Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, vor dem Tagesordnungspunkt 1,
also der üblicherweise um diese Zeit stattfindenden Regierungsbefragung, eine Vereinbarte Debatte im Umfang
von 60 Minuten zu den Ereignissen von Clausnitz und
Bautzen aufzurufen. - Ich kann davon ausgehen, dass das
allgemeine Zustimmung findet. Dann ist das so beschlossen.
Damit rufe ich Zusatzpunkt 1 unserer Tagesordnung
auf:
Vereinbarte Debatte
zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen
Die vereinbarte Debattenzeit - 60 Minuten - hatte ich
schon mitgeteilt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Bundesregierung das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Günter Krings.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen haben uns die erschreckenden
Vorfälle in den sächsischen Orten Clausnitz und Bautzen
bestürzt. So erschütternd diese jüngsten Übergriffe auf
Flüchtlinge und ihre Unterkünfte auch sind, so stehen
sie doch leider in einer Reihe mit inzwischen weit über
1 100 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte seit
dem 1. Januar des letzten Jahres.
Solche Taten finden sich in allen Teilen Deutschlands,
auch wenn sie in manchen Regionen, gerade in den neuen Ländern, in einer besonderen Häufung auftreten. Diese Geschehnisse - darin sind wir uns, denke ich, alle einig - sind in jeder Hinsicht inakzeptabel. Die aus diesen
abscheulichen Taten sprechende Menschenverachtung
kann von allen, die auch nur ein Mindestmaß an Empathie empfinden, nur auf das Schärfste verurteilt werden.
({0})
Wir werden nicht zulassen, dass Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, gefährdet und bedrängt werden, und zwar egal, ob ihnen dieser Schutz nun dauerhaft
zusteht oder nicht.
Es ist richtig: Die Demonstrations- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in der Demokratie, und als Demokrat muss ich bereit sein, eine Menge an Dummheit und
geistigem Unrat in der öffentlichen Debatte auszuhalten. Es ist für mich aber schwer, ja eigentlich gar nicht
nachvollziehbar, was Menschen dazu treibt, ihren Protest
nicht an die Adresse der Politik zu richten, sondern sich
als Mob zusammenzurotten und ihre Aggressionen gerade an den Menschen auszulassen, die bei uns Schutz
suchen.
({1})
Offensichtlich erleben wir hier in manchen östlichen
Regionen unseres Landes auch die Spätfolgen einer jahrzehntelangen, auch repressiven Abschottung in der Zeit
bis 1989.
({2})
Aber ich misstraue, offen gestanden, allen, die für diese
Vorgänge im Osten wie im Westen mit allzu einfachen
und einseitigen Erklärungen aufwarten. Für mich ist vor
allem wichtig, dass wir feststellen, dass nichts so falsch
ist wie der verlogene Schlachtruf dieser Leute „Wir sind
das Volk“.
({3})
Die Menschen, die vor einem Vierteljahrhundert mit diesem Ruf ein demokratisches und vereintes Deutschland
gegen die damals herrschende Diktatur einer Einheitspartei erstritten haben, waren von den Ideen der Freiheit
und der Menschenrechte getragen. Weiter weg von den
Idealen dieser friedlichen Revolution des Herbstes 1989
kann man sich gar nicht begeben, wenn man sich in die
Gesellschaft derer begibt, die in Clausnitz, Bautzen und
anderswo dumpf und zynisch genau diese Ideale mit Füßen treten, meine Damen und Herren.
({4})
Wir wissen, dass sich hier eben nicht das Volk äußert.
Die Gewalttäter und Randalierer vor den Flüchtlingsheimen, aber auch der harte Kern von Pegida und Co. bilden in Wirklichkeit das, was sie anderswo gerne anprangern, nämlich eine Parallelgesellschaft mitten in unserem
Land.
({5})
Sie bilden eine Parallelgesellschaft, weil sie grundlegende Regeln und Werte unseres Rechtsstaates ablehnen. Sie
bekämpfen politische Entscheidungen nicht mit Worten,
sondern mit Gewalt. Sie begegnen damit auch der parlamentarischen Demokratie mit Verachtung, und sie verhöhnen diejenigen, die ihnen als Repräsentanten unseres
Staates gegenübertreten, seien es Feuerwehrleute oder
Polizisten.
({6})
Es ist daher aus meiner Sicht auch richtig und wichtig,
dass wir hier im Bundestag ein klares Bekenntnis dazu
abgeben, dass wir denjenigen, die für uns und unseren
Rechtsstaat tagtäglich ihren Kopf hinhalten, den Rücken
stärken, meine Damen und Herren.
({7})
Das gilt für Polizisten und alle Einsatzkräfte, denen wir
von Köln bis Clausnitz in diesen Monaten besondere
Verantwortung und besonders schwierige Einsätze abverlangen.
Natürlich gehört es auch zu einem Rechtsstaat, dass
polizeiliches Handeln nötigenfalls zum Gegenstand einer
Überprüfung werden kann und soll. Ich habe aber - das
sage ich ganz offen - kein Verständnis dafür, wenn von
Berlin aus, Hunderte Kilometer entfernt vom Ort der
schrecklichen Vorfälle, manche meinen, sie könnten anhand einer 90-sekündigen Handyvideosequenz beurteilen, ob ein Einsatz fehlerhaft oder gar unrechtmäßig war.
Das ist Illusion des Dabeigewesenseins, aber nicht ein
wirklich sachkundiger Beitrag.
({8})
Fairness und Respekt sollten wir hoffentlich im Konsens
aller Demokraten auch im Umgang mit allen Einsatzkräften, auch den Polizisten, zeigen.
Wir setzen zum einen auf Polizei, Staatsanwaltschaft
und Gerichte im Kampf gegen gewalttätige und hetzende
Extremisten. Diesen Tätern begegnen wir mit null Toleranz. Ich erwarte daher, dass die zuständigen Behörden
alle Straftaten, für die sich in Clausnitz, Bautzen oder
anderswo ein Anfangsverdacht ergibt, mit aller Konsequenz verfolgen und dass die Täter schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.
({9})
Dass wir auf der Grundlage entsprechender Informationen auch hart und konsequent handeln, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière mehrfach gezeigt, zuletzt
etwa durch das Vorgehen gegen die Gruppe „Oldschool
Society“ oder das jüngste Verbot der rechtsextremistischen und ausländerfeindlichen Internetplattform Altermedia Deutschland.
Zum anderen gehen wir präventiv vor und unterstützen das bürgerschaftliche Engagement gegen Extremisten, beispielsweise mit Angeboten der politischen Bildung, deren Förderung in diesem Jahr zu Recht noch
einmal deutlich verstärkt wurde.
Meine Damen und Herren, leider können staatliche
Fördergelder alleine eine Gesellschaft gegen Extremismus nicht immunisieren. Es kommt letztlich auf die
Menschen an, die sich für Mitmenschlichkeit und Demokratie einsetzen. Hier sollten wir bei aller Erschütterung über die jüngsten Bilder von Gewalt und Hetze
vor allem nicht an der Stärke unserer Demokratie verzagen. Der Weimarer Republik, deren Geschichte uns in
diesem Gebäude täglich umgibt, hat man nachgesagt, sie
sei gescheitert, weil sie eine Demokratie ohne Demokraten gewesen sei. Ich bin der felsenfesten Überzeugung,
dass das Engagement vieler Bürger, auch in der aktuellen
Flüchtlingskrise, beweist, dass unsere Bundesrepublik
voller Demokraten ist, meine Damen und Herren.
Als Demokraten bieten wir den Extremisten die Stirn.
Wenn wir in dieser Debatte genau dazu einen Beitrag
leisten wollen, dann können wir das, wie ich hoffe, indem wir auf kleinliches Gezänk verzichten und stattdessen ein Zeichen der Entschlossenheit und Geschlossenheit setzen.
Vielen Dank.
({10})
Die Kollegin Haßelmann erhält das Wort zu einer
Kurzintervention.
Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu
einer Kurzintervention.
Sehr geehrter Herr Kollege Staatssekretär Krings, um
an Ihre letzten Worten anzuschließen: Ja, von diesem
Parlament soll ein starkes Zeichen ausgehen. Es war der
Wunsch aller Fraktionen, nachdem wir eine Aktuelle
Stunde beantragt hatten, hier gemeinsam zu einer Vereinbarten Debatte zusammenzukommen, um deutlich zu unterstreichen: In diesem Parlament gehen Vorfälle, Übergriffe wie in Clausnitz und Bautzen uns alle an. Auch ich
finde, dass wir die Gemeinsamkeiten der Demokratinnen
und Demokraten betonen sollten.
Bei aller Wertschätzung für Sie, die Sie als Staatssekretäre auf der Regierungsbank sitzen: Ich finde es ein
Unding, dass angesichts dieser Situation kein einziger
Minister und keine einzige Ministerin anwesend ist, außer der Vertreterin des Kanzleramtes,
({0})
und dass auch die Ostbeauftragte des Deutschen Bundestages nicht hier ist. Wenn wir die Gemeinsamkeiten und
die Bedeutung dieses Themas unterstreichen wollen alle gemeinsam; dafür bin ich -, dann erwarte ich, dass
die Ministerinnen und Minister der Regierung bei einer
solchen Gelegenheit auf der Regierungsbank sitzen.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Dietmar Bartsch für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will
zunächst ausdrücklich Danke an die Grünen sagen, die
die Aktuelle Stunde sehr schnell beantragt haben. Es ist
auch gut, dass wir zu einer vereinbarten Debatte gekommen sind. Meine Fraktion hatte am Sonntag gefordert,
dass es eine Regierungserklärung gibt.
({0})
Wir haben ja jetzt ungefähr wöchentlich Regierungserklärungen; das ist angesichts all der Themen auch richtig
und notwendig. Und im Übrigen: In dieser Frage schaut
Europa auch auf uns.
({1})
Meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie
von der Opposition gezwungen werden müssen, dass das
hier Thema wird, und dass dann auch noch, wie die Kollegin eben sagte, wirklich kein Minister, nicht einmal der
Innenminister, hier ist, das ist wirklich skandalös.
Kein Minister findet es notwendig, hier anwesend zu
sein? Dann kann ich Ihre Worte nur begrenzt ernst nehmen, Herr Krings. Das ist nun mal leider so.
({2})
Allein die schlichte Tatsache, dass es im letzten Jahr bundesweit über 1 000 Straftaten gegenüber Flüchtlingsunterkünften gegeben hat - fünfmal mehr als im Jahr davor -, ist doch Grund genug, hier anwesend zu sein. In
Deutschland applaudiert der Mob, wenn die Flüchtlingsunterkünfte brennen. Meine Damen und Herren, wo sind
wir hingekommen?
({3})
Herr Krings, ich will ausdrücklich betonen, dass wir
uns in einer Frage einig sind: Diese Vorfälle in Clausnitz
und Bautzen sind verabscheuungswürdig, sind widerlich
und sind eine Schande für unser Land. - Aber, meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, dass diese Vorfälle
in Sachsen geschehen - erst Heidenau und Freital, dann
Bautzen und Clausnitz, jeden Montag Pegida in Dresden.
All das ist auch Ergebnis einer verhängnisvollen Politik,
die unter CDU-Verantwortung in Sachsen über 25 Jahre
hinweg gemacht wird.
({4})
Das geht im Übrigen schon auf die Überzeugung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zurück, der festgestellt hat, Sachsen sei „immun gegenüber
rechtsradikalen Versuchungen“ - das ist ein O-Ton. Über
Jahre hat die CDU hier ja Verharmlosung betrieben und
Ignoranz an den Tag gelegt, meine Damen und Herren.
({5})
Ich will Ihnen nur ein paar wenige aktuelle Beispiele
nennen:
Erstens. Ein sächsischer Landtagsabgeordneter der
CDU namens Krauß hat den Vorwurf der AmadeuAntonio-Stiftung zurückgewiesen, dass sächsische Landespolitik Nazis groß mache. Das sei zwar kein neuer
Vorwurf, bleibe aber trotzdem Unsinn, sagte Herr Krauß
in der Jungen Freiheit - der Mann merkt offensichtlich
nichts.
Zweitens. Es ist auch absolut unverständlich, dass die
Sächsische Staatskanzlei zu einer Dankveranstaltung für
Helferinnen und Helfer einen Menschen des Pegida-Vorstandes einlädt. Das ist doch kein Zufall, meine Damen
und Herren.
({6})
Drittens. Bei dem Asylbewerberheim in Clausnitz war
ein AfD-Mitglied Chef, und der Bruder organisierte die
Proteste gegen die Ankommenden und Hilfesuchenden.
Das waren nur drei Beispiele. All das ist aber kein
Wunder. So hat der Ministerpräsident, Herr Tillich, der
verantwortlich ist, gesagt: „Der Islam gehört nicht zu
Sachsen.“ Das ist der Mann, der diese Rechten mit der
Bürgerbewegung Stuttgart 21 gleichsetzt. Meine Damen
und Herren, wo leben wir denn?
({7})
Herr Krings, wenn Sie sagen, anhand einer Videosequenz könne man den Polizeieinsatz in Clausnitz nicht
beurteilen, dann will ich Ihnen entgegenhalten: Aber Ihr
Innenminister konnte das. - Ich will Ihnen auch deutlich
sagen: Traumatisierte Flüchtlingskinder, die so Schreckliches erlebt haben, nimmt man in den Arm und nicht in
den Würgegriff.
({8})
Es ist und bleibt notwendig, dass demokratische Kräfte hier Haltung zeigen und klarmachen, dass die Menschen, die zu uns kommen, anständig behandelt werden.
Unsere Solidarität - ich hoffe, die Solidarität des ganzen Hauses - muss all jenen gelten, die gegen rassistische Hetze auf die Straße gehen und die Flüchtlingshilfe
unterstützen. Da meine ich die Kirchen genauso wie die
Antifa-Bewegung, Nachbarschaftsinitiativen und viele
andere Menschen mehr in diesem Land. Die müssen wir
stärken.
({9})
Im Übrigen sage ich Ihnen: Meine Partei steht in
Sachsen an deren Seite. Es ist kein Zufall, dass die meisten Abgeordnetenbüros, die in Sachsen angegriffen werden, Büros der Linken sind. Das ist wirklich kein Zufall,
meine Damen und Herren.
Und deshalb - letzter Satz -: Ja, ich bin für Entschlossenheit. Lassen Sie uns die gemeinsame Botschaft nach
außen tragen, dass wir aufstehen müssen für mehr Mitmenschlichkeit in unserem Land und in Europa.
Herzlichen Dank.
({10})
Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Uli Grötsch
das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Immer wieder Sachsen!“, so möchte man sagen, und so
haben vielleicht auch viele von uns in den letzten Tagen
gedacht. Glaubt noch jemand, dass das alles Zufall ist,
in Heidenau, Freital, Bautzen, Clausnitz und anderswo?
Schauen Sie sich einmal die Karte der AmadeuAntonio-Stiftung zu Brandanschlägen an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für mich ist das die Karte der Schande. Die roten Punkte markieren rechte Übergriffe seit
Januar 2015. Sachsen ist als einziges Bundesland komplett übersät mit roten Punkten. Jeder sechste Anschlag
auf Asylunterkünfte im letzten Jahr fand in Sachsen statt.
Diese Orte in Sachsen, die ich eben aufgezählt habe, haben in den letzten Wochen und Monaten sehr zweifelhaften Weltruhm - kann man fast schon sagen - erlangt.
Diese roten Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
markieren Dunkeldeutschland.
({0})
Ich möchte aber auch sagen, dass ich die Menschen in
Sachsen bei weitem nicht pauschal verurteilen und schon
gar nicht an den Pranger stellen will.
({1})
Ich höre von meinen Kolleginnen und Kollegen aus
Sachsen, wie sehr sie sich auch dort in diesen Tagen engagieren, wie sehr sich auch in Sachsen viele Menschen
gegen rechts und gegen Neonazis stellen. Und trotzdem:
Die Mutter aller Gidas kommt aus Sachsen. Was sich dort
Woche für Woche ereignet, muss ich hier nicht noch einmal erzählen. Es ist wohl nicht mehr zu leugnen, dass
gerade dort der Nährboden und das Klima für Neonazis
optimal zu sein scheinen. Das hat meiner Meinung nach
durchaus einen Grund: Dort, wo man die braune Soße
seit der deutschen Einheit nahezu ungehindert wabern
lässt - da muss sich niemand wundern -, ist eben eine
Art Dunkeldeutschland entstanden, eine Situation also,
wie sie in anderen Teilen unseres Landes schlichtweg undenkbar ist.
({2})
Die Ansatzmöglichkeiten staatlichen Handelns sind in
diesem Zusammenhang ja eigentlich sehr weitreichend.
Wir, die Große Koalition, haben die Aufstockung des
Bundesprogramms „Demokratie leben!“ im Bundeshaushalt 2016 durchgebracht und damit ein deutliches
Zeichen, ein deutliches Signal gegen rechts gesetzt.
({3})
Wir schaffen damit die Grundlage für eine nachhaltig
wirkende Präventionsarbeit gegen rechts - wenn diese
Initiativen vor Ort dann nicht alleine gelassen werden
und wenn die jeweiligen Bundesländer auch ihren Teil
dazu beitragen.
Und wir verfügen in Deutschland über eine Struktur
der Sicherheitsbehörden, die es möglich macht, dass
rechte Umtriebe erkannt und gebannt werden. Zum Erkennen dieser Umtriebe und zum Aufklären der Strukturen verfügen die Bundesländer, wie wir alle wissen, über
ein Landesamt für Verfassungsschutz.
Glauben Sie mir, ich befasse mich ziemlich intensiv
mit der Arbeit des Bundesamtes und der Landesämter für
Verfassungsschutz, und es ist immer wieder Sachsen, wo
nicht so gearbeitet wird, wie ich es mir und wie wir es
uns erwarten dürfen. Es ist Sachsen, wo das LfV Pegida
gewähren lässt, obwohl dort zur Exekution von Menschen an den Grenzen aufgerufen wird, obwohl dort Galgen hochgehalten werden und Parolen gegrölt werden,
die anderswo undenkbar sind.
({4})
Wenn das LfV Sachsen offensichtlich nicht in der Lage
oder nicht willens ist, dort wirksam zu handeln, dann ist
die Landesregierung, dann sind der Innenminister Ulbig
und der Ministerpräsident Tillich dafür verantwortlich,
dass dessen Präsident abgelöst wird und die Stelle so beDr. Dietmar Bartsch
setzt wird, dass dort richtig und verantwortlich gehandelt
wird.
Apropos Ministerpräsident Tillich - das muss ich
schon sagen -: Was für eine Erkenntnis, dass Sie nach
25 Jahren feststellen, dass Sachsen ein Problem mit
Rechtsextremen und Neonazis hat! Auch ein blindes
Huhn findet - mit Verlaub - einmal ein Korn.
({5})
Ich habe am Donnerstag letzter Woche, nur wenige
Stunden vor den Ereignissen in Clausnitz, gesagt, dass es
unsere Aufgabe ist, den Anfängen zu wehren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Heute sage ich: Wir müssen in
Sachsen gar nicht mehr den Anfängen wehren, ich glaube, wir sind schon mittendrin.
({6})
Und ganz bestimmt wird sich an den Zuständen dort
auch nichts ändern, wenn Herr Tillich jetzt in Erwägung
zieht, abgelehnte Polizeibewerber zu sogenannten Wachpolizisten zu machen und einzustellen - am besten wahrscheinlich noch zur Bewachung von Pegida oder von
Asylbewerberunterkünften. Ich will mir gar nicht vorstellen, wieso diese Polizeibewerber abgelehnt wurden.
Was sind das für Menschen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die vor brennenden Unterkünften jubeln, die
Männer, Frauen und Kinder erschießen wollen und vieles
andere mehr. Herr Krings, Sie haben eben von einer Parallelgesellschaft gesprochen; da bin ich sehr bei Ihnen.
Das Volk unseres Landes sind sie aber ganz bestimmt
nicht.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort erhält nun der Kollege Anton Hofreiter für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ja, wir alle sind über die Vorfälle am Wochenende schockiert. Menschen, die dem Schrecken
des Krieges entkommen sind, die die lebensgefährliche
Flucht überlebt haben, sahen sich mit einem rechten Mob
konfrontiert. Ich bin mir sicher, uns alle eint: Wenn diese
Menschen hier ankommen, dann müssen wir ihnen Sicherheit bieten.
({0})
Aber genau dabei hat der Staat in Clausnitz versagt. Die
Täterinnen und Täter waren der braune Mob, aber die Polizisten vor Ort haben die Schutzbedürftigen nicht ausreichend vor dem braunen Mob geschützt,
({1})
und das, obwohl es nicht Tausende von Demonstranten
waren, wenn man sie so nennen will, sondern 100. Das
zeigt, wie sehr die Sicherheitsbehörden in diesem Fall
versagt haben. Das darf sich nicht wiederholen, nirgendwo.
({2})
Es ist eine Schande für unser Land, was in Clausnitz passiert ist und was jeden Tag an vielen Orten in Deutschland passiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorfälle belegen, dass wir nicht nur in Teilen der Gesellschaft ein
Problem mit Rassismus haben, nein, sie verdeutlichen
auch, dass wir ein Problem mit Teilen unserer Sicherheitsbehörden haben. Dass die Polizei ihrer Verantwortung, die Geflüchteten zu schützen, nicht gerecht wird,
ist für mich alarmierend, und dass es nicht das erste Mal
vorkommt, halte ich für einen echten Skandal. Aber dass
sich dann der zuständige Polizeipräsident - offenbar in
völliger Verkennung, was seine eigentliche Aufgabe ist gegen jede Kritik am Polizeieinsatz verwahrt, dass die
Polizei gegen die Geflüchteten, gegen die Opfer ermittelt
und dass er ihnen in der Pressekonferenz eine Mitschuld
zuweist, das zeigt das ganze Versagen. Ich kann es nicht
anders bezeichnen: Es handelt sich hier um einen Fall
von institutionellem Rassismus.
({3})
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen: Daran tragen die
sächsische Landesregierung und die sächsische CDU
eine Mitschuld, nicht die Mehrheit der Bevölkerung in
Sachsen.
Es ist bereits zitiert worden: Kurt Biedenkopf hat in
völliger Verkennung der Realitäten oder im Nicht-erkennen-Wollen der Realitäten erklärt, dass die Menschen
in Sachsen immun gegen Rechtsextremismus sind. Wir
schauen jetzt auf eine 25-jährige Geschichte der Verharmlosung, des Abstreitens und des Wegschauens im
Umgang mit Rechtsextremismus. Und die Zivilgesellschaft - hören Sie sich mal die Berichte der Menschen
an, die in Sachsen gegen Rechtsextremismus kämpfen - wird nicht unterstützt, der Zivilgesellschaft werden
Knüppel zwischen die Beine geworfen,
({4})
die Zivilgesellschaft wird kriminalisiert und entmutigt und das kommt dann dabei heraus.
({5})
- Ihre Zwischenrufe beweisen nur eines, nämlich dass
Sie die Verhältnisse vor Ort nicht kennen, dass Sie mit
den Verantwortlichen nie gesprochen haben
({6})
und dass Sie sich für die Probleme im Detail nicht interessieren.
Hören Sie sich doch nur einmal an, was der Ministerpräsident von Sachsen sagt. Er macht die Ressentiments
selber hoffähig. Sein Zitat zum Islam ist bereits erwähnt
worden. Wenn er nun davon spricht, dass der rechte Mob
in Clausnitz irgendwie so etwas sei wie die Bürger, die in
Stuttgart gern einbezogen worden wären bei der Planung
eines Bahnhofs, dann zeigt das doch, wie weit weg er
von einem Verständnis dafür ist, wo die Probleme liegen.
({7})
Selbst wenn er versucht, die Vorfälle in Clausnitz und
in Bautzen zu verurteilen, zeigt sich der ganze Ungeist;
er erklärt nämlich, dass die Täter Verbrecher und keine
Menschen waren, wo wir doch längst wissen, dass das
alles Menschen sind. Selbst wenn er versucht, sich zu
distanzieren, zeigt sich, dass er im Grunde nicht in der
Lage ist, einem humanen, einem menschlichen Weltbild
zu folgen. In seinen Worten drückt sich der gesamte Ungeist aus, der in dieser Landesregierung herrscht.
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir
hatten letzte Woche erst eine Debatte zum Rechtspopulismus. Dabei hat auch ein Kollege aus Sachsen über dieses Problem gesprochen. Lesen Sie die Rede noch einmal
nach, und überlegen Sie sich dann, was Sie in dem Landesverband Sachsen zu tun haben! Ich glaube, Sie haben
da eine verdammt wichtige Aufgabe, nämlich dafür zu
sorgen, dass da bestimmte Umtriebe eingestellt werden.
({9})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider sind die Ereignisse in Clausnitz und Bautzen, so schrecklich sie
sind, nur die neuesten Beispiele für rassistische Gewalt
und Hetze. Rechte Gewalt ist ein gesamtdeutsches Problem. Leider ist sie in unserem Land wieder das geworden, was sie nie wieder werden sollte, nämlich alltäglich.
Wir haben 2015 14 000 rechtsextrem motivierte Straftaten gehabt, darunter 1 600 Straftaten im Zusammenhang
mit der Unterbringung von Asylsuchenden. Die Gewaltbereitschaft hat in diesem Land traurigerweise eine neue
Dimension erreicht: Biedermänner werden zu Brandstiftern.
Rassismus entsteht aber nicht aus dem Nichts. Wir
erleben zurzeit eine Verrohung der Debatte, die uns alle
eigentlich tief besorgt stimmen müsste. Dazu tragen leider manche aus der Großen Koalition ihren Teil bei. Wer
Hysterie schürt, wer mit Ressentiments spielt, der bereitet der rassistischen Stimmungsmache und der Gewalt
den Boden.
