Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/27/2016

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich . Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Hierzu hat die Bundesregierung als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze. Dazu erteile ich das Wort für einen einleitenden Kurzbericht dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt . - Bitte schön, Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute das DigiNetz-Gesetz im Bundeskabinett beschlossen . Wir machen mit diesem Gesetz einen großen Sprung in Richtung Gigabitgesellschaft . Das DigiNetz-Gesetz soll den Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze erleichtern und beschleunigen sowie die Kosten senken . Das heißt, wir verleihen dem Breitbandausbau mit diesem Gesetz zusätzlichen Schwung . Wir schaffen das, indem wir für neue Transparenzen sorgen, was die bestehende klassische Infrastruktur betrifft . Wir räumen Mitnutzungsrechte bei der bestehenden Infrastruktur ein und regeln Ausbauverpflichtungen neu. Im Einzelnen bedeutet das: Wir öffnen die bestehende klassische Infrastruktur und regeln die Mitnutzung der Rohrleitungen von Energie- und Abwassernetzen an Straßen und Schienen . Überall dort, wo freie Kapazitäten bestehen, wird zukünftig Telekommunikationsunternehmen die Möglichkeit gegeben, Breitbandkabel mit zu verlegen . Das sorgt natürlich für Synergien und verbessert die Koordinierung von Bauarbeiten . Das Ganze steuern wir über eine zentrale Informationsstelle, die bei der BNetzA angesiedelt ist . Diese Stelle kann beurteilen, ob ein faires Entgelt berechnet wird . Der zweite bedeutende Punkt ist, dass zukünftig Glasfaserkabel in Neubaugebieten direkt mit verlegt werden müssen . Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um Wohngebiete oder Gewerbegebiete handelt . Selbst heutzutage werden bei Neubauten teilweise noch immer Kupferkabel verlegt . Das ist nicht zukunftsfähig; denn damit verbunden ist die Herausforderung des Nachrüstens und des Umbaus . Das kann nicht das Ziel sein . Wir wollen, dass Glasfaserkabel sofort mit verlegt werden, um das schnelle Internet überall zu ermöglichen . Das betrifft die Verkehrswege des Bundes übrigens genauso . Wir haben uns drittens vorgenommen, bei Modernisierung und Neubau unserer Verkehrswege sofort Glasfaserkabel mit verlegen zu lassen . Das heißt, wo zukünftig der Bund Bundesstraßen oder Autobahnen baut, werden Glasfaserkabel mitverlegt . Das Gleiche gilt auch für die Länder und die Städte, bis hin zu Radwegen . Wo der Boden aufgerissen wird und man dementsprechend in die Lage versetzt wird, Glasfaserkabel zu verlegen, soll es zukünftig auch gemacht werden . Tiefbauarbeiten sind ein wesentlicher Faktor der Kosten . 80 Prozent der Kosten beim Glasfaserausbau werden durch den Tiefbau verursacht . Mit dieser Maßnahme der verpflichtenden Mitverlegung von Glasfaserkabeln bei Straßenbaumaßnahmen wird dafür gesorgt, dass diese Kosten erheblich reduziert werden . Zukünftig gilt: Jede Baustelle bringt Bandbreite . Wir sparen damit Milliarden . Die Schätzungen sind sehr unterschiedlich, aber man kann sagen, dass wir zukünftig durch die Synergien einen Milliardenbetrag einsparen werden . Wir sorgen auch dafür, dass wir schneller die Infrastruktur der Breitbandtechnologie umsetzen . Wir können das auch in unsere Gesamtstrategie gut einordnen, die aus drei Säulen besteht: zum Ersten Markt, zum Zweiten Förderung, zum Dritten Beschleunigung . Sie wissen, dass wir mit der „Netzallianz Digitales Deutschland“ im letzten Jahr erfolgreich den weiteren Ausbau der Breitbandinfrastruktur befördert haben . Wir haben allein für dieses Jahr wieder eine Vereinbarung mit der „Netzallianz Digitales Deutschland“ getroffen, dass marktgetrieben von den Unternehmen 8 Milliarden Euro in den Ausbau des schnellen Breitbandnetzes investiert werden . Die zweite Säule ist die Förderung . Wir haben im November vergangenen Jahres unser Bundesförderprogramm für den schnellen Breitbandausbau gestartet . Es handelt sich um 2,7 Milliarden Euro, die sich in 2 Milliarden Euro für das Förderprogramm und über 600 Millionen Euro für die Länder, die wir direkt an diese ausgezahlt haben, aufteilen . Das wird sehr gut angenommen . Es gibt bisher rund 200 Anträge für dieses Förderprogramm, für die wir laufend entsprechende Bescheide herausgeben . Man merkt schon an der Zahl von 200 Anträgen in der kurzen Zeit, dass auf dieses Programm in erheblichem Maße vonseiten der Kommunen reagiert wird . Damit haben wir Schwung in den Breitbandausbau bekommen . Die dritte Säule ist die Beschleunigung, die ich gerade dargestellt habe, durch das DigiNetz-Gesetz . Wenn man das zusammenfasst und bewertet - das kann man auch in dem aktuellen Wirtschafts-Digitalindex nachlesen -, dann kann man sagen: Wir haben jetzt schon eine Vorwärtsbewegung gemacht . Denn laut Wirtschafts-Digitalindex ist Deutschland bei der Infrastruktur auf Platz 4 vorgerutscht und befindet sich jetzt vor den USA, vor Japan und vor Spanien . Das zeigt die hohe Dynamik, die wir in Deutschland inzwischen beim Ausbau erzeugt haben . Das gibt uns allen Anlass, mit digitalem Selbstbewusstsein in die Zukunft zu gehen, wobei wir auch darauf hinweisen: Jede Maßnahme kann ein Zwischenschritt hin zu einer noch moderneren Infrastruktur sein .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Wir haben uns bis 2018 50 Mbit vorgenommen . Herr Präsident .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nicht 50 Minuten . ({0})

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich dachte, ich darf es umfänglich darstellen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nein, eben nicht . ({0})

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Dann warte ich darauf, dass mir die Fragen die Gelegenheit dazu geben . Wir haben uns 50 Mbit bis 2018 vorgenommen . Das wird ein Zwischenschritt sein, den wir aber auf jeden Fall gehen werden . Danke schön, Herr Präsident .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bedanke mich auch . - Es ist immer das gleiche Problem, dass man in diesen fünf Minuten nicht alles vortragen kann, was es zum Thema zu sagen gibt . Aber die Fragen werden sicher Gelegenheit bieten, noch ergänzende Informationen nachzuliefern . Wir beginnen mit Frau Rößner .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Vielen Dank, Herr Minister, für die Vorstellung des Gesetzentwurfs . Ich denke, es ist richtig, dass wir die EU-Richtlinie möglichst bald umsetzen, damit der Breitbandausbau insgesamt vorankommt . Der erste Entwurf dieses Gesetzes wurde am 11 . September vergangenen Jahres veröffentlicht . Es erfolgten, soweit ich weiß, sehr viele Stellungnahmen . Meine Frage - der aktuelle Text des Gesetzentwurfs liegt uns noch nicht vor -: Wo haben Sie diese Stellungnahmen berücksichtigt? An welchen Stellen haben Sie etwas geändert, weil Sie auf Hinweise der Verbände eingegangen sind?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Sehr geehrte Frau Rößner, dieses Gesetzespaket zeichnet sich auch durch seinen Umfang aus . ({0}) Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die viele Rechte anderer betreffen, vor allem im Bereich der Mitnutzung . Die Verbände haben sich umfangreich zur Frage der Mitnutzung der klassischen Infrastruktur geäußert . Es hat im Prozess der Erstellung des Gesetzentwurfs eine Diskussion gegeben . Eine Synopse darüber, wieweit die einzelnen Vorschläge vonseiten der Verbände Berücksichtigung gefunden haben, liegt mir nicht vor . Klar ist aber, dass es bei der Mitnutzung nicht nur eigene Rechte gibt, sondern auch Rechte anderer, die zu berücksichtigen sind, was auch dazu führt, dass es Ausschlusskriterien für die Mitbenutzung der klassischen Infrastruktur gibt . Diese Kriterien sind im Prozess der Erstellung des Gesetzentwurfs durchaus verschärft worden .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Esken .

Saskia Esken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004267, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, dieser Gesetzentwurf ist ein großer Schritt für die Umsetzung der Digitalen Agenda der Bundesregierung und auch für die Überwindung der reBundesminister Alexander Dobrindt gionalen digitalen Spaltung in Deutschland . Ein weiterer wichtiger Grund für den Digital Gap in der Bevölkerung ist die unterschiedliche Ausprägung der digitalen Kompetenz und digitalen Souveränität . Ein anderes wichtiges Ziel der Digitalen Agenda der Bundesregierung ist die Entwicklung einer Strategie „digitales Lernen“, der Ausbau der digitalen Bildung . Insofern meine Frage in diesem Zusammenhang: Inwieweit spielen in diesem Gesetzentwurf und in der bisherigen Förderstrategie der Bundesregierung der Breitbandanschluss für Schulen und andere Bildungseinrichtungen eine besondere Rolle?

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Sehr geehrte Frau Kollegin, richtig ist, dass es über die Frage der Teilhabegerechtigkeit eine Diskussion in unserem Land gibt und dass vieles davon abhängt, ob man Zugang zu den modernen Technologien hat oder nicht, ob man die neuen Chancen ergreifen kann oder nicht . Diese Diskussion findet im ganzen Land statt. Wir wissen, dass marktgetrieben der Breitbandausbau in den Städten stärker voranschreitet als zum Beispiel in den ländlichen Regionen . Genau das erklärt unser Ziel: einen Gleichklang der Entwicklung zustande zu bringen . Gerade dazu dient das Breitbandförderprogramm, wie wir es im letzten Jahr vorgestellt haben . Ich habe allen Kommunen, Gemeinden und Landkreisen die Bitte übermittelt, sich an diesem Programm zu beteiligen, weil es nicht nur die Chance bietet, das 50-Mbit-Ziel kommunal umzusetzen, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, beim Umbau hin zu einer Gigabitgesellschaft deutlich voranzukommen . Das hat natürlich auch etwas mit dem Anschluss von Gewerbegebieten und natürlich auch von Schulen zu tun . Wir müssen beides im Blick haben: die berufliche Bildung genauso wie die schulische Bildung . Ich kann jetzt nur sagen, dass wir es mit einer hohen Akzeptanz dieses Programms zu tun haben . Wir werden sehen, inwieweit sich dies vor Ort in den einzelnen Bereichen umsetzen lässt . Unser Ziel ist es natürlich, dass es im Bereich aller Schulen und Bildungsstätten zu einem schnellen Breitbandausbau kommt .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Behrens .

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass es jetzt darauf ankommt, dem Breitbandausbau neuen Schub zu verleihen . Wir begrüßen es sehr, wenn Sie sagen: Künftig muss bei Neubaugebieten die digitale Infrastruktur mitgeplant werden . Ebenso soll es bei den bundeseigenen Verkehrswegen sein . Wer wird der Betreiber dieses Netzes sein? Es kann ja nicht sein, dass man sagt: „Ihr müsst bauen“, wenn man gar keinen Vertragspartner hat . Wird die Frage, wer sich dort als Ausbauträger präsentiert, mit in die Planung einbezogen? Das zu erfahren, wäre für mich aus kommunalpolitischer Sicht wichtig . Nun haben wir gerade die Schulen und bestimmte Prioritäten als Thema gehabt . Ich denke, es ist notwendig, dass man in diesem Gesetz Prioritäten setzt und beispielsweise solche Einrichtungen besonders fördert, damit man da vorankommen kann . Hier auf den Tribünen sitzen viele junge Leute; für die treffen wir quasi diese Entscheidung . Von daher bitte noch einmal eine konkrete Aussage zu den Schulen und deren Anbindung an das schnelle Internet!

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Kollege Behrens, die Infrastruktur, wie wir sie jetzt aufbauen werden - beispielsweise werden Glasfaserkabel unter Bundesstraßen verlegt -, ist eine Infrastruktur, die erst einmal allen zur Nutzung zur Verfügung steht . Das heißt, der Bund betreibt keine eigenen Inhalte, die er auf dieser Infrastruktur transportiert . Wir geben jedem die Möglichkeit, am Schluss diese Infrastruktur zu benutzen . Das ist das Ziel, das dahintersteht . Von daher ist in jeder Situation spezifisch zu klären, ob es zu diesem Zeitpunkt oder zu einem späteren Zeitpunkt einen Interessenten gibt und zu welchen Bedingungen er diese Infrastruktur nutzen will . Wir gehen davon aus, dass es bei der Mehrzahl der Straßen, die wir heute bauen, sinnvoll ist, diese Infrastruktur zu hinterlegen, und dass der Großteil der Nutzungsmöglichkeiten sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ergeben wird . Der Anschluss der Schulen ist Teil eines Förderprogramms, nämlich des Bundesförderprogramms für den Breitbandausbau . Das heißt, die Kommunen, die nach unserem Förderprogramm eigene Projekte definieren können - das kann auch Teilbereiche betreffen -, können sich über dieses Bundesförderprogramm Quellen für den Ausbau der Infrastruktur an Schulen erschließen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erinnere noch einmal an die Minutenregel . - Die nächste Frage hat der Kollege Viesehon .

Thomas Viesehon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004430, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Was mich interessieren würde - neben dem Glasfaserausbau, der auf dem Weg zur Gigabitgesellschaft längerfristig wirkt - ist, ob es noch weitere konkrete Maßnahmen zur Beschleunigung gibt, auch zur kurzfristigen praktischen Umsetzung, um das, was Sie schon gesagt haben, gesetzlich und von Bundesseite her zu hinterlegen .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Lieber Kollege, ein wesentlicher Teil der Beschleunigung wird sich dadurch ergeben, dass die Investoren bei der Bundesnetzagentur Einsicht darin bekommen können, wo klassische Infrastruktur besteht, die zur Mitnutzung in Betracht kommt . In der Vergangenheit - um es einfach einmal darzustellen - war die Situation die, dass ein Betreiber von Infrastruktur oder ein Telekommunikationsunternehmen mit Ausbauplänen für eine eigene Infrastruktur eine entsprechende Verlegung beantragen musste . Das ist relativ aufwendig, wie wir wissen . Es müssen Straßen aufgerissen werden, es müssen Bauarbeiten stattfinden und vieles mehr . Zukünftig wird das Erste sein, bei der Bundesnetzagentur einen Blick in den konsolidierten Atlas der klassischen Infrastruktur zu werfen, um festzustellen: Hier gibt es Möglichkeiten, Breitbandkabel in bestehenden Rohrsystemen zu verlegen und damit eine erhebliche Beschleunigung des Ausbaus zu erzielen, weil man sich die Tiefbauarbeiten komplett sparen kann .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Florian Oßner .

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben gerade in Ihren Ausführungen eindrucksvoll beschrieben, dass auf den Tiefbaubereich 80 Prozent der Kosten anfallen . Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt des DigiNetz-Gesetzes . Für mich stellt sich die Frage, welche konkreten Maßnahmen dieses Gesetz vorsieht, um exakt diese Kosteneinsparungen dann auch im Konkreten zu bewerkstelligen .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Sehr geehrter Herr Kollege, die Diskussion darüber, wie hoch das Einsparpotenzial ist, richtet sich sehr stark daran aus, wie hoch der Anteil an Tiefbauarbeiten ist, der künftig eingespart werden kann . Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass 80 Prozent der Ausbaukosten Tiefbaukosten sind . Jetzt kann man unterstellen, dass ein kompletter Glasfaserausbau in Deutschland - so sagen es zumindest die Institute, die Schätzungen abgegeben haben - um die 80 Milliarden Euro kosten wird . Wenn man davon 80 Prozent nimmt, dann wären es 64 Milliarden Euro an Kosten für Tiefbauarbeiten . Ein Gutachten geht davon aus, dass 30 Prozent davon mit den von uns jetzt vorgestellten Maßnahmen eingespart werden können . Das heißt, man könnte von einem zweistelligen Milliardenbetrag reden, der eingespart würde, wenn man den Ausbau über dieses Gesetz vorantreibt . Ich weise allerdings darauf hin, dass diese Zahlen sich auf einen kompletten Glasfaserausbau beziehen . Das ist aber nicht die aktuelle Situation, weil wir einen Technologiemix haben . Das heißt, wir sind von diesen Zahlen entfernt; momentan investieren wir bis 2018 nicht 80 Milliarden Euro, sondern eine deutlich geringere Summe .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Rößner .

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Eine Vorbemerkung: Wenn man ein Gesetz macht, das sehr stark in den Infrastrukturwettbewerb eingreift bzw . diesen regeln soll, dann sollte man wissen, welche Stellungnahmen die einzelnen Unternehmen, die betroffen sind, abgegeben haben und wie die Verbände darüber denken . Von daher ist es wichtig, ein Gesetz auch im Hinblick darauf zu bewerten . Man will die Potenziale für die Mitnutzung bestmöglich ausschöpfen . Daher frage ich Sie, warum unbeschaltete Glasfaserkabel, die sogenannten Dark Fibre, die sich insbesondere im Besitz der Deutschen Telekom befinden, nicht in die Definition der passiven Netzinfrastruktur eingeschlossen sind, außen vorgelassen werden und somit nicht genutzt werden können, sodass sich der Platzhirsch wieder durchsetzen kann . Das ist die erste Frage . Die zweite Frage schließt an die Frage von Herrn Behrens an: Wer ist derjenige, der bei Neubauten die Glasfaser verlegt? Wer bezahlt das Ganze, und wer koordiniert das?

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Die Aufgabe, die Glasfaserkabel zu verlegen, liegt bei demjenigen, der beispielsweise die Straßen baut, um einen Bereich der klassischen Infrastruktur zu nennen . Dieser wird die digitale Infrastruktur mitverlegen . Das ist Ziel dieses Gesetzes . Es hat in der Tat eine Diskussion darüber gegeben, ob man darunter lediglich die Leerrohre versteht, die verlegt werden sollen, damit die Unternehmen selbst die Glasfaser installieren können, oder ob man davon ausgeht, dass die Glasfaserkabel gleich mit zur Verfügung gestellt werden . Wenn man den Ausbau möglichst schnell vorantreiben will, dann sollte man die Glasfaser gleich mitverlegen . Dazu haben wir uns entschlossen . Das ist ein Kostenfaktor, der in diesem Fall vom Bund als Träger der Baumaßnahmen entsprechend mitzutragen ist und ein Teil der Aus- oder Neubaumaßnahme der Straße wird . Ansonsten wird es zu den Details hinsichtlich der Frage, was an Mitnutzung der Infrastruktur zukünftig möglich ist oder nicht, eine Beratung im Bundestag geben . Ich bin sicher, dass Sie eine Abschätzung darüber, welche Infrastrukturmaßnahmen richtigerweise mit dabei sind, in den Ausschüssen treffen werden .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Behrens .

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, nun werden die Stadtwerke in gewisser Weise in die Pflicht genommen, ihre Infrastruktur zu öffnen . Sie machen in dem Gesetz aber keine Vorgaben, was den Preis anbetrifft . Ich kann mir vorstellen, dass dies ein Stück weit zum Pokern vonseiten der Stadtwerke einlädt und nicht zur Beschleunigung des Ausbaus führt, indem gesagt wird: Der eine Betreiber bietet mir so viel, ein anderer Betreiber, den ich möglichweise noch gar nicht kenne, könnte am nächsten Tag ein höheres Angebot vorlegen . Was war der Grund für Sie, nicht einen entsprechenden Rahmen vorzugeben, in dem sich die Gebühren zu befinden haben, um dieses Verhalten zu verhindern? Eine zweite Frage in diesem Zusammenhang: Was passiert, wenn die Stadtwerke meinen, dass sie die Infrastruktur nicht nur einmal vermarkten können, sondern auch ein zweites Mal? Das kann unter Umständen dazu führen, dass sich die Dinge sozusagen kannibalisieren . Es ist eigentlich nur sinnvoll, eine Infrastruktur zu schaffen . Die Förderung von anderen Geschäftsmodellen ist mit dem Gesetzentwurf wohl nicht gemeint .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Vielen Dank . - Bezüglich der Gebührensituation haben wir uns für folgendes Vorgehen entschlossen: Es geht darum, faire Gebühren zu erheben . Faire Gebühren müssen zwischen den Vertragspartnern ermittelt werden . Sie können durchaus in unterschiedlichen Regionen eine unterschiedliche Ausprägung haben . Damit sie wirklich fair sind und nicht durch eine unangemessene Höhe eine Barriere bilden und einen Zugang verhindern, haben wir sowohl eine Streitbeilegungsstelle als auch eine Informationsstelle in der BNetzA geschaffen . Die BNetzA wird in dem Fall, dass man sich über ein faires Entgelt nicht einig wird, tätig werden . So kennen wir dies auch in anderen Bereichen . Die BNetzA erfüllt genau diese Funktion beim digitalen Ausbau . Sie haben das Kannibalisieren von Infrastruktur angesprochen . Wir achten sehr genau darauf, dass mit diesem Gesetz kein Überbau von bestehender Breitbandinfrastruktur entsteht . Das heißt, dort, wo versucht wird, einen vermeintlich günstigen Überbau über eine heute bestehende Infrastruktur zu organisieren, ist auch wieder die BNetzA gefragt . Sie kann dann diese Mitbenutzung der klassischen Infrastruktur für einen offensichtlichen Überbau einer digitalen Infrastruktur untersagen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank . - Weitere Fragen hierzu liegen mir nicht vor . ({0}) - Der Kollege Jarzombek hat also noch eine Frage zu diesem Bereich . Danach kommen wir zu den sonstigen Fragen an die Bundesregierung .

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, danke für die Gelegenheit, hier noch eine Frage zu stellen . - Wir reden derzeit sehr viel über das Thema Gigabitgesellschaft, den Ausbau von 5G-Netzen und die notwendige Infrastruktur . Ich möchte daher den Bundesminister gerne fragen: Inwieweit ist auch das Teil der Überlegung der Bundesregierung bei diesem Gesetzentwurf gewesen? Wie ist die Position der Bundesregierung dazu?

