Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/24/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, vor dem Tagesordnungspunkt 1, also der üblicherweise um diese Zeit stattfindenden Regierungsbefragung, eine Vereinbarte Debatte im Umfang von 60 Minuten zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen aufzurufen. - Ich kann davon ausgehen, dass das allgemeine Zustimmung findet. Dann ist das so beschlossen. Damit rufe ich Zusatzpunkt 1 unserer Tagesordnung auf: Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen Die vereinbarte Debattenzeit - 60 Minuten - hatte ich schon mitgeteilt. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Bundesregierung das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Günter Krings. ({0})

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen haben uns die erschreckenden Vorfälle in den sächsischen Orten Clausnitz und Bautzen bestürzt. So erschütternd diese jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte auch sind, so stehen sie doch leider in einer Reihe mit inzwischen weit über 1 100 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte seit dem 1. Januar des letzten Jahres. Solche Taten finden sich in allen Teilen Deutschlands, auch wenn sie in manchen Regionen, gerade in den neuen Ländern, in einer besonderen Häufung auftreten. Diese Geschehnisse - darin sind wir uns, denke ich, alle einig - sind in jeder Hinsicht inakzeptabel. Die aus diesen abscheulichen Taten sprechende Menschenverachtung kann von allen, die auch nur ein Mindestmaß an Empathie empfinden, nur auf das Schärfste verurteilt werden. ({0}) Wir werden nicht zulassen, dass Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, gefährdet und bedrängt werden, und zwar egal, ob ihnen dieser Schutz nun dauerhaft zusteht oder nicht. Es ist richtig: Die Demonstrations- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in der Demokratie, und als Demokrat muss ich bereit sein, eine Menge an Dummheit und geistigem Unrat in der öffentlichen Debatte auszuhalten. Es ist für mich aber schwer, ja eigentlich gar nicht nachvollziehbar, was Menschen dazu treibt, ihren Protest nicht an die Adresse der Politik zu richten, sondern sich als Mob zusammenzurotten und ihre Aggressionen gerade an den Menschen auszulassen, die bei uns Schutz suchen. ({1}) Offensichtlich erleben wir hier in manchen östlichen Regionen unseres Landes auch die Spätfolgen einer jahrzehntelangen, auch repressiven Abschottung in der Zeit bis 1989. ({2}) Aber ich misstraue, offen gestanden, allen, die für diese Vorgänge im Osten wie im Westen mit allzu einfachen und einseitigen Erklärungen aufwarten. Für mich ist vor allem wichtig, dass wir feststellen, dass nichts so falsch ist wie der verlogene Schlachtruf dieser Leute „Wir sind das Volk“. ({3}) Die Menschen, die vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Ruf ein demokratisches und vereintes Deutschland gegen die damals herrschende Diktatur einer Einheitspartei erstritten haben, waren von den Ideen der Freiheit und der Menschenrechte getragen. Weiter weg von den Idealen dieser friedlichen Revolution des Herbstes 1989 kann man sich gar nicht begeben, wenn man sich in die Gesellschaft derer begibt, die in Clausnitz, Bautzen und anderswo dumpf und zynisch genau diese Ideale mit Füßen treten, meine Damen und Herren. ({4}) Wir wissen, dass sich hier eben nicht das Volk äußert. Die Gewalttäter und Randalierer vor den Flüchtlingsheimen, aber auch der harte Kern von Pegida und Co. bilden in Wirklichkeit das, was sie anderswo gerne anprangern, nämlich eine Parallelgesellschaft mitten in unserem Land. ({5}) Sie bilden eine Parallelgesellschaft, weil sie grundlegende Regeln und Werte unseres Rechtsstaates ablehnen. Sie bekämpfen politische Entscheidungen nicht mit Worten, sondern mit Gewalt. Sie begegnen damit auch der parlamentarischen Demokratie mit Verachtung, und sie verhöhnen diejenigen, die ihnen als Repräsentanten unseres Staates gegenübertreten, seien es Feuerwehrleute oder Polizisten. ({6}) Es ist daher aus meiner Sicht auch richtig und wichtig, dass wir hier im Bundestag ein klares Bekenntnis dazu abgeben, dass wir denjenigen, die für uns und unseren Rechtsstaat tagtäglich ihren Kopf hinhalten, den Rücken stärken, meine Damen und Herren. ({7}) Das gilt für Polizisten und alle Einsatzkräfte, denen wir von Köln bis Clausnitz in diesen Monaten besondere Verantwortung und besonders schwierige Einsätze abverlangen. Natürlich gehört es auch zu einem Rechtsstaat, dass polizeiliches Handeln nötigenfalls zum Gegenstand einer Überprüfung werden kann und soll. Ich habe aber - das sage ich ganz offen - kein Verständnis dafür, wenn von Berlin aus, Hunderte Kilometer entfernt vom Ort der schrecklichen Vorfälle, manche meinen, sie könnten anhand einer 90-sekündigen Handyvideosequenz beurteilen, ob ein Einsatz fehlerhaft oder gar unrechtmäßig war. Das ist Illusion des Dabeigewesenseins, aber nicht ein wirklich sachkundiger Beitrag. ({8}) Fairness und Respekt sollten wir hoffentlich im Konsens aller Demokraten auch im Umgang mit allen Einsatzkräften, auch den Polizisten, zeigen. Wir setzen zum einen auf Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte im Kampf gegen gewalttätige und hetzende Extremisten. Diesen Tätern begegnen wir mit null Toleranz. Ich erwarte daher, dass die zuständigen Behörden alle Straftaten, für die sich in Clausnitz, Bautzen oder anderswo ein Anfangsverdacht ergibt, mit aller Konsequenz verfolgen und dass die Täter schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. ({9}) Dass wir auf der Grundlage entsprechender Informationen auch hart und konsequent handeln, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière mehrfach gezeigt, zuletzt etwa durch das Vorgehen gegen die Gruppe „Oldschool Society“ oder das jüngste Verbot der rechtsextremistischen und ausländerfeindlichen Internetplattform Altermedia Deutschland. Zum anderen gehen wir präventiv vor und unterstützen das bürgerschaftliche Engagement gegen Extremisten, beispielsweise mit Angeboten der politischen Bildung, deren Förderung in diesem Jahr zu Recht noch einmal deutlich verstärkt wurde. Meine Damen und Herren, leider können staatliche Fördergelder alleine eine Gesellschaft gegen Extremismus nicht immunisieren. Es kommt letztlich auf die Menschen an, die sich für Mitmenschlichkeit und Demokratie einsetzen. Hier sollten wir bei aller Erschütterung über die jüngsten Bilder von Gewalt und Hetze vor allem nicht an der Stärke unserer Demokratie verzagen. Der Weimarer Republik, deren Geschichte uns in diesem Gebäude täglich umgibt, hat man nachgesagt, sie sei gescheitert, weil sie eine Demokratie ohne Demokraten gewesen sei. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass das Engagement vieler Bürger, auch in der aktuellen Flüchtlingskrise, beweist, dass unsere Bundesrepublik voller Demokraten ist, meine Damen und Herren. Als Demokraten bieten wir den Extremisten die Stirn. Wenn wir in dieser Debatte genau dazu einen Beitrag leisten wollen, dann können wir das, wie ich hoffe, indem wir auf kleinliches Gezänk verzichten und stattdessen ein Zeichen der Entschlossenheit und Geschlossenheit setzen. Vielen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Haßelmann erhält das Wort zu einer Kurzintervention.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer Kurzintervention. Sehr geehrter Herr Kollege Staatssekretär Krings, um an Ihre letzten Worten anzuschließen: Ja, von diesem Parlament soll ein starkes Zeichen ausgehen. Es war der Wunsch aller Fraktionen, nachdem wir eine Aktuelle Stunde beantragt hatten, hier gemeinsam zu einer Vereinbarten Debatte zusammenzukommen, um deutlich zu unterstreichen: In diesem Parlament gehen Vorfälle, Übergriffe wie in Clausnitz und Bautzen uns alle an. Auch ich finde, dass wir die Gemeinsamkeiten der Demokratinnen und Demokraten betonen sollten. Bei aller Wertschätzung für Sie, die Sie als Staatssekretäre auf der Regierungsbank sitzen: Ich finde es ein Unding, dass angesichts dieser Situation kein einziger Minister und keine einzige Ministerin anwesend ist, außer der Vertreterin des Kanzleramtes, ({0}) und dass auch die Ostbeauftragte des Deutschen Bundestages nicht hier ist. Wenn wir die Gemeinsamkeiten und die Bedeutung dieses Themas unterstreichen wollen alle gemeinsam; dafür bin ich -, dann erwarte ich, dass die Ministerinnen und Minister der Regierung bei einer solchen Gelegenheit auf der Regierungsbank sitzen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst ausdrücklich Danke an die Grünen sagen, die die Aktuelle Stunde sehr schnell beantragt haben. Es ist auch gut, dass wir zu einer vereinbarten Debatte gekommen sind. Meine Fraktion hatte am Sonntag gefordert, dass es eine Regierungserklärung gibt. ({0}) Wir haben ja jetzt ungefähr wöchentlich Regierungserklärungen; das ist angesichts all der Themen auch richtig und notwendig. Und im Übrigen: In dieser Frage schaut Europa auch auf uns. ({1}) Meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie von der Opposition gezwungen werden müssen, dass das hier Thema wird, und dass dann auch noch, wie die Kollegin eben sagte, wirklich kein Minister, nicht einmal der Innenminister, hier ist, das ist wirklich skandalös. Kein Minister findet es notwendig, hier anwesend zu sein? Dann kann ich Ihre Worte nur begrenzt ernst nehmen, Herr Krings. Das ist nun mal leider so. ({2}) Allein die schlichte Tatsache, dass es im letzten Jahr bundesweit über 1 000 Straftaten gegenüber Flüchtlingsunterkünften gegeben hat - fünfmal mehr als im Jahr davor -, ist doch Grund genug, hier anwesend zu sein. In Deutschland applaudiert der Mob, wenn die Flüchtlingsunterkünfte brennen. Meine Damen und Herren, wo sind wir hingekommen? ({3}) Herr Krings, ich will ausdrücklich betonen, dass wir uns in einer Frage einig sind: Diese Vorfälle in Clausnitz und Bautzen sind verabscheuungswürdig, sind widerlich und sind eine Schande für unser Land. - Aber, meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, dass diese Vorfälle in Sachsen geschehen - erst Heidenau und Freital, dann Bautzen und Clausnitz, jeden Montag Pegida in Dresden. All das ist auch Ergebnis einer verhängnisvollen Politik, die unter CDU-Verantwortung in Sachsen über 25 Jahre hinweg gemacht wird. ({4}) Das geht im Übrigen schon auf die Überzeugung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zurück, der festgestellt hat, Sachsen sei „immun gegenüber rechtsradikalen Versuchungen“ - das ist ein O-Ton. Über Jahre hat die CDU hier ja Verharmlosung betrieben und Ignoranz an den Tag gelegt, meine Damen und Herren. ({5}) Ich will Ihnen nur ein paar wenige aktuelle Beispiele nennen: Erstens. Ein sächsischer Landtagsabgeordneter der CDU namens Krauß hat den Vorwurf der AmadeuAntonio-Stiftung zurückgewiesen, dass sächsische Landespolitik Nazis groß mache. Das sei zwar kein neuer Vorwurf, bleibe aber trotzdem Unsinn, sagte Herr Krauß in der Jungen Freiheit - der Mann merkt offensichtlich nichts. Zweitens. Es ist auch absolut unverständlich, dass die Sächsische Staatskanzlei zu einer Dankveranstaltung für Helferinnen und Helfer einen Menschen des Pegida-Vorstandes einlädt. Das ist doch kein Zufall, meine Damen und Herren. ({6}) Drittens. Bei dem Asylbewerberheim in Clausnitz war ein AfD-Mitglied Chef, und der Bruder organisierte die Proteste gegen die Ankommenden und Hilfesuchenden. Das waren nur drei Beispiele. All das ist aber kein Wunder. So hat der Ministerpräsident, Herr Tillich, der verantwortlich ist, gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen.“ Das ist der Mann, der diese Rechten mit der Bürgerbewegung Stuttgart 21 gleichsetzt. Meine Damen und Herren, wo leben wir denn? ({7}) Herr Krings, wenn Sie sagen, anhand einer Videosequenz könne man den Polizeieinsatz in Clausnitz nicht beurteilen, dann will ich Ihnen entgegenhalten: Aber Ihr Innenminister konnte das. - Ich will Ihnen auch deutlich sagen: Traumatisierte Flüchtlingskinder, die so Schreckliches erlebt haben, nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff. ({8}) Es ist und bleibt notwendig, dass demokratische Kräfte hier Haltung zeigen und klarmachen, dass die Menschen, die zu uns kommen, anständig behandelt werden. Unsere Solidarität - ich hoffe, die Solidarität des ganzen Hauses - muss all jenen gelten, die gegen rassistische Hetze auf die Straße gehen und die Flüchtlingshilfe unterstützen. Da meine ich die Kirchen genauso wie die Antifa-Bewegung, Nachbarschaftsinitiativen und viele andere Menschen mehr in diesem Land. Die müssen wir stärken. ({9}) Im Übrigen sage ich Ihnen: Meine Partei steht in Sachsen an deren Seite. Es ist kein Zufall, dass die meisten Abgeordnetenbüros, die in Sachsen angegriffen werden, Büros der Linken sind. Das ist wirklich kein Zufall, meine Damen und Herren. Und deshalb - letzter Satz -: Ja, ich bin für Entschlossenheit. Lassen Sie uns die gemeinsame Botschaft nach außen tragen, dass wir aufstehen müssen für mehr Mitmenschlichkeit in unserem Land und in Europa. Herzlichen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Uli Grötsch das Wort. ({0})

