Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich begrüße Sie herzlich . Die Sitzung ist eröffnet .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Herr
Christian Schmidt . - Herr Minister, bitte .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den
Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ beschlossen .
Sie finden die Rechtsgrundlage dafür in Artikel 91 a des
Grundgesetzes . Es handelt sich hier um ein Ausführungsgesetz zu dem Artikel 91 a .
Mit der Gesetzesänderung verbinde ich eine klare
Erwartung: Die Gemeinschaftsaufgabe wird den ländlichen Raum durch die Erweiterung der Möglichkeiten zur
Förderung von Infrastruktur und von Klein- und Kleinstbetrieben voranbringen . Deshalb wollen wir die GAK so lautet die Abkürzung für die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - zu einem starken politischen Steuerungsinstrument weiterentwickeln, zu einem Steuerungsinstrument,
das Perspektiven für Landwirtinnen und Landwirte
schafft, aber auch für die Menschen in den ländlichen
Räumen insgesamt .
Wir haben für die Landwirtschaft, die modern und leistungsfähig sein soll und ist, mit der Gemeinschaftsaufgabe ein Instrument der Bund-Länder-Finanzierung, das
sich sehr bewährt hat . Zu den Volumina: Wir haben im
letzten Jahr gemeinsam einen Bundesanteil von 590 Millionen Euro, dazu kommt ein 40-prozentiger bzw ., was
den Sonderrahmenplan „Verbesserung des Küstenschutzes“ angeht, ein 30-prozentiger Anteil der Länder, die in
den Programmen gemeinsam beschlossen werden . Das
gilt auch für den Forstbereich .
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir nun
weitergehen . Bisher beschränkt sich das Verständnis von
Landwirtschaft auf die landwirtschaftliche Produktion an
sich . Wir wollen nun auch die strukturellen Fragestellungen, die im ländlichen Bereich entstehen, mit einbeziehen . Das Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse in
Stadt und Land . Dieser Anspruch gehört zu den Grundpfeilern unserer Gesellschaft . Das heißt, wir wollen die
Attraktivität der ländlichen Räume stärken . Deswegen
müssen wir auch Instrumente für die Situation finden,
dass beispielsweise in kleineren Orten keine Daseinsvorsorge mehr verfügbar ist oder fehlende berufliche Per
spektiven die demografische Entwicklung in diesen Räumen noch zusätzlich verstärken .
Wir haben uns bei diesem Gesetzentwurf deswegen
darauf konzentriert, die Möglichkeiten von Investitionen in nichtlandwirtschaftliche Kleinstbetriebe zu fördern . Das betrifft zum Beispiel den Friseurbetrieb, der
investieren will, den Bäcker am Dorfplatz oder ein Multifunktionshaus . Wir haben dann einen Hebel, um die
Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen vor Ort
zu verbessern . Auch der ländliche Tourismus kann mit
GAK-Mitteln angekurbelt werden .
Zusätzliches Geld ist dafür notwendig . Wir werden
noch für dieses Jahr - ich hoffe, dass wir dieses Gesetz
noch im Herbst dieses Jahres im Gesetzblatt haben 30 Millionen Euro seitens des Bundes sowie den entsprechenden Länderanteil zur Verfügung haben, um diese
Zusatzaufgabe, soweit das noch möglich ist, zu bedienen .
Die Gemeinschaftsaufgabe ist damit vom Verständnis
her eine Gemeinschaftsaufgabe der ländlichen Entwicklung und der ländlichen Räume insgesamt .
Herr Präsident, so weit meine einleitenden Ausführungen .
Herzlichen Dank . - Wir haben eine ganze Reihe von
Fragen . Wir nehmen zuerst die Fragen zu dem Komplex, der vorgetragen wurde . Ich nenne einmal die Namen der Fragesteller: Willi Brase, SPD, Markus Tressel,
Bündnis 90/Die Grünen, Heidrun Bluhm, Linke, Frau
Dr . Tackmann, Linke, Ingrid Pahlmann, CDU/CSU . Das
ist bis jetzt der Stand der Dinge .
({0})
- Ach so, Sie auch noch . Entschuldigung, das war ein
Missverständnis .
Bitte schön, Herr Kollege Brase .
Herr Präsident! Herr Minister! Das Wirtschaftsministerium hat kürzlich festgestellt, dass wir in den peripher
gelegenen Regionen mehr gegen die Abwärtsspirale aus
Fachkräftemangel, steigenden Infrastrukturkosten, geringen kommunalen Einnahmen und fehlender ökonomischer Perspektive machen müssen . Andererseits stellen
wir bei der Betrachtung fest, dass sich 40 Prozent aller
Arbeitsplätze in wissens- und innovationsbasierten und
Unternehmen in der Fläche befinden, davon zwei Drittel
in den ländlichen Regionen . Wenn wir auf der einen Seite
Kenntnis erhalten, dass wir etwas tun müssen, und auf
der anderen Seite wissen, dass die Fläche insgesamt und
auch die ländlichen Regionen stark sind: Reicht dann die
Gebietskulisse, die im Gesetzentwurf beschrieben ist vom demografischen Wandel betroffene und periphere
Gebiete -, aus, oder müssen wir an der Stelle nicht einen größeren Wurf wagen, damit das Positive, das wir in
den ländlichen Regionen in Form von wissensbasierten,
innovativen, wirtschaftlich und industriell starken Bereichen haben, noch stärker genutzt werden kann?
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Kollege . - Wir sind
bei der Begrenzung der Gebietskulisse in der Ressortabstimmung einem Vorschlag des Wirtschaftsministers
nachgekommen, weil wir ja parallel dazu auch die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ haben, die beim BMWi ressortiert . Wir
haben uns jetzt für diese Form der Abgrenzung entschieden . Gleichwohl will ich sagen, dass wir einerseits eine
Doppelförderung vermeiden wollen, andererseits aber in
der Praxis feststellen werden, ob es Fehlstellen, weiße
Flecken, gibt, die von niemandem bedient werden . Ich
nehme das als Hinweis, der sicherlich bei den Gesetzesberatungen im Hause - davon gehe ich aus - eine gewisse Rolle spielen wird . Die Abgrenzung ist um der Abgrenzung willen da, und nicht um zu beschreiben, dass es
hier keine Überschneidungen gäbe .
Herzlichen Dank . - Nächster Fragesteller ist Markus
Tressel, Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, das
BMEL hat ja zu Beginn der Wahlperiode die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ als eines seiner
wichtigsten Vorhaben für diese Legislaturperiode bezeichnet . Statt der konsequenten Weiterentwicklung wird
ja jetzt lediglich eine neue Maßnahme in die alte GAK
aufgenommen .
Was konkret kann über die neue Maßnahme im Bereich der ländlichen Entwicklung gefördert werden, was
vorher nicht förderfähig war, insbesondere im Bereich
der ländlichen Daseinsvorsorge und der Diversifizierung der Wirtschaft? Welche nicht landwirtschaftlichen
Bereiche - Sie haben vorhin den Frisiersalon angesprochen - werden förderfähig? Und: Wie adressieren diese
Förderbereiche die Herausforderungen schrumpfender
ländlicher Regionen?
Sie haben völlig zu Recht zitiert, Herr Kollege, was
sich die Regierungskoalition in der Koalitionsvereinbarung vorgenommen hat, nämlich die derzeitige Gemeinschaftsaufgabe zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterzuentwickeln . Wir haben uns
dafür entschieden, dieses unterhalb des Rahmens der Änderung des Grundgesetzes zu machen . Deswegen bleibt
die Begrifflichkeit die alte. Die Funktion wird allerdings
insofern sehr stark ausgeweitet, weil wir sowohl die Frage der Ökologie im Bereich der Landwirtschaft als auch
die Infrastrukturentwicklungen, die nur sehr peripher
mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun haben, mit
aufnehmen . Es bleibt dem PLANAK und den Abstimmungen zwischen Bund und Ländern vorbehalten, das
im Einzelnen zu konkretisieren .
Wir decken damit jetzt den kompletten Bereich des
ELER, der Förderungsmöglichkeiten auf europäischer
Ebene, ab . Ich darf ergänzen, dass wir zusätzlich ein
Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ eingeführt
haben, das keine Bund-Länder-Finanzierung vorsieht,
sondern Pilotprojekte zu diesen Fragen allein mit Bundesmitteln zu finanzieren erlaubt.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Heidrun
Bluhm, Fraktion Die Linke .
Herzlichen Dank, Herr Minister, für Ihre bisherigen
Ausführungen . Auch ich gehe davon aus, dass Sie sowohl die ELER- als auch die Grundgesetzkonformität
geprüft haben und wir da nach Einführung des Gesetzes
nicht wieder ranmüssen .
Ich möchte mich aber bei meiner ersten Frage auf
Haushaltsfragen konzentrieren . Wir haben für dieses
Jahr, 2016, für die GAK insgesamt 40 Millionen Euro
mehr als für das vorangegangene Jahr eingestellt . Sie haben eben gesagt, davon sind 30 Millionen Euro für die
Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehen . Meine
erste Frage ist: Wie wird sich das in den Folgehaushalten weiterentwickeln? Man muss ja, wenn man solch ein
Programm neu einführt, davon ausgehen, dass die Mittel
erst am Jahresende dort ankommen, wo sie hinsollen, und
es erst in den Folgejahren zu großen Aktivitäten kommen
wird . Welche Vorstellungen haben Sie dazu, eine Nachhaltigkeitskomponente in dieses Programm zu bringen?
Können wir damit rechnen, dass zumindest 2017 - da
stehen Sie ja auf jeden Fall noch in der Verantwortung tatsächlich Impulse gesetzt werden? Denn mit 30 Millionen Euro - darüber sind wir uns alle einig - werden wir
keine großen Effekte erzielen .
Vielen Dank, liebe Kollegin Bluhm . - In diesem Zusammenhang habe ich zu den Zahlen zu sagen, dass wir
die Mittel in Höhe von 590 Millionen Euro in diesem Jahr
um 30 Millionen Euro für die klassischen Maßnahmen
der Agrarstrukturförderung und um weitere 30 Millionen
Euro für die neuen Maßnahmen aufgestockt haben .
Ich darf nachrichtlich ergänzen, dass wir von den Kosten des Sonderrahmenplans „Präventiver Hochwasserschutz“ im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe weitere
100 Millionen Euro in diesem Jahr übernehmen werden .
Das ist aber ein Sonderrahmenplan, dessen Mittel im
Rahmen der Bund-Länder-Zusammenarbeit nur für den
Hochwasserschutz verwendet werden können .
Mein Ziel ist, dass sich die ländliche Entwicklung zur
Blüte entfaltet und sich die Höhe der finanziellen Mittel
auch danach richtet . Wir stellen im Augenblick fest, dass
die Kofinanzierungspotenziale der Länder wohl in dem
einen oder anderen Land erst noch geprüft und aktiviert
werden müssen . Mein Ziel als Ressortminister ist es natürlich, diese Aufgabe zukünftig mit mehr als 30 Millionen Euro zu unterlegen .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Dr . Kirsten
Tackmann, Fraktion die Linke .
Vielen Dank, Herr Minister . - Versprechen hinsichtlich blühender Landschaften sind ja auch mit Blick auf
die deutsche Geschichte schwierig .
Ich kann an die Ausführungen des Kollegen Brase anschließen . Ich wohne selber im ländlichen Raum, in einem kleinen 60-Seelen-Dorf, und weiß um die Problemlage . Es ist durchaus sehr viel Gehirnschmalz notwendig,
um sich den Herausforderungen, die wir dort haben, zu
stellen, zumal ich in der Politik die Erfahrung mache,
dass häufig gedacht wird, da wohnten in der Mehrzahl
nur Leute, die nicht schnell genug weggekommen sind .
Ich kann tatsächlich versichern, dass es nicht so ist .
Mir ist es deswegen aber besonders wichtig, dass hier
nicht nur Verwaltungshandeln besprochen wird, sondern
auch mal gefragt wird: Wie kommen wir denn zu Entscheidungen darüber, was die ländlichen Räume brauchen? Und in der Tat tragen wir als Linke schon lange die
Kritik vor, dass die parlamentarische Beteiligung bei der
GAK nicht gesichert ist: Es wird dafür zwar von den Parlamenten relativ viel Geld zur Verfügung gestellt, aber
am Ende haben die Parlamente kein Mitspracherecht . Insofern möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie das Problem
überhaupt sehen und inwiefern wir da zu einer deutlich
besseren Lösung kommen können .
Vielen Dank, Frau Kollegin . Ihrer Beschreibung der
Einschätzung ländlicher Räume darf ich mich ausdrücklich anschließen . Da liegt ein Missverständnis vor . Ländliche Räume sind attraktiv bzw . können es sein .
Im Rahmen der Dialogreihe „Gut leben in Deutschland“
der Bundesregierung habe ich für mein Ressort zehn unterschiedliche ländliche Regionen ausgesucht . Wir haben
festgestellt, dass es dort sehr unterschiedliche Fragestellungen gibt . In manchen Bereichen ist Struktur zwar
nicht mehr vorhanden, aber der Wohnwert ist so hoch,
dass es zu Zuzügen von anderer Seite kommt . In anderen Bereichen gibt es demografische Entwicklungen,
die in den nächsten Jahren 30 Prozent weniger Bevölkerung erwarten lassen . Da wollen wir ansetzen . Das
heißt, es muss in diese Bereiche investiert werden . Das
muss aber vor allem aus den ländlichen Bereichen selbst
kommen . Dadurch gewinnen die Länder an Bedeutung;
das ist die Rechtfertigung für ihre Mitwirkung an dieser
Gemeinschaftsaufgabe . Allerdings zieht das auch eine
Einschränkung der Verfügbarkeit parlamentarischer Beteiligung nach sich .
Es geht hier um das exekutive Handeln zwischen Bund
und Ländern . Sie können mir glauben: Die Arbeit mit den
von mir hochgeschätzten 16 Bundesländern funktioniert
praktisch ganz gut, aber sie ist manchmal nicht ganz einfach . Das jetzige Gesetzgebungsverfahren bietet aber
eine gute Möglichkeit, dass sich das Parlament intensiv
mit den Grundlagen dieser Gesetzgebung beschäftigt .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Ingrid
Pahlmann, CDU/CSU-Fraktion .
Herr Bundesminister, recht herzlichen Dank für die
Beantwortung der Fragen . - Nun ist von vielen Vorrednern schon darauf hingewiesen worden, dass der Fokus
darauf liegt, dass man den ländlichen Raum attraktiver
gestalten will, dass man ihn voranbringen will . Im Entwurf steht zum Beispiel, dass
Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur ländlicher Gebiete nur dort durchgeführt werden [sollen],
wo aufgrund demographischen Wandels und geographischer Abgelegenheit besondere Anstrengungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge erforderlich
sind .
Meine Frage lautet: Wie wollen Sie denn die Regionen
konkret abgrenzen? Wir haben in unserem Land ja viele
Regionen mit ganz unterschiedlichen Strukturen . Es gibt
relativ viele einsame Gegenden mit kleinen Dörfern . Ist
die genannte Einschränkung sinnvoll? Grenzen wir nicht
eventuell viele Gebiete von vorneherein aus, wenn wir
die Parameter zu eng stricken?
Vielen Dank . - Ihre Frage schließt an die des Kollegen
Brase an . Noch einmal als Antwort: Dass danach gefragt
wird, wie die Bereiche gemäß der Formulierung im Entwurf abzugrenzen sind, zeigt, dass es auch Bewertungsund Beurteilungsspielräume gibt . Die konkreten Kriterien sind noch nicht festgelegt . Im Kern geht es um eine
Absage an das Gießkannenprinzip hin zu dem Versuch,
dort zu investieren, wo Probleme am stärksten sichtbar
werden .
Wir müssen aber sehen - ich nehme das hier auf -,
dass es da und dort auch dazu kommen wird, dass sich
bei Abgrenzungen Entwicklungen zugunsten von anderen Räumen ergeben . Man soll und darf das Ganze nicht
als Grenze betrachten, an die man sich sklavisch halten
muss . Vielmehr geht es um einen rechtlichen Ansatz, der
in der Ausführung dann konkretisiert werden muss .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Petra
Crone, SPD-Fraktion .
Danke schön, Herr Präsident . - Herr Minister, auch
ich danke für Ihre Antworten . Ich möchte dennoch an die
vorherigen Fragen anknüpfen . Sie haben ja eben angedeutet, wie unterschiedlich die ländlichen Räume sind
und welche unterschiedlichen Anforderungen da bestehen . Sie haben auch darauf hingewiesen, wie schwierig
es ist, eine Abgrenzung vorzunehmen . Ich denke auch:
Demografischer Wandel ist ein Schlagwort und keine
tatsächliche Beschreibung der Zustände . Ich möchte
insofern einen Vorschlag machen: Aufgrund der Ländervorschläge hat eine vollumfängliche Anpassung der
ELER-Verordnung durch die EU-Kommission stattgefunden . Warum kann man dies nicht als Grundlage für
eine Beschreibung der Regionen nehmen?
Vielen Dank, Frau Kollegin Crone . - Die ELER-Ansätze sind in den Gesetzentwurf mit eingeflossen und
sollten sich im Gesetz auch widerspiegeln, sowohl in Bezug auf das Volumen als auch in Bezug auf die Technik
der Abgrenzung . Das wird ja dann auch im PLANAK, in
der Arbeitsgruppe, die für die Ausarbeitung der konkreten Programme zuständig ist, thematisiert werden .
Ich würde die Vorschläge aber in der Tat auf den gedanklichen Ansatz dieses Gesetzentwurfs übertragen .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Kordula
Kovac, CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Minister, danke schön, dass Sie
sich der Sache angenommen haben . Auch ich möchte
an die Vorredner anschließen und noch einmal fragen:
Besteht nach den vielen Änderungen, die jetzt kommen
werden, die Gefahr, dass Flurbereinigung, Investitionsförderung bei ländlichen Betrieben oder auch in Bereichen des Forstes künftig zu kurz kommen, oder sind auch
diese Maßnahmen weiterhin noch förderungsfähig?
Vielen Dank, Frau Kollegin . - Ja, die sind nach wie
vor förderungsfähig .
Ich darf aber noch einmal eine Besonderheit, die die
finanzielle Ausstattung dieses Gesetzes betrifft, erwähnen . Hier liegt wohl einer der wenigen Fälle vor, in denen
Mittel im Bundeshaushalt bereits für ein Gesetzesvorhaben vorgesehen sind, das ja als Entwurf jetzt erst in der
Beratung ist . Bei dieser Gelegenheit sage ich noch einmal herzlichen Dank an den Haushaltsausschuss dieses
Hohen Hauses für seine wohlgefälligen Entscheidungen,
die er in diese Richtung getroffen hat .
Die Frage, ob sich daraus eine Reduzierung der bisherigen Leistungen ergeben kann, die ja per se auch schon
einige andere Programme - ich nenne als Stichwort zum
Beispiel die Breitbandförderung - im ländlichen Bereich
mit aufgenommen haben, kann ich mit Nein beantworten . Das ist ein Addendum, ein Zusatz, und kommt nicht
aus der Substanz der bisherigen Förderung .
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Friedrich
Ostendorff, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Minister, verschiedene Aspekte sind ja schon intensiv beleuchtet worden . Ist daran gedacht, hier eine Gesamtstrategie vorzulegen? Oder was steckt dahinter, dass
wir in der Gemeinschaftsaufgabe, die 1970 mit der Maßgabe entstanden ist, Landwirtschaft wettbewerbs- und
weltmarktfähig usw . zu machen - ich kann mich noch
gut an die Reden erinnern, die vom damaligen Minister
Herrn Ertl gehalten wurden -, jetzt den Bereich ländliche
Entwicklung auf eine Stufe mit der landwirtschaftlichen
Entwicklung stellen? Und wenn man eine Gesamtstrategie fährt, wie wird man damit umgehen, dass auf der
einen Seite Großtieranlagen gefördert werden und auf
der anderen Seite gleichzeitig ländlicher Tourismus und
die ländliche Entwicklung gefördert werden sollen? Das
kann ja schon mal Konfliktfelder beinhalten. Wie hofft
man, das aufzulösen? Wie kann man sich hier eine Gesamtstrategie auch unter der Maßgabe vorstellen, dass
wir beobachten müssen, dass die Artenvielfalt und die
biologische Diversität im ländlichen Raum stark zurückgehen und sehr unter Druck stehen?
Herr Kollege, herzlichen Dank . - Ich darf mit Blick
auf die Geschichte noch ergänzen, dass sich nicht nur
mein Vorgänger Josef Ertl, sondern in der vorangegangenen Großen Koalition auch die beiden Minister Schiller
und Strauß für die Gemeinschaftsaufgaben erwärmt haben, die damals verfassungsrechtlich nicht unumstritten
waren, um es einmal vorsichtig zu sagen . Es erfordert ja
auch heute noch gewisse Anstrengungen, um sie umzusetzen . Sie haben sich aber bewährt . Das Ziel heute ist
und kann nur ein anderes sein, als es damals 1970 unter der Agrarpolitik von Mansholt mit der „Wachse oder
weiche“-Diskussion gewesen ist . Heute geht es um eine
Gesamtkonzeption und darum, dass wir den ländlichen
Raum per se stärken .
Die Fragen, die Sie angesprochen haben, sind bei den
Grundsätzen abgebildet . So haben wir erstens für die Zukunft umweltgerechte Landwirtschaft in den alten Fördertatbestand mit hineingenommen . Zweitens werden
wir diese Frage im Zusammenhang mit den Plänen und
Programmen für die Gemeinschaftsaufgabe zusammen
mit den Ländern im Einzelnen mit abbilden. Das findet
bereits heute in einem sehr hohen Maße statt . Darüber
hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die erste und zweite
Säule der Direktzahlungen diese Entwicklung widerspiegeln; aber das kennen Sie ja sehr gut .
Wir werden also zukünftig noch darüber zu reden haben . Es ist keine reine agrarstrukturelle Förderung alter
Art, sondern es ist eine Erweiterung um die Förderung
des ländlichen Raums insgesamt .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Karin
Binder, Fraktion Die Linke .
Kann ich mein Fragerecht an meine Kollegin Heidrun
Bluhm abgeben?
Sie hat sich auch gemeldet . Wenn wir auf eine Frage
verzichten, können wir das so machen .
Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Flexibilität . Herr Minister, ich würde gerne noch einmal auf die neue
Aufgabe der Entwicklung der ländlichen Räume bzw . der
Regionalentwicklung eingehen . Sie sagen zu Recht, dass
Sie zuerst die Gebiete mit dem größten Bedarf fördern
wollen . Die Frage, wo der größte Bedarf besteht, können die Länder, glaube ich, viel besser beantworten . Im
Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ländern kann man
das sicherlich klären . Meine Frage aber lautet: Sie sagen,
dass Sie dafür eine sogenannte Gebietskulisse brauchen .
Ich kenne das aus der Städtebauförderung: Man stellt
eine Satzung auf und regelt darin, um welches Gebiet es
mit welcher Zielstellung geht und welche Maßnahmen
zielführend sind .
Sie würden mich nicht weiter verunsichern, wenn Sie
mir sagen würden, auf welchen Ebenen das stattfinden
soll . Sie können ganz schlicht antworten und sagen: „Ja,
das soll so laufen wie bei der Städtebauförderung“, dann
wäre ich beruhigt . Ansonsten stünden folgende Fragen
im Raum: Wer sind die Antragsteller? Sind das die Gemeinden oder die landwirtschaftlichen Betriebe? Ist das
Land der Adressat, an den entsprechende Anträge gerichtet werden müssen? Muss das vom Bund noch einmal
genehmigt werden? Wie kann man sich das vorstellen?
Ich darf noch einmal zitieren . In Absatz 2 des § 2 fügen wir folgende Formulierung ein:
. . . Maßnahmen können nur dort durchgeführt werden, wo auf Grund demographischen Wandels und
geographischer Abgelegenheit besondere Anstrengungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge erforderlich sind .
Man spürt, dass schon alleine diese Formulierung
bei dem Oberamtsrat, der das umsetzen muss, Fragen
aufwerfen wird . Das kann nur vor der Umsetzung vom
PLANAK, also vom gemeinsamen Planungsausschuss
von Bund und Ländern, gefiltert werden und muss dann
konkretisiert und umgesetzt werden; denn der Begriff
„geografische Abgeschiedenheit“ beinhaltet ein Stück
weit auch subjektive Vorstellungen . Manch einer meint,
kurz hinter der Berliner Stadtgrenze schon geografisch
abgeschieden zu sein, ein anderer meint, dort mittendrin
im Leben zu sein .
Ich bin für diese gesetzgeberische Unschärfe sehr
dankbar, weil sie die Möglichkeit bietet, besser auf die
Bedürfnisse einzugehen, die von den Ländern an uns herangetragen werden, als der Bund das von sich aus ansonsten tun könnte . Das heißt, die Länder sind ihrerseits
in ihren Programmen aufgefordert, das gemeinsam mit
den Kommunen bzw . einzelnen Antragstellern zu konkretisieren .
Danke . - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete
Waldemar Westermayer, CDU/CSU-Fraktion .
Danke schön . - Herr Minister, ich habe nur eine kurze
Frage: Welche Zweckbindung wird es bei welchen Teilen
der neuen Gemeinschaftsaufgabe geben?
Beim bisherigen Teil?
Bei der neuen Gemeinschaftsaufgabe .
Entschuldigung, ich hatte das akustisch nicht verstanden . - Lieber Kollege Westermayer, es wird eine Zweckbindung geben, damit die Förderung der ländlichen
Strukturen in den genannten Gebieten, die wir nicht ganz
genau definieren konnten, stattfinden kann. Das heißt, es
wird Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur ländlicher Gebiete im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Union geben . An dieser Stelle kommt ELER ins
Spiel, wonach Kollegin Crone gefragt hatte . Es geht um
Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar dem ländlichen Raum und der Landwirtschaft dienen .
Ich kann aus verfassungsrechtlichen Gründen den
Bezug zur Landwirtschaft nicht aufgeben, muss aber
berücksichtigen, dass Landwirtschaft heute sehr viel diversifizierter ist. Deswegen wollen wir zum Beispiel in
Dörfern, in denen es sonst keine Gemeinschaftseinrichtungen gibt, ein Mehrfunktionenhaus schaffen - so habe
ich das genannt -, in dessen Räumen sowohl Ärzte als
auch Vertreter des Bauernverbandes Sprechstunden abhalten können . Solche Dinge sind da mit angedacht .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Bärbel
Höhn, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Minister, wir haben den Eindruck, dass es immer
mehr Gebiete und immer mehr Themen gibt, die über
die GAK gefördert werden . Ich möchte auf den Naturschutzbereich zurückkommen . Ihre Kollegin vom Umweltministerium hat ja gesagt, dass sie zum Schwerpunkt
der Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ den
Naturschutz machen will . Das hat sie im Zusammenhang
mit ihrer Naturschutzoffensive gesagt .
Wir haben dramatische Verluste bei Insekten und in
der Folge bei den Vögeln zu verzeichnen, und im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie, über die wir gerade
heute im Ausschuss gesprochen haben, gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren . Wir haben also im Umweltund Naturschutz keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung .
Welche zusätzlichen Standards wollen Sie vonseiten
des Ministeriums jetzt bei den Verhandlungen mit den
Ländern auflegen, damit diese Defizite im Natur, Umwelt- und auch Klimaschutz in der Landwirtschaft beseitigt werden?
Vielen Dank, Frau Kollegin Höhn . - Ich darf hier auf
den Nachsatz zu § 2 Absatz 1 in unserer Gesetzesfassung
rekurrieren . Da heißt es:
Dabei sind die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung, Landesplanung, des Umwelt- und Naturschutzes, der Landschaftspflege sowie des Tierschutzes zu beachten .
Das ist neu, und das wird in die Verhandlungen zwischen
Bund und Ländern einfließen.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Alois Gerig,
CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihr Engagement für die GAK . Wir alle hätten uns natürlich die
große Lösung mit noch sehr viel mehr finanziellen Mitteln gewünscht . Aber wir kämpfen weiter dafür, dass das
Finanzbudget in den nächsten Jahren anwächst .
Ich wollte fragen, wie man sich in Zukunft die Aufgabenteilung zwischen GAK und GRW vorstellt . Muss
man das besser vernetzen? Müssen die Landwirte gar darum fürchten, dass man ihnen auf dem Gebiet ihrer klassischen Aufgabe Mittel wegnimmt? Wird da ein gewisser
Konkurrenzkampf entstehen, oder wie wird diese Problematik zu lösen sein?
