Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zu
unserer Plenarsitzung und rufe gleich Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes.
Für einen einleitenden Bericht dazu erhält der zuständige Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur das Wort .
Sofern es schon absehbare Nachfragewünsche aus den
Fraktionen gibt, wäre es zur Sortierung dieser Fragewünsche hilfreich, wenn mir die Geschäftsführer dazu gleich
ein paar Hinweise gäben .
Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass für die
anschließende Befragung eine Minute jeweils für Fragen und Antworten zur Verfügung steht . Diejenigen, die
später an der Fragestunde beteiligt sind, mache ich außerdem darauf aufmerksam, dass viele der eingereichten
Fragen, die zur mündlichen Beantwortung gestellt worden sind, schriftlich beantwortet werden, sodass manche
Fragen sehr viel schneller aufgerufen werden, als es der
eine oder andere vielleicht in seinen bisherigen Dispositionen vermutet .
Herr Minister Dobrindt, bitte schön .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat heute die Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes beschlossen . Es geht im Wesentlichen darum,
dass wir unseren Rekordmittelaufwuchs für die Infrastruktur auch in die Zukunft verstetigen . Das heißt, der
Investitionshochlauf, den mein Haus vorgezeichnet hat
und der bis 2018 für einen Investitionszuwachs von circa
40 Prozent in meinem Haushalt sorgt, soll auch über das
Jahr 2018 hinaus verlängert werden . Dazu diente im vergangenen Jahr die Verbreitung und Vertiefung der LkwMaut auf die Fahrzeugklasse 7,5 bis 12 Tonnen und ihre
Ausweitung auf die vierspurigen Bundesstraßen . Diese
Maßnahme wird in diesem Jahr zum ersten Mal ihre volle Wirksamkeit erreichen und an die 400 Millionen Euro
zusätzlich bringen .
Weiter haben wir mit diesem Gesetzentwurf vor, die
Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen zu erweitern . Um
einmal einen Vergleich zu ziehen: Autobahnen machen
13 000 Kilometer aus . Bei vierspurigen Bundesstraßen
haben wir das Mautsystem inzwischen auf 2 300 Kilometer ausgedehnt . Die Bundesstraßen, die ab 2018 in
das Mautsystem einbezogen werden sollen, umfassen
40 000 Kilometer . Das wird in seiner vollen Jahreswirkung zusätzliche Einnahmen in Höhe von circa 2 Milliarden Euro bringen . Diese Einnahmen stehen zweckgebunden für Investitionen in die Straßeninfrastruktur,
das heißt für die Sanierung und auch den Neubau von
Straßen, zur Verfügung .
Das ist im Übrigen die Grundlage dafür, dass wir
unseren Bundesverkehrswegeplan, den wir im ersten
Entwurf vorgelegt haben, auch mit den notwendigen Finanzmitteln hinterlegen können, um damit die hohe Investitionsquote im Verkehrsministerium für die Zukunft
zu sichern . All diese Maßnahmen helfen dabei, die im
Bundesverkehrswegeplan vorzufindenden Projekte, die
wir zurzeit diskutieren - die Bürgerbeteiligung ist ja gerade abgeschlossen, geht dann in die Auswertung und hat
schließlich Einfluss auf die Kabinettsvorlage des Bundesverkehrswegeplans -, zu verwirklichen . Von daher ist
das eine gute Grundlage dafür, das hohe Investitionsniveau, das wir schon jetzt im Verkehrshaushalt sehen, und
den Investitionshochlauf auch weiterhin in die Zukunft
zu verstetigen .
Danke schön .
Die erste Nachfrage hat die Kollegin Wilms .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, Sie haben einen sehr schönen Vortrag gehalten .
Herzlichen Dank .
({0})
Aber zu der Sache selbst haben Sie wenig gesagt . Sie
haben immer nur über Ihren sogenannten Hochlauf, der
irgendwo in den Sternen steht, geredet .
Investitionshochlauf! Der steht im Haushaltsgesetz,
nicht in den Sternen .
Vielleicht auch über den eigenen Hochlauf; ich weiß
es ja nicht . - Sie haben außerdem über den Bundesverkehrswegeplan geredet . Entscheidend ist aber jetzt, dass
wir uns wirklich ernsthaft mit den Problemen, die Sie
jetzt mit der Lkw-Maut haben, beschäftigen .
Darum meine ganz gezielte Nachfrage: Wenn ich es
richtig mitbekommen bzw . gehört habe - wir haben ja
offiziell noch gar nichts von Ihnen -, beabsichtigen Sie
jetzt, mit der Lkw-Maut Bundesstraßen in den Ortschaften, also Ortsdurchfahrten in Form von Bundestraßen,
voll zu bemauten . Das heißt, in größeren Städten ab
80 000 Einwohnern bekommen wir die Maut auf der
Bundesstraße .
Frau Kollegin .
Wenn ich aber über eine Nebenstraße fahre, werde ich
nicht bemautet . Wie wollen Sie es eigentlich regeln, dass
nicht ein Mautausweichverkehr innerhalb der Gemeinden stattfindet?
Wenn die Frage länger als eine Minute dauert, entfällt
dann die Antwort?
Nein, dann muss die Antwort kürzer ausfallen .
({0})
Okay . - Ich glaube, es ist eine berechtigte Frage,
inwiefern durch die Bundesfernstraßenmaut Mautausweichverkehre entstehen . Tatsache ist ja, dass wir Klagen
kennen, dass jetzt Mautausweichverkehre auf Bundesstraßen stattfinden, weil man den Autobahnen ausweichen will . Von daher ist es als Vorteil zu betrachten, dass
wir die Bundesstraßen jetzt in die Maut mit einbeziehen
und sich damit keine Anreize mehr ergeben, eine Autobahn zu vermeiden und dafür eine Bundesstraße zu nutzen . Von daher wird der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf
einen enorm positiven Einfluss auf die Frage von Maut
ausweichverkehren haben .
({0})
Herr Kollege Behrens .
Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie einige Sätze mehr zum Inhalt des Gesetzentwurfes vorgetragen hätten .
({0})
Vielleicht kann man diese Informationen noch durch
Nachfragen bekommen; aber ein wenig substanziierter
hätte es doch ausfallen können .
Die Zeit läuft, Herr Kollege Behrens .
Ja, darum fällt meine Frage auch relativ kurz aus .
Es geht um das Verfahren . Wir haben ja hin und wieder
nachgefragt, wie das Direktverfahren mit Toll Collect
zu bewerten ist . Bei der anderen Maut, die Sie hier im
Plenum eingebracht haben, haben Sie ja immer wieder
versichert, es habe Absprachen mit der EU-Kommission
gegeben, um rechtzeitig signalisiert zu bekommen, ob alles EU-konform ist . Haben Sie solche Absprachen auch
in Vorbereitung der Ausweitung der LkwMaut gehabt?
Wie ist die Frage bezüglich der Direktvergabe ohne Ausschreibung an Toll Collect beantwortet worden?
Wir haben bei der Lkw-Maut ja keine neue Situation, sondern ein geübtes Verfahren . Wir haben bereits
im letzten Jahr im Zusammenhang mit der Verbreitung
und Vertiefung der Lkw-Maut, die ich dargestellt habe Einbeziehung der vierspurigen Bundesstraßen und der
7,5- bis 12-Tonner -, intensive Diskussionen mit Brüssel
geführt und auch da schon auf unsere Pläne hingewiesen,
ab 2018 die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen zu erweitern . Dies wird von der Kommission ausdrücklich positiv
begleitet .
Wir haben hinsichtlich der technischen Aufrüstung
des Systems vor, diese mit Toll Collect vorzubereiten . Es
geht darum, dafür zu sorgen, dass es kein anderes Mautsystem gibt, damit die Nutzer keine weiteren OBUs und
keine andere Systemtechnik verwenden müssen, egal,
ob sie auf Autobahnen oder auf Bundesstraßen unterwegs sind . Das wird mit dieser technischen Aufrüstung
sichergestellt . Der Betrieb des Systems ab 2018 wird europaweit ausgeschrieben . Dies ist vergaberechtlich auch
geprüft und
Herr Minister .
- wird von uns als richtig empfunden .
Sehr schön . - Herr Kollege Krischer .
Herr Minister, Sie planen ja neben der Lkw-Maut die
Einführung einer Pkw-Maut, wobei ich hoffe, dass die
EU-Kommission - von hier aus ein Dank an Frau Bulc verhindern möge, dass es dazu kommt . Aber wenn es
dazu käme, dann hätten wir eine Lkw-Maut, die ab einer
Untergrenze von 7,5 Tonnen gilt, und eine Pkw-Maut,
die bis zu einer Obergrenze von 3,5 Tonnen gilt . Es gäbe
dann eine Mautlücke. Wie erklären Sie das? Wie wollen Sie es handhaben, dass wir dann mehrere Hunderttausend Fahrzeuge haben, die in Deutschland nach Ihren
Vorstellungen in Zukunft gar keine Maut zahlen sollen,
während Pkws sowie Lkws über 7,5 Tonnen zahlen sollen? Sie müssten mir einmal erläutern, wie das rechtlich
und in der Praxis zu handhaben ist .
Ich sehe die von Ihnen beschriebene Mautlücke nicht .
Das sind zwei unterschiedliche Systeme, die dort vorherrschen: Das eine ist die Lkw-Maut, die vorrangig das
Gewerbe betrifft, das andere ist die in Diskussion befindliche PkwMaut, die vorrangig den privaten Verkehr
betrifft . Nichtsdestotrotz ist im heute vorgelegten Gesetz ein Prüfauftrag enthalten, der besagt, dass man bis
Ende 2017 zu den anderen Mautfragen ein Prüfergebnis
vorlegen soll .
Frau Leidig .
Da schließt sich meine Frage nahtlos an . Die anderen
Mautfragen betreffen beispielsweise auch die Fernlinienbusse . Die Länder fordern - wie auch die Opposition -,
dass für sie eine Maut eingeführt wird, die sehr gering
sein kann und trotzdem erhebliche Einnahmen bringen
würde . Sie haben auch dazu einen Prüfauftrag in Ihrem
Gesetz . Meine erste Frage betrifft den Inhalt des Prüfauftrages: Was genau prüfen Sie also?
Die zweite Frage ist, ob Sie in der Ausschreibung zum
neuen Wegekostengutachten vorgesehen haben, dass bei
der Berechnung der Wegekosten auch die Maut für Fernbusse berücksichtigt wird .
Zur zweiten Frage: Nein, in der Ausschreibung zum
Wegekostengutachten gibt es meiner Kenntnis nach keinen Auftrag, eine Omnibusmaut zu berechnen .
Zu Ihrer ersten Frage: Als Prüfauftrag ist formuliert,
dass man sowohl hinsichtlich der Fernbusverkehre als
auch hinsichtlich der Klasse von 3,5 bis 7,5 Tonnen bis
Ende 2017 eine Prüfung vornehmen soll .
Ich lasse übrigens auch Fragen aus den Reihen der
Koalition zu, falls es welche gibt . Im Augenblick habe
ich aber keine notiert . Deswegen hat die Kollegin Wilms
jetzt wieder das Wort .
Das ging aber schnell . Vielen Dank, Herr Präsident . Herr Minister, Sie haben eben dem Kollegen Behrens auf
seine Frage zur Direktvergabe an Toll Collect geantwortet, dass Sie verhindern wollten, dass ein andres Mautsystem eingeführt wird . Wenn ich es richtig sehe, kann
es, wie ich dem Entwurf entnommen und auch anderweitig gehört habe, jetzt passieren, dass Bundesstraßen
in Form von Ortsdurchfahrten in Städten mit mehr als
80 000 Einwohnern - das ist ein schönes und spannendes Thema; denn da ist der Baulastträger nicht der Bund,
sondern die Kommune - mitbemautet werden; dafür geht
das Geld dann ja wohl an die entsprechende Kommune .
Aber wenn wir irgendwann richtig in die Nutzerfinanzierung einsteigen wollen, so wie das die EU-Kommission
will, dann brauchen wir eine Lösung für andere kommunale Straßen . Sind diesbezüglich schon Gespräche mit
den Ländern, den Gemeinden und den Verbänden geführt
worden? Laufen Sie nicht Gefahr, dass wir da einen echten Flickenteppich bekommen? - Danke.
Es gibt keine Gespräche hinsichtlich kommunaler
Straßen und Maut mit Ländern oder Kommunen . Der
Bund kommt seiner Verantwortung für das Bundesfernstraßennetz nach - das liegt in seiner Kompetenz -, und
dafür habe ich ein Gesetz vorgelegt .
Kollege Behrens .
Herr Minister, ich habe noch einmal eine Nachfrage
bezüglich der Vergabe an Toll Collect . Neu und für mich
überraschend ist die Festlegung, dass Toll Collect im Gegensatz zum gegenwärtigen Zustand die Daten künftig
für einen Zeitraum von 120 Tagen speichern kann . Damit
besteht, zumindest theoretisch, für Toll Collect die Möglichkeit, diese Daten für eigene Zwecke zu nutzen und
den einen oder anderen Zusatzdienst anzubieten . Inwieweit ist dieser Punkt in der Vertragsgestaltung mit Toll
Collect abgebildet? Wann wird denn der Vertrag mit Toll
Collect überhaupt abgeschlossen?
Herr Behrens, die Datenschutzregeln haben sich gegenüber unserem bisherigen System nicht verändert . Von
daher besteht der gleich hohe Schutz in der Zukunft wie
in der Vergangenheit .
Wir sind dabei, den Vertrag mit Toll Collect zu prüfen . Ich kann Ihnen von daher nicht sagen, wann er abgeschlossen wird . Das ist eine Frage des Prozesses .
Herr Krischer. - Ihre Nachfrage hat sich erledigt? Aha.
Dann hat Frau Wilms noch eine Frage und dann Herr
Behrens . Danach können wir, glaube ich, diesen Teil der
Befragung zunächst abschließen . - Bitte schön .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich komme doch noch
einmal auf die Ortsdurchfahrten zurück . Nehmen wir ein
plastisches Beispiel: Die Stresemannstraße in Hamburg sie ist einschlägig bekannt - ist eine Bundesstraße; die
kennt auch der Parlamentarische Staatssekretär Schröder,
der neben Ihnen sitzt . Parallel dazu verlaufen die Holstenstraße und die Reeperbahn . Bei beiden Routen kommen Sie an der gleichen Ecke raus .
({0})
Also, was ich alles kennen soll!
({0})
Letztere kennen Sie vielleicht auch; sie ist aber keine
Bundesstraße .
({0})
Wir haben jetzt also das Problem: Auf der Bundesstraße
wird kassiert, Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Wenn jetzt jeder Kollege hier seine privaten Straßenprobleme aufzählt, liebe Frau Wilms!
- auf der anderen wird nicht kassiert . Das heißt, Sie
müssen sich doch in irgendeiner Form Gedanken darüber
gemacht haben, wie Sie mit diesem Problem umgehen
wollen . Haben Sie also mal mit den Kommunen darüber geredet, wie man dafür sorgen kann, dass der Verkehr
nicht auf einmal über die Nebenstraßen abfließt? Das erschreckt mich, gelinde gesagt .
({0})
Herr Minister, können Sie diesen Schrecken ausräumen?
Nein . Ich befürchte, dass mir das nicht gelingt . Ich
versuche schon seit zweieinhalb Jahren, den Schrecken
auszuräumen .
({0})
Liebe Kollegin Wilms, für die Maßnahme, die Bundesstraßen miteinzubeziehen, gibt es große Unterstützung .
Warum? Weil gerade die Städte davon profitieren, bei denen die Bauträgerlast nicht beim Bund liegt, sondern bei
den Kommunen . Wir rechnen mit 8 Prozent Mehreinnahmen. Von diesen werden die Kommunen profitieren; sie
werden über die Länder ausgereicht . Die Einführung der
Maut hat von daher zum Ziel, die Bundesstraßen, auch
wenn sie in Städten liegen, so attraktiv zu gestalten, dass
sie so genutzt werden, wie sie genutzt werden sollen, und
die Verkehre entsprechend darauf abgewickelt werden .
Kollege Behrens noch einmal .
Herr Minister, ich habe noch eine Nachfrage bezüglich
der Nutzung der Daten, die Toll Collect zur Verfügung
gestellt werden . Die Frist von 120 Tagen unterscheidet
sich vom heutigen Verfahren . Derzeit wird die Strecke
in der On-Board-Unit abgebildet, dann wird die Maut
ausgerechnet und die Daten werden sofort gelöscht . Jetzt
soll Toll Collect die Daten, zwar anonymisiert, 120 Tage
speichern können . Ich gehe davon aus bzw . ich hoffe
sehr, dass dabei alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden . Ich hatte ja nach den zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten gefragt . Werden Toll Collect zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten bezüglich dieser
Daten, die dem Unternehmen bis jetzt nicht zur Verfügung stehen, eingeräumt?
Es ist so, wie ich es Ihnen vorhin gesagt habe: Der
Datenschutz bleibt so umfänglich bestehen, wie er bisher
war . Sie sprechen die technische Situation an, dass Rechenleistungen, die bisher in jeder einzelnen On-BoardUnit im Fahrzeug stattgefunden haben, jetzt in zentralen
Rechnern stattfinden. Das ist die Modernisierung dieses
Systems . Das ist auch technisch so erklärt, erfüllt aber
keinen anderen Zweck, als es in der Vergangenheit auch
der Fall war .
Weitere Fragen zu diesem Komplex liegen nicht vor .
Dann rufe ich jetzt auf: andere Themen der heutigen
Kabinettssitzung . - Herr Kollege Beck .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat heute ein Rechtsgutachten
zur Rehabilitierung der nach § 175 StGB verurteilten
homosexuellen Männer vorgestellt . Der Bundesjustizminister hat heute per Presseerklärung mitgeteilt, er wolle
hierzu einen Gesetzentwurf erarbeiten und vorlegen, der
die Aufhebung von Verurteilungen und auch einen entsprechenden Entschädigungsanspruch regelt . Ich möchte
wissen, ob dieser Vorstoß des Bundesjustizministers von
der Bundesregierung insgesamt unterstützt wird und wie
der Zeitplan für die Vorlage des Gesetzentwurfs aussieht .
Zunächst geht es natürlich um die Frage, ob das heute
in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt hat .
Ich gehe davon aus, dass der Minister das, was er der
Presse erklärt, selbstverständlich vorher mit seinen Kollegen im Kabinett erörtert hat .
Herr Minister .
Also, in der Kabinettssitzung, an der ich teilgenommen habe, hat das keine Rolle gespielt; aber ich würde an
die fachlich zuständigen Kollegen abgeben .
Bitte schön .
Vielen Dank, Herr Präsident . - In der Tat hat Bundesminister Maas heute entschieden, dass er eine entsprechende Initiative zum § 175 Strafgesetzbuch ergreifen
wird . Mit der Frage des Wie beschäftigen wir uns jetzt;
wir sind also in der Erarbeitung . Deswegen können wir
auch noch keinen Zeitplan nennen .
Okay. - Weitere Fragen? - Mir liegen keine weiteren
Fragen zur Kabinettssitzung vor, wohl aber eine Reihe
von Fragen zu sonstigen Themen an die Bundesregierung . Diese rufe ich jetzt der Reihe nach auf und beginne
mit dem Kollegen Krischer .
Eine Frage zu sonstigen Themen . - Herr Minister, Sie
haben ja öffentlich geäußert, dass Sie Tag und Nacht zur
Beantwortung von Fragen zum Thema Abgasskandal zur
Verfügung stehen . Deshalb gehe ich davon aus, dass man
auch die Gelegenheit hier nutzen kann, um zu diesem
Thema etwas zu fragen .
({0})
Die Frage lautet: Kennen Sie die EU-Verordnung 692/2008, die definiert, dass Abgasreinigungseinrichtungen „unter allen auf dem Gebiet der Europäischen
Union regelmäßig anzutreffenden Umgebungsbedingungen und insbesondere bei niedrigen Umgebungstemperaturen funktionieren“ müssen?
Sie haben nun in Ihrem Untersuchungsbericht geschrieben, die Automobilhersteller, die ja in großer Zahl
die Abgasgrenzwerte nicht einhalten, seien nicht belangbar, weil die entsprechende EU-Richtlinie nicht präzise
sei . Die EU sieht das dezidiert anders, ebenso der Wissenschaftliche Dienst ausweislich seines Gutachtens . Meine
Frage an Sie lautet: Können Sie uns Ihre Rechtsexpertise
und Ihre Auffassung belegen, warum die Automobilhersteller, die sich eindeutig nicht an die Grenzwerte halten,
nicht belangt werden?
Sehr geehrter Herr Krischer, wir haben das in unserer
Untersuchungskommission transparent aufgeklärt und
auch dargestellt. In dem Bericht finden Sie Hinweise genau zu Ihrer Frage, nämlich dass es nach EU-Recht zulässig ist, aus Motorschutzgründen dafür zu sorgen, dass
die Abgasreduzierung heruntergefahren wird . Das haben
wir auch so dargestellt . Übrigens sind die Kollegen aus
England und Frankreich zu der gleichen Einschätzung,
zu dem gleichen Ergebnis gekommen . Die Engländer
sind einen Tag vor uns und die Franzosen, glaube ich,
eine oder zwei Wochen nach uns mit ihren Gutachten,
mit ihren Prüfungsergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen . Von daher würde ich Sie bitten, auch diese Gutachten in Ihren Erkenntnisprozess einzubeziehen und sie
auch richtig zu bewerten .
({0})
Es gibt in Europa offensichtlich eine gleiche Rechtsauffassung, zumindest wird diese Rechtsauffassung von
Deutschland, England und Frankreich - das sind die Länder, die sich geäußert haben - geteilt .
Kollege Gastel .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, ich habe
folgende Frage: Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass
die Deutsche Bahn Fahrgastdaten, die sie im Rahmen
der Fahrpreisnacherhebung erfasst, nicht selber weiterbearbeitet, sondern an eine Auskunftei weitergibt - Arvato Infoscore heißt das Unternehmen -, was am Ende
dazu führen kann, dass diejenigen, die dort erfasst sind,
zu schlechteren Bedingungen an Kredite kommen . Das
ist ein Unternehmen, das der Schufa ähnelt . Das heißt,
das führt zu Nachteilen für die Betroffenen, selbst dann,
wenn sie gar nicht schwarzgefahren sind, sondern alles ein Missverständnis war oder sie nachher nur noch
7 Euro zahlen mussten . Ich möchte gerne von Ihnen als
Minister wissen: Wie bewerten Sie dieses? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Vorgehen des Staatsunternehmens Deutsche Bahn?
({0})
Ich kann Ihre Aussage jetzt nicht bewerten und auch
nicht überprüfen, ob es genau so stattfindet. Ich sage aber
gerne zu, dass wir eine Prüfung des Sachverhalts vornehmen . Danach kann ich einen entsprechenden Bericht
abgeben .
Kollege Ströbele .
Herr Minister, auch ich habe eine Frage, die in der
Kabinettssitzung vielleicht eine Rolle gespielt hat . Wenn
nicht, bitte ich darum, dass sie dennoch von der Bundesregierung beantwortet wird .
Der Bundesfinanzminister soll sich laut Medienberichten vorhin zu dem geplanten Visaabkommen mit der
Türkei dahin gehend geäußert haben, dass er die Auffassung vertritt, dass es nur in Kraft treten kann, wenn
alle Bedingungen erfüllt sind . Das würde mit einer Entscheidung des Europäischen Parlaments korrespondieren, das ja wohl beschlossen hat - gestern oder heute -,
dass es, solange nicht alle Bedingungen erfüllt sind, einer
Befassung unter anderem mit diesem Abkommen nicht
nahetreten will . Meine Frage an die Bundesregierung ist
jetzt: Welche Auffassung hat die Bundesregierung dazu
vertreten, dass bisher nicht alle Konditionen erfüllt sind,
die die Europäische Union gestellt hatte, insbesondere
die zur Veränderung der Terrorismusgesetzgebung in der
Türkei, die ja vor allen Dingen auch auf Journalisten angewandt wird?
Herr Kollege .
Denn die Europäische Kommission hatte ja bereits
grünes Licht gegeben . Welche Auffassung hat die Bundesregierung dazu vertreten?
Entschuldigung, dass meine Frage einen Augenblick
länger gedauert hat .
Herr Ströbele, das war nicht Teil der Beratung heute
im Kabinett . Ich gebe aber gerne an einen fachlich dafür
zuständigen Kollegen weiter .
({0})
Möchte jemand? - Ja, bitte schön, Herr Kollege
Schröder .
Es ist selbstverständlich, dass alle Voraussetzungen
erfüllt sein müssen . Die Kommission hat ja in ihrer Mitteilung gerade darauf hingewiesen, dass die Voraussetzung, die Sie genannt haben, eben noch nicht erfüllt ist .
Frau Haßelmann .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, mich
interessiert, ob sich die Bundesregierung mit der Frage befasst hat, wie die gestrigen Berichte von Human
Rights Watch im Hinblick darauf, dass es zu Schüssen
und gewaltsamen Auseinandersetzungen an der türkischen Grenze gekommen ist, zu bewerten sind . Haben
Sie im Kabinett oder in der Bundesregierung veranlasst,
dass sich das Innen- bzw . das Außenministerium mit der
Frage befasst und dem nachgeht? Dazu hätte ich gerne
eine Auskunft .