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Das Thema Gigabitgesellschaft findet sich natürlich in diesem Entwurf wieder, allein schon deswegen, weil in Neubaugebieten keine Kupferleitungen mehr verlegt werden dürfen, sondern nur noch Glasfaserkabel . Das ist der Weg hin zur Gigabitgesellschaft . Von daher werden Sie aufgrund der Herausforderungen bezüglich der Investitionen, die sich ergeben, feststellen, dass das jetzige Vorgehen, nämlich das permanente Nachrüsten an verschiedenen Stellen, in Zukunft nicht mehr in Neubaugebieten angewandt wird . Die 5G-Frage hängt entscheidend damit zusammen, das Echtzeitinternet auch in Deutschland zu etablieren . Diese Frage betrifft zurzeit eher die Forschung als die Installation, weil 5G als Anwendung noch nicht zur Verfügung steht . Wir unterstützen allerdings die Erforschung dieser Maßnahme und der entsprechenden Entwicklungen . Dies geschieht beispielsweise bei unserem digitalen Testfeld Autobahn . An der A9 haben wir mit Unternehmen in Teilbereichen eine Technologie installiert, die der 5G-Technologie nahekommt . Wir wollen, wenn es um 5G geht, Marktführer werden . Wir sind dort im Wettbewerb mit asiatischen Ländern . Wir legen aber Wert auf die Feststellung, dass sich die Entwicklung dieser Technologie in Deutschland zurzeit auf einem sehr hohen Stand befindet und sie weiter ausgebaut wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Jetzt rufe ich, wie angekündigt, sonstige Fragen an die Bundesregierung auf . Dazu haben folgende Kollegen bereits Fragen bei mir angemeldet: Herr Krischer, Herr Gastel, Frau Wilms und Frau Mihalic - in dieser Reihenfolge . Dann nehme ich den Kollegen Beck gerne dazu, Frau Haßelmann vielleicht auch . ({0}) Wir schauen, ob wir das in dem Zeitrahmen bewältigen können, der zur Verfügung steht . - Bitte schön, Herr Kollege Krischer .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister Dobrindt, ich habe eine Frage an Sie . Sie sind in dieser Woche wörtlich so zitiert worden: Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen . Ich finde eine solche Äußerung eines Bundesverkehrsministers sehr interessant . Ich persönlich hätte es nicht für möglich gehalten, das im 21 . Jahrhundert zu hören . ({0}) Aber es ist ja offensichtlich so gesagt worden . Da Sie davon sprechen, dass Sie sich darauf „vorbereiten“, habe ich folgende Frage an den Bundesverkehrsminister: Mit welchen konkreten Auswirkungen der von Ihnen geforderten Grenzschließungen auf den Warenverkehr und den Freihandel - wir sind ja ein exportorientierHerbert Behrens tes Land, das insbesondere im europäischen Binnenhandel extrem stark ist - rechnen Sie? Als Bewohner einer Grenzregion, der Städteregion Aachen, fragen mich jetzt viele der Zehntausenden Pendler, die dort über die Grenzen wechseln: Wie stellt sich Herr Minister Dobrindt das in Zukunft vor? Wie ist in einem zusammengewachsenen Europa eine Grenzschließung umzusetzen? Ich würde Sie bitten, mir hier über Ihre Vorbereitung dieser Grenzschließungen und darüber, wie Sie sich damit auseinandergesetzt haben, Auskunft zu geben .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Der erste Hinweis, Herr Krischer: Wir haben darüber heute im Bundeskabinett nicht gesprochen .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist ja auch eine sonstige Frage . ({0})

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Das Zweite ist: Ich freue mich ausdrücklich, dass Sie Interviews von mir lesen, weil Sie da etwas dazulernen können . ({0}) Dass dies jetzt hier zu einer Diskussion führt, ist vielleicht durchaus hilfreich, weil die von mir in diesem - ({1}) - Darf ich jetzt erklären, oder wollen Sie eine weitere Frage stellen? ({2}) - Sie wollen ja offensichtlich eine weitere Frage stellen . Ich gebe Ihnen den Hinweis, dass ich in diesem Interview, das Sie sich vielleicht einmal detaillierter anschauen sollten, nicht auf die Frage des Warenverkehrs Bezug nehme, sondern auf eine andere Situation, die wir zurzeit in Deutschland erleben . Somit ist eine Auswirkung auf den Warenverkehr nicht gegeben . ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Gastel, Bündnis 90/Die Grünen . Bitte .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, ich habe eine ganz andere Frage . Der bundeseigene Konzern Deutsche Bahn AG befindet sich in schwierigem Fahrwasser . Die Verschuldung steigt . Der Investitionsbedarf ist sehr hoch . Es muss in die Infrastruktur investiert werden . Die LuFV-Mittel, die Mittel nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, reichen nicht und hängen ja auch von der Dividende ab, die der Konzern momentan gar nicht erwirtschaften kann . Auch in den Fuhrpark muss investiert werden . Die DB überlegt, sich von zwei Konzerntöchtern, DB Arriva und DB Schenker Logistics, zumindest in Teilen zu trennen . Es gibt aber einen Beteiligungsvertrag aus dem Jahr 2008, der vorsieht, dass der Bund einen Großteil der entsprechenden Erlöse bekäme, wenn sich die DB AG dazu entscheiden sollte . Neben der Antwort auf die Frage, wie Sie den Zustand der DB allgemein bewerten, möchte ich von Ihnen wissen, ob die Bundesregierung plant, den Beteiligungsvertrag mit der DB AG durch einen neuen Beteiligungsvertrag abzulösen, damit der Erlös tatsächlich der DB und damit der Schiene zugutekäme .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Erstens, Herr Gastel, sei darauf hingewiesen, dass wir mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn eine Rekordsumme an Investitionen zur Verfügung gestellt haben, die es in früheren Zeiten so nie gegeben hat; jetzt ist es deutlich mehr . ({0}) Die Gesamtsumme von 28 Milliarden Euro ist nicht per se, so wie Sie es formulieren, zu wenig oder nicht ausreichend, um die Deckung des Bedarfs an Investitionen in das bestehende Schienennetz zu garantieren . Nach unserer Ansicht sind die enormen Investitionen in das bestehende Schienennetz durch die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung gesichert . Nichtsdestotrotz - das ist eine andere Situation, der Bereich der Schiene ist das eine; ich glaube, Sie wissen sehr genau, wie der integrierte Konzern funktioniert geht es bei der DB darum, dass wir den Bereich des Personenverkehrs und des Güterverkehrs zukunftsfähig ausrichten . Dazu können zusätzliche Investitionen erforderlich sein . Der Konzern überlegt, eigene Mittel durch Umstrukturierung zur Verfügung zu stellen . Das halte ich für richtig und positiv, und ich begleite dies auch positiv . Ob dafür rechtliche Änderungen nötig sind, wird man sehen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Schönen Dank . - Frau Dr . Wilms, Bündnis 90/Die Grünen . Bitte .

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Ich möchte eine Frage zu einem Thema stellen, Herr Bundesminister Dobrindt, das heute garantiert nicht Thema Ihrer Kabinettssitzung war . Es geht um das Arbeitsprogramm der Kommission 2016 . Darin sind durchaus interessante Äußerungen zu Mautsystemen enthalten. Zu diesem Arbeitsprogramm hat die Bundesregierung am 8 . Dezember 2015 Stellung genommen . In der Stellungnahme heißt es, dass die Bundesregierung die Kommission bei der Einführung diskriminierungsfreier Straßenbenutzungsgebühren unterstützt . Ich frage Sie, Herr Bundesminister Dobrindt: Wie bewerten Sie als Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur die Stellungnahme der Bundesregierung zum Arbeitsprogramm?

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Wir haben gegenüber der Kommission klar Stellung bezogen und gesagt, dass es in unserem Interesse ist, ein barrierefreies Lkw-Mautsystem zu haben, das heißt, ein System, das es ermöglicht, mit der gleichen technischen Einrichtung in ganz Europa Mautgebühren zu entrichten . Des Weiteren - ich weiß ja, auf was Sie anspielen - habe ich der Kommission mitgeteilt: Falls vonseiten der Kommission Vorschläge kommen sollten - bisher sind sie eher als Andeutungen zu verstehen -, ein Pkw-Mautsystem in Europa einzuführen, das die deutschen Autofahrer zusätzlich belastet, weil es so gedacht ist, dass jeder Kilometer Autobahn extra bezahlt werden soll von denen, die bereits durch Kfz-Steuer und Mineralölsteuer die Straßen hier finanzieren, dann kann die Kommission das knicken. Das findet keine Zustimmung der Bundesregierung.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen . Bitte .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Ich möchte zu einem ganz anderen Thema fragen, und zwar zu den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln . Die Bundesregierung hat eine ziemlich schnelle Bewertung insbesondere der polizeilichen Situation in Köln vorgenommen . Ich fand es schon erstaunlich, dass der Bundesinnenminister schon sehr bald jegliche Verantwortung seines Zuständigkeitsbereichs brüsk von sich gewiesen hat und die Verantwortung für die Eskalation der Lage einzig und allein bei der Kölner Polizei gesucht hat, und das, obwohl bereits ein Einsatzerfahrungsbericht der Bundespolizei vorgelegen hat, in welchem die personelle Überforderung der Bundespolizei sehr eindrucksvoll geschildert wurde . Deswegen möchte ich fragen, ob es zutrifft, dass der Bundesinnenminister bzw . die Hausleitung des BMI diesen Einsatzerfahrungsbericht der Bundespolizei bereits kannte, als der Bundesinnenminister die Arbeit der Kölner Polizei so scharf kritisiert hat mit den Worten - Zitat -: „So kann Polizei nicht arbeiten .“

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wer antwortet für die Bundesregierung? - Staatssekretär Krings, bitte .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Kollegin Mihalic, vielen Dank für diese Frage . Ich glaube, es macht Sinn, wenn ich sie für das Ressort beantworte . Sie haben ja bereits versucht, diese Frage als dringliche Frage zu stellen . Das Präsidium hat sie aber zurückgewiesen . Ich bin trotzdem gerne bereit, hierzu etwas zu sagen . Ich möchte mich aber beim Präsidium dafür entschuldigen, dass ich dadurch indirekt die Entscheidung des Präsidiums konterkariere . - Ihnen zuliebe mache ich das aber gerne . ({0}) Ich kann das aufklären: Es gab, nachdem die ersten Berichte in der Öffentlichkeit waren, von der zuständigen Fachabteilung, dem zuständigen Fachreferat unseres Hauses die Bitte an das Präsidium der Bundespolizei, zu berichten . Diese Berichtsbitte ist am 4 . Januar formuliert worden, am 5 . Januar noch einmal wiederholt worden, und am 5 . Januar, nachmittags, gab es einen Bericht des Präsidiums der Bundespolizei . Das ist vor dem von Ihnen angesprochenen Interview . Allerdings lag dem Fachreferat dieser von Ihnen auch angesprochene Erfahrungsbericht eines einzelnen Bundespolizisten, eines Einsatzführers eines Teils der Bundespolizei, die dort unterwegs war, nicht vor . Insofern hatte der Minister in der Tat den Bericht des Präsidiums der Bundespolizei . Daraus ergab sich unter anderem, wenn ich das richtig erinnere - ich habe ihn jetzt nicht vorliegen -, dass man mehr Kräfte als im Vorjahr eingesetzt hat, also durchaus noch einmal einen Aufwuchs bei den Kräften hatte . Dieser konkrete Bericht, dieser Erfahrungsbericht eines Oberkommissars, lag dem Fachreferat und folglich auch dem Minister zu dem Zeitpunkt dieses Interviews im Fernsehen nicht vor .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch einmal zur Aufklärung: Es darf alles gefragt werden, ob es als dringliche Frage anerkannt wurde oder nicht . Jeder darf alles fragen, und die Regierung gibt dann immer eine gute Antwort, wie wir das ja eben gehört haben . Als Nächster ist Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, mit einer Frage dran .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Krings, es wäre natürlich schön, wenn das Plenum auch eine Antwort auf die Frage erhalten würde, wann die Hausleitung davon Kenntnis erlangt hat . Aber ich habe eine Frage an Bundesverkehrsminister Dobrindt zu seinen Ausführungen bezüglich der GrenzBundesminister Alexander Dobrindt schließungen . Wenn die Grenzen geschlossen werden und alles kontrolliert wird, dann werden selbstverständlich die Waren, Güter und Dienstleistungen genauso wie die Personen kontrolliert, weil man einem Lastwagen nicht von vornherein ansieht, ob Personen darin sind . Auf jeden Fall sitzen im Führerhäuschen Personen als Fahrer . Insofern können Sie das gar nicht trennen . Deshalb frage ich Sie als Verkehrsminister, der auch für das Transportgewerbe zuständig ist, welche zusätzlichen Kosten auf das Transportgewerbe zukämen, wenn wir in Deutschland wieder Grenzkontrollen an unseren Außengrenzen einführen würden . Das muss man ja beziffern können; denn die Wartezeiten an der Grenze sind ja Arbeitszeiten, die die Transportunternehmen entsprechend bezahlen müssten, ohne dass sie in dieser Zeit eine Transportleistung erbringen können . Ich bitte Sie, uns als zuständiger Ressortminister die Äußerung des Abgeordneten Dobrindt im Interview hinsichtlich der Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft genauer zu erläutern .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich habe meinen Ausführungen zu dem Interview des Abgeordneten Dobrindt nichts weiter hinzuzufügen . ({0}) Ich kann nur noch einmal ergänzen, dass es in diesem Interview ganz offensichtlich nicht um die Frage des Warenverkehrs geht . ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns darauf achten, dass wir uns an die Regeln des Hauses halten . ({0}) Als Nächste ist Frau Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, mit einer Frage dran .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich stelle die Frage deshalb an das Kanzleramt . ({0}) - Vielen Dank . - Herr Präsident, ich hatte gesagt: Das Schlimme ist, dass Minister Dobrindt noch nicht einmal merkt, wie peinlich das ist .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Vielleicht gehen Sie an ein anderes Mikrofon . Anscheinend gibt es einen Wackelkontakt im Mikrofon; denn das kommt akustisch hier nicht an . ({0})

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für den Hinweis; denn ich habe es nicht bemerkt . - Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis Herr Dobrindt merkt, wie peinlich solche Einlassungen gegenüber dem Parlament sind . Ich stelle meine Frage jetzt an das Kanzleramt, weil ich nicht die Erwartung habe, dass der Kollege Dobrindt noch antwortet . Von daher, Herr Braun, würde ich von Ihnen gerne wissen, wie Sie innerhalb der Bundesregierung damit umgehen . Bundesminister Dobrindt - so lässt er sich im Interview dauernd anreden; das kann man im Münchner Merkur und auch in der FAS nachlesen - gibt ein Interview, in dem er die Flüchtlingspolitik massiv infrage und zur Disposition stellt . Gleichzeitig macht er Ankündigungen hinsichtlich Grenzschließungen . Meine Kollegen Krischer und Beck haben versucht, danach zu fragen, was das aus Sicht des Verkehrsministeriums für das Transportgewerbe bedeuten würde. Ich finde, dass das Parlament die Erwartung äußern kann, dass es darauf eine seriöse Antwort gibt, ({0}) die nicht gespickt ist mit Eitelkeiten von Einzelpersonen . Deshalb frage ich Sie zum einen nach der Richtlinienkompetenz und zum anderen danach, wann ich mit einer Antwort zum konkreten Thema „Auswirkungen auf das Transportgewerbe“ rechnen kann . Das Transportgewerbe kann das genau beziffern; sie haben sich öffentlich schon dazu eingelassen .

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Liebe Frau Haßelmann, die Tatsache, dass sich Bundesminister in ihren Eigenschaften und Rollen, die sie in einer Partei oder auch als Abgeordnete wahrnehmen, öffentlich äußern, ist kein neuer Vorgang, sondern das gab es schon immer . Das ist völlig normal . Darüber hinaus arbeitet die Bundesregierung gerade beim Thema Flüchtlinge vertrauensvoll zusammen . Alle Volker Beck ({0}) Beschlüsse dazu, die wir Ihnen als Bundestag vorgelegt haben, haben wir einmütig getroffen . ({1}) Unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit wird dadurch immer wieder deutlich . Die Bundesregierung wird hier von der Opposition häufig als nicht handlungsfähig dargestellt . ({2}) Ich glaube, die Tatsache, dass wir das erste Asylpaket sehr schnell beschlossen haben, die Tatsache, dass wir, was die Auswirkungen der Geschehnisse in Köln angeht, heute im Kabinett Beschlüsse gefasst haben, ({3}) und die Tatsache, dass sich abzeichnet, dass noch in dieser Woche das Datenaustauschgesetz in Kraft treten kann, zeigen, dass wir an der Stelle in der Bundesregierung sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten . ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster ist der Kollege Gehrcke, Fraktion Die Linke .

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich wollte gerne einen Sprung in einen anderen Bereich machen. Aber auch ich finde, es wäre angemessen, dass die Bundesregierung Fragen, die gestellt werden, auch beantwortet . Ich hoffe, dass meine Fragen beantwortet werden . Ich möchte wissen, ob die Bundesregierung auf ihrer Sitzung über die Bürgerkriegssituation in der Türkei gesprochen hat . Es ist ja bekannt, dass in der Türkei in den kurdischen Gebieten ein wirklicher Krieg herrscht, Menschen getötet werden, Straßen abgeriegelt werden und Ausgangssperren bestehen . Das alles hat natürlich auch Einfluss auf die Debatten über Syrien. Ich möchte gerne wissen, ob die Bundesregierung ihrem Bündnispartner klipp und klar gesagt hat, dass ein solches Vorgehen eine Kooperation unmöglich macht und dass das beendet werden muss .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das wäre eigentlich eine Frage für die vorherige Runde gewesen, aber wir lassen sie einmal zu . Wer möchte darauf antworten? - Frau Staatsministerin .

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Herr Kollege, der Punkt, den Sie ansprechen, ist auch Gegenstand von Fragen, die nachher gestellt werden . Aber ich nehme gerne dazu Stellung . - Sie wissen, dass die deutsch-türkischen Konsultationen stattgefunden haben . Die Bundesregierung hat die Lage in den kurdischen Gebieten immer wieder angesprochen . Wir wissen: Die türkische Regierung ist gehalten, die Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen zu schützen . Auf der anderen Seite dringen wir immer wieder darauf, dass der Friedensprozess, der unterbrochen worden ist, wieder aufgenommen wird; denn es geht darum, dass in diesem Land alle miteinander auskommen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön . - Letzte Frage: Herr Krischer, Bündnis 90/Die Grünen .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Dobrindt, ich muss noch einmal auf Ihr Zitat zurückkommen . Von einem Bundesverkehrsminister, der sagt: „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen“, erwarte ich, dass er dann auch konkret sagt, wie das geschehen soll . Ich bitte Sie, mir zu erläutern, wie Sie in einem Land wie Deutschland mit Blick auf den Warenverkehr - die Grenze wird ja üblicherweise mit Fahrzeugen überschritten Grenzen schließen wollen . Woran wollen Sie bei Lkws erkennen, ob da Güter oder Menschen drin sind? Woran wollen Sie das bei Pkws erkennen? Ich bitte um eine konkrete Erläuterung, wie Sie sich das vorstellen, nachdem Sie öffentlich eine solche Äußerung getan haben, die eine zentrale Säule unserer Wirtschaft infrage stellt . Ich kann Ihre Äußerung, der Güterverkehr sei davon nicht betroffen, ja auch so interpretieren, dass der Personenverkehr sehr wohl davon betroffen ist . Dann bitte ich Sie, mir zu erläutern, wie beispielsweise im Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande bzw . in der Region Aachen mit Zehntausenden Menschen, die jeden Tag über die Grenze pendeln, nach Ihren Vorstellungen in Zukunft Grenzschließungen - auf die Sie sich ja vorbereiten, wie Sie selber sagen - funktionieren sollen . Wenn Sie das hier nicht erläutern können, dann haben Sie - wenn nicht sowieso schon - Ihre Aufgabe als Bundesverkehrsminister vollkommen verfehlt . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister, bitte .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Krischer, ich bedaure ja fast, dass ich Ihre Erwartungen nicht erfüllen kann . ({0}) Aber es wird dabei bleiben, dass ich Sie darauf hinweise, dass in dem Interview, das Sie immer wieder erwähnen, zur Frage des Warenverkehrs keine Auskünfte gegeben wurden und es sich darauf auch nicht bezogen hat . Ich empfehle deswegen eindringlich, es noch einmal zu studieren . Vielleicht verstehen Sie dann auch den Sinn der Zeilen, die da stehen . ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich beende die Befragung der Bundesregierung . Es gibt parlamentarisch sicherlich noch Gelegenheit, diesen Fragen in anderem Zusammenhang weiter nachzugehen; aber für heute ist die Befragung der Bundesregierung damit beendet . ({0}) - Erstens . Bitte keine Kritik am Präsidenten! ({1}) Zweitens weise ich darauf hin, dass ich all die Fragen über die Zeit hinaus, die wir vereinbart haben, noch zugelassen habe . Das haben Sie vielleicht nicht so mitbekommen; aber diejenigen, die das verfolgt haben, werden es wissen . Das ist, glaube ich, schon ein fairer Umgang untereinander . Jedenfalls beende ich jetzt die Befragung der Bundesregierung . Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/7330 Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass die Aktuelle Stunde pünktlich um 15 .45 Uhr aufgerufen wird . Die Fragestunde wird sich dann entsprechend verkürzen . Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 18/7330 in der üblichen Reihenfolge auf . Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes . Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Professor Dr . Maria Böhmer bereit . Wir beginnen mit Frage 1 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke . Er ist nicht da . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen . Wir kommen direkt zur Frage 2 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke: Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der in einem Appell von 120 humanitären Organisationen vorwiegend aus dem UNO-Umfeld für ein Ende der syrischen Tragödie und zur Rettung der syrischen Zivilbevölkerung ({2}) aufgestellten Forderungen, der sich an all jene richtet, die die syrische Tragödie beenden könnten, sowohl mit den maßgeblichen Verantwortlichen der Opposition als auch mit der Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad über Waffenstillstände und die Gewährung bzw . Leistung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in den belagerten Städten Syriens zu verhandeln?

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Herr Präsident! Herr Kollege, ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung ist an der internationalen Unterstützergruppe für Syrien aktiv beteiligt . Deutschland nimmt in diesem Rahmen zusammen mit 16 anderen Staaten sowie der EU, der Arabischen Liga und den Vereinten Nationen direkt an den Verhandlungen über eine politische Lösung des Syrien-Konflikts teil. Am 18 . Dezember 2015 konnte auf Basis dieser Verhandlungen die Resolution 2254 des VN-Sicherheitsrates verabschiedet werden . Darin werden insbesondere die Verbesserung des Zugangs für humanitäre Hilfsorganisationen und die Versorgung der Zivilbevölkerung in belagerten Gebieten gefordert . Sowohl diese Forderung als auch der Aufruf zur Verhandlung von Waffenstillständen richten sich primär an die direkt am Kampfgeschehen beteiligten Kriegsparteien, vor allem auch an das Assad-Regime selbst .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Kollege Gehrcke, eine Zusatzfrage?

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Schönen Dank, Herr Präsident . - Ich hoffe sehr, Frau Staatsministerin, dass die Verhandlungen, die ja, was auch Sie wissen dürften, ins Stocken geraten sind, so fortgesetzt werden, dass die Konfliktparteien an einem Tisch sitzen und sich die syrischen Kräfte auf eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage einigen können . Meinen Sie nicht auch, es wäre zum Vorteil für diese Verhandlungen, wenn die EU und auch Deutschland die Sanktionen gegen den Staat Syrien aufheben würden, sodass die Bevölkerung besser versorgt werden könnte? Sie hungert und leidet in diesem Land unendlich .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Ministerin .

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Herr Kollege Gehrcke, ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass Deutschland Syrien und die Nachbarländer in großem Umfang unterstützt; seit 2012 mit 1,34 Milliarden Euro, davon 659 Millionen Euro an humanitärer Hilfe . Wir haben uns auch immer wieder mit aller Kraft dafür eingesetzt, dass überall in Syrien Zugang zu der humanitären Hilfe besteht . Sie wissen ganz genau, wo die Schwierigkeiten liegen . Das, was wir tun und was die EU https://medium.com/@UNICEF/an-appeal-to-end-the-suffering-in-syria-44d803e494b#.yd5eju59f https://medium.com/@UNICEF/an-appeal-to-end-the-suffering-in-syria-44d803e494b#.yd5eju59f https://medium.com/@UNICEF/an-appeal-to-end-the-suffering-in-syria-44d803e494b#.yd5eju59f tut, ist keine Frage dessen, was Sie aufgeworfen haben, sondern wir leisten nach besten Kräften aktive Unterstützung, um den Menschen zu helfen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte, Herr Abgeordneter .