Wir haben uns für eine grobe regionale Abgrenzung
entschieden, lieber Kollege Gerig, die natürlich auch
Überlappungsfragen nicht ganz beantwortet . Ich will ein
Beispiel bilden: In einem Dorf, in dem vor 20 Jahren noch
fünf Vollerwerbsbetriebe waren, gibt es heute vielleicht
einen Vollerwerbsbetrieb und zwei, drei Betriebe, die
einem Neben- oder Zuerwerb nachgehen, zum Beispiel
im Bereich Tourismus, also Urlaub auf dem Lande, im
Bereich der Digitalisierung oder in anderen Bereichen .
Da gibt es Überschneidungen, sodass wir das grundsätzlich auch an die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geben könnten .
Aber wir haben uns entschieden - deswegen ist der Begriff so weit gefasst -, dass man beispielsweise einem
Landwirt, der sich verändern will, auch zukünftig mit
den Mitteln aus der GAK helfen kann . Da gibt es eine
enge Abstimmung zwischen dem Wirtschaftsministerium und meinem Hause . Ich habe keinen Zweifel daran,
dass wir das seitens der Bundesregierung in guter Weise
fortsetzen werden .
Die Geschäftsordnungslage ist wie folgt: Wir sind fast
am Ende mit der Befragung der Bundesregierung . Wir
haben noch eine Reihe von Zweitfragen, und wir haben
drei Fragen zu anderen Bereichen . Ich lasse die Zweitfragen jetzt nicht mehr zu und komme zu den Fragen zu
den anderen Bereichen . So war es bisher immer vereinbart. Das wäre jetzt als Erste Frau Dağdelen, dann Frau
Buchholz und dann Herr Wunderlich. - Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich hätte eine Frage
in Sachen Causa Böhmermann . Das beschäftigt uns und
die ganze Republik ja seit Tagen . Frau Bundeskanzlerin
Merkel hatte sich höchstpersönlich eingeschaltet und
sich in einem Telefonat mit dem türkischen Premierminister entschuldigt und distanziert . Ich würde gerne Folgendes wissen: Inwieweit war die Causa Böhmermann
heute Bestandteil der Kabinettssitzung? Inwieweit wurde
darüber gesprochen?
In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas
wissen; hier beziehe ich mich auf aktuelle Informationen .
Im Vorfeld der ARD-Talkshow Anne Will ist bei der ARD
eine Bombendrohung eingegangen . Der ZDF-Satiriker
Jan Böhmermann steht mittlerweile unter Polizeischutz .
Ich würde gerne wissen: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Bedrohungslage im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um dieses Schmähgedicht von Jan Böhmermann? War das auch Thema der
Kabinettssitzung?
Liebe Kollegin Dağdelen, herzlichen Dank für die
Fragen . - Zur ersten Frage: Als ein ordentlicher Tagesordnungspunkt in der Kabinettssitzung ist die Causa
Böhmermann nicht besprochen worden . Ich verzichte
jetzt auch darauf, in irgendeiner Weise eine Bewertung Sie haben auch keine angefragt - literarischer, satirischer
oder sonstiger Art des Gedichtes von Herrn Böhmermann
vorzunehmen . Das ist nicht meine Aufgabe .
Die Botschaft der Türkei hat im Zusammenhang mit
der Fernsehsendung Neo Magazin Royale im ZDF eine
Verbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet . Die Bundesregierung wird den Inhalt sorgfältig prüfen und so
zügig wie möglich darüber entscheiden, wie mit dem
förmlichen Verlangen der türkischen Seite nach Strafverfolgung im Zusammenhang mit in dieser Sendung
gemachten Äußerungen weiter zu verfahren ist .
Hinsichtlich der Bedrohungslage, nach der Sie ebenfalls fragten, will ich seitens der Bundesregierung ganz
klar meine Abscheu vor Bedrohungen von Journalisten
oder Autoren zum Ausdruck bringen . Es verbietet sich
schon und gerade aus Gründen des Schutzes des Betroffenen, die Details der Bedrohungslage öffentlich zu kommunizieren . Ich bitte dafür um Verständnis .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Christine
Buchholz, Fraktion Die Linke .
Vielen Dank . - Am Montag hat Verteidigungsministerin von der Leyen den Entwurf für das neue Weißbuch
in Umlauf gebracht . In der Presseberichterstattung war
zu lesen, dass die Bundeswehr zukünftig auch im Innern
eingesetzt werden soll, dass der Bundessicherheitsrat zusätzliche Aufgaben übernehmen soll und dass die Rechtsgrundlage, um die Bundeswehr ins Ausland zu schicken,
erweitert werden soll . Meine Frage lautet: Ist diese Position, die in dem Entwurf für das Weißbuch offensichtlich
enthalten ist, die Position der gesamten Bundesregierung,
und wie soll bei derart gravierenden Veränderungen das
Parlament beteiligt werden?
Vielen Dank . - Der Entwurf des Weißbuches war nicht
Gegenstand der heutigen Kabinettssitzung; er ist noch
nicht vorgelegt worden . Es ist in der Tat richtig, dass die
Bundesministerin der Verteidigung vor einem halben
Jahr angekündigt hat, diese Themen in einem diskursiven
öffentlichen Prozess anzusprechen und zu erörtern . Es
ist, wenn ich es richtig verstanden habe, gesagt worden,
dass dies als Diskussionsgrundlage zu verstehen ist . Die
Bundesregierung hat sich über diese Fragen aber noch
keine abschließende Meinung gebildet, weil das Weißbuch noch gar nicht zur Beratung vorlegt worden ist .
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Jörn
Wunderlich, Fraktion Die Linke .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Wir konnten der Presse
entnehmen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr
Oppermann, gesagt hat, im Hinblick auf die aktuellen
Geschehnisse sei beabsichtigt, den § 103 des Strafgesetzbuches - den, wie er sagte, antiquierten Majestätsbeleidigungsparagrafen - abzuschaffen . Man konnte
auch verfolgen, dass die rechtspolitische Sprecherin der
CDU/CSU, Frau Winkelmeier-Becker, gesagt hat, man
solle keine Schnellschüsse machen . Insofern möchte ich
fragen - in diesem Kontext muss man das natürlich fragen -: Waren Böhmermann und § 103 des Strafgesetzbuches Themen der Kabinettssitzung?
Ich darf darauf hinweisen, dass ich schon gesagt habe,
dass es keine Diskussion über diese Fragen gegeben
hat . Es ist aber interessant, festzustellen, dass einzelne
Diskussionen über Änderungen und Ergänzungen des
Strafgesetzbuches im parlamentarischen Raum eine Rolle spielen . Die Bundesregierung wird sich zu gegebener
Zeit hierzu äußern .
Letzte Fragestellerin in dieser allgemeinen Fragerunde: die Abgeordnete Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen .
Das Europaparlament hat gerade beschlossen, einer
15-jährigen Zulassungsverlängerung von Glyphosat
ohne erhebliche Einschränkungen nicht zustimmen zu
wollen . Das ist de facto eine schallende Ohrfeige für die
Bundesregierung und das BfR, die zu einer anderen Bewertung kommen . Welche Konsequenzen zieht das Ministerium daraus? Dem BfR ist ja mehrfach vorgeworfen
worden, bestimmte Studien, in denen die Gefährlichkeit
von Glyphosat angesprochen wurde, nicht berücksichtigt
zu haben .
Vielen Dank, liebe Kollegin, für diese Frage . - Das
Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine unabhängige
Institution, die von der hinter Ihnen sitzenden Kollegin,
meiner Vorgängerin Renate Künast, eingerichtet worden
ist .
({0})
Das begrüße ich sehr, weil sie damit die Wissenschaft
zum Primat bei der Ermittlung der Gefährlichkeit bzw .
bezüglich der Zulassungsfähigkeit von Produkten aus
dem chemischen Bereich - in anderen Instituten geschieht Vergleichbares im Hinblick auf Produkte aus dem
pharmazeutischen Bereich - gemacht hat . Ich glaube, das
ist ein sehr richtiger Weg .
Die Politik sollte es sich deswegen verbieten, sich an
die Stelle der Wissenschaft setzen zu wollen . Lassen Sie
mich in diesem Zusammenhang einen Vergleich bilden:
Man stelle sich vor, die Zulassung von Arzneimitteln
würde zukünftig per Abstimmung stattfinden. Jeder würde spüren, dass das ein Weg wäre, der so nicht geht . Ich
verlasse mich deswegen auf die Expertise .
Die kritischen Punkte, die genannt worden sind, müssen untersucht werden, und ich darf darauf hinweisen,
dass die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission eine einschränkende Verlängerung vorgeschlagen
hat . Insbesondere der Bereich der Biodiversität und die
Frage von Mischungen mit anderen Stoffen sollten bei
uns nicht mehr Gegenstand der Zulassung sein . Auch die
Nutzung im privaten Bereich sehe ich mit sehr großer
Skepsis .
Wir werden jetzt abwarten, wie sich die Europäische
Kommission über die Zulassung und das Verfahren bis
zum 30 . Juni 2016 noch äußern wird . Diese Antwort des
Kommissars steht noch aus .
Danke schön . - Ich schließe damit die Regierungsbefragung .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/8051
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend .
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Elke Ferner bereit .
Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Katrin Werner,
Die Linke, auf:
Welche Personen bilden derzeit den Vorstand der Conterganstiftung für behinderte Menschen d . ö . R .?
Frau Staatssekretärin .
Liebe Frau Kollegin Werner, der Vorstand der Conterganstiftung für behinderte Menschen besteht aus Marlene
Rupprecht als Vorsitzende und Frau Margit Hudelmaier .
Haben Sie zu dieser präzisen Antwort eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Bitte .
Mir ist bekannt, dass die Antwort richtig ist . Bei dieser
Fragestellung konnte auch nur diese Antwort kommen .
Deswegen möchte ich meine Frage etwas umformulieren: Können Sie kurz darauf eingehen, wie es zu dem
ganzen Hin und Her kam? Das ist ja auch der Hintergrund meiner Frage, wer den Vorstand jetzt bildet .
Ende März kam aus dem Hause der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ein
beglaubigtes Schreiben, in dem formuliert wurde, dass
ein anberaumter Termin nicht stattfinden kann, weil es
zum Rücktritt des Vorstandes gekommen ist . Jetzt gab es
aus Ihrem Hause - von Herrn Linzbach - ein Schreiben,
in dem einfach nur bestätigt wurde, dass der Vorstand im
Amt ist . Dem entnehme ich, dass es zu einem kurzzeitigen Ruhen des Amtes gekommen ist . Vielleicht können
Sie darauf noch einmal kurz eingehen .
Es hat keinen wirksamen Rücktritt des Vorstandes gegeben . Wenn Sie auf die Homepage der Conterganstiftung schauen, dann sehen Sie, dass die Geschäftsstelle
der Stiftung auf die vermehrt eingegangenen Anfragen
zum Vorstand der Conterganstiftung mitteilt, dass der
Vorstand im Amt ist und seiner Tätigkeit nachgeht .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? Nein .
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Katrin Werner,
Fraktion Die Linke, auf:
Welche Konsequenzen zieht das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Rücktritt einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder der Conterganstiftung für behinderte Menschen?
Frau Staatssekretärin, bitte .
Der Vorstand der Conterganstiftung für behinderte
Menschen ist im Amt und geht seiner Tätigkeit nach .
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? - Bitte schön .
Auch diese Antwort überrascht mich nicht, aber meines Wissens besteht der Vorstand ja eigentlich aus drei
Personen . Schon vor längerer Zeit gab es einen Rücktritt . Insofern möchte ich meine erste Nachfrage genau
auf diesen Rücktritt beziehen: Was wurde unternommen,
um den dritten Vorstandsposten wieder zu besetzen, und
wann soll er wieder besetzt werden?
Im Conterganstiftungsgesetz steht, dass der Vorstand
aus bis zu drei Personen besteht . Derzeit besteht er aus
zwei Personen . Unser Haus strebt an, die dritte Position
so rasch wie möglich wieder zu besetzen .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön .
Eine habe ich noch . - Es geht noch einmal um die
Konsequenzen . Ich bin vorhin ja schon darauf eingegangen: Wir haben ein kurzzeitiges Ruhen des Amtes wahrgenommen . Dafür muss es ja irgendwelche Hintergründe
geben . Gibt es demnächst Konsequenzen, Umstrukturierungen oder sonst irgendetwas? Es muss ja einen Grund
für diesen ganzen Vorgang geben .
Wie gesagt, es gab keinen wirksamen Rücktritt . Es
gab in unserem Haus Gespräche, um die der Vorstand
nachgesucht hat . Dabei ging es um die Arbeitsweise und
auch um die Frage der Unterstützung der Arbeit des Vorstandes . Die Gespräche sind, soweit mir bekannt ist, zu
einem guten Ende gebracht worden . Die Konsequenz daraus ist, dass der Vorstand im Amt ist und dass die dritte
Position so rasch wie möglich besetzt wird .
Danke schön . - Wir bleiben bei diesem Komplex .
Wir kommen zu Frage 3 der Abgeordneten Corinna
Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen:
Wird nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung der
Vorstand der Conterganstiftung regulär bis zum 31 . Dezember
2019 im Amt bleiben, oder gibt es aktuelle Änderungen bei der
Zusammensetzung des Vorstandes?
Frau Staatssekretärin, bitte .
Frau Kollegin Rüffer, der jetzige Vorstand der Conterganstiftung für behinderte Menschen wird nach dem
derzeitigen Kenntnisstand der Bundesregierung bis zum
31 . Dezember 2019 im Amt bleiben .
Haben Sie dazu eine Zusatzfrage?
Ja, klar . Deshalb bin ich ja hier .
Das habe ich mir schon gedacht . - Bitte .
Ich bedanke mich für die knappen Antworten . Aber
es ist trotzdem ein bemerkenswerter Vorgang, der in der
letzten Zeit sehr viele betroffene Menschen in Atem gehalten hat . Der Brief der Bundesdatenschutzbeauftragten, der auch mir vorliegt, zeigt, dass dort einiges im
Argen liegt .
Wir haben nach diesem Hinweis herumtelefoniert:
mit der Geschäftsstelle der Conterganstiftung, mit der
zuständigen Mitarbeiterin im Ministerium und auch mit
dem Vorsitzenden des Stiftungsrates . Bemerkenswert ist,
dass wir keine Antwort auf unsere Fragen bekommen und
auch von keinem Dementi des Rücktritts erfahren haben .
Wie erklären Sie sich das? Es ist schon erstaunlich, dass
ein Abgeordnetenbüro trotz großer Bemühungen nicht an
die Information herankommt, dass alles in Ordnung ist,
so wie Sie das hier vorgeben . Können Sie dazu vielleicht
etwas sagen?
Ich kann nur noch einmal auf meine Antworten von
eben verweisen . Die Stiftung selber und die Geschäftsstelle der Stiftung teilen auf der Homepage mit, dass der
Vorstand im Amt ist und seinen Tätigkeiten nachgeht . Ich
habe eben mehrfach erläutert, dass es keinen wirksamen
Rücktritt der Vorstandsmitglieder gegeben hat und dass
es nach Gesprächen in unserem Haus von uns die Zusage
gegeben hat, dass wir die Arbeit des Vorstandes weiterhin - nach Möglichkeit noch besser als bisher - unterstützen und dass der Posten des dritten Vorstandsmitglieds so
rasch wie möglich nachbesetzt wird .
Haben Sie dazu noch eine Frage?
Ja, gerne . - Es ist seit längerem bekannt, dass es in
der Stiftung Probleme gibt . Ein Problem ist, dass der ehrenamtliche Vorstand damit überfordert ist, die ihm gestellten Aufgaben in der entsprechenden Zeit zu erfüllen,
gerade was die Beantragung der spezifischen Bedarfe anbelangt . Da interessiert mich jetzt genauer, welche strukturellen Veränderungen da offensichtlich nötig sind . Man
hätte den dritten Posten sicher schon besetzen können,
wenn er in irgendeiner Weise attraktiv und mit angemessenem Aufwand auszufüllen wäre . Können Sie ein bisschen darauf eingehen, worüber gesprochen worden ist?
Wenn nicht: Wann bekommen wir diese Informationen?
Ich selber war bei dem Gespräch nicht anwesend, bin
aber gerne bereit, Ihnen die konkreten Ergebnisse, die ich
Ihnen im Moment nicht nennen kann - die Themen, über
die gesprochen worden ist, kann ich Ihnen mitteilen -,
schriftlich nachzureichen .
({0})
- Sehr gerne .
Danke schön .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Die
Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Stephan Kühn werden
schriftlich beantwortet . Ebenso werden die Frage 6 des
Abgeordneten Matthias Gastel und die Fragen 7 und 8
des Abgeordneten Oliver Krischer schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Die Fragen 9 und 10 der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet . An sich wäre
jetzt die Frage 11 des Abgeordneten Dr . André Hahn an
der Reihe, aber der Kollege Hahn ist nicht im Saal . Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen . Die Frage 12 des Abgeordneten Peter Meiwald wird
ebenfalls schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel
bereit .
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Kai Gehring,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die gemeinsam
mit den Ländern im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz ({0}) erarbeitete Vereinbarung zur Fortführung
der Exzellenzinitiative dem Deutschen Bundestag vorzulegen,
oder ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein solch
zukunftsweisendes Programm im Umfang von mehr als 4 Milliarden Euro und mit einer Bindungswirkung über drei Legislaturperioden hinaus nur im Rahmen der Gesamthaushalte
2018 ff . dem Parlament zur Entscheidung vorzulegen ist?
Herr Staatssekretär Rachel, bitte .
Herr Kollege Gehring, dazu kann ich Ihnen antworten,
dass die Bundesregierung beabsichtigt, dem Deutschen
Bundestag die Verwaltungsvereinbarung zur Nachfolge
der Exzellenzinitiative umgehend nach der Beschlussfassung in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zur
Verfügung zu stellen .
Es ist vorgesehen, den Entwurf einer Bund-Länder-Vereinbarung in der GWK am 22 . April weiter mit
den Ländern zu beraten . Ziel ist es, zu einer Beschlussfassung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten am 16 . Juni zu kommen .
Zusatzfrage, Herr Kollege Gehring? - Bitte schön .
Vielen Dank . - Weil Sie am Kern der Frage vorbei
geantwortet haben, provoziert das natürlich eine Nachfrage. Die Exzellenzinitiative sowie deren Neuauflage
und konkrete Ausgestaltung wird seit vielen Monaten öffentlich wissenschaftspolitisch diskutiert . Zudem gibt es
ganz konkrete Verhandlungen zwischen Bund und Ländern . Wir wissen alle miteinander, dass sich diese Verhandlungen auf der Zielgerade befinden.
Ich möchte von Ihnen wissen, ob eine Koalitionsfraktion oder sogar beide Koalitionsfraktionen das Ansinnen an die Bundesregierung herangetragen haben, dass
es hinsichtlich dieser Vereinbarung zwischen Bund und
Ländern einen Beschluss des Deutschen Bundestages als
Gesetzgeber und Haushaltsgesetzgeber geben sollte .
Die Bundesregierung beachtet die Vertraulichkeitsregelungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz,
die zwischen Bund und Ländern vereinbart worden sind .
Zur Frage der parlamentarischen Behandlung kann ich
Folgendes sagen: Wie Sie wissen, bin ich als Parlamentarischer Staatssekretär gebeten worden, in der nächsten
Ausschusssitzung über einen dann gegebenenfalls vorliegenden Stand der Beratung zur Exzellenzinitiative vorzutragen . Das werde ich selbstverständlich gerne machen .
Noch eine Zusatzfrage dazu .
Vielen Dank . - Offensichtlich gibt es eine gewisse
Auskunftsfreude gegenüber der Presse . Deshalb möchte
ich hier im Deutschen Bundestag noch einmal nachfragen, insbesondere auch deshalb, weil sich die Verhandlungen auf der Zielgerade befinden und die Bundesforschungsministerin mit großem Tamtam die Ergebnisse
der Imboden-Kommission, die die bisherige Exzellenzinitiative untersucht und Handlungsempfehlungen herausgegeben hat, vorgestellt hat .
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, welche
Elemente und Instrumente aus den Empfehlungen der
Imboden-Kommission aus Sicht der Bundesregierung in
der GWK-Vereinbarung und damit in den Spielregeln zur
neuen Exzellenzinitiative enthalten sein werden . Umgekehrt gefragt: Welche Elemente und Instrumente wandern in Ihre Schubladen und Archive? Welche wollen Sie
nicht umsetzen? Sowohl die Ergebnisse der Kommission
als auch ihre Handlungsempfehlungen sind ja öffentlich
gemacht und in der Presse schon breit diskutiert worden .
Presseberichterstattungen über laufende vertrauliche Verhandlungen zwischen den Bundesländern und
der Bundesregierung kommentiert die Bundesregierung
grundsätzlich nicht, auch in diesem Fall nicht . Insofern
werde ich und kann ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt
nicht sagen, welche Elemente, die die Imboden-Kommission vorgeschlagen hat, in einer Beschlussfassung
der Wissenschaftsminister in der GWK tatsächlich vorkommen werden; denn die Wissenschaftsministerkonferenz wird, wie ich Ihnen gerade erläutert habe, erst am
22. April stattfinden. Die abschließende Entscheidung
wird ohnehin erst im Juni von der Bundeskanzlerin gemeinsam mit den Ministerpräsidenten getroffen werden .
Wir bleiben bei diesem Themenkomplex und kommen
zur Frage 14 des Abgeordneten Kai Gehring:
Welche Gesamtstrategie strebt die Bundesregierung an, um
im Sinne der Einschätzung der Internationalen Expertenkommission Exzellenzinitiative ({0}) eine Gesamtstrategie für das deutsche Hochschul- und Forschungssystem zu entwickeln - „Die
IEKE ist überzeugt, dass … die durch den neuen Art . 91 b GG
… entstandenen Chancen dazu genutzt werden sollten, aus den
verschiedenen Initiativen ({1}) eine neue Gesamtstrategie für das deutsche Hochschulund Forschungssystem zu entwickeln“ -, und inwiefern sollten aus Sicht der Bundesregierung die einzelnen Pakte bzw .
Programme dauerhaft fortgeführt werden ({2})?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Gehring, die Bundesregierung setzt auf
zielorientierte, in sich schlüssige und miteinander kohärente Maßnahmen, die das Wissenschaftssystem insgesamt im Blick haben . Im Rahmen der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz befinden sich Bund und Länder
kontinuierlich in einem strategischen Prozess zu allen
gemeinsam berührenden Fragen der wissenschafts- und
forschungspolitischen Strategien . Im Rahmen dieses
Prozesses werden die in der Begründung zum Gesetz
zur Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz skizzierten
Möglichkeiten zur Anwendung im Hochschulbereich ergebnisoffen diskutiert .
Zusatzfrage, Kollege Gehring .
Vielen Dank . - Herr Staatssekretär, die Öffnung des
Grundgesetzes für eine dauerhafte Wissenschaftskooperation durch die Änderung des Artikels 91 b ist von der
Bundesregierung immer wieder als großer Erfolg verkündet und gefeiert worden . Was aber bisher völlig fehlt,
ist eine Definition, welche Rolle der Bund aus Sicht der
Bundesregierung künftig bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre nach Artikel 91 b spielen
soll . Das frage ich Sie jetzt . Wollen Sie so etwas wie
ein Leuchtturmbauer sein, oder wollen Sie Feuerwehr
spielen oder Dauerfinanzier sein? Es ist uns sehr wichtig, welche Rolle die Bundesregierung für sich definiert
und welche Strategie sie mit dieser Änderung des Artikels 91 b verfolgt .
Die Bundesforschungsministerin hat sich, wie im
Übrigen auch die Mehrheit im Deutschen Bundestag,
intensiv für eine Änderung im Sinne des neuen Artikels 91 b eingesetzt . Sie können davon ausgehen, dass
die neuen Möglichkeiten des Artikels 91 b Gegenstand
der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und
den Bundesländern auch im Zuge der Fortsetzung und
Neuformulierung der Exzellenzinitiative sind .
Noch eine Zusatzfrage?
Ja, gerne . - Wenn Sie in diesem Zusammenhang die
Exzellenzinitiative ansprechen, dann möchte ich noch
einmal auf den Bericht der Imboden-Kommission zurückkommen . Denn Herr Professor Imboden skizziert
eine denkbare Gesamtstrategie, wie der Artikel 91 b für
die Bündelung und Verstetigung der verschiedenen Wissenschaftspakte - beispielsweise des Hochschulpaktes,
des Paktes für Forschung und Innovation und des Qualitätspaktes Lehre - genutzt werden könnte .
Ist die Befürchtung von uns Grünen zutreffend, dass
die Bundesregierung jetzt ausgerechnet und widersinnigerweise den dynamischsten und am stärksten wettbewerblich ausgerichteten aller Pakte, nämlich die
Exzellenzinitiative, auf eine Dauerförderung nach Artikel 91 b umstellen will? Wenn das der Fall ist, frage ich
Sie, warum ausgerechnet die Exzellenzinitiative in der
Form gefördert werden soll, statt beispielsweise auf die
gemeinschaftliche Studienplatzfinanzierung durch eine
verstärkte Förderung des Hochschulpaktes zu setzen?
Die Bundesregierung kommentiert grundsätzlich
nicht Befürchtungen einzelner Fraktionen, auch nicht die
der Grünenfraktion . Das Thema und die skizzierte Gesamtstrategie der Imboden-Kommission sind natürlich
Gegenstand der Beratungen zwischen Bund und Ländern .
Wie Sie wissen, sind auch Vertreter von Bündnis 90/Die
Grünen, die verschiedenen Landesregierungen angehören, daran beteiligt . Sie sind also Teil dieses Diskussionsprozesses, der, wie gesagt - das wurde zwischen allen
16 Ländern und der Bundesforschungsministerin vereinbart -, vertraulich stattfindet und der am 22. April in seine nächste Stufe eintreten wird .
({0})
Bei den Fragen 15 und 16 der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Fraktion Die Linke, bleiben wir beim Thema
Exzellenzinitiative . Ich rufe zunächst Frage 15 auf:
Wie gestalten sich die Details bei der durch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof . Dr . Johanna Wanka,
in der Presse bekanntgegebenen Fortführung der ExzellenzParl. Staatssekretär Thomas Rachel
initiative durch Bund und Länder, insbesondere hinsichtlich
Fördervolumen und Förderkriterien?
Herr Staatssekretär, bitte .
Frau Kollegin Gohlke, Bund und Länder beraten in
vertraulichen Verhandlungen die Grundzüge für die
Nachfolge der Exzellenzinitiative . Es gibt bis zur Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 22 . April noch
Fragen zu klären . Die abschließende Entscheidung wird
am 16 . Juni von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten getroffen werden .
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Gohlke?
Vielen Dank, Herr Präsident . - Im Bund-Länder-Grundsatzbeschluss zur Nachfolge der Exzellenzinitiative hieß es, man werde bei der Fortführung die neuen
verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielräume nutzen .
Gemeint ist die Lockerung des Kooperationsverbotes .
Können Sie aufzeigen, was das bei den neuen Plänen
konkret bedeutet bzw . in welchen Punkten dies erfolgen
soll?
Letzteres werde ich nicht machen, weil die Gespräche vertraulich sind . Aber Sie können davon ausgehen,
dass das, was Bund und Länder in der grundsätzlichen
Entscheidung, die Exzellenzinitiative fortzuführen, vereinbart haben, auch Eingang in die Vorbereitung der Beschlussfassung für die Wissenschaftsminister gefunden
hat .
Können Sie das Parlament vielleicht darüber informieren, wann die neue Förderphase genau beginnen soll
und was mit den aktuell bestehenden Exzellenzclustern
und Exzellenzstandorten künftig passieren soll? Das ist
nämlich nicht nur für Bund und Länder, sondern auch
für das Parlament nicht gerade von untergeordneter Bedeutung .
({0})
Die grundsätzliche Richtung ist im Grundsatzbeschluss von Bund und Ländern vorgegeben . Hier wird die
Rolle derjenigen angesprochen, die eine zweite Chance
in einer zweiten Förderphase haben sollen . Über den genauen Instrumentenkasten und die Detailregelung kann
ich Sie heute nicht informieren, da die Wissenschaftsminister der Bundesländer und die Bundesforschungsministerin darüber noch nicht abschließend beraten haben .
