Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet .
Ich grüße Sie von ganzem Herzen . Herzlich willkommen, Herr Minister de Maizière und die anderen Kollegen auf der Regierungsbank! Ich grüße auch meine Kollegen recht herzlich .
Wundern Sie sich bitte nicht, wenn die Medienwand
zu meiner Linken heute nicht funktioniert . Bei der letzten
Sitzung betraf es die andere Wand . Das hat sich jetzt geändert: Dieses Mal funktioniert die Wand auf der rechten
Seite, und die andere wird repariert .
Ich möchte Ihnen vor Eintritt in die Tagesordnung
eine Mitteilung machen: Interfraktionell ist vereinbart
worden, den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung auf der Drucksache 18/8042 dem Ausschuss für Gesundheit zur Mitberatung zu überweisen . Des Weiteren soll der Antrag
auf Drucksache 18/8395 mit dem Titel „Vorsorgeprinzip
ernst nehmen - Keine erneute Genehmigung für Glyphosat“ dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, dem
Ausschuss für Gesundheit, dem Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
ebenfalls zur Mitberatung überwiesen werden . Da Sie
es interfraktionell vereinbart haben, gehe ich davon aus,
dass Sie damit einverstanden sind . - Ich sehe und höre
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Ich möchte die Parlamentarischen Geschäftsführer
und Geschäftsführerinnen bitten, uns, falls es Fragen
gibt, die Namen der Fragesteller und Fragestellerinnen
schon einmal zur Kenntnis zu geben, damit wir es richtig
geordnet machen können . Wenn der Innenminister da ist,
müssen wir uns ja anstrengen .
({0})
- Wir strengen uns immer an . Stimmt!
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zum
besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister des Innern, Dr . Thomas de Maizière . Bitte, Herr Minister .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Terrorgefahr in Europa, auch für Deutschland, ist
und bleibt hoch . Wir haben in dieser Legislaturperiode
viel gemacht: Gesetze verändert, Personal aufgestockt .
Wir werden das auch weiter tun . Dennoch haben wir uns
nach den Anschlägen von Istanbul, Brüssel und Paris gefragt: Was ist noch zu tun? Gibt es Sicherheitslücken, die
es vernünftigerweise auch im Rahmen der Gesetzgebung
zu schließen gilt, um die Sicherheit der Bürgerinnen
und Bürger in Deutschland zu erhöhen? Ergebnis dieser
Überlegungen ist der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung heute auf meinen Vorschlag hin beschlossen hat
und der sehr bald im Deutschen Bundestag beraten wird .
Es geht dabei um drei Kernregelungen:
Die erste Regelung betrifft Rechtsgrundlagen für gemeinsame Dateien, die das Bundesamt für Verfassungsschutz mit wichtigen ausländischen Nachrichtendiensten
einrichten und betreiben kann . Dabei geht es ganz wesentlich um EU-Partner, um NATO-Partner und um mit
NATO-Mitgliedern gleichgestellte Partner . Nach den Anschlägen in Paris und Brüssel war klar, dass die Terrornetzwerke sich international vernetzen . Sie arbeiten aus
dem Ausland, sie schleusen Menschen nach Europa, sie
arbeiten mit Menschen zusammen, die in Europa aktiv
sind oder dort leben . Wenn sich Terroristen international
vernetzen, dann müssen sich auch Sicherheitsbehörden
international vernetzen . Es gab nach den Anschlägen ja
auch viel Kritik am mangelnden Informationsaustausch .
Da ist in Europa einiges passiert . Jetzt schaffen wir die
Rechtsgrundlage dafür, dass etwa das Bundesamt für
Verfassungsschutz mit anderen Nachrichtendiensten eine
gemeinsame Datei führen kann, also nicht nur Daten austauschen kann . Natürlich muss dabei ein ausreichendes
Datenschutzniveau gewährleistet sein; das ist für uns
selbstverständlich .
Die zweite Regelung betrifft die Herkunftsermittlung
von Telefonen und Telefonanschlüssen . Die Erbringer
von Telekommunikationsleistungen sind auch jetzt schon
verpflichtet, den Namen desjenigen, dem sie ein Prepaidhandy verkaufen, festzustellen . Allerdings werden
oft Fantasienamen wie Donald Duck oder irgendwelche
wildfremden Namen aus Telefonbüchern aufgeschrieben
und damit akzeptiert . Das macht Strafverfolgung unmöglich . Das ist nicht in Ordnung . Das ist eine schwere Sicherheitslücke . Mit dem Gesetzentwurf wollen wir jetzt
regeln, dass die Daten von Prepaidkunden anhand geeigneter Identitätsdokumente zu überprüfen sind . Die Regelung wird technikoffen gestaltet . Die Bundesnetzagentur
wird das mit der Wirtschaft so regeln, dass die gängigen
Geschäftsmodelle, auch im Sinne des Kunden, weiterhin
gut betrieben werden können . Aber Bequemlichkeit ist
nicht alles, Sicherheit hat auch ihren Preis, und im Zweifel hat Sicherheit Vorrang vor Bequemlichkeit .
Der dritte Regelungsgegenstand betrifft den Einsatz
von verdeckten Ermittlern . Wohlgemerkt: Ich spreche
nicht von V-Leuten, sondern von Beamten, die als verdeckte Ermittler Kriminalität aufklären . Solche verdeckten Ermittler kann nach der bisherigen Rechtsgrundlage
das Bundeskriminalamt einsetzen . Wir wollen jetzt auch
der Bundespolizei - zu etwa den gleichen Bedingungen den Einsatz von verdeckten Ermittlern, insbesondere zur
Aufklärung abgeschotteter Strukturen der Schleusungskriminalität, ermöglichen .
Es gibt noch ein paar weitere kleinere Regelungen
etwa im strafrechtlichen Bereich des Vereinsrechts, nämlich dass Vereinsverbote nicht so leicht umgangen werden können, und anderes mehr; aber in meinem Bericht,
Frau Präsidentin, möchte ich mich erst einmal auf die
drei genannten Kernregelungen beschränken .
Vielen herzlichen Dank, Herr Minister . - Wie Sie wissen, sagt unsere Regel, dass wir zunächst Fragen zum
Themenbereich stellen, zu dem der Minister gerade vorgetragen hat . Ich habe als erste Fragestellerin Petra Pau
für die Linke .
Herr Bundesminister, Sie haben eben die bisher vorherrschende Nichtregistrierung bzw. -identifikation der
Erwerber von Prepaidkarten als schwere Sicherheitslücke bezeichnet . Ich bin jetzt allerdings auf einen Widerspruch gestoßen . Das Bundesamt für Sicherheit in
der Informationstechnik empfiehlt die Nutzung von Prepaidtelefonie für Mobilfunkteilnehmer mit erhöhtem Sicherheitsbedarf . Die EU-Kommission schreibt in einem
Papier, dass es keine Beweise für die Wirksamkeit der
vorgesehenen Maßnahme bei der Strafverfolgung gibt .
Und der Verband der Anbieter von Telekommunikationsund Mehrwertdiensten schreibt Ihnen, dass durch diese
Maßnahme die Kosten für die Verbraucher deutlich erhöht würden, ohne die Sicherheitslage auch nur granular - schönes Wort - zu verbessern . Deshalb würde mich
interessieren: Welche Erkenntnisse oder Fakten haben
Sie veranlasst, genau diese Maßnahme trotzdem in das
Gesetz aufzunehmen? Gibt es Untersuchungen, die uns
nicht zugänglich sind, oder anderes?
Frau Abgeordnete Pau, das Ergebnis von Auskunftsverfahren nach den Regeln des Telekommunikationsgesetzes - das betrifft die §§ 112 und 113 - erlaubt den
Sicherheitsbehörden nach Maßgabe der jeweiligen Fachgesetze bei Verdacht auf Straftaten oder zur Gefahrenabwehr, Bestandsdaten aufzurufen . Wenn man aber danach
fragt, stellt sich oft heraus, dass Anschlussinhaber mit
Donald Duck oder mit anderen Fantasienamen bezeichnet werden; und das macht Strafverfolgung unmöglich .
Das wollen wir beenden . Wir wollen diese Sicherheitslücke schließen .
Vielen herzlichen Dank . - Der nächste Fragesteller:
Konstantin von Notz für die Grünen .
Herr Minister, ich möchte daran anschließen . Bezüglich der Burner Phones kann man auf eine Ausweispflicht
bestehen . Ich stimme Ihnen zu: Bisher schon gilt eigentlich diese Regelung, aber sie wird umgangen .
Aber wenn Sie von schweren Sicherheitslücken reden:
Wie verhält sich das denn mit öffentlichen Telefonzellen, mit der Möglichkeit, in Internetcafés zu telefonieren,
oder mit der Möglichkeit - die, glaube ich, auch heute
noch problemlos weiter besteht -, dass man ein solches
Telefon einfach über das Internet in den Niederlanden
bestellt? Schließt man hier also tatsächlich eine Lücke,
oder ist das eher eine symbolische Handlung?
Herr Abgeordneter von Notz, ist das jetzt der Vorschlag, diese anderen Themen auch noch alle anzugehen? Das würde mich wundern bei den Grünen .
({0})
Werde ich befragt? Also, wir können das umdrehen .
Ich hätte viele Meinungen zu dem Thema, Herr Minister .
Nein, das war ein Spaß, den verstehen Sie ja auch .
({0})
Natürlich gibt es, wie immer, Gegenargumente . In
Österreich zum Beispiel gibt es diese Regelung nicht .
Man kann sich in Österreich eine Prepaidkarte kaufen,
das ist wahr . Aber, sehen Sie: Man kann im Kampf gegen schwere Straftaten nicht immer jede Sicherheitslücke schließen . Aber die großen Lücken, die wollen wir
schließen . Und es kann nicht richtig sein, dass jemand,
wenn er sich ein Smartphone kauft und sich umfangreich
bei einem Telekommunikationsdienstleister anmeldet,
damit ermöglicht, dass strafrechtlich gegen ihn ermittelt werden kann, dass jedoch jemand, der ein Prepaidhandy in einer Drogerie kauft, sozusagen dazu beiträgt,
dass gegen ihn nicht ermittelt werden kann . Da machen
wir es Straftätern zu leicht, und das wollen wir beenden .
Das heißt nicht, dass es nicht andere Sicherheitslücken
gibt und dass man auf ein einziges Mittel im Bereich der
Straftatenbekämpfung setzt . Aber diese Sicherheitslücke,
die groß ist, wollen wir schließen .
Vielen Dank . - Die nächste Frage hat Kollegin Martina
Renner für die Linke .
Herr Minister, meine Frage betrifft den Datenaustausch deutscher Sicherheitsbehörden mit denen anderer
Staaten in der EU bzw . der NATO . Darunter sind ja auch
Länder, die im bewaffneten Drohnenkrieg involviert
sind . Sie wissen, diese Problematik treibt uns derzeit
im NSA-Untersuchungsausschuss um . Deswegen meine
Frage: Inwieweit wird bei diesem Datenaustausch, der
jetzt vereinbart ist, die Weisung aus dem November 2011
fortgeschrieben, dass keine Daten an bestimmte Länder
weitergegeben werden dürfen, die zur Geolokalisation
von Personen geeignet sind? Oder wurde diese Weisung
mittlerweile aufgehoben? Wie ist da der Sachstand im
Ministerium?
Insbesondere interessiert mich in diesem Zusammenhang auch, was passiert, wenn entgegen den Absprachen
unter den Ländern die Daten dennoch zur Zielerfassung
genutzt werden, wie es ja in der Vergangenheit insbesondere durch die USA geschehen ist . Wird es dann Restriktionen geben, was die Datenweitergabe angeht?
Vielen Dank .
Frau Abgeordnete Renner, der Datenaustausch zwischen Staaten ist gar nicht Gegenstand dieses Gesetzes,
sondern Gegenstand dieses Gesetzes ist auf Dienstebene,
nicht auf Polizeiebene, die Einrichtung gemeinsamer Dateien . Ich vermute aber, Sie meinen mit Ihrer Frage den
Datenaustausch etwa mit den Vereinigten Staaten von
Amerika und in dem Zusammenhang möglicherweise die
Vereinbarung, die ich in der letzten oder in der vorletzten
Woche mit meiner amerikanischen Kollegin unterzeichnet habe . Ist es das, worauf Ihre Frage zielt?
Beides! Auch Daten, die ich in Datenbanken einspeisen kann, können Telekommunikationsdaten zu Personen
enthalten und können geeignet sein, dann auch im Drohnenkrieg eingesetzt zu werden . Natürlich zielt die Frage
auch auf das MoU, aber ich halte diese Problematik auch
bei den Datenbanken für relevant .
Der Austausch richtet sich auch bei dem Datenaustausch immer nach deutschem Recht, sodass alles, was
dort an Restriktionen besteht, auch weiterhin gilt .
Was den Gesetzentwurf angeht, so wird unterschieden zwischen EU- und NATO-Staaten - in diesen Fällen brauchen wir ein erhebliches Sicherheitsinteresse,
ein ausreichendes Datenschutzniveau und die Achtung
rechtsstaatlicher Prinzipien - und anderen Staaten . Bei
diesen sind die Anforderungen höher: Da muss ein erhöhtes Sicherheitsinteresse bestehen und auch ein erhöhtes Datenschutzniveau . Zusammenarbeit ist in solchen
Fällen auch durch das Bundesinnenministerium genehmigungspflichtig. Bei den anderen Staaten, die EU- und
NATO-Staaten gleichgestellt sind, muss dies sogar und
erstmalig durch den Bundesminister des Innern in Person
erfolgen . Es gibt also eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen, die dafür sorgen, dass es nicht zu Missbräuchen
kommen kann .
Vielen Dank . - Nächste Frage von Irene Mihalic für
die Grünen .
Ich möchte eine Frage zu den neuen Registrierungsvorschriften in Bezug auf SIM-Karten stellen: Sollen
diese Vorschriften nur für SIM-Karten gelten, oder sind
damit auch neue Registrierungsvorschriften für andere Wege der Kommunikation wie beispielsweise für
E-Mail-Adressen gemeint oder mitenthalten?
Das gilt auf jeden Fall für SIM-Karten - mit all dem,
was jetzt im Vertrieb möglich ist . Wenn Sie mit den
SIM-Karten entsprechende Dienste anbieten, dann gilt
das auch . Es geht also um den Erwerb von SIM-Karten .
Der Kollege Marian Wendt hat die nächste Frage .
Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag . Sie haben ja ausgeführt, dass das neue Gesetz auch zur Verbesserung der Arbeit der Nachrichtendienste in Deutschland
führen wird . Vor dem Hintergrund zahlreicher Gefährder - das sind Tausende, zum Beispiel Menschen, die aus
Europa nach Syrien gereist sind und nun auf dem Weg
zurück sind - ist zu fragen, wie sich das Ganze auf europäischer Ebene gestaltet . Von daher zielt meine Frage
auf die Bemühungen der Bundesregierung zur Koordinierung des Austausches von Daten über potenzielle Terroristen auf europäischer Ebene . Was ist diesbezüglich
geplant, und was wurde bereits umgesetzt? Wie wurden
die Datenschutzbedenken in diesem Rahmen erläutert,
bzw . wie kann für ein einheitliches Datenschutzniveau
gesorgt werden, wenn es zu einem entsprechenden Austausch kommt?
Da ist ja viel passiert, nachdem es jahrelang Versäumnisse gab . Wir haben die europäische Fluggastdatenrichtlinie, PNR, geschaffen . Wir tauschen jetzt also
Fluggastdaten von Flügen nach Europa und auch innerhalb Europas aus; diese Richtlinie müssen wir mit einem
Bundesgesetz noch umsetzen .
Wir hatten im bestehenden Recht Mängel bei der Zulieferung von Daten an Europol . Vier, fünf Länder, darunter Deutschland, hatten 80 Prozent der Daten geliefert;
andere Staaten waren zögerlich . Das ist noch verbesserungsfähig; aber immerhin hat sich der Anteil der Lieferungen deutlich erhöht, auch angesichts der Anschläge .
Wir sehen Vorschlägen, die auch auf deutsche Initiative hin zustande gekommen sind, für ein sogenanntes
Smart-Border-System, also für eine intelligente Steuerung an den EU-Außengrenzen, entgegen . Wir wollen
wissen, wer in den Schengen-Bereich ein- und wieder
ausreist . Das ist ein technisch anspruchsvolles Vorhaben;
das wird aber durch die EU-Kommission betrieben .
Und die Nachrichtendienste sind dabei, in Den Haag
eine Austauschplattform aufzubauen, um besser Informationsaustausch betreiben zu können .
In diesem Bereich ist also sehr viel passiert . Im letzten
Jahr ist mehr passiert als in den letzten zehn oder fünf
Jahren, sage ich mal . Aber wir müssen dranbleiben, damit das fortgesetzt wird .
Vielen Dank . - Die nächste Frage bekommen Sie von
Frank Tempel von der Linken .
Herr Minister, Sie haben sich ja kurz zum Einsatz
verdeckter Ermittler geäußert, die auch im Bereich der
Gefahrenabwehr zum Einsatz kommen sollen . Wir haben
uns die Fakten angeschaut: An den Grenzen gibt es relativ wenige Feststellungen von Schleusern; es gibt da
Taxifahrer und andere Leute, die sich etwas dazuverdienen wollen, aber keine Feststellungen in nennenswerten
Größenordnungen .
Wir schauen uns natürlich an, ob die vorgeschlagenen
Maßnahmen dem angegebenen Zweck auch tatsächlich
dienlich sind: Wie soll also dieser Einsatz verdeckter Ermittler aussehen? In welchen Bereichen sollen sie überhaupt eingesetzt werden? Und vor allen Dingen: Wie
wird dieser Einsatz mit den Ländern abgestimmt? Wie
wird also sichergestellt, dass der Einsatz der Bundespolizei, die stärker in den präventiven Bereich, in den gefahrenabwehrenden Bereich eingreifen soll, im Einklang mit
dem föderalen Prinzip steht?
Zur zweiten Frage: Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern wird hier nicht angetastet . Ich würde es anders betrachten: Jede Landespolizei
kann im Rahmen der Gesetze verdeckte Ermittler einsetzen . Auch das Bundeskriminalamt kann auf Basis des
Bundeskriminalamtgesetzes verdeckte Ermittler einsetzen . Es stellt sich doch die Frage, warum der Einsatz von
verdeckten Ermittlern nicht längst auch zum normalen
polizeilichen Instrumentarium der Bundespolizei gehört .
Diesen Mangel beheben wir jetzt mit diesem Gesetz .
Bezüglich der grenzüberschreitenden Schleuserkriminalität bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Tempel . Die
Zahlen sind gestiegen; gerade in den letzten Tagen sind
sie wieder gestiegen . Und für eine erfolgreiche Arbeit gegen Schleuser muss man mehr tun, als Taxifahrer kritisch
anzuschauen . Man muss vielmehr die OK-Strukturen,
die hinter den organisierten Reisebewegungen von Menschen aus bestimmten Staaten in Afrika nach Deutschland stecken, und die Wertschöpfungsketten, die damit
verbunden sind - es gibt Banden, die damit sehr viel
Geld verdienen -, besser ausforschen, um sie bekämpfen
zu können . Und dafür sind verdeckte Ermittler exakt das
richtige Instrument .
Die nächste Frage: Hans-Christian Ströbele für die
Grünen .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Minister, ich habe
zunächst eine kleine Vorfrage: Ich habe Ihr Ministerium
am 20 . und am 25 . Mai dieses Jahres gebeten, mir den
Gesetzentwurf zur Verfügung zu stellen . Leider habe ich
keine Reaktion bekommen, obwohl ich einen Anspruch
darauf habe . Ich konnte dann nur voll Neid auf die Journalisten schauen, die Sie ausreichend versorgt hatten . Die
Journalisten hatten den Gesetzentwurf, das Parlament
hatte ihn nicht . Vielleicht können Sie mir die Frage beantworten, wie so etwas kommt .
Meine zentrale Frage ist folgende: Nach welchem
Gesetz werden die gemeinsamen Dateien errichtet, also
welches Gesetz ist maßgeblich? Ist es das deutsche? Und
wer ist für die Kontrolle zuständig: der bzw . jetzt die
Bundesbeauftragte für Datenschutz oder das deutsche
Parlament? Wie funktioniert das dann, wenn Sie zum
Beispiel mit Ungarn oder Bulgarien vereinbaren, eine
solche gemeinsame Datei zu errichten?
Zur ersten Frage: Das kann ich jetzt aus dem Stand
nicht beantworten . Normalerweise sind Sie relativ gut inMarian Wendt
formiert, was Dinge angeht, über die Sie normalerweise
nicht unterrichtet sein sollten .
({0})
Es wundert mich, dass es hier anders gewesen sein soll .
({1})
Allerdings hat auch die Ressortabstimmung lange gedauert . Sie ist erst kurz vor der Kabinettssitzung abgeschlossen worden . Sie sollen jedenfalls nicht schlechter unterrichtet werden als andere Abgeordnete . Das ist, glaube
ich, richtig .
Zur Sache selbst . Die Rechtsgrundlage für die Errichtung der Dateien kann natürlich nur deutsches Recht
sein . Wir ändern hierfür vor allem das Bundesverfassungsschutzgesetz . Das richtet sich also nach deutschem
Recht . Die Führung einer Datei wird dann sicherlich
durch ein Abkommen mit dem entsprechenden Land eine
weitere Rechtsgrundlage bekommen . Aber dieses Abkommen kann die Ermächtigung nach deutschem Recht
nicht toppen .
({2})
- Kontrolle findet dann nach deutschem Recht statt. Ich
hatte im Zusammenhang mit einem solchen Abkommen
nicht an Ungarn als erstes Land gedacht, sondern eher
an Frankreich . Ich denke, dass wir dann nach deutschem
Recht das Verhalten deutscher Behörden kontrollieren
und nicht nach deutschem Recht das Verhalten französischer Behörden . Wir werden sicher auch keinen Dritten
akzeptieren, der das nach supranationalem Recht macht .
Vielen Dank . - Jetzt haben wir noch vier Kolleginnen
und Kollegen, die zu diesem Themenkomplex Fragen haben . - Ich fange an mit Petra Pau .
Herr Minister, ich komme noch einmal auf die Prepaidkarten zurück . Es ist ja vorgesehen, dass die Telekommunikationsanbieter die Daten für Anschlüsse, die
ab dem 22 . Juni 2004 bestanden, nacherheben sollen .
Jenseits der Frage, ob diese Regelung, die jetzt vorgesehen ist, uns überhaupt etwas bringt, stellen sich mir die
Fragen: Warum dieses Datum? Ist das hinsichtlich des
Aufwandes, der den Telekommunikationsanbietern entsteht, verhältnismäßig? Also welche Begründung gibt es
dafür?
Die Antwort auf die Frage, warum dieses Datum gewählt wurde, würde ich Ihnen gerne schriftlich nachreichen . Das kann ich Ihnen aus dem Stand nicht sagen .
Ich finde nur, es darf keine Prämie für die Anbieter
geben, wenn sie das, wozu sie längst verpflichtet gewesen wären, wie Herr von Notz zu Recht festgestellt hat,
bisher nicht gemacht haben .
Wir haben aber erstens in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass wir im nächsten halben Jahr mit den Anbietern ein technikoffenes und für die Kunden praktikables
Verfahren entwickeln .
Zweitens haben wir eine Übergangsfrist, die sehr lang
ist - ich finde sie recht lang; vielleicht kann man sie noch
verkürzen -, eingeräumt . Sie beträgt 18 Monate . Innerhalb dieser 18 Monate sind, glaube ich, alle diese Fragen,
ohne dass es zu einer übergroßen Belastung der Unternehmen kommt, zu regeln .
Konstantin von Notz .
Herr Minister, zu dem Punkt des Kollegen Ströbele
nur die Anmerkung: Dass die Presse sozusagen über
diesen Gesetzentwurf informiert wurde, bevor das Parlament informiert wurde, ist kein guter Stil .
Ich wollte noch einmal bezüglich der Datenbanken
nachfragen . Meiner Ansicht nach ist es ein Paradigmenwechsel, dass man gemeinsam mit anderen Ländern Datenbanken errichtet . Gibt es dann Errichtungsanordnungen durch die BfDI?
Und: Um welche Staaten könnte es sich handeln? Sie
reden jetzt gerne von Frankreich und sagen zu Ungarn:
Vielleicht . Wie ist es denn mit Syrien oder Ägypten? Ist
das ausgeschlossen?
Vor allen Dingen im Hinblick auf den Zweck muss
man sagen: Das Paket ist ja überschrieben mit „Antiterror“ . Sie haben eben von Sicherheitsbelangen geredet,
die Grundlage für die Errichtung dieser Datenbanken
sein können . Kann es also sein, dass sogar für andere
Zwecke als Antiterror deutsche Staatsbürgerinnen und
Staatsbürger - ich spitze es jetzt einmal zu - in Datenbanken gemeinsam mit Assad ({0}) landen, auf die
dann von Nachrichtendiensten beider Seiten zugegriffen
werden kann - ist das möglich? -, oder könnten Sie abschließend die Zwecke, für die solche gemeinsamen Dateien errichtet werden können, aufzählen?
Ich kann Ihnen erst einmal sagen: Ihr Beispiel ist vollständig abwegig .
({0})
- Meine Meinung ist, dass Ihr Beispiel vollkommen abwegig ist; das kann ja so stehen bleiben . Sie sagen, es sei
nicht abwegig . Ich bin der Meinung, es ist abwegig .
({1})
Sie sprachen von einem Paradigmenwechsel . Dieses
Wort ist vielleicht ein bisschen zu groß . Das Wort „Paradigmenwechsel“ wird meines Erachtens ein bisschen zu
häufig verwendet.
({2})
Aber ich stimme Ihnen zu: Es ist tatsächlich eine qualitative Veränderung, dass wir mit bestimmten Staaten nicht
nur Daten austauschen, sondern auch eine gemeinsame
Datei mit ihnen führen . Das ist ein großer sicherheitspolitischer Gewinn .
Sozusagen als Vorsichtsmaßnahme muss man dann natürlich entsprechende Vorkehrungen treffen . Dabei spielt
die Definition eine Rolle. Es geht um erhebliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland; diese
Definition ist noch genauer, schränkt weiter ein: Die Teilnahme setzt notwendige Standards wie ein angemessenes
Datenschutzniveau und die Einhaltung rechtsstaatlicher
Prinzipien voraus . Darüber muss sich das Bundesamt für
Verfassungsschutz vergewissern; das wird genau geprüft .
Das BMI muss in allen Fällen gemeinsamer Dateien zustimmen, und der Bundesminister des Innern in Person
muss zustimmen, wenn es um Drittstaaten außerhalb des
Kreises unserer Nachbarn oder unserer Sicherheitspartner in EU und NATO geht . Das wird aber die große Ausnahme sein . Mit den Staaten, die Sie genannt haben, wollen wir keine gemeinsamen Sicherheitsdateien führen .
({3})
- Wenn mir die Präsidentin noch ein bisschen Zeit gibt,
Ja, die ist heute gut aufgelegt .
({0})
- will ich schnell nachsehen, welche Zwecke es sind .
Es müssen jedenfalls Tatsachen vorliegen, bestimmte
Bestrebungen existieren, es müssen erhebliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland betroffen sein . Das sind die Voraussetzungen .
({0})
- Nicht zwingend Terror .
({1})
Vielen Dank . - Es haben sich noch André Hahn und
Irene Mihalic gemeldet . Dann frage ich, zu welchem
Punkt es weitere Fragen gibt . - Herr Hahn .
Vielen Dank . - Herr Minister, der Gesetzentwurf enthält die Regelung, dass Daten nur dann übermittelt werden dürfen, wenn der andere Nachrichtendienst zusagt,
dass er über die weitere Verwendung dieser Daten später
im Zweifel auch Auskunft gibt . Es gibt diese Regelung
bereits jetzt im Hinblick auf die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Dienste .
Wir haben in einer Kleinen Anfrage nachgefragt, in
wie vielen Fällen das Bundesamt für Verfassungsschutz
oder der BND nachgehakt haben, was mit diesen Daten
passiert ist, und ob die Auskunft erteilt worden ist . Sie
haben uns diese Frage nicht beantworten können . Insofern gibt es derzeit gar keine parlamentarische Möglichkeit der Kontrolle, ob dieser Schutzmechanismus, der im
Gesetz steht, auch greift . Deshalb möchte ich gerne fragen, ob Sie inzwischen Erkenntnisse zusammengetragen
haben, was die Weitergabe oder Weiterverwendung von
Daten durch andere Dienste angeht, und was dabei das
Ergebnis gewesen ist .
Nein, ich kann Ihnen aus dem Stand nicht sagen, ob
es weitere Erkenntnisse gibt . Aber es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Staaten, mit denen dies im
Wesentlichen stattfindet - etwa europäische Staaten wie
Frankreich und Großbritannien, aber auch andere -, die
Daten, die sie von uns bekommen, rechtsmissbräuchlich
verwenden .
Vielen Dank . - Nun steht noch Kollegin Irene Mihalic
für die Grünen auf der Liste .
Herr Minister, ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass Sie eben sagten, dass Sie gemeinsame Dateien auch mit Sicherheitspartnern anstreben . Wir haben
vorhin gehört: Das Bundesamt für Verfassungsschutz
tauscht Daten mit Syrien aus . An dieser Stelle möchte ich
gerne noch einmal konkret nachfragen: Ist Syrien solch
ein Sicherheitspartner?
Die gleiche Frage bezieht sich auch auf Ägypten . Sie
waren ja kürzlich in Ägypten und haben sich mit dem
dortigen Innenminister über eine engere, auch polizeiliche, Zusammenarbeit ausgetauscht . Möglicherweise
ging es dabei auch um den Austausch von Informationen
der Nachrichtendienste .
Meine konkrete Frage lautet: Welche Länder können
Sie ausschließen, wenn es um eine Zusammenarbeit im
Hinblick auf gemeinsame Datenbanken geht? Bei welchen Ländern käme Ihrer Ansicht nach eine Zusammenarbeit also nicht infrage?
Das sind alle Staaten, bei denen die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht gewährleistet ist .
({0})
Unser besonderes Interesse richtet sich auf die
EU-Staaten, auf die NATO-Staaten und auf die der
NATO gleichgestellten Staaten . Da Sie Sicherheitsexpertin sind, wissen Sie, welches Land dafür insbesondere in
Betracht kommt .
Vielen Dank, Herr Minister . - Damit kommen wir
jetzt - das wissen Sie - zum zweiten Punkt der Regierungsbefragung . Ich frage Sie daher, ob es Fragen zu
anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt . Christian Ströbele .
Mir drängt sich eine Frage auf, Herr Minister: Ist heute in der Kabinettssitzung auch über die neueste, jetzt
bekanntgewordene Panne beim Bundesamt für Verfassungsschutz - offenbar sind SIM-Karten des verstorbenen V-Mannes „Corelli“ aufgetaucht; das ist ja nur eine
Panne in einer ganzen Pannenserie - gesprochen worden,
und ist auch darüber gesprochen worden, wer und welches Ministerium nun langsam einmal die Verantwortung
für diese Pannenserie, die jetzt ja schon seit drei Jahren
andauert, übernimmt?
Herr Abgeordneter Ströbele, darüber ist im Kabinett
nicht gesprochen worden .