({10})
Und genau das tut traurigerweise Herr Seehofer. Ich gebe
es zu: Das ist der Ministerpräsident des Bundeslandes,
aus dem ich komme. Aber auch in der CDU wird manches immer schlimmer. Schauen Sie sich an, was Julia
Klöckner und Guido Wolf inzwischen aus Angst vor der
AfD machen: Sie fallen inzwischen Frau Merkel in den
Rücken. - Hören Sie doch endlich damit auf! Mit diesem
Zickzackkurs, mit dieser Zerstrittenheit, mit dieser Unverantwortlichkeit erreichen Sie doch nur, dass die AfD
stärker wird. Die Hetzer fühlen sich dadurch bestätigt.
Lassen Sie das doch endlich sein!
({11})
Deshalb sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen:
Hass ist keine Alternative. Wir alle müssen gemeinsam
Rassismus entgegentreten. Es ist höchste Zeit, dass wir
unmissverständlich für unsere demokratische und offene Gesellschaft einstehen. Wir brauchen einen Aufstand
der Anständigen; denn unsere demokratische und offene
Gesellschaft ist in Gefahr, und das dürfen wir nicht zulassen.
Herr Kollege.
Lasst uns deshalb zurückkehren zu einer Debatte mit
Augenmaß, zu einer Debatte, die Menschlichkeit erkennen lässt,
({0})
zu einer Debatte, die endlich auf dem Boden der realen
Probleme stattfindet! Das ist unsere Verantwortung nach
diesen schrecklichen Vorfällen in den letzten Wochen.
Vielen Dank.
({1})
Günter Baumann erhält nun das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Kollege Hofreiter, in Ihrer Rede war
kein „Augenmaß“ zu erkennen. Das war ein Frontalangriff gegen Sachsen, gegen rechtschaffene Menschen, die
dort arbeiten. So können wir das Thema nicht aufarbeiten.
({0})
Der Ruf Sachsens und Deutschlands ist durch einzelne Bürger, die sich außerhalb des Gesetzes befinden, zu
Schaden gekommen.
({1})
- Das sind einzelne Bürgerinnen und Bürger, gegen die
wir vorgehen müssen. - Angriffe gegen Asylbewerber,
gegen Flüchtlingsheime, gegen Helfer, gegen Ehrenamtliche können wir nicht hinnehmen. Die müssen wir aufs
Schärfste verurteilen.
({2})
Das Bild von klatschenden Menschen vor einem brennenden Asylbewerberheim in Bautzen oder von grölenden
Menschen in Clausnitz, die einen Bus stoppen wollen,
ist für uns alle, meine Damen und Herren, unerträglich.
({3})
Lieber Uli Grötsch, ein Frontalangriff gegen alle Sachsen
hilft uns nicht weiter und ist absolut ungerecht.
({4})
Das Bild einzelner Ereignisse der letzten Tage entspricht nicht unserem Sachsen. Das zu behaupten, ist
ungerecht gegenüber den Menschen, die ehrlich arbeiten
und jeden Tag ihren Job machen.
({5})
- Sie habe ich auch gar nicht angeschaut.
({6})
Ich sage hier ganz deutlich: Die Blockierer von Claus nitz
und die Brandstifter von Bautzen sind nicht das Volk.
Das Volk sind die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen,
die ehrlich ihre Arbeit machen, die Demokraten sind und
sich jeden Tag rechtstreu verhalten.
Ich sage Ihnen auch - darüber können Sie sich gleich
bestimmt wieder empören -: Wir sind stolz auf unser
Sachsen,
({7})
auf ein weltoffenes Sachsen, auf das, was wir nach der
politischen Wende geschafft haben. Wir stehen in Sachsen wirtschaftlich, auf dem Gebiet des Tourismus, bei Infrastruktur und Kultur gut da.
({8})
Darauf sind wir stolz. Das kann uns auch keiner nehmen,
auch nicht die fremdenfeindlichen Menschen, die auf der
Straße herumgrölen.
Wir müssen die Vorkommnisse gemeinsam und mit
aller Konsequenz aufarbeiten, und wir müssen die Asylbewerber, die zu uns nach Sachsen kommen und Hilfe
brauchen, ordentlich behandeln und auch schützen.
({9})
Ich möchte ganz deutlich sagen: Als sächsischer Abgeordneter möchte ich mich für das Handeln der pöbelnden
Menschen und der Brandstifter bei den Asylbewerbern
und den Bürgern, die ehrenamtlich tätig sind, entschuldigen.
({10})
Keinerlei Entschuldigung gibt es für diejenigen, die mit
allen Mitteln gegen unser Land arbeiten. Sie müssen unsere Härte zu spüren bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann
über die gegenwärtige Asylpolitik diskutieren, und man
kann auch verschiedene Meinungen dazu haben - aber
das im demokratischen Rahmen, nicht auf der Straße und
nicht mit Gewalt.
({11})
Ich sage Ihnen auch deutlich, was mich so traurig
macht: Sachsen hat gar nicht die größten Probleme. Der
Anteil der Asylbewerber, die wir 2015 aufgenommen haben, betrug, gemessen an der Einwohnerzahl Sachsens,
1,3 Prozent. Wir haben insgesamt einen Ausländeranteil
von 2 Prozent. Das sind im Vergleich zu anderen Regionen keine hohen Zahlen.
({12})
Deswegen ist es so traurig, dass es hier zu diesen Vorfällen gekommen ist.
Das Schlimme ist auch, dass wir die Sache einseitig
betrachten. Wir müssen sehen: Es gibt auch in Sachsen
eine Willkommenskultur. Es gibt Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, Asylbewerber begrüßen und sich
für sie einsetzen. Johanniter, DRK, Malteser, THW und
Polizei - ich könnte noch mehr aufzählen - leisten unheimlich viel. Auch darauf können wir stolz sein.
({13})
Meine Damen und Herren, mit Recht stellen in
Deutschland Journalisten, Politiker und auch andere die
Frage - auch Uli Grötsch hat sie angesprochen -: Warum gibt es in Sachsen mehr solcher Vorfälle, sowohl im
bundesdeutschen Vergleich als auch im Vergleich zu den
anderen neuen Bundesländern? Eine abschließende Antwort wird hier und heute keiner von uns geben können.
Jeder wird versuchen, aus seiner Sicht Gründe zu finden.
({14})
Ursachenforschung ist dringend notwendig, um ein
Stück voranzukommen. Ich stelle klar und deutlich die
Frage, ob die Programme, die wir haben und für die wir
sehr viel Geld zur Verfügung stellen - zur Demokratieförderung, zur Extremismusberatung, zu Intervention
und Prävention im Rahmen von Aussteigerprogrammen;
zu nennen ist auch das Landesprogramm „Weltoffenes
Sachsen für Demokratie und Toleranz“ -, wirklich effektiv sind, ob sie ausreichen oder ob wir noch mehr brauchen.
({15})
Dieser Umstand ist auch ein Widerspruch dazu, dass
Sachsen bei PISA im Vergleich zu anderen Regionen
ständig mit die besten Plätze belegt. Darauf sind wir
stolz. Die Frage ist aber: Ist die politische Bildung in unseren Schulen zu schwach besetzt? Müssen wir hier noch
mehr tun?
({16})
Diese Fragen müssen wir uns ohne Schaum vor dem
Mund ehrlich stellen und die Dinge aufarbeiten. Wir dürfen uns aber nicht gegenseitig frontal beschimpfen.
Ich sage auch deutlich: Die Polizeireform in Sachsen,
in deren Rahmen in den letzten Jahren 20 Prozent der
Stellen abgebaut wurden, war aus meiner Sicht nicht der
richtige Weg.
({17})
Inzwischen wurde hier eine Korrektur eingeleitet. Wir
wollen wieder mehr Polizisten einstellen.
Ich glaube, noch etwas ist wichtig: Wenn Asylbewerber in Asylheimen untergebracht werden, müssen wir
mehr als bisher im Vorfeld mit den Bürgern der Gemeinden ausführlich in einen Bürgerdialog treten und versuchen, allen Menschen die Ängste zu nehmen. Es ist ja
ein Zeichen von Angst, wenn man auf die Straße geht
und sagt: Ich will das so nicht. - Es wurde auch statistisch festgestellt: In Orten, in denen hier im Vorfeld mehr
getan wurde, ist die Zahl der Angriffe und Pöbeleien ein
ganzes Stück geringer.
Zusammenfassend sage ich: Sachsen ist nicht rechtsradikal und auch nicht ausländerfeindlich. Es gibt ausländerfeindliche Aktionen von Einzelnen, die wir mit der
ganzen Härte unseres Gesetzes verfolgen müssen. Meine
Damen und Herren, Ursachenforschung ist für uns entscheidend wichtig; wir dürfen aber niemals alle Sachsen
unter Generalverdacht stellen.
Zum Schluss gestatten Sie mir noch einen Satz: Es ist
auch nicht hinzunehmen, dass am Montag dieser Woche
ein Anschlag von Chaoten gegen die sächsische Landesvertretung in Berlin erfolgte. Das geht beim besten Willen nicht. Gewalt war nie eine Lösung.
Vielen Dank.
({18})
Caren Lay ist die nächste Rednerin für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
es heute mehrfach gehört: In Sachsen ist das Problem
rechter Gewalt besonders groß. Herr Baumann, ich meine, es ist doch völlig unstrittig: Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es in Sachsen die meisten Angriffe auf
Flüchtlingsunterkünfte. Wenn Sie hier von Einzelfällen
sprechen, dann haben Sie wirklich den Schuss nicht gehört.
({0})
Wir haben in Sachsen allein in diesem Jahr 33 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und 15 Körperverletzungen
gehabt. Das ist eine einzige Schande - und bitte keine
Zwischenrufe, die irgendwie in die Richtung gehen, dieses Problem jetzt auch noch zu verharmlosen.
In Sachsen herrscht eine Pogromstimmung gegen
Flüchtlinge.
({1})
Das sage nicht nur ich, sondern das sagt der Leipziger
Polizeipräsident, Herr Merbitz. Und ich habe dem nichts
hinzuzufügen.
Diese Pogromstimmung gegen Flüchtlinge, meine Damen und Herren, ist nicht vom Himmel gefallen. Schauen wir doch einmal in den Landkreis Bautzen, wo dieser
schreckliche Anschlag am Wochenende stattfand. Da gibt
es seit Jahren eine erstarkende Neonazi-Szene und spontane Fackelumzüge ungestört nachts durch die Stadt. Es
gibt dort - in einem einzigen Landkreis - 36 BürgerinitiGünter Baumann
ativen gegen Flüchtlingsunterkünfte. Auf deren Internetseiten wurde schon im Dezember über Brandanschläge
diskutiert. Schon vor zwei Jahren gab es jeden Abend
einen pöbelnden Mob vor einer Flüchtlingsunterkunft in
einem Hotel. Da will ich von den 26 Angriffen auf meine
Bürgerbüros gar nicht reden. Dass es aber bisher nur zu
einer einzigen Verurteilung gekommen ist, damit müssen
wir uns wirklich auseinandersetzen.
({2})
Im Landkreis Bautzen liegt übrigens auch der Wahlkreis von Herrn Tillich. Wenn sich der jetzt hinstellt und
sagt: „Oh, ich bin überrascht. Wir müssen etwas gegen
rechts tun“, dann muss ich wirklich feststellen: Wer nicht
einmal weiß, was vor der eigenen Haustür passiert, ist
der falsche Mann in diesem Amt. Solange dieser Mann
an der Spitze von Sachsen steht, wird dieses Land das
Problem auch nicht in den Griff bekommen.
({3})
- Frau Michalk, ich höre Ihre Zwischenrufe. Aber wissen Sie: Wegducken und das Problem verharmlosen, war
doch jahrelang die Strategie der CDU im Kampf gegen
rechts.
({4})
Die Liste des sächsischen Versagens im Kampf gegen
rechts ist wirklich lang. Ich nenne ein einziges Beispiel:
Die CDU im Land und in der Stadt Dresden hat jahrelang
tatenlos dem größten Naziaufmarsch Europas zugesehen,
der durch die Landeshauptstadt zog. Dann hat das Bündnis „Dresden Nazifrei“ dies irgendwann verhindert. Da
waren Hunderte von Strafverfolgungen die Folge - nein,
nicht gegen die Neonazis, sondern gegen die Gegendemonstranten. Polizei und Staatsanwaltschaft waren jahrelang auf dem rechten Auge blind. Das ist das Problem.
Ich muss einmal sagen: Ein „Danke“ hätte auch gereicht.
({5})
Und genau das will ich an dieser Stelle sagen: Danke,
„Dresden Nazifrei“, Danke „Bautzen bleibt bunt“, vielen Dank an all diejenigen, die sich auch in Sachsen den
Rechten in den Weg stellen.
({6})
Ja, meine Damen und Herren, es gibt ein weltoffenes
Sachsen. Die CDU aber gehört nicht dazu. Und genau
das ist das Problem.
({7})
Ein letzter Satz: Sie müssen hier auch nicht so tun, als
sei es einzig und allein ein sächsisches Problem. Braune
Gewalt und rechter Terror sind ein bundesweites Problem. Schieben Sie das Problem doch nicht auf Sachsen
alleine! Wer hier monatelang von Obergrenzen und Kontingenten schwafelt, der bereitet doch dem braunen Mob
den Boden. Davor können wir doch heute die Augen
nicht verschließen.
Frau Kollegin, Sie müssen zu Ende kommen.
Ja, Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Wenn wir hier über den Rechtsruck in Deutschland
sprechen, dann dürfen wir, finde ich, hier auch zum Asylpaket nicht schweigen. Die Verschärfung des Asylrechts
ist wirklich die falsche Antwort im Kampf gegen rechts.
So bekämpft man Rassismus nicht, so betreibt man das
Geschäft der AfD. Hören Sie endlich auf damit!
({0})
Das Wort erhält nun die Kollegin Susann Rüthrich für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich bin am Freitagabend von einer Veranstaltung in Dresden nach Hause gekommen. Der Raum,
aus dem ich gekommen bin, war voller Ehrenamtlicher
aus den verschiedensten Bereichen: THW, Schulverein,
Diakonie, Bündnis Buntes Radebeul, Kinder- und Jugendring, Jüdische Gemeinde, Einzelpersonen aus Unternehmen. Ich war glücklich und beschwingt; denn wir haben dort Vorstellungen über bessere Bedingungen für das
Ehrenamt zusammengetragen. Es gibt viel zu tun, aber
hey, dafür sind wir ja da.
Ich bin also nach Hause gekommen und wollte das
auf Facebook schreiben. Da sah ich sie, die Videos aus
Clausnitz. Schon wieder Sachsen!
Das Wochenende half nicht, den Schock zu überwinden. In Bautzen klatschen die Leute, während inmitten
ihrer Innenstadt ein Haus brennt. Ja, sie behindern sogar
die Feuerwehr. Ein versuchter Brandanschlag in Löbau
schafft es schon gar nicht mehr ins öffentliche Bewusstsein. Darauf lege ich heute aber nicht meinen Schwerpunkt.
Ich lege meinen Schwerpunkt auch nicht auf Sie,
meine Herren von der sächsischen Polizei, die Sie uns
jetzt das ich weiß nicht wievielte Mal erzählen: „Die
Lage konnten wir nicht vorhersehen“ - wieso eigentlich nicht? -, „Wir hatten nicht genug Leute vor Ort, die
Angegriffenen haben aber auch provoziert“ - genau, am
meisten wahrscheinlich dadurch, dass sie da waren -,
„Ansonsten war am Polizeieinsatz, wie immer, alles in
Ordnung“.
Mein Schwerpunkt sind auch noch nicht einmal Sie,
meine Herren Innenminister, deren Aufgabe es wäre, die
Sicherheit eines jeden bei uns zu garantieren, die Sie aber
jahrelang Stellenabbau bei der Polizei mitgetragen haben
und im Übrigen immer schauen, wo im Sinne der Extremismusdoktrin nun bitte diejenigen auf der nicht-rechten
Seite sind, die die Rechten provoziert haben müssen, als
ob uns die nicht auch so genug hassen würden, um uns
anzugreifen.
({0})
Nein, auch Sie sind heute nicht mein Schwerpunkt,
sondern die, über die im Plenum nie eine Stunde geredet wird, weil sie durch ihre unermüdliche Arbeit keine
„Ereignisse“ schaffen. Daher folgt nun mein Bericht aus
Sachsen:
Clausnitz liegt im Erzgebirge; das weiß mittlerweile
jeder. Dort haben wir im vergangenen Jahr dem Verein
„Agenda Alternativ“ den David-Schmidt-Preis für soziales und sozialpolitisches Engagement verliehen; denn
dort veranstalten junge Leute Jahr für Jahr ein Festival,
das einzige in der ganzen Gegend. Dort gibt es neben guter Musik Workshops und Seminare. Diese jungen Leute
zeigen: Unsere Heimat ist bunt, und das ist gut so.
Oder: Das Bündnis „Bautzen bleibt bunt“ lädt zum
Sommerfest mit Geflüchteten und zum gemeinsamen
Weihnachtskegeln ein. Es bietet Deutschkurse an und
hilft beim Ankommen.
Oder: Es sind die vielen unermüdlichen Ehrenamtlichen beim THW, beim DRK, bei der Diakonie und bei
vielen anderen Trägern, die die Unterkünfte, die Versorgung und die Betreuung stemmen.
Oder: Überall in Sachsen führt das Netzwerk für Demokratie und Courage mit seinen 106 eingesetzten Ehrenamtlichen Projekttage an Schulen durch. 347 fanden
allein im letzten Jahr statt, davon 14 im Erzgebirgskreis
und 17 in Bautzen. Wir könnten noch mehr Projekttage
durchführen, wenn wir mehr Ressourcen für die Projekttage selbst und für die Ausbildung der Ehrenamtlichen
hätten, die Schlange stehen.
({1})
Ganz nebenbei: Das NDC entstand 1999 in Sachsen und
wird mittlerweile in fast ganz Deutschland, in Belgien
und in Frankreich umgesetzt. Geht doch, Sachsen!
({2})
Von all denen habe ich übrigens nie „Grenzen dicht!
Verschärft die Asylgesetze!“ gehört. Sie brauchen nämlich etwas ganz anderes.
Erstens brauchen sie Anerkennung. Sie wollen sich im
Betrieb, gegenüber Behörden und in ihrem Umfeld nicht
dafür rechtfertigen, dass sie sich engagieren. So banal es
klingt: Es ist eben auch eine Anerkennung, wenn ihnen
neben dem örtlichen Pfarrer und dem Gewerkschaftschef
auch die Bürgermeisterin oder der Ministerpräsident den
Rücken stärkt.
({3})
Ich frage: Wo sind Sie denn, Herr Tillich? In Clausnitz
und in Bautzen habe ich wieder einmal nur den SPDMinister Martin Dulig und die SPD-Ministerin Petra
Köpping gesehen, wie übrigens auch bei den bunten
Bündnissen und beim DGB, der seit Jahren die Gegendemos anmeldet und dafür noch nie den öffentlichen Dank
des Ministerpräsidenten bekommen hat.
Sie, Herr Tillich, betonen, dass es nicht allein Aufgabe
von Polizei und Politik ist, sich dem rechten Mob entgegenzustellen. Richtig! Mit diesem Fünkchen Wahrheit
zünden Sie allerdings eine große Nebelkerze; denn es ist
etwas ganz anderes, Herr Tillich, genau denen, die sich
vor Ort engagieren, den Rücken zu stärken, als einmal
zum Empfang in die Staatskanzlei einzuladen und huldvoll Danke zu sagen. Das kann man machen - dabei gibt
es auch schöne Fotos, vor allem für Sie -, und es tut nicht
weh. Davon kann man sich vor Ort aber auch nichts kaufen.
Zweitens braucht es Zeit. In Sachsen gibt es beispielsweise keinen Bildungsurlaub. Warum auch? PISA-Sieger
zu sein, reicht doch, oder? Manchmal klingt es fast so; es
ist aber falsch. Denn wir brauchen nicht nur an Schulen,
sondern weit darüber hinaus gesellschaftliche Bildung.
Drittens muss man das Augenmerk verstärkt auf die
Blaulichtorganisationen und deren Ehrenamtliche richten. Es braucht eine moderne Ausstattung, gesetzliche
Regelungen für das Einbinden der spontan Helfenden
und weniger Bürokratie.
Und viertens braucht es auch Geld. Dass die Ehrenamtlichen noch draufzahlen müssen, wenn sie sich einbringen, kann nicht sein. Es kann auch nicht sein, dass
gesellschaftliche Daueraufgaben immer noch in Programmen und Projekten feststecken. Demokratische
Daueraufgaben brauchen eine dauerhafte Absicherung.
Vereinbart ist das sowohl im NSU-Abschlussbericht als
auch im Koalitionsvertrag. Wir müssen es nur noch umsetzen. Ich will das nicht gegen Widerstand erkämpfen
müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({4})
Fünftens ist noch etwas anderes bitter nötig, und das
richtet sich an die sächsischen Behörden und die sächsische Politik: Entkriminalisieren Sie endlich antirassistisches und demokratisches Engagement! Es sind nicht
diejenigen das Problem, die sich Rassisten in den Weg
stellen. Nein, das ist bitter notwendig, sonst macht es
nämlich keiner.
({5})
Ein Mensch, der sich Rechtsextremen entgegenstellt, ist
nicht linksextrem; er ist Demokrat.
({6})
Ich komme zum Schluss. Ihr Pöbler, die ihr unsere
Heimat in den Dreck zieht: Ihr seid nicht Sachsen; ihr
seid nicht das Volk. Ihr nicht! Eure brutalen Rückzugsgefechte werden eine offene, demokratische Gesellschaft
nicht verhindern. Auch wenn es uns wehtut: Ihr werdet
keinen Erfolg haben. Dafür können wir alle sorgen, jeder
und jede in seiner und ihrer Verantwortung.
Danke.
({7})
Monika Lazar ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für
Hetze und Gewalt gibt es keine Rechtfertigung. Das gilt
selbstverständlich auch für die Vorfälle in Clausnitz und
Bautzen in der letzten Woche.
Als sächsische Abgeordnete weiß ich, dass in Sachsen schon seit langem etwas schiefläuft. Der Freistaat
gehört zu den traurigen Spitzenreitern bei rassistischen
Straftaten. In solch einem gesellschaftlichen Klima ist
es wichtig, jeglicher Form von Rassismus eine unmissverständliche Absage zu erteilen, sich mit den Opfern
zu solidarisieren und sie mit allen staatlichen Mitteln zu
schützen.
({0})
Aber was ist in den letzten Tagen alles schiefgelaufen?
Die Pressekonferenz des Polizeipräsidenten Reißmann
am Samstag ist ein sehr plakatives Beispiel für die nicht
vorhandene Fehlerkultur bei der sächsischen Polizei.
Auch mit Blick auf den Betreiber der Flüchtlingsunterkunft kann man ins Grübeln kommen. Herr Hetze von
der AfD - ein bezeichnender Name -, der schon bei
flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen in den letzten
Monaten als Redner auftrat, wird zwar am Montag vom
Landrat von diesem Posten abberufen, aber nicht, weil er
Fehler gemacht hat, sondern zum Schutz seiner Person.
Wer bitte soll das verstehen?
({1})
Auch die sächsische CDU zeigt sich leider wieder besonders realitätsfern, diesmal zum Beispiel die Kollegin
Bellmann, die heute auch anwesend ist. Sie beklagt bei
Focus Online: Wenn die Antifa Schilder besprühe, werde
das medial kaum beachtet. Und weiter: „Wenn auf Veranstaltungen ‚Wir sind das Volk‘ gerufen wird, spricht man
sofort von Mob und ‚verbaler Gewalt´“. - Als eine, die
1989 in Leipzig auf die Straße gegangen ist, bin ich wütend, dass diese Rufe in Clausnitz und auch in Dresden
und Leipzig ertönen.
({2})
Denn das hat mit dem Anliegen der Montagsdemonstrationen vom Herbst 1989 rein gar nichts zu tun.
({3})
Wie hat nun Ministerpräsident Tillich auf diese Ereignisse reagiert? Zuerst, wie meistens, gar nicht, und dann
kam ein Vergleich der rassistischen Demonstrationen mit
den Protesten gegen Stuttgart 21.
({4})
Das ist eine Verharmlosung von Rassismus und eine Kriminalisierung legitimer Bürgerproteste.
({5})
Dann nahm Herr Tillich alle Bürger in die Pflicht und
forderte mehr Zivilcourage. Das ist richtig. Aber wer der
Zivilgesellschaft Steine in den Weg legt, wie es in Sachsen seit Jahren passiert, hat wieder einmal nicht bemerkt,
was zu tun ist.
Ich begrüße die Bemühungen von Ministerin Schwesig
um die Verdopplung der Mittel des Bundesprogramms
„Demokratie leben!“. Allerdings nutzt das nur dann etwas, wenn das Geld bei den Initiativen auch ankommt.
({6})
Ausgerechnet für Sachsen gibt der Bund durch das Programm „Demokratie leben!“ zurzeit gar keine Bescheide aus. Schuld daran sind die sächsischen Ministerien,
die sich über Nebensächlichkeiten streiten und damit
die Förderung blockieren. Deshalb liegt in Sachsen momentan nicht nur die zivilgesellschaftliche Projektarbeit
brach. Zwar arbeiten die Koordinierungs- und Fachstellen seit Anfang des Jahres auf Hochtouren, aber ohne
Geld. Angesichts dieser Zustände sind Tillichs Reden nur
wohlfeile Lippenbekenntnisse.