Uli Grötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004282, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Immer wieder Sachsen!“, so möchte man sagen, und so haben vielleicht auch viele von uns in den letzten Tagen gedacht. Glaubt noch jemand, dass das alles Zufall ist, in Heidenau, Freital, Bautzen, Clausnitz und anderswo? Schauen Sie sich einmal die Karte der AmadeuAntonio-Stiftung zu Brandanschlägen an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für mich ist das die Karte der Schande. Die roten Punkte markieren rechte Übergriffe seit Januar 2015. Sachsen ist als einziges Bundesland komplett übersät mit roten Punkten. Jeder sechste Anschlag auf Asylunterkünfte im letzten Jahr fand in Sachsen statt. Diese Orte in Sachsen, die ich eben aufgezählt habe, haben in den letzten Wochen und Monaten sehr zweifelhaften Weltruhm - kann man fast schon sagen - erlangt. Diese roten Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, markieren Dunkeldeutschland. ({0}) Ich möchte aber auch sagen, dass ich die Menschen in Sachsen bei weitem nicht pauschal verurteilen und schon gar nicht an den Pranger stellen will. ({1}) Ich höre von meinen Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen, wie sehr sie sich auch dort in diesen Tagen engagieren, wie sehr sich auch in Sachsen viele Menschen gegen rechts und gegen Neonazis stellen. Und trotzdem: Die Mutter aller Gidas kommt aus Sachsen. Was sich dort Woche für Woche ereignet, muss ich hier nicht noch einmal erzählen. Es ist wohl nicht mehr zu leugnen, dass gerade dort der Nährboden und das Klima für Neonazis optimal zu sein scheinen. Das hat meiner Meinung nach durchaus einen Grund: Dort, wo man die braune Soße seit der deutschen Einheit nahezu ungehindert wabern lässt - da muss sich niemand wundern -, ist eben eine Art Dunkeldeutschland entstanden, eine Situation also, wie sie in anderen Teilen unseres Landes schlichtweg undenkbar ist. ({2}) Die Ansatzmöglichkeiten staatlichen Handelns sind in diesem Zusammenhang ja eigentlich sehr weitreichend. Wir, die Große Koalition, haben die Aufstockung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ im Bundeshaushalt 2016 durchgebracht und damit ein deutliches Zeichen, ein deutliches Signal gegen rechts gesetzt. ({3}) Wir schaffen damit die Grundlage für eine nachhaltig wirkende Präventionsarbeit gegen rechts - wenn diese Initiativen vor Ort dann nicht alleine gelassen werden und wenn die jeweiligen Bundesländer auch ihren Teil dazu beitragen. Und wir verfügen in Deutschland über eine Struktur der Sicherheitsbehörden, die es möglich macht, dass rechte Umtriebe erkannt und gebannt werden. Zum Erkennen dieser Umtriebe und zum Aufklären der Strukturen verfügen die Bundesländer, wie wir alle wissen, über ein Landesamt für Verfassungsschutz. Glauben Sie mir, ich befasse mich ziemlich intensiv mit der Arbeit des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz, und es ist immer wieder Sachsen, wo nicht so gearbeitet wird, wie ich es mir und wie wir es uns erwarten dürfen. Es ist Sachsen, wo das LfV Pegida gewähren lässt, obwohl dort zur Exekution von Menschen an den Grenzen aufgerufen wird, obwohl dort Galgen hochgehalten werden und Parolen gegrölt werden, die anderswo undenkbar sind. ({4}) Wenn das LfV Sachsen offensichtlich nicht in der Lage oder nicht willens ist, dort wirksam zu handeln, dann ist die Landesregierung, dann sind der Innenminister Ulbig und der Ministerpräsident Tillich dafür verantwortlich, dass dessen Präsident abgelöst wird und die Stelle so beDr. Dietmar Bartsch setzt wird, dass dort richtig und verantwortlich gehandelt wird. Apropos Ministerpräsident Tillich - das muss ich schon sagen -: Was für eine Erkenntnis, dass Sie nach 25 Jahren feststellen, dass Sachsen ein Problem mit Rechtsextremen und Neonazis hat! Auch ein blindes Huhn findet - mit Verlaub - einmal ein Korn. ({5}) Ich habe am Donnerstag letzter Woche, nur wenige Stunden vor den Ereignissen in Clausnitz, gesagt, dass es unsere Aufgabe ist, den Anfängen zu wehren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Heute sage ich: Wir müssen in Sachsen gar nicht mehr den Anfängen wehren, ich glaube, wir sind schon mittendrin. ({6}) Und ganz bestimmt wird sich an den Zuständen dort auch nichts ändern, wenn Herr Tillich jetzt in Erwägung zieht, abgelehnte Polizeibewerber zu sogenannten Wachpolizisten zu machen und einzustellen - am besten wahrscheinlich noch zur Bewachung von Pegida oder von Asylbewerberunterkünften. Ich will mir gar nicht vorstellen, wieso diese Polizeibewerber abgelehnt wurden. Was sind das für Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die vor brennenden Unterkünften jubeln, die Männer, Frauen und Kinder erschießen wollen und vieles andere mehr. Herr Krings, Sie haben eben von einer Parallelgesellschaft gesprochen; da bin ich sehr bei Ihnen. Das Volk unseres Landes sind sie aber ganz bestimmt nicht. Vielen Dank. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir alle sind über die Vorfälle am Wochenende schockiert. Menschen, die dem Schrecken des Krieges entkommen sind, die die lebensgefährliche Flucht überlebt haben, sahen sich mit einem rechten Mob konfrontiert. Ich bin mir sicher, uns alle eint: Wenn diese Menschen hier ankommen, dann müssen wir ihnen Sicherheit bieten. ({0}) Aber genau dabei hat der Staat in Clausnitz versagt. Die Täterinnen und Täter waren der braune Mob, aber die Polizisten vor Ort haben die Schutzbedürftigen nicht ausreichend vor dem braunen Mob geschützt, ({1}) und das, obwohl es nicht Tausende von Demonstranten waren, wenn man sie so nennen will, sondern 100. Das zeigt, wie sehr die Sicherheitsbehörden in diesem Fall versagt haben. Das darf sich nicht wiederholen, nirgendwo. ({2}) Es ist eine Schande für unser Land, was in Clausnitz passiert ist und was jeden Tag an vielen Orten in Deutschland passiert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorfälle belegen, dass wir nicht nur in Teilen der Gesellschaft ein Problem mit Rassismus haben, nein, sie verdeutlichen auch, dass wir ein Problem mit Teilen unserer Sicherheitsbehörden haben. Dass die Polizei ihrer Verantwortung, die Geflüchteten zu schützen, nicht gerecht wird, ist für mich alarmierend, und dass es nicht das erste Mal vorkommt, halte ich für einen echten Skandal. Aber dass sich dann der zuständige Polizeipräsident - offenbar in völliger Verkennung, was seine eigentliche Aufgabe ist gegen jede Kritik am Polizeieinsatz verwahrt, dass die Polizei gegen die Geflüchteten, gegen die Opfer ermittelt und dass er ihnen in der Pressekonferenz eine Mitschuld zuweist, das zeigt das ganze Versagen. Ich kann es nicht anders bezeichnen: Es handelt sich hier um einen Fall von institutionellem Rassismus. ({3}) Und, liebe Kolleginnen und Kollegen: Daran tragen die sächsische Landesregierung und die sächsische CDU eine Mitschuld, nicht die Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen. Es ist bereits zitiert worden: Kurt Biedenkopf hat in völliger Verkennung der Realitäten oder im Nicht-erkennen-Wollen der Realitäten erklärt, dass die Menschen in Sachsen immun gegen Rechtsextremismus sind. Wir schauen jetzt auf eine 25-jährige Geschichte der Verharmlosung, des Abstreitens und des Wegschauens im Umgang mit Rechtsextremismus. Und die Zivilgesellschaft - hören Sie sich mal die Berichte der Menschen an, die in Sachsen gegen Rechtsextremismus kämpfen - wird nicht unterstützt, der Zivilgesellschaft werden Knüppel zwischen die Beine geworfen, ({4}) die Zivilgesellschaft wird kriminalisiert und entmutigt und das kommt dann dabei heraus. ({5}) - Ihre Zwischenrufe beweisen nur eines, nämlich dass Sie die Verhältnisse vor Ort nicht kennen, dass Sie mit den Verantwortlichen nie gesprochen haben ({6}) und dass Sie sich für die Probleme im Detail nicht interessieren. Hören Sie sich doch nur einmal an, was der Ministerpräsident von Sachsen sagt. Er macht die Ressentiments selber hoffähig. Sein Zitat zum Islam ist bereits erwähnt worden. Wenn er nun davon spricht, dass der rechte Mob in Clausnitz irgendwie so etwas sei wie die Bürger, die in Stuttgart gern einbezogen worden wären bei der Planung eines Bahnhofs, dann zeigt das doch, wie weit weg er von einem Verständnis dafür ist, wo die Probleme liegen. ({7}) Selbst wenn er versucht, die Vorfälle in Clausnitz und in Bautzen zu verurteilen, zeigt sich der ganze Ungeist; er erklärt nämlich, dass die Täter Verbrecher und keine Menschen waren, wo wir doch längst wissen, dass das alles Menschen sind. Selbst wenn er versucht, sich zu distanzieren, zeigt sich, dass er im Grunde nicht in der Lage ist, einem humanen, einem menschlichen Weltbild zu folgen. In seinen Worten drückt sich der gesamte Ungeist aus, der in dieser Landesregierung herrscht. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir hatten letzte Woche erst eine Debatte zum Rechtspopulismus. Dabei hat auch ein Kollege aus Sachsen über dieses Problem gesprochen. Lesen Sie die Rede noch einmal nach, und überlegen Sie sich dann, was Sie in dem Landesverband Sachsen zu tun haben! Ich glaube, Sie haben da eine verdammt wichtige Aufgabe, nämlich dafür zu sorgen, dass da bestimmte Umtriebe eingestellt werden. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider sind die Ereignisse in Clausnitz und Bautzen, so schrecklich sie sind, nur die neuesten Beispiele für rassistische Gewalt und Hetze. Rechte Gewalt ist ein gesamtdeutsches Problem. Leider ist sie in unserem Land wieder das geworden, was sie nie wieder werden sollte, nämlich alltäglich. Wir haben 2015 14 000 rechtsextrem motivierte Straftaten gehabt, darunter 1 600 Straftaten im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden. Die Gewaltbereitschaft hat in diesem Land traurigerweise eine neue Dimension erreicht: Biedermänner werden zu Brandstiftern. Rassismus entsteht aber nicht aus dem Nichts. Wir erleben zurzeit eine Verrohung der Debatte, die uns alle eigentlich tief besorgt stimmen müsste. Dazu tragen leider manche aus der Großen Koalition ihren Teil bei. Wer Hysterie schürt, wer mit Ressentiments spielt, der bereitet der rassistischen Stimmungsmache und der Gewalt den Boden. ({10}) Und genau das tut traurigerweise Herr Seehofer. Ich gebe es zu: Das ist der Ministerpräsident des Bundeslandes, aus dem ich komme. Aber auch in der CDU wird manches immer schlimmer. Schauen Sie sich an, was Julia Klöckner und Guido Wolf inzwischen aus Angst vor der AfD machen: Sie fallen inzwischen Frau Merkel in den Rücken. - Hören Sie doch endlich damit auf! Mit diesem Zickzackkurs, mit dieser Zerstrittenheit, mit dieser Unverantwortlichkeit erreichen Sie doch nur, dass die AfD stärker wird. Die Hetzer fühlen sich dadurch bestätigt. Lassen Sie das doch endlich sein! ({11}) Deshalb sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Hass ist keine Alternative. Wir alle müssen gemeinsam Rassismus entgegentreten. Es ist höchste Zeit, dass wir unmissverständlich für unsere demokratische und offene Gesellschaft einstehen. Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen; denn unsere demokratische und offene Gesellschaft ist in Gefahr, und das dürfen wir nicht zulassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lasst uns deshalb zurückkehren zu einer Debatte mit Augenmaß, zu einer Debatte, die Menschlichkeit erkennen lässt, ({0}) zu einer Debatte, die endlich auf dem Boden der realen Probleme stattfindet! Das ist unsere Verantwortung nach diesen schrecklichen Vorfällen in den letzten Wochen. Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Günter Baumann erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Günter Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hofreiter, in Ihrer Rede war kein „Augenmaß“ zu erkennen. Das war ein Frontalangriff gegen Sachsen, gegen rechtschaffene Menschen, die dort arbeiten. So können wir das Thema nicht aufarbeiten. ({0}) Der Ruf Sachsens und Deutschlands ist durch einzelne Bürger, die sich außerhalb des Gesetzes befinden, zu Schaden gekommen. ({1}) - Das sind einzelne Bürgerinnen und Bürger, gegen die wir vorgehen müssen. - Angriffe gegen Asylbewerber, gegen Flüchtlingsheime, gegen Helfer, gegen Ehrenamtliche können wir nicht hinnehmen. Die müssen wir aufs Schärfste verurteilen. ({2}) Das Bild von klatschenden Menschen vor einem brennenden Asylbewerberheim in Bautzen oder von grölenden Menschen in Clausnitz, die einen Bus stoppen wollen, ist für uns alle, meine Damen und Herren, unerträglich. ({3}) Lieber Uli Grötsch, ein Frontalangriff gegen alle Sachsen hilft uns nicht weiter und ist absolut ungerecht. ({4}) Das Bild einzelner Ereignisse der letzten Tage entspricht nicht unserem Sachsen. Das zu behaupten, ist ungerecht gegenüber den Menschen, die ehrlich arbeiten und jeden Tag ihren Job machen. ({5}) - Sie habe ich auch gar nicht angeschaut. ({6}) Ich sage hier ganz deutlich: Die Blockierer von Claus nitz und die Brandstifter von Bautzen sind nicht das Volk. Das Volk sind die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen, die ehrlich ihre Arbeit machen, die Demokraten sind und sich jeden Tag rechtstreu verhalten. Ich sage Ihnen auch - darüber können Sie sich gleich bestimmt wieder empören -: Wir sind stolz auf unser Sachsen, ({7}) auf ein weltoffenes Sachsen, auf das, was wir nach der politischen Wende geschafft haben. Wir stehen in Sachsen wirtschaftlich, auf dem Gebiet des Tourismus, bei Infrastruktur und Kultur gut da. ({8}) Darauf sind wir stolz. Das kann uns auch keiner nehmen, auch nicht die fremdenfeindlichen Menschen, die auf der Straße herumgrölen. Wir müssen die Vorkommnisse gemeinsam und mit aller Konsequenz aufarbeiten, und wir müssen die Asylbewerber, die zu uns nach Sachsen kommen und Hilfe brauchen, ordentlich behandeln und auch schützen. ({9}) Ich möchte ganz deutlich sagen: Als sächsischer Abgeordneter möchte ich mich für das Handeln der pöbelnden Menschen und der Brandstifter bei den Asylbewerbern und den Bürgern, die ehrenamtlich tätig sind, entschuldigen. ({10}) Keinerlei Entschuldigung gibt es für diejenigen, die mit allen Mitteln gegen unser Land arbeiten. Sie müssen unsere Härte zu spüren bekommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann über die gegenwärtige Asylpolitik diskutieren, und man kann auch verschiedene Meinungen dazu haben - aber das im demokratischen Rahmen, nicht auf der Straße und nicht mit Gewalt. ({11}) Ich sage Ihnen auch deutlich, was mich so traurig macht: Sachsen hat gar nicht die größten Probleme. Der Anteil der Asylbewerber, die wir 2015 aufgenommen haben, betrug, gemessen an der Einwohnerzahl Sachsens, 1,3 Prozent. Wir haben insgesamt einen Ausländeranteil von 2 Prozent. Das sind im Vergleich zu anderen Regionen keine hohen Zahlen. ({12}) Deswegen ist es so traurig, dass es hier zu diesen Vorfällen gekommen ist. Das Schlimme ist auch, dass wir die Sache einseitig betrachten. Wir müssen sehen: Es gibt auch in Sachsen eine Willkommenskultur. Es gibt Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, Asylbewerber begrüßen und sich für sie einsetzen. Johanniter, DRK, Malteser, THW und Polizei - ich könnte noch mehr aufzählen - leisten unheimlich viel. Auch darauf können wir stolz sein. ({13}) Meine Damen und Herren, mit Recht stellen in Deutschland Journalisten, Politiker und auch andere die Frage - auch Uli Grötsch hat sie angesprochen -: Warum gibt es in Sachsen mehr solcher Vorfälle, sowohl im bundesdeutschen Vergleich als auch im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern? Eine abschließende Antwort wird hier und heute keiner von uns geben können. Jeder wird versuchen, aus seiner Sicht Gründe zu finden. ({14}) Ursachenforschung ist dringend notwendig, um ein Stück voranzukommen. Ich stelle klar und deutlich die Frage, ob die Programme, die wir haben und für die wir sehr viel Geld zur Verfügung stellen - zur Demokratieförderung, zur Extremismusberatung, zu Intervention und Prävention im Rahmen von Aussteigerprogrammen; zu nennen ist auch das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ -, wirklich effektiv sind, ob sie ausreichen oder ob wir noch mehr brauchen. ({15}) Dieser Umstand ist auch ein Widerspruch dazu, dass Sachsen bei PISA im Vergleich zu anderen Regionen ständig mit die besten Plätze belegt. Darauf sind wir stolz. Die Frage ist aber: Ist die politische Bildung in unseren Schulen zu schwach besetzt? Müssen wir hier noch mehr tun? ({16}) Diese Fragen müssen wir uns ohne Schaum vor dem Mund ehrlich stellen und die Dinge aufarbeiten. Wir dürfen uns aber nicht gegenseitig frontal beschimpfen. Ich sage auch deutlich: Die Polizeireform in Sachsen, in deren Rahmen in den letzten Jahren 20 Prozent der Stellen abgebaut wurden, war aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. ({17}) Inzwischen wurde hier eine Korrektur eingeleitet. Wir wollen wieder mehr Polizisten einstellen. Ich glaube, noch etwas ist wichtig: Wenn Asylbewerber in Asylheimen untergebracht werden, müssen wir mehr als bisher im Vorfeld mit den Bürgern der Gemeinden ausführlich in einen Bürgerdialog treten und versuchen, allen Menschen die Ängste zu nehmen. Es ist ja ein Zeichen von Angst, wenn man auf die Straße geht und sagt: Ich will das so nicht. - Es wurde auch statistisch festgestellt: In Orten, in denen hier im Vorfeld mehr getan wurde, ist die Zahl der Angriffe und Pöbeleien ein ganzes Stück geringer. Zusammenfassend sage ich: Sachsen ist nicht rechtsradikal und auch nicht ausländerfeindlich. Es gibt ausländerfeindliche Aktionen von Einzelnen, die wir mit der ganzen Härte unseres Gesetzes verfolgen müssen. Meine Damen und Herren, Ursachenforschung ist für uns entscheidend wichtig; wir dürfen aber niemals alle Sachsen unter Generalverdacht stellen. Zum Schluss gestatten Sie mir noch einen Satz: Es ist auch nicht hinzunehmen, dass am Montag dieser Woche ein Anschlag von Chaoten gegen die sächsische Landesvertretung in Berlin erfolgte. Das geht beim besten Willen nicht. Gewalt war nie eine Lösung. Vielen Dank. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Caren Lay ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute mehrfach gehört: In Sachsen ist das Problem rechter Gewalt besonders groß. Herr Baumann, ich meine, es ist doch völlig unstrittig: Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es in Sachsen die meisten Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Wenn Sie hier von Einzelfällen sprechen, dann haben Sie wirklich den Schuss nicht gehört. ({0}) Wir haben in Sachsen allein in diesem Jahr 33 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 15 Körperverletzungen gehabt. Das ist eine einzige Schande - und bitte keine Zwischenrufe, die irgendwie in die Richtung gehen, dieses Problem jetzt auch noch zu verharmlosen. In Sachsen herrscht eine Pogromstimmung gegen Flüchtlinge. ({1}) Das sage nicht nur ich, sondern das sagt der Leipziger Polizeipräsident, Herr Merbitz. Und ich habe dem nichts hinzuzufügen. Diese Pogromstimmung gegen Flüchtlinge, meine Damen und Herren, ist nicht vom Himmel gefallen. Schauen wir doch einmal in den Landkreis Bautzen, wo dieser schreckliche Anschlag am Wochenende stattfand. Da gibt es seit Jahren eine erstarkende Neonazi-Szene und spontane Fackelumzüge ungestört nachts durch die Stadt. Es gibt dort - in einem einzigen Landkreis - 36 BürgerinitiGünter Baumann ativen gegen Flüchtlingsunterkünfte. Auf deren Internetseiten wurde schon im Dezember über Brandanschläge diskutiert. Schon vor zwei Jahren gab es jeden Abend einen pöbelnden Mob vor einer Flüchtlingsunterkunft in einem Hotel. Da will ich von den 26 Angriffen auf meine Bürgerbüros gar nicht reden. Dass es aber bisher nur zu einer einzigen Verurteilung gekommen ist, damit müssen wir uns wirklich auseinandersetzen. ({2}) Im Landkreis Bautzen liegt übrigens auch der Wahlkreis von Herrn Tillich. Wenn sich der jetzt hinstellt und sagt: „Oh, ich bin überrascht. Wir müssen etwas gegen rechts tun“, dann muss ich wirklich feststellen: Wer nicht einmal weiß, was vor der eigenen Haustür passiert, ist der falsche Mann in diesem Amt. Solange dieser Mann an der Spitze von Sachsen steht, wird dieses Land das Problem auch nicht in den Griff bekommen. ({3}) - Frau Michalk, ich höre Ihre Zwischenrufe. Aber wissen Sie: Wegducken und das Problem verharmlosen, war doch jahrelang die Strategie der CDU im Kampf gegen rechts. ({4}) Die Liste des sächsischen Versagens im Kampf gegen rechts ist wirklich lang. Ich nenne ein einziges Beispiel: Die CDU im Land und in der Stadt Dresden hat jahrelang tatenlos dem größten Naziaufmarsch Europas zugesehen, der durch die Landeshauptstadt zog. Dann hat das Bündnis „Dresden Nazifrei“ dies irgendwann verhindert. Da waren Hunderte von Strafverfolgungen die Folge - nein, nicht gegen die Neonazis, sondern gegen die Gegendemonstranten. Polizei und Staatsanwaltschaft waren jahrelang auf dem rechten Auge blind. Das ist das Problem. Ich muss einmal sagen: Ein „Danke“ hätte auch gereicht. ({5}) Und genau das will ich an dieser Stelle sagen: Danke, „Dresden Nazifrei“, Danke „Bautzen bleibt bunt“, vielen Dank an all diejenigen, die sich auch in Sachsen den Rechten in den Weg stellen. ({6}) Ja, meine Damen und Herren, es gibt ein weltoffenes Sachsen. Die CDU aber gehört nicht dazu. Und genau das ist das Problem. ({7}) Ein letzter Satz: Sie müssen hier auch nicht so tun, als sei es einzig und allein ein sächsisches Problem. Braune Gewalt und rechter Terror sind ein bundesweites Problem. Schieben Sie das Problem doch nicht auf Sachsen alleine! Wer hier monatelang von Obergrenzen und Kontingenten schwafelt, der bereitet doch dem braunen Mob den Boden. Davor können wir doch heute die Augen nicht verschließen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie müssen zu Ende kommen.

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Wenn wir hier über den Rechtsruck in Deutschland sprechen, dann dürfen wir, finde ich, hier auch zum Asylpaket nicht schweigen. Die Verschärfung des Asylrechts ist wirklich die falsche Antwort im Kampf gegen rechts. So bekämpft man Rassismus nicht, so betreibt man das Geschäft der AfD. Hören Sie endlich auf damit! ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Susann Rüthrich für die SPD-Fraktion. ({0})