Vielen Dank, Herr Minister . - Damit kommen wir jetzt
zum dritten Punkt der Regierungsbefragung, nämlich zu
den Fragen zu Themen, über die in der Kabinettssitzung
zwar nicht gesprochen wurde, die für die Kolleginnen
und Kollegen hier aber gleichwohl von Interesse sind . Zuerst hat sich die Kollegin Petra Pau gemeldet .
Meine Frage schließt sich an die Frage des Kollegen
Ströbele an: Haben Sie nach dem wundersamen Auftauchen eines Handys vor circa drei Wochen, welches
dem ehemaligen V-Mann „Corelli“ zugerechnet wird,
im Rahmen Ihrer Dienstaufsicht Maßnahmen getroffen,
um eventuell weitere noch vorhandene Beweismittel im
Bundesamt für Verfassungsschutz zu sichern, und haben
Sie dienstliche Erklärungen von denjenigen eingeholt,
die in irgendeiner Weise damit befasst waren?
Wie gesagt, wir sind in dieser Woche mit der Tatsache
konfrontiert, dass plötzlich vier SIM-Karten aufgetaucht
sind . Auch hier gab es übrigens das Phänomen, dass ich
schon mittags Anrufe von Journalisten bekommen habe,
die mich zu diesem Sachverhalt befragten, während Ihr
Ministerium mich erst um 17 .31 Uhr im Vorfeld des Obleutegesprächs per E-Mail über diese Tatsache unterrichtet hat .
Mich interessiert: Was geschieht in Ihrem Ministerium, um dort die Dienstaufsicht entsprechend wahrzunehmen und uns vielleicht vor weiteren Überraschungen zu
bewahren?
Dass dort vier SIM-Karten gefunden worden sind,
war auch für das Bundesministerium des Innern überraschend . Die Vorfälle sind Anlass zu sehr kritischer
Dienst- und Fachaufsicht . Wir schicken Mitarbeiter dorthin, die dort alles überprüfen, und dann wird es einen
Bericht an uns geben, der auch in den entsprechenden
parlamentarischen Gremien mündlich oder schriftlich
vorgestellt werden wird . Bevor dieser Bericht nicht da
ist, möchte ich allerdings keine Bewertung abgeben .
Britta Haßelmann .
Herr Minister, das ist aber doch ein skandalöser Vorgang . Wir werden jeden Tag mit neuen Dingen konfrontiert . Gegenüber den Familien und den Opfern des
NSU-Terrors ist diese Entwicklung eine dramatische
Situation . Wir hatten einen Sonderbeauftragten . Jerzy
Montag hat einen umfangreichen „Corelli“-Bericht verfasst . Danach wurden die Parlamentarier in einer Art Salamitaktik mit immer neuen Vorgängen in dieser Sache
konfrontiert - und zwar nachdem die Presse informiert
wurde, wie Petra Pau gerade gesagt hat -, die skandalös
sind, was das Bundesamt für Verfassungsschutz und was
Ihre Dienst- und Fachaufsicht angeht .
Erst war es das eine Handy . Dann sind es plötzlich vier
Handys oder inzwischen sogar sieben oder acht . Jetzt
sind es vier neue SIM-Karten . In jeder Woche wird uns
gesagt: Das war es jetzt . - Das scheint aber nicht der Fall
zu sein . Daher meine Frage: Hat nicht das Parlament ein
Recht darauf - schließlich unterhalten sich anscheinend
auch alle möglichen Leute mit der Presse darüber -, ausreichend und umfangreich darüber informiert zu werden,
und das vielleicht auch einmal im Rahmen einer Regierungsbefragung?
Ja, ich teile Ihre Auffassung . Dieses Recht haben Sie .
({0})
Ich werde dem auch nachkommen, in welcher Form Sie
das auch immer mögen . Soweit es geheimhaltungsbedürftig ist, wird dies in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien geschehen . Das kann ich aber erst
dann tun, wenn auch wir im Ministerium einen klaren
Überblick darüber haben, was dazu geführt hat, dass jetzt
plötzlich vier SIM-Karten auftauchen, nachdem schon
dieses Handy nachträglich gefunden worden war, worüber wir in der Tat auch nicht erfreut waren . Wir möchten
jetzt genauer wissen, was da los ist, und können erst dann
den Vorgang bewerten .
Ich gehe davon aus, dass Frau Renner auch zu diesem
Bereich fragen möchte und Harald Ebner deswegen bereit ist, noch ein bisschen zu warten . Sie kommen aber
auf jeden Fall dran, Herr Ebner . - Dann hat jetzt Martina
Renner das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Nur der Vollständigkeit halber: Vor den Handys und den SIM-Karten ist ja
auch schon die von Thomas Richter an das BfV übergebene NSU/NSDAP-CD aufgetaucht .
Ich halte diese ganze Geschichte nicht für eine Bagatelle oder etwas, über das wir einfach hinweggehen dürfen . Es handelt sich um Beweismittel in einem Strafverfahren, in dem es um zehnfachen Mord und Terror von
rechts geht . Die Daten, die sich auf diesen Gegenständen befinden, ob nun CD, SIM-Karte oder Handy, sind
Beweismittel in diesem Verfahren und hätten seit Jahren
den zuständigen Ermittlungsbehörden, zum Beispiel dem
BKA, und dem OLG München zur Verfügung gestellt
werden müssen .
Deswegen lautet meine Frage an Sie als Dienstherr
des Bundeskriminalamtes: Ist es nicht an der Zeit, dass
das Bundeskriminalamt eine Beweissicherungsmaßnahme im Bundesamt für Verfassungsschutz durchführt,
um sicherzustellen, dass alle dort noch befindlichen Beweismittel zum Komplex NSU wenigstens noch in das
laufende Verfahren vor dem OLG München eingeführt
werden können?
Ich denke, nach den ganzen Vorgängen - es geht um
einen Zeitraum von viereinhalb Jahren und um mehrfache offensichtliche Vertuschungsaktionen, also nicht
etwa Fehler oder Pannen - ist es an der Zeit, dass Sie tatsächlich auch die zuständige Ermittlungsbehörde in den
Stand versetzen, sämtliche Beweismittel im Bundesamt
für Verfassungsschutz zu sichern . Was ist Ihre Haltung
dazu?
Frau Renner, zunächst möchte ich sagen, dass auch
ich das nicht für eine Bagatelle halte . Aber ich möchte
erst klarer wissen, was genau los war, warum das nicht
vorher erfolgt ist, welche Motive es dafür möglicherweise gab und was auf den SIM-Karten gespeichert ist . Dann
muss man den Vorgang bewerten .
Irene Mihalic .
Herr Minister, es gab inzwischen schon mehrere Gelegenheiten, diesen Vorgang entsprechend zu bewerten . Sie
haben vorhin in diesem Zusammenhang auch parlamentarische Berichte angesprochen, die Sie uns hier vorlegen
wollen, nachdem Sie diese Vorgänge im BfV hoffentlich
tatsächlich einmal lückenlos aufgeklärt haben werden .
Ich möchte nur daran erinnern, dass wir uns mit der
Angelegenheit V-Mann „Corelli’“ nicht nur ein einziges
Mal im Innenausschuss befasst haben . Von Mai 2014 bis
Februar 2015 gab es regelmäßig Befassungen mit diesem
Thema im Innenausschuss . Es waren regelmäßig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses im Innenausschuss zu Gast . Auch BfV-Präsident Maaßen war regelmäßig Gast im Innenausschuss und hat uns auf unsere
dezidierten Nachfragen immer versichert, es gebe im
Zusammenhang mit dem ehemaligen V-Mann „Corelli“
fünf Handys und die dazugehörigen SIM-Karten . Auch
auf mehrmalige Nachfrage hat er diese Feststellung nicht
ergänzt, und es ist auch nicht noch einmal nachgeschaut
worden, sondern das war definitiv. Damit mussten wir
uns als Parlament ausreichend informiert fühlen . Wir
mussten in dem Moment davon ausgehen: Okay, das war
es jetzt .
Jetzt kommt ein Ding nach dem anderen, um es einmal so zu formulieren: Erst wird ein Handy gefunden,
dann vier weitere SIM-Karten . Wir dürfen gespannt sein,
was man vielleicht sonst noch alles findet. Ich jedenfalls
bin sehr gespannt, was Ihre Mitarbeiter, die Sie ins BfV
nach Köln entsenden, dort noch finden werden. Deshalb
möchte ich erst einmal wissen: Wem können wir, die wir
in Innenausschusssitzungen informiert werden, in diesem Zusammenhang noch glauben?
Ich möchte noch etwas von Ihnen wissen . Wenn Sie
jetzt Ihre Mitarbeiter ins BfV nach Köln entsenden: Welche konkreten Maßnahmen werden sie dort treffen? Die
Kollegin Renner hat vorhin zutreffend festgestellt, was
jetzt eigentlich die richtige Maßnahme wäre, nämlich die
Beweismittelsicherung durch das Bundeskriminalamt .
Die Frage ist also: Was werden die Mitarbeiter des BMI
im BfV tun, um diese Angelegenheit tatsächlich einmal
lückenlos aufzuklären?
Ich darf die Kollegen auf Folgendes hinweisen: Eine
Minute ist die Fragezeit, eine Minute ist die Antwortzeit .
Sie haben diese Zeit deutlich überzogen . Das heißt, wenn
der Minister ebenfalls überziehen möchte, hat er dazu das
Recht .
Zur ersten Frage, wem Sie glauben können: Diese Frage müssen Sie höchstpersönlich beantworten .
({0})
- Sie können dem Bundesministerium des Innern glauben . Die Auskünfte beziehen sich natürlich immer auf
den aktuellen Kenntnisstand .
Zum Auftrag . Der Auftrag der Mitarbeiter ist umfassend . Ich möchte jetzt nicht alle Prüffragen vortragen . Es
geht zum Beispiel um Fragen wie: Ist es derselbe Safe?
Wer hat Zugang zu dem Safe? Was ist eigentlich geschehen, nachdem dieses Handy gefunden wurde? Wer hat
wo und wie was protokolliert? Wer hat Zugang zu diesen
Schränken? Gibt es noch mehr Schränke? All diese Fragen werden natürlich Gegenstand der Untersuchungen
sein .
Dann Frank Tempel und danach Konstantin von Notz
noch zu diesem Punkt .
Herr Minister, meine Kollegen haben zu Recht gefragt, welche Maßnahmen und welche Überprüfungen
im Rahmen der Beweismittelsicherung erfolgen werden .
Mir geht es aber noch um etwas anderes . Da Sie gesagt haben, es würden Mitarbeiter zur Überprüfung hingeschickt, bitte ich darum, die Frage zu beantworten:
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um grundsätzlich
etwas zu ändern? Sie wissen, dass ich ein ehemaliger
Polizeibeamter bin . Ich weiß, wie man Asservate sicherstellt und wie man solche Fehler grundsätzlich vermeiden
kann . Ein wichtiger Zeuge im Untersuchungsausschuss,
der zu einer Aussage hätte fähig sein müssen, konnte uns
nicht die Frage beantworten, wie normalerweise das Verfahren bei der Sicherstellung solcher Gegenstände ist .
Jetzt ist es mehrfach passiert, dass offensichtlich etwas völlig unkontrolliert herumliegt, das nicht mehr
zugeordnet werden kann . Ich kann mir in einer deutschen Behörde mit Beamten, ehrlich gesagt, eine solche
Schlamperei nicht vorstellen . Was wird getan werden,
um das grundsätzlich für die Zukunft auszuschließen?
Es geht nicht nur darum, was im Einzelfall passiert ist
und welche Beweismittel noch vorhanden sind . Vielmehr
ist die Frage: Wie kann so etwas ein für alle Mal ausgeschlossen werden?
Herr Abgeordneter, das wird man sicher sehen, wenn
der Bericht da ist . Ich gehe davon aus, dass der Präsident
des Bundesamts für Verfassungsschutz selbst ein hohes
Interesse an vollständiger Aufklärung hat .
Konstantin von Notz .
Herr Minister, die Bundeskanzlerin selbst hat während
der Trauerfeier für die NSU-Opfer und in Anwesenheit
der Familien der Opfer rückhaltlose Aufklärung versprochen . Viele Kollegen, die dabei waren, sind auch heute
hier im Saal .
Die jetzige Faktenlage spricht dafür, dass es diese
rückhaltlose Aufklärung nicht gab und dass das Parlament in verschiedenen Gremien falsch informiert wurde .
Mich interessiert einfach, wer dafür die Verantwortung
übernimmt, völlig unabhängig von Einzelheiten und auch
davon, ob dabei eine große Verschwörung herauskommt
oder nicht . Der Sachverhalt, wie viele Handys und wie
viele SIM-Karten es gab - darüber gab es Extrasitzungen
im Innenausschuss -, war zu dieser Zeit hochrelevant,
aber die Wahrheit wurde uns nicht erzählt .
Herr von Notz, ich teile Ihre Auffassung nicht . Der
deutsche Rechtsstaat, das Parlament, die Länderparlamente haben in einer beispielhaften Weise all diese Zusammenhänge aufgeklärt, Erkenntnisse auf den Tisch
gelegt sowie Empfehlungen gegeben . Es hat in einer beispiellosen Weise Selbstkritik der Verfassungsschutz- und
Polizeibehörden gegeben .
({0})
- Ich komme gleich darauf zu sprechen . - Es hat einen
Reformprozess im Bundesamt für Verfassungsschutz
und in den entsprechenden Landesämtern gegeben . Wir
haben Empfehlungen des Untersuchungsausschusses bekommen, die im Wesentlichen umgesetzt worden sind
und werden . Es gibt einen neuen Untersuchungsausschuss . Wir haben das Gesetz über das Bundesamt für
Verfassungsschutz geändert, etwa was die V-Mann-Führung angeht . Wir haben einen Strafprozess, in dem jetzt
sehr gründlich verhandelt wird .
Der deutsche Rechtsstaat hat also wirklich mit großer
Leidenschaft und nüchternem Verstand diese Mordserie
zum Anlass genommen, auch strukturelle Defizite aufzuklären und abzustellen . Wenn sich jetzt herausstellt, dass
das noch nicht genug war, weil noch weitere Dinge auftauchen, dann ist das zu bewerten . Das muss aber erst
einmal aufgeklärt werden, und dann muss weiter dafür
gesorgt werden, dass so etwas nicht mehr vorkommt .
Aber ich halte es für falsch, zu sagen, wegen dieser
vier SIM-Karten, von denen wir noch nicht wissen, was
darauf gespeichert ist, sei sozusagen der gesamte Prozess
der Aufarbeitung der NSU-Mordserie nicht gelungen .
({1})
Auch das wäre, glaube ich, den Opfern gegenüber nicht
richtig und nicht angemessen .
({2})
Ich lasse jetzt noch vier Fragen zu, bevor wir dann
in die Fragestunde übergehen . Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden . - Noch zu diesem Komplex Frau
Haßelmann und Frau Mihalic, und dann Herr Ebner und
Herr Krischer, die sich ebenfalls gemeldet hatten . Danach schließe ich die Regierungsbefragung ab, und dann
kommen wir zur Fragestunde . - Frau Haßelmann, bitte .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Minister, gerade weil wir das alle wollen und weil wir es mit der Aufklärung und der Verantwortung gegenüber den Familien
ernst meinen, kann man das doch nicht vertreten . Unseren Untersuchungsausschüssen im Deutschen Bundestag - dem ersten in der letzten Legislatur und dem zweiten in dieser - und den Untersuchungsausschüssen in
den Länderparlamenten sowie unserem Sonderermittler
Jerzy Montag, der extra für den Fall „V-Mann Corelli“
eingesetzt worden war und einen riesenlangen Untersuchungsbericht dazu vorgelegt hat, sind alle diese Dinge,
über die wir gerade sprechen, vorenthalten worden, und
zwar von einer deutschen Behörde . Das kann man einfach nicht erklären . Das ist doch verantwortungslos .
Daher kann man nicht sagen: Wir haben alles getan . Wir haben nicht alles getan, und es hat ein Versagen gegeben . Angesichts dieses Versagens ist für uns die Frage: Was kommt noch? Dass es nach der Vorgeschichte
Zweifel gibt, müssen Sie doch nachvollziehen können .
Es gibt Zweifel, ob wir jetzt wirklich alles wissen, und
die Befürchtung, dass vielleicht in der nächsten Woche
wieder drei SIM-Karten und vier weitere Handys auftauchen, obwohl man uns seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum dreiundzwanzigsten Mal erklärt hat:
Das war jetzt alles . - Das ist die Frage, die uns alle nach
den neuen Informationen umtreibt .
Frau Haßelmann, ich glaube nicht, dass wir sozusagen
in dem Motiv und in dem, was uns ärgert oder bedrückt,
auseinander sind . Wir teilen das . Ich habe auf die Frage
der Abgeordneten Renner gesagt: Es ist keine Bagatelle,
um die es hier geht .
Allerdings kann man den Begriff „vorenthalten“, den
Sie verwendet haben, so deuten, als gäbe es irgendwelche
Beamte, die gesagt haben: Wenn Herr Montag kommt,
dann zeigen wir ihm dieses und jenes extra nicht .
({0})
Ich hoffe nicht, dass das so war .
Aber es gibt noch andere Gründe, warum man irgendetwas nicht findet. Auch das wäre nicht in Ordnung. Um
das vollständig aufzuklären, sind Mitarbeiter vor Ort, um
das in gemeinsamer Arbeit mit dem Bundesamt aufzuklären, und dann wird man weitersehen .
Vielen Dank, Herr Minister . - Irene Mihalic .
Was man aber doch auf jeden Fall sagen kann - und
dem stimmen Sie offensichtlich auch zu -, ist, dass dem
Sonderermittler Jerzy Montag nicht alle Informationen
zur Verfügung standen und dass wir in zahlreichen Sitzungen des Innenausschusses nicht die Informationen
erhalten haben, die wir benötigt hätten, um die ganze
Angelegenheit tatsächlich aufklären zu können oder dem
im Sinne einer umfassenden Aufklärung Rechnung zu
tragen .
Deswegen muss ich noch einmal die Frage stellen,
wer für diese Falschinformationen des Parlaments - es
waren falsche Angaben, die uns gemacht worden sind,
aus welchen Gründen auch immer sie getroffen wurden die Verantwortung übernimmt . Wen aus Ihrem Haus entsenden Sie nun in das Bundesamt für Verfassungsschutz,
um das aufzuklären? Was sind das für Mitarbeiter?
Zu Ihrer ersten Frage: Es ist zu früh, das zu beantworten . Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz
unterrichtet das Parlament auf Basis seines jeweiligen
Kenntnisstandes . Nun werden wir sehen, wie die Kenntnisse waren und wie sie zustande gekommen sind .
Zu Ihrer zweiten Frage: Es sind Mitarbeiter - diese
will ich jetzt nicht namentlich nennen - aus dem Aufsichtsbereich der Abteilung Öffentliche Sicherheit .
Vielen Dank . - Nächster Fragesteller ist Harald Ebner,
Bündnis 90/Die Grünen .
Dann wechseln wir das Thema . In der letzten Woche
hat der Deutsche Ärztetag gefordert, die Zulassung des
Pflanzenkillers Glyphosat zu widerrufen. Am nächsten
Montag wird ein Gremium der Europäischen Union, das
Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed,
über die Verlängerung der Zulassung dieses Pflanzenkillers um 12 bis 18 Monate ohne jedwede Beschränkung
entscheiden .
Genau das Gleiche sollte schon am 18 . Mai passieren .
Aber damals gab es keine deutliche Mehrheit . Deshalb
wurde das verschoben . Wir hatten dazu einen Antrag im
Plenum eingebracht . Dieser wurde - so will ich es einmal formulieren - nicht sachgerecht in die Ausschüsse
überwiesen und seine Beratung heute in dem zuständigen
Ausschuss abgesetzt .
Wenn am Montag die erwähnte Abstimmung stattfindet, brauchen wir eine Positionierung Deutschlands zur
Verlängerung der Zulassung von Glyphosat . War das
heute doch noch Thema im Kabinett, und wenn ja, warum gibt es dann kein Ergebnis? Frau Staatssekretärin
Flachsbarth hat heute Morgen im Ausschuss gesagt, es
gebe dazu momentan keine Position . Wenn nein: Warum wurde das nicht behandelt? Wie gedenkt die Bundesregierung ihre Position in dieser wichtigen Frage bis
Montag zu finden und öffentlich zu kommunizieren, was
Vizepräsidentin Claudia Roth
auch wichtig ist, nachdem das Parlament aus dieser Frage
offenbar herausgehalten werden soll?
Zu Ihrer ersten Frage: Es war heute nicht Gegenstand
der Kabinettsberatungen . Warum etwas nicht Gegenstand der Kabinettssitzung war, lässt sich nicht beantworten; denn es wird nur das behandelt, was aufgesetzt wird .
Deswegen ist Ihre Frage so nicht zu beantworten .
Die Willensbildung der Bundesregierung zu diesem
Punkt ist nach meiner Kenntnis noch nicht abgeschlossen . Es ist durchaus kein ungewöhnlicher Vorgang, dass
vor wichtigen Sitzungen - manchmal bis hin zur letzten
Minute vor einer europäischen Entscheidung - die Willensbildung einer Bundesregierung erst kurzfristig abgeschlossen ist . Das wird hier vermutlich auch so sein . Das
muss nicht bis in die letzten Stunden gehen . Aber heute
ist erst Mittwoch . Bis Montag ist also noch viel Zeit .
Vielen Dank . - Der letzte Fragesteller: Oliver Krischer .
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Minister,
auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums findet sich heute eine Erklärung zur Umsetzung der
Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der
Finanzierung des Kernenergieausstiegs . Ich habe gerade
vor fünf Minuten gesehen, dass diese Erklärung Gegenstand der Kabinettssitzung war . In dieser Erklärung ist
zu lesen, dass das Nachhaftungsgesetz, dessen Entwurf
bereits in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde
und das in den Tiefen der Großen Koalition irgendwie
untergegangen ist, erweitert werden soll .
Meine Fragen lauten: Erstens . Wie wird diese Erweiterung vonstattengehen? Bringen Sie ein neues oder ein
geändertes Gesetz ein? Wie sieht die technische Planung
aus? Das soll schließlich sehr zügig geschehen . Zweitens .
Es wird gesagt, dass die Empfehlungen der Kommission
umgesetzt werden sollen und dass die Bundesregierung
eine Gesetzesinitiative dazu vorbereitet, um die weiteren Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung des
Atomausstiegs zu klären . Wann können wir mit dieser
Gesetzesinitiative rechnen?
Es trifft zu, dass das heute Gegenstand der Kabinettssitzung war . Die Erklärung, die Sie im Internet gelesen
haben, ist vermutlich identisch mit der, die wir heute im
Kabinett beschlossen haben . Der Wirtschaftsminister hat
auch dazu vorgetragen, dass wir der Kommission, insbesondere den drei Vorsitzenden, danken, dass es ihr gelungen ist, ein einstimmiges Votum zu diesem sehr schwierigen Thema zustande zu bringen, und dass das jetzt nach
und nach gesetzgeberisch umgesetzt wird . Der Zeitplan
und das Tempo dieser Gesetzgebung waren heute nicht
Gegenstand der Kabinettsberatung . Aber der zuständige
Wirtschaftsminister wird das in seiner bewährt klugen
Weise so machen, dass das Gesetz rechtzeitig kommt .
Herzlichen Dank . - Damit beende ich die Befragung .
Ich bedanke mich bei den Fragestellerinnen und Fragestellern und selbstverständlich auch beim Minister .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/8566
Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf .
Bezüglich der Frage 1 der Abgeordneten Erika
Steinbach - Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - verfahren
wir, wie in unserer Geschäftsordnung vorgesehen, weil
die Kollegin Steinbach nicht mehr im Raum ist .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit . Die Fragen 2 und 3 der Kollegin
Katrin Kunert werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Ich begrüße Staatssekretär Norbert Barthle .
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Dr . André Hahn auf:
In welcher Weise wurden die Belange von Menschen mit
Behinderungen inhaltlich im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ({0}) sowie personell durch
ihre Organisationen bei der Durchführung des 9 . Weltverkehrsforums ({1}) sowie den
vorhergehenden Weltverkehrsforen berücksichtigt, und welche Initiativen gab es diesbezüglich vom Bundesministerium
für Verkehr und digitale Infrastruktur?
Ich gebe Ihnen zur Beantwortung das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Hahn,
die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und
Grundfreiheiten für alle Menschen ist Grundanliegen
des Weltverkehrsforums . Organisatorisch bietet der Veranstaltungsort Messe Leipzig, wo der Jahresgipfel der
Verkehrsminister 2016 bereits zum neunten Mal in Folge
stattfand, ideale Bedingungen: Spezielle Parkplätze, Vorfahrt des Shuttleservices bis ans Gelände, Audioguides
und Liaisonoffiziere sind wichtige Aspekte barrierefreier
Veranstaltungsstätten .
Inhaltlich setzen sich die 57 Mitgliedstaaten seit dem
ersten Gipfel 2008 kontinuierlich dafür ein, dass inklusiver Verkehr in die jahresübergreifende Zusammenarbeit,
überjährige Forschung, den Jahresgipfel der Verkehrsminister und dort thematisch und personell in die Podien
Eingang findet. Für den diesjährigen Ministergipfel 2016
wurde „Inklusion“ als thematischer Schwerpunkt festgelegt und fand Eingang in den Forumstitel „Green and
Inclusive Transport“ .
Da ich selbst während der gesamten Veranstaltung vor
Ort war, konnte ich mich persönlich davon überzeugen,
dass dies so war .
Dr . Hahn .
Herr Staatssekretär, die Antwort war insofern für mich
unbefriedigend, als ausdrücklich nach barrierefreier
Mobilität gefragt worden war . Sie haben selber gesagt,
Deutschland sei zum neunten Mal Gastgeber gewesen .
Nach unserem Kenntnisstand war noch nicht ein einziges
Mal die Frage der barrierefreien Mobilität offiziell auf
der Agenda . Es haben aber alle Staaten, die Sie genannt
haben, die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert.
Deshalb ist meine Frage: Wann und in welcher Weise
werden Sie bzw . das Ministerium dafür Sorge tragen,
dass das Thema der barrierefreien Mobilität endlich tatsächlich auch im Weltverkehrsforum eine zentrale Rolle
spielt?
Nochmals, Herr Kollege Hahn: Es gab eine Abschlusserklärung zu diesem Weltverkehrsforum . In dieser Abschlusserklärung waren die Themen soziale Inklusion - das beinhaltet nun einmal auch Barrierefreiheit -,
Chancengleichheit, Zugang zu Jobs, zu Ausbildung, zu
Gütern und Services, der Nutzen bzw . die Aufgabe des
Verkehrssektors, die Möglichkeiten neuer Technologien,
Digitalisierung und Planungsprozesse Hauptgegenstand .
Insofern ist dieser Themenbereich während des Weltverkehrsforums präsent .
Ich darf aber auch daran erinnern, dass das Weltverkehrsforum kein Entscheidungsorgan ist, sondern eine
Denkfabrik, ein wichtiger Ort, um verkehrsträgerübergreifende internationale Dialoge mit annähernd 70 Staaten zu führen .
Dr . Hahn, haben Sie eine weitere Frage?
Ja . - Ich muss noch einmal nachfragen, weil Sie von
Erklärungen sprechen . Die Frage ist ja, was dann tatsächlich passieren bzw . umgesetzt wird . Auf nationaler
Ebene scheint die Schaffung von Barrierefreiheit auf der
Liste des Verkehrsministeriums ziemlich weit hinten zu
stehen . Ich habe einmal nachgeschaut: Seit Amtsantritt
von Herrn Dobrindt gab es 376 Pressemitteilungen seines
Ministeriums . Lediglich fünf davon betrafen Themen der
Barrierefreiheit bzw . des barrierefreien Verkehrs . Bayern
dagegen war fast achtmal so oft - nämlich 38-mal - Gegenstand von Presseerklärungen . Deshalb meine Frage:
Welche konkreten Akzente will das Verkehrsministerium
bzw . Minister Dobrindt bis zum Ende der Legislaturperiode noch setzen, um die Barrierefreiheit im Verkehr zu
verbessern?
Herr Kollege Hahn, die Frage, wie oft ein Stichwort
in einer Pressemitteilung erscheint, ist, glaube ich, nicht
das Entscheidende . Ich darf daran erinnern, dass wir
schon sehr viel unternommen haben, um die Barrierefreiheit in Deutschland voranzubringen . Ein Beispiel ist
die Erhöhung von Bahnsteigen, um das Einsteigen in
Nahverkehrszüge zu erleichtern . Weiter ging es darum,
in Omnibussen Mitnahmemöglichkeiten für behinderte
Menschen zu schaffen . Auch da haben wir gesetzliche
Änderungen erreicht . Wir haben also schon viel unternommen, um die bestehenden Barrieren, die es zugegebenermaßen noch gibt, weiter abzubauen, um damit
einen barrierefreien Zugang zu allen Verkehrsträgern zu
ermöglichen .
Vielen Dank .
Wir kommen jetzt zur Frage 5 des Kollegen Markus
Paschke:
Stimmt die Aussage, dass derzeit unter Beteiligung des
Bundesverkehrsministeriums an alternativen Szenarien für
den Masterplan Ems 2050 gearbeitet wird ({0})?
Herr Barthle, bitte .
Vielen Dank . - Sehr geehrter Herr Kollege Paschke,
die Antwort lautet: Nein . Das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, ist Partner des Masterplans Ems 2050 und führt in dem Zusammenhang die Machbarkeitsstudie für den Bau einer Sohlschwelle im Bereich des Emssperrwerks durch .
Neben diesem Projekt beinhaltet der Masterplan
weitere Maßnahmenvorschläge, um die zunehmende
Verschlickung zu stoppen . Hierbei ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur grundsätzlich auch offen für darüber hinausgehende Vorschläge .
Herr Paschke, bitte .
Es war ja ein langer Prozess, bis die Vertragspartner
endlich zueinander gefunden und Vertrauen zueinander
gefasst hatten, sodass dieser Vertrag möglich wurde . Teilt
das Ministerium die Einschätzung, dass durch eine unabgestimmte Infragestellung des gesamten Masterplans
oder von Teilen des Plans seitens einzelner Partner ein
Keil zwischen die mühsam errungene Einigkeit der Vertragspartner getrieben und Vertrauen zerstört wird, das ja
für eine gute Zusammenarbeit in den nächsten 35 Jahren
unumgänglich ist?
Herr Kollege, Teil dieser Vereinbarungen aller Vertragspartner sowie dieser Machbarkeitsstudie ist ja auch,
dass alle im Masterplan verankerten Elemente entsprechend berücksichtigt werden . Dies ist Aufgabe des sogenannten Lenkungskreises . Diesem Lenkungskreis obliegt
es, alle Lösungsansätze bzw . Maßnahmenvorschläge entsprechend zu bewerten und dann einen Maßnahmenplan
zu erstellen . Das wird sicherlich auch so geschehen .
Sind Sie zufrieden? Haben Sie noch eine Frage? Nein .
Gehe ich - weil Herr Barthle sehr deutlich mit Nein
geantwortet hat - recht in der Annahme, dass sich die
nächste Frage, die Frage 6, gar nicht mehr stellt, denn sie
lautet: „Wenn ja, wie sehen diese aus . . .?“, oder soll er sie
trotzdem beantworten, auch wenn er mit Nein geantwortet hat? - Er soll sie trotzdem beantworten .
Dann rufe ich die Frage 6 des Kollegen Paschke auf:
Wenn ja, wie sehen diese aus, und wurden die anderen Vertragspartner darüber informiert?
Herr Barthle, bitte .