({0})
Wir bleiben beim Thema . Ich rufe die Frage 16 der
Abgeordneten Nicole Gohlke, Fraktion Die Linke, auf:
Wie möchte die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über die geplanten Details hinsichtlich der Fortsetzung der
Exzellenzinitiative informieren, und plant die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag über die gesetzliche Grundlage zur Fortführung der Exzellenzinitiative als weitreichende
strukturverändernde wissenschaftspolitische Maßnahme und
über die zur Verfügung gestellten Bundesmittel entscheiden
zu lassen?
Herr Staatssekretär, bitte .
Frau Kollegin Gohlke, die Bundesregierung beabsichtigt, die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund
und Ländern zur Nachfolge der Exzellenzinitiative dem
Deutschen Bundestag umgehend nach der Beschlussfassung in der GWK zur Verfügung zu stellen . Die Exzellenzinitiative hat in Artikel 91 b des Grundgesetzes ihre
klare verfassungsrechtliche Grundlage . Die Finanzmittel
im Rahmen von Verwaltungsvereinbarungen werden wie
bisher nur vorbehaltlich der Mittelbereitstellung durch
die gesetzgebenden Körperschaften vereinbart .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Ist der Bundesregierung die juristische Meinung bekannt, die besagt, es sei nicht ausreichend, dass die
Exzellenzinitiative nur auf einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern beruht, sondern dass
es eigentlich einer parlamentsgesetzlichen Grundlage
bedürfe, insbesondere da der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Wissenschaftsrat im Entscheidungsverfahren die eigentliche Staatsaufgabe der Forschungsförderung übertragen wird und die Exzellenzinitiative
eine tatsächlich strukturverändernde Steuerungswirkung
entfaltet, die die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit tangiert? Wie bewertet die Bundesregierung diese Einschätzung?
Frau Kollegin Gohlke, diese juristische Einzelmeinung, die kürzlich zu lesen war, haben wir zur Kenntnis
genommen .
({0})
Nichtsdestotrotz ist die verfassungsrechtliche Grundlage
der Exzellenzinitiative in Artikel 91 b des Grundgesetzes
klar geregelt . Wörtlich ist in Artikel 91 b formuliert:
Vizepräsident Peter Hintze
Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der
Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre
zusammenwirken .
Die Verfassungskonformität der Vereinbarung steht in
übereinstimmender Meinung von Bund und Ländern außer Zweifel .
Wie ich sehe, Frau Gohlke, verzichten Sie auf Ihre
zweite Nachfrage . - Dann hat der Kollege Gehring das
Wort zu einer Nachfrage .
Ich war sehr erstaunt, Herr Rachel, dass Sie hier im
Deutschen Bundestag kein Bekenntnis zu einer Überbrückungsfinanzierung abgeben wollen, die für die Exzellenzcluster offenkundig vonnöten ist . Dafür ist es aus
unserer Sicht allerdings allerhöchste Zeit . Eine solche
Finanzierung ist längst überfällig . Eine entsprechende
Ankündigung hatte ich eigentlich schon von der Bundesforschungsministerin auf der Bundespressekonferenz am
29 . Januar erwartet . Schließlich wollen hochanerkannte
Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wissen, welche Perspektive sie haben . Ich frage daher noch
einmal nach: Inwieweit wird es eine Überbrückungsfinanzierung für die sehr honorigen Exzellenzcluster geben, die sich derzeit in der Förderung befinden?
Über eine Überbrückungsfinanzierung wird - genauso wie über die anderen Elemente der Exzellenzinitiative - zwischen den 16 Bundesländern und der Bundesregierung verhandelt. Wir befinden uns vollkommen im
Zeitplan, der allen Beteiligten frühzeitig klar war . Es geht
um die Nachfolge der Exzellenzinitiative ab November 2017 . Wir haben uns vorgenommen, bis zum Juni
zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin eine endgültige Entscheidung zu treffen . Diese wird
dann ab Mitte 2016 genügend Spielraum bieten, um in
den Folgejahren entsprechend zu reagieren .
Danke, Herr Staatssekretär . - Wir sind damit am Ende
Ihres Geschäftsbereichs .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung . Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn zur
Verfügung .
Die Frage 17 des Kollegen Kekeritz wird entsprechend unserer Richtlinien schriftlich beantwortet, da
das Thema „Briefkastenfirmen und Erarbeitung einer
UN-Steuerkonvention“ heute noch auf der Tagesordnung
steht . Hierzu halten unsere Richtlinien fest, dass eine solche Frage schriftlich beantwortet wird .
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Kekeritz auf:
Wie stellt die Bundesregierung nach dem Beitritt des Textildiscounters Primark und dem damit verbundenen Austritt
des Unternehmens MDC Sportswear ({0}) sicher, dass das Bündnis für
nachhaltige Textilien die Interessen derjenigen Akteure ausreichend berücksichtigt, die sich für weitreichende, nachhaltige Produktionsstandards einsetzen, und nicht stattdessen von
denjenigen Unternehmen dominiert und geprägt wird, die für
die schlechten Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern
verantwortlich sind, und wann ist mit der Fertigstellung der
Überarbeitung der Anhänge des Aktionsplans des Bündnisses
zu rechnen?
Ich bitte den Herrn Staatssekretär zu antworten .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Gegenstand der Frage
des Kollegen Kekeritz ist der Austritt des Unternehmens
MDC Sportswear aus unserem Bündnis für nachhaltige
Textilproduktion, nachdem das Unternehmen Primark
diesem beigetreten ist . Die Bundesregierung nimmt den
Austritt von MDC Sportswear mit Bedauern zur Kenntnis . Wir sind davon überzeugt, dass die im Aktionsplan
festgeschriebenen ambitionierten Bündnisstandards nur
im Verbund von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften umgesetzt werden können . Der Beitritt von
Primark bedeutet einen Schritt in diese Richtung .
Das Textilbündnis deckt mittlerweile bereits 55 Prozent des deutschen Einzelhandelsmarkts für Textilien und
Bekleidung ab . Alle Mitglieder, also auch Primark, sind
verpflichtet, sich für bessere Sozial und Umweltbedingungen in den Produktionsländern einzusetzen . Dafür
müssen alle Mitglieder einen individuellen Maßnahmenplan umsetzen und über die Fortschritte berichten .
Darüber hinaus arbeitet das Textilbündnis derzeit in
Arbeitsgruppen an einem robusten Sanktionsmechanismus für den Fall, dass Mitglieder des Textilbündnisses
nicht mit dem erforderlichen Engagement die Umsetzung der Bündnisstandards vorantreiben . Außerdem
arbeiten die Arbeitsgruppen derzeit daran, die Annexe
des Aktionsplans mit dem Ziel zu präzisieren, konkrete
Umsetzungsanforderungen zu den vereinbarten Bündnisstandards aufzustellen . Wann das abgeschlossen sein
wird, hängt von der Arbeit dieser Arbeitsgruppen ab .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Herzlichen Dank . - Herr Staatssekretär, es ist schön,
dass Sie den Austritt dieser Firma bedauern . Aber es gab
eine Begründung, warum diese Firma ausgetreten ist . Es
wäre nicht schlecht, wenn Sie diese Begründung bewerten würden . Der Austritt dieser Firma wurde damit begründet, dass mit dem Beitritt von Primark und dem vor
circa sechs Monaten erfolgten Beitritt der vier größten
Discounter Deutschlands die Standards definitiv nicht erreicht werden, weil das Interesse dieser Firmen gar nicht
sein kann, die hohen Standards, die erreicht werden sollen, einzuhalten .
Es wird allenthalben behauptet, unter anderem vom
Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, dass das Textilbündnis im Prinzip gekapert worden
ist . Sie erinnern sich an eine schriftliche Aussage des Verbandes in seiner Mitgliederzeitschrift, die lautete: Jetzt
ist keine Gefahr mehr vom Textilbündnis zu erwarten .
Wir bestimmen das Ziel, wir bestimmen auch die Zeit,
und wir können jetzt im Rahmen des Textilbündnisses
auch für unsere Firmen sehr gut werben . - Ich frage Sie
ganz konkret: Wie bewerten Sie das?
Wer Mitglied dieses Textilbündnisses werden kann,
hat dieses Textilbündnis selbst festgelegt . Der Steuerungskreis hat am 21 . Januar 2016 Regeln der Zusammenarbeit verabschiedet . Darin steht unter anderem bezüglich einer Mitgliedschaft aus dem Bereich Wirtschaft,
dass Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie
und des Handels sowie Verbände und Initiativen beitreten können, die im Bereich „nachhaltige Textilien“ aktiv
sind . Diese Aufnahmebedingungen erfüllen alle Unternehmen, die beigetreten sind .
Den Aufnahmeantrag der Firma Primark hat der Steuerungskreis am 16 . März 2016 einstimmig positiv beschieden . In diesem Steuerungskreis sind alle relevanten
Anspruchsgruppen dieses Textilbündnisses vertreten,
neben der Wirtschaft also auch Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und Bundesregierung . Die Mitglieder dieses
Textilbündnisses verpflichten sich gemeinsam auf die
festgelegten ambitionierten Bündnisstandards . Sie müssen alle für sich einen Maßnahmenplan vorlegen, wie ich
eben berichtet habe, diesen Maßnahmenplan umsetzen
und auch darüber berichten, wie sie ihn umsetzen .
Natürlich ist ein weiter Weg zurückzulegen, um in der
gesamten textilen Lieferkette soziale und ökologische
Mindeststandards umzusetzen . Das Besondere an diesem
Textilbündnis ist, dass wir mit den Unternehmen, die da
schon weiter sind, aber auch mit denen, die noch einen
weiten Weg zurückzulegen haben, ein gemeinsames, vergleichbares Wettbewerbsumfeld schaffen wollen . Deswegen brauchen wir beide, auch wenn sie in einem Wettbewerb zueinander stehen . Spannungen wie diese sind
nicht ganz auszuschließen . Das war ja gerade der Grund,
weshalb mein Minister, Dr . Gerd Müller, das Bündnis für
nachhaltige Textilien ins Leben gerufen hat: Wir haben
die Zielsetzung, Transparenz in die globalen Lieferketten
zu bringen
({0})
und in diesem Wettbewerbsumfeld die gemeinsamen
Anstrengungen aller beteiligten Unternehmen um die
Standards im sozialen und im ökologischen Bereich zu
verbessern .
Herr Kekeritz, bevor Sie Ihre zweite Nachfrage stellen, bitte ich Sie, auch wenn das optische Signal eben
etwas verwirrend war, zur Kenntnis zu nehmen, dass,
wenn das erste Mal das rote Licht aufleuchtet, Frage und
gegebenenfalls auch Antwortzeit überschritten sind .
Ihre zweite Nachfrage .
Ich entschuldige mich wegen der Überschreitung meiner Redezeit um acht Sekunden .
Herr Silberhorn, Sie haben eben von einem robusten
Sanktionsmechanismus gesprochen, der eingeführt werden soll . Ich frage mich schon: Warum sollten eigentlich
Unternehmen in einem System, in dem die freiwillige
Selbstverpflichtung vorherrschendes Prinzip ist, ein System robuster Sanktionen gegen sich selbst errichten? Sie
haben auch davon gesprochen, dass jedes Unternehmen
eine individuelle Roadmap, wie es hier heißt, erstellen
soll . Wie schaut es mit dieser Roadmap aus? Wann ist mit
den ersten Ergebnissen zu rechnen?
Es war ja ein Ziel dieses Textilbündnisses, sehr transparent zu sein; es lebt also von der Transparenz . Mittlerweile habe ich mit einigen Unternehmen gesprochen, die
sagen: Wir basteln schon an einem individuellen Roadmap-System; aber von Transparenz haben wir keine Ahnung . Wir wissen auch nicht, dass unser weiteres Vorgehen transparent erfolgen soll .
Die Arbeitsgruppen des Textilbündnisses arbeiten an
all den Fragen, die Sie angesprochen haben . Es gibt eine
Arbeitsgruppe für den Review-Prozess, die im Zusammenhang mit diesem robusten Sanktionsmechanismus
auch berät . Sie hat zuletzt am 24 . März 2016 getagt und
eine Vorbereitung dafür getroffen, die nötigen Indikatoren zu entwickeln und ein Konzept für Roadmaps zu erarbeiten, die für alle Mitglieder verpflichtend sind.
Bis Ende April dieses Jahres soll im Rahmen dieses
Review-Prozesses eine Statusabfrage bei allen Bündnismitgliedern durchgeführt werden . Bis 30 . September dieses Jahres werden die Indikatoren für den Review-Prozess verabschiedet und auch die individuellen Roadmaps
entwickelt . Das ist der Zeitplan .
Zu einer Nachfrage erhält die Kollegin Renate Künast
das Wort .
Danke . - Ich will vorab sagen: Da Sie immer von
Wettbewerb und Wettbewerbsgleichheit reden, will ich
Ihnen einen sachdienlichen Hinweis geben, Herr Staatssekretär: Der Wettbewerb findet nicht innerhalb Deutschlands statt, sondern im europäischen Binnenmarkt . Insofern habe ich den ersten Zweifel an dieser freiwilligen
nationalen Initiative .
Sie haben gesagt: Alle sollen dann einen Plan haben,
und dazu beschließen wir Sanktionen . - Das hört sich toll
an . Bei genauerem Hinhören stellt man dann aber fest:
Alle sollen einen individuellen, freiwilligen Plan haben .
Bisher haben Sie nur angedeutet, wann was stattfinden
soll . Ich kann mir, wie der Kollege Kekeritz, schlecht
vorstellen, dass jemand ernsthaft etwas in einen solchen
Plan hineinschreibt, wofür er sanktioniert werden kann .
Dementsprechend allgemein werden die Inhalte dieses
Plans sein .
Insofern will ich, auch mit Blick auf Ihre AGs, die irgendwann einmal Vorschläge für Standards oder Regeln
vorlegen, kurz und knapp fragen: Was ist inzwischen
passiert? Dieses Bündnis wurde 2014 geschlossen . Es
wurde viel geredet . Greenpeace hat mit vielen Unternehmen eine Vereinbarung getroffen, die besagt: Bis 2020
müssen bestimmte Giftstoffe aus dem Produktionsprozess heraus sein . Ist bei Ihnen schon irgendetwas konkret
passiert, weswegen sich ökologisch, gesundheitlich oder
sozial irgendetwas verändert hat? Oder liegt der Plan,
was später passieren soll, frühestens Ende des Jahres vor?
Frau Kollegin Künast, der Wettbewerb findet in der
Tat im europäischen Binnenmarkt statt . Darüber hinaus
findet er aber auch weltweit statt.
Was den europäischen Binnenmarkt angeht, darf ich
ankündigen, dass die Europäische Union Anfang Mai
die sogenannte „EU flagship initiative on garment“ vorstellen wird, die auf unseren Erfahrungen mit unserem
Bündnis für nachhaltige Textilien aufbauen wird .
Frau Kollegin, der Wettbewerb ist international; das
geht über den europäischen Binnenmarkt hinaus . Deswegen arbeiten wir in diesem Textilbündnis auch mit Partnern zusammen, die als Unternehmen in den produzierenden Ländern tätig sind oder die Vertreterinnen oder
Vertreter der Zivilgesellschaft dort sind .
Was die Aufgaben oder die Ergebnisse dieses Textilbündnisses angeht: Es ist eine gewaltige Agenda, die
sich alle Mitglieder vorgenommen haben . Sie bereiten
das konkret in Arbeitsgruppen vor; einige davon habe
ich schon angesprochen . Wir haben allein in den letzten
Wochen, im März und April dieses Jahres, Fortschritte
bei den Themen Sozialstandards oder Naturfasern erzielt .
Hier hat eine Veranstaltung im Rahmen des Review-Prozesses stattgefunden; ich habe es angesprochen . Die Arbeitsgruppe Chemikalien arbeitet konkret an den Fragen,
die Sie aufgeworfen haben . Die Arbeitsgruppe Internationalisierung befasst sich mit der Frage, wie wir diesen
Prozess über den deutschen Markt und den europäischen
Binnenmarkt hinaus verbreitern können .
Also: Wir haben eine klare Agenda . Den Zeitplan habe
ich genannt, soweit ich das jetzt kann . Wir werden sukzessive zu Ergebnissen kommen . Wir machen uns auch
keine falsche Vorstellung . Wir wissen, dass es um das
Bohren dicker Bretter geht und dass wir einen langen
Atem brauchen, nicht nur hier in Deutschland und in der
Europäischen Union,
({0})
sondern auch in unseren Partnerländern, mit denen wir
unsere Instrumente der Entwicklungspolitik zum Tragen
bringen .
Das gilt für alle, Kollegin Künast: Wenn es rot leuchtet, ist die Zeit überschritten .
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Movassat
das Wort .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, Sie
haben mich mit Ihren Antworten ein bisschen in Verwirrung gestürzt . In einer Antwort haben Sie davon gesprochen, dass sich die Unternehmen auf weitgehende Standards des Bündnisses verpflichten. Danach haben Sie
gesagt: Es gibt individuelle Maßnahmenpläne . - Das ist
ein Widerspruch . Entweder gibt es allgemeine Standards,
die alle Unternehmen umsetzen müssen, unabhängig von
einem individuellen Maßnahmenplan, oder es gibt einen
individuellen Maßnahmenplan, nach dem das Unternehmen das tut, worauf es Lust hat . Insofern müssen Sie mir
und dem Bundestag die Frage beantworten: Wird es allgemeine Regeln für alle Unternehmen geben, oder können sich die Unternehmen die Regeln am Ende des Tages
frei aussuchen?
Ich hoffe, Herr Kollege Movassat, dass ich Ihre Verwirrung aufklären kann . Die Bündnisstandards stellen
die Ziele dar, auf die sich die Mitglieder des Bündnisses
verpflichten, und die Roadmap stellt den Weg dar, auf
dem die Mitglieder des Textilbündnisses diese Ziele erreichen wollen .
Damit kommen wir zur Frage 19 des Kollegen
Movassat:
Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass die
niederländische Entwicklungsbank FMO und alle anderen im
Makeni-Projekt involvierten europäischen Entwicklungsbanken - darunter auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH - mit sofortiger Wirkung aus dem Makeni Project des Unternehmens Addax Bioenergy S . A . Sierra
Leone aussteigen, wie die FMO nach Informationen des Sierra
Leone Network on the Right to Food ({0}) vor kurzem
bei einem Vor-Ort-Termin in Makeni angekündigt hat, und
mit welchen Konsequenzen rechnet die Bundesregierung bei
einem solchen Ausstieg für die betroffene Landbevölkerung
vor Ort, die seit dem Verlust ihrer ursprünglichen Ländereien
durch das Makeni-Projekt für den Anbau von Lebensmitteln
auf die Bereitstellung von Inputs ({1}) angewiesen ist ({2})?
Bitte, Herr Staatssekretär .
http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf
http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf
http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf
http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Addax/20140612_Addax_Monitoring_Report_2014.pdf
Frau Präsidentin! Dieses Vorhaben der Firma Addax
Bioenergy in Sierra Leone ist - ich schaue nach dem Jahr;
ich habe die exakte Zahl nicht hier -, ich glaube, 2008/09
begonnen worden . Es ist der Bundesregierung bekannt,
dass die Firma Addax Bioenergy im Jahr 2015 öffentlich
angekündigt hat, dass sie ihre Tätigkeit in Sierra Leone
reduzieren und einem Review-Prozess unterziehen wird .
Im März 2016 hat das Unternehmen darüber informiert,
dass dieser Review-Prozess noch nicht abgeschlossen ist .
Das Ergebnis bleibt also abzuwarten . Welche Folgen das
für den Fortgang des Projekts haben könnte, kann erst
dann beurteilt werden, wenn die Ergebnisse dieses Überprüfungsprozesses vorliegen .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär
Silberhorn, heute sitzt hier auf der Zuschauertribüne Herr
Abbas Kamara . Herr Abbas Kamara kommt aus Sierra
Leone, und er vertritt Tausende Kleinbauern in der Region, in der Addax, das Unternehmen, um das es hier geht,
aktiv ist und in der über viele Jahre Zuckerrohr angebaut
worden ist . Dieses Projekt wurde von europäischen Entwicklungsbanken unterstützt . Er hat über viele Jahre immer wieder mit denen verhandelt und auf die Missstände
hingewiesen . Im März dieses Jahres war ein Vertreter der
niederländischen Entwicklungsbank FMO in der Region
und hat Herrn Kamara persönlich mitgeteilt, dass die europäischen Entwicklungsbanken - damit auch die DEG,
die ebenfalls dort engagiert ist - dort aussteigen werden .
Die Bauern, die vorher durch den Zuckerrohranbau ihr
Land verloren haben, werden damit nun endgültig völlig
alleingelassen . Ihnen drohen Armut und Hunger; denn
sie haben eben nicht nur ihr Land verloren, sondern jetzt
werden dort auch die Arbeitsmöglichkeiten vernichtet .
Daher stellt sich schon die Frage, ob es eine Entscheidung der Entwicklungsbank gibt, dort auszusteigen, und
was mit den Menschen dort geschehen soll .
Eine solche Entscheidung gibt es bei der beteiligten
Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
bisher nicht, weil der Überprüfungsprozess, den ich
vorhin angesprochen hatte, noch nicht beendet ist . Man
muss dazu sagen, dass dieses Vorhaben unter äußerst
schwierigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen begonnen worden ist . Das Land hat einen
elfjährigen Bürgerkrieg durchgemacht . Über 50 Prozent
der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze . Der
wirtschaftliche Einbruch mit seinen Folgen, die das Unternehmen jetzt zu tragen hat, hat auch mit der Ebolaepidemie, die es seit 2014 in Sierra Leone gibt, zu tun .
Es war ein Erfolg, dass mit diesem Vorhaben über
3 000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind . Zusammen
mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen und dem Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Ernährungssicherheit
Sierra Leones wurde ein Farmer Development Programme mit 2 000 Hektar Land für den Reisanbau etabliert .
Dieses Land wurde durch lokale Gemeinden erschlossen .
1 400 Bauern wurden im Rahmen dieses Programms geschult .
Insofern verstehe ich die Betroffenheit . Eine Entscheidung der involvierten acht europäischen und afrikanischen Entwicklungsinstitutionen ist noch nicht gefallen .
Wenn aber ein Vertreter der Bauern heute hier ist, biete
ich gerne an, dass wir Kontakt aufnehmen . Sofern dieses
Projekt beendet werden sollte, wozu ich hier aber keine
Aussage treffen kann, werden natürlich Folgen zu beachten sein . In diesem Zusammenhang stehen wir gerne für
einen Dialog bereit . Ich würde Sie, Herr Kollege, ausdrücklich bitten, dass Sie diesen Kontakt herstellen .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Danke schön . - Herr Staatssekretär, das werden wir
gerne tun . - Jahrelang haben Entwicklungsministerium
und auch die DEG die Finanzierung von Addax immer
wieder als Vorzeigeprojekt dargestellt . Zum Beispiel
haben Sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von
mir - ich zitiere - geschrieben:
Die Bundesregierung und die DEG sind von den
positiven entwicklungspolitischen Effekten des Engagements mit ADDAX in Sierra Leone überzeugt .
Wenn man den Betroffenen vor Ort glaubt, dann sind
diese Effekte nicht oder jedenfalls nicht nachhaltig eingetreten, weil sie zum Beispiel Inputs durch Addax bekommen haben, die natürlich wegfallen, wenn sich das
Unternehmen dort nicht mehr engagiert . Das heißt, dass
es sich dann nicht um eine nachhaltige Entwicklungspolitik handeln würde . Die Menschen dort vor Ort sagen,
dass es einen Kollaps in der Region geben würde, wenn
jetzt sozusagen der Ausstieg käme .
Ich bin froh, dass Sie jetzt hier gesagt haben, dass Sie
bereit sind, dann da Verantwortung zu übernehmen . Es
wäre aber interessant, wenn Sie konkretisieren würden,
was es heißt, Verantwortung vor Ort zu übernehmen .
Denn es geht hier wirklich - Sie haben es angesprochen um die Existenz von über 3 000 Menschen - das Ganze
beruht auch auf der Projektentscheidung der DEG, dorthin zu gehen -, die unter den Folgen zu leiden hätten,
falls Addax aussteigt . Ich glaube, es ist schon wichtig, da
mit offenen Karten zu spielen .
Dieses Projekt ist mit großen Hoffnungen gestartet
worden - unter anderem auch mit der Zielsetzung, die
Bioethanolproduktion zu nutzen, um auf den europäischen Markt zu kommen . Dass sich die wirtschaftlichen
Verhältnisse - insbesondere aufgrund der Ebolaepidemie - verändert haben, habe ich bereits angesprochen .
Ich will nicht unerwähnt lassen, dass sich die Firma
Addax bei der Bekämpfung der Ebolaepidemie vorbildlich eingesetzt bzw . die Beschäftigten und deren Familien
nach Kräften unterstützt hat . Ich kann derzeit keine Aussage treffen, wie die Firma Addax ihr Investitionsvorhaben weiterführen wird . Es ist auch nicht auszuschließen,
dass in dem Überprüfungsverfahren für den Fall, dass
sich ein Projekt nicht so realisieren lässt, wie man es
sich vorgenommen hat, mit neuen Investoren gesprochen
wird . Da dort eine deutsche Beteiligung in Rede steht,
werden wir uns - das habe ich Ihnen zugesagt - mit den
Folgen auseinandersetzen . Deswegen habe ich Sie gebeten, den Kontakt zu Herrn Kamara herzustellen .
Danke, Herr Staatssekretär . - Wir sind damit am Ende
Ihres Geschäftsbereiches .
Die Fragen 20 der Kollegin Tabea Rößner und 21 des
Kollegen Dr . André Hahn aus dem Geschäftsbereich der
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes werden
schriftlich beantwortet . Dies gilt auch für die Fragen 22
und 23 der Kollegin Bärbel Höhn aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes . Zur Beantwortung der Fragen steht die Staatsministerin Professor Dr . Maria Böhmer zur Verfügung .
Die Frage 24 der Kollegin Brigitte Pothmer soll
schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen damit zur Frage 25 der Kollegin Eva
Bulling-Schröter . - Diese ist offensichtlich nicht im Saal,
sodass wir verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Frage 26 der Kollegin Tabea Rößner soll schriftlich beantwortet werden .
Damit rufe ich die Frage 27 der Kollegin Heike Hänsel
auf:
Worin sieht die Bundesregierung in den heftigen Reaktionen der türkischen Regierung bzw . des türkischen Präsidenten, ausgelöst durch eine Extra-3-Satire, die sich kritisch mit
Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei
sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen
Kurden im Südosten des Landes auseinandersetzte und zur
Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei führte, eine so maßgeblich andere Tragweite, dass „die Stimme
Merkels vermisst“ wurde, sie im Gegensatz dazu nach einem
Schmähgedicht Jan Böhmermanns „hingegen schnell zum Telefon“ griff ({0}), und warum war es der Bundeskanzlerin als
Zeichen für das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit
im Gegensatz zum Jan-Böhmermann-Schmähgedicht nicht so
wichtig, auch in der Angelegenheit um die Extra-3-Satire und
die Einbestellung des deutschen Botschafters mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zu telefonieren
bzw . sich öffentlich zu äußern?
Bitte, Frau Staatsministerin .
Ja, gerne, Frau Präsidentin . - Ich darf die Frage wie
folgt beantworten: In seinem Gespräch im türkischen Außenministerium zur genannten Fernsehsendung extra 3
hat der deutsche Botschafter die Bedeutung der Pressefreiheit verdeutlicht . Bei dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet
Davutoglu handelt es sich um ein bereits länger verabredetes Telefonat zur Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens . Dieses war das beherrschende Thema
des Telefonats . Der genannte Beitrag von Jan Böhmermann war ein weiterer Gegenstand des Gesprächs, aber
nicht dessen Anlass .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Ja, danke schön . - Frau Staatsministerin, Sie haben
jetzt aber trotzdem die Frage nicht beantwortet, warum
es hier so unterschiedliche Reaktionen von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben hat . In der Sache extra 3 hat
sie sich in keinerlei Weise öffentlich geäußert . Aber in
der Frage Böhmermann hat sie persönlich dieses Gedicht
bewertet und ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht . Da
gibt es doch einen fundamentalen Unterschied . Sie hat
in Bezug auf extra 3 acht Tage lang geschwiegen . Da hat
man überhaupt nichts von der Bundeskanzlerin gehört,
obwohl der deutsche Botschafter in der Türkei einbestellt
worden war, was bezüglich eines Satirebeitrages ein sehr
ungewöhnlicher Vorgang ist . Da hat man von der Bundeskanzlerin nichts gehört . Fehlanzeige! Bei Herrn Böhmermann dagegen ist sie in der Form aktiv geworden .