({7})
Es fehlt noch immer eine klare Haltung. Eine solche Haltung hätte ich mir spätestens gestern bei seiner Pressekonferenz gewünscht.
Die Anhäufung von Fehlverhalten und Peinlichkeiten
in Sachsen fällt besonders auf und wird politisch und medial stark beachtet. Es wäre aber ein großer Fehler, solche
rassistischen Vorfälle zu einem reinen Sachsenproblem
zu stilisieren. Wir alle wissen: Leider ist Rassismus ein
Problem in ganz Deutschland. Flüchtlingsfeindliche Parolen finden überall erhebliche Zustimmung. Angriffe
auf Flüchtlingsunterkünfte finden bundesweit statt. Die
AfD liegt in Umfragen - auch in westdeutschen Bundesländern - häufig im zweistelligen Bereich. Aus Studien
von Heitmeyer, Brähler, Decker wissen wir das seit Jahren. Aber sichtbar ist, dass es in letzter Zeit immer dramatischer wird.
Deshalb brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche
Demokratieoffensive.
({8})
Politik und Staat müssen gemeinsam antirassistische
Vorbildwirkung entfalten und zeigen, was Demokratie
bedeutet. Wer heutzutage von Demokratie redet, darf
über Willkommenskultur, Integration und antirassistisches Engagement nicht schweigen.
Vielen Dank.
({9})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Marian Wendt für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Noch am vergangenen Donnerstag habe ich in der Debatte gesagt: „Die
gesellschaftliche Entwicklung zu einem Mehr an Gewalt
in unserem Land sehe auch ich mit großer Sorge.“ Jetzt
muss ich leider hinzufügen, wie sehr mich die Verrohung erschreckt. Wir sind anscheinend an einem neuen
Tiefpunkt angekommen. Solchen Menschenfeinden wie
denjenigen vom Wochenende müssen wir entgegentreten. Darin sind wir uns alle einig, wie wir heute gehört
haben. Der Rechtsstaat muss hier klare Konsequenzen
ziehen und die konkreten Taten - das sage ich klipp und
klar - hart bestrafen.
({0})
Den damit einhergehenden Umschwung in der Haltung zur Innen- und Sicherheitspolitik, der gerade durch
alle Parteien geht, begrüße ich sehr. Nachdem es jahrelang anscheinend keine Stimmung gab, die Polizei dieses
Landes für ihre ureigenen Aufgaben fit zu halten, gibt
es jetzt endlich einen breiten Konsens. Der Rechtsstaat
braucht eine handlungsfähige Polizei, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung dort zu schützen, wo
sie bedroht wird. Wir Innenpolitiker sehen uns stets einem Zeitgeist gegenüber, der die Polizei zumeist mit großer Skepsis betrachtet. Dass jetzt wieder der Wert unserer
Freunde und Helfer erkannt wird, ist eine begrüßenswerte Entwicklung.
Für mich stellt sich schon seit Langem die Frage, wie
wir die fremdenfeindlichen, extremistischen und antidemokratischen Strömungen wieder stärker zurückdrängen
können. Ich habe in den letzten Tagen folgendes Zitat des
großen Hans Sarpei gelesen: „Wenn ihr das Volk seid,
werde ich Flüchtling.“ Wie so oft bei solchen Sprüchen,
klingt das zunächst sehr griffig. Ich würde jedoch entgegenhalten: Nein, Hans, ich würde nicht flüchten. Es
kommt nämlich gerade auf uns Demokraten an, die gewissermaßen die Grundstruktur einer Gesellschaft bilden
und Extremisten daran hindern, die Kontrolle zu übernehmen.
Wir müssen uns alle gemeinsam überlegen, woran es
vielleicht liegen kann, dass es in den östlichen Bundesländern zu einem Mehr an fremdenfeindlicher Gewalt
kommt. In diesem Zusammenhang stellen sich mir schon
seit Langem Fragen: Liegt es vielleicht daran, dass sich
viele Menschen als Verlierer der Wiedervereinigung fühlen, weil sie nicht gleich einen Arbeitsplatz gefunden
haben oder seit 20 Jahren arbeitslos sind? Lassen Sie
mich klar sagen: Ich bin dankbar für die Überwindung
der Teilung und das, was wir erreicht haben. Sachsen ist
das wirtschaftlich stärkste Land, das aus der ehemaligen
DDR hervorgegangen ist. Aber wir müssen uns diese
Fragen stellen.
Es ist natürlich auch die Frage, ob es einen gesellschaftlichen Gegendruck gerade in den ländlichen Regionen Sachsens vielleicht deswegen nicht gibt, weil sich
die bürgerliche Mitte dort ein wenig verabschiedet hat.
Aus meinem Abiturjahrgang sind vier von fünf Mitschülern abgewandert. Diese Abiturienten kann man zu den
bürgerlichen Führungskräften zählen. Diese Kräfte fehlen nun, um sich demokratischen Prozessen zu stellen.
Das haben viele Studien leider gezeigt. Deswegen ist es
an uns, diese Entwicklung umzukehren und eine Basis
für die bürgerliche Mitte zu schaffen. Wir haben schon
viel erreicht. Für mich ist die Schaffung von Arbeitsplätzen am wichtigsten; denn danach streben die Menschen.
Das haben wir gelernt.
Wir haben viel erreicht. Wir haben die Arbeitslosigkeit in Sachsen auf unter 10 Prozent gesenkt. Wir haben
die Infrastruktur- und Solidarpaktmittel sinnvoll eingesetzt. Wir müssen natürlich noch mehr tun, insbesondere
in Nicht-Leuchtturmregionen, die nicht immer im Fokus
stehen.
({1})
Bildung, Breitband, ÖPNV, Straßenbau - so kommen wir
wieder zu Perspektiven, auch in Clausnitz und Bautzen.
Daran sollten wir arbeiten.
({2})
Die Pauschalisierungen und Anfeindungen haben jeden Sachsen getroffen. Lesen zu müssen, alle Sachsen
seien im Grunde Nazis, ist gerade gegenüber den vielen
engagierten Menschen dort zutiefst ungerecht.
({3})
Das hat Frau Rüthrich eben bestätigt.
Eine kleine Minderheit vernichtet den guten Ruf eines
schönen und diversen Landes. Pauschalisierungen sind
doch eigentlich ein Mittel derer, die Vorurteile säen und
mit Ressentiments ihre Zeit vertreiben. Deswegen wäre
es wichtig, Leipzig nicht als „Nazistadt“ oder Menschen
in Heidenau nicht als „Pack und Gesocks“ zu bezeichnen.
({4})
Wir brauchen den Dialog und keine Fronten. Wir
brauchen Fakten und keinen Populismus. Dann schaffen
wir weniger Gewalt und mehr Frieden in unserem Land.
Vielen Dank.
({5})
Michael Leutert ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist schon darauf hingewiesen worden, dass Clausnitz und
Bautzen keine Einzelfälle sind, sondern dass sie sächsische Normalität, sächsischer Alltag sind. Im Übrigen:
Dies gilt nicht erst seit Pegida und nicht erst, seit der Mob
in Freital und in Heidenau auf der Straße ist, sondern das
ist sächsische Realität seit 25 Jahren. Das ist Ergebnis
ganz bewusster CDU-Politik auf Landes- und Kommunalebene.
({0})
Ich will auf verschiedene Punkte hinweisen: 1997 gab
es die SSS, Skinheads Sächsische Schweiz. Sie konnten
fünf Jahre lang ihr Unwesen in der Sächsischen Schweiz
treiben. Kein Wunder, dass die NPD 2004 mit 9,2 Prozent in den Landtag eingezogen ist. Ich habe gedacht, das
sei ein Alarmsignal. Sie war damit fast so stark wie die
Sozialdemokraten. Sie hat in der Sächsischen Schweiz
fast 25 Prozent geholt. Das wurde damals damit abgetan,
das seien Einzelfälle.
Sturm 34 - 2006, 2007 in Mittweida. In Mügeln wer sich noch daran erinnert; so lange ist es noch nicht
her - prügelte 2007 ein aufgebrachter Mob von 50 Leuten mehrere Inder durch die Stadt und skandierte: Hier
herrscht der nationale Widerstand. - Das ist sächsische
Realität. Im Übrigen: Auch der NSU hat in Sachsen Unterschlupf gefunden.
Wenn Sie wissen wollen, wie es auf kommunaler Ebene aussieht, schauen Sie sich den Landkreis Mittelsachsen an. Dort gibt es einen Landrat, der Matthias Damm
heißt. Er war in den 90er-Jahren CDU-Chef in Mittweida.
Dort komme auch ich her. Ich war damals Vorsitzender
eines Jugendvereins. Wir hatten ein Jugendhaus. Natürlich sind wir regelmäßig von Nazis angegriffen worden.
Wissen Sie, was die Stadt gemacht hat? Wir haben Bußgeldbescheide bekommen wegen Verunreinigung des öffentlichen Raums, weil die Scherben noch auf der Straße
lagen.
Nicht nur wir sind angegriffen worden. Die Katholische junge Gemeinde ist angegriffen worden. Es gab
Schwerverletzte. Wir sind ins Krankenhaus gefahren,
haben uns gekümmert und Anwälte besorgt. Wir durften nicht einmal den Film „Hitlerjunge Salomon“ in den
Schulen vorführen, weil uns gesagt wurde, die Schulen
seien keine öffentlichen Aufführungsanstalten. So wurden uns Knüppel zwischen die Beine geworfen.
Im Übrigen war Matthias Damm einmal bei uns im Jugendhaus - mit Polizei, als das Jugendhaus dichtgemacht
wurde. Die Nazis hat es gefreut.
Im Jahr 2007, als der Sturm 34 Mittweida fest im Griff
hatte und als mein Abgeordnetenbüro fünf-, sechsmal angegriffen wurde, haben wir eine Demo organisiert. Der
Bürgermeister hatte alle Hände voll damit zu tun, das zu
verhindern. Er wollte einen Feuerwehrumzug machen,
damit wir nicht durch die Straßen konnten. Er hat versucht, den evangelischen Pfarrer davon abzuhalten, an
der Demo teilzunehmen und dort zu sprechen, was natürlich schiefgegangen ist. Er hat sogar die Hochschule
einen Tag vorher schließen lassen. Die ausländischen
Studierenden sind nach Freiberg geschafft worden, damit
ja niemand an der Demo teilnehmen konnte. 2 000 waren
dann da. Auch heute noch einmal recht herzlichen Dank
für die hohe Beteiligung an der Demo.
({1})
Damals war er Bürgermeister in Mittweida, jetzt ist
Matthias Damm Landrat, und es passiert das in Clausnitz. Was macht er? Er sagt: Der Heimleiter ist versetzt
worden, und zwar zu seinem Schutz. - Die Polizei ermittelt gegen die Flüchtlinge. Das ist sächsische Realität.
Genau das ist im Übrigen die Politik, die dazu führt, dass
der rechte Mob auf der Straße ist; denn er fühlt sich nicht
nur im Recht, in Sachsen fühlt er sich in Sicherheit. Das
ist das Problem.
({2})
So funktioniert das im Übrigen auch auf Landesebene. Ich habe schon gesagt: Demonstranten, die sich in
Dresden den Nazis in den Weg stellen, wird nicht Danke
gesagt, sondern die werden angeklagt und verfolgt. Das
SEK ist mit brachialer Gewalt in Vereinsräume eingebrochen und in die Büros von Anwälten gegangen, um Computer und Flugblätter zu beschlagnahmen.
Herr Kollege, kurzer Blick auf die Uhr.
Ich schaue. Danke für den Hinweis.
({0})
Bitte ein konsequenter Blick auf die Uhr.
Es ist hier angesprochen worden: Die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, und wir auf Bundesebene
können etwas dafür tun, indem wir die Programme gegen
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit aufstocken und so ausstatten, dass die Zivilgesellschaft damit
etwas anfangen kann.
Vielen Dank.
({0})
Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Andrea
Lindholz, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 26 Jahren
gingen Hunderttausende mutige Ostdeutsche mit dem
Ruf „Wir sind das Volk“ auf die Straße und sorgten für
den friedlichen Fall der Mauer und für das Ende der
DDR-Diktatur. Seither symbolisieren diese Worte eine
Sternstunde in der deutschen Geschichte. Sie stehen für
einen demokratischen Wandel, für die Öffnung der Grenzen und für die Wiedervereinigung.
In letzter Zeit missbraucht eine radikale Minderheit
diesen Ruf, um andere Menschen auszugrenzen und
Brandstiftung wie in Bautzen oder schamlosen Ausländerhass wie in Clausnitz zu rechtfertigen. Das dürfen wir
als Demokraten nicht akzeptieren. In unserer weltoffenen
und rechtsstaatlichen Demokratie ist die Würde des Menschen unantastbar, egal woher er kommt oder welchen
Aufenthaltsstatus er hat. Wer Mütter mit kleinen Kindern
anpöbelt, wer sie in Angst und Schrecken versetzt, wer
Häuser anzündet oder dabei jubelt, wer Feuerwehrleute
und Polizeibeamte bei der Arbeit behindert, der kündigt
den demokratischen Grundkonsens auf und stellt sich
selbst außerhalb unserer Gesellschaft. Das müssen wir
mit aller uns zur Verfügung stehenden Macht verurteilen.
({0})
Auch die Straftaten, die in diesem Zusammenhang begangen werden, müssen konsequent rechtsstaatlich verfolgt werden. Ich halte es trotzdem für falsch, in dieser
Debatte Sachsen unter Generalverdacht zu stellen.
({1})
Das Bundeskriminalamt hat im letzten Jahr 976 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert. Das sind fast
500 Prozent mehr als im Jahr davor. Das muss uns alle
aufmerksam machen. Sachsen ist Vorreiter in dieser beschämenden Statistik - das will ich gar nicht verharmlosen -, aber der Anstieg der asylbewerberfeindlichen
Gewalt geht über das gesamte Bundesgebiet. Wir reden
damit über ein deutsches und kein rein und ausschließlich sächsisches Problem.
({2})
Jeder Angriff auf eine Asylunterkunft ist unerträglich und
zu verurteilen.
({3})
Wir als Demokraten sollten hier heute zusammenstehen und keine parteipolitischen Vorurteile verbreiten.
Wir sollten das auch den Menschen in diesem Land, den
vielen redlichen, demokratischen, für die Asylbewerber
tätigen Menschen in Sachsen und im ganzen Bundesgebiet zeigen. Ich finde es auch unerträglich, wie mancher
in den Medien eine Welle der Empörung über die Polizei
lostritt, ohne die Fakten zu kennen, oder gar von Polizeiversagen spricht.
Wir haben heute im Innenausschuss den sächsischen
Staatssekretär und den Landespolizeipräsidenten Sachsens befragt. Sie beide haben sich den kritischen Fragen
aller Parteien gestellt. Man kann zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen; aber uns ist die Entwicklung
in den vier Stunden nachvollziehbar dargelegt worden,
dargelegt worden, wie die Entscheidungsfindung zustande gekommen ist. Man kann einen Polizeieinsatz, der
über vier Stunden dauert, nicht anhand weniger Sekunden auf einem Video beurteilen.
({4})
Die Beamten haben aus einer schwierigen Lage heraus ihre Aufgaben erfüllt. Sie haben dafür gesorgt, dass
niemand zu Schaden kam, und sie haben auch dafür gesorgt, dass die staatliche Verteilentscheidung durchgesetzt wurde und der Rechtsstaat nicht vor den von Hass
erfüllten Demonstranten versagt hat.
({5})
- Das ist richtig, Herr Kollege Beck. Wir haben heute
aber auch ganz klar gehört - Sie waren ja dabei -, dass
der Landespolizeipräsident gesagt hat, dass man aus diesem Vorfall für die Zukunft seine Schlüsse ziehen wird.
Das fand ich eine äußerst positive Bemerkung.
({6})
Natürlich hat die Polizei auch die Aufgabe, Platzverweise durchzusetzen. Ich will aber noch einmal darauf
eingehen: Jedem, der heute im Innenausschuss war, ist
völlig vorurteilsfrei, frei von unserem parteilichen Denken, ganz klar und sachlich dargestellt worden, wie sich
dieser Abend entwickelt hat. Unsere Polizisten leisten im
ganzen Land in dieser Flüchtlingskrise Unglaubliches; es
werden viele Überstunden in allen Bundesländern geleistet. Dafür sollten wir ihnen heute einmal unseren Dank
aussprechen.
({7})
Jeder hat in diesem Land das Recht, die Asylpolitik zu
kritisieren und auch dagegen zu protestieren. Die Meinungsfreiheit gehört genauso zu unseren Grundwerten
wie die Würde des Menschen. Gewalt und blanker Hass
haben aber definitiv nichts mit der Meinungsfreiheit zu
tun. Wir alle - jeder Einzelne von uns in der Politik und
auch in der gesamten Gesellschaft - kann dazu beitragen,
dass wir ganz klar verdeutlichen: Wir akzeptieren als Demokraten keine Fremdenfeindlichkeit, keinen Rassismus
und keine Gewalt. Ich bitte Sie alle, jeden Einzelnen von
Ihnen, dabei mitzuhelfen.
Vielen Dank.
({8})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Der
Brandanschlag von Bautzen und die widerlichen Krawalle bei der Busblockade in Clausnitz sind weitere Tiefpunkte aus den vergangenen Tagen. Sie zeigen, dass es
leider immer mehr Menschen in Deutschland gibt, die
Flüchtlinge auf menschenverachtende Weise angreifen.
Es ist abstoßend und bestürzend, dass über 100 Menschen in Clausnitz Flüchtlinge eingeschüchtert und
bedroht haben, unter ihnen Familien, etwa Frauen und
Kinder, die schlimme Verfolgung und einen gefährlichen
Fluchtweg hinter sich haben, die niemandem irgendetwas getan haben, die zu uns gekommen sind, weil sie
Schutz vor Terror und Verfolgung suchen. Deshalb ist es
beschämend, dass über 100 Menschen diese Flüchtlinge
bedroht und eingeschüchtert haben.
({0})
Der Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft müssen nun
offensiv zeigen, dass es in Deutschland keinen Platz für
diese menschenverachtenden Attacken gegen Flüchtlinge gibt. Wer Kinder und Frauen bedroht und wer, wie in
Bautzen, Wohnunterkünfte anzündet und wer dann auch
noch die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert, der
ist ein Krimineller und gehört hart bestraft.
({1})
Besorgniserregend ist natürlich nicht nur die Zahl der
Anschläge und Attacken in Sachsen. Wir haben es in der
Tat mit einem bundesweiten Phänomen zu tun. Niemand,
insbesondere kein Redner der SPD-Fraktion heute, hat
einen Generalangriff gegen Sachsen geführt.
({2})
Wir wissen sehr wohl um die Leistungen der Sachsen;
wir haben davor großen Respekt.
Aber es stellen sich doch Fragen, wenn jeder fünfte
Angriff gegen Flüchtlingsheime in Sachsen stattfindet.
Das bedeutet keine Attacke auf die Polizei in Deutschland. Wir wissen, dass die Polizei gute Arbeit leistet. Wer
wüsste, wie es in Bezug auf die Flüchtlingskrise aussehen würde, wenn wir nicht so viele engagierte Polizisten
hätten! Also auch da ein Lob von uns an die Polizei; es
gibt keinen Generalverdacht gegen sie.
({3})
Aber natürlich stellt sich die Frage: Warum wurden
in Sachsen in der Vergangenheit nicht genügend Polizeistellen geschaffen? Man muss sich fragen: Warum
weiß man über die rechtsradikalen Strukturen dort so
wenig und wird von Aufmärschen und Attacken immer
wieder überrascht, und wie kann es sein - das hat mich
fassungslos gemacht -, dass ein AfD-Mitglied Leiter der
Flüchtlingseinrichtung in Clausnitz werden konnte?
({4})
Man muss fragen, ob in Sachsen rechte Straftäter so
intensiv verfolgt werden, wie es nötig wäre, oder ob dort
rechtsradikale Strukturen nicht blauäugig unterschätzt
wurden. Die Gegendemonstranten, etwa bei dem Naziaufmarsch in Dresden - es ist schon gesagt worden -,
wurden verfolgt; die Telefondaten wurden tausendfach
überprüft. So eine intensive Verfolgung muss es auch bei
Straftaten von Rechtsradikalen geben. Ich bin deshalb
froh, dass der Ministerpräsident angekündigt hat, einige
Schritte einzuleiten. Das weist in die richtige Richtung,
hätte aber viele Jahre früher kommen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({5})
Ich finde, es kann insbesondere nicht sein, dass Flüchtlinge gleich unter den Verdacht gestellt werden, die
Ausschreitungen selbst provoziert zu haben. Mit dieser
Denkweise, dass Neonazis und Rechtsradikale nur auf
Provokation reagieren, wird diesen Personen die Rechtfertigung für ihre Taten gegeben. Nein, die Neonazis und
die Rechtsradikalen, das sind die Täter, und die gehören
bestraft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({6})
Ausdrücklich möchte ich hier die zahlreichen Bürgerinitiativen und die vielen tapferen Bürgerinnen und
Bürger erwähnen, die in Sachsen für einen menschlichen
Umgang mit Flüchtlingen, für Demokratie und für ein
weltoffenes Sachsen werben. Sie stellen sich vielerorts
couragiert gegen die Rechtsradikalen. Etwa in Clausnitz
gab es kurz nach der Busblockade eine Demonstration,
an der viel mehr Menschen teilgenommen haben als an
der Busblockade. Ich finde, das ist ein ermutigendes Zeichen aus der Zivilgesellschaft. Das sollten wir fördern.
Deswegen ist es richtig, dass die SPD-Fraktion eine Verdopplung der Mittel für das Programm „Demokratie leben!“ fordert; sie kann es hoffentlich auch durchsetzen.
Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken.
({7})
Wir müssen alles tun, damit die fremdenfeindlichen
Übergriffe rasch aufgeklärt werden und die Täter konsequent bestraft werden. Es ist deshalb gut, dass Justizminister Maas angekündigt hat, beim nächsten Justizministergipfel eine Initiative zu starten, um rechte Gewalt
sichtbarer zu machen. Wir müssen genau wissen, welche
und wie viele Delikte von den Rechtsradikalen begangen
werden und wo die Justiz mehr Ressourcen braucht, um
fremdenfeindliche Taten besser verfolgen zu können.
Vor allem müssen wir uns gegen die geistigen Brandstifter dieser Taten wenden. Wenn etwa die AfD fordert,
dass auf Kinder und Frauen bei illegalen Grenzübertritten
geschossen werden kann, dann ist das ein Beitrag dazu,
dass die Hemmschwelle für Gewaltanwendung fällt und
dass es zu solchen Ausschreitungen wie in Heidenau oder
in Clausnitz kommt; darüber braucht sich dann niemand
zu wundern. Da hat die AfD ihr wahres Gesicht gezeigt.
Wer Schüsse auf Kinder als legitimes Mittel der Polizei
ansieht, der ist rechtsradikal, der ist keine Alternative für
Deutschland, und der darf keinen Sitz in den Landesparlamenten bekommen, die jetzt zur Wahl stehen, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({8})
Es trägt auch nicht zur Beruhigung der Lage bei, wenn
etwa der bayerische Ministerpräsident sagt - ich zitiere -:
Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht
und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.
Damit verunsichert er die Bürgerinnen und Bürger,
und dann darf man sich nicht wundern, wenn diese ihr
vermeintliches Recht selber in die Hand nehmen, weil
ja laut Seehofer - angeblich - das Unrecht regiert. Wenn
also Repräsentanten des Staates wie Seehofer nicht besonnen agieren, sondern die Stimmung durch solch seltsame Ausführungen auch noch anheizen, dann machen
sie sich an einer zunehmend vergifteten und aggressiven
Stimmung gegen Flüchtlinge in Deutschland mitschuldig, und das können wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({9})
Willy Brandt hat einmal gesagt:
Wo immer schweres Leid über die Menschen gebracht wird, geht es uns alle an. ... Wer Unrecht lange geschehen läßt, bahnt dem nächsten den Weg.
Lassen Sie uns in diesem Sinne über die Parteigrenzen
hinweg unseren Rechtsstaat verteidigen gegen die Verfassungsfeinde und alle diejenigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung angreifen und Flüchtlinge attackieren!
Vielen Dank.
({10})
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich
das Wort dem Abgeordneten Michael Kretschmer, CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Als ich am Ende der vergangenen Woche nach
Hause gefahren bin und gesehen habe, was in Clausnitz
passiert ist - einige Zeit darauf gab es das brennende
Heim in Bautzen -, war ich wie die meisten von uns hier,
wie die meisten in Deutschland tief erschüttert und habe
mich gefragt: Wo führt das hin, und was können wir tun,
damit aus dem, was da geschehen ist, nicht ein Solingen
II wird - in Solingen sind ja Menschen tatsächlich ums
Leben gekommen -, und damit es nicht weiter eskaliert,
wie es an anderen Stellen in Baden-Württemberg gewesen ist, wo eine Handgranate auf ein Asylbewerberheim
geworfen, oder wie es vor wenigen Tagen in Augsburg
war, wo ein junger Asylbewerber aus dem Senegal krankenhausreif geschlagen wurde? Hier ist eine Grenze
überschritten, was es ganz klar erforderlich macht, dass
wir alle, die Institutionen des Staates, die Politiker, die
Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Kirchen, aber auch
jeder für sich persönlich sagt: So nicht. So kann es nicht
weitergehen!