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich würde Ihnen gern glauben, nur sprechen die Tatsachen teilweise gegen Sie . Ich weiß, dass Deutschland in vielen Fragen eine vernünftige Rolle gespielt hat . Ich bin ein absoluter Unterstützer der Ergebnisse der Wiener Verhandlungen; sie müssen erhalten bleiben . Humanitäre Hilfe muss aber unabhängig von der politischen Einstellung geleistet werden, und es ist nicht damit getan, nur in Gebieten Hilfe zu leisten, die von den sogenannten Aufständischen besetzt sind . Ich möchte humanitäre Hilfe in allen Bereichen der syrischen Gesellschaft, auch in den kurdischen Bereichen .

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Herr Kollege, ich glaube, ich habe das eben sehr deutlich gemacht: Es gibt von unserer Seite keinen Zweifel daran, dass wir uns dafür einsetzen, dass der Zugang zu humanitärer Hilfe überall möglich ist . Es war für uns erschreckend - ich nehme an, für Sie und jeden in diesem Hohen Hause genauso -, als uns die Nachrichten über die Belagerung von Madaja erreichten . Aber man muss auch sehen, dass in der Nachbarschaft - in Fua und Kafraja - humanitäre Hilfe blockiert wurde . Durch intensive Verhandlungen wurde das dann durchbrochen, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Öffnungen nicht von Dauer sind . Das ist erschreckend; denn die Bevölkerung leidet darunter . Deshalb sage ich: Das, was wir tun können, tun wir mit aller Kraft und Intensität .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt Kollegin Hänsel von der Fraktion Die Linke . Dann folgt Herr Ströbele .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - Frau Staatsministerin, ich möchte bei der Aussage nachhaken, dass Sie alles in Ihrem Ermessen Stehende täten . UNICEF-Direktorin Hanna Singer war Ende letzten Jahres im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und hat sich auch noch einmal ausdrücklich für ein Ende der Sanktionen ausgesprochen, da diese massiv zur Verschlechterung der Gesamtlage, der Versorgungslage der Bevölkerung beitragen . Sie können solche Stimmen der Vereinten Nationen doch nicht einfach ignorieren und sagen: Wir machen so weiter . Wenn wir eine Friedenslösung für Syrien wollen, müssen wir alles Mögliche tun, um auch in der Bevölkerung das Gefühl zu erzeugen, dass es eine Hoffnung, eine Zukunft gibt . Sie sprechen doch immer davon, die Fluchtursachen bekämpfen zu wollen . Perspektivlosigkeit in diesem Land, die durch die Sanktionen verstärkt wird, ist da völlig kontraproduktiv . Sie müssen die Richtung Ihrer Politik ändern, wenn Sie merken, dass Sie damit in eine ganz falsche Richtung laufen .

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich glaube, wenn es darum geht, Konflikte zu beseitigen, dann ist der Weg, der über die Wiener Verhandlungen beschritten worden ist, die jetzt in innersyrische Verhandlungen münden, der einzig tragfähige . Ihn begleiten und unterstützen wir mit aller Intensität . Wir wissen, es wird keine schnellen Lösungen geben . Deshalb wird es auch in Zukunft notwendig sein, humanitäre Hilfe zu leisten und den Aufbau von Strukturen in diesen Regionen voranzutreiben . Dafür wird Deutschland immer bereitstehen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Der Abgeordnete Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, gilt die Antwort, die Sie gerade gegeben haben, auch für die Gebiete im Norden von Syrien, an der Grenze zur Türkei, die unter der Kontrolle der Kurden stehen, und ist der Bundesregierung bekannt, dass unser NATO- und inzwischen auch wieder sonstiger Partner, die Türkei, die Einfuhr humanitärer Güter und vor allen Dingen auch von Aufbauhilfsgütern, die über die türkisch-syrische Grenze ins Land gebracht werden sollen - die Menschen dort leiden immer noch -, an der Grenze unterbindet, selbst wenn diese Hilfe aus Europa kommt? Was unternimmt die Bundesregierung, um diesem Missstand abzuhelfen?

Not found (Gast)

Herr Ströbele, ich glaube, die schwierige Situation in Syrien, die Tatsache, dass in den jeweiligen Gebieten die stärkste Kraft das Sagen hat, und die dortigen Abschottungen treiben uns alle um . Das ist auch die Motivation für uns, zu sagen: Wir wollen, dass die Menschen überall Zugang zur humanitären Hilfe haben .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf: Welche Ziele strebt die Bundesregierung bei den in der Woche vom 25 . bis 29 . Januar 2016 beginnenden weiteren Verhandlungen zur Beendigung des syrischen Konfliktes an, und mit welcher Konzeption agiert die Bundesregierung bei diesen Verhandlungen? Frau Staatsministerin .

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Herr Kollege Gehrcke, am 25 . Januar 2016 kündigte der VN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, bei einer Pressekonferenz in Genf an, dass die VN-geführten innersyrischen Gespräche am 29 . Januar 2016 beStaatsministerin Dr. Maria Böhmer ginnen sollen . - Ich sehe an Ihrem Kopfnicken, dass Sie das genauso wissen . - Diese sollen sechs Monate dauern und zunächst in Form von Proximity-Talks stattfinden. Die Bundesregierung wird an diesen innersyrischen Gesprächen nicht direkt beteiligt sein . Sie unterstützt jedoch die Delegation des Hohen Verhandlungskomitees der syrischen Opposition logistisch .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich vermute, Sie haben eine Zusatzfrage . - Bitte schön, Herr Kollege .

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, Ihre Vermutung trifft messerscharf zu . Herzlichen Dank . - Ich möchte gerne wissen: Wie agiert die Bundesregierung bei dem Versuch, möglichst viele relevante Verhandlungspartner an einen Tisch zu bekommen? Es ist bekannt, dass sich die Türkei und Saudi-Arabien bislang weigern, die kurdischen Vertretungen aus Rojava, Kobane, zuzulassen, und dass sie angekündigt haben, dass sie, wenn diese ebenfalls am Verhandlungstisch sitzen, nicht an den Verhandlungen teilnehmen werden, was ich für einen schweren Fehler halte . Umgekehrt besteht die russische Vertretung darauf, dass auch die kurdische Vertretung aus Syrien teilnehmen kann, weil sie der Meinung ist, dass ohne sie ein Friedensschluss nicht vollständig ist . Welche Position bezieht die Bundesregierung in dieser Frage?

Not found (Gast)

Ich nehme an, dass auch Sie die Äußerung von Bundesaußenminister Steinmeier in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gelesen haben oder zumindest kennen . Sie ist ja auch weiter durch die Presse gegangen . Ihr ist unter anderem zu entnehmen - das darf ich hier noch einmal sagen -, dass es der syrischen Opposition selbst überlassen bleiben sollte, durch wen sie in den Verhandlungen mit dem Assad-Regime vertreten sein möchte . Wir haben immer gesagt, dass auch andere Parteien und Gruppen - in diesem Fall die kurdische Partei PYD in geeigneter Form ebenfalls an den Gesprächen beteiligt werden sollten, und ich füge hinzu: Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Frauenrechtsvereinigungen sollte man mit hinzuziehen . Ich glaube aber, in dieser schwierigen Situation sollte die Entscheidung darüber von demjenigen getroffen werden, der sie treffen muss, nämlich vom Beauftragten der Vereinten Nationen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie noch eine Zusatzfrage? - Bitte .

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke sehr. - Ich lese ja nicht nur die Äußerungen des Außenministers, sondern auch die des UNO-Sonderbeauftragten de Mistura, der ausdrücklich Wert darauf legt, dass alle Konfliktparteien von Relevanz an dem Verhandlungstisch versammelt sind . Es geht hier ja nicht um eine Versammlung meiner Freunde oder Ähnliches. Ich möchte gerne mehr darüber wissen, ob Deutschland bezüglich der Konfliktparteien auf die Verhandler einwirkt . Ansonsten macht es ja gar keinen Sinn, dass hier immer gesagt wird, wir hätten das Ganze mit befördert . Zu diesen Konfliktparteien, die verhandeln müssen, gehört auch die nicht gewaltsame Opposition in Syrien . Das haben Sie auch angesprochen, und das kann ich sehr begrüßen . Die Kurdinnen und Kurden gehören aber auch dazu . Man kann doch nicht zuschauen, wie in der Türkei die Kurdinnen und Kurden abgeschlachtet werden, und gleichzeitig freundlich an einem Tisch miteinander reden . Man muss also darauf einwirken . Ich möchte gerne wissen, ob die Bundesregierung diese Einwirkung leistet und wie sie das macht .

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, es ist schade, dass Sie genau diese Passage in meiner Antwort überhört haben . Aber sie steht Ihnen über das Protokoll zur Verfügung .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Hänsel, ebenfalls Fraktion Die Linke .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - Wir haben vom Außenminister gehört, dass die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ein Delegationsbüro für die Opposition aufbauen soll . Da interessiert mich: Wo soll dieses Büro eingerichtet werden? Sind auch Vertreterinnen und Vertreter der PYD dabei? Haben sie die Möglichkeit, diese Anlaufstelle, die über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit mit deutschen Steuergeldern finanziert wird, zu nutzen?

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Diese Anlaufstelle soll der Delegation der syrischen Opposition zur Verfügung stehen . Es ist dann die Entscheidung dieser Gruppierung, wer als Mitglied dieser Delegation anzusehen ist . Ich glaube, die Entscheidung, die wir getroffen haben, war wichtig . Die Unterstützung geschieht nicht nur durch Deutschland, auch andere Staaten beteiligen sich finanziell . Es geht darum, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe möglich sein sollen . Ich schätze, wir sind uns einig, dass das ein wichtiger Schritt ist . ({0}) - Genf .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten HansChristian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen: Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Unabhängigkeit der Parlamentsabgeordneten und Regierungsmitglieder beider Seiten in Libyen von ausländischen Einflüssen, die das vom UN-Sonderbeauftragten Martin Kobler ausgehandelte Waffenstillstands- und Friedensabkommen unterzeichnet haben und mittragen, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Vorwürfe gegen diese Personen und zur Akzeptanz der Vereinbarung zur Bildung einer Einheitsregierung in der Bevölkerung Libyens? Frau Staatsministerin .

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Herr Kollege Ströbele, das politische Abkommen wurde 2015 unter Vermittlung des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Léon, im libyschen Dialog genannten Format erarbeitet und unter dem neuen VN-Gesandten Martin Kobler finalisiert. Es wurde am 17 . Dezember 2015 von Mitgliedern des libyschen Dialogs in Skhirat/Marokko unterzeichnet . Für die Verhandlungsführung und, damit verbunden, die Einladung der Teilnehmer stützt sich der VN-Gesandte auf ein Mandat des VN-Sicherheitsrates . Mitglieder der verschiedenen Delegationen haben während der von den VN geleiteten Verhandlungen regelmäßig Kontakt zu den Vertretern vieler Staaten unterhalten . In dem von Konflikten geprägten Umfeld in Libyen gibt es eine Vielzahl von gegenseitigen Vorwürfen . Nach Einschätzung der VN, die von der Bundesregierung geteilt wird, wünscht die libysche Bevölkerung ein Ende der Gewalt und die Wiederherstellung eines sicheren und stabilen Lebensumfeldes . Vor diesem Hintergrund sind die Reaktionen der Bevölkerung zum libyschen Abkommen nach Kenntnis der Bundesregierung ganz überwiegend positiv .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ströbele?

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, danke . - Frau Staatsministerin, ich habe nicht nach der Geschichte dieses Abkommens gefragt . Diese kann ich nachlesen, darüber bin ich auch informiert . Ich möchte von Ihnen konkret wissen, warum die Annahme im Augenblick gescheitert ist . Sie erzählen hier nur schöne Dinge . Warum ist die Annahme dieses Abkommens im Parlament, und zwar in dem vom Westen unterstützten Parlament, gescheitert? Kann es sein, dass es gegen die Verhandler, also die Abgeordneten und die Regierungsmitglieder von beiden Seiten - dem vom Westen anerkannten und dem vom Westen nicht anerkannten Parlament -, Vorwürfe gibt, zum Beispiel den, dass sie aus dem Ausland finanzielle Zuwendungen erhalten und Ähnliches, welche sie so diskreditieren, dass man dieses Abkommen nicht akzeptiert?

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Herr Kollege Ströbele, ich kann gut nachvollziehen, was Sie umtreibt. Ähnliche Fragen stellt sich, glaube ich, jeder . Sie wissen genauso wie ich und auch jeder andere hier, wie schwierig das Zusammentreffen der Konfliktparteien in Libyen ist. Dass es eine Vielzahl von Vorwürfen gibt, habe ich eben in meiner Antwort gesagt . Sie war nicht nur eine Darstellung der Entwicklung und der einzelnen Schritte, vielmehr habe ich ganz bewusst gesagt: Es gibt eine Vielzahl von gegenseitigen Vorwürfen . Sie wissen aber auch - das macht die Sache noch schwieriger -, dass es Personen gibt - wir sprechen hier von sogenannten Hardlinern -, die dieses Aufeinanderzugehen und die Umsetzung des Abkommens zu verhindern trachten . Ich habe mich deshalb noch einmal danach erkundigt, wie die Entscheidung im Parlament ausgefallen ist: In der ersten Sitzung haben von 104 Anwesenden 97 für das VN-vermittelte Abkommen gestimmt, allerdings mit einem Vorbehalt gegen Artikel 8 . 89 Abgeordnete haben die vom Präsidialrat vorgelegte Kabinettsliste abgelehnt und die Vorlage einer neuen, kürzeren Liste binnen zehn Tagen gefordert . Das ist der Stand . Es war also keine völlige Ablehnung, aber es zeigt, wie schwierig der Prozess ist, und wir wissen, dass von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde immer wieder um ein Aufeinanderzugehen einer nationalen Regierung der Einheit gerungen wird .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, ich stelle solche Fragen nicht aus dem Blauen heraus, sondern weil es Informationen gibt . Kann es sein, dass Sie - die Bundesregierung und der Vermittler, vielleicht auch die UN - mindestens zum Teil die falschen Verhandlungspartner haben, dass es sich dabei um diskreditierte Personen handelt? Deshalb ist meine ganz konkrete Frage: In welchem Maße sind beispielsweise Stammesführer, die in Libyen eine ganz besondere Rolle spielen, in solche Verhandlungen einbezogen? Denn wenn die Vereinbarung akzeptiert werden soll - und ich stimme Ihnen zu: die Bevölkerung will Frieden und ein Ende des Waffenganges -, dann muss man ein Angebot machen, das von vertrauenswürdigen Leuten, die nicht solchen Vorwürfen ausgesetzt sind, ausgehandelt wird . Sonst ist das von Anfang an bemakelt und wird nicht angenommen . Deshalb ist meine klare Frage: Was ist zum Beispiel mit den Stammesführern, und ist die Bundesregierung Vorwürfen nachgegangen, dass es Leute gibt, zum Beispiel einzelne Abgeordnete, die finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland beziehen? Vizepräsident Peter Hintze

Not found (Gast)

Im Detail kann ich Ihnen das jetzt nicht beantworten . Aber ich will darauf hinweisen - das wissen Sie auch, Herr Ströbele -, dass es für den VN-Sondergesandten Martin Kobler keine einfache Situation ist und dass er sich, wie wir alle auch, Tag für Tag genau diese Frage stellt . Er trifft sich mit einer Vielzahl von Vertretern bis hin zu den sogenannten Hardlinern, um Bewegung in die Sache zu bringen und um sie voranzubringen . Davon, dass Vorwürfe in den Raum gestellt werden, die sich zum Teil erhärten, muss man in dieser Situation ausgehen . Aber ich habe ein deutliches Vertrauen in Herrn Kobler, dass er sich mit seiner Erfahrung dieser Situation sehr dezidiert stellt .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage von Frau Abgeordnete Dağdelen, Fraktion Die Linke .

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Staatsministerin Böhmer, ich möchte gerne an die Fragen von Herrn Ströbele zum Thema Libyen Folgendes anschließen: Wir als Abgeordnete waren letztens etwas verwundert, dass Verteidigungsministerin von der Leyen aufgrund der vereinbarten engeren Kooperation zwischen den Terrormilizen Boko Haram und „Islamischer Staat“ auf einmal gesagt hat, um dieses Zusammentreffen der Terrormilizen zu verhindern, bräuchte man eventuell einen Bundeswehreinsatz in Libyen . Insofern würde ich gerne von Ihnen wissen: Wann, wie und in welchem Umfang wurde in der Regierung über einen möglichen Bundeswehreinsatz in Libyen diskutiert und eventuell sogar eine Vorentscheidung getroffen, auch vor dem Hintergrund, dass Herr Staatsminister Roth in der letzten Sitzungswoche auf meine Frage zu dieser Kooperation zwischen Boko Haram und „Islamischer Staat“ und den möglichen Folgen noch erklärt hat, dass es aufgrund der großen geografischen Entfernung zwischen den Operationsgebieten von Boko Haram und „Islamischer Staat“ beispielsweise bei dem Mali-Einsatz nur um die Stabilisierung Malis ginge und dass die Kooperation keine Auswirkungen haben wird?

Not found (Gast)

Frau Dağdelen, es ist bekannt, dass der IS verstärkt dort präsent ist . Das strahlt aus . Wir setzen jetzt auf den politischen Prozess . Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen . Nachher wird noch eine Frage an das Bundesverteidigungsministerium aufgerufen, die in eine ähnliche Richtung geht . Dann wird sicherlich der Kollege noch dazu Stellung nehmen . Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine Äußerung von Frau von der Leyen, die gesagt hat, Deutschland müsse einen Beitrag dazu leisten, das Land zu stabilisieren . Damit übereinstimmend hat sich auch der Bundesaußenminister geäußert . Wir haben zugesagt, dass Deutschland bereit ist, eine neue libysche Regierung beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen zu unterstützen . Ich glaube, angesichts dessen, dass wir mit einem totalen Zusammenbruch der Strukturen in Libyen konfrontiert sind, müssen wir, wenn einmal eine Regierung stehen wird, Unterstützung geben . Ich vermute, dass Sie dem auch zustimmen würden . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Abgeordnete Hänsel, Fraktion Die Linke .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Frau Staatsministerin, Sie haben jetzt versucht, die Frage bei Ihrer Antwort zu umschiffen, indem Sie hier von „Beitrag“ und anderem sprachen . Es ging aber dezidiert um die Entsendung von Bundeswehrsoldaten. Das war auch die Äußerung von Frau von der Leyen . Deshalb noch einmal die Nachfrage: Wurde im Kabinett ein möglicher militärischer Einsatz in Libyen diskutiert im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Boko Haram und IS? - Es geht mir um diesen Zusammenhang, nicht um die dritte Stufe von EUNAVFOR MED . Wurde ansatzweise über die Entsendung von Bundeswehrsoldaten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Boko Haram und IS diskutiert? Ich rede nicht von irgendwie gearteter Aufbauhilfe .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich bin im Kabinett nicht teilnehmend, aber ich gehe einmal davon aus, dass das nicht der Fall war .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frage 5 der Abgeordneten Heike Hänsel, Fraktion Die Linke: Wie bewertet die Bundesregierung die für Lateinamerika höchste Anzahl von 54 ermordeten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Kolumbien im Jahr 2015 laut Bericht von Front Line Defenders, angesichts der Tatsache, dass die meisten Morde im Zusammenhang mit der Verteidigung der Landrechte der indigenen Völker und der Afrokolumbianer stehen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus in der politischen Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung ({0})?

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Die hohe Zahl ermordeter Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in Kolumbien ist besorgniserregend . Sie zeigt eines der Hauptprobleme des bewaffneten Binnenkonflikts auf, die Defizite staatlicher Präsenz in der Fläche, insbesondere in den vom Konflikt am stärkshttp://www.contagioradio.com/54-defensores-de-derechos-humanos-fueron-asesinados-en-colombia-durante-2015-articulo-19057/ http://www.contagioradio.com/54-defensores-de-derechos-humanos-fueron-asesinados-en-colombia-durante-2015-articulo-19057/ http://www.contagioradio.com/54-defensores-de-derechos-humanos-fueron-asesinados-en-colombia-durante-2015-articulo-19057/ ten betroffenen ländlichen Gebieten . Indigene Völker und Afrokolumbianer gehören zu den am stärksten betroffenen Gruppen . Die kolumbianische Regierung hat ihre Bemühungen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern seit dem Amtsantritt von Präsident Santos 2010 auf legislativer Ebene und durch institutionelle Verankerung des Themas Menschenrechte in ihrer Administration erheblich intensiviert . Gleichwohl bestehen weiterhin Defizite in der Umsetzung des effektiven Schutzes von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern und anderen Menschenrechtsaktivisten . Die Bundesregierung berät Kolumbien intensiv beim Aufbau bzw . der Stärkung staatlicher Strukturen vor allem im ländlichen Raum . Sie unterstützt Menschenrechtsorganisationen und leistet Hilfe bei der Umsetzung des Gesetzes über Landrückgabe und über Opferentschädigung . Die Menschenrechtslage ist fester Bestandteil des politischen Dialogs mit der kolumbianischen Regierung sowohl auf bilateraler als auch auf internationaler Ebene, insbesondere auf EU-Ebene . Die strukturierte Erörterung von Menschenrechtsfragen in den bestehenden Gremien und Formaten hat sich bewährt und soll künftig fortgesetzt werden . Herr Präsident, ich danke Ihnen, dass ich etwas mehr Zeit hatte .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Alles gut . - Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hänsel? Bitte .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - Nun besteht zwischen der Bundesregierung und der kolumbianischen Regierung eine umfassende Entwicklungszusammenarbeit, gerade im Bereich der Begleitung des Friedensprozesses . Die Grundvoraussetzungen, dass ein Friedensprozess gelingt, sind ja Sicherheitsgarantien für die Menschen in den Regionen und natürlich auch in erster Linie für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger . Hier wird die Situation ja nicht besser, sondern schlechter . Zum Beispiel wurden vonseiten der Regierung die Mittel und der Personalumfang für den Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern gekürzt . Das heißt, es wird weniger Schutz angeboten . Das betrifft sowohl die Menschen in den ländlichen Regionen als auch die Menschen in Bogota, zum Beispiel die Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger von der Organisation Justicia y Paz, Gerechtigkeit und Frieden . Alle, die sich dort engagieren, erhalten systematische Todesdrohungen und können teilweise ihre Arbeit nur unter Einsatz ihres Lebens durchführen . Ich frage Sie: Gibt es eine Reaktion vonseiten der Bundesregierung auf die kolumbianische Entscheidung, die Mittel für die angesprochene Schutzeinheit zu kürzen?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

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Ich möchte das sehr grundsätzlich beantworten, Frau Hänsel, weil ich keinen Zweifel daran lassen will, dass uns - genauso wie Sie - die in Kolumbien vorhandenen Gefährdungen der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger umtreiben . Wir sind uns sicherlich einig, dass vieles nicht schnell genug geschieht, was die Sicherheit gerade in den ländlichen Räumen betrifft . Aber als ich mich auf die Beantwortung Ihrer Frage vorbereitet habe, ist mir ins Blickfeld gerückt, dass sich Kolumbien sehr problembewusst zeigt und - anders als andere lateinamerikanische Staaten - bewusst auf solche Defizite eingeht . Wir stehen sicherlich vor einer sehr schwierigen Situation . Aber wir werden von deutscher Seite alles tun, was getan werden kann . Ich bin sehr froh, dass wir mit Tom Koenigs einen sehr erfahrenen Beauftragten zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien haben .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Das alles mag so richtig sein, Frau Staatsministerin Böhmer . Trotzdem steht auch die Bundesregierung hier in der Verantwortung und muss darauf achten, dass sich die Menschenrechtssituation in Kolumbien real verbessert . Ich frage Sie: Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll der Friedensprozess real vonstattengehen? Wird es zum Beispiel eine Verschränkung mit einem Menschenrechtsmechanismus geben? Setzen Sie sich für eine Beobachtermission ein, die ganz genau darauf achtet, dass es eine enge Kooperation mit denjenigen, die sich für den Schutz von Menschenrechtsaktivisten einsetzen, und damit Sicherheitsgarantien für die Menschen gibt? Zur Motivation bei der Landrückgabe - das wird die Schlüsselfrage des Friedensprozesses in Kolumbien sein - kann ich nur feststellen: Es gibt zwar viele Gesetze, aber nur wenige werden real umgesetzt . Von 6 Millionen Hektar illegal angeeignetem Land sind bisher nur wenige Tausend Hektar real zurückgegeben worden . Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit . Deshalb frage ich noch einmal nach: Wie positionieren Sie sich gegenüber der kolumbianischen Regierung, und was tun Sie, damit die Gesetze real umgesetzt werden?