Sehr geehrte Frau Haßelmann, das war nicht Teil der
Kabinettsberatung heute .
Aber die Frage, ob es dazu eine Positionierung der
Bundesregierung gibt, war ja jetzt unabhängig von der
Kabinettssitzung . - Herr Staatssekretär Schröder, bitte .
Es war heute Thema im Innenausschuss . Selbstverständlich beschäftigen wir uns mit der Frage und gehen
den Berichten nach .
Kollege Behrens .
Herr Minister Dobrindt, noch einmal zur Frage der
Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen . In Ihrem Schreiben vom 9 . Mai steht, dass es
die Abschalteinrichtungen geben darf, sie aber nur in
Ausnahmefällen verwendet werden dürfen, wenn Schaden am Motor droht . Sie legen insbesondere Wert darauf,
dass die umfangreiche Ausnutzung dieser Lücke durch
die Automobilhersteller darauf zurückzuführen ist, dass
die Automobilkonzerne festgestellt haben, was einem
Motor schaden oder was eine Beschädigung hervorrufen
könnte, dass also dieser Interpretationsspielraum missbraucht worden ist .
Nun sagen Sie selber, dass man damit weit über das hinausgegangen ist, was die Verordnung zulässt, und dass
in Zukunft vonseiten der Fahrzeughersteller nachvollziehbar dargestellt werden soll, warum eine Abschalteinrichtung in einem bestimmten Fall genutzt worden ist .
Hat diese Aufklärung bereits stattgefunden, und zwar in
ähnlicher Weise wie bei der Unterscheidung zwischen
Beschädigung und Schaden, die Ihnen ja offenbar von
der Automobilindustrie vorgetragen worden ist?
Wir haben in unserem Untersuchungsbericht unterschiedliche Gruppen von Fahrzeugen identifiziert. Die
sogenannte Gruppe II beinhaltet Fahrzeuge, bei denen im
Rahmen dieser Ausnahme von der europäischen Richtlinie die Möglichkeit genutzt wird, den Motor vor Schaden
zu schützen und die Abgasreinigung zu reduzieren .
Wir haben darauf hingewiesen, dass es bei einigen
Modellen Zweifel gibt, ob die Abschalteinrichtungen
ausschließlich dem Schutz des Motors dienen . Das hat
dazu geführt, dass mit den Herstellern die Vereinbarung
getroffen wurde, für 630 000 Fahrzeuge einen Rückruf
durchzuführen und diese im Rahmen einer Serviceaktion
von den Herstellern zu optimieren . Das KBA wird diese
Optimierung überprüfen und den Rückruf begleiten .
Kollege Meiwald .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, ich habe
eine Frage . Der Presse war zu entnehmen, dass die Ressortabstimmung zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden soll . Am 2 . Mai dieses Jahres ist die Frist
abgelaufen . Deswegen lautet meine Frage, inwieweit die
Öffentlichkeitsbeteiligung bei den Vorschlägen, die das
Umweltbundesamt und das Umweltministerium - möglicherweise aber auch weitere Ministerien - einbringen
wollen bzw. eingebracht haben, Berücksichtigung findet.
Wir haben gelesen, dass das Umweltbundesamt vorschlägt, 41 Straßenprojekte komplett aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen, weil die Umweltbilanz
und der Nutzen-Kosten-Faktor in verheerendem Ausmaß
auseinanderklaffen . Haben Sie diese Projekte bereits aus
Ihrem Entwurf gestrichen, bzw . wie wird das Ministerium weiter damit umgehen? Meine weiter gehende Frage
lautet: Wie viele Stellungnahmen aus der Bevölkerung
sind zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans innerhalb der Frist insgesamt eingegangen?
Vielen Dank .
Herr Kollege, als Erstes: Wir haben die Bürgerbeteiligung durchgeführt - übrigens zum ersten Mal in der
Geschichte von Bundesverkehrswegeplänen -, um die
Möglichkeit zu schaffen, sich zeitnah zu äußern, und
nicht erst dann, wenn ein Bundesverkehrswegeplan beschlossen ist und dann vor Ort über einzelne Projekte
diskutiert wird . Wir wollten dafür sorgen, dass man sich
zu dem gesamten Bundesverkehrswegeplan äußern kann .
Ich habe bisher nur die Zahl der über den Onlineweg
eingegangenen Beteiligungen parat . Hier waren es ungefähr 20 000 Personen, die sich beteiligt haben . Es ist ein
großer Erfolg, dass so viele Bürger die Chance genutzt
haben, ihre Meinung zu äußern . Diese Stellungnahmen
werden nun ausgewertet und im Hinblick auf ihre mögliche Berücksichtigung geprüft. Dann fließen sie in den
Kabinettsentwurf des Bundesverkehrswegeplans mit ein .
Zum Kabinettsentwurf des Bundesverkehrswegeplans
findet selbstverständlich auch eine Ressortabstimmung
statt . Genau so ist es geplant .
Die Anmerkungen des Umweltbundesamtes habe ich
zur Kenntnis genommen . Wir haben für alle Projekte eine
Umweltprüfung durchgeführt, die auch veröffentlicht
worden ist .
Herr Minister .
Die Liste der Straßen, die dort vorgestellt worden ist,
hat auf den ersten Blick keinen besonderen Eindruck auf
mich gemacht . Ich glaube, dass darin zu wesentlichen
Teilen solche Straßen enthalten sind, die dringend notwendig sind, um die Verkehrswege zu ergänzen .
Jetzt folgen noch die jeweils zweiten Nachfragen der
Kollegen Gastel, Krischer und Behrens und von Frau
Haßelmann .
({0})
- Na ja, dass Sie bislang nicht in ordentlichem Maße zu
Wort gekommen seien, wird man schwerlich behaupten
können .
({1})
Wegen unserer sprichwörtlichen Großzügigkeit nehme
ich Frau Wilms und den Kollegen Beck noch einmal auf
die Liste . Können wir das damit dann einvernehmlich abschließen? - Das ist offenkundig der Fall.
Herr Kollege Gastel .
Danke schön . - Herr Minister, vor ein paar Tagen
wurde der Infrastrukturzustandsbericht für das Jahr 2015
vorgelegt, in dem es ja auch um den Zustand der Schienenwege geht . Die Deutsche Bahn hat danach eines der
wesentlichsten Ziele - vielleicht das wesentlichste Ziel aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, bei
dem es um die Reduzierung des theoretischen Fahrzeitverlustes als Qualitätsmerkmal geht, nicht erreicht und
sogar deutlich verfehlt . Meine Frage an Sie ist: Wie wollen Sie künftig mit diesem Steuerungsinstrument umgehen, wenn es eben nicht dazu führt, dass die Infrastruktur
so erhalten wird bzw . sich so entwickelt, wie es vorgegeben und auch erwartet wird? Dies wird ja auch mit Geldgaben des Bundes verknüpft .
Der zweite Teil der Frage bezieht sich ebenfalls auf
die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung: Bei den
Eisenbahnbrücken haben wir ja ein besonderes Problem .
Es gibt in dieser Vereinbarung eine Vorgabe, wie viele
Brücken während der Laufzeit der LuFV saniert werden
müssen . Im Moment sieht es so aus, dass dieses Ziel
nicht erreicht wird. Wie gehen Sie damit um?
Versuchen Sie doch einmal, die jeweilige Frage kurz
vor Ende der einen Minute zu stellen . Damit meine ich
nicht Sie persönlich, sondern alle Betroffenen . Für Antworten gilt das analog . - Herr Minister .
Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zeichnet sich nicht nur durch das sehr große Volumen aus, mit
dem wir in die Infrastruktur der Schiene investieren, sondern auch dadurch, dass sie Kennziffern für bestimmte
Merkmale - zum Beispiel für Brücken - aufgenommen
hat . Wir erwarten, dass die Ziele, die durch diese Kennziffern beschrieben sind, auch erreicht werden . Aus meiner Sicht ist dies nach wie vor möglich, und ich gehe davon aus, dass die Bahn dies auch entsprechend umsetzt .
Neben der Pünktlichkeit, die ein Kriterium für die
Qualität bei der Bahn ist, haben wir weitere Kriterien
aufgestellt . Im Bereich der Digitalisierung haben wir
zum Beispiel die Vorgabe gemacht - das ist übrigens
nicht in der LuFV enthalten -, dass WLAN in den Zügen
zur Verfügung stehen muss . Wir werden ständig genau
überprüfen, ob diese Merkmale erreicht werden, und
auch die entsprechenden Sanktionen durchsetzen, die in
der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für Verfehlungen vorgesehen sind .
Kollege Krischer .
Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Ich habe noch einmal eine Frage zu dem Themenkomplex, den auch Herr
Behrens angesprochen hat . 630 000 Autos sollen nach
Ihrem Bericht zurückgerufen werden, Herr Minister .
Einmal abgesehen davon, dass mir die Zahl 630 000 in
Anbetracht der betroffenen Anzahl der Modelle lächerlich gering erscheint, würde mich interessieren, welche
Fahrzeuge das sind, nach welchen Kriterien der Rückruf
erfolgt, also wieso genau diese 630 000 Fahrzeuge zurückgerufen werden, und um welche Hersteller es sich
handelt . Sie hatten uns vor zwei Wochen schon einmal
zugesagt, das zu liefern . Bis jetzt ist das nicht geschehen .
Ich habe jetzt der Presse entnommen, dass mehrere
Hersteller, die die Fahrzeuge freiwillig zurückrufen, das
nicht im Rahmen eines klassischen Rückrufs, sondern
im Rahmen der normalen Serviceinspektionen tun . Unter Umständen kann also eine sehr lange Zeit vergehen .
Mich würde deshalb weiterhin interessieren, wie Sie als
Minister das bewerten . - Punktgenau, Herr Präsident!
Grandios .
Herr Krischer, die Angaben, um welche Fahrzeuge es
sich handelt, sind öffentlich; sie wurden von uns auch
öffentlich gemacht . Versuchen Sie also bitte nicht, hier
einen anderen Eindruck zu erwecken . Falls Sie es selber nicht besser wissen, wäre es hilfreich, den Untersuchungsbericht genauer zu lesen und auch die Veröffentlichungen des Ministeriums dazu zu verfolgen .
({0})
Der Rückruf - auch darüber habe ich mehrfach gesprochen - findet im Rahmen einer Serviceaktion statt.
({1})
Das heißt, dass die Eigentümer dieser Fahrzeuge entsprechend angeschrieben werden . Es gibt eine Vereinbarung
mit den Automobilherstellern, dass diese Fahrzeuge in
der Werkstatt optimiert werden, und wir werden diese
Maßnahmen mit dem KBA genau beobachten .
Kollege Behrens .
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich habe eine Frage bezüglich der Unterscheidung
zwischen Beschädigung des Motors und Schaden für den
Motor . Mich würde interessieren, was zu dieser feinziseligen Unterscheidung geführt hat . Waren es Angaben
der Automobilindustrie, die besagten: „Ja, wir dürfen
abschalten, weil es einen Unterschied zwischen Beschädigung und Schaden gibt und wir uns deshalb darauf berufen, dass wir Schaden vom Motor abwenden wollen“,
oder ist es eine Interpretation der Juristen aus Ihrem Hause, die diese Unterscheidung getroffen haben?
Wenn Sie der Pressekonferenz gefolgt sind, die ich bei
der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts gegeben
habe - wovon ich ausgehe -, dann wissen Sie, dass ich
darauf hingewiesen habe, dass der einschlägige Artikel
der EU-Verordnung unkonkret ist und dass von uns angestrebt wird, diesen deutlich zu verbessern und zu konkretisieren . Deswegen haben wir bereits einen eindeutigen
Vorschlag unterbreitet, nämlich dass der Stand der Technik zukünftig in diesem Artikel Berücksichtigung finden
muss, damit nicht im Ergebnis derjenige, der - ich überspitze jetzt einmal - den qualitativ schlechtesten Motor
herstellt, den größten Nutzen aus dieser Sonderregelung
ziehen kann .
Zu Ihrer weiteren Frage: Die Unternehmen mussten
uns gegenüber im Einzelfall darstellen, wie und warum
der Motor Schaden nimmt .
Frau Wilms .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich komme noch einmal auf ein Mautthema, dieses Mal aber auf die andere
Maut, die Pkw-Maut .
Aber eine andere Straße .
({0})
Ja, eine andere Straße .
Herr Minister, da haben Sie uns mit dem Haushalt 2016 einige Stellenbesetzungen untergejubelt . Mit
Stand November 2015 sollen im Zusammenhang mit der
Pkw-Mautbearbeitung 17 Stellen im KBA, 11 Stellen
im BAG und 3 Stellen bei Ihnen im Ministerium besetzt
worden sein . Was machen diese Beschäftigten derzeit
eigentlich? Beschäftigen sie sich mit dem Thema Pkw
Maut? Ist zu erwarten, dass sich diese Stellen im Haushalt für das nächste Jahr wiederfinden? Mich interessiert
schon, wie Sie solche Personalkosten rechtfertigen, da
die Maut für Pkws nach dem blauen Brief absolut in den
Sternen steht .
Auch dazu haben wir schon mehrmals im Ausschuss
Auskunft gegeben . Wie Sie wissen, bereiten wir mit dem
Personal die Einführung der Pkw-Maut vor . Lediglich
die technische Umsetzung ist bis zu einer Entscheidung
des EuGH zu unseren Gunsten ausgesetzt . Sie wissen,
dass ich die Europäische Kommission dringend gebeten
habe, hier nicht weiter zu verzögern . Deswegen bin ich
froh und dankbar, dass mit dem Schreiben vom April
klargemacht worden ist, dass wir jetzt im Bereich des
begründeten Mahnverfahrens sind und dass nach unserer
Antwort, die in einer Frist von acht Wochen zu erfolgen
hat, der EuGH angerufen werden kann .
Frau Haßelmann .
Danke, Herr Präsident . - Das ist ja interessant . Sie haben 31 Stellen besetzt; aber eigentlich liegt das Projekt
auf Eis, und Sie können die Frage nicht richtig beantworten, was diese Beschäftigten tun, bis die Gerichtsentscheidung getroffen ist .
Ich habe aber eine andere Frage, und zwar zum Thema
Glyphosat . Am 18 ./19 . Mai wird auf europäischer Ebene
entschieden, ob es zu einer Zulassungsverlängerung für
Glyphosat kommt . Diese Entscheidung ist ja auf EU-Ebene hochkontrovers, und sie ist aufgrund des Drucks des
Europäischen Parlaments bisher nicht getroffen worden .
Sie soll jetzt am 18 ./19 . Mai getroffen werden . Wird die
Bundesregierung für Deutschland in dieser Frage mit Ja
oder mit Nein stimmen?
Der erste Teil Ihrer Frage war natürlich unzulässig .
({0})
Zur Antwort auf die andere Frage gebe ich gern an die
Fachkollegin weiter .
Bitte schön .
Liebe Frau Kollegin Haßelmann, es gibt eine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Entscheidung, in
dieser Frage mit Ja zu stimmen .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Meine Damen und
Herren von der Bundesregierung, diese Frage geht
wahrscheinlich an das Innenministerium . Der Guardian berichtete in seiner gestrigen Ausgabe von drei Europaabgeordneten, die sich in Griechenland und in der
Türkei aufgehalten und 40 Flüchtlinge befragt haben,
die aus Griechenland in die Türkei verbracht wurden .
Diese Flüchtlinge erzählten, dass sie bislang weder in
Griechenland noch in der Türkei die Möglichkeit hatten,
einen Antrag auf Asyl zu stellen .
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie nach einem
konkreten Fall, den wir schon im Ausschuss kurz angesprochen haben . Sollten Sie zwischenzeitlich immer
noch nicht mehr wissen, bitte ich darum, dem Parlament
nachzuberichten . Am 4 . April dieses Jahres sind 13 Afghanen und Kongolesen von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden, die vorher einen Asylantrag
stellen wollten, der aber von den griechischen Behörden
nicht entgegengenommen wurde . Vertreter der Partnerorganisation von Pro Asyl, Mülteci-Der, versuchten, zu
den Flüchtlingen in den Abschiebelagern Zugang zu bekommen . Das wurde ihnen von der Generaldirektion für
Migrationsmanagement in Ankara untersagt .
Herr Kollege Beck .
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über diese Vorfälle? Waren Vertreter der Bundesregierung und
deutsche Beamte von diesen Vorgängen unterrichtet oder
an den Abschiebungen von Griechenland in die Türkei in
irgendeiner Weise beteiligt?
Herr Kollege Schröder .
Im Rahmen der Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens gab es bisher nur eine freiwillige Rückkehr der
Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei und keine
Rückkehr unter Zwang . Zu diesem Einzelfall, den Sie
schon im Ausschuss geschildert haben und der vor dem
EU-Türkei-Abkommen liegt, kann ich Ihnen nichts sagen .
({0})
Gut . Da lässt sich gegebenenfalls nachfassen . - Ich
beende damit die Regierungsbefragung .
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
Drucksache 18/8351
Wir beginnen heute mit dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend . Die Parlamentarische Staatssekretärin Elke
Ferner steht zur Verfügung, um die Fragen zu beantworten .
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Ulle Schauws auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zum Stand der
Umsetzung der Frauenquote in Aufsichtsräten ein Jahr nach
der Einführung des Gesetzes?
Frau Kollegin Schauws, das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst ist am 1 . Mai 2015 in Kraft getreten . Es schreibt
vor, dass börsennotierte und paritätisch mitbestimmte
Unternehmen die fixe Geschlechterquote von mindestens
30 Prozent ab dem 1 . Januar 2016 bei Neuwahlen von
Aufsichtsratsposten beachten müssen . So wird sukzessive eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent in
allen börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen erreicht . Das Gesetz ist also seit einem Jahr
in Kraft, der Teil zur Mindestquote für Aufsichtsräte seit
vier Monaten .
Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen sind
verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils
in Aufsichtsräten, Vorständen und den beiden obersten
Managementebenen festzulegen . Über die Zielgrößen
und deren Erreichung müssen sie öffentlich berichten .
Erste Ergebnisse auch zu den Zielgrößen der betroffenen
Kapitalgesellschaften wird die Bundesregierung im Rahmen der ersten jährlichen Information gemäß Artikel 23
Absatz 1 des Gesetzes im Sommer 2016 vorlegen . Dann
kann die Bundesregierung valide Aussagen zum Stand
der Umsetzung treffen .
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend hat die Bundesanzeiger Verlag GmbH beauftragt, die Ergebnisse der Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern und die Erklärungen zur Unternehmensführung
zu erfassen und auszuwerten .
Zusatzfrage? - Frau Kollegin.
Vielen Dank . - Frau Staatssekretärin, habe ich Sie
richtig verstanden, dass Sie zur freiwilligen Flexiquote,
zu der Sie sich gerade geäußert haben, vor Sommer 2016
keine Auskünfte geben können? Das leite ich aus Ihrer
Antwort ab . Allerdings ist es so, dass es hinsichtlich der
Umsetzung von Zielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands tatsächlich Berichte gibt,
die zeigen, dass es in den Unternehmen hier sehr wenig
Bewegung gibt .
Deswegen frage ich Sie: Wenn die Umsetzung weiterhin langsam oder auch teilweise in Richtung Stagnation
verläuft und sich aus Ihrer Sicht nicht weiterentwickelt,
gedenkt die Bundesregierung, dann weitere Maßnahmen
zu einer Verbesserung der Flexiquote durchzuführen?
Zum einen können wir die Daten erst dann auswerten, wenn sie uns vorliegen . Die kapitalmarktorientierten
Volker Beck ({0})
Kapitalgesellschaften müssen ihren Lagebericht spätestens vier Monate nach Beendigung des Geschäftsjahres
aufstellen . Das Geschäftsjahr entspricht aber nicht bei
allen Unternehmen dem Zeitraum Januar bis Dezember;
es kann beispielsweise auch von April bis März dauern .
Das heißt, spätestens vier Monate nach Beendigung des
Geschäftsjahres liegt der Lagebericht vor, und erst dann
kann die Bundesanzeiger Verlag GmbH die Auswertung
durchführen .
Wir werden jetzt auf Basis der Lageberichte der kapitalmarktorientierten Unternehmen, deren Geschäftsjahr
im Oktober, November oder Dezember endete, die Daten
auswerten und im Sommer diese Auswertung veröffentlichen und die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen . Die anderen Unternehmen, beispielsweise GmbHs,
haben noch länger Zeit, ihre Geschäftsberichte zu veröffentlichen . Wir können erst dann, wenn diese veröffentlicht sind, die weiteren Auswertungen machen . So wird
sich das noch über dieses Jahr hinziehen . Aber eine erste
Auswertung wird im Sommer dieses Jahres stattfinden.
Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage?
Ich habe noch eine Zusatzfrage . - Habe ich Sie richtig verstanden, dass alle Auswertungen abgewartet werden und weitere Maßnahmen zu einer Verbesserung der
Flexiquote erst dann in Ihrem Haus oder von der Bundesregierung durchgeführt werden, wenn Sie nach Auswertung aller Berichte sehen, dass sie schlecht oder gar nicht
greift? Werden erst dann die nächsten Schritte in Angriff
genommen?
Wir haben für diese Wahlperiode ein Gesetz beschlossen, das wir jetzt hinsichtlich der Ergebnisse auswerten .
Wie gesagt, die ersten Ergebnisse werden wir im Sommer zur Auswertung haben und veröffentlichen können .
Die weiteren Ergebnisse wird man im Laufe des Jahres
auswerten können, wenn die Geschäftsberichte vorliegen . Dann ist die Frage, ob noch in dieser Wahlperiode
Schlussfolgerungen gezogen werden können oder nicht .
Hierzu gibt es keine weitere Zusatzfrage .
Dann kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit . Die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz steht zur
Beantwortung der Frage zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Ströbele auf:
Wie rechtfertigt die Bundesregierung ihre Politik der Ungleichbehandlung der Drogen Alkohol, Cannabis und Zigaretten nach dem Bericht der Drogenbeauftragten, wonach an
den Folgen des Genusses der legalen Drogen Alkohol und
Zigaretten jährlich Tausende von Menschen in Deutschland
gestorben sind, trotzdem für diese Drogen weiter geworben
wird und diese zum Kauf angeboten werden, während infolge
des Genusses der Droge Cannabis kein Mensch gestorben ist,
Besitz, Anbau und Handel dieser Droge aber illegal, verboten
und strafbar bleiben?
Bitte sehr .
Herr Kollege Ströbele, die internationalen Suchtstoffkonventionen der Vereinten Nationen bewerten Alkohol
und Tabak nicht als Betäubungsmittel . Der Gesetzgeber
in Deutschland hat auch bewusst von einer Unterstellung
des Alkohols und des Tabaks unter das Betäubungsmittelgesetz abgesehen . Das Bundesverfassungsgericht ist
in einer Entscheidung vom 9 . März 1994 zu dem Ergebnis gekommen, dass die unterschiedliche Behandlung im
deutschen Recht mit dem Gleichheitsgrundsatz im Einklang steht .
Gegen den Missbrauch von Tabak und Alkohol sind
umfangreiche Maßnahmen ergriffen worden . Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung führt im
Auftrag der Bundesregierung seit Jahren umfassende
Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen durch . Es
gibt zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote . Bund und
Länder haben Gesetze zum Schutz vor den Gefahren des
Passivrauchens erlassen . Tabakwaren dürfen nur an Erwachsene abgegeben werden . Kindern und Jugendlichen
ist das Rauchen in der Öffentlichkeit nicht gestattet . Im
Übrigen ist die Abgabe von Alkohol an Minderjährige
bereits nach den Vorschriften des Jugendschutzgesetzes
aus Gründen des Gesundheitsschutzes streng reglementiert .
Zentrales Ziel des Betäubungsmittelrechts ist es, die
Gesundheit des Einzelnen wie der Bevölkerung vor den
von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen . Mit dem Betäubungsmittelgesetz trägt Deutschland
zudem zur internationalen Kontrolle der Suchtstoffe
und psychotropen Stoffe im Rahmen der internationalen
Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen sowie
zur Bekämpfung des illegalen Drogenmarkts und der an
ihm beteiligten kriminellen Organisationen bei .
Zusatzfrage? - Herr Kollege Ströbele.
Danke, Herr Präsident . - Frau Staatssekretärin, wenn
Sie oder ich einen Flughafen betreten, um ein- oder auszuchecken, dann passieren wir mit unserem Handgepäck
in der Regel in Deutschland bzw . in Europa ganz nah
aufgestellte Regale mit härtesten legalen Drogen . Es ist
so eng, dass man Schwierigkeiten hat, durchzukommen .
Häufig werden sogar Kostproben angeboten. Es wird
also sehr intensiv und aufdringlich geworben . Ein anderes Beispiel: Wenn ich mir ein Fußballspiel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anschaue, dann wird mir zwischendurch suggeriert, dass nur Bier den wahren Genuss
beim Anschauen eines Fußballspiels bringt . Halten Sie es
für gerecht, dass Drogen wie Cannabis oder Marihuana,
die in viel geringerem Maße Gesundheitsschäden verurParl. Staatssekretärin Elke Ferner
sachen, mit Gefängnisstrafen bewehrt sind, während die
eben genannten Drogen legal sind und für diese sogar
aufdringlich geworben werden kann?