Susann Rüthrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004391, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin am Freitagabend von einer Veranstaltung in Dresden nach Hause gekommen. Der Raum, aus dem ich gekommen bin, war voller Ehrenamtlicher aus den verschiedensten Bereichen: THW, Schulverein, Diakonie, Bündnis Buntes Radebeul, Kinder- und Jugendring, Jüdische Gemeinde, Einzelpersonen aus Unternehmen. Ich war glücklich und beschwingt; denn wir haben dort Vorstellungen über bessere Bedingungen für das Ehrenamt zusammengetragen. Es gibt viel zu tun, aber hey, dafür sind wir ja da. Ich bin also nach Hause gekommen und wollte das auf Facebook schreiben. Da sah ich sie, die Videos aus Clausnitz. Schon wieder Sachsen! Das Wochenende half nicht, den Schock zu überwinden. In Bautzen klatschen die Leute, während inmitten ihrer Innenstadt ein Haus brennt. Ja, sie behindern sogar die Feuerwehr. Ein versuchter Brandanschlag in Löbau schafft es schon gar nicht mehr ins öffentliche Bewusstsein. Darauf lege ich heute aber nicht meinen Schwerpunkt. Ich lege meinen Schwerpunkt auch nicht auf Sie, meine Herren von der sächsischen Polizei, die Sie uns jetzt das ich weiß nicht wievielte Mal erzählen: „Die Lage konnten wir nicht vorhersehen“ - wieso eigentlich nicht? -, „Wir hatten nicht genug Leute vor Ort, die Angegriffenen haben aber auch provoziert“ - genau, am meisten wahrscheinlich dadurch, dass sie da waren -, „Ansonsten war am Polizeieinsatz, wie immer, alles in Ordnung“. Mein Schwerpunkt sind auch noch nicht einmal Sie, meine Herren Innenminister, deren Aufgabe es wäre, die Sicherheit eines jeden bei uns zu garantieren, die Sie aber jahrelang Stellenabbau bei der Polizei mitgetragen haben und im Übrigen immer schauen, wo im Sinne der Extremismusdoktrin nun bitte diejenigen auf der nicht-rechten Seite sind, die die Rechten provoziert haben müssen, als ob uns die nicht auch so genug hassen würden, um uns anzugreifen. ({0}) Nein, auch Sie sind heute nicht mein Schwerpunkt, sondern die, über die im Plenum nie eine Stunde geredet wird, weil sie durch ihre unermüdliche Arbeit keine „Ereignisse“ schaffen. Daher folgt nun mein Bericht aus Sachsen: Clausnitz liegt im Erzgebirge; das weiß mittlerweile jeder. Dort haben wir im vergangenen Jahr dem Verein „Agenda Alternativ“ den David-Schmidt-Preis für soziales und sozialpolitisches Engagement verliehen; denn dort veranstalten junge Leute Jahr für Jahr ein Festival, das einzige in der ganzen Gegend. Dort gibt es neben guter Musik Workshops und Seminare. Diese jungen Leute zeigen: Unsere Heimat ist bunt, und das ist gut so. Oder: Das Bündnis „Bautzen bleibt bunt“ lädt zum Sommerfest mit Geflüchteten und zum gemeinsamen Weihnachtskegeln ein. Es bietet Deutschkurse an und hilft beim Ankommen. Oder: Es sind die vielen unermüdlichen Ehrenamtlichen beim THW, beim DRK, bei der Diakonie und bei vielen anderen Trägern, die die Unterkünfte, die Versorgung und die Betreuung stemmen. Oder: Überall in Sachsen führt das Netzwerk für Demokratie und Courage mit seinen 106 eingesetzten Ehrenamtlichen Projekttage an Schulen durch. 347 fanden allein im letzten Jahr statt, davon 14 im Erzgebirgskreis und 17 in Bautzen. Wir könnten noch mehr Projekttage durchführen, wenn wir mehr Ressourcen für die Projekttage selbst und für die Ausbildung der Ehrenamtlichen hätten, die Schlange stehen. ({1}) Ganz nebenbei: Das NDC entstand 1999 in Sachsen und wird mittlerweile in fast ganz Deutschland, in Belgien und in Frankreich umgesetzt. Geht doch, Sachsen! ({2}) Von all denen habe ich übrigens nie „Grenzen dicht! Verschärft die Asylgesetze!“ gehört. Sie brauchen nämlich etwas ganz anderes. Erstens brauchen sie Anerkennung. Sie wollen sich im Betrieb, gegenüber Behörden und in ihrem Umfeld nicht dafür rechtfertigen, dass sie sich engagieren. So banal es klingt: Es ist eben auch eine Anerkennung, wenn ihnen neben dem örtlichen Pfarrer und dem Gewerkschaftschef auch die Bürgermeisterin oder der Ministerpräsident den Rücken stärkt. ({3}) Ich frage: Wo sind Sie denn, Herr Tillich? In Clausnitz und in Bautzen habe ich wieder einmal nur den SPDMinister Martin Dulig und die SPD-Ministerin Petra Köpping gesehen, wie übrigens auch bei den bunten Bündnissen und beim DGB, der seit Jahren die Gegendemos anmeldet und dafür noch nie den öffentlichen Dank des Ministerpräsidenten bekommen hat. Sie, Herr Tillich, betonen, dass es nicht allein Aufgabe von Polizei und Politik ist, sich dem rechten Mob entgegenzustellen. Richtig! Mit diesem Fünkchen Wahrheit zünden Sie allerdings eine große Nebelkerze; denn es ist etwas ganz anderes, Herr Tillich, genau denen, die sich vor Ort engagieren, den Rücken zu stärken, als einmal zum Empfang in die Staatskanzlei einzuladen und huldvoll Danke zu sagen. Das kann man machen - dabei gibt es auch schöne Fotos, vor allem für Sie -, und es tut nicht weh. Davon kann man sich vor Ort aber auch nichts kaufen. Zweitens braucht es Zeit. In Sachsen gibt es beispielsweise keinen Bildungsurlaub. Warum auch? PISA-Sieger zu sein, reicht doch, oder? Manchmal klingt es fast so; es ist aber falsch. Denn wir brauchen nicht nur an Schulen, sondern weit darüber hinaus gesellschaftliche Bildung. Drittens muss man das Augenmerk verstärkt auf die Blaulichtorganisationen und deren Ehrenamtliche richten. Es braucht eine moderne Ausstattung, gesetzliche Regelungen für das Einbinden der spontan Helfenden und weniger Bürokratie. Und viertens braucht es auch Geld. Dass die Ehrenamtlichen noch draufzahlen müssen, wenn sie sich einbringen, kann nicht sein. Es kann auch nicht sein, dass gesellschaftliche Daueraufgaben immer noch in Programmen und Projekten feststecken. Demokratische Daueraufgaben brauchen eine dauerhafte Absicherung. Vereinbart ist das sowohl im NSU-Abschlussbericht als auch im Koalitionsvertrag. Wir müssen es nur noch umsetzen. Ich will das nicht gegen Widerstand erkämpfen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Fünftens ist noch etwas anderes bitter nötig, und das richtet sich an die sächsischen Behörden und die sächsische Politik: Entkriminalisieren Sie endlich antirassistisches und demokratisches Engagement! Es sind nicht diejenigen das Problem, die sich Rassisten in den Weg stellen. Nein, das ist bitter notwendig, sonst macht es nämlich keiner. ({5}) Ein Mensch, der sich Rechtsextremen entgegenstellt, ist nicht linksextrem; er ist Demokrat. ({6}) Ich komme zum Schluss. Ihr Pöbler, die ihr unsere Heimat in den Dreck zieht: Ihr seid nicht Sachsen; ihr seid nicht das Volk. Ihr nicht! Eure brutalen Rückzugsgefechte werden eine offene, demokratische Gesellschaft nicht verhindern. Auch wenn es uns wehtut: Ihr werdet keinen Erfolg haben. Dafür können wir alle sorgen, jeder und jede in seiner und ihrer Verantwortung. Danke. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Monika Lazar ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Hetze und Gewalt gibt es keine Rechtfertigung. Das gilt selbstverständlich auch für die Vorfälle in Clausnitz und Bautzen in der letzten Woche. Als sächsische Abgeordnete weiß ich, dass in Sachsen schon seit langem etwas schiefläuft. Der Freistaat gehört zu den traurigen Spitzenreitern bei rassistischen Straftaten. In solch einem gesellschaftlichen Klima ist es wichtig, jeglicher Form von Rassismus eine unmissverständliche Absage zu erteilen, sich mit den Opfern zu solidarisieren und sie mit allen staatlichen Mitteln zu schützen. ({0}) Aber was ist in den letzten Tagen alles schiefgelaufen? Die Pressekonferenz des Polizeipräsidenten Reißmann am Samstag ist ein sehr plakatives Beispiel für die nicht vorhandene Fehlerkultur bei der sächsischen Polizei. Auch mit Blick auf den Betreiber der Flüchtlingsunterkunft kann man ins Grübeln kommen. Herr Hetze von der AfD - ein bezeichnender Name -, der schon bei flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen in den letzten Monaten als Redner auftrat, wird zwar am Montag vom Landrat von diesem Posten abberufen, aber nicht, weil er Fehler gemacht hat, sondern zum Schutz seiner Person. Wer bitte soll das verstehen? ({1}) Auch die sächsische CDU zeigt sich leider wieder besonders realitätsfern, diesmal zum Beispiel die Kollegin Bellmann, die heute auch anwesend ist. Sie beklagt bei Focus Online: Wenn die Antifa Schilder besprühe, werde das medial kaum beachtet. Und weiter: „Wenn auf Veranstaltungen ‚Wir sind das Volk‘ gerufen wird, spricht man sofort von Mob und ‚verbaler Gewalt´“. - Als eine, die 1989 in Leipzig auf die Straße gegangen ist, bin ich wütend, dass diese Rufe in Clausnitz und auch in Dresden und Leipzig ertönen. ({2}) Denn das hat mit dem Anliegen der Montagsdemonstrationen vom Herbst 1989 rein gar nichts zu tun. ({3}) Wie hat nun Ministerpräsident Tillich auf diese Ereignisse reagiert? Zuerst, wie meistens, gar nicht, und dann kam ein Vergleich der rassistischen Demonstrationen mit den Protesten gegen Stuttgart 21. ({4}) Das ist eine Verharmlosung von Rassismus und eine Kriminalisierung legitimer Bürgerproteste. ({5}) Dann nahm Herr Tillich alle Bürger in die Pflicht und forderte mehr Zivilcourage. Das ist richtig. Aber wer der Zivilgesellschaft Steine in den Weg legt, wie es in Sachsen seit Jahren passiert, hat wieder einmal nicht bemerkt, was zu tun ist. Ich begrüße die Bemühungen von Ministerin Schwesig um die Verdopplung der Mittel des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Allerdings nutzt das nur dann etwas, wenn das Geld bei den Initiativen auch ankommt. ({6}) Ausgerechnet für Sachsen gibt der Bund durch das Programm „Demokratie leben!“ zurzeit gar keine Bescheide aus. Schuld daran sind die sächsischen Ministerien, die sich über Nebensächlichkeiten streiten und damit die Förderung blockieren. Deshalb liegt in Sachsen momentan nicht nur die zivilgesellschaftliche Projektarbeit brach. Zwar arbeiten die Koordinierungs- und Fachstellen seit Anfang des Jahres auf Hochtouren, aber ohne Geld. Angesichts dieser Zustände sind Tillichs Reden nur wohlfeile Lippenbekenntnisse. ({7}) Es fehlt noch immer eine klare Haltung. Eine solche Haltung hätte ich mir spätestens gestern bei seiner Pressekonferenz gewünscht. Die Anhäufung von Fehlverhalten und Peinlichkeiten in Sachsen fällt besonders auf und wird politisch und medial stark beachtet. Es wäre aber ein großer Fehler, solche rassistischen Vorfälle zu einem reinen Sachsenproblem zu stilisieren. Wir alle wissen: Leider ist Rassismus ein Problem in ganz Deutschland. Flüchtlingsfeindliche Parolen finden überall erhebliche Zustimmung. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte finden bundesweit statt. Die AfD liegt in Umfragen - auch in westdeutschen Bundesländern - häufig im zweistelligen Bereich. Aus Studien von Heitmeyer, Brähler, Decker wissen wir das seit Jahren. Aber sichtbar ist, dass es in letzter Zeit immer dramatischer wird. Deshalb brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Demokratieoffensive. ({8}) Politik und Staat müssen gemeinsam antirassistische Vorbildwirkung entfalten und zeigen, was Demokratie bedeutet. Wer heutzutage von Demokratie redet, darf über Willkommenskultur, Integration und antirassistisches Engagement nicht schweigen. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Marian Wendt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marian Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004441, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Noch am vergangenen Donnerstag habe ich in der Debatte gesagt: „Die gesellschaftliche Entwicklung zu einem Mehr an Gewalt in unserem Land sehe auch ich mit großer Sorge.“ Jetzt muss ich leider hinzufügen, wie sehr mich die Verrohung erschreckt. Wir sind anscheinend an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Solchen Menschenfeinden wie denjenigen vom Wochenende müssen wir entgegentreten. Darin sind wir uns alle einig, wie wir heute gehört haben. Der Rechtsstaat muss hier klare Konsequenzen ziehen und die konkreten Taten - das sage ich klipp und klar - hart bestrafen. ({0}) Den damit einhergehenden Umschwung in der Haltung zur Innen- und Sicherheitspolitik, der gerade durch alle Parteien geht, begrüße ich sehr. Nachdem es jahrelang anscheinend keine Stimmung gab, die Polizei dieses Landes für ihre ureigenen Aufgaben fit zu halten, gibt es jetzt endlich einen breiten Konsens. Der Rechtsstaat braucht eine handlungsfähige Polizei, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung dort zu schützen, wo sie bedroht wird. Wir Innenpolitiker sehen uns stets einem Zeitgeist gegenüber, der die Polizei zumeist mit großer Skepsis betrachtet. Dass jetzt wieder der Wert unserer Freunde und Helfer erkannt wird, ist eine begrüßenswerte Entwicklung. Für mich stellt sich schon seit Langem die Frage, wie wir die fremdenfeindlichen, extremistischen und antidemokratischen Strömungen wieder stärker zurückdrängen können. Ich habe in den letzten Tagen folgendes Zitat des großen Hans Sarpei gelesen: „Wenn ihr das Volk seid, werde ich Flüchtling.“ Wie so oft bei solchen Sprüchen, klingt das zunächst sehr griffig. Ich würde jedoch entgegenhalten: Nein, Hans, ich würde nicht flüchten. Es kommt nämlich gerade auf uns Demokraten an, die gewissermaßen die Grundstruktur einer Gesellschaft bilden und Extremisten daran hindern, die Kontrolle zu übernehmen. Wir müssen uns alle gemeinsam überlegen, woran es vielleicht liegen kann, dass es in den östlichen Bundesländern zu einem Mehr an fremdenfeindlicher Gewalt kommt. In diesem Zusammenhang stellen sich mir schon seit Langem Fragen: Liegt es vielleicht daran, dass sich viele Menschen als Verlierer der Wiedervereinigung fühlen, weil sie nicht gleich einen Arbeitsplatz gefunden haben oder seit 20 Jahren arbeitslos sind? Lassen Sie mich klar sagen: Ich bin dankbar für die Überwindung der Teilung und das, was wir erreicht haben. Sachsen ist das wirtschaftlich stärkste Land, das aus der ehemaligen DDR hervorgegangen ist. Aber wir müssen uns diese Fragen stellen. Es ist natürlich auch die Frage, ob es einen gesellschaftlichen Gegendruck gerade in den ländlichen Regionen Sachsens vielleicht deswegen nicht gibt, weil sich die bürgerliche Mitte dort ein wenig verabschiedet hat. Aus meinem Abiturjahrgang sind vier von fünf Mitschülern abgewandert. Diese Abiturienten kann man zu den bürgerlichen Führungskräften zählen. Diese Kräfte fehlen nun, um sich demokratischen Prozessen zu stellen. Das haben viele Studien leider gezeigt. Deswegen ist es an uns, diese Entwicklung umzukehren und eine Basis für die bürgerliche Mitte zu schaffen. Wir haben schon viel erreicht. Für mich ist die Schaffung von Arbeitsplätzen am wichtigsten; denn danach streben die Menschen. Das haben wir gelernt. Wir haben viel erreicht. Wir haben die Arbeitslosigkeit in Sachsen auf unter 10 Prozent gesenkt. Wir haben die Infrastruktur- und Solidarpaktmittel sinnvoll eingesetzt. Wir müssen natürlich noch mehr tun, insbesondere in Nicht-Leuchtturmregionen, die nicht immer im Fokus stehen. ({1}) Bildung, Breitband, ÖPNV, Straßenbau - so kommen wir wieder zu Perspektiven, auch in Clausnitz und Bautzen. Daran sollten wir arbeiten. ({2}) Die Pauschalisierungen und Anfeindungen haben jeden Sachsen getroffen. Lesen zu müssen, alle Sachsen seien im Grunde Nazis, ist gerade gegenüber den vielen engagierten Menschen dort zutiefst ungerecht. ({3}) Das hat Frau Rüthrich eben bestätigt. Eine kleine Minderheit vernichtet den guten Ruf eines schönen und diversen Landes. Pauschalisierungen sind doch eigentlich ein Mittel derer, die Vorurteile säen und mit Ressentiments ihre Zeit vertreiben. Deswegen wäre es wichtig, Leipzig nicht als „Nazistadt“ oder Menschen in Heidenau nicht als „Pack und Gesocks“ zu bezeichnen. ({4}) Wir brauchen den Dialog und keine Fronten. Wir brauchen Fakten und keinen Populismus. Dann schaffen wir weniger Gewalt und mehr Frieden in unserem Land. Vielen Dank. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Michael Leutert ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass Clausnitz und Bautzen keine Einzelfälle sind, sondern dass sie sächsische Normalität, sächsischer Alltag sind. Im Übrigen: Dies gilt nicht erst seit Pegida und nicht erst, seit der Mob in Freital und in Heidenau auf der Straße ist, sondern das ist sächsische Realität seit 25 Jahren. Das ist Ergebnis ganz bewusster CDU-Politik auf Landes- und Kommunalebene. ({0}) Ich will auf verschiedene Punkte hinweisen: 1997 gab es die SSS, Skinheads Sächsische Schweiz. Sie konnten fünf Jahre lang ihr Unwesen in der Sächsischen Schweiz treiben. Kein Wunder, dass die NPD 2004 mit 9,2 Prozent in den Landtag eingezogen ist. Ich habe gedacht, das sei ein Alarmsignal. Sie war damit fast so stark wie die Sozialdemokraten. Sie hat in der Sächsischen Schweiz fast 25 Prozent geholt. Das wurde damals damit abgetan, das seien Einzelfälle. Sturm 34 - 2006, 2007 in Mittweida. In Mügeln wer sich noch daran erinnert; so lange ist es noch nicht her - prügelte 2007 ein aufgebrachter Mob von 50 Leuten mehrere Inder durch die Stadt und skandierte: Hier herrscht der nationale Widerstand. - Das ist sächsische Realität. Im Übrigen: Auch der NSU hat in Sachsen Unterschlupf gefunden. Wenn Sie wissen wollen, wie es auf kommunaler Ebene aussieht, schauen Sie sich den Landkreis Mittelsachsen an. Dort gibt es einen Landrat, der Matthias Damm heißt. Er war in den 90er-Jahren CDU-Chef in Mittweida. Dort komme auch ich her. Ich war damals Vorsitzender eines Jugendvereins. Wir hatten ein Jugendhaus. Natürlich sind wir regelmäßig von Nazis angegriffen worden. Wissen Sie, was die Stadt gemacht hat? Wir haben Bußgeldbescheide bekommen wegen Verunreinigung des öffentlichen Raums, weil die Scherben noch auf der Straße lagen. Nicht nur wir sind angegriffen worden. Die Katholische junge Gemeinde ist angegriffen worden. Es gab Schwerverletzte. Wir sind ins Krankenhaus gefahren, haben uns gekümmert und Anwälte besorgt. Wir durften nicht einmal den Film „Hitlerjunge Salomon“ in den Schulen vorführen, weil uns gesagt wurde, die Schulen seien keine öffentlichen Aufführungsanstalten. So wurden uns Knüppel zwischen die Beine geworfen. Im Übrigen war Matthias Damm einmal bei uns im Jugendhaus - mit Polizei, als das Jugendhaus dichtgemacht wurde. Die Nazis hat es gefreut. Im Jahr 2007, als der Sturm 34 Mittweida fest im Griff hatte und als mein Abgeordnetenbüro fünf-, sechsmal angegriffen wurde, haben wir eine Demo organisiert. Der Bürgermeister hatte alle Hände voll damit zu tun, das zu verhindern. Er wollte einen Feuerwehrumzug machen, damit wir nicht durch die Straßen konnten. Er hat versucht, den evangelischen Pfarrer davon abzuhalten, an der Demo teilzunehmen und dort zu sprechen, was natürlich schiefgegangen ist. Er hat sogar die Hochschule einen Tag vorher schließen lassen. Die ausländischen Studierenden sind nach Freiberg geschafft worden, damit ja niemand an der Demo teilnehmen konnte. 2 000 waren dann da. Auch heute noch einmal recht herzlichen Dank für die hohe Beteiligung an der Demo. ({1}) Damals war er Bürgermeister in Mittweida, jetzt ist Matthias Damm Landrat, und es passiert das in Clausnitz. Was macht er? Er sagt: Der Heimleiter ist versetzt worden, und zwar zu seinem Schutz. - Die Polizei ermittelt gegen die Flüchtlinge. Das ist sächsische Realität. Genau das ist im Übrigen die Politik, die dazu führt, dass der rechte Mob auf der Straße ist; denn er fühlt sich nicht nur im Recht, in Sachsen fühlt er sich in Sicherheit. Das ist das Problem. ({2}) So funktioniert das im Übrigen auch auf Landesebene. Ich habe schon gesagt: Demonstranten, die sich in Dresden den Nazis in den Weg stellen, wird nicht Danke gesagt, sondern die werden angeklagt und verfolgt. Das SEK ist mit brachialer Gewalt in Vereinsräume eingebrochen und in die Büros von Anwälten gegangen, um Computer und Flugblätter zu beschlagnahmen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege, kurzer Blick auf die Uhr.

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich schaue. Danke für den Hinweis. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte ein konsequenter Blick auf die Uhr.

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es ist hier angesprochen worden: Die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, und wir auf Bundesebene können etwas dafür tun, indem wir die Programme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit aufstocken und so ausstatten, dass die Zivilgesellschaft damit etwas anfangen kann. Vielen Dank. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004342, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 26 Jahren gingen Hunderttausende mutige Ostdeutsche mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ auf die Straße und sorgten für den friedlichen Fall der Mauer und für das Ende der DDR-Diktatur. Seither symbolisieren diese Worte eine Sternstunde in der deutschen Geschichte. Sie stehen für einen demokratischen Wandel, für die Öffnung der Grenzen und für die Wiedervereinigung. In letzter Zeit missbraucht eine radikale Minderheit diesen Ruf, um andere Menschen auszugrenzen und Brandstiftung wie in Bautzen oder schamlosen Ausländerhass wie in Clausnitz zu rechtfertigen. Das dürfen wir als Demokraten nicht akzeptieren. In unserer weltoffenen und rechtsstaatlichen Demokratie ist die Würde des Menschen unantastbar, egal woher er kommt oder welchen Aufenthaltsstatus er hat. Wer Mütter mit kleinen Kindern anpöbelt, wer sie in Angst und Schrecken versetzt, wer Häuser anzündet oder dabei jubelt, wer Feuerwehrleute und Polizeibeamte bei der Arbeit behindert, der kündigt den demokratischen Grundkonsens auf und stellt sich selbst außerhalb unserer Gesellschaft. Das müssen wir mit aller uns zur Verfügung stehenden Macht verurteilen. ({0}) Auch die Straftaten, die in diesem Zusammenhang begangen werden, müssen konsequent rechtsstaatlich verfolgt werden. Ich halte es trotzdem für falsch, in dieser Debatte Sachsen unter Generalverdacht zu stellen. ({1}) Das Bundeskriminalamt hat im letzten Jahr 976 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert. Das sind fast 500 Prozent mehr als im Jahr davor. Das muss uns alle aufmerksam machen. Sachsen ist Vorreiter in dieser beschämenden Statistik - das will ich gar nicht verharmlosen -, aber der Anstieg der asylbewerberfeindlichen Gewalt geht über das gesamte Bundesgebiet. Wir reden damit über ein deutsches und kein rein und ausschließlich sächsisches Problem. ({2}) Jeder Angriff auf eine Asylunterkunft ist unerträglich und zu verurteilen. ({3}) Wir als Demokraten sollten hier heute zusammenstehen und keine parteipolitischen Vorurteile verbreiten. Wir sollten das auch den Menschen in diesem Land, den vielen redlichen, demokratischen, für die Asylbewerber tätigen Menschen in Sachsen und im ganzen Bundesgebiet zeigen. Ich finde es auch unerträglich, wie mancher in den Medien eine Welle der Empörung über die Polizei lostritt, ohne die Fakten zu kennen, oder gar von Polizeiversagen spricht. Wir haben heute im Innenausschuss den sächsischen Staatssekretär und den Landespolizeipräsidenten Sachsens befragt. Sie beide haben sich den kritischen Fragen aller Parteien gestellt. Man kann zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen; aber uns ist die Entwicklung in den vier Stunden nachvollziehbar dargelegt worden, dargelegt worden, wie die Entscheidungsfindung zustande gekommen ist. Man kann einen Polizeieinsatz, der über vier Stunden dauert, nicht anhand weniger Sekunden auf einem Video beurteilen. ({4}) Die Beamten haben aus einer schwierigen Lage heraus ihre Aufgaben erfüllt. Sie haben dafür gesorgt, dass niemand zu Schaden kam, und sie haben auch dafür gesorgt, dass die staatliche Verteilentscheidung durchgesetzt wurde und der Rechtsstaat nicht vor den von Hass erfüllten Demonstranten versagt hat. ({5}) - Das ist richtig, Herr Kollege Beck. Wir haben heute aber auch ganz klar gehört - Sie waren ja dabei -, dass der Landespolizeipräsident gesagt hat, dass man aus diesem Vorfall für die Zukunft seine Schlüsse ziehen wird. Das fand ich eine äußerst positive Bemerkung. ({6}) Natürlich hat die Polizei auch die Aufgabe, Platzverweise durchzusetzen. Ich will aber noch einmal darauf eingehen: Jedem, der heute im Innenausschuss war, ist völlig vorurteilsfrei, frei von unserem parteilichen Denken, ganz klar und sachlich dargestellt worden, wie sich dieser Abend entwickelt hat. Unsere Polizisten leisten im ganzen Land in dieser Flüchtlingskrise Unglaubliches; es werden viele Überstunden in allen Bundesländern geleistet. Dafür sollten wir ihnen heute einmal unseren Dank aussprechen. ({7}) Jeder hat in diesem Land das Recht, die Asylpolitik zu kritisieren und auch dagegen zu protestieren. Die Meinungsfreiheit gehört genauso zu unseren Grundwerten wie die Würde des Menschen. Gewalt und blanker Hass haben aber definitiv nichts mit der Meinungsfreiheit zu tun. Wir alle - jeder Einzelne von uns in der Politik und auch in der gesamten Gesellschaft - kann dazu beitragen, dass wir ganz klar verdeutlichen: Wir akzeptieren als Demokraten keine Fremdenfeindlichkeit, keinen Rassismus und keine Gewalt. Ich bitte Sie alle, jeden Einzelnen von Ihnen, dabei mitzuhelfen. Vielen Dank. ({8})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Johannes Fechner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Der Brandanschlag von Bautzen und die widerlichen Krawalle bei der Busblockade in Clausnitz sind weitere Tiefpunkte aus den vergangenen Tagen. Sie zeigen, dass es leider immer mehr Menschen in Deutschland gibt, die Flüchtlinge auf menschenverachtende Weise angreifen. Es ist abstoßend und bestürzend, dass über 100 Menschen in Clausnitz Flüchtlinge eingeschüchtert und bedroht haben, unter ihnen Familien, etwa Frauen und Kinder, die schlimme Verfolgung und einen gefährlichen Fluchtweg hinter sich haben, die niemandem irgendetwas getan haben, die zu uns gekommen sind, weil sie Schutz vor Terror und Verfolgung suchen. Deshalb ist es beschämend, dass über 100 Menschen diese Flüchtlinge bedroht und eingeschüchtert haben. ({0}) Der Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft müssen nun offensiv zeigen, dass es in Deutschland keinen Platz für diese menschenverachtenden Attacken gegen Flüchtlinge gibt. Wer Kinder und Frauen bedroht und wer, wie in Bautzen, Wohnunterkünfte anzündet und wer dann auch noch die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert, der ist ein Krimineller und gehört hart bestraft. ({1}) Besorgniserregend ist natürlich nicht nur die Zahl der Anschläge und Attacken in Sachsen. Wir haben es in der Tat mit einem bundesweiten Phänomen zu tun. Niemand, insbesondere kein Redner der SPD-Fraktion heute, hat einen Generalangriff gegen Sachsen geführt. ({2}) Wir wissen sehr wohl um die Leistungen der Sachsen; wir haben davor großen Respekt. Aber es stellen sich doch Fragen, wenn jeder fünfte Angriff gegen Flüchtlingsheime in Sachsen stattfindet. Das bedeutet keine Attacke auf die Polizei in Deutschland. Wir wissen, dass die Polizei gute Arbeit leistet. Wer wüsste, wie es in Bezug auf die Flüchtlingskrise aussehen würde, wenn wir nicht so viele engagierte Polizisten hätten! Also auch da ein Lob von uns an die Polizei; es gibt keinen Generalverdacht gegen sie. ({3}) Aber natürlich stellt sich die Frage: Warum wurden in Sachsen in der Vergangenheit nicht genügend Polizeistellen geschaffen? Man muss sich fragen: Warum weiß man über die rechtsradikalen Strukturen dort so wenig und wird von Aufmärschen und Attacken immer wieder überrascht, und wie kann es sein - das hat mich fassungslos gemacht -, dass ein AfD-Mitglied Leiter der Flüchtlingseinrichtung in Clausnitz werden konnte? ({4}) Man muss fragen, ob in Sachsen rechte Straftäter so intensiv verfolgt werden, wie es nötig wäre, oder ob dort rechtsradikale Strukturen nicht blauäugig unterschätzt wurden. Die Gegendemonstranten, etwa bei dem Naziaufmarsch in Dresden - es ist schon gesagt worden -, wurden verfolgt; die Telefondaten wurden tausendfach überprüft. So eine intensive Verfolgung muss es auch bei Straftaten von Rechtsradikalen geben. Ich bin deshalb froh, dass der Ministerpräsident angekündigt hat, einige Schritte einzuleiten. Das weist in die richtige Richtung, hätte aber viele Jahre früher kommen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Ich finde, es kann insbesondere nicht sein, dass Flüchtlinge gleich unter den Verdacht gestellt werden, die Ausschreitungen selbst provoziert zu haben. Mit dieser Denkweise, dass Neonazis und Rechtsradikale nur auf Provokation reagieren, wird diesen Personen die Rechtfertigung für ihre Taten gegeben. Nein, die Neonazis und die Rechtsradikalen, das sind die Täter, und die gehören bestraft, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Ausdrücklich möchte ich hier die zahlreichen Bürgerinitiativen und die vielen tapferen Bürgerinnen und Bürger erwähnen, die in Sachsen für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen, für Demokratie und für ein weltoffenes Sachsen werben. Sie stellen sich vielerorts couragiert gegen die Rechtsradikalen. Etwa in Clausnitz gab es kurz nach der Busblockade eine Demonstration, an der viel mehr Menschen teilgenommen haben als an der Busblockade. Ich finde, das ist ein ermutigendes Zeichen aus der Zivilgesellschaft. Das sollten wir fördern. Deswegen ist es richtig, dass die SPD-Fraktion eine Verdopplung der Mittel für das Programm „Demokratie leben!“ fordert; sie kann es hoffentlich auch durchsetzen. Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken. ({7}) Wir müssen alles tun, damit die fremdenfeindlichen Übergriffe rasch aufgeklärt werden und die Täter konsequent bestraft werden. Es ist deshalb gut, dass Justizminister Maas angekündigt hat, beim nächsten Justizministergipfel eine Initiative zu starten, um rechte Gewalt sichtbarer zu machen. Wir müssen genau wissen, welche und wie viele Delikte von den Rechtsradikalen begangen werden und wo die Justiz mehr Ressourcen braucht, um fremdenfeindliche Taten besser verfolgen zu können. Vor allem müssen wir uns gegen die geistigen Brandstifter dieser Taten wenden. Wenn etwa die AfD fordert, dass auf Kinder und Frauen bei illegalen Grenzübertritten geschossen werden kann, dann ist das ein Beitrag dazu, dass die Hemmschwelle für Gewaltanwendung fällt und dass es zu solchen Ausschreitungen wie in Heidenau oder in Clausnitz kommt; darüber braucht sich dann niemand zu wundern. Da hat die AfD ihr wahres Gesicht gezeigt. Wer Schüsse auf Kinder als legitimes Mittel der Polizei ansieht, der ist rechtsradikal, der ist keine Alternative für Deutschland, und der darf keinen Sitz in den Landesparlamenten bekommen, die jetzt zur Wahl stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Es trägt auch nicht zur Beruhigung der Lage bei, wenn etwa der bayerische Ministerpräsident sagt - ich zitiere -: Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts. Damit verunsichert er die Bürgerinnen und Bürger, und dann darf man sich nicht wundern, wenn diese ihr vermeintliches Recht selber in die Hand nehmen, weil ja laut Seehofer - angeblich - das Unrecht regiert. Wenn also Repräsentanten des Staates wie Seehofer nicht besonnen agieren, sondern die Stimmung durch solch seltsame Ausführungen auch noch anheizen, dann machen sie sich an einer zunehmend vergifteten und aggressiven Stimmung gegen Flüchtlinge in Deutschland mitschuldig, und das können wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Willy Brandt hat einmal gesagt: Wo immer schweres Leid über die Menschen gebracht wird, geht es uns alle an. ... Wer Unrecht lange geschehen läßt, bahnt dem nächsten den Weg. Lassen Sie uns in diesem Sinne über die Parteigrenzen hinweg unseren Rechtsstaat verteidigen gegen die Verfassungsfeinde und alle diejenigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung angreifen und Flüchtlinge attackieren! Vielen Dank. ({10})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich das Wort dem Abgeordneten Michael Kretschmer, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich am Ende der vergangenen Woche nach Hause gefahren bin und gesehen habe, was in Clausnitz passiert ist - einige Zeit darauf gab es das brennende Heim in Bautzen -, war ich wie die meisten von uns hier, wie die meisten in Deutschland tief erschüttert und habe mich gefragt: Wo führt das hin, und was können wir tun, damit aus dem, was da geschehen ist, nicht ein Solingen II wird - in Solingen sind ja Menschen tatsächlich ums Leben gekommen -, und damit es nicht weiter eskaliert, wie es an anderen Stellen in Baden-Württemberg gewesen ist, wo eine Handgranate auf ein Asylbewerberheim geworfen, oder wie es vor wenigen Tagen in Augsburg war, wo ein junger Asylbewerber aus dem Senegal krankenhausreif geschlagen wurde? Hier ist eine Grenze überschritten, was es ganz klar erforderlich macht, dass wir alle, die Institutionen des Staates, die Politiker, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Kirchen, aber auch jeder für sich persönlich sagt: So nicht. So kann es nicht weitergehen! ({0}) Wenn der Wohnort zum Tatort wird, ist jeder Einzelne gefragt, weil es an dieser Stelle darum geht, wie wir Konflikte miteinander ausleben, wie wir mit Meinungsunterschieden umgehen, wie wir zusammenleben. Und wir wollen nicht zusammenleben, indem wir uns die Köpfe einhauen, sondern indem wir vernünftig miteinander reden, meine Damen und Herren. ({1}) Es ist im Interesse jedes einzelnen Bürgers - im Verein, im Familienkreis, am Stammtisch, am Arbeitsplatz -, Argumenten entgegenzutreten, die zu Gewalt und Herabwürdigung anderer aufrufen, und zu sagen: Nein, ich möchte nicht, dass wir so miteinander umgehen. Deswegen ist es richtig, wenn der Ministerpräsident sagt: Hier ist die gesamte Zivilgesellschaft, hier ist jeder Einzelne gefordert, meine Damen und Herren. ({2}) Eine Spirale der Gewalt, die mit Worten beginnt und mit Taten endet, darf es nicht geben. Wir brauchen eine Brandmauer. Und es ist klar: Wer die Feuerwehr bei Löscheinsätzen und Rettungsarbeiten behindert, ist selbst ein Brandstifter und muss nach dem Strafgesetzbuch mit voller Härte verurteilt werden. Deswegen finde ich es richtig, wenn die CDU/CSU sagt: Hier muss das Strafrecht verändert werden, Rettungsdienste müssen besser geschützt werden, Angriffe auf Rettungsdienste müssen anders und stärker geahndet werden. ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt nicht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Okay.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich war im Alter von 14 Jahren - 1989, im Herbst - bei den Friedensgebeten und auch bei den Demonstrationen, die nachts in Görlitz im Dunkeln stattgefunden haben. Und der Ruf „Wir sind das Volk“ hatte damals einen ganz anderen Ton, einen anderen Klang und vor allen Dingen einen anderen Geist als den, den wir vor wenigen Tagen in diesem Video gesehen haben. ({0}) Es heißt in Wirklichkeit auch nicht: „Wir sind das Volk“, sondern: „Wir sind ein Volk“. Darum geht es auch in dieser Debatte - Günter Krings hat dazu aufgerufen, die Chance zu nutzen, sich jetzt nicht im Klein-Klein der Parteitaktik zu verheddern, sondern diese Botschaft nach außen zu senden -: Wir müssen gerade in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten, in der die Bevölkerung auf der Suche nach den richtigen Antworten ist, in der es immer mehr Polarisierung gibt. Jetzt muss die Politik zusammenhalten. Und es ist bitter, dass einige Kollegen heute diese Chance wieder nicht genutzt haben, sondern das Gegenteil gemacht haben, nämlich sich hier im Parteien-Klein-Klein, im Krakeelen zu ergehen, meine Damen und Herren. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von Herrn Beck. Wollen Sie weitersprechen?