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Frau Hänsel, wir sind auf vielen Ebenen tätig . Wie Sie wissen, setzen wir uns dafür ein, dass die Menschenrechtsfrage in den dafür eingerichteten Dialogformaten angesprochen wird . Auch wir sehen eine sehr enge Verbindung zwischen dem Friedensprozess und den Menschenrechten; das gehört einfach zusammen . In dieser Einschätzung liegen wir überhaupt nicht auseinander . Aber ich fand es beachtlich - das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Regionen in Lateinamerika, wo die Menschenrechtsfrage ebenfalls eine große Rolle spielt -, dass es zu einer Verabschiedung der Resolution 2261 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gekommen ist, die - damit sind Sie sicherlich bestens vertraut - der Einrichtung einer Monitoringmission in Kolumbien dient . Der kolumbianische Staatspräsident und die FARC haben sich darauf verständigt . Nun geht es in der Tat darum, das umzusetzen . Die Länder in der Region stehen bereit, hier entsprechende Unterstützung zu geben . Ich sage in aller Deutlichkeit: Sollte seitens der Vereinten Nationen und der Konfliktparteien zusätzlich der Wunsch vorhanden sein, dass sich auch die deutsche Seite hier einbringt, dann werden wir das sicherlich wohlwollend prüfen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zu Frage 6 der Abgeordneten Heike Hänsel, Fraktion Die Linke: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der anhaltenden Repression der türkischen Regierung gegen Andersdenkende, so zum Beispiel gegen 1 128 Wissenschaftler, die einen Friedensappell gegen die militärische Gewalt in den Kurdengebieten unterzeichnet haben und nun mit Festnahmen und Disziplinarverfahren konfrontiert sind ({0}), und in welcher Weise setzt sich die Bundesregierung für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen türkischer Regierung und kurdischer Arbeiterpartei ({1}) ein? Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, die Bundesregierung verfolgt die innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei sehr aufmerksam . Beide Themen, sowohl die Verhaftung von Wissenschaftlern und das Vorgehen gegen Andersdenkende als auch der bewaffnete Konflikt mit der PKK, wurden bei den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen am 22 . Januar 2016, also vor wenigen Tagen, angesprochen . Auch bei früheren Gelegenheiten hat die Bundesregierung diese Themen angesprochen und an die türkische Regierung appelliert, eine weitere Eskalation zu vermeiden, verhältnismäßig zu agieren und den Friedensprozess wieder aufzunehmen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Das ist doch sehr allgemein angesichts dieser dramatischen Situation . Man muss sich das einmal vorstellen: Über 1 000 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wenden sich mit einem Friedensappell an die Regierung, um zu einem Ende dieser wirklich brutalen Auseinandersetzung im Südosten der Türkei zu kommen, zu einem Ende dieses Kriegs gegen die Kurdinnen und Kurden, und dann werden sie des Terrorismus verdächtigt . Erdogan hetzt diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Polizei auf den Hals; zahlreiche sind verhaftet worden, viele sind entlassen bzw . von ihren Posten an den Universitäten suspendiert worden . Ich frage Sie: Teilen Sie die Position des Präsidenten Erdogan, dass solche Initiativen, die sich für den Frieden in der Türkei aussprechen, terroristische Aktivitäten unterstützen?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich glaube, ich habe eben deutlich gemacht und auch bei der vorhergehenden Frage schon angesprochen, dass wir immer wieder für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit eintreten . Damit ist die Position der Bundesregierung sehr klar an dieser Stelle . Das werden wir auch gegenüber der türkischen Seite immer wieder zur Sprache bringen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wie erklären Sie sich eigentlich, dass es nach diesen Ereignissen, nach der anhaltenden brutalen Umzingelung von kurdischen Städten, nach der Bombardierung von kurdischen Städten und der Ermordung von Zivilisten die Entscheidung des Entwicklungsministeriums gibt, 50 Millionen Euro mehr Entwicklungshilfe in die Türkei zu schicken, wohingegen wir bei vielen anderen Ländern der Erde erleben, zum Beispiel im Fall von Nicaragua, anderen Staaten Lateinamerikas, aber auch etlichen anderen Ländern, dass man sich anders entscheidet, weil man sagt, die Menschenrechtssituation sei dort schlechter, und deswegen die Entwicklungszusammenarbeit einstellt? Wie kann es sein, dass es nach diesem brutalen Vorgehen der Armee und dem Vorgehen gegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Entscheidung gibt, mehr Entwicklungshilfegelder an die Türkei zu geben? Wie kommen Sie eigentlich dazu?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, es geht um die Unterstützung von Menschen, die auf der Flucht sind und die in der Türkei Zuflucht gefunden haben. Wer mit der Situation der Menschen dort vertraut ist, der weiß, dass sich der kleinere Teil in Flüchtlingslagern aufhält und dort gut versorgt ist . Ich habe mir das selbst angeschaut . Aber ein größerer Teil ist eben nicht in den Flüchtlingslagern . Hier stellt sich die Frage des Schulbesuchs und der medizinischen Versorgung in vielfältiger Art und Weise . Wollen Sie diese Menschen alleinlassen?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die nächste Frage dazu hat Kollegin Dağdelen, Fraktion Die Linke .

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin, ich habe eine Frage bezüglich des Rechtsstaatsverständnisses der Bundesregierung . Halten Sie es für verhältnismäßig, dass die türkische Regierung im Südosten des Landes gegen die Kurden in den Städten Panzer auffahren lässt, Städte mit Panzern beschießt, über Menschen Kollektivstrafen verhängt, http://www.spiegel.de/politik/ausland/polizei-nimmt-intellektuelle-wegen-terrorpropaganda-fest-a-1072195.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/polizei-nimmt-intellektuelle-wegen-terrorpropaganda-fest-a-1072195.html http://www.spiegel.de/politik/ausland/polizei-nimmt-intellektuelle-wegen-terrorpropaganda-fest-a-1072195.html indem sie in mehreren Städten Ausgangssperren verhängt - das dauert schon fast zwei Monate in manchen Gebieten -, dass Menschen in ihren Häusern ausharren müssen, auch verwundete Zivilisten, und zwar tagelang, die dann ihren Verletzungen erliegen, weil sie beispielsweise keinen Krankenwagen rufen können oder weil sie wegen der Ausgangssperren nicht zum Krankenhaus gefahren werden können, außer sie nehmen es in Kauf, von Scharfschützen erschossen zu werden? Halten Sie es für verhältnismäßig, dass die Massaker der türkischen Sicherheitskräfte laut Angaben des Auswärtigen Amts schon über 200 tote Zivilisten zur Folge haben? Staatssekretär Ederer hat im Auswärtigen Ausschuss gesagt, dass in diesen Auseinandersetzungen über 200 Zivilisten durch die Operationen der türkischen Sicherheitskräfte gestorben sind . Halten Sie es zum Zwecke der Flüchtlingsabwehr für zielführend, dass es jetzt schon 200 000 Kurden sind, die aufgrund dieser militärischen Operationen auf der Flucht sind? Ist die Kumpanei mit der Regierung von Erdogan und Davutoglu zielführend, und ist es richtig, zu diesen Verbrechen wegen der Flüchtlingsabwehr zu schweigen, wobei die türkische Regierung aber letztendlich Flüchtlinge produziert? Ist das verhältnismäßig und zielführend Ihrer Meinung nach?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Dağdelen, ich möchte zunächst den Begriff der Kumpanei zurückweisen . Wir haben mit der Türkei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die über die Jahre gewachsen ist . Aber ich möchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dass es sich bei der PKK um eine gelistete Terrororganisation handelt . Wenn irgendwo Terror stattfindet, dann muss man dagegen angehen. Wir als Bundesregierung haben immer wieder gesagt - daraus machen wir keinen Hehl, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart oder in der Zukunft -, dass die Auseinandersetzung verhältnismäßig sein muss und dass der Friedensprozess so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden soll . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Zdebel, ebenfalls Fraktion Die Linke .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatsministerin Böhmer, ich habe eine Frage zur Pressefreiheit in der Türkei . Sie wissen ja, dass der Chefredakteur von Cumhuriyet Can Dündar schon seit mehr als zwei Monaten deswegen in Haft ist, weil er seine Arbeit verrichtet hat und über die Zustände in der Türkei und über bestimmte Verwicklungen dort berichtet hat . Er ist sicherlich kein Einzelfall; auch mehrere andere Journalisten sitzen schon seit längerer Zeit in Haft . Was hat die deutsche Regierung bezüglich der Inhaftierungen von Journalistinnen und Journalisten in der Türkei konkret unternommen? Wie bewerten Sie dieses Vorgehen der türkischen Regierung?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Gerne . - Wir haben diesen Punkt stets angesprochen . Wir finden es besorgniserregend; denn Presse- und Meinungsfreiheit sind, wie Sie wissen, ein hohes Gut, und es muss gewahrt werden . Das ist bei jeder Begegnung mit türkischen Vertretern Gegenstand der Erörterung, auch zuletzt bei den Regierungskonsultationen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Frage 7 des Abgeordneten Nouripour wird schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 8 der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke, auf: Inwieweit bedeutet die Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke ({0}), wonach „innerhalb der Operation Inherent Resolve durch die Gruppe von Staaten, die an Luftoperationen teilnehmen ({1}), ein gemeinsamer Informationsraum betrieben“ wird, sodass alles, „was Aufklärungswert hat . . . an alle Partner weitergegeben“ wird, das heißt, alles, „was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist“, und es „gibt keinen Grund dafür, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen darf“ ({2}), dass die Bundesregierung nicht definitiv ausschließen kann, dass Staaten wie die Türkei und Saudi-Arabien die Erkenntnisse aus dieser Datenbank gegen ihnen nicht genehme Gruppen, wie die der kurdischen Volksschutzeinheiten ({3}) und die kurdische Arbeiterpartei ({4}), nutzen ({5}), und kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Erkenntnisse aus dieser Datenbank an von ihnen unterstützte Terrormilizen, wie der Ahrar al-Scham, in Syrien zur Bekämpfung syrischer Regierungstruppen und kurdischer Volksschutzeinheiten weitergegeben werden? Frau Staatsministerin, bitte .

Not found (Gast)

Gerne. - Frau Dağdelen, die Mitglieder der Allianz teilen das Ziel, die IS-Terrorherrschaft in Syrien und im Irak zu beenden . Zur Gewährleistung der Mandatskonformität des Einsatzes deutscher Tornados ist ein deutscher Stabsoffizier, ein sogenannter Red Card Holder, im Hauptquartier in al-Udeid, Katar, eingesetzt . Dieser hat ein Vetorecht bei der Beauftragung deutscher Tornados, um so den mandatskonformen Einsatz, das heißt die Aufklärung von IS-Zielen zu deren Bekämpfung und zum Schutz von ziviler Infrastruktur, sicherzustellen . Alle Aufklärungsergebnisse bedürfen zudem einer nationalen Auswertung und einer anschließenden Freigabe . So wird gewährleistet, dass die Weitergabe von Erkenntnissen ausschließlich der Bekämpfung des IS sowie dem Schutz von Zivilpersonen und -einrichtungen dient . Die Bundesregierung geht davon aus, dass die zu diesem http://www.sz-online.de/nachrichten/tornados-fliegen-ueber-syrien-3292761.html http://www.sz-online.de/nachrichten/tornados-fliegen-ueber-syrien-3292761.html http://www.sz-online.de/nachrichten/tornados-fliegen-ueber-syrien-3292761.html http://www.sz-online.de/nachrichten/tornados-fliegen-ueber-syrien-3292761.html Zweck gesammelten Aufklärungsergebnisse ausschließlich dafür verwendet werden .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage? - Bitte schön .

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident . - Frau Staatsministerin, laut Berichten hat der IS bei seinem Angriff auf die syrische Stadt Deir al-Sor letzte Woche erstaunlich genaue Informationen über die Stellungen der syrischen Regierungsarmee gehabt . Der IS soll Frauen, Kinder und auch Soldaten verschleppt haben . Sie haben gerade gesagt: Wir, die Bundesregierung, gehen davon aus, dass die zu diesem Zweck gesammelten Aufklärungsergebnisse nur für die genannten Ziele und nicht für etwas anderes benutzt werden . - Ich möchte gerne wissen, wie Sie das verifizieren. Habe ich es richtig verstanden, dass Sie als Bundesregierung nicht ausschließen können, dass diese Daten auch anders verwendet werden können, zumal der Sprecher der Bundeswehr sagt, dass es natürlich keinen Grund dafür gebe, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen dürfe? Das, was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist . Das heißt, laut dem Sprecher der Bundeswehr werden alle Daten, die die Tornados aufnehmen, auch an den NATO-Partner Türkei weitergegeben .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

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Frau Kollegin Dağdelen, ich hatte es schon erläutert, und Sie haben auch eine Kleine Anfrage dazu gestellt; die Antwort ist Ihnen am 14 . Januar zugegangen . Wir haben darin sehr deutlich das gesagt, was ich eben auch gesagt habe, nämlich dass die Datenverwendung mandatskonform geschieht .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte .

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

„Mandatskonform“ schließt nicht aus, dass die Türkei die Daten, die über die deutschen Tornado-Einsätze gewonnen werden, auch in ihrem Kampf gegen die Kurden im Irak oder in Syrien benutzen kann .

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich wiederhole das gern, aber ich schätze: Es wird auch weiterhin so sein, dass Sie diese Frage stellen, nicht nur heute, sondern auch beim nächsten Mal und beim übernächsten Mal, weil Ihnen eine bestimmte Antwort vorschwebt . - Ich muss Ihnen sagen: Wir haben das durch diese Mandatsbezogenheit gewährleistet und stellen es damit auch sicher . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön . - Im letzten Moment noch; ausnahmsweise, Frau Hänsel . ({0}) - Ich habe Sie nicht gesehen . Das stimmt . Ich wurde abgelenkt . Frau Hänsel, noch eine Frage .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön . - Ich möchte dazu einfach noch einmal nachfragen, Frau Staatsministerin; denn es gibt Geheimdienstinformationen, auf deutscher Seite, aber auch Veröffentlichungen in der Türkei darüber, dass die Regierung Erdogan auch den IS und andere islamistische Terrorgruppen in Syrien unterstützt . ({0}) Zu Waffenlieferungen gibt es mittlerweile öffentliche Berichte . Journalisten sind in der Türkei ins Gefängnis gekommen, weil sie es veröffentlicht haben . Deswegen meine Nachfrage: Können Sie hiermit ausschließen, dass Aufklärungsbilder an den NATO-Partner Türkei gehen, der auch islamistische Terrorgruppen in Syrien unterstützt und mit diesen Bildern dazu beitragen kann, dass diese Gruppen militärisch gestärkt werden?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, ich bleibe dabei: Die Mandatskonformität ist gegeben .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Dann kommen wir zur Frage 9 des Abgeordneten Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen: Werden nach Kenntnis bzw . Einschätzung der Bundesregierung Frauen in Algerien, Marokko und Tunesien hinreichend vor sexueller Gewalt geschützt, und inwiefern hält die Bundesregierung den Vorschlag, diese Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu bestimmen, für geeignet, schutzsuchende Frauen aus diesen Staaten effektiv vor geschlechtsspezifischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure in diesen Staaten zu schützen? Frau Staatsministerin, bitte .

Not found (Gast)

Gern . - Herr Kollege Beck, nach Erkenntnissen der Bundesregierung werden in allen drei Ländern Frauen grundsätzlich vor sexueller Gewalt geschützt . Dass es dennoch zu Übergriffen kommt, ist nicht auszuschließen . Beim individuellen Schutz von Frauen, vor allem vor nichtstaatlichen Akteuren, gibt es Raum für Verbesserungen . Physische und psychische Gewalt einschließlich sexueller Gewalt kann ein Verfolgungshandeln im Sinne des Asylgesetzes sein und das Recht auf Asyl begründen . Dies gilt auch für Frauen aus Marokko, Algerien und Tunesien - unabhängig von einer möglichen Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten . Entscheidend ist, dass im Asylverfahren die Existenz von Verfolgungsgründen im Einzelfall nachgewiesen wird . Bei Asylverfahren von Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten wird geprüft, ob die angegebenen Tatsachen oder Beweismittel die Annahme begründen, dass dem Antragsteller/der Antragstellerin abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsland politische Verfolgung droht . Dabei wird eine etwaige Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure berücksichtigt; ebenso werden mögliche Akteure berücksichtigt, die Schutz vor Verfolgung bieten können . Ob dann eine vorgetragene geschlechtsspezifische Verfolgung zu einer entsprechenden Schutzanerkennung führt, kann nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung festgestellt werden .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage? - Herr Beck .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vorausschicken möchte ich: Voraussetzung für die Einstufung als sicheres Herkunftsland ist laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass keine gruppenspezifische Verfolgung - bezogen auf keine soziale Gruppe - vorhanden ist . Frauen sind eine soziale Gruppe wie Journalisten, religiöse Minderheiten usw . Es hilft nichts, dass Sie sagen: Hinterher kann man trotzdem noch individuell prüfen . - Vorher müssen Sie prüfen, ob diese Einstufung von der Menschenrechtslage her angemessen ist . Ich will Ihnen die Chance geben, darauf einzugehen - unter Einbeziehung eines weiteren Aspektes, einer weiteren Gruppe, bezogen auf Marokko . Die Friedrich-Naumann-Stiftung sagt, sie habe ihre Büroleiterin abgezogen, um ihre Mitarbeiterin und deren Familie zu schützen, da sich das marokkanische Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung „erdreistet“ hat, einem marokkanischen Journalisten einen Journalistenpreis zuzuerkennen, was auf den Unwillen der dortigen Regierung gestoßen ist . Wenn eine deutsche Stiftung also sagt: „Wir müssen die Mitarbeiterin und ihre Familie rausholen, um sie zu schützen“, sagt das einiges über die Situation in dem Land und vor allen Dingen über die Situation der Journalisten in diesem Land . Würden Sie meine Auffassung teilen - und wenn nicht, warum nicht -, dass vor diesem Hintergrund eine Einstufung Marokkos als sicheres Herkunftsland nicht infrage kommen kann?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Ja, gern . - Herr Kollege Beck, ich habe mir die Anerkennungsquoten für Algerien, Marokko und Tunesien angeschaut . Wir haben bei Algerien eine Anerkennungsquote von 0,8 Prozent, bei Marokko von 3,7 Prozent und bei Tunesien von 0,2 Prozent . Wir alle wissen, was der Begriff „sicherer Herkunftsstaat“ bedeutet . „Sicherer Herkunftsstaat“ heißt nicht, dass es deswegen keine Einzelfallprüfung mehr gibt . Das, was Ihnen ein Anliegen ist - und ich darf Ihnen versichern: das gilt für mich genauso -, ist: Dort, wo Frauen von sexueller Gewalt betroffen sind und Schutz suchen, muss auch eine Schutzmöglichkeit gegeben sein . Dies ist über die Einzelfallprüfung möglich .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Sie haben zwar schon einen ganzen Schwung an Fragen gestellt, aber Sie dürfen noch ein letztes Mal fragen .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, so sieht das die Geschäftsordnung vor .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nein, wenn Sie in einer Frage mehrere Fragen stellen, dann könnte ich auch sagen: Das war es . - Aber stellen Sie Ihre nächste Frage .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht darum, dass bei einem sicheren Herkunftsstaat die Verfolgungssituation erst einmal verneint wird . Wenn wir ein Land als sicheres Herkunftsland bezeichnen, heißt das, wir stellen auch einen Persilschein für die Menschenrechtslage aus . Wir dürfen das nicht nur im Hinblick auf die Rückwirkungen auf das Asylverfahren hier sehen, sondern auch im Hinblick darauf, was das für das Land heißt . Würden Sie mir zustimmen, dass deshalb die Anerkennungsquote nicht wirklich etwas aussagt, sondern dass die ausschlaggebende Frage sein muss: Wie ist die Menschenrechtslage in dem Land? Die Menschenrechtslage ist für Frauen und Journalisten in diesen Ländern nicht so, dass sie eine Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsländer rechtfertigt . Oder welche anderen Erkenntnisse über die Menschenrechtslage haben Sie hier?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatsministerin .

Not found (Gast)

Ja, gern . - Herr Kollege Beck, wir kennen uns jetzt schon lange genug . Wir beide wissen, dass wir jeweils vehement für Menschenrechte eintreten . Dass mit der Einstufung als sicheres Herkunftsland ein Freischein ausgestellt würde, ist mitnichten der Fall . Das wissen Sie genauso gut wie ich . Ich weise das auch in aller Deutlichkeit zurück . ({0}) - Herr Beck, jetzt darf ich Sie daran erinnern: Sie sind Kölner . In Köln haben wir erlebt, dass Übergriffe auf Frauen stattfinden. Wir haben jetzt weit über 880 Meldungen . Das ist erschreckend, und ich glaube, vor diesem Hintergrund muss man alles tun, um gegen sexuelle Gewalt vorzugehen . Frauen, die in Einzelfällen diesen Schutz brauchen, werden ihn auch erhalten . ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung steht bereit der Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr . Günter Krings . Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Volker Beck: Inwiefern hält es die Bundesregierung für migrations- und sicherheitspolitisch angezeigt und rechtssystematisch kohärent, aus einer positiven Sozialprognose, die Voraussetzung für die Aussetzung einer Strafe zur Bewährung ist ({0}), darauf zu schließen, dass der weitere Aufenthalt eines Ausländers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt ({1}), sodass infolgedessen eine Bewährungsstrafe unter Umständen ein Ausweisungsinteresse begründet? Herr Staatssekretär, bitte . Dr. Günter Krings, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister des Innern . Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Beck, nach § 56 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs setzt das Gericht bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird . Diese Wertung nach dem Strafgesetzbuch ist aber nicht ohne Weiteres auf das Recht der Ausweisung zu übertragen; denn die im Aufenthaltsgesetz geregelten Ausweisungen und die Bewährung nach dem Strafgesetzbuch verfolgen unterschiedliche Zwecke . Die Ausweisung dient der Gefahrenabwehr und kann grundsätzlich auch auf generalpräventiven Erwägungen beruhen . Das heißt, selbst wenn von dem Ausländer individuell nicht mehr die Gefahr weiterer Straftaten ausgeht, kann die Ausweisung notwendig sein, um andere von der Begehung von Straftaten abzuhalten . Im Übrigen beruht die Ausweisung nach § 53 Aufenthaltsgesetz immer auf einer umfassenden Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen im Einzelfall . Selbst wenn also ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt, besteht kein Automatismus, dass letztlich auch die Ausweisung ergehen wird .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Beck?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe versucht, nach der Denklogik der verschiedenen Rechtsfolgen zu fragen . Wir haben also einen Täter . Hier sagt das Strafgericht: Wir setzen die Strafe zur Bewährung aus, weil wir auf eine positive Sozialprognose setzen . Das dürften wir sonst nicht tun . - Dann sagt das Ausländeramt: Das nehmen wir als Grundlage für die Behauptung, diese Person stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar . - Das widerspricht eigentlich der Entscheidung des Strafgerichtes . Hier muss man sagen: Hü oder hott . Entweder ist diese Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dann ist die Erkennung auf eine Bewährungsstrafe eine falsche Entscheidung -, oder sie ist eben keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung . Dann sind die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht mit diesem Automatismus gegeben . Deshalb würde mich interessieren, welchen Sinn es hat - mit Bewährungsstrafen sind Bewährungsauflagen verbunden -, dass die Bewährung überprüft wird, wenn wir jemanden in dieser Zeit abschieben . Das heißt dann auch, dass er seinen Bewährungsauflagen entgeht. Damit wird dem strafrechtlichen Ziel der Besserung nicht hinreichend Rechnung getragen. Wie wollen Sie diese Widersprüche auflösen?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Staatssekretär .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank . - Herr Beck, Sie sind ja kein Jurist, aber Sie versuchen, uns juristisch immer ein wenig auf das Glatteis zu führen . ({0}) Sie sind vielleicht Erfahrungsjurist . Ich kenne ohnehin nur zwei Erfahrungsjuristen: Der andere ist Ministerpräsident in Bayern . Ich will gerne versuchen, juristisch etwas Licht in die Sache zu bringen, lieber Kollege Beck . Wir haben zwei unterschiedliche Rechtskreise . Das eine ist das Strafrecht, das andere das Ordnungsrecht . Das Ausländerrecht ist ein besonderes Ordnungsrecht . Von daher gibt es andere Maßstäbe und eine andere Schwelle, ab der eine bestimmte Folge eintreten kann . Insofern ist das kein Widerspruch . Vielmehr hat das Strafrecht sehr viel strengere Maßstäbe . Gerade die InStaatsministerin Dr. Maria Böhmer haftierung, das Wegsperren eines Menschen, ist an ganz besondere Voraussetzungen gebunden, während das Ausländerrecht heute von einem besonderen Ordnungsrecht ausgeht - früher haben wir von Polizeirecht gesprochen . Die Frage, die Sie angesprochen haben, finde ich absolut berechtigt . Nimmt man dem Strafrecht und seinem Anspruch bezüglich der Bewährungsauflagen nicht etwas weg? Nein, das macht man im Ergebnis nicht . Im Schengen-Raum gibt es ein klares europarechtliches Rechtsprinzip: Die Rückführung aus dem Schengen-Raum hat immer Vorrang vor dem nationalen Strafanspruch . Insofern handeln wir hier konsequent bei der Klarstellung der Kriterien, was das Ausweisungsinteresse anlangt .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir reden jetzt über Köln und die Folgen . Aber wir machen allgemeine Gesetze, die nicht nur für Algerier und Marokkaner auf Bahnhofsvorplätzen gelten, sondern die insgesamt stimmen müssen . Vielleicht können Sie mir das noch einmal an einem anderen Beispiel erklären . Wie muss man es sich bei einem assoziationsberechtigten Türken vorstellen, wenn in § 53 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz auf eine schwerwiegende Gefahr abgestellt wird und in § 56 StGB von der Perspektive ausgegangen wird, dass diese Person keine Straftaten mehr begehen wird? Trotzdem ist eine Entscheidung nach § 56 StGB hinterher Grundlage, um die schwerwiegende Gefahr dennoch zu bejahen . Können Sie erläutern, wie man sich dies denklogisch vorzustellen hat?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich werde mit Erlaubnis des Präsidenten versuchen, Ihnen dies näherzubringen . Noch einmal ein Hinweis auf die beiden verschiedenen Rechtskreise . Im Ausländerrecht gibt es auch generalpräventive Erwägungen . - Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass ich mit keinem Wort Köln und die nordafrikanischen Staaten erwähnt habe . Vielleicht haben Sie Ihre letzte Frage noch im Gedächtnis . ({0}) - Sie haben mich gefragt, und ich antworte Ihnen natürlich . Ich stimme Ihnen zu, dass wir Gesetze so machen müssen, dass sie generell und immer passen . Es ist übrigens auch nicht so, dass das zum ersten Mal passiert . Auch nach geltender Rechtslage, durch Gerichte bestätigt, gibt es schon Konstellationen, dass jemanden nach einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe die Ausweisung ereilt . Insofern ist das im Prinzip nichts Neues . Wir haben die Kriterien - die Abwägung zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteressen - durch diesen Gesetzentwurf noch einmal nachgeschärft . Wir haben aber in die deutsche Rechtsordnung im Prinzip nichts Neues eingeführt .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage des Abgeordneten Wunderlich, Fraktion Die Linke .

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich bin Praxisabgeordneter, war zwölf Jahre Strafrichter, habe etliche Vollstreckungen zur Bewährung ausgesetzt, mit entsprechenden Bewährungsauflagen. Ich habe das, was Herr Kollege Beck hier gesagt hat, auch schon im Rechtsausschuss gesagt: Die Regelungen beißen sich . Man bekommt auf der einen Seite von einem Gericht eine günstige Legal- und Sozialprognose, die die Voraussetzung dafür ist, eine Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen; jetzt ist der Zeitrahmen dafür ein Jahr . Man sagt also: Dieser Täter ist in einem gesicherten sozialen Umfeld und wird keine Straftaten mehr begehen . - Auf der anderen Seite sagt ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde: Von dem geht eine Gefährlichkeit aus, deswegen wird er ausgewiesen . - Dabei heißt Ausweisung noch nicht, dass derjenige draußen ist; auch da wird den Leuten Sand in die Augen gestreut . Ich habe auch ein Problem damit: Was ist mit den faktischen Inländern, die bereits seit 25 oder 30 Jahren hier in Deutschland wohnen, aber keinen deutschen Pass haben, den türkischen Gastarbeitern, die mit der ersten Welle gekommen sind? Sie gehen heute auf eine Demonstration gegen Erdogan, was man nachvollziehen kann . Die Regierungskoalition hat vor kurzem die Strafandrohung bei Widerstand gegen die Staatsgewalt auf zwei Jahre heraufgesetzt, was nach Überzeugung der Opposition völliger Quatsch war . Wie schnell ist bei solch einer Demonstration der Straftatbestand der Widerstandshandlung erfüllt, wie schnell riskiert man ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung! In einem solchen Fall droht einem als faktischer Inländer die Abschiebung in ein Land, zu dem man überhaupt keinen Bezug mehr hat, in dem keiner aus der Familie mehr lebt, in dem die eigene Familie möglicherweise nie war . Sehen Sie das als rechtsstaatskonform an?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich kann nur wiederholen: Wir machen hier ein generell-abstraktes Gesetz, und die Rechtsfigur des faktischen Inländers ist der deutschen Rechtsordnung nicht bekannt . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank . - Die Frage 11 der Kollegin Dağdelen wird schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 12 und 13 der Kollegin Jelpke und die Frage 14 des Kollegen von Notz . Dann kommen wir zur Frage 15 der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen: Aufgrund welcher neuen Erkenntnisse gelangt die Bundesregierung zu der Einschätzung, dass Algerien und Marokko jetzt als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden können ({0}), und hält die Bundesregierung die Warnungen unter anderem von Pro Asyl vor einer solchen Einstufung ({1}) für unbegründet? Herr Staatssekretär, bitte .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank . - Das war bereits im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes Thema . Zurzeit kann ich nur so viel sagen: Die Bundesregierung prüft aktuell die Einstufung von Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von § 29 a des Asylgesetzes in Verbindung mit dem bekannten Artikel 16 a Absatz 3 unseres Grundgesetzes . Die fachliche Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Einstufung der genannten Staaten als sichere Herkunftsstaaten erfüllt sind, ist noch nicht abgeschlossen . Die Bundesregierung verspricht sich von einer solchen Einstufung, wenn sie denn erfolgen sollte, dass Asylanträge von Staatsangehörigen aus diesen Ländern schneller bearbeitet und Rückführungen im Falle einer Ablehnung schneller durchgeführt werden, wenn die individuelle Prüfung des Antrags keinen Anspruch auf Asyl ergibt . Ich darf betonen, dass es nach wie vor eine individuelle Prüfung gibt, aber die ganze Prüfung dann schneller erfolgen kann .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ihre Zusatzfrage, Frau Dr . Brantner .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Uns hat die Zuordnung dieser Frage zu diesem Geschäftsbereich auch gewundert . - Sie haben gesagt, dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen . Kann ich daraus rückschließen, dass es neue Lageeinschätzungen gibt?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich habe jetzt keinen exakten Zeitplan, gehe aber davon aus, dass wir kurz vor dem Abschluss sind . Ich will jetzt nicht sagen, dass das alles noch Wochen dauert, will hier also keine falschen Vorstellungen wecken . Das Ganze funktioniert so: Das Auswärtige Amt macht eine Analyse zu den inneren Verhältnissen des betroffenen Landes, also zur Rechtslage, aber auch zur Rechtsanwendung - allein die Tatsache, dass ein Gesetz im Buch steht, ist noch nicht entscheidend - und zu den politischen Verhältnissen . Diese Analyse wird vom Auswärtigen Amt - da können Sie sicher sein - sehr sorgfältig vorgenommen . Das Ergebnis lassen wir wiederum in eine abschließende Bewertung einfließen. Das geht dann in die gesetzgeberische Arbeit ein. Wir befinden uns in diesem Prozess . Die aktuellsten dem Auswärtigen Amt verfügbaren Erkenntnisse fließen darin ein.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage? - Bitte schön .

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön . - Ich möchte gern auf die Ausreise der Büroleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung aus Marokko eingehen, die aus Gründen der persönlichen Sicherheit bevorzugt, das Land zu verlassen, und möchte Sie fragen, inwieweit Sie glauben, dass ein Land sicher sein kann, aus dem eine Vertreterin aus dem Ausland bevorzugt auszureisen, weil sie sich nicht sicher fühlt .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich kann zu dem konkreten Einzelfall nichts sagen; aber auch dieser Einzelfall wird in die Abwägungen und die Analyse des Auswärtigen Amtes mit eingeflossen sein . Ich zögere ein wenig, es so zu sagen, aber trotzdem will ich darauf hinweisen: Streng genommen geht es natürlich um die Sicherheit der Menschen aus diesem Land, also derjenigen, die für Asylanträge in Betracht kommen . Man wird diesen Fall in die Analyse einbeziehen; aber er wird nicht das endgültige und nicht weiter zu hinterfragende Kriterium sein . Es ist ein Punkt, der in die Abwägung einfließt, aber es gibt viele weitere Punkte. Eben hat die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt auf die sehr niedrige Anerkennungsquote hingewiesen . Dies ist ein Anhaltspunkt bei der Klärung der Frage, ob es sich um ein sicheres Herkunftsland handelt; aber es geht eben auch um die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die politischen Verhältnisse im jeweiligen Land . Das ist natürlich für jedes Land getrennt zu beurteilen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich rufe die Frage 16 der Abgeordneten Martina Renner, Fraktion Die Linke, auf: Warum wurde laut Presseberichten ({0}) nach einem Waffenfund im Auto von Anders Breivik im Rahmen einer Kontrolle nahe Wetzlar im Jahr 2011 weder Anders Breivik in Gewahrsam genommen noch der Kontakt zu norwegischen Behörden in dieser Angelegenheit gesucht? Herr Staatssekretär, bitte .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Mit Erlaubnis des Präsidenten und auch mit Ihrer Erlaubnis, Frau Abgeordnete, würde ich gerne die Fragen 16 und 17 zusammen beantworten .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das können wir machen . Dann rufe ich auch Frage 17 der Abgeordneten Martina Renner, Fraktion Die Linke, auf: Welche Behörden wurden von welchen Stellen in dieser Angelegenheit unterrichtet ({0})? Dann haben Sie vier Zusatzfragen, Frau Abgeordnete . Vizepräsident Peter Hintze http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/wir_machen_uns_die_welt_wie_sie_uns_gefaellt_die_ganze_welt_ein_sicherer_herkunftsstaa http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/wir_machen_uns_die_welt_wie_sie_uns_gefaellt_die_ganze_welt_ein_sicherer_herkunftsstaa http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/wir_machen_uns_die_welt_wie_sie_uns_gefaellt_die_ganze_welt_ein_sicherer_herkunftsstaa http://hessenschau.de/politik/massenmoerder-breivik-vor-tat-bei-wetzlar-kontrolliert-,breivik-102.html http://hessenschau.de/politik/massenmoerder-breivik-vor-tat-bei-wetzlar-kontrolliert-,breivik-102.html http://hessenschau.de/politik/massenmoerder-breivik-vor-tat-bei-wetzlar-kontrolliert-,breivik-102.html

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Genau, dann haben Sie vier Zusatzfragen . Ich fürchte allerdings - das kann man absehen -, dass Sie auch mit vier Zusatzfragen nicht viel weiterkommen, weil ich Ihnen nur Folgendes antworten kann: Der Bundesregierung liegen keine Informationen über eine Kontrolle des Anders Breivik nahe Wetzlar im Jahr 2011 vor . Ich darf zur Erläuterung ergänzen: Es geht wohl um den Bericht eines Journalisten auf Arte, der auch schon als Autor von Spielfilmen aktiv war. Er hat das Thema „Waffenexporte“ journalistisch wie auch in Form von Spielfilmen behandelt . Er hat eine Aussage gemacht, die wiederum von der Hessenschau aufgegriffen worden ist . Uns liegen auch nach Abfrage - das müssen wir streng genommen gar nicht tun, wir haben es aber selbstverständlich gemacht - bei den in Betracht kommenden Landessicherheitsbehörden keine Erkenntnisse über eine solche Kontrolle in dem genannten Jahr 2011 vor .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage? - Nein . - In Ordnung, gut . Dann sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des Innern . Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Uwe Kekeritz sowie die Fragen 20 und 21 der Abgeordneten Katrin Kunert, werden schriftlich beantwortet . Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Dr . André Hahn sowie die Frage 24 der Abgeordneten Brigitte Pothmer, werden auch schriftlich beantwortet . Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die Fragen 25 und 26 der Abgeordneten Bärbel Höhn, werden auch schriftlich beantwortet . Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung . Zur Beantwortung steht bereit der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ralf Brauksiepe . Ich rufe die Frage 27 der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Sieht die Bundesregierung nach dem Zustandekommen einer Einheitsregierung in Libyen die Voraussetzungen erfüllt, um die von der Bundesministerin der Verteidigung, Dr . Ursula von der Leyen, geäußerten Pläne für einen Einsatz der Bundeswehr in Libyen voranzutreiben ({0}), und für welche der konkurrierenden libyschen Streitkräfte würde die Bundeswehr Aufbauhilfe leisten? Bitte, Herr Staatssekretär .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin Brantner, ich antworte Ihnen wie folgt: Der fragile innerlibysche Verhandlungs- und Entscheidungsprozess zur Etablierung einer Einheitsregierung ist noch nicht abgeschlossen . Damit gibt es noch keine Einheitsregierung . Während das Parlament in Tobruk am 25 . Januar trotz Vorbehalten das Friedensabkommen mehrheitlich mit 97 von 104 der anwesenden Abgeordneten bestätigt hat, hat es zugleich mit 89 von 104 Stimmen die durch den Präsidialrat vorgelegte Kabinettsliste einer zukünftigen libyschen Einheitsregierung abgelehnt . Hier gilt es, den weiteren politischen Prozess abzuwarten . Die Bundesregierung begrüßt gleichwohl den durch die Vereinten Nationen begleiteten Friedensprozess und die weitere Umsetzung des Friedensabkommens in Libyen . An der Bildung einer libyschen Einheitsregierung im Rahmen des VN-vermittelten Friedensplans hat die Bundesregierung ein hohes Interesse und unterstützt den politischen Prozess . Erst nach der Bildung einer libyschen Einheitsregierung könnte diese eine formelle, völkerrechtlich legitime Unterstützungsanfrage an die internationale Gemeinschaft richten . Im Bereich der Sicherheit würde dann zunächst die Aufstellung von zur Einheitsregierung loyalen Sicherheitskräften, den künftigen libyschen Streitkräften, abzuwarten sein . Das würde voraussichtlich noch einige Zeit nach der Einführung einer Einheitsregierung in Anspruch nehmen . Nach dem erfolgreichen Abschluss eines solchen Prozesses wäre deutsche Ausbildungsunterstützung eine denkbare Option .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr . Brantner?

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wohl wissend, dass die Verhandlungen sehr schwierig sind - Sie haben es gerade erwähnt - und dass einer der Gründe, warum die Verhandlungen schwer vorankommen, die Angst oder die Befürchtung einzelner Akteure ist, dass es einen Druck gibt, zu einer gemeinsamen Regierung zu kommen, um danach militärisch in Libyen aktiv zu sein, und dass viele sagen: Das ist von außen aufgesetzt, der Druck ist sehr groß, und am Ende will die internationale Gemeinschaft nur ISIS militärisch bekämpfen - halten Sie es vor diesem Hintergrund für hilfreich, dass Frau Ministerin von der Leyen diese Ankündigung gemacht hat?

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Ja . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Okay . - Haben Sie zu dieser überraschenden Antwort noch eine Zusatzfrage, Frau Dr . Brantner?

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie sagen: „Ja“, dann würde ich gerne von Ihnen wissen: Warum? ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Staatssekretär .

Dr. Ralf Brauksiepe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003055

Frau Kollegin Brantner, ich habe Ihnen den Prozess aufgezeigt, der erforderlich ist, damit es überhaupt eine Ausbildungsunterstützung geben könnte . Ich denke, es ist für uns alle von großem Interesse, dass Libyen wieder eine handlungsfähige und international legitimierte Regierung bekommt . An diesem Thema arbeiten viele Länder, und daran arbeitet auch die Bundesregierung intensiv . Das ist im Interesse der Menschen in Libyen und natürlich auch im Interesse der Stabilität der gesamten Region, einer Region, die nicht weit von uns entfernt liegt . Vor diesem Hintergrund, denke ich, könnte sich Deutschland, wenn es möglich wäre, einen solchen Prozess zu unterstützen und positiv zu begleiten, dieser Möglichkeit nicht von vornherein entziehen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Frage 28 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und die Frage 29 der Abgeordneten Höger werden schriftlich beantwortet . Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit . Zur Beantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatssekretärin Annette WidmannMauz bereit . Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Hubertus Zdebel, Fraktion Die Linke, auf: Was wird die Bundesregierung unternehmen, um die in einem Offenen Brief vom Oktober 2015 von 212 Rotenburger Ärztinnen und Ärzten an die niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Cornelia Rundt, ({0}) erhobene Forderung, die Ursachenforschung bezüglich der in den letzten Jahren im Landkreis Rotenburg ({1}) erfolgten Zunahme von Krebserkrankungen durch die rasche Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel für die unbedingt notwendigen wissenschaftlichen Untersuchungen sicherzustellen, durchzusetzen ({2})? Frau Staatssekretärin, bitte .

Annette Widmann-Mauz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003259

Herr Präsident! Herr Abgeordneter, die Aufklärung der Ursachen von statistisch auffällig hohen Zahlen von Krebserkrankungen in bestimmten Regionen liegt in der Zuständigkeit der jeweiligen Landesbehörden . Die Ursachenerforschung wegen erhöhter Krebserkrankungszahlen im Landkreis Rotenburg ({0}) erfolgt derzeit durch den zuständigen Landkreis, unterstützt von verschiedenen Behörden des Landes Niedersachsen, unter anderem des Landesgesundheitsamtes sowie des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen . Zurzeit läuft dort die Auswertung einer Befragung sämtlicher Bewohner der Samtgemeinde Bothel . Circa 7 000 Fragebögen wurden verschickt, circa 5 000 sind zurückgekommen und werden derzeit geprüft und ausgewertet . Auf der Grundlage der Informationen aus der Befragung wird versucht werden, die Ursache für die vermehrten Krebserkrankungen zu identifizieren. Zusätzlich hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine Literaturstudie zu den Risikofaktoren des in diesem Zusammenhang gehäuft auftretenden multiplen Myeloms in Auftrag gegeben . Deren Ergebnisse werden in der zweiten Jahreshälfte erwartet . Sie sollen mit den Ergebnissen aus der Befragung abgeglichen werden, um daraus gegebenenfalls auf Landesoder kommunaler Ebene weitere Schritte abzuleiten .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage? - Bitte schön .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - Frau Parlamentarische Staatssekretärin, erst einmal mein Dankeschön für die ausführliche Antwort . Ich habe trotzdem eine Nachfrage . Ein Appell von 200 Ärzten ist ja keine Selbstverständlichkeit, sondern ein außergewöhnlicher Vorgang . Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Bevölkerung in Niedersachsen sehr große Sorgen macht . Es ist ja relativ klar - das ist das absehbare Ergebnis, auch wenn das noch nicht komplett erforscht ist; eigentlich bin ich auch kein Freund von Analogieschlüssen -, dass möglicherweise ein Zusammenhang mit der seit Jahrzehnten laufenden intensiven Gasförderung im Land Niedersachsen bestehen könnte, um es einmal vorsichtig auszudrücken . Es gibt ja durchaus Hinweise darauf, dass das so sein kann . Deswegen noch einmal eine grundsätzliche Frage: In der Öffentlichkeit wird schon darüber diskutiert, ob es nicht sinnvoll sein könnte, einen öffentlich verwalteten Fonds einzurichten, um eine umfassende Studie über die gesundheitsbezogenen Folgen von 70 Jahren Erdgasund Erdölförderung in Niedersachsen zu erstellen . Würde sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Gelder für einen solchen zu gründenden öffentlich verwalteten Fonds von der Industrie bereitgestellt werden, alternativ dazu vom Bund oder dem Land Niedersachsen? Wie stehen Sie zu einem solchen Fonds?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Staatssekretärin .

Annette Widmann-Mauz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003259

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich glaube, zunächst einmal ist es wichtig, die Ergebnisse der Umfrage und die Literaturstudie abzuwarten; denn nur so kann man die Ursächlichkeit klären, nur so kann man klären, ob http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/bothel144.pdf http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/bothel144.pdf http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Krebsfaelle-in-Bothel-Hilferuf-von-200-Aerzten,bothel142.html http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Krebsfaelle-in-Bothel-Hilferuf-von-200-Aerzten,bothel142.html http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Krebsfaelle-in-Bothel-Hilferuf-von-200-Aerzten,bothel142.html ein Zusammenhang zwischen der Erdgasförderung in der Region und den Erkrankungen besteht . Wenn diese Ergebnisse vorliegen, dann wird zu entscheiden sein, ob und welche weiter gehenden Untersuchungen durchzuführen sind . Wir warten sehr gespannt auf die Ergebnisse der Befragung und die Studie .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Zusatzfrage?