({0})
Wenn der Wohnort zum Tatort wird, ist jeder Einzelne
gefragt, weil es an dieser Stelle darum geht, wie wir Konflikte miteinander ausleben, wie wir mit Meinungsunterschieden umgehen, wie wir zusammenleben. Und wir
wollen nicht zusammenleben, indem wir uns die Köpfe
einhauen, sondern indem wir vernünftig miteinander reden, meine Damen und Herren.
({1})
Es ist im Interesse jedes einzelnen Bürgers - im
Verein, im Familienkreis, am Stammtisch, am Arbeitsplatz -, Argumenten entgegenzutreten, die zu Gewalt und
Herabwürdigung anderer aufrufen, und zu sagen: Nein,
ich möchte nicht, dass wir so miteinander umgehen. Deswegen ist es richtig, wenn der Ministerpräsident sagt:
Hier ist die gesamte Zivilgesellschaft, hier ist jeder Einzelne gefordert, meine Damen und Herren.
({2})
Eine Spirale der Gewalt, die mit Worten beginnt und
mit Taten endet, darf es nicht geben. Wir brauchen eine
Brandmauer. Und es ist klar: Wer die Feuerwehr bei
Löscheinsätzen und Rettungsarbeiten behindert, ist selbst
ein Brandstifter und muss nach dem Strafgesetzbuch mit
voller Härte verurteilt werden. Deswegen finde ich es
richtig, wenn die CDU/CSU sagt: Hier muss das Strafrecht verändert werden, Rettungsdienste müssen besser
geschützt werden, Angriffe auf Rettungsdienste müssen
anders und stärker geahndet werden.
({3})
Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion.
Jetzt nicht.
Okay.
Ich war im Alter von 14 Jahren - 1989, im Herbst - bei
den Friedensgebeten und auch bei den Demonstrationen,
die nachts in Görlitz im Dunkeln stattgefunden haben.
Und der Ruf „Wir sind das Volk“ hatte damals einen ganz
anderen Ton, einen anderen Klang und vor allen Dingen
einen anderen Geist als den, den wir vor wenigen Tagen
in diesem Video gesehen haben.
({0})
Es heißt in Wirklichkeit auch nicht: „Wir sind das
Volk“, sondern: „Wir sind ein Volk“. Darum geht es auch
in dieser Debatte - Günter Krings hat dazu aufgerufen,
die Chance zu nutzen, sich jetzt nicht im Klein-Klein der
Parteitaktik zu verheddern, sondern diese Botschaft nach
außen zu senden -: Wir müssen gerade in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten, in der die Bevölkerung auf
der Suche nach den richtigen Antworten ist, in der es
immer mehr Polarisierung gibt. Jetzt muss die Politik
zusammenhalten. Und es ist bitter, dass einige Kollegen
heute diese Chance wieder nicht genutzt haben, sondern
das Gegenteil gemacht haben, nämlich sich hier im Parteien-Klein-Klein, im Krakeelen zu ergehen, meine Damen und Herren.
({1})
Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von Herrn Beck. Wollen Sie weitersprechen?
Ja. - Hass mit Hass zu beantworten, setzt eine Spirale der Gewalt in Gang, die ins Verderben führt. Juli Zeh
hat es im vergangenen Jahr wunderbar gesagt: Öffentliche Diffamierungen führen zu zusätzlicher Aggression.
Emotionalität in der Sprache führt dazu, dass die Dinge
nur schlimmer werden. - Und eine Politik, die mit dem
Finger auf andere zeigt, die Worte wie „Pack“, „Pöbel“
und „Dunkeldeutschland“ - auch in dieser Debatte wieder - nennt, die ist nicht in Ordnung, meine Damen und
Herren.
({0})
Es ist auch nicht in Ordnung, wenn über den Freistaat
Sachsen hier ein Zerrbild verbreitet wird, das nur dazu
führt, dass die aufrechten Menschen in diesem Land, die
in der großen Mehrzahl sind, die sich für Flüchtlinge und
für das Gemeinwesen engagieren, mit heruntergemacht
werden, meine Damen und Herren.
({1})
Zur Wahrheit gehört, dass selbstverständlich der Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen,
({2})
der in den vergangenen Jahren insbesondere von Linken
und Grünen bei seiner Arbeit immer wieder behindert
worden ist,
({3})
genau darauf achtet, wenn Rechtsextremisten versuchen,
auf asylkritische Proteste Einfluss zu nehmen.
({4})
Richtig ist auch, dass in Sachsen im Jahr 1991 die
Sonderkommission Rechtsextremismus eingerichtet
wurde, dass 2012 das Operative Abwehrzentrum der
Polizei Sachsen gegründet wurde, das bis 2015 279 Ermittlungsverfahren wegen Rechtsextremismus mit einer
Aufklärungsquote von 73,1 Prozent geführt hat, dass wir
im Jahr 2015 die Integrierte Ermittlungseinheit der Justiz gegründet haben, um politisch motivierte Kriminalität
besser bekämpfen zu können, und dass wir die Gelder für
das Programm „Weltoffenes Sachsen“ von 2005 bis jetzt
von 2 Millionen Euro auf 5,1 Millionen Euro aufgestockt
haben. Es ist uns wichtig, hier ein klares Signal gegen
Rechtsextremismus zu setzen. Denn uns als Union ist es
ein Anliegen, diesen braunen Sumpf auszutrocknen.
({5})
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es eben nicht nur
eine Aufgabe des Staates, sondern auch eine Aufgabe
im Kleinen ist. Dass man Rechtsextremismus nicht mit
Linksextremismus bekämpfen kann, ist, glaube ich, auch
klar. Das muss man aber nach dieser Debatte hier auch
noch einmal sagen.
({6})
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Chance
jetzt nicht vertan wird. In einer Zeit, in der die Menschen
auf der Suche nach einer Antwort sind und die große Herausforderung des Flüchtlingsstroms viele Ängste und
Sorgen verursacht, ist es wichtig, dass die Politik sich
nicht auseinandertreiben lässt, sondern dass die wirklichen Demokraten zusammenstehen und wir die Chance
nutzen, dieses Land zusammenzuhalten. Sie braucht es
mehr denn je.
({7})
Jetzt haben wir noch zwei Kurzinterventionen, die
eine vom Kollegen Beck und die andere von der Kollegin
Lay. - Herr Kollege Beck fängt an.
Herr Kretschmer, ich habe das Gefühl, dass wir so, wie
Sie das Thema in Ihrer Rede betrachten und beschreiben,
noch keinen wirksamen Kampf gegen die rechten Hetzer,
die wir in Sachsen und anderen Teilen unserer Republik
auf den Straßen sehen, führen, dass wir hier noch nicht
wirklich vorankommen.
Ich will damit beginnen, dass Sie sagen: Wir müssen
jetzt als Politik alle zusammenhalten. - Ich glaube, wir
müssen vor allen Dingen „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ erklären. Wenn Sie sagen, der Ausspruch „Wir
sind das Volk“ hat damals in der Demokratiebewegung
der DDR einen anderen Klang gehabt, dann muss ich
sagen: Er hatte auch einen ganz anderen Sinn. Es sind
die Bürgerinnen und Bürger eines Staates auf die Straße
gegangen gegen ein Regime, das zwar Wahlen abgehalten, aber nicht zugelassen hat, dass die Wählerinnen und
Wähler frei und gleich wählen können. Dieses Regime
bestand eben nicht aus gewählten Vertretern des Volkes.
Das unterscheidet es maßgeblich von den Verhältnissen
in unseren 16 Bundesländern und im Deutschen Bundestag.
Das Volk hat hier alle vier oder fünf Jahre - je nach
der Länge der Legislaturperioden - die Möglichkeit, sich
selber eine andere Mehrheit im Parlament zu wählen und
damit eine neue Regierung zu bestimmen. Deshalb ist
die Dichotomie zwischen dem Pöbel auf der Straße, der
behauptet, er sei der Repräsentant des Volkes, und den
Volksvertretungen einfach eine Lüge. Diese muss man
als solche dekuvrieren und darf nicht zulassen, dass das
hohe Ansehen und das hohe Verdienst der Bürgerrechtsbewegung in der DDR in den Schmutz gezogen werden.
Da müssen Sie stärker differenzieren.
({0})
Wenn Sie einen Begriff wie „asylkritische Proteste“ in
den Mund nehmen, bleibt mir echt die Spucke weg.
({1})
Dann sind brennende Flüchtlingsheime wohl angewandte
Architekturkritik. Nein, das ist keine legitime demokratische Position, die dort diskutiert wird. Das Asylgrundrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention sind Teil des
Verfassungsrechts dieser Republik. Da können Sie nicht
sagen, Asylkritik ist einfach einmal so eine Position.
Nein, das stellt die Unantastbarkeit der Menschenwürde
infrage. An diesem Punkt sollten wir als Demokratinnen
und Demokraten in der Tat parteiübergreifend zusammenstehen und die Menschenwürde und ihre Unantastbarkeit verteidigen.
({2})
Herr Kretschmer, wollen Sie jetzt oder nach der Kurzintervention von Frau Lay antworten? - Erst einmal Frau
Lay.
Frau Kollegin Lay, bitte.
Vielen Dank für die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. - Herr Kretschmer, auch mich hat Ihre Rede zu
einer Intervention provoziert. Ich muss sagen: Ich bin
wirklich entsetzt, dass Sie sich als langjähriger Generalsekretär der sächsischen CDU hierhinstellen und sagen:
Man könnte, man müsste, man sollte. - Sie reden hier so,
als hätten Sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Wer
ist denn eigentlich verantwortlich für die Verhältnisse
in Sachsen? Wer regiert denn in Sachsen und im Bund?
Das ist doch die CDU. Dann muss man doch ein bisschen
mehr Verantwortung tragen.
Wissen Sie, Ihre tolle positive Bilanz über die Erfolge
der sächsischen CDU bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus kann ich überhaupt nicht teilen. Die Soko
REX wurde doch eingestellt. Stattdessen war es doch so:
Als sich Pegida in Dresden formierte, hat der sächsische
Innenminister gesagt, er habe Verständnis dafür und man
müsse eine Soko gegen angeblich kriminelle Asylbewerber einrichten. - Das war die Reaktion Ihrer Partei darauf.
Die Projekte in Sachsen gegen Rechtsextremismus
haben doch seit Jahren ein erhebliches Finanzierungsproblem, dann werden sie auch noch beäugt und in die
linksextremistische Ecke gestellt. Das ist Ihre Politik.
Letzter Punkt. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz als tolles scharfes Schwert im Kampf gegen
Rechtsextremismus: Jede lokale Antifa in Sachsen weiß
mehr über die rechten Strukturen in den Landkreisen als
das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz. Es hat
in dieser Sache komplett versagt. Ich will Ihnen sagen:
Wenn es im Bundestag einen Preis für Heuchelei und für
Scheinheiligkeit geben würde, dann hätten Sie ihn heute
verdient.
({0})
Ich bitte, die Worte immer etwas abzuwägen. - Herr
Kollege Kretschmer.
Ich glaube, dass das nicht die Art ist, wie wir miteinander reden sollten und die dieser Debatte angemessen
ist.
({0})
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich machen: Für mich und für mein Heimatland gilt: Der
Kampf gegen Rechtsextremismus und Extremismus insgesamt ist eine ganz zentrale Aufgabe. Diesem Kampf
stellten wir uns in der Vergangenheit jeden Tag,
({1})
und wir werden es in der Zukunft noch viel stärker tun.
Das, was in den letzten Tagen passiert ist, ist für uns ein
deutlicher Weckruf. Es wird noch intensiver und noch
mehr.
({2})
Aber ich sage Ihnen auch ganz genau: Die Antifa ist in
diesem Kampf kein Partner. Sie ist ein zusätzliches Problem, aber kein Partner bei der Lösung dieses Problems.
({3})
Das, was jetzt notwendig ist, ist neben mehr Polizisten - auch bei der Wachpolizei -, die eingestellt werden,
eine Stärkung des Verfassungsschutzes, mehr Bildungsarbeit, ein Weiter-so in der Stärkung der Zivilgesellschaft, auch im Ehrenamt. Das passiert bereits.
({4})
Deswegen verwahre ich mich gegen dieses Zerrbild, das
hier verbreitet worden ist, dass diese Arbeit entweder
nicht gemacht wird, dass sie nicht wichtig ist oder dass
wir nachlässig damit umgehen. Das Gegenteil ist der Fall.
({5})
Ich sage vor allen Dingen ganz deutlich: Man kann
sich nicht hierhinstellen und alle Menschen eines Landes
unter Generalverdacht stellen. Das ist nicht in Ordnung,
meine Damen und Herren.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Nationales Programm für
nachhaltigen Konsum.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Barbara Hendricks. - Frau Ministerin,
vielleicht warten Sie kurz, bis sich das Plenum beruhig
hat, auch wenn es mir völlig unverständlich ist, dass uns
angesichts eines so interessanten Berichts so viele verlassen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das vergangene Jahr war durchaus historisch für
den Umweltschutz. Wir haben mit dem Abkommen von
Paris den internationalen Klimaschutz ein großes Stück
vorangebracht. Wir haben im September in New York die
UN-Nachhaltigkeitsziele verabschiedet. Beide Verträge
zeigen: Die Weltgemeinschaft ist sich bewusst, dass die
Ausbeutung unseres Planeten ein Ende haben muss. Sie
ist sich bewusst, dass Umweltverschmutzung oft einhergeht mit sozialer Ungerechtigkeit. Sie ist sich bewusst,
dass wir umsteuern müssen, wenn wir den kommenden
Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen wollen.
Jetzt liegt der Spielball wieder bei den Staaten und
ihren Gesellschaften. Wir also, auch in Deutschland,
müssen jetzt umsetzen, was wir im vergangenen Jahr beschlossen haben. Das stellt Anforderungen an die Politik
und an jede Bürgerin und jeden Bürger. Wir wollen aber
keinen Verzicht predigen oder die Verantwortung den
Konsumenten alleine aufbürden. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern und alle für einen nachhaltigen Konsum gewinnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einer der Schwerpunkte der Agenda 2030 ist für uns das Ziel 12: Wir haben uns verpflichtet, nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen nach vorne zu bringen. Nachhaltiger Konsum
bedeutet: Jede und jeder Einzelne sollte berücksichtigen,
welche ökologischen und welche sozialen Konsequenzen
Kaufentscheidungen haben. Klar ist: Ein gesellschaftliCaren Lay
cher Wandel lässt sich nicht einfach verordnen. Das
wollen wir selbstverständlich auch gar nicht. Wir wollen
Ziele aufzeigen, Leitplanken vorgeben und die Rahmenbedingungen verbessern.
Wir wollen zum Beispiel klare Informationen anbieten, etwa über ein Onlineportal, das Licht in den Dschungel der Umweltsiegel bringt. Wir wollen bei Produzenten
und bei Konsumenten über den Aspekt der Langlebigkeit
aufklären. Gerade bei Mobiltelefonen oder Computern
nimmt die Lebensdauer ab, obwohl wir ja alle wissen,
dass jedes Bauteil wertvolle Rohstoffe enthält. Eine Frage wird sein: Brauche ich wirklich ein neues Gerät, oder
kann ich das alte vielleicht auch nachrüsten? Oder: Warum kann man sich nicht den Besitz von Elektrogeräten
teilen, zum Beispiel in der Nachbarschaft? Wussten Sie
zum Beispiel, dass eine Bohrmaschine im Durchschnitt
pro Jahr nur anderthalb Minuten läuft?
({0})
Überlegen Sie mal, wie viele Bohrmaschinen es in den
Kellern der Bundesrepublik Deutschland gibt!
Meine Damen und Herren, der nachhaltige Konsum
soll aus seiner Nische geholt und in den Alltag gebracht
werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen
dabei unterstützt werden, nachhaltig zu handeln. Die
Wahl der nachhaltigen Alternative sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Ich sage aber auch: Nachhaltiger
Konsum darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. Jeder
Mensch in Deutschland sollte in der Lage sein, nachhaltig zu konsumieren. Schließlich dürfen wir nicht vergessen: Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion
bedingen sich. Verbraucherinnen und Verbraucher werden nur dann überzeugt mitmachen, wenn die Produkte
langlebiger, emissionsärmer und letztlich auch qualitativ
besser werden. Hier sind die Hersteller in der Pflicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum soll zur möglichst
breiten Mitwirkung einladen. Es soll erfolgreiche Maßnahmen stärken und das Thema mit neuen Initiativen
voranbringen. Wir haben das Programm in zwei Maßnahmenbereiche unterteilt, erstens in die sechs Konsumfelder, in denen der Konsum die größte Umwelt- und Sozialwirkung aufweist. Dies sind folgende Konsumfelder:
erstens Mobilität, zweitens Ernährung, drittens Wohnen
und Haushalt, viertens Arbeit und Büro, fünftens Bekleidung, sechstens Freizeit und Tourismus. - Zweitens haben wir übergeordnete Handlungsansätze erarbeitet, die
keinem Konsumfeld konkret zugeordnet werden können.
Hierzu zählen Bildung und Verbraucherinformationen
ebenso wie die Nutzung von Ökodesign und -kennzeichen, Forschung und Monitoring.
Wir wollen aber auch soziale Innovationen unterstützen und insgesamt in Deutschland ein Nachdenken über
Lebensstile initiieren. Das Programm ist außerdem eine
Plattform, die die Bürgerinnen und Bürger und die Zivilgesellschaft bei der Suche nach erfolgversprechenden
Handlungsansätzen ausdrücklich miteinbezieht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland wird
im Umweltschutz weltweit als Vorbild wahrgenommen.
Veränderungen auf der Konsumseite hin zu mehr Klimaund Ressourcenschonung wären natürlich auch global
ein wichtiges Zeichen. Auch deshalb hat das Kabinett
heute dieses Maßnahmenpaket beschlossen, übrigens das
weltweit erste seiner Art.
Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank. - Es gibt eine Reihe von Fragestellern bei den Grünen, aber es beginnt Frau Kollegin Menz
von der Fraktion Die Linke. - Bitte schön.
Danke schön, Frau Ministerin, für Ihren Beitrag. Leider konnte ich das Nationale Programm noch nicht lesen.
Ich habe es erst vorhin zugeschickt bekommen.
Meine Frage ist: Inwieweit wird mit dem Programm
auch eine offene Debatte über eine grundsätzliche Neuorientierung des wirtschaftlichen Handelns und bei den
wirtschaftlichen Erfolgsmaßstäben sowie eine entsprechende Neubewertung der Bedeutung und Rolle von
Wachstum und Wohlstand verbunden sein?
Ich glaube nicht, dass wir davon ausgehen müssen,
dass wir in diesem Zusammenhang neu über die Rolle
von Wachstum und Wohlstand reden müssen. Selbstverständlich bleibt das auch unsere Aufgabe. Es geht in diesem Zusammenhang aber darum, den Bürgerinnen und
Bürgern dabei zu helfen, einen nachhaltigen Konsum
tatsächlich auch gleichsam bewusst pflegen zu können.
Wir wollen die Menschen ja nicht zwingen, sondern sie
sollen durch gut zugängliche Informationen in die Lage
versetzt werden, selber zu überprüfen, ob die Konsumentscheidung, die sie sich gerade vorgenommen haben,
eine vernünftige ist, oder vereinfacht gesagt, ob sie das,
was sie gerade kaufen wollen, wirklich brauchen und ob
sie das, was sie kaufen, auch lange nutzen können und
wollen.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Renate
Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Ministerin, erst einmal sehr herzlichen Dank für
Ihre luziden Ausführungen in Sachen Bohrmaschine. Was ich aber nicht verstanden habe, ist: Was ist an diesem Programm jetzt eigentlich neu, und was soll in Zukunft passieren? Sie haben viel zur Bewusstseinsbildung
ausgeführt. Da wird mir am Ende schon ganz schwindelig. Aber sagen Sie doch einmal an einer Stelle, was zu
welchem Zeitpunkt konkret umgesetzt werden soll.
Ich will das durch ein Beispiel im Bereich Textil konkretisieren. Greenpeace hat mit über 100 Unternehmen
in Deutschland eine Vereinbarung geschlossen, dass elf
Chemikalien bis 2020 aus dem Prozess herauszunehmen sind. Haben Sie beim Punkt Bekleidung irgendetBundesministerin Dr. Barbara Hendricks
was Gleichartiges, etwas Konkretes in Ihrem Programm
vorgelegt? Gibt es mehr als ein allgemeines „Wir wollen
zum Bewusstsein beitragen“?
Mein zweites Beispiel ist der Punkt Ernährung. Sie
wollen gerne, dass man mehr regional einkauft. Aber
gibt es denn in Zukunft und, wenn ja, bis wann, ein Regionalzeichen, das auch mit zwingenden ökologischen
und sozialen Kriterien verbunden ist, nach denen sich die
Verbraucher dann richten können? Ich habe dazu nichts
gefunden.
Frau Kollegin, zu den konkreten Maßnahmen gehören
zum Beispiel der Ausbau und die Ausweitung des Portals
„Siegelklarheit.de“, um Verbrauchern genau darüber eine
bessere Übersicht zu verschaffen. Wir sind dort noch am
Anfang; das sehe ich ein. Deswegen werden wir das weiter ausbauen und ausweiten.
({0})
Das ist einer der konkreten Punkte, die wir uns in diesem
Programm vorgenommen haben.
Es gehört auch - zunächst - die Erforschung und dann
die Entwicklung eines sogenannten zweiten Preisschildes dazu, welches die Sozial- und Umweltauswirkungen eines Produktes abbildet und damit einen Schritt in
Richtung Internalisierung externer Kosten darstellt. Dies
soll natürlich den Konsumenten an die Hand gegeben
werden, damit sie auf dieser Grundlage ihre Konsumentscheidungen fällen können.
Außerdem sind wir dabei, das Verbraucherportal des
UBA auszubauen, welches ja schon unter dem Gesichtspunkt „umweltbewusst leben“ existiert. Darüber hinaus
ist die Ausweitung des Textilbündnisses inklusive einer
Erhöhung des Marktanteils von Bekleidung aus zertifizierten Prozessen zu nennen. Alles dies sind Punkte, die
wir ganz konkret in unserem Programm angesprochen
haben und die wir in den nächsten Wochen und Monaten voranbringen werden, selbstverständlich auch abgestimmt im Ressortkreis. Ich bin den Kollegen im Justizministerium und im Ernährungsministerium besonders
dankbar. Wir haben gemeinsam die Federführung für
diesen Prozess übernommen.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Eva
Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke.
Danke schön. - Dank auch an Sie, Frau Ministerin, für
den Bericht.
Nachhaltig leben heißt ja, langlebige Dinge zu kaufen,
die man - oder natürlich auch Frau - wirklich braucht.
Das heißt für mich auch, Lebensmittel zu kaufen, die
regional produziert werden. Dazu gehören kurze Anfahrtswege usw. Ich denke, da gibt es auch schon viele
Informationen in der Bevölkerung. Es können aber immer noch mehr werden. Viele meiner Wählerinnen und
Wähler sagen mir jedoch: Ja, Eva, du kannst dir das leisten. Aber ich kann halt nicht jeden Tag im Bioladen oder
auf dem Biomarkt einkaufen. - Es ist natürlich auch klar,
dass ein Mantel, der acht Jahre hält, teurer ist als einer
aus so einem Billigladen, der in Bangladesch produziert
wurde.
({0})
- Gut, okay. - Also, Sie verstehen, was ich meine. Ich
würde dazu gern Näheres wissen.
Ja, Frau Kollegin Bulling-Schröter, Sie haben natürlich vollkommen recht. Deswegen ist es uns auch ein
besonderes Anliegen, tatsächlich allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu nachhaltigem Konsum zu ermöglichen; denn selbstverständlich wissen wir, dass
billig nicht gleich preiswert ist und dass der nachhaltige
Konsum gerade denjenigen entgegenkommt, die mit ihrem Einkommen tatsächlich rechnen müssen. Deswegen
kommt es auch hier darauf an, nachhaltigen Konsum für
alle zu ermöglichen. Ein Beispiel für den Bereich Energieeffizienz - Sie kennen das Beispiel - ist ein Projekt
zum Thema Nachhaltigkeit, bei dem wir mit der Caritas
zusammenarbeiten. Hier geht es darum, höherwertige,
bessere, sparsamere und effizientere Elektrogeräte einzusetzen. Auch dies ist ein Bereich, in dem wir weiter
vorangehen können.
Ja, wir sind noch ziemlich am Anfang, was die Entwicklung anbelangt, und ja, bis jetzt hat es sich noch
nicht durchgesetzt, dass wirklich überall regionale Produkte zu kaufen sind. Im Übrigen müssen nicht alle regionalen Produkte in Bioläden verkauft werden. Es sind
ja auch nicht alle in der biologischen Landwirtschaft entstanden; das ist auch nicht zwingend nötig, wir haben ja
auch sonst anständige landwirtschaftliche Produkte aus
regionaler Produktion. Es ist aber zu beobachten, dass in
immer mehr ganz normalen Supermärkten des Lebensmitteleinzelhandels - die Namen will ich jetzt nicht nennen, sie sind uns aber alle bekannt - regionale Produkte
mittlerweile tatsächlich einen besonderen Stellenwert
haben.
({0})
Sie werden allerdings zu ganz normalen Preisen verkauft.
Die Preise zum Beispiel für Fleisch, Eier oder was auch
immer - das wissen Sie - sind hier nicht höher.
({1})
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Peter
Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau
Ministerin, für Ihre Ausführungen. Dass wir im Bereich
„nachhaltiger Konsum“ eine Menge zu tun haben, ist
durch die Bertelsmann-Studie vom vergangenen Jahr
deutlich geworden. Egal ob es um Abfall geht, um Lebensmittelverschwendung, um Wasser, um Nitrat oder
um viele Dinge mehr: Wir sind in Deutschland noch
lange nicht so weit, wie wir aufgrund unseres Selbstverständnisses als Vorreiter sein wollen.