Herr Abgeordneter Ströbele, die Gefahren, die von einem nicht sachgemäßen Umgang mit Betäubungsmitteln,
insbesondere mit Cannabis, ausgehen, sind erheblich . Die
Bundesregierung sieht sich in ihrer Auffassung - auch
durch internationale Studien in den letzten Jahren - sehr
deutlich bestätigt . Aus diesen Studien geht hervor, dass
der missbräuchliche Konsum von Cannabis insbesondere bei jungen Menschen mit einer Reihe gravierender
kurz- und langfristiger Risiken verbunden sein kann . Ich
möchte auf etwaige Gefahren hinweisen: psychische und
psychosoziale Störungen, insbesondere schizophrene
Psychosen, die organmedizinischen Auswirkungen auf
Herz und Kreislauf und die entsprechenden Folgeerkrankungen sowie neurokognitive Beeinträchtigungen wie
die Beeinträchtigung der Lern-, Aufmerksamkeits- und
Gedächtnisfunktion . Daran können Sie erkennen, dass
wir die rechtliche Behandlung von Cannabis und die
Unterstellung unter das Betäubungsmittelrecht für sachgerecht halten . Zur Unterscheidung, was die rechtliche
Behandlung von Alkohol und Tabak angeht, habe ich bereits ausgeführt .
Eine weitere Zusatzfrage .
Frau Staatssekretärin, Sie haben meine Frage nicht
beantwortet, genauso wenig wie meine schriftliche . Ich
bestreite nicht, dass Cannabis und Marihuana Gesundheitsschäden hervorrufen können . Aber ich behaupte das ist auch in Ihrem Ministerium bekannt -, dass an den
Folgen von Alkohol- und Zigarettenmissbrauch jährlich
Zehntausende Menschen in Deutschland sterben, während noch kein Mensch infolge des Genusses von Cannabis und Marihuana gestorben ist . Wenn es um die Gefahrenabwehr geht, müsste man doch die eigentlich harten
Drogen, die viel schlimmere Folgen haben und viele
Tote verursachen, mindestens genauso behandeln wie
die Drogen, die viel geringere gesundheitliche Schäden
verursachen .
Herr Abgeordneter Ströbele, zunächst einmal glaube
ich, dass die gesundheitlichen Auswirkungen aller genannten Suchtmittel - ob Alkohol, Tabak oder Can nabis - erheblich sind . Daher ist es richtig, dass das Bundesgesundheitsministerium dies stark würdigt .
Wie ich bereits in meiner Antwort auf Ihre schriftlich
gestellte Frage ausgeführt habe, haben das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesregierung insbesondere in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung rechtliche Maßnahmen
zum Beispiel zum Schutz vor Alkohol- und Tabakmissbrauch ergriffen . Wir erachten es weiterhin für absolut
notwendig, hier entsprechende Maßnahmen auf den Weg
zu bringen . Deshalb haben wir vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums jüngst ein Präventionsgesetz auf
den Weg gebracht, das alle Beteiligten, insbesondere die
Krankenkassen, dazu auffordert, dem präventiven Gedanken, insbesondere wenn es um den Suchtmittelmissbrauch geht, Rechnung zu tragen .
Zu diesem Geschäftsbereich gibt es keine Nachfragen
mehr .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Norbert Barthle zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Herbert Behrens auf:
Welche Organe der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH,
FBB, ({0}) können satzungsgemäß ({1}) die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft
anweisen, rechtliche Schritte einzuleiten ({2})
bzw . zu unterlassen, und in welchen Fällen wurden solche Anweisungen bisher erteilt?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Behrens, die Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, vertritt die Gesellschaft gemäß § 2 Absatz 1 des Gesellschaftervertrages der FBB in Verbindung mit § 35 Absatz 1 GmbHG
gerichtlich und außergerichtlich .
Die Geschäftsführungsautonomie der Geschäftsführer umfasst alle operativen geschäftlichen Aktivitäten
im Rahmen des Unternehmensgegenstandes der FBB .
Bestimmte Maßnahmen und Geschäfte sind jedoch nach
dem Gesellschaftervertrag der FBB an die Zustimmung
des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung
gebunden .
Herr Kollege Behrens, Sie haben sicher eine Nachfrage .
Ja, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, mir ist in
der Tat bekannt, was eine Geschäftsführung machen darf
und was sie nicht machen muss . Gleichwohl hat doch
der Bund als Anteilseigner, als Gesellschafter, schon
die Möglichkeit, auf die Geschäftsführung einzuwirken,
um im Sinne der Gesellschafter tätig zu werden . Meine
Frage geht dahin, in welcher Weise der in Rede stehende Schallschutz, auf den ich abgehoben habe, nicht auch
vom Gesellschafter Bund angegangen werden muss .
Das Verwaltungsgericht hat gesagt, es sei kein angemessener Schallschutz realisiert worden . Nun ist die
Frage: Wird die FBB Rechtsmittel gegen das Urteil
einlegen, was die Realisierung des Schallschutzes noch
einmal verzögern würde? Darum meine konkrete Frage:
Was tut der Gesellschafter Bund, um nicht in die Situation zu kommen, dass Haushalte nicht den rechtskonformen Schallschutz erhalten?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Behrens, für die Umsetzung des Schallschutzprogramms, vor allem für Grundstücke, die im
Nachtschutzbereich liegen, ist allein die Geschäftsführung der FBB zuständig und verantwortlich . Da ist der
Bund nicht verfahrensbeteiligt .
Kollege Behrens .
Dann stelle ich eine rhetorische Frage: Herr Staatssekretär, dann wird also der Gesellschafter Bund in Bezug
auf die Frage des nicht rechtskonformen Schallschutzes
keinen Einfluss nehmen, dass die Geschäftsführung keine Rechtsmittel einlegt, damit es nicht zu einer Verzögerung der Schallschutzmaßnahmen kommt?
Das zielt bereits auf Ihre nächste Frage ab . Die werde
ich, wenn sie aufgerufen wird, beantworten . Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung davon ausgeht,
dass die Geschäftsführung der FBB die Vorgaben für die
Einhaltung der rechtskonformen Schallschutzmaßnahmen beachtet .
Vielen Dank . - Ich sehe keine weiteren Nachfragen .
Dann kommen wir zur Frage 4 des Abgeordneten
Herbert Behrens:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung, als Vertreterin des Gesellschafters Bund in der Gesellschafterversammlung und Entsenderin zweier Mitglieder des Aufsichtsrates der FBB, aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes
Berlin-Brandenburg vom 3 . Mai 2016 ({0}) ({1}), und wird die Bundesregierung in den Organen der
FBB eine Initiative ergreifen, die die Anweisung zur Untersagung der Einleitung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen
dieses Urteil seitens der Geschäftsführung zum Inhalt hat, um
weiteren Verzögerungen bei der Umsetzung eines rechtskonformen Schallschutzes am Flughafen Berlin-Brandenburg vorzubeugen ({2})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Behrens, eine schriftliche Begründung
des noch nicht rechtskräftigen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3 . Mai 2016,
OVG 6 A 31 .14, liegt der Bundesregierung nicht vor . Erst
nach Vorlage der Entscheidungsgründe kann die operativ allein zuständige FBB ihr Schallschutzprogramm auf
Auswirkungen der gerichtlichen Entscheidung sachgerecht prüfen und ihrem Aufsichtsrat das Prüfungsergebnis mitteilen .
Herr Kollege Behrens .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . - Können Sie mir
etwas zum zeitlichen Ablauf sagen? Wann wird sich der
Aufsichtsrat mit der Frage beschäftigen, ob es Rechtsmittel gegen dieses Urteil geben soll oder nicht?
Herr Kollege Behrens, ich gehe davon aus, dass
sich die Geschäftsführung der FBB nach Vorliegen der
schriftlichen Begründung des Urteils damit auseinandersetzt und die möglichen Konsequenzen eruiert . Wenn
dieser Prozess vollendet ist, wird sicherlich in der nächsten darauffolgenden Aufsichtsratssitzung darüber berichtet werden .
Ich sehe keine weiteren Nachfragen .
Die Frage 5 des Abgeordneten Matthias Gastel und
die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Stephan Kühn
({0}) werden schriftlich beantwortet . Dann sind wir
mit Ihrem Geschäftsbereich fertig, Herr Kollege Barthle .
Danke schön, dass Sie hier waren .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold zur Verfügung .
Die Frage 8 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl
und die Frage 9 der Abgeordneten Bärbel Höhn werden
schriftlich beantwortet .
Wir kommen zur Frage 10 der Abgeordneten Bärbel
Höhn:
Welche der Punkte aus dem vom Umweltbundesamt vorgelegten „5PunkteProgramm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ hält das BMUB kurz- bis mittelfristig für umsetzbar,
und wie ist der Diskussionsstand dazu mit den anderen Ressorts, um geeignete Maßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Die Prüfung des vom Umweltbundesamt vorgelegten
„5PunkteProgramms für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ ist noch nicht abgeschlossen . Unabhängig davon sind wir bei konkreten Einzelprojekten, die derzeit
durchgeführt werden, mit anderen Ressorts natürlich imHerbert Behrens
mer in Kontakt, damit der Schutz der Biodiversität und
der nachhaltige Pflanzenschutz gewährleistet werden.
Frau Kollegin Höhn, Ihre erste Nachfrage .
Herr Staatssekretär, eben ist Staatssekretärin
Flachsbarth von der Kollegin Haßelmann gefragt worden, wie sich die Bundesregierung bei der Zulassung
von Glyphosat verhalten wird . Darauf hat Staatssekretärin Flachsbarth geantwortet: Die Bundesregierung wird
zustimmen . Heute war die Bundesumweltministerin im
Umweltausschuss und hat gesagt, es sei noch gar nicht
klar, wie die Bundesregierung stimmen werde; es liege
noch keine konkrete Formulierung vor . Es sei auf jeden
Fall notwendig, dass der Schutz der Biodiversität geregelt werde; eine Zulassung gebe es also nur mit Auflagen.
Wie steht das Bundesumweltministerium zu der Aussage
von Frau Flachsbarth, dass die Bundesregierung der Zulassung von Glyphosat zustimmen wird?
Wir haben, wie meine Ministerin im Ausschuss erklärt
hat, gegenüber dem federführenden Landwirtschaftsministerium Wert darauf gelegt, dass bei der Entscheidung
über die Zulassung von Glyphosat der Schutz der Biodiversität berücksichtigt wird . Uns liegt bis heute noch
kein offizieller Vorschlag der EUKommission vor. Ob
die EU-Kommission die notwendigen Voraussetzungen
erfüllen will und erfüllen wird, ist noch nicht klar; es gibt
noch keinen entsprechenden Vorschlag . Deswegen gibt
es, so wie meine Ministerin heute im Umweltausschuss
ausgeführt hat, derzeit keine Zustimmung unseres Hauses zur Zulassung von Glyphosat .
Frau Kollegin Höhn .
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, es gebe
keine Zustimmung Ihres Hauses . Entscheidend ist aber,
ob es eine Zustimmung der Bundesregierung zu diesem
Punkt gibt . Wird in diesem Fall am Ende das Bundeslandwirtschaftsministerium als federführendes Ministerium den Ausschlag geben, oder haben Sie ein Vetorecht,
solange die Auflagen zum Schutz der Artenvielfalt nicht
erfüllt sind?
Wie die gängige Praxis ist, wissen Sie: Wenn sich die
Ressorts der Bundesregierung über die Zustimmung in
EU-Angelegenheiten nicht einig sind, führt das im Regelfall zur Enthaltung .
Mir liegen jetzt keine weiteren Nachfragewünsche
vor . Dann bedanke ich mich beim Parlamentarischen
Staatssekretär Pronold für die Beantwortung der Fragen .
Ich rufe den Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin
und des Bundeskanzleramtes auf . Alle Fragen - es handelt sich um Frage 11 der Abgeordneten Tabea Rößner
und um Frage 12 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele - werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Auch hier werden
alle Fragen schriftlich beantwortet . Es handelt sich um
Frage 13 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, um Frage 14 der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, um Frage 15
des Abgeordneten Klaus Ernst, um die Fragen 16 und 17
der Abgeordneten Katharina Dröge, um die Fragen 18
und 19 der Abgeordneten Britta Haßelmann und um die
Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Kerstin Andreae .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes
auf . Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsministerin Professor Dr . Maria Böhmer zur Verfügung .
Die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Dr . André
Hahn werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe Frage 24 der Abgeordneten Heike Hänsel auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung im Rahmen der politischen, finanziellen und entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit gegenüber der honduranischen Regierung
ziehen, nachdem am 2 . Mai 2016 vier Tatverdächtige wegen
Mordes an der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta
Cáceres festgenommen wurden - darunter Sergio Ramón
Rodríguez Orellana, Ingenieur und Projektleiter von DESA,
der Betreiberfirma des Wasserkraftwerks Agua Zarca, Mariano
Díaz Chávez und Edison Atilio Duarte Mez, aktive Mitglieder der Streitkräfte von Honduras, und Douglas Geovanny
Bustillo, ehemaliger Sicherheitschef von DESA und Ex-Militär
({0}), und setzt sich die Bundesregierung,
wie vom UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger, Michel Forst, verlangt, für eine unabhängige internationale Untersuchung des Mordes an Berta Cácares ({1}) ein?
Bitte schön, Frau Staatsministerin .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin
Hänsel, ich darf wie folgt antworten: Die Bundesregierung setzt sich für die vollständige Aufklärung der Taten
und die Bestrafung der Täter und Hintermänner ein . Der
Lateinamerika-Beauftragte des Auswärtigen Amts und
der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
haben sich gegenüber der honduranischen Regierung für
die Aufklärung der Morde an Berta Cáceres und Nelson
García eingesetzt . Der Lateinamerika-Beauftragte des
Auswärtigen Amtes sprach am 27 . April dieses Jahres
auch persönlich mit der Tochter der Ermordeten im Auswärtigen Amt in Berlin .
Die honduranische Regierung hat sich zur Aufklärung
der Morde verpflichtet und sowohl den Hohen KommisParl. Staatssekretär Florian Pronold
http://www.taz.de/!5300598/
sar der Vereinten Nationen für Menschenrechte als auch
die Organisation Amerikanischer Staaten um Unterstützung bei der Aufklärung gebeten . Die speziell für Honduras ins Leben gerufene OAS-Rechtsstaatskommission
zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit wird
sich ebenfalls der Aufklärung des Falles Berta Cáceres
widmen . Das Auswärtige Amt wird die OAS-Rechtsstaatskommission dabei mit 100 000 Euro unterstützen .
Falls das Engagement der OAS-Rechtsstaatskommission keine Erfolge zeitigt, würden wir die Einrichtung
einer unabhängigen Untersuchungskommission der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte
befürworten . Dazu müsste die honduranische Regierung
ihre Zustimmung erteilen .
Die Bundesregierung wird den Fall weiter mit größter Aufmerksamkeit verfolgen . Die lückenlose Aufklärung und Bestrafung der Täter und Hintermänner wird
ein wichtiger Indikator sein, wie ernst es der honduranischen Regierung und Justiz ist, bestehende Missstände
in puncto Straffreiheit, Menschenrechtsverletzung und
Korruption zu beseitigen . Die Menschenrechtssituation
wird auch weiterhin Bestandteil des politischen Dialogs
mit der honduranischen Regierung sein .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Hänsel, Sie haben bestimmt noch eine Nachfrage . - Bitte schön .
Danke schön . - Frau Staatsministerin, es ist ja wirklich neu, auch zu hören, dass die Bundesregierung mittlerweile zumindest eine unabhängige Untersuchungskommission in Erwägung zieht . Wir hatten den Fall ja
hier schon in Fragestunden diskutiert, und da hatte die
Bundesregierung noch keine Notwendigkeit dazu gesehen . Insofern können wir das nur begrüßen .
Ich möchte da aber gern noch einmal nachhaken, weil
Sie das jetzt an das Ende einer Kette gestellt haben und
erst noch die Ergebnisse der Untersuchung der Rechtsstaatskommission der Organisation Amerikanischer
Staaten abwarten möchten . Der Fall schlägt ja international immer höhere Wellen . Ehemalige Militärs sind
zumindest als verdächtigte Täter verhaftet worden, auch
Polizeikräfte, die verantwortlich sein könnten . Es ist ja
auch ein Stück weit Gefahr in Verzug, weil die Aktivisten
von COPINH nach wie vor Drohungen erhalten . Deswegen noch einmal meine Frage: Sehen Sie es dann nicht
eher für notwendig an, dass man sich jetzt sofort für eine
solche unabhängige Kommission starkmachen muss?
Also, Frau Kollegin, ich glaube, wir ziehen hier wirklich an einem Strang . Uns kommt es darauf an, dass
schnellstmöglich aufgeklärt wird . Es sind jetzt fünf vermutliche Täter verhaftet worden . Sie wissen um die Situation dort - wir auch . Wir machen diesen Druck, damit
nicht nur die Strafbarkeit festgestellt wird, sondern die
Verurteilungen dann auch wirklich realisiert werden . Das
ist das, was wir wollen .
Ich glaube, man muss jetzt diesen Druck aufrechterhalten . Deshalb habe ich auch in dieser Deutlichkeit
gesagt, dass wir die Einrichtung einer unabhängigen
Untersuchungskommission befürworten, aber dass wir
den ersten Schritt mit der OAS-Rechtsstaatskommission
machen wollen .
Ja . - Für Sie noch einmal der Hinweis: Sie kennen sicherlich auch die Situation im Land, die von einer enorm
hohen Straflosigkeit geprägt ist. Auch Amnesty International hat ja mittlerweile bezüglich des Falles große Transparenzmängel festgestellt und kritisiert, dass die gesamten Untersuchungen hier sehr schleppend vorangehen .
Insofern geht meine nächste Frage jetzt auch in Richtung
EU-Ebene . Die EU hat ein Assoziierungsabkommen mit
zentralamerikanischen Staaten - Honduras gehört dazu getroffen . In solchen Abkommen geht es auch immer um
Fragen von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten usw .
Hat die Bundesregierung sich in irgendeiner Art und
Weise auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass im
Rahmen dieses Assoziierungsabkommens mehr Druck
ausgeübt wird bezüglich der Menschenrechtssituation in
Honduras? Welche konkreten politischen Schritte haben
Sie seit der Ermordung von Berta Cáceres auch auf europäischer Ebene unternommen?
Ich kann Ihnen das jetzt nicht im Detail sagen; denn
mir war in Bezug auf Ihre Frage wichtig, was wir direkt
mit der honduranischen Regierung machen. Ich finde, es
war ausgesprochen wichtig, dass sowohl von meinem
Kollegen, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, als auch von unserem Lateinamerika-Beauftragten der Fall klar angesprochen worden ist - und
das nicht nur vor Ort, sondern auch hier mit der Tochter
zusammen .
Sie sehen, wir bleiben hier unmittelbar in Kontakt und
am Ball . Sie können versichert sein, dass wir alles Mögliche versuchen werden, dass dieser Mord gesühnt wird .
Jetzt lassen Sie mich noch eines sagen - Sie wissen es
genauso wie ich -: 98 Prozent Straffreiheit ist etwas, was
nicht hinnehmbar ist .
Vielen Dank . - Es liegen keine weiteren Fragen zu
diesem Punkt vor .
Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Dağdelen werden
schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zur Frage 27 des Kollegen Andrej
Hunko:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Existenz, Umfang und Kriterien von Listen von Politikerinnen
und Politikern, Journalistinnen und Journalisten und anderen
Akteurinnen und Akteuren, auf deren Grundlage den gelisteten Personen die Einreise in die Ukraine verweigert wird,
und welche Fälle von Einreiseverweigerungen der genannten
Personengruppen in die Ukraine sind der Bundesregierung seit
Anfang 2014 bekannt ({0})?
Bitte schön, Frau Staatsministerin .
Gern . - Frau Präsidentin! Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, dass bei ukrainischen Grenzkontrollen Personendaten abgeglichen werden anhand von
nationalen ukrainischen Listen von Personen, denen die
Einreise in die Ukraine verweigert werden soll . Über die
Kriterien für die Listung liegen der Bundesregierung jedoch keine Erkenntnisse vor .
Die Bundesregierung erhält im Zweifel nur bei deutschen Staatsangehörigen und konkretem Einreiseversuch Kenntnis einer etwaigen Listung und Einreiseverweigerung durch die ukrainischen Behörden . Aktuell
wurde zwei deutschen Journalisten, Saadi Isakov und
einem weiteren, die Einreise verweigert . Die Deutsche
Botschaft Kiew hat daraufhin am 6. Mai offiziell um
Begründung der Einreiseverweigerung gebeten und auf
die Pflichten hingewiesen, denen die Ukraine nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur
Presse- und Rundfunkfreiheit unterliegt . Eine Antwort
steht noch aus .
Bitte schön, Herr Kollege Hunko .
Vielen Dank . - Frau Staatsministerin Böhmer, es ist
schon mal erfreulich, dass die deutsche Seite reagiert hat .
Der konkrete Anlass meiner Frage ist in der Tat die Einreiseverweigerung für die Journalisten Isakov und Ulrich
Heyden . Das ging auch ein bisschen durch die deutschen
Medien . Im Fall Isakov war es so, dass er ein Interview
mit einem der Überlebenden des Massakers am 2 . Mai
2014 in Odessa geführt hat, was wahrscheinlich der Hintergrund für die Einreiseverweigerung ist . Bei Ulrich
Heyden war es auch eine kritische Berichterstattung zur
Ukraine .
Sind Ihnen darüber hinaus weitere Journalisten oder
vielleicht auch Abgeordnete bekannt, gegen die Einreiseverweigerungen vorliegen?
Herr Kollege, wir haben keine weiteren belastbaren
Kenntnisse . Es gab Namen, die im September 2015 in
der Presse kursierten . Sie wissen, es handelte sich dabei
unter anderem um einen deutschen Journalisten, Michael
Rutz . Nach den internationalen Protesten wurde die Einreiseverweigerung zurückgezogen .
Vielen Dank . - Das ging damals tatsächlich durch die
Medien . Es war eine Liste von, ich glaube, 400 Journalisten international . Damals habe ich auch eine Anfrage an
die Bundesregierung gestellt . In der Antwort sagten Sie:
Es gibt da keine deutschen Staatsbürger .
Gegen mich liegt ein Einreiseverbot in die Ukraine
vor, das schon damals in Kraft war und das auch Bestand
hatte, obwohl ich für den Bundestag, für den Europaausschuss, im Februar dorthin fahren wollte . Ist Ihnen das
bekannt, und ist Ihnen bekannt, ob vielleicht gegen weitere Abgeordnete des Bundestages Einreiseverbote vorliegen?
Herr Kollege, ich weiß, dass Sie zu vielen Gesprächen
im Auswärtigen Amt waren und dort um Beratung nachgesucht haben . Ich glaube, Sie gehören zu den bestinformierten Kollegen hier im Deutschen Bundestag, was
diese Fragen anbetrifft .
({0})
Alle Ihre Fragen sind schon beantwortet, wenn auch
nicht zu Ihrer Zufriedenheit .
({0})
Ich bedanke mich bei der Staatsministerin für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder
bereit .
Die Frage 28 des Abgeordneten Hunko wird schriftlich beantwortet .
Damit sind wir bei der Frage 29 des Kollegen Volker
Beck:
Wie viele antisemitische bzw . antiisraelische Straf- und Gewalttaten ereigneten sich nach Kenntnis der Bundesregierung
im Jahr 2015?
Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Herr Kollege Beck, ich beantworte
Ihre Frage wie folgt:
Im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes - Politisch motivierte Kriminalität“ werden die Taten,
je nach Motivation, Themenfeldern/Oberbegriffen und
Unterthemen zugeordnet . Antisemitische Straftaten werden dem Themenfeld/Oberbegriff „Hasskriminalität“,
Unterthema „antisemitisch“, zugeordnet .
Im Jahr 2015 wurden insgesamt 1 366 Straftaten mit
antisemitischem Hintergrund erfasst . Die Zahl der Gewalttaten lag im vergangenen Jahr bei 36 .
Antiisraelische Straftaten werden hingegen nicht in
einem eigenständigen Unterthema erfasst, da im TheVizepräsidentin Ulla Schmidt
menfeldkatalog PMK prinzipiell keine staatenspezifische
Erfassung erfolgt . Die Zuordnung ist von der jeweiligen
Tatmotivation abhängig . Im Fall von antijüdischen Motiven werden sie als antisemitische Straftaten erfasst . Daneben können antiisraelische Straftaten im Themenfeld
„Krisenherde/Bürgerkriege“, Unterthema „Israel/PalästinenserKonflikt“, erfasst werden, wenn die Tatmotivation aus diesem Konflikt resultiert. Im Jahre 2015 wurden
von den Ländern 62 entsprechende Straftaten gemeldet .
Bei einer Tat davon handelt es sich um eine Gewalttat .
Vielen Dank . - Herr Kollege Beck, Sie haben sicher
eine Nachfrage .
Vielleicht können Sie uns einmal erläutern, wie sich
diese 62 Taten zusammensetzen . Denn es ist nicht klar,
ob sie antiisraelisch motiviert sind oder andere Konfliktthemen berühren; zumindest enthielt Ihre Antwort
diese Information nicht .