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe noch eine Zusatzfrage in diesem Zusammenhang .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aktuell wird sehr intensiv über die Frage der intensiven Gasförderung in Deutschland diskutiert . Herr Kümpel von der BGR hat in einem aufsehenerregenden Aufsatz für den Tagesspiegel sogar die These aufgestellt, dass die Gefahren, zum Beispiel die Erdbebengefahr, bei einer intensiven Gasförderung herkömmlicher Art größer sind als die Gefahren, die möglicherweise durch Fracking hervorgerufen werden könnten . Wie bewerten Sie denn solche Aussagen? Wäre es vor diesem Hintergrund nicht tatsächlich sinnvoll, sich noch einmal viel genauer mit den Ursachen und Folgen intensiver Gasförderung, insbesondere im Land Niedersachsen, auseinanderzusetzen?

Annette Widmann-Mauz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003259

Zunächst einmal: Das Bundesgesundheitsministerium ist an den gesundheitlichen Auswirkungen interessiert, die sich gegebenenfalls aus verschiedenen Förderungen ergeben können . Dafür haben wir bisher keine belastbaren Daten . Diese werden derzeit ermittelt . Wenn es darüber hinausgehende Thesen gibt, die in andere Ressorts der Bundesregierung fallen, wird sich die Bundesregierung auch damit auseinandersetzen . Aber ich bitte um Nachsicht, dass das Bundesgesundheitsministerium zunächst natürlich die gesundheitlichen Auswirkungen besonders im Blick hat . Dazu brauchen wir valide Kenntnisse . Diese sind erst Mitte des Jahres nach der Auswertung zu erwarten .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Danke schön . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Matthias Gastel, die Frage 33 des Kollegen Oliver Krischer sowie die Fragen 34 und 35 des Kollegen Herbert Behrens werden schriftlich beantwortet . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Die Fragen 36 und 37 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet . Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller bereit . Ich rufe Frage 38 des Abgeordneten Hubertus Zdebel auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die offenbar weiterhin im Forschungszentrum Jülich stattfindenden Vorbereitungen eines Exports der 152 Castorbehälter mit hochradioaktiven Brennelementen aus Jülich in die USA entsprechend der jetzt vorliegenden Umweltverträglichkeitsprüfung ({0}) sowie der offenkundigen Einbeziehung auch der bestrahlten Brennelemente des THTR Hamm-Uentrop vor dem Hintergrund einer intensiven Diskussion und einem konsensualen Beschluss der Endlagerkommission vom 2 . Oktober 2015 für ein Exportverbot für hochradioaktive Brennelemente, insbesondere auch für Jülicher Brennelemente, an dessen Erarbeitung auch das Bundesumweltministerium maßgeblich beteiligt war, und in welcher Weise will die Bundesregierung der von der Endlagerkommission beschlossenen Exportverbotsempfehlung nachkommen ({1})? Herr Staatssekretär, bitte .

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege, Sie fragen ja insbesondere vor dem Hintergrund der Umweltverträglichkeitsprüfung, die in den USA angestellt wird . Ich will noch einmal die Ausgangslage in Erinnerung rufen . Das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft und Energie hatte am 2 . Juli 2014 angeordnet, dass das Lager in Jülich unverzüglich zu räumen ist . Die Verantwortung hierfür und für den Verbleib der Brennelemente trägt seit dem 1 . September 2015 die Jülicher Entsorgungsgesellschaft, die jetzt in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde drei Optionen zu prüfen hat, nämlich die Verbringung der Brennelemente in die USA, die Verbringung in das Transportbehälterlager Ahaus und den Bau eines neuen Zwischenlagers am Standort Jülich . Zur Prüfung der technischen Möglichkeiten der USA-Option - ich nenne es einmal verkürzt so - gab es eine Vereinbarung zwischen dem Forschungszentrum Jülich und dem Department of Energy . Dementsprechend wird diese Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt . Das Verfahren dauert entgegen anderslautender Presseberichte allerdings noch an . Es gibt lediglich einen Entwurf, und so gibt es jetzt ein Verfahren, um die Öffentlichkeit zu beteiligen . Insofern ist dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen . Ich will ausdrücklich dazusagen, dass die Durchführung dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ein Schritt bei der Prüfung dieser sogenannten USA-Option ist, der bei einer Priorisierung innerhalb der drei Optionen sicherlich berücksichtigt wird; aber es ist nicht der einzige Schritt . Es ist Aufgabe der Jülicher Entsorgungsgesellschaft, in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde, http://energy.gov/sites/prod/files/2016/01/f28/Draft%20DOE%20EA%201977_FOR%20PUBLIC.pdf http://energy.gov/sites/prod/files/2016/01/f28/Draft%20DOE%20EA%201977_FOR%20PUBLIC.pdf http://energy.gov/sites/prod/files/2016/01/f28/Draft%20DOE%20EA%201977_FOR%20PUBLIC.pdf http://www.bundestag.de/blob/390810/6ea047d665800493f63f4f1b6a3e6f78/drs_131-neu-data.pdf http://www.bundestag.de/blob/390810/6ea047d665800493f63f4f1b6a3e6f78/drs_131-neu-data.pdf also dem Ministerium für Wirtschaft und Energie, die Priorisierung entsprechend vorzunehmen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident . - Ich habe folgende Zusatzfrage an Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär: Wie erklären Sie sich denn, dass in dem Genehmigungsantrag bzw . in dieser Umweltverträglichkeitsstudie aus den USA plötzlich die Abfälle aus Hamm-Uentrop auftauchen? Meines Wissens ist es so, dass bisher, zumindest was den Export von Deutschland angeht, vonseiten der Bundesregierung gesagt worden ist, dass das überhaupt nicht zur Diskussion steht und dass diese Abfälle, die sich ja im Moment in Ahaus befinden, weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland entsorgt werden sollen .

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Das ist korrekt . All das, was bisher in Antworten auf schriftliche und mündliche Fragen sowie auf Kleine Anfragen seitens der Bundesregierung bezüglich der Brennelemente aus dem Reaktor in Hamm-Uentrop ausgeführt worden ist, gilt nach wie vor . Sie sind nicht Gegenstand der Verhandlungen mit dem Department of Energy .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch eine Frage? - Bitte .

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Müller, Sie hatten ja gerade die Varianten angesprochen, die im Moment in der Diskussion sind, was, grob vereinfachend gesagt, die Entsorgung der Jülicher Atomabfälle angeht . Der Neubau eines Zwischenlagers in Jülich ist Variante eins, der Transport in das Zwischenlager in Ahaus ist Variante zwei, und der Export in die USA ist Variante drei . Welche dieser drei Varianten ist denn aus Sicht der Bundesregierung nach bisheriger Einschätzung der Gesamtsituation die beste?

Stefan Müller (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003597

Dazu kann es zum jetzigen Zeitpunkt keine Einschätzung der Bundesregierung geben . Im Übrigen ist das Sache der Jülicher Entsorgungsgesellschaft in Abstimmung mit der atomrechtlichen Behörde, nämlich dem nordrhein-westfälischen Wirtschafts- und Energieministerium . Diese drei Optionen werden ergebnisoffen geprüft . Bislang liegt aber noch kein Ergebnis der Prüfung vor .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes . Die Frage 39 des Abgeordneten Andrej Hunko wird schriftlich beantwortet . Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Die Frage 40 des Abgeordneten Oliver Krischer und die Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden werden schriftlich beantwortet . Wir sind damit am Ende der Fragestunde . Ich unterbreche die Sitzung bis 15 .45 Uhr, also bis zum Beginn der Aktuellen Stunde in fünf Minuten . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet . Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Haltung der Bundesregierung zu aktuellen Armuts- und Reichtumsstudien Erster Redner dieser Aktuellen Stunde ist der Abgeordnete Dr . Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke . ({0})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten in der letzten Woche diverse Berichte zu einem Thema, das uns - alle leider offensichtlich nicht ganz so - interessieren sollte: Armut und Vermögensungleichheit in unserem Land . Ich will insbesondere auf die Oxfam-Studie eingehen, die einige Zahlen hervorgebracht hat, die uns mehr als nachdenklich stimmen sollten . Sie haben alle zur Kenntnis genommen, dass 62 Menschen - 53 Männer und 9 Frauen - zusammen genauso viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen auf dieser Welt . Vor einem Jahr waren es sogar noch 80 Menschen; es sind also noch weniger geworden . Die Vermögen dieser 62 sind in den letzten fünf Jahren noch einmal um 44 Prozent auf 1,76 Billionen Dollar gestiegen; das sind sechs Bundeshaushalte . Das, meine Damen und Herren, ist asozialer Reichtum, ({0}) zumal das Vermögen der 3,6 Milliarden Menschen, die genauso viel besitzen, im selben Zeitraum um 41 Prozent zurückgegangen ist . Das ist ungerecht, und das ist unmenschlich . Das hat im Übrigen mit dem Thema, das wir hier nahezu täglich besprechen, nämlich dem der Flüchtlinge, sehr viel zu tun . Diese Zahlen sollten uns alle, und zwar fraktionsübergreifend, aufrütteln . Es ist Aufgabe der Politik, das zu ändern . ({1}) Diese weltweite Ungerechtigkeit und ihre Folgen sind nicht gottgewollt, sondern Ergebnis falscher Politik, meine Damen und Herren . Das hat mit dem Wirtschaftssystem zu tun, und das hat mit den Machtverhältnissen zu tun, und die müssen geändert werden . Jedenfalls ist das die Position der Linken . ({2}) Wir sind uns mit Sicherheit einig, dass wir nicht zulassen dürfen, dass auf dieser Welt Kinder verhungern . Wir müssen das gemeinsam verhindern . Deshalb ist es die Aufgabe, hier einzuschreiten . Die größte Vermögensungleichheit innerhalb der Euro-Zone besteht, wie der Bericht feststellt, bei uns, in Deutschland: Die 10 reichsten Prozent der Haushalte besitzen 63 Prozent des Gesamtvermögens, und der größte Anteil - das ist der eigentliche Skandal - entsteht durch Erbschaften und Schenkungen; auch das ist im Bericht nachzulesen . Wenn die 500 reichsten Familien in Deutschland ein Vermögen von 615 Milliarden Euro besitzen, dann ist im Lande etwas nicht in Ordnung, und dann sind wir gefordert, meine Damen und Herren . ({3}) Mit dem Reichtum in Deutschland muss mehr getan werden, um auch die Probleme in der Welt zu lösen . Wenn wir endlich 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungspolitik ausgeben würden, was seit Jahren von unterschiedlichen Bundesregierungen postuliert wird, wären wir wirklich einen Schritt weiter . ({4}) Hunger und Durst - egal was deren Ursachen sind - sind immer grausam und unmenschlich; da sind wir uns einig . Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind eben auch Botschafter des Elends auf dieser Welt, meine Damen und Herren . ({5}) Wenn wir dafür mitverantwortlich sind - deutsche Politik ist mitverantwortlich dafür -, dass jährlich weltweit über 1 500 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben werden, dass Rüstungskonzerne blutige Profite machen und es ist nichts anderes - und auf der anderen Seite dem UNHCR die Mittel fehlen, um die Lager auszustatten, dann ist etwas völlig nicht in Ordnung, dann muss gehandelt werden . ({6}) Deshalb muss Schluss sein mit dem Diskussionstabu der Regierungsparteien, wenn es um eine gerechte Steuerpolitik in unserem Land, in Europa und in der Welt geht . Warum ist es denn so unmöglich, eine europaweite Millionärssteuer einzuführen, durch die diejenigen, die von all den Krisen profitiert haben, zur Kasse gebeten werden? ({7}) Es muss doch bei hohen Freibeträgen möglich sein, hier etwas abzuholen, um die Armut in der Gesellschaft zu überwinden . Genauso ist es im Übrigen auch mit der Erbschaftsteuer . Wir brauchen eine andere Reform und nicht das Pillepalle, das Sie hier vorschlagen . In den nächsten Jahren werden über 3 Billionen Euro vererbt . Hier muss mehr abgeholt werden, damit die Probleme, die in dem Bericht von Oxfam ausgewiesen sind, wirklich angegangen werden . Nicht zuletzt wurde auch zu den Steueroasen umfangreich etwas gesagt . Es ist festgehalten, dass reiche Einzelpersonen rund 7,6 Billionen Euro in Steueroasen angelegt haben . In den Heimatländern gehen damit über 190 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren, die für Bildung, Krankenversorgung und Investitionen fehlen . Das ist doch inakzeptabel . Die Koalitionspartner fetzen sich über die Flüchtlingszahlen . Wir sagen: Es gibt in dieser Regierung leider keine moralische Obergrenze, sodass die Milliardenvermögen immer mehr steigen können, und das darf man nicht zulassen . ({8}) Es ist genug Geld da, um weltweit Hunger, Durst und medizinische Unterversorgung zu überwinden . Das geht aber nicht, wenn man keine entschlossene Umverteilung anstrebt . Keiner der Multimilliardäre auf dieser Welt auch keiner in Deutschland - würde dadurch verarmen, und das ist eben keine Neiddebatte . Es bleibt dabei: Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge, und wir in diesem Haus haben hier zu handeln . Herzlichen Dank . ({9})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Es gibt jedenfalls für die Redezeit in der Aktuellen Stunde eine Obergrenze von fünf Minuten . Diese wurden gerade ein bisschen überschritten, aber in Zukunft wollen wir sie einhalten . ({0}) Als nächster Redner hat Dr . Matthias Zimmer, CDU/ CSU-Fraktion, das Wort . ({1})

Prof. Dr. Matthias Zimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004192, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bartsch, wir sollten uns davor hüten, hier falsche Frontstellungen aufzubauen . Ich glaube, es gibt einen Konsens in diesem Haus, dass die Entwicklungshilfe, die ODA-Mittel, angehoben werden - das ist wichtig und richtig - und die UNHCR-Mittel fließen müssen. ({0}) Keiner tut dafür mehr als unsere Bundeskanzlerin, und ich freue mich, dass das in diesem Haus auch weitgehend unterstützt wird . ({1}) Herr Kollege Bartsch, Sie haben Steueroasen und die Finanztransaktionsteuer angesprochen . Wir haben die Beschlusslage, die Steueroasen auszutrocknen und eine Finanztransaktionsteuer einzuführen . Nichts lieber als das! Natürlich, selbstverständlich! ({2}) Frau Kollegin Andreae, lieber Herr Kollege Bartsch, das funktioniert aber eben nicht par ordre du mufti - „leider“ muss man hier vielleicht sagen -, sondern man muss dann eben auch die Kolleginnen und Kollegen in den anderen europäischen Ländern davon überzeugen, dass es gut und wichtig und im Interesse aller in Europa und in der Welt ist, Steueroasen auszutrocknen und eine Finanztransaktionsteuer einzuführen . Dann wird etwas daraus . So wie Sie sich das vorstellen, ({3}) dass nämlich die deutsche Bundesregierung hier einfach eine Ordre gibt, kann das Geschäft natürlich nicht funktionieren . Das unterscheidet unseren Politikstil auch von Ihrem . ({4}) Meine Damen und Herren, wir diskutieren über das Thema „Armut und Reichtum“ an diesem Tag vor dem Hintergrund der Veröffentlichung des Jahreswirtschaftsberichts 2016 der Bundesregierung in diesen Minuten . Der Jahreswirtschaftsbericht 2016 lässt einiges Positive erahnen und erhoffen . In ihm wird zum Beispiel ausgewiesen, dass die Wachstumsrate im Jahr 2016 vermutlich 1,7 Prozent betragen wird . ({5}) Ich glaube, das ist doch die ganz entscheidende Botschaft: ({6}) Der beste Weg, Armut zu beseitigen, ist ein vernünftiges Wachstum . Genau dafür sorgt diese Bundesregierung, sorgen die Bundeskanzlerin und der Bundeswirtschaftsminister . ({7}) Ich sage aber auch, weil das in dem Gutachten anklingt und weil es an diesem Tag vielleicht einmal gesagt werden sollte: Dem Vorschlag der Wirtschaftsweisen, den Mindestlohn für die Flüchtlinge zu suspendieren, werden wir nicht folgen . ({8}) Ich finde es schädlich, ich finde es falsch, ich finde es vor allen Dingen nicht richtig, die Flüchtlinge gegen die Niedrigverdiener auszuspielen . Das entspricht nicht unserem Menschenbild . ({9}) Der Markt, meine Damen und Herren, ist nicht alles, sondern der Mensch steht über dem Markt . ({10}) Das ist die Maxime, die wir als christliche Demokraten haben . ({11}) Vielleicht noch ein Wort zu dem Oxfam-Bericht . Auch ich habe ihn gelesen . Darin gibt es natürlich eine ganze Reihe von statistischen Verzerrungen, aber gut . ({12}) - Na ja . Die Wissenschaftler von den Linken haben gesagt: Das stimmt nicht . - Deswegen glaube ich das . Das ist in Ordnung . ({13}) - Der Glaube spielt bei uns eine große Rolle . Das ist wohl wahr . Aber auch das Wissen spielt eine große Rolle . Man muss den Unterschied kennen, gnädige Frau . Die entscheidende Frage ist: Ist Ungleichheit - darauf läuft der Dissens mit den Linken hinaus - schädlich oder nicht schädlich für Gesellschaften? ({14}) Die Antwort darauf ist weder ein einfaches Ja noch ein einfaches Nein . Bei Matthäus zum Beispiel lesen wir sehr deutlich, dass eine Gesellschaft, die in sich selbst gespalten ist, keinen Bestand hat . Das gilt natürlich auch für ökonomische Ungleichheit . Gleichzeitig ist aber ein gewisses Maß an Ungleichheit auch ein Maß an Freiheit und ein Maß, das uns Innovation und Wachstum ermöglicht . Das wollen wir als christliche Demokraten haben . Das entspricht ebenfalls unserem Menschenbild . Unserem Menschenbild entspricht es eben nicht, die Gleichheit zugunsten der Freiheit überzubetonen . ({15}) Ein letzter Gedanke, Herr Kollege Bartsch, was die Entwicklung der Ungleichheit angeht: Wenn man bei Thomas Piketty in seinem Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert nachliest, dann stellt man fest, dass die Entwicklung der Ungleichheit in den westlichen Demokratien in den letzten 80 Jahren deutlich abgenommen hat, um dann in den letzten 20 Jahren moderat zu steigen . Ich glaube, das ist kein Grund für Alarmismus, wie Sie uns das hier vormachen wollen, sondern das ist Grund für eine nüchterne Betrachtung dessen, was wir unter sozialer Marktwirtschaft verstehen: mit einem Ausgleich von Gleichheit und Freiheit . Herzlichen Dank . ({16})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Kerstin Andreae, Bündnis 90/Die Grünen .

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Zimmer, jetzt haben Sie mich an einer Stelle echt enttäuscht . ({0}) Dieser Jahreswirtschaftsbericht und die Betonung auf dem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent: Mein Gott, der Jahreswirtschaftsbericht ist nicht nur ökologisch blind, sondern er ist auch sozial gleichgültig, weil einfach nicht dargestellt wird, wie sich der Wohlstand in dieser Gesellschaft verteilt . ({1}) Ein Streit über die Frage, ob jetzt die Statistik der Oxfam-Studie richtig gerechnet ist oder nicht: Mein Gott, so what! Fakt ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich national und global auseinandergeht . ({2}) Es ist eine Aufgabe für uns alle, dagegen etwas zu tun . ({3}) Natürlich gibt es eindeutig Probleme am unteren Ende der Einkommens- und Vermögensskala; das ist doch offensichtlich . Viel zu viele Menschen haben viel zu wenig . Gleichzeitig verfestigt sich Armut . Dieses Auseinanderdriften schadet einer Gesellschaft . Es schadet dem Zusammenhalt einer Gesellschaft . Es schadet dem Gefühl, dabei zu sein . Es schadet dem Gefühl, an der gesellschaftlichen Entwicklung teilzuhaben . Es ist auch wirtschaftlich schädlich . Ich stelle jetzt nicht die Frage, was es heißt, wenn große Konzerne immer mehr Einfluss auf die Politik nehmen. Das ist vielleicht einmal ein Thema für eine andere Debatte . Aber Existenzängste schaden der Kreativität . Sie schaden der Innovation . Wie sollen sich Menschen, die sich Sorgen machen, ob sie auch noch morgen ihre Existenz sichern können und ob es ihren Kindern gut geht, kreativ entfalten? Deswegen sind dieses Auseinanderdriften und diese Verfestigung von Armut bei den unteren Einkommensschichten einfach auch wirtschaftlich schädlich . Es stünde Ihnen gut an, dies anzuerkennen . ({4}) Als Erstes müssen wir am Arbeitsmarkt ansetzen . Das heißt, wir müssen Menschen mit geringem Einkommen in den Blick nehmen . Was Sie in den letzten Monaten bzw . in dieser Legislaturperiode im Gesundheitsbereich und bei den Renten gemacht haben, hat doch faktisch zur Folge gehabt, dass die Sozialkassen belastet wurden . ({5}) Wenn wir fixe Sozialabgaben haben, dann trifft das vor allem Menschen im unteren Einkommensbereich, weil sich 20 Prozent bei einem geringeren Einkommen stärker auswirken als bei hohen Einkommen . Das heißt, Sie haben mit Ihrer Politik Menschen mit geringem Einkommen überproportional belastet . Auch das hat dazu geführt, dass es ihnen jetzt schlechter geht . ({6}) Ja, der Mindestlohn war absolut richtig . Aber wir haben neue Entwicklungen . Wir erleben eine Digitalisierung am Arbeitsmarkt, die zu den sogenannten Crowd-, Cloud- und Click-Workern führt . ({7}) Faktisch ist das die Entwicklung einer prekären Arbeitsschicht, die Sie in den Blick nehmen müssen . Darüber müssen Sie sich Gedanken machen . Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten . Reden wir doch einmal über Mindesthonorare für diese Gruppen . Reden Sie darüber! Ich fordere im Übrigen auch die Gewerkschaften auf, sich darüber Gedanken zu machen . ({8}) Sehenden Auges laufen wir in die Situation, dass es eine neue prekäre Arbeitsschicht gibt . Machen Sie sich darüber Gedanken! Das stünde tatsächlich an . ({9}) In der Steuerpolitik ist ohne Zweifel viel zu tun . Es ist ein absolutes Unding, dass es bisher nicht gelungen ist, die Abgeltungsteuer abzuschaffen . Warum im Himmel werden Lohneinkommen und Kapitaleinkommen unterschiedlich besteuert? Wir haben den Informationsaustausch . Ihr Argument, wir wüssten nicht, wo die Kapitaleinkommen anfallen, weswegen wir die Abgeltungsteuer von 25 Prozent brauchen, ist hinfällig . Schaffen Sie sie ab! ({10}) Dann gehen Sie tatsächlich an die hohen Einkommen heran . Denn die Abgeltungsteuer ist für Menschen mit hoDr. Matthias Zimmer hen Einkommen, die noch richtig Geld anlegen können, interessant . Aber leider beträgt sie nur 25 Prozent; es gibt keine progressive Besteuerung . Macht das doch endlich! Das sagen im Übrigen alle - ihr sagt es; der Finanzminister sagt es -: Die Abgeltungsteuer kann weg . Letzter Punkt: die Kinderarmut . Sie ist viel zu hoch . Es ist nach wie vor so: Wenn Sie alleinerziehend sind oder eine kinderreiche Familie haben, dann stehen Ihre Chancen gut, dass es Ihnen schlecht geht . Dass Kinder in Deutschland nach wie vor ein Armutsrisiko sind, ist ein absolutes Unding . ({11}) Was das für die Kinder in Bezug auf Teilnahme, Teilhabe, Stigmatisierung, aber auch die Verfestigung von Armut bedeutet, ist hochproblematisch . Die Ganztagsbetreuung, den Ausbau von Kitaplätzen und die Durchlässigkeit im Bildungssystem haben wir rauf- und runterdiskutiert . ({12}) Aber wissen Sie, was mich wahnsinnig ärgert? Das betrifft das Kindergeld . Meine Kinder sind 240 Euro wert, und zwar jedes Kind . Im mittleren Einkommensbereich bekommt man 190 Euro, und bei einer Hartz-IV-Empfängerin wird das Kindergeld voll angerechnet . Mit dem Satz, dass jedes Kind gleich viel wert ist, hat das überhaupt nichts zu tun . Das ist zutiefst ungerecht . Machen Sie etwas dagegen! ({13}) Und schließlich die Erbschaftsteuer .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin, denken Sie an die Zeit .