Es ist aber auch klar: Wir können uns nicht nur auf den
Verbraucher fokussieren. Wir kennen die Studien: 25,
30 oder 35 Prozent der Menschen erklären sich bereit,
ethisch einzukaufen, aber im Laden tun sie es nicht, und
zwar aus verschiedenen Gründen; Frau Bulling-Schröter
hat eben einige Gründe angesprochen. Es gibt aber noch
weitere Gründe. Offensichtlich reichen Information und
Transparenz alleine nicht aus. Ich glaube, wir brauchen
eindeutig noch weitere Erfordernisse im Bereich des
Ordnungsrechts und mehr Klarheit.
Es gibt das Programm für nachhaltigen Konsum und
die SDGs. Wir stehen nun vor der Herausforderung, die
Vorgaben in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. Meine Frage ist: Was kommt am Ende des Tages an konkreten Maßnahmen heraus, zum Beispiel im
Bereich der Weiterentwicklung des ElektroG, wenn es
darum geht, langlebige Produkte zu fördern und die Gewährleistungsfrist entsprechend zu ändern?
Vielen Dank.
Herr Kollege, ich will in diesem Zusammenhang auf
die Ökodesign-Richtlinie hinweisen, die, gerade was Effizienz anbelangt, uns schon sehr gut vorangebracht hat.
Sie adressiert selbstverständlich die Hersteller. Manchmal wird die Ökodesign-Richtlinie hier in Deutschland
belächelt, im Sinne von - das kann man hier und da lesen -: Jetzt will Brüssel auch noch festlegen, wie unsere
Haarföhne beschaffen sein sollen. Ja, Brüssel kann festlegen, dass die zukünftig zu kaufenden Haarföhne energieeffizienter sein sollen als die, die es jetzt schon gibt;
man ist jedoch nicht gezwungen, einen neuen zu kaufen.
Aber wenn man sowieso einen neuen kauft, dann sollte
er doch energieeffizienter sein als der alte, den man ausrangiert hat. Genau das ist die Richtung, in die wir uns
bewegen.
Wir sollten in der Öffentlichkeit für eine entsprechende Entwicklung werben. Die Unternehmen wissen, dass
die Ökodesign-Richtlinie, die wir auf europäischer Ebene haben, letztlich dazu führen wird, dass wir in Deutschland mit unseren Technologien und Produkten einen
Wettbewerbsvorteil haben. Es soll bei den Bürgern nicht
der Eindruck entstehen, dass die Vorgaben von Brüssel
einfach aufgepfropft werden.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Matthias
Miersch, SPD-Fraktion.
Frau Ministerin, vielen Dank für die Initiative. Ich
glaube, sie ist eine Fortsetzung dessen, was Rot-Grün im
Jahre 2000 begonnen hatte, als das Thema „nachhaltige
Entwicklung“ durch die Bildung des Parlamentarischen
Beirates für nachhaltige Entwicklung, durch den Rat für
nachhaltige Entwicklung und durch das Green Cabinet
Einzug gehalten hat.
Wenn ein Programm aufgesetzt wird, dann werden
wahrscheinlich mehrere Gesetze daraus folgen. Ich
halte die frühzeitige Einbeziehung des Parlaments für
essenziell. Daher meine konkrete Frage: Ist heute im
Kabinett auch darüber diskutiert worden, wie man eine
Parlamentsbeteiligung möglichst frühzeitig sicherstellen
kann, bzw. können Sie uns sagen, woran Sie denken?
Herr Kollege, wir haben jetzt nicht unmittelbar gesetzgeberische Aktivitäten vorgesehen, aber sofern sie aus
diesem Programm erwachsen, werden wir das Parlament
selbstverständlich frühzeitig beteiligen.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Oliver Krischer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Ministerin, mir geht es bei diesem Programm so
wie bei vielen Programmen aus Ihrem Haus. Spontan fällt
mir das Ressourceneffizienzprogramm ein. Ich habe Ihr
Nationales Programm für nachhaltigen Konsum gerade
kurz durchlesen können. Wenn man das liest, denkt man,
vieles ist richtig; da würde man gar nicht widersprechen.
Die Frage ist nur: Was hat das konkret für Konsequenzen? Wo findet Politik statt? Das ist die entscheidende
Frage, die in diesem Programm zu 95 Prozent aber nicht
beantwortet wird. Jedenfalls hat man nach dem ersten
Lesen diesen Eindruck.
Ich möchte deshalb eine ganz konkrete Frage stellen,
und zwar bezogen auf einen Punkt, an dem Sie schon
aktiv geworden sind, den Sie eben selbst angesprochen
haben. Es geht um das Thema Siegelklarheit. Vor über
einem Jahr haben Sie ein entsprechendes Internetportal
geschaffen. Damals wurde, wenn ich richtig informiert
bin, angekündigt, dass die Siegel in den Bereichen Textilien, Lebensmittel, Holz und Papier sofort erklärt werden
sollen. So schwer kann das ja eigentlich nicht sein. Es
gibt zwar viele Siegel, aber für Ihre Behörde sollte es eigentlich keine große Herausforderung sein, diese Siegel
zu erklären. Wenn man heute in dieses Portal schaut das haben Sie in Ihrem Bericht als eines der Highlights
dargestellt, wenn ich das einmal so interpretieren darf -,
sucht man die Erklärung für die Siegel in den Bereichen
Lebensmittel und Holz vergeblich. Wann können wir bei den wenigen Dingen, die Sie konkret machen - mit
einer vollständigen Umsetzung rechnen?
Herr Kollege, eine vollständige Umsetzung wird es
niemals geben, weil immer wieder neue Zeichen und
Standards auf den Markt kommen.
({0})
Ganz ruhig bleiben. Sie haben sowieso schon hemmungslos überzogen. - Nächster ist der Kollege Friedrich
Ostendorff von Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Ministerin, das Programm liest sich wie ein
Wünsch-dir-was-Katalog. Gehen wir in die Details: Es
steht nichts Falsches darin.
Das ist doch schon mal was wert, oder?
Ja. - Darin steht, dass wir wiederum neue Foren, neue
Plattformen schaffen. Was ist daran das Neue? Sie beklagen seit Jahren, dass neue Beiräte, Foren oder Plattformen gegründet werden, daraus aber nichts folgt. Man
hat es nur mal wieder besprochen und an irgendeinen Arbeitskreis delegiert. Dieser Ansatz durchzieht auch dieses
Papier. Wo ist denn ein konkreter Ansatzpunkt zu finden?
Bleiben wir bei der Schulernährung, also der Ernährung der zukünftigen Verbraucherinnen und Verbraucher. Wenn wir die Schulernährung verbessern wollen,
dann brauchen wir konkrete Angebote. Deshalb muss
ich nachfragen: Warum werden die Mittel für die Schulvernetzungsstellen, die für die Etablierung der Schulverpflegung in den Einrichtungen ganz entscheidend sind,
gekappt?
Im Programm steht geschrieben, dass die Tierwohlinitiative zu unterstützen ist. Was mache ich damit? Wo
unterstützt das Ministerium die Tierwohlinitiative? Sie
hat diese Aufgabe an die Wirtschaft delegiert, aber da
läuft das beklagenswert schlecht. Die Bundesregierung
müsste doch sagen: Hier muss konkret etwas passieren.
Das muss gestärkt werden. Ich vermisse eine entsprechende Initiative. Wo bleibt die Initiative?
Wenn wir regionale Kost etablieren wollen, dann sollten wir auf die Bundeskanzlerin hören, die bekannterweise eine hervorragende Kartoffelkennerin ist. Sie hätte
doch einmal zum Stift greifen und ein bisschen hineinschreiben können. Damit hätte man dem Minister doch
sicher auf die Sprünge helfen können.
Die Regierung wird gleich auf den kreativen Vorschlag antworten.
Wenn Sie damit einverstanden sind, antwortet, weil
das den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung und Landwirtschaft anbelangt, die Frau Kollegin Flachsbarth.
({0})
Ich bin damit einverstanden.
Herr Kollege Ostendorff, herzlichen Dank für Ihre
Fragen. Gerne trage ich aus dem Ressortbereich des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
etwas bei.
Sie wissen, dass sich die Tierwohlinitiative des Bundesministers „Eine Frage der Haltung“ seit September
2014 in vielen konkreten Projekten verifiziert,
({0})
dass zum Beispiel der breite Bereich von Modell- und
Demonstrationsvorhaben von Netzwerken von Betrieben, die sich an solchen Vorhaben beteiligen, unter anderem zur Vermeidung nichtkurativer Eingriffe, vom
Bundesministerium mit erheblichen Millionenbeträgen
unterstützt wird. Sie wissen, dass wir einen sehr guten,
konkreten Austausch haben, dass - ganz konkret - Betrieb für Betrieb beraten wird, um in diesem Bereich
letztendlich eine Umstellung zu ermöglichen.
Sie wissen, dass wir auch im Bereich der Prüf- und
Zulassungsverfahren auf guten, konkreten Wegen sind,
um zum Beispiel Tierhaltungssysteme zu standardisieren
und letztendlich auch die Tierhaltungsbedingungen zu
verbessern. Sie wissen, dass wir im vergangenen Sommer im Bereich der freiwilligen Vereinbarungen, zum
Beispiel mit der Geflügelbranche, wesentliche Schritte
nach vorne gemacht haben. So verifiziert und konkretisiert sich dieses Programm, das wir hier zusammengefasst haben, in vielen einzelnen Schritten tatsächlich im
Detail.
Ihre zweite Nachfrage betraf die Ernährung bzw. die
Ernährungsbildung. Die Bundesinitiative Ernährungsbildung ist eine der großen Prioritäten, die sich Bundesminister Christian Schmidt auf die Fahne geschrieben
hat. Der Minister fordert deshalb einen festen Platz in
den Lehrplänen für das Fach Ernährungsbildung. Er ist
diesbezüglich in Kontakt mit seinen Kolleginnen und
Kollegen auf Länderebene. Wir als Bundesministerium
unterstützen Schulen und Kitas mit kostenlosen Bildungspaketen, die im Rahmen von „IN FORM“, also
Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr
Bewegung, entwickelt wurden.
Darüber hinaus plant das BMEL, eine Studie zum
Thema „Ernährungsbildung in Kita und Schule“ in Auftrag zu geben. Ziel ist es, erstmals nach 15 Jahren systematisch zu erarbeiten, wie derzeit der Stand des Ernährungswissens bei Kindern in Kita und Schule ist.
Außerdem informiert die Kampagne „Macht Dampf!“,
warum gutes Essen für Kinder und Jugendliche sowohl
zu Hause als auch in Kita und Schule so wichtig ist und
was eine ausgewogene Ernährung ausmacht, und klärt
über die Kriterien des DGE-Qualitätsstandards auf. Auch
in diesem Bereich gibt es also eine Vielzahl von Konkretisierungen und konkreten Projekten.
Herzlichen Dank. - Jetzt haben wir die Zeit ein bisschen überzogen, aber das waren alles wichtige Informationen.
Nächste Fragestellerin ist Frau Dr. Valerie Wilms,
Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, das
ist ein tolles Papier; das kann ich meinem Kollegen
Friedrich Ostendorff sagen. Es stehen sehr viele interessante Sätze drin, die auch wir durchaus unterschreiben
können. Ich habe mich gefragt, ob es auch konkrete Maßnahmen enthält, und habe mir, wie Sie sich sicherlich
denken können, den Teil zur Mobilität angesehen. Dort
las ich etwas über die Vernetzung von Verkehrsinformationen und Ticketsystemen, welche über innovative digitale Mobilitätsdienste zur Verfügung gestellt werden. Ich
frage mich: Wie wollen Sie das in Gang setzen?
Derzeit haben wir nicht einmal ein vernünftiges Ticketingsystem der verschiedenen ÖPNV- bzw. Verkehrsverbünde. Wenn wir in eine andere Stadt kommen, stehen
wir vor den Automaten und wissen nicht, wie wir sie vernünftig bedienen sollen. Wie wollen Sie dieses Thema
angehen? Wollen Sie endlich einmal mit dem Ordnungsrecht kommen? Wollen Sie dem VDV unter Umständen
mit Geld winken, damit auf diesem Gebiet etwas in die
Wege geleitet wird? Oder wollen Sie gegebenenfalls
auch Zuschüsse sperren? Das wären konkrete Maßnahmen. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort.
Frau Kollegin Wilms, Sie haben sehr zutreffend beschrieben, dass es in diesem Bereich bisher nicht zufriedenstellend läuft und es tatsächlich einer Verbesserung
bedarf, nicht nur im Sinne der Verbraucherinformation,
sondern auch im Hinblick darauf, Verbraucher bzw. Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs überhaupt in
die Lage zu versetzen, vernünftige, abgestimmte Entscheidungen zu treffen. Es ist selbstverständlich und
klar, dass wir dazu noch weiter gehende Initiativen werden entwickeln und mit dem Bundesverkehrsminister
und den Ländern, die für die Verkehrsverbünde zuständig sind, auf den Weg bringen müssen. Dabei kann es
notwendig werden, auch finanzielle Anreize ins Auge zu
fassen. Das könnte nach meinem Dafürhalten zum Beispiel über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
durchaus in Angriff genommen werden.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Christian
Kühn, Bündnis 90/Die Grünen.
Danke, Herr Präsident. - Danke, Frau Ministerin, für
Ihren ausführlichen Bericht. Sie haben sich ja für Ihre
Amtszeit vorgenommen, Umwelt und Bauen miteinander
zu verbinden; das war eines Ihrer großen Versprechen.
Gerade bei der Frage des Konsums, wenn es also darum
geht, wie und wo man lebt, in welcher Wohnung bzw.
welchem Haus man lebt, kann man Umwelt und Bauen
miteinander verbinden. Nun frage ich Sie: Was tun Sie
konkret, damit mehr nachwachsende Rohstoffe und mehr
ökologische Baustoffe auf deutsche Baustellen und in
deutsche Baumärkte kommen? Wie wollen Sie das Thema „Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden“ stärken
und damit den nachhaltigen Konsum beim Wohnen voranbringen? Denn gerade beim Bauen sind wir nach wie
vor ziemlich große Ressourcenfresser. Wir können nicht
in der Art und Weise, wie wir heute bauen, unsere Zukunft bauen.
Ich stimme Ihnen in der Analyse zu. Wir sind auch
als Konsumenten ziemliche Ressourcenfresser; denn die
Zahl der Quadratmeter, die wir für uns in Anspruch nehmen, steigt ständig. Das will ich jetzt nicht - damit Sie
nicht auf den Gedanken kommen - irgendwie per Gesetz
begrenzen. Es ist aber natürlich so, dass heute jeder von
uns deutlich mehr Quadratmeter als zum Beispiel vor
50 Jahren zur Verfügung hat. Das ist rechnerisch einfach
so. Dabei handelt es sich um einen der größten Konsumverbräuche, die wir überhaupt - auch unter ökologischen
Gesichtspunkten - haben. Man muss schließlich auch
noch heizen. Der Flächenverbrauch hat also noch weitere Folgen bzw. führt zu weiterem Ressourcenverbrauch.
Keine Frage, das ist so.
Sie wissen, dass unsere Einwirkungsmöglichkeiten
auf die Zulassung von Bauprodukten beschränkt sind.
Allerdings haben wir - das geschah nicht erst neuerdings - im Bereich der Bauprodukteforschung einiges
auf den Weg gebracht. Wir werden das auch in Zukunft
weiter machen. Wie Sie wissen, sind wir gerade dabei,
ein eigenes Programm zu erstellen. Das ist ausgeschrieben. Es wird zu Beginn des Jahres entschieden werden,
wer an diesem Programm teilnehmen kann. Dabei geht
es um kleine Wohnungen, die variabel zu gestalten sind.
Dies alles dient dazu, den Bürgerinnen und Bürgern,
aber auch den Investoren Anstöße zu geben. Ich will jetzt
nicht Sie persönlich ansprechen, es scheint mir aber aus
den Worten der Kolleginnen und Kollegen von der GrüParl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth
nenfraktion durchzuscheinen, dass sie eigentlich ganz
viele Regelungen im Sinne von „Das wird verboten, und
das wird erlaubt“ haben wollen.
({0})
Nein, das ist mit diesem Programm so nicht vorgesehen.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Sylvia
Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, dass Sie ein Nachdenken über Lebensstile anregen wollen. Das freut uns
natürlich. Wir tun das schon lange. Aber wir denken nicht
nur darüber nach, wir lassen die Ergebnisse dieses Nachdenkens dann auch in unsere Politik einfließen.
Ihr Koalitionspartner hat genau gegen die Ergebnisse
solchen Nachdenkens in der Politik im letzten Bundestagswahlkampf eine „ordentliche“ Kampagne unter dem
Stichwort „Veggieday“ gegen uns gefahren. Insofern
freue ich mich jetzt durchaus, dass wir da eventuell Unterstützung bekommen. Allerdings geht es mir - so wie
meinen Vorrednerinnen und -rednern auch - so, dass ich
mir unter einem Nationalen Programm ein bisschen mehr
als ein paar konkrete Gesetzesinitiativen irgendwann vorstelle. Sie müssen nichts verbieten, sondern können auch
anders arbeiten. Ich nenne in diesem Zusammenhang
konkrete Ziele, Zeitpläne und Haushaltsmittel, die man
einstellen will. Vielleicht aber kommt das alles noch.
Ich will das an einem Satz festmachen, der mir gerade im Zusammenhang mit dem, was ich vorher genannt
habe, aufgefallen ist. Im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum steht auf Seite 32:
Auch die Wahl der Lebensmittel spielt eine große
Rolle. So verursachen pflanzliche Lebensmittel
i. d. R. erheblich weniger Umweltbeeinträchtigungen … als Lebensmittel tierischer Herkunft.
Was gedenkt das Ministerium aus dieser Erkenntnis zu
machen?
Frau Kollegin, wir gedenken nicht, die Tierzucht in
Deutschland zu verbieten.
Herzlichen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Carsten Träger, SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte vorwegschicken, dass auch die Koalitionsfraktionen Ihr Programm begrüßen. Es ist nicht so,
dass Sie Zuspruch nur von der Opposition bekommen.
In der Öffentlichkeit und auch im Parlamentarischen
Beirat für nachhaltige Entwicklung diskutieren wir oft
über das Thema des nachhaltigen Konsums. Ein Satz
bzw. eine These beschäftigt uns immer wieder: Der Preis
muss auch die Wahrheit sprechen. - Von daher finde ich
den Ansatz des doppelten Preisschildes, den Sie angerissen haben, sehr interessant. Ich bitte Sie, dazu ein paar
Ausführungen zu machen.
Sie können sich sicher vorstellen, Herr Kollege
Träger, dass das durchaus noch ein Bohren harter Bretter
sein wird, weil damit für Verbraucher und Hersteller natürlich klar ist, welche Produkte mehr oder weniger nachhaltig sind. Wenn Sie sich überlegen, wie schwierig es
war, zum Beispiel eine Kennzeichnungsampel durchzusetzen - sie wäre eigentlich, bezogen auf einige Lebensmittel, ein sehr einfaches Instrument, um festzustellen,
was mehr oder weniger gesundheitsschädlich ist -, dann
werden Sie sich vorstellen können, dass wir noch eine
ganze Zeit brauchen werden, um das doppelte Preisschild
durchzusetzen.
Aber es geht uns in der Tat darum, die Sozial- und
die Umweltauswirkungen eines Produktes deutlicher zu
machen, sodass den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht wird, auch unter diesem Gesichtspunkt eine Kaufentscheidung zu treffen. Dafür ist in der Tat sicherlich die
Unterstützung des ganzen Hauses notwendig.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Renate
Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
Danke sehr. - Ich möchte zwei Sätze von Seite 9 Ihres Berichtes zitieren und dazu jeweils eine Frage stellen.
Der erste Satz lautet:
Außerdem ist die Stärkung der Berücksichtigungsfähigkeit von Nachhaltigkeitskriterien durch die
Modernisierung des Vergaberechts für die öffentliche Beschaffung und somit auch für einen nachhaltigen Konsum von Bedeutung.
Jenseits des Satzbaus und der Verstehbarkeit: Wenn
das von Bedeutung sein soll, warum haben wir im Vergaberecht und heute im Rechtsausschuss, als es um die
Vergabeverordnung ging, keinerlei Nachhaltigkeitskriterien festgelegt? Ich denke zum Beispiel an die ILO-Kernarbeitsnormen. Das heißt, bei der öffentlichen Auftragsvergabe ist Kinderarbeit kein Ausschlusskriterium. Das
verschlägt mir echt die Sprache, insbesondere, weil sich
die alte, traditionsreiche sozialdemokratische Partei mit
globaler Gerechtigkeit beschäftigen wollte.
Der zweite Satz auf dieser Seite, den ich zitieren
möchte, lautet: „Den Maßnahmen kommt daher teilweise
nur Vorschlagscharakter zu“, und vorher steht dort:
Soweit die im Programm aufgeführten Maßnahmen
nicht bereits laufen oder fortgeführt werden, müssen
sie zum Teil noch abschließend geklärt werden ...
Das heißt: Was alt ist, kennen wir schon; was neu ist,
muss noch geklärt werden.
Können Sie mir sagen, ob es irgendeine feste Maßnahme gibt - und zwar nicht die Einrichtung eines Debattierzirkels oder eines Debattierzirkus -, die jetzt tatsächlich
zwingend umgesetzt wird?
Ja, Frau Kollegin. Wir haben heute im Bundeskabinett
dazu beschlossen, dass jedenfalls der Bund diese Kriterien bei der Vergabe beachten will.
({0})
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Menz,
Fraktion Die Linke.
Danke schön; ich wollte noch einmal nachfragen. - Ich
weiß, dass die verschiedensten Ressorts das zusammen
erarbeitet haben. Schon in der kurzen Zeit, die ich diesem
Hause angehöre, hat sich mir immer wieder gezeigt, dass
die Ressorts auch dann gegeneinander arbeiten, wenn es
um Nachhaltigkeit geht. Die spannende Frage ist jetzt,
wie wir das in Zukunft verhindern.
Ein neues Beispiel haben wir: Ich höre jetzt ganz nebenbei, dass es auch beim Kükenschreddern, das erst
Ende 2017 verboten werden soll, nicht anders ist. Der
eine will es verbieten, der andere nicht, und wir kommen
im Endeffekt zu keiner Einigung. So setzt sich das fort.
Das wirkt sich auch international aus. Ich denke zum
Beispiel an Glyphosat, was auch internationale Auswirkungen hat.
Wo kommen wir hier unserer Verantwortung nach,
Nachhaltigkeitsbelangen auch international gerecht zu
werden?
Frau Kollegin, ich kann verstehen, dass es für Sie, die
Sie seit zwei Jahren Mitglied dieses Hohen Hauses sind,
zunächst überraschend ist, dass es auch innerhalb einer
Bundesregierung durchaus unterschiedliche Interessenlagen gibt. Das ist aber so wie in der gesamten Gesellschaft, und damit muss man sich auch auf der politischen
Ebene auseinandersetzen.
Ich mag Frau Flachsbarth gern, und trotzdem wird
zwischen unseren Häusern immer mal gestritten, zum
Beispiel, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, über das
Düngegesetz. Das heißt aber auch, dass es vollkommen
normal und korrekt ist, dass man die jeweiligen Interessen, die man zu vertreten hat, eben auch vertritt.
Wir finden dann, wie sich das in der Politik auch gehört, einen anständigen Kompromiss. Das führt dazu,
dass nicht jeder sein Idealbild durchsetzen kann, sondern
im Gegenteil: normalerweise keiner. Das ist aber das Übliche bei einem vernünftigen Kompromiss, und Sie wissen: Wir sollten es nicht „fauler Kompromiss“ nennen.
Der Kompromiss ist das Wesen der Demokratie.
Herzlichen Dank. - Die vereinbarte Redezeit ist jetzt
abgelaufen.
Gibt es zu anderen Themen noch eine Frage aus der
Runde? - Das ist nicht der Fall.
Ich weiß, es gibt noch ein paar Nachfragen aus dem
Kreis derjenigen, die schon gefragt haben. Diese drei angemeldeten Nachfragen lasse ich jetzt noch zu. Ich bitte um kurze Fragen und knackige Antworten. Das sind
noch Herr Krischer, Frau Bulling-Schröter und Christian
Kühn.
Herzlichen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Nachfragen noch zulassen. - Frau Ministerin, eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Hier haben Kollegen
ernsthafte Fragen zur Ernährung gestellt, die Ihnen möglicherweise nicht gefallen. Es ist aber die Aufgabe der
Opposition, zu einem Bericht, dessen Beratung Sie selber auf die Tagesordnung gesetzt haben, kritische Nachfragen zu stellen. Wenn dann ein Satz kommt wie „Wir
wollen nicht den Fleischkonsum verbieten“, wonach
überhaupt nicht gefragt worden ist, dann finde ich das ein
bisschen merkwürdig. Das kenne ich von Ihnen bisher
auch nicht. Deshalb finde ich das ein bisschen schade.
Ich möchte auch eine konkrete Frage stellen. Jetzt
kommt etwas Positives, keine Sorge. Zum Thema Verschleiß hat das Umweltbundesamt eine, wie ich finde,
sehr gute Studie gemacht. In dem Bericht kommt aber die
entscheidende Maßnahme, die das Umweltbundesamt
vorschlägt, nämlich dass Hersteller gegenüber den Konsumenten Informationspflichten beim Thema Verschleiß
haben, sodass sie Produkte überprüfen können, nicht vor.