Im letzten Jahr gab es Irritationen aufgrund der Rechtsprechung in Bezug auf Schmierereien an der Wuppertaler Synagoge . Dazu sagte das zuständige Amtsgericht,
dies sei nicht antisemitisch, sondern hinge eher mit dem
Nahostkonflikt zusammen, weil die Täter einen palästinensischen Hintergrund hätten . Wie stellt man sicher,
dass solche Falschzuordnungen in der Kriminalstatistik
nicht vorkommen?
Das ist von den jeweiligen Ländern sicherzustellen
und dann im Zweifel auch zu korrigieren . Im Jahr 2015
gab es 62 Straftaten im Bereich „Krisenherde/Bürgerkriege“, Unterthema „Israel/PalästinenserKonflikt“, und
davon wurden 31 Straftaten als antisemitisch eingeordnet .
Herr Kollege Beck .
Meine zweite Nachfrage betrifft die antisemitischen
Straftaten . Können Sie da etwas über die Aufteilung der
Tätergruppen sagen? Wir haben da ja klassischerweise
„rechts“, „links“, „Ausländer“ und „Sonstige“ als Kategorien .
Die Zahlen werden erst noch offiziell veröffentlicht.
Es ist so, dass wir bei „PMK - links“ und bei „PMK rechts“ etwa im gleichen Bereich liegen wie im letzten
Jahr, im Bereich „PMK - Ausländer“ leicht niedriger,
und bei „PMK - Sonstige“ liegen wir auch in etwa in diesem Bereich . Aber die Zahlen werden, wie gesagt, vom
Innenminister noch dezidiert veröffentlicht .
({0})
Danke schön . - Wir kommen dann zur Frage 30 des
Abgeordneten Volker Beck:
Wie viele homo- bzw . transphob motivierte Straf- und
Gewalttaten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im
Jahr 2015 erfasst?
Bitte schön .
Homo- und transphob motivierte Straftaten und Gewalttaten werden im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen
Meldedienstes - Politisch motivierte Kriminalität“ im
Themenfeld „Hasskriminalität“, Unterthema „Sexuelle
Orientierung“ erfasst . Da keine eigenständigen Unterthemen „homophob“ und „transphob“ existieren, können
solche nicht gesondert ausgewiesen werden . Für das
Jahr 2015 wurden 220 politisch motivierte Straftaten mit
der Nennung des Unterthemas „Sexuelle Orientierung“
gemeldet .
Bitte, Herr Kollege Beck .
Könnten Sie uns hier, ähnlich wie bei den antisemitischen Straftaten, darüber Auskunft geben, welcher Art
die Straftaten waren? Also: Wie viele davon waren Meinungsdelikte und wie viele davon Gewalttaten?
Die genaue Aufgliederung kann ich Ihnen gerne noch
schriftlich geben . Wie gesagt: Die Zahlen werden erst
noch veröffentlicht . Ich kann Ihnen aber einen Überblick
geben: Wir hatten 51 Körperverletzungen, zwei Raubtaten und ein Widerstandsdelikt . Der Rest - 50 an der
Zahl - waren keine Gewalttaten, sondern Sachbeschädigungen, Propagandadelikte und Volksverhetzung .
Noch eine Nachfrage?
Meine Nachfrage bezieht sich wiederum auf die Aufteilung der Tätergruppen, also „links“, „rechts“, „Ausländer“ und „Sonstige“ .
Die Zahlen habe ich jetzt nicht parat, aber ich kann sie
Ihnen gern schriftlich nachreichen .
Vielen Dank . - Die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Jelpke werden schriftlich beantwortet . Damit sind
wir am Ende dieses Geschäftsbereiches . - Danke schön
für die Beantwortung .
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Michael
Meister zur Verfügung .
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr . Gerhard
Schick auf:
Welche Kenntnisse hat das Bundesministerium der Finanzen über Cum/Cum-Geschäfte der Commerzbank Aktiengesellschaft, seitdem die Commerzbank staatliche Hilfe erhalten
hat?
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schick, zur Beantwortung dieser Frage verweise ich zunächst auf die
Antwort der Bundesregierung auf Frage 23 der Kleinen
Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur steuerrechtlichen Zulässigkeit des Dividendenstrippings . Das waren
die Bundestagsdrucksachen 18/6863 und 18/7213 . Die
Commerzbank AG hat eine entsprechende Anfrage der
Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, FMSA,
wie folgt beantwortet - Zitat -:
Die Commerzbank tätigt täglich über 100 000 Trades mit tausenden unterschiedlichen Kunden, Brokern, Banken und vielen anderen Marktteilnehmern . Dabei stellen wir durch umfangreiche interne
Systeme und Kontrollen sicher, dass alle Trades in
Einklang mit dem geltenden Recht stehen . Darüber hinaus haben wir eigene, noch härtere interne
Regelungen und Kontrollen etabliert, die über die
gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, um Fälle
von Dividendenarbitrage um den Dividendenstichtag zu limitieren .
Die Geschäftspolitik der Commerzbank AG wird vom
Vorstand verantwortet, der nach dem Aktiengesetz vom
weisungsunabhängig handelnden Aufsichtsrat überwacht
wird . Auch angesichts der negativen Implikationen für
die Reputation der Bank erwarten wir, dass das Thema
Cum/Cum-Geschäfte umfassend durch die Organe und
Gremien der Bank aufgearbeitet wird . Dies ist nicht zuletzt im Interesse der Bank .
Im Aufsichtsrat der Commerzbank AG sitzen zwei
Vertreter, die auf Vorschlag des Finanzmarktstabilisierungsfonds, des FMS, von der Hauptversammlung der
Commerzbank AG gewählt wurden . Die auf Vorschlag
des FMS von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder handeln weisungsunabhängig . Die
Mitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich aller Geheimnisse und
vertraulichen Angaben der Gesellschaft, von denen sie
im Rahmen ihrer Amtstätigkeit Kenntnis erlangen . Das
sind § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 116 Satz 1 und 2 des Aktiengesetzes . Die Beratungen des aufsichtführenden Organs sind vertraulich, siehe hierzu auch § 394 und § 395
Absatz 1 des Aktiengesetzes .
Bitte schön, Herr Kollege Schick, Sie haben sicher
eine Nachfrage .
Ja . - Danke für die Antwort . Diese haben wir zum großen Teil auch im Rahmen der Kleinen Anfrage bekommen .
Mich interessiert: Was war der Anlass für die Nachfrage der FMSA? Gab es frühere Nachfragen vonseiten
der Bundesregierung und des Finanzmarktstabilisierungsfonds bei der Commerzbank in Bezug auf Cum/
CumGeschäfte?
Bitte schön .
Anlass für die Nachfrage war die von Ihnen eingereichte Kleine Anfrage . Ansonsten ist es Aufgabe der
FMSA, darauf zu achten, dass die zwischen der Commerzbank und der FMSA geschlossenen Verträge eingehalten werden . Inwieweit diese Vertragsbeachtung
seitens der FMSA im konkreten operativen Geschäft
überwacht wird, kann ich Ihnen nicht sagen .
Herr Kollege Schick, noch eine weitere Zusatzfrage?
Mich würde außerdem interessieren, ob Sie die Antwort der Commerzbank angesichts der Kenntnis, die
wir über die Cum/Cum-Geschäfte haben, für plausibel
erachten . Bei diesen Geschäften ist es so, dass sie nicht
zufällig irgendwie stattfinden, sondern dass sich Akteure
finden müssen, sodass man gezielt die Steuerlast zulasten der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes drücken
kann . Vonseiten der Commerzbank sagt man, dass man
zwangsläufig irgendwie ohne eigene Intention dabei sei.
Halten Sie diese Antwort eigentlich für plausibel, und haben Sie da vielleicht nachgehakt?
Zum Ersten: Nicht wir haben nachzuhaken, sondern
es ist die FMSA, die mit der Commerzbank in einer Vertragsbeziehung steht .
Zum Zweiten gibt es für uns als Bundesfinanzministerium zunächst einmal keinen Anhaltspunkt, an der Plausibilität der getätigten Aussagen Zweifel zu haben . Ich
habe aber in meiner Antwort darauf hingewiesen, Herr
Kollege Schick, dass für die Überwachung innerhalb der
Bank einerseits der Vorstand und der Aufsichtsrat zuständig sind und andererseits, dort, wo Fragen des Vertrags
mit der FMSA tangiert sind, die Gremien der FMSA .
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär .
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr . Gerhard
Schick auf:
Hält die Bundesregierung die Antwort zu Frage 24 der
Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom
Dezember 2015 ({0}), die fragte, ob die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat oder andere
staatliche Akteure wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung die Problematik des Dividendenstrippings gegenüber der Commerzbank angesprochen haben, weiterhin für
ein schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, und
urteilt sie somit, dass die Frage nicht öffentlich beantwortet
werden kann?
Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Schick,
die Organmitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen
einer Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich aller Geheimnisse und vertraulichen Angaben der Gesellschaft,
von denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangen . Dies ist in § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 116 Satz 1 und
2 des Aktiengesetzes so geregelt . Die Beratungen des
aufsichtführenden Organs sind vertraulich .
Der Gesetzgeber hat die unbefugte Offenbarung der
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in § 203 Absatz 2
Nummer 1 des Strafgesetzbuches für Amtsträger unter
Strafe gestellt . Es wird daher um Verständnis gebeten,
dass die Bundesregierung zu den Gesprächsinhalten der
Aufsichtsratssitzung der Commerzbank AG keine Stellung nehmen kann .
Bitte schön, Herr Kollege Schick .
Danke . - Herr Staatssekretär, der Bundesminister der
Finanzen, Herr Schäuble, hat die Geschäfte als „illegitim“ bezeichnet . Seit wann vertritt der Minister diese
Auffassung, und ist sie gegenüber Vertretern der Commerzbank und anderer Banken, den Mitgliedern der Aufsichtsräte, die vonseiten der FMSA benannt worden sind,
oder anderen Akteuren, die hier relevant sind, wie zum
Beispiel die FMSA selbst, einmal geäußert worden, seit
wir wissen, dass die Cum/Cum-Geschäfte laufen, also
insbesondere seit Mai 2015, oder ist diese Auffassung
erst nach den jüngsten Veröffentlichungen in den Medien
geäußert worden?
Es gibt seit längerer Zeit, Herr Kollege Schick, eine
Auseinandersetzung über die Frage, wie die Cum/
Cum-Geschäfte zu bewerten sind . Wir kommen im Bundesfinanzministerium zu der Einschätzung, die Sie eben
von Herrn Dr . Schäuble zitiert haben, nämlich dass wir
diese Geschäfte für illegitim halten . Es hängt vom Einzelfall ab - davon, wie die Geschäfte konkret ausgestaltet
sind -, ob sie auch illegal sind. Der Bundesfinanzhof hat
in seiner Rechtsprechung in Einzelfällen angezweifelt,
ob ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums tatsächlich stattgefunden hat . An den Stellen haben wir es dann
auch mit der Frage zu tun, ob wir möglicherweise Steuern zurückbekommen können . Hinsichtlich der Frage,
inwieweit diese Einzelfälle auf Cum/Cum-Gestaltungen
im Allgemeinen zu übertragen sind, befinden wir uns gerade in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe in der Klärung .
Wenn die Klärung erfolgt ist, werden wir das weitere
Vorgehen festlegen .
Noch eine weitere Nachfrage?
Nur noch einmal dieselbe Frage: Seit wann vertritt der
Minister diese Auffassung, und ist sie schon einmal vor
den jüngsten Veröffentlichungen zu den Cum/Cum-Geschäften der Commerzbank irgendwo geäußert worden,
zum Beispiel nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage, als man wusste, dass die Cum/Cum-Geschäfte auch
bei der Commerzbank auftreten können? Es ist ja für
die Öffentlichkeit durchaus interessant, zu wissen, ob
seit der öffentlichen Diskussion, die es schon weit vor
den jüngsten Veröffentlichungen gab, nämlich mehr als
ein Jahr früher, irgendwann einmal die Auffassung einer mangelnden Legitimation dieser Geschäfte geäußert
worden ist .
Mir ist keine andere Äußerung des Bundesfinanzministers bekannt . Wir beschäftigen uns nicht erst seit der
jüngsten öffentlichen Debatte damit, sondern wir haben
uns bereits im Vorfeld des Verfahrens am Bundesfinanzhof mit dieser Fragestellung befasst . Wir haben, wie gesagt, keine andere Position dazu geäußert .
Vielen Dank, Herr Kollege Schick .
Ich rufe die Frage 35 der Abgeordneten Lisa Paus auf:
Hat das Bundesministerium der Finanzen im Aufsichtsrat
der Commerzbank darauf hingewirkt, dass sich die Bank nicht
an Cum/Cum-Geschäften beteiligen darf, ähnlich wie andere
Aufsichtsräte es beschlossen haben?
Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin Paus,
nach § 10 Absatz 1 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes müssen Kreditinstitute, die Stabilisierungsmaßnahmen in Anspruch genommen haben, eine solide und
umsichtige Geschäftspolitik gewährleisten . Ob die Commerzbank AG eine solide und umsichtige Geschäftspolitik betreibt, wird insbesondere jährlich durch den
Wirtschaftsprüfer der Bank geprüft . Dieser hat in der
Vergangenheit bestätigt, dass kein Verstoß gegen diese
Auflage vorliegt.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Frau Kollegin, haben Sie noch eine Nachfrage? Nein .
Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Lisa Paus auf:
Sieht das Bundesministerium der Finanzen die Bedingungen nach § 10 Absatz 1 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes, wonach Unternehmen des Finanzsektors die Stabilisierungsmaßnahmen des Fonds nach den §§ 6, 7 und 8 dieses
Gesetzes in Anspruch nehmen, die Gewähr für eine solide
und umsichtige Geschäftspolitik bieten müssen, durch Cum/
CumGeschäfte verletzt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Zur Frage 36 kann ich Ihnen nur die Antwort vortragen, die ich eben zur Frage 35 vorgetragen habe . Ich mache das aber gerne noch einmal, Frau Kollegin Paus .
Nach § 10 Absatz 1 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes müssen Kreditinstitute, die Stabilisierungsmaßnahmen in Anspruch genommen haben, eine
solide und umsichtige Geschäftspolitik gewährleisten .
Ob die Commerzbank AG eine solide und umsichtige
Geschäftspolitik betreibt, wird insbesondere jährlich
durch den Wirtschaftsprüfer der Bank geprüft . Dieser hat
in der Vergangenheit bestätigt, dass kein Verstoß gegen
diese Auflage vorliegt.
Ich möchte darüber hinaus bemerken, dass die Bundesregierung selbstverständlich erwartet, unabhängig
von der Diskussion über Cum/Cum-Geschäfte und den
Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer, dass sich eine Bank
an alle geltenden Gesetze unseres Landes hält .
Frau Kollegin Paus .
Herr Staatssekretär, der Finanzminister war in seiner
Wortwahl sehr deutlich . Er hat gesagt, dass es illegitim
ist, er selber hat aber nicht davon gesprochen, dass es
illegal ist; darauf zielen wir mit unseren Fragen ab . Wir
konnten uns nicht erklären, warum das Bundesfinanzministerium als Eigentümer der Bank, zumindest ab dem
Zeitpunkt, da es von Cum/Cum-Geschäften der Commerzbank wusste, nicht aktiv geworden ist, obwohl es
Aufsichtsräte in anderen Banken gegeben hat, die dafür
gesorgt haben, dass solche Geschäfte nicht mehr durchgeführt werden . Warum ist Gleiches nicht von der Bundesregierung gemacht worden?
Meine präzise Nachfrage lautet: Ist das Bundesfinanzministerium, seitdem es 2015 davon wusste, dass
die in Bundeseigentum befindliche Commerzbank Cum/
Cum-Geschäfte macht, in irgendeiner Weise initiativ geworden, um dafür zu sorgen, dass die Commerzbank keine Cum/CumGeschäfte mehr macht?
Herr Staatssekretär .
Ich habe darauf hingewiesen, dass es den § 10 Absatz 1 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes gibt .
An der Stelle ist die FMSA angehalten, darauf zu achten,
dass Banken, die staatliche Unterstützung bekommen,
eine solide und umsichtige Geschäftspolitik gewährleisten . Das war vom Tag eins der staatlichen Hilfe an die
Commerzbank eine Forderung, die wir über die FMSA
an die Commerzbank, aber im Falle von Hilfen an andere
Banken in gleicher Weise stellen .
Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, wie wir versuchen, die Überwachung sicherzustellen . Wie steuerrechtlich mit den Cum/Cum-Gestaltungen umzugehen ist, das
ist eine Frage, die die jeweiligen Steuerverwaltungen
klären müssen . Es ist bekannt, dass die Verantwortung
hier im Wesentlichen bei den jeweiligen Landesfinanzministerien liegt .
Noch eine weitere Nachfrage? - Bitte schön.
Ich frage noch einmal konkret: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Commerzbank illegitime
Geschäfte machen sollte?
Welche Geschäfte die Commerzbank im konkreten
Fall gemacht hat, dazu kann ich nichts sagen .
({0})
Ich kann lediglich sagen, dass wir die Cum/Cum-Gestaltungen als solche für illegitim halten . Aber ich kenne die
Einzelgeschäfte der Commerzbank nicht, sodass ich mir
nicht anmaße, festzustellen, wie diese zu bewerten und
zu beurteilen sind .
Danke schön, Frau Kollegin Paus . - Es gibt jetzt eine
weitere Nachfrage des Kollegen Schick . Bitte schön .
Herr Staatssekretär, die Commerzbank hat laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, die wir
gestellt hatten, auf die entsprechende Frage der FMSA
selber eingeräumt, dass auch Cum/Cum-Geschäfte bei
ihr stattfinden, und sie hat auch den Veröffentlichungen der jüngsten Zeit nicht widersprochen . Wir müssen
also davon ausgehen: Die Commerzbank ist an Cum/
Cum-Geschäften beteiligt . Zweitens . Es gibt die Aussage
des Bundesfinanzministers: Diese Geschäfte sind „illegitim“ .
Jetzt lautet meine Frage: Hält die Bundesregierung es
angesichts dessen, was wir gerade aus dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz zitiert haben - oder auch unabhängig davon -, für in Ordnung, dass eine Bank, die
wir mit Milliarden gerettet haben - der Bund ist noch
heute der größte Aktionär -, solche „illegitimen“ Geschäfte - ich zitiere den Bundesminister der Finanzen tätigt? Meint die Bundesregierung, dass das okay ist?
Ich vergleiche das noch einmal: Es gibt Landesbanken - das wissen wir auch aus Veröffentlichungen -, die
explizit gesagt haben: Solche Geschäfte sind mit unserem Status, mit unserer Vorstellung von anständigen Geschäften nicht vereinbar . - Müsste das nicht auch für die
Commerzbank gelten?
Herr Staatssekretär .
Sehr geehrter Herr Kollege Schick, ich habe gesagt:
Alle Cum/Cum-Geschäfte halten wir für illegitim . Das
heißt, es spielt keine Rolle, wer sie gestaltet hat, wer sie
durchgeführt hat . Damit gilt die Aussage, dass wir das für
illegitim halten, auch für den konkreten Fall der Commerzbank . Allerdings maße ich mir nicht an, wenn die
Commerzbank in Pressemitteilungen etwas sagt, im Einzelfall Geschäfte der Commerzbank seitens der Bundesregierung zu kommentieren . Generell halten wir Cum/
Cum-Geschäfte für illegitim .
Ich sehe keine weitere Nachfrage . - Ich bedanke mich
bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf . Zur Beantwortung steht
heute die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele
Lösekrug-Möller zur Verfügung .
Die Frage 37 der Abgeordneten Brigitte Pothmer
sowie die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Beate
Walter-Rosenheimer werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zur Frage 40 des Abgeordneten Stefan
Liebich:
Wie stellt sich aus Sicht der Bundesregierung das Problem
der Übernahme von Versorgungskosten ({0}) nach
der Anerkennung von Asylsuchenden als international Schutzberechtigte dar ({1}), wenn
diese nunmehr anerkannten Flüchtlinge noch in einer Notunterkunft untergebracht sind, in der es keine Möglichkeit der
Selbstversorgung ({2}) gibt, und gibt es
einzelne Bundesländer, die dieses Problem nicht oder in einer
besonderen Weise betrifft?
Bitte schön .
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Liebich,
der Bundesregierung ist bekannt, dass anerkannte Flüchtlinge mangels entsprechenden Wohnraums oftmals auch
noch in Gemeinschaftsunterkünften, die eigentlich nur
für Asylbewerber vorgesehen sind, verbleiben müssen .
Soweit in diesen Unterkünften keine Selbstversorgungsmöglichkeit besteht und die anerkannten Flüchtlinge
verpflegt werden wie alle Bewohner einer solchen Unterkunft, sind derzeit die Kommunen als Unterkunftsbetreiber oder Vertragspartner der Unterkunftsbetreiber mit
diesen Kosten belastet . Darin sieht die Bundesregierung
eine ungerechtfertigte Belastung der Kommunen, soweit
es um anerkannte Flüchtlinge geht, die Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch erhalten; denn die Kosten zur
Deckung des Ernährungsbedarfs hat der Bund über die
Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zu tragen .
Diese Thematik ist von den Ländern Berlin und Saarland an die Bundesregierung herangetragen worden . Ob
es Länder gibt, die nicht oder in besonderer Weise betroffen sind, ist der Bundesregierung nicht bekannt .
Herr Kollege Liebich, haben Sie eine Nachfrage?
({0})
Dann kommen wir zur Frage 41 des Abgeordneten
Stefan Liebich:
Welchen praktischen oder gesetzgeberischen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Bezug auf dieses Problem?
Bitte schön .
Herr Kollege, die Frage schließt sich ja an; deshalb
schließt sich auch die Antwort an: Die Bundesregierung
hat am 4 . Mai 2016 eine Formulierungshilfe für einen
Änderungsantrag zum Entwurf eines Neunten Gesetzes
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch Rechtsvereinfachung - beschlossen . Diese sieht für alle
Personen, die nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
leistungsberechtigt und in Gemeinschaftsunterkünften
ohne Selbstversorgungsmöglichkeit untergebracht sind,
eine bis 31 . Dezember 2018 befristete Übergangsregelung vor . Sie hat zum Inhalt, dass Bedarfe für häusliche
Ernährung und Haushaltsenergie durch Sachleistungen
gedeckt werden können . Folge ist ein entsprechend verringerter Geldauszahlungsanspruch . Auf diese Weise
werden zum einen Doppelleistungen, die sich aus der
ungekürzten Geldleistung zur Deckung des Regelbedarfs plus kostenloser Verpflegung ergeben, vermieden.
Zum anderen steht der nicht ausgezahlte Geldbetrag zur
Verfügung, um ihn an die Kommunen, die derartige Gemeinschaftsunterkünfte betreiben, weiterzuleiten und sie
entsprechend zu entlasten .
Der Kollege Liebich hat dazu eine Nachfrage . - Bitte
schön .
Ich finde es sehr gut, dass Sie dort eine Änderung anstreben . Können Sie diese Formulierungshilfe den Mitgliedern des Bundestages zur Verfügung stellen?
Soweit ich weiß, ist sie bekannt; aber wir lassen sie
Ihnen selbstverständlich zukommen .
Danke schön .
Keine weitere Frage mehr? - Dann kommen wir jetzt
zur Frage 42 der Abgeordneten Corinna Rüffer:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
dem Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 28 . April
2016, nach dem ehemalige Heimkinder aus Einrichtungen
der Behindertenhilfe und Psychiatrien niedrigere finanzielle
Leistungen erhalten sollen als die ehemaligen Heimkinder aus
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, und wird sich die Bundesregierung für eine Verbesserung bzw . Gleichstellung dieser
Gruppen einsetzen?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Ja, sehr gerne . - Kollegin Rüffer, die Bundesregierung
vertritt die Auffassung, dass Menschen, die als Kinder
oder Jugendliche in den Jahren 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw . bis 1990 in der DDR in
stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw . in
der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben, aus
Gründen der Gleichbehandlung nicht schlechter gestellt
sein dürfen als ehemalige Heimkinder aus Kinder- und
Jugendhilfeeinrichtungen . Die Bundesregierung setzt
sich in den derzeit laufenden Verhandlungen weiterhin
mit Nachdruck dafür ein, dass es unter Berücksichtigung
der besonderen Situation zu keiner Benachteiligung der
Betroffenen aus stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw . Psychiatrie im Vergleich zu den ehemaligen
Heimkindern der Kinder- und Jugendhilfe kommt und
dass das angestrebte Hilfesystem noch in diesem Jahr realisiert wird . Sie ist bereit, sich gemeinsam mit Ländern
und Kirchen daran zu beteiligen .
Frau Kollegin Rüffer .
Vielen Dank für die Antwort . - Wir wissen ja beide,
dass die Verhandlung über die finanzielle Anerkennung
des Leides dieser Opfergruppe nunmehr seit langer Zeit
anhält und die Bundesregierung offensichtlich Schwierigkeiten hat, sich insbesondere mit den Ländern auf eine
gerechte Lösung zu verständigen . Wie hoch schätzen Sie
die Chance ein, dass das jetzt zeitnah nachgeholt werden
kann?
Darauf antworte ich gerne . - Die Bundesregierung ist
zuversichtlich, dass es zu einer Einigung auch unter den
genannten Kriterien, die ich in meiner ersten Antwort
vorgetragen habe, kommt .
Frau Rüffer, haben Sie noch eine Nachfrage? - Bitte
schön .