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich sehe es . Noch ein Punkt . - Einigt euch endlich bei der Erbschaftsteuer! Die Erbschaftsteuer ist eine Gerechtigkeitssteuer . Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wird, dem geht es besser als jemandem, dessen Eltern wenig Geld haben . Diese Gerechtigkeitssteuer müssen Sie in Angriff nehmen . Da müssen Sie etwas tun . ({0}) Wir haben das Problem der Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen . Dieses Problem sehen wir . Aber das Finanzministerium ist gefordert, eine Balance zu finden. Wirtschaftlich vernünftige Vermögensbesteuerung, wirtschaftlich vernünftige Erbschaftsteuer und die Beteiligung von großen Vermögen und Erbschaften an der Finanzierung des Gemeinwesens - das wäre Ihr Job .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Andreae .

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dazu warte ich auf eine Antwort . Da kommt nichts . Danke schön . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Nächste Rednerin ist für die SPD-Fraktion Daniela Kolbe . ({0})

Daniela Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004079, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn so unterschiedliche Organisationen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, aber auch der DGB, die OECD und sogar das Weltwirtschaftsforum das Gleiche sagen, dann ist das zunächst einmal irritierend . Es lässt einen stutzen und ins Grübeln kommen . Es zeigt aber auch, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen . Denn alle gemeinsam sagen, dass die wachsende globale Ungleichheit ein Riesenproblem für unsere Welt ist, das wir dringend angehen müssen . Das sage ich auch Ihnen, Herr Dr . Zimmer, weil Sie gerade von akzeptabler Ungleichheit gesprochen haben . Das, was wir weltweit sehen, ist vollkommen inakzeptabel . ({0}) Diese Ungleichheit ist in vielerlei Hinsicht ein Problem: zunächst einmal für die Betroffenen, für die Ärmsten in den Gesellschaften, die nach den Studien nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen ärmer werden . In manchen Ländern geht es da ums nackte Überleben . Aber auch in Deutschland geht es für die Betroffenen um Lebenschancen, um Teilhabe . Es ist aber auch ein Problem für ganze Volkswirtschaften . Studien der OECD besagen glasklar: Einkommensungleichheit ist eine Wachstumsbremse - auch in Deutschland . Insofern widerspreche ich Ihnen da ganz klar, was das Akzeptieren angeht . ({1}) - Wir führen die Debatte vielleicht an anderer Stelle weiter . Ich habe leider nur fünf Minuten Zeit, und Zwischenfragen kann ich jetzt leider auch nicht zulassen . Ungleichheit ist aber auch an anderen Stellen negativ, nicht nur für die Ärmsten und für die Volkswirtschaft, sondern für alle Betroffenen der jeweiligen Gesellschaft . Das ist unterhaltsam, aber auch sehr erschreckend nachzulesen in dem Buch Gleichheit ist Glück; es ist schon etwas länger auf dem Markt und macht ganz deutlich: In Gesellschaften mit hoher Ungleichheit sind die Menschen unzufriedener, sie fühlen sich unsicherer, und auch das Bildungsniveau nimmt ab . Der Bildungserfolg der Kinder in diesen Gesellschaften nimmt ab . Ich möchte mich hier gar nicht in einzelne Zahlen oder Studien verlieren . Fakt ist doch: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auch in Deutschland aus unserer Sicht zu weit auseinander, und sie schließt sich nicht so, wie wir uns das wünschen . ({2}) Für uns Sozialdemokraten ist es ein Ansporn, und wir sagen selbstbewusst: Wir haben auch schon jede Menge getan . Zur guten Arbeitsmarktsituation in Deutschland sagen wir selbstbewusst: Das haben Sozialdemokraten organisiert . ({3}) Wenn wir uns die Primärverteilung anschauen, also die Einkommensverteilung vor Steuern und Sozialabgaben, dann sagen wir Sozialdemokraten - das ist für uns ein ganz aktuelles, wichtiges Thema -: Wir haben den Mindestlohn umgesetzt und durchgekämpft, wir haben die Tarifbindung gestärkt und werden das weiter tun, und wir regulieren Leiharbeit und Werkverträge . ({4}) Auch für die sekundäre Verteilung - zum Beispiel im Sozialsystem - haben wir einiges getan . Wir sind die Situation von Alleinerziehenden endlich angegangen; denn die sind besonders von Armut bedroht . Wir haben das Thema Langzeitarbeitslosigkeit auf der Agenda . Andrea Nahles hat hier Programme aufgelegt, und wir werden weiter dafür streiten . Und: Wir streiten für eine solidarische Lebensleistungsrente . Die haben wir in den Koalitionsvertrag hineingekämpft, und die muss jetzt auch kommen, um Altersarmut abzumildern . ({5}) Wir wollen auch mehr Steuergerechtigkeit . Ich freue mich, dass wir bei der Finanztransaktionsteuer einer Meinung sind . Wir hatten uns auch andere Dinge vorgestellt, wir haben es nicht im Koalitionsvertrag verhandeln können . ({6}) Aber es bleibt richtig, dass sehr reiche Menschen, dass sehr breite Schultern auch mehr tragen können und müssen . Das gilt insbesondere für Kapitalerträge und für sehr große Erbschaften . Ich rede hier von Villen und nicht von Omas kleinem Häuschen . Aber bei den 25 Prozent haben wir uns an dieser Stelle nicht durchsetzen können . Wer mehr Steuergerechtigkeit durchsetzen möchte, der muss das Kreuz auch an der richtigen Stelle machen . ({7}) Meine Beispiele zeigen auch: Steuern sind wichtig, aber der Staat kann eben auch an vielen anderen Stellen für die Verteilung vieles erreichen . Und wir tun das auch . Zentral ist auch, wie man mit der Verteilungsfrage mental umgeht . Wir Sozialdemokraten sagen: Nicht kleinreden, nicht wegschauen . Wir schauen genau hin . Deswegen haben wir auch den Armuts- und Reichtumsbericht initiiert; dieser wird im Sommer zum fünften Mal vorgelegt werden mit Schwerpunkten wie beispielsweise atypische Beschäftigung, Kinderarmut und auch Reichtum, über den wir in Deutschland erschreckend wenig wissen. Die Beratung findet sehr transparent statt. Sie können sich schon jetzt im Internet informieren . Und ich freue mich auf die wichtigen Debatten zu diesem Bericht noch in diesem Jahr. Denn ich finde, es ist eine ganz zentrale Debatte - nicht, um sich unbedingt zu profilieren, sondern um das Thema anzugehen und zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land zu kommen . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bartsch, Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen: die internationale Steuerverschiebung in Steueroasen . Wir haben nicht erst seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten auf globaler Ebene Probleme damit, dass das Geld nicht dort versteuert wird, wo die Bruttowertschöpfung stattfindet. Interessant ist festzustellen: Obwohl wir seit Jahren darüber reden, erwähnen Sie nicht, dass wir endlich nach einer langen Debatte durch das Engagement von Wolfgang Schäuble erstens einen G-20-Beschluss und zweitens einen OECD-Plan haben, der vorsieht, dass wir das Thema angehen, sowie drittens schon die ersten Erfolge sehen . Das sollte man nicht negieren . Vielmehr sollte man Herrn Schäuble und die Bundesregierung bei ihren Bestrebungen unterstützen . ({0}) Interessant ist ebenfalls - das muss man objektiv sagen -, dass bei den Statistiken über die Vermögensverteilung - das gilt auch für die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts - der Referenzwert bzw . das Basisjahr bei der Interpretation entscheidend ist . Wenn ich 2003 mit 2013 vergleiche, dann erkenne ich, dass der entsprechende Wert gestiegen ist . Wenn ich aber als Referenzjahr 2008 nehme, muss ich konstatieren, dass es nicht nur einen stabilen, sondern einen rückläufigen Trend gibt . Das heißt, die Vermögensunterschiede haben am Rand abgenommen . Ich will mich aber nicht über die Technik und die Quellen streiten . Interessant ist aber ausweislich aller Studien und Statistiken die Tatsache, dass die Vermögensbildung insgesamt, also nicht nur in den unteren Schichten, sondern auch in der Mittelschicht, abnimmt . Einige erklären das mit dem niedrigen Zinsniveau . Trotzdem ist das eine interessante Tatsache . Wir müssen uns die Frage stellen: Was können wir tun, damit es Vermögensbildung auch in den unteren Schichten sowie in der Mittelschicht gibt? Die Wohneigentumsquote in der Europäischen Union sollte uns allen zu denken geben . In Ländern wie Kroatien, Ungarn und Norwegen liegt die Wohneigentumsquote bei 80 bis 90 Prozent . In Frankreich liegt sie bei 65 Prozent und im Vereinigten Königreich bei 64 Prozent . In Deutschland ist nur jede zweite Wohnung selbst bewohntes Eigentum . Damit müssen wir uns befassen . ({1}) Frau Nahles, das Arbeitsministerium sagen zu Recht: Das liegt daran, dass in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland die jungen Leute eher von zu Hause ausziehen, dann Miete zahlen und weniger die Möglichkeit nutzen, Vermögen aufzubauen . Es liegt sicherlich auch am Niedrigzinsumfeld . Nach der Taylor-Regel müssten wir aufgrund der konjunkturellen Situation in Deutschland - das sagen alle Volkswirte - eigentlich einen Zinssatz von 2 Prozent, 2,5 Prozent oder sogar 2,7 Prozent haben . Einen solchen Zinssatz haben wir nicht, weil der EZB aufgrund der bekannten Situation in Südeuropa die Hände gebunden sind . ({2}) So lautet jedenfalls die Argumentation der EZB . ({3}) Ich habe eine andere Meinung . Nicht trotz, sondern wegen des Niedrigzinsumfeldes müssen wir uns mit dem Vermögensaufbau mehr befassen . Wie können wir privates Wohneigentum mehr fördern? Wie können wir die betriebliche und private Altersvorsorge voranbringen? Angesichts des Niedrigzinsumfeldes geht es hier um Akzeptanz . Auch hier sollten wir Herrn Schäuble unterstützen, der das zusammen mit dem Arbeitsministerium federführend macht . Wenn das entsprechende Gutachten vorliegt, reden wir darüber, wie wir die betriebliche und private Altersvorsorge stützen und stärken können; das ist wichtig . Spätestens wenn der Bericht vorliegt, werden wir über die entsprechenden Fragen diskutieren . Herzlichen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Sabine Zimmermann, Fraktion Die Linke . ({0})

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte ich entsetzt sein über das, was ich von Ihnen zu Arm und Reich in unserem Land und auf der Welt gehört habe . Aber ehrlich gesagt, ich habe nichts anderes erwartet . Sie leugnen die himmelschreienden Unterschiede zwischen obszönem Reichtum auf der einen Seite und bitterer Armut auf der anderen Seite in diesem Land . Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Armut nicht nur auf der Welt, sondern auch in unserem Land vorhanden ist . Aber das tun Sie nicht . ({0}) Worum geht es? 10 Prozent gehört mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, und das sind nur Ihre offiziellen Daten . ({1}) - Hören Sie mir bitte zu! Dann werden Sie die Lage in Deutschland vielleicht ein bisschen besser verstehen . ({2}) Wie gesagt, das sind nur die offiziellen Daten Ihrerseits . Ich zitiere einmal die taz: In Wahrheit dürften die obersten 10 Prozent über mindestens 62 Prozent des Volksvermögens verfügen . Genaues weiß man nicht: Reichtum ist anonym in Deutschland . Aber letztendlich ist es auch egal, ob den reichsten 10 Prozent mehr als 2,5 Billionen oder 3,1 Billionen Euro gehören . Ich will einmal plastisch darlegen, wie viel Geld das ist . 2,5 Billionen sind 2 500 mal 1 Milliarde . Was macht man mit so viel Geld? Armut ist kein Thema, auch wenn sie zu sehen ist und wenn sie zunimmt . Man braucht nur hinzuschauen . Man sieht sie jeden Tag in den Kindertagesstätten, in den Schulen, in den Jobcentern, aber auch an den Tafeln . Da scheinen Sie, Herr Zimmer, nie zu sein . Ich will Ihnen eine Zahl nennen, die ich herausgesucht habe . Wir hatten 1994 4 Tafeln in Deutschland . Im Jahr 2003 haben wir 320 Tafeln gehabt . Diese Zahl hat sich seit 2003 verdreifacht . Wir haben über 900 Tafeln . Das ist die Realität in Deutschland . Nehmen Sie die endlich zur Kenntnis . Das ist beschämend . ({3}) Ich selbst - das muss ich Ihnen sagen - bin oft bei den Tafeln. Ich finde es sehr traurig, wenn ich sehe, wie die Kinder in der Schlange stehen und dort ihr Essen abholen, wenn ich sehe, wie Kinder in der Suppenküche stehen, um eine warme Mahlzeit zu erhalten, aber auch wenn ich sie in der Kleiderkammer sehe, wo sie sich eine warme Jacke abholen . Das ist die Realität . Sie können die Armut nicht verstecken . Sie ist da, und man sieht sie; sie ist sichtbar . Auf der Homepage des Sozialministeriums findet sich der folgende, sehr richtige Satz: „Einkommensreichtum bedeutet … ein hohes Maß an Gestaltungs- und Verwirklichungschancen .“ Das gilt aber auch umgekehrt . Armut an Einkommen und Vermögen bedeutet auch, dass man sein eigenes Leben nicht mehr gestalten kann . Es bedeutet, dass man seinen Wohnsitz nicht mehr frei wählen kann, weil die Mieten so hoch sind . Es bedeutet, dass man nicht mehr alles essen kann, was man gern möchte . Biokost ist völlig unbezahlbar . Man kann sich aber auch nicht so kleiden, wie man es gern möchte . Es bedeutet auch einen Ausschluss von sozialen Aktivitäten. So finden zum Beispiel die Besuche von Kino oder Tierpark bei Familien, die im Hartz-IVBezug sind, nicht mehr statt . Das betrifft aber auch Eltern, die im Niedriglohnbereich arbeiten . Das bedeutet, dass man seinen Kindern nicht mehr das kaufen kann, was sie sich wünschen oder was sie brauchen . Das ist Realität . Schauen Sie sich dort einmal um . Das betrifft auch 1 Million Langzeiterwerbslose, die von der Zunahme der Beschäftigung, die Sie immer so schön darstellen - Sie sprechen immer von Boom -, überhaupt nicht profitieren. Aber wir sehen das auch bei Menschen, die arbeiten und von ihrem Lohn nicht leben und ihre Familien nicht ernähren können . Das wird auch nicht besser . Nun sagen Herr Linnemann und auch das Sozialministerium, dass die Kluft zwischen den reichsten Menschen im Lande und der unteren Hälfte in den letzten Jahren statistisch kleiner geworden ist . Ja, aber das liegt daran, dass im Zuge der Wirtschaftskrise Aktien und Wertpapiere an Wert verloren haben . Es hat sich aber nichts daran geändert, dass 30 Prozent bei uns in Deutschland statistisch kein Vermögen, sondern Schulden haben . Daran hat sich nichts geändert . Diese 30 Prozent arbeiten auch im Niedriglohnbereich, und diese 30 Prozent gehen nicht wählen . Diejenigen, die abgehängt sind oder die sich zumindest so fühlen, suchen natürlich nach Schuldigen für ihre Lage . Die AfD, die nicht einmal weiß, wie das Wort „sozial“ geschrieben wird, liefert ihnen die Sündenböcke . Gerade junge Menschen sehen oft keine Perspektive mehr, sie haben das Gefühl, dass für sie nichts getan wird oder dass sie gar nicht mehr zählen . Da ist die Gefahr von rechts besonders groß . Wir brauchen uns bloß die deutsche Geschichte oder den bedenklichen Rechtsruck in ganz Europa anzuschauen . Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin . Es reicht einfach nicht, wegzusehen, wenn Reiche immer reicher werden . Tun Sie endlich das, was auch das Sozialstaatsgebot im Grundgesetz von Ihnen verlangt . Tun Sie endlich etwas gegen die extreme Spaltung in unserer Gesellschaft . ({4}) Führen Sie endlich die Millionärssteuer ein . Danke schön . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächstes hat Kerstin Griese für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Kerstin Griese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen nicht weg . Im Gegenteil: Wir diskutieren über eine ganz wichtige Grundsatzfrage, mit der wir uns im Ausschuss für Arbeit und Soziales oft beschäftigen und die für uns in der SPD ganz zentral ist . In der Tat: Es gibt keine Argumente für eine so große globale Ungleichverteilung von Ressourcen und Vermögen . Es ist ein Skandal, dass weltweit immer noch 1 Milliarde Menschen in extremer Armut lebt . Deshalb geht es auch darum, europaweit und auch weltweit gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen zu fordern . ({0}) Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales waren in Asien und haben sich vor Ort über die unglaubliche Tragödie des Einsturzes des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch informiert und haben an die über 1 100 Menschen, die ihr Leben verloren haben, und an die 2 000 Menschen, die verletzt wurden, erinnert . Insofern geht es auch um weltweite Regeln für gute Arbeitsbedingungen . ({1}) Wenn wir auf den Rahmen schauen, den wir hier in Deutschland gestalten können, wenn wir auf das schauen, was wir hier regulieren können, erkennt man: Man muss die Lage sehr differenziert sehen . Ich will drei Punkte nennen, bei denen man ansetzen kann . Erstens . Es war ein rot-grünes Projekt - ich betone es noch einmal -, die Armuts- und Reichtumsberichterstattung als ständige Aufgabe mit Berichtspflicht zu implementieren. Das war ein guter Schritt. Ich finde es sehr gut, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Prozess jetzt so transparent gestaltet, dass daran alle mitwirken können - es hat extra ärmere Menschen an der Auswertung beteiligt - und dass auch der Reichtum genauer untersucht werden soll . Wir sind auf die Ergebnisse des nächsten Armuts- und Reichtumsberichts gespannt . ({2}) Zweitens . Wenn wir die Ursachen von Armut konkret untersuchen, dann können wir an der richtigen Stelle ansetzen . Es geht um Vermögensentwicklung und Vermögensspreizung - darüber ist schon gesprochen worden -; aber es geht eben auch um Einkommensentwicklung und Einkommensspreizung . Da kann die Politik sehr direkt etwas tun . Interessant ist, dass der letzte Armuts- und Reichtumsbericht ergeben hat, dass bis 2005 die sogenannte qualifikatorische Lohnspreizung zugenommen hatte, dass die Sabine Zimmermann ({3}) Arbeitslosigkeit angestiegen war und dass die Arbeitslosigkeit für eine zunehmende Einkommensspreizung verantwortlich war . Aber seit 2005 hat sich das gedreht und leicht gebessert . Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die wir jetzt zu verzeichnen haben, der Rückgang der Arbeitslosigkeit, all das ist ein wesentliches und entscheidendes Moment, um Armut zu verhindern . ({4}) - Danke schön, Herr Kollege . Übrigens haben wir die strukturellen Reformen am Arbeitsmarkt gemeinsam durchgesetzt, deren Ziel es ja war, viel mehr Menschen die Chance zu geben, durch Arbeit ihr Leben selbstständig zu gestalten und integriert zu werden . ({5}) Das war notwendig, es war im Grundsatz richtig, und es hatte - das ist wichtig für unser Thema - eine positive Beschäftigungsentwicklung zur Folge . ({6}) Wegen der Schieflage im unteren Einkommensbereich haben wir zusätzlich den Mindestlohn eingeführt . Sie von den Linken hätten ja dafürstimmen können - das wäre eine gute Idee gewesen -; dann hätten wir das Mindestlohngesetz in diesem Haus einstimmig verabschieden können . ({7}) Die Linksfraktion hat das leider unterlassen . Wir haben also den flächendeckenden Mindestlohn eingeführt, und alle Horrorszenarien, die von verschiedenen Seiten gezeichnet wurden, haben sich nicht bewahrheitet . Das heißt ganz klar: Aktive Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsmarktreformen, Lohnpolitik, die Einführung des Mindestlohns sind ein Mittel gegen Einkommensspreizung und damit gegen Armut . ({8}) Noch etwas gehört zu diesem Punkt: Wir haben unter anderem mit der Einführung des Mindestlohns die Tarifbindung unterstützt . Wir konnten mehr Branchen motivieren, Tarifverträge abzuschließen . Wir haben die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen verbessert, und wir werden im Bereich der Werkverträge und der Leiharbeit so agieren, dass wir da besonders unterstützen, wo Tarifverträge abgeschlossen werden . Durch Tarifbindung kann die Einkommensverteilung positiv gestaltet werden . Deshalb ist mehr Tarifbindung gut für mehr Gerechtigkeit . ({9}) Drittens - dieser Punkt liegt mir sehr am Herzen -: Armutsbekämpfung muss sich wesentlich der Schwächsten annehmen, nämlich der Kinder; denn die Zahl der Kinder, die in Familien geboren werden, in denen es so etwas wie vererbte Armut gibt, ist leider groß, und sie wird auch größer . Es gibt Kinder, die schon in der Schule auf die Frage nach ihrem Berufsziel antworten, sie wollten „Hartzer“ werden . Die Chancen dieser Kinder, einmal ein selbstbestimmtes, das heißt ein selbstfinanziertes Leben zu führen, sind, das wissen wir, leider nicht gut . Deshalb ist es so wichtig, dass wir noch mehr in eine gute und leistungsfähige Infrastruktur für Kinder investieren . Wir haben schon viel getan . Beim Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der Ganztagsschulen sind wir in den letzten Jahren einen Riesenschritt vorangekommen . In diesem Zusammenhang danke ich den Familienministerinnen, angefangen bei Renate Schmidt und Christine Bergmann bis hin zu Manuela Schwesig . ({10}) - Frau von der Leyen hat unsere Politik wunderbar umgesetzt; ({11}) dafür waren wir ihr sehr dankbar . Der Ausbau der Kinderbetreuung war in der letzten Großen Koalition eines der Gewinnerthemen . Besonders benachteiligt sind weiterhin die alleinerziehenden Mütter . Deshalb muss für sie mehr getan werden . Ich denke an Angebote zur vorschulischen und schulischen Bildung, die Müttern den Einstieg in Erwerbsarbeit ermöglichen, und daran, Kinderbetreuung flexibel zu gestalten . All das ist konkrete Politik gegen Armut, damit sich Armut nicht vererbt, damit jedes Kind gute Bildungschancen hat und einen geregelten Tagesablauf erleben kann und damit jeder Mensch die Chance hat, gegen Armut selbst anzugehen . ({12}) Mein letzter Punkt . Interessant ist, dass alle Studien betonen, dass soziale Ungleichheit auch der wirtschaftlichen Entwicklung schadet; wir haben es heute schon gehört . Es gibt also einen Grund mehr dafür, dass wir uns nicht ausruhen, sondern für die soziale Teilhabe aller Menschen, für die Teilhabe an Arbeit und ganz besonders für gute Chancen für alle Kinder kämpfen . Vielen Dank . ({13})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Wolfgang Strengmann-Kuhn das Wort .