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. - Hass mit Hass zu beantworten, setzt eine Spirale der Gewalt in Gang, die ins Verderben führt. Juli Zeh hat es im vergangenen Jahr wunderbar gesagt: Öffentliche Diffamierungen führen zu zusätzlicher Aggression. Emotionalität in der Sprache führt dazu, dass die Dinge nur schlimmer werden. - Und eine Politik, die mit dem Finger auf andere zeigt, die Worte wie „Pack“, „Pöbel“ und „Dunkeldeutschland“ - auch in dieser Debatte wieder - nennt, die ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. ({0}) Es ist auch nicht in Ordnung, wenn über den Freistaat Sachsen hier ein Zerrbild verbreitet wird, das nur dazu führt, dass die aufrechten Menschen in diesem Land, die in der großen Mehrzahl sind, die sich für Flüchtlinge und für das Gemeinwesen engagieren, mit heruntergemacht werden, meine Damen und Herren. ({1}) Zur Wahrheit gehört, dass selbstverständlich der Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen, ({2}) der in den vergangenen Jahren insbesondere von Linken und Grünen bei seiner Arbeit immer wieder behindert worden ist, ({3}) genau darauf achtet, wenn Rechtsextremisten versuchen, auf asylkritische Proteste Einfluss zu nehmen. ({4}) Richtig ist auch, dass in Sachsen im Jahr 1991 die Sonderkommission Rechtsextremismus eingerichtet wurde, dass 2012 das Operative Abwehrzentrum der Polizei Sachsen gegründet wurde, das bis 2015 279 Ermittlungsverfahren wegen Rechtsextremismus mit einer Aufklärungsquote von 73,1 Prozent geführt hat, dass wir im Jahr 2015 die Integrierte Ermittlungseinheit der Justiz gegründet haben, um politisch motivierte Kriminalität besser bekämpfen zu können, und dass wir die Gelder für das Programm „Weltoffenes Sachsen“ von 2005 bis jetzt von 2 Millionen Euro auf 5,1 Millionen Euro aufgestockt haben. Es ist uns wichtig, hier ein klares Signal gegen Rechtsextremismus zu setzen. Denn uns als Union ist es ein Anliegen, diesen braunen Sumpf auszutrocknen. ({5}) Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es eben nicht nur eine Aufgabe des Staates, sondern auch eine Aufgabe im Kleinen ist. Dass man Rechtsextremismus nicht mit Linksextremismus bekämpfen kann, ist, glaube ich, auch klar. Das muss man aber nach dieser Debatte hier auch noch einmal sagen. ({6}) In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Chance jetzt nicht vertan wird. In einer Zeit, in der die Menschen auf der Suche nach einer Antwort sind und die große Herausforderung des Flüchtlingsstroms viele Ängste und Sorgen verursacht, ist es wichtig, dass die Politik sich nicht auseinandertreiben lässt, sondern dass die wirklichen Demokraten zusammenstehen und wir die Chance nutzen, dieses Land zusammenzuhalten. Sie braucht es mehr denn je. ({7})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Jetzt haben wir noch zwei Kurzinterventionen, die eine vom Kollegen Beck und die andere von der Kollegin Lay. - Herr Kollege Beck fängt an.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kretschmer, ich habe das Gefühl, dass wir so, wie Sie das Thema in Ihrer Rede betrachten und beschreiben, noch keinen wirksamen Kampf gegen die rechten Hetzer, die wir in Sachsen und anderen Teilen unserer Republik auf den Straßen sehen, führen, dass wir hier noch nicht wirklich vorankommen. Ich will damit beginnen, dass Sie sagen: Wir müssen jetzt als Politik alle zusammenhalten. - Ich glaube, wir müssen vor allen Dingen „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ erklären. Wenn Sie sagen, der Ausspruch „Wir sind das Volk“ hat damals in der Demokratiebewegung der DDR einen anderen Klang gehabt, dann muss ich sagen: Er hatte auch einen ganz anderen Sinn. Es sind die Bürgerinnen und Bürger eines Staates auf die Straße gegangen gegen ein Regime, das zwar Wahlen abgehalten, aber nicht zugelassen hat, dass die Wählerinnen und Wähler frei und gleich wählen können. Dieses Regime bestand eben nicht aus gewählten Vertretern des Volkes. Das unterscheidet es maßgeblich von den Verhältnissen in unseren 16 Bundesländern und im Deutschen Bundestag. Das Volk hat hier alle vier oder fünf Jahre - je nach der Länge der Legislaturperioden - die Möglichkeit, sich selber eine andere Mehrheit im Parlament zu wählen und damit eine neue Regierung zu bestimmen. Deshalb ist die Dichotomie zwischen dem Pöbel auf der Straße, der behauptet, er sei der Repräsentant des Volkes, und den Volksvertretungen einfach eine Lüge. Diese muss man als solche dekuvrieren und darf nicht zulassen, dass das hohe Ansehen und das hohe Verdienst der Bürgerrechtsbewegung in der DDR in den Schmutz gezogen werden. Da müssen Sie stärker differenzieren. ({0}) Wenn Sie einen Begriff wie „asylkritische Proteste“ in den Mund nehmen, bleibt mir echt die Spucke weg. ({1}) Dann sind brennende Flüchtlingsheime wohl angewandte Architekturkritik. Nein, das ist keine legitime demokratische Position, die dort diskutiert wird. Das Asylgrundrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention sind Teil des Verfassungsrechts dieser Republik. Da können Sie nicht sagen, Asylkritik ist einfach einmal so eine Position. Nein, das stellt die Unantastbarkeit der Menschenwürde infrage. An diesem Punkt sollten wir als Demokratinnen und Demokraten in der Tat parteiübergreifend zusammenstehen und die Menschenwürde und ihre Unantastbarkeit verteidigen. ({2})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kretschmer, wollen Sie jetzt oder nach der Kurzintervention von Frau Lay antworten? - Erst einmal Frau Lay. Frau Kollegin Lay, bitte.

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank für die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. - Herr Kretschmer, auch mich hat Ihre Rede zu einer Intervention provoziert. Ich muss sagen: Ich bin wirklich entsetzt, dass Sie sich als langjähriger Generalsekretär der sächsischen CDU hierhinstellen und sagen: Man könnte, man müsste, man sollte. - Sie reden hier so, als hätten Sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Wer ist denn eigentlich verantwortlich für die Verhältnisse in Sachsen? Wer regiert denn in Sachsen und im Bund? Das ist doch die CDU. Dann muss man doch ein bisschen mehr Verantwortung tragen. Wissen Sie, Ihre tolle positive Bilanz über die Erfolge der sächsischen CDU bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus kann ich überhaupt nicht teilen. Die Soko REX wurde doch eingestellt. Stattdessen war es doch so: Als sich Pegida in Dresden formierte, hat der sächsische Innenminister gesagt, er habe Verständnis dafür und man müsse eine Soko gegen angeblich kriminelle Asylbewerber einrichten. - Das war die Reaktion Ihrer Partei darauf. Die Projekte in Sachsen gegen Rechtsextremismus haben doch seit Jahren ein erhebliches Finanzierungsproblem, dann werden sie auch noch beäugt und in die linksextremistische Ecke gestellt. Das ist Ihre Politik. Letzter Punkt. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz als tolles scharfes Schwert im Kampf gegen Rechtsextremismus: Jede lokale Antifa in Sachsen weiß mehr über die rechten Strukturen in den Landkreisen als das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz. Es hat in dieser Sache komplett versagt. Ich will Ihnen sagen: Wenn es im Bundestag einen Preis für Heuchelei und für Scheinheiligkeit geben würde, dann hätten Sie ihn heute verdient. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich bitte, die Worte immer etwas abzuwägen. - Herr Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, dass das nicht die Art ist, wie wir miteinander reden sollten und die dieser Debatte angemessen ist. ({0}) Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich machen: Für mich und für mein Heimatland gilt: Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Extremismus insgesamt ist eine ganz zentrale Aufgabe. Diesem Kampf stellten wir uns in der Vergangenheit jeden Tag, ({1}) und wir werden es in der Zukunft noch viel stärker tun. Das, was in den letzten Tagen passiert ist, ist für uns ein deutlicher Weckruf. Es wird noch intensiver und noch mehr. ({2}) Aber ich sage Ihnen auch ganz genau: Die Antifa ist in diesem Kampf kein Partner. Sie ist ein zusätzliches Problem, aber kein Partner bei der Lösung dieses Problems. ({3}) Das, was jetzt notwendig ist, ist neben mehr Polizisten - auch bei der Wachpolizei -, die eingestellt werden, eine Stärkung des Verfassungsschutzes, mehr Bildungsarbeit, ein Weiter-so in der Stärkung der Zivilgesellschaft, auch im Ehrenamt. Das passiert bereits. ({4}) Deswegen verwahre ich mich gegen dieses Zerrbild, das hier verbreitet worden ist, dass diese Arbeit entweder nicht gemacht wird, dass sie nicht wichtig ist oder dass wir nachlässig damit umgehen. Das Gegenteil ist der Fall. ({5}) Ich sage vor allen Dingen ganz deutlich: Man kann sich nicht hierhinstellen und alle Menschen eines Landes unter Generalverdacht stellen. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. ({6})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Nationales Programm für nachhaltigen Konsum. Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Barbara Hendricks. - Frau Ministerin, vielleicht warten Sie kurz, bis sich das Plenum beruhig hat, auch wenn es mir völlig unverständlich ist, dass uns angesichts eines so interessanten Berichts so viele verlassen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Jahr war durchaus historisch für den Umweltschutz. Wir haben mit dem Abkommen von Paris den internationalen Klimaschutz ein großes Stück vorangebracht. Wir haben im September in New York die UN-Nachhaltigkeitsziele verabschiedet. Beide Verträge zeigen: Die Weltgemeinschaft ist sich bewusst, dass die Ausbeutung unseres Planeten ein Ende haben muss. Sie ist sich bewusst, dass Umweltverschmutzung oft einhergeht mit sozialer Ungerechtigkeit. Sie ist sich bewusst, dass wir umsteuern müssen, wenn wir den kommenden Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen wollen. Jetzt liegt der Spielball wieder bei den Staaten und ihren Gesellschaften. Wir also, auch in Deutschland, müssen jetzt umsetzen, was wir im vergangenen Jahr beschlossen haben. Das stellt Anforderungen an die Politik und an jede Bürgerin und jeden Bürger. Wir wollen aber keinen Verzicht predigen oder die Verantwortung den Konsumenten alleine aufbürden. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern und alle für einen nachhaltigen Konsum gewinnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, einer der Schwerpunkte der Agenda 2030 ist für uns das Ziel 12: Wir haben uns verpflichtet, nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen nach vorne zu bringen. Nachhaltiger Konsum bedeutet: Jede und jeder Einzelne sollte berücksichtigen, welche ökologischen und welche sozialen Konsequenzen Kaufentscheidungen haben. Klar ist: Ein gesellschaftliCaren Lay cher Wandel lässt sich nicht einfach verordnen. Das wollen wir selbstverständlich auch gar nicht. Wir wollen Ziele aufzeigen, Leitplanken vorgeben und die Rahmenbedingungen verbessern. Wir wollen zum Beispiel klare Informationen anbieten, etwa über ein Onlineportal, das Licht in den Dschungel der Umweltsiegel bringt. Wir wollen bei Produzenten und bei Konsumenten über den Aspekt der Langlebigkeit aufklären. Gerade bei Mobiltelefonen oder Computern nimmt die Lebensdauer ab, obwohl wir ja alle wissen, dass jedes Bauteil wertvolle Rohstoffe enthält. Eine Frage wird sein: Brauche ich wirklich ein neues Gerät, oder kann ich das alte vielleicht auch nachrüsten? Oder: Warum kann man sich nicht den Besitz von Elektrogeräten teilen, zum Beispiel in der Nachbarschaft? Wussten Sie zum Beispiel, dass eine Bohrmaschine im Durchschnitt pro Jahr nur anderthalb Minuten läuft? ({0}) Überlegen Sie mal, wie viele Bohrmaschinen es in den Kellern der Bundesrepublik Deutschland gibt! Meine Damen und Herren, der nachhaltige Konsum soll aus seiner Nische geholt und in den Alltag gebracht werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dabei unterstützt werden, nachhaltig zu handeln. Die Wahl der nachhaltigen Alternative sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Ich sage aber auch: Nachhaltiger Konsum darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Jeder Mensch in Deutschland sollte in der Lage sein, nachhaltig zu konsumieren. Schließlich dürfen wir nicht vergessen: Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion bedingen sich. Verbraucherinnen und Verbraucher werden nur dann überzeugt mitmachen, wenn die Produkte langlebiger, emissionsärmer und letztlich auch qualitativ besser werden. Hier sind die Hersteller in der Pflicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum soll zur möglichst breiten Mitwirkung einladen. Es soll erfolgreiche Maßnahmen stärken und das Thema mit neuen Initiativen voranbringen. Wir haben das Programm in zwei Maßnahmenbereiche unterteilt, erstens in die sechs Konsumfelder, in denen der Konsum die größte Umwelt- und Sozialwirkung aufweist. Dies sind folgende Konsumfelder: erstens Mobilität, zweitens Ernährung, drittens Wohnen und Haushalt, viertens Arbeit und Büro, fünftens Bekleidung, sechstens Freizeit und Tourismus. - Zweitens haben wir übergeordnete Handlungsansätze erarbeitet, die keinem Konsumfeld konkret zugeordnet werden können. Hierzu zählen Bildung und Verbraucherinformationen ebenso wie die Nutzung von Ökodesign und -kennzeichen, Forschung und Monitoring. Wir wollen aber auch soziale Innovationen unterstützen und insgesamt in Deutschland ein Nachdenken über Lebensstile initiieren. Das Programm ist außerdem eine Plattform, die die Bürgerinnen und Bürger und die Zivilgesellschaft bei der Suche nach erfolgversprechenden Handlungsansätzen ausdrücklich miteinbezieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland wird im Umweltschutz weltweit als Vorbild wahrgenommen. Veränderungen auf der Konsumseite hin zu mehr Klimaund Ressourcenschonung wären natürlich auch global ein wichtiges Zeichen. Auch deshalb hat das Kabinett heute dieses Maßnahmenpaket beschlossen, übrigens das weltweit erste seiner Art. Herzlichen Dank.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Es gibt eine Reihe von Fragestellern bei den Grünen, aber es beginnt Frau Kollegin Menz von der Fraktion Die Linke. - Bitte schön.

Birgit Menz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004619, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Ministerin, für Ihren Beitrag. Leider konnte ich das Nationale Programm noch nicht lesen. Ich habe es erst vorhin zugeschickt bekommen. Meine Frage ist: Inwieweit wird mit dem Programm auch eine offene Debatte über eine grundsätzliche Neuorientierung des wirtschaftlichen Handelns und bei den wirtschaftlichen Erfolgsmaßstäben sowie eine entsprechende Neubewertung der Bedeutung und Rolle von Wachstum und Wohlstand verbunden sein?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich glaube nicht, dass wir davon ausgehen müssen, dass wir in diesem Zusammenhang neu über die Rolle von Wachstum und Wohlstand reden müssen. Selbstverständlich bleibt das auch unsere Aufgabe. Es geht in diesem Zusammenhang aber darum, den Bürgerinnen und Bürgern dabei zu helfen, einen nachhaltigen Konsum tatsächlich auch gleichsam bewusst pflegen zu können. Wir wollen die Menschen ja nicht zwingen, sondern sie sollen durch gut zugängliche Informationen in die Lage versetzt werden, selber zu überprüfen, ob die Konsumentscheidung, die sie sich gerade vorgenommen haben, eine vernünftige ist, oder vereinfacht gesagt, ob sie das, was sie gerade kaufen wollen, wirklich brauchen und ob sie das, was sie kaufen, auch lange nutzen können und wollen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, erst einmal sehr herzlichen Dank für Ihre luziden Ausführungen in Sachen Bohrmaschine. Was ich aber nicht verstanden habe, ist: Was ist an diesem Programm jetzt eigentlich neu, und was soll in Zukunft passieren? Sie haben viel zur Bewusstseinsbildung ausgeführt. Da wird mir am Ende schon ganz schwindelig. Aber sagen Sie doch einmal an einer Stelle, was zu welchem Zeitpunkt konkret umgesetzt werden soll. Ich will das durch ein Beispiel im Bereich Textil konkretisieren. Greenpeace hat mit über 100 Unternehmen in Deutschland eine Vereinbarung geschlossen, dass elf Chemikalien bis 2020 aus dem Prozess herauszunehmen sind. Haben Sie beim Punkt Bekleidung irgendetBundesministerin Dr. Barbara Hendricks was Gleichartiges, etwas Konkretes in Ihrem Programm vorgelegt? Gibt es mehr als ein allgemeines „Wir wollen zum Bewusstsein beitragen“? Mein zweites Beispiel ist der Punkt Ernährung. Sie wollen gerne, dass man mehr regional einkauft. Aber gibt es denn in Zukunft und, wenn ja, bis wann, ein Regionalzeichen, das auch mit zwingenden ökologischen und sozialen Kriterien verbunden ist, nach denen sich die Verbraucher dann richten können? Ich habe dazu nichts gefunden.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, zu den konkreten Maßnahmen gehören zum Beispiel der Ausbau und die Ausweitung des Portals „Siegelklarheit.de“, um Verbrauchern genau darüber eine bessere Übersicht zu verschaffen. Wir sind dort noch am Anfang; das sehe ich ein. Deswegen werden wir das weiter ausbauen und ausweiten. ({0}) Das ist einer der konkreten Punkte, die wir uns in diesem Programm vorgenommen haben. Es gehört auch - zunächst - die Erforschung und dann die Entwicklung eines sogenannten zweiten Preisschildes dazu, welches die Sozial- und Umweltauswirkungen eines Produktes abbildet und damit einen Schritt in Richtung Internalisierung externer Kosten darstellt. Dies soll natürlich den Konsumenten an die Hand gegeben werden, damit sie auf dieser Grundlage ihre Konsumentscheidungen fällen können. Außerdem sind wir dabei, das Verbraucherportal des UBA auszubauen, welches ja schon unter dem Gesichtspunkt „umweltbewusst leben“ existiert. Darüber hinaus ist die Ausweitung des Textilbündnisses inklusive einer Erhöhung des Marktanteils von Bekleidung aus zertifizierten Prozessen zu nennen. Alles dies sind Punkte, die wir ganz konkret in unserem Programm angesprochen haben und die wir in den nächsten Wochen und Monaten voranbringen werden, selbstverständlich auch abgestimmt im Ressortkreis. Ich bin den Kollegen im Justizministerium und im Ernährungsministerium besonders dankbar. Wir haben gemeinsam die Federführung für diesen Prozess übernommen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Dank auch an Sie, Frau Ministerin, für den Bericht. Nachhaltig leben heißt ja, langlebige Dinge zu kaufen, die man - oder natürlich auch Frau - wirklich braucht. Das heißt für mich auch, Lebensmittel zu kaufen, die regional produziert werden. Dazu gehören kurze Anfahrtswege usw. Ich denke, da gibt es auch schon viele Informationen in der Bevölkerung. Es können aber immer noch mehr werden. Viele meiner Wählerinnen und Wähler sagen mir jedoch: Ja, Eva, du kannst dir das leisten. Aber ich kann halt nicht jeden Tag im Bioladen oder auf dem Biomarkt einkaufen. - Es ist natürlich auch klar, dass ein Mantel, der acht Jahre hält, teurer ist als einer aus so einem Billigladen, der in Bangladesch produziert wurde. ({0}) - Gut, okay. - Also, Sie verstehen, was ich meine. Ich würde dazu gern Näheres wissen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Frau Kollegin Bulling-Schröter, Sie haben natürlich vollkommen recht. Deswegen ist es uns auch ein besonderes Anliegen, tatsächlich allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu nachhaltigem Konsum zu ermöglichen; denn selbstverständlich wissen wir, dass billig nicht gleich preiswert ist und dass der nachhaltige Konsum gerade denjenigen entgegenkommt, die mit ihrem Einkommen tatsächlich rechnen müssen. Deswegen kommt es auch hier darauf an, nachhaltigen Konsum für alle zu ermöglichen. Ein Beispiel für den Bereich Energieeffizienz - Sie kennen das Beispiel - ist ein Projekt zum Thema Nachhaltigkeit, bei dem wir mit der Caritas zusammenarbeiten. Hier geht es darum, höherwertige, bessere, sparsamere und effizientere Elektrogeräte einzusetzen. Auch dies ist ein Bereich, in dem wir weiter vorangehen können. Ja, wir sind noch ziemlich am Anfang, was die Entwicklung anbelangt, und ja, bis jetzt hat es sich noch nicht durchgesetzt, dass wirklich überall regionale Produkte zu kaufen sind. Im Übrigen müssen nicht alle regionalen Produkte in Bioläden verkauft werden. Es sind ja auch nicht alle in der biologischen Landwirtschaft entstanden; das ist auch nicht zwingend nötig, wir haben ja auch sonst anständige landwirtschaftliche Produkte aus regionaler Produktion. Es ist aber zu beobachten, dass in immer mehr ganz normalen Supermärkten des Lebensmitteleinzelhandels - die Namen will ich jetzt nicht nennen, sie sind uns aber alle bekannt - regionale Produkte mittlerweile tatsächlich einen besonderen Stellenwert haben. ({0}) Sie werden allerdings zu ganz normalen Preisen verkauft. Die Preise zum Beispiel für Fleisch, Eier oder was auch immer - das wissen Sie - sind hier nicht höher. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Peter Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen.