Wir reden ja über zwei Bestandteile: zum einen über
die Pauschale, die niedriger angesetzt sein soll, und zum
anderen über Rentenersatzleistungen . Davon höre ich
sehr viel weniger . Das ist aber der Bereich, der auf der
Opferseite als besonders bitter wahrgenommen wird . Es
sollen maximal 5 000 Euro fließen, während bei der Gruppe der damaligen Kinder und Jugendlichen diese Leistung im Einzelfall bei maximal 25 000 Euro gelegen hat .
Daran wird deutlich - anhand dieser Zahlen kann man es
vielleicht nachempfinden -, dass die Opfergruppe, die in
Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und
Jugendpsychiatrie gewesen ist, dies sozusagen nachträglich noch einmal als Diskriminierung wahrnimmt .
Also die Antwort auf meine erste Frage war mir ein
Stück weit zu oberflächlich, auch was die Differenzierung der Leistungen anbelangt . Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass es insbesondere im Bereich der
Rentenersatzleistungen zu einer einheitlichen Regelung
kommt? Was tun Sie da ganz konkret?
Frau Staatssekretärin .
Frau Kollegin Rüffer, ich weise darauf hin, dass wir
den Vorschlag gemacht haben, im Modus der Leistungen etwas zu ändern . Die beiden Bestandteile hatten
Anspruchsberechtigte aus den Fonds, die es bisher gab,
auch . Was wir umstellen - ich sage das nur noch einmal,
weil in Ihrer Frage etwas mitschwang, was möglicherweise missverstanden wird -, ist Folgendes: Wir schlagen jetzt vor - ich kann da aber keinem Ergebnis vorgreifen -, dass es zu einer pauschalen Geldleistung kommt .
Denn mit den ersten beiden Fonds wurde die Erfahrung
gemacht, dass das Sachleistungsprinzip nur mit einem
extrem hohen Aufwand administriert werden konnte . Das
ist für alle Beteiligten nicht optimal gewesen .
In der Frage der Renten haben wir auch noch keine
Einigung erzielt . Ich habe ja gerade vorgetragen, dass wir
zwar zuversichtlich sind, ich aber heute bedauerlicherweise noch kein Ergebnis vorstellen kann . Es ist uns sehr
ernst, dass wir die Opfergruppen gleichwertig behandeln
wollen . Das ist die Absicht der Bundesregierung .
Vielen Dank . - Die Kollegin Keul hat hierzu noch eine
Nachfrage .
Vielen Dank . - Da wir gerade über behinderte Kinder
in stationären Einrichtungen sprechen, habe ich eine aktuelle Nachfrage zu der Berichterstattung bezüglich freiheitsentziehender Maßnahmen . Es ist ja, insbesondere in
Anbetracht der Vorfälle in Bayern, die Frage aufgeworfen worden, wie es sich eigentlich mit dem Spannungsverhältnis zwischen elterlicher Sorge und Richtervorbehalt bei freiheitsentziehenden Maßnahmen verhält .
Deswegen wüsste ich gern: Befassen Sie sich derzeit
mit dieser Problematik, und gibt es vielleicht auch schon
ein Meinungsbild dazu, ob hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht?
Ich antworte Ihnen gern, Kollegin Keul . - Die Fonds
und die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“, die wir planen und für die wir uns einsetzen, bieten uns einen Blick
in die Vergangenheit . Das Thema, das Sie ansprechen, ist
medial und in der politischen Diskussion ganz aktuell . Es
ressortiert nicht im Ministerium für Arbeit und Soziales .
Ich muss, ehrlich gesagt, zugeben: Ich kann Ihnen wahrscheinlich keine so fundierte Auskunft geben, wie Sie sie
zu Recht von der gesamten Bundesregierung erwarten
können . Deshalb ist meine herzliche Bitte, dass Sie Ihre
Frage an das zuständige Ministerium adressieren .
Danke . - Ich sehe keine weiteren Nachfragen .
Dann kommen wir zur Frage 43 der Abgeordneten
Katrin Werner:
Welchen Inhalt und welche Ergebnisse hatte das Gespräch
zwischen Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales und Selbstvertretungsorganisationen von Menschen
mit Behinderungen und deren Verbänden, das am 4 . Mai 2016
von Christian Westhoff, Pressesprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, während einer Demonstration vor
dem Bundesministerium zugesagt wurde?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin .
Vielen Dank . - Diese Frage ereilte uns noch vor dem
Termin . Der Termin, über den ich berichte, hat gestern
stattgefunden, Kollegin Werner . Am 10 . Mai dieses Jahres habe ich im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Gespräch mit mehreren Abgesandten behinderter
Menschen geführt . Breiten Raum in dem mehrstündigen Gespräch zum Entwurf des Bundesteilhabegesetzes
nahmen die vorgetragenen Kritikpunkte ein, die unter
anderem das Wunsch- und Wahlrecht, die Anrechnung
von Einkommen und Vermögen, die gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen der sozialen Teilhabe, das
Zusammenspiel von Eingliederungshilfe und Hilfe zur
Pflege oder die Öffnungsklauseln für abweichende Länderregelungen - ich nenne das alles beispielhaft - betrafen .
Die geäußerten Sorgen und Ängste wurden auch mit
Befürchtungen dahin gehend begründet, wie dieses Gesetz von den zuständigen Stellen in den Ländern ab dem
Jahr 2020 umgesetzt werden würde . Ich habe dargelegt,
dass viele der vorgetragenen Punkte aus der Sicht des
BMAS anders bewertet würden . Insbesondere würde ich
nicht die Einschätzung teilen, dass es sich bei diesem Gesetz, das für den Bund ab 2020 Ausgaben in Höhe von
rund 700 Millionen Euro jährlich vorsieht, um ein Spargesetz handelt . Dennoch werden wir die Befürchtungen
ernst nehmen . Sie werden in das weitere Verfahren der
Gesetzgebung einfließen.
Vielen Dank . - Die Kollegin Werner hat noch Nachfragen; das sehe ich ihr an . Bitte schön .
Danke schön . - In der Tat habe ich Nachfragen . Sie
haben viele Bereiche und die Befürchtungen der Selbstvertretungsorganisationen angesprochen . Unter anderem
wurde Ihnen ja mitgeteilt, dass man im Moment große
Angst hat, dass es in vielen Bereichen zu Verschlechterungen kommt, dass man eher in die Richtung tendiert,
zu sagen: „Lieber gar kein Gesetz“, und die kleinen Veränderungen und Verbesserungen im SGB IX zu regeln .
Es gibt also immer mehr Menschen, die sagen: Wir sagen
zu diesem Gesetz Nein; das ist nicht mein Gesetz . - Insofern ist meine Nachfrage, wie Sie mit diesen Ängsten
umgehen . Sie müssen ja nicht nur aktiv daran arbeiten,
die Menschen zu beteiligen, sondern auch daran, tatsächlich Dinge zu ändern . Welche konkreten Maßnahmen
werden dabei ergriffen? Das ist mir ziemlich unverständlich . Als das Gespräch am 4 . Mai dieses Jahres bei Ihnen im Ministerium stattgefunden hat, waren auch die
Kollegin Rüffer und ich da, und man hat den Frust der
Menschen gespürt .
Frau Staatssekretärin .
Frau Kollegin Werner, wir haben die Abgeordneten
gestern empfangen . Ihnen oblag, ihre Themen vorzutragen . Wir haben mit wirklich großer Aufmerksamkeit
zugehört und ein wenig kontrastiert, wie unsere Bewertung ist . Es wird Sie nicht überraschen, dass wir uns der
Bewertung, die vorgetragen wurde, nicht angeschlossen
haben . Gleichwohl haben wir viel Verständnis für die
Sorgen . Viele Sorgen haben ja damit zu tun, dass Menschen, die wesentliche Behinderungen haben, über viel
Erfahrungswissen verfügen, ihre Erfahrungen aber nicht
nur gute sind .
Das andere ist: Es ist für alle Beteiligten - in ganz besonderem Maße natürlich für die Betroffenen - wirklich
eine Anstrengung, sich auf einen großen Reformprozess
einzulassen . Dafür haben wir sehr großes Verständnis .
In Bezug auf die Bewertung der einzelnen Elemente des Gesetzentwurfes haben wir teilweise ganz unterschiedliche Sichtweisen . Bei dem einen oder anderen,
was vorgetragen wurde, können wir aber - wie soll ich
sagen - nachfühlen, dass Sorgen bestehen, und wir sind
an solchen Stellen selbstverständlich bereit, zu sagen:
Wir prüfen noch einmal, ob das berechtigte Befürchtungen sind oder ob diese Sorgen möglicherweise eine andere Ursache haben . Das wird man sehen .
Wir sind also mit den Personen im Kontakt, die gestern unsere Gäste waren . Allerdings teilen wir nicht die
Einschätzung, dass es richtig wäre, dieses Gesetzesvorhaben nicht weiterzuverfolgen .
Frau Werner, noch eine Nachfrage? - Bitte schön.
Ich habe eine zweite Nachfrage . Man konnte nachlesen und auch hören, dass unter anderem auch noch einmal
über den Zeitplan gesprochen wurde. Danach finden die
Länderanhörung am 23 . Mai 2016 und die Verbandsanhörung am 24 . Mai 2016 statt, und unter anderem wurde
auch der 23 . September 2016 erwähnt .
Allerdings habe ich auch gehört und wahrgenommen,
dass es sein könnte, dass der Gesetzentwurf das Kabinett
bzw . den Kabinettstisch bis zum Sommer gar nicht erreichen wird . Das würde ja heißen, dass es bis zum 23 . September 2016 durchaus gar keine Vorlage geben könnte .
Gibt es einen zweiten Fahrplan, also einen Plan B, dafür,
wie wir in dem ganzen Verfahren weiter verfahren wollen, oder müssen wir uns darauf einstellen, dass es in dieser Wahlperiode kein Bundesteilhabegesetz geben wird?
Frau Kollegin Werner, mir steht es gar nicht zu, Sie
über den parlamentarischen Ablauf einer Gesetzesberatung zu informieren . Das wissen Sie mindestens so gut
wie ich .
Ich will aber einfach nur sagen: Wir befinden uns im
Augenblick in einem sehr frühen Stadium, nämlich in der
Ressortabstimmung, und bevor ein Gesetzentwurf das
Kabinett erreicht, findet typischerweise eine Verbändeanhörung statt . Erst im Anschluss daran erfolgt das parlamentarische Verfahren, und da das Bundesteilhabegesetz
ein zustimmungspflichtiges Gesetz sein wird, ist auch der
Bundesrat vollumfänglich zu beteiligen .
Insofern: Die Daten, die Sie genannt haben, sind
durchaus zutreffend, soweit mir das bekannt ist . Das ist
der Routineablauf bei zustimmungspflichtigen Gesetzen,
und dieses Parlament ist ja sehr stolz darauf, dass ihm
nicht nur die Beratung der Gesetzentwürfe obliegt, die
dem Haus vorgelegt werden, sondern gegebenenfalls
auch ihre Veränderung .
Danke . - Die Kollegin Rüffer hat jetzt noch eine
Nachfrage . Bitte schön .
Vielen Dank für die Gelegenheit . - Frau LösekrugMöller, Sie haben gestern selber mit den betroffenen
Menschen gesprochen und wissen, dass dort große Sorge
herrscht . Manchmal ist es sinnvoll, dass man durch einfache Ja- oder Nein-Antworten den Menschen diese Sorge
nimmt .
Die Sorge betrifft unterschiedliche Punkte . Es geht
zum Beispiel um die Anrechnung des Einkommens und
des Vermögens . Sie haben einmal argumentiert, dass das,
was Sie vorlegen, eigentlich den Einstieg in den Ausstieg
darstellen soll .
Meine Frage, die sehr viele Leute umtreibt, lautet: Teilen Sie die Auffassung, dass sich auf der Grundlage des
Referentenentwurfs, der uns vorliegt, für einen Großteil
der großen Gruppe von Menschen, die Leistungen der
Eingliederungshilfe und auch Hilfe zur Pflege in Anspruch nehmen, aufgrund der Anrechnung des Einkommens und des Vermögens nichts bzw . einiges sogar negativ verändern wird?
Frau Kollegin Rüffer, die Sorge, dass sich etwas negativ verändern wird, wenn die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege zusammenfallen, teile
ich nicht . Das kann ich dem Gesetzentwurf auch nicht
entnehmen . Gleichwohl weise ich darauf hin, dass wir
mit dem Gesetzentwurf die Eingliederungshilfe reformieren und sie in einen entsprechenden Leistungstatbestand im SGB IX übertragen . Wenn aber Leistungen der
Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege zusammenfallen, ist es richtig, dass wir den Bereich der Hilfe zur
Pflege in diesem Gesetz nicht reformieren. Das ist nicht
Gegenstand dieses Entwurfes .
Vielen Dank . - Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs . Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Die Frage 44
des Kollegen Harald Ebner wird schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Die Fragen 45 und 46 der
Kollegin Katrin Kunert werden ebenso schriftlich beantwortet .
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde .
Es tut mir leid für die Besucherinnen und Besucher
auf der Tribüne, aber die Sitzung ist jetzt bis 15 .35 Uhr
unterbrochen . - Ich freue mich, Sie wiederzusehen .
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu TTIP
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Dr . Anton
Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Erst einmal möchte ich mich bei dem unbekannten Whistleblower dafür bedanken, dass wir heute
überhaupt inhaltlich über diese Fragen debattieren können . Denn mithilfe dieses Leaks ist endlich klar, worüber
verhandelt wird - zumindest in Teilen -, und das Schweigekartell, das diese Bundesregierung errichtet hat, ist
endlich durchbrochen .
({0})
Die Papiere zeigen, dass die Sorgen der Menschen, die
Sorgen all derjenigen, die gegen dieses Abkommen in der
Form sind, mehr als berechtigt sind .
({1})
In diesen Papieren wird nämlich gezeigt, welche Deals
angedacht sind . Zwar soll es einige wenige Vorteile für
die Autoindustrie geben . Es ist dafür aber angedacht, die
Landwirtschaft in Europa, in Deutschland, in Bayern und
Baden-Württemberg, wo sie insbesondere noch kleinteilig ist, zu verkaufen und zu verraten . Das wird darin nun
deutlich .
({2})
Ein weiterer Punkt, der in diesen Papieren deutlich
wird, ist, dass die regulatorische Kooperation in ganz
großem Umfang umgesetzt werden soll . Was kann man
sich unter regulatorischer Kooperation vorstellen? Es ist
angedacht, dass insbesondere die Wirtschaftslobbyisten
sehr frühzeitig in die Gesetzgebung und in die Regulation einbezogen werden sollen, und zwar noch frühzeitiger
als jetzt . Ich glaube, wenn Sie eine Umfrage unter vielen
Menschen machen und fragen, ob das Hauptproblem,
das wir zu lösen haben, ist, dass Wirtschaftslobbyisten
zu wenig in die Gesetzgebung einbezogen werden, dann
werden Sie verdammt wenig Zustimmung finden. Ich
glaube, die meisten Menschen sind der Meinung, dass
die Wirtschaftslobbyisten zu viel Einfluss auf die Gesetzgebung dieser Bundesregierung haben .
({3})
Ihr zuständiger Parlamentarischer Geschäftsführer hat
auf Twitter mitgeteilt, dass er sich auf die heutige Debatte freut . Da frage ich mich, wo er ist . Sie sagen immer:
Man muss den Menschen nur mehr Informationen geben . Man muss die Menschen nur aufklären über dieses
Abkommen, dann würden sie schon sehen, dass es gut
ist . - Dann verstehe ich allerdings nicht, warum Sie so
eine Geheimniskrämerei daraus machen, wenn Sie doch
überzeugt sind, dass die Menschen glauben, dass es gut
ist, wenn Sie sie nur aufklären .
Es lässt sich etwas ganz Spannendes feststellen: Je
mehr die Menschen über dieses Abkommen wissen, je
besser sie Bescheid wissen und je intensiver sie sich informiert haben, desto stärker sind sie gegen dieses Abkommen . Und zu Recht sind sie stärker gegen dieses
Abkommen! Die Papiere zeigen nämlich, dass dieses Abkommen nicht im Interesse der Menschen in Deutschland
und in Europa ist .
({4})
Nehmen wir einmal das Beispiel der Landwirtschaft .
Herr Kauder und Frau Merkel haben sich in dieser Woche bestürzt und traurig darüber gezeigt, in welch großen
ökonomischen Schwierigkeiten die Landwirtschaft ist .
Ja, man kann sagen: Nach zehn Jahren CDU/CSU-Landwirtschaftsministern geht es den Bauern so schlecht wie
noch nie in der Geschichte .
({5})
Schauen Sie sich an, wie sich der Preis für Milch entwickelt hat . Schauen Sie sich an,
({6})
wie sich der Preis für Schweinefleisch entwickelt hat.
Schauen Sie sich an, wie sich der Preis für Hähnchenfleisch entwickelt hat. Wenn Sie hier „Quatsch“ schreien,
dann rate ich Ihnen: Reden Sie doch einmal mit einem
Milchbauern,
({7})
und fragen Sie ihn, ob er es toll findet, dass er für 1 Liter
Milch noch 20 Cent bekommt, während die Produktionskosten bei 40 Cent liegen .
({8})
Sie sind ja an der Basis gar nicht mehr verankert .
({9})
Was geben Sie der betroffenen Landwirtschaft außer einer geplanten Absenkung der Standards für Verbraucher
und Umwelt als Antwort? Sie veranstalten so einen kleinen Milchgipfel, bei dem schon jetzt klar ist, dass dabei
nichts herauskommt .
({10})
Auf der anderen Seite wollen Sie die Landwirte einer
gnadenlosen Konkurrenz aussetzen . Haben Sie sich die
Landwirtschaftsstruktur in den USA einmal angeschaut?
Da sind die Betriebe im Schnitt dreimal so groß, wie es
die Betriebe in Deutschland im Schnitt sind .
({11})
Schauen Sie sich an, um wie viel größer die Betriebe
in den USA als zum Beispiel die in Bayern oder in Baden-Württemberg sind, in denen wir noch eine mittelständische und kleinteilige Landwirtschaft haben . Schauen Sie sich an, wie das Konkurrenzverhältnis sein wird .
Dann wissen Sie, wie das Ganze am Ende ausgeht . TTIP
ist ein Beschleunigungsprogramm fürs Höfesterben . Das
ist das Abkommen, das Sie hier unterstützen .
({12})
Allein das ist schon ein Grund, warum wir dieses
Abkommen ablehnen und warum diese Verhandlungen
gestoppt werden müssen . Was wir brauchen, ist ein faires und transparentes Abkommen . So ein Abkommen
brauchen wir; ein Abkommen, in dem auf die Standards
Wert gelegt wird und in dem der Klimaschutz von Paris
berücksichtigt wird . Solche Abkommen bräuchten wir .
Dafür hätten Sie auch unsere Unterstützung . Dafür hätten
Sie auch die Unterstützung der Bevölkerung .
({13})
Vielen Dank . - Das Wort hat jetzt Bundesminister
Sigmar Gabriel . Bitte schön .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Hofreiter hat darauf hingewiesen, dass es ein Abkommen, wie er es beschrieben hat und wie es aus den
Dokumenten der Vereinigten Staaten deutlich geworden
ist, nicht geben darf . Das steht fest . Das ist völlig unumstritten . Niemand, schon gar nicht die Bundesregierung
oder der Deutsche Bundestag, würde einem Abkommen
zustimmen, in dem das stehen würde, was Sie eben gesagt
haben oder was durch die Greenpeace-Veröffentlichung
der amerikanischen Dokumente öffentlich geworden ist .
Niemand würde ein solches Abkommen unterstützen .
({0})
Das ist aber nichts Neues . Die Behauptung, dass das,
was veröffentlicht wurde, völlig neu ist, stimmt nun gar
nicht .
({1})
Sie können all das, was Sie eben gesagt haben, in den
Reden der neben Ihnen sitzenden Kollegin Dröge im
Deutschen Bundestag, in den Debatten des Bundestages
und in den in der Öffentlichkeit geäußerten Befürchtungen nachlesen .
({2})
Seit über einem Jahr diskutieren wir jeden einzelnen
Punkt von dem, was jetzt quasi als Dokument der USA
veröffentlicht wurde, hier im Deutschen Bundestag .
({3})
Nichts davon ist neu . Nichts davon ist so, dass irgendjemand im Bundestag gesagt hätte: Das wollen wir . - Seit
mehr als zwölf Monaten sage ich, sagen hier die Redner:
Das wollen wir nicht .
({4})
Geheimniskrämerei macht nicht die Bundesregierung .
Vielmehr haben wir ein Minimum an Transparenz gegen
die Europäische Kommission durchgesetzt und immer
gesagt: Es ist ein Riesenfehler, dass die Europäische
Kommission und die Amerikaner nicht bereit sind, das
Verfahren wesentlich transparenter zu machen .
({5})
Ich verstehe, dass man als Oppositionspartei Differenzen erzeugen muss - manchmal muss man das sogar in
der Regierung -,
({6})
weil man sonst nicht erkannt wird . Aber da es sich um
ein wichtiges Thema handelt, finde ich, sollten wir das
auch ernsthaft behandeln . Wir wissen doch inzwischen
nun ganz genau, wo die roten Linien verlaufen sollen .
Diese sind unumstritten . Die Frage ist: Reicht das eigentlich? Es ist richtig, zu sagen, was man nicht will. Aber
ich finde, mindestens genauso wichtig ist es, zu sagen,
was man will, und das tun wir fast überhaupt nicht . Weder wir noch das Europäische Parlament . Sondern wir
beschäftigen uns nur mit dem, was wir nicht wollen . Ich
finde, das ist dem größten Handelsraum der Welt, Europa, nicht angemessen .
({7})
Das Problem ist: Wenn man damit beginnt, dann kann
man nicht mehr öffentlich sagen: Ich bin gegen Freihandelsabkommen .
({8})
Dann muss man vielmehr sagen: Ich bin dafür, aber sie
müssen wie folgt aussehen .
Dann ist es natürlich schwieriger, öffentliche Demonstrationen zu organisieren. Trotzdem finde ich: Wenn wir
es damit ernst meinen, dann müssen wir definieren, was
wir wollen .
({9})
- Haben Sie eine Frage? Melden Sie sich doch zu einer
Zwischenfrage; die beantworte ich .
({10})
Ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht möchten .
({11})
- Das geht nicht?
In der Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen .
Hoffentlich gibt es bald wieder eine Debatte, in der
Sie Fragen an mich richten dürfen .
({0})
- Am Freitag muss ich im Handelsministerrat über CETA
diskutieren .
({1})
Deswegen kann ich Sie dann leider nicht begleiten . Das
hätte ich gerne getan .
Meine Damen und Herren, wichtiger ist, dass wir uns
darüber im Klaren sind, was wir denn wollen . Wir sind
auf offene Märkte angewiesen . Das weiß doch jeder, der
dieses Land kennt und der Europa kennt . Zumindest jeder
Sozialdemokrat - ich hoffe, auch einige andere mehr weiß: Eine starke Industrie bedeutet Sozialpartnerschaft,
Mitbestimmung und anständige Tarifverträge . Die Industrie ist gerade in einem Land wie Deutschland auf offene
Märkte angewiesen .
Solche offenen Märkte brauchen gute Regeln . Märkte dürfen nicht regellos sein . Wenn beispielsweise die
Finanzmärkte regellos sind, dann führt das in die Katastrophe . Jeder liberale Ökonom wird sagen: Märkte brauchen Regeln . - Das müssen Regeln sein - alles, was Herr
Hofreiter dazu gesagt hat, ist richtig -, die die Demokratie schützen und das „right to regulate“ nicht irgendwelchen Regulationsgremien überlassen .
({2})
- Darüber diskutieren wir hoffentlich, weil wir genau das
bei CETA nicht machen. Ich finde, es ist wunderbar, dass
wir einen Text haben, bei dem wir nachweisen können,
dass wir genau das nicht tun .
({3})
Ich versuche nur, ganz sachlich die Chance zu ergreifen, Ihnen einmal recht zu geben . Dass Sie nicht einmal
das akzeptieren können, bedauere ich zutiefst, wie Sie
sich vorstellen können .
({4})
Ich finde übrigens, dass wir etwas anzubieten haben.
In diesen Regeln wollen wir weg von dem, was Sie alle zu Recht, wie ich finde - kritisieren, nämlich von Jahrzehnten des Standortwettbewerbs, bei dem es immer darum ging, schlechte Arbeitsbedingungen zu schaffen und
über Lohndumping und Umweltzerstörung Kosten- und
Marktvorteile zu erzielen und sozusagen die Arbeitnehmer gegeneinander bzw . die Verbraucher und die Umwelt
gegen Arbeitsplätze auszuspielen .
Das alles ist nicht das Interesse Deutschlands und
darf nicht das Interesse Europas sein . Deshalb müssen
wir politisch um Handelsabkommen kämpfen, die Recht
und Regeln schützen und stärken, statt sie auszuhöhlen .
Dazu muss man aber auch den Mumm haben . Man muss
auch sagen: Das will ich; ich habe keine Angst vor Verhandlungen; ich glaube, wir haben etwas einzubringen . Dann muss man auch sagen, was man einbringen will .
Sie aber haben in anderthalb Jahren nicht einen einzigen
Vorschlag im Deutschen Bundestag gemacht .