Weshalb diese Doppelstandards?
Ich sehe keine solchen Doppelstandards, Frau Hänsel .
Damit haben Sie das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage .
Aber diese Doppelstandards sind doch offensichtlich .
Ich frage mich, wie die Bundesregierung in diesem Fall
eigentlich weitermachen will . Denn mittlerweile eskaliert die ganze Situation . Wir haben eine Bedrohung gegenüber Herrn Böhmermann . Wir haben Bombendrohungen, was die Anne-Will-Sendung angeht . Wir haben hier
eine Eskalation, was die öffentliche Sicherheit angeht .
Ich frage mich, wie die Kanzlerin das eigentlich verantworten kann, dass sie durch ihre Reaktion diese ganze
Diskussion in der Öffentlichkeit in der Form überhaupt
erst angeheizt hat . Sie müssen jetzt doch in irgendeiner
Form reagieren und können nicht einfach sagen: „Nein,
wir sehen hier nichts; es ist alles ganz normal“, wenn alle
Medien darüber berichten, dass Bundeskanzlerin Angela
Merkel durch ihr Gespräch und ihre Bewertung bezügParl. Staatssekretär Thomas Silberhorn
http://www.tagesschau.de/inland/boehmermann-merkel-101.html
http://www.tagesschau.de/inland/boehmermann-merkel-101.html
lich des Satirebeitrags von Jan Böhmermann diese ganze
Situation zu verantworten hat .
Frau Kollegin Hänsel, ich teile Ihre Auffassung, die
Sie in Ihrer Schlussfolgerung ziehen, ausdrücklich nicht .
Ich bin auch etwas erstaunt, wie Sie die Bedrohungslage
hier darstellen . Das ist, glaube ich, in einer Art und Weise
erfolgt, die so nicht nachvollziehbar ist .
Ich will noch einmal sehr deutlich machen - das ist
wiederholt auch durch den Regierungssprecher und die
Kanzlerin deutlich gemacht worden -, dass Artikel 5
Grundgesetz für uns ein höchstes Gut ist . Der deutsche
Botschafter hat, als er in das türkische Außenministerium einbestellt worden ist, in seinem Gespräch mit aller
Nachdrücklichkeit auf die Bedeutung der Pressefreiheit
hingewiesen . Das andere Gespräch - das habe ich deutlich gemacht - war schon länger angesetzt .
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Dağdelen das
Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Es ist schon erstaunlich, welch einsilbige Antworten man hier angesichts dessen, was die Republik bewegt, von der Bundesregierung
bekommt. Ich finde es auch ziemlich verharmlosend,
Frau Staatsministerin, wenn ich die Aussage höre, dass
Bombendrohungen gegenüber einer Fernsehsendung
aufgrund des Inhalts dieser Sendung nicht so gefährlich
seien bzw . man hier übertreibe . Bombendrohungen kann
man nicht als Übertreibungen bezeichnen . Mit Blick auf
die Satiriker, die sich und ihre Familien aufgrund der
Gefährdungslage unter Polizeischutz stellen lassen müssen, finde ich es, gelinde gesagt, sehr verharmlosend,
wie die Sicherheitslage hier von den deutschen Sicherheitsbehörden dargestellt wird . Das gilt auch bezüglich
der Redaktionen, der Künstlerinnen und Künstler sowie
der Journalisten . Hier würde ich mir ein bisschen mehr
Ernsthaftigkeit wünschen .
Aufgrund dessen, dass die Bundeskanzlerin sich jetzt
inhaltlich zu Kunsterzeugnissen äußert, möchte ich Folgendes wissen: Wird sich die Bundesregierung auch in
Zukunft gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern
zu Kunsterzeugnissen, zu Erzeugnissen der deutschen
Medienlandschaft äußern? Und wenn ja, nach welchen
Kriterien wird die Bundeskanzlerin eine Bewertung der
deutschen Medien und der Kunstlandschaft gegenüber
ausländischen Staatsoberhäuptern vornehmen?
Frau Kollegin Dağdelen, ich möchte es noch einmal
klarstellen: Meine Äußerung hatte nichts mit einer Verharmlosung zu tun . Es war ein großer Bogen, den die
Kollegin Hänsel hier gespannt hat . Die Situation bezüglich der Bombendrohungen ist eine erschreckende Entwicklung . Bundesminister Schmidt hat es vorhin noch
einmal sehr deutlich gemacht und damit auch die Gesamtposition der Bundesregierung in dieser Frage ausgedrückt . Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden
in den Ländern, sich dieser Frage mit allem Nachdruck
anzunehmen . Dass Herr Böhmermann jetzt um Polizeischutz nachsuchen musste, ist etwas, was mich sehr
erschreckt . Von daher weise ich Ihre Interpretation mit
aller Deutlichkeit zurück .
Was meinten Sie mit „Kunst“, darf ich den Begriff
noch einmal hören?
Sehr gerne . - Es ging um Presse- und Kunsterzeugnisse in Deutschland .
Über Presse- und Kunsterzeugnisse kann man doch
immer wieder reden . In dieser allgemeinen Art kann ich
Ihnen nur eine allgemeine Antwort geben .
Wir sind in der Fragestunde, Frau Kollegin Dağdelen
und Frau Staatsministerin . Insofern bitte ich darum, jetzt
nicht in einen Dialog einzutreten . Ich habe die Klarstellung natürlich zugelassen . Wenn es auf die Frage noch
etwas zu antworten gibt, können Sie das gerne noch
tun . Ansonsten kommen wir zur Frage 28 der Kollegin
Dağdelen, die sich auch mit diesem Gegenstand befasst.
Danke, Frau Präsidentin . Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen .
Gut . - Dann rufe ich Frage 28 auf:
Inwieweit haben türkische Stellen ({0}) bei der Bundesregierung nach der Ausstrahlung
der ZDF-Sendung Neo Magazin Royale am 31 . März 2016, in
der Moderator Jan Böhmermann mit einem Gedicht über den
türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Unterschied
zwischen Schmähkritik und Satire aufgezeigt hat, wegen Präsidentenbeleidigung reagiert ({1}),
woraufhin Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel im telefonischen Gespräch mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet
Davutoglu am Abend des 3 . April 2016 die Bewertung versuchte, dass es sich bei dem Beitrag um einen „bewusst verletzenden“ Text handelt ({2}), und inwieweit wird die Bundesregierung die gemäß § 104 a des Strafgesetzbuchs erforderliche Verfolgungsermächtigung gegen Jan Böhmermann und
weitere Verantwortliche des ZDF wegen Beleidigung eines
ausländischen Staatsoberhauptes erteilen ({3})?
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Botschaft
der Türkei hat im Zusammenhang mit der ZDF-Fernsehsendung Neo Magazin Royale eine Verbalnote an das
http://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.html
http://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.html
http://www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.html
Auswärtige Amt gerichtet . Die Bundesregierung wird so
zügig wie möglich darüber entscheiden, wie weiter zu
verfahren ist .
Haben Sie dazu noch eine Nachfrage? - Bitte .
Wenn es diese Verbalnote gibt und wenn es diese Prüfung gibt, dann stelle ich meine Frage im Anschluss an
die Fragestellung der Kollegin Heike Hänsel: Wieso hat
Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz ungefragt kundgegeben, dass Frau Bundeskanzlerin
das Stück von Herrn Jan Böhmermann in ihrem Telefonat
mit dem türkischen Premierminister Davutoglu als „bewusst verletzend“ eingestuft und sich davon distanziert
hat, obwohl eine entsprechende Prüfung vorgesehen ist,
die man in einem Rechtsstaat, in dem eine Gewaltenteilung herrscht, den Gerichten überlassen müsste und nicht
einem Regierungssprecher und einer Bundeskanzlerin,
die den Regierungssprecher in die PK vorschickt und ihn
dies ungefragt erklären lässt?
Gerne . - Ich habe hier das Protokoll der Pressekonferenz vom 4 . April vor mir und sehe, dass Staatssekretär Seibert zunächst über die Umsetzung der EU-Türkei-Vereinbarung berichtet hat . Das war ja auch Anlass
des Telefongesprächs; deshalb ist es vereinbart worden .
Er hat darauf hingewiesen, es sei
… ein wichtiger Tag, denn es beginnt die Umsetzung eines zentralen Teils dieses Abkommens …
Sie waren heute Morgen im Ausschuss . Wir haben dort
ausführlich darüber gesprochen . - Dann sagte er:
Gesprächsgegenstand war auch die jüngste Veröffentlichung eines sogenannten Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan.
Alle weiteren Äußerungen dazu sind Ihnen bekannt .
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage .
Das war - erstens - keine Antwort auf die Fragestellung .
Zweitens würde ich gerne wissen, inwiefern es andere, gerne auch nachrichtendienstliche, Erkenntnisse über
Drohungen und Bedrohungssituationen gibt . Sie können
uns die Antwort auch später schriftlich zuleiten, wenn
Sie mögen . Es gab ja Proteste vor dem ZDF-Studio in
der Türkei . Es gab solche Proteste auch hier . Wie wir gehört haben, gibt es eine sehr akute Gefährdung bestimmter Künstlerinnen und Künstler in Deutschland, die unter
Polizeischutz stehen - Jan Böhmermann, aber eben auch
andere . Da würde ich gerne wissen: Hat die Bundesregierung hier mehr Kenntnisse? Was unternimmt sie, um die
Sicherheit der Bedrohten zu gewährleisten?
Frau Kollegin Dağdelen, mir liegen dazu keine Erkenntnisse vor . Ich bin sicher, dass die zuständigen Länderbehörden und die Polizei dort, wo es notwendig ist,
alles tun, damit die Sicherheit gewährleistet ist .
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Ströbele das Wort .
Danke . - Frau Staatsministerin, ich habe heute Morgen im Rechtsausschuss zur Kenntnis genommen, dass
das Auswärtige Amt für den Casus Böhmermann zuständig ist - wie auch immer man ihn drehen und wenden
will . Die Bundesregierung könnte sich ja viel Ärger ersparen, wenn sie noch in dieser Woche der Empfehlung
des Vizekanzlers folgen würde - übrigens auch meiner -,
den Deutschen Bundestag um Streichung des § 103 des
Strafgesetzbuches zu bitten . Denn es handelt sich bei diesem Paragrafen, der ursprünglich mal den Titel „Majestätsbeleidigung“ trug, um eine sehr überholte Vorschrift .
Deshalb an Sie die Frage: Wäre das nicht ein guter Ausweg? Dann könnten Sie sich auch die Entscheidung über
die Ermächtigung sparen .
Sie haben das Wort, Frau Staatsministerin .
Danke schön . - Herr Kollege Ströbele, ich habe vorhin eine Diskussion mit dem Kollegen aus dem Justizministerium gehabt, der auf mich zukam, mich freudig
anschaute und sagte, das Auswärtige Amt sei zuständig .
Ich habe ihn genauso freudig angeguckt und gesagt, das
Bundesjustizministerium sei zuständig . Ich glaube, richtiger ist, zu sagen, dass hier die ganze Bundesregierung
gefordert ist - das ist die Bandbreite . Sie brauchen also
den Blick nicht nur auf mich und damit stellvertretend
auf das Auswärtige Amt zu richten .
Ich verstehe, dass Sie heute Morgen darüber diskutiert
haben; wir haben das im Auswärtigen Ausschuss erlebt .
Ich glaube, die Frage wird uns eindeutig weiter beschäftigen . Sie sind Jurist, ich bin keine Juristin . Ich nehme
mit, dass dies für Juristinnen und Juristen eine Frage ist,
die offensichtlich weit über den aktuellen Anlass hinaus
hochspannend ist . So ordne ich auch Ihre Frage ein . Es
ist mit Sicherheit nicht nur eine politische, sondern auch
eine rechtliche Frage mit einer großen Bandbreite .
Die Kollegin Hänsel hat zu einer weiteren Nachfrage
das Wort .
Danke schön, Frau Staatsministerin . - Alle Mitglieder der Bundesregierung legen einen Amtseid auf das
Grundgesetz ab . Somit müssen sie im Sinne der dort
verankerten Grundwerte Politik machen und Schaden
von der deutschen Bevölkerung abwenden . Können Sie
nachvollziehen, dass es Empörung in der Bevölkerung
darüber gibt, dass die Bundesregierung seit Tagen das
Ansinnen von Präsident Erdogan bezüglich der Strafverfolgung überhaupt prüft? Das Ansinnen müsste die
Bundesregierung umgehend zurückgewiesen haben . An
diesem tagelangen Prüfen, an diesem Hin und Her bezüglich der eigenen Position sieht man: Das ist eine wachsweiche Sache . Ihre Aufgabe ist auch, das Grundgesetz,
die Grundwerte gegenüber ausländischen Präsidenten zu
vertreten .
Frau Staatsministerin .
Gerne, Frau Präsidentin . - Genau das ist der Punkt,
Frau Kollegin Hänsel, weshalb wir den Sachverhalt mit
solch großer Intensität prüfen . Wir sind uns unserer Verantwortung nicht nur gegenüber dem Grundgesetz, sondern auch gegenüber der deutschen Bevölkerung sehr
bewusst .
Es gibt noch eine Nachfrage . - Herr Kollege
Wunderlich .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sie betonen gerade
die Intensität, mit der Sie dieser Frage nachgehen . Die
Intensität ist aber so groß, dass diese Frage kein Thema
der Kabinettssitzung ist . - Vielen Dank .
Bitte .
Das war offensichtlich dann doch keine Frage . - Vielen Dank, Frau Staatsministerin .
Gerne .
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder zur
Verfügung . Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Sabine
Zimmermann sollen schriftlich beantwortet werden .
Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Dağdelen auf:
Welche konkreten negativen Erfahrungen liegen dem
Bundesministerium des Innern vor zu der Regelung, dass anerkannte Flüchtlinge drei Jahre nach ihrer Anerkennung eine
Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn ihre Schutzbedürftigkeit fortbesteht, weil der Bundesinnenminister Dr . Thomas de
Maizière vorgeschlagen hat, diese Regelung zu ändern, und
inwieweit unterscheidet sich die Situation noch erwerbsloser anerkannter Flüchtlinge in Hinblick auf die Aufgabe ihrer Integration substanziell von der Situation anderer noch
erwerbsloser Drittstaatsangehöriger, die einen rechtmäßigen
Aufenthaltsstatus zum Beispiel im Rahmen der Familienzusammenführung erhalten haben, vor dem Hintergrund, dass
nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 1 . März
2016 in der Rechtssache C-443/14 und C-444/14 nur dann
eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge zulässig wäre
({0})?
Es geht um die Änderung der Regelung zur Niederlassungserlaubnis für anerkannte Flüchtlinge . - Bitte, Herr
Staatssekretär .
Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Asyl- und Flüchtlingsschutz ist auf die Gewährung von
Schutz vor Verfolgung im Herkunftsland angelegt . Anerkannte Schutzberechtigte erhalten deshalb zunächst ein
befristetes, verlängerbares Aufenthaltsrecht in Deutschland . Dieses kann widerrufen werden .
Das deutsche Aufenthaltsrecht enthält in § 26 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes eine Privilegierung für
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge . Sie erhalten
nach drei Jahren ein Daueraufenthaltsrecht und damit
eine unbefristete Niederlassungserlaubnis . Eine solche
Privilegierung ist europarechtlich allerdings nicht geboten . Im Gegensatz zu anderen legal hier aufhältigen Ausländern wird anerkannten Flüchtlingen unter erleichterten Voraussetzungen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht
gewährt . Es genügt erstens, dass die Voraussetzung für
einen Widerruf oder eine Rücknahme der Anerkennung
nicht vorliegt . Außerdem ist es zweitens nicht notwendig, dass die bei anderen Drittstaatsangehörigen erforderlichen Integrationsleistungen gegeben sind . Der in
seinem Ausmaß singuläre Zustrom von Schutzsuchenden
seit Mitte des vergangenen Jahres erfordert eine Überprüfung dieser Regelung . Hierdurch können integrationsfördernde Impulse gesetzt werden .
In seiner Entscheidung vom 1 . März 2016 hat der Europäische Gerichtshof die grundsätzliche Zulässigkeit
von Wohnsitzauflagen für anerkannte Schutzberechtigte
aus integrationspolitischen Gründen ausdrücklich bestätigt . Der Gerichtshof hat sich auch mit der nach Artikel 33
EUQualifikationsrichtlinie erforderlichen Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatsangehörigen auseinandergesetzt . Mit Blick auf das Ziel einer Erleichterung der
Integration hat der Gerichtshof die Unterschiede zwischen beiden Gruppen deutlich herausgestellt .
Bereits hinreichend integrierte Drittstaatsangehörige
befinden sich nicht in einer Situation, die vergleichbar ist
mit der von Personen mit internationalem Schutzstatus .
Letztere sind in stärkerem Maße mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert . Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetzesentwurf, der dem Gleichbehandlungserfordernis gerecht werden wird .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin . Herr
Schröder, das, was Sie hier vorgelesen haben, bekommen wir ja noch schriftlich; das ist ganz gut . Ich habe
eine Nachfrage: Ist die Bundesregierung der Auffassung,
dass es falsch war, in den letzten Jahren und nach jahrelangen Diskussionen mit Expertinnen und Experten
und unterschiedlichsten Regierungsvertreterinnen und
Regierungsvertretern davon auszugehen, dass es sinnvoll
ist, anerkannten Flüchtlingen keine Residenzpflicht mehr
vorzuschreiben, und zwar aufgrund dessen, dass eine Residenzpflicht die Integration eher hemmt?
Ich habe eben von einer Wohnsitzauflage gesprochen. Das ist etwas anderes als die Residenzpflicht. Unter der Residenzpflicht verstehen wir die Verpflichtung,
sich insbesondere während des Asylverfahrens in einem
bestimmten Gebiet aufzuhalten . Bei der Wohnsitzzuweisung sprechen wir davon, dass einem anerkannten
Flüchtling nach einem abgeschlossenen Asylverfahren
ein bestimmter Wohnort zugewiesen wird . Wir sehen das
als notwendig an, um Parallelgesellschaften zu verhindern .
Wir haben jetzt die Situation, dass im letzten Jahr über
1 Million Menschen zu uns gekommen sind . Deshalb ist
es noch entscheidender, dass die Integrationsleistungen
nicht nur von den Metropolregionen erbracht werden,
sondern vom gesamten Land, um die Integration so am
Ende zu einem Erfolg zu führen .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Es freut mich, dass die Bundesregierung immer irgendwelche Parallelgesellschaften verhindern möchte .
Dann könnte sie unter dem Stichwort „Panama Papers“
damit anfangen und dort ansetzen, um diese Parallelgesellschaft einmal anzugehen . Das wäre meiner Meinung
nach ein großer Anfang .
Sie haben von Parallelgesellschaften bei Flüchtlingen
oder Migrantinnen oder Migranten gesprochen: Wird die
Bundesregierung Voraussetzungen dafür schaffen, um
diese zu vermeiden? Es gibt ein größeres Interesse daran,
in die großen Städte zu ziehen statt aufs Land . Werden
Sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen
auch dort leben können, ohne dass es zu vermeintlichen
Parallelgesellschaften kommen kann? Stichworte sind:
Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, Infrastruktur, Wohnungen, flächendeckender bezahlbarer Wohnraum für
viele? Welche Ansätze verfolgt die Bundesregierung
hier?
Selbstverständlich ist es gerade im ländlichen Raum
möglich, sich gut zu integrieren . Ich glaube, dass Sie den
ländlichen Raum, was die Möglichkeiten der Ausbildung
und der Arbeitsplätze angeht, unterschätzen . Die meisten freien Ausbildungsplätze für Jugendliche in Norddeutschland finden wir nicht in den Metropolregionen,
sondern beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern .
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Hänsel das Wort .
Ich denke, die Frage der Wohnsitzauflage ist ein zweischneidiges Schwert . Im Grunde verpasst die Bundesregierung die Chance, die Potenziale, die Flüchtlinge
mitbringen, produktiv zu nutzen . Viele Flüchtlinge, die
hierherkommen, haben bereits Kontakte zu Angehörigen
und Freunden . Es macht Sinn, dass die Flüchtlinge in die
gleiche Region ziehen, manchmal sogar in dieselbe Wohnung, und dass sie dann bei der Integration und allem
anderen unterstützt werden .
Es findet viel an Selbstorganisation statt, wenn Flüchtlinge in eine Umgebung kommen können, in der sie zum
Beispiel schon Leute kennen . Das ist ein ganz wichtiges
Potenzial, das sie mitbringen . Die Bundesregierung verkompliziert das Ganze, indem sie es eben nicht ermöglicht, dass Flüchtlinge frei wählen können, wo sie ihren
Wohnsitz haben und wo sie damit beginnen, sich schnell
zu integrieren .
Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie enorme
Summen für die Flüchtlinge ausgeben - das sind teilweise künstliche Kosten -, obwohl diese sich in anderen Regionen viel schneller selbst helfen und selbst organisieren
könnten . Ich kann nicht verstehen, warum Sie stattdessen
einen Zwang ausüben und die Flüchtlinge am Reißbrett
verteilen wollen . Das ist völlig kontraproduktiv . Durch
die gegensätzliche Regelung, durch die Möglichkeit,
den Wohnsitz frei zu wählen, entsteht Integration . Die
Flüchtlinge könnten viel aktiver sein, und es entstünden
viel mehr Möglichkeiten .
Ich bin nicht Ihrer Auffassung . Die Vergangenheit
hat gezeigt, dass es nicht integrationsfördernd, sondern
integrationshemmend ist, wenn Flüchtlinge aus einer
Herkunftsregion sich geballt in einer Metropole, womöglich sogar in einem Stadtteil ansiedeln . Die gleichen
Erfahrungen haben wir mit den Spätaussiedlern gemacht .
Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre sind wir zu dem
Ergebnis gekommen, dass solche Wohnsitzauflagen sinnvoll sind . Diese Erfahrung hat uns gezeigt, dass es richtig
ist, dass es integrationsfördernd ist, wenn die Integrationsleistung nicht nur von wenigen Metropolen erbracht
werden muss, sondern von der gesamten deutschen Gesellschaft .
Vielen Dank . - Wir kommen zur Frage 32 des Abgeordneten Movassat . - Er ist nicht anwesend . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Ulla Jelpke
werden schriftlich beantwortet . Die Frage 35 des Abgeordneten Andrej Hunko wird ebenfalls schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten HansChristian Ströbele auf:
Seit wann ist der Bundesregierung oder ihr nachgeordneten Stellen ({0}) der
Verdacht bekannt, dass Uwe Mundlos und später auch Beate
Zschäpe in dem Unternehmen des Rechtsextremisten und Vertrauensmanns des Verfassungsschutzes, Ralf Marschner, von
2000 bis 2002 - also nach Begehung der ersten NSU-Morde angestellt waren oder für dieses Unternehmen gearbeitet haben
sowie dass ein Zeuge Uwe Mundlos zweifelsfrei als Vorarbeiter dieses Unternehmens wiedererkannt hat, und was haben die
Bundesregierung oder ihr nachgeordnete Stellen bisher veranlasst, um diesen Verdacht aufzuklären und insbesondere auch
um mögliche Beweismittel wie zum Beispiel Unterlagen und
Akten bei Ralf Marschner in dessen Unternehmen und beim
Bundesamt für Verfassungsschutz sicherzustellen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .
Herr Kollege Ströbele, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Fragestellung berührt die Zuständigkeitsbereiche des Bundesministeriums des Innern und des für den
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zuständigen Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz .
Für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Justiz kann ich Folgendes mitteilen: Am 22 . Dezember 2011 ist der Hinweis eines ehemaligen Geschäftspartners von Ralf Marschner eingegangen . Demzufolge
soll Beate Zschäpe in einem von Ralf Marschner in den
Jahren 2005 bis 2007 geführten Bekleidungsgeschäft
in Zwickau als Aushilfe tätig gewesen sein . Daraufhin
wurden entsprechende Ermittlungen im geschäftlichen
Umfeld des Zeugen Ralf Marschner durchgeführt . So
wurden mehrere Zeugen vernommen, darunter insbesondere auch die für die Einarbeitung von Aushilfen in
dem Bekleidungsgeschäft zuständige Angestellte . Darüber hinaus wurde der von Ralf Marschner geschäftlich
in den Jahren 2000 bis 2007 genutzte Computer ausgewertet . Belastbare Anhaltspunkte für eine Aushilfstätigkeit von Beate Zschäpe in dem Ladengeschäft von Ralf
Marschner haben sich nicht ergeben . Möglich ist, dass
Beate Zschäpe als Kundin in diesem Bekleidungsgeschäft
verkehrte . Der Hinweisgeber hat seine Behauptungen bei
einer Folgevernehmung erheblich relativiert . In den vom
Generalbundesanwalt auch nach Anklageerhebung gesondert geführten Ermittlungen gegen unbekannt, also in
einem Strukturverfahren, ist weiter eingehend im Umfeld
des Zeugen Ralf Marschner ermittelt worden .
Im Jahr 2012 war bei der Auswertung der Unterlagen
von Kfz-Vermietern aufgefallen, dass seitens des von
Marschner betriebenen Bauunternehmens im Jahr 2001
bei einem Zwickauer Autovermieter drei relevante
Kfz-Anmietungen erfolgt waren . Diese Anmietungen
korrespondierten in zeitlicher Hinsicht mit zwei dem Nationalsozialistischen Untergrund zugerechneten Tötungsdelikten in Hamburg und München sowie mit einem
dem NSU zugerechneten Überfall auf eine Postfiliale in
Zwickau . Aus diesem Anlass waren mögliche Beziehungen zwischen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einerseits und der Bauunternehmung des Zeugen Marschner
andererseits Gegenstand intensiver Ermittlungen .
In deren Rahmen sind zahlreiche weitere Zeugen
vernommen worden, darunter allein 16 ehemalige Beschäftigte der Firma Bauservice Marschner . Außerdem
wurde Ralf Marschner erneut vernommen . Ferner wurde die Insolvenzakte der Bauunternehmung ausgewertet . Ebenfalls ausgewertet wurde die Akte eines wegen
des Vorwurfs der Vorenthaltung und Veruntreuung von
Arbeitsentgelt durchgeführten und mit rechtskräftiger
Verurteilung abgeschlossenen Strafverfahrens gegen
Marschner . Beide Akten standen im Zusammenhang mit
der Firma Bauservice Marschner .
Darüber hinaus wurden Erkenntnisanfragen an das
Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen
Abschirmdienst sowie die schweizerische Behörde gerichtet . Belastbare Anhaltspunkte für eine Tätigkeit von
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der vom Zeugen
Marschner betriebenen Bauunternehmung haben sich
nicht ergeben .
Ich möchte Sie jetzt nicht unterbrechen, weil ich denke, es liegt in unser aller Interesse, hier die genauen Informationen zu erhalten . Die Zeit ist jedoch überschritten . Es ist wichtig, dass wir die Informationen erhalten .
Ich würde jetzt aber trotzdem Herrn Ströbele die Möglichkeit zur Nachfrage geben .
Es tut mir leid, aber das sind nun einmal die Informationen, die ich vom Generalbundesanwalt erhalten habe .
Herr Staatssekretär, ich habe ja gesagt, dass die Informationen in unser aller Interesse sind . Deshalb sollten
Sie auch die Möglichkeit haben, die Informationen zu
geben . - Herr Ströbele .
Danke, Frau Präsidentin . - Ich verstehe das auch gar
nicht: Akten lesen kann auch ich . Sie haben hier jetzt Akten vorgetragen .
Ich habe Ihnen zwei ganz einfache Fragen gestellt, die
Sie in fünf bis acht Sekunden beantworten können . Die
eine Frage war: Wann hat die Bundesregierung zum ersten Mal davon erfahren, dass ihr V-Mann Herr Marschner,
der im Auftrag der Bundesregierung gearbeitet hat und,
ich glaube, 37 000 Euro für diese Arbeit bezogen hat, den
Herrn Mundlos als Vorarbeiter beschäftigt hat? Wann hat
sie es zum ersten Mal erfahren?