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen. Dass wir im Bereich „nachhaltiger Konsum“ eine Menge zu tun haben, ist durch die Bertelsmann-Studie vom vergangenen Jahr deutlich geworden. Egal ob es um Abfall geht, um Lebensmittelverschwendung, um Wasser, um Nitrat oder um viele Dinge mehr: Wir sind in Deutschland noch lange nicht so weit, wie wir aufgrund unseres Selbstverständnisses als Vorreiter sein wollen. Es ist aber auch klar: Wir können uns nicht nur auf den Verbraucher fokussieren. Wir kennen die Studien: 25, 30 oder 35 Prozent der Menschen erklären sich bereit, ethisch einzukaufen, aber im Laden tun sie es nicht, und zwar aus verschiedenen Gründen; Frau Bulling-Schröter hat eben einige Gründe angesprochen. Es gibt aber noch weitere Gründe. Offensichtlich reichen Information und Transparenz alleine nicht aus. Ich glaube, wir brauchen eindeutig noch weitere Erfordernisse im Bereich des Ordnungsrechts und mehr Klarheit. Es gibt das Programm für nachhaltigen Konsum und die SDGs. Wir stehen nun vor der Herausforderung, die Vorgaben in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. Meine Frage ist: Was kommt am Ende des Tages an konkreten Maßnahmen heraus, zum Beispiel im Bereich der Weiterentwicklung des ElektroG, wenn es darum geht, langlebige Produkte zu fördern und die Gewährleistungsfrist entsprechend zu ändern? Vielen Dank.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ich will in diesem Zusammenhang auf die Ökodesign-Richtlinie hinweisen, die, gerade was Effizienz anbelangt, uns schon sehr gut vorangebracht hat. Sie adressiert selbstverständlich die Hersteller. Manchmal wird die Ökodesign-Richtlinie hier in Deutschland belächelt, im Sinne von - das kann man hier und da lesen -: Jetzt will Brüssel auch noch festlegen, wie unsere Haarföhne beschaffen sein sollen. Ja, Brüssel kann festlegen, dass die zukünftig zu kaufenden Haarföhne energieeffizienter sein sollen als die, die es jetzt schon gibt; man ist jedoch nicht gezwungen, einen neuen zu kaufen. Aber wenn man sowieso einen neuen kauft, dann sollte er doch energieeffizienter sein als der alte, den man ausrangiert hat. Genau das ist die Richtung, in die wir uns bewegen. Wir sollten in der Öffentlichkeit für eine entsprechende Entwicklung werben. Die Unternehmen wissen, dass die Ökodesign-Richtlinie, die wir auf europäischer Ebene haben, letztlich dazu führen wird, dass wir in Deutschland mit unseren Technologien und Produkten einen Wettbewerbsvorteil haben. Es soll bei den Bürgern nicht der Eindruck entstehen, dass die Vorgaben von Brüssel einfach aufgepfropft werden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Matthias Miersch, SPD-Fraktion.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, vielen Dank für die Initiative. Ich glaube, sie ist eine Fortsetzung dessen, was Rot-Grün im Jahre 2000 begonnen hatte, als das Thema „nachhaltige Entwicklung“ durch die Bildung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung, durch den Rat für nachhaltige Entwicklung und durch das Green Cabinet Einzug gehalten hat. Wenn ein Programm aufgesetzt wird, dann werden wahrscheinlich mehrere Gesetze daraus folgen. Ich halte die frühzeitige Einbeziehung des Parlaments für essenziell. Daher meine konkrete Frage: Ist heute im Kabinett auch darüber diskutiert worden, wie man eine Parlamentsbeteiligung möglichst frühzeitig sicherstellen kann, bzw. können Sie uns sagen, woran Sie denken?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, wir haben jetzt nicht unmittelbar gesetzgeberische Aktivitäten vorgesehen, aber sofern sie aus diesem Programm erwachsen, werden wir das Parlament selbstverständlich frühzeitig beteiligen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Kollege Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, mir geht es bei diesem Programm so wie bei vielen Programmen aus Ihrem Haus. Spontan fällt mir das Ressourceneffizienzprogramm ein. Ich habe Ihr Nationales Programm für nachhaltigen Konsum gerade kurz durchlesen können. Wenn man das liest, denkt man, vieles ist richtig; da würde man gar nicht widersprechen. Die Frage ist nur: Was hat das konkret für Konsequenzen? Wo findet Politik statt? Das ist die entscheidende Frage, die in diesem Programm zu 95 Prozent aber nicht beantwortet wird. Jedenfalls hat man nach dem ersten Lesen diesen Eindruck. Ich möchte deshalb eine ganz konkrete Frage stellen, und zwar bezogen auf einen Punkt, an dem Sie schon aktiv geworden sind, den Sie eben selbst angesprochen haben. Es geht um das Thema Siegelklarheit. Vor über einem Jahr haben Sie ein entsprechendes Internetportal geschaffen. Damals wurde, wenn ich richtig informiert bin, angekündigt, dass die Siegel in den Bereichen Textilien, Lebensmittel, Holz und Papier sofort erklärt werden sollen. So schwer kann das ja eigentlich nicht sein. Es gibt zwar viele Siegel, aber für Ihre Behörde sollte es eigentlich keine große Herausforderung sein, diese Siegel zu erklären. Wenn man heute in dieses Portal schaut das haben Sie in Ihrem Bericht als eines der Highlights dargestellt, wenn ich das einmal so interpretieren darf -, sucht man die Erklärung für die Siegel in den Bereichen Lebensmittel und Holz vergeblich. Wann können wir bei den wenigen Dingen, die Sie konkret machen - mit einer vollständigen Umsetzung rechnen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, eine vollständige Umsetzung wird es niemals geben, weil immer wieder neue Zeichen und Standards auf den Markt kommen. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ganz ruhig bleiben. Sie haben sowieso schon hemmungslos überzogen. - Nächster ist der Kollege Friedrich Ostendorff von Bündnis 90/Die Grünen.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, das Programm liest sich wie ein Wünsch-dir-was-Katalog. Gehen wir in die Details: Es steht nichts Falsches darin.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Das ist doch schon mal was wert, oder?

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Darin steht, dass wir wiederum neue Foren, neue Plattformen schaffen. Was ist daran das Neue? Sie beklagen seit Jahren, dass neue Beiräte, Foren oder Plattformen gegründet werden, daraus aber nichts folgt. Man hat es nur mal wieder besprochen und an irgendeinen Arbeitskreis delegiert. Dieser Ansatz durchzieht auch dieses Papier. Wo ist denn ein konkreter Ansatzpunkt zu finden? Bleiben wir bei der Schulernährung, also der Ernährung der zukünftigen Verbraucherinnen und Verbraucher. Wenn wir die Schulernährung verbessern wollen, dann brauchen wir konkrete Angebote. Deshalb muss ich nachfragen: Warum werden die Mittel für die Schulvernetzungsstellen, die für die Etablierung der Schulverpflegung in den Einrichtungen ganz entscheidend sind, gekappt? Im Programm steht geschrieben, dass die Tierwohlinitiative zu unterstützen ist. Was mache ich damit? Wo unterstützt das Ministerium die Tierwohlinitiative? Sie hat diese Aufgabe an die Wirtschaft delegiert, aber da läuft das beklagenswert schlecht. Die Bundesregierung müsste doch sagen: Hier muss konkret etwas passieren. Das muss gestärkt werden. Ich vermisse eine entsprechende Initiative. Wo bleibt die Initiative? Wenn wir regionale Kost etablieren wollen, dann sollten wir auf die Bundeskanzlerin hören, die bekannterweise eine hervorragende Kartoffelkennerin ist. Sie hätte doch einmal zum Stift greifen und ein bisschen hineinschreiben können. Damit hätte man dem Minister doch sicher auf die Sprünge helfen können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Regierung wird gleich auf den kreativen Vorschlag antworten.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Wenn Sie damit einverstanden sind, antwortet, weil das den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft anbelangt, die Frau Kollegin Flachsbarth. ({0})

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin damit einverstanden.

Dr. Maria Flachsbarth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003527

Herr Kollege Ostendorff, herzlichen Dank für Ihre Fragen. Gerne trage ich aus dem Ressortbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft etwas bei. Sie wissen, dass sich die Tierwohlinitiative des Bundesministers „Eine Frage der Haltung“ seit September 2014 in vielen konkreten Projekten verifiziert, ({0}) dass zum Beispiel der breite Bereich von Modell- und Demonstrationsvorhaben von Netzwerken von Betrieben, die sich an solchen Vorhaben beteiligen, unter anderem zur Vermeidung nichtkurativer Eingriffe, vom Bundesministerium mit erheblichen Millionenbeträgen unterstützt wird. Sie wissen, dass wir einen sehr guten, konkreten Austausch haben, dass - ganz konkret - Betrieb für Betrieb beraten wird, um in diesem Bereich letztendlich eine Umstellung zu ermöglichen. Sie wissen, dass wir auch im Bereich der Prüf- und Zulassungsverfahren auf guten, konkreten Wegen sind, um zum Beispiel Tierhaltungssysteme zu standardisieren und letztendlich auch die Tierhaltungsbedingungen zu verbessern. Sie wissen, dass wir im vergangenen Sommer im Bereich der freiwilligen Vereinbarungen, zum Beispiel mit der Geflügelbranche, wesentliche Schritte nach vorne gemacht haben. So verifiziert und konkretisiert sich dieses Programm, das wir hier zusammengefasst haben, in vielen einzelnen Schritten tatsächlich im Detail. Ihre zweite Nachfrage betraf die Ernährung bzw. die Ernährungsbildung. Die Bundesinitiative Ernährungsbildung ist eine der großen Prioritäten, die sich Bundesminister Christian Schmidt auf die Fahne geschrieben hat. Der Minister fordert deshalb einen festen Platz in den Lehrplänen für das Fach Ernährungsbildung. Er ist diesbezüglich in Kontakt mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf Länderebene. Wir als Bundesministerium unterstützen Schulen und Kitas mit kostenlosen Bildungspaketen, die im Rahmen von „IN FORM“, also Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung, entwickelt wurden. Darüber hinaus plant das BMEL, eine Studie zum Thema „Ernährungsbildung in Kita und Schule“ in Auftrag zu geben. Ziel ist es, erstmals nach 15 Jahren systematisch zu erarbeiten, wie derzeit der Stand des Ernährungswissens bei Kindern in Kita und Schule ist. Außerdem informiert die Kampagne „Macht Dampf!“, warum gutes Essen für Kinder und Jugendliche sowohl zu Hause als auch in Kita und Schule so wichtig ist und was eine ausgewogene Ernährung ausmacht, und klärt über die Kriterien des DGE-Qualitätsstandards auf. Auch in diesem Bereich gibt es also eine Vielzahl von Konkretisierungen und konkreten Projekten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Jetzt haben wir die Zeit ein bisschen überzogen, aber das waren alles wichtige Informationen. Nächste Fragestellerin ist Frau Dr. Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, das ist ein tolles Papier; das kann ich meinem Kollegen Friedrich Ostendorff sagen. Es stehen sehr viele interessante Sätze drin, die auch wir durchaus unterschreiben können. Ich habe mich gefragt, ob es auch konkrete Maßnahmen enthält, und habe mir, wie Sie sich sicherlich denken können, den Teil zur Mobilität angesehen. Dort las ich etwas über die Vernetzung von Verkehrsinformationen und Ticketsystemen, welche über innovative digitale Mobilitätsdienste zur Verfügung gestellt werden. Ich frage mich: Wie wollen Sie das in Gang setzen? Derzeit haben wir nicht einmal ein vernünftiges Ticketingsystem der verschiedenen ÖPNV- bzw. Verkehrsverbünde. Wenn wir in eine andere Stadt kommen, stehen wir vor den Automaten und wissen nicht, wie wir sie vernünftig bedienen sollen. Wie wollen Sie dieses Thema angehen? Wollen Sie endlich einmal mit dem Ordnungsrecht kommen? Wollen Sie dem VDV unter Umständen mit Geld winken, damit auf diesem Gebiet etwas in die Wege geleitet wird? Oder wollen Sie gegebenenfalls auch Zuschüsse sperren? Das wären konkrete Maßnahmen. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Wilms, Sie haben sehr zutreffend beschrieben, dass es in diesem Bereich bisher nicht zufriedenstellend läuft und es tatsächlich einer Verbesserung bedarf, nicht nur im Sinne der Verbraucherinformation, sondern auch im Hinblick darauf, Verbraucher bzw. Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs überhaupt in die Lage zu versetzen, vernünftige, abgestimmte Entscheidungen zu treffen. Es ist selbstverständlich und klar, dass wir dazu noch weiter gehende Initiativen werden entwickeln und mit dem Bundesverkehrsminister und den Ländern, die für die Verkehrsverbünde zuständig sind, auf den Weg bringen müssen. Dabei kann es notwendig werden, auch finanzielle Anreize ins Auge zu fassen. Das könnte nach meinem Dafürhalten zum Beispiel über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz durchaus in Angriff genommen werden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Danke, Frau Ministerin, für Ihren ausführlichen Bericht. Sie haben sich ja für Ihre Amtszeit vorgenommen, Umwelt und Bauen miteinander zu verbinden; das war eines Ihrer großen Versprechen. Gerade bei der Frage des Konsums, wenn es also darum geht, wie und wo man lebt, in welcher Wohnung bzw. welchem Haus man lebt, kann man Umwelt und Bauen miteinander verbinden. Nun frage ich Sie: Was tun Sie konkret, damit mehr nachwachsende Rohstoffe und mehr ökologische Baustoffe auf deutsche Baustellen und in deutsche Baumärkte kommen? Wie wollen Sie das Thema „Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden“ stärken und damit den nachhaltigen Konsum beim Wohnen voranbringen? Denn gerade beim Bauen sind wir nach wie vor ziemlich große Ressourcenfresser. Wir können nicht in der Art und Weise, wie wir heute bauen, unsere Zukunft bauen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ich stimme Ihnen in der Analyse zu. Wir sind auch als Konsumenten ziemliche Ressourcenfresser; denn die Zahl der Quadratmeter, die wir für uns in Anspruch nehmen, steigt ständig. Das will ich jetzt nicht - damit Sie nicht auf den Gedanken kommen - irgendwie per Gesetz begrenzen. Es ist aber natürlich so, dass heute jeder von uns deutlich mehr Quadratmeter als zum Beispiel vor 50 Jahren zur Verfügung hat. Das ist rechnerisch einfach so. Dabei handelt es sich um einen der größten Konsumverbräuche, die wir überhaupt - auch unter ökologischen Gesichtspunkten - haben. Man muss schließlich auch noch heizen. Der Flächenverbrauch hat also noch weitere Folgen bzw. führt zu weiterem Ressourcenverbrauch. Keine Frage, das ist so. Sie wissen, dass unsere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Zulassung von Bauprodukten beschränkt sind. Allerdings haben wir - das geschah nicht erst neuerdings - im Bereich der Bauprodukteforschung einiges auf den Weg gebracht. Wir werden das auch in Zukunft weiter machen. Wie Sie wissen, sind wir gerade dabei, ein eigenes Programm zu erstellen. Das ist ausgeschrieben. Es wird zu Beginn des Jahres entschieden werden, wer an diesem Programm teilnehmen kann. Dabei geht es um kleine Wohnungen, die variabel zu gestalten sind. Dies alles dient dazu, den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Investoren Anstöße zu geben. Ich will jetzt nicht Sie persönlich ansprechen, es scheint mir aber aus den Worten der Kolleginnen und Kollegen von der GrüParl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth nenfraktion durchzuscheinen, dass sie eigentlich ganz viele Regelungen im Sinne von „Das wird verboten, und das wird erlaubt“ haben wollen. ({0}) Nein, das ist mit diesem Programm so nicht vorgesehen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, dass Sie ein Nachdenken über Lebensstile anregen wollen. Das freut uns natürlich. Wir tun das schon lange. Aber wir denken nicht nur darüber nach, wir lassen die Ergebnisse dieses Nachdenkens dann auch in unsere Politik einfließen. Ihr Koalitionspartner hat genau gegen die Ergebnisse solchen Nachdenkens in der Politik im letzten Bundestagswahlkampf eine „ordentliche“ Kampagne unter dem Stichwort „Veggieday“ gegen uns gefahren. Insofern freue ich mich jetzt durchaus, dass wir da eventuell Unterstützung bekommen. Allerdings geht es mir - so wie meinen Vorrednerinnen und -rednern auch - so, dass ich mir unter einem Nationalen Programm ein bisschen mehr als ein paar konkrete Gesetzesinitiativen irgendwann vorstelle. Sie müssen nichts verbieten, sondern können auch anders arbeiten. Ich nenne in diesem Zusammenhang konkrete Ziele, Zeitpläne und Haushaltsmittel, die man einstellen will. Vielleicht aber kommt das alles noch. Ich will das an einem Satz festmachen, der mir gerade im Zusammenhang mit dem, was ich vorher genannt habe, aufgefallen ist. Im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum steht auf Seite 32: Auch die Wahl der Lebensmittel spielt eine große Rolle. So verursachen pflanzliche Lebensmittel i. d. R. erheblich weniger Umweltbeeinträchtigungen … als Lebensmittel tierischer Herkunft. Was gedenkt das Ministerium aus dieser Erkenntnis zu machen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, wir gedenken nicht, die Tierzucht in Deutschland zu verbieten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Carsten Träger, SPD-Fraktion.

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte vorwegschicken, dass auch die Koalitionsfraktionen Ihr Programm begrüßen. Es ist nicht so, dass Sie Zuspruch nur von der Opposition bekommen. In der Öffentlichkeit und auch im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung diskutieren wir oft über das Thema des nachhaltigen Konsums. Ein Satz bzw. eine These beschäftigt uns immer wieder: Der Preis muss auch die Wahrheit sprechen. - Von daher finde ich den Ansatz des doppelten Preisschildes, den Sie angerissen haben, sehr interessant. Ich bitte Sie, dazu ein paar Ausführungen zu machen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Sie können sich sicher vorstellen, Herr Kollege Träger, dass das durchaus noch ein Bohren harter Bretter sein wird, weil damit für Verbraucher und Hersteller natürlich klar ist, welche Produkte mehr oder weniger nachhaltig sind. Wenn Sie sich überlegen, wie schwierig es war, zum Beispiel eine Kennzeichnungsampel durchzusetzen - sie wäre eigentlich, bezogen auf einige Lebensmittel, ein sehr einfaches Instrument, um festzustellen, was mehr oder weniger gesundheitsschädlich ist -, dann werden Sie sich vorstellen können, dass wir noch eine ganze Zeit brauchen werden, um das doppelte Preisschild durchzusetzen. Aber es geht uns in der Tat darum, die Sozial- und die Umweltauswirkungen eines Produktes deutlicher zu machen, sodass den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht wird, auch unter diesem Gesichtspunkt eine Kaufentscheidung zu treffen. Dafür ist in der Tat sicherlich die Unterstützung des ganzen Hauses notwendig.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke sehr. - Ich möchte zwei Sätze von Seite 9 Ihres Berichtes zitieren und dazu jeweils eine Frage stellen. Der erste Satz lautet: Außerdem ist die Stärkung der Berücksichtigungsfähigkeit von Nachhaltigkeitskriterien durch die Modernisierung des Vergaberechts für die öffentliche Beschaffung und somit auch für einen nachhaltigen Konsum von Bedeutung. Jenseits des Satzbaus und der Verstehbarkeit: Wenn das von Bedeutung sein soll, warum haben wir im Vergaberecht und heute im Rechtsausschuss, als es um die Vergabeverordnung ging, keinerlei Nachhaltigkeitskriterien festgelegt? Ich denke zum Beispiel an die ILO-Kernarbeitsnormen. Das heißt, bei der öffentlichen Auftragsvergabe ist Kinderarbeit kein Ausschlusskriterium. Das verschlägt mir echt die Sprache, insbesondere, weil sich die alte, traditionsreiche sozialdemokratische Partei mit globaler Gerechtigkeit beschäftigen wollte. Der zweite Satz auf dieser Seite, den ich zitieren möchte, lautet: „Den Maßnahmen kommt daher teilweise nur Vorschlagscharakter zu“, und vorher steht dort: Soweit die im Programm aufgeführten Maßnahmen nicht bereits laufen oder fortgeführt werden, müssen sie zum Teil noch abschließend geklärt werden ... Das heißt: Was alt ist, kennen wir schon; was neu ist, muss noch geklärt werden. Können Sie mir sagen, ob es irgendeine feste Maßnahme gibt - und zwar nicht die Einrichtung eines Debattierzirkels oder eines Debattierzirkus -, die jetzt tatsächlich zwingend umgesetzt wird?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, Frau Kollegin. Wir haben heute im Bundeskabinett dazu beschlossen, dass jedenfalls der Bund diese Kriterien bei der Vergabe beachten will. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Menz, Fraktion Die Linke.

Birgit Menz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004619, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön; ich wollte noch einmal nachfragen. - Ich weiß, dass die verschiedensten Ressorts das zusammen erarbeitet haben. Schon in der kurzen Zeit, die ich diesem Hause angehöre, hat sich mir immer wieder gezeigt, dass die Ressorts auch dann gegeneinander arbeiten, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Die spannende Frage ist jetzt, wie wir das in Zukunft verhindern. Ein neues Beispiel haben wir: Ich höre jetzt ganz nebenbei, dass es auch beim Kükenschreddern, das erst Ende 2017 verboten werden soll, nicht anders ist. Der eine will es verbieten, der andere nicht, und wir kommen im Endeffekt zu keiner Einigung. So setzt sich das fort. Das wirkt sich auch international aus. Ich denke zum Beispiel an Glyphosat, was auch internationale Auswirkungen hat. Wo kommen wir hier unserer Verantwortung nach, Nachhaltigkeitsbelangen auch international gerecht zu werden?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, ich kann verstehen, dass es für Sie, die Sie seit zwei Jahren Mitglied dieses Hohen Hauses sind, zunächst überraschend ist, dass es auch innerhalb einer Bundesregierung durchaus unterschiedliche Interessenlagen gibt. Das ist aber so wie in der gesamten Gesellschaft, und damit muss man sich auch auf der politischen Ebene auseinandersetzen. Ich mag Frau Flachsbarth gern, und trotzdem wird zwischen unseren Häusern immer mal gestritten, zum Beispiel, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, über das Düngegesetz. Das heißt aber auch, dass es vollkommen normal und korrekt ist, dass man die jeweiligen Interessen, die man zu vertreten hat, eben auch vertritt. Wir finden dann, wie sich das in der Politik auch gehört, einen anständigen Kompromiss. Das führt dazu, dass nicht jeder sein Idealbild durchsetzen kann, sondern im Gegenteil: normalerweise keiner. Das ist aber das Übliche bei einem vernünftigen Kompromiss, und Sie wissen: Wir sollten es nicht „fauler Kompromiss“ nennen. Der Kompromiss ist das Wesen der Demokratie.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Die vereinbarte Redezeit ist jetzt abgelaufen. Gibt es zu anderen Themen noch eine Frage aus der Runde? - Das ist nicht der Fall. Ich weiß, es gibt noch ein paar Nachfragen aus dem Kreis derjenigen, die schon gefragt haben. Diese drei angemeldeten Nachfragen lasse ich jetzt noch zu. Ich bitte um kurze Fragen und knackige Antworten. Das sind noch Herr Krischer, Frau Bulling-Schröter und Christian Kühn.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Nachfragen noch zulassen. - Frau Ministerin, eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Hier haben Kollegen ernsthafte Fragen zur Ernährung gestellt, die Ihnen möglicherweise nicht gefallen. Es ist aber die Aufgabe der Opposition, zu einem Bericht, dessen Beratung Sie selber auf die Tagesordnung gesetzt haben, kritische Nachfragen zu stellen. Wenn dann ein Satz kommt wie „Wir wollen nicht den Fleischkonsum verbieten“, wonach überhaupt nicht gefragt worden ist, dann finde ich das ein bisschen merkwürdig. Das kenne ich von Ihnen bisher auch nicht. Deshalb finde ich das ein bisschen schade. Ich möchte auch eine konkrete Frage stellen. Jetzt kommt etwas Positives, keine Sorge. Zum Thema Verschleiß hat das Umweltbundesamt eine, wie ich finde, sehr gute Studie gemacht. In dem Bericht kommt aber die entscheidende Maßnahme, die das Umweltbundesamt vorschlägt, nämlich dass Hersteller gegenüber den Konsumenten Informationspflichten beim Thema Verschleiß haben, sodass sie Produkte überprüfen können, nicht vor. Stattdessen sprechen Sie in dem Bericht von freiwilligen Selbstverpflichtungen, die gerade in dem Bereich nicht unbedingt Erfolge gezeitigt haben. Ist es für Sie vorstellbar, dass Sie die Vorschläge des Umweltbundesamtes aufgreifen und über die in Ihrem Bericht angekündigten Dinge hinausgehen?