Stattdessen sprechen Sie in dem Bericht von freiwilligen
Selbstverpflichtungen, die gerade in dem Bereich nicht
unbedingt Erfolge gezeitigt haben. Ist es für Sie vorstellbar, dass Sie die Vorschläge des Umweltbundesamtes
aufgreifen und über die in Ihrem Bericht angekündigten
Dinge hinausgehen?
Herr Kollege Krischer, ich kann Ihr Interesse daran
sehr gut verstehen. Ich bitte aber um Verständnis dafür,
dass wir das in einem europäischen Verbund, in dem wir
uns ja befinden, nach meinem Dafürhalten auch unter
dem Gesichtspunkt von Wettbewerbsbedingungen nur
dann verpflichtend durchsetzen werden können, wenn
wir das auch auf europäischer Ebene hinbekommen.
Die Ökodesign-Richtlinie ist dabei der richtige Weg. Sie
könnte aber natürlich einen noch größeren Anwendungsbereich bekommen, so wie Sie es gerade skizziert haben.
Da wäre ich mit Ihnen vollkommen einer Meinung.
Aber wir können das - unter dem Gesichtspunkt von
Wettbewerbsbedingungen - schlecht alleine in der Bundesrepublik Deutschland verpflichtend machen. Deswegen setzen wir in diesem Zusammenhang auf freiwillige
Selbstverpflichtungen, die letztlich, wenn man sie positiv wahrnimmt, ein gutes Verkaufsargument in Richtung
Konsumenten darstellen.
Frau Kollegin Bulling-Schröter hat die nächste Nachfrage.
Danke schön. - Wir haben vorher schon kurz über
Ausschreibungen gesprochen. Jetzt habe ich gehört, Sie
möchten eher auf Bundesebene etwas regeln. Aber ich
denke, dass gerade in Fragen der Nachhaltigkeit Land
und Kommunen ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für
Ausschreibungen sind. Ich möchte ein Beispiel nennen,
das auch in der tollen Sendung quer behandelt wurde; es
bezieht sich auf Bayern. Dort wurde Schulessen ausgeschrieben. Es ist jetzt zwar ein paar Cent billiger, aber es
kommt von weit her, ist in Alu verpackt und muss aufgewärmt werden, weil es eingefroren ist. Das soll angeblich den Ausschreibungskriterien entsprechen, in denen
explizit von Ökologie und Nachhaltigkeit die Rede ist.
Für mich ist das überhaupt nicht nachhaltig.
Denken Sie, dass wir Regelungen finden können, damit so etwas in Zukunft verhindert wird? In dieser Fernsehsendung wurde auch angesprochen, dass die Definition von regionalen Produkten nicht genau ist, sodass
diese Produkte gar nicht aus einer bestimmten Region
kommen, sondern nur dort produziert werden müssen.
Das alles verstehe ich nicht unter Nachhaltigkeit.
Wenn das mit Kostenkriterien wieder ausgehebelt wird,
nützt das beste Papier nichts.
Frau Kollegin, da haben Sie natürlich recht. Wenn
man bei Ausschreibungen ausschließlich unter Kostengesichtspunkten entscheidet, dann führt das häufig dazu,
dass die Nachhaltigkeit nicht gegeben ist, dass möglicherweise soziale Standards nicht berücksichtigt werden
und vieles andere dabei zu kurz kommt.
Ich kann nur etwas für die Bundesregierung dazu sagen, weil wir uns gerade heute Morgen im Kabinett erneut darüber verständigt haben, dass wir unsere Vergaben
danach ausrichten werden. Darauf haben wir uns heute
Morgen eindeutig verpflichtet. Aber selbstverständlich
kann ich das nicht für alle Bundesländer verpflichtend
machen.
Andererseits sollte es eigentlich jedem Verantwortlichen klar sein, dass „billig“ nicht gleich „preiswert“
ist. In den Vergaben wird immer nach Preiswürdigkeit
gefragt; das Wort „billig“ kommt nicht vor. Deswegen
ist es in der Tat auch die Aufgabe der politisch Verantwortlichen auf der jeweiligen Ebene - das geht bis hin
zu den Kommunen, die insgesamt gesehen große Vergaben organisieren -, dies entsprechend umzusetzen. Dazu
braucht man natürlich auch eine politische Verantwortung, um diese Aufgabe wahrzunehmen.
Letzter Fragesteller: Abgeordneter Christian Kühn.
Danke, Herr Präsident, dass Sie diese letzte Frage
noch zulassen. - Frau Ministerin, bevor ich zu meiner
kurzen Frage komme, eine kleine Vorbemerkung: Sie haben gesagt - ich fasse das kurz zusammen -, die Grünen
wollten immer Dinge verbieten. Gerade aber im Umweltbereich waren Verbote in der Vergangenheit dringend
notwendig. Nehmen Sie als Beispiele FCKW oder andere Chemikalien. Ohne entsprechende Verbote und ohne
Ordnungsrecht wären wir in der Umweltpolitik nicht so
weit gekommen. Deswegen fasse ich das, was Sie gesagt haben, als kleine, flapsige Bemerkung auf, aber ich
weiß doch, dass auch Sie wahrnehmen, dass Verbote in
der Umweltpolitik viel gebracht und unsere Umwelt geschützt haben.
In meiner Frage geht es aber nicht um das Ordnungsrecht, sondern um Anreize. Durch die KfW werden unfassbar viele Bauprojekte in Deutschland gefördert, sowohl im Neubau- als auch im Sanierungsbereich. Ich
bekomme von der KfW immer die Antwort: Wir fördern
technologieoffen. - Aber Themen wie graue Energie,
ökologische Baustoffe oder nachwachsende Rohstoffe
werden dort überhaupt nicht abgebildet. Planen Sie etwas, was dafür sorgt, dass sich die KfW solcher Themen
stärker annimmt und entsprechende Förderkriterien in
ihre Richtlinien einfügt? Damit würden Sie nachhaltigen
Konsum im Baubereich wirklich voranbringen.
Herr Kollege, ja, da haben Sie recht. Das wäre eine
der Möglichkeiten, die uns tatsächlich voranbringen
könnten. Ich persönlich würde das gerne so sehen; das ist
gar keine Frage. Darüber sollten wir uns in der Bundesregierung noch abstimmen. Ich bin gerne bereit, das verstärkt in die Förderkriterien einzubeziehen. Im energetischen Bereich findet das bereits vollkommen statt. Dafür
gibt es richtig gute Beispiele. Dort kommen wir mit den
KfW-Förderprogrammen gut voran. Es spricht in der Tat
nichts dagegen, das im Bereich der Ressourcenschonung
in vergleichbare Richtung zu lenken.
Ich will gerne noch auf Ihre Vorbemerkung eingehen.
Ja, selbstverständlich haben wir uns im Umweltrecht auf
Verbote und Gebote stützen müssen; das ist keine Frage.
Das werden wir auch in Zukunft tun. Aber ich habe das
auf Lebensstile bezogen. Konsumverhalten ist auch Teil
des Lebensstils. Da möchte ich nicht gerne mit Geboten
und Verboten arbeiten.
({0})
Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde ({0})
Drucksache 18/7603
Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 18/7603 in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Frage 1 der Abgeordneten Erika Steinbach wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Zur Beantwortung steht bereit der Parlamentarische
Staatssekretär Norbert Barthle.
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Dr. Valerie
Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Aus welchen Gründen werden in Deutschland voraussichtlich keine Verkehrsprojekte durch den EFSI ({1}) gefördert ({2}), und inwieweit
beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass
es sich bei der Mehrheit der Vorhaben im Verkehrsbereich um
Autobahnprojekte handelt, sich dafür einzusetzen, dass im
Rahmen des EFSI zukünftig mehr in Vorhaben zur Förderung
nachhaltiger Mobilität im Sinne des Weißbuchs Verkehr 2011
investiert wird?
Herr Staatssekretär, bitte.
Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Wilms, die
Einschätzung, dass in Deutschland voraussichtlich keine Verkehrsprojekte durch den EFSI gefördert werden,
wird vor dem Hintergrund, dass sich auf der aktuellen
EFSI-Projektliste der Europäischen Investitionsbank das
Projekt A 6 Weinsberg-Wiesloch/Rauenberg befindet,
nicht geteilt. Im Rahmen des EFSI förderfähig sind auch
Vorhaben, die die Entwicklung von Verkehrsinfrastrukturen und Ausrüstungen sowie von innovativen Technologien für den Verkehr insbesondere durch intelligente
und nachhaltige Lösungen zur städtischen Mobilität
verfolgen und die auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen und Reduzierung des Energieverbrauchs
gerichtet sind.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? - Bitte.
Aber gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, mit
Blick auf das A-6-Projekt möchte ich zunächst feststellen, dass „zusätzlich“ und „gemeinnützig“ als EFSI-Kriterien gelten sollten. Hätte der vorgesehene Betreiber
Ihres ÖPP-Projekts A 6 die entsprechenden Investitionen
nicht auch ohne EFSI-Förderung getätigt, und wird hier
nach Auffassung der Bundesregierung das eigentliche
Ziel des EFSI, zusätzliche Investitionen zu fördern und
nicht bestehende Projekte zu vergolden, nicht konterkariert?
Frau Kollegin Wilms, beim EFSI handelt es sich um
einen Garantiefonds, der insbesondere privates Kapital mobilisieren soll. Im Rahmen der EFSI-Kriterien
werden bei jedem einzelnen Projekt die wirtschaftliche
Tragfähigkeit des Vorhabens, die Vereinbarkeit mit der
Unionspolitik insgesamt, die Zusätzlichkeit, die maximale Mobilisierung privaten Kapitals und die technische
Durchführbarkeit geprüft. Das sind die Entscheidungskriterien für die EIB. Insofern ist es für die Durchführbarkeit des ÖPP-Projekts A 6 eine unterstützende Hilfe,
wenn ein Teil des Risikos durch die EIB abgebildet wird.
Zusatzfrage?
Gerne, Herr Präsident. - Sie haben eben eines dieser
Kriterien aufgeführt: zusätzlich. Das verstehe ich noch
nicht ganz. Hätte das A-6-Projekt denn nicht stattgefunden, wenn es die EFSI-Förderung nicht gegeben hätte,
oder was ist da der Hintergrund? Denn wenn es auch ansonsten gebaut worden wäre, hätte normalerweise keine
EFSI-Förderung fließen dürfen, weil es nicht „zusätzlich“ ist und damit das Kriterium nicht erfüllt wird. Das
müssten Sie mir noch ein bisschen genauer erklären.
Haben Sie noch weitere Projekte, die, wenn wir diese
Kriterien anwenden, in Deutschland für eine EFSI-Förderung infrage kommen würden?
Zum ersten Teil Ihrer Frage, Frau Kollegin, was die
Zusätzlichkeit anbelangt: Ich habe ausgeführt, dass das
nur eines unter mehreren Kriterien ist, die beurteilt werden.
Zum anderen muss man die Zusätzlichkeit sicherlich
auch auf der Zeitschiene sehen. Wir sind der Auffassung, dass die A 6 innerhalb eines ÖPP-Projektes deutlich schneller realisiert werden kann, als wenn man das
Projekt mit konventioneller Finanzierung vorantreiben
würde, wie es übrigens die grün-rot geführte Landesregierung Baden-Württembergs immer gefordert hat. Wir
wollen dieses Projekt schnell realisieren und es deshalb
mit einem ÖPP-Modell unterfüttern.
Zur zweiten Frage. Ich gehe davon aus, dass wie die
A 6 auch weitere ÖPP-Projekte durch EFSI gefördert
werden könnten.
Eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Behrens.
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, ich hatte
eben den Begriff des Unterfütterns bei Ihnen gehört. Wie
http://ec.europa.eu/priorities/sites/beta-political/files/sector-factsheet-transport_en.pdf
http://ec.europa.eu/priorities/sites/beta-political/files/sector-factsheet-transport_en.pdf
ist denn die Finanzierung im Groben zusammengesetzt?
Sie sprechen davon: Die A 6 soll als ÖPP-Projekt realisiert werden; es fließen EFSI-Mittel ein, es fließen Bundesmittel ein. - Wie ist das Ganze konstruiert? Können
Sie dazu etwas sagen?
Herr Kollege Behrens, EFSI-Mittel sind keine Fördermittel, mit denen man einen Investor sozusagen mit Bargeld unterstützt, vielmehr funktioniert der EFSI-Fonds
so, dass mit relativ kleinem Kapitaleinsatz ein relativ
großer Hebel erzeugt werden soll.
({0})
Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen rund 315 Milliarden Euro. Das funktioniert insofern, als der EFSI die
Risikoabdeckung, also Garantien für mögliche Ausfälle,
übernimmt. Das ist ein großer Unterschied.
Deswegen kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie innerhalb des ÖPP-Projektes A 6 die genauen Finanzierungsbedingungen aussehen werden. Das muss sich erst noch
herausstellen.
Dann kommen wir jetzt zur Frage 3 der Abgeordneten
Dr. Valerie Wilms:
Wie bewertet die Bundesregierung die Überprüfung
der beabsichtigten Lkw-Mautausweitung ohne Ausschreibung durch die Vergabekammern mit dadurch möglichen
folgenden Gerichtsverfahren in Hinblick auf Verzögerungen bei der Mautausweitung, und inwieweit werden
dadurch neben zukünftigen auch bestehende Mauteinnahmen gefährdet ({0})?
Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Wilms, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Toll Collect GmbH
aufgefordert, ein Angebot für die technische Aufrüstung
des bestehenden Systems einzureichen.
Gegen die gewählte Art des Vergabeverfahrens hat
die Kapsch TrafficCom AG aus Wien einen Antrag auf
ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer
des Bundes gestellt. Die Vergabekammer hat diesen am
18. Februar 2016 zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale
Infrastruktur vollumfänglich bestätigt.
Eine Gefährdung bestehender und zukünftiger Mauteinnahmen besteht aus Sicht des Bundesministeriums für
Verkehr und digitale Infrastruktur deshalb nicht.
Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Gerne, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben eben nonchalant gesagt, finanzielle Risiken bestünden nicht.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, liegt nur die
Entscheidung der Vergabekammer vor. Grundsätzlich besteht noch die Möglichkeit des Antragstellers, der Firma
Kapsch, das gerichtlich überprüfen zu lassen. Dann müssen Sie doch im Hintergrund eigentlich eine Abschätzung
haben, was im schlimmsten Fall auf den Bund zukommen könnte. Würde das eventuell sogar das gesamte
derzeitige Mautsystem gefährden? Ist ab 2018 damit zu
rechnen, dass wir keine Einnahmen aus der Lkw-Maut
haben? Dazu hätte ich ganz gern eine Risikoabschätzung
von Ihnen gehört.
Frau Kollegin Wilms, das BMVI hat verschiedene Szenarien zur Umsetzung der Mauterweiterung im
Jahr 2018 geprüft und auch auf ihre Wirtschaftlichkeit
hin untersucht.
Die rechtliche Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb mit der derzeitigen Betreibergesellschaft des bestehenden Lkw-Mautsystems
wurde ergebnisoffen geprüft.
Wir haben uns das vorab durch ein Gutachten einer
unabhängigen Rechtsanwaltskanzlei bestätigen lassen.
Insofern sind wir sicher, rechtssicher zu sein, und sehen
allen weiteren Dingen gelassen entgegen.
Noch eine Zusatzfrage?
Aber gerne, Herr Präsident. - Die Frage zum Risiko
wollen Sie offenbar nicht beantworten. Toll, wenn ich
das so sehe.
Ich sehe kein Risiko.
Es ist in Unternehmen aber üblich, dass man so etwas
abbildet, aber offenbar beim Bund nicht. Wir können ja
einfach gegebenenfalls die Steuern erhöhen.
Meine Zusatzfrage, die ich noch habe, lautet: Sofern
die Mautausweitung auf alle Bundesstraßen auch für
Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Tonnen mit einem einheitlichen
System erfolgen sollte, aus welchen Gründen bevorzugt
die Bundesregierung die Erhebung ausschließlich mit
dem bestehenden System Toll Collect?
http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1
http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1
http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1
http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/wegen-gerichtsverfahren-bund-droht-milliardenloch-bei-der-lkw-maut/12962100.html?ticket=ST-154940-JFii3h3zzUK4azZDG1y5-ap1
Frau Kollegin, wir haben jetzt die Ausweitung der
Maut auf Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht
ab 7,5 Tonnen und die Ausweitung auf autobahnähnlich
ausgebaute Bundesstraßen beschlossen. Ab 2018 soll
diese Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet werden.
Das bereiten wir entsprechend vor, und wir werden die
notwendigen rechtlichen und haushalterischen Maßnahmen rechtzeitig einleiten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Behrens, Fraktion Die
Linke.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben gerade davon,
dass Sie verschiedene Szenarien geprüft hätten. Welche
außer der freihändigen Vergabe waren das?
Herr Kollege Behrens, es handelte sich nicht um eine
freihändige Vergabe, sondern wir haben Toll Collect aufgefordert, uns ein Angebot für diese Mauterweiterung im
Jahr 2018 einzureichen, sodass auch künftig mit nur einem Fahrzeuggerät die Maut entrichtet werden kann. Die
Abgabe eines Angebotes ist etwas anderes als ein Auftrag
und ein Zuschlag. Da besteht ein Unterschied.
Frau Kollegin Leidig, Fraktion Die Linke.
Ich frage nach, weil Ihre Formulierung, Herr Staatssekretär, wie ich finde, etwas nebulös war. Es ist doch
richtig, dass Toll Collect diesen Auftrag bekommen hat
und Sie darauf verzichtet haben, andere mögliche Anbieter in einem wettbewerblichen Verfahren einzubeziehen?
Frau Kollegin, ich wiederhole: Wir haben Toll Collect aufgefordert, uns ein Angebot für diese vorgesehene
Mauterweiterung abzugeben. Bevor ein Auftrag erteilt
wird, ist selbstverständlich eine europaweite Ausschreibung notwendig.
Die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Oliver Krischer
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Herbert
Behrens, Fraktion Die Linke:
Welchen Zeitraum hat die Bundesregierung, vor dem
Hintergrund einer entsprechenden Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann, im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom 17. Februar
2016, bezüglich der für das Jahr 2018 geplanten Ausweitung
der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen im internen Zeitplan
für eine mögliche Klage wegen der geplanten Direktvergabe an Toll Collect GmbH für die technische Vorbereitung
dieser Ausweitung eingeplant ({0}), und welche anderen Möglichkeiten als
eine Direktvergabe dieser Leistung hat die Bundesregierung
verworfen ({1})?
Herr Staatssekretär.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Toll Collect GmbH aufgefordert, ein
Angebot für die technische Aufrüstung des bestehenden
Systems einzureichen. Gegen die gewählte Art des Vergabeverfahrens hat die Kapsch TrafficCom AG aus Wien
einen Antrag auf Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Bundes gestellt. Die Vergabekammer
hat diesen am 18. Februar 2016 zurückgewiesen und die
Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Verkehr
und digitale Infrastruktur vollumfänglich bestätigt. Die
Verhandlungen mit der Toll Collect GmbH über die technische Erweiterung des Mautsystems für die Lkw-Maut
auf allen Bundesstraßen im Jahr 2018 werden planmäßig
fortgeführt.
Zusatzfrage: Abgeordneter Behrens.
„Planmäßige Weiterführung der Ausschreibung“ heißt
dann auch, dass Sie, einem von Ihnen gewählten Zeitplan
folgend, die weiteren Schritte unternehmen.
Auf eine Nachfrage sagte Staatssekretär Ferlemann:
Selbst in dem Fall, dass Kapsch in der Frist, die der Firma noch zur Verfügung steht, eine Klage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einreicht und mit einem Verfahren gerechnet würde, würde dieser Klagezeitraum im
Verfahren schon berücksichtigt sein. Welche Zeitverzüge
kalkulieren Sie denn ein, wenn die Firma Kapsch tatsächlich noch gegen dieses Urteil der Vergabekammer Klage
einreicht?
Herr Kollege Behrens, dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Wir wissen ja nicht, was die Firma Kapsch
beabsichtigt, ob sie klagt und, wenn ja, ob dann die Klage
erfolgreich ist oder nicht. Das hängt von vielen Dingen
ab. Deshalb kann ich das nicht beurteilen. Wir sind davon
überzeugt, dass wir rechtzeitig in der nächsten Legislaturperiode die Ausweitung der Lkw-Maut vornehmen
können.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Eine Zusatzfrage, die auf den daraus folgenden Gesetzentwurf abzielt. Ich habe Informationen, dass sich
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lkw-maut-bund-droht-milliardenschwere-verzoegerung-a-1077348.html
der Gesetzentwurf zur Mautausweitung bereits in der
Bearbeitung befindet. Ich möchte ganz gerne von Ihnen
erfahren, wann damit zu rechnen ist, dass dieser Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht wird.
Herr Kollege Behrens, es ist richtig: Der Gesetzentwurf befindet sich in Erarbeitung, genauer gesagt: in der
Ressortabstimmung. Da diese Ressortabstimmung noch
nicht abgeschlossen ist, kann ich Ihnen auch keinen Termin nennen, wann er ins Kabinett geht. Wir müssen die
Einlassungen der beteiligten Ressorts abwarten.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Valerie Wilms.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
habe ich es jetzt richtig verstanden, dass Sie Toll Collect aufgefordert haben, ein Angebot für die notwendigen
Erweiterungen abzugeben, dass aber nachher noch ein
Ausschreibungsverfahren starten soll, das dann auch europaweit umgesetzt wird? Wenn das so sein sollte, dann
frage ich mich, wie Sie das bis Ende 2018 hinbekommen
wollen.
Frau Kollegin Wilms, ein europaweites Ausschreibungsverfahren dauert in der Regel sechs Monate. Wir
haben jetzt Februar 2016. Bis 2018 soll dieses Verfahren
gelaufen sein. Ich denke, wir kommen hin.
Wir haben die Erfahrungen bei der Schleuse Brunsbüttel, nicht wahr?
Mit Brunsbüttel haben wir andere Erfahrungen gemacht.
({0})
Das war eine unzulässige Nachfrage; sie wurde trotzdem souverän beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 7 des Abgeordneten
Herbert Behrens, Fraktion Die Linke:
Teilt die Bundesregierung die im Abschlussbericht der
Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ getroffene Einschätzung, dass für die Gründung der vom Bund
avisierten Infrastrukturgesellschaft „ein Zeitfenster von mehr
als zwei Legislaturperioden ... durchaus realistisch“ sei und
zumindest in dieser Übergangsphase „mit erheblichen Redundanzen und Doppelstrukturen zu rechnen“ sei und es zu
befürchten sei, dass die „Transaktionskosten bei weitem die
Effizienzeinsparungen übersteigen“?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung, bitte.
Herr Kollege Behrens, die Antwort der Bundesregierung lautet klar und deutlich: Nein.
Eine klare kurze Antwort. Ich vermute, es gibt den
Wunsch nach einer Nachfrage. Stimmt das? - Ja. Das
war richtig vermutet.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Aussage, dass Implementierung und Arbeitsfähigkeit einer Bundesgesellschaft erst nach mehreren Jahren erreicht sein können,
für unrealistisch?
Herr Kollege Behrens, wir wollen das Reformvorhaben bis Ende 2020 abschließen. Wir wollen in der Zwischenzeit die Reform zielorientiert und im Sinne der
Nutzer so wirtschaftlich wie möglich umsetzen. Deshalb
kann man über diese Bedenken der Kommission nur spekulieren.
Noch eine Nachfrage, Abgeordneter Behrens? - Bitte.
Trifft es zu, dass sich ein Gesetzentwurf zur Gründung
einer Bundesfernstraßengesellschaft schon im Prozess
der Erarbeitung befindet?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, ein Gesetzentwurf dazu ist mir nicht bekannt. Es gibt ein Papier aus unserem Hause, das auch
dem Ausschuss zugeleitet worden ist. Aber von einem
Gesetzentwurf weiß ich noch nichts.
Dann kommen wir zur Frage 8 der Abgeordneten
Sabine Leidig, Fraktion Die Linke - gleiche Thematik -:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus
den Ergebnissen der Sonder-Verkehrsministerkonferenz am
23. Februar 2016 zum Abschlussbericht der Kommission „Bau
und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ vor dem Hintergrund
der Pläne der Bundesregierung zur Reform der Auftragsverwaltung mit der beabsichtigten Gründung einer „Infrastrukturgesellschaft des Bundes mit Fokus auf den Bundesautobahnen“ ({0})?
Herr Staatssekretär, bitte.
Frau Kollegin Leidig, die Ergebnisse der Sonder-Verkehrsministerkonferenz vom 23. Februar 2016 zum Abschlussbericht der Kommission „Bau und Unterhaltung
des Verkehrsnetzes“ werden derzeit durch die Bundesregierung ausgewertet.
Zusatzfrage.
Meine Frage lautet, ob die Bundesregierung bereit ist,
in einem offenen Dialog mit den Bundesländern die unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft des Bundesfernstraßenbaus zu beraten und zu diskutieren, und in
welcher Form dieser Dialog stattfinden soll.
Frau Kollegin Leidig, die Bundesregierung strebt an,
die Ergebnisse der Verkehrsministerkonferenz von gestern auszuwerten. Wir nehmen zunächst einmal die Einlassung der Bundesländer zur Kenntnis. Die Einlassung
der Bundesländer in diesem frühen Stadium verwundert
nicht. Man muss sie sicherlich noch von den Vorteilen
dieser einzurichtenden Gesellschaft überzeugen. Dann
gibt es vielleicht eine andere Grundeinstellung. Es gilt
bei diesem Vorgang die alte Volksweisheit, die da lautet:
Man sollte Frösche nicht mit dem Auspumpen des Sees
beauftragen.