({5})
Aber das kann man nachholen . Die Chancen dafür,
das durchzusetzen, sind heute größer als vielleicht vor 10
oder 20 Jahren .
Ich bin also dafür, dass wir politisch um gute Handelsabkommen kämpfen, Recht und Regeln schützen und
stärken, statt sie auszuhöhlen, und das zum Gegenstand
einer Debatte machen, die nicht nur in Deutschland und
Europa stattfindet, sondern weit darüber hinaus. Schlechte Handelsabkommen zu verhindern, ist die eine Aufgabe, die wir haben, und TTIP so, wie es sich die Amerikaner vorstellen, darf und wird es nicht geben .
({6})
Übrigens schon deshalb nicht, weil die Amerikaner unter anderem vorschlagen, dass wir keinen Zutritt zu ihren öffentlichen Beschaffungsmärkten haben sollen . Ich
meine, ein Freihandelsabkommen, das den Marktzugang
verbietet, ist selbst klassischen Freunden von Freihandel
schwer zu erklären . Warum braucht man dafür, dass man
den Zugang verbietet, ein Freihandelsabkommen? Von
daher ergibt es auch ökonomisch keinen Sinn, so etwas
abzuschließen .
Aber ich finde, wir müssen die Debatte darüber führen,
was wir eigentlich wollen. Ich finde, es gibt eine Menge
Punkte, die wir in den letzten Jahren als Regeln der Globalisierung immer wieder öffentlich eingefordert haben:
Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz,
der Hinweis auf die Internationale Arbeitsorganisation .
Diese Punkte werden übrigens jetzt beim Abkommen mit
Kanada realisiert .
Was wir nicht brauchen, sind, glaube ich, zwei zeitliche Festlegungen . Die einen sagen: Zieht sofort den Stecker und verhandelt nicht weiter! - Ich finde, dass das
falsch ist, weil man damit die Chance aus der Hand gibt,
zu verhandeln und etwas zu erreichen .
({7})
Ich weiß, dass die Bundeskanzlerin und auch der amerikanische Präsident gesagt haben, dass wir das in diesem
Jahr abschließen sollen . Aber das Motto darf nicht lauten
„schnell vor gut“, sondern muss lauten „gut vor schnell“ .
Mir fehlt, ehrlich gesagt, angesichts dessen, was die
Amerikaner vorschlagen, ein bisschen die Fantasie, mir
vorzustellen, wie das in diesem Jahr geschafft werden
soll . Aber wir werden sehen, was im Juni als erstes Zwischenergebnis vorgelegt wird . Aber die Überschrift muss
lauten „gut vor schnell“, nicht umgekehrt .
Gerade bei dem Abkommen mit Kanada können wir
sehen, dass die Amerikaner die Kanadier für die Absicht
massiv kritisieren, ein solches Abkommen mit der Europäischen Union zu unterschreiben . Zumindest die Amerikaner wissen, dass CETA ein Schutzschild gegen ein
schlechtes TTIP ist . Dafür kritisieren sie die Kanadier .
Die Kanadier machen nun nach dem Regierungswechsel das, was ich mir gewünscht habe . Meine Damen und
Herren von der Opposition, Sie erinnern sich sicherlich,
dass wir hierüber ein paar Diskussionen geführt haben .
Ich war skeptisch, ob man das Abkommen noch ändern
kann . Sie haben mir immer gesagt: Du musst die privaten
Schiedsgerichte herausnehmen . - Ich habe immer gesagt:
Ich will es versuchen. Aber ob das geht? Das Abkommen
ist schon abgeschlossen . - Auf einmal gibt es nun das,
was Sie alle sich gewünscht haben .
({8})
- Sie werden später versuchen, mir das zu erläutern . Im
Text steht jedenfalls das Gegenteil .
({9})
Das Schöne ist: Das, was im Text steht, gilt, und nicht
das, was Sie der Öffentlichkeit weismachen wollen .
({10})
Wir werden in den Ausschuss gehen, CETA beraten
und zeigen, was dieses Abkommen beinhaltet . Wir werden dieses Abkommen nutzen, um den Amerikanern zu
sagen: Darunter geht nichts! - Es ist gut, dass die Arbeitnehmerrechte und Umweltschutzstandards als Ziele des
Vertrags anerkannt werden, dass sich beide Parteien bei
CETA auf die ILO-Konvention und die Einhaltung der
ILOKernarbeitsnormen verpflichtet haben und als Ziel
die Verbesserung bestehender Standards nennen, dass der
Dumpingwettbewerb in diesem Abkommen mit Kanada
explizit abgelehnt wird, dass der Vorrang demokratisch
legitimierter Regulation und Gesetzgebung gesichert
wird, dass das sogenannte „right to regulate“ in einem
gesonderten Artikel aufgeführt wird
Herr Minister .
- und dass nicht zuletzt die herkömmlichen Investor-Staat-Schiedsverfahren beendet und ersetzt werden
durch ein öffentlich legitimiertes Investitionsschiedsgericht mit öffentlich bestellten Richtern und einer Berufungsinstanz . Das hat es noch nie gegeben .
Herr Minister!
Ich finde, dass das ein progressives Abkommen ist.
Wir sollten es nutzen, um zu zeigen, wie moderne Handelsabkommen aussehen sollten . Aber wir sollten nicht
so tun, als seien wir uneinig in der Ablehnung dessen,
was die Amerikaner bislang auf den Tisch gelegt haben .
Das, was die Amerikaner vorschlagen, will niemand . Ich
habe jedenfalls noch keinen getroffen, der so etwas will .
Weder die bayerische Landwirtschaft noch die SPD noch
die Grünen noch die Linkspartei wollen so etwas . Ich
verstehe, dass das für die Opposition nicht so schön ist .
Für die Aufklärung der Öffentlichkeit wäre es jedenfalls
nicht schlecht, das einmal öffentlich zu dokumentieren .
Vielen Dank .
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Sahra
Wagenknecht, Fraktion Die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Sigmar Gabriel, das war jetzt ganz großes Kino
mit beachtlichem schauspielerischen Einsatz . Es hat nur
leider überhaupt nichts damit zu tun, wie die Bundesregierung die ganzen Jahre über in Bezug auf die Freihandelsabkommen TTIP und CETA real agiert und regiert
hat . Es hat nichts damit zu tun!
({0})
Sie täuschen die Öffentlichkeit und verkaufen sie für
dumm .
Der Leak, für den ich wirklich dankbar bin, hat uns
ganz klar gezeigt, dass alle Befürchtungen und Kritiken
voll berechtigt sind . Wir haben es jetzt schwarz auf weiß:
TTIP bringt - zumindest ist das die klare amerikanische
Position, unterhalb derer es dieses Abkommen nicht geben wird; das geht daraus hervor - Genfood und Hormonfleisch. TTIP bringt Gifte in unsere Hautcremes und
Chemikalien in unser Kinderspielzeug, die bisher aus
gutem Grund in Europa verboten sind .
({1})
Das ist die Position, die in diesen Dokumenten deutlich
wird .
({2})
Es bringt außerdem eine Sonderjustiz und Klagerechte für große Konzerne, mittels derer sie in Zukunft jede
Regierung, die sich nicht in vorauseilendem Gehorsam
ihren Renditeinteressen unterwirft, vor den Kadi ziehen
können .
({3})
Ich höre wirklich gerne, Herr Gabriel, dass die Bundesregierung das alles nicht will . Sie haben das jetzt gesagt . Aber ich frage mich schon: Weshalb gibt es dann
nicht von der Bundeskanzlerin eine ähnlich klare öffentliche Verdeutlichung ihrer Position, wie sie beispielsweise der französische Präsident Hollande vorgenommen
hat?
({4})
Hollande hat ganz klar gesagt: Das, was jetzt vorliegt,
ist nicht zustimmungsfähig . - Wo ist das öffentliche Nein
von Frau Merkel? Es gibt dieses Nein nicht. Stattdessen
gibt es öffentlich inszenierte Kuscheltage mit Obama, es
gibt unterwürfige Komplimente, und es gibt eine Dauerwerbeschleife gemeinsam mit Obama für TTIP die ganze
Zeit des Besuches über . Ich fand: Das war oberpeinlich .
({5})
Eine Regierung, die so agiert, sollte sich auch nicht
wundern, dass immer mehr Menschen ihr das Vertrauen
entziehen . Einer Regierung, die seit Beginn der TTIP-Geheimkungelei wirklich alles versucht, um die Öffentlichkeit zu täuschen, kann doch wirklich kein Mensch mehr
vertrauen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da
diskutieren Sie, was Sie tun können, um aus Ihrem Jammertal bei Umfragen und Wahlergebnissen endlich herauszukommen .
({6})
Das ist doch nun wirklich nicht so schwer: Hören Sie
endlich auf, diese jämmerliche Politik mitzutragen, die
dem Großteil der Bevölkerung ins Gesicht schlägt .
({7})
Dann wird es Ihnen auch wahlpolitisch besser gehen .
Ich muss natürlich auch sagen: Ich kann alles unterschreiben, was Toni Hofreiter hier gesagt hat .
({8})
- Ja, klar . - Aber es ist leider nicht wirklich vertrauenerweckend, was man im neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg über die angeblichen
„substanziellen Vorteile“ von TTIP lesen kann . Da sehe
ich künftigen Abstimmungen im Bundesrat mit wenig
Zuversicht entgegen ({9})
und das, obwohl inzwischen auch klar ist, dass nicht nur
Arbeitnehmer und Verbraucher, sondern gerade auch
mittelständische Unternehmen zu den großen Verlierern
von TTIP und CETA gehören werden .
Herr Gabriel, Sie haben hier mehrfach von freiem
Handel geredet. Ich finde, schon der Begriff „Freihandelsabkommen“ für diese Art von Abkommen ist doch
ein einziges Lügenwort . Es geht doch überhaupt nicht um
freien Handel . Es geht um Sonderrechte und Privilegien
für große, transnationale Konzerne .
({10})
Es geht um ein Selbstermächtigungsgesetz für Kapitalinteressen, das Parlamente entmachten und letztlich die
Demokratie endgültig begraben soll .
({11})
Das ist doch das, worum es geht . So ein Projekt hat wirklich keinerlei Unterstützung verdient .
({12})
Alles, was ich bisher über TTIP gesagt habe, stimmt
mit wenigen Abstrichen auch für CETA, Herr Gabriel .
Deswegen muss ich fragen, wenn Sie jetzt so klar betonen, dass Sie TTIP so nicht wollen: Warum gibt es dann
die Unterstützung der Bundesregierung für diesen ganz
miesen Trick, nämlich jetzt CETA über die Hintertür der
europäischen Lobbykratie an den nationalen Parlamenten vorbei in Kraft zu setzen?
({13})
Warum betreibt die Bundesregierung das? Das ist doch
unglaublich .
CETA bedeutet, dass auch US-Konzerne die Vorteile
nutzen können . Auch CETA steht für Gift, Genfood und
Paralleljustiz . Alles das ist auch in diesem Abkommen
verankert . Jedes US-Unternehmen, das eine Filiale, eine
Niederlassung in Kanada hat - das sind 80 Prozent dieser
Unternehmen -, kann dann natürlich auch diese Rechte
nutzen .
({14})
Deswegen sage ich: Ich finde es skandalös, dass die
Bundesregierung das Verfahren, dass CETA über die europäische Ebene eingeführt werden soll, offensichtlich
akzeptiert .
({15})
Wir akzeptieren das nicht . Die Linke hat dazu eine
klare Position: Weg mit TTIP und weg mit CETA!
({16})
Niemand außer den Renditejägern in den oberen Konzernetagen braucht diese Abkommen .
Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Kollegin .
Ich bin gleich am Schluss . Einen Satz noch . - Wenn
Sie schon nicht den Mut und das Rückgrat haben, das
selbst zu entscheiden, dann lassen Sie die Bevölkerung
abstimmen . In den Niederlanden wird ein Volksentscheid
über CETA und TTIP vorbereitet . Ich frage mich: Wann
ist es endlich so weit, dass diese Form direkter Demokratie auch in Deutschland möglich wird? Die Linke wird
sich auf jeden Fall weiterhin dafür einsetzen .
({0})
Vielen Dank . - Das Wort hat jetzt der Kollege
Dr . Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich habe versucht, Herrn Hofreiter zuzuhören .
({0})
Ich habe auch versucht, Frau Wagenknecht zuzuhören .
Lieber Sigmar Gabriel, anders als Sie kann ich den beiden nicht wirklich recht geben .
({1})
Herr Hofreiter und Frau Wagenknecht haben für ungefähr alles auf dieser Welt, was aus ihrer Sicht schiefläuft,
TTIP verantwortlich gemacht . Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die niedrigen Milchpreise, die wir
heute in Deutschland haben, angeblich das Ergebnis der
momentanen Verhandlungen über TTIP .
({2})
Den entsprechenden Vertrag werden wir vielleicht im
nächsten Jahr schließen .
({3})
TTIP ist angeblich für das Höfesterben in der Landwirtschaft und auch für Strukturprobleme verantwortlich . Sie
haben wörtlich gesagt, durch TTIP würden Gift im Spielzeug und Sondergerichte ermöglicht .
({4})
Außerdem war von einem Ermächtigungsgesetz - das
ist schon starker Tobak; das muss ich schon sagen - die
Rede . Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da gesagt haben . Ein
Ermächtigungsgesetz wurde in diesem Hause tatsächlich
einmal diskutiert. Ich bezweifle, dass Ihre Wortwahl richtig gewesen ist . Sie sprachen von einem Ermächtigungsgesetz für Konzerne zur Aushebelung der Demokratie .
Das ist Ihrer Meinung nach TTIP . Ich muss Ihnen sagen:
Da kann ich Ihnen nicht zustimmen .
({5})
Es geht vielmehr darum, den größten Wirtschaftsraum
der Welt mit 800 Millionen Menschen, mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 50 Prozent und einem Drittel
des Welthandels zu schaffen . Dafür gibt es ein Verhandlungsmandat, das auch Deutschland wie 27 andere
EU-Länder der EU-Kommission, die für die Verhandlungen zuständig ist, erteilt hat .
({6})
Dieses Verhandlungsmandat wird jetzt in dem Sinne genutzt, dass verhandelt wird . Sie haben das Ganze aber
von Anfang an skandalisiert . Bevor die erste Verhandlungsrunde begonnen hat, haben die Grünen und auch die
Linken in diesem Hause gesagt: „TTIP-Verhandlungen
abbrechen“; denn sie wussten ja schon, was aus diesen
Verhandlungen herauskommt .
({7})
Dann wurde das Chlorhuhn bemüht . Das ist zum Rohrkrepierer geworden; das Chlorhuhn bemüht heute keiner mehr . Dann war von Geheimverhandlungen und
einer Paralleljustiz, die eingeführt werden sollte, die
Rede . Nachdem das alles verpufft ist, spricht man jetzt
von Whistleblowing und „TTIP-Leaks“ . Was ist „TTIPLeaks“? Es werden Verhandlungspositionen der Amerikaner, Verhandlungspositionen der EU von vor Monaten
als Neuigkeiten skandalisiert .
Ich muss sagen: Ich kann überhaupt nichts Skandalträchtiges an diesen Verhandlungen finden.
({8})
Es ist banal und in jeder Verhandlung so: Wenn die Fraktionen in einem Ausschuss über einen Gesetzentwurf
verhandeln, haben sie unterschiedliche Positionen . Diese
Positionen sprechen sie vorher ab, und dann verhandeln
sie miteinander . Danach kommt es zu einem Ergebnis .
Diese Verhandlungen führen wir selten öffentlich . Etwas
anderes ist zumindest mir nicht bekannt . Die Verhandlungen im Ausschuss für Wirtschaft und Energie werden
nichtöffentlich geführt . Auch die Verhandlungen zwischen den Koalitionsfraktionen werden nichtöffentlich
geführt . Dann gibt es ein Ergebnis, und dieses Ergebnis
wird dann selbstverständlich öffentlich diskutiert und
beleuchtet. Ähnliches findet bei Tarifverhandlungen, eigentlich überall statt .
({9})
- In Baden-Württemberg haben gerade Koalitionsverhandlungen stattgefunden . - Auch ich hätte mir etwas
anderes gewünscht, als mit Ihrer Partei verhandeln zu
müssen, Herr Hofreiter . Aber so ist es halt im Leben .
Man kann sich die Verhandlungspartner nicht immer
aussuchen . Der Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg
wurde meines Wissens nichtöffentlich verhandelt . Auch
das ist ein Skandal . Auch da hätte man irgendwelche
Verhandlungspositionen veröffentlichen und als „Koalitionsverhandlungs-Leaks“ bezeichnen können . Ich muss
sagen: Es ist wirklich abwegig, was hier versucht wird .
Mich würde einmal interessieren, zu erfahren, was Sie
wollen . Herr Minister hat es angesprochen: Sagen Sie
doch einmal, wie Sie sich TTIP oder CETA vorstellen!
({10})
Dann können wir versuchen, Entsprechendes zu verhandeln .
({11})
Ich glaube, wir sollten in aller Ruhe die Verhandlungen zum Ende führen .
Und Sie sollten auch Ihre Rede zum Ende führen .
Dann gibt es ein Ergebnis, über das wir in diesem Haus
diskutieren werden . Danach werden wir abstimmen . So
haben wir es im Übrigen in der Vergangenheit bei ungefähr 200 anderen Freihandelsabkommen auch getan,
({0})
leider meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil es
keinen Menschen interessiert hat, aber nicht, weil das geheim war .
Herr Pfeiffer!
Selbstverständlich, Frau Präsidentin, komme ich zum
Ende .
Aber schnell .
({0})
Wir haben ja bereits am Freitag wieder Gelegenheit,
uns diesem Thema zuzuwenden . Ich hoffe, dass wir dann
von den Grünen und den Linken hören, was wir bei CETA
und TTIP besser machen können, statt überhaupt nichts
zu machen und die Globalisierung nicht zu gestalten .
Herr Pfeiffer!
Jawohl .
({0})
Der nächste Redner in der Debatte: Ingbert Liebing
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich vermute, die Grünen haben die Aktuelle Stunde, die Haltung der Bundesregierung zu TTIP zu hinterfragen, beantragt, um uns, die Regierung und die Koalition, vorzuführen .
({0})
Aber angesichts der Auftritte von Herrn Hofreiter und
Frau Wagenknecht kann ich nur fragen: Wofür eigentlich
dieser Antrag auf eine Aktuelle Stunde? Der Erkenntnisgewinn aus Ihrem „Aufschlag“ ist gleich null .
({1})
Das Einzige, was Sie geliefert haben, ist die permanente Wiederholung von längst widerlegten Vorurteilen, die
Sie hier schüren . Es sind platte Vorurteile, die Sie hier
bringen, null Erkenntnisgewinn .
({2})
Es wird Ihnen auch in der Sache nicht gelingen, die
Bundesregierung oder die Koalition vorzuführen .
({3})
Das hat der Bundeswirtschaftsminister deutlich gemacht .
({4})
Auch wir machen deutlich, dass wir diese Verhandlungen
mit einer gemeinsamen Position begleiten und zu einem
Erfolg führen wollen .
Mir ist in der Diskussion aufgefallen, dass Sie völlig
widersprüchlich argumentieren .
({5})
Auf der einen Seite beklagen Sie sich über mangelnde
Transparenz und sagen, es sei alles geheim; Sie sprechen
über Verschwörungstheorien . Aber ich frage Sie: Wie
kommen Sie, wenn alles so geheim wäre, dazu, schon
die Ergebnisse zu bewerten? Wenn alles so geheim wäre,
gäbe es doch noch gar nichts auf dem Markt . Tatsache
ist doch, dass ganz viel in der Diskussion ist . Wir führen
überall, quer durch die Republik, Diskussionen mit Ihnen über die einzelnen Sachverhalte und haben Ihre Argumente schon längst widerlegt . Eines von beidem kann
nur also stimmen: Entweder sind das Geheimverhandlungen - dann kann es gar nichts an Ergebnissen oder
Fakten geben, die öffentlich bewertet werden könnten -,
oder wir streiten öffentlich über bestimmte Themen - das
tun wir ja -; aber dann ist Ihr Vorwurf der Intransparenz
nicht richtig .
Wir haben heute Morgen im Wirtschaftsausschuss
Diskussionen zu diesem Thema geführt, allerdings viel
sachlicher als in den Beiträgen von Herrn Hofreiter oder
Frau Wagenknecht, weil wir uns um die einzelnen Sachverhalte gekümmert haben und auch darüber diskutiert
haben, wo eigentlich die Chancen liegen und was unsere eigene Zielsetzung ist . Wir haben mit dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages,
Herrn Dr . Schweitzer, gesprochen, der deutlich gemacht
hat, dass es gerade im Interesse der deutschen mittelständischen Wirtschaft liegt, dass wir zu klaren Regeln im
Welthandel kommen; denn der Welthandel findet statt, ob
wir es wollen oder nicht . Ich sage ausdrücklich: Ja, wir
wollen ihn, weil es in unserem nationalen Interesse als
Exportnation liegt, Welthandel zu haben; aber wir wollen die Regeln des Welthandels mitbestimmen . In diesen
Monaten befinden wir uns in der entscheidenden Phase.
Die Amerikaner verhandeln doch nicht nur mit uns, mit
Europa, sondern auch mit anderen Staaten, mit asiatischen Staaten . Die Frage ist: Wer setzt die Regeln für
freien Handel in dieser Welt fest? Spielen wir noch mit
eine Rolle, oder entscheiden andere? Ich bin dafür, dass
wir mit entscheiden und mit auf dem Spielfeld sind ({6})
im Interesse unserer deutschen Wirtschaft, im Interesse
unserer Arbeitsplätze; denn das sichert den Wohlstand in
unserem Land, und deswegen ist das richtig .
Ich will einen Aspekt noch kurz aufgreifen aus den
vielfältigen Szenarien, die immer in die Welt gesetzt
werden, aus den Horrorszenarien, was jetzt Großes
droht . Ich als kommunalpolitischer Sprecher bekomme
alle Resolutionen aus den kommunalen Vertretungen
auf den Tisch . Da geht es um die Besorgnisse, es würde
jetzt die öffentliche Daseinsvorsorge oder die kommunale Selbstverwaltung ruiniert werden . Auch das liegt
inzwischen transparent auf dem Tisch - es steht im Verhandlungsmandat der EU; es gibt klare Erklärungen der
Europäischen Kommission; ich verweise auch auf die
Verhandlungsergebnisse mit den USA -, dass sich hier
nichts, aber auch gar nichts verändert . Die kommunale
Selbstverwaltung wird nicht eingeschränkt . Die Daseinsvorsorge wird nicht infrage gestellt . Selbstverständlich
können die Kommunen weiterhin frei entscheiden, ob sie
die Wasserversorgung selber betreiben wollen, ob sie sie
privatisieren wollen oder nicht .
({7})
Es gibt keinen Zwang zur Privatisierung . Es gibt keinen
Zwang zur Ausschreibung . Dies alles ist klar und transparent geregelt .
Wer etwas anderes behauptet und weiterhin verbreitet,
({8})
tut es wider besseres Wissen und versündigt sich genau
an dem, was Sie doch einfordern, nämlich an einer offenen Diskussion mit der Bevölkerung . Sie schüren durch
unwahre Behauptungen bewusst Verunsicherung . Das ist
keine sachliche Diskussion . Das ist verantwortungslos .
({9})
Damit werden Sie dieser wichtigen Aufgabe nicht gerecht . Das haben Sie heute mit dieser Aktuellen Stunde
noch einmal unter Beweis gestellt . Schade um die Zeit,
die Sie hier dafür verbrauchen!
({10})
Vielen Dank, Kollege Liebing . - Der nächste Redner
ist Klaus Ernst für die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Liebing, was Sie gerade wieder unter Beweis gestellt haben, ist, dass Sie eigentlich gar keine Debatte darüber wollen . Dies fügt sich in diese Situation der
Intransparenz ein . Deshalb möchte ich an dieser Stelle
als Erstes für die tolle Aktion danken, die Greenpeace
hier gemacht hat .
({0})
Großartig! Das war eine großartige Sache . Was Greenpeace gemacht hat, hat zu mehr Transparenz beigetragen
als sämtliche Transparenzoffensiven der Europäischen
Kommission .
({1})
Wenigstens in dieser Frage könnten wir uns mal einig
sein, meine Damen und Herren . Die Kritikpunkte und
Befürchtungen der TTIP-Gegner, also der Empörungsindustrie, wie der Kollege Pfeiffer so gerne sagt, haben
sich als zutreffend erwiesen, und zwar nachlesbar in den
Texten .
Es freut mich natürlich, dass jetzt auch Teile der Sozialdemokratischen Partei zunehmend von TTIP abrücken .
Matthias Miersch sagt - Zitat -:
Unter solchen Bedingungen macht es keinen Sinn,
weiter zu verhandeln .
Katarina Barley, die Generalsekretärin der SPD, philosophiert öffentlich über ein Scheitern des Abkommens .
Selbst Herr Oppermann - er ist nicht mehr da - hat gesagt:
Die jetzt bekannt gewordenen Forderungen der
USA sind nicht akzeptabel .
({2})
Dazu eine kleine Anmerkung - das ist nicht böse gemeint -: So neu dürfte das für den Kollegen Oppermann
eigentlich nicht sein . Er hätte auch einmal in den
TTIP-Leseraum gehen können . Dann hätte er schon gewusst, was drinsteht .