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Krischer, ich kann Ihr Interesse daran sehr gut verstehen. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass wir das in einem europäischen Verbund, in dem wir uns ja befinden, nach meinem Dafürhalten auch unter dem Gesichtspunkt von Wettbewerbsbedingungen nur dann verpflichtend durchsetzen werden können, wenn wir das auch auf europäischer Ebene hinbekommen. Die Ökodesign-Richtlinie ist dabei der richtige Weg. Sie könnte aber natürlich einen noch größeren Anwendungsbereich bekommen, so wie Sie es gerade skizziert haben. Da wäre ich mit Ihnen vollkommen einer Meinung. Aber wir können das - unter dem Gesichtspunkt von Wettbewerbsbedingungen - schlecht alleine in der Bundesrepublik Deutschland verpflichtend machen. Deswegen setzen wir in diesem Zusammenhang auf freiwillige Selbstverpflichtungen, die letztlich, wenn man sie positiv wahrnimmt, ein gutes Verkaufsargument in Richtung Konsumenten darstellen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Kollegin Bulling-Schröter hat die nächste Nachfrage.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Wir haben vorher schon kurz über Ausschreibungen gesprochen. Jetzt habe ich gehört, Sie möchten eher auf Bundesebene etwas regeln. Aber ich denke, dass gerade in Fragen der Nachhaltigkeit Land und Kommunen ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Ausschreibungen sind. Ich möchte ein Beispiel nennen, das auch in der tollen Sendung quer behandelt wurde; es bezieht sich auf Bayern. Dort wurde Schulessen ausgeschrieben. Es ist jetzt zwar ein paar Cent billiger, aber es kommt von weit her, ist in Alu verpackt und muss aufgewärmt werden, weil es eingefroren ist. Das soll angeblich den Ausschreibungskriterien entsprechen, in denen explizit von Ökologie und Nachhaltigkeit die Rede ist. Für mich ist das überhaupt nicht nachhaltig. Denken Sie, dass wir Regelungen finden können, damit so etwas in Zukunft verhindert wird? In dieser Fernsehsendung wurde auch angesprochen, dass die Definition von regionalen Produkten nicht genau ist, sodass diese Produkte gar nicht aus einer bestimmten Region kommen, sondern nur dort produziert werden müssen. Das alles verstehe ich nicht unter Nachhaltigkeit. Wenn das mit Kostenkriterien wieder ausgehebelt wird, nützt das beste Papier nichts.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin, da haben Sie natürlich recht. Wenn man bei Ausschreibungen ausschließlich unter Kostengesichtspunkten entscheidet, dann führt das häufig dazu, dass die Nachhaltigkeit nicht gegeben ist, dass möglicherweise soziale Standards nicht berücksichtigt werden und vieles andere dabei zu kurz kommt. Ich kann nur etwas für die Bundesregierung dazu sagen, weil wir uns gerade heute Morgen im Kabinett erneut darüber verständigt haben, dass wir unsere Vergaben danach ausrichten werden. Darauf haben wir uns heute Morgen eindeutig verpflichtet. Aber selbstverständlich kann ich das nicht für alle Bundesländer verpflichtend machen. Andererseits sollte es eigentlich jedem Verantwortlichen klar sein, dass „billig“ nicht gleich „preiswert“ ist. In den Vergaben wird immer nach Preiswürdigkeit gefragt; das Wort „billig“ kommt nicht vor. Deswegen ist es in der Tat auch die Aufgabe der politisch Verantwortlichen auf der jeweiligen Ebene - das geht bis hin zu den Kommunen, die insgesamt gesehen große Vergaben organisieren -, dies entsprechend umzusetzen. Dazu braucht man natürlich auch eine politische Verantwortung, um diese Aufgabe wahrzunehmen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Letzter Fragesteller: Abgeordneter Christian Kühn.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident, dass Sie diese letzte Frage noch zulassen. - Frau Ministerin, bevor ich zu meiner kurzen Frage komme, eine kleine Vorbemerkung: Sie haben gesagt - ich fasse das kurz zusammen -, die Grünen wollten immer Dinge verbieten. Gerade aber im Umweltbereich waren Verbote in der Vergangenheit dringend notwendig. Nehmen Sie als Beispiele FCKW oder andere Chemikalien. Ohne entsprechende Verbote und ohne Ordnungsrecht wären wir in der Umweltpolitik nicht so weit gekommen. Deswegen fasse ich das, was Sie gesagt haben, als kleine, flapsige Bemerkung auf, aber ich weiß doch, dass auch Sie wahrnehmen, dass Verbote in der Umweltpolitik viel gebracht und unsere Umwelt geschützt haben. In meiner Frage geht es aber nicht um das Ordnungsrecht, sondern um Anreize. Durch die KfW werden unfassbar viele Bauprojekte in Deutschland gefördert, sowohl im Neubau- als auch im Sanierungsbereich. Ich bekomme von der KfW immer die Antwort: Wir fördern technologieoffen. - Aber Themen wie graue Energie, ökologische Baustoffe oder nachwachsende Rohstoffe werden dort überhaupt nicht abgebildet. Planen Sie etwas, was dafür sorgt, dass sich die KfW solcher Themen stärker annimmt und entsprechende Förderkriterien in ihre Richtlinien einfügt? Damit würden Sie nachhaltigen Konsum im Baubereich wirklich voranbringen.

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, ja, da haben Sie recht. Das wäre eine der Möglichkeiten, die uns tatsächlich voranbringen könnten. Ich persönlich würde das gerne so sehen; das ist gar keine Frage. Darüber sollten wir uns in der Bundesregierung noch abstimmen. Ich bin gerne bereit, das verstärkt in die Förderkriterien einzubeziehen. Im energetischen Bereich findet das bereits vollkommen statt. Dafür gibt es richtig gute Beispiele. Dort kommen wir mit den KfW-Förderprogrammen gut voran. Es spricht in der Tat nichts dagegen, das im Bereich der Ressourcenschonung in vergleichbare Richtung zu lenken. Ich will gerne noch auf Ihre Vorbemerkung eingehen. Ja, selbstverständlich haben wir uns im Umweltrecht auf Verbote und Gebote stützen müssen; das ist keine Frage. Das werden wir auch in Zukunft tun. Aber ich habe das auf Lebensstile bezogen. Konsumverhalten ist auch Teil des Lebensstils. Da möchte ich nicht gerne mit Geboten und Verboten arbeiten. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde ({0}) Drucksache 18/7603 Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 18/7603 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Frage 1 der Abgeordneten Erika Steinbach wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung steht bereit der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle. Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Aus welchen Gründen werden in Deutschland voraussichtlich keine Verkehrsprojekte durch den EFSI ({1}) gefördert ({2}), und inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Mehrheit der Vorhaben im Verkehrsbereich um Autobahnprojekte handelt, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen des EFSI zukünftig mehr in Vorhaben zur Förderung nachhaltiger Mobilität im Sinne des Weißbuchs Verkehr 2011 investiert wird? Herr Staatssekretär, bitte.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Wilms, die Einschätzung, dass in Deutschland voraussichtlich keine Verkehrsprojekte durch den EFSI gefördert werden, wird vor dem Hintergrund, dass sich auf der aktuellen EFSI-Projektliste der Europäischen Investitionsbank das Projekt A 6 Weinsberg-Wiesloch/Rauenberg befindet, nicht geteilt. Im Rahmen des EFSI förderfähig sind auch Vorhaben, die die Entwicklung von Verkehrsinfrastrukturen und Ausrüstungen sowie von innovativen Technologien für den Verkehr insbesondere durch intelligente und nachhaltige Lösungen zur städtischen Mobilität verfolgen und die auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen und Reduzierung des Energieverbrauchs gerichtet sind.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Bitte.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, mit Blick auf das A-6-Projekt möchte ich zunächst feststellen, dass „zusätzlich“ und „gemeinnützig“ als EFSI-Kriterien gelten sollten. Hätte der vorgesehene Betreiber Ihres ÖPP-Projekts A 6 die entsprechenden Investitionen nicht auch ohne EFSI-Förderung getätigt, und wird hier nach Auffassung der Bundesregierung das eigentliche Ziel des EFSI, zusätzliche Investitionen zu fördern und nicht bestehende Projekte zu vergolden, nicht konterkariert?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Wilms, beim EFSI handelt es sich um einen Garantiefonds, der insbesondere privates Kapital mobilisieren soll. Im Rahmen der EFSI-Kriterien werden bei jedem einzelnen Projekt die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Vorhabens, die Vereinbarkeit mit der Unionspolitik insgesamt, die Zusätzlichkeit, die maximale Mobilisierung privaten Kapitals und die technische Durchführbarkeit geprüft. Das sind die Entscheidungskriterien für die EIB. Insofern ist es für die Durchführbarkeit des ÖPP-Projekts A 6 eine unterstützende Hilfe, wenn ein Teil des Risikos durch die EIB abgebildet wird.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage?

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne, Herr Präsident. - Sie haben eben eines dieser Kriterien aufgeführt: zusätzlich. Das verstehe ich noch nicht ganz. Hätte das A-6-Projekt denn nicht stattgefunden, wenn es die EFSI-Förderung nicht gegeben hätte, oder was ist da der Hintergrund? Denn wenn es auch ansonsten gebaut worden wäre, hätte normalerweise keine EFSI-Förderung fließen dürfen, weil es nicht „zusätzlich“ ist und damit das Kriterium nicht erfüllt wird. Das müssten Sie mir noch ein bisschen genauer erklären. Haben Sie noch weitere Projekte, die, wenn wir diese Kriterien anwenden, in Deutschland für eine EFSI-Förderung infrage kommen würden?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Zum ersten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin, was die Zusätzlichkeit anbelangt: Ich habe ausgeführt, dass das nur eines unter mehreren Kriterien ist, die beurteilt werden. Zum anderen muss man die Zusätzlichkeit sicherlich auch auf der Zeitschiene sehen. Wir sind der Auffassung, dass die A 6 innerhalb eines ÖPP-Projektes deutlich schneller realisiert werden kann, als wenn man das Projekt mit konventioneller Finanzierung vorantreiben würde, wie es übrigens die grün-rot geführte Landesregierung Baden-Württembergs immer gefordert hat. Wir wollen dieses Projekt schnell realisieren und es deshalb mit einem ÖPP-Modell unterfüttern. Zur zweiten Frage. Ich gehe davon aus, dass wie die A 6 auch weitere ÖPP-Projekte durch EFSI gefördert werden könnten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Behrens.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ich hatte eben den Begriff des Unterfütterns bei Ihnen gehört. Wie http://ec.europa.eu/priorities/sites/beta-political/files/sector-factsheet-transport_en.pdf http://ec.europa.eu/priorities/sites/beta-political/files/sector-factsheet-transport_en.pdf ist denn die Finanzierung im Groben zusammengesetzt? Sie sprechen davon: Die A 6 soll als ÖPP-Projekt realisiert werden; es fließen EFSI-Mittel ein, es fließen Bundesmittel ein. - Wie ist das Ganze konstruiert? Können Sie dazu etwas sagen?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, EFSI-Mittel sind keine Fördermittel, mit denen man einen Investor sozusagen mit Bargeld unterstützt, vielmehr funktioniert der EFSI-Fonds so, dass mit relativ kleinem Kapitaleinsatz ein relativ großer Hebel erzeugt werden soll. ({0}) Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen rund 315 Milliarden Euro. Das funktioniert insofern, als der EFSI die Risikoabdeckung, also Garantien für mögliche Ausfälle, übernimmt. Das ist ein großer Unterschied. Deswegen kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie innerhalb des ÖPP-Projektes A 6 die genauen Finanzierungsbedingungen aussehen werden. Das muss sich erst noch herausstellen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir jetzt zur Frage 3 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms: Wie bewertet die Bundesregierung die Überprüfung der beabsichtigten Lkw-Mautausweitung ohne Ausschreibung durch die Vergabekammern mit dadurch möglichen folgenden Gerichtsverfahren in Hinblick auf Verzögerungen bei der Mautausweitung, und inwieweit werden dadurch neben zukünftigen auch bestehende Mauteinnahmen gefährdet ({0})? Herr Staatssekretär.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Wilms, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Toll Collect GmbH aufgefordert, ein Angebot für die technische Aufrüstung des bestehenden Systems einzureichen. Gegen die gewählte Art des Vergabeverfahrens hat die Kapsch TrafficCom AG aus Wien einen Antrag auf ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Bundes gestellt. Die Vergabekammer hat diesen am 18. Februar 2016 zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vollumfänglich bestätigt. Eine Gefährdung bestehender und zukünftiger Mauteinnahmen besteht aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur deshalb nicht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben eben nonchalant gesagt, finanzielle Risiken bestünden nicht. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, liegt nur die Entscheidung der Vergabekammer vor. Grundsätzlich besteht noch die Möglichkeit des Antragstellers, der Firma Kapsch, das gerichtlich überprüfen zu lassen. Dann müssen Sie doch im Hintergrund eigentlich eine Abschätzung haben, was im schlimmsten Fall auf den Bund zukommen könnte. Würde das eventuell sogar das gesamte derzeitige Mautsystem gefährden? Ist ab 2018 damit zu rechnen, dass wir keine Einnahmen aus der Lkw-Maut haben? Dazu hätte ich ganz gern eine Risikoabschätzung von Ihnen gehört.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Wilms, das BMVI hat verschiedene Szenarien zur Umsetzung der Mauterweiterung im Jahr 2018 geprüft und auch auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht. Die rechtliche Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb mit der derzeitigen Betreibergesellschaft des bestehenden Lkw-Mautsystems wurde ergebnisoffen geprüft. Wir haben uns das vorab durch ein Gutachten einer unabhängigen Rechtsanwaltskanzlei bestätigen lassen. Insofern sind wir sicher, rechtssicher zu sein, und sehen allen weiteren Dingen gelassen entgegen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage?

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber gerne, Herr Präsident. - Die Frage zum Risiko wollen Sie offenbar nicht beantworten. Toll, wenn ich das so sehe.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Ich sehe kein Risiko.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist in Unternehmen aber üblich, dass man so etwas abbildet, aber offenbar beim Bund nicht. Wir können ja einfach gegebenenfalls die Steuern erhöhen. Meine Zusatzfrage, die ich noch habe, lautet: Sofern die Mautausweitung auf alle Bundesstraßen auch für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Tonnen mit einem einheitlichen System erfolgen sollte, aus welchen Gründen bevorzugt die Bundesregierung die Erhebung ausschließlich mit dem bestehenden System Toll Collect? http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1 http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1 http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1 http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin, wir haben jetzt die Ausweitung der Maut auf Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 7,5 Tonnen und die Ausweitung auf autobahnähnlich ausgebaute Bundesstraßen beschlossen. Ab 2018 soll diese Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden. Das bereiten wir entsprechend vor, und wir werden die notwendigen rechtlichen und haushalterischen Maßnahmen rechtzeitig einleiten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage des Abgeordneten Behrens, Fraktion Die Linke.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben gerade davon, dass Sie verschiedene Szenarien geprüft hätten. Welche außer der freihändigen Vergabe waren das?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, es handelte sich nicht um eine freihändige Vergabe, sondern wir haben Toll Collect aufgefordert, uns ein Angebot für diese Mauterweiterung im Jahr 2018 einzureichen, sodass auch künftig mit nur einem Fahrzeuggerät die Maut entrichtet werden kann. Die Abgabe eines Angebotes ist etwas anderes als ein Auftrag und ein Zuschlag. Da besteht ein Unterschied.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Kollegin Leidig, Fraktion Die Linke.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich frage nach, weil Ihre Formulierung, Herr Staatssekretär, wie ich finde, etwas nebulös war. Es ist doch richtig, dass Toll Collect diesen Auftrag bekommen hat und Sie darauf verzichtet haben, andere mögliche Anbieter in einem wettbewerblichen Verfahren einzubeziehen?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin, ich wiederhole: Wir haben Toll Collect aufgefordert, uns ein Angebot für diese vorgesehene Mauterweiterung abzugeben. Bevor ein Auftrag erteilt wird, ist selbstverständlich eine europaweite Ausschreibung notwendig.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Herbert Behrens, Fraktion Die Linke: Welchen Zeitraum hat die Bundesregierung, vor dem Hintergrund einer entsprechenden Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann, im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom 17. Februar 2016, bezüglich der für das Jahr 2018 geplanten Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen im internen Zeitplan für eine mögliche Klage wegen der geplanten Direktvergabe an Toll Collect GmbH für die technische Vorbereitung dieser Ausweitung eingeplant ({0}), und welche anderen Möglichkeiten als eine Direktvergabe dieser Leistung hat die Bundesregierung verworfen ({1})? Herr Staatssekretär.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Toll Collect GmbH aufgefordert, ein Angebot für die technische Aufrüstung des bestehenden Systems einzureichen. Gegen die gewählte Art des Vergabeverfahrens hat die Kapsch TrafficCom AG aus Wien einen Antrag auf Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Bundes gestellt. Die Vergabekammer hat diesen am 18. Februar 2016 zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vollumfänglich bestätigt. Die Verhandlungen mit der Toll Collect GmbH über die technische Erweiterung des Mautsystems für die Lkw-Maut auf allen Bundesstraßen im Jahr 2018 werden planmäßig fortgeführt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage: Abgeordneter Behrens.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

„Planmäßige Weiterführung der Ausschreibung“ heißt dann auch, dass Sie, einem von Ihnen gewählten Zeitplan folgend, die weiteren Schritte unternehmen. Auf eine Nachfrage sagte Staatssekretär Ferlemann: Selbst in dem Fall, dass Kapsch in der Frist, die der Firma noch zur Verfügung steht, eine Klage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einreicht und mit einem Verfahren gerechnet würde, würde dieser Klagezeitraum im Verfahren schon berücksichtigt sein. Welche Zeitverzüge kalkulieren Sie denn ein, wenn die Firma Kapsch tatsächlich noch gegen dieses Urteil der Vergabekammer Klage einreicht?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Wir wissen ja nicht, was die Firma Kapsch beabsichtigt, ob sie klagt und, wenn ja, ob dann die Klage erfolgreich ist oder nicht. Das hängt von vielen Dingen ab. Deshalb kann ich das nicht beurteilen. Wir sind davon überzeugt, dass wir rechtzeitig in der nächsten Legislaturperiode die Ausweitung der Lkw-Maut vornehmen können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Eine Zusatzfrage, die auf den daraus folgenden Gesetzentwurf abzielt. Ich habe Informationen, dass sich http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html der Gesetzentwurf zur Mautausweitung bereits in der Bearbeitung befindet. Ich möchte ganz gerne von Ihnen erfahren, wann damit zu rechnen ist, dass dieser Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht wird.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, es ist richtig: Der Gesetzentwurf befindet sich in Erarbeitung, genauer gesagt: in der Ressortabstimmung. Da diese Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen ist, kann ich Ihnen auch keinen Termin nennen, wann er ins Kabinett geht. Wir müssen die Einlassungen der beteiligten Ressorts abwarten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Valerie Wilms.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, habe ich es jetzt richtig verstanden, dass Sie Toll Collect aufgefordert haben, ein Angebot für die notwendigen Erweiterungen abzugeben, dass aber nachher noch ein Ausschreibungsverfahren starten soll, das dann auch europaweit umgesetzt wird? Wenn das so sein sollte, dann frage ich mich, wie Sie das bis Ende 2018 hinbekommen wollen.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Wilms, ein europaweites Ausschreibungsverfahren dauert in der Regel sechs Monate. Wir haben jetzt Februar 2016. Bis 2018 soll dieses Verfahren gelaufen sein. Ich denke, wir kommen hin.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben die Erfahrungen bei der Schleuse Brunsbüttel, nicht wahr?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Mit Brunsbüttel haben wir andere Erfahrungen gemacht. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das war eine unzulässige Nachfrage; sie wurde trotzdem souverän beantwortet. Wir kommen jetzt zur Frage 7 des Abgeordneten Herbert Behrens, Fraktion Die Linke: Teilt die Bundesregierung die im Abschlussbericht der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ getroffene Einschätzung, dass für die Gründung der vom Bund avisierten Infrastrukturgesellschaft „ein Zeitfenster von mehr als zwei Legislaturperioden ... durchaus realistisch“ sei und zumindest in dieser Übergangsphase „mit erheblichen Redundanzen und Doppelstrukturen zu rechnen“ sei und es zu befürchten sei, dass die „Transaktionskosten bei weitem die Effizienzeinsparungen übersteigen“? Herr Staatssekretär, zur Beantwortung, bitte.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, die Antwort der Bundesregierung lautet klar und deutlich: Nein.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine klare kurze Antwort. Ich vermute, es gibt den Wunsch nach einer Nachfrage. Stimmt das? - Ja. Das war richtig vermutet.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, halten Sie die Aussage, dass Implementierung und Arbeitsfähigkeit einer Bundesgesellschaft erst nach mehreren Jahren erreicht sein können, für unrealistisch?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, wir wollen das Reformvorhaben bis Ende 2020 abschließen. Wir wollen in der Zwischenzeit die Reform zielorientiert und im Sinne der Nutzer so wirtschaftlich wie möglich umsetzen. Deshalb kann man über diese Bedenken der Kommission nur spekulieren.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Nachfrage, Abgeordneter Behrens? - Bitte.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Trifft es zu, dass sich ein Gesetzentwurf zur Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft schon im Prozess der Erarbeitung befindet?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Staatssekretär.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege, ein Gesetzentwurf dazu ist mir nicht bekannt. Es gibt ein Papier aus unserem Hause, das auch dem Ausschuss zugeleitet worden ist. Aber von einem Gesetzentwurf weiß ich noch nichts.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 8 der Abgeordneten Sabine Leidig, Fraktion Die Linke - gleiche Thematik -: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der Sonder-Verkehrsministerkonferenz am 23. Februar 2016 zum Abschlussbericht der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ vor dem Hintergrund der Pläne der Bundesregierung zur Reform der Auftragsverwaltung mit der beabsichtigten Gründung einer „Infrastrukturgesellschaft des Bundes mit Fokus auf den Bundesautobahnen“ ({0})? Herr Staatssekretär, bitte.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Leidig, die Ergebnisse der Sonder-Verkehrsministerkonferenz vom 23. Februar 2016 zum Abschlussbericht der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ werden derzeit durch die Bundesregierung ausgewertet.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine Frage lautet, ob die Bundesregierung bereit ist, in einem offenen Dialog mit den Bundesländern die unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft des Bundesfernstraßenbaus zu beraten und zu diskutieren, und in welcher Form dieser Dialog stattfinden soll.