Frau Präsidentin, Ihre logische Schlussfolgerung ist
eigentlich völlig richtig . Ich will trotzdem ergänzen, dass
sämtliche Maßnahmen oder Alternativvorschläge innerhalb des über den Masterplan Ems 2050 eingerichteten
Lenkungskreises mit allen Partnern erörtert und gemeinsam festgelegt werden . Das ist das, was ich Ihnen gerade
eben auch schon erläutert habe . Wir legen großen Wert
darauf, dass alle Maßnahmen im Lenkungskreis erörtert
und festgelegt werden .
Herr Paschke, bitte .
Ich habe noch eine Nachfrage . In dem Zusammenhang
wurde in der Öffentlichkeit ja auch ein Kanal ins Gespräch gebracht . Gibt es denn neue Erkenntnisse in Bezug auf diesen vorgeschlagenen Kanal, der schon 2011
in dieser Projektgruppe als nicht durchführbar abgelehnt
wurde, die eine neue Überprüfung notwendig machen?
Ein solcher Kanal, Herr Kollege, kann nach unserer
Einschätzung nicht die Maßnahmen des Masterplans
ersetzen und darf deshalb auch nicht in Verbindung mit
diesem Masterplan gesehen werden . Sie weisen richtigerweise darauf hin, dass dieser Kanal durch europäische
Schutzgebiete führt und dass er bereits 2011 nicht nur
auf Verwaltungsseite, sondern auch von den Umweltverbänden abgelehnt wurde . Das ist Stand der Dinge . Uns
liegen keine anderen Beschlüsse vor .
Wir kommen jetzt zur Frage 7 des Kollegen Johann
Saathoff:
Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass,
falls, wie die Ostfriesen-Zeitung am 20 . Mai 2016 berichtet
hat, alternative Szenarien zum Masterplan Ems 2050 erarbeitet werden, die Europäische Kommission doch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland
einleiten wird?
Herr Kollege Saathoff, das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, ist Partner des Masterplans Ems 2050 und hält sich an die dort
festgelegten Inhalte . Insofern erkennt die Bundesregierung keine entsprechende Gefahr .
Herr Saathoff .
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär . - In diesem
Zusammenhang frage ich mich, wie eine Berichterstattung zustande kommen kann, in der es heißt - ich zitiere -, man arbeitet zurzeit unter Beteiligung des Bundesverkehrsministeriums an „alternativen Szenarien“ . Da
möchte ich gerne fragen: Welche alternativen Szenarien
sind das?
Ist es nicht viel besser - zumal erst ein Jahr seit der erfolgreichen Verhandlung, die schwierig genug war, vergangen ist -, die Erreichung der im Masterplan Ems 2050
verankerten Ziele konstruktiv anzugehen, statt Planalternativen auf einer fragwürdigen Ebene zu entwickeln und
dann vor allen Dingen auch zu kommunizieren?
Herr Kollege, ich darf nochmals betonen: Der Masterplan sieht vor, dass entsprechende Maßnahmen in einem Lenkungskreis erörtert werden und dass dann erst
Schlussfolgerungen gezogen werden . Sollte es sich um
Maßnahmen handeln, die über den bisher bekannten
Maßnahmenkatalog hinausgehen, gilt für diese das eben
Gesagte .
Herr Saathoff .
Ist der gerade zitierte Kanal, Herr Staatssekretär, überhaupt schon in diesem Jahr Bestandteil der Verhandlungen zum Masterplan Ems 2050 gewesen? Oder liegt er
sozusagen außerhalb des Verhandlungsrahmens, der bisher gegolten hat?
Da ich diesem Verhandlungskreis nicht angehöre,
kann ich dazu keine dezidierte Auskunft geben . Eine
solche Auskunft werde ich Ihnen aber gerne schriftlich
nachreichen .
Wir kommen jetzt zur Frage 8 des Abgeordneten
Johann Saathoff:
Trifft die Aussage zu, dass die mit dem Masterplan
Ems 2050 verfolgte Idee, den Schlickeintrag mithilfe von
Tidepoldern zu verringern, ein „Rohrkrepierer“ sein soll ({0})?
Die Machbarkeitsstudie für die Tidespeicherbecken wird entsprechend der Festlegung im Masterplan
Ems 2050 vom Land Niedersachsen erarbeitet . Es obliegt
dann dem über den Masterplan Ems 2050 eingerichteten
Lenkungskreis, über die Realisierung von Maßnahmen
zu beraten und zu entscheiden . Dies kann erst erfolgen,
wenn die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen .
Herr Saathoff, bitte .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . - Liegen in diesem
Zusammenhang denn bereits jetzt, schon zu so früher
Zeit, Erkenntnisse vor, dass ein Tidepolder ungeeignet
ist, um die Probleme der Ems in diesem Bereich tatsächlich zu lösen?
Herr Kollege, da ich in meinem Ministerium für die
Wasserwege nicht zuständig bin, ich das Fragerecht des
Parlaments aber als ein hohes Gut betrachte, möchte ich
nicht ausweichend und herumeiernd antworten, sondern
möchte Ihnen diese Frage schriftlich beantworten .
Herzlichen Dank dafür . - Eine Frage hätte ich noch,
Frau Präsidentin .
Ja .
Herr Staatssekretär, Sie haben beschrieben, dass Erstellung und Umsetzung des Masterplans Ems 2050 in
Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen und der
Bundesebene erfolgen, was aus meiner Sicht auch absolut sinnvoll ist . Wie würden Sie die Zusammenarbeit
zwischen dem Land Niedersachsen und der Bundesregierung gerade hinsichtlich des Umstandes beschreiben,
dass sozusagen auf der Landesebene gar nicht bekannt
ist, dass in diesem Masterplan an Alternativszenarien wie
einem Kanalausbau gearbeitet wird?
Mir ist bisher nicht bekannt, dass die Zusammenarbeit
nicht funktioniere - im Gegenteil . Ich glaube, alle sind
sich darüber einig, dass die durch das unterschiedliche
Tideverhalten an der Unterems aufgetretenen Probleme
gelöst werden müssen . Wie das geschehen soll, muss sich
erweisen .
Vielen herzlichen Dank, Herr Barthle . - Die Fragen 9
und 10 des Kollegen Matthias Gastel, die Fragen 11 und
12 des Abgeordneten Herbert Behrens und die Frage 13
des Kollegen Stephan Kühn werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Frage 14 des Abgeordneten Stephan Kühn
wird schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Antworten
wird der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller .
Herzlich willkommen!
Die erste Frage ist die Frage 15 von Sylvia KottingUhl:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich des
genauen Datums des für Juni 2016 angekündigten Termins des
ITER-Verwaltungsausschusses, an dem über den Umgang mit
dem überarbeiteten Zeit- und Kostenplan für den Fusionsreaktor entschieden werden soll ({0}), und wann
findet voraussichtlich das nächste Beratungstreffen für die
weitere Finanzierung auf EU-Ebene statt?
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin
Kotting-Uhl, ich darf Ihnen mitteilen, dass nach Informationen der EU-Kommission der ITER-Rat in seiner
Sitzung am 15 . bzw . 16 . Juni dieses Jahres über die überarbeitete Zeit- und Kostenplanung für das ITER-Projekt
auf der Grundlage der Begutachtung durch ein unabhängiges Expertengremium befinden wird. Dabei muss man
wissen, dass die Befassung des ITER-Verwaltungsausschusses hier nur empfehlenden Charakter hat . Insofern
ist die Frage: Wie wird der Ministerrat dort verfahren?
Da möchte ich Ihnen mitteilen, dass uns derzeit nicht
bekannt ist, wann der Ministerrat bzw . dessen Gremien
oder das EU-Parlament die überarbeitete Projektplanung
behandeln werden .
Frau Kollegin Kotting-Uhl .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Vielen Dank, Herr
Staatssekretär . Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir uns
über dieses Fusionsforschungsprojekt ITER austauschen .
Es wurde auch heute Vormittag im Forschungs- und Bildungsausschuss ganz kurz gestreift .
Nun gibt es bei ITER nicht nur zum wiederholten Male
eine Zeitverlängerung, sondern auch zum wiederholten
Male eine Kostensteigerung . Diesmal stehen 4,6 Milliarhttp://www.heise.de/tr/artikel/Fusionsforschung-Zittern-beim-ITER-3208603.html
http://www.heise.de/tr/artikel/Fusionsforschung-Zittern-beim-ITER-3208603.html
den Euro zusätzliche Mittel im Raum . Wie steht die Bundesregierung dazu? Hält sie das weiterhin für tragbar?
Ihre Frage zielt darauf ab: Welche Erkenntnisse hat
die Bundesregierung bezüglich möglicher Mehrkosten?
Nach Mitteilung der EU-Kommission ist im ITER-Rat
verabredet worden, dass vor der Sitzung des ITER-Rats
Mitte Juni keine Zahlen in die Welt gesetzt werden, weil
man jedenfalls nicht ausschließen kann, dass diese Zahlen sich durch die unabhängige Begutachtung noch einmal ändern . Dementsprechend hat sich die EU-Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten bislang noch nicht
zur Höhe von Mehrkosten geäußert .
Im Fortschrittsbericht von Fusion for Energy, der europäischen Beschaffungsagentur für ITER, der allerdings
auf Ende 2015 bezogen ist, ist von Mehrkosten in Höhe
von 2,4 Milliarden Euro die Rede . Fusion for Energy
weist aber darauf hin, dass diese Kostenschätzung von
einer ganzen Reihe von Vorbehalten und auch Unsicherheiten geprägt ist, solange keine aktualisierte Zeit- und
Kostenplanung vorliegt . Weitere Angaben bzw . Zahlenschätzungen liegen jedenfalls uns nicht vor .
Frau Kollegin Kotting-Uhl .
Ja, gerne, danke . - Nach den bisherigen Erfahrungen
und auch nach Einschätzung des Experten-Panels sind es
eher die 4,6 Milliarden Euro . Hier gehen die Zahlen ja
immer nach oben, eigentlich selten nach unten, und sie
stagnieren auch nicht .
Ich habe noch eine grundsätzliche Frage . Wir haben
heute Morgen ganz kurz den Wendelstein 7-X gestreift .
Sie wissen, ich bin keine Fusionsforschungsbefürworterin - aus Gründen, die zu erläutern ich jetzt keine Zeit
habe; Sie kennen sie . Trotzdem muss man deutlich konstatieren, dass dieses deutsche Projekt in Greifswald mehr
Fortschritte macht und dabei deutlich günstiger ist als
dieses gewaltige ITER-Projekt . Ändert das denn die Einstellung der Bundesregierung dahin gehend, eventuell
doch einmal zu schauen, wo es Sinn macht, Forschungsgelder, die letztlich auch eine begrenzte Ressource sind,
hineinzustecken, wenn man denn die Kernfusion für unerlässlich hält, ob man sich nicht doch besser auf so etwas wie Wendelstein 7-X konzentriert und vielleicht das
Milliardengrab - anders kann man es nicht bezeichnen ITER einmal etwas skeptischer betrachtet?
Kollegin Kotting-Uhl, ich glaube, es ist schwierig, die
beiden Projekte miteinander zu vergleichen . Wir haben
es bei Wendelstein mit einem Fusionsforschungsprojekt
zu tun, das seinerseits Beiträge leisten soll für ITER .
Daran wird deutlich, dass ITER einen größeren Ansatz
hat . Wichtig ist, dass bei Wendelstein die Planungen - jedenfalls soweit ich informiert bin - eingehalten worden
sind . Ich denke aber nicht, dass das Rückschlüsse darauf
zulässt, wie es bei ITER vorangeht .
Dass auch die Bundesregierung in der Vergangenheit
mit dem Fortgang des ITER-Projektes nicht zufrieden
war, ist ja nun in der Tat kein Geheimnis . Wir haben unsererseits immer wieder Beiträge dazu geleistet, dass dort
auch im Projektmanagement Verbesserungen zustande
kommen . Mein Eindruck ist, dass der neue Generaldirektor auch das Projektmanagement anders angeht, dass
wir dort jetzt mehr verlässliche Daten haben und daran
gearbeitet wird, das Projekt zum Abschluss zu bringen .
Vielen Dank . - Ich rufe Frage 16 des Kollegen Oliver
Krischer auf:
Wie hat sich die Bundesregierung im Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ der Europäischen Union am 26 ./27 . Mai 2016 zum
Beschlussvorschlag „Draft Council conclusions on Research
and Innovation friendly regulation“ ({0}) im
Hinblick auf die gegenüber dem vorherigen Beschlussvorschlagstext erfolgte Einfügung unter Punkt 3 „and technology
neutral“ verhalten, die die Basis für Forschungsförderung für
Atom- und Kohlekraft auf EU-Ebene ermöglicht, und was hat
die Bundesregierung konkret gegen die Aufnahme dieser Formulierung in den Beschlusstext unternommen?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Krischer, die Bundesregierung ist der
Auffassung, dass unter den in Ziffer 3 genannten Begriff
„Technologieneutralität“ nicht die finanzielle Förderung
von Kernkraftwerken fällt . Die Bundesregierung hatte
sich entsprechend bereits am 26 . Mai im EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat, Teil Industrie, in diesem Sinne dazu
eingelassen .
Herr Krischer .
Herzlichen Dank . - Herr Staatssekretär, mich wundert
jetzt, dass das Forschungsministerium diese Frage beantwortet .
Ich wundere mich da auch manchmal . Aber das sind
Dinge, die wir nicht zu beeinflussen haben.
Ich habe jetzt den Geschäftsverteilungsplan der Bundesregierung nicht ganz im Kopf; aber ich würde eigentlich davon ausgehen, dass die Frage des Wettbewerbsrechts im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist .
Wer hat denn an diesem Rat teilgenommen? Wie und
mit welcher Äußerung hat er oder sie sich zu dieser Änderung, die sehr kurzfristig in den Text eingefügt worden ist, eingebracht? Man muss diese Änderung auch vor
dem Hintergrund von anderen Papieren zur AtomfördeSylvia Kotting-Uhl
rung sehen; ich habe dazu eine Frage gestellt, ich glaube,
Frau Kotting-Uhl auch . Wie ist das vor diesem Hintergrund zu sehen?
Es handelt sich bei dieser Entschließung in der Tat um
eine Beschlussvorlage, in der es um Innovations- und
Forschungspolitik, um bessere Rechtssetzung und um
Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung
geht . Insofern fällt die Beantwortung der Frage natürlich
in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung .
Die Antwort auf die Frage, wer konkret daran teilgenommen hat, würde ich Ihnen gerne nachreichen . Weil
es in der Beschlussvorlage um allgemeine Rahmenbedingungen geht, spielt der Begriff „technologieneutral“ im
Übrigen beispielsweise in Bezug auf die Förderung von
Kernkraftwerken keine Rolle . Solche Beschlussvorlagen
haben lediglich Empfehlungscharakter . Demzufolge sind
die nationalen Politiken, auch einzelne Fachpolitiken,
nicht davon tangiert .
Herr Krischer .
Sind Sie denn, wenn Sie das so sehen, nicht mit mir
einer Auffassung, dass die explizite Einfügung des Begriffes „technologieneutral“ in einen lange vorher abgestimmten Text die Möglichkeit eröffnet, am Ende europäische Mittel, wie in anderen Papieren nachzulesen,
in die Atomkraftforschung zu stecken, zumal es in dem
Kontext stattfindet, dass es auf europäischer Ebene bewusst das Wollen gibt - das kann ja niemand ernsthaft
bestreiten -, die Atomkraftforschung wieder einzuführen?
Die Antwort auf die Frage ist Nein . Ich bin nicht Ihrer Meinung, und zwar ganz einfach deswegen, weil
Schlussfolgerungen des Rates politische Willenserklärungen der Mitgliedstaaten sind . Wenn man sich Ziffer 3
der Beschlussvorlage ansieht, die den Begriff „technologieneutral“ beinhaltet, dann erkennt man, dass es nicht
um Fragen der Nuklearforschungsförderung geht . Für die
Nuklearforschungsförderung bleibt der geltende Rechtsrahmen des Euratom-Forschungsprogrammes erhalten;
darauf ist es beschränkt . Dieser beschränkt sich wiederum auf die Fragen der nuklearen Sicherheit, der Entsorgung und des Strahlungsschutzes .
Frau Kotting-Uhl .
Herr Staatssekretär, wir können nicht daran vorbeischauen, dass es auf europäischer Ebene, gerade von
der EU-Kommission aus, eine ganz deutliche neue Hinwendung zur Atomkraft gibt, sowohl, was den Rat angeht, diese als Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise
anzuwenden, als auch, was die Forschung angeht . Ich
nenne jetzt nur einmal die SMRs, die Small Modular Reactors . Da gibt es eine ganz eindeutige Ausrichtung, die
sehr viel stärker ist als noch vor ein paar Jahren .
Wenn Sie von der Beschränkung der Forschung auf
den Bereich der nuklearen Sicherheit reden, dann muss
ich Sie schon daran erinnern, dass es vor einiger Zeit es ist schon ein paar Jahre her; das war damals Herr
Hennenhöfer - ein Strategiepapier aus dem Bundesumweltministerium gab, in dem die Erforschung neuer Reaktorlinien als Teil der Sicherheitsforschung bezeichnet
wurde, da neue Reaktorlinien immer sicherer sind als die
althergebrachten . Das schützt uns also nicht .
Meine Frage an Sie: Wenn die Bundesregierung auch
im internationalen Austausch die Energiewende als Alternative propagiert, wo schlägt sich das von deutscher
Seite aus in diesem Forschungsbereich innerhalb der
EU-Kommission nieder?
Frau Kotting-Uhl, wir haben in der Tat, wie Sie schon
erwähnt haben, heute früh im Forschungsausschuss darüber diskutiert . Es wird permanent versucht, der Bundesregierung zu unterstellen, wir würden gewissermaßen
über die Hintertür und über die Europäische Kommission
den Wiedereinstieg in die Kernenergie forcieren wollen .
Dieser Eindruck ist ausdrücklich falsch .
Es bleibt dabei - jedenfalls, was Deutschland angeht -: Die Positionierung der Bundesregierung in Nuklearfragen ist, wie sie ist . Wir lehnen einen europäischen
Förderrahmen für Kernkraftwerke weiterhin entschieden
ab .
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege . Ich bedanke mich für die
Beantwortung .
Ich hätte eine Bitte: Könnte man die Mikrofone einmal ölen? Das ist ein schreckliches Geräusch, wenn die
Mikrofone zurückgeschoben werden .
({0})
Das erinnert mich an irgendwelche anderen Instrumente .
Es wäre gut, wenn man sie ölen könnte . Vielen herzlichen Dank .
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung . Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Silberhorn .
Die Frage 17 des Abgeordneten Niema Movassat wird
schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
auf:
Stimmt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({1}) der Aussage zu, dass
ein Ministerium, das von seinen Partnern Good Governance
und Transparenz einfordert, jeden Verdacht der Begünstigung
ausräumen sollte, um seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel
zu setzen, und aufgrund welcher entwicklungspolitischen
Eignung hat das Bundesministerium vor diesem Hintergrund
der Ernennung von Dr . F .-W . zugestimmt ({2})?
Herr Silberhorn, Sie haben das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege
Kekeritz, Sie haben in Ihrer Frage schon auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage Ihrer
Fraktion verwiesen . Dort wurde bereits erläutert, dass das
Personalauswahlverfahren für die Besetzung der Leitung
der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung von unserer
Durchführungsorganisation, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, nach fachlichen Gesichtspunkten und unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte der
Bewerberinnen und Bewerber durchgeführt worden ist .
Das BMZ hat dem nach Abschluss des Auswahlverfahrens übermittelten Besetzungsvorschlag zugestimmt .
Herr Kekeritz .
Herr Staatssekretär, diese Antwort entspricht der Antwort auf die schriftliche Kleine Anfrage . Sie beantworten
hier eigentlich nichts . Wenn das Bewerbungsverfahren
so korrekt abgelaufen ist, warum können Sie dann die
wesentlichen Bestandteile dieses Bewerbungsprozesses nicht offenlegen? Warum beantworten Sie auch die
Frage nicht, warum die Personalvorschläge von GIZ und
DEG - es wurden weitere kompetente Kandidaten genannt - schlicht ignoriert worden sind?
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft damit beauftragt,
die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung zu betreiben . Deswegen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
dieser Agentur Angestellte der DEG bzw . der GIZ . Das
Personalauswahlverfahren hat - wie ich bereits dargestellt habe - die GIZ durchgeführt .
Eine weitere Nachfrage, Herr Kekeritz?
Ja, ich habe eine weitere Nachfrage . - Es geht mir
um den Prozess . Wenn man eine neue Institution gründet, dann geht es insbesondere bei der Leitungsposition
um Aufgabenbeschreibungen und auch um die ungefähre Besoldungshöhe . Ich wundere mich schon, dass eine
Arbeitsgruppe von vier Personen mit einer Arbeitsgruppenleiterin in der Besoldungsgruppe zwischen B 9 und
B 10 angesiedelt wird . Das entspricht einer Besoldung
von ungefähr 140 000 Euro im Jahr .
Ich komme aus Bayern . Ich weiß, dass der Landrat
dort ungefähr B 6 bekommt, aber er hat Personalverantwortung für 300 Menschen und in der Regel einen Verwaltungsetat von ungefähr 150 bis 250 Millionen Euro .
Wie ist die Einstufung in diese Besoldungsgruppe zustande gekommen?
Die Besoldung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
im Geschäftsbereich des BMZ orientiert sich an der Aufgabenstellung und an der Tragweite der Tätigkeit . Dass
die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft für uns eine hohe
Bedeutung hat, das wird unmittelbar einsichtig, wenn Sie
sich in Erinnerung rufen, dass die Nachhaltigkeitsziele,
die die Vereinten Nationen im letzten September in der
Agenda 2030 beschlossen haben, mit unseren öffentlichen Geldern gar nicht umgesetzt werden können, sondern dringend auch die Einbeziehung des privaten Sektors erforderlich ist . Zu diesem Zweck wurde die Agentur
für Wirtschaft und Entwicklung gegründet . Diese Agentur ist insofern ein Instrument zur Umsetzung dieser
Nachhaltigkeitsziele .
Dazu eine Rückfrage vom Kollegen Movassat .
Danke schön . - Herr Staatssekretär, ich habe eine inhaltliche Frage zur Agentur für Wirtschaft und Entwicklung . Der BDI forderte Anfang dieser Woche, dass 5 Prozent der Mittel des Bundesentwicklungsministeriums für
die Unternehmensförderung verwendet werden sollen
und dass die Wirtschaft gleichbehandelt werden solle mit
zivilgesellschaftlichen Organisationen . Mich würde interessieren, ob die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung
in diese Richtung orientiert ist .
Diese Forderung des BDI haben wir ebenfalls der
Presse entnommen . Wir werden nach der Veröffentlichung dieser Vorstellung des BDI zur Entwicklungszusammenarbeit gern den Kontakt suchen . Ich kann von
meiner Seite aus sagen, dass schon seit einiger Zeit eine
Unterredung mit mir und dem Arbeitskreis Entwicklungspolitik des BDI vereinbart ist, die im September
stattfinden wird, sodass wir hier in guten Gesprächen daVizepräsidentin Claudia Roth
rüber sind, wie wir den privaten Sektor noch stärker in
die Richtung einbeziehen können, dass private Investitionen und generell private Finanzierung entwicklungsförderlich gestaltet werden .
Die nächste Frage ist die Frage 19 vom Kollegen
Kekeritz:
Kann das Bundeskanzleramt als koordinierende Stelle
innerhalb der Bundesregierung verbindlich bestätigen - und
damit die offensichtliche Unstimmigkeit zwischen den persönlichen Auskünften der beteiligten Minister gegenüber
Abgeordneten und der daraufhin erfolgten gegenteiligen Beantwortung meiner schriftlichen Frage 73 auf Bundestagsdrucksache 18/8458 ausräumen -, dass die Bundesregierung
dem Deutschen Bundestag ein Ratifizierungsgesetz zu dem
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der ECOWAS ({0}) vorlegen
wird, und wann beabsichtigt sie, das Gesetz vorzulegen?
Herr Staatssekretär .
Vor der deutschen Ratifikation muss das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den ECOWAS-Staaten
durch sämtliche Vertragsparteien unterzeichnet und dann
von der Europäischen Union ratifiziert werden. Erst im
Anschluss daran wird die Beteiligung des Deutschen
Bundestags konkret .
Derzeit stehen die Unterzeichnungen dreier westafrikanischer Staaten noch aus . Wann genau diese erfolgen
werden, ist bisher ungewiss, sodass wir keine Prognose über den weiteren Verfahrensverlauf geben können .
In jedem Fall wird die Bundesregierung den Deutschen
Bundestag umfassend einbinden, sobald die Voraussetzungen für die Einleitung des Ratifikationsverfahrens
vorliegen . Wenn die juristische Bewertung dies ergibt,
wird die Bundesregierung zum geeigneten Zeitpunkt einen Entwurf für ein Vertragsgesetz vorlegen .
Herr Kollege Kekeritz .
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist es immer
noch nicht klar, ob die Bundesregierung dem Deutschen
Bundestag ein Ratifikationsgesetz vorlegen wird.
Die Bundesregierung muss zunächst einmal die Unterzeichnung dieses Wirtschaftspartnerschaftsabkommens
durch alle Vertragsparteien abwarten . Danach erfolgt,
wie angedeutet, die Ratifikation durch die Europäische
Union . Dann wird innerhalb der Bundesregierung durch
das Justizministerium und durch das Innenministerium
eine verfassungsrechtliche Bewertung und Prüfung erfolgen . Auf dieser Basis kann das federführende Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung dann gegebenenfalls einen Entwurf eines
Vertragsgesetzes vorlegen .
Herr Kollege Kekeritz?
Ich schließe jetzt aus Ihrer Antwort, dass Sie das jetzt
noch nicht wissen .
Eine andere Frage ist für mich: In 14 Tagen oder in
3 Wochen wird im Rat über die Annahme und die vorläufige Anwendung der Verträge mit Sadek und der ostafrikanischen Community abgestimmt . Ich hätte gern gewusst, wie sich die Bundesregierung bei der Abstimmung
verhalten wird . Wird sie den Verträgen zustimmen? Wird
sie vor allen Dingen einer vorläufigen Anwendung, also
einer Anwendung, bevor die Verträge in den nationalen
Parlamenten ratifiziert sind, zustimmen?
Die Bundesregierung wird diesen Abkommen zustimmen und sich auch für eine vorläufige Anwendung einsetzen .
Vielen Dank, Herr Kollege Silberhorn .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich begrüße herzlich
den Staatssekretär Uwe Beckmeyer .
Wir kommen zur Frage 20 der Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl:
Inwiefern war das „Issues Paper No . 10 ‚Nuclear‘“ der Europäischen Kommission, das am 6 . April 2016 vom Sekretariat des Strategieplans für Energietechnologie ({0}) der
Europäischen Kommission online veröffentlicht wurde, vor
dem 13 . Mai 2016 mit der Bundesregierung abgestimmt - insbesondere im Rahmen des SET-Plan-Lenkungsausschusses, in
dem die Bundesregierung Mitglied ist ({1}) -, und gegebenenfalls welche Rückmeldungs- bzw . Stellungnahmemöglichkeiten bezüglich des „Issues Paper No . 10 ‚Nuclear‘“ und der
darauf basierenden Entwurfserarbeitung einer nichtbindenden
Absichtserklärung im Rahmen des SET-Plans haben Bundesbehörden, insbesondere das federführend zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, vor dem 13 . Mai 2016
nicht genutzt ({2})?
Herr Staatssekretär .
Frau Kollegin Kotting-Uhl, die Antwort auf Ihre
Frage lautet wie folgt: Das Diskussionspapier „Issues
Paper No . 10 ‚Nuclear’“ wurde nicht mit der Bundesregierung abgestimmt . Wie in der Antwort der Bundesregierung vom 24 . Mai dieses Jahres auf Ihre schriftliche
Frage dargelegt wurde, hat das SET-Plan-Sekretariat in
der Generaldirektion für Forschung und Innovation am
6 . April 2016 eine Konsultation von Stakeholdern aus
Forschungsorganisationen, Universitäten, Industrie sowie Gremien von Aufsichtsbehörden eingeleitet . Der
SET-Plan-Lenkungsausschuss wurde über diese Stakeholderkonsultation am 7 . April 2016 informiert . Die Bundesregierung wurde bei der Erarbeitung des Entwurfs der
Absichtserklärung vom 13 . Mai 2016 nicht beteiligt .
Eine erste Konsultation mit Vertretern der Mitgliedstaaten fand am 24 . Mai 2016 im Rahmen einer Sitzung
des Lenkungsausschusses zum SET-Plan unter Leitung
der verantwortlichen Generaldirektion der EU-Kommission und mit Beteiligung der gemeinsamen Forschungsstelle sowie Stakeholdern statt . Der Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hat dort
dargelegt, dass die Bundesregierung eine EU-Förderung
oder einen europäischen Förderrahmen für Kernkraftwerke entschieden ablehnt und kein Interesse an einer
Zusammenarbeit oder Finanzierung von Forschung und
Entwicklung in den Bereichen „Cost of electricity“ betrifft Kostenoptimierung bei Neubauten und durch
Laufzeitverlängerungen - und „Advanced and innovative fission reactors“ hat. Ebenso soll sich eine Absichtserklärung entsprechend dem Ziel des SET-Plans allein
auf die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und
Entwicklung konzentrieren und sollen darüber hinausgehende Inhalte nicht im Rahmen des SET-Plans behandelt werden . Eine Zusammenarbeit bei Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten in den Bereichen „nukleare Sicherheit“ sowie „Entsorgung und Rückbau“, die ebenso
Gegenstand des Entwurfs der Absichtserklärung sind,
wird seitens der Bundesregierung hingegen ausdrücklich
unterstützt .
Frau Kotting-Uhl .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . Die letzte Botschaft
gefällt mir durchaus . Aber ich habe doch noch eine Frage . Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden Sie am
7 . April 2016 informiert, und am 13 . Mai 2016 wurde
der SET-Plan vorgelegt . Warum haben Sie vor der Veröffentlichung nicht noch einmal interveniert? Es geht ja
nicht nur darum, dass Deutschland jetzt nicht begeistert
sagt: „Ja, her damit, wir machen das auch“, sondern auch
um die Botschaft, die wir in andere Länder senden . Und
die Botschaften, die derzeit von der EU kommen, sind
in meinen Augen nicht allzu gut, wenn man die Energiewende für den besseren Pfad hält als die Rückkehr zur
Atomkraft, als den Ausbau der Atomkraft . Ich denke, darüber sind wir Grüne uns mit der Bundesregierung einig .
Ich vermisse - das muss ich Ihnen so sagen - mehr
Engagement und entsprechende Initiativen, um diese
Idee in andere Länder zu tragen, um das als einen positiveren Weg zu beschreiben . Warum haben Sie nach dem
7 . April 2016 nicht die Gelegenheit genutzt, auf diesen
Plan Einfluss zu nehmen?
Wir haben keinen Einfluss auf diesen Plan genommen,
weil der Plan ohne unser Zutun entstanden ist . Wir haben
zum ersten Mal am 24 . Mai 2016 im Lenkungsausschuss
darauf reagiert, und zwar eindeutig ablehnend . Das ist
der Kreis, in dem dies zu geschehen hat, in dem das artikuliert werden kann und muss . Ich denke, das war das
richtige Zeichen .