({3})
Es ist alles nicht neu, Kolleginnen und Kollegen . Sei es
drum!
Ich möchte gern einmal aus dem Lukas-Evangelium
zitieren:
({4})
- Ich habe gewusst, dass da Freude aufkommt . - Darin
heißt es - ich möchte das zitieren -:
So wird auch Freude im Himmel sein über einen
Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig
Gerechte, die der Buße nicht bedürfen .
Da hat er recht . Ich freue mich, dass bei euch die Büßer
inzwischen mehr werden .
({5})
Aber nun zu Ihnen, meine Damen und Herren von der
Union . Da lese ich vom Kollegen Fuchs - Zitat -:
Gegen Rechtsverstöße von Greenpeace bei der laufenden Aktion muss sich der Rechtsstaat mit allen
Mitteln wehren .
({6})
So kommt er nicht in den Himmel, übrigens der Pfeiffer
mit seiner Position auch nicht .
({7})
- Regen Sie sich nur auf!
Zu Ihrer Reaktion „Es sind ja nur Verhandlungspositionen; da ist ja noch nichts entschieden“ möchte ich
mit aller Deutlichkeit sagen: Auf welcher Grundlage
wird denn entschieden? Auf Grundlage der vorhandenen Verhandlungspositionen, übrigens auch der der Europäischen Union, die teilweise genauso verworren und
schräg sind wie die der anderen . Deshalb sagen wir: Es
ist Unfug, wenn Sie hier behaupten: Es ist noch nichts
entschieden . - Wir wollen, dass diese Punkte nicht Bestandteil eines Vertrages werden .
({8})
Weil nichts anderes vorliegt, wollen wir, dass die Verhandlungen gestoppt werden .
({9})
Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes
weiter hinter die Fichte führen .
Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal die Verhandlungen an .
Erstens . Es soll einen Verhandlungsfortschritt bei
Kraftfahrzeugen, so die Haltung der USA, nur dann geben, wenn es ein Entgegenkommen bei den Agrarzöllen
gibt . Die europäischen Bauern können mit ihren kleineren Höfen kaum gegen die großen Agrarunternehmen
in den USA konkurrieren; das hat Toni Hofreiter richtig
gesagt . Was passiert, ist, dass die Bauern gegen die Automobilindustrie ausgespielt werden . Andere Möglichkeiten gibt es gar nicht, wenn das die Position ist .
Zweitens . Es geht in diesem Zusammenhang auch um
einen Verhandlungsfortschritt bei neuen Telekommunikationsdienstleistungen . Aus den Verträgen geht hervor,
dass es nur dann ein Ergebnis geben kann, wenn die
Amerikaner Zugriff auf unsere Datenflüsse bekommen.
Das ist interessant . Ich dachte, den haben sie schon .
({10})
Interessant und sehr aufschlussreich ist auch, dass gleichzeitig behauptet wird, Datenschutzfragen seien von TTIP
gar nicht berührt . Das war Ihre bisherige Behauptung,
entgegen allem, was wirklich Fakt ist .
Im Übrigen: Export von Erdgas aus den USA nach
Europa wird es nur bei Zugeständnissen im Bereich der
Investitionen geben, also bei den Schiedsgerichten, und
zwar in diesem Fall bei den privaten .
Meine Damen und Herren, hören Sie in diesem Zusammenhang endlich mit Ihrer Angstmache auf!
({11})
Ich kann es nicht mehr hören: Wenn wir es nicht machen,
dann bestimmen die anderen die Regeln . Wenn die anderen die Regeln bestimmen, sind wir außen vor . - Meinen
Sie ernsthaft, dass die Chinesen bei uns nichts mehr verkaufen wollen, wenn wir kein TTIP haben? Für wie blöd
halten Sie eigentlich die Leute? Die merken doch, dass
die Chinesen auf unseren Märkten schon vorhanden sind .
({12})
Glauben Sie, dass der Amerikaner bei uns nichts mehr
verkaufen will, weil es kein TTIP gibt? Oder glauben Sie,
dass sie plötzlich keinen Daimler oder keine anderen Autos mehr von uns fahren? So ein Unfug. Wir haben einen
riesengroßen Handel; wir sind sogar Weltmeister im Export . Und Sie wollen uns weismachen, ohne diese Handelsabkommen breche die Welt zusammen? Hören Sie
auf mit diesem Quatsch! Man kann es nicht mehr hören .
({13})
Vielen Dank, Klaus Ernst . - Um Irritationen auszuräumen: Ich kann im Bundestag nicht darüber abstimmen lassen, ob Herr Pfeiffer in den Himmel kommt oder
nicht . Das entscheidet sich an einer anderen Stelle .
({0})
- Deswegen habe ich es ja gesagt .
({1})
Der nächste Redner: Dirk Wiese für die SPD .
({2})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Vor gut zwei Jahren hat sich die SPD klare
Bedingungen gesetzt - einen Parteikonventsbeschluss,
bestätigt durch einen Bundesparteitag -, wann wir Ja
sagen und wann wir Nein sagen zu Freihandelsabkommen . Wir als SPD haben deutlich gemacht, dass wir einer Globalisierung Regeln geben wollen, dass wir keine
unregulierte Globalisierung wollen, dass wir Reformen
in den bestehenden Systemen auf den Weg bringen wollen . Wir haben das einmal deutlich gemacht durch den
Satz: Wandel durch Handel für eine faire Handelspolitik
im 21 . Jahrhundert . - Das, was wir bis jetzt erreicht haben, dass private Schiedsgerichte mittlerweile auf dem
Müllhaufen der Geschichte sind, dass wir es durch den
Druck von Sigmar Gabriel im Europäischen Parlament
geschafft haben, eine Resolution parteiübergreifend auf
den Weg zu bringen, hinter die es im Freihandelsabkommen nicht zurück geht, ist ein Erfolg der deutschen Sozialdemokratie . Darauf können wir bis zum heutigen Tag
stolz sein .
({0})
Liebe Frau Wagenknecht, ich muss Ihnen sagen: In
diesem Hohen Haus, an diesem Ort, an diesem Rednerpult einem Sozialdemokraten vorzuwerfen, dass er ein
Ermächtigungsgesetz zur Abschaffung der Demokratie
auf den Weg bringt, ist eine Frechheit und zeigt, wes
Geistes Kind Sie sind .
({1})
Ich habe zu Beginn gesagt, dass die SPD klare Bedingungen hat, wann wir Ja sagen zu Freihandelsabkommen
und wann nicht . Werfen wir einen Blick darauf, wo wir
heute beim Freihandelsabkommen TTIP stehen . Ich mache dies an Beispielen deutlich .
Die Amerikaner - Verhandlungsführer Froman hat es
auf der Hannover Messe gesagt - sehen kein Problem in
der Buy-American-Clause; das könnte man beibehalten .
Sie machen deutlich, dass der exportstarke Maschinenund Anlagenbau, den wir in Deutschland haben und der
viele Arbeitsplätze sichert - diese Arbeitsplätze wollen
wir behalten -, von den TTIP-Verhandlungen ausgenommen werden soll . Das ist meines Erachtens kein Verständnis von Freihandel . Helmut Schmidt hat einmal gesagt:
Märkte sind wie Fallschirme: sie funktionieren nur,
wenn sie offen sind .
Wenn die Amerikaner so weiterverhandeln, wird dieses
Abkommen nicht zustande kommen .
({2})
In unseren Bedingungen, die wir aufgeschrieben haben, haben wir auch deutlich gemacht, dass es kein Antasten des europäischen Vorsorgeprinzips geben wird .
Hier wird es mit der deutschen Sozialdemokratie kein
Aufweichen geben .
({3})
Das Vorsorgeprinzip bleibt unangetastet .
({4})
Ganz ehrlich - ich sage es hier ganz offen -: Ich fand
die Greenpeace-Aktion mit dem gläsernen Kasten, der
ein paar Meter von hier aufgestellt wurde, gut; das war
eine gute Aktion . Ich mache den Vorschlag, nicht nur die
Dokumente zu TTIP in diesem Leseraum auszulegen,
sondern auch den Koalitionsvertrag aus Baden-Württemberg,
({5})
damit sich alle Bürgerinnen und Bürger einen Eindruck
davon machen können, dass es bei den Grünen auf der einen Seite Kretschmann-Grüne und auf der anderen Seite
Hofreiter-Grüne gibt, die sich im Handeln völlig uneins
sind . Mit dem, was Sie, Herr Hofreiter, hier im Deutschen Bundestag sagen, betreiben Sie nichts anderes als
Wählertäuschung . Sie führen Ihre Wähler hinters Licht,
weil Sie in den Ländern für TTIP und CETA sind .
({6})
Ich will an Sigmar Gabriel anschließen . Sigmar
Gabriel hat völlig zu Recht gesagt, dass er nicht glaubt,
dass die Zeit bis zum Jahresende reichen wird, um die
Verhandlungen zum Erfolg zu führen . Weil immer wieder, auch von der Kanzlerin, gesagt wird, dass es bis
zum Jahresende zu einem Abschluss kommen muss, will
ich unserem Koalitionspartner sagen: Qualität geht vor
Quantität . Ich glaube, man muss noch einmal ganz genau
hineinschauen . Wir sollten ein gutes Abkommen auf den
Weg bringen und nichts übers Knie brechen, also nichts
vereinbaren, was im Widerspruch zu dem steht, was wir
alle hier im Hohen Haus wollen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz zum Abschluss
vielleicht noch ein Satz . Frau Wagenknecht, mit der
Rede, die Sie hier heute im Hohen Haus am Pult vorgetragen haben, hätten Sie - ganz ehrlich - jede Debatte zur
Bewerbung um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bestehen können .
({7})
Vielen Dank, Dirk Wiese . - Das Wort hat Katharina
Dröge für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, ich
wollte nach dem, was Sie hier gesagt haben, eigentlich
eine versöhnliche Rede halten . Der Kollege Wiese macht
mir das mal wieder schwer . Herr Wiese, was Sie hier am
Rednerpult erzählen, führt wirklich zu einer Täuschung,
einer Verblendung der Wählerinnen und Wähler, der Zuhörer . Sie tun hier so, als hätte Ihre Fraktion in irgendeiner Art und Weise rote Linien für TTIP definiert;
({0})
Sie haben gerade eine ganze Reihe von Punkten aufgezählt. Die Frage ist nur: Wo haben Sie das gemacht?
Haben Sie jemals auch nur einen einzigen Antrag in den
Deutschen Bundestag eingebracht,
({1})
in dem Sie eine einzige rote Linie definiert haben?
({2})
Sie zählen hier immer Dinge auf, wie beispielsweise den
Schutz des Vorsorgeprinzips, die Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge usw . Sie tun immer so, als hätten Sie irgendetwas dazu beigetragen, dass sich in den
TTIP-Verhandlungen etwas ändert . Nichts davon ist der
Fall .
Wir diskutieren hier seit 2013 im Deutschen Bundestag über unsere Kritik an dem Handelsabkommen . Wir
haben Antrag um Antrag ins Parlament eingebracht, mit
roten Linien, mit Bedingungen, die nicht verhandelt werden sollten . Wir haben es Ihnen echt leicht gemacht . Wir
haben nicht in jeden Antrag geschrieben: „TTIP stoppen“,
({3})
sondern haben geschrieben, die Bundesregierung solle
sich dafür einsetzen, dass die Punkte, die Sie gerade aufgezählt haben, nicht im Zusammenhang mit TTIP verhandelt werden . Immer wieder haben Sie das abgelehnt,
und nie haben Sie eine einzige Initiative dagegengestellt
und formuliert, was Sie sich eigentlich vorstellen .
({4})
Deswegen ist es wirklich eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler,
({5})
wenn Sie sich hierhinstellen und so tun, als hätten Sie irgendetwas dazu beigetragen, dass sich in den TTIP-Verhandlungen etwas bewegt .
Herr Gabriel, Sie haben als Erwiderung auf die Worte
meines Kollegen Anton Hofreiter gesagt, das, was wir an
TTIP kritisiert hätten, sei ja nicht neu, man könne es jetzt
in den Leaks lesen, insofern sei auch in den Leaks nichts
Neues zu erkennen . Neu ist nur Ihre Aussage, dass unsere
Kritik berechtigt ist . Das ist wirklich eine Erkenntnis aus
dieser Debatte . Sie haben hier über zwei Jahre hinweg
versucht, den Wählerinnen und Wählern zu erklären,
dass alle Kritikpunkte, die wir formuliert haben, unbegründet sind .
({6})
Was mussten wir uns alles hier im Bundestag von Ihnen
anhören: Das sei Panikmache, die NGOs würden eine
Empörungsindustrie betreiben, wir würden hier den Teufel an die Wand malen,
({7})
all das seien Dinge, über die bei TTIP überhaupt nicht
verhandelt werde! Jetzt gibt es diese Leaks, jetzt können
sich die Wählerinnen und Wähler, die Bürgerinnen und
Bürger selber ein Bild davon machen, worüber bei TTIP
verhandelt wird,
({8})
und auf einmal kommt die Kehrtwende . Auf einmal hatten Sie schon immer gesagt, dass wir recht haben . Auf
einmal kritisieren auch Sie den Verhandlungsstand . Ich
finde das, ehrlich gesagt, heuchlerisch.
({9})
Wir haben hier im Bundestag in den letzten zwei Jahren
andere Debatten geführt; das kann jeder in den Protokollen nachlesen .
Sie haben mich gefragt: Was ist neu nach den Leaks?
Neu ist, dass die Bürgerinnen und Bürger Sie jetzt fragen können, was Sie da eigentlich verhandeln . Sie sagen jetzt, dass Sie auch kritisch sehen, was in den Dokumenten stehe, aber die Verhandlungen seien ja noch
im Gange, das werde alles noch ganz anders . Sie haben
allerdings keinen einzigen Satz dazu gesagt, was in diesen Papieren über die Verhandlungen gut ist . Unsere Interpretation ist, dass nichts, worüber gerade verhandelt
wird, den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Europa
in irgendeiner Weise nützt .
Eine neue Erkenntnis ist, wie schlecht die Europäische
Union für uns verhandelt . Wo sind denn die positiven
Forderungen, für die es sich lohnen würde für TTIP zu
kämpfen?
({10})
Sie sagen immer: Wir müssen uns für ein besseres TTIP
einsetzen, wir müssen uns gegen die schlechten amerikanischen Vorschläge verteidigen . Aber angesichts der
geleakten Dokumente fragt man sich: Wo sind denn die
guten Vorschläge der Europäischen Union wie etwa die
Sicherung des Vorsorgeprinzips?
({11})
Sie, auch Frau Merkel, erzählen immer, dass keine Standards in Europa gesenkt werden, dass das europäische
Vorsorgeprinzip gesichert bleibt . Dann wirft man einen
Blick in die Leaks und stellt fest: Im Text ist ein ganz
langer Absatz der Amerikaner zu „science and risk“ enthalten . Sie wollen also ihr wissenschaftsbasiertes, risikobasiertes Regulierungsprinzip in TTIP hineinschreiben .
Dann sucht man in den Leaks nach dem europäischen
Vorsorgeprinzip und stellt fest: Es gibt keine einzige
Zeile dazu, dass die Europäische Union die Verankerung
des europäischen Vorsorgeprinzips in den Verträgen beantragt hat . Unterhält man sich mit Experten, stellt man
fest: Genau das ist aber notwendig, um das europäische Vorsorgeprinzip zu sichern, weil es gegenüber den
Schiedsgerichten, gegenüber der WTO schon jetzt ins
Hintertreffen geraten ist .
({12})
Wenn Sie das nicht in die Verträge schreiben, dann wird
das dazu führen, dass es immer wieder Urteile dieser
Schiedsgerichte geben wird, die das Vorsorgeprinzip infrage stellen .
Eine weitere neue Erkenntnis aus den Leaks ist, was
für eine riesige Bürokratie mit TTIP geschaffen werden
soll . Es wird nicht nur ein Kapitel zur regulatorischen
Kooperation geben . Vielmehr werden in allen Unterkapiteln Regulierungsräte und wissenschaftliche Beratungsgremien geschaffen - an deren Sitzungen können auch
Lobbyisten teilnehmen -, die über jedes neue Gesetz,
über jede neue Regulierung beraten und gegebenenfalls
sogar die Kompetenz haben sollen, die Annexe des Vertrages - dort sind die sensiblen Punkte des Vertrages enthalten - zu verändern .
Genau diese Diskussion haben wir in Bezug auf das
CETA-Abkommen schon einmal geführt . Sie vom Ministerium haben immer behauptet: Das steht da nicht .
Wir haben ein Jahr miteinander darum gerungen, ob das
im Vertragswerk steht oder nicht . Sie haben behauptet:
Das steht da nicht . Irgendwann mussten Sie einsehen:
Wir hatten recht; unsere Analysen waren richtig, es stand
doch drin . Dann haben Sie das im Hinterzimmer durch
Legal Scrubbing herausgestrichen, weil Sie wussten,
dass das große Probleme mit sich bringt . Jetzt sehen
wir im TTIP genau dieselben Formulierungsvorschläge,
nämlich dass es Gremien geben soll, die nicht demokratisch legitimiert sind und die dieses Abkommen am Ende
verändern können, ohne dass die Parlamente beteiligt
sind . Darüber müssen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen . Sie haben das bislang nicht getan . Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute diese Debatte hier im
Deutschen Bundestag führen .
({13})
Noch ein Wort zum Thema Schiedsgerichte im CETA .
Sie veranstalten wirklich eine beeindruckende Kampagne, ein beeindruckendes „Umframing“ dieser Schiedsgerichte .
({14})
Sie tun ernsthaft so, als hätten Sie verhandelt, dass es im
entsprechenden CETA-Kapitel einen ständigen Gerichtshof gibt . Das Gegenteil ist der Fall!
({15})
Sie haben lediglich einige kleine Korrekturen im Vertragstext durchgesetzt; ansonsten ist das alte System der
Schiedsgerichte weiter im CETA enthalten . Sie nennen
es einfach nur anders, um Ihrer SPD die Zustimmung zu
diesem Vertragstext zu ermöglichen, um eine Brücke zu
bauen, weil die SPD eigentlich gesagt hat, Schiedsgerichte lehne sie ab . Aber im CETA gibt es weiterhin das
System der Schiedsgerichte mit Richtern, die nicht unabhängig sind; das bestätigt der Deutsche Richterbund .
({16})
Es gibt weiterhin ad hoc einberufene Gerichte . Es gibt
weiterhin unklare Rechtsbegriffe wie „fair and equitable treatment“ und legitime Erwartungen, die weit interpretierbar sind . Es gibt weiterhin keine Begrenzung bei
der Schadenersatzsumme . All das, worüber die wir im
Deutschen Bundestag in Bezug auf die Schiedsgerichte
gestritten haben, ist weiterhin enthalten . Deswegen muss
klar sein: Es sind die Schiedsgerichte alter Form . Sie versuchen nur, das zu vertuschen, um dem Bürger irgendwie
zu erklären, warum Sie am Ende doch Ja zu CETA sagen .
({17})
Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen?
Mein letzter Satz. - Ich finde, es ist gut, dass wir angesichts der Leaks heute hier im Bundestag miteinander
über das reden können, was verhandelt wird . Sie als Bundesregierung haben bislang wenig dazu beigetragen, dass
es eine entsprechende Transparenz gibt .
({0})
Ich hoffe, Sie machen sich endlich auf den Weg . Es wurden neue Texte im Leseraum ausgelegt, sodass die Bürgerinnen und Bürger etwas über die Verhandlungen erfahren können . Sie tragen die Verantwortung . Sie müssen
sich in Brüssel für mehr Transparenz einsetzen
Ein Satz!
- und für verbesserte Bedingungen . Sie haben die Verantwortung, zu erklären, wie man das Abkommen besser
machen kann .
({0})
Vielen Dank für den einen letzten Satz . - Der nächste
Redner in dieser sehr lebendigen Debatte: Karl Holmeier
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich versuche, etwas langsamer zu reden als meine Vorrednerin .
({0})
Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Mal mit
dem TTIP-Abkommen .
({1})
Grundsätzlich liegt die Förderung des weltweiten
Freihandels, natürlich mit fairen Standards, im deutschen
Interesse . Ich sehe bei dem geplanten TTIP-Abkommen
daher schon Vorteile für unsere Wirtschaft und unser
Land .
({2})
Das Abkommen wäre für unser exportabhängiges Land
eine riesige Chance .
({3})
Deutschland hatte allein im Jahr 2015 gegenüber den
USA einen Handelsbilanzüberschuss von 55 Milliarden
Euro . Die USA sind zwischenzeitlich unser größter Handelspartner geworden, sogar vor Frankreich . Durch die
Beseitigung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen werden auch die Möglichkeiten für unsere kleinen
und mittleren Unternehmen, also für den Mittelstand, im
internationalen Wettbewerb verbessert .
({4})
Gerade durch den Wegfall von doppelten Tests und Zertifizierungen kann auch der Mittelstand erhebliche Kosten
sparen . Wir sollten daher die Chancen, die TTIP bietet,
nutzen und mit dem Abkommen einen ausgewogenen
Rahmen setzen .
Natürlich schützen wir unsere Bürgerinnen und Bürger . Die hohen deutschen und europäischen Standards
im Arbeitsleben, beim Datenschutz, beim Umweltschutz,
beim Verbraucherschutz, bei der Daseinsvorsorge - auch
dies wurde bereits angesprochen - und bei der Gentechnik, all dies ist nicht verhandelbar .
({5})
Mit TTIP können wir vielmehr dazu beitragen, dass unsere hohen Standards künftig transatlantisch gelten . Es
kann nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland sein, dass andere außereuropäische Nationen künftig die weltweiten Standards setzen .
Aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China oder Indien
stehen schon heute in den Startlöchern, um die zukünftigen Standards in der Welt zu bestimmen . Denen müssten
wir uns dann anpassen, und das wollen wir alle nicht .
Das wäre eine dicke Kröte, die die Menschen in unserem Land und in Europa dann schlucken müssten . Daher
müssen gerade wir Europäer die wirtschaftliche und die
gesellschaftliche Entwicklung in der Welt prägen, und
ein Teil davon ist TTIP .
Im Zusammenhang mit TTIP wird oft kritisiert, dass
die Beratungen und die Beratungsdokumente nicht transparent seien . Diese Kritik ist berechtigt . Das ist einer der
wenigen Vorwürfe, der in der Sache TTIP wirklich ernst
zu nehmen ist . Erst durch die Geheimhaltung konnten
die Verschwörungstheoretiker ein Podium für ihre irreführende Propaganda finden und schaffen.
({6})
Nur so konnten die von Greenpeace veröffentlichten
TTIP-Verhandlungspositionen Angst in der Bevölkerung verbreiten . Inhaltlich enthielten diese Unterlagen
ja nichts Neues . Sie vermitteln lediglich einen Einblick
in übliche Verhandlungsstrategien, bei denen Maximalforderungen gestellt, verhandelt und am Ende natürlich
geschliffen werden .
({7})
Ich stelle die Frage: Wie viel von dieser Kritik in
Deutschland wird aus dem Ausland gesteuert?
({8})
Dass auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedliche
wirtschaftliche Interessen bestehen, das ist bekannt . Zum
Teil prallen grundsätzlich verschiedene Auffassungen
aufeinander . Diesen Dissens gibt es; wir wollen ihn in
einen Konsens umwandeln .
Bei der Diskussion über TTIP dürfen wir Europäer
nicht vergessen, dass die USA unser wichtigster Bündnispartner sind . Europa an der Seite der USA ist auch
ein Garant für den Weltfrieden . Auch wenn die VerhandKatharina Dröge
lungsdokumente und die Unterlagen über die Gesprächsinhalte überwiegend unter Verschluss sind und eine
Einsichtnahme für uns Abgeordnete nur mit erheblichen
Einschränkungen möglich ist, sollten im Vordergrund unserer Debatten nicht die Bedenken, sondern die großen
Vorteile, die TTIP bringt, stehen .
Meine Damen und Herren, ich halte zusammenfassend
fest: Die Wünsche der Amerikaner bei den TTIP-Verhandlungen werden nicht eins zu eins übernommen werden . Die EU lässt sich nicht über den Tisch ziehen . Wir
werden mit TTIP Leitplanken setzen . Oberstes Gebot
wird sein, den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit in Deutschland ohne Einschränkungen auf einem hohen Niveau zu halten . Greenpeace und andere Interessierte sollten sich dagegen die Frage gefallen lassen,
ob der zum Teil unsachliche und nachweislich falsche
Widerstand gegen TTIP nicht selbst ein fragwürdiges
Geschäftsmodell ist .
Fakt ist schließlich: Ja, es wurden Kommunikationsfehler bei TTIP gemacht . Diese Fehler gilt es jetzt aufzuarbeiten und die Menschen sachlich und seriös auf dem
Weg zu TTIP mitzunehmen . Nur mit den Menschen in
Deutschland und Europa wird TTIP möglich sein; das
wissen wir . Nur dann wird es zustande kommen, und nur
dann wird es auch ein Erfolg sein .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank, Kollege Holmeier . - Nächster Redner:
Klaus Barthel für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
nicht ganz leicht, hier wieder zu einer sachlichen Debatte
zurückzukommen .