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Leidig, die Bundesregierung strebt an, die Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz von gestern auszuwerten. Wir nehmen zunächst einmal die Einlassung der Bundesländer zur Kenntnis. Die Einlassung der Bundesländer in diesem frühen Stadium verwundert nicht. Man muss sie sicherlich noch von den Vorteilen dieser einzurichtenden Gesellschaft überzeugen. Dann gibt es vielleicht eine andere Grundeinstellung. Es gilt bei diesem Vorgang die alte Volksweisheit, die da lautet: Man sollte Frösche nicht mit dem Auspumpen des Sees beauftragen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage?

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ich bin sehr erstaunt, wie Sie über die Bundesländer sprechen - das muss ich schon sagen -, weil die Bedenken, die dort formuliert werden, durchaus ernst zu nehmen sind. Das geht weit über den Kreis der sogenannten Frösche hinaus. Ich möchte noch eine Frage stellen. Sie sind sich ja sehr sicher, dass Sie die Bundesländer überzeugen können; das sage ich jetzt in Anführungszeichen. Meine Frage lautet, ob Sie schon eine Vorstellung davon haben, was Sie den Ländern in den Bund-Länder-Verhandlungen anbieten wollen, wie Sie die Länder einkaufen wollen, sodass sie dem Vorschlag, den der Bund auf den Tisch gelegt hat und den sie aus guten Gründen ablehnen, dennoch zustimmen. Was haben Sie denn als Verhandlungsmasse?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Leidig, Sie werden von mir nicht ernsthaft erwarten, dass ich über Verhandlungsmassen spekuliere oder über Angebote der Bundesregierung an die Länder, die im Rahmen der schwierigen Verhandlungen zur Zukunft der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu tätigen sind. Da ist ein großes Gesamtpaket zu verhandeln, und es wäre fahrlässig, über einzelne Punkte und Details zu spekulieren.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Jetzt haben wir zwei Zusatzfragen, erst einmal von Frau Dr. Wilms und dann von Herrn Behrens.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, nach dem Bericht, der gestern auf der Sonder-VMK verabschiedet worden ist, soll es ein sogenanntes Besteller-Ersteller-Prinzip geben. Das würde doch eigentlich bedeuten: Wenn wir als Bund Besteller wären, dann könnten wir uns unseren Ersteller aussuchen, könnten sogar in ein europaweites Vergabeverfahren eintreten. Oder mache ich da irgendwie einen Denkfehler? Wie sehen Sie das?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Frau Kollegin Wilms, mit dieser Einrichtung des Bundes wollen wir Einsparpotenziale und Effizienzpotenziale erschließen, nämlich dadurch, dass dann Planung, Baudurchführung und Finanzierung von Bundesfernstraßen in einer Hand liegen. Wir sehen große Effizienzpotenziale und Einsparmöglichkeiten, wenn insbesondere die Finanzierung und die Planung in einer Hand liegen. Derzeit bestehen für die Länder wenige Anreize, eine intensive, auch kostenintensive Planung durchzuführen, um hinterher Kostensteigerungen zu vermeiden. Wenn das in einer Hand liegt, ist eher gewährleistet, dass man durch entsprechend intensive und aufwendige Planung hinterher einen besseren, zügigeren und kostengünstigeren Baufortschritt erreicht.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Kollege Behrens.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Den Zuhörerinnen und Zuhörern vielleicht zur Erklärung: Das, was der Verkehrsminister vorhat, nämlich die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft, wurde gerade von 16 Verkehrsministern zurückgewiesen, die nicht alle den Oppositionsparteien angehören. Insofern haben wir da offenbar ein richtiges Problem. - Da ist es interessant, von Ihnen, Herr Staatssekretär, zu hören, dass Sie inzwischen von einer Einrichtung des Bundes sprechen. Damit ist der Begriff der Bundesfernstraßengesellschaft schon einmal weg. Soll diese Einrichtung des Bundes eine Staatsgarantie - darauf bezog sich eine Kritik der Bundesländer erhalten? Wenn dem nicht so ist: Warum lehnt man sich da nicht an das Modell der ASFINAG an?

Norbert Barthle (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003033

Herr Kollege Behrens, Sie wissen genau, dass es innerhalb der Bundesregierung noch keine einheitliche Auffassung gibt, wie diese Bundesautobahngesellschaft im Detail ausgestaltet sein soll. Deshalb kann ich Ihnen dazu auch noch keine Antwort geben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. Die Frage 9 der Abgeordneten Katja Keul und die Frage 10 des Abgeordneten Axel Troost werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit. Ich rufe Frage 11 der Abgeordneten Sylvia KottingUhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf: In welcher/m aktuellen Phase/Verfahrensstand befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in Europa laufenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben, die Atomkraft betreffen - wie beispielsweise das polnische Atomprogramm, die britische Nuklearstrategie oder die Neubauvorhaben Hinkley Point C oder Flamanville 3 -, und welche Langzeitbetriebspläne - auch bekannt als „Long Term Operation“, kurz LTO - für europäische Atomkraftwerke, insbesondere solche in Nachbarstaaten Deutschlands, existieren nach Kenntnis der Bundesregierung ({0})? Frau Staatssekretärin, bitte. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, zu den von Ihnen explizit genannten Vorhaben kann ich Ihnen Folgendes sagen: Ich beginne mit Polen. Im Januar 2014 hat der Ministerrat der Republik Polen das nationale Kernenergieprogramm angenommen. Die polnische Espoo-Kontaktstelle hat den geplanten Neubau des Kernkraftwerks auf dem Gebiet der Wojewodschaft Pommern notifiziert. Es werden die Standorte Lubiatowo-Kopalino und Zarnowiec in Betracht gezogen. In Großbritannien sieht es wie folgt aus: Im Jahr 2008 hat sich Großbritannien für den Bau neuer Kernkraftwerke ausgesprochen. Die laufenden gasgekühlten Reaktoren sollen sukzessive abgeschaltet werden. Speziell zum Neubauvorhaben Hinkley Point C, mit dem zwei European Pressurized Water Reactor geplant sind, läuft derzeit die Standortanalyse. Die geplanten Baustarts sind im Jahr 2018 bzw. 2019. Angestrebt wird eine Inbetriebnahme im Jahr 2023 bzw. 2024. In Frankreich zu Flamanville 3: Aufgrund zahlreicher Verzögerungen ist die Inbetriebnahme statt ursprünglich 2012 nun für das Jahr 2018 geplant. Zu Ihrer Frage nach den Langzeitbetriebsplänen für europäische Atomkraftwerke, insbesondere solche in Nachbarstaaten Deutschlands, möchte ich folgende Beispiele hervorheben: Es wird Sie nicht wundern, wenn ich mit der Schweiz beginne. Abgesehen vom AKW Mühleberg ist das Betriebsende der Anlagen bislang unbefristet. In Mühleberg hat der Betreiber aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen die Außerbetriebnahme der Anlage für das Jahr 2019 angekündigt. Von den übrigen Anlagen haben Beznau 1 47 Jahre und Beznau 2 45 Jahre hinter sich. Das bis vor kurzem im Schweizer Parlament diskutierte Langzeitbetriebskonzept wurde nicht verabschiedet. In Tschechien sieht es folgendermaßen aus: Für das AKW Dukovany wird eine Laufzeitverlängerung angestrebt. Beginnend mit Block 1 könnte eine entsprechende Genehmigung für zehn Jahre Anfang dieses Jahres erteilt werden. Für das AKW Temelin wird für beide Blöcke eine Laufzeit von 60 Jahren angestrebt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, für diese Antwort. Was mir jetzt noch etwas fehlt, ist Frankreich. Ich höre, dass auch dort über eine Laufzeitverlängerung nachgedacht wird. Ich will aber vorausschicken: Ich halte, ehrlich gesagt, einen Teil der Neubaupläne, von denen Sie berichtet haben, für mehr oder weniger obsolet, weil sich über kurz oder lang herausstellen wird, dass alle diese Pläne ökonomische Desaster bedeuten. Insofern ist die Frage der Langzeitbetriebspläne, also die Frage der Verlängerungen, sehr viel relevanter, und zwar gerade auch für uns, weil wir das Land sind, das sich des Risikos auf eine andere Weise bewusst ist als unsere Nachbarn und deshalb die Atomkraftwerke in angemessener Zeit abschaltet. Jetzt gibt es ja verschiedene Vereinigungen, eine EU-Ratsarbeitsgruppe, Gruppen der bilateralen Zusammenarbeit und die WENRA. Werden denn in all diesen Vereinigungen die Themen „Laufzeitverlängerung“ und „Alterung der Atomkraftwerke“ - mit dem Alter erhöht sich die Störanfälligkeit - angemessen behandelt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, ich hatte schon im Ausschuss gesagt, dass für uns die Themen „Alterung der Atomkraftwerke“ und „Sicherheit“ sehr wichtig sind und wir sie deswegen auch auf europäischer Ebene in den einzelnen Gremien thematisieren, in der deutsch-schweizerischen Kommission und in der deutsch-französischen. Das wird demnächst, wenn sie installiert sein wird, auch in der deutsch-belgischen Kommission sicherlich eine Rolle spielen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke schön. - Eine kurze Frage noch: Gibt es Bündnispartner, die das genauso sehen und die vielleicht auch darauf drängen, dass man die Laufzeiten nicht ins Unermessliche steigert? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie sehen anhand der Pläne der einzelnen souveränen Staaten, wie deren Vorstellungen sind. Wir versuchen aber, die Beziehung zwischen Alterung der Reaktoren und Sicherheit als Thema auf sachlicher Ebene zu platzieren.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 12 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung konkret die Reaktordruckbehälter der grenznahen französischen Atomkraftwerke Cattenom 1 bis 4 und Fessenheim 1 bis 2 hinsichtlich der Frage ähnlich gravierender Materialprobleme wie die Reaktordruckbehälter der Atomkraftwerke Beznau 1, Tihange 2 oder Doel 3 seit dem Jahr 2012 ausreichend belastbaren und abdeckenden Ultraschallprüfungen auf dem Stand der Technik unterzogen oder nicht ({0}), und ist seitens der WENRA-Behörden ({1}) die Veröffentlichung einer aktualisierten Übersicht ähnlich dem „Annex: Activities with regard to WENRA recommendation plant by plant“ des in den vorgenannten Antworten der Bundesregierung referenzierten WENRA-Berichts vom 17. Dezember 2014 geplant ({2})? Frau Staatssekretärin, bitte. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, nach dem Bericht der WENRA, also der Western European Nuclear Regulators’ Association, vom 17. Dezember 2014 sind die Schmiederinge aller Reaktordruckbehälter der französischen Atomkraftwerke zerstörungsfreien Prüfungen mit Ultraschall unterzogen worden; dies schließt demnach auch die Standorte Fessenheim und Cattenom mit ein. Wie bereits in den Antworten der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 56 auf Bundestagsdrucksache 18/6603 und die mündliche Frage 37, Plenarprotokoll 18/154, Anlage 27, erwähnt, geht aus diesem Bericht hervor, dass sich aus den durchgeführten Prüfungen keine Hinweise auf entsprechende wasserstoffinduzierte Fehler in den Reaktordruckbehältern wie in Doel 3 und in Tihange 2 ergeben haben. Darüber hinausgehende Informationen zu den an den französischen Reaktordruckbehältern unternommenen Ultraschallprüfungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung geht weiter davon aus, dass bei sicherheitsrelevanten Ultraschallanzeigen an den Reaktordruckbehältern die französische atomrechtliche Aufsichtsbehörde ASN die Mitglieder der WENRA sowie die Öffentlichkeit informieren wird. Zu dem, was wir tun: Eine Aktualisierung des Berichts der WENRA vom 17. Dezember 2014 soll Gegenstand von Gesprächen in den kommenden Sitzungen ihrer Mitglieder werden. Da werden wir uns für eine Aktualisierung dieses Berichtes aktiv einsetzen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Danke schön, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, dass die ASN der WENRA und auch anderen Gremien mitteilen wird, wenn Ultraschalluntersuchungen negative Befunde ergeben, erscheint mir logisch. Aber dazu müssen die Ultraschalluntersuchungen erst einmal gemacht werden. Ich habe den WENRA-Bericht von 2014 bisher so verstanden, dass er sich auf die Auswertungen der Dokumentation stützt und nicht auf Ultraschalluntersuchungen. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie definitiv sagen können: „Ja, in Cattenom und Fessenheim wurden diese Ultraschalluntersuchungen gemacht“? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wie ich gerade gesagt habe, wurden nach dem Bericht der WENRA zerstörungsfreie Ultraschalluntersuchungen bei allen französischen Atomkraftwerken vorgenommen; dazu gehören auch Fessenheim und Cattenom. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Frage 13 des Abgeordneten Dr. André Hahn wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 14 des Kollegen Christian Kühn auf: Wie viele Sozialwohnungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern in den letzten beiden Jahren, für die die Zahlen vorliegen, fertiggestellt ({0})? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kühn, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Länder haben nach eigenen Angaben im Jahr 2013 insgesamt rund 10 000 Mietwohnungen und 4 000 Eigentumswohnungen bzw. Eigenheime im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung neu gebaut. Darüber hinaus wurde die Modernisierung von rund 22 000 Wohnungen gefördert. Im Jahr 2014 förderten die Länder den Bau von rund 12 500 Mietwohnungen und von rund 3 000 Eigentumswohnungen bzw. Eigenheimen. Der Schwerpunkt verlagerte sich somit stärker auf den Mietwohnungsbau. Die Länder förderten 2014 zudem die Modernisierung von rund 30 000 Mietwohnungen. Die Zahlen für 2015 liegen uns noch nicht vor. Um jetzt keine langen Tabellen vorlesen zu müssen, schlage ich vor, Ihnen die Aufschlüsselung der Zahlen auf die einzelnen Bundesländer für die Jahre 2013 und 2014 schriftlich zukommen zu lassen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das Angebot nehmen Sie wahrscheinlich an. - Haben Sie trotzdem noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ich nehme das Angebot gerne an und habe eine Zusatzfrage. - Wir beide wissen, dass sich in den letzten Jahren viel zu wenige Sozialwohnungen im Neubau befinden und wir die Rate deutlich steigern müssen. Die Bundesregierung hat jetzt einen Vorschlag gemacht, wie eine steuerliche Sonderabschreibung für den Wohnungsbau in Deutschland aussehen könnte. Danach soll er aber nicht unter die Mietpreisbindung fallen. Ich möchte wissen, welche Gründe dafür herangezogen werden, da so nicht gewährleistet ist, dass die zusätzlichen Wohnungen, die erheblich mit Steuergeld gefördert werden, im Bereich des sozialen Wohnungsbaus entstehen. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Kühn, ich möchte erst einmal festhalten, dass wir die Förderung für den sozialen Wohnungsbau ab diesem Jahr immerhin verdoppelt haben. Wir haben jetzt über die Jahre 2013 und 2014 geredet. Die Mittel ab 2016 haben wir verdoppelt. Die Länder haben sich freiwillig verpflichtet, diese Mittel auch wirklich im sozialen Wohnungsbau zu investieren. Um den Wohnungsmarkt insgesamt zu entspannen, brauchen wir auch steuerliche Anreize. Es wäre natürlich wünschenswert, eine gewisse Mietpreisbindung zu haben; aber es muss für den Investor noch interessant sein. Das schließt jedoch nicht aus, dass man dies im parlamentarischen Verfahren noch einmal berät.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hoffe, dass die SPD-Fraktion, der Sie ja angehören, diese Initiative in das Parlament einbringt. Wir Grünen werden das sicher mit unterstützen. Meine letzte Frage zu diesem Punkt: Sie haben gesagt, dass die Zahlen für das Jahr 2015 noch nicht vorliegen. Wann liegen die Zahlen vor? Wann ist mit einer Veröffentlichung der Zahlen aus dem letzten Jahr zu rechnen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Nach einem Gespräch zwischen Staatssekretär Adler und den Ländern wurde uns zugesichert, dass sie bis Mitte des Jahres vorliegen sollen. ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Abgeordnete Haßelmann hat noch eine Zusatzfrage. - Bitte.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Mittel verdoppelt worden sind. Vielleicht können Sie noch sagen, wie hoch die Mittel sind und was Sie glauben, wie viele Wohnungen mit einer Sozialbindung davon gebaut werden können, wenn die entsprechenden Ergänzungen der Länder kommen. Wir wissen - hier will ich an meinen Kollegen Christian Kühn anknüpfen -, dass jährlich 60 000 Sozialwohnungen aus der Bindung herausfallen. Ich habe angesichts der Zahlen für das Jahr 2013, die Sie genannt haben, nicht den Eindruck, dass wir auch nur ansatzweise mit den 10 000 Wohnungen dagegen anbauen, obwohl jeder weiß, dass wir bezahlbaren sozialen Wohnraum dringend brauchen. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Haßelmann, Sie wissen, dass wir nach der Föderalismusreform den Ländern die finanziellen Mittel überweisen. Diese betrugen bisher jährlich 518 Millionen Euro. Wir werden diese bis 2019 um insgesamt 2 Milliarden Euro verdoppeln. Das ist ein wichtiger Grundstein. Wir wissen aber auch, dass von den Ländern nicht alle Mittel in den sozialen Wohnungsbau geflossen sind. Die Länder haben sich jetzt freiwillig verpflichtet, die Mittel tatsächlich in den sozialen Wohnungsbau zu stecken. Manche Länder, zum Beispiel Baden-Württemberg, legen noch etwas drauf. Sie haben auch ein eigenes Interesse, dieses Problem zu lösen. Wie viele Wohnungen kann man davon bauen? Es gibt das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen. Hier gibt es Vorschläge, wie man kostengünstig bauen kann. Ich glaube, das wäre eine gute Gelegenheit, diese entsprechend umzusetzen. Insofern bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir den sozialen Mietwohnungsbau ausbauen können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 15 der Abgeordneten Erika Steinbach wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Uwe Kekeritz werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 18 und 19 der Abgeordneten Katrin Kunert sowie die Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Tabea Rößner werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 22 der Abgeordneten Bärbel Höhn sowie die Frage 23 des Abgeordneten Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Frage 24 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf: Ist es zutreffend, dass das Zurückweisungsverbot nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention auch dann greift, wenn die Gefahr besteht, dass der Staat, in den Schutzsuchende zurückgewiesen werden ({0}), seinerseits in einen dritten Staat bzw. in den Verfolgerstaat abschiebt, und inwieweit ist vor diesem Hintergrund die geplante Zurückweisung Schutzsuchender in die Türkei mit dem Zurückweisungsverbot vereinbar, da Berichte dazu vorliegen, dass die Türkei syrische Flüchtlinge nach Syrien zurückgeschickt hat ({1})? Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Dağdelen, ich darf Ihnen wie folgt antworten: Soweit Non-Refoulement-Prinzipien anwendbar sind, erfassen diese auch die Gefahr von Kettenabschiebungen. Die Türkei ist aufgrund völkerrechtlicher und nationalrechtlicher Vorgaben an Non-Refoulement-Prinzipien gebunden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Türkei das geltende Völkerrecht und türkisches Recht beachtet.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich vermute, Sie haben eine Zusatzfrage, Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ganz herzlichen Dank. Man ist schon fast gewillt, zu sagen: Ihr Wort in Gottes Ohr; denn man kann doch sehen, dass die Türkei völkerrechtswidrig Luftangriffe im Irak und in Syrien fliegt. So viel zur Einhaltung des Völkerrechts durch die Türkei. Zurück zum Thema. In den Medien heißt es, der deutsche und der französische Innenminister hätten am 5. Februar in Athen erreicht, dass Griechenland die Türkei als sicheren Herkunftsstaat bzw. Drittstaat einstufe. Es gibt aber unterschiedliche Informationen dazu, ob diese Regelung bereits in Kraft ist. Deshalb würde ich gerne wissen: Was genau war die Rolle des deutschen Innenministers im Zusammenhang mit der Einstufung der Türkei durch Griechenland als sicheren Drittstaat? Ist die Regelung in Kraft, oder wann soll sie in Kraft treten? Wie ist sie im Detail ausgestaltet? Ist zum Beispiel eine Prüfung im Einzelfall vorgesehen, falls die Türkei zu einem sicheren Drittstaat erklärt werden sollte?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dağdelen, Sie haben zum Glück noch zwischen sicherem Herkunftsstaat und sicherem Drittstaat differenziert. ({0}) Es geht hier um die Frage eines sicheren Drittstaats. Eine Kollegin aus Ihrer Fraktion hat eine entsprechende Frage an den Kollegen aus dem Bundesinnenministerium gerichtet. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Ich darf Ihnen dazu vielleicht die Antwort mitteilen: Der Bundesregierung ist bekannt, dass die griechische Regierung derzeit die Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat prüft. Die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU erfolgt in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Ich würde gerne wissen, Frau Staatsministerin, wie die Zurückweisung der Schutzsuchenden auf den NATO-Schiffen in die Türkei konkret aussehen soll. Gesetzt den Fall, Flüchtlinge werden aufgegriffen und kommen auf eines dieser Schiffe und einer der Schutzsuchenden sagt: „Ich möchte gerne einen Antrag auf Asyl stellen.“ Wie wird dann mit diesem Schutzsuchenden umgegangen? Welche Einsatzregeln sind für einen solchen Fall vorgesehen? Wie lautet die Regelung im internationalen Seerecht für den Fall, dass Flüchtlinge auf diesen Kriegsschiffen sagen, dass sie nicht zurückgewiesen werden wollen, sondern einen Antrag stellen möchten, der geprüft werden soll?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dağdelen, Sie hatten schon in der letzten Fragestunde eine Frage mit vergleichbarer Zielrichtung an den Kollegen Roth gestellt. ({0}) Sie erinnern sich vielleicht noch an die Antwort. Es sind NATO-Schiffe. Diese NATO-Schiffe haben nicht exekutiven Charakter, sondern dienen der Aufklärung und der Verschaffung eines Lagebildes. Wenn es dann aus irgendwelchen Gründen eine Situation gibt, in der es darum geht, Menschen aus Seenot zu retten, dann gibt es dafür ganz klare völkerrechtliche Handhabungen. Es ist selbstverständlich, dass man einen solchen Menschen aus Seenot rettet. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dann jemand nicht gerettet werden will. Wir haben Ihnen auch gesagt, dass die Vereinbarung zwischen den drei Verteidigungsministern von GrieVizepräsident Peter Hintze http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d chenland, der Türkei und von Deutschland, die auch in der NATO verankert werden könnte, vorsieht, dass eine Rückführung in die Türkei erfolgt. Die entsprechenden Verhandlungen werden derzeit im NATO-Rat geführt, und ich denke, wir sollten abwarten, wie diese Vereinbarung konkretisiert wird. Das heißt, eine Einsatzregelung, wie Sie sie angesprochen haben, liegt bisher nicht vor.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege Hunko hat dazu eine Nachfrage.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass es noch kein entsprechendes Abkommen mit der Türkei gibt? Dementsprechend hat sich auch die türkische Seite geäußert. Der stellvertretende Ministerpräsident Kurtulmus sagte am Dienstag, dass es ein Abkommen, das vorsieht, die Geretteten in die Türkei zurückzubringen, nicht gibt. Das ist im Augenblick also noch völlig offen. Wie ist Ihre Einschätzung bezüglich der Frage, ob die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention beachtet?

Not found (Gast)

Sie haben jetzt zwei Punkte angesprochen. Auch ich kenne die Äußerungen des stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten, die in der Presse weitergetragen worden sind. Aber uns ist nicht bekannt, dass die Vereinbarung der drei Verteidigungsminister und das, was von den NATO-Verteidigungsministern am 11. Februar in Auftrag gegeben worden ist, nicht mehr gilt. Insofern gehe ich weiter von der Vereinbarung aus. Die Planungsarbeiten sind in vollem Gange. Gerade in dem Moment, in dem wir miteinander reden, werden die entsprechenden NATO-Gremien darüber verhandeln. Ich bin sicher, dass dies der Umsetzung der Vereinbarung vom 11. Februar dient. Den zweiten Teil Ihrer Frage habe ich bereits beantwortet. Die Türkei ist durch entsprechende Vereinbarungen internationaler Art, durch die EU-Menschenrechtskonvention wie auch durch die nationale Gesetzgebung gebunden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen zur Frage 26 der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke: Inwieweit teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass die Provinzen Idlib, Aleppo, Hama ({0}), Daraa ({1}) auch und besonders von den islamistischen Terrororganisationen des syrischen al-Qaida-Ablegers Al-Nusra-Front, Islamische Front und Ahrar al-Scham gehalten werden, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zusammenarbeit des von ihr mitfinanzierten Syria Recovery Trust Fund in den genannten Provinzen mit Strukturen dieser islamistischen Terrororganisationen? Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort zur Beantwortung.