Im Übrigen sage ich an dieser Stelle: Die bundesdeutsche Energiepolitik wird weltweit und auch innerhalb
Europas hinsichtlich des klaren Bekenntnisses zum Ausphasen der Atomenergie in 2022, wie aber auch des klaren Bekenntnisses zu erneuerbaren Energien sehr wohl
beachtet . Sie ist ein Vorbild für viele Länder .
Frau Kotting-Uhl .
Danke schön . - Dieses Signal ist leider nicht mehr so
klar, wie Sie das darstellen . Vor etwa zehn Tagen habe ich
in Japan wieder gehört, dass das deutsche Beispiel zeige,
dass das alles sehr schwierig, sehr teuer und nicht unbedingt leicht zu machen sei . So klar ist unsere Botschaft
also nicht mehr .
Ich möchte Sie auf die nukleare Sicherheit ansprechen .
Sie wird immer wieder als Begründung dafür angeführt,
warum man diese Forschung über Euratom usw . betreiben muss, warum sich auch Deutschland daran beteiligen
muss, trotz des Atomausstiegs . Ihnen ist schon bewusst,
dass das Argument der nuklearen Sicherheit und der
Fortführung dieser Sicherheit immer auch genutzt wird,
um zu fordern, dass neue Reaktorlinien, die sicherer als
alte Reaktorlinien sind, erforscht, entwickelt und damit
natürlich auch angewandt werden müssen?
Liebe Kollegin, das, was Sie aus Japan berichten, teile ich nicht . Ich bin in der letzten Zeit, also im Mai, im
Auftrag der Bundesregierung durch einige Länder dieser
Welt gereist und habe dort Gegenteiliges erlebt, nämlich
dass wir sehr wohl aufmerksam betrachtet werden, dass
das deutsche Beispiel hohe Aufmerksamkeit erregt und
dass uns viele fragen - Offizielle aus den Regierungen,
aber auch Unternehmen -: Wie macht ihr das in Deutschland? Sie merken und wissen, dass die Lernkurve, die wir
in einigen Bereichen bezahlt haben, für sie von großem
Vorteil ist . Insofern bitte ich Sie persönlich, wenn Sie in
Japan solche Gespräche führen, darauf hinzuweisen, wie
erfolgreich die Energiewende in Deutschland ist .
Zum Thema Sicherheitsforschung . Mithilfe sicherheitsorientierter Forschung - ich denke, das ist auch Ihnen bekannt - will sich die Bundesregierung die Kompetenz bewahren, die Sicherheit von Kernkraftwerken im
In- und Ausland weiterhin unabhängig beurteilen zu können . Ich glaube, wir sind es auch unserer Bevölkerung
schuldig, dass wir uns dafür einsetzen, dass alte Nuklearanlagen an unseren Grenzen möglichst bald geschlossen
werden . Ich denke, wir müssen die Kompetenz haben,
das ordentlich beurteilen zu können . Das Entscheidende
ist, dass wir in internationalen Gremien sprechfähig sind .
Dafür setzen wir uns auch im Bundeswirtschaftsministerium mit Nachdruck ein .
Oliver Krischer .
Herr Staatssekretär Beckmeyer, in dem Papier geht es
ja nicht nur um Forschung und Weiterentwicklung von
neuen Reaktoren und Minireaktoren - das wird dort alles erläutert -, sondern dort steht auch, dass Stresstests
bei alten Reaktoren, zum Beispiel den beiden belgischen
Reaktoren Tihange und Doel, die Risse aufweisen, erst
2025 durchgeführt werden, diese also erst dann noch einmal grundsätzlich überprüft werden . 2025 ist, wenn ich
richtig rechne, in neun Jahren . Was wird die Bundesregierung unternehmen, damit sich eine solche Grundhaltung, die die Kommission - nach meinem Eindruck auch
unter Mitwirkung des deutschen Kommissars Herrn Oettinger - an den Tag legt, nicht durchsetzt, sondern dass
gerade bei den problematischen Altreaktoren an unseren
Grenzen, die nicht nur in Belgien stehen, wesentlich früher entsprechende Überprüfungen stattfinden mit dem
Ziel, sie stillzulegen?
Unsere Aufgabe wird es sein, mit Nachdruck darauf
hinzuarbeiten, dass sich die deutsche Position auch auf
europäischer Ebene durchsetzt . Sie wissen: Die einzelnen Mitgliedstaaten haben das Recht, den Energiemix
selbst zu bestimmen . Das tun einige Länder mit Nachdruck . Das sehen Sie zum Beispiel, wenn Sie nach
Großbritannien schauen . Unsere Aufgabe ist es, bei der
Spezifizierung dieser Ziele darauf zu achten, dass unsere
Interessenlage in Europa ebenfalls Beachtung findet und
sich möglichst durchsetzt . Wir teilen den Inhalt der teilweise von Kommissionsgremien erarbeiteten Unterlagen
nicht . Das haben wir auch bei unserer ersten Stellungnahme dazu ausdrücklich zum Ausdruck gebracht .
Vielen Dank, Herr Beckmeyer . - Dann kommen wir
jetzt zur Frage 21 des Kollegen Oliver Krischer:
Welche konkrete Stellungnahme hat die Bundesregierung
zu dem öffentlich bekanntgewordenen Papier „SET-Plan Draft
Declaration of Intent on Strategic Targets in the context of Action 10: ‚Maintaining a high level of safety of nuclear reactors
and associated fuel cycles during operation and decommissioning, while improving their efficiency‘“ in der Sitzung der
Arbeitsgruppe „Forschung“ des Rates der Europäischen Union in der 20 . Kalenderwoche und gegebenenfalls in weiteren
Gremien auf europäischer Ebene abgegeben, und was wird die
Bundesregierung weiterhin unternehmen, damit ein derartiges
Papier in keiner Weise Beschlussgrundlage oder Ähnliches auf
europäischer Ebene wird?
Herr Krischer, Sie fragen in eine ähnliche Stoßrichtung wie Ihre Kollegin . Die Antwort der Bundesregierung zu Ihrer Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung hat zu dem genannten Entwurf einer nichtbindenden
Absichtserklärung im Rahmen des europäischen Strategieplans für Energietechnologie, abgekürzt SET-Plan, im
Verlauf der Sitzung des Lenkungsausschusses zum SETPlan am 24 . Mai 2016 Stellung bezogen . Der Vertreter
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie hat
dort dargelegt, dass die Bundesregierung eine EU-Förderung oder einen europäischen Förderrahmen für Kernkraftwerke entschieden ablehnt und kein Interesse an einer Zusammenarbeit oder Finanzierung von Forschung
und Entwicklung in den Bereichen „Cost of electricity“ das betrifft Kostenoptimierung bei Neubauten und durch
Laufzeitverlängerungen - oder „Advanced and innovative fission reactors“ hat. Ebenso soll sich eine Absichtserklärung entsprechend dem Ziel des SET-Plans allein
auf die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und
Entwicklung konzentrieren, und darüber hinausgehende
Inhalte sollen nicht im Rahmen des SET-Plans behandelt
werden .
Des Weiteren unterstützt die Bundesregierung eine
EU-Förderung im Rahmen des Euratom-Forschungsprogramms in den Bereichen „nukleare Sicherheit“, „Entsorgung“ sowie „Strahlenschutz“ . In diesen Bereichen
ist eine Zusammenarbeit bei Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ebenso Gegenstand des Entwurfes der Absichtserklärung . Die Bundesregierung wird diese Position auch im weiteren Abstimmungsprozess entschieden
vertreten .
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das genannte Dokument nach Überarbeitung zu einer unverbindlichen Absichtserklärung der Kommission und interessierter Mitgliedstaaten der EU führen soll und dabei
weder rechtlich bindend noch präjudizierend sein würde .
Mitgliedstaaten, die die Kernenergie für die Stromerzeugung nicht nutzen möchten bzw . diese Nutzung beenden
möchten, würden nicht an diese Absichtserklärung gebunden sein .
In der 20 . Kalenderwoche fand keine Sitzung der Arbeitsgruppe „Forschung“ des Rates der Europäischen
Union statt . Die Arbeitsgruppe „Forschung“ wurde bisher nicht mit dem Entwurf der Absichtserklärung befasst .
Bevor Herr Krischer nachfragt, möchte ich den Verteidigungsminister Kanadas mit Begleitung herzlich willkommen heißen . A warm welcome in our Parliament!
Welcome in our House! Bienvenue au parlement!
({0})
Herr Krischer, bitte .
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung . - Teilen Sie denn meine Einschätzung, dass es
nicht nur um die Frage geht, ob Mitgliedstaaten, wie es
Großbritannien tut, selber in Atomenergie investieren,
sondern auch darum, dass dieses Papier ausdrücklich beinhaltet, dass europäische Institutionen wie beispielsweise die Europäische Investitionsbank, die dies bisher nicht
tun konnte, jetzt in Atomenergie investieren können?
Insofern sind wir als Bundesrepublik, da es hier um gemeinschaftliche Institutionen geht, schon tangiert, wenn
dies in Zukunft ermöglicht würde . Deshalb meine Frage
an Sie: Was werden Sie ganz konkret unternehmen - auch
wenn es sich hier, wie Sie sagen, um ein unverbindliches
Papier handelt, wird es im weiteren Prozess genutzt werden, um konkrete Maßnahmen zu ermöglichen -, um zu
verhindern, dass auf gemeinschaftlicher Ebene Investitionen in Atomkraft möglich sind?
Herr Krischer, Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums und insbesondere der Bundeswirtschaftsminister
haben die Position Deutschlands bereits bei ihren Gesprächen in Brüssel sehr deutlich zum Ausdruck gebracht
und klargestellt: Atomkraft ist nicht nur hoch gefährlich,
sondern auch verdammt teuer . - Jeder Mitgliedstaat hat
letztendlich selbst zu entscheiden - das wissen Sie -,
ob er eine Atomanlage bauen will . Wir allerdings sind
der festen Überzeugung und der festen Meinung: Eine
EU-Förderung für den Bau von Atomkraftwerken können und werden wir nicht unterstützen . Wir treten dafür
ein, dass es keine Förderung dieser Technologie von gestern gibt . Vielmehr muss die EU-Kommission endlich
eine konkrete Strategie zum Ausbau der Erneuerbaren
und zum Energiesparen in ganz Europa entwickeln; das
ist unsere Position . Wir sind gern bereit, die Erfahrungen
aus Deutschland auch hier einzubringen . Unser Standpunkt ist eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, und
die europäischen Institutionen, denke ich, haben ihn zur
Kenntnis genommen .
Herr Krischer .
Herzlichen Dank, Herr Beckmeyer . - Ich habe eben es war Frage 16 - eine Frage gestellt, die interessanterweise der Kollege aus dem Forschungsministerium
beantwortet hat . Es ging um den Wettbewerbsrat . Ich
vermute aber, dass jemand aus Ihrem Hause dabei war;
denn ich glaube, an den Sitzungen des Wettbewerbsrates
nimmt ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums teil .
Wir erleben ja immer mehr, dass die EU-Kommission über das Wettbewerbsrecht konkrete Energiepolitik
macht . Ob beim Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz oder
beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, überall wird durch
das Wettbewerbsrecht in konkrete Entscheidungen der
deutschen Politik, aber auch der Politik anderer Staaten
eingegriffen . Gleichzeitig erleben wir, dass die gleiche
Kommission - das haben Sie ja sehr ausführlich beschrieben und auch sehr kritisch kommentiert - die Förderung und Unterstützung von Atomkraft ermöglicht .
Mich würde interessieren, was die Bundesregierung und
Ihr Haus - ich gehe davon aus, dass jemand aus Ihrem
Haus dort anwesend war - in Gremien wie dem Wettbewerbsrat, in denen plötzlich von Technologieneutralität
die Rede ist, unternehmen, damit sich solche Möglichkeiten der Förderung und Finanzierung der Atomkraft
nicht in allen möglichen Dokumenten manifestieren .
Gehen Sie davon aus, dass wir dort genau aufpassen
und uns auch entsprechend einbringen .
Natürlich haben wir im Bereich des Beihilferechtes
auch mit dem Wettbewerbsrat zu tun; das wissen Sie .
Das EEG 2014 und das EEG 2016 sind Themen, die wir
natürlich aktuell auch mit Brüssel verhandeln . Am Ende
ist das auch die Aufgabe der Kommission als Hüterin der
Verträge . Das sieht sie so, und das sehen wir auch so . Wir
würden allerdings intervenieren, wenn wir das Gefühl
bekämen, dass dort die Hüterfunktion missbraucht wird .
Frau Kotting-Uhl .
Herr Beckmeyer, ich möchte vorab gerne noch kurz
auf Ihre Bemerkung bezüglich Japan eingehen und Ihnen
sagen: Sie können versichert sein, Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie:
Gut .
- dass ich in Japan vor allem in meiner Funktion als
Vorsitzende der deutsch-japanischen Parlamentariergesellschaft vor dortigen Abgeordneten oder Regierungsmitgliedern keine Dissense aufmache, sondern die deutsche Politik vertrete .
Ich habe jetzt noch eine letzte kleine Frage: Sie sagten bezüglich des Bereichs, über den wir die ganze Zeit
reden, die Zusammenarbeit von Deutschland aus beziehe
sich auf Forschung und Entwicklung . Gilt das auch in
Bezug auf neue Reaktorlinien? Wenn ja: Wäre das nicht
doch inkonsequent?
Ich will dazu sagen: Wir müssen durch Forschung und
Entwicklung in der Lage sein - ich glaube, das ist auch
die Position, die die Bundesregierung Ihnen immer wieder vermittelt hat -, unabhängige eigene Sicherheitsbeurteilungen durchführen zu können . Das gilt auch in Bezug
auf neue Reaktoren und neue Reaktorkonzepte, die im
Ausland geschaffen werden .
Wir müssen uns also in die Lage versetzen, solche
Reaktoren beurteilen zu können . Das heißt nicht, dass
wir an der Entwicklung dieser Reaktoren beteiligt sind,
sondern das heißt, dass wir sprechfähig sein müssen .
Sprechfähigkeit bedeutet, dass wir uns technologisch
damit auseinandersetzen müssen; sonst werden wir überOliver Krischer
haupt nicht zur Kenntnis genommen, wenn wir uns in irgendeiner Weise international dazu einlassen . Ich glaube,
das ist der entscheidende Punkt . Sicherheitsorientierte
Forschung bedeutet für mich, dass wir in der Lage sind,
technologisch zu verstehen, was Dritte tun .
Sie haben vorhin von den kleinen Minireaktoren gesprochen, die hier einige im Kopf haben und die, wenn
sie hintereinander zusammengeschaltet werden, sicherlich eine größere Menge von Energie - wo auch immer erzeugen können und sollen . Ich glaube schon, dass wir
in Deutschland in der Lage sein müssen, unsere Meinung
über deren Sicherheit technologisch so fundiert zu äußern, dass sie akzeptiert wird .
Vielen Dank . - Wir bleiben in Ihrem Geschäftsbereich und kommen jetzt zur Frage 22 der Kollegin Bärbel
Höhn:
Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, die Mercosur-Verhandlungen ({0}) nicht auf Grundlage des alten Verhandlungsmandates
fortzuführen, das lange vor der Verabschiedung des Lissabon-Vertrags und damit unter ganz anderen Vorzeichen erteilt
wurde, und wenn nein, warum strebt sie die Möglichkeit einer
Mandatserneuerung und Anpassung an die aktuellen handelspolitischen Debatten und Interessen bisher nicht an?
Frau Abgeordnete Höhn, die Antwort lautet wie folgt:
Die Mercosur-Verhandlungen sind von der EU im Jahre 2010 und damit nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages auf Grundlage des bereits erteilten Verhandlungsmandates wieder aufgenommen worden . Im Übrigen
hatte die EU bereits vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages die grundsätzliche Zuständigkeit für die Verhandlung und den Abschluss von Handelsabkommen . Vor
diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung weder
rechtlich noch tatsächlich die Notwendigkeit einer Mandatserneuerung .
Frau Kollegin Höhn .
Herr Staatssekretär, im Rahmen der Mercosur-Verhandlungen sollten Lateinamerika große Mengen zusätzlicher Rindfleisch- und Ethanol-Exporte nach Europa
zugestanden werden . Frankreich und die Hälfte der Mitglieder der EU haben sich gegen diese großen Importe
gewehrt, Deutschland nicht . Warum hat Deutschland sich
nicht gewehrt?
Wir führen die Verhandlungen nicht, liebe Frau Kollegin .
Frau Höhn .
Noch einmal wiederholen?
Nein . Ich habe gesagt, dass wir die Verhandlungen
nicht führen .
Das heißt aber, Sie finden sie trotzdem gut, oder? Ich habe
ja danach gefragt, warum das Mitgliedsland Deutschland
auf der EU-Ebene nicht interveniert hat . Diese Verhandlungen führen Sie doch wohl . Oder sind Sie anders als
Frankreich kein Mitgliedsland?
Frau Höhn, natürlich sind wir Mitgliedsland . Wie ich
gerade ausgeführt habe, führt aber - auch entsprechend
der Aufgabenstellung innerhalb der Europäischen Union - die Kommission für uns die Verhandlungen mit dem
Mercosur . Es hat dabei einige Unterbrechungen gegeben .
Diese Unterbrechungen haben jahrelang gedauert . Zuletzt hat jetzt ein erneuter Anlauf stattgefunden, nachdem
der Mercosur im Herbst 2015 endlich erklärt hat, welches
abgestimmte Warenangebot er im Grunde verhandeln
möchte .
Seitdem gewann der Prozess dieser Verhandlungen
auch mit der neuen Regierung in Argentinien wieder an
Dynamik, und ein Austausch von Angeboten wurde vereinbart . Insofern sind die Verhandlungen zwar noch nicht
abgeschlossen, aber zumindest wieder in Gang gekommen .
Frau Höhn .
Ich habe noch eine zweite Nachfrage . Angesichts Ihrer Antwort muss ich Folgendes sagen: Das Landwirtschaftsministerium hat gerade einen Krisengipfel zur
Landwirtschaft durchgeführt . Frankreich interveniert bei
den Mercosur-Verhandlungen im Sinne seiner Landwirte . Deutschland hat das offensichtlich nicht nötig . Deshalb habe ich Ihre Antwort am Anfang auch gar nicht
verstanden .
Angesichts dieser Situation hätte ich aber doch gerne gewusst, ob die Bundesregierung eine ökonomische
Modellrechnung durchführt, was es eigentlich für die
Landwirte bedeutet, wenn wir momentan de facto parallel mit Kanada und den USA - das sind große Länder mit Landwirtschaft -, außerdem mit Lateinamerika,
beispielsweise Argentinien und Brasilien, mit Australien
und mit Neuseeland verhandeln? Gibt es schon eine Modellrechnung der Bundesregierung, was das für die Landwirte bedeutet?
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, die Mercosur-Staaten haben einen erleichterten Zugang zum europäischen
Markt für ihre Agrargüter adressiert . Das sind, wie Sie
zu Recht sagen, Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch,
Ethanol, Zucker und Soja .
Für die Europäische Union sind Marktzugangsverbesserungen für Industriegüter und Dienstleistungen von besonderem Interesse . Das ist unsere Interessenlage .
Das BML hat sich aber, wie auch andere Länder in
der Europäischen Union, dafür ausgesprochen, vor Angebotsaustausch eine Folgenabschätzung durchzuführen .
Das werden wir in der Bundesregierung tun und auch
für den gesamten EU-Agrarmarkt tun . Dies ist selbstverständlich . Das gehört zu unserem Geschäft .
Dann kommen wir zur Frage 23 der Kollegin Bärbel
Höhn:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das
Ausmaß von Arbeitsrechtsverletzungen in den USA, zum
Beispiel über die Verweigerung von Toilettenpausen für
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der amerikanischen Geflügelindustrie ({0}), und welche Sanktionsmöglichkeiten werden nach Kenntnis der Bundesregierung in
TTIP ({1}) geplant, um
im Falle derartiger Missstände Handelsbeschränkungen zu
erlassen?
Frau Höhn, ich beantworte die Frage wie folgt: Der
Bundesregierung liegen über die Verweigerung von Toilettenpausen für Mitarbeiter in der US-Geflügelindustrie
keine weiteren Informationen vor als die von Ihnen in
Frage 23 genannte Berichterstattung aus Spiegel Online
vom 13. Mai 2016 über die Vorfälle in der US-Geflügelindustrie .
Auch über Planungen für Handelsbeschränkungen
seitens der EU, sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Toilettenpausen durch amerikanische Unternehmen
verweigert werden, liegen der Bundesregierung keine
Informationen vor .
Nähere Angaben zur Anwendung internationaler Arbeitsstandards in den USA finden sich auf der Webseite
der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO, mit Ausführungen des Ausschusses für Vereinigungsfreiheit und
der weiteren Normenüberwachungsausschüsse der ILO .
Frau Höhn, bitte .
Welchen Zeithorizont für einen Abschluss der
TTIP-Verhandlungen hält die Bundesregierung für realistisch und für wünschenswert? Welche Vorteile für die
ökonomische Entwicklung - so verstehe ich die G-7-Erklärung - sieht die Bundesregierung bei einem Abschluss
in diesem Jahr gegenüber einem Abschluss zu einem späteren Zeitpunkt, und sei er dann auch mit mehr Substanz?
Frau Abgeordnete, der letzte Begriff ist der entscheidende: mehr Substanz . Es ist ja bei weitem noch nicht
die überwiegende Zahl der entsprechenden Punkte überhaupt verhandelt worden . Insofern bin ich skeptisch, dass
wir innerhalb der Präsidentschaft des aktuellen US-amerikanischen Präsidenten eine solche Verhandlung zu
Ende bringen .
Frau Höhn, Ihre zweite Frage, bitte .
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass das
Interesse der Amerikaner an TTIP nach dem Abschluss
von TPP merklich nachgelassen hat, wie man insbesondere daran sieht, dass sich zum Beispiel die neuen Präsidentschaftskandidaten ja eher negativ zu TTIP geäußert
haben? Folgt daraus nicht, dass ein Entgegenkommen bei
den Verhandlungen kaum zu erwarten ist, insbesondere
wenn die Verhandlungen in einer großen Schlussphase
verhandelt werden?
Man könnte nach einigen Veröffentlichungen dieser
Meinung sein . Aber ich möchte mich bei meiner Antwort
im Namen der Bundesregierung nicht auf Spekulationen
stützen . Insofern kann ich dazu keine weiteren konkreten
Antworten geben .
Herr Ebner, bitte .
Herr Staatssekretär, da wir gerade bei TTIP sind: Hält
die Bundesregierung nach dem, was jetzt öffentlich zu
lesen war, ein Gegeneinanderausspielen verschiedener
Wirtschaftssektoren, beispielsweise die Interessen der
Automobilindustrie gegen Belange der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, in Europa für sachgerecht? Ich
meine die Forderungen aus den USA, dass Zugeständnisse für die Automobilindustrie in Europa nur zu erreichen
sind, wenn beispielsweise Zugeständnisse im Bereich
der Gentechnik und weiteren Feldern im Agrarbereich
seitens der EU gemacht werden . Hält das die Bundesregierung für sachgerecht? Und wenn nein: Wie möchte
sie es vermeiden, dass unserem Agrarsektor erhebliche
Nachteile ins Haus stehen?
Ich glaube, dass es außerordentlich unangebracht ist,
sich im Rahmen einer Fragestunde über Strategien in den
Verhandlungen, die die Europäische Kommission im Inhttp://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oxfam-vielen-arbeitern-in-us-gefluegelindustrie-wird-toilettenpause-verwehrt-a-1092346.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oxfam-vielen-arbeitern-in-us-gefluegelindustrie-wird-toilettenpause-verwehrt-a-1092346.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oxfam-vielen-arbeitern-in-us-gefluegelindustrie-wird-toilettenpause-verwehrt-a-1092346.html
teresse von Mitgliedstaaten zu führen hat, auszutauschen .
Zum einen sind die Verhandlungen noch nicht an diesem
Punkt . Zum anderen halte ich es für unangemessen, vor
Beginn der Verhandlungen zu diesen einzelnen Punkten
schon Absichtserklärungen seitens der Bundesregierung
abzugeben . Wir werden uns im Rahmen dieses Prozesses
einbringen und unsere Interessen wahren .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär .
Ich darf jetzt eine weitere Delegation auf der Ehrentribüne recht herzlich begrüßen . Es ist eine Delegation von
Abgeordneten aus dem Rechts- und Menschenrechtsausschuss aus Tunesien . Bienvenue au parlement!
({0})
Wir kommen jetzt - das passt gut - zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts . Ich begrüße Staatsminister
Michael Roth recht herzlich .
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Movassat auf:
Inwiefern plant die Bundesregierung einen Ausbau der
Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten, und welche Rolle
spielen die wiederholten massiven Menschenrechtsverletzungen ägyptischer Sicherheitskräfte ({1}) und die zunehmenden Meldungen,
dass es als Transitland für Flüchtlinge in den Fokus rückt
({2}), bei
ihren Erwägungen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Lieber Herr Kollege
Movassat, lassen Sie mich einmal mit einer Grundsatzbemerkung beginnen . Die Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten im Bereich
der Sicherheit dient niemals der Schwächung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten . Im
Gegenteil: Wir sind diesen drei Prinzipien verpflichtet.
Deshalb spielen sie bei Sicherheitsabkommen mit anderen Staaten - Sie bezogen sich ja auf Ägypten - eine herausragende Rolle .
Die bisherige Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten soll in Kürze durch ein bilaterales Sicherheitsabkommen bekräftigt werden . Wir konzentrieren uns in der
Zusammenarbeit vor allem auf folgende Bereiche: Bekämpfung des Terrorismus einschließlich Geldwäsche,
Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, der Schleuserkriminalität und der organisierten Kriminalität sowie
die Luftsicherheit. Dieses Sicherheitsabkommen befindet
sich derzeit in der Endabstimmung .
Auf die besondere Bedeutung der Menschenrechtslage habe ich als ein ganz herausragendes Kriterium schon
hingewiesen . So sollen zum Beispiel im Rahmen der Sicherheitskooperation die polizeilichen Kompetenzen der
ägyptischen Polizeibehörden einschließlich der Grenzpolizeibehörden gestärkt sowie das Verständnis einer
nach demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen
und Menschenrechten verpflichteten Polizei vermittelt
werden .
Selbstverständlich nehmen wir die entsprechenden
Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten seitens der
Menschenrechtsorganisationen und weiterer Nichtregierungsorganisationen ausgesprochen ernst und thematisieren diese immer wieder ganz konkret im Gespräch mit
Repräsentanten der ägyptischen Regierung .
Zusatzfrage, Herr Kollege .
Danke, Herr Staatsminister . - Mich würde noch interessieren, welche konkreten Maßnahmen geplant sind .
Vielleicht könnten Sie das ausführen, insbesondere wer
die Akteure auf deutscher Seite sein werden, die dort für
die Zusammenarbeit zuständig sind, Stichwort Bundeskriminalamt, Bundeswehr oder andere Organisationen .
Hat die ägyptische Seite angemeldet, in welchen Sektoren sie einen besonderen Bedarf an einer Zusammenarbeit sieht?
Herr Abgeordneter Movassat, ich habe Ihnen eben
schon deutlich gemacht, was die Schwerpunkte dieses
Sicherheitsabkommens sind, nämlich Terrorismusbekämpfung, organisierte Kriminalität und Schleusungskriminalität . Bei der Ausbildung bzw . der Ertüchtigung und
Sensibilisierung der ägyptischen Polizei- und Grenzpolizeibehörden spielen die Kompetenzen und die Expertise unserer Bundespolizei und Sicherheitsbehörden eine
ganz entscheidende Rolle .
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Herr Staatsminister, Sie sagen: Die Menschenrechte
werden natürlich besonders angesprochen . - Ich bin mir
nicht so sicher, ob man das für bare Münze nehmen kann .
Man braucht sich doch nur Berichte über die Menschenrechtslage in Ägypten anzuschauen: Seit dem Amtsantritt
des Präsidenten el-Sisi sind 40 000 Menschen aus politischen Gründen in Haft genommen worden, 40 000 Menschen! Im Januar letzten Jahres wurden an einem Tag
183 Menschen zum Tod verurteilt . Es gibt ein massives
Menschenrechtsproblem, das wirklich von allen angesprochen wird: von Human Rights Watch, von Amnesty
International, von Thinktanks wie der SWP und von der
Opposition im Land . Menschen, die an einer Demonstration teilnehmen, werden zu fünf Jahren Haft verurteilt .
Das war vor kurzem wieder der Fall .
Meine Frage an Sie ist: Überlegen Sie nicht, ob es
wirklich sein kann, mit einer solchen Militärdiktatur zu
einer Zusammenarbeit zu kommen, die letztlich immer
auch ein Stück weit Hofierung eines fragwürdigen Regimes ist? Senden Sie nicht die falschen Signale, wenn
zum Beispiel der Herr Vizekanzler davon spricht, dass
Herr el-Sisi ein beeindruckender Präsident ist? Wenn ich
http://www.hrw.org/de/news/2016/04/21/aegypten-kinder-gefoltert-und-verschleppt
http://www.hrw.org/de/news/2016/04/21/aegypten-kinder-gefoltert-und-verschleppt
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-146929.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-146929.html
http://www.focus.de/politik/videos/muessen-verhindern-dass-schmuggler-fuss-fassen-vor-dieser-neuen-fluechtlingsroute-fuerchtet-sich-jetzt-europa_id_5568090.html
http://www.focus.de/politik/videos/muessen-verhindern-dass-schmuggler-fuss-fassen-vor-dieser-neuen-fluechtlingsroute-fuerchtet-sich-jetzt-europa_id_5568090.html
http://www.focus.de/politik/videos/muessen-verhindern-dass-schmuggler-fuss-fassen-vor-dieser-neuen-fluechtlingsroute-fuerchtet-sich-jetzt-europa_id_5568090.html
so etwas höre, habe ich nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung wirklich auf dem Schirm hat, wie massiv in
Ägypten die Menschenrechte verletzt werden .
Herr Abgeordneter Movassat, die Besorgnis über die
innenpolitische Lage in Ägypten, insbesondere bezogen
auf die Beispiele, die Sie eben genannt haben, teilen wir
ausdrücklich, und - ich will das noch einmal wiederholen - sie ist regelmäßig Thema der Gespräche, die wir mit
Repräsentanten der ägyptischen Regierung führen .
Darüber hinaus will ich Ihnen in einem Punkt sehr
offen widersprechen: Sicherheitsabkommen orientieren sich an den rechtsstaatlichen Prinzipien nicht nur
des anderen Landes, sondern selbstverständlich auch
an den rechtsstaatlichen Prinzipien der Bundesrepublik
Deutschland . Diese sehr hohen und sehr strengen Maßstäbe - darin stimmen Sie mir sicherlich zu - sind dementsprechend Richtschnur des Handelns und verpflichten
im Übrigen beide Seiten .
In dem Abkommen ist eine allgemeine Vorbehaltsklausel enthalten . Das heißt, es kann zu einer Aufkündigung der Zusammenarbeit kommen, wenn diese im
Widerspruch zu dem innerstaatlichen Recht einer Vertragspartei steht . Also: Sollten die Sicherheitsbehörden
im Rahmen des Abkommens Dinge tun oder verantworten, die sich mit den Rechtsstaatsprinzipien und den Menschenrechtsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland
nicht vereinbaren lassen, dann gibt es die Möglichkeit,
dieses Abkommen aufzukündigen . Das gilt im Übrigen
für alle Sicherheitsabkommen, die die Bundesregierung
geschlossen hat .