({0})
Man kann die Freihandelspolitik, wie sie momentan
läuft, in der Tat so oder so sehen . Man kann und muss sie
auch kritisieren . Aber man muss doch schauen, dass man
irgendwo eine Linie hat .
({1})
Jetzt hören wir hier einerseits von der Opposition: Gott
sei Dank, dass Greenpeace alles geleakt hat . Jetzt haben
wir die Erleuchtung, sagt Toni Hofreiter . Kurz danach sagen die anderen Kolleginnen und Kollegen: Das haben
wir eh schon alles gewusst, das bestätigt alle Vorurteile,
all das, was wir hier schon seit zwei Jahren predigen . Erster Punkt .
Zweiter Punkt . Wir diskutieren heute über TTIP . Gerade sprach die Kollegin Dröge die ganze Zeit über CETA .
({2})
Darüber sprechen wir aber am Freitag . Ich fürchte, wenn
wir dann über CETA reden und unsere Argumente zu
CETA vortragen, dann werden Sie über TTIP reden .
({3})
Es wird immer alles mit allem vermischt, und dann verlangen Sie von uns, dass wir hier nicht nur unsere roten
Linien darstellen, sondern auch Gestaltungsvorschläge
machen .
({4})
Lesen Sie doch einmal den Koalitionsvertrag! Lesen Sie
doch einmal, was der Parteitag der SPD beschlossen hat!
Lesen Sie doch einmal unseren Antrag zu SDGs, den der
Bundestag beschlossen hat! Da finden Sie die ganzen Gestaltungsaufträge .
({5})
Aber die interessieren Sie gar nicht, weil Sie nicht gestalten wollen, sondern Sie wollen immer aussteigen, abbrechen, beenden . Das ist das Problem . Deswegen hören Sie
bei der Gestaltung gar nicht mehr zu .
({6})
Trotzdem: Für eine differenzierte Debatte ist es notwendig, festzustellen, dass Globalisierung, Freihandel,
TTIP und CETA in der Tat in der Öffentlichkeit keinen
guten Klang haben . Nur 17 Prozent der deutschen Bevölkerung sind für TTIP; doppelt so viele sind dagegen .
({7})
Es gibt Umfragen im Mittelstand, die ein Verband in Auftrag gegeben hat . Laut dieser Umfrage sagen 62 Prozent
der Mittelständler - hier ist die Zahl noch viel höher als
in der allgemeinen Bevölkerung -, dass sie im Wesentlichen negative Auswirkungen erwarten . Nur 22 Prozent
erwarten positive Auswirkungen .
Darüber wird auch wissenschaftlich und politisch diskutiert . So sagt der frühere US-Finanzminister Summers Zitat -: Es gibt einen Aufstand gegen den Freihandel . - Das Handelsblatt schreibt, dass der Freihandel als
Sündenbock gesehen wird . Sie schreiben weiter:
Die Totengräber
- des Freihandels marschieren aber nicht auf den Straßen von Hannover, sondern sitzen in den Zentralen der Politik .
Das ist das Problem, das wir hier diskutieren und lösen
müssen . Leider müssen wir feststellen, dass eine Chance
dieser Zentralen der Politik jetzt von der Bundeskanzlerin und vom US-Präsidenten in Hannover leider nicht
genutzt wurde .
Wir müssen uns fragen: Warum ist das eigentlich so?
Warum findet diese Kritik in weiten Teilen der Bevölkerung solchen Anklang?
({8})
Dazu hat Nobelpreisträger Stiglitz eine Untersuchung
gemacht . In dieser schreibt er: Ja, Handel bedeutet
Wachstumseffekte . Aber er weist auch nach, dass die
Wachstumseffekte unter den jetzigen Bedingungen relativ klein sind im Verhältnis zu den Verteilungswirkungen,
die seiner Ansicht nach und seiner Untersuchung nach
sehr groß sind . Zitat:
In den Industrieländern schadet das den Ärmsten .
Leider war die Politik der Regierungen hier bisher
nicht hilfreich .
Aber auch Stiglitz macht klar - deswegen dürfen weder die Linken noch die Grünen ihn für sich in Anspruch
nehmen -, dass Globalisierung und Freihandel so nicht
aussehen müssen, sondern dass man sie gestalten muss .
Deswegen sagen wir, dass wir die Handelspolitik gestalten müssen, während Grüne und Linke hier immer den
Gestaltungsverzicht predigen .
({9})
Aber genau dadurch würde das Gerechtigkeitsproblem,
das bei der Globalisierung - auch ohne TTIP und CETA schon jetzt besteht, verschärft . Dieses Problem wird hier
beschrieben . Es besteht zum Beispiel beim NAFTA, es
besteht weltweit seit vielen Jahren aufgrund einer Umverteilung . Diesen Kurs müssen wir unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten ändern und aktiv gestalten .
({10})
Deswegen sind unsere Leitlinien keine reinen Abwehrleitlinien, sondern Vorwärtsleitlinien .
({11})
Ich unterstreiche, was Sigmar Gabriel hier gesagt hat:
Hierbei müssen wir endlich vorankommen . Da helfen
die maßlosen Rundumschläge, die wir hier gehört haben,
keinen Zentimeter weiter .
({12})
Das gilt auch für diesen komischen Eurochauvinismus,
den zum Beispiel die Kollegin Wagenknecht gerade wieder an den Tag gelegt hat: Als sei in Europa alles Gold
und in den USA alles Mist!
({13})
Hier müssen wir uns doch auch einmal selber ehrlich machen . Das giftige Plastikspielzeug und was Sie da alles
aufgezählt haben, das haben wir doch alles selbst erlebt .
Wir haben doch Gentechnik im Tierfutter . Ich nenne nur
Stichworte wie BSE, Pferdefleisch und Gammelfleisch
skandal, Bayern-Ei und Glyphosat .
Wir haben Probleme mit unseren technischen Standards . In Europa gibt es auch nach 20 Jahren der Liberalisierung 20 Zugleitsysteme, sodass man mit der Bahn
nicht von A nach B fahren kann . Wir haben nicht nur ein
Problem mit roten und gelben Blinkern, sondern auf verschiedenen Inseln in der Europäischen Union wird auch
links gefahren . Das alles scheint kein Problem zu sein .
Nein, wir müssen erst einmal unsere Hausaufgaben
machen und dürfen nicht schwarz-weiß malen, nach dem
Motto: In Europa ist alles gut, und in den USA ist alles
ganz schwierig .
Kollege Barthel?
Wir müssen die Fehlentwicklungen auf den globalen
Märkten insgesamt betrachten, sie differenziert beurteilen und den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen . Ohne
die Gestaltung durch Handelsverträge, die aufgrund unterschiedlicher Positionen und unterschiedlicher Interessen auf der Welt geschlossen werden müssen, wird das
nicht gehen .
({0})
Auch Ihnen danke ich für den letzten Satz . - Nächster
Redner: Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Danke schön . - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Hofreiter, Ihre Eröffnungsrede anlässlich dieser Aktuellen Stunde kam mir schon vor wie
die Aktion „Rettet das Chlorhühnchen!“ .
({0})
Sie wollen das Chlorhühnchen zwar nicht auf dem Teller
haben, aber Sie wollen diesen Fetisch, diese Gerüchte,
die Angst, die Sie um diese Handelsabkommen verbreiten, möglichst lange konservieren, und dafür ist Ihnen
fast jedes Mittel recht .
({1})
Aber ich muss Ihnen sagen: Getretener Quark wird breit,
nicht stark .
({2})
Es ist bis zu den nächsten Wahlen genügend Zeit, um die
Wählerinnen und Wähler darüber aufzuklären, dass die
Sorgen und Ängste um dieses Handelsabkommen unbegründet sind .
({3})
Was mich im Übrigen auch schockiert: Es ist schon
sehr interessant, in welcher Allianz die Gegner des transatlantischen Handelsabkommens unterwegs sind .
({4})
Da ist in Amerika Donald Trump, da ist die Frau Petry
von der AfD,
({5})
da sind die Geschäftsleute von Campact, da ist Attac, da
ist die Linke, und die Grünen sind mittendrin .
({6})
Interessant ist aber, dass einige Grüne hier fehlen . Wo
ist eigentlich Herr Janecek? Er ist doch ein ganz vernünftiger Mann; mit dem kann man vernünftig über TTIP reden .
({7})
Wo ist denn Herr Kretschmann, der gerade einen Koalitionsvertrag unterschrieben hat? Vor einem Jahr haben
mir Leute aus der baden-württembergischen Landesregierung, aus der damaligen grün-roten Landesregierung,
gesagt: An uns wird TTIP nicht scheitern; das können wir
uns gar nicht leisten. Warum? Weil es dem Mittelstand
hilft und weil es ein Programm zur Förderung des Mittelstands und seiner Exportchancen ist .
({8})
Das möchte ich Ihnen kurz darlegen; wir versuchen ja,
sachlich über dieses Thema zu diskutieren . Es wird immer die Angst verbreitet, ein solches Handelsabkommen
würde vor allem den Großen, den Multis nutzen, und die
Kleinen hätten nichts davon . Ich sage Ihnen: Herr Mattes
zum Beispiel, der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland und Ford-Chef in Köln ist,
sagt: Na ja, wir produzieren ja in Amerika . Auch BMW,
Mercedes und Volkswagen produzieren in Amerika . Die
haben nicht so große Probleme, amerikanische Standards
einzuhalten . - Aber zum Beispiel die Hersteller von gefährlichen Produkten wie Sägeblättern - ich habe einen
solchen Hersteller in meinem Wahlkreis - haben große
Sorge davor, dass sie aufgrund der hohen Anforderungen
der Genehmigungsstandards in Amerika mit ihren Produkten nicht so präsent auf dem dortigen Markt sein können, wie sie es gerne wären . Sie bekommen eine Chance, wenn wir es tatsächlich erreichen, die Standards ein
Stück weit aneinander anzugleichen .
({9})
Von daher ist es für mich eine große Chance, auch für den
Mittelstand mit diesem Handelsabkommen eine Brücke
zu bauen, was den Export nach Amerika, nach Kanada
und in die USA betrifft .
({10})
Ich möchte noch einen Satz zum Thema Vorsorgeprinzip sagen . Es gibt zwei unterschiedliche Rechtstraditionen .
Ich möchte darauf hinweisen, dass es in Europa natürlich
jede Menge Produkte gibt, bei denen das Vorsorgeprinzip
überhaupt keine Rolle spielt . Beim Vorsorgeprinzip geht
es bei uns um die Produkte, die gefährlich oder besonders sensibel sind, etwa um Pharmazieprodukte, Chemieprodukte, Lebensmittel usw . Hier haben wir einen hohen
Standard, und da gilt der Grundsatz: Solange nicht zu
100 Prozent feststeht, dass etwas unschädlich ist, darf es
nicht in den Verkehr gebracht werden . Sie kennen die Leitplanken der Europäischen Kommission für die Verhandlungen: Diese Standards dürfen nicht aufgegeben werden .
Wenn Sie sich als Deutscher an einer Zahnbürste verletzen, weil sie nichts taugt und zum Beispiel abbricht,
dann bekommen Sie, wenn Sie Glück haben, 5 000 Euro
Schadenersatz zugesprochen . In Amerika bekommen Sie
1 Million Euro . Jetzt frage ich Sie einmal: Wo ist der höhere Verbraucherschutz?
Von daher ist das Vorsorgeprinzip in Europa bei den
kritischen Produkten, die wir haben, sicherlich ein Vorteil, den wir auch durchsetzen werden, aber das Verursacherprinzip in Amerika liefert für die Verbraucher, wie
ich finde, mindestens ein ebenso hohes Schutzniveau,
wie das bei uns der Fall ist .
({11})
Ich möchte zum Abschluss ganz kurz noch ein paar
Sätze zu den Verhandlungen sagen .
Auch ich beklage, dass es bei den Verhandlungen
nicht genügend Transparenz gegeben hat, und ich bedanke mich beim Bundeswirtschaftsminister und bei der
Bundeskanzlerin, dass es in Brüssel gelungen ist, durchzusetzen, dass die Europäische Kommission mit ihren
Positionen nun offener umgeht . Das hätte man von Anfang an so machen müssen .
Es ist aber natürlich auch so: Wenn die Europäische
Kommission eine Verhandlungsposition für eine Verhandlungsrunde entwickelt und sie unter 28 Mitgliedstaaten abstimmt, dann ist es nicht besonders klug, sie auf
dem offenen Markt vor sich herzutragen, sodass sich der
Verhandlungspartner Amerika, der diese Abstimmungsprobleme und Herausforderungen nicht hat, genau darauf
einstellen kann, wo die Europäer möglicherweise besonders sensibel sind und wo man bei den Verhandlungen
möglicherweise besser vorankommt. Ich finde es klug,
dass man sein Pulver ein Stück weit trocken hält, wenn
man in Verhandlungen geht, und deswegen habe ich auch
Verständnis dafür, dass wir nicht jedes Strategiepapier
vorgelegt bekommen .
Ich möchte mit einem Zitat schließen: TTIP wird keine Standards senken . Es wird Standards vielmehr weiter
erhöhen: hohe Arbeitsstandards zum Schutz der Arbeitnehmer, hohe Standards, um Verbraucher zu schützen
und ihnen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben, hohe Standards, um die Umwelt zu schützen .
Dieses Zitat stammt nicht von mir, sondern von Barack
Obama . Er hat es am Sonntag vor 14 Tagen in Hannover
so vorgetragen,
({12})
und ich glaube, dass wir uns darauf verlassen können .
Ich danke Ihnen .
({13})
Vielen Dank, Jürgen Hardt . - Der nächste Redner:
Dr . Hans-Joachim Schabedoth für die SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Hardt, ich kriege Ärger mit meiner Fraktion, wenn
ich nicht frage, wo man 5 000 Euro herbekommt, wenn
die Zahnbürste abgebrochen ist .
({0})
- Gut . Ihr habt es gehört .
({1})
In der letzten Woche hat uns Greenpeace Niederlande
mit bis dato nichtöffentlichen Fakten zu den TTIP-Verhandlungen beglückt. Ja und? Was steht in diesen Dokumenten, was wir nicht wussten oder womit wir nie gerechnet haben? Rechtfertigt der Blick in die Karten der
amerikanischen Verhandlungsseite ein neues Aufregen?
({2})
Sich gegenseitig mit Forderungen zu konfrontieren, ist
doch die normale Ausgangslage bei jeder Vertragsverhandlung .
({3})
Ich frage: Ist es deshalb nicht ein wenig voreilig, Verhandlungen abzubrechen, weil wir es nunmehr schriftlich
haben, dass der Verhandlungspartner so gemein ist, seinen vermeintlichen eigenen Interessen zu folgen?
({4})
Ein besonderes Wort an die Grünen: Schon der verehrte Heinrich Böll - Namensgeber Ihrer Stiftung - hat
vor dem blinden Eifer gewarnt, das Kind mit dem Bade
auszuschütten, bevor Wasser eingelassen sei .
({5})
Es kommt mir ein bisschen so vor, als müssten Sie das
noch einmal nachlesen .
({6})
Wäre Verhandlungsabbruch eine sinnvolle Reaktion,
dann weiß ich nicht, ob es heute ein belastungsfähiges
Tarifvertragssystem gäbe . Wer geht schon in Verhandlungen und legt gleich seinen Kompromissvorschlag auf den
Tisch?
({7})
Das ist ja beinahe so dämlich, als würde man beim
Strip-Poker nackt antreten .
({8})
- Ich sehe schon, Sie haben Erfahrungen .
({9})
Pfeiffer kommt doch nicht in den Himmel .
Auch TTIP, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich
nur bewerten, wenn ein Schlussergebnis vorliegt oder
wenigstens die Aussicht darauf besteht .
({0})
Deshalb ist der Weg noch nicht das Ziel .
Es wundert mich überhaupt nicht, dass sich bei der
Frage, ob man für oder gegen TTIP ist, große Mehrheiten
als Gegner erklären .
({1})
Ich sehe darin einen verständlichen Reflex auf die langjährige Geheimniskrämerei auch der europäischen Verhandlungsseite . Das Misstrauen hat hier also seine Berechtigung .
Mindestens einen positiven Effekt haben die jetzt präsentierten Papiere . Sie haben das öffentliche Interesse
befeuert . Augen auf und Sinne geschärft, wenn ihr mit
den USA um wirtschaftliche Vorteile verhandelt, das ist
meine Schlussfolgerung . Darf ich mir den Hinweis erJürgen Hardt
lauben, dass es noch keine konsolidierten Verhandlungsergebnisse gibt, über die man ein letztes Urteil sprechen
könnte? Sollte es Verhandlungsergebnisse geben, wird es
hier im Bundestag und natürlich auch im Europäischen
Parlament zu einem Urteil kommen, seien Sie da sicher,
und zwar unter der Beachtung einer kritischen Öffentlichkeit, und das ist gut so .
({2})
Ihr kann man kein Abkommen aufdrücken, das man erst
noch schönreden müsste . Ist ein Abkommen aus sich heraus nicht schön genug, machen sich alle Schönredner
lächerlich und riskieren den politischen Selbstmord .
Meine Bitte an Ihre Seite, an die Seite der Linkspartei:
Hören Sie auf, alle, die sich für ein TTIP-Abkommen einsetzen, bei dem es um Regeln eines fairen Handels geht,
für eine Art fünfte Kolonne der US-Konzerne zu halten .
({3})
- Doch, das tun Sie . - Das will ich Ihnen auch sagen:
Wir haben in der SPD schon Forderungen zum Freihandel postuliert, da haben viele der heutigen TTIP-Kritiker noch geglaubt, es ginge bloß um mehr Toleranz für
amerikanische Chlorhühnchen im Austausch mit französischem Schimmelkäse .
Es ist jedenfalls nicht fair, wenn ständig bezweifelt
wird - auch heute wieder -, dass es uns um faire Handelsregeln geht . Niemals würden wir uns ein TTIP-Abkommen
aufdrücken lassen, das nur den USA nutzt und den europäischen Unternehmen und Verbrauchern Nachteile bringt .
({4})
- Da applaudiert sogar die CDU . Wir werden Sie beim
Wort nehmen . - Also, Sie haben hier eine völlig falsche
Orientierung .
({5})
Im Übrigen: Die Welt wird sich weiterdrehen, die
deutsche Wirtschaft wird weiter Exportüberschüsse erzielen, auch wenn es kein TTIP geben sollte, und danach
sieht es doch aus .
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dieser Verhandlungsprozess gar nicht mehr in der Amtszeit Obamas
zum Abschluss gebracht werden kann . Seine politischen
Erben scheinen so fixiert auf das „Buy American“, dass
sie sich einer Öffnung der Märkte für europäische Anbieter verschließen wollen . Und: Ändert sich die Verhandlungsmaxime der USA nicht grundlegend, dann war es
das mit TTIP . Deshalb lautet meine Bitte an dieser Stelle:
Drehen wir doch die Aufgeregtheit etwas zurück, ohne
Achtsamkeit einzubüßen .
Denken Sie an Ihre Redezeit .
Deshalb sage ich meinen letzten Satz .
Schauen wir einmal, wie lang der ist .
In der Gewissheit, dass es die heute schon oft genannten roten Haltelinien gibt, lassen Sie uns doch zunächst
den grünen Linien folgen, die uns zu einem Freihandelsabkommen führen, das zweifelsfrei auch ein faires Abkommen sein muss .
({0})
- Unsere .
Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde: Mark
Hauptmann für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Als letztem Redner
obliegt es mir jetzt, nicht nur die Debatte zusammenzufassen, sondern auch das Chlorhühnchen der Debatte zu
küren . Auch wenn sich die geschätzte Kollegin Dröge und
Herr Hofreiter alle Mühe gegeben haben, so geht doch der
Titel „Chlorhühnchen der Debatte“ eindeutig an die Kollegen zu meiner linken Seite . Frau Wagenknecht und Herr
Ernst, Sie haben heute hier von einem Ermächtigungsgesetz für Großkonzerne, der Abschaffung der Demokratie,
von Giftspielzeug, das über den Atlantik herüberkommt,
allerlei toxischem Antiamerikanismus gesprochen, aufgepumpt mit falschen Tatsachen und recht viel Empörung .
Das hat letztendlich Ihre Reden ausgemacht .
Ich kann aber Sie und alle anderen Kollegen beruhigen: Diese sogenannten Argumente sind gesundheitstechnisch völlig unschädlich, wie übrigens auch das
Chlorhühnchen, das ich zitiert habe . Das zeigt, dass Sie
uns heute viel alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert
haben, aber für eine Aktuelle Stunde hat dies bei inhaltlicher Betrachtung eigentlich nicht gereicht .
({0})
Ich möchte auf genau die Argumente, die Sie angeführt haben, explizit eingehen .
Erster Punkt . Es wird behauptet, durch die sogenannten TTIP-Leaks würde nun in der Debatte eine völlig neue
Transparenz herrschen . - Das stimmt nicht . Das ist falsch .
({1})
Die Transparenz, die wir jetzt haben, gab es auch vorher
schon,
({2})
nämlich in den Debatten der Vergangenheit . Ein Jahr debattieren wir dieses Thema schon in diesem Haus, aber
auch in den Verhandlungsrunden im Wirtschaftsausschuss mit Herrn Froman, mit der Kollegin Malmström
von der Europäischen Kommission . Bei vielfältigen
Debatten und Austauschprogrammen gibt es durch die
herrschende Transparenz die Möglichkeit, sich zu informieren .
({3})
- Auch für die Öffentlichkeit finden sich online zahlreiche Kapitel dieses Abkommens .
({4})
Es gibt für jeden Einzelnen in diesem Raum den vollen Zugang zu den Verhandlungen im TTIP-Leseraum .
Es gibt in diesem Zusammenhang zivilgesellschaftliche Vertreter auf mehreren Ebenen, die TTIP Advisory
Group und den TTIP-Beirat im Bundeswirtschaftsministerium . Die Kommunen haben in Brüssel sogar direkten
Zugang zu den Verhandlungsführern . Was wir hier sehen,
ist: Durch die heutige Debatte kommt es nicht zu mehr
Transparenz,
({5})
sondern sie ist längst Bestandteil dieser Debatte .
({6})
Ich komme zum zweiten Punkt . Sie behaupten: TTIP
senkt die Verbraucherstandards .
({7})
Egal ob es der Bundesminister ist, ob es die Kollegen der
SPD oder der Union sind, egal ob es die Verhandlungsführerin für ganz Europa, Frau Malmström, ist, egal ob es
um Umweltschutz, um die Sicherheit für Lebensmittel,
um den Verbraucherschutz oder um die Arbeitnehmerrechte geht: Wir treten nicht nur für unsere hohen europäischen Standards ein, sondern wir sagen: Wir nehmen
jeweils die höchsten Standards .
({8})
Fragen Sie doch einmal VW nach den Umweltstandards in den USA . Da wird wohl keineswegs der Eindruck entstehen, dass die Umweltstandards in den USA
in diesem Fall geringer sind als hier in Europa . Vielmehr
sehen wir, dass auch in den USA hohe Standards vorherrschen, an denen wir uns als Europäer ein Beispiel
nehmen könnten, unter anderem in der Finanzindustrie .
({9})
Wir sehen also: Sie versuchen, mit Ihren Emotionen
die Argumente der Debatte zu verwischen . Dass Sie sich
hier, geschätzte Kollegin Dröge - Kollege Hofreiter ist
gar nicht mehr anwesend -,
({10})
zum Sprachrohr der Dagegen- und Empörungsindustrie
machen, ist letztendlich reiner Selbstzweck, aber dient
nicht dazu, mehr Klarheit in die Debatte zu bringen .
({11})
Ich komme zum dritten Punkt, der angesprochen wurde. Kollegin Wagenknecht behauptet: Von TTIP profitieren nur die Großkonzerne und multinationale Konzerne .
({12})
Herr Ernst, Sie waren heute Morgen im Wirtschaftsausschuss dabei, als wir den Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Eric Schweitzer, gehört
haben . Er hat gesagt: Nicht für die Großindustrie, sondern für unsere 1 600 Hidden Champions wird sich durch
TTIP ein enormer Markt erschließen . Es gibt für unsere Mittelständler Verbesserungen . Diese können es sich
nicht leisten, doppelt zu zertifizieren und ihre Produkte
nach unterschiedlichen Standards zu entwickeln . Für
unseren Mittelstand ist TTIP ein Konjunkturprogramm,
nicht für die Großindustrie .
({13})
Sehr geehrte Damen und Herren, der Wegfall von
Zöllen und doppelten Zertifizierungsmaßnahmen, die
Erleichterung von Direktinvestitionen, das Thema Investitionsschutz: In diesen Bereichen profitiert die mittelständische Struktur unserer deutschen Wirtschaft mehr
als jedes andere Land in Europa .
Deswegen werben wir so vehement dafür, TTIP eine
Chance zu geben, unsere hohen Standards zu implementieren und im Austausch mit den Amerikanern die Standards für 800 Millionen Menschen auf dieser Welt zu
globalen Standards zu machen . Dann sind wir in dieser
Debatte ein ganzes Stück weiter, als Sie es uns heute verkaufen wollten .
Herzlichen Dank .
({14})
Vielen Dank, Kollege Hauptmann . - Damit ist die Aktuelle Stunde beendet .
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
morgen, Donnerstag, den 12 . Mai 2016, 9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist damit geschlossen .