Zusatzfrage?
Ja. - Ich bin sehr erstaunt, wie Sie über die Bundesländer sprechen - das muss ich schon sagen -, weil die
Bedenken, die dort formuliert werden, durchaus ernst zu
nehmen sind. Das geht weit über den Kreis der sogenannten Frösche hinaus.
Ich möchte noch eine Frage stellen. Sie sind sich ja
sehr sicher, dass Sie die Bundesländer überzeugen können; das sage ich jetzt in Anführungszeichen. Meine
Frage lautet, ob Sie schon eine Vorstellung davon haben,
was Sie den Ländern in den Bund-Länder-Verhandlungen anbieten wollen, wie Sie die Länder einkaufen wollen, sodass sie dem Vorschlag, den der Bund auf den
Tisch gelegt hat und den sie aus guten Gründen ablehnen,
dennoch zustimmen. Was haben Sie denn als Verhandlungsmasse?
Frau Kollegin Leidig, Sie werden von mir nicht ernsthaft erwarten, dass ich über Verhandlungsmassen spekuliere oder über Angebote der Bundesregierung an die
Länder, die im Rahmen der schwierigen Verhandlungen
zur Zukunft der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu tätigen sind. Da ist ein großes Gesamtpaket zu verhandeln,
und es wäre fahrlässig, über einzelne Punkte und Details
zu spekulieren.
Jetzt haben wir zwei Zusatzfragen, erst einmal von
Frau Dr. Wilms und dann von Herrn Behrens.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
nach dem Bericht, der gestern auf der Sonder-VMK
verabschiedet worden ist, soll es ein sogenanntes Besteller-Ersteller-Prinzip geben. Das würde doch eigentlich bedeuten: Wenn wir als Bund Besteller wären, dann
könnten wir uns unseren Ersteller aussuchen, könnten sogar in ein europaweites Vergabeverfahren eintreten. Oder
mache ich da irgendwie einen Denkfehler? Wie sehen Sie
das?
Frau Kollegin Wilms, mit dieser Einrichtung des Bundes wollen wir Einsparpotenziale und Effizienzpotenziale erschließen, nämlich dadurch, dass dann Planung,
Baudurchführung und Finanzierung von Bundesfernstraßen in einer Hand liegen. Wir sehen große Effizienzpotenziale und Einsparmöglichkeiten, wenn insbesondere
die Finanzierung und die Planung in einer Hand liegen.
Derzeit bestehen für die Länder wenige Anreize, eine
intensive, auch kostenintensive Planung durchzuführen,
um hinterher Kostensteigerungen zu vermeiden. Wenn
das in einer Hand liegt, ist eher gewährleistet, dass man
durch entsprechend intensive und aufwendige Planung
hinterher einen besseren, zügigeren und kostengünstigeren Baufortschritt erreicht.
Kollege Behrens.
Den Zuhörerinnen und Zuhörern vielleicht zur Erklärung: Das, was der Verkehrsminister vorhat, nämlich die
Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft, wurde
gerade von 16 Verkehrsministern zurückgewiesen, die
nicht alle den Oppositionsparteien angehören. Insofern
haben wir da offenbar ein richtiges Problem. - Da ist
es interessant, von Ihnen, Herr Staatssekretär, zu hören,
dass Sie inzwischen von einer Einrichtung des Bundes
sprechen. Damit ist der Begriff der Bundesfernstraßengesellschaft schon einmal weg.
Soll diese Einrichtung des Bundes eine Staatsgarantie - darauf bezog sich eine Kritik der Bundesländer erhalten? Wenn dem nicht so ist: Warum lehnt man sich
da nicht an das Modell der ASFINAG an?
Herr Kollege Behrens, Sie wissen genau, dass es innerhalb der Bundesregierung noch keine einheitliche
Auffassung gibt, wie diese Bundesautobahngesellschaft
im Detail ausgestaltet sein soll. Deshalb kann ich Ihnen
dazu auch noch keine Antwort geben.
Herzlichen Dank.
Die Frage 9 der Abgeordneten Katja Keul und die Frage 10 des Abgeordneten Axel Troost werden schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit.
Ich rufe Frage 11 der Abgeordneten Sylvia KottingUhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
In welcher/m aktuellen Phase/Verfahrensstand befinden
sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in Europa laufenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben, die
Atomkraft betreffen - wie beispielsweise das polnische Atomprogramm, die britische Nuklearstrategie oder die Neubauvorhaben Hinkley Point C oder Flamanville 3 -, und welche
Langzeitbetriebspläne - auch bekannt als „Long Term Operation“, kurz LTO - für europäische Atomkraftwerke, insbesondere solche in Nachbarstaaten Deutschlands, existieren nach
Kenntnis der Bundesregierung ({0})?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, zu den von Ihnen
explizit genannten Vorhaben kann ich Ihnen Folgendes
sagen:
Ich beginne mit Polen. Im Januar 2014 hat der Ministerrat der Republik Polen das nationale Kernenergieprogramm angenommen. Die polnische Espoo-Kontaktstelle hat den geplanten Neubau des Kernkraftwerks auf dem
Gebiet der Wojewodschaft Pommern notifiziert. Es werden die Standorte Lubiatowo-Kopalino und Zarnowiec in
Betracht gezogen.
In Großbritannien sieht es wie folgt aus: Im Jahr 2008
hat sich Großbritannien für den Bau neuer Kernkraftwerke ausgesprochen. Die laufenden gasgekühlten Reaktoren sollen sukzessive abgeschaltet werden. Speziell
zum Neubauvorhaben Hinkley Point C, mit dem zwei
European Pressurized Water Reactor geplant sind, läuft
derzeit die Standortanalyse. Die geplanten Baustarts sind
im Jahr 2018 bzw. 2019. Angestrebt wird eine Inbetriebnahme im Jahr 2023 bzw. 2024.
In Frankreich zu Flamanville 3: Aufgrund zahlreicher
Verzögerungen ist die Inbetriebnahme statt ursprünglich
2012 nun für das Jahr 2018 geplant.
Zu Ihrer Frage nach den Langzeitbetriebsplänen für
europäische Atomkraftwerke, insbesondere solche in
Nachbarstaaten Deutschlands, möchte ich folgende Beispiele hervorheben:
Es wird Sie nicht wundern, wenn ich mit der Schweiz
beginne. Abgesehen vom AKW Mühleberg ist das Betriebsende der Anlagen bislang unbefristet. In Mühleberg hat der Betreiber aufgrund betriebswirtschaftlicher
Überlegungen die Außerbetriebnahme der Anlage für das
Jahr 2019 angekündigt. Von den übrigen Anlagen haben
Beznau 1 47 Jahre und Beznau 2 45 Jahre hinter sich.
Das bis vor kurzem im Schweizer Parlament diskutierte
Langzeitbetriebskonzept wurde nicht verabschiedet.
In Tschechien sieht es folgendermaßen aus: Für das
AKW Dukovany wird eine Laufzeitverlängerung angestrebt. Beginnend mit Block 1 könnte eine entsprechende
Genehmigung für zehn Jahre Anfang dieses Jahres erteilt
werden. Für das AKW Temelin wird für beide Blöcke
eine Laufzeit von 60 Jahren angestrebt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?
Ja, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, für diese Antwort. Was mir jetzt
noch etwas fehlt, ist Frankreich. Ich höre, dass auch dort
über eine Laufzeitverlängerung nachgedacht wird. Ich
will aber vorausschicken: Ich halte, ehrlich gesagt, einen
Teil der Neubaupläne, von denen Sie berichtet haben, für
mehr oder weniger obsolet, weil sich über kurz oder lang
herausstellen wird, dass alle diese Pläne ökonomische
Desaster bedeuten. Insofern ist die Frage der Langzeitbetriebspläne, also die Frage der Verlängerungen, sehr viel
relevanter, und zwar gerade auch für uns, weil wir das
Land sind, das sich des Risikos auf eine andere Weise
bewusst ist als unsere Nachbarn und deshalb die Atomkraftwerke in angemessener Zeit abschaltet.
Jetzt gibt es ja verschiedene Vereinigungen, eine
EU-Ratsarbeitsgruppe, Gruppen der bilateralen Zusammenarbeit und die WENRA. Werden denn in all diesen
Vereinigungen die Themen „Laufzeitverlängerung“ und
„Alterung der Atomkraftwerke“ - mit dem Alter erhöht
sich die Störanfälligkeit - angemessen behandelt?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, ich hatte schon im
Ausschuss gesagt, dass für uns die Themen „Alterung der
Atomkraftwerke“ und „Sicherheit“ sehr wichtig sind und
wir sie deswegen auch auf europäischer Ebene in den
einzelnen Gremien thematisieren, in der deutsch-schweizerischen Kommission und in der deutsch-französischen.
Das wird demnächst, wenn sie installiert sein wird, auch
in der deutsch-belgischen Kommission sicherlich eine
Rolle spielen.
Noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Ja, danke schön. - Eine kurze Frage noch: Gibt es
Bündnispartner, die das genauso sehen und die vielleicht
auch darauf drängen, dass man die Laufzeiten nicht ins
Unermessliche steigert?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sie sehen anhand der Pläne der einzelnen souveränen
Staaten, wie deren Vorstellungen sind. Wir versuchen
aber, die Beziehung zwischen Alterung der Reaktoren
und Sicherheit als Thema auf sachlicher Ebene zu platzieren.
Dann kommen wir zur Frage 12 der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl:
Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung konkret die
Reaktordruckbehälter der grenznahen französischen Atomkraftwerke Cattenom 1 bis 4 und Fessenheim 1 bis 2 hinsichtlich der Frage ähnlich gravierender Materialprobleme wie die
Reaktordruckbehälter der Atomkraftwerke Beznau 1, Tihange 2 oder Doel 3 seit dem Jahr 2012 ausreichend belastbaren
und abdeckenden Ultraschallprüfungen auf dem Stand der
Technik unterzogen oder nicht ({0}), und ist
seitens der WENRA-Behörden ({1}) die Veröffentlichung einer
aktualisierten Übersicht ähnlich dem „Annex: Activities with
regard to WENRA recommendation plant by plant“ des in den
vorgenannten Antworten der Bundesregierung referenzierten
WENRA-Berichts vom 17. Dezember 2014 geplant ({2})?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, nach dem Bericht der
WENRA, also der Western European Nuclear Regulators’
Association, vom 17. Dezember 2014 sind die Schmiederinge aller Reaktordruckbehälter der französischen
Atomkraftwerke zerstörungsfreien Prüfungen mit Ultraschall unterzogen worden; dies schließt demnach auch
die Standorte Fessenheim und Cattenom mit ein. Wie
bereits in den Antworten der Bundesregierung auf die
schriftliche Frage 56 auf Bundestagsdrucksache 18/6603
und die mündliche Frage 37, Plenarprotokoll 18/154, Anlage 27, erwähnt, geht aus diesem Bericht hervor, dass
sich aus den durchgeführten Prüfungen keine Hinweise
auf entsprechende wasserstoffinduzierte Fehler in den
Reaktordruckbehältern wie in Doel 3 und in Tihange 2
ergeben haben. Darüber hinausgehende Informationen
zu den an den französischen Reaktordruckbehältern unternommenen Ultraschallprüfungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung geht weiter
davon aus, dass bei sicherheitsrelevanten Ultraschallanzeigen an den Reaktordruckbehältern die französische
atomrechtliche Aufsichtsbehörde ASN die Mitglieder der
WENRA sowie die Öffentlichkeit informieren wird.
Zu dem, was wir tun: Eine Aktualisierung des Berichts
der WENRA vom 17. Dezember 2014 soll Gegenstand
von Gesprächen in den kommenden Sitzungen ihrer Mitglieder werden. Da werden wir uns für eine Aktualisierung dieses Berichtes aktiv einsetzen.
Zusatzfrage?
Ja. Danke schön, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, dass die ASN der WENRA und auch anderen Gremien mitteilen wird, wenn Ultraschalluntersuchungen negative Befunde ergeben, erscheint mir logisch. Aber dazu
müssen die Ultraschalluntersuchungen erst einmal gemacht werden. Ich habe den WENRA-Bericht von 2014
bisher so verstanden, dass er sich auf die Auswertungen
der Dokumentation stützt und nicht auf Ultraschalluntersuchungen. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie
definitiv sagen können: „Ja, in Cattenom und Fessenheim
wurden diese Ultraschalluntersuchungen gemacht“?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Wie ich gerade gesagt habe, wurden nach dem Bericht
der WENRA zerstörungsfreie Ultraschalluntersuchungen
bei allen französischen Atomkraftwerken vorgenommen;
dazu gehören auch Fessenheim und Cattenom.
({0})
Die Frage 13 des Abgeordneten Dr. André Hahn wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 14 des Kollegen Christian
Kühn auf:
Wie viele Sozialwohnungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern in den letzten beiden Jahren, für die die Zahlen vorliegen, fertiggestellt
({0})?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Herr Kühn, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die
Länder haben nach eigenen Angaben im Jahr 2013 insgesamt rund 10 000 Mietwohnungen und 4 000 Eigentumswohnungen bzw. Eigenheime im Rahmen der sozialen
Wohnraumförderung neu gebaut. Darüber hinaus wurde
die Modernisierung von rund 22 000 Wohnungen gefördert.
Im Jahr 2014 förderten die Länder den Bau von rund
12 500 Mietwohnungen und von rund 3 000 Eigentumswohnungen bzw. Eigenheimen. Der Schwerpunkt verlagerte sich somit stärker auf den Mietwohnungsbau. Die
Länder förderten 2014 zudem die Modernisierung von
rund 30 000 Mietwohnungen.
Die Zahlen für 2015 liegen uns noch nicht vor.
Um jetzt keine langen Tabellen vorlesen zu müssen,
schlage ich vor, Ihnen die Aufschlüsselung der Zahlen
auf die einzelnen Bundesländer für die Jahre 2013 und
2014 schriftlich zukommen zu lassen.
Das Angebot nehmen Sie wahrscheinlich an. - Haben
Sie trotzdem noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Ja, ich nehme das Angebot gerne an und habe eine
Zusatzfrage. - Wir beide wissen, dass sich in den letzten Jahren viel zu wenige Sozialwohnungen im Neubau
befinden und wir die Rate deutlich steigern müssen. Die
Bundesregierung hat jetzt einen Vorschlag gemacht, wie
eine steuerliche Sonderabschreibung für den Wohnungsbau in Deutschland aussehen könnte. Danach soll er aber
nicht unter die Mietpreisbindung fallen. Ich möchte wissen, welche Gründe dafür herangezogen werden, da so
nicht gewährleistet ist, dass die zusätzlichen Wohnungen,
die erheblich mit Steuergeld gefördert werden, im Bereich des sozialen Wohnungsbaus entstehen.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sehr geehrter Herr Kollege Kühn, ich möchte erst einmal festhalten, dass wir die Förderung für den sozialen
Wohnungsbau ab diesem Jahr immerhin verdoppelt haben. Wir haben jetzt über die Jahre 2013 und 2014 geredet. Die Mittel ab 2016 haben wir verdoppelt. Die Länder
haben sich freiwillig verpflichtet, diese Mittel auch wirklich im sozialen Wohnungsbau zu investieren. Um den
Wohnungsmarkt insgesamt zu entspannen, brauchen wir
auch steuerliche Anreize. Es wäre natürlich wünschenswert, eine gewisse Mietpreisbindung zu haben; aber es
muss für den Investor noch interessant sein. Das schließt
jedoch nicht aus, dass man dies im parlamentarischen
Verfahren noch einmal berät.
Noch eine Zusatzfrage?
Ich hoffe, dass die SPD-Fraktion, der Sie ja angehören, diese Initiative in das Parlament einbringt. Wir Grünen werden das sicher mit unterstützen.
Meine letzte Frage zu diesem Punkt: Sie haben gesagt,
dass die Zahlen für das Jahr 2015 noch nicht vorliegen.
Wann liegen die Zahlen vor? Wann ist mit einer Veröffentlichung der Zahlen aus dem letzten Jahr zu rechnen?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Nach einem Gespräch zwischen Staatssekretär Adler
und den Ländern wurde uns zugesichert, dass sie bis Mitte des Jahres vorliegen sollen.
({0})
Die Abgeordnete Haßelmann hat noch eine Zusatzfrage. - Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Mittel
verdoppelt worden sind. Vielleicht können Sie noch sagen, wie hoch die Mittel sind und was Sie glauben, wie
viele Wohnungen mit einer Sozialbindung davon gebaut
werden können, wenn die entsprechenden Ergänzungen
der Länder kommen. Wir wissen - hier will ich an meinen Kollegen Christian Kühn anknüpfen -, dass jährlich
60 000 Sozialwohnungen aus der Bindung herausfallen.
Ich habe angesichts der Zahlen für das Jahr 2013, die Sie
genannt haben, nicht den Eindruck, dass wir auch nur ansatzweise mit den 10 000 Wohnungen dagegen anbauen,
obwohl jeder weiß, dass wir bezahlbaren sozialen Wohnraum dringend brauchen.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sehr geehrte Frau Kollegin Haßelmann, Sie wissen,
dass wir nach der Föderalismusreform den Ländern die
finanziellen Mittel überweisen. Diese betrugen bisher
jährlich 518 Millionen Euro. Wir werden diese bis 2019
um insgesamt 2 Milliarden Euro verdoppeln. Das ist ein
wichtiger Grundstein. Wir wissen aber auch, dass von
den Ländern nicht alle Mittel in den sozialen Wohnungsbau geflossen sind. Die Länder haben sich jetzt freiwillig verpflichtet, die Mittel tatsächlich in den sozialen
Wohnungsbau zu stecken. Manche Länder, zum Beispiel
Baden-Württemberg, legen noch etwas drauf. Sie haben
auch ein eigenes Interesse, dieses Problem zu lösen.
Wie viele Wohnungen kann man davon bauen? Es
gibt das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen.
Hier gibt es Vorschläge, wie man kostengünstig bauen
kann. Ich glaube, das wäre eine gute Gelegenheit, diese entsprechend umzusetzen. Insofern bin ich durchaus
zuversichtlich, dass wir den sozialen Mietwohnungsbau
ausbauen können.
Danke schön. - Wir kommen zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die
Frage 15 der Abgeordneten Erika Steinbach wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Uwe
Kekeritz werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 18 und 19 der Abgeordneten Katrin Kunert sowie
die Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Tabea Rößner
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 22 der Abgeordneten Bärbel Höhn sowie die Frage 23 des Abgeordneten Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsministerin
Professor Dr. Maria Böhmer bereit.
Die Frage 24 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen auf:
Ist es zutreffend, dass das Zurückweisungsverbot nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention auch dann greift,
wenn die Gefahr besteht, dass der Staat, in den Schutzsuchende zurückgewiesen werden ({0}), seinerseits in einen dritten Staat
bzw. in den Verfolgerstaat abschiebt, und inwieweit ist vor
diesem Hintergrund die geplante Zurückweisung Schutzsuchender in die Türkei mit dem Zurückweisungsverbot vereinbar, da Berichte dazu vorliegen, dass die Türkei syrische
Flüchtlinge nach Syrien zurückgeschickt hat ({1})?
Frau Staatsministerin, bitte.
Danke, Herr Präsident. - Frau Kollegin Dağdelen,
ich darf Ihnen wie folgt antworten: Soweit Non-Refoulement-Prinzipien anwendbar sind, erfassen diese auch
die Gefahr von Kettenabschiebungen. Die Türkei ist
aufgrund völkerrechtlicher und nationalrechtlicher Vorgaben an Non-Refoulement-Prinzipien gebunden. Die
Bundesregierung geht davon aus, dass die Türkei das
geltende Völkerrecht und türkisches Recht beachtet.
Ich vermute, Sie haben eine Zusatzfrage, Frau
Dağdelen.
Ja. - Ganz herzlichen Dank. Man ist schon fast gewillt, zu sagen: Ihr Wort in Gottes Ohr; denn man kann
doch sehen, dass die Türkei völkerrechtswidrig Luftangriffe im Irak und in Syrien fliegt. So viel zur Einhaltung
des Völkerrechts durch die Türkei.
Zurück zum Thema. In den Medien heißt es, der deutsche und der französische Innenminister hätten am 5. Februar in Athen erreicht, dass Griechenland die Türkei
als sicheren Herkunftsstaat bzw. Drittstaat einstufe. Es
gibt aber unterschiedliche Informationen dazu, ob diese
Regelung bereits in Kraft ist. Deshalb würde ich gerne
wissen: Was genau war die Rolle des deutschen Innenministers im Zusammenhang mit der Einstufung der Türkei
durch Griechenland als sicheren Drittstaat? Ist die Regelung in Kraft, oder wann soll sie in Kraft treten? Wie ist
sie im Detail ausgestaltet? Ist zum Beispiel eine Prüfung
im Einzelfall vorgesehen, falls die Türkei zu einem sicheren Drittstaat erklärt werden sollte?
Frau Kollegin Dağdelen, Sie haben zum Glück noch
zwischen sicherem Herkunftsstaat und sicherem Drittstaat differenziert.
({0})
Es geht hier um die Frage eines sicheren Drittstaats.
Eine Kollegin aus Ihrer Fraktion hat eine entsprechende Frage an den Kollegen aus dem Bundesinnenministerium gerichtet. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich darf Ihnen dazu vielleicht die Antwort mitteilen:
Der Bundesregierung ist bekannt, dass die griechische Regierung derzeit die Einstufung der Türkei
als sicheren Drittstaat prüft. Die Anwendung des
Konzepts des sicheren Drittstaats im Einklang mit
der Richtlinie 2013/32/EU erfolgt in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank. - Ich würde gerne wissen, Frau Staatsministerin, wie die Zurückweisung der Schutzsuchenden
auf den NATO-Schiffen in die Türkei konkret aussehen
soll. Gesetzt den Fall, Flüchtlinge werden aufgegriffen und kommen auf eines dieser Schiffe und einer der
Schutzsuchenden sagt: „Ich möchte gerne einen Antrag
auf Asyl stellen.“ Wie wird dann mit diesem Schutzsuchenden umgegangen? Welche Einsatzregeln sind für
einen solchen Fall vorgesehen? Wie lautet die Regelung
im internationalen Seerecht für den Fall, dass Flüchtlinge
auf diesen Kriegsschiffen sagen, dass sie nicht zurückgewiesen werden wollen, sondern einen Antrag stellen
möchten, der geprüft werden soll?
Frau Kollegin Dağdelen, Sie hatten schon in der letzten Fragestunde eine Frage mit vergleichbarer Zielrichtung an den Kollegen Roth gestellt.
({0})
Sie erinnern sich vielleicht noch an die Antwort.
Es sind NATO-Schiffe. Diese NATO-Schiffe haben
nicht exekutiven Charakter, sondern dienen der Aufklärung und der Verschaffung eines Lagebildes. Wenn
es dann aus irgendwelchen Gründen eine Situation
gibt, in der es darum geht, Menschen aus Seenot zu
retten, dann gibt es dafür ganz klare völkerrechtliche
Handhabungen. Es ist selbstverständlich, dass man einen solchen Menschen aus Seenot rettet. Ich kann mir
auch nicht vorstellen, dass dann jemand nicht gerettet
werden will.
Wir haben Ihnen auch gesagt, dass die Vereinbarung
zwischen den drei Verteidigungsministern von GrieVizepräsident Peter Hintze
http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d
http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d
http://www.amnesty.de/presse/2015/12/16/tuerkei-nimmt-hunderte-fluechtlinge-fest-und-schickt-sie-zurueck-nach-syrien-und-d
chenland, der Türkei und von Deutschland, die auch in
der NATO verankert werden könnte, vorsieht, dass eine
Rückführung in die Türkei erfolgt. Die entsprechenden
Verhandlungen werden derzeit im NATO-Rat geführt,
und ich denke, wir sollten abwarten, wie diese Vereinbarung konkretisiert wird. Das heißt, eine Einsatzregelung, wie Sie sie angesprochen haben, liegt bisher nicht
vor.
Herr Kollege Hunko hat dazu eine Nachfrage.
Vielen Dank. - Frau Staatsministerin, habe ich Sie
jetzt richtig verstanden, dass es noch kein entsprechendes
Abkommen mit der Türkei gibt? Dementsprechend hat
sich auch die türkische Seite geäußert. Der stellvertretende Ministerpräsident Kurtulmus sagte am Dienstag, dass
es ein Abkommen, das vorsieht, die Geretteten in die
Türkei zurückzubringen, nicht gibt. Das ist im Augenblick also noch völlig offen. Wie ist Ihre Einschätzung
bezüglich der Frage, ob die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention beachtet?
Sie haben jetzt zwei Punkte angesprochen. Auch ich
kenne die Äußerungen des stellvertretenden türkischen
Ministerpräsidenten, die in der Presse weitergetragen
worden sind. Aber uns ist nicht bekannt, dass die Vereinbarung der drei Verteidigungsminister und das, was
von den NATO-Verteidigungsministern am 11. Februar
in Auftrag gegeben worden ist, nicht mehr gilt. Insofern
gehe ich weiter von der Vereinbarung aus. Die Planungsarbeiten sind in vollem Gange. Gerade in dem Moment,
in dem wir miteinander reden, werden die entsprechenden NATO-Gremien darüber verhandeln. Ich bin sicher,
dass dies der Umsetzung der Vereinbarung vom 11. Februar dient.
Den zweiten Teil Ihrer Frage habe ich bereits beantwortet. Die Türkei ist durch entsprechende Vereinbarungen internationaler Art, durch die EU-Menschenrechtskonvention wie auch durch die nationale Gesetzgebung
gebunden.