Ein weiterer Punkt: Bei drohenden Menschenrechtsverletzungen ist die Anwendung des Vertrages ebenfalls
ausgeschlossen .
Herzlichen Dank .
Die Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen wird
schriftlich beantwortet .
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Professor
Dr . Günter Krings bereit .
Die Frage 26 der Abgeordneten Sevim Dağdelen, die
Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Ulla Jelpke und die
Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Volker Beck werden
schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zur Frage 31 des Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie sind Inhalt und Wortlaut der Zusagen bzw . der Vereinbarungen des Bundesministers des Innern bei seiner US-Reise
vom 17 . bis 19 . Mai 2016 gegenüber US-Regierungsvertretern
({0})
zum Datenaustausch im Sicherheitsbereich etwa über islamistische Gefährder ({1}), und wie stellte das Bundesministerium des Innern dabei - neben kurzfristiger Unterrichtung des Deutschen
Bundestages darüber - sicher, dass beim Datenaustausch die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingehalten sind, die
Zweckbindung der Daten zu wahren und diese weder für Folter noch für Tötungen zu nutzen oder an Dritte weiterzuleiten,
insbesondere, mit deutscher Billigung im Einzelfall, nicht an
Staaten mit geringerem bzw . zweifelhaftem Datenschutzniveau?
Herr Staatssekretär, bitte .
Auf Herrn Ströbele ist Verlass . - Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Ströbele, es freut mich, dass ich wenigstens diese
Frage mündlich beantworten kann . Die Vereinbarung,
auf die Sie in Ihrer Frage anspielen, wurde in der Tat
zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem
Terrorist Screening Center, TSC, das dem FBI zugeordnet ist, welches wiederum zum Geschäftsbereich des
US-amerikanischen Justizministeriums gehört, getroffen . Bei dem Terrorist Screening Center werden US-Behörden-übergreifend Daten zu bekannten und mutmaßlichen Terroristen zusammengeführt . Sinn und Zweck des
Memorandum of Understanding ist die Einigung auf ein
gemeinsames Verfahren beim Datenaustausch zu Personen, die im begründeten Verdacht stehen, terroristische
Straftaten zu begehen, also sogenannte Gefährder . Diese
Absprache thematisiert den Austausch von biografischen
Grunddaten zur Identität, wie zum Beispiel Name, Geburtsdatum und Nummern von Reisedokumenten . Erst
im Fall eines Treffers aufgrund übermittelter Grunddaten
sollen in einem zweiten Schritt Anfragen zu Hintergrundinformationen folgen . Diese Anfragen bzw . Ersuchen
werden im Rahmen des innerstaatlich geltenden Rechts,
das heißt auf der Grundlage bestehender nationaler Gesetze und des Unionsrechts, beantwortet . Für das Bundeskriminalamt, das auf deutscher Seite datenübermittelnde Stelle sein wird, ändern sich daher die rechtlichen
Rahmenbedingungen sowie die Möglichkeiten und Befugnisse für Datenübermittlungen durch die Absprache
nicht . Vielmehr fußt die mit der Absprache bezweckte
Intensivierung des Datenaustauschs auf dem geltenden
innerstaatlichen Recht sowie den darin bereits enthaltenen und auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägten Befugnissen zur Datenübermittlung .
Die Absprache ist als „Verschlusssache - Nur für den
Dienstgebrauch“ eingestuft . Daher kann der Wortlaut
nicht veröffentlicht werden . Das Bundesministerium des
Innern hat den Obleuten der Fraktionen in der heutigen
Sitzung des Innenausschusses angeboten - das habe ich
getan -, den Text in den Räumen des Innenministeriums
einzusehen und erläutert zu bekommen . Auch Ihre Fraktion ist herzlich eingeladen, in Gestalt ihres Obmanns, zu
dem Sie ja sicherlich volles Vertrauen haben, Einsicht zu
nehmen .
Zusatzfrage, Kollege Ströbele .
Zuerst möchte ich meinen Dank für den ersten Teil der
Antwort aussprechen . Noch wichtiger als das, was dort
geschrieben steht, ist der Teil, in dem es darum geht, wie
Sie sicherstellen, dass die Vorgaben der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts, das uns erst vor wenigen
Wochen in einer denkwürdigen Entscheidung gesagt hat,
unter welchen Voraussetzungen Daten weitergegeben
werden dürfen, eingehalten werden, insbesondere wenn
es um die Zweckbindung und das Problem geht, dass
Daten möglicherweise zu Zwecken gebraucht bzw . missbraucht werden, die nach deutschem Recht nicht zulässig
sind, wie die gezielte Tötung durch Drohnen . Wie haben
Sie sichergestellt, dass die Vorgaben zuverlässig eingehalten werden?
Das ist eine durchaus verständliche Nachfrage . Darüber haben wir heute schon ausführlich im Innenausschuss
gesprochen . Ich möchte das gerne auch hier erläutern .
Zunächst einmal - nur der guten Ordnung halber -: Natürlich ist nicht jeder Einsatz einer bewaffneten Drohne
gleich völkerrechtswidrig . Es gibt aber Einsätze, die wir
mit großen Sorgen und Bedenken sehen . Insofern haben
wir das Interesse, dass Daten dafür nicht verwandt werden . Ich glaube, hier sind wir uns, in der Richtung jedenfalls, einig .
Wir haben bei dem Abschluss des erwähnten Memorandums großen Wert darauf gelegt, dass wir im Einklang
mit der von Ihnen angesprochenen jüngsten Entscheidung des Karlsruher Verfassungsgerichts stehen . Eine
wesentliche Vorgabe ist, dass relevante Daten, die weiter
für konkrete polizeiliche Einsätze genutzt werden können, mit einem - auf Neudeutsch - Handling-Code versehen werden sollen . Das entspricht der Zielrichtung des
Bundesverfassungsgerichts . Die Daten werden also mit
Kautelen versehen, sodass sie nicht frei, sondern nur für
bestimmte Zwecke genutzt werden können . Dafür gibt es
entsprechende Vereinbarungen mit den Amerikanern im
Einzelfall . Wichtig ist: Daten, die zu dem führen können,
was Sie gerade beschrieben haben, gehören nicht zur
ersten Stufe . Hier geht es nur um Name, Geburtsdatum
und wenige andere Daten . Alles, was darüber hinausgeht, erfolgt in der zweiten Stufe . Es handelt sich da um
eine Einzelfallübermittlung, die im Gespräch zwischen
deutschen und amerikanischen Behörden zu erfolgen hat .
Dann kann man entsprechende Vorgaben machen . Das
ist der Weg, den auch das Bundesverfassungsgericht für
gangbar und richtig hält .
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele? Bitte schön .
Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, befassen wir uns
gerade im NSA-Untersuchungsausschuss intensiv mit
der Frage - damit hat sich das Bundesamt für Verfassungsschutz offenbar schon vor Jahren befasst -, ob sich
die USA tatsächlich an solche Zweckbindungen halten
oder ob sie beispielsweise weitergegebene Handydaten
doch nutzen, um etwa im Jemen oder in Somalia gezielte
Tötungen - ich sage: illegale Hinrichtungen - durchzuführen .
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu Auflagen gemacht und gesagt, das müsse regelmäßig überprüft werden . Wir haben eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die klar besagt: Bei den USA ist Misstrauen
angebracht, weil es zweifelhaft ist, dass die Daten wirklich nur für den Zweck verwendet werden, für den sie
übermittelt werden .
Mir ist bekannt, dass Sie sich mit diesen Fragen beschäftigen . Es gilt hier der Satz, auch unter Verbündeten
und Partnern: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser . Dass
wir dem nachgehen müssen, ist richtig . Nur, das muss so
geschehen, dass wir in den Einzelfällen, in denen es relevant wird, darauf hinweisen, zu welchen Zwecken die
Daten verwendet werden können und zu welchen Zwecken sie nicht verwendet werden können .
Dass hier Restrisiken bleiben, mag sein . Wenn wir
diese komplett ausschließen wollten, dann müssten wir
ausschließen, nicht nur mit den Amerikanern, sondern
mit fast allen Staaten der Welt jemals Telekommunikationsdaten, Handynummern usw . auszutauschen . Das kann
nicht der Weg sein . Das böte zwar die hundertprozentige
Sicherheit, dass nie ein Missbrauch erfolgen kann, das
würde aber auch jegliche internationale Zusammenarbeit
verhindern . Das kann nicht in unser aller Interesse sein .
Deshalb müssen wir den schwierigen Weg gehen, der
auch Restrisiken beinhaltet . Wir müssen auf die Zweckbindung hinweisen und Hinweisen, dass man sich vielleicht nicht daran gehalten hat, nachgehen . Das ist der
Weg, den Karlsruhe und andere vorgeben . Im Einzelfall
müssen wir die Zweckbindung vornehmen und dafür
Sorge tragen, dass die Amerikaner davon Kenntnis haben
und das auch beachten .
Schönen Dank . - Die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich
Kelber bereit .
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Christian
Kühn ({0}), Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Warum will die Bundesregierung das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21 . April 2015 ({1}) erst dann evaluieren, wenn mindestens drei Jahre vergangen sind ({2}), seit die ersten Länder davon Gebrauch gemacht
haben, also frühestens im Jahr 2018?
Herr Staatssekretär, bitte .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kühn, ich darf Ihre Frage wie folgt
beantworten: Eine umfassende wissenschaftliche Evaluierung der Vorschriften zur Mietpreisbremse, wie sie im
Gesetz vorgesehen ist, setzt voraus, dass die Vorschriften
eine gewisse Zeit in Kraft sind und hinreichende Erfahrungen aus der Anwendungspraxis vorliegen . Das ist bislang nicht der Fall .
Als erstes Bundesland hat Berlin vor genau einem
Jahr, am 1 . Juni 2015, von der Ermächtigung Gebrauch
gemacht, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt
auszuweisen . Im weiteren Verlauf des Jahres 2015 sind
die Bundesländer Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Bremen und Schleswig-Holstein gefolgt . Brandenburg und
Thüringen haben erst im Jahr 2016 Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen; Niedersachsen
plant die Einführung der Vorschriften der Mietpreisbremse ebenfalls im Jahr 2016 .
Eine umfassende Evaluierung kann sich nicht allein
auf die Untersuchung der Entwicklung der Angebotsmieten in Portalen beschränken . Die Angebotsmieten geben
zunächst nur Auskunft darüber, zu welchem Mietpreis
Wohnungen angeboten werden . Dazu, ob Mietverträge zu diesen Mieten tatsächlich abgeschlossen werden,
liefern sie keine Erkenntnisse . Zudem liefern sie keine
Erkenntnisse, ob sich Mieterinnen und Mieter nach Abschluss des Mietvertrags auf die Vorschriften der Mietpreisbremse berufen und gegenüber dem Vermieter eine
zu hohe Miete geltend machen . Ein solches Vorgehen
der Mieter dürfte mit einer zeitlichen Verzögerung zu
erwarten sein . Vor diesem Hintergrund dürfte derzeit
auch noch kaum Rechtsprechung zu den Vorschriften der
Mietpreisbremse vorliegen .
Von daher: Für eine umfassende wissenschaftliche
Evaluierung ist es noch zu früh . Gleichwohl beobachtet
die Bundesregierung die Entwicklung auf den Mietwohnungsmärkten genau, auch in dieser Frage, und wird auf
erforderlichen Änderungsbedarf reagieren .
Zusatzfrage, Herr Kollege .
Danke, Herr Staatssekretär Kelber . - Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sieht das ein bisschen anders . Das DIW hat dieser Tage eine Studie zur Mietpreisbremse veröffentlicht und kommt zu der Einschätzung,
dass die Mietpreisbremse, wie sie die Große Koalition
auf den Weg gebracht hat - zunächst einmal: sie kam zu
spät; es gab einen hohen Vorzieheffekt bei den Mietsteigerungen - und wie sie jetzt in der Praxis besteht, nicht
funktioniert, weil sie ein großes Einfallstor hat .
Dieses große Einfallstor besteht darin, dass Rügepflicht und Auskunftspflicht in diesem Gesetz nicht vorgesehen sind . Der Minister Heiko Maas hat jetzt bekannt
gegeben, dass er sich unter Umständen vorstellen kann,
diesbezüglich gesetzlich tätig zu werden . Plant also das
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, in dieser Legislaturperiode in Bezug auf diese beiden Punkte Rügepflicht und Auskunftspflicht - noch einmal tätig zu
werden?
Wie ich in der Antwort auf die ursprüngliche Frage
schon ausgeführt habe, verlassen wir uns nicht allein
auf die umfassende wissenschaftliche Evaluierung, sondern beobachten den Wohnungsmarkt genau . Dabei geht
es bei der Mietpreisbremse insbesondere um folgende
Fragen: Hält sich die überwiegende Mehrzahl der Vermieterinnen und Vermieter an die Vorgaben? Und sind
Mieterinnen und Mieter bereit und in der Lage, ihr Recht,
das ihnen die Mietpreisbremse einräumt - nämlich den
bestehenden Mietpreis zu rügen und Auskunft über die
vorherige Miete zu verlangen -, in Anspruch zu nehmen?
Festzustellen, ob dies passiert oder nicht, gehört zu unserer Prüfung . Die Ergebnisse solcher Prüfungen bzw .
Beobachtungen sind dann dafür entscheidend, ob wir
weitere Maßnahmen vorschlagen .
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Wie ich schon ausgeführt habe: Die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sagt ja schon
jetzt ganz klar, dass die Befunde ausreichen, um festzustellen, dass die bestehende Mietpreisbremse keine bremsende Wirkung hat . Vielmehr ist sie - so, wie sie jetzt
konstruiert ist - ein Rieseneinfallstor für weitere Mietsteigerungen . Sie erfüllt nicht ihren eigentlichen Zweck,
den Anstieg der Mieten in Deutschland zu bremsen .
Zur Evaluierung, von der Sie gesprochen haben: In der
Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen haben
Sie gesagt, dass Sie für die Evaluierung drei Jahre brauchen . Heißt das also, dass die jetzt geltende Mietpreisbremse frühestens nach Beendigung dieser Legislaturperiode wieder angefasst wird, womit der augenblickliche
Zustand einer nicht funktionierenden Mietpreisbremse
fortbestehen würde? Damit würde das zentrale Projekt
der Bundesregierung zur Begrenzung von Mieten eigentlich fehlerhaft bleiben und die angestrebten Wirkungen
sowie den beabsichtigten politischen Zweck nicht erfüllen .
Ich kann noch nicht zu allen Details der Studie des
DIW, die es heute veröffentlicht hat, Stellung nehmen .
Entschuldigen Sie bitte, dass ich sie noch nicht vollständig auswerten und wissenschaftlich bewerten konnte . Es
gibt darin natürlich Punkte, über die man reden muss,
zum Beispiel: Ist es richtig, benachbarte Wohnungsmärkte - wobei der eine als angespannt ausgewiesen wurde,
der andere nicht - miteinander zu vergleichen? Oder
müssen beispielsweise angespannte Wohnungsmärkte
miteinander verglichen werden?
Mein Haus hat im Zusammenhang der Beantwortung
Ihrer Kleinen Anfrage in der Tat auf die Regelungen aus
dem Gesetz hingewiesen, dass nämlich die umfassende
wissenschaftliche Evaluierung nach drei Jahren erfolgen
soll . Ich habe aber gerade ausgeführt, dass wir natürlich
darüber hinaus den Wohnungsmarkt auch unabhängig
von einer umfassenden wissenschaftlichen Evaluierung
beobachten .
In Ihrer Kleinen Anfrage hatten Sie sich auf eine andere Studie bezogen, aus der ich nur einen Satz zitieren
darf . Es heißt dort zur Frage „Wirkt die Mietpreisbremse
doch?“:
Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass die
Einführung der Mietpreisbremse am 01 .06 .2015 die
dynamische Entwicklung der Vorjahre tatsächlich
gebremst hat .
Das war die Grundlage Ihrer damaligen Anfrage .
Herzlichen Dank . - Wir kommen zur Frage 35 des Abgeordneten Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen:
Teilt die Bundesregierung die Position der Europäischen
Kommission, dass eine Erklärung der Europäischen Kommission zur genaueren Auslegung der Biopatentrichtlinie
ausreichend ist ({0}) sowie eine Änderung der
Richtlinie im Gegensatz dazu keine Lösung wäre, um das Patentierungsverbot bei konventionell gezüchteten Pflanzen und
Tieren wirksam durchzusetzen ({1}),
und falls die Bundesregierung im Gegensatz zur Europäischen
Kommission eine Änderung der Biopatentrichtlinie zur Klarstellung des Patentierungsverbotes für notwendig erachtet,
welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung auf
EU-Ebene in diesem Bereich für das laufende Jahr?
Herr Staatssekretär, bitte .
Sehr geehrter Kollege Ebner, ich darf Ihre Frage wie
folgt beantworten: Die Bundesregierung teilt die Position
der EU-Kommission, die im Übrigen auch mit der Position des Europäischen Parlaments übereinstimmt . Wir halten eine Erklärung der EU-Kommission zur genaueren
Auslegung der Patentierungsausnahmen in der Biopatentrichtlinie für eine geeignete und sinnvolle Maßnahme . Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen der
Gespräche, die ich in den letzten Monaten für das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit
zahlreichen namhaften Experten geführt habe . Niemand
in diesen Runden hat eine Öffnung der Biopatentrichtlinie als ersten Schritt gefordert .
Die von der Kommission zur Biopatentrichtlinie eingesetzte Expertengruppe lehnt eine Änderung der Biopatentrichtlinie ab . Auch sie befürwortet als ersten Schritt
eine Maßnahme unterhalb der Schwelle eines legislativen Eingriffs .
Schließlich deckt sich dieses Ergebnis auch mit der
Mehrheit der Stellungnahmen, die am 18 . Mai in Brüssel
auf dem Symposium der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft zum Thema Biopatente abgegeben wurden .
Zusatzfrage, Herr Kollege?
Demnach gehe ich davon aus, dass Sie auch die Position der Expertengruppe teilen, die von der Kommission
eingesetzt wurde und Mitte Mai ihren Bericht veröffentlicht hat . In dieser Expertengruppe ist es die mehrheitliche Einschätzung, dass sowohl bezüglich einer Ausweitung des beschränkten Züchterprivilegs im Patentrecht
als auch hinsichtlich des Konflikts zwischen Patentschutz
und Sortenschutz kein Handlungsbedarf besteht .
Ich muss Sie an dieser Stelle fragen: Wie wollen Sie
dieses Problem lösen? Bei welchen Punkten sehen Sie
jetzt vordringlichen Handlungsbedarf, um diesen Konflikt aufzulösen, wenn Sie es nicht auf legislativem Weg
machen wollen?
Es ist ein Fehler, aus der Zustimmung zu einem Ergebnis der Expertenkommission die Schlussfolgerung zu
ziehen, dass allen Empfehlungen der Expertenkommission zugestimmt wird . Ich habe eben insbesondere darüber
Auskunft gegeben, dass wir die Position teilen, dass der
Schritt, dass die EU-Kommission eine solche Aussage
trifft, der wichtige erste Schritt in diesem Bereich ist . Das
ist ja auch vom Europäischen Parlament unterstützt worden; das entspricht auch dem, was von den Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich beschlossen wurde: Es ist ein kräftiges politisches Signal aller politischen
Ebenen der Europäischen Kommission . Darin kommt ein
anderes Verständnis der Frage der Biopatentierung zum
Ausdruck als in den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes .
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?
Ob wir legislativ vorgehen oder über den von Ihnen
genannten ersten Schritt: Wir müssen in jedem Fall
von einem langen Prozess ausgehen, bis eine rechtliche
Klarstellung des Verbotes der Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzen durchgesetzt ist; ich hoffe,
dass wir uns darüber einig sind, dass es notwendig ist .
Insofern meine Frage: Wie schützt die Bundesregierung
in der Zwischenzeit, bis diese Klarstellung erfolgt ist,
das Gemeinwohlinteresse, und wie verhindert sie eine
fortschreitende Privatisierung genetischer Ressourcen?
Erwägt die Bundesregierung etwa, selber Einspruchsund Klageverfahren gegen Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere anzustrengen oder solchen
Klagen zumindest beizutreten - auch das wäre schon ein
wichtiger Schritt - und, wenn nein, warum nicht?
http://deutsch.eu2016.nl/aktuelles/nachrichten/2016/05/24/durchbruch-in-der-debatte-uber-das-patent--und-sortenschutzrecht
http://deutsch.eu2016.nl/aktuelles/nachrichten/2016/05/24/durchbruch-in-der-debatte-uber-das-patent--und-sortenschutzrecht
http://deutsch.eu2016.nl/aktuelles/nachrichten/2016/05/24/durchbruch-in-der-debatte-uber-das-patent--und-sortenschutzrecht
Im Ziel sind wir uns einig - das habe ich ja auch in
den verschiedenen Sitzungen im Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz deutlich gemacht . Wir sehen diese Patentierungen kritisch . Die davon abweichende deutsche Rechtspraxis und die Beschlusslage des Deutschen
Bundestages umschreiben unsere Position .
Wir haben auf europäischer Ebene natürlich keineswegs zugesehen; vielmehr ging es auch auf die Initiative der deutschen Bundesregierung zurück, dass es zu
diesem Symposium der niederländischen Ratspräsidentschaft gekommen ist . Ich hatte das Thema im Vorfeld
meines Besuches beim Kollegen in den Niederlanden angesprochen . Ich habe übrigens die gleichen Punkte auch
in Italien angesprochen . In der nächsten Woche werde
ich sie in Polen vortragen . Auf Fachebene sind wir nicht
nur im Kontakt mit der EU-Kommission, sondern ebenfalls mit zahlreichen anderen Mitgliedstaaten, um sie zu
überzeugen, diese Position mitzutragen .
Ich glaube übrigens, dass diese Positionierung der
EU-Kommission die schnellstmögliche politische Positionierung ist . Ob die Bundesregierung eine Klage einreicht
oder sich einer Klage anderer Organisationen, eventuell
sogar nichtstaatlicher Organisationen, anschließt, wird die
Bundesregierung natürlich als Gesamtheit beschließen .
Das hat im Augenblick aber nicht erste Priorität . Wir versuchen im Augenblick, eine gemeinsame politische Positionierung zustande zu bringen . Darin sind wir uns übrigens
mit allen Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen des Europäischen Parlamentes, die auch hier vertreten sind, einig .
Danke schön . - Wir kommen zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme bereit .
Die Fragen 36 und 37 der Abgeordneten Petra Pau
sowie die Frage 38 des Abgeordneten Dr . André Hahn
werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zur Frage 39 der Abgeordneten Katrin
Werner, Fraktion Die Linke:
Aus welchen Gründen waren bei der Verbändeanhörung
zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes am
24 . Mai 2016 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
weder die Bundesministerin Andrea Nahles, die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller noch der
zuständige Abteilungsleiter anwesend ({0})?
Frau Staatssekretärin, bitte .
Frau Werner, Sie stellen eine Frage zur Anwesenheit
der Ministerin bzw . der Parlamentarischen Staatssekretärin Lösekrug-Möller bei der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes am 24 . Mai
2016 . Alle Anhörungen zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes, das heißt die Länderanhörung am
23 . Mai 2016, die Verbändeanhörung am 24 . Mai 2016
und die Ressortanhörung am 25 . Mai 2016, wurden von
den fachlich zuständigen Unterabteilungsleitern moderiert
und durch die Fachreferate in jeweils identischer personeller Besetzung unterstützt . Selbstverständlich ist es so, dass
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in eigener
Verantwortung entscheidet, wie und in welcher Besetzung
die Anhörungen durchgeführt werden . Dabei wurde kein
Anlass gesehen, für die Verbändeanhörung ein von den übrigen Anhörungen abweichendes Verfahren anzuwenden .
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?
Ja . - Frau Kramme, Ihnen ist ja bekannt, dass man seit
Monaten auf diesen Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes gewartet hat und dass es schon ein extremer
Spannungsbogen war, den das Ministerium aufgebaut
hat: Die Veröffentlichung wurde sehr oft verschoben;
dann gab es die Möglichkeit der Stellungnahme . Dass die
Erwartungen in diesen Gesetzentwurf sehr groß sind, ist
Ihnen auch bekannt . Das ist klar und deutlich kommuniziert worden im Beteiligungsprozess . Jetzt gibt es - auch
aufgrund der Nichtanwesenheit von Vertretern des Ministeriums bei der Anhörung; sogar der Abteilungsleiter
war nicht anwesend - den Vorwurf, dass das Ganze als
Pseudobeteiligung anzusehen ist .
Mich würde, weil dem Ministerium dieser Vorwurf ja
bekannt ist, schon interessieren, wie Sie das bewerten .
Für mich wäre vor allen Dingen ganz wichtig - denn der
Gesetzentwurf ist ja noch nicht im parlamentarischen
Verfahren -, welche Konsequenzen Sie aus diesen Vorwürfen ziehen . Denn wir müssen doch wirklich die Beteiligten mitnehmen und dürfen nicht in unserem Raumschiff weiterschweben .
Frau Staatssekretärin .
Frau Werner, Sie wissen selber, dass zu dem Bundesteilhabegesetz im Ministerium unzählige Gespräche
und Runden durchgeführt worden sind . Dass man hier
die Betroffenen nicht in hinreichender Weise einbezogen
hat, kann an dieser Stelle wahrlich nicht gesagt werden .
Das ist das eine .
Das andere bezieht sich im Prinzip auf Ihre nächste
Frage . Ich schlage vor, dass ich gleichzeitig Ihre Frage 40
beantworte, wenn der Herr Präsident einverstanden ist .
Er ist einverstanden . - Ich rufe die Frage 40 auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Forderung vieler Selbstvertretungsorganisationen und Verbände, die
vorgesehenen Verbesserungen im Entwurf, beispielsweise das
Budget für Arbeit und die Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen, ins SGB IX zu übernehmen und den Referentenentwurf zurückzuziehen?
http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/33805/Deutliche-Worte-an-Andrea-Nahles.htm
http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/33805/Deutliche-Worte-an-Andrea-Nahles.htm
http://www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/33805/Deutliche-Worte-an-Andrea-Nahles.htm
Sie haben dann Zusatzfragen en masse, Frau Werner . Bitte, Frau Staatssekretärin .
Selbstverständlich ist es so, dass wir nach wie vor der
Überzeugung sind, dass dieser Referentenentwurf und
hoffentlich das spätere Gesetz eine spürbare Entlastung
für Menschen mit Behinderung bringen werden . Aber natürlich ist es auch so - es wäre unsinnig, wenn wir anders
agieren würden -, dass wir uns sehr genau anhören, was
es an Kritik, an Einwendungen und an Anregungen gibt .
Im Moment sind wir dabei, das alles auszuwerten und
erneut zu beleuchten .
Aber Sie wissen auch: Wir befinden uns im Moment
noch im Prozess des regierungsinternen Handelns, sodass ich zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Auskünfte
geben kann .
Sie haben, Frau Kollegin, jetzt noch drei Zusatzfragen .
Das müssen Sie nicht ausschöpfen, aber Sie können es .
Ich habe noch eine Zusatzfrage . - Sie haben selber
gesagt, dass Sie im Prozess sind und dass Sie die Betroffenen eingeladen haben und ihnen das Gefühl gegeben
haben, dass ihre Vorschläge aufgenommen bzw . gehört
werden . Sie haben jetzt, wenn ich das richtig verstanden
habe, gesagt, dass Sie alle Vorschläge prüfen . Insofern
geht meine Zusatzfrage genau in diese Richtung .
Am Montag fand eine Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion zum Bundesteilhabegesetz statt . Ich möchte
Sigrid Arnade zitieren, die auf dieser Konferenz gesagt
hat: Es sind
die Betroffenen . . ., die dieses Gesetz nicht wollen .
Für wen ist es denn? Wer soll denn davon profitieren? Die Betroffenen wollen es nicht . Kann das
vielleicht mal gehört werden? Kann das ernst genommen werden? Kann das zu irgendwelchen Konsequenzen führen?
Kann ich aus Ihrer Antwort schließen, dass Sie genau
diese Variante auch prüfen, dass Sie den Gesetzentwurf
in der Form stoppen und wirklich nur die positiven Dinge, die im Moment darin enthalten sind, ins SGB IX aufnehmen?
Frau Staatssekretärin .
Zunächst einmal haben wir eine andere Wahrnehmung
als Sie . Dass es diese Äußerung gegeben hat, ist sicherlich richtig . Ich habe Ihnen vorhin bereits dargelegt, dass
wir der festen Überzeugung sind, dass es spürbare Verbesserungen für die Betroffenen geben wird . Wir werden
an diesem Gesetzentwurf festhalten . Aber wir werden,
wie gesagt, Punkte im Detail selbstverständlich noch einmal neu diskutieren .
Herzlichen Dank . - Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft . Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr . Maria Flachsbarth bereit .
Ich rufe die letzte Frage der Fragestunde, die Frage 41
des Abgeordneten Harald Ebner, auf:
Wie ist der Stand der Ressortabstimmung zur Glyphosat-Neuzulassung bezüglich des Abstimmungsverhaltens
Deutschlands im Fall einer möglichen Abstimmung, und wird
die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, um ein eindeutiges Votum Deutschlands zu
erreichen?
Frau Staatssekretärin, bitte .
Herr Kollege, wie bereits Herr Bundesminister de
Maizière eben in der Regierungsbefragung ausgeführt
hat, hat die Bundesregierung ihre Meinungsbildung dazu
noch nicht abgeschlossen .
Laut § 74 Absatz 6 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist die Haltung der Bundesregierung in den Gremien der Europäischen Union
einheitlich darzustellen . Sollte im Ausnahmefall einmal
keine gemeinsame Haltung der Bundesregierung hergestellt werden können, so enthält sich Deutschland auf
EU-Ebene der Stimme . Auch im Koalitionsvertrag wird
mittelbar auf dieses Vorgehen verwiesen, da vereinbart
ist, dass die Bundesregierung geschlossen gegenüber den
europäischen Partnern und Institutionen auftreten soll .
Schönen Dank . - Zusatzfrage, Herr Kollege Ebner?
Ja . - Danke schön, Frau Staatssekretärin . Heute hat
der Kommissar Andriukaitis seinen Vorschlag einer
Laufzeitverlängerung für Glyphosat vorgelegt . Er hat
darin Erstaunliches verlauten lassen . Er möchte nämlich
keine Einschränkungen vornehmen . Er sieht die Kommission auch nicht in der Pflicht, das Vorsorgeprinzip
anzuwenden . Teilt die Bundesregierung die Position des
EU-Kommissars, dass das Vorsorgeprinzip nach Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich der Verlängerung der Zulassung
von Glyphosat nicht zur Anwendung zu kommen hat?
Herr Kollege Ebner, die Beurteilung und Prüfung des
Vorschlags von Herrn Kommissar Andriukaitis ist im
Rahmen der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen .
Das können Sie sich vorstellen, da dieser Vorschlag erst
seit heute Morgen um halb zwölf auf dem Tisch liegt .
Vizepräsident Peter Hintze
Ich möchte aber gerne darauf hinweisen, dass der Herr
Kommissar vorgeschlagen hat, dass es zu einer Verlängerung der derzeitig gültigen Genehmigung bis Ende 2017
bzw . sechs Monate nach der Legaleinstufung durch die
ECHA kommen solle . Das ist wesentlich kürzer als eine
angedachte Frist für die Verlängerung der Genehmigung,
wie Sie sie in Ihrem Antrag, der heute Morgen im Ausschuss zwar aufgerufen, aber nicht diskutiert worden ist,
vorschlagen . Dort führen Sie aus, dass eine allenfalls auf
zwei bis drei Jahre befristete Verlängerung der Genehmigung ein gangbarer Kompromiss wäre .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter
Ebner?