Not found (Gast)

Ich darf wie folgt antworten, Frau Kollegin Dağdelen: Von den in der Frage genannten Gruppen ist lediglich die Al-Nusra-Front als Terrororganisation durch die VN gelistet. Der Syria Recovery Trust Fund arbeitet nach Kenntnis der Bundesregierung mit keiner der genannten Gruppen zusammen. Die weitere Beantwortung der Frage ist gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen als „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und geht der Fragestellerin gesondert zu.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Vielen herzlichen Dank. Ich würde gerne wissen, Frau Staatsministerin: Zurzeit findet ja eine gemeinsame Offensive vom sogenannten „Islamischen Staat“ und von Teilen der bewaffneten Opposition in Syrien statt, um die von Regierungstruppen kontrollierten Teile von Aleppo einzukesseln. Zählen für die Bundesregierung bewaffnete Einheiten in Syrien, die mit dem „Islamischen Staat“ kooperieren, zur sogenannten moderaten Opposition, die dann Teil der Waffenstillstandsvereinbarung sind, die am Samstag in Kraft treten soll bzw. tritt?

Not found (Gast)

Sie wissen ganz genau, wie der IS einzustufen ist. Ich kann das jetzt nicht spezifizieren, was die entsprechenden Gruppen angeht, die Sie angesprochen haben. ({0}) - Also, der IS ist eindeutig als Terrorgruppe eingestuft. ({1}) - Nein, mit Sicherheit nicht. ({2})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Weil Sie nicht geantwortet haben, frage ich noch einmal, ob diejenigen Teile der bewaffneten Opposition in Syrien, die mit dem „Islamischen Staat“ zusammen kämpfen, seitens der Bundesregierung als moderat einzustufen sind. Diese Frage richte ich vor dem Hintergrund der heutigen Bundespressekonferenz an Sie, weil dort gesagt wurde, man wisse das bei der Al-Nusra-Front nicht, also dem syrischen Ableger der Terrororganisation al-Qaida, gegen die wir ja an der Seite der USA seit über zehn Jahren unter anderem in Afghanistan kämpfen. Ich möchte also wissen, ob die Al-Nusra-Front für die Bundesregierung eine Terrororganisation ist, die es in Syrien zu bekämpfen gilt.

Not found (Gast)

Also, Frau Kollegin, das habe ich Ihnen doch gerade mit meinem ersten Satz gesagt. Ich lese es Ihnen gerne noch einmal vor - doppelt genäht hält besser -: Von den in der Frage genannten Gruppen ist lediglich die Al-Nusra-Front als Terrororganisation durch die VN gelistet. Ich kann es auch einfacher machen: Die Al-NusraFront ist eine Terrororganisation, die durch die VN gelistet ist.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Damit sind diese Fragen beantwortet. Wir kommen zur Frage 27 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke: Welche Finanzhilfen in Form von Budgetunterstützung und Krediten für die Ukraine sind für das Jahr 2016 durch die Europäische Kommission, den IWF und andere internationale Akteure mit deutscher finanzieller Beteiligung geplant, und wovon wird die Bundesregierung eine weitere Fortsetzung ihrer Unterstützung von Zahlungen in Milliardenhöhe angesichts der Korruption unter der ukrainischen Regierung ({0}), der politischen Entwicklungen nach dem gescheiterten Misstrauensantrag und dem Verlust der Parlamentsmehrheit ({1}) und der mangelnden Umsetzung der Minsk-II-Vereinbarungen durch Kiews Parlament und Regierung abhängig machen ({2})? Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Gerne. - Herr Kollege, die multilaterale Unterstützung für die Ukraine mit deutscher Beteiligung erfolgt insbesondere durch den Internationalen Währungsfonds, IWF, die Europäische Union, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Weltbank. Die Gesamthöhe der Mittelauszahlung für 2016 hängt dabei von der Erfüllung von Auflagen durch die Ukraine ab. Die meisten Programme laufen überjährig, in anderen Fällen sind die Planungen für 2016 noch nicht abgeschlossen. Die multilateralen Finanzhilfen werden im Rahmen klarer Konditionalitäten ausgezahlt. So konditioniert der IWF sein Programm an makroökonomischer Stabilität, an der Beseitigung struktureller Wachstumshindernisse, an Transparenz und an Korruptionsbekämpfung und macht Fortschritte in diesen Bereichen zur Bedingung für die Fortführung des Programms. Die Weiterführung des laufenden IWF-Programms ist gleichzeitig Bedingung etwa für die Auszahlung der EU-Makrofinanzhilfen, in deren Rahmen im Jahr 2016 voraussichtlich circa 1,2 Milliarden Euro als mittelfristige Darlehen an die Ukraine fließen werden. Die EU setzt ihre eigenen klaren Programmvorgaben, etwa zur Korruptionsbekämpfung, zur Privatisierung staatlicher Unternehmen und zur Reform des Energiesektors. Auch die Bundesregierung knüpft ihre finanzielle Unterstützung an die nachhaltige Bereitschaft und den politischen Willen der ukrainischen Führung, die notwendigen Reformen entschlossen weiter umzusetzen. Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier forderte zuletzt bei seinem Besuch in der Ukraine am 23. Februar unter anderem ein entschiedenes Vorgehen gegen Korruption, bei dem der Grundsatz „Null Toleranz für Korruption“ gelten müsse. Die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen, zu der alle Beteiligten verpflichtet sind, ist nicht verknüpft mit der Gewährung von finanziellen Hilfen an die Ukraine.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Herr Kollege Hunko, Sie haben sicher eine Nachfrage. Bitte schön.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank für die doch sehr aufschlussreiche Antwort. Wenn ich das richtig verstanden habe: IWF, EU-Kommission, Bundesregierung, alle fordern die Bekämpfung der Korruption als zentralen Punkt für die weitere Mittelvergabe. Nun pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Korruption in der Ukraine auf schon sehr hohem Niveau weiter zunimmt. Die Umstände der Nichtabwahl des Ministerpräsidenten haben wahrscheinlich sehr stark damit zu tun. Deswegen ist meine Frage: Wann ist der Punkt erreicht, an dem Sie sagen: „Jetzt können keine Mittel mehr gegeben werden“? Welche konkreten Kriterien legen Sie an? Oder gibt es einen solchen Punkt nicht?

Not found (Gast)

Der Bundesaußenminister hat gestern bei seinem Besuch sehr deutlich gemacht - ich wiederhole die sehr klare Aussage; sie ist an Deutlichkeit, glaube ich, nicht zu übertreffen -: „Null Toleranz für Korruption“.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gut, das ist eine Grundäußerung des Außenministers, die ich auch teile.

Not found (Gast)

Das freut mich. http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-regierungskrise-101.html http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-regierungskrise-101.html http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/ukraine-konflikt-zwischen-den-fronten-14065370.html http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/ukraine-konflikt-zwischen-den-fronten-14065370.html

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aber ich entnehme Ihrer Antwort, dass es für Sie dort keine konkreten Kriterien gibt. Ich habe eine zweite Frage zur Unterstützung der Ostukraine. Es gab verschiedene Aussagen der Bundesregierung: zum einen, dass man humanitäre Missionen plant, sowohl in die Gebiete, die von den Separatisten kontrolliert werden, als auch in die Gebiete in der Ostukraine, die von Kiew kontrolliert werden, und zum anderen, dass es Pläne für Aufbauhilfe für die Ostukraine gibt, weil das natürlich die Region ist, die gegenwärtig am meisten leidet. Daher meine Frage: Was ist davon bislang realisiert, und was ist in Planung?

Not found (Gast)

Ich will noch etwas zu der Frage der Korruptionsbekämpfung sagen, um Sie nicht mit nur einem sehr klaren Satz hier stehen zu lassen. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir sehr darauf gedrungen haben, dass sich in der Ukraine auch in Sachen Korruptionsbekämpfung etwas tut. Sie wissen - das ist Ihnen nicht fremd -, dass im Gesetzgebungsbereich Reformen angestoßen worden sind, dass eine Antikorruptionsbehörde sowie eine Korruptionspräventionsagentur gegründet worden sind und dass mit diesen Reformen auch die Bildung einer gesonderten Antikorruptionsgeneralstaatsanwaltschaft verbunden ist. Wir sehen aber, dass diese Maßnahmen nicht voll umgesetzt worden sind, dass die Behörden noch nicht voll arbeitsfähig sind und sichtbare Ergebnisse der Korruptionsbekämpfung noch fehlen. Das heißt, wir können an sehr konkreten Punkten ansetzen, sodass sich die Forderung des Bundesaußenministers - „Null Toleranz bei Korruption“ - auf sehr konkrete Punkte bezieht. Ich halte es für wichtig, dass wir diese Forderung nicht nur in einem Satz formulieren, sondern auch konkrete Ansatzpunkte haben. Zu der anderen Frage schlage ich vor, dass ich sie Ihnen schriftlich beantworte.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Eben. Die Zeit für die Beantwortung der Frage ist auch abgelaufen. Die Kollegin Dağdelen hat eine Nachfrage. - Bitte schön, Frau Kollegin.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen herzlichen Dank. - Ich würde gerne noch einmal nachhaken. Sie haben hier gesagt, dass Sie zum Thema Korruption klare Sätze formuliert haben. Mich würde interessieren: Wo sind denn die klaren Taten der Bundesregierung? Da in der Ukraine Minister zurücktreten, weil sie vom Präsidenten bzw. vom Ministerpräsidenten an der Bekämpfung der Korruption gehindert werden, Sie aber weiterhin darauf bestehen, Milliarden von Steuergeldern in dieses korrupte Regime zu investieren, würde ich gerne wissen: Wann gibt es nicht nur klare Sätze, sondern auch klare Taten, und woran messen Sie den Erfolg? Es muss doch eine Messlatte für den Umgang mit deutschen Steuergeldern geben. Es muss doch klar sein, ab welchem Punkt die deutsche Bundesregierung kein Steuergeld mehr an das korrupte Regime in Kiew schickt.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dağdelen, ich habe in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Hunko drei sehr konkrete Punkte genannt. Es geht um Entwicklungen in der Ukraine, an denen man erkennen kann - da kann man auch konkret nachhaken -, welche Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht werden. Wir wissen alle gemeinsam, dass die Frage der Korruption in der Ukraine eine ganz entscheidende ist. Deshalb halte ich es für klug, dass wir seitens der Bundesregierung unsere finanziellen Hilfen auf bilateraler Ebene an konkrete Projekte knüpfen. Das gilt für die Mittel, die wir 2015 gegeben haben, und auch für die Mittel, die wir 2016 geben. Mit den konkreten Projekten ist eine Mittelbindung verbunden. Ich glaube, das ist ein Schutz vor Korruptionsanfälligkeit.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe zu dieser Frage keine weiteren Nachfragen. Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Andrej Hunko: Über welche Erkenntnisse ({0}) verfügt die Bundesregierung dazu, in welchem Umfang in Libyen operierende, profitorientierte Fluchthelfer aus Angehörigen libyscher Behörden bestehen ({1}), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der von ihr geplanten bzw. unterstützten Ausbildungsmissionen für libysche Sicherheitsbehörden ({2}) aus einem Bericht der Grenzagentur Frontex, wonach die Führungsriege des libyschen „Netzwerks von Schmugglern“ ausschließlich aus aktiven oder ehemaligen Angehörigen von Polizei und Militär bestehen soll ({3})? Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Herr Kollege Hunko, der Bundesregierung ist bekannt, dass in den Menschenschmuggel kriminelle, bewaffnete Gruppen und teilweise auch örtliche Behörden verwickelt sind. Es gibt kein einheitliches libysches Netzwerk von Schmugglern, sondern die Gegebenheiten sind von Ort zu Ort verschieden. Diese besondere Herausforderung unterstreicht auch der zitierte Bericht. Falls es - ich betone: falls - zu einem Ausbildungsprojekt für libysche Streitkräfte kommen sollte, wird der Auswahl der libyschen Teilnehmer sowie ihrer Verwendung nach Abschluss der Ausbildung größtmögliche Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die VN-Mission für Libyen - United Nations Support Mission in Libya - hat signalisiert, dass sie bereit und in der Lage wäre, die libysche Regierung im Überprüfungsprozess der Teilnehmer, dem sogenannten Vetting, zu beraten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Kollege Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Um das zu erläutern, beziehe ich mich noch einmal auf einen Bericht von Frontex, nach dem die Führungsriege der, wie Sie gesagt haben, Schmuggler, also der profitorientierten Fluchthelfer, ausschließlich aus ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen besteht. Das ist natürlich ein wichtiger Punkt, wenn man solche Kooperationen anstrebt. Mich würde interessieren: Welche konkreten Gespräche haben denn mit der libyschen Seite stattgefunden, um dieses Problem anzugehen?

Not found (Gast)

Zunächst, Herr Kollege Hunko, möchte ich deutlich machen, dass der Begriff „Fluchthelfer“ - er ist auch in früheren Fragestunden schon verwendet worden - hier wirklich fehl am Platz ist. Wir haben es mit kriminellen Machenschaften zu tun; das sagen Sie ja selbst. Das sind kriminelle Menschen, die das Leben anderer riskieren und dafür auch noch hohe Geldsummen einfordern. Das ist zu einem kriminellen Geschäft geworden. Wir ignorieren überhaupt nicht, sondern sehen es mit offenen Augen und großer Sorge, dass neben kriminellen bewaffneten Gruppen zum Teil auch örtliche Behörden und andere involviert sind. Deshalb kommt dem Ausbildungsprojekt, der Auswahl und der Überprüfung der Teilnehmer sowie der Frage: „Wer kommt dafür infrage?“, so große Bedeutung zu. Ich teile Ihre Sorge - denn sie ist sehr berechtigt -, wenn es darum geht: Wer wird zukünftig für die Sicherheit in diesem Land sorgen können? Werden es Menschen sein, die in solche Machenschaften involviert sind, oder kann man, soweit es möglich ist - Sie merken, wie vorsichtig ich an dieser Stelle bin -, sicherstellen, dass man eine Auswahl nach Verlässlichkeit trifft? Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass die VN-Mission für Libyen ihre Bereitschaft signalisiert hat, zu beraten - nicht auszuwählen, sondern zu beraten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Es gibt noch eine Frage des Kollegen Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Den kriminellen Charakter mancher Gruppen will ich gar nicht bestreiten. Das Problem ist - das gab es auch in anderen Situationen; ich denke zum Beispiel an Drogenkartelle in Mexiko oder auch an die Zeiten der Prohibition mit ihren aus der Illegalität kommenden Strukturen -: Solange es eine Illegalität der Flucht gibt, so lange wird es auch solche Strukturen geben. Das Problem ist, dass wir keine legale Einreisemöglichkeit haben, und aus dieser Situation heraus erwachsen diese Strukturen. Meine konkrete Frage: Wenn es diese Beratungsgespräche gibt, wird dann auch über Seenotrettung diskutiert und eine Ausbildung im Bereich der Seenotrettung angeboten, oder spielt das dann keine Rolle?

Not found (Gast)

Ich bin jetzt ein bisschen überrascht, welche Dinge Sie hier miteinander vermischen. Ich war auch vorhin überrascht, dass Sie Fluchtbewegungen als Ursache solcher kriminellen Verbindungen ansehen. Wir haben es in Libyen mit einem Failed State zu tun. Alle Kräfte werden derzeit angestrengt, um diese Situation zu überwinden. Es geht um ein Land, das Sicherheitsstrukturen braucht; das ist die Notwendigkeit, die sich in Syrien zeigt. Insofern finde ich die Assoziierung, die Sie vornehmen, etwas befremdlich.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Wir haben zu diesem Themenbereich keine weiteren Nachfragen. - Danke schön. Dann kommen wir zur Frage 29 des Abgeordneten Beck: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Entführungen und Anschläge und sonstige schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch die terroristischen Gruppierungen al-Qaida im islamischen Maghreb ({0}), Mouvement pour l’Unicité et le Jihad en Afrique de l’Ouest ({1}), al-Murabitun und Dschund al-Chilafa in Algerien seit dem Jahr 2015, und inwiefern ist die algerische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung in der Lage, die Bevölkerung vor diesen Gruppierungen zu schützen? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Ja, gerne. - Herr Kollege Beck, ich darf Ihnen die Antwort geben: Die Gruppierung al-Murabitun war nach Erkenntnissen der Bundesregierung seit dem Jahr 2015 nicht mit Entführungen, Anschlägen oder Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung in Algerien aktiv. Bei dem schwerwiegendsten Terroranschlag seit Beginn des Jahres 2015 kamen am 18. Juli 2015 in Ain Defla, 150 Kilometer von Algier, elf algerische Soldaten ums Leben. Der Anschlag wurde von al-Qaida im islamischen Maghreb verübt. Im Übrigen haben al-Qaida im islamischen Maghreb und Dschund al-Chilafa seit dem Jahr 2015 folgende Anschläge in Algerien verübt: Al-Qaida im islamischen Maghreb: 21. Mai 2015, Hinterhalt auf eine Militäreinheit; 4. Juni 2015, Hinterhalt auf eine Militäreinheit; 7. Juli 2015, Tötung von zwei Polizisten. Dschund al-Chilafa: 3. Februar 2015, Tötung von zwei Polizisten in einem Café; 5. März 2015, Hinterhalt gegen eine Militäreinheit; 6. März 2015, Hinterhalt gegen eine Polizeieinheit; 1. Dezember 2015, Hinterhalt gegen eine Militäreinheit; 18. Dezember 2015, Hinterhalt gegen eine Militäreinheit. Al-Qaida im islamischen Maghreb entführte in den letzten Jahren Privatpersonen, um von deren Angehörigen Lösegelder zu fordern. Diese Einnahmequelle war aber nach zunehmenden Protesten der betroffenen Bevölkerung stark rückläufig. Die algerischen Sicherheitskräfte halten den Verfolgungsdruck auf im Land operierende Terrorgruppen ungebrochen aufrecht. Die Anzahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2015 sank die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich um über 50 Prozent auf circa 60. Frau Präsidentin, wenn Sie mir gestatten, würde ich dem Kollegen auch noch gerne den Schluss vortragen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ja, Sie liegen gut in der Zeit.

Not found (Gast)

Herzlichen Dank. Wir wissen, dass er sehr daran interessiert ist. - Dabei liegt die Anzahl der von Terroristen verursachten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle bei unter 20 Prozent der Gesamtzahl. Dies unterstreicht deren eingeschränkte operative Möglichkeiten und die Dominanz der Sicherheitskräfte. Operationen terroristischer Kräfte richten sich in Algerien traditionell gegen die Sicherheitskräfte als Symbol des Staates, weniger gegen Zivilisten. Bei zivilen Opfern sind die Zahlen sehr gering. Die algerischen Sicherheitskräfte gelten als relativ erfolgreich im Kampf gegen die terroristische Bedrohung im Land. Danke schön, Frau Präsidentin.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Der Kollege Beck hat trotzdem noch Nachfragen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin ganz beeindruckt über die gerade von Ihnen vorgenommene Schilderung der Zustände in einem sicheren Herkunftsstaat. Sie haben aber am Ende nach Weisung des Hauses noch versucht, die Kurve zu kriegen, und gesagt, dass trotzdem irgendwie alles sicher und in Ordnung ist. Ich frage mich aber schon, warum Ihr Haus, das die Antwort, die Sie gerade vorgelesen haben, verantwortet, auf seiner Webseite wiederum sagt, in Algerien bestehe das Risiko von Entführungen und Anschlägen durch terroristische Gruppierungen wie al-Qaida im islamischen Maghreb, AQM, Mouvement pour l’Unicité et le Jihad en Afrique de l’Ouest, MUJAO, al-Murabitun und die neu gebildete Gruppe Dschund al-Chilafa. Sie sagen den Deutschen also: Das alles ist unsicher. Ihr müsst aufpassen, dass ihr dort nicht entführt werdet. All das aber, was Sie hier vorgetragen haben - in Ihren Reisehinweisen geben Sie eine ganz andere Einschätzung dazu -, kommt in der Begründung des Gesetzentwurfes, warum Algerien ein sicherer Herkunftsstaat sei, mit keiner Silbe vor. Wie rechtfertigen Sie es, dass diese Einschätzung in Ihrem Gesetzentwurf nicht argumentativ behandelt wird, und wie erklären Sie, was die Sicherheitsfrage und die Terrororganisationen angeht, den Widerspruch zwischen Ihrer Einschätzung hier und der Ihres Hauses in den Reisehinweisen?

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Herr Beck, ich wusste, dass Sie diesen Zusammenhang herstellen. Deswegen habe ich auch noch einmal sehr intensiv - auch in unserem Haus - nachgefragt. Ich weiß, das ist Ihnen ein besonderes Anliegen. Sie wissen - ich will das noch einmal in den Blick rücken -, dass die Gesamtquote für Schutzsuchende aus Algerien im Jahr 2015 0,8 Prozent betrug. ({0}) - Ich darf das trotzdem sagen. Jetzt hebe ich noch einmal auf das ab, was Sie mit Blick auf die Entführungen angesprochen haben. Ich habe hier erläutert, dass die Entführungen rückläufig sind und dass sich die Terroranschläge nicht gegen die Zivilbevölkerung, sondern gegen Militäreinheiten und Polizisten richten. Hier haben wir es noch mit Nachwirkungen des Algerien-Krieges zu tun. Das ist eine sehr tragische Situation in diesem Land. ({1})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Jetzt hat die Staatsministerin das Wort. Sie dürfen danach noch eine Frage stellen. ({0}) Bitte schön.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, heute Vormittag war die Menschenrechtslage in Marokko und Algerien Gegenstand der Beratungen im Auswärtigen Ausschuss. Ihre Kollegen von der Grünenfraktion waren da. Sie gehören ja dem Innenausschuss an. Ich bin sicher, dass Sie das auch dort thematisieren. Die Einstufung, die vonseiten des Auswärtigen Amtes noch einmal unterstrichen worden ist, lautete: Sie ist gut vertretbar. - Das möchte ich Ihnen hier noch einmal mitteilen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön, Herr Kollege Beck. Jetzt haben Sie noch einmal das Wort.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Besteht nun für Zivilpersonen ein Risiko von Entführungen und Anschlägen durch terroristische Gruppen in Algerien, oder besteht dies nicht? Ihre Webseite behauptet, es bestünde. Sie haben gerade behauptet, es bestünde nur für Repräsentanten der algerischen Sicherheitskräfte. Was ist denn nun wahr?

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Herr Beck, ich habe bei den terroristischen Anschlägen unterschieden. Diese richten sich überwiegend gegen Polizisten und Militäreinheiten. Ich habe wörtlich vorgelesen und sehr deutlich gesagt, dass in den letzten Jahren Privatpersonen durch die al-Qaida im islamischen Maghreb entführt wurden und dass die Zahl dieser Entführungen aber rückläufig ist.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Die Frage 30 der Kollegin Heike Hänsel wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs, und ich darf mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin, für die Beantwortung der Fragen bedanken. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 31 der Kollegin Heike Hänsel, die Frage 32 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, die Fragen 33 und 34 der Kollegin Ulla Jelpke und die Fragen 35 und 36 der Kollegin Martina Renner werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 37 des Kollegen Christian Kühn wird schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 38 der Kollegin Kerstin Andreae wird schriftlich beantwortet. Schließlich kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Fragen 39 und 40 des Kollegen Harald Ebner werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende der Fragestunde und am Ende unserer Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Februar 2016, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen arbeitsreichen Nachmittag und einen schönen Abend.