Die zweite Frage lautet - die können Sie gleich mit
beantworten -: Was hat die Bundesregierung getan, als
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
sie das erfahren hat, um sicherzustellen, dass nicht wieder Akten geschreddert werden, sodass man den Vorgang
nicht nachvollziehen kann?
Das sind doch zwei einfache Fragen . Die können Sie
doch schnell beantworten .
({0})
Herr Staatssekretär .
Um die zu beantworten, muss man doch auf das eingehen, was das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ergeben hat . Da muss ich doch erst einmal deutlich machen,
dass Ihre Prämisse, dass derjenige, der bei diesem Herrn
Marschner gearbeitet haben soll, Herr Mundlos gewesen
sei, überhaupt nicht sichergestellt ist .
Zum Zweiten kann ich sagen, dass wir als Bundesregierung - das wissen Sie - zu den Hintergründen des
möglichen Einsatzes von verdeckten Mitarbeitern aus
Sicherheitsgründen grundsätzlich keine Auskunft geben .
({0})
Herr Kollege Ströbele, Sie können noch einmal nachfragen .
Jetzt haben Sie die Frage immer noch nicht beantwortet: Wann hat die Bundesregierung davon erfahren, dass
Herr Mundlos für ihren V-Mann als Vorarbeiter gearbeitet hat? Da können Sie mir nicht mit Akten antworten .
Es stand in der Zeitung . Spätestens letzte Woche oder
vor zwei Wochen, als es zum ersten Mal in der Zeitung
stand, muss die Bundesregierung davon erfahren haben .
Ich nehme einmal an, dass Sie Zeitung lesen .
Was hat die Bundesregierung unternommen, um sicherzustellen, dass die Akten nicht wieder geschreddert
werden, bevor die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sie lesen können?
Das sind doch einfache Fragen . Jetzt beantworten Sie
die doch einmal .
Zur zweiten Frage: Es ist klar, dass überhaupt keine
Erkenntnisse in irgendeiner Weise vernichtet werden
dürfen . Sie stehen natürlich auch dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung .
Zur ersten Frage kann ich nur das wiederholen, was
ich eben gesagt habe: Wir müssen jetzt natürlich auf das
Ermittlungsverfahren achten und schauen, inwieweit
Ihre Prämisse überhaupt richtig ist .
Frau Pau hat als nächste Fragestellerin das Wort .
Herr Staatssekretär - - Einen Moment, das Mikrofon
funktioniert nicht richtig . Ich denke, das hat wahrscheinlich etwas mit den anderen technischen Gegebenheiten
zu tun . Die vertragen sich hier gerade nicht .
({0})
- Ich weise zurück, dass der Verfassungsschutz im deutschen Parlament irgendetwas sabotiert .
Herr Staatssekretär, ich habe zwei Fragen . Sie haben
gerade darauf hinwiesen, dass die Bundesregierung prinzipiell nicht auf Fragen zur Tätigkeit von V-Personen der
Ämter für Verfassungsschutz antwortet . Können Sie uns
einmal erklären - Sie haben uns das letzte Woche ja auch
schriftlich mitgeteilt -, was es mit dem Staatswohl zu tun
hat, diese Antwort zu verweigern, wenn der ungeheuerliche Verdacht im Raum steht, dass bei einem V-Mann
des Verfassungsschutzes, der übrigens kein netter Staatsbürger von nebenan, sondern ein verurteilter Gewalttäter
ist, ein des Mordes an zehn Personen verdächtiger Nazi
beschäftigt war, und zwar in der Zeit, in der er von diesem Staat bezahlt wurde? Was hat es mit dem Schutz des
Staatswohls zu tun, uns die Auskünfte dazu zu verweigern, was die Bundesregierung dort unternommen hat,
welche Kenntnisse sie hat, usw .?
Ein kleiner Hinweis - da wir uns ja morgen im Untersuchungsausschuss mit diesem Thema befassen -: Es
wäre sehr schön, wenn wir dort nicht nur hören würden,
was das BKA gemacht hat, sondern wenn wir auch hören
würden, ob man wenigstens jetzt auf das Jobcenter, den
Zoll und andere zugegangen ist, um zu schauen: Welche
Beschäftigungsverhältnisse hat es in den vielfältigen Firmen und Unternehmungen des Herrn Marschner gegeben?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .
Sie tun jetzt ja so, als wenn es überhaupt keine Möglichkeit gäbe, diesen gesamten Sachverhalt, auch durch
das Parlament, aufzuklären . Das Gegenteil ist der Fall,
und das wissen Sie auch . Der einschlägige Aktenbestand
des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu dem V-Mann
„Primus“ wurde dem zweiten Untersuchungsausschuss
zu diesem Thema zur Verfügung gestellt .
({0})
Für den ersten Untersuchungsausschuss hat der Ermittlungsbeauftragte die Akten gesichtet, und mit Zustimmung der Bundesregierung wurden diese Dokumente
durch den aktuellen NSU-Untersuchungsausschuss beigezogen . Sie stehen somit für die Sachaufklärung zur
Verfügung . Genau dafür gibt es ja den Untersuchungsausschuss . Sie sollten also nicht den Eindruck erwecken,
dass die Bundesregierung hier irgendetwas verschleiern
möchte .
Es gibt eine weitere Nachfrage von Frau Dağdelen.
Vielen Dank . - Ich möchte es Ihnen leicht machen,
Herr Schröder . Die Frage des Kollegen Ströbele war ja,
seit wann der Bundesregierung der Sachverhalt oder der
Verdacht bekannt war . Sie haben sich darauf zurückgezogen, dass man doch erst einmal das Ermittlungsverfahren
abwarten müsse . Ich möchte die Frage anders formulieren und Ihnen die Möglichkeit geben, hier Aufklärung
zu betreiben und der Skepsis, die es gibt, dass es beim
Thema NSU-Komplex kein Staatsversagen gab, sondern
der Staat mit drinsteckt und die Aufklärung mit sabotiert,
entgegenzutreten, indem Sie eine klare Antwort geben .
Ich möchte die Frage so formulieren: Seit wann ist der
Bundesregierung bekannt geworden, dass Uwe Mundlos
bei diesem Unternehmer, dem V-Mann, beschäftigt worden wäre? Es geht mir also nicht um die Tatsache, dass
es so war, sondern um die Information . Wann ist diese
Information erstmals an die Bundesregierung gelangt?
Für diese Auskunft brauchen Sie nicht das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens und kein Ermittlungsverfahren insgesamt . Wann hat die Bundesregierung also zum
ersten Mal überhaupt davon gehört?
Ich habe eben schon erklärt, dass ich hier keine Auskünfte zu sogenannten V-Personen geben kann, dass sich
aber der Untersuchungsausschuss selbstverständlich bereits mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt hat
und sich zukünftig noch damit auseinandersetzen wird .
Noch einmal: Der bestellte Ermittlungsbeauftragte,
Professor von Heintschel-Heinegg, hat die Unterlagen
gesichtet und dann die entsprechend relevanten Unterlagen an den Untersuchungsausschuss weitergeleitet .
({0})
Die Kollegin Hajduk hat zu einer weiteren Nachfrage
das Wort .
Herr Staatssekretär, es handelt sich bei der Frage,
ob Herr Mundlos bei dem V-Mann angestellt war, wie
wir ja in den Medien gehört haben, nicht mehr um eine
Angelegenheit, die vertraulich ist . Vielmehr ist das eine
öffentliche Tatsache . Dazu hat mein Kollege Ströbele
nun eine Frage gestellt, und ich möchte hier noch einmal
nachfragen: Wann hat die Bundesregierung von dieser
öffentlichen Angelegenheit zum ersten Mal erfahren, unabhängig davon, ob diese Prämisse richtig ist? Ich kann
nicht erkennen, dass das eine Frage ist, auf die Sie uns
nicht eine Antwort geben müssen .
Wenn Sie jetzt auf die Presseberichterstattung hinweisen, wann die Bundesregierung, wann wer davon Kenntnis erlangte: Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten,
aber diese Antwort kann ich Ihnen selbstverständlich
gerne nachreichen .
({0})
Es tut mir leid, aber Sie haben nur eine Nachfrage .
({0})
- Ich weiß das .
({1})
- Gut, das liegt nicht in meiner Hand . - Die Kollegin
Hänsel hat die nächste Nachfrage .
Hier würde ich auch gerne noch einmal nachfragen . Es geht nicht darum, wann die Bundesregierung in der
Presse gelesen hat, dass Herr Mundlos eventuell bei einem V-Mann angestellt war, sondern darum, wann sie
das allererste Mal von diesem Verdacht Kenntnis bekommen hat . Wann hat sie zuallererst Kenntnis von dem Verdacht bekommen, dass diese Möglichkeit besteht? Wann,
zu welchem Zeitpunkt hat das jemand an die Bundesregierung herangetragen?
Folgendes würde ich daran gerne noch anhängen - ich
denke, es ist Gefahr im Verzuge -: Wurden mittlerweile
eigentlich überhaupt schon einmal Akten bei dem Unternehmen Marschner sichergestellt?
Ich habe ja bereits ausgeführt, dass auch die Generalbundesanwaltschaft entsprechende Akten untersucht hat .
Von daher sehe ich nicht, wo es hier Gefahr im Verzuge
gibt .
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen keine
Auskunft geben .
Abschließend hat der Kollege Wunderlich eine Nachfrage .
Hat sich geklärt . Er weiß es nicht, sagt er ja .
Gut . - Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs
des Bundesministeriums des Innern . Herzlichen Dank .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Michael Meister zur
Verfügung .
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie hoch sind die Geldsummen, die die Bundesrepublik
Deutschland wegen der infolge der Finanzkrise gesunkenen
Zinslasten seit dem Jahr 2010 eingespart hat, und demgegenüber die Kosten der Krise in Griechenland, selbst wenn dieses
Land seine Schulden komplett nicht bedienen würde, und teilt
die Bundesregierung die Auffassung, dass Deutschland danach
möglicherweise von der GriechenlandKrise profitieren wird?
Bitte, Herr Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, wie hoch die
Geldsummen sind, die Deutschland aufgrund der Folgen
der Finanzkrise eingespart bzw . zusätzlich verausgabt
hat, lässt sich nicht quantifizieren.
Die Entwicklung der Zinsausgaben wird von einer
Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Zu diesen Faktoren
zählen beispielsweise Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank, Vertrauenseffekte in Bezug auf die
deutsche und die europäische Politik, das Anlegerverhalten auf den Kapitalmärkten, Refinanzierungsvolumina
der Bundesrepublik Deutschland und die Portfoliostrukturen, die jeweils gewählt werden .
Die Bundesregierung rechnet nicht mit Kosten, die
beispielsweise durch einen Zahlungsausfall bzw . durch
das Nichtbedienen der Griechenland gewährten Kredite
entstehen könnten . Deutschland gewährt Griechenland
gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds zeitlich
begrenzte Kredithilfen . Die Auszahlung der Finanzmittel erfolgt auf Basis eines Reformprogramms und nach
erfolgreichem Abschluss einer Programmüberprüfung
bzw. der Erfüllung von vereinbarten finanzpolitischen
und strukturellen Auflagen. Griechenland hat bekräftigt,
allen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern vollständig und pünktlich nachzukommen .
Die Bundesregierung teilt nicht die Aussage, dass
Deutschland von der GriechenlandKrise profitiert. Vielmehr hat Deutschland zur Bewältigung der Finanzkrise
zahlreiche Maßnahmen unternommen, um die Stabilität
der gemeinsamen europäischen Währung zu sichern . Neben den bilateralen Darlehen für Griechenland hat die
Bundesrepublik in diesem Zusammenhang erhebliche
finanzielle Ressourcen, beispielsweise für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und für den Europäischen Stabilitätsmechanismus, bereitgestellt, Leistungen
erbracht und auch weitere Garantierisiken übernommen .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Danke . - Herr Staatssekretär, wenn Sie die Zinsentwicklungen nicht allein auf die Finanzkrise zurückführen - das mag ja stimmen, darüber will ich mich mit Ihnen nicht streiten -, dann sagen Sie mir doch: Wie hoch
ist die Summe der Zinslasten, die die Bundesrepublik
Deutschland durch die Zinssenkungen gespart hat? Die
Zinsen sind inzwischen so weit gesenkt worden, dass sie
bei null liegen, jedenfalls der Leitzins und damit natürlich auch die Zinsen, die Deutschland für seine Staatsschulden zahlen muss .
({0})
Nur diese Summe wollte ich wissen . - Gleich kommen
wir noch zu Griechenland .
Ich habe darauf hingewiesen, dass wir sehr verschiedene, sehr unterschiedliche Faktoren haben, die für das
Zinsniveau ursächlich sind . Insofern ist ein solcher Vergleich immer mit extrem hohen Unsicherheiten behaftet .
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir auch außerhalb des europäischen Währungsgebietes, etwa in Japan
oder in den USA, ein extremes Niedrigzinsniveau haben .
Insofern ist das weder eine deutsche noch eine europäische Besonderheit . Wir haben im Jahr 2015 - das sind
die letzten Zahlen, die definitiv vorliegen, Herr Kollege
Ströbele - 48,5 Milliarden Euro für die staatlichen Gesamtschulden in Deutschland aufgewandt . Wir hatten,
bezogen auf das Jahr 2010, einen gesamtstaatlichen Zinsaufwand von 63,9 Milliarden Euro .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Ich weiß nicht, ob ich kein Deutsch rede . Ich kann mir
ja das Ganze nachher noch einmal anhören . - Ich habe
Sie nicht gefragt, wie hoch die Zinslasten sind, die Sie
getragen haben, sondern danach, wie viel Sie durch die
Zinssenkungen seit 2010 weniger bezahlt haben . Einige
Institute haben das errechnet . Die eine Summe liegt bei
100 Milliarden Euro, die andere liegt noch höher . Sie
können doch sagen, wie hoch diese Summe nach Auffassung der Bundesregierung ist .
Die Bundesregierung beteiligt sich grundsätzlich
nicht an Spekulationen . Das, was Sie hier abfragen, ist
spekulativ . Wir wissen zwar auf der einen Seite, was wir
für Staatsanleihen, die wir begeben, tatsächlich zahlen
müssen . Auf der anderen Seite wissen wir aber nicht:
Wie hoch wäre die Rendite auf Staatsanleihen in einem
anderen Marktumfeld? Insofern würden wir uns da im
Bereich der Spekulation bewegen . Und Spekulation ist
nicht Aufgabe der Bundesregierung .
Danke, Herr Staatssekretär . - Die Frage 38 des Kollegen Andrej Hunko sowie die Fragen 39 und 40 des Kollegen Friedrich Ostendorff sollen schriftlich beantwortet
werden .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Auch die Frage 41
der Kollegin Brigitte Pothmer soll schriftlich beantwortet
werden .
Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Corinna Rüffer auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die
vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit
Behinderung geforderte umfassende und wirksame Strategie
zum Schutz behinderter Frauen und Mädchen vor Gewalt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich umzusetzen
({0}), und
wie rechtfertigt sie, dass sie die Strategie nicht innerhalb der
in Nummer 63 gesetzten Frist von zwölf Monaten nach Verabschiedung der Abschließenden Bemerkungen realisiert hat?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller zur Verfügung . Bitte, Frau Staatssekretärin .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Verehrte Kollegin
Rüffer, Sie haben gefragt, ich antworte: Nach Nummer 63 der Abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderung sind zur Umsetzung von Nummer 36 innerhalb von
zwölf Monaten Informationen vorzulegen, wie Deutschland diese Empfehlung umzusetzen gedenkt . Die zwölfmonatige Frist bezieht sich auf das erstmalige Erscheinen
der Abschließenden Bemerkungen am 17 . April des vergangenen Jahres, deren endgültige Fassung sogar erst am
13 . Mai 2015 veröffentlicht worden ist .
Es reicht also aus, die Stellungnahme zu Nummer 36
der Empfehlung bis zum 17 . April 2016 vorzulegen .
Die Bundesregierung wird diese Stellungnahme dem
UN-Fachausschuss fristgerecht zuleiten . Aus Respekt
vor dem UN-Fachausschuss kann sich die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu den Einzelheiten der Stellungnahme äußern .
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage .
Das ist eine magere Antwort, wenn ich das sagen darf,
da wir schon länger wissen, dass die Situation von behinderten Frauen ganz schwierig ist, was die Frage von
Missbrauch anbelangt: Sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt erleiden Frauen mit Behinderung zwei- bis
dreimal häufiger als Frauen ohne Behinderung. Körperliche Gewalt erfahren Frauen mit Behinderung ungefähr
doppelt so häufig wie Frauen ohne Behinderung. Diese
Zahlen stammen aus einer Studie vom Herbst 2011, die
vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben
wurde .
Ich frage Sie: Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung seit 2011 gezogen, um diese Situation zu verbessern?
Frau Kollegin Rüffer, ich antworte noch einmal darauf, weil Sie das im Kontext des UN-Fachausschusses
gefragt haben: Wir werden das nicht nur fristgerecht
vorlegen, sondern haben auch die Absicht, wenn wir das
eingereicht haben, es unverzüglich auf der Seite „gemeinsam-einfach-machen .de“ öffentlich zu machen und
zur Verfügung zu stellen, wie wir das mit vielen Dokumenten machen .
Ich darf sagen: Wir vermuten, dass uns das im Laufe
der nächsten Woche gelingen wird .
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage .
Trotzdem wiederhole ich die Frage noch einmal . Der
UN-Fachausschuss hat der Bundesrepublik Deutschland
empfohlen, eine umfassende und wirksame Strategie mit
angemessenen Finanzmitteln zu ergreifen . Es wäre für
uns als Parlament natürlich wichtig, zu wissen, welche
Maßnahmen bisher ergriffen worden sind, um die Situation behinderter Frauen mit Blick auf die Frage sexueller
und körperlicher Gewalt zu verbessern .
Ich antworte auch darauf gerne noch einmal, auch
wenn das jetzt ein wenig redundant ist . Das ist eine Fülle
von Maßnahmen . Wir waren ja auch in der Verantwortung, nachzufragen, wie es in den einzelnen Bundesländern aussieht . Deshalb ist es eine sehr umfassende Antwort, die wir dem Ausschuss vorlegen werden . Im Laufe
der nächsten Woche haben nicht nur Sie, sondern hat die
gesamte Öffentlichkeit die Gelegenheit, das Ergebnis
einzusehen und zu bewerten .
({0})
Danke, Frau Staatssekretärin . - Wir sind damit am
Ende der Fragestunde .
Interfraktionell ist vereinbart, dass die Aktuelle Stunde erst um 16 .10 Uhr beginnen soll . Der Wiederbeginn
der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt . Die Sitzung ist unterbrochen .
({0})
http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Home/as_node.html
http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Home/as_node.html
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Mehr Transparenz bei Steueroasen und Briefkastenfirmen durch international abgestimmtes Vorgehen durchsetzen
Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat
Dr . Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Praxis in Panama ist inakzeptabel . Sie ist verwerflich . Sie ist asozial und schädigt das Gemeinwesen weltweit . Lassen Sie mich deshalb feststellen: Die sogenannten Panama Papers stärken unseren Handlungswillen in
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag . Wir
wollen diesem Handlungswillen gemeinsam vermehrt
nachkommen .
Die CDU/CSU-Fraktion hat das Problem der Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Geldwäsche seit
langem erkannt und national und international entsprechend behandelt .
({0})
Beispiele hierfür sind etwa das Gesetz zur Änderung
der Abgabenordnung, besser bekannt als Regelung zur
Selbstanzeige, und das EU-Amtshilfegesetz, zwei Gesetze zum automatischen Informationsaustausch über
Finanzkonten und das Abwicklungsmechanismusgesetz .
Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Wir haben
mit dem Bundesfinanzminister seit der Finanzkrise über
40 Maßnahmen umgesetzt, die weltweit starke Regulierungen vorsehen und insbesondere für uns als nationaler
Gesetzgeber maßgebend sind .
({1})
Ich glaube daher nicht, meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen, dass man uns als Deutschem Bundestag,
wie das leider in den Medien gerade geschehen ist, Tatenlosigkeit vorwerfen kann .
Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam mit dem
Bundesfinanzminister eine Vielzahl von Maßnahmen
ergriffen und auch international erfolgreich angestoßen .
Wir sind Vorbild in der G 7, in der G 20 und bei der
OECD, meine Damen und Herren . Das ist die Wahrheit,
die wir aussprechen müssen .
({2})
In diesem Zusammenhang ist vor allem die Berliner
Steuerkonferenz im Oktober 2014 zu nennen, bei der
51 Staaten den automatischen Informationsaustausch
beschlossen haben . Weitere 45 Staaten sind mittlerweile
beigetreten oder haben ihre Absicht dazu erklärt . Das ist
ein großer Erfolg, der nicht von ungefähr kommt .
({3})
Aber auch die BEPS-Initiative, die Anfang nächsten
Jahres erweitert werden soll und Gewinnverlagerungen
und Gewinnkürzungen bekämpft, ist dafür ein Paradebeispiel . Sie richtet sich gegen den schädlichen Steuerwettbewerb von Staaten und aggressive Steuerplanungen
international tätiger Konzerne .
Wir müssen den moralisch-ethischen Grundsatz einer
Marktwirtschaft immer wieder hervorheben . Für mich
als Unternehmer ist klar: Unsere Wirtschaft funktioniert,
wenn Gewinne gemacht und Investitionen getätigt werden . Wer Gewinne auf geheimen Konten einfriert, ist kein
Unternehmer . Er ist eher ein Dieb für das Gemeinwohl .
({4})
Ein Dieb, der der Allgemeinheit schadet, muss geächtet
und sanktioniert werden . Das ist die Grundlage unseres
Rechtsstaats und unserer freiheitlich-demokratischen Politik .
({5})
Der Weg muss also eindeutig hin zu mehr Transparenz gehen . Das ist der Schlüssel zur Eindämmung von
Steueroasen . Allerdings will ich nicht verschweigen,
dass bislang von den knapp 200 Ländern der UN-Staatengemeinschaft nur rund 100 Länder das Abkommen
über einen automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen unterzeichnet haben . Die Hälfte ist immerhin
geschafft . Wir sind auf einem guten Weg, den wir nun
zu Ende gehen müssen . Ich sage deshalb ganz deutlich:
Ein Kurswechsel ist natürlich nicht notwendig, weil wir
auf dem richtigen Kurs sind . Aber wir müssen deutlich
machen: Es gilt, noch mehr Transparenz zu erreichen . Es
gilt, noch mehr Druck auf die Steueroasen auszuüben .
Es gilt, noch mehr internationale Unterstützung zu bekommen; denn das Problem kann nur auf internationaler
Ebene gelöst werden . Wir können auf nationaler Ebene
sicherlich für eine entsprechende Gesetzgebung sorgen .
Aber es muss auf internationaler Ebene eine Verbreiterung der entsprechenden Grundsätze geben .
({6})
Wie die jüngsten Enthüllungen zeigen, sind wir noch
längst nicht am Ende unserer Bemühungen . Aber wer
einfache Lösungen propagiert, ist ein Populist . Einfache
Lösungen auf internationaler Ebene gibt es nicht . Vielmehr ist es ein hartes Stück Arbeit und bedarf des Bohrens dicker Bretter, um alle 200 Länder einzubeziehen
bzw . die Länder, die mit Steueroasen Geld verdienen, zu
beschränken . Wir müssen die Panama Papers als Chance
sehen - wir tun das -, um den Druck auf Steueroasen und
Steuerflüchtlinge weiter zu erhöhen. Deswegen sind wir
mit den Veröffentlichungen einverstanden . Wir wollen,
dass Ross und Reiter genannt werden; das verlangen wir
vom Medienkonsortium . Dann sind wir gemeinsam mit
den Ermittlungsbehörden auf dem richtigen Weg .
Herzlichen Dank .
({7})
Als nächste Rednerin hat Dr . Sahra Wagenknecht für
die Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das waren richtig eindrucksvolle Worte .
({0})
Ich finde es wirklich beeindruckend, welche Hyperaktivität die Bundesregierung plötzlich entfaltet: ZehnPunkte-Plan, Forderungen nach weltweiter Transparenz,
Verbot von Briefkastenfirmen. Es ist schon bemerkenswert, wie Sie versuchen, die Öffentlichkeit für blöd zu
verkaufen . Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, dass
Ihnen erst durch die Panama Papers aufgefallen ist, dass
Briefkastenfirmen nicht dem Postempfang dienen, sondern für Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere
kriminelle Aktivitäten nicht missbraucht, sondern - denn
genau dafür sind sie da - gebraucht werden? Sie hätten
längst etwas dagegen tun müssen . Aber Sie haben bis
heute nichts dagegen getan .
({1})
Natürlich ist der Kern längst bekannt . 2009 hat die
deutsche Finanzaufsicht bei deutschen Banken nach Aktivitäten in Steueroasen gefragt . Das Ergebnis war: Über
Tochtergesellschaften haben die hiesigen Institute mehr
als 1 600 Stiftungen und Trusts in allen Steuerparadiesen
dieser Welt unterhalten . Im März 2013 hat die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass prominente Unternehmer
und Privatleute über Firmen in Panama verwickelt seien, darunter auch Vertreter der Familien Porsche, Piëch,
Quandt, Burda, Jacobs und von Finck . Die Crème de la
Crème des deutschen Geldadels tut sich also in einer
zweifelhaften Steueroase um, und die Bundesregierung
will von all dem überhaupt nichts mitbekommen haben .
Das ist doch eine völlig unglaubwürdige Politik .
({2})
2014 folgte Luxemburg-Leaks . Luxemburg-Leaks hat
klargemacht: Man muss nicht in die Karibik gehen, wenn
man die Öffentlichkeit und die Allgemeinheit um Steuergeld prellen will . Da wird man auch in der EU wunderbar
bedient . Es ist auch längst bekannt, dass US-Steueroasen
wie Delaware genau die gleiche Funktion erfüllen . Im
Januar 2016 hat Oxfam darauf hingewiesen, dass reiche
Personen in Steueroasen 7,6 Billionen Dollar verstecken
und dass neun von zehn großen Unternehmen mindestens
eine Tochterfirma in Steueroasen haben. Die Regierung
hat nichts gehört und nichts gesehen . Jetzt wird sie plötzlich wach . Das ist eine Verhöhnung der Intelligenz derer,
denen Sie das weismachen wollen .
({3})
Wenn es wenigstens so wäre, dass Sie die ganze Zeit
nichts getan hätten, dann wäre es noch harmlos . Es ist
aber in Wirklichkeit noch schlimmer . Trotz der Veröffentlichung haben Sie Panama und andere Steueroasen
von der schwarzen und dann sogar noch von der grauen
Liste intransparenter Staaten gestrichen und Doppelbesteuerungsabkommen mit diesen Ländern geschlossen,
obwohl Sie wissen, dass das Steuerhinterziehungsabkommen sind . Das ist doch Ihre Aktivität . Auf EU-Ebene hat Deutschland verbissen gegen eine Offenlegung
der Verzeichnisse der tatsächlichen Profiteure und Eigentümer von Briefkastenfirmen gekämpft. Das heißt,
Deutschland hat genau die Transparenz verhindert, die
sich Herr Schäuble jetzt so groß auf die Fahne schreibt .
Das ist doch zutiefst unehrlich .
({4})
Sie hatten auch keine Einwände, dass anstelle des tatsächlich Berechtigten auch ein Strohmann in das neue
Eigentümerverzeichnis eingetragen werden kann, was
natürlich das ganze Projekt ad absurdum führt . Das heißt,
während die Regierung jetzt plötzlich den Robin Hood
im Kampf gegen die Steuerhinterzieher gibt, hat sie in
Wahrheit alles dafür getan, dass die Geldwäsche- und
Steuerhinterziehungsmafia ihren dunklen Geschäften
völlig unbehelligt weiter nachgehen kann . Das ist Ihre
reale Politik .
({5})
Da geht es nicht um Bagatelldelikte; da geht es um
organisierte Kriminalität der Reichen und Mächtigen .
Es geht um bis zu 100 Milliarden Euro öffentliche Einnahmen im Jahr - und das in einer Situation, in der in
Deutschland in vielen Pflegeheimen, in vielen Krankenhäusern Notstand herrscht, in einer Situation, in der Lehrer fehlen und in Schulen der Putz von der Decke fällt .
In einer solchen Situation schenken Sie den Reichsten,
vor allem dem kriminellen Teil der Reichsten, Summen
in derartigen Größenordnungen. Ich finde, das ist eine
unerträgliche Politik .