Aber gerne doch . - Frau Staatssekretärin, wenn Sie
daraus zitieren, dann würde ich Sie angesichts der Kürze
des Antrags bitten, ihn durchaus vollständig zu zitieren .
Es würde sich nämlich lohnen, zu sagen, was wir auch
geschrieben haben, nämlich dass die Verlängerung dann
selbstverständlich mit Einschränkungen vorzunehmen
wäre . Das sieht die EU-Kommission jetzt nicht vor; sie
möchte es den Mitgliedstaaten allenfalls in einem zweiten Schritt empfehlen .
Da es völlig offen zu sein scheint, wie die entsprechende Abstimmung in Brüssel am Montag, dem 6 . Juni,
ausgehen wird, nachdem die Position Deutschlands noch
nicht klar ist, Frankreich aber schon erklärt hat, mit einem Nein in die Abstimmung gehen zu wollen - es könnte ähnlich knapp werden wie bei den letzten Nichtabstimmungen -, möchte ich Sie fragen: Wenn jetzt keine
qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der Kommission
erreicht würde und die Genehmigung für Glyphosat dann
am 30 . Juni ohne Verlängerung ausliefe, was würde das
ganz konkret bedeuten? Welche Übergangsfristen gäbe
es für den Verkauf und die Anwendung von Glyphosat?
Haben Sie dazu Informationen?
Herr Kollege Ebner, wir haben die Kommission sehr
wohl dahin gehend verstanden - wie gesagt, eine abschließende Prüfung steht noch aus -, dass sie die Verordnung zur Verlängerung der geltenden Genehmigung
in den zuständigen Ausschuss überweisen würde . Wenn
es dort zu keinen Mehrheiten käme, würde sie in den Berufungsausschuss gehen und hätte dann die Möglichkeit,
selbst über eine Verlängerung zu befinden.
Darüber hinaus möchte ich Sie darüber informieren,
dass die Kommission nach unseren Informationen für
den Fall, dass es zu einer Verlängerung der derzeit geltenden Genehmigung käme, vorsähe, entsprechende Verschärfungen zum Beispiel in Bezug auf Tallowamine, auf
die sogenannte Sikkation und auf die Anwendung außerhalb der Landwirtschaft einzubringen, und zwar in die
derzeit gültige Genehmigung .
Danke schön . - Es gibt noch zwei Fragen, die ich
zulasse, und zwar des Abgeordneten Kekeritz und der
Abgeordneten Höhn . Zuerst der Abgeordnete Kekeritz,
bitte .
Frau Staatssekretärin, nicht seit heute früh, sondern
seit anderthalb Wochen ist bekannt, dass das Donauwasser, das ganz massiv als Trinkwasserressource dient, mit
Glyphosat hochbelastet ist . Ich könnte ganz simpel die
Frage stellen: Was will die Bundesregierung tun, damit
das in Zukunft nicht mehr geschieht? Die Antwort kann
ich Ihnen gleich geben: Man muss Glyphosat verbieten .
Spielt die Trinkwasserqualität bei Ihren Überlegungen eine entscheidende Rolle? Welche Untersuchungen
haben Sie in Bezug auf Trinkwasser durchgeführt, und
zwar nicht nur bei Trinkwasserressourcen, sondern auch
bei Flüssen, die letztlich Trinkwasserressourcen speisen?
Der Schutz von Umwelt und Gesundheit, Herr Kollege, spielt die entscheidende Rolle bei den Überlegungen
der Bundesregierung bezüglich einer möglichen Wiederzulassung von Glyphosat . Nach unseren Informationen
ist das Donauwasser tatsächlich auch Fundstätte von
Glyphosat . Jedoch liegen die Werte weit unterhalb der
Grenzwerte für Trinkwasser .
({0})
Insgesamt sind im Rahmen der Wiederzulassung von
Glyphosat über tausend unterschiedliche Studien gesichtet worden . Welche sich im Detail mit Trinkwasser bzw .
Oberflächenwasser beschäftigen, kann ich Ihnen gerade
nicht sagen . Das würde ich Ihnen aber gerne nachliefern .
Schönen Dank . - Die letzte Frage zu diesem Themenkomplex stellt die Abgeordnete Höhn . Bitte .
Frau Staatssekretärin, letzten Freitag hat der Deutsche
Ärztetag, das Gremium der Bundesärztekammer, einen
Beschluss gefasst, in dem die Bundesregierung und die
EU-Kommission aufgefordert werden, Glyphosat nicht
länger zuzulassen, weil es das Erbgut negativ verändern
kann . Bisher war es immer das Landwirtschaftsministerium, das auf einer Langfristgenehmigung von Glyphosat
bestanden hat . In welcher Weise verändert diese Aufforderung der deutschen Ärzteschaft die Positionierung des
Bundeslandwirtschaftsministeriums?
Die Bundesärzteschaft hat auf noch nicht abgeschlossene Studien bezüglich der Genotoxizität hingewiesen .
Zu diesen Studien liegen aber sehr wohl Zwischenergebnisse vor . Sie weisen darauf hin, dass vermutlich eine
Genehmigungsfähigkeit vorliegt . Die abschließenden
Untersuchungen sollen aber erst in einem Jahr vorliegen . Wenn sich der Weg abzeichnet, den der Kommissar Andriukaitis heute Morgen in seiner Stellungnahme
gegenüber der Presse angedeutet hat, dann werden diese
Ergebnisse selbstverständlich in eine endgültige Zulassung einfließen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber darauf
hinweisen, dass, wenn sich nach einer endgültigen Wiederzulassung eines Pflanzenschutzmittels neue Befunde
ergeben sollten, die auf eine massive Gesundheitsgefährdung oder auf eine Gefährdung der Umwelt hinweisen,
eine solche Zulassung selbstverständlich jederzeit auch
wieder entzogen werden kann .
Herzlichen Dank . - Wir sind damit am Ende der Fragestunde . Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt .
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zur Zukunft
der erneuerbaren Energien in Deutschland
und Europa
Ich eröffne die Aussprache . Als erster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden,
Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Was wir zurzeit in der Debatte um
den Ausbau erneuerbarer Energien erleben, das ist eine
unverfrorene Konterrevolution der alten, dreckigen Energiewirtschaft und deren Fürsprecher hier im Parlament .
({0})
Sie von der Bundesregierung wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien nämlich begrenzen, um den Kohledreckschleudern von RWE und Vattenfall einen Bestandsschutz zu geben . Unfassbar! Es ist ja so: Sobald
die erneuerbaren Energien einen beträchtlichen Anteil
der Stromnachfrage decken konnten, und das zu sinkenden Kosten, haben Sie gemerkt: Huch, das heißt ja, dass
die Marktanteile der fossilen Kraftwerke zurückgehen .
({1})
Ich sage Ihnen etwas: Genau das ist der Sinn der Energiewende .
({2})
Erneuerbare Energien sollen fossile Energien und Atomkraftwerke ersetzen .
({3})
Jetzt beklagen Sie etwas, was Sie selbst zu verantworten haben . Wir haben einen Stromüberschuss, weil Sie
den Kohleausstieg nicht angehen . Die alten Kohle- und
Atommeiler verstopfen das Netz .
Und irgendwie passt es Ihnen auch nicht, dass die
Energiewende vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen, von Genossenschaften, Landwirten
und Bürgerinnen getragen wird . Dass die Energiewende
von unten die Energieoligopole der Vergangenheit ablöst,
das passt Ihnen nicht .
({4})
Es wäre ein Leichtes, alle Projekte unter einer De-minimis-Grenze von 18 Megawatt vom Ausschreibungszwang zu befreien, wie es die EU-Kommission explizit
zulässt . Damit würde man für die Akteursvielfalt tatsächlich etwas Sinnvolles unternehmen . Weniger Bürokratie
bedeutete dies allemal . Sie aber wollen das weitere Engagement und Investitionen dieser Akteure abwürgen,
und das finde ich unverantwortlich.
({5})
Erst sollten die Menschen den Aufbruch in eine neue
Stromwelt gestalten, dann, ein paar Jahre später, sagen
Sie die Energiewende von unten wieder ab .
({6})
Dieser Zickzackkurs ist das Gegenteil von verlässlicher
Politik .
({7})
Vor gerade einmal sechs Monaten hat diese Bundesregierung in Paris einen Vertrag verhandelt, der eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf deutlich unter 2 Grad
Celsius vorsieht .
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, mir
scheint, Sie und auch die Bundesregierung haben sich
bisher gar keine Gedanken darüber gemacht, was dieses
Ziel und diese Zusagen ganz konkret bedeuten . Um diese
internationalen Vereinbarungen zu erreichen, brauchen
wir nicht darüber zu streiten, ob wir einen Anteil von
42,5 Prozent oder 45 Prozent an erneuerbaren Energien
bis 2025 im Stromsektor brauchen, denn wir bräuchten
mindestens 60 Prozent bis dahin .
({9})
Ihr Plan, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu
begrenzen, steht auch im krassen Widerspruch zur internationalen Entwicklung in dieser Branche . Es ist also
nicht nur klimapolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch dumm von der Bundesregierung, die Energiewende
in Deutschland aufzuhalten . Der Ausbau von Windenergie und Photovoltaik steigt weltweit rapide an . Letztes
Jahr wurde global mehr in die erneuerbaren Energien
investiert als in fossile Kraftwerke . Und was treibt die
Bundesregierung? Sie zerstören Zukunftsbranchen . Ganz
nebenbei haben Sie damit Zigtausende Arbeitsplätze vernichtet . Das ist ein Skandal .
({10})
Auch die regionale Wertschöpfung, von der die Kommunen und die Menschen vor Ort profitieren, setzen Sie
aufs Spiel, indem Sie kräftig auf die Bremse treten, und
das unterscheidet uns voneinander . Ich will als Grüne
nicht nur eine vernünftige Politik für die Menschen heute
in Deutschland .
({11})
Ich will eine verantwortungsvolle, global gerechte und
zukunftsfähige Politik für die Menschen, die uns nicht
wählen können, für die zukünftigen Generationen .
({12})
Sie von der Bundesregierung machen das Gegenteil . Sie
machen weder eine Politik für die Zukunft, noch machen
Sie eine Politik, die dem Willen Ihrer eigenen Wähler
entspricht . Das ist doch verrückt . Es ist nämlich so: Die
Mehrheit der Menschen in Deutschland will, dass die
erneuerbaren Energien noch stärker ausgebaut werden .
Nach einer Umfrage will selbst die große Mehrheit Ihrer
eigenen Anhänger den Kohleausstieg . Bei der SPD sind
es 74 Prozent, bei der Union sogar 80 Prozent, die das
wollen .
Morgen demonstriert ein breites Bündnis von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaft, Bauernverband, Umweltverbänden und Bürgerenergiegesellschaften hier in
Berlin . Gemeinsam fordern diese Menschen Sie auf, die
Energiewende zu retten .
({13})
Gehen Sie da mal hin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
und hören Sie diesen Menschen zu . Dann können Sie
ihnen entweder erklären, warum Sie deren Engagement
nicht mehr wollen oder warum Sie Arbeitsplätze in der
Energiewirtschaft mit zweierlei Maß messen, oder Sie
nehmen die Kritik an und bringen endlich eine kluge,
vernünftige EEG-Novelle auf den Weg, eingebettet in
eine konsistente und verlässliche Energiepolitik, die den
Energiewendestandort Deutschland stärkt und den entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leistet .
Frau Kollegin .
Das wäre verantwortungsvolle Politik .
({0})
Für die folgenden Redner sage ich: Ganz verantwortungsvoll ist es, wenn man zwischendurch immer
mal wieder auf die Uhr schaut . - Nächster Redner ist
Dr . Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wenn man sich dieses Gejammere anhört, dann meint
man, man ist auf einem falschen Stern .
({0})
Ich kann mir natürlich sehr gut vorstellen, dass die Grünen Probleme damit haben, dass Firmen, an denen sie
massiv beteiligt sind, wie Prokon, in Schwierigkeiten
sind .
({1})
Das liegt aber nicht daran, dass die Energiewende falsch
läuft, sondern daran, dass es in dieser Branche unternehmerisches Missmanagement bis zum Gehtnichtmehr gibt .
({2})
Wenn Sie darunter leiden, dann kann ich das nicht ändern .
({3})
Meine Damen und Herren, die Branchen im Bereich
der erneuerbaren Energien, auch die Windbranche, kassieren mittlerweile rund 25 Milliarden Euro von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen, und zwar
jedes Jahr . Rechnen wir das mal 20 - das können wir ja
noch im Kopf, jedenfalls die meisten von uns -, dann
kommen wir auf 500 Milliarden Euro Subventionen für
die verschiedenen Branchen im Bereich der erneuerbaren
Energien .
({4})
Das muss für uns doch verdammt noch mal ein Zeichen
sein, dass wir ein bisschen aufpassen müssen . Deswegen
finde ich das, was wir gemacht haben, völlig verantwortlich . Wir müssen uns damit beschäftigen, ob wir nicht
doch an der einen oder anderen Stelle eine Bremse einbauen müssen .
Der Ausbau im Bereich der Windenergie war weitaus
größer, als wir das geplant hatten .
({5})
Sie wissen, dass wir gesagt haben: Wir wollen maximal
2 500 Megawatt pro Jahr . - Stattdessen hatten wir 2013 ich darf das vorlesen - über 3 000 Megawatt, 2014
4,8 Gigawatt und 2015 3,7 Gigawatt .
({6})
Wir haben also schon deutlich mehr, als wir geplant hatten .
({7})
Das zeigt ziemlich deutlich, dass wir nicht gebremst haben . Wir haben es eher zu weit laufen lassen . Dafür zahlen die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmer
und die Unternehmerinnen . Das kann so nicht weitergehen; denn das wird zu teuer . Wir liegen jetzt bei 6,35 Cent
EEG-Umlage . In diesem Jahr werden wir die 7,5 Cent
erreichen und im nächsten Jahr über 8 Cent . Rechnen Sie
die Mehrwertsteuer dazu, dann sind das 10 Cent . Dann
zahlt der Vierpersonenhaushalt 500 Euro pro Jahr nur für
die erneuerbaren Energien .
Jetzt kommt es noch schlimmer:
({8})
Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht unglaublich
schnell voran .
({9})
Was aber nicht schnell vorangeht - daran sind Sie massiv
schuld -, ist der Ausbau der Netze .
({10})
- Es wäre besser, wenn Sie zuhören würden; denn dann
würden Sie etwas lernen . - Ich will Ihnen ein Beispiel
nennen: Auch in Niedersachsen gilt das EnLAG . Dieses EnLAG ist im Jahr 2002 von Rot-Grün beschlossen
worden . 2007 herrschte Planungssicherheit . In Niedersachsen sollten laut EnLAG 405 Kilometer Höchstspannungsleitungen mit 380 kV gebaut werden . Wissen Sie,
wie viel bis jetzt in Niedersachsen gebaut wurde? Null
Kilometer . Dafür tragen Sie Verantwortung . Der zuständige Minister ist ein Grüner . Er verhindert, dass die Leitungen gebaut werden .
Jetzt kommt das Schönste: Der Netzverknüpfungspunkt BorWin 3 - das muss man anerkennen - wird
schneller fertig, als wir gedacht haben, sogar deutlich
schneller . 2018 wird man fertig sein . 2018 wird diese
Anlage an Land angekommen sein, und zwar in Emden;
dann liegt das Seekabel in Emden . Aber jetzt kommt
das kleine Problem: Die Leitung, die von Emden nach
Conneforde führt, ist nicht fertig . Das heißt, das Seekabel endet blind . Jedes Jahr werden 900 Millionen Euro
ausgegeben, und zwar für nichts - und das haben Sie zu
verantworten -; denn der Strom kann nicht weggeleitet
werden, das Stromkabel endet sozusagen im Sand .
So können wir nicht weitermachen .
({11})
Das ist der Grund, warum wir sagen: Der Ausbau der
erneuerbaren Energien muss einhergehen mit einem
Ausbau der Netze . Nur dann, wenn die Netze vorhanden
sind, darf der Ausbau der erneuerbaren Energien in dem
Maße weiter betrieben werden .
({12})
Wir wollen den Strom nach Süddeutschland leiten . Da
gehört er hin . Da wird er gebraucht . Im Norden haben
wir bereits heute viel zu viel Strom . Wir haben in Schleswig-Holstein eine ausgebaute Leistung von rund 8 Gigawatt . Gebraucht werden in Schleswig-Holstein, wenn alle
Bügeleisen an sind, wenn alle Stromverbraucher laufen,
maximal 3 Gigawatt . Wir haben also round about dreimal
so viel Strom zur Verfügung, wie gebraucht wird . Also
muss es doch unser Ziel sein, die Leitungen auszubauen .
({13})
- Ich muss Ihnen eines sagen: Da sind Sie überall in der
Regierung . Sie tun aber nichts . Das ist Ihr Problem .
({14})
- Herr Krischer, außer schreien tun Sie nichts . Wo ist
denn der Leitungsausbau? Wann werden Sie mit Herrn
Habeck und mit Herrn Wenzel reden, damit sie ein bisschen schneller machen? Sie sind doch die Bremser .
({15})
Bei jeder Bürgerinitiative gegen die Leitungen sind Sie
dabei . Das kann so nicht weitergehen .
({16})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben ja die große Gabe,
Herr Gabriel, mit einem Lächeln im Gesicht ständig zu
beteuern, wie wichtig Ihnen die Energiewende ist, diese
aber gleichzeitig mit dem Hintern einzureißen .
({0})
Ich halte das für unaufrichtig . Das erweist der Energiewende einen Bärendienst .
({1})
Ich sage Ihnen eines: Die Menschen merken das,
({2})
und sie sind erbost .
Sie sprechen ja gerne vom Ende des Welpenschutzes
für die Erneuerbaren, jetzt seien Windhunde daraus geworden .
({3})
Leider kennen Sie sich mit Hunden nicht so gut aus;
denn was Sie machen, nämlich die Hunde, ob Windoder Jagdhunde, dauerhaft in den Zwinger zu verbannen,
macht die Hunde krank .
({4})
Nichts anderes ist der rigide Ausbaukorridor bei Windkraft an Land .
({5})
Zudem haben Sie erfolgreich wieder eine unsägliche
Kostendebatte losgetreten; Herr Fuchs macht da mit .
Diesmal wird Herr Homann, der Chef der Bundesnetzagentur, vorgeschickt . Er hat uns am Montag erzählt, dass
im Jahre 2023 4 Milliarden Euro Redispatch-Kosten anfallen, weil der Windstrom aus dem Norden aufgrund des
fehlenden Netzausbaus nicht nach Süden abgeleitet werden kann . Dies ist wieder so eine Story wie in der letzten
Legislaturperiode .
({6})
Das ist grober Unfug . Herr Homann ist uns während der
Beiratssitzung am Montag - Sie waren nicht dabei; aber
lassen Sie es sich erzählen - die fachliche Grundlage dieser Schätzung schuldig geblieben .
({7})
Daher muss ich sagen: Das sind einfach schlechte Zahlenspiele . Wir lassen es nicht zu, dass auf dem Rücken
der Erneuerbaren schäbige Politik gemacht wird .
({8})
2011 musste im Rahmen der EEG-Reform die Photovoltaik mit schätzungsweise 100 000 verlorenen Arbeitsplätzen daran glauben und 2014 unter Gabriel die Bioenergie, deren Ausbauzahlen mittlerweile wirklich ein
Jammer sind . Diesmal hat der Herr Bundeswirtschaftsminister es besonders auf die Windenergie an Land - sie
soll beschnitten werden ({9})
und auf die Bürgerenergie abgesehen . Ich sage Ihnen nur:
Die Menschen im Ausland, die dies beobachten, reiben
sich die Augen und wundern sich .
({10})
Sie sagen: Deutschland hat mit seiner Vorreiterrolle einst
dafür gesorgt, dass die erneuerbaren Energien bezahlbar
werden, und jetzt will man die Früchte dieser Arbeit nicht
ernten und fährt den Ausbau herunter . Wir fragen uns:
Was soll das?
Heute Nacht haben Sie sich mit den Länderchefs offenbar auf 2 800 Megawatt brutto für Wind an Land geeinigt . Sie wissen selbst, dass ab 2020 zahlreiche Altanlagen vom Netz gehen oder durch neue ersetzt werden . Mit
Ihrer Vereinbarung wird nach 2020 der Zubau stagnieren .
Rechnen Sie es nach, Kollegen! Ich hoffe, dass sich dann
noch viele daran erinnern, dass Herr Gabriel für den Fadenriss bei der Windenergie an Land verantwortlich war .
({11})
Viele fragen sich: Wollen Sie den Ausbau der Erneuerbaren verzögern, um den Energiekonzernen Luft zu
verschaffen, damit die fossil-atomare Energiewirtschaft
noch eine Weile länger von ihrer dreckigen Kohleverstromung leben kann? Diesen Eindruck macht es .
Ich finde, wir müssen einfach einmal Klartext reden.
({12})
Wir müssen bald aus der Kohle aussteigen, um die Klimaziele zu erreichen .
({13})
Paris hat das gezeigt, wohl wahr, und jetzt müssen wir
liefern . Die Wählerinnen und Wähler brauchen Klarheit
und Wahrheit .
({14})
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Kohleverstromung
trotz der Energiewende steigt . Ich frage mich dann
schon, welche Arbeitsplätze Ihnen wichtiger sind: die bei
der Kohle oder die bei den Erneuerbaren . Es geht ja darum, dass wir ein Ausstiegsszenario brauchen . Da sind
Sie einfach nicht bereit, etwas zu tun .
2011 hat Herr Gabriel aus der Opposition heraus angesichts der Atompolitik von Schwarz-Gelb vor den Folgen
schlecht gemachter Gesetze gewarnt
({15})
- ich zitiere ihn jetzt einmal -:
Die Energieversorgung ist das Herz-Kreislauf-System der deutschen Volkswirtschaft . Sie, Frau
Merkel, operieren alle sechs Monate am offenen
Herzen . . .
({16})
Mittlerweile sind Sie der Chefarzt, Herr Gabriel . Sie
operieren so an der Energiewende herum, dass sie immer
kränker wird .
({17})
Das ist für uns Murks . Eine aufstrebende Zukunftsbranche wird geschwächt und kaputtgemacht .
Wir setzen uns für die erneuerbaren Energien ein, für
die Windhunde .
({18})
Wir wollen, dass sie wachsen und nicht eingesperrt werden . Wir wollen auch, dass die Bürgerenergie eine echte
Chance bekommt; denn wir brauchen die Beteiligung der
Menschen an der Energiewende .
Ich hoffe, dass morgen zur Demo ganz viele Leute
kommen und dass auch Sie sich das einmal anschauen .
({19})
- Der Kollege von der SPD sagt, er habe keine Zeit . Prioritäten setzen, Kollege! Das gilt auch für die Sozis .
({20})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Bernd Westphal, SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die
Energiewende basiert auf drei energiepolitischen Zielen:
Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit .
({0})
Das, was wir bei meinen Vorrednern eben gehört haben,
widerspricht genau diesem Zieldreieck . Die erneuerbaren Energien genießen Privilegien; sie haben den Einspeisevorrang . Das sollten Sie wissen, Frau Verlinden .
Das, was Sie hier behauptet haben, stimmt einfach nicht .
({1})
Diese Privilegien gibt es genau deswegen, weil wir erneuerbare Energien stärker fördern wollen .
Was haben wir für eine Situation? Die heutige Aktuelle Stunde bietet zumindest die Gelegenheit, über einige
Dinge zu reden . Wenn man sich nur auf die Umweltverträglichkeit konzentrieren würde, dann könnte man natürlich sagen: Reform des EEG, Ausbau der erneuerbaren
Energien, und das unbegrenzt - Punkt . - Das würde aber
nicht funktionieren . Das würde einen Akzeptanzverlust
bedeuten, das würde eine Kostenexplosion bedeuten, und
das würde bedeuten, dass wir keine Nachahmer für unser
Projekt der erneuerbaren Energien bekommen . Das wollen wir mit dieser Reform verhindern .
({2})
Sie müssen die tatsächlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen . Wir haben in dieser Woche die EU-Woche
für nachhaltige Entwicklung . Auch da gibt es drei Aspekte . Wir müssen dieses Zieldreieck mit einbauen . Wir
Sozialdemokraten glauben, dass wir im Sinne der Nachhaltigkeit auch im Hinblick auf andere Aspekte, die den
Menschen in diesem Land wichtig sind, Verantwortung
übernehmen . Hier geht es nicht nur um den Ausbau der
erneuerbaren Energien auf Teufel komm raus, sondern
auch darum, dass wir vernünftige wirtschaftliche Strukturen erhalten .
Es war die SPD, die ein wichtiger Antriebsfaktor und
Motor für die Energiewende war . Das waren wir nicht
nur in der Vergangenheit, das werden wir auch zukünftig
bleiben . Wir haben kein Fukushima gebraucht, um aus
der Kernenergie aussteigen zu wollen,
({3})
sondern wir haben das fertiggebracht, weil wir dieses
Thema auf die politische Agenda gesetzt haben . Genau
so verfolgen wir auch den Ausbau der erneuerbaren
Energien .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich offen reden: Umweltverträglichkeit ist nicht allein
ein Erfolgsfaktor . Zu einer erfolgreichen Energiewende
gehört auch die Berücksichtigung anderer Faktoren . Dabei geht es auch um Versorgungssicherheit, die wir gewährleisten müssen, weil wir einen hohen Qualitätsstandard für unseren Wirtschaftsstandort brauchen . Was die
Energieversorgung angeht, sind dies wichtige Aspekte .
Für die Zukunft brauchen wir den Ausbau von Netzen,
und wir brauchen zukünftig mehr Investitionen in Speicher .
({4})
Was unsere Wettbewerbsfähigkeit angeht, so zeigt
sich, dass wir aus der Struktur unserer Wirtschaft, die
industriell geprägt ist und einen Mittelstand hat, enorme
Potenziale schöpfen, die uns helfen, globale Herausforderungen wie die Energiewende, den Klimaschutz und
andere zu bewältigen . Insofern brauchen wir eine starke
Wirtschaft mit Investitionen und Innovationen, die uns
hilft, diese Lösungspotenziale zu heben .
({5})
Gleichzeitig geht es uns aber auch um Bezahlbarkeit;
hier unterscheiden sich die Sozialdemokraten von den
Grünen . Uns liegt es schon am Herzen, dass nicht nur
die Unternehmen, sondern auch die Haushalte zukünftig
ihre Stromrechnungen bezahlen können . Deshalb bügeln
wir jetzt die Fehler der erneuerbaren Energien aus der
Vergangenheit, die im System liegen, aus .
({6})
Wir werden dafür sorgen, dass wir nicht mit ideologischen Kampfparolen, wie Sie hier in dieser Debatte, sondern mit einem vernünftigen Konzept in Bezug auf die
wichtigen Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland, das
Arbeit und Umwelt nicht als Gegensatz konstruiert, den
Umbau wirtschaftlich und sozial balanciert und austariert
gemeinsam gestalten .
({7})
Was die Ausbaupfade angeht, war das, was die Ministerpräsidenten gestern zustande gebracht haben, schon
hilfreich . Ich denke, sie haben mit der Sitzung im Kanzleramt den entscheidenden Durchstoß erreicht, und sie
haben den Willen gezeigt, hier einen klaren Ausbaupfad
für erneuerbare Energien aufzuzeigen, gleichzeitig aber
auch die Kosteneffizienz nicht aus dem Blick zu verlieren . Ausschreibungen sind ein Instrument, um diesen
Ausbaupfad zu steuern und kosteneffiziente Dinge zu berücksichtigen . Diese Zielmarken sind wichtig für die parlamentarische Debatte, die nach dem Kabinettsbeschluss
hier zu erfolgen hat .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiewende ist und bleibt ein Projekt, das international hohe
Aufmerksamkeit hat . Dementsprechend müssen wir dieses Vorzeigeprojekt mit den entsprechenden Parametern
ausstatten, sodass es diese Aufmerksamkeit behält und
wir Nachahmer finden. Wir müssen dafür sorgen, dass
wir diesen gesellschaftlichen Konsens hinbekommen .
Deshalb geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern
um ein Miteinander .
Wir brauchen eine Energiewende, bei der wir den
schwierigen Drahtseilakt zwischen Umweltverträglichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit meistern .
Ich bin mir sicher, dass wir das nur mit dieser Variante
hinbekommen . Hören Sie endlich auf, die Energiewende zu entwerten und schlecht darzustellen! Wir brauchen
die Energiewende mit der Wirtschaft, für die Umwelt und
vor allen Dingen mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes .
Vielen Dank .
({8})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Dr . Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Jürgen
Trittin hat im Jahre 2004 gesagt: Das EEG wird eine Familie pro Monat gerade einmal so viel kosten wie eine
Kugel Eis . - Ich will Jürgen Trittin an dieser Stelle gar
nicht kritisieren, und ich nutze die Gelegenheit, auch
einmal zu sagen, dass ich Herrn Trittin bei der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs als einen ausgesprochen konstruktiven und
fachlich idealen Partner erlebt habe . Insofern war das an
dieser Stelle keine Kritik, sondern nur eine Rückblende .
Bei einer EEG-Umlage von 6,35 Cent sind aus der einen Kugel Eis mittlerweile 222 Kugeln Eis geworden .
Das ist schon eine ordentliche Portion Eis . Das schlägt
wirklich bei den Familien, aber insbesondere auch im
gewerblichen Bereich zu Buche, und niemand wird leugnen, dass wir hier auf der Kostenseite ein Problem haben,
wie das Kollege Fuchs vorhin auch beschrieben hat .
Das EEG ist in der Tat teuer geworden . Das liegt zum
einen an ein paar systemimmanenten Dingen, zum Beispiel daran, dass wir in Zukunft Ersatzkapazitäten, Speicher und auch Netze brauchen werden . Zum anderen liegt
das aber auch daran, wie die Differenzkosten berechnet
werden - man muss einfach eingestehen, dass uns noch
nichts Besseres eingefallen ist, um die Differenzkosten
zu berechnen - und dass es uns im Deutschen Bundestag lange Zeit nicht gelungen ist, die Erfahrungskurven
in Bezug auf die einzelnen erneuerbaren Energiearten abzubilden . Es ist halt so: Die Kosten sind meistens schneller gesunken, als der Deutsche Bundestag nachsteuern
konnte . Ganz extrem war es bei der Photovoltaik und
ist es jetzt aktuell im Bereich der Windenergie . Deshalb
ist es dringend geboten, dass wir hier zu Anpassungen
kommen, und das werden wir gemeinschaftlich mit den
Kollegen von der SPD auch tun .
({0})
Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen, dass
sich all die Schwierigkeiten, die wir an dieser Stelle
beschreiben können - Überrenditen, die Tatsache, dass
Bauern bis zu 40 000 Euro pro vermieteter Fläche für
Windkrafträder bekommen, usw . -, am einfachsten durch
die Einführung der Ausschreibung beheben lassen, was
wir jetzt tun . Das ist der zentrale Punkt dieses Erneuerbare-Energien-Gesetzes und etwas, was uns in der Tat am
Schluss in einer ganz besonderen Art und Weise weiterbringen wird . Es stoppt die Energiewende nicht, meine
Damen und Herren, sondern macht sie steuerbar . Darum
geht es nämlich: die Energiewende steuerbar machen, sodass sie von den Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin mitgetragen wird .
