche Konsequenzen
ziehen wir? Nachkriegsdeutschland hat von Anfang an
die richtigen und guten Schlüsse gezogen . Jeglichem
Krieg und jeglicher Aggression haben wir abgeschworen,
und um das Beispiel Baltikum noch einmal anzusprechen: Aus früheren Gegnern und Feinden sind Freunde
geworden .
Wir wissen: Die Millionen von Toten dürfen nicht das
letzte Wort sein . Die Aggression, die blindwütige Hybris
der Menschenverachtung, die Ideologie, wonach sich die
eine Rasse über eine andere Rasse erhöht, der Wahnsinn,
wonach es der einen Rasse gestattet sein soll, sich als
Herrenrasse aufzuspielen: Aus all dem haben wir unsere
nachhaltigen Lektionen gelernt .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dauerhafte
Ankerpunkte unserer Politik sind die Freundschaften mit
den früheren Gegnern und Feinden . In den letzten 70 Jahren ist dies in Deutschland in der Tat Gegenstand der Politik gewesen . Es war bzw . ist das Credo der Politik von
Konrad Adenauer, von Willy Brandt, von Helmut Kohl
und von Angela Merkel, dass wir aus diesen schlimmen
Auseinandersetzungen und Niederungen vor 75 Jahren
unsere Schlüsse gezogen haben .
Ich bin sehr dankbar, dass wir auch in kleinen Schritten die deutsch-russische Freundschaft miteinander
pflegen. Außenminister Steinmeier hat auf die Stiftung
Deutsch-Russischer Jugendaustausch hingewiesen, und
der Kollege Kastner wies darauf hin, dass wir in diesem
Jahr das Jahr des Jugendaustausches zwischen uns und
Russland begehen .
Ich danke all denen, die in diesem Jahr Veranstaltungen durchführen - sei es beispielsweise das Deutsche
Historische Museum oder das Deutsch-Russische Museum -, zum Beispiel am Sowjetischen Ehrenmal im
Tiergarten . Ich danke auch denen, die mit vielen kleinen
Schritten dazu beitragen, dass die großen Linien der Politik fortgetragen werden .
Ich danke Ihnen sehr herzlich .
({0})
Letzte Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Motschmann
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit insgesamt 60 bis 70 Millionen Toten steht
der Zweite Weltkrieg für die Tragödie des 20 . Jahrhunderts schlechthin . 27 Millionen Tote - das ist wiederholt
genannt worden - musste allein die Sowjetunion beklagen, die wir vor 75 Jahren überfallen haben . Nicht einbezogen in diese Zahlen der Toten sind die Männer und
Frauen, Kinder und Alte, die unter diesem Krieg massiv
zu leiden hatten . Hunger, Kälte, Krankheit, Flucht und
Vertreibung zählen zur traurigen Bilanz dieses Krieges .
Ebenfalls zur Bilanz dieses Krieges zählt ein grausamer
Rassismus und Antisemitismus .
Deutschland hat diesen Krieg 1941 - eigentlich aber
schon 1939 - begonnen . Unser Volk hat damals große
Schuld auf sich geladen und großes Leid über ganz Europa gebracht . Das steht vor der Klammer jeder Diskussion und Erinnerung an diese Zeit . Diese Vergangenheit
verjährt nicht .
Die Grausamkeit dieses Krieges stand mir schon als
Kind deutlich vor Augen . Mein Vater hat als ganz junger Soldat - leider! - an diesem Krieg teilgenommen;
vielleicht musste er teilnehmen . Er wurde mit 27 Jahren schwer verwundet: Ein Bein wurde amputiert . - Die
Kriegsschuldfrage stellt sich einem Kind noch nicht .
Aber eines hat sich fest in meine Seele eingebrannt:
Krieg darf es niemals wieder geben, schon gar nicht von
deutschem Boden aus .
({0})
Krieg kann kein Mittel zur Lösung von Konflikten zwischen Völkern sein . Hierin liegt die Mahnung für uns
heute . Krieg ist kein Mittel der Politik .