({6})
Sie müssen auch nicht auf den Tag warten, an dem
die ganze Welt mitzieht . Es ist immer schön und billig,
zu sagen: Wir machen ein Angebot an alle anderen und
warten, ob sich die ganze Welt einigt . - Dabei weiß man
genau, dass sich die ganze Welt nie einigen wird . Die
USA haben, zumindest für ihre eigenen Staatsbürger,
vorgemacht, wie es funktioniert . Wir brauchen saftige
Quellensteuern - besser wäre es, sie auf EU-Ebene zu
beschließen; aber man kann sie auch in Deutschland beschließen - auf Finanzflüsse in Steueroasen. Wir brauchen ein Strafrecht für Unternehmen, und wir brauchen
endlich ein Vorgehen gegen Banken, die Beihilfe zur
Steuerhinterziehung leisten . Das sind keine Bagatelldelikte . Schauen Sie sich die Commerzbank an, die im
letzten Jahr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in
Milliardenhöhe mit einer Bagatellstrafe von 17 Millionen Euro aus dem Verfahren gekommen ist . Das ist eine
skandalöse Politik .
({7})
Wir brauchen endlich ein öffentliches Register über die
wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen.
Hören Sie endlich auf, große Worte zu spucken! Hören
Sie endlich auf, sich vor der Finanzmafia wegzuducken!
Machen Sie endlich eine Politik, die deren Geschäfte unmöglich macht . Das können Sie auch hier in Deutschland .
Hier können Sie vorangehen . Sie können auch in der EU
wesentlich mehr durchsetzen, wenn Sie das endlich tun .
Ich bin überzeugt: Wer gegen die Steuerhinterziehungsindustrie nicht endlich konsequent vorgeht, der zerstört
die Demokratie . Deswegen sagen wir: Dieses Geld muss
endlich der Öffentlichkeit zugutekommen . Dafür kämpft
die Linke, und dafür werden wir auch weiter kämpfen .
({8})
Als nächster Redner hat Landesminister Dr . Norbert
Walter-Borjans für den Bundesrat das Wort .
({0})
Dr. Norbert Walter-Borjans, Minister ({1}):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Panama Papers haben eine ganz wichtige Botschaft an
uns alle gesendet, nämlich die, dass diejenigen, die Geld
verstecken, und diejenigen, die ihnen dabei helfen, nicht
mehr sicher sein können, dieses Geschäft im Dunkeln ungestört vollziehen zu können .
({2})
Das ist eine viel wichtigere Botschaft, als manch einer
denkt; denn wir alle wissen: Kapital ist ein scheues Reh,
und in diesem Punkt ist es besonders scheu . Es kann gar
nicht haben, wenn es irgendjemanden gibt, der möglicherweise am Lichtschalter dreht .
({3})
Dafür haben wir dem Recherchenetzwerk zu danken,
aber auch - das sage ich ganz offen - den Steuerfahndern
in den Ländern, die eine Menge Aufklärungsarbeit geleistet haben, und zwar schon lange vor Veröffentlichung
der Panama Papers . Sie werden diese Arbeit auch jetzt,
da die Daten bekannt sind, leisten und auch nach den
Panama Papers .
({4})
Ein zweiter Punkt macht mir viel mehr Sorge. Ich finde etwas Erschreckendes an dem, was die Panama Papers
hervorgebracht haben . Sie werfen eine brisante Frage
auf, die sich die Menschen im Land stellen: Wer auf dem
internationalen Parkett - in Banken, Unternehmen, Politik, Sportinstitutionen - ist eigentlich nicht verwickelt,
wenn sich in irgendeiner Weise die Möglichkeit bietet,
sich dem Fiskus mit einer Briefkastenfirma zu entziehen und es den Ehrlichen zu überlassen, zu zahlen? Das
ist etwas, was an den Grundfesten unserer Demokratie,
unseres Gemeinwesens rüttelt . Wenn wir nicht dagegen
vorgehen, wird das dazu führen, dass Menschen in obskuren Alternativen ihren Vorzug sehen und meinen, da
werde mit Patentrezepten das geboten, was man bei uns
vermisse .
Die Frage ist: Was heißt das? Was schließen wir daraus? Die erste Antwort darauf ist, dass Schluss damit
sein muss, dass nur angekündigt und abgewartet wird .
Vielmehr muss wirklich etwas getan werden, was den
Menschen, die zweifeln, die Botschaft vermittelt: In den
Parlamenten und Regierungen von Bund und Ländern
sitzen Menschen, die es ernst damit meinen, ihren Beitrag, den sie nach dem Gesetz zu leisten haben, zu leisten .
Ich will, Herr Michelbach, nicht verkennen, dass da
schon eine Menge erreicht ist . BEPS ist eine ganz wichtige Sache . Wir haben in den letzten Jahren allerhand Dinge erreicht . Wenn wir das vor sechs oder sieben Jahren
vorhergesagt hätten, dann hätte uns niemand geglaubt,
dass man so weit kommen kann .
({5})
Aber wir wissen auch, dass das, was erreicht worden ist,
erreicht worden ist, nicht weil es irgendwo eine große
moralische Wende gegeben hat, sondern weil denen, die
hinterzogen haben, und auch denen, die jetzt mit uns die
Abkommen geschlossen haben, klar geworden ist, dass
es mit der Geheimniskrämerei nicht so weitergeht, dass
man schlicht und ergreifend ein viel zu hohes Risiko
eingeht, wenn man Unanständiges macht, - dass man
nämlich auffliegt - und dass sich Steuerhinterziehung
immer weniger lohnt, da es immer aufwendiger wird, ein
solches Versteckspiel zu treiben . Wir müssen auf jeden
Fall auf diesem Weg weitergehen, und zwar in erster Linie auf dem internationalen Parkett; denn es nützt nichts,
wenn man alleine dasteht, während alle anderen lukrative Möglichkeiten der Steuerhinterziehung anbieten, und
nichts dagegen machen kann .
Beim Austrocknen dieses Sumpfs muss man sich natürlich darüber im Klaren sein, dass man auch mit Fröschen am Tisch sitzt . Es gibt solche, die mittlerweile
nicht mehr anders können, als in der Rhetorik mit uns
übereinzustimmen, aber dennoch dafür sorgen, dass es
Lücken und Verzögerungen gibt und dass es so schnell
nicht möglich ist, etwas gegen die Missstände zu tun .
Deswegen geht es neben der Arbeit an den internationalen Abkommen darum, klarzustellen, dass die Kontrolle dessen, was man verabredet hat, genauso wichtig ist .
Es geht auch um Sanktionen gegenüber denjenigen, die
sich an Verabredungen nicht halten . Man muss deutlich
machen: Wir sind ein Teil einer Wertegemeinschaft auf
dem internationalen Parkett, die auch wirtschaftlich stark
genug ist, Sanktionen durchzusetzen . All das kann man,
finde ich, ein Stück weit mehr tun.
({6})
Der Bundesfinanzminister hat mit seinem ZehnPunkte-Plan einige Maßnahmen angesprochen . Für vieles das füge ich jetzt hinzu - wären die Panama Papers und
die dadurch etwas aufgeschreckt schnelle Reaktion gar
nicht nötig gewesen . Die nordrhein-westfälische Steuerfahndung arbeitet zusammen mit dem Landeskriminalamt seit eineinhalb Jahren an der Auswertung von
Daten, die sich auf das Thema Panama und auf Institutionen, die mit den Panama Papers ans Licht kommen,
konzentriert . Es gibt sogar schon staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen . Das ist also nicht neu . Es ist vielleicht in
der Dimension größer, als man gedacht hat . Man dachte,
dass man für 16 Milliarden Euro Mehreinnahmen gesorgt
hat . Nun weiß man, was für ein kleiner Teil dessen das
ist, der hinterzogen und verschoben wird .
Es ist natürlich schon bemerkenswert, dass jetzt vieles aufgescheucht wirkt . Wenn ich mir einmal die zehn
Punkte des Plans anschaue, dann stelle ich fest, dass beispielsweise unter Punkt 9 von der verspätet einsetzenden
Verjährung bei Steuerbetrug die Rede ist . Ich erinnere
mich sehr gut daran, als ich im November 2012 beim IRS
in Washington war, dass uns genau dies dort vorgestellt
wurde und ich diese Forderung damals gestellt habe . Es
hat dreieinhalb Jahre gedauert, bis dieser Punkt nun auftaucht .
Es gibt auch Punkte, die nicht im Zehn-Punkte-Plan
enthalten sind, obwohl sie dort gut stehen könnten . Dankenswerterweise sind sie im Vorschlag der Bundestagsfraktion der SPD enthalten . Ein Beispiel - auch das ist
nicht neu -: Seit zwei Jahren liegt dem Bundestag ein
Gesetzentwurf des Bundesrates vor . Darin geht es darum, dass man Banken und nicht nur einzelne überführte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belangen können muss .
Bisher konnte man immer nur eine lächerliche Strafe verhängen, was einer Lappalie gleichkam . Es muss klar sein,
dass diejenigen, die sich geschäftsmäßig an diesem Werk
beteiligen, um ihre Lizenz bangen müssen . Sie sind systemrelevant, legen Wert darauf, dass sie gestützt werden,
nehmen aber ihre Verantwortung nicht wahr . Sie sagen
nicht: „Hier ist eine Lücke; die Politik muss diese Lücke
schließen“, sondern sie sind froh, wenn es eine Lücke
gibt, die sie ausnutzen können . Das sollte keine systemrelevante Institution machen dürfen .
({7})
Ich will nur kurz drei Punkte nennen, um die man
die Vorschläge ergänzen könnte, die auch sofort wirken
könnten .
Erster Punkt . In Deutschland ist man mit seinem Welteinkommen steuerpflichtig. Wer eine Offshorekonstruktion nutzt - um dort Steuern zu hinterziehen -, ist schon
heute meldepflichtig; er muss nicht erst meldepflichtig
gemacht werden . Nur, es ist ein Witz, dass es eine Ordnungswidrigkeit ist, wenn er gegen diese Meldepflicht
verstößt . Erste Frage also: Wie stellen wir sicher, dass
eine andere Sanktion als bisher droht, wenn man nicht
meldet, und wie kann man die Banken in die Verantwortung einbeziehen? Jeder Arbeitgeber muss melden, was
sein Arbeitnehmer verdient . Aber wenn es darum geht,
dass Banken Kapitaleinkünfte angeben sollen, dann wird
offenbar ein Menschenrecht verletzt . Das kann nicht sein .
({8})
Der zweite Punkt - er ist mehrfach angesprochen
worden -: Banken müssen als Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können; da darf nicht auf Einzelpersonen abgestellt werden . Im Bundesrat liegt seit gut
zwei Jahren ein entsprechender Gesetzentwurf vor . Ich
bitte dringend darum, ihn zu behandeln und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen .
Der dritte Punkt - auch er ist angesprochen worden -:
Es gibt Unternehmen, die die gesamten Gewinne, die sie
in Deutschland erwirtschaften - diese sind wegen der
Kaufkraft und der Größe des Landes hoch -, über Lizenzgebühren in Steueroasen verschieben, um hier keine
Steuern bezahlen zu müssen und auch dort, wohin sie sie
verschieben, keine Steuern bezahlen zu müssen .
Diese beiden Lücken müssen geschlossen werden . Zu
diesem Punkt gibt es schon einen Ansatz . Es geht jetzt
darum - neben dem, was man schon verabredet hat und
was ergänzt werden kann -, dafür zu sorgen, dass das
auch durchgesetzt wird und nicht nur auf dem Papier
steht . Es darf nicht sein, dass wir uns bei der nächsten
Leaks-Diskussion, die es irgendwann wieder geben wird,
hier wieder treffen, über dasselbe reden und fragen: Warum haben wir das eigentlich nicht gemacht, als die Panama Papers vorlagen? Diesen herzlichen Wunsch habe ich
an den Deutschen Bundestag . Die Länder und wir als
Nordrhein-Westfalen sind in hohem Maß bereit, daran
mitzuwirken . Ich glaube, wir tun damit wirklich auch der
Demokratie etwas Gutes . Der Zweifel daran, dass wir das
wirklich in den Griff bekommen, wäre auch ein Zweifel
daran, dass wir am Ende die Ehrlichen entlasten und vor
allen Dingen die großen staatlichen Aufgaben wahrnehmen können .
Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({9})
Als nächster Redner spricht Dr . Anton Hofreiter von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Panama Papers sind eine eindrucksvolle
Liste von Menschen: Superreiche, die die Allgemeinheit
um ihre Steuern betrügen wollen, Diktatoren und totalitäre Herrscher, die ihr eigenes Land ausplündern, des
Weiteren Waffenhändler, Rauschgifthändler, Terrorfinanziers. Aber: Die Infrastruktur der Briefkastenfirmen, die
all diesem dient, braucht in der Regel Unterstützung aus
Minister Dr. Norbert Walter-Borjans ({0})
Europa, aus Deutschland, damit die Steuerkriminellen,
die Waffenhändler diese auch nutzen können .
Herr Schäuble, Sie reden sehr gerne von Law and
Order . Sie haben jetzt einen Plan vorgelegt; Sie wollen
einiges umsetzen . Aber wenn ich mir Ihr Handeln in den
vergangenen Jahren anschaue, dann kommen mir doch
ziemliche Zweifel daran, ob Sie das wirklich ernsthaft
umsetzen wollen .
({1})
Das Besondere an diesem schönen internationalen
Plan ist - das hat auch Herr Michelbach wunderbar dargestellt -: Man braucht die Unterstützung von ganz vielen Ländern, die unter Umständen unkooperativ sind, mit
denen schwer zusammenzuarbeiten ist . Wenn man das
alles dann am Ende wieder nicht umsetzen kann, dann
stellt man sich hin und sagt: Es tut mir leid . An uns hat
es gar nicht gelegen . Es wäre möglich gewesen . Wir haben es gewollt . Die anderen wollten nicht . - Das klingt
dann alles gut und harmlos, und selber ist man nicht daran schuld .
Aber warum setzen Sie denn eigentlich nicht die Maßnahmen um, die europäisch bzw . national umzusetzen
wären?
({2})
Warum stellen Sie nicht endlich Ihre Blockade dagegen ein, dass das Country-by-Country-Reporting komplett transparent dargestellt und so umgesetzt wird, dass
es wirksam werden kann? Deutschland ist da einer der
Hauptblockierer . Deutschland ist auch einer der Hauptblockierer, wenn es darum geht, endlich klarzumachen,
welcher Konzern in welchem Land Steuern zahlt . Sie als
Bundesregierung haben sogar noch selbst dafür gesorgt,
dass Konzerne, die ihren Hauptsitz in den USA haben, da
komplett herausfallen . Das betrifft so schöne Konzerne
wie Amazon, Apple und Starbucks, von denen wir wissen, dass sie in ganz großem Umfang Steuervermeidung
betreiben . Setzen Sie deshalb, wenn Sie das Ganze ernst
meinen, endlich das um, was Sie hier umsetzen können!
({3})
Schauen Sie sich die nächste Maßnahme an: Es gibt
auf europäischer Ebene eine Transparenzrichtlinie . Diese
Transparenzrichtlinie ist schon vor einiger Zeit beschlossen worden . Warum eigentlich ist das Transparenzregister in Deutschland nicht längst umgesetzt? Die jetzigen
Umsetzungsvorschläge gehen längst nicht so weit, wie
es selbst in solchen Ländern wie Großbritannien und
den Niederlanden der Fall ist . Setzen Sie doch endlich
die Transparenzrichtlinie komplett um! Sorgen Sie doch
endlich für ein Transparenzregister, und zwar für ein
Transparenzregister, das voll wirksam ist!
({4})
In Deutschland waren in der Vergangenheit bzw . sind
aktuell 28 Banken betroffen . Ja, gibt es denn keine Institution, die diese deutschen Banken kontrolliert? Wer
ist denn eigentlich verantwortlich für die Kontrolle dieser Banken? Ich glaube, da gibt es eine BaFin . Wie wäre
es denn, wenn Sie endlich einmal den politischen Auftrag geben und die BaFin entsprechend handlungsfähig
machen würden, dass sie endlich ihrer Kontrollaufgabe
nachkommt und dafür sorgt, dass keine deutschen Banken mehr in diesen Leaks auftauchen, sondern sich endlich in ausreichendem Umfang an Recht und Gesetz halten? Wie wäre es denn damit?
({5})
Schauen wir uns die Steuerverwaltung an: Die Steuerverwaltung in Deutschland ist in 16 föderale Steuerverwaltungen zersplittert . Warum schaffen wir nicht endlich
eine Bundessteuerverwaltung wenigstens für die Superreichen und die großen Konzerne, damit wir eine Steuerverwaltung haben, die mit den großen Konzernen und
den Superreichen auf Augenhöhe agieren kann?
({6})
Setzen Sie sich endlich dafür ein, dass wir für die großen
Konzerne und die Superreichen endlich eine funktionierende Bundessteuerverwaltung bekommen!
({7})
Wenn ich mir anschaue, wie in Deutschland der
Zustand bei der Geldwäsche ist, stelle ich fest, dass
Deutschland ein Zentrum der Geldwäsche ist . Wenn Sie
mit Mafiaexperten sprechen, dann wissen Sie, dass Geld,
welches in Italien, im Süden Italiens, oder an anderen
schwierigen Standorten - wo es um Drogenhandel und
Waffenhandel geht - erwirtschaftet wird, in Deutschland
gewaschen wird; denn in Deutschland funktioniert die
Kontrolle der Geldwäsche überhaupt nicht . Also sorgen
Sie endlich dafür, dass Deutschland nicht mehr europaweit und weltweit ein Spitzenreiter bei der Geldwäsche
ist, sondern dafür, dass Geldwäsche in Deutschland endlich effizient bekämpft wird!
({8})
Herr Schäuble, Law and Order, ja! Ich fordere Sie
dazu auf: Setzen Sie bei der Steuerkriminalität und bei
der Geldwäsche endlich Law and Order um! Das ist Ihr
Job, und dann haben Sie auch uns auf Ihrer Seite; denn
wir brauchen mittel- und langfristig endlich einen sauberen Finanzplatz Deutschland . Nur dann können wir
bei der G 20, bei der G 7 und bei europäischen Verhandlungen glaubwürdig auftreten . So, wie Sie das bis jetzt
gemacht haben, wird man es Ihnen nicht abnehmen, und
auch wir nehmen es Ihnen nicht ab .
({9})
Als nächster Redner spricht der Bundesfinanzminister
Dr . Wolfgang Schäuble für die Bundesregierung .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Hofreiter,
({0})
wissen Sie, ein Mindestmaß an Sachkenntnis schadet
nicht, wenn man so heftige Vorwürfe erhebt .
({1})
- Ja, Mindestmaß . Lassen Sie mich einmal ein paar Sachen sagen .
Das Problem ist wirklich ärgerlich, und es ist nicht neu .
Es ist auch so: Ich bin seit Ende 2009 Bundesfinanzminister. Vorher gab es auch Bundesfinanzminister. Ich bin der
erste, der mit großem Nachdruck, und zwar konsequent,
jedes Jahr, daran arbeitet . Wir haben den automatischen
Informationsaustausch . Es ist gesagt worden, wir hätten
vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten, was wir
alles erreicht haben . Es sind inzwischen über 100 Länder,
die sich am automatischen Informationsaustausch beteiligen . Unterschrieben haben wir den Vertrag übrigens in
Berlin im Herbst 2014 . Das ist für internationale Verhältnisse relativ schnell . Wir - ich persönlich zusammen mit
meinem britischen Kollegen - haben die Initiative für die
BEPS-Initiative im Rahmen von G 20 ergriffen; übrigens
während der mexikanischen G-20-Präsidentschaft, wenn
Sie es überprüfen wollen . Wir haben sie dann relativ
schnell - immer für globale Verhältnisse - im globalen
Prozess vorangebracht . Seit dem Gipfel in Antalya ist sie
implementiert . Dort sind viele Punkte, die jetzt gefordert
sind, längst enthalten .
Deswegen ist es in der Tat wahr - hier bin ich mit dem
Kollegen Walter-Borjans völlig auf derselben Linie -,
dass das, was wir in zehn Punkten zusammengefasst
haben, keineswegs alles neu ist . Deswegen habe ich die
Veröffentlichung auch begrüßt, so wie bei den Luxemburg-Leaks . Sogar Ihr Fraktionskollege im Europäischen
Parlament hat öffentlich gesagt: Herr Schäuble hat jede
dieser Veröffentlichungen immer genutzt, um international und europäisch Druck dahinter zu machen . - Reden
Sie einmal mit Herrn Giegold darüber!
({2})
Wir haben zwei grundlegende Probleme, die wir bei
aller Erregung nicht übersehen dürfen . Wir müssen sie
lösen . Das erste Problem ist: Ein Land wie wir - wir
haben sowieso die Globalisierung -, das so sehr in die
internationale Arbeitsteilung eingeflochten ist, muss Regelungen international zustande bringen . Wir können sie
nicht im nationalen Alleingang machen, die nützen gar
nichts . Angesichts der Fungibilität von Geld sind heute
solche Regelungen nur noch global zu erreichen . Deswegen müssen wir diesen Weg gehen . Da kannst du manchmal fast verrückt werden, so mühsam ist das . Das ist alles
wahr . Trotzdem muss man es tun . Wir bringen es beharrlich voran . Deswegen machen wir Druck dahinter . Die
Europäer sind übrigens nicht die Schlechtesten dabei .
Aber weil Sie die Niederlande als Vorbild genannt haben,
wäre ich gerade ein bisschen zurückhaltend . Schauen Sie
sich einmal die Patentboxen und einige andere Dinge an .
({3})
- Bei der Transparenz . Entschuldigung, wir haben doch
in Europa die Richtlinie verabschiedet und beschlossen .
Wir sind in der Umsetzung . Wir setzen sie auch um . Das
Entscheidende ist, dass wir den automatischen Informationsaustausch hinbekommen .
Wir werden jetzt auch in dieser Woche in Washington sagen - meine europäischen Kollegen machen mit -:
Die, die nicht mitmachen - Panama ist eines der Länder, das beim automatischen Informationsaustausch nicht
mitmacht -, werden wir auf eine schwarze Liste setzen
und bestimmte Finanzgeschäfte nicht mehr machen . Wir
haben die übrigens von der schwarzen Liste nicht in einer nationalen Entscheidung gestrichen . Das sind immer
Empfehlungen des Global Forum . Das gibt es bei der
OECD . Das ist das einzige Forum, bei dem man international gegen Steuerhinterziehung und übrigens auch
gegen Geldwäsche arbeiten kann .
Das zweite Problem, auf das ich Sie aufmerksam machen möchte, ist: Wir sind ein Bundesstaat . Die Verwaltungskompetenz liegt im Wesentlichen bei den Ländern .
Das ist auch richtig . Deswegen arbeiten Bund und Länder eng zusammen . Wir machen Gesetze . Der Bundesrat hat die Gesetzgebungsinitiative, aber der Bundestag
muss entscheiden . Zum Antrag des Bundesrates vor zwei
Jahren hat die Bundesregierung in einer gemeinsamen
Stellungnahme darauf hingewiesen, dass dieser Antrag
deswegen ins Leere zielt, weil die Rechtslage im KWG
bereits so ist, dass, wenn systematisch gegen diese Vorschriften verstoßen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung
geleistet wird, dies für Banken und Bankiers auch heute
schon strafbar ist . Das ist geltendes Recht . Wer dagegen
systematisch verstößt, kann seine Lizenz als Bank verlieren . Das ist geltendes Recht .
({4})
Deswegen hat die Bundesregierung damals gesagt: Diese
Initiative zielt ins Leere .
So haben wir das übrigens auch mit dem Restrukturierungsmechanismus und -fonds zum ersten Mal umgesetzt; da gibt es nämlich datenschutzrechtliche Probleme .
Datenschutz wird ja gelegentlich hochgehalten . Heute
sind Sie gerade für Law and Order, beim nächsten Mal
sind Sie für Datenschutz . Ich bin immer für beides .
Wir haben die Rechtsgrundlage dafür geschaffen,
dass die BaFin Meldungen an die Steuerbehörden macht,
wenn sie bei der Überprüfung von Banken Erkenntnisse
zur Verletzung steuerlicher Vorschriften oder zur Beihilfe
dazu gewinnt . Seit es diese Rechtsgrundlage gibt, macht
dies die BaFin mit großem Nachdruck . Das ist einer der
Gründe, warum die Banken, auch ausweislich der Ergebnisse des Rechercheverbunds, die entsprechenden Vorschriften umgesetzt haben .
Insofern ist der zentrale Punkt, an dem wir arbeiten,
Register anzulegen, damit wir die wirtschaftlichen Eigentümer kennen, und zwar die wirklichen . Die Register müssen einen einheitlichen Standard haben und dann
miteinander vernetzt werden, international und national .
Auch dafür brauchen wir datenschutzrechtliche Grundlagen . Wir, die fünf Größeren in Europa - Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und wir -, sind jetzt dabei,
dies zu verabreden; wir machen das schon einmal vorab
zwischen uns fünf . Vor der Umsetzung brauchen wir aber
eine rechtliche Grundlage für den Datenaustausch . Sonst
können wir es nicht machen . Da bitte ich, die Grundlage
dafür schnell zu schaffen . Wenn wir beides miteinander
verbinden, haben wir die wesentlichen Punkte, die wir
angehen können, umgesetzt .
Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen . In den
Bund-Länder-Finanzgesprächen plädiert der Bund - die
beiden großen Koalitionsfraktionen - gelegentlich dafür,
dem Bund im Zusammenwirken mit der Steuerverwaltung der Länder mehr Kompetenzen zu geben . Regelmäßig lehnen das die Länder mit Abscheu und Empörung
ab - und wenn Herr Walter-Borjans nickt, dann ist das so .
Das hat ja auch gute Gründe .
({5})
Herr Hofreiter, das müssen Sie nur zur Kenntnis nehmen
und dann nicht der Bundesregierung vorwerfen .
Ich habe eine Bitte . Im Kampf gegen Steuerhinterziehung sind wir in den letzten Jahren viel besser geworden .
Im Kampf gegen Geldwäsche sind wir bei den Vorschriften besser geworden, aber die Umsetzung ist nicht optimal . Deswegen stehen wir in den internationalen Listen
nicht so gut da . Herr Michelbach, die Bargelddebatte hat
übrigens auch ein bisschen damit zu tun, dass international empfohlen wird, Bargeldgeschäfte mit Obergrenzen
zu versehen, jenseits derer die Beteiligten registriert werden müssen . Das ist eine internationale Empfehlung, und
ich werde dafür eintreten, dass wir sie auch umsetzen .
({6})
Aber: Auch wenn wir die rechtlichen Vorschriften haben, ist die Verwaltungskapazität im Bereich der Geldwäschebekämpfung bisher nicht ausreichend . Deswegen
haben wir in der Bundesregierung vor einigen Monaten
entschieden - es hat eine Zeit lang Verhandlungen gegeben -: Wir schaffen eine neue FIU, Financial Intelligence
Unit, die nicht beim BKA, sondern beim Zoll angesiedelt
wird - im Wesentlichen mit neuen Mitarbeitern -, die die
relevanten Informationen filtert. Da bitte ich die Länder deswegen habe ich gebeten, dass wir es, wenn möglich,
auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz der kommenden Woche behandeln -, einen entsprechenden Unterbau
zu schaffen . Die Umsetzung des Polizeirechts ist nach
dem Grundgesetz Sache der Länder . Das ist Sache der
Gewerbeaufsicht . Die Gewerbeaufsicht ressortiert in den
Ländern üblicherweise bei den Arbeits- und Sozialministerien, weil es da vor allen Dingen um Arbeitsschutzvorschriften und Sonstiges geht . Sie können sich vorstellen:
Geldwäsche läuft da unter „ferner liefen“ . Es geht aber
so nicht weiter . Deswegen ist meine Bitte, dass wir, wenn
wir es auf Bundesebene ändern, dies auf Länderebene
entsprechend tun . Es ist sehr viel besser, wenn wir alle
die rechtlichen Regelungen schaffen .
Da können wir auch noch einige Dinge machen . Ich
stimme zum Beispiel dem Vorsitzenden der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft, Herrn Eigenthaler, zu, der gesagt
hat: Lasst uns doch bei Kunden, die Geschäftsbeziehungen mit Steueroasen haben, nicht mehr den Nachweis
führen, ob sie da tatsächlich reale Geschäfte machen,
sondern eine Beweislastumkehr vornehmen . - Das ist
rechtsstaatlich möglich. Ich finde, wir sollten hier schnell
zu einem Ergebnis kommen und es umsetzen . Es ist nicht
so, dass wir mit unseren Vorschlägen ein Monopol haben .