({1})
Dazu ist tatsächlich eine Synchronisierung zwischen
Ausbau der erneuerbaren Energien und Netzausbau erforderlich . Das ist unstrittig . Vorhin haben einige Bayern kritisiert . Die Verhandlungsposition ist das eine; das
Ergebnis ist das andere . Ich sage an dieser Stelle relativ
selbstbewusst: Sie werden sich wundern, wenn Sie am
Ende sehen, wie die Leitungen am Schluss in Bayern umBernd Westphal
gesetzt werden - Stichwort „Thüringer Strombrücke“ und wie sie woanders umgesetzt werden .
({2})
Dann schauen wir uns einmal an, meine Freunde von
den Grünen, wie Sie diese Energiewende beim Netzausbau unterstützt und vorangebracht haben und wie das am
Ende in Bayern der Fall gewesen ist .
({3})
Auch daran werden wir sehen, wer wirklich sinnvolle
Sachpolitik macht .
Ich will auch noch einmal das aufgreifen, was Kollege
Fuchs zum Offshorebereich gesagt hat . Ich verstehe an
dieser Stelle jedes landespolitische Interesse . Aber große
Windmühlen auf die hohe See stellen und den Strom nicht
weitertransportieren, das ist ein Schildbürgerstreich . Es
kann sich jeder bewerben, der auf dem Foto sein möchte
und zu den Schildbürgern gezählt werden will, wenn das
dann einmal groß in der Bild-Zeitung aufgemacht wird .
Deshalb tun wir gut daran, uns noch einmal Gedanken
darüber zu machen, wie wir gemeinsam genau in der Frage steuern: Wie baut man aus, in welchem Tempo und
mit welchem Ziel, und wie bringt man den Strom vom
Norden in den Süden, also dorthin, wo er am Ende gebraucht wird?
({4})
Darum geht es doch, nicht darum, die Energiewende zu
stoppen, sondern darum, sie rational und sinnvoll zu machen . Ich habe gesagt, ich verstehe das strukturpolitische
Interesse an einem Anlagenbau im Norden .
In Bezug auf die energieintensiven Unternehmen müssen wir bei dieser Gelegenheit auch das Thema adressieren: Wie schützen wir sie vor einer überbordenden
EEG-Umlage und vor Verwerfungen, die uns gelegentlich auch aus Brüssel erreichen? Wie realisieren wir das
Ganze so, dass es am Schluss auch für die energieintensiven Unternehmen im Land funktioniert?
Für die Landwirtschaft möchte ich noch einmal eine
besondere Lanze brechen, meine Damen und Herren . Die
Biomasse ist ein wichtiger Pfeiler dieser Energiewende .
Wir müssen natürlich schauen, wie sie an dieser Stelle
eine Zukunftsperspektive haben kann .
({5})
Das gilt nicht nur, weil die landwirtschaftliche Lage
momentan angespannt ist, sondern auch, weil wir hier
eine besondere Situation haben . Aufgrund der Rohstoffkosten wird es nämlich schwieriger, sich auf diesem
Markt in Zukunft zu behaupten .
Unter dem Strich halte ich fest: Wir bringen die Energiewende voran . Wir gestalten sie so, dass sie weiterhin
steuerbar bleibt und sinnvoll ist und deshalb von den
Bürgerinnen und Bürgern auch mitgetragen wird . Wer es
nicht glaubt, den verweise ich auf das, was ich zum Thema „Stromsteuer auf den Eigenverbrauch im Rahmen des
EEG“ gesagt habe . Eine solche Steuererhöhung wollen
wir nicht . Wir wollen nämlich nichts bremsen, sondern
wir wollen vorankommen, und zwar sachlich, rational
und gemeinsam .
Vielen herzlichen Dank .
({6})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Bundesminister Sigmar Gabriel das Wort . Herr Bundesminister, bitte .
({0})
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich habe mich bei der Rede von Frau Verlinden
gefragt, ob sie das, was sie gesagt hat, selbst glaubt . Wenn
das zutreffen würde, was Sie sagen, Frau Verlinden, hätten doch Herr Kretschmann und Herr Murawski, die
Vertreter der baden-württembergischen Landesregierung
und Mitglieder Ihrer Partei, gestern Abend nicht zugestimmt .
({0})
- Ich sage Ihnen ja, was sie gestern gemacht haben .
({1})
- Hören Sie doch auf! - Gestern hat übrigens auch der
Vertreter Thüringens, der Ministerpräsident, der der Linken angehört, am Ende des Abends gelobt, wie weit wir
gekommen seien . Ich kann mir wirklich nicht vorstellen,
dass Sie das glauben, was Sie hier erzählen .
({2})
- Nein, natürlich nicht . - Passen Sie einmal auf . Ich lese
Ihnen einmal etwas vor . Bei Ihnen geht es ja nach dem
Motto: Je schriller, desto besser .
({3})
Ich bin sicher, Herr Krischer übertrifft Sie nachher noch .
Daran habe ich keinen Zweifel .
({4})
Aber das hat doch alles mit der Wirklichkeit nichts
mehr zu tun . Es geht doch nur noch darum, dass Sie mit
einer scheinbaren Skandalisierung in die Zeitung kommen wollen . Um mehr geht es doch gar nicht mehr .
({5})
Herr Krischer, ich lese Ihnen einmal etwas vor .
({6})
- Dass Ihnen das unangenehm ist, das weiß ich . Aber
trotzdem muss ich es Ihnen vorlesen . - Was haben Sie
denn 2014 bei der EEG-Novelle gesagt? Meine Bitte
an alle, die sich für dieses Thema interessieren, ist: Lesen Sie einmal die Protokolle mit den Reden von Herrn
Krischer und anderen Mitgliedern der Grünen sowie von
Frau Bulling-Schröter zum EEG des Jahres 2014 - das
war ja der Vorläufer des jetzigen EEG - nach . Dann werden Sie die Reden, die heute hier gehalten wurden, fast
wörtlich wiederfinden. Ich lese Ihnen hier einmal etwas
vor . Herr Krischer - das kommt nachher bestimmt wieder -: „Abbruchveranstaltung für die Erneuerbaren“ .
({7})
- Vorsicht! Mein Rat ist - ich mache das bei Ihnen auch -:
Hören Sie einmal bis zum Ende zu . Mal gucken, ob Sie
dann noch so laut sind . - „Abrissbirne“, „Anschlag auf
die Energiewende“, auch der Vorwurf: „Sie reduzieren
das Ausbautempo der erneuerbaren Energien um die
Hälfte“ . Und es heißt, natürlich adressiert an die Lobbyisten der Branche, dass die Energiewende an Tempo
verliert . Frau Bulling-Schröter, Ihr Zitat ist zu lang, aber
es ist die gleiche Größenordnung .
({8})
Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas zu den Fakten . Seit
der Schaffung des EEG im Jahr 2000 - hören Sie gut
zu! -, und zwar egal unter welcher Regierung, unter RotGrün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb, gab es noch nie
einen so starken Aufwuchs der erneuerbaren Energien
wie in den Jahren 2014 und 2015 . Das ist die Realität .
({9})
Jetzt mache ich einmal eine Prophezeiung . Wir treffen uns in zwei Jahren wieder . Wenn es geht, noch ein
bisschen früher, weil das für die Bundestagswahl gut ist .
Dann halten wir wieder Ihre Reden hoch, sozusagen die
Konterrevolution gegen die Energiewende, und stellen
fest: Gott sei Dank kümmert sich die Energiewende nicht
um solche schrillen Reden . Gott sei Dank geht sie weiter .
({10})
Die erneuerbaren Energien sind 2014 um 2 Prozent
und 2015 um 5,4 Prozent gewachsen, zusammen 7,4 Prozent . Ein Wachstum in zwei Jahren in dieser Größenordnung gab es in der Geschichte der Erneuerbaren-Energien-Gesetze in Deutschland noch nie . Das ist die Realität
gegenüber den Brandreden, die Sie so halten . Ich frage
mich: Gibt es eigentlich noch ein Minimum an Interesse
daran, miteinander die Sachfragen zu bereden?
({11})
Wenn es das gibt: Trauen Sie sich doch einmal, zu dem
zu kommen, zu was gestern auch die Vertreter von GrünSchwarz, Rot-Grün, Rot-Rot-Grün und was es noch alles
so in Deutschland gibt, bereit waren: nämlich sich mit
den Realitäten auseinanderzusetzen .
Eine der Realitäten ist, dass wir im Jahr 2025 einen
Anteil von 45 Prozent erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch erreichen werden, derzeit liegt er bei
33 Prozent . Stichwort „Abbruch“: Bei Anwendung der
Grundrechenarten ist eine Steigerung von 33 auf 45 Prozent schwer als Stoppen der Energiewende zu bezeichnen .
({12})
Jetzt sagen Sie: Das ist viel zu wenig . Wir müssen noch
mehr machen . - Da sagen wir: Es gibt dafür ein paar Bedingungen. Ich finde, in diesem Punkt hat sich die gestrige Debatte gelohnt . Im Jahr 2010 - ich komme gleich zu
Ihrem Argument mit Kohle- und Atomstrom, der angeblich die Leitungen verstopft - lag die Leistung der abgeregelten Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien
bei 127 Gigawattstunden . Das sind Anlagen, bei denen
wir den Betreibern gesagt haben: Du bekommst Geld dafür, dass du den Strom produzierst . Es tut uns leid, aber
wir brauchen deinen Strom nicht . Wir regeln deine Anlage ab, aber das Geld bekommst du trotzdem . - Diese
Zahl ist von 127 Gigawattstunden 2010 auf 4 600 Gigawattstunden im Jahre 2015 gestiegen . Wir bezahlen also
dafür Geld, dass Strom nicht verbraucht wird .
({13})
Die Kosten dafür liegen zurzeit bei 1,1 Milliarden
Euro insgesamt . Wenn wir nichts tun, steigen diese Kosten auf über 4 Milliarden Euro . Ich bin nicht ganz sicher,
ob Sie den Mut haben, auf einer Demonstration zu sagen:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie und
auch wir als Grüne fordern, hat den Preis, 4 Milliarden
Euro dafür zu zahlen, dass Strom produziert wird, aber
nie zum Kunden kommt . - Ich bin gespannt, ob Sie den
Mut haben, das den Menschen zu sagen .
({14})
Woran liegt das? Es liegt in diesem Fall, Herr Kollege
Hofreiter, gerade nicht am Thema Ausbau der Strombrücke im Süden . Sondern es liegt daran - ich war damals
Umweltminister und habe das Gesetz mit eingebracht
und beschlossen -, dass sich eine Vielzahl der sogenannten Energieleitungsausbauprojekte nicht hat realisieren
lassen - unter anderem deshalb, weil unser Rat damals
nicht befolgt wurde, nämlich in die Erdverkabelung zu
gehen . Das ist damals nicht gemacht worden . Das ist gar
keine Schuldzuweisung .
Jetzt haben wir das endlich durchgesetzt .
({15})
- Hören Sie auf! - Ich glaube, das Ganze wird jetzt
schneller gehen . Es wird nicht so schnell gehen, wie Sie
den Leuten wieder weismachen, weil jetzt nur andere
klagen . Trotzdem wird es hoffentlich schneller gehen .
Die bestehenden Leitungen haben Netzengpässe . Frau
Verlinden, natürlich haben wir berechnet, wie sich das
Netz entwickelt, wenn der Atomstrom abgeschaltet wird .
Natürlich haben wir berechnet, wie sich das Netz entwickelt, wenn die Leitung nach Norwegen zur Nutzung der
Wasserkraft dort steht . Trotzdem haben wir Engpässe .
Und nicht einmal die Fraktion der Grünen traut sich, im
Deutschen Bundestag zu sagen, dass wir im Jahr 2021
oder 2022 sämtliche Kohle- und Gaskraftwerke in Norddeutschland abregeln sollen . Nicht einmal Sie trauen sich
das .
Das bedeutet, Sie haben es mit einem Netz zu tun,
das in Norddeutschland für den Erfolg der Energiewende nicht ausreichend ist . Es ist immer noch genug . Wir
bauen jetzt ungefähr 2 800 Megawatt pro Jahr zu . Das ist
nicht gerade ein Abbau .
({16})
- Es ist brutto . - Es ist in der Tat in der installierten Leistung - auch da machen Sie ja den Leuten etwas vor - kein
Zubau, aber in der Bruttostromproduktion . Sie wissen,
dass die Anlagen leistungsfähiger sind . Hören Sie doch
auf, den Menschen etwas vorzumachen! Sie sind doch als
eine aufklärerische Partei gestartet . Hören Sie doch auf,
Propaganda zu machen!
({17})
Herr Krischer, ich weiß, dass Sie das nachher alles
fortsetzen . Ich biete Ihnen an: Ich komme in den Ausschuss und zu Ihrer Fraktion, und wir diskutieren die Sache, aber nicht Ihre Propaganda .
Noch ein Hinweis zum Thema „Wie entwickeln sich
die Netze?“: Wir haben das Problem und Gott sei Dank
die Freude, dass wir in den nächsten Jahren weit mehr
Offshorewindenergie produzieren werden, als wir das
vor ein paar Jahren gedacht haben - wenn auch übrigens
noch immer nicht so viel, wie ein früherer grüner Umweltminister gedacht hat . Jetzt müssen wir es schaffen,
zu verhindern, dass der Strom bezahlt wird, ohne dass
er die Kunden erreicht . Das ist eines der Probleme: die
Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Infrastrukturausbau .
Es ist doch völliger Unsinn, dass die Propaganda fortgesetzt wird und die Frage der Energiewende daran gemessen wird, wie viel Prozent wir erreichen . Es ist doch
Unsinn, zu behaupten, dass die Energiewende toll ist,
wenn der Anteil der Stromproduktion aus erneuerbaren
Energien 55 Prozent statt 45 Prozent beträgt . Sie müssen die Energiewende doch an der Frage messen, ob der
produzierte Anteil auch beim Kunden ankommt und wir
dafür bezahlen, dass er nicht ankommt .
({18})
Das heißt, Sie schlagen die Schlachten der Vergangenheit . Die Schlacht der Zukunft ist, dafür zu sorgen, dass
Infrastruktur und Ausbau parallel erfolgen .
Eine zweite dringende Notwendigkeit ist, durch Ausschreibungen dafür zu sorgen, dass der Markt die Preise reduziert . Heute legt der Staat bei den erneuerbaren
Energien die Strompreise fest . Natürlich orientiert sich
ein Grundstückseigentümer an den staatlich festgelegten
Preisen und kassiert dann Pachteinnahmen von 30 000
bis 40 000 Euro pro Jahr . Das entspricht einem mittleren
Arbeitnehmereinkommen . Wenn wir ausschreiben, dann
geht das auf einmal nicht mehr, weil der Grundstückseigentümer dann im Wettbewerb steht . Dann muss er damit rechnen, dass jemand anders niedrigere Pachtpreise
anbietet und er den Zuschlag nicht bekommt . Das wollen
Sie verhindern . Sie wollen, dass die Stromkunden diese
Leute weiter reich machen .
({19})
Ich will, dass die Stromkunden mithelfen, die Energiewende durchzusetzen . Darum geht es .
({20})
Wir werden heute noch ein paar Reden in der Preisklasse der Skandalisierung hören . Das ist auch alles gut
und schön . Aber wenn Sie dann einmal ausgeatmet haben, dann haben Sie doch den Mut, in einer Debatte im
Ausschuss an der Sache entlang zu diskutieren, übrigens
wenn möglich in einer öffentlichen Ausschusssitzung .
({21})
Ich habe da gar kein Problem . Aber Sie müssen sich dann
mit der Sache auseinandersetzen ({22})
und übrigens auch mit der Tatsache, dass offensichtlich
auch die Länder, in denen Sie an der Regierung beteiligt
sind, bereit sind, zur Durchsetzung der Energiewende
Kompromisse einzugehen . Das ist, glaube ich, gestern
ganz gut auf den Weg gebracht worden .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({23})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Oliver
Krischer das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Minister Gabriel, ich hätte mir gewünscht, dass
Sie hier und heute das fortgesetzt hätten, was Sie am Katholikentag gefordert haben . Dort haben Sie getwittert:
Wir brauchen mehr Klimaschutz . - Herr Gabriel, Sie hätten heute die Gelegenheit gehabt, hier zu erklären, wie
Sie die Klimaschutzziele erreichen wollen, wie Sie das
Pariser Klimaabkommen umsetzen wollen . Wir brauchen
mehr und nicht weniger erneuerbare Energie .
({0})
Sie sind herzlich eingeladen, unsere Fraktionssitzungen
zu besuchen . Wir diskutieren über alles, was Sie wollen .
Aber eines können Sie gar nicht abstreiten: Ihre geplante
EEG-Novelle führt dazu, dass der Ausbau der erneuerbaBundesminister Sigmar Gabriel
ren Energien um 70 Prozent reduziert wird . Das streiten
die Kollegen der Union noch nicht einmal ab . Sie sagen:
Genau das wollen wir; wir wollen das herunterfahren . Sie drücken das zwar ein bisschen anders aus . Aber das
ist nicht in Ordnung .
({1})
Was mich, ehrlich gesagt, ärgert, ist das Kostenargument - das haben wir erneut gehört -, und das am heutigen Tag, an dem Sie im Kabinett eine Notoperation
beschlossen haben, um Mittel zur Deckung der Milliardenkosten der Atomkraft hereinzuholen, für die die Konzerne nicht aufkommen können . Es ist schon verrückt,
dass Sie den erneuerbaren Energien Kosten anlasten, obwohl Sie genau wissen, dass die Alternative viel teurer
ist und noch ganz andere Konsequenzen nach sich zieht .
({2})
Da es Ihnen um eine ehrliche Debatte geht: Herr
Fuchs hat behauptet, dass die EEG-Umlage explodieren
werde . Herr Gabriel hat das nicht erwähnt, weil er genau
weiß, dass das nicht stimmt . Die EEG-Umlage wird nicht
explodieren .
({3})
Denn die Windenergie ist der Billigmacher der erneuerbaren Energien . Die EEG-Umlage ist in den letzten Jahren sogar gesunken . Sie hätte allerdings deutlicher gesenkt werden können .
({4})
Wir haben 5 Milliarden Euro auf dem Konto liegen . Es
gibt keine explodierende EEG-Umlage . Herr Fuchs, das
ist Ihre - da komme ich auf die Wortwahl von Herrn
Gabriel zurück - freie Propagandaerfindung.
({5})
Da wir bei Zahlen und Fakten sind: Es wird behauptet,
dass es 4 Milliarden Euro kostet, das Netz zu regeln . Ich
versuche seit drei Wochen, herauszubekommen, woher
diese Zahl stammt, welches die Berechnungsgrundlage
ist . Herr Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur,
musste am Montag im Beirat eingestehen - einige Kollegen waren anwesend -: Diese Zahl ist geschätzt; es gibt
keine Grundlage . Sie könnte auch bei null liegen . - Herr
Gabriel, es ist Propaganda, wenn man mit solchen Zahlen
arbeitet; das will ich Ihnen an dieser Stelle sagen .
({6})
Es handelt sich genauso um Propaganda, wenn erzählt
wird, die erneuerbaren Energien würden die Netze verstopfen . Wir haben in Deutschland noch in keiner einzigen Minute oder Stunde eine hundertprozentige Deckung
des Verbrauchs durch die erneuerbaren Energien erlebt .
Kein einziges Elektron an erneuerbaren Energien ist in
Deutschland zu viel . Das Problem, das wir haben, ist,
dass wir noch haufenweise Atom- und Kohlekraftwerke
haben, die rund um die Uhr laufen, nicht geregelt werden
können und deshalb die Netze verstopfen . Es wäre eine
ehrliche Aussage, wenn Sie sich dazu bekennen würden,
Herr Gabriel .
({7})
Ich erwarte von einem Wirtschaftsminister, dass er
uns, wenn er schon auf dem Katholikentag von Klimaschutz redet, in dieser Aktuellen Stunde einmal erläutert,
wie im Rest der Legislaturperiode der unbedingt notwendige Kohleausstieg angegangen werden soll . Aber dazu
kommt von Ihnen kein einziges Wort . Im Gegenteil: Sie
haben in dieser Woche - so viel zu den Kosten - den
Genehmigungsbescheid der EU-Kommission entgegengenommen, der vorsieht, dass in Zukunft 1,6 Milliarden
Euro als Braunkohlesubventionen gezahlt werden dürfen, und zwar von den Stromkunden . Das, lieber Herr
Gabriel, erwähnen Sie hier nicht . Aber das sind Kosten,
die die Menschen tragen müssen .
({8})
Dann noch etwas zu dem Thema „größter Ausbau in
den letzten Jahren“: Ja, wir hatten in den letzten Jahren
einen starken Ausbau der Windenergie . Aber wenn Sie
hier schon Protokolle der Bundestagssitzungen zitieren - mich freut, dass die „Abrissbirne“ von Ihnen selber
immer wieder rezitiert wird -, dann müssten Sie eigentlich auch sagen, dass es um Photovoltaik und Bioenergie
ging . Herr Gabriel, das können Sie sich auf die Fahne
schreiben: Sie haben die Photovoltaikbranche und die
Bioenergiebranche aus dem Land getrieben . Die haben
in Deutschland keine Zukunft mehr .
Dass wir bei Windenergie gut aussehen, ist auf der
letzten Ministerpräsidentenkonferenz von den Bundesländern erreicht worden . Auch das ist im Protokoll nachzulesen . Dazu habe ich etwas gesagt . Sie machen hingegen Propaganda und basteln sich die Wirklichkeit, wie
Sie wollen .
({9})
Es ist auch in den Protokollen des Deutschen Bundestages nachzulesen, Herr Gabriel, dass Sie sich um
jeden Arbeitsplatz in der energieintensiven Industrie, wo
die Arbeiter in der IG BCE organisiert sind, persönlich
kümmern . Aber ich habe noch nie von Ihnen gehört, dass
Sie als Wirtschaftsminister auch einmal Empathie für
Arbeitsplätze in der Branche der erneuerbaren Energien
entwickeln . Das ist unehrlich . Das ist zynisch .
({10})
Aber es geht noch schlimmer . Das möchte ich zum
Schluss noch erwähnen . Ich habe gestern einen Tweet
aus der CDU/CSU-Fraktion gelesen, in dem stand, dass
die „Windmafia“ jetzt einmal ausgebremst werde. Meine Damen und Herren, ich empfinde es als eine Unverschämtheit, dass mittelständische Unternehmer von
CDU-Abgeordneten als Mafiosi bezeichnet werden.
Dazu erwarte ich eine Klarstellung .
({11})
Ich erwarte, dass Sie diese Menschen, die die Energiewende und den Klimaschutz voranbringen, unterstützen
und sie nicht beschimpfen, indem Sie Begriffe wie „Blutspur“ oder so etwas benutzen . Das ist nicht redlich .
Für Sie gibt es offensichtlich zweierlei Wirtschaft .
Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen; denn der
Klimaschutz kann keine Pause vertragen . Der braucht
mehr erneuerbare Energien und nicht weniger . Aber Sie
legen hier eine EEG-Novelle vor, die zu viel weniger erneuerbaren Energien führt, als eigentlich notwendig sind .
Ich danke Ihnen .
({12})
Als nächster Redner hat Thomas Bareiß das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber
Oliver Krischer, Frau Verlinden, ich muss offen sagen:
Ich habe nicht geglaubt, dass solche Debatten zum Thema Energiewende im Deutschen Bundestag noch möglich sind . Da wird von Konterrevolution gesprochen und
davon, dass Braunkohle die Stromleitungen verstopfe,
Kernenergie natürlich auch . Die Grünen argumentieren
an der Realität meilenweit vorbei .
Wir haben in den letzten Jahren so viel gemacht - der
Minister hat es beschrieben - wie keine andere Bundesregierung zuvor . Heute kommen 33 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien . Wir sind über
das Ziel, das wir uns ursprünglich gesetzt hatten, weit
hi nausgeschossen . Wir haben mehr gemacht, als Sie noch
vor zehn Jahren gefordert haben . Jetzt zu behaupten, wir
würden die Energiewende abwürgen, ist falsch . Das Gegenteil ist der Fall . Wir versuchen, sie vernünftig und
wirtschaftlich zu gestalten, die Systeme zu integrieren,
zu vernetzen und Wirtschaftlichkeit und Verlässlichkeit
in die Energiewende zu bekommen .
Was mich aber am meisten an den Debatten, die die
Grünen angestoßen haben, stört, ist, dass es keinen Versuch gibt, Vorschläge einzubringen, wie wir das EEG
weiterentwickeln und wie wir auf die Herausforderungen
der Zukunft eingehen sollen .
({0})
Da kommt nichts von Ihnen, außer Debatten, die wir
schon vor fünf Jahren hatten . Sie leben immer noch in
der Welt der Markteintrittsinstrumente . Sie beklagen immer, dass die erneuerbaren Energien nicht marktfähig
sind . Sie sind es aber . Sie können heute schon auf dem
Markt bestehen . Wir haben heute nicht mehr ein zartes
Pflänzchen im Bereich der erneuerbaren Energien, sondern einen starken Baum, der allerdings tragfähig sein
muss und den wir jetzt in den Markt und in die Systeme
integrieren müssen .
Deshalb brauchen wir jetzt ein EEG 2016, in dem an
den richtigen Stellschrauben gedreht wird . Dazu haben
wir viele Dinge vor, die ganz wichtig sind . Eines der Themen - das wurde schon angesprochen - ist der Netzausbau, der in den Ausbau der erneuerbaren Energien integriert werden muss . Es wurden schon Zahlen genannt . Ich
möchte das Ganze etwas verdeutlichen . Wir haben 2009
mit dem EnLAG, dem ersten großen Leitungsausbauprogramm, 1 800 neue Leitungen für die nächsten Jahre
beschlossen . Wir haben dann nur zwei Jahre später im
Bundesbedarfsplan festgestellt, dass wir noch 6 200 Kilometer zusätzlich brauchen, um die erneuerbaren Energien, die wir in den nächsten Jahren zubauen wollen, zu
integrieren . Es geht also um 8 000 Kilometer neue Leitungen . Davon haben wir heute 700 Kilometer realisiert .
Eigentlich wollen wir in vier oder fünf Jahren fertig sein .
Das heißt, wir haben gerade einmal 9 Prozent der Leitungen, die wir dringendst brauchen, fertiggestellt . Ich will
gar nicht darüber diskutieren, woran das liegt; denn das
wäre eine Scheindebatte . Die Realität aber ist, dass wir
nicht so vorankommen, wie wir es bräuchten .
Die andere Seite habe ich gerade beschrieben . Wir
sind auf dem Stromsektor eigentlich schon bei über
33 Prozent an erneuerbaren Energien . Eigentlich wollten
wir dieses Jahr erst bei 28 Prozent sein .
({1})
Das heißt, wir haben mit 120 Prozent die Quote eigentlich schon übererfüllt . Die Netzausbauzahlen und die
Ausbauzahlen bei den erneuerbaren Energien passen
nicht mehr zueinander . Sie müssen stärker zueinandergebracht werden . Sonst würde das ganze System keinen Sinn mehr machen . Dann würden uns die Bürger zu
Recht fragen, ob das, was wir hier machen, überhaupt
noch eine Zukunft hat .
Wir brauchen jetzt einen wirtschaftlich und technisch
besser abgestimmten Prozess . Das sagen übrigens auch
Ihre Parteikollegen wie zum Beispiel Herr Habeck aus
Schleswig-Holstein, der ja bald Ihr Spitzenkandidat sein
will . Er hat am 20 . Mai - ich zitiere - gesagt: Wir müssen jetzt „bei der Umsetzung der Energiewende Tempo
rausnehmen“ . Er sieht vor Ort, wo die Probleme liegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren . Wir wollen
das Tempo nicht herausnehmen, sondern in den nächsten Jahren die Tempi besser aufeinander abstimmen und
den ursprünglich von uns vorgesehenen Korridor besser
einhalten . Ich glaube, dass wir das mit den vorgesehenen
Instrumenten auch entsprechend schaffen können .
({2})
Wir müssen jetzt - das ist ganz wichtig; wir, die CDU/
CSU, haben das schon lange gefordert - den SystemOliver Krischer
wechsel hin zu Ausschreibungen vornehmen . Das bedeutet, dass wir eine bessere Mengensteuerung haben werden . Die Zubauraten werden für alle Seiten im Bereich
der Stromversorgung verlässlicher sein . Wir müssen aber
auch dafür sorgen, dass wir die Preise für erneuerbare
Energien durch Markt und Wettbewerb - und nicht mehr
im Deutschen Bundestag - festlegen .
({3})
Das wird ganz wichtig sein . Im Übrigen funktioniert das
in anderen Ländern gut . Dänemark beispielsweise ist in
diesem Bereich wesentlich weiter . Auch dort zeigt sich,
dass es funktioniert . In Dänemark werden beispielsweise
an Offshorewindparks 10 Cent die Kilowattstunde gezahlt . Bei uns sind es noch 15 Cent . Das heißt, dort hat
man die Preissprünge schon realisiert und die Energiewende wesentlich effizienter gestaltet.
Im Übrigen funktioniert die Ausschreibung auch in
Deutschland . Wir haben in Deutschland extra ein Pilotprojekt über Solarfreiflächenanlagen durchgeführt. Auch
hierbei hat es sich gezeigt, dass wir auf dem richtigen
Weg sind und die Vielfalt der Akteure entsprechend gewährleisten können . Das heißt, dass auch kleine Anbieter mitmachen können . Auch das war ein ganz wichtiges
Anliegen, dessen Berücksichtigung dazu führt, dass die
Energiewende alle Bürger entsprechend mitnimmt .
Ich komme zum Schluss . Das EEG, das wir jetzt
anpacken wollen, muss - das ist ganz wichtig - mehr
Markt beinhalten und verlässlicher sein . Wir brauchen
Planungssicherheit . Und es muss mit diesem Gesetz
wirtschaftlicher und günstiger werden . Die Ministerpräsidenten haben gestern Abend getagt . Ich kenne das Ergebnis - darauf bin ich gespannt - im Detail noch nicht .
Wir wollen noch vor der Sommerpause mit dem EEG
fertig werden . Das heißt, wir müssen uns jetzt sputen
und uns anstrengen . Es gibt aber noch weitere Punkte, die wichtig sind . Eigenstrom und besondere Ausgleichsregelungen sind zwei ganz große Bausteine, die
für uns - auch in der Debatte während der nächsten drei
Wochen - wichtig sind . Das heißt, wir brauchen keine
Grabenkämpfe - so wie sie von den Grünen geführt werden -, sondern wir brauchen jetzt Verlässlichkeit auch in
der Gesetzgebung .
Ich sage Ihnen nur eines: Trauen Sie den erneuerbaren
Energien etwas zu!
Herzlichen Dank .
({4})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Ralph Lenkert
von der Linken das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Seit letzter Woche toben Unwetter in ganz
Deutschland . Es gab Überschwemmungen in Ilmenau,
({0})
eine Schlammflut in Braunsbach und 50 Zentimeter Hagel in Sachsen . Unser Mitgefühl gilt allen Opfern . Wie
viel müssen Betroffene noch erleiden, bevor unsere Gesellschaft, bevor diese Regierungskoalition endlich entschlossen gegen den Klimawandel vorgeht?
({1})
Fragen Sie sich selbst: Sind Unwetter und Naturkatastrophen wie Fluten, Stürme und Dürren nicht häufiger und
stärker geworden?