Wir kommen zur Frage 26 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen, Fraktion Die Linke:
Inwieweit teilt die Bundesregierung meine Auffassung,
dass die Provinzen Idlib, Aleppo, Hama ({0}), Daraa ({1}) auch und besonders von den islamistischen Terrororganisationen des syrischen al-Qaida-Ablegers Al-Nusra-Front,
Islamische Front und Ahrar al-Scham gehalten werden, und
welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zusammenarbeit des von ihr mitfinanzierten Syria Recovery Trust
Fund in den genannten Provinzen mit Strukturen dieser islamistischen Terrororganisationen?
Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort zur Beantwortung.
Ich darf wie folgt antworten, Frau Kollegin Dağdelen:
Von den in der Frage genannten Gruppen ist lediglich
die Al-Nusra-Front als Terrororganisation durch die VN
gelistet. Der Syria Recovery Trust Fund arbeitet nach
Kenntnis der Bundesregierung mit keiner der genannten
Gruppen zusammen.
Die weitere Beantwortung der Frage ist gemäß der
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen
Schutz von Verschlusssachen als „VS - Nur für den
Dienstgebrauch“ eingestuft und geht der Fragestellerin
gesondert zu.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?
Ja. - Vielen herzlichen Dank. Ich würde gerne wissen,
Frau Staatsministerin: Zurzeit findet ja eine gemeinsame
Offensive vom sogenannten „Islamischen Staat“ und von
Teilen der bewaffneten Opposition in Syrien statt, um die
von Regierungstruppen kontrollierten Teile von Aleppo
einzukesseln. Zählen für die Bundesregierung bewaffnete Einheiten in Syrien, die mit dem „Islamischen Staat“
kooperieren, zur sogenannten moderaten Opposition, die
dann Teil der Waffenstillstandsvereinbarung sind, die am
Samstag in Kraft treten soll bzw. tritt?
Sie wissen ganz genau, wie der IS einzustufen ist. Ich
kann das jetzt nicht spezifizieren, was die entsprechenden Gruppen angeht, die Sie angesprochen haben.
({0})
- Also, der IS ist eindeutig als Terrorgruppe eingestuft.
({1})
- Nein, mit Sicherheit nicht.
({2})
Noch eine Zusatzfrage?
Weil Sie nicht geantwortet haben, frage ich noch einmal, ob diejenigen Teile der bewaffneten Opposition
in Syrien, die mit dem „Islamischen Staat“ zusammen
kämpfen, seitens der Bundesregierung als moderat einzustufen sind. Diese Frage richte ich vor dem Hintergrund der heutigen Bundespressekonferenz an Sie, weil
dort gesagt wurde, man wisse das bei der Al-Nusra-Front
nicht, also dem syrischen Ableger der Terrororganisation
al-Qaida, gegen die wir ja an der Seite der USA seit über
zehn Jahren unter anderem in Afghanistan kämpfen. Ich
möchte also wissen, ob die Al-Nusra-Front für die Bundesregierung eine Terrororganisation ist, die es in Syrien
zu bekämpfen gilt.
Also, Frau Kollegin, das habe ich Ihnen doch gerade
mit meinem ersten Satz gesagt. Ich lese es Ihnen gerne
noch einmal vor - doppelt genäht hält besser -:
Von den in der Frage genannten Gruppen ist lediglich die Al-Nusra-Front als Terrororganisation durch
die VN gelistet.
Ich kann es auch einfacher machen: Die Al-NusraFront ist eine Terrororganisation, die durch die VN gelistet ist.
Damit sind diese Fragen beantwortet.
Wir kommen zur Frage 27 des Abgeordneten Andrej
Hunko, Fraktion Die Linke:
Welche Finanzhilfen in Form von Budgetunterstützung
und Krediten für die Ukraine sind für das Jahr 2016 durch die
Europäische Kommission, den IWF und andere internationale
Akteure mit deutscher finanzieller Beteiligung geplant, und
wovon wird die Bundesregierung eine weitere Fortsetzung
ihrer Unterstützung von Zahlungen in Milliardenhöhe angesichts der Korruption unter der ukrainischen Regierung ({0}), der politischen Entwicklungen nach dem gescheiterten
Misstrauensantrag und dem Verlust der Parlamentsmehrheit
({1}) und der mangelnden Umsetzung der Minsk-II-Vereinbarungen durch Kiews Parlament und Regierung abhängig
machen ({2})?
Frau Staatsministerin, bitte.
Gerne. - Herr Kollege, die multilaterale Unterstützung
für die Ukraine mit deutscher Beteiligung erfolgt insbesondere durch den Internationalen Währungsfonds, IWF,
die Europäische Union, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Weltbank. Die Gesamthöhe der Mittelauszahlung für 2016 hängt dabei von
der Erfüllung von Auflagen durch die Ukraine ab. Die
meisten Programme laufen überjährig, in anderen Fällen
sind die Planungen für 2016 noch nicht abgeschlossen.
Die multilateralen Finanzhilfen werden im Rahmen
klarer Konditionalitäten ausgezahlt. So konditioniert der
IWF sein Programm an makroökonomischer Stabilität,
an der Beseitigung struktureller Wachstumshindernisse, an Transparenz und an Korruptionsbekämpfung und
macht Fortschritte in diesen Bereichen zur Bedingung für
die Fortführung des Programms.
Die Weiterführung des laufenden IWF-Programms
ist gleichzeitig Bedingung etwa für die Auszahlung der
EU-Makrofinanzhilfen, in deren Rahmen im Jahr 2016
voraussichtlich circa 1,2 Milliarden Euro als mittelfristige Darlehen an die Ukraine fließen werden.
Die EU setzt ihre eigenen klaren Programmvorgaben,
etwa zur Korruptionsbekämpfung, zur Privatisierung
staatlicher Unternehmen und zur Reform des Energiesektors.
Auch die Bundesregierung knüpft ihre finanzielle Unterstützung an die nachhaltige Bereitschaft und den politischen Willen der ukrainischen Führung, die notwendigen
Reformen entschlossen weiter umzusetzen. Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier forderte zuletzt
bei seinem Besuch in der Ukraine am 23. Februar unter
anderem ein entschiedenes Vorgehen gegen Korruption,
bei dem der Grundsatz „Null Toleranz für Korruption“
gelten müsse.
Die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen, zu der alle
Beteiligten verpflichtet sind, ist nicht verknüpft mit der
Gewährung von finanziellen Hilfen an die Ukraine.
Danke schön. - Herr Kollege Hunko, Sie haben sicher
eine Nachfrage. Bitte schön.
Vielen Dank für die doch sehr aufschlussreiche
Antwort. Wenn ich das richtig verstanden habe: IWF,
EU-Kommission, Bundesregierung, alle fordern die Bekämpfung der Korruption als zentralen Punkt für die weitere Mittelvergabe. Nun pfeifen es die Spatzen von den
Dächern, dass die Korruption in der Ukraine auf schon
sehr hohem Niveau weiter zunimmt. Die Umstände der
Nichtabwahl des Ministerpräsidenten haben wahrscheinlich sehr stark damit zu tun. Deswegen ist meine Frage:
Wann ist der Punkt erreicht, an dem Sie sagen: „Jetzt
können keine Mittel mehr gegeben werden“? Welche
konkreten Kriterien legen Sie an? Oder gibt es einen solchen Punkt nicht?
Der Bundesaußenminister hat gestern bei seinem Besuch sehr deutlich gemacht - ich wiederhole die sehr klare Aussage; sie ist an Deutlichkeit, glaube ich, nicht zu
übertreffen -: „Null Toleranz für Korruption“.
Herr Kollege Hunko.
Gut, das ist eine Grundäußerung des Außenministers,
die ich auch teile.
Das freut mich.
http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html
http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html
http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html
http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/iwf-fordert-von-ukraeine-massenahmen-zur-korruptionsbekaempfung-14063917.html
http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-regierungskrise-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-regierungskrise-101.html
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/ukraine-konflikt-zwischen-den-fronten-14065370.html
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/ukraine-konflikt-zwischen-den-fronten-14065370.html
Aber ich entnehme Ihrer Antwort, dass es für Sie dort
keine konkreten Kriterien gibt.
Ich habe eine zweite Frage zur Unterstützung der
Ostukraine. Es gab verschiedene Aussagen der Bundesregierung: zum einen, dass man humanitäre Missionen
plant, sowohl in die Gebiete, die von den Separatisten
kontrolliert werden, als auch in die Gebiete in der Ostukraine, die von Kiew kontrolliert werden, und zum anderen, dass es Pläne für Aufbauhilfe für die Ostukraine
gibt, weil das natürlich die Region ist, die gegenwärtig
am meisten leidet. Daher meine Frage: Was ist davon bislang realisiert, und was ist in Planung?
Ich will noch etwas zu der Frage der Korruptionsbekämpfung sagen, um Sie nicht mit nur einem sehr klaren Satz hier stehen zu lassen. Ich möchte Ihnen sagen,
dass wir sehr darauf gedrungen haben, dass sich in der
Ukraine auch in Sachen Korruptionsbekämpfung etwas
tut. Sie wissen - das ist Ihnen nicht fremd -, dass im Gesetzgebungsbereich Reformen angestoßen worden sind,
dass eine Antikorruptionsbehörde sowie eine Korruptionspräventionsagentur gegründet worden sind und dass
mit diesen Reformen auch die Bildung einer gesonderten
Antikorruptionsgeneralstaatsanwaltschaft verbunden ist.
Wir sehen aber, dass diese Maßnahmen nicht voll umgesetzt worden sind, dass die Behörden noch nicht voll
arbeitsfähig sind und sichtbare Ergebnisse der Korruptionsbekämpfung noch fehlen. Das heißt, wir können an
sehr konkreten Punkten ansetzen, sodass sich die Forderung des Bundesaußenministers - „Null Toleranz bei
Korruption“ - auf sehr konkrete Punkte bezieht. Ich halte es für wichtig, dass wir diese Forderung nicht nur in
einem Satz formulieren, sondern auch konkrete Ansatzpunkte haben.
Zu der anderen Frage schlage ich vor, dass ich sie Ihnen schriftlich beantworte.
Eben. Die Zeit für die Beantwortung der Frage ist
auch abgelaufen.
Die Kollegin Dağdelen hat eine Nachfrage. - Bitte
schön, Frau Kollegin.
Vielen herzlichen Dank. - Ich würde gerne noch einmal nachhaken. Sie haben hier gesagt, dass Sie zum Thema Korruption klare Sätze formuliert haben. Mich würde
interessieren: Wo sind denn die klaren Taten der Bundesregierung? Da in der Ukraine Minister zurücktreten, weil
sie vom Präsidenten bzw. vom Ministerpräsidenten an
der Bekämpfung der Korruption gehindert werden, Sie
aber weiterhin darauf bestehen, Milliarden von Steuergeldern in dieses korrupte Regime zu investieren, würde
ich gerne wissen: Wann gibt es nicht nur klare Sätze, sondern auch klare Taten, und woran messen Sie den Erfolg?
Es muss doch eine Messlatte für den Umgang mit deutschen Steuergeldern geben. Es muss doch klar sein, ab
welchem Punkt die deutsche Bundesregierung kein Steuergeld mehr an das korrupte Regime in Kiew schickt.
Frau Kollegin Dağdelen, ich habe in meiner Antwort
auf die Frage des Kollegen Hunko drei sehr konkrete
Punkte genannt. Es geht um Entwicklungen in der Ukraine, an denen man erkennen kann - da kann man auch
konkret nachhaken -, welche Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht werden. Wir wissen alle
gemeinsam, dass die Frage der Korruption in der Ukraine
eine ganz entscheidende ist. Deshalb halte ich es für klug,
dass wir seitens der Bundesregierung unsere finanziellen
Hilfen auf bilateraler Ebene an konkrete Projekte knüpfen. Das gilt für die Mittel, die wir 2015 gegeben haben,
und auch für die Mittel, die wir 2016 geben. Mit den konkreten Projekten ist eine Mittelbindung verbunden. Ich
glaube, das ist ein Schutz vor Korruptionsanfälligkeit.
Vielen Dank. - Ich sehe zu dieser Frage keine weiteren Nachfragen.
Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Andrej
Hunko:
Über welche Erkenntnisse ({0}) verfügt die Bundesregierung dazu, in welchem Umfang in Libyen operierende, profitorientierte Fluchthelfer aus Angehörigen libyscher Behörden bestehen ({1}), und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der
von ihr geplanten bzw. unterstützten Ausbildungsmissionen
für libysche Sicherheitsbehörden ({2}) aus einem Bericht der Grenzagentur Frontex, wonach
die Führungsriege des libyschen „Netzwerks von Schmugglern“ ausschließlich aus aktiven oder ehemaligen Angehörigen
von Polizei und Militär bestehen soll ({3})?
Frau Staatsministerin.
Herr Kollege Hunko, der Bundesregierung ist bekannt,
dass in den Menschenschmuggel kriminelle, bewaffnete
Gruppen und teilweise auch örtliche Behörden verwickelt sind. Es gibt kein einheitliches libysches Netzwerk
von Schmugglern, sondern die Gegebenheiten sind von
Ort zu Ort verschieden. Diese besondere Herausforderung unterstreicht auch der zitierte Bericht. Falls es - ich
betone: falls - zu einem Ausbildungsprojekt für libysche Streitkräfte kommen sollte, wird der Auswahl der
libyschen Teilnehmer sowie ihrer Verwendung nach Abschluss der Ausbildung größtmögliche Aufmerksamkeit
gewidmet werden. Die VN-Mission für Libyen - United
Nations Support Mission in Libya - hat signalisiert, dass
sie bereit und in der Lage wäre, die libysche Regierung
im Überprüfungsprozess der Teilnehmer, dem sogenannten Vetting, zu beraten.
Kollege Hunko.
Vielen Dank. - Um das zu erläutern, beziehe ich mich
noch einmal auf einen Bericht von Frontex, nach dem die
Führungsriege der, wie Sie gesagt haben, Schmuggler,
also der profitorientierten Fluchthelfer, ausschließlich
aus ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen besteht.
Das ist natürlich ein wichtiger Punkt, wenn man solche
Kooperationen anstrebt. Mich würde interessieren: Welche konkreten Gespräche haben denn mit der libyschen
Seite stattgefunden, um dieses Problem anzugehen?
Zunächst, Herr Kollege Hunko, möchte ich deutlich
machen, dass der Begriff „Fluchthelfer“ - er ist auch in
früheren Fragestunden schon verwendet worden - hier
wirklich fehl am Platz ist. Wir haben es mit kriminellen
Machenschaften zu tun; das sagen Sie ja selbst. Das sind
kriminelle Menschen, die das Leben anderer riskieren
und dafür auch noch hohe Geldsummen einfordern. Das
ist zu einem kriminellen Geschäft geworden. Wir ignorieren überhaupt nicht, sondern sehen es mit offenen Augen und großer Sorge, dass neben kriminellen bewaffneten Gruppen zum Teil auch örtliche Behörden und andere
involviert sind. Deshalb kommt dem Ausbildungsprojekt, der Auswahl und der Überprüfung der Teilnehmer
sowie der Frage: „Wer kommt dafür infrage?“, so große
Bedeutung zu.
Ich teile Ihre Sorge - denn sie ist sehr berechtigt -,
wenn es darum geht: Wer wird zukünftig für die Sicherheit in diesem Land sorgen können? Werden es Menschen sein, die in solche Machenschaften involviert sind,
oder kann man, soweit es möglich ist - Sie merken, wie
vorsichtig ich an dieser Stelle bin -, sicherstellen, dass
man eine Auswahl nach Verlässlichkeit trifft? Deshalb
finde ich es sehr wichtig, dass die VN-Mission für Libyen ihre Bereitschaft signalisiert hat, zu beraten - nicht
auszuwählen, sondern zu beraten.
Danke schön. - Es gibt noch eine Frage des Kollegen
Hunko.
Vielen Dank. - Den kriminellen Charakter mancher
Gruppen will ich gar nicht bestreiten. Das Problem
ist - das gab es auch in anderen Situationen; ich denke zum Beispiel an Drogenkartelle in Mexiko oder auch
an die Zeiten der Prohibition mit ihren aus der Illegalität kommenden Strukturen -: Solange es eine Illegalität
der Flucht gibt, so lange wird es auch solche Strukturen
geben. Das Problem ist, dass wir keine legale Einreisemöglichkeit haben, und aus dieser Situation heraus erwachsen diese Strukturen. Meine konkrete Frage: Wenn
es diese Beratungsgespräche gibt, wird dann auch über
Seenotrettung diskutiert und eine Ausbildung im Bereich
der Seenotrettung angeboten, oder spielt das dann keine
Rolle?
Ich bin jetzt ein bisschen überrascht, welche Dinge Sie
hier miteinander vermischen. Ich war auch vorhin überrascht, dass Sie Fluchtbewegungen als Ursache solcher
kriminellen Verbindungen ansehen. Wir haben es in Libyen mit einem Failed State zu tun. Alle Kräfte werden
derzeit angestrengt, um diese Situation zu überwinden.
Es geht um ein Land, das Sicherheitsstrukturen braucht;
das ist die Notwendigkeit, die sich in Syrien zeigt. Insofern finde ich die Assoziierung, die Sie vornehmen, etwas
befremdlich.
Wir haben zu diesem Themenbereich keine weiteren
Nachfragen. - Danke schön.
Dann kommen wir zur Frage 29 des Abgeordneten
Beck:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Entführungen und Anschläge und sonstige schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch die terroristischen Gruppierungen al-Qaida im islamischen Maghreb ({0}), Mouvement
pour l’Unicité et le Jihad en Afrique de l’Ouest ({1}),
al-Murabitun und Dschund al-Chilafa in Algerien seit dem
Jahr 2015, und inwiefern ist die algerische Regierung nach
Kenntnis der Bundesregierung in der Lage, die Bevölkerung
vor diesen Gruppierungen zu schützen?
Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Ja, gerne. - Herr Kollege Beck, ich darf Ihnen die
Antwort geben: Die Gruppierung al-Murabitun war nach
Erkenntnissen der Bundesregierung seit dem Jahr 2015
nicht mit Entführungen, Anschlägen oder Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung in Algerien
aktiv. Bei dem schwerwiegendsten Terroranschlag seit
Beginn des Jahres 2015 kamen am 18. Juli 2015 in Ain
Defla, 150 Kilometer von Algier, elf algerische Soldaten
ums Leben. Der Anschlag wurde von al-Qaida im islamischen Maghreb verübt.
Im Übrigen haben al-Qaida im islamischen Maghreb
und Dschund al-Chilafa seit dem Jahr 2015 folgende Anschläge in Algerien verübt:
Al-Qaida im islamischen Maghreb: 21. Mai 2015,
Hinterhalt auf eine Militäreinheit; 4. Juni 2015, Hinterhalt auf eine Militäreinheit; 7. Juli 2015, Tötung von
zwei Polizisten.
Dschund al-Chilafa: 3. Februar 2015, Tötung von zwei
Polizisten in einem Café; 5. März 2015, Hinterhalt gegen
eine Militäreinheit; 6. März 2015, Hinterhalt gegen eine
Polizeieinheit; 1. Dezember 2015, Hinterhalt gegen eine
Militäreinheit; 18. Dezember 2015, Hinterhalt gegen
eine Militäreinheit.
Al-Qaida im islamischen Maghreb entführte in den
letzten Jahren Privatpersonen, um von deren Angehörigen Lösegelder zu fordern. Diese Einnahmequelle war
aber nach zunehmenden Protesten der betroffenen Bevölkerung stark rückläufig.
Die algerischen Sicherheitskräfte halten den Verfolgungsdruck auf im Land operierende Terrorgruppen
ungebrochen aufrecht. Die Anzahl sicherheitsrelevanter
Zwischenfälle ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2015
sank die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich um über 50 Prozent auf circa 60.
Frau Präsidentin, wenn Sie mir gestatten, würde ich
dem Kollegen auch noch gerne den Schluss vortragen.
Ja, Sie liegen gut in der Zeit.
Herzlichen Dank. Wir wissen, dass er sehr daran interessiert ist. - Dabei liegt die Anzahl der von Terroristen verursachten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle
bei unter 20 Prozent der Gesamtzahl. Dies unterstreicht
deren eingeschränkte operative Möglichkeiten und die
Dominanz der Sicherheitskräfte. Operationen terroristischer Kräfte richten sich in Algerien traditionell gegen
die Sicherheitskräfte als Symbol des Staates, weniger gegen Zivilisten. Bei zivilen Opfern sind die Zahlen sehr
gering. Die algerischen Sicherheitskräfte gelten als relativ erfolgreich im Kampf gegen die terroristische Bedrohung im Land.
Danke schön, Frau Präsidentin.
Vielen Dank. - Der Kollege Beck hat trotzdem noch
Nachfragen.
Ich bin ganz beeindruckt über die gerade von Ihnen
vorgenommene Schilderung der Zustände in einem sicheren Herkunftsstaat. Sie haben aber am Ende nach
Weisung des Hauses noch versucht, die Kurve zu kriegen,
und gesagt, dass trotzdem irgendwie alles sicher und in
Ordnung ist. Ich frage mich aber schon, warum Ihr Haus,
das die Antwort, die Sie gerade vorgelesen haben, verantwortet, auf seiner Webseite wiederum sagt, in Algerien
bestehe das Risiko von Entführungen und Anschlägen
durch terroristische Gruppierungen wie al-Qaida im islamischen Maghreb, AQM, Mouvement pour l’Unicité et
le Jihad en Afrique de l’Ouest, MUJAO, al-Murabitun
und die neu gebildete Gruppe Dschund al-Chilafa.
Sie sagen den Deutschen also: Das alles ist unsicher.
Ihr müsst aufpassen, dass ihr dort nicht entführt werdet.
All das aber, was Sie hier vorgetragen haben - in Ihren
Reisehinweisen geben Sie eine ganz andere Einschätzung dazu -, kommt in der Begründung des Gesetzentwurfes, warum Algerien ein sicherer Herkunftsstaat sei,
mit keiner Silbe vor. Wie rechtfertigen Sie es, dass diese
Einschätzung in Ihrem Gesetzentwurf nicht argumentativ behandelt wird, und wie erklären Sie, was die Sicherheitsfrage und die Terrororganisationen angeht, den
Widerspruch zwischen Ihrer Einschätzung hier und der
Ihres Hauses in den Reisehinweisen?
Herr Beck, ich wusste, dass Sie diesen Zusammenhang herstellen. Deswegen habe ich auch noch einmal
sehr intensiv - auch in unserem Haus - nachgefragt. Ich
weiß, das ist Ihnen ein besonderes Anliegen.
Sie wissen - ich will das noch einmal in den Blick
rücken -, dass die Gesamtquote für Schutzsuchende aus
Algerien im Jahr 2015 0,8 Prozent betrug.
({0})
- Ich darf das trotzdem sagen.
Jetzt hebe ich noch einmal auf das ab, was Sie mit
Blick auf die Entführungen angesprochen haben. Ich
habe hier erläutert, dass die Entführungen rückläufig
sind und dass sich die Terroranschläge nicht gegen die
Zivilbevölkerung, sondern gegen Militäreinheiten und
Polizisten richten. Hier haben wir es noch mit Nachwirkungen des Algerien-Krieges zu tun. Das ist eine sehr
tragische Situation in diesem Land.
({1})
Jetzt hat die Staatsministerin das Wort. Sie dürfen danach noch eine Frage stellen.
({0})
Bitte schön.
Herr Kollege Beck, heute Vormittag war die Menschenrechtslage in Marokko und Algerien Gegenstand
der Beratungen im Auswärtigen Ausschuss. Ihre Kollegen von der Grünenfraktion waren da. Sie gehören ja
dem Innenausschuss an. Ich bin sicher, dass Sie das auch
dort thematisieren.
Die Einstufung, die vonseiten des Auswärtigen Amtes noch einmal unterstrichen worden ist, lautete: Sie ist
gut vertretbar. - Das möchte ich Ihnen hier noch einmal
mitteilen.
Bitte schön, Herr Kollege Beck. Jetzt haben Sie noch
einmal das Wort.
Besteht nun für Zivilpersonen ein Risiko von Entführungen und Anschlägen durch terroristische Gruppen in
Algerien, oder besteht dies nicht? Ihre Webseite behauptet, es bestünde. Sie haben gerade behauptet, es bestünde
nur für Repräsentanten der algerischen Sicherheitskräfte.
Was ist denn nun wahr?
Herr Beck, ich habe bei den terroristischen Anschlägen unterschieden. Diese richten sich überwiegend gegen Polizisten und Militäreinheiten. Ich habe wörtlich
vorgelesen und sehr deutlich gesagt, dass in den letzten
Jahren Privatpersonen durch die al-Qaida im islamischen
Maghreb entführt wurden und dass die Zahl dieser Entführungen aber rückläufig ist.
Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen.
Die Frage 30 der Kollegin Heike Hänsel wird schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs,
und ich darf mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin, für
die Beantwortung der Fragen bedanken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 31 der Kollegin Heike
Hänsel, die Frage 32 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele, die Fragen 33 und 34 der Kollegin Ulla Jelpke
und die Fragen 35 und 36 der Kollegin Martina Renner
werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 37 des Kollegen Christian Kühn wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 38 der
Kollegin Kerstin Andreae wird schriftlich beantwortet.
Schließlich kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Die Fragen 39 und 40 des Kollegen Harald Ebner werden
schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde und am Ende
unserer Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Februar 2016,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
einen arbeitsreichen Nachmittag und einen schönen
Abend.