Es ist gut, wenn es noch bessere Vorschläge gibt, die wir
umsetzen können .
Bitte diskreditieren Sie nicht den Ansatz, dass wir das
europäisch und international umsetzen müssen - sonst
bleibt es vergeblich -, und zerstören Sie nicht die Grundlagen der arbeitsteiligen Wirtschaft in globalisierten Finanzmärkten .
Herzlichen Dank .
({7})
Als nächster Redner spricht Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke .
({0})
Ach, Herr Schäuble! Es ist schon interessant, zu verfolgen, was die Presse von Ihren Vorschlägen hält . Da
sagt zum Beispiel
({0})
der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter,
der mit diesen Vorgängen betraut ist: „Das ist eine Nebelkerze .“ Es fehlten wichtige Vorschläge wie öffentliche Firmenregister und ein Unternehmensstrafrecht . Der
Spiegel zerreißt in einem Artikel alle zehn Punkte, die Sie
vorgelegt haben, weil diese weit hinter den Anforderungen zurückbleiben . Als ich Ihnen zugehört habe, hatte ich
den Eindruck: Es ist alles in Ordnung, weil Sie schon so
viel getan haben .
Wenn ich Herrn Kohl einmal zitieren darf . Er hat gesagt: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt .“ Wenn
bei Ihrer Politik das herauskommt, was die Panama Papers jetzt belegen, dann kann man nur sagen: Sie haben
auf der ganzen Linie versagt, Herr Schäuble,
({1})
der Koalitionspartner übrigens mit, auch er hat Finanzminister in unserem Land gestellt .
Heute war der Wirtschaftsminister im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, und er hat gesagt - eigentlich haben Sie das heute noch einmal bestätigt -: Das macht sprachlos, aber irgendwie haben es
alle geahnt . - Vorhin habe ich sogar gehört: Wir haben
es alle gewusst, hat Herr Schäuble gesagt . - Wenn Sie
alles gewusst haben: Warum bedarf es dann eines solchen Vorgangs wie den der Panama Papers - Sie haben
zehn Punkte vorgelegt, die SPD zwanzig -, um aktiv zu
werden?
Wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist die
Stimmung bei den Bürgern . Die Bürger haben nämlich
den Eindruck: Das, was plötzlich offensichtlich ist, haben Sie immer schon gewusst, haben es geahnt .
({2})
Es ist doch so: Die Spitzenpolitiker, die Spitzenleute in
der Wirtschaft, die Sportler, die Eliten der Wirtschaft verstecken ihr Geld vor der Steuer,
({3})
aber jeder normale Steuerzahler in diesem Land kriegt sie
vom Gehalt abgezogen . Wenn man dann einen erwischt das ist die Haltung der Bürger -, dann gibt es die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige oder man
kommt sehr schnell wieder aus dem Knast oder man wird
überhaupt nicht verfolgt . In diesem Zusammenhang fällt
mir der Zumwinkel ein . Damals wurde die Steuerschuld
kurzfristig auf unter 1 Million Euro gedrückt, damit man
ihn nicht verknacken muss . Das ist der Zustand in unserem Land, und das haben die Bürger satt . Sie trauen Ihnen nicht mehr . Sie wenden sich von der Politik ab, wenn
Sie das nicht beenden . Dafür sind Sie in der Regierung
mit Ihrem Nichtstun mit verantwortlich .
({4})
Hinzu kommt das Versagen der Institutionen . Nehmen wir den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude
Juncker, der in der Öffentlichkeit immer als Anwalt für
Steuergerechtigkeit auftrat . Dann kommt heraus, dass er
als Minister selber daran beteiligt war, es Firmen zu ermöglichen, ihre Steuern zu reduzieren . Wie soll da Vertrauen in Institutionen entstehen?
Kommen wir zu den Banken . 28 deutsche Banken sind
an dem Steuerbetrug beteiligt, von den sieben größten
Banken sind es sechs: Deutsche Bank, Dresdner Bank,
UBS Deutschland usw . Selbst die BayernLB ist dabei .
Der bayerische Finanzminister ist übrigens eine der Aufsichtspersonen . Hat Finanzminister Söder nicht geguckt?
Das kann ich gar nicht glauben . Er stellt sich an, Ministerpräsident zu werden . Glauben Sie, dass das das Vertrauen der Bürger in unseren Staat stärkt? Ich kann nur
sagen: Da haben wir alle miteinander ein Problem .
({5})
Reden wir über die Banken . In einem gegenwärtig bestehenden Gesetz ist geregelt - der Wirtschaftsminister
hat heute im Wirtschaftsausschuss darauf hingewiesen -,
dass bandenmäßiger und organisierter Betrug mit einer
Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden
kann . Warum sitzt bei uns eigentlich noch kein Vorstandsmitglied einer Großbank ein?
({6})
Das ist geltendes Recht . Warum verknacken wir die nicht
endlich!? Wenn wir sie verknacken würden, dann würden
sie ihre Geschäfte vielleicht auch ordnungsgemäß und im
Sinne der bundesrepublikanischen Gesetze durchführen .
Aber das tun wir nicht,
({7})
sondern wir schauen weg und sagen: Es ist doch alles in
Ordnung .
Es gibt Vorschläge, die in Deutschland umzusetzen
sind, Herr Schäuble, aber das machen Sie nicht; das
schreibt ja auch die Presse . Ein Punkt wäre zum Beispiel
die Quellensteuer . Das heißt schlichtweg, dass Gewinne
dort zu besteuern sind, wo sie entstehen . Warum tun wir
das nicht? Warum reden wir nur darüber? Warum reden Sie nur darüber? Übrigens: Die Gewinne, die nicht
mehr versteuert werden müssen, weil die Firma, die die
Gewinne macht, in irgendeinem Land sitzt, das Steuerschlupflöcher anbietet, werden hier angelegt und dann
wieder steuerfrei transferiert . Wenn eine Quellensteuer
vorhanden wäre, wäre das nicht möglich . - Das ist der
erste Punkt .
Der zweite Punkt: Wir haben eine Bundespolizei gefordert . Die haben Sie immer abgelehnt . Meine Damen
und Herren, wir haben seit 2010 drei Anträge gestellt,
in denen Teile stehen, die Sie jetzt selbst als Forderung
erheben . Sie haben im Deutschen Bundestag jede Forderung der Linken, die Finanzmärkte vernünftig zu kontrollieren, diese Offshorepolitik zu stoppen und zu verhindern, dass der ehrliche deutsche Steuerzahler betrogen
wird und andere, die Reichen, ihr Geld verschieben, abgelehnt .
Deshalb kann ich sagen: Diese Regierung, auch Sie,
Herr Schäuble, ist mitverantwortlich für das, was einige
in diesem Land zulasten der Allgemeinheit treiben .
({8})
Jetzt spricht Carsten Schneider für die SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal will ich dem Qualitätsjournalismus in
Deutschland Danke sagen; denn die Süddeutsche Zeitung
hat mit der starken investigativen Recherche gezeigt,
wofür Qualitätsjournalismus gut ist . Das sage ich gerade
vor dem Hintergrund der Debatte, die wir generell über
Meinungsfreiheit und Pressefreiheit führen .
Uns hat es geholfen, Licht in das Dunkel zu bringen .
Dass in den Konstruktionen der Briefkastenfirmen alles
andere als weiße Ware und weiße Wäsche gewaschen
wurde, war mir persönlich immer klar . Wie groß das
Ausmaß ist, war mir nicht klar . Vermutungen kann man
haben, aber jetzt wird deutlich, dass es sich insbesondere
im Fall Panama, über den wir hier sprechen - der aber
nicht der einzige Fall weltweit ist; denn es gibt noch britische Überseeinseln, andere Inseln in der Karibik, es
gab den Fall Zypern und, und, und -, um Steuerhinterziehung handelt, vor allen Dingen aber um organisierte
Kriminalität, die den Schutz der Dunkelheit nutzt, um
illegal erworbenes Geld zu legalisieren und in den normalen Geschäftskreislauf einzubringen . Dazu kommen
noch Diktatorengeld und anderes . Bisher sind noch keine
prominenten deutschen Personen darunter . Ich hoffe, das
bleibt auch so .
Im Kern müssen wir das aufgreifen, was Herr Schäuble
in zehn Punkten vorgeschlagen hat . Die SPD-Fraktion ist
in Abstimmung mit den Ländern weitergegangen: zwanzig Punkte, die nicht nur internationale Verpflichtungen
umfassen, sondern auch nationale avisieren, und darauf
will ich eingehen, weil wir bei den internationalen Verpflichtungen keinen Dissens haben.
Deutschland wird die Präsidentschaft und den Vorsitz
der G-20-Gruppe im Dezember dieses Jahres übernehmen . Ich glaube, es muss die Hauptaufgabe sein, die Frage der Transparenz im Finanzsektor an die erste Stelle zu
setzen, damit es gelingt, die Allgemeinheit vor denen zu
schützen, die die Dunkelheit suchen, um ihre Geschäfte
zu machen und Korruption und Unfrieden ins Land zu
bringen . Dabei haben Sie unsere Unterstützung .
Ein zweiter Punkt ist eine europäische Regelung . Am
besten ist, wenn wir das europäisch geregelt bekommen,
damit wir den großen Markt in Europa als Vorbildfunktion haben . Hier wird es ein bisschen schwieriger . Die
BEPS-Initiative wurde angesprochen . Ja, es stimmt, sie
liegt auf dem Tisch . Es sind einige Länder, zum Beispiel
die Niederlande, genannt worden, die in manchen Punkten transparent sind . In dem Punkt der Steuergestaltungsmöglichkeiten für Großkonzerne gilt das eher nicht . Es
muss klar sein: Steueroasen, die es auch in Europa gibt,
müssen ausgetrocknet werden; denn sie sind Gerechtigkeitswüsten . Sie entziehen der Allgemeinheit das Geld,
das die anderen, die Bürger dieses Landes, bezahlen
müssen, um die Staatsleistungen erbringen zu können .
Ein dritter Punkt ist die Frage: Gibt es nicht auch Möglichkeiten, die wir national umsetzen können? Hier haben wir einen Dissens . Ich fange aber mit dem Konsens
an: Wir haben als SPD-Fraktion klar gesagt: Geldwäsche
und Steuerhinterziehung müssen geächtet werden . Deswegen sind wir für eine ganz scharfe Umsetzung eines
gerechten Steuervollzugs in Deutschland . Hier ist NRW
Vorbild .
({0})
Die Gesetze gelten deutschlandweit . In NRW werden sie
mit einer harten Steuerfahndung durchgezogen . Bayern
ist in diesem Zusammenhang eine Gerechtigkeitswüste .
Ein mittleres Unternehmen in Bayern wird im Schnitt alle
40 Jahre geprüft . Diese Zahl kommt nicht von mir, sondern das ist eine Zahl des bayerischen Rechnungshofs .
Das muss sich zwingend ändern, weil wir die Durchsetzung des Rechts brauchen .
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist
die Bargeldobergrenze . Herr Hofreiter, ich glaube, diesen Punkt haben Sie vorhin nicht genannt . Wir sind für
eine Bargeldobergrenze, weil man Zahlungen von mehr
als 5 000 Euro zum einen auch per Überweisung erledigen kann und zum anderen dem Schwarzgeldhandel,
der Korruption, der organisierten Kriminalität das Leben
dadurch zumindest erschwert wird .
({1})
Die Grünen haben sich dazu nicht bekannt, im Gegenteil .
Das sollten Sie sich vielleicht noch einmal überlegen .
Jetzt kommen wir zu einem Punkt, an dem wir noch
einen Dissens haben . Es geht um den Entzug der Banklizenz bei Steuervergehen . Dazu gibt es einen Bundesratsantrag von 2013 . Es gibt - da haben Sie recht - eine Gegenäußerung der Bundesregierung dazu; ich habe sie mir
eben noch einmal genau angeschaut . Ich teile diese Gegenäußerung nicht - ich sage das hier für die SPD-Fraktion -, weil bezüglich des Entzugs der Banklizenz auf
das KWG verwiesen wird . Laut § 35 Absatz 2 Nummer 6
KWG - ich sage das für diejenigen, die das nachlesen
wollen - kann die Lizenz aber nur bei nachhaltigen Verstößen gegen das Kreditwesengesetz, gegen das Geldwäschegesetz oder das Wertpapierhandelsgesetz entzogen
werden, nicht bei Verstößen gegen Steuergesetze .
({2})
Da die Banken aber ganz oft zentral, als Spinne im Netz
auftreten, auch bei der Beratung hinsichtlich einer Steueroptimierung, wollen wir, dass auch diese Frage gesetzlich normiert wird, damit die Banken im Zweifel auch
haften . Und das schärfste Schwert dabei ist, ihnen die
Lizenz zu entziehen. Ich finde, darüber sollten wir uns
noch einmal austauschen .
({3})
Als nächster Redner spricht Dr . Gerhard Schick für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Panama Papers haben das Licht der Öffentlichkeit
auf ein riesengroßes Problem gelenkt, nämlich auf das
Briefkastenunwesen, das es weltweit gibt und das eine
zentrale Voraussetzung für ganz viele der Probleme darstellt, die uns heftig beschäftigen: Drogenkriminalität,
Terrorismusfinanzierung, das Ausplündern von Staaten
durch ihre despotischen Herrscher, Steuerhinterziehung .
Es ist gut, dass das Licht der Öffentlichkeit darauf fällt;
denn gegen dunkle Geschäfte ist das wichtigste Instrument immer öffentliches Licht .
({0})
Die Panama Papers haben das Licht der Öffentlichkeit
aber auch auf ein anderes Problem gelenkt - das kann
man jetzt sehr gut wahrnehmen -, nämlich darauf, dass
Carsten Schneider ({1})
der Bundesminister der Finanzen die Probleme in diesem
Bereich seit Jahren ignoriert
({2})
und die Problemlösungen immer wieder erschwert hat .
({3})
Es ist gut, dass auch das an das Licht der Öffentlichkeit
kommt .
({4})
Einer kann von dem, was jetzt öffentlich wurde, auf jeden Fall nicht überrascht gewesen sein, und das ist der
Bundesfinanzminister; denn seit Jahren ist bekannt, dass
es Tausende von Briefkastenfirmen gibt, und seit Jahren
ist auch bekannt, dass es diesbezüglich massive Defizite
in Deutschland gibt . Vor einigen Jahren schon hat Nordrhein-Westfalen einen Datensatz angekauft, der zeigt,
dass die Commerzbank mit genau dieser Anwaltskanzlei
in Panama Geschäfte betreibt . Die Bankenaufsicht, deren Vorgesetzter Sie sind, Herr Schäuble, weiß seit Jahren über die Probleme bei der Berenberg Bank Bescheid .
Die internationale Fachorganisation Financial Action
Task Force hat 2010 und 2014 auf die massiven Defizite
Deutschlands bei der Geldwäschebekämpfung hingewiesen . Es gab 2012 eine Studie des Bundeskriminalamts,
die gezeigt hat, wie massiv die Probleme mit der Geldwäsche im deutschen Immobiliensektor sind .
Was haben Sie auf diese ganzen Hinweise und Problemanzeigen hin getan, Herr Finanzminister? Sie haben
nichts Entscheidendes zur Beseitigung dieses Problems
getan . Deswegen verbreiten Sie jetzt kurzfristig Aktionismus: ein Zehn-Punkte-Plan, ein Gastbeitrag in der
Bild-Zeitung . Das sind Ankündigungen . Aber an Ihren
Ankündigungen werden wir Sie nicht messen, sondern
an Ihren Taten .
({5})
Sie reden jetzt gerne über den automatischen Informationsaustausch . Das hat aber mit dem Problem, um das es
bei den Panama Papers geht, herzlich wenig zu tun, und
das wissen Sie genau . Sie reden über Bereiche, in denen
Sie etwas getan haben, damit nicht so stark auffällt, dass
Sie im zentralen Problemfeld nichts getan haben .
({6})
Der automatische Informationsaustausch funktioniert
nicht, wenn wir die Person, die hinter dem Unternehmen
steht, nicht kennen, und deswegen braucht es hier endlich
Öffentlichkeit .
({7})
Aber Öffentlichkeit und Transparenz sind leider etwas, gegen das sich Wolfgang Schäuble in seiner Zeit
als Bundesfinanzminister immer wieder gestellt hat. Ein
erstes Beispiel ist das Steuerabkommen mit der Schweiz .
Sie wollten Anonymität und Dunkelheit für den Finanzplatz Schweiz . Wir haben Sie daran gehindert . Erst danach haben Sie den richtigen Weg eingeschlagen .
Sie haben sich gegen ein Transparenzregister auf der
europäischen Ebene eingesetzt und loben sich jetzt für
die Umsetzung, zu der Sie gezwungen sind . Das ist ein
Bluff . Bei der Umsetzung sind Sie gegen eine Öffentlichkeit dieses Registers, obwohl in Ihrem Koalitionsvertrag - 2013 festgelegt - bereits von einem öffentlichen
Register für Unternehmen die Rede ist . Geschehen ist an
dieser Stelle nichts . Das hätten Sie längst tun können .
({8})
Das gilt auch für das Thema Geldwäschebekämpfung
in Deutschland . Sie wollen als Erstes - anderes haben
wir von Ihnen nicht gehört -, dass Millionen Deutsche
bei dem Thema Bargeld angegangen werden . Darüber
kann man ja durchaus diskutieren, aber wer gleichzeitig
bei den Steuertricks großer Unternehmen sagt, dass das
nicht an die Öffentlichkeit kommen soll, geht die Probleme wirklich von der falschen Seite aus an .
({9})
Über 350 000 Menschen haben eine Petition der europäischen Grünenfraktion unterzeichnet . Sie wollen,
dass wir dieses Briefkastenunwesen endlich angehen und
vor allem das tun, was wir in Deutschland und in Europa
tun können . Denn der Ansatzpunkt für die internationale
Geldwäsche ist häufig unser Bankensystem. Deswegen
lassen wir es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie hier über
die internationale Ebene und die Schwierigkeiten dort
philosophieren . Wir wollen, dass Sie dort, wo Sie zuständig sind, das Ihrige dazu beitragen, dass das Briefkastenunwesen ein Ende findet und die Unternehmen nicht
mehr vermummt herumlaufen, sondern transparent sind .
Das ist Ihre Aufgabe .
Sie müssen die BaFin, die Finanzaufsichtsbehörde in
Deutschland, neu aufstellen . Wir wollen, dass Sie sich
dafür einsetzen, dass Banken eine Strafe zahlen müssen,
wenn sie mit Unternehmen, mit Briefkastenfirmen aus
Panama oder den Jungferninseln Geschäfte machen . So
können wir es ökonomisch unattraktiv machen, dass man
sich in diese Schattengeschäfte hineinbegibt . Wir können
in Deutschland viel tun .
Wissen Sie, von einem Bundesminister der Finanzen
erwarten die Leute nicht, dass er irgendwann, wenn die
Zeitungen voll damit sind, die Probleme angeht, sondern dass er sie dann angeht, wenn er Kenntnis davon
bekommt . Kurzfristigen Aktionismus aufzublasen, wenn
alle Leute davon reden, das ist ein reaktives Politikverständnis. Ich finde, Sie sollten hier endlich einmal in die
Offensive gehen . Dann können wir Sie auch an Ihren Taten messen . Bisher gibt es nur leere Worte .
({10})
Als nächster Redner spricht Dr . Mathias Middelberg
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde, es steht der
Opposition ohne Frage zu, scharf zu kritisieren und dabei auch scharfe Worte zu wählen . Hier sind ja scharfe
Worte gefunden worden . Deutschland sei beim Thema
Steuertransparenz der Hauptblockierer gewesen, wir hätten Transparenz verhindert . Auch die Ausführungen von
Herrn Schick erwecken ja den Eindruck, als ob hier in
den letzten Jahren quasi alles verschlafen worden ist . Gerade von Ihnen, Herr Schick, hätte ich das nicht erwartet,
({0})
weil Sie die Beratungen, die wir gerade im Finanzbereich
regelmäßig durchführen, ja seit Jahren verfolgen, auch
hochintensiv,
({1})
und weil Sie auch kompetent genug sind, zu begreifen,
dass eigentlich das Gegenteil der Fall ist .
({2})
Hier ist ja übereinstimmend von unserem Finanzminister Wolfgang Schäuble und von Herrn Walter-Borjans
zu Recht dargestellt worden, dass es ganz erhebliche
Fortschritte gegeben hat . Es ist auch dargestellt worden,
dass wir letzten Endes nur in einem internationalen Kontext weiterkommen .
({3})
Es hört sich ja toll an, Herr Ernst, wenn Sie sagen, dass
wir alle Probleme einfach lösen können, wenn wir die
Quellensteuer einführen . Nur müssen Sie dann die Quellensteuer mit dem panamaischen Finanzminister und
auch mit allen anderen Finanzministern auf dieser Welt
verhandeln; sonst können Sie das Problem auf diesem
Weg nicht so einfach lösen . Das heißt, Sie brauchen
internationale Abreden . Auf diesem Feld sind wir ganz
entscheidend weitergekommen . Der, der es nicht verstanden hat, hat hier in den letzten Jahren wirklich komplett
gepennt .
({4})
Der automatische Informationsaustausch, also dass
wir ab dem kommenden Jahr automatisch, ohne nachzufragen, über jedes Konto, das ein deutscher Steuerpflichtiger im Ausland unterhält, informiert werden und auch
umgekehrt, ist doch der absolut grundlegende Schritt für
Steuertransparenz überhaupt . Das ist der grundlegende
Schritt dafür, dass man überhaupt Steueransprüche vollstrecken kann . Sie sagen immer, da müsse mehr getan
werden . Wir müssen aber erst einmal an die Auslandskonten herankommen, und wir müssen diese Informationen haben . Wir bekommen sie über den automatischen
Datenaustausch . Er tritt ab nächstem Jahr in Kraft . Er
ist im Oktober 2014 federführend von unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble initiiert und hier in
Berlin unterzeichnet worden, zunächst von 51 Staaten;
mittlerweile sind über 100 Staaten daran beteiligt . Das,
finde ich, ist der grundlegendste Erfolg, den man bei diesem Thema überhaupt erreichen und feststellen kann .
({5})
Wir haben uns in den letzten Jahren - ich erinnere mich noch gut - über die Steuerparadiese Schweiz
und Luxemburg unterhalten . Wir haben uns über den
Fall Hoeneß unterhalten . Wir haben uns hier über Alice
Schwarzer unterhalten . All diese Probleme sind mit
dem Informationsaustausch erledigt . Das ist künftig Geschichte; denn man kann in der Schweiz oder in Luxemburg kein Konto mehr unerkannt unterhalten . Das heißt,
die Zahl der Steuerparadiese wird mit Unterzeichnung
dieses Informationsaustausches immer kleiner .
Es gibt noch Steuerparadiese wie Panama und die Britischen Jungferninseln; es kommen auch noch ein paar
andere in Betracht . Sie müssen jetzt nach und nach - das
hat Herr Walter-Borjans ja zu Recht angesprochen - politisch isoliert werden . Das müssen wir jetzt politisch
angehen . Da sind das Aufkommen dieser Daten und die
Berichterstattung über Panama doch eine tolle Unterstützung . Das wird den Panamesen - oder Panameten; keine
Ahnung, wie die sich nennen ({6})
eine Lehre sein . Sie werden sich fragen, ob sie in Zukunft noch der Zufluchtsort für verdecktes, verstecktes
Kapital sein wollen, wenn das diese Konsequenzen hat .
Deswegen müssen wir den Weg, den wir bisher beschritten haben, konsequent weitergehen . Das tun wir mit dem
Zehn-Punkte-Plan . Dieser Zehn-Punkte-Plan ist die konsequente Fortschreibung dessen, was wir bisher auf die
Bahn gebracht haben .
({7})
Ich könnte noch die BEPS-Initiative ansprechen . Ich
finde, sie ist der zweite große und ganz erhebliche Baustein, um mit all den legalen Steuerverschiebungen und
-vermeidungen Schluss zu machen . Sie ist der zweite
grundlegende Schritt . Ihn haben federführend Wolfgang
Schäuble und der britische Finanzminister Osborne diese beiden sind hier zu nennen - ins Werk gesetzt . Die
europäischen Regierungschefs haben das jetzt beschlossen . Wir werden die ersten Schritte noch in diesem Jahr
im Deutschen Bundestag umsetzen . Die EU erarbeitet
jetzt eine Anti-BEPS-Richtlinie . Das heißt, es geht ganz
konkret voran .
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, fiel bei
Ihnen, Herr Hofreiter . In der Presseerklärung, die Sie gemeinsam mit Herrn Schick herausgegeben haben, schreiben Sie, Sie wünschten sich mehr Law and Order statt
vornehmes Wegschauen beim Thema Panama-Leaks . Ich
würde mir wünschen, dass man dieses Stichwort - mehr
Law and Order - auch in politischen Debatten zu anderen Fragestellungen von Ihnen hört, etwa dann, wenn es
um Speicherfristen, um Videoüberwachung, wenn es insgesamt um Sicherheitspolitik und die konsequente Verfolgung von Straftätern geht . Auch dann würde ich mir
diese Forderung von Ihnen wünschen .
Herzlichen Dank .
({8})
Als nächster Redner spricht Lothar Binding für die
SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hans Michelbach hat
vorhin gesagt: Wir brauchen ethische und moralische
Grundsätze . - Das sehen wir genauso . Aber es wäre
natürlich toll, die Unternehmen würden sich ganz ohne
Gesetzgebung und ganz ohne Regulierung daran halten .
Dann hätten wir viel weniger Gesetzgebung und Regulierung .
Wir haben oft gehört: Über 50 Staaten nehmen am automatischen Informationsaustausch teil . Ganz toll! Panama nimmt nicht teil . Die USA nehmen übrigens auch
nicht teil, und die USA sind ein relativ großer Markt .
Wer das mit bedenkt, merkt: Wir reden immer noch über
stumpfe Schwerter . Gleichwohl haben wir sehr viel gemacht, auch sehr viel Gutes . Deshalb kann man nicht sagen, wir hätten nicht reguliert . Wir haben wirklich viel
gemacht .
Wir haben sogar so viel gemacht, dass sich der neue
Bankenpräsident als Erstes über die Komplexität der Regulierung beklagt hat . Er hat ganz vergessen, dass die
Komplexität der Regulierung im Vergleich zur Komplexität des Marktes unterkomplex ist .
({0})
Eigentlich hätte er sich überlegen müssen, wie die Marktgesetze, die er befolgen und definieren kann, etwas zu
vereinfachen sind . Dann wäre viel passiert .
Umso verdienstvoller ist die Arbeit des Journalistennetzwerkes, das viele Dinge aufgedeckt hat, die wir und
viele andere zunächst nicht gesehen haben . Sie haben uns
geholfen, sodass wir jetzt von mehreren Tausend Briefkastenfirmen wissen. Das ist doch erstaunlich.
Was ist eigentlich so eine Briefkastenfirma? Sie hat
keinen Beschäftigten - Arbeitsplätze sind ja manchmal
ein Argument -, sie hat überhaupt kein nennenswertes
aktives Geschäft zur Erzielung wirtschaftlicher Erträge,
und die tatsächlich wirtschaftlich Begünstigten sind verschleiert. Eine Briefkastenfirma bietet sich also zur Geldwäsche, zur Steuerhinterziehung und zu allen anderen
Sauereien an .
Der Bundesrat - das hat Norbert Walter-Borjans ja
schon vorgetragen - hat schon vor zwei Jahren einen
ganz guten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuerstraftaten eingebracht . Um es abzukürzen, will ich nur
einmal aus der Gegenäußerung der Regierung zitieren .
Die Bundesregierung sagt - das ist eine Aussage -: Die
bestehenden Rechtsgrundlagen reichen aus . Eine andere
Aussage lautet, eine Verschärfung des nationalen Aufsichtsrechts sei nicht sinnvoll . Daneben haben wir von
den Kollegen der CDU oft gehört, wir bräuchten eine Regulierungspause . Ich glaube, mit Blick auf die Erkenntnisse, die wir heute haben, können wir feststellen: Diese
drei Aussagen waren falsch .