({2})
Wir brauchen die Energiewende und Mut zur Umsetzung . Das Regierungsziel, bis 2025 45 Prozent des
Stroms aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, ist zu wenig . Ja, die Energiewende kostet Geld . Keine Energiewende ist um ein Vielfaches teurer .
Ich habe, bevor ich in den Bundestag kam, Fertigungslinien geplant . Das Falscheste ist, eine neue Fertigung
mit 100 Prozent Leistung aufzubauen und die alte Fertigung mit kompletter Kapazität zu erhalten . Der Anteil
des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern in Deutschland liegt heute bei 35 Prozent; aber die Bundesregierung
will sich nicht von 100 Prozent konventioneller Erzeugung trennen . Das macht die Energiewende teuer . Das
erfordert diesen überdimensionierten Netzausbau .
Aber es geht ums Geld, wie immer . Bürgerinnen und
Bürger können vielleicht Solaranlagen finanzieren. Landwirte und Genossenschaften können Biogasanlagen und
auch ein paar Windräder bauen, und Stadtwerke schaffen
vielleicht einen Windpark an Land . Damit haben diese
Teilnehmer die Allmacht der Stromkonzerne gebrochen .
Das unterstützt die Linke .
({3})
Die Union dagegen blockiert diese Entwicklung und
schanzt das Geschäft mit Erneuerbaren-Strom internationalen Fonds und Konzernen zu . Ausschreibungsmodelle benachteiligen Bürger und Energiegenossenschaften .
Der Bruttodeckel bei Biomasse reduziert die Bioenergie
in 20 Jahren auf ein Drittel des heutigen Standes . Ein geplanter Deckel für Windkraft an Land bremst deren Ausbau aus .
Herr Gabriel, auch ich habe Informationen über das
gestrige Gespräch . Die Ministerpräsidenten hatten zwei
Möglichkeiten: entweder Ihrer Weltformel, die den Ausbau an Land völlig ausgebremst hätte, oder all dem, was
Sie da vorgeschlagen haben, halbwegs zuzustimmen . Das
nenne ich Erpressung zum Nachteil der Energiewende .
({4})
Das Einzige, was Sie noch richtig stark fördern, ist die
Windkraft auf See . Sie ist zwar teuer, aber damit verbunden sind zentrale Großprojekte, bei denen Bürgerinnen
und Bürger eben nicht mitbieten können . An Offshorewindparks verdienen beispielsweise Goldman Sachs,
RWE, Vattenfall, Eon, der Staat Dänemark und Siemens .
({5})
Die Union nimmt den Bürgern die Energiewende, und
das zerstört die Akzeptanz . Das lehnt die Linke ab .
({6})
Jetzt komme ich zu Ihrem Gejammer über den fehlenden Netzausbau . Solarenergie braucht selten Übertragungsnetze . Da richten Sie einen Deckel ein wegen
des fehlenden Netzausbaus . Windkraft in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen verhindern Sie
durch Ausschreibungen . Dieser Strom würde den Netzausbaubedarf sogar senken . Geschätzte 700 Millionen
Euro - Herr Fuchs sprach von 900 Millionen Euro werden Offshorewindparks für die Abschaltungszeiten
dieses Jahr erhalten, weil die Netzkapazität bis Hamburg
fehlt . Aber diesen Ausbau bremsen Sie nicht . Erklären
Sie mir einmal diese schwachsinnige Vorgehensweise .
({7})
Damit keine Irrtümer entstehen: Die Linke ist gegen
den massiven Ausbau der Übertragungsnetze und der
Gleichspannungsleitungen . Fast 30 Milliarden Euro wird
der Ausbau der Stromnetze nach derzeitigen Planungen
kosten, bezahlt von Verbraucherinnen und Verbrauchern,
von Handwerkern und vom Mittelstand . Allein 1,1 Milliarden Euro jährlich garantierte Rendite für Ihre Freunde von 50Hertz, von TenneT, von EnBW-Netz und von
Amprion schanzen Sie mit diesem Bauprogramm diesen
Konzernen zu . Das nennen wir eine Umverteilung des
Geldes von Verbraucherinnen und Verbrauchern hin zu
den Aktionären dieser Gesellschaften . Das lehnt die Linke ab .
({8})
Es gibt heute eine Übertragungskapazität zwischen
Nord- und Süddeutschland von 26 Gigawatt . Das reicht
aus, um die Windkraftüberschüsse auch im Jahr 2023 sicher nach Süden zu bringen, wenn man den Kohlestrom
reduziert . Speicher entlasten die Stromnetze und ersetzen
Reservekraftwerke für die Dunkelflaute. Deswegen ist
die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen bereit,
in Energiespeicher zu investieren - für eine schnellere
Energiewende . Biomasse ist die erneuerbare Energie, die
unsere Energieversorgung in Zeiten fehlender Sonne und
fehlenden Windes sichern kann . Der 100-Megawatt-Bruttodeckel muss weg . Wir fordern einen jährlichen Nettozubau von mindestens 100 Megawatt . Das brauchen übrigens auch die Landwirte, damit ihnen wenigstens diese
Verdienstmöglichkeit erhalten bleibt . Nur mit Milch und
Ackerbau müssten viele aufgeben .
Liebe Landwirte, die CSU-Regierung in Bayern, die
rot-rot-grüne Regierung in Thüringen haben gemeinsam
den 100-Megawatt-Zubau gefordert . Es ist die CDU
im Bundestag, die diesen Vorschlag blockiert . Diese
CDU-Abgeordneten nehmen unseren Bauern die Verdienstmöglichkeiten aus regionaler Stromerzeugung
weg .
Um noch einmal zu dem Preisargument von Herrn
Fuchs zu kommen: Im Jahr 2008 betrug der Börsenstrompreis, zu zahlen von allen mit Strom handelnden
Unternehmen, 10 Cent je Kilowattstunde . Im Jahre 2016
ist er auf 2,5 Cent je Kilowattstunde gesunken . Das ist
eine Reduzierung um 7,5 Cent . Konzerne wie Audi, wie
die Aluminiumhütten bezahlen zurzeit unter 3 Cent je Kilowattstunde für ihren Strom . Das nenne ich preiswert .
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Netzkunden, Sie
und jeder Handwerker muss die EEG-Umlage bezahlen .
Sie profitieren nicht von den Senkungen. Es ist eine Umverteilung von den Kleinen zu den Großen, die hier stattfindet. Darüber wird im Zusammenhang mit den Kosten
nie gesprochen .
Wenn wir den Klimawandel und zukünftige verheerende Folgen reduzieren wollen, dann müssen wir zügig
auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen .
({9})
Wir in der Bundesrepublik sollten, im Interesse unserer
Bürgerinnen und Bürger, für diese sozialökologische
Wende kämpfen - auch, damit die Zahl von Unwettern
nicht noch weiter zunimmt .
Vielen Dank .
({10})
Als nächster Redner spricht Johann Saathoff .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Konterrevolution“ der dreckigen Energie, „Abwürgen“
der Erneuerbaren und deren Pioniere, Plan zur Begrenzung des Ausbaus der Erneuerbaren - so hieß es hier . Ich
möchte an dieser Stelle feststellen: Wir haben die Situation, dass wir den Ausbaukorridor von 45 Prozent, den wir
im Koalitionsvertrag vorgegeben haben, überschreiten,
auch wenn wir im EEG 2014 nichts verändern . Da kann
von „Konterrevolution“ und von „Abwürgen“ der Erneuerbaren überhaupt keine Rede sein .
({0})
Das liegt zum einen natürlich an den guten Rahmenbedingungen . Niemand hat darüber nachgedacht, wie
sich der Zinssatz in den letzten Jahren entwickelt hat und
inwiefern es sich lohnt, plötzlich zu viel niedrigeren Zinsen in erneuerbare Energien zu investieren . Aber es liegt
auch - ich glaube, das kann man an dieser Stelle proklamieren - an der guten Gesetzgebung, die wir mit dem
EEG 2014 durchgeführt haben .
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das EEG 2014 läuft in der Genehmigung, wie sie bisher besteht, Ende 2016 aus . Daran
kann in diesem Hause niemand ein Interesse haben . Damit das nicht passiert, müssen wir das EEG 2016 machen - also nicht, weil wir mit dem EEG 2014 sozusagen
Murks gemacht hätten, sondern weil sich die Rahmenbedingungen mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren
Energien ständig verändern . Es kommen also ständig unterschiedliche Probleme auf uns zu, die zu unterschiedlichen Zeiten eben unterschiedlich anzufassen sind . Man
muss ständig nachjustieren . Um es im ostfriesischen
Jargon zu sagen: Fang neet an, uptauhörn, hör neet up,
antaufangen . Das ist ganz wichtig: Fang nicht an, aufzuhören, und hör nicht auf, anzufangen .
Zentrales Problem bei der Umsetzung sind die Kosten der Energiewende, aber auch die Koordinierung des
Netzausbaus und der Ausbau der erneuerbaren Energien,
trotz des atmenden Deckels . Warum? Es gibt einen enormen Aufwand bei der Netzausbauplanung im Einklang
mit den Bürgerinnen und Bürgern . Ich will das ganz deutlich sagen: Ich freue mich darüber, dass wir die Netzausbauplanung in Kommunikation mit den Bürgern, und
damit bürgerakzeptiert, hinbekommen wollen . Aber als
Verwaltungsbeamter kann ich an dieser Stelle sagen: Das
macht das Ganze natürlich viel komplizierter und dauert
damit auch länger . Das ist kein politischer Schaden, der
hier entstanden ist, sondern ein Schaden, der der Natur
der Sache geschuldet ist .
Es gibt einen großen Erfolg beim Ausbau der Offshoreindustrie: 3,3 Gigawatt Zubau in den letzten zwei
Jahren . Ich freue mich sehr, dass viele Vertreter der
süddeutschen Länder mittlerweile zu großen Freunden
von Offshorewindenergie geworden sind . Herr Fuchs,
ich lade Sie gerne ein, einmal nach Emden zu kommen,
um sich hautnah anzugucken, wie das eigentlich mit der
Netz anbindung ist .
({2})
Es gibt auch einen nachhaltig großen Erfolg beim
Ausbau der Onshoreindustrie, und zwar entgegen den
Prognosen von 2014 .
Der Netzausbau aber kommt hinter dem Ausbau der
erneuerbaren Energien nicht hinterher . Was ist da zu tun?
Ausschreibung kann ein geeignetes Instrument sein, um
den Ausbau der Erneuerbaren zu kanalisieren . Es gibt
eine Gefahr dabei, nämlich die Akteursvielfalt zu verlieren .
({3})
Deswegen begrüße ich es sehr, dass das BMWi sich besonders damit auseinandergesetzt und einen Vorschlag
gemacht hat, der beinhaltet, dass es eben nicht passiert,
dass die Akteursvielfalt in Gefahr gerät,
({4})
sondern Präqualifizierungskriterien gerade für Bürgerwindparks heruntergefahren werden .
({5})
Es gibt große Chancen beim Ausbau der Erneuerbaren über Ausschreibungen, nämlich dadurch, dass man
die Redispatch-Kosten in den Griff bekommt . Bürgerakzeptanz hat auch etwas damit zu tun, ob wir diese Redispatch-Kosten in den Griff bekommen oder nicht .
({6})
Zu den Zahlen und den Ausführungen von Herrn
Homann sagt Kollege Heil gleich noch etwas .
Es gibt durch die Ausschreibung natürlich auch einen
Anreiz für Effizienz und einen Anreiz für Kostenreduktion .
Aber ich finde, wir müssen zusätzlich darüber nachdenken, was man noch machen kann, um den Netzausbau
verstärkt in den Blick zu nehmen . Wir müssen uns also in
den nächsten Monaten intensiv damit beschäftigen, wie
wir die Sektorkopplung hinbekommen .
({7})
Wir müssen uns intensiv damit beschäftigen, wie wir mit
der Speichertechnologie umgehen . Darin zu investieren,
ist zugegebenermaßen zunächst teuer - keine Frage -,
aber es ist auf jeden Fall eine Investition in die Zukunft .
Ich glaube, dass sogar schon die ersten Mechanismen des
neuen Strommarktgesetzes dafür sorgen werden, dass
erste Anreize im Speicherbereich entstehen .
Kleinvieh macht auch Mist, meine Damen und Herren . Über die Landstromversorgung haben wir im Zusammenhang mit dem EEG 2014 nachgedacht . Wir müssen sie vielleicht in diesem Zusammenhang auch noch
einmal diskutieren . Auch Power Barges und die Frage,
wo in Deutschland ein Batteriewerk entstehen könnte,
müssen in diesem Zusammenhang noch einmal diskutiert
werden, last, but not least auch die Potenziale der Elektromobilität .
Wir beschäftigen uns also mit den Fragen . Wir fangen
nicht an, aufzuhören, wir hören nicht auf, anzufangen,
sondern sind mitten im Prozess, auf einem guten Weg .
Wir werden bis 2025 45 Prozent erneuerbare Energien
im Netz haben und damit unser Koalitionsziel erreichen .
Darauf sind wir stolz .
({8})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Dr . Andreas
Lenz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einiges
habe ich heute schon gelernt: Die Grünen lesen Tweets
der Unionsfraktion . Da kann man prinzipiell nur lernen .
({0})
Es ist auch so, dass sich die Sozialisten mit den Herz-Jesu-Sozialisten der CSU vergleichen .
({1})
Da muss ich Sie enttäuschen; da gibt es wenig Übereinstimmungen .
({2})
Zum Thema . Der Koalitionsvertrag ist hinsichtlich der
Frage der erneuerbaren Energien und ihres Ausbaus eigentlich sehr klar . Darin steht:
Die Energiewende ist ein richtiger und notwendiger
Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft,
die dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet ist.
Wir wollen die Energiewende zum Erfolg führen .
Aber Erfolg heißt nicht, möglichst viel Erneuerbare möglichst teuer zu erreichen . Gerade deshalb wurde im Koalitionsvertrag erstmals ein Ausbaukorridor festgelegt:
40 bis 45 Prozent im Jahre 2025, 55 bis 60 Prozent im
Jahre 2035 .
Schaut man sich an, wo wir jetzt stehen, dann sieht
man, dass der entsprechende Korridor jetzt schon bei
weitem überschritten ist . Würde der Referentenentwurf,
wie er vorlag, umgesetzt, dann stünden wir 2020 bei einem Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch
von 44 Prozent . Das hieße, dass das Ziel bereits fünf
Jahre früher übererfüllt wäre . Da werden jetzt einige sagen - wir haben es ja auch gehört -: Das ist ja wunderbar . Wir können nicht genügend Strom aus Erneuerbaren
haben . - Frau Verlinden, Sie haben es ja angesprochen .
Die Erneuerbaren - das muss man so klar sagen - helfen uns aber überhaupt nicht, wenn der Netzausbau nur
schleppend vorangeht, wenn der Strom also nicht dorthin
gebracht wird, wo er gebraucht wird . Die Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau
ist also entscheidend .
Wenn man schaut, wo es beim Netzausbau hakt - Kollege Fuchs hat es angesprochen -, dann erkennt man,
dass es rot-grün geführte Länder sind, beispielsweise
Niedersachsen . Laut Übertragungsnetzbetreiber ist es
übrigens so, dass der Netzausbau in Bayern mittlerweile mit am besten läuft . Das liegt sicherlich auch daran,
dass die Planungsbehörden und die Ministerien nicht von
Grünen besetzt sind .
({3})
Es hilft rein gar nichts, wenn es so ist wie am 8 . Mai,
am Muttertag, als wir zwar 95 Prozent des Strombedarfs
mit Erneuerbaren decken konnten, aber gleichzeitig
21 Millionen Euro an negativen Strompreisen zahlen
mussten . So haben wir übrigens auch die Strompreise in
den europäischen Nachbarländern nach unten subventioniert . Wir brauchen also eine bessere Steuerung und Koordinierung der Energiewende . Auch die entsprechenden
Ausschreibungen sind Teil des Koalitionsvertrages und
können dazu beitragen, den Ausbau besser zu steuern .
Die Frage ist heute: Wie geht es mit den erneuerbaren
Energien in Deutschland und Europa weiter? Auch auf
europäischer Ebene gibt es klare Ziele und Festlegungen
hinsichtlich der Erneuerbaren . Beispielsweise hat die EU
insgesamt das Ziel, bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix von 27 Prozent zu generieren . Die EU hat das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis
2030 um 40 Prozent zu senken, auch durch eine Reform
des Emissionshandelssystems, des ETS . Dabei bleibt es
jedoch jedem Land selbst überlassen, für welchen Energiemix es sich entscheidet . Wir dürfen nicht dazu übergehen, eine Art Diktatur irgendwelcher Ideologien im
Bereich der Energiepolitik auf europäischer Ebene auszuüben .
({4})
Die angeregte Verbesserung der Forschungszusammenarbeit im Energiebereich betrifft alle Bereiche und ist außerordentlich sinnvoll .
({5})
Der Expertenbericht der Kommission vom Montag
befasst sich auch mit Stromspeichern . Diese brauchen
wir zum Gelingen der Energiewende ebenso wie flexible
Erneuerbare wie die Biomasse, die netzdienlich, dezentral und grundlastfähig ist und wesentlich bei der Einsparung von CO2 hilft . Wir brauchen auch Akzeptanz in
Form von Akteursvielfalt und einer breiten Bürgerbeteiligung . Diese Punkte werden wir im parlamentarischen
Verfahren berücksichtigen . Der Minister hat gestern angekündigt, dass hierzu noch genügend Zeit bleiben wird .
Nach wie vor sind über 90 Prozent der Bevölkerung
der Meinung, eine stärkere Nutzung von Erneuerbaren
ist wichtig oder außerordentlich wichtig . Nur 26 Prozent
sind für Atomkraft; übrigens nur 5 Prozent sind für Kohlestrom, und zwar aus guten Gründen . Aber der Umstieg,
die Energiewende, ist eine Generationenaufgabe, und der
Umstieg kostet Geld, Geld, das wir möglichst effizient
einsetzen müssen . Deshalb müssen wir jetzt nicht nur das
Richtige machen, sondern das Richtige auch richtig machen, und das machen wir .
Herzlichen Dank .
({6})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Hubertus Heil
von der SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wenn wir über die Energiewende reden, dann
reden wir über eines der größten Innovationsprojekte
für unser Land . Ich glaube, es eint uns in diesem Haus,
dass wir das so sehen, aber im Gegensatz zu einigen hier
tun wir nicht so, als sei das ein Spaziergang . Wir wollen
ehrgeizige Klimaschutzziele umsetzen und gleichzeitig
den Ausstieg aus der Atomkraft organisieren . Das ist ein
grundlegender, ein fundamentaler Wandel in doppeltem
Sinne .
({0})
- Frau Verlinden, ich bin mein politisches Leben lang
Gegner der Atomkraft gewesen wie Sie wahrscheinlich
auch . Ich will, dass wir das miteinander hinkriegen .
({1})
- Sie sind sicherlich jünger als ich, die Gnade der späten
Geburt . Ich wollte deshalb daran erinnern .
Ich habe Ihrer Rede und auch der Rede des Kollegen
Krischer genau zugehört . Ein Begriff hat bei Ihnen keine
Rolle gespielt: Kosten .
({2})
Frau Verlinden, Sie haben das Wort „Kosten“ - wir alle
können das nachlesen - in Ihrer Rede nicht einmal verwandt . Jetzt müssen wir uns ehrlich machen und darüber
reden .
Gestern Abend saßen 16 Ministerpräsidenten, die
Bundeskanzlerin und der Bundeswirtschaftsminister zusammen . Wir alle wissen doch, wenn wir ehrlich sind:
Bei der Energiewende geht es um handfeste regionale
und strukturpolitische Interessen . Wenn man im Zuge der
Energiewende Jahr für Jahr 24 Milliarden Euro in den
Ausbau erneuerbarer Energien steckt ({3})
noch einmal: 24 Milliarden Euro allein über das EEG
plus Netzausbau und Ähnliches; und wir können das als
Gesellschaft, weil wir den Strukturwandel wollen, Frau
Verlinden -, dann ist doch nicht von der Hand zu weisen,
dass viele Ministerpräsidenten aus Sicht der regionalen
Strukturpolitik argumentieren; ich finde das auch völlig
berechtigt . Alle wollen ein Stück vom Kuchen . Die einen
wollen Industrialisierung im Sinne von Offshore an den
Küsten des Nordens, die anderen wollen im Landwirtschaftsbereich etwas ausbauen usw . usf . Aber ich sage
auch: Die Einzelinteressen regionaler Strukturpolitik
sind noch kein gesamtenergiepolitisches Konzept; denn
auch in der regionalen Strukturpolitik wird eine Frage
nicht gestellt, nämlich die Frage: Was kostet es?
Wir müssen auch die Frage stellen: Was bringt das?
Gar keine Frage: Die Energiewende ist eine Riesenchance für unser gesamtes Land, wenn wir sie miteinander
hinkriegen . Deshalb bin ich dankbar, dass die Ministerpräsidenten gestern der offensichtlichen Versuchung
widerstanden haben, das Ganze zu einem Teppichhandel
nur über regionale Strukturpolitik zu machen . Vielmehr
hat man miteinander einen Korridor geöffnet, durch den
man die Kosten im Blick behält und durch den man auch
im Blick behält, Herr Kollege Krischer, dass wir nicht
nur über den Ausbau Erneuerbarer reden, sondern auch
über Systemintegration und Systemtransformation . Da
beißt die Maus keinen Faden ab .
Sie haben vorhin Zahlen genannt . Ich würde Ihnen
das gerne einmal vorrechnen . Ich möchte zwei Zahlen
nennen, die zwar von einem Netzbetreiber stammen, aber
von der Bundesnetzagentur und vom Wirtschaftsministerium für plausibel gehalten werden; die Vergangenheit
und den Istzustand können Sie nicht bestreiten . Wir hatten 2010 - der Minister hat es vorhin gesagt - 120 Gigawatt abgeregelten EE-Strom . Im Jahr 2015 hatten wir
4 698 Gigawatt abgeregelten Strom .
({4})
Um das einmal in Kosten auszudrücken: Wir haben
2015 gut 1,1 Milliarden Euro, wobei darunter 400 Millionen Euro Kosten des Redispatch und 475 Millionen
Euro Kosten der Abregelung waren .
({5})
Alles zusammen ergab dies Kosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro . Die Prognose, die Sie zitiert haben, halten
wir für plausibel: Wenn wir jetzt nichts tun, dann können
daraus im Jahr 2023 rund 4 Milliarden Euro werden .
Ich sage Ihnen eines: Sie erzählen den Menschen die
Unwahrheit, wenn Sie sagen, dies liege an der Verstopfung der Netze durch andere . Sie wissen es ganz genau:
In § 14 EEG gibt es einen Einspeisevorrang für erneuerbare Energien . Deshalb kann das Verstopfungsargument
an dieser Stelle nicht richtig sein .
({6})
Das Problem ist nicht die Verstopfung, sondern das
Problem ist vielmehr der Netzausbau . Wir müssen darüber reden, wie wir diesen hinkriegen, wie wir ihn beschleunigen . Wir brauchen die Netze in diesem Bereich .
Wir müssen den Ausbau der erneuerbaren Energien ein
Stück stärker mit den Netzen synchronisieren, sonst organisieren wir volkswirtschaftliche Kosten für Strom,
der nicht gebraucht wird . Meine Damen und Herren, wer
die Akzeptanz der Energiewende unterminieren will, der
muss genauso argumentieren wie Sie: Kosten spielen
keine Rolle . - Das wollen wir nicht .
({7})
Das Zweite, das ich Ihnen sagen will, ist, dass die
Ministerpräsidenten, wie ich finde, sehr vernünftig argumentiert haben . Einer hat noch nicht unterschrieben,
das ist der bayerische Ministerpräsident . Er hatte gestern
Abend etwas anderes vor, er ist etwas früher gegangen .
({8})
Er hat nämlich noch ein Interesse, nämlich im Bereich
der Biomasse nachzuverhandeln. Ich finde, Biomasse ist
ein Sonderfall bei den erneuerbaren Energien und gehört
zum Energiemix der Zukunft dazu .
Eines sage ich Ihnen aber auch: Wir werden nicht zulassen dürfen, dass wir hier ganz große und teure Fässer
aufmachen, sondern wir müssen auch hier auf die Kosten
achten . Das sage ich auch in die Richtung der Kolleginnen und Kollegen von der Union . Es kann nicht sein, dass
die Kosten auf der einen Seite immer ein Argument sind,
dass aber Kosten dann, wenn es um die bestimmten Interessen bestimmter Gruppen in bestimmten Regionen
geht, keine Rolle spielen . Das ist ganz klar .
({9})
Ich mahne bei allem Augenmaß ein bisschen Disziplin
und auch Standhaftigkeit an, wenn wir jetzt ins Verfahren gehen . Dazu gehört auch, dass wir jetzt etwas nicht
mehr gebrauchen können: ideologische Schlachten von
gestern .
({10})
Es mag welche geben, die der Atomkraft hinterhertrauern
und deshalb versuchen, jedes Windrad mit der Hacke zu
zerschlagen .
({11})
Die gibt es auch noch . Es mag auch diejenigen geben,
die denken, die Energiewende sei ein Spaziergang, man
müsse nur Wünsche haben, Kosten spielen keine Rolle .
Man darf nicht ignorieren, dass es Menschen gibt, die
handfest - das sei ihnen gegönnt - daran verdienen . Das
ist vorhin im Zusammenhang mit den Pachtpreisen beschrieben worden .
Ich sage aber: Unser Interesse ist es nicht, Einzelinteressen von Menschen zu vertreten, die daran etwas
verdienen . Unser Interesse ist es, das Gemeinwohl zu
vertreten, und in diesem Sinne gestalten wir die Energiewende . Deshalb unterstützen wir den Wirtschaftsminister
auf diesem Kurs .
Herzlichen Dank .
({12})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Andreas Jung
von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es mag durch die Kontroverse in dieser Debatte etwas
aus dem Blick geraten sein, dass wir alle, die wir hier
sind, zunächst einmal ein gemeinsames Ziel verfolgen,
und dieses gemeinsame Ziel ist: Wir wollen die Energiewende zu einem Erfolg machen . Das nehme ich für uns
ganz deutlich in Anspruch . Das haben auch Sie, die Sie
hier kritisiert haben, vorgetragen . Ich glaube, es ist richtig, das immer wieder zu betonen, weil wir uns hier nur
über den Weg streiten . Wir streiten uns nicht über den
Grundsatz .
Weil die Fakten angesprochen worden sind: Es ist
doch so, dass die Fakten insoweit eindeutig sind, dass
der Ausbau bisher immer vorangeschritten ist, dass wir
vorangekommen sind bei der Erreichung der Ausbauziele, dass wir auch bei der Erreichung der Klimaziele
vorankommen
({0})
und dass wir jetzt an einem Punkt sind, an dem die erneuerbaren Energien den Systemwechsel schaffen müssen
und auch schaffen werden, nämlich von dem bewährten
System des EEG hin zu einem System mit Wettbewerb
und Marktwirtschaft . Diesen Weg gehen wir mit den
Ausschreibungen . Ich bin davon überzeugt: Das können
die erneuerbaren Energien, weil sie immer besser geworden sind . Sie sind Tabellenführer, diesen Platz werden sie
behaupten .
({1})
Sie werden dadurch Schub bekommen, um tatsächlich
die tragende Säule unseres Energiesystems zu werden .
Darum geht es . Wir wollen die Energiewende zu einem
Erfolg werden lassen . Dazu gehören Ausbauziele, dazu
gehört Versorgungssicherheit, aber eben auch Energieeffizienz. Das müssen wir alles unter einen Hut bekommen.
Jetzt haben wir die EEG-Reform . Sie ist noch nicht
ganz ausgehandelt, deshalb können wir sicherlich auch
in den nächsten Wochen noch ausführlich darüber diskutieren . Für mich geht es dann darum, dass wir drei Dinge
sehr genau betrachten und prüfen, ob diese tatsächlich
berücksichtigt sind, und dass wir diese zum Maßstab dieser Reform machen . Ein Aspekt ist dann, wenn wir einen
Systemwechsel machen, die Verlässlichkeit . Wer investiert hat, wer Geld in die Hand genommen hat, der tat
dies im Vertrauen auf eine gesetzliche Regelung, und das
gilt für alle Bereiche, so auch für diesen Bereich, und dieses Vertrauen muss berücksichtigt werden . Dieses VerHubertus Heil ({2})
trauen muss geschützt werden . Das muss auch bei dieser
Reform gelten . Das ist für mich selbstverständlich .
({3})
Das Zweite ist, dass wir immer das Gesamtsystem im
Blick haben müssen . Dazu gehören selbstverständlich
die dezentralen Speichertechnologien,
({4})
die Pumpspeicherkraftwerke, neue Technologien, die
Forschung in diesem Bereich und die Umsetzung . Selbstverständlich gehört auch der Netzausbau dazu, bei dem
wir vorankommen müssen .
({5})
Genauso selbstverständlich ist, dass wir einen breiten
Mix an erneuerbaren Energien brauchen .
An dieser Stelle will ich Folgendes sagen: Kollege
Heil, ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie sagen, dass
es bei dem einen Bereich um das Gemeinwohl geht, in
dem anderen Bereich, bei der Biomasse, hingegen nur
um irgendwelche Interessen . Gerade das ist falsch; denn
auch die Biomasse ist eine systemdienliche Energieform .
({6})
Wir wollen für die Biogasanlagen, die Wärme nutzen,
für die Biogasanlagen, die für das Stromsystem dienlich
sind, für die Biogasanlagen, die effizient sind und die wir
zum Beispiel mit Blick auf den CO2-Ausstoß brauchen,
eine Anschlussregelung .
({7})
Wir wollen nicht, dass Investitionsruinen in der Landschaft stehen . Deshalb müssen wir darüber diskutieren
und brauchen hier eine Einigung; das hat auch Schorsch
Nüßlein gesagt .
({8})
Drittens halte ich es für notwendig, dass wir die breite Basis der Energiewende sichern . Die breite Basis der
Energiewende stellt die Beteiligung der Bürger, die Bürgerenergie dar .
({9})
Es hat bisher die Energiewende vorangebracht, dass sich
die Leute nicht nur interessieren und sie nicht nur politisch unterstützen, sondern sich auch im Rahmen von
Bürgerenergiegenossenschaften tatsächlich engagieren .
Hier gilt der Satz von Kurt Tucholsky, der einmal gesagt
hat: „Der eigene Hund macht keinen Lärm - er bellt nur .“
Die Konflikte, die wir vor Ort in vielerlei Hinsicht haben - sie kann man, glaube ich, nicht wegdiskutieren; da
gibt es Dinge, die in Einklang zu bringen sind -, können wir besser auflösen, da können wir eine bessere Akzeptanz schaffen, wenn Bürger die Möglichkeit haben,
sich breit zu engagieren . Deshalb ist ein Maßstab für die
Beurteilung dieser Reform und deren Umsetzung, dass
das, was wir bisher hatten, auch bei Umstellung auf das
Ausschreibungssystem erhalten bleibt . Die Energiewende muss ein Bürgerprojekt bleiben . Dafür werden wir uns
einsetzen .
({10})
Das wird ein Maßstab bei den Diskussionen, die wir jetzt
zu führen haben, sein .
Herzlichen Dank .
({11})
Vielen Dank . - Ich schließe die Aktuelle Stunde .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 2 . Juni 2016, 9 Uhr,
ein .
Die Sitzung ist geschlossen .