Wenn das richtig ist, darf der Gesprächsfaden, der Dialog zwischen den Völkern niemals abreißen . Das gilt
unabhängig davon, ob uns ein Regime, ein StaatsoberAlois Karl
haupt gefällt oder nicht . Politische Verhandlungen sind
tatsächlich alternativlos, und das, Herr Außenminister,
bestreitet, glaube ich, niemand hier im Raum . Diese Balance zwischen Dialog und Abschreckung muss gehalten
werden . Hierfür wird von unserer Seite viel getan . Mit
Blick auf die Zukunft kann die Vergangenheitsbewältigung - auch das will ich hier noch einmal deutlich sagen - durch den Austausch von Studenten und Schülern
gut vorangebracht werden; denn das trägt zur Völkerverständigung bei . Unsere kommenden Generationen werden es dann im Dialog leichter haben .
Krieg ist kein Mittel der Politik . Leider sehen das nicht
alle so . Die vielen Krisen und Kriege in der Welt zeigen, dass Präsidenten, Diktatoren und Despoten immer
wieder Kriege zur Durchsetzung ihrer Interessen führen .
Assad, der IS, aber auch Putin, wenn ich an die Krim
und den Donbass denke, führen uns dies täglich vor Augen . Deshalb ist es wichtig, dass wir verteidigungsbereit
bleiben . Deshalb brauchen wir unsere Bundeswehr und
die NATO . Deshalb müssen wir unseren Soldaten jede
Unterstützung zukommen lassen . Sie sind bereit, notfalls
mit ihrem Leben unseren Frieden, unsere Freiheit, unser
Land und unsere Partner zu verteidigen . Deshalb habe
ich das Wort „Säbelrasseln“ nicht verstanden . Das ist
kein Säbelrasseln .
({1})
Ich möchte mir nicht ausdenken, wie sich ein Soldat
im Manöver fühlt, wenn das, was er tut, was er für uns
tut, als „Säbelrasseln“ bezeichnet wird . Ich möchte mir
auch nicht vorstellen, wie die osteuropäischen Länder
Polen, Lettland, Estland oder Litauen reagieren, wenn
sie den Eindruck bekommen, dass ihre Verteidigung als
„Säbelrasseln“ bezeichnet wird . Diese schätzen Sie, Herr
Bundesaußenminister . Sie zählen, wie oft Sie da waren:
Sie waren in dieser Legislatur sechsmal im Baltikum . Ich
glaube, Ihre Bemerkung hat leider Irritationen ausgelöst .
Diese Länder bauen auf uns, auf die NATO, auf die EU .
Sie haben Angst, dass auch sie Opfer des Machtstrebens
ihres russischen Nachbarn werden können . Wir haben es
in der letzten Woche hautnah in Narva erlebt, wo es nur
diese Brücke zwischen der einen oder der anderen Seite
gibt .
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg fiel vielen
Menschen die Aufarbeitung zunächst schwer . Sie waren
vielleicht zu sehr selbst betroffen und verstrickt in das
Naziregime, als dass sie zu einer verantwortungsvollen
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hätten finden können . Inzwischen hat sich das grundlegend verändert .
Deutschland hat sich dieser Verantwortung gestellt . Wir
haben diesen Teil unserer Geschichte sorgfältig aufgearbeitet . Deshalb ist sie uns sehr präsent und muss sie uns
und nachfolgenden Generationen präsent bleiben .
Das zeigen unter anderem die vielen Erinnerungsorte, Veranstaltungen und Publikationen . Das zeigt sich in
unserer wissenschaftlichen Aufarbeitung und Forschung .
Das zeigt sich im Geschichtsunterricht in unseren Schulen . Aber so wichtig es ist, die Vergangenheit als Mahnung - jetzt mahnt mich der Präsident mit Blick auf meine Redezeit - für die Zukunft wachzuhalten, so sehr gilt
das Wort des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard,
mit dem ich hier schließen möchte:
Das Leben kann nur mit dem Blick zurück verstanden werden, aber gelebt werden kann es nur mit
dem Blick nach vorn .
Vielen Dank .
({2})
Ich schließe die Aussprache .
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 23 . Juni 2016, 9 Uhr,
ein .
Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen noch
einen hoffentlich angenehmen, vielleicht sogar gemütlichen Abend .