({1})
Nun schauen wir auf die zehn Punkte, die jetzt genannt werden . Das müssen wir Fachpolitiker kritisch betrachten . Einer dieser Punkte ist substanziell, und zwar
der hinsichtlich der Verjährungsfristen . Alle anderen sind
doch eher Placebo als wirkungsmächtige Regulierungen . Ich glaube, das ist angesichts der Größe des Panama-Skandals zu wenig .
({2})
Um ein paar Dinge konkret zu nennen: Wir müssen in
der vierte Geldwäscherichtlinie öffentliche Register der
wahren Eigentümer einführen . Das wurde schon ein paar
Mal gesagt . Ich glaube, das ist unabdingbar, weil wir die
verantwortlichen Personen sonst überhaupt nicht dingfest machen können . Das ist aber nötig . Daneben müssen
diese Register international vernetzt sein .
Heiko Maas hat kürzlich die Einrichtung eines nationalen Transparenzregisters für Unternehmen vorgeschlagen . Das ist eine sehr gute Sache und ein guter erster
Schritt . Diesen ersten Schritt müssen wir aber wahrscheinlich noch weiterentwickeln, um am Ende des Weges anzukommen .
Daneben sollten wir die Geldströme von und zu dubiosen Unternehmen blockieren . Wie kann man das erreichen? Man kann hier nationalstaatlich schon etwas
machen . Wir haben nämlich schon ganz gute Gesetze dagegen . Dabei ist es egal, ob diese Geldströme der Steuerhinterziehung, der Tarnung von Schwarzgeld, dem Terrorismus, der Geldwäsche, dem Menschenhandel oder dem
Drogenhandel dienen .
Ich will einmal eine Regelung nennen: Bei Geschäftsbeziehungen mit nicht kooperativen Staaten gibt es erhöhte Mitwirkungspflichten. Das ist eine gute Regel.
Dummerweise - das ist jetzt natürlich eine Kritik - hat
das BMF vergessen, zu definieren, was unkooperative
Staaten sind . Das heißt, dieses Gesetz läuft leer . Es gibt
keinen Anwendungsbereich . Wir haben hier eine tolle
Regel, die aber nicht funktioniert, weil wir gar nicht wissen, für wen sie gilt .
({3})
Daneben könnten wir die Hinzurechnungsbesteuerung
verschärfen . Natürlich gibt es passive oder niedrig beDr. Mathias Middelberg
steuerte Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften zum Beispiel Kapitalgesellschaften oder auch Briefkastenfirmen -, und natürlich könnten wir all diese Gewinne
schon jetzt den deutschen Gesellschaftern zurechnen .
Jetzt hören wir: Du musst doch mit den anderen kooperieren . Das müssen wir nicht . Die Banken kennen die
Geldströme doch . Wir würden dann nur die nicht erwischen, die das Geld mit dem Koffer wegtragen . Insofern
wäre das ein gutes Instrument .
Ich kenne das Cadbury-Schweppes-Urteil . Eine Hinzurechnung ist im europäischen Kontext zwar nur bei
echten Missbrauchsfällen nötig, aber in Bezug auf die
Hinzurechnung haben wir eine ganz gute Idee .
Zur Quellensteuer haben wir schon viel gehört . Auch
diese Transfers können die Banken benennen . Die Quellensteuer ist eine gute Idee; sie wurde heute schon mehrfach genannt .
Man muss aber natürlich sagen: Nach der Zins- und
Lizenzrichtlinie ist das innerhalb Europas nicht so leicht
möglich, weil wir die Besteuerung im Zielstaat angestrebt haben . Das gilt europaweit .
({4})
- Sie stimmen dem zu . - Wäre es deshalb nicht wichtig,
noch einmal darüber nachzudenken - die Folge dieser
guten Regel waren nämlich Lizenzboxen in den Niederlanden und Rulings in Luxemburg -, ob diese Zins- und
Lizenzrichtlinie nicht noch einmal überarbeitet werden
muss? Das sind Regeln, die dem, was wir heute bekämpfen, letztendlich den Weg bereiten .
Deshalb wäre es klug, an dieser Stelle auch noch
einmal über europäische Regeln nachzudenken und zu
schauen, ob sich hier alle Staaten so verhalten, wie es
dem Willen des gesamteuropäischen Volkes entspricht .
Ich glaube, hier gilt es, noch einmal nachzuschärfen .
Schönen Dank .
({5})
Als nächster Redner spricht Uwe Feiler für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Als am 3 . April dieses Jahres die sogenannten
Panama Papers in der Öffentlichkeit auftauchten, entwickelte sich sehr rasch eine vielbeachtete öffentliche Debatte über vermeintlich prominente involvierte Privatpersonen, Banken, die ihre Kunden bei Offshoregeschäften
unterstützten, und eine panamaische Anwaltskanzlei, die
sich anscheinend auf alle Finessen sogenannter Briefkastenfirmen mit Schachtelkonstruktionen versteht.
Das Journalistennetzwerk, das wohl in jahrelanger
akribischer Kleinarbeit immerhin eine Datenmenge von
circa 2,6 Terabyte mit ungefähr 11,5 Millionen Datensätzen zutage förderte, machte zweierlei deutlich:
Erstens . Der von Deutschland maßgeblich initiierte
Prozess des internationalen Informationsaustausches in
Steuersachen war richtig, ist richtig und muss auch in Zukunft den größten Anteil der Bemühungen ausmachen,
um zu verhindern, dass Unternehmen und Privatpersonen im Ausland Vermögen möglichst unentdeckt parken
können .
({0})
Meine Damen und Herren, dieser Prozess ist mühselig . Aber die rasch wachsende Zahl der am Informationsaustausch teilnehmenden Staaten von 51 Ende 2014 auf
96 Staaten mit Stand Anfang März dieses Jahres zeigt,
dass wir hier am Ball bleiben müssen, um auch die über
100 nichtteilnehmenden Staaten von einer Beteiligung
an dem Verfahren zu überzeugen . Selbst bei kritischer
Würdigung der Arbeit der Bundesregierung kann wohl
niemand ernsthaft bestreiten, dass der Bundesfinanzminister Dr . Schäuble an der Spitze der Bewegung innerhalb der OECD und der G 20 steht, um diesen Prozess
entschlossen voranzutreiben . Von daher braucht weder
der Bundesfinanzminister noch sonst einer der Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion Nachhilfe in Sachen
Bekämpfung von Steuerhinterziehung .
({1})
Zweitens . Alleine die schiere Menge an recherchierten
Informationen offenbart, dass niemand so kurz nach Veröffentlichung der Daten einen seriösen Gesamtüberblick
über die Auswirkungen auf in Deutschland steuerpflichtige Personen haben kann . Der Aktionsplan des Ministers
knüpft also an bestehende und bereits geplante Initiativen an, verstärkt den Druck auf die Länder, die sich dem
automatischen Informationsaustausch nach wie vor verweigern, und steuert in Einzelfällen, beispielsweise bei
der Anlaufhemmung der Verjährung, nach, wenn Steuerpflichtige ihren Meldepflichten nicht nachkommen.
An dieser Stelle sei mir als beurlaubter Landesfinanzbeamter aber erlaubt, festzustellen, dass die Länder mit
ihren Finanzbehörden hier mitziehen müssen . Immerhin
obliegt ihnen unter anderem die Bekämpfung der Geldwäsche im gewerblichen Bereich . Während der Zoll mit
der Wahrnehmung der Geldwäscheverdachtsmeldungen
seitens des Bundes beauftragt und entsprechend personell ausgestattet wurde, lässt die Kooperation der Länder
in diesem Bereich nach wie vor zu wünschen übrig . Dabei reicht es dann auch nicht, nur den Handlungsbedarf
aufzuzeigen . Hier müssen den Worten Taten folgen: Die
Länder müssen das notwendige Personal stellen und organisatorisch nachbessern .
Lassen Sie mich auch noch auf die vielen vermeintlich
guten Vorschläge eingehen, die sich bei näherem Hinsehen dann aber doch nur als bedingt gut durchdacht herausstellen . Die Bandbreite reicht hier von der Forderung
nach dem allgemeinen Verbot von Briefkastenfirmen,
dessen Beschluss außerhalb unserer Staatsgrenzen sicher kaum Eindruck hinterlassen würde, bis zur Novelle
des Kreditwesen- und des Geldwäschegesetzes . Letztere
Lothar Binding ({2})
Vorschläge setzen sich mit dem Thema immerhin inhaltlich auseinander .
Der Vorschlag des Bundesrates sieht vor, das Kreditwesengesetz so zu ändern, dass die BaFin gegen Institute
einschreiten und auch die Banklizenz entziehen kann .
Der Kollege Schneider hat es vorhin angedeutet: Wenn
nachhaltig gegen das KWG, das Geldwäschegesetz oder
dazugehörige Verordnungen verstoßen wird, dann kann
die BaFin als schärfstes Mittel die genannten Maßnahmen ergreifen . Steuerstraftaten sind hiervon ausgenommen; da gebe ich Ihnen recht, Herr Schneider . Aber der
§ 35 Absatz 2 Nummer 3 KWG - das habe ich eben nachgesehen - ermöglicht auch den Entzug der Banklizenz,
wenn die Zuverlässigkeit oder die fachliche Eignung der
Geschäftsführung nicht gewährleistet ist . Dazu gehören
selbstverständlich auch Steuerstrafsachen .
({3})
Das Ganze darf nämlich nicht dazu führen, dass die
individuelle Verantwortung von Geschäftsführern ausgehebelt wird oder gar Tausende Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von Banken und deren Kunden durch den
vorschnellen Entzug der Lizenz in Mithaftung genommen werden .
Deshalb werbe ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür,
den bisher eingeschlagenen Weg von Transparenz und
Austausch von Informationen weiterzugehen . Wenn wir
aber glauben, mit ausschließlich nationalen Lösungen
Steuerparadiese austrocknen zu können,
({4})
ist die Enttäuschung vorprogrammiert .
Vielen Dank .
({5})
Als nächster Redner spricht Jens Zimmermann für die
SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich glaube, in der Debatte ist deutlich geworden:
Die Enthüllungen der Panama Papers sind vor allem eines, nämlich ein Weckruf an uns alle . Es ist gesagt worden, dass es zuvor bereits viele Enthüllungen gab . Es ist
auch gesagt worden, dass man gewusst hat, dass es das
gibt . Über das Ausmaß sind viele jedoch überrascht . Es
sind die unterschiedlichsten Maßnahmen, die die SPD
mit angestoßen hat, die wir in der Großen Koalition auf
den Weg gebracht haben, genannt worden . Ich glaube,
da sind wir auf dem richtigen Weg . Jetzt muss es aber
auch weiter vorangehen . Wir dürfen uns an dieser Stelle
nicht zurücklehnen und nicht stillstehen, meine Damen
und Herren .
({0})
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu verstehen,
dass wir über einen ganzen Themenkomplex sprechen .
Die Briefkastenfirmen in Panama, über die jetzt alle reden, sind ja nur ein kleiner Teil davon . Wir reden über
Geld aus illegalen Quellen . Wir reden über Steuerhinterziehung. In der Mitte haben wir diese Briefkastenfirmen,
die diese Gelder verwalten . Dort entsteht Schwarzgeld
und wird dort verwaltet . Letztlich haben wir auch anonyme Zahlungswege .
Ich freue mich darüber, dass die vierte Geldwäscherichtlinie mittlerweile zu großer Berühmtheit gekommen
ist . Diese Richtlinie kannten bisher nur Insider . Jetzt wird
ein großes Gesetzesvorhaben daraus, das meines Erachtens wichtig und richtig ist, weil wir damit ganz viele
Dinge auf den Weg bringen werden .
Lassen Sie mich noch einmal auf das Thema Geldwäschebekämpfung eingehen . In Panama haben nicht nur
Briefkastenfirmen ihren Sitz. In Panama können Sie auch
sogenannte Prepaidkreditkarten erwerben, auf denen kein
Name steht . Insofern weiß niemand, wem diese Karten
gehören . Mit diesen Karten können Sie in Deutschland
Bargeld an Geldautomaten abheben .
Ich habe sehr genau zugehört, was der Minister gesagt hat. Ich finde es gut, dass Sie so vehement zu der
5 000-Euro-Schwarzgeldgrenze stehen . - Entschuldigung, Bargeldgrenze .
({1})
- Freud’scher Versprecher . Entschuldigung .
Ich glaube, das ist richtig, weil man das in diesem Zusammenhang sehen muss . Ich glaube, alle anderen, die
so tun, als hätte das nichts damit zu tun, machen sich an
dieser Stelle etwas vor .
Viele Bürgerinnen und Bürger und auch Freunde fragen mich: Warum geht das nicht schneller? Woran hängt
es denn eigentlich? Diese Fragen halte ich für absolut
berechtigt . Ich freue mich, dass der Kollege Gutting, der
soeben getwittert hat, einen Teil zur Aufklärung beitragen kann . Er hat nämlich geschrieben:
Koalitionspartner SPD gibt sich als Vorkämpfer gegen internationalen Steuerbetrug …
({2})
Meine Damen und Herren, ich finde, das ist eine sehr
richtige Beobachtung . Der zweite Teil kommt aber noch,
und der hat mich ein wenig verunsichert . Das passt auch
so ein bisschen . Ich fand die Wortbeiträge unseres Koalitionspartners sehr gut . Heute Morgen haben wir zwei
Stunden lang im Finanzausschuss darüber diskutiert . Da
war eine sehr große Stille aufseiten der Union . Das hat
mich verunsichert . Dann habe ich diesen Tweet zu Ende
gelesen . Dieser lautet komplett wie folgt:
Koalitionspartner SPD gibt sich als Vorkämpfer
gegen internationalen Steuerbetrug und sackt unter
20 %. Da muss man doch was merken.
({3})
Eine solche Aussage kann natürlich verschieden interpretiert werden . Wir werden das mit Sicherheit auch
bilateral klären können . Dieser Tweet steht aber so in der
Welt .
Wenn man länger über ihn nachdenkt, kann man eigentlich nur zwei Interpretationsmöglichkeiten finden.
Entweder sagt man: Ein Großteil der Wähler sind Steuerbetrüger, und deswegen wollen sie nicht die SPD wählen,
weil die SPD ja diese bekämpfen möchte . Oder man zieht
das Ganze dermaßen ins Lächerliche, dass man an dieser
Stelle vielleicht gar nichts machen wird .
({4})
Ich finde, das hilft uns nicht weiter. Das hilft uns nicht
weiter, auch nach außen glaubhaft zu versichern, dass
wir alles Mögliche tun, um diesen Machenschaften Herr
zu werden . Ich sage damit nicht, dass irgendjemand von
Ihnen das persönlich unterstützen möchte . Das sage ich
nicht . Aber ich glaube, es ist eine absolut falsche Botschaft, die Sie da nach außen senden . Darüber war ich
schon sehr überrascht .
Meine Damen und Herren, in der Union mag es eine
Schmähung sein, als Vorkämpfer gegen den internationalen Steuerbetrug bezeichnet zu werden .
({5})
Für mich und für die SPD ist das eine Auszeichnung .
Vielen Dank .
({6})
Als nächster Redner spricht Dr . Heribert Hirte für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will an das anknüpfen, was meine Vorredner und
insbesondere der Kollege Michelbach schon gesagt haben: Wir haben in den letzten Jahren unglaublich viel im
Kampf gegen Steuerverlagerung und Steuerhinterziehung gemacht, und die jetzt vom Bundesfinanzminister
vorgestellten Punkte sind ein weiterer Schritt in diese
richtige Richtung .
({0})
Deshalb möchte ich auch - darauf wurde nämlich noch
nicht hingewiesen - ergänzen, dass wir vor nicht einmal
einem Monat im Rahmen der Reform der Abschlussprüfung durch das sogenannte AReG auch die aggressive
Steuerplanung als „Nebentätigkeit“ von Abschlussprüfern im Handelsgesetzbuch verboten haben, im Übrigen
auch auf Initiative unseres Finanzministeriums .
({1})
Ich will aber auch einmal daran erinnern, was ich damals in diesem Zusammenhang hier gesagt habe, nämlich dass dieser Schritt auch als Signal dafür anzusehen
ist, dass wir auf europäischer Ebene eine klarere Regelungskompetenz für das materielle Steuerrecht brauchen .
Das hat aber eine manchmal verschwiegene Kehrseite .
Diese Kehrseite ist, dass dann auch die Kompetenzen des
Europäischen Parlaments, insbesondere seine Haushaltskompetenzen, denen der nationalen Parlamente entsprechen müssten; und das ist zurzeit noch nicht der Fall .
Damit bin ich bei der Forderung nach dem sogenannten Country-by-Country-Reporting hinsichtlich der Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen . Das ist eine
gute Idee, aber sie funktioniert nicht, solange eben die
materiellen steuerlichen Vorschriften des Steuerrechts insbesondere zur Gewinnermittlung - nicht untereinander entsprechend angepasst werden, selbstredend mit der
gerade geforderten demokratischen Beteiligung . Denn
ansonsten vergleichen wir Äpfel mit Birnen .
Noch schwieriger wird es bei den grenzüberschreitenden Fällen . Sie lassen sich jenseits des europäischen
Rechts nur durch Abkommen - insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen - erfassen; das haben wir schon
gehört . Dabei ist es zweifelsfrei richtig, Möglichkeiten
zur Manipulation des Steuersubstrats zu verringern . Aber
auch hier erfüllt es mich als Rechtspolitiker mit einer gewissen Sorge, dass es sich allein um Regierungsabkommen handelt, die dann allein durch Verständigungsvereinbarungen der beteiligten Regierungen ausgelegt und
konkretisiert werden können . Ich meine, hier ist eine
Beteiligung des betroffenen Steuerpflichtigen zwingend
geboten; denn sonst könnte aus einem Doppelbesteuerungsabkommen, das eigentlich der Vermeidung der
Doppelbesteuerung bzw . der Abgrenzung dient - das ist
völlig richtig -, leicht ein Abkommen zur Begründung
der doppelten Besteuerung werden . In manchen Einzelfällen ist das ja so .
Zudem muss man bei der Forderung nach unbeschränktem grenzüberschreitenden Datenaustausch, die
gerade von der Opposition sehr oft betont wurde, ein
bisschen vorsichtig sein . Den Steuerbehörden in Russland und China vertraue ich, sofern es darum geht, mitzuteilen, dass ein Konto besteht . Aber der Gedanke, alle
Daten, die unsere Steuerbehörden haben, auch mit den
Steuerbehörden in den genannten Ländern zu teilen, erfüllt mich mit einer gewissen Sorge . Und mich beunruhigt, dass gerade von den Grünen, die sonst den Datenschutz so hochhalten, dieser Punkt so nicht angesprochen
wird .
({2})
Lassen Sie mich zum Schluss einen kurzen Blick ins
Gesellschaftsrecht werfen . Lieber Kollege Schick - auch
er twittert gerade; das kann ich gleich nachlesen ({3})
- ja, doppelte Arbeit geht immer; das ist wunderbar -, es
gibt auch durchaus Sachverhalte, bei denen Briefkastenfirmen fast zwingend erforderlich sind. Auch Sie arbeiten
ja am Kapitalmarktrecht und wissen von daher, dass die
Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft unter
einer Schwelle von 3 Prozent gerade noch nicht meldepflichtig ist. Wenn Sie etwas nicht transparent machen
wollen, weil eine Beteiligung unterhalb einer gewissen
Schwelle das auch nicht erforderlich macht, dann bleibt
Ihnen letztlich, weil im Bereich des Börsenhandels sehr
schnell darüber geredet wird, nur der Weg über ebendiese
Briefkastenfirmen. Man muss einfach in Erinnerung rufen, dass es dafür durchaus notwendige Sachverhalte und
legale Zwecke gibt .
Anders ist dies - das ist völlig klar - in Bezug auf den
Fiskus, die Strafverfolgung und die Geldwäsche . Deshalb
brauchen wir - wir haben es gehört - eine Reform auf
der Grundlage der vierten Antigeldwäscherichtlinie der
EU gerade in Bezug auf Gesellschaftsanteile, die noch
nicht auf diese Weise, wohl aber unter Berücksichtigung
der Privatsphäre öffentlich gemacht werden . Da setzen
wir jetzt an, und das werden wir umsetzen . Aber auch
hier müssen wir notwendigerweise die rechtsstaatlichen
und datenschutzrechtlichen Vorschriften beachten . Eine
Datenabfrage in dem angedachten ergänzenden Handelsregister setzt deshalb eine klare Zweckbestimmung voraus, weshalb sie auch zu dokumentieren ist . Voraussetzung für die Erforderlichkeit muss sein, dass man vorher
keine Auskunft vom Gesellschafter bekommen hat, ob er
auf der Grundlage eines Treuhandverhältnisses tätig ist .
Dementsprechend ist die Öffnung des Zugriffs nur für
den Fiskus und nicht etwa für andere interessierte Kreise
vorzunehmen .
Wir sind - das ist das Entscheidende - auf dem richtigen Weg . Daran lassen Sie uns gemeinsam weiterarbeiten .
Vielen Dank .
({4})
Als letzter Redner in der Debatte spricht Fritz Güntzler,
ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Veröffentlichung der Panama Papers verschafft uns die
Möglichkeit, in dieser Aktuellen Stunde noch einmal darzustellen, was die Bundesregierung und die sie tragenden
Fraktionen in dieser Legislaturperiode schon geleistet
haben . Es schärft auch den Fokus auf das Thema; das
wurde bereits mehrfach angesprochen . Ich verstehe nur
manchmal die große Aufregung nicht, die nebenbei auch
noch vermittelt wird . Man kann darüber diskutieren, ob
das Ausmaß bereits so bekannt war . Aber dass es immer
Briefkastenfirmen gab, war, glaube ich, allen, die sich mit
diesem Thema befassen, schon grundsätzlich bekannt .
({0})
Zur sachlichen Debatte gehört auch, festzustellen,
dass es ganz legitime Gründe geben kann, eine Briefkastenfirma oder eine Offshoregesellschaft zu nutzen, und
dass das nicht per se illegal oder illegitim ist . Das hat
ja auch Minister Walter-Borjans, der leider schon gehen
musste, im Handelsblatt erklärt;
({1})
und das fand ich auch vernünftig . Es darf eben keine
Vorverurteilung geben . Man wundert sich schon, warum
mancher diese Wege geht . Aber das ist nicht per se ein
Problem . Deshalb wäre es gut, wenn die Journalisten, die
so gelobt worden sind, über ihr Netzwerk die entsprechenden Daten den Strafverfolgungsbehörden bzw . den
deutschen Steuerbehörden bekannt machen, damit die
Ermittlungen beginnen können, damit wir die am Schlafittchen fassen können, die wir bekommen wollen.
({2})
Herr Kollege Zimmermann, ich will jetzt nicht den
Versuch machen, den Tweet von Herrn Gutting zu interpretieren . Ich erlebe ja in Diskussionen, dass Sie an
unserer Seite stehen, wenn es um die Bekämpfung von
Steuerbetrug geht . Aber vor Wolfgang Schäuble stellte ja
die SPD die Finanzminister; ich hatte das Gefühl, dass
man damals noch nicht ganz so ernst bei der Sache war
({3})
und es erst losging, seitdem Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister ist. So habe ich jedenfalls den Tweet von
Herrn Gutting verstanden . Ich glaube, dann erscheint das
auch in einem anderen Licht .
({4})
Meine Damen und Herren, die Debatte hat, wie ich
glaube, gezeigt: Rein nationale Lösungen werden nicht
zum Erfolg führen . Wir gehen den internationalen Weg .
Das ist kein Ausweichen nach dem Motto „Wir machen
das international, damit das gar nicht klappt“ . Wir können ja Ergebnisse vorweisen . Einige steuerliche Aspekte, die mich sehr bewegen, wurden bereits genannt . Der
automatische Informationsaustausch ist eine riesige Erfolgsgeschichte . Über 100 Staaten sind dabei . Das ist sicherlich noch nicht genug . Panama zum Beispiel macht
nicht mit . Die Bundesregierung hatte zwar mit Panama
das Auskunftsrecht nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens ausgehandelt . Das wurde aber nur paraphiert, nicht ratifiziert, weil es einen Regierungswechsel
in Panama gab . Da müssen wir weiter Druck machen .
Vielleicht können wir die Panamaer nun auch zum automatischen Informationsaustausch bewegen . Klar muss
dabei sein, dass diejenigen, die nicht mitmachen, auf eine
gesonderte Liste - diese kann man meinetwegen auch
schwarze Liste nennen - kommen und Konsequenzen zu
tragen haben . Aber bei diesen Listen muss klar sein - das
ist auch in der heutigen Diskussion im Finanzausschuss
deutlich geworden -, dass die Namen von Unternehmen
nach den gleichen Kriterien darauf gesetzt werden und es
keine unterschiedlichen Kriterien geben darf . Von daher
ist es, wie im Zehn-Punkte-Programm vorgeschlagen,
sinnvoll, dass die OECD den Prozess begleitet .
Die Kollegen haben bereits auf den BEPS-Prozess
hingewiesen, den Minister Schäuble eingeleitet hat . Er
umfasst 15 Maßnahmen . Die sogenannten Lizenz- und
Patentboxen - ein schönes Thema - wurden bereits angesprochen . Es geht darum, Gewinnverlagerungen zu
vermeiden . Aber man sieht am BEPS-Projekt auch, dass
nicht alles so einfach ist . Wenn es dort heißt, man wolle
eine Offenlegung von Steuersparmodellen oder von sogenannter aggressiver Steuergestaltung, dann stellt sich
natürlich dem geneigten Leser die Frage: Was ist denn
das überhaupt? Wenn ich bei der Veräußerung meiner
Immobilie, die ich vermietet habe, die Spekulationsfrist
von zehn Jahren ausnutze, ist das, glaube ich, noch keine aggressive Steuergestaltung, wenn ich den § 6 b EStG
nutze, auch nicht . Aber wo ist die Grenze überschritten,
sodass wirklich aggressive Steuergestaltung vorliegt?
Darüber haben wir ja, lieber Kollege Hirte, auch im Rahmen des AReG diskutiert .
Das Bundesverfassungsgericht hat ja immer wieder
entschieden - ich zitiere -, dass der Steuerpflichtige seine Angelegenheiten und Rechtsverhältnisse so einrichten
kann, dass er möglichst wenig Steuern zahlen muss . Er
ist also nicht gezwungen, möglichst viele Steuern zu zahlen . Er darf also Steuergestaltung vornehmen - das ist
übrigens legal und auch legitim -, er darf die Steuern nur
nicht hinterziehen . Solange er die Gesetze anwendet, ist
Steuergestaltung in Ordnung .
Herr Kollege Hirte hat schon einiges über Country-by-Country-Reporting gesagt . Weil Kollege Hofreiter
gesagt hat, wir würden da blockieren, halte ich fest: Das
ist im BEPS-Projekt beinhaltet . Das wird kommen .
({5})
- Er hat gesagt, wir blockierten Country-by-Country-Reporting . - Es stimmt, wir haben eine unterschiedliche
Auffassung darüber, Herr Kollege Schick, ob wir die Öffentlichkeit einbinden . Ich meine, das Steuergeheimnis
hat in Deutschland einen eigenen Wert. Von daher finde
ich es richtig, dass die Daten, die für die Steuerermittlung
entscheidend sind, zwischen den Finanzbehörden ausgetauscht werden und nicht der ganzen Öffentlichkeit zur
Verfügung gestellt werden .
({6})
Da ist ein Dissens . Wir müssen sehen, dass es Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft geben könnte,
wenn wir das anders handhaben .
({7})
Meine Damen und Herren, die Debatte neigt sich jetzt,
jedenfalls für heute, dem Ende zu . Als ich Panama hörte, dachte ich an ein Kinderbuch, das ich einmal gelesen
habe: Oh, wie schön ist Panama. Da sind ja der Tiger und
der Bär unterwegs und kommen da wieder an, wo sie herkommen, und stellen fest, dass es da doch ganz schön ist .
Janosch hat dazu einmal erklärt: Jeder lebte schon immer
im Paradies, er hat es nur nicht gewusst .
Vielleicht bringen einige derjenigen, die ihr Geld nach
Panama gebracht haben, ihr Geld doch dorthin zurück,
wo sie herkommen, weil es auch dort ganz schön ist .
Herzlichen Dank .
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde
ist beendet .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14 . April 2016, 9 Uhr,
ein .
Die Sitzung ist geschlossen, und ich wünsche Ihnen
einen schönen Abend .