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, dass vielen Rednerinnen und Rednern, gerade von der Großen Koalition, die Brisanz der Lage nicht wirklich klar ist . ({0}) Wir haben eine Situation, in der der soziale Zusammenhalt in Deutschland tatsächlich bedroht ist . Gerade heute gab es in der FAZ eine Umfrage von Allensbach zu lesen, nach der die Menschen Existenzängste haben, und diese Existenzängste drücken sich in fehlender Wahlbeteiligung aus, drücken sich auch aus in 13 Prozent für die AfD; so gestern in der Umfrage von INSA nachzulesen . Die Menschen haben Angst, und der soziale Zusammenhalt ist bedroht . Dagegen müssen wir gemeinsam etwas tun . ({1}) Es wird immer viel über die Zahlen gestritten . Aber eindeutig ist: Die Armut in Deutschland ist viel zu hoch . Es sind 15 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut betroffen . Das kann man über die Grundsicherung berechnen; das kann man über Armutsquoten berechnen . Das ist die Größenordnung, und es sind definitiv zu viele: 12 Millionen Menschen . Wenn man sich die Zahlen anguckt, stellt man fest: Daran hat auch die gute ökonomische Situation nichts geändert . Die Arbeitslosenzahlen gehen runter, aber die Armutsquote bleibt mindestens konstant . Ein Ergebnis ist, dass wir zunehmend mehr erwerbstätige Arme in Deutschland haben, und das ist ein Skandal, den wir dringend bekämpfen müssen . ({2}) Es kann nicht sein, dass Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, nicht viel mehr haben als Leute, die weniger arbeiten . ({3}) - Jetzt kommt der Mindestlohn als Antwort . ({4}) Ich bin jemand, der mindestens 20 Jahre für den Mindestlohn gestritten hat . ({5}) Der Mindestlohn war eine gute Sache, eine der wenigen guten Sachen, die die Große Koalition gemacht hat . ({6}) Aber was das Thema Armut angeht, hat der Mindestlohn fast keine Wirkung . Es gibt jetzt die ersten Zahlen zu den Aufstockern; die haben wir im Ausschuss behandelt . Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Erwerbstätigen, die aufstocken, ist sogar gestiegen . Das heißt, trotz Mindestlohn haben wir einen Anstieg von Armut bei Erwerbsarbeit . Das war für mich als jemand, der darüber seine Doktorarbeit geschrieben hat, auch nicht überraschend, weil die Ursachen von Armut trotz Erwerbstätigkeit vielfältig sind . Es sind nicht nur die Löhne - das ist ein Grund -; ein wesentlicher Grund ist, dass Erwerbstätige Kinder haben, und im Hinblick darauf nützt auch der Mindestlohn nichts . Das heißt, an dieser Stelle müssen wir ansetzen, dass Familien mit Kindern in Deutschland nicht mehr von Armut bedroht sind . ({7}) Das heißt, wir müssen definitiv noch einmal das Thema Kindergrundsicherung angehen . Die Kollegin Kerstin Andreae hat schon gesagt: Wir müssen dahin kommen, dass uns wirklich jedes Kind gleich viel wert ist . - Das ist ein wesentlicher Punkt . Wir haben, was den sozialen Zusammenhalt angeht, auch ein Problem am oberen Teil der Einkommens- oder Wohlfahrtsverteilung . Wir haben eine wachsende Gruppe von Vermögenden, die von der Gesellschaft abgespalten ist und ihrer solidarischen Verpflichtung nicht mehr nachkommt . ({8}) Es sind viele Statistiken genannt worden . Der Kollege Linnemann hat die EVS angesprochen . Dazu muss ich als Statistiker sagen: Da fehlen die ganz Reichen . Es gibt da eine Abschneidegrenze; die liegt bei einem Einkommen von 18 000 Euro im Monat . Das ist nicht wenig Geld . Die wirklich Reichen sind nicht in dieser Statistik . Wenn man sich nicht nur Piketty anguckt, sondern auch seine Mitstreiter Anthony Atkinson und andere, stellt man fest, dass Einkommen und Vermögen der oberen 1 Prozent die sind gar nicht in der EVS - ganz stark gestiegen sind, auch in Deutschland . ({9}) - Es ist europaweit gestiegen, aber in Deutschland besonders stark . In der Euro-Zone ist die Vermögensverteilung in Deutschland am ungleichsten . Auch das müssen wir angehen . Wir müssen wieder mehr Vermögensgleichheit hinkriegen . Aus sozialen Gründen, aber auch aus ökonomischen Gründen müssen wir darangehen . ({10}) Die Vermögensverteilung ist nicht nur in Deutschland und in Europa oder in der Euro-Zone ein Problem, sondern auch weltweit . Die Zahlen von Oxfam sind genannt worden . Man kann sich über die Methode streiten, aber deutlich ist, dass die Zahl der Menschen, die so viel Vermögen haben wie die untere Hälfte auf der Welt, sogar sinkt . Auch an dieser Stelle ist zu sagen: Der Reichtum der einen ist die Armut der anderen . Ganz deutlich muss man sagen: Wenn wir nicht an den Reichtum dieser Vermögenden herangehen, werden wir die großen globalen Probleme - das geht von globaler Armut bis hin zum Klimawandel oder zur Klimakatastrophe - nicht bewältigen . Auch das sind Fragen der sozialen Gerechtigkeit . Das müssen wir unbedingt zusammendenken . Nur wenn wir das anpacken, kriegen wir es auch hin, insgesamt in der Welt, in Europa und in Deutschland den sozialen Zusammenhalt wieder herzustellen . Da müssen wir alle gemeinsam ran . Vielen Dank . ({11})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt die Kollegin Antje Lezius das Wort . ({0})

Antje Lezius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004341, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Aktuellen Stunde reden wir über die jüngsten Studien zur Vermögensverteilung . Die Organisation Oxfam - sie wurde ja schon häufig genannt - hat beispielsweise mit ihrer neuesten Studie viel Aufmerksamkeit erregt . Was in solchen Berichten gemessen wird, ist die Verteilung von Einkommen, aber nicht von Armut . Eine gerechte Welt ohne Armut: Wer wollte das nicht, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen? Laut Statistischem Bundesamt sind diejenigen in Deutschland von Armut bedroht, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung auskommen müssen . Die Hilfsorganisation World Vision definiert den Begriff der Armut auf drei Arten: Die absolute Armut ist existenzbedrohend; weltweit sind 1,2 Milliarden Menschen betroffen, weil sie nicht in der Lage sind, ihre lebenswichtigen Grundbedürfnisse zu decken . In Deutschland haben wir es im Regelfall mit den beiden anderen Arten der Armut zu tun . Neben der gefühlten Armut, die sich einstellt, wenn sich Menschen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation diskriminiert fühlen, bezeichnet die relative Armut eine Unterversorgung an materiellen und immateriellen Gütern im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft, in der sie leben . Wir müssen diese Arten der Armut voneinander unterscheiden, um den Betroffenen gerecht zu werden und angemessen helfen zu können . Wir haben das große Glück, in Deutschland ein funktionierendes soziales Sicherungssystem zu haben, das garantiert, dass niemand lebensbedrohlicher Armut ausgesetzt ist . ({0}) Darüber hinaus haben wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, das die Heilung von Krankheit eben nicht von der individuellen finanziellen Lage abhängig macht . ({1}) Darauf können wir stolz sein . ({2}) Unterversorgung kann allerdings auch emotional gegeben sein oder aus kultureller Armut bzw . Bildungsarmut bestehen . Hier ergeben sich Ansatzpunkte, wie wir die am meisten von Armut Betroffenen - Alleinerziehende, Kinder oder Langzeitarbeitslose; das wurde schon angesprochen - erreichen können . Die beste Armutsbekämpfung ist die Bekämpfung ungleicher Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . Alleinerziehende Frauen sind zum Beispiel auf Einkommen angewiesen . Aber auch Frauen mit Partnern und Kindern arbeiten zu 40 Prozent wegen der familiären Verpflichtungen nicht. Hieran müssen wir arbeiten; hier sind Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie entscheidend . Hierzu zählen nicht nur Maßnahmen zur Kinderbetreuung, sondern auch die Arbeitszeitflexibilisierung. Durch den demografischen Wandel wird sich auch die Arbeitswelt verändern . Mit dem Dialog „Arbeiten 4 .0“ werden wir in diesem Jahr gemeinsam mit dem BMAS auf politischer Ebene die Leitplanken setzen, um die Rahmenbedingungen für weiterhin gute Arbeit zu schaffen . ({3}) Zur Debatte über Armut und die Bekämpfung von Armut gehört aber auch die Debatte über Reichtum . Das Bild, das die Kolleginnen und Kollegen von den Linken in uns wachrufen wollen, ist das des milliardenschweren Konzernchefs. Darüber werden häufig diejenigen vergessen, die mit ihrer Leistungsbereitschaft und ihrem Unternehmergeist den Wohlstand unseres Landes zu einem großen Teil miterwirtschaften . ({4}) Hierbei handelt es sich nicht um den sprichwörtlichen Krösus mit Konten in den Steuerparadiesen dieser Welt, sondern häufig um mittelständische Unternehmen, die 99,6 Prozent aller privatwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland ausmachen und 59,4 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in diesem Land schaffen . Ohne Arbeitsplätze auch kein Einkommen! ({5}) Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der Wohlstand dieses Landes hängen außerdem entscheidend von gut ausgebildeten Arbeitnehmern ab . So ist Bildung nicht nur von zentraler Bedeutung, um durch Erwerbstätigkeit Armut zu durchbrechen, sondern auch der Stellenwert von Bildung an sich ist nicht zu unterschätzen; denn je mehr Bildung vorhanden ist, desto mehr sind Menschen in der Lage, für sich selbst zu sorgen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ehrliche, verantwortungsbewusste Politik ist das Gegenteil von Sozialfolklore . Sie kümmert sich um die Menschen, die Hilfe benötigen . In unserer Gesellschaft ist der Begriff der Solidarität mit dem Schwächeren keine Worthülse . Ich glaube, in diesen Tagen können wir das auch daran sehen, was die Kanzlerin alles leistet . Wir haben das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft . Wir setzen darauf, Wettbewerb und wirtschaftliche Leistung mit sozialem Ausgleich und ökonomischer und sozialer Teilhabe zu verbinden . Wir bieten keinen allumfassenden und allversorgenden Staat, aber Hilfe zur Selbsthilfe für mündige Bürger . Vielen Dank . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächster hat der Kollege Ralf Kapschack, SPD-Fraktion, das Wort . ({0})

Ralf Kapschack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004321, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich nehme Sie mal kurz mit auf eine Zeitreise in das Jahr 1980 . ({0}) Da gab es eine Diplomarbeit eines jungen, hoffnungsvollen Wirtschaftswissenschaftlers an der Uni Bochum . Das Thema war: Ökonomische Aspekte der Diskussion über die neue soziale Frage - Armut in der Bundesrepublik . Neue soziale Frage - das war damals ein politischer Kampfbegriff, unter anderem von Heiner Geißler, dem Generalsekretär der CDU . ({1}) - Ich komme gleich noch einmal darauf zurück . - Neue soziale Frage, weil die alte, nämlich der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, angeblich erledigt war und sich neue Probleme ergeben hätten . Neue Probleme, weil bestimmte Gruppen nicht mehr ausreichend vertreten wurden . Das Ergebnis der Diplomarbeit war: Vor allem Arbeitslose, kinderreiche Familien, ältere alleinstehende Frauen waren von Armut bedroht, und das hatte - wenig überraschend - auch etwas mit dem sozialen Status zu tun . Insofern war die alte Frage nicht beantwortet . Das ist jetzt mehr als 30 Jahre her . Doch an den Armutsrisiken für diese Gruppen hat sich wenig geändert . Andere sind dazugekommen, wie zum Beispiel Solo-Selbstständige zugegeben . Das hat auch mit unserem System der sozialen Sicherung zu tun . Es ist differenzierter geworden, ja, komplizierter auch und an der einen oder anderen Stelle bestimmt gerechter . Viele beneiden uns um dieses System; aber ich finde, es ist noch Luft nach oben. Altersarmut zum Beispiel, meinen ja einige, sei eigentlich gar kein Thema, weil deutlich weniger ältere Menschen Grundsicherung beziehen als der Durchschnitt der Bevölkerung . Das stimmt . Das stimmt, allerdings steigt die Zahl der Menschen, die als Rentner Grundsicherung beziehen, ständig an . Das hat auch damit zu tun, dass Rentnerinnen und Rentner künftig immer weniger auf eine ununterbrochene lange und gut bezahlte Erwerbstätigkeit zurückblicken können, eine Erwerbstätigkeit, die ein gesichertes Alterseinkommen sicherstellen soll . Auch da ist, wie man feststellt, wenn man sich das ansieht, das Risiko sehr ungleich verteilt . Rente ist ein Spiegel der Erwerbsbiografie. Wer, wie überwiegend Frauen, wenig, in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet hat, bekommt im Alter die Quittung dafür und kann daran nichts mehr ändern . Deshalb ist alles, was qualifizierte Erwerbstätigkeit fördert und notwendige Familienzeiten für die Rente absichert, gut gegen weibliche Altersarmut . Deshalb brauchen wir Möglichkeiten für Frauen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen - wir arbeiten daran . Deshalb brauchen wir ein Entgeltgleichheitsgesetz, das die Diskriminierung von Frauen beendet - wir arbeiten daran . ({2}) Deshalb brauchen wir auch - das ist schon angesprochen worden - eine Solidarrente, meinetwegen auch eine solidarische Lebensleistungsrente . ({3}) Von dieser Rente würde zum Beispiel auch meine Mutter profitieren, die nach der Ausbildung früh geheiratet hat und sich dann um Familie und vier Kinder kümmerte . Sie hat jahrzehntelang kleinere Jobs auf Steuerkarte gemacht . Das Ergebnis sind 500 Euro Rente . 500 Euro Rente für ein Leben voller Arbeit - und das ist ja nun wirklich kein Einzelfall . Das ist ungerecht, und deshalb wollen wir das ändern - wir arbeiten daran . ({4}) Natürlich werden wir uns auch damit beschäftigen müssen, wie die Alterssicherung insgesamt stabilisiert und verbessert werden kann . Und das kostet Geld, völlig klar . Aber damit eines klar ist: Auch die Wohlhabenden profitieren langfristig davon, wenn es gerechter zugeht. Das ist nicht meine Erkenntnis, sondern zum Beispiel die von Klaus Engel, dem Chef des Energiekonzerns Evonik . Sozialer Frieden ist ein Standortfaktor, der nicht zu unterschätzen ist . ({5}) Um diesen sozialen Frieden zu sichern, braucht der Staat Geld, auch, um Armut bekämpfen zu können . Die stärkere Besteuerung hoher und höchster Einkommen und Vermögen bleibt deshalb für mich auf der Tagesordnung trotz sprudelnder Steuereinnahmen . Ich würde da nicht allein auf Wachstum setzen . ({6}) Zum Schluss noch zwei Bemerkungen . Heiner Geißler ist mir heute deutlich sympathischer als vor 30 Jahren; ich habe den Eindruck, in den eigenen Reihen ist das nicht so . ({7}) Ganz zum Schluss: Armut ist keine Schande; aber das ist das einzig Gute, was man darüber sagen kann . Vielen Dank . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächstes hat der Kollege Matthäus Strebl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . ({0})

Matthäus Strebl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002940, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Reichtum und Armut zu thematisieren, bietet zweifelsfrei Raum für eine emotionale Debatte . Bereits im Juni und im Oktober letzten Jahres haben wir hier im Plenum über den zukünftigen Armuts- und Reichtumsbericht diskutiert . Der neue Bericht liegt zwar immer noch nicht vor, aber wir widmen uns erneut weiteren Armuts- und Reichtumsstudien . Vorgestellt wurden sowohl die neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes als auch die Oxfam-Studie . Natürlich werden die Zahlen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auch in den Armuts- und Reichtumsbericht einfließen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, neben Themen wie „potenzielles Armutsrisiko“ oder auch „soziale Sicherheit“ wird sich der Bericht auch mit neuen Fragestellungen befassen, ja befassen müssen . Konkret meine ich damit - erstens - die Auswirkungen atypischer Beschäftigungsformen und - zweitens - das Armutsrisiko von jungen Erwachsenen . Ich kann nur begrüßen, dass wir neben den allgemeinen Themen diese zwei zusätzlich in den Fokus nehmen . Und wir wollen erreichen, dass insbesondere junge Menschen gute Startmöglichkeiten haben. Eine fehlende berufliche Ausbildung oder Qualifikation kann dazu führen, dass ein sozialer Aufstieg erschwert wird oder schneller ein Arbeitsplatzverlust droht . Deshalb wollen wir erreichen, dass immer mehr jüngere Menschen eine Ausbildung absolvieren, statt Hilfstätigkeiten auszuüben . ({0}) Werte Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Bericht, der in den letzten Tagen ausführlich in den Medien thematisiert wurde, ist die Oxfam-Studie . Diese Studie, die zweifelsfrei auch in Deutschland sehr umstritten ist, stellt die These auf, dass wenigen Reichen die halbe Welt gehört . Es ist natürlich unstreitig, dass es in Deutschland Menschen gibt, die ein erhebliches Vermögen haben . Ich möchte aber in dieser Debatte ausdrücklich darauf hinweisen: Was dabei oft vergessen wird, ist, dass die meisten reichen Menschen durch ihre Unternehmen vielen Beschäftigten Arbeitsplätze sichern - gute Arbeitsplätze sichern, Ausbildungsplätze sichern . Und das muss auch in dieser Debatte einmal gesagt werden . Ein unschlagbares Werkzeug gegen Armut und sozialen Abstieg sind eine gut funktionierende Wirtschaft und in erster Linie ein Arbeitsplatz . ({1}) Durch den von der Großen Koalition beschlossenen Mindestlohn - es wurde schon gesagt - haben wir einen weiteren Schritt zur Stärkung der sozialen Sicherheit getan . Seit der Einführung des Mindestlohns ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb freue ich mich - alle sollten sich freuen - über die auch im europäischen Vergleich guten Zahlen zum Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit ist 2015 erneut gesunken . Sie lag im letzten Jahr bei 6,4 Prozent und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozentpunkte gesunken . Die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern ist gestiegen . Im Dezember 2015 waren 93 000 offene Stellen mehr bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet als im Vorjahr . 2015 waren so wenige Menschen arbeitslos wie im Jahr 1991 . Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte im Jahresdurchschnitt 43 Millionen und damit den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung . ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind die Ergebnisse der Arbeitsmarktpolitik dieser Koalition . Bei der ganzen Diskussion über Indikatoren wie soziale Sicherheit, Einkommensverteilung und Investitionen in soziale Bildung dürfen wir nicht vergessen, dass es eine Gleichheit in der Gesellschaft, im Arbeitsleben und beim Vermögen nicht gibt . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben unterschiedliche Fähigkeiten, Erwartungen und auch Motivationen . ({3}) Sie bewerten Ihre Ziele im Leben unterschiedlich, also was Sie erreichen wollen und können, und auch, wie viel Zeit und wie viel Engagement sie in ihre Bildung und Weiterbildung investieren wollen . Hier lautet das Stichwort - das dürfen wir bei der ganzen Diskussion nicht vergessen; auch darüber müssen wir hier reden -: Chancengerechtigkeit . Das sollten wir uns vor Augen halten . Letztendlich sind wir von der Großen Koalition genauso an dem Armuts- und Reichtumsbericht interessiert wie die Opposition . Ich hoffe, dass bei unserer nächsten Diskussion zu diesem Thema im Plenum der Bericht dann vorliegt . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Kai Whittaker, CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Kai Whittaker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Wenn ich mir die Reden der Opposition so anhöre, komme ich nur zu einem Fazit: Je komplizierter die Lage, desto einfacher haben es die schrecklichen Vereinfacher . ({0}) Liebe Frau Kollegin Zimmermann, Sie haben hier die Frage gestellt, was man mit 2 oder 3 Billionen Euro eigentlich anfängt . Es ist doch nicht so, dass die wie bei Dagobert Duck in irgendwelchen Geldspeichern liegen, sondern sie sind investiert in Firmen, in Anlagekapital und in Produktionskapital, womit viele Millionen Menschen in diesem Land ihr tägliches Brot erarbeiten . ({1}) Ich möchte zwei Studien ansprechen, die in den letzten Monaten diskutiert worden sind . Da ist zum einen der Armutsbericht 2014 . Darüber schreibt der Paritätische Wohlfahrtsverband Folgendes: Noch nie war die Armut in Deutschland so hoch und noch nie war die regionale Zerrissenheit so tief wie heute . Deutschland ist … eine … zerklüftete Republik . ({2}) Die Oxfam-Studie hat vor kurzem nachgelegt; sie wird in der Zeit wie folgt zusammengefasst - Zitat -: Die reichsten 62 Personen des Planeten besitzen zusammen 1,76 Billionen Dollar - ebenso viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit, rund 3,5 Milliarden Personen . ({3}) Aber bei aller Liebe zur Lust am Untergang, meine Damen und Herren: Bevor man schreit, dass das Schiff sinkt, sollte man erst einmal nachschauen, ob es ein Leck hat . Schauen wir uns die Zahlen doch einmal an: Die Oxfam-Studie nutzt Daten der Credit Suisse, bei denen es um das Nettovermögen geht, also das Vermögen minus die Schulden . So kann man wirklich absurde Fälle von Armut kreieren . Ein Beispiel: Eine Familie - Vater, Mutter, zwei Kinder - erbt ein Haus und nimmt einen großen Kredit auf, um es zu renovieren . Diese Familie ist laut Statistik nach dem Erbfall ärmer, als sie es vorher war, aber objektiv ist sie es nicht, weil sie in ihren eigenen vier Wänden lebt . ({4}) Die Statistik ist darüber hinaus wirklich wenig stichhaltig . Das stellt man fest, wenn man sich anschaut, wo laut dieser Statistik die ärmsten 10 Prozent der Menschen leben . Auf Platz eins liegt Indien mit einem Anteil von 16 Prozent - so weit, so gut . Auf Platz zwei mit 7,5 Prozent, sehr überraschend, liegen die USA, gefolgt von Bangladesch und Pakistan . China taucht in der Statistik übrigens überhaupt nicht auf . Es gibt keine armen Chinesen; das liegt wahrscheinlich am erfolgreichen Kommunismus in China . - Das sollte doch zu denken geben . Beim Armutsbericht sieht die Sache etwas anders aus . Da muss man genau hinschauen, wie man die Zahlen interpretiert . Armut droht bei einem Einkommen von unter 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens; in Deutschland sind das ungefähr 890 Euro . Wenn ein Student bei seiner Familie daheim wohnt, dann gehört er zur Mittelschicht . Aber wenn derselbe Student am nächsten Tag auszieht und von seinen Eltern nun 750 Euro im Monat bekommt, dann ist er statistisch über Nacht verarmt . ({5}) Ich persönlich sehe das anders . Es ist für mich ein Zeichen von Wohlstand, dass immer mehr junge Menschen studieren gehen und in ihren eigenen vier Wänden leben können . ({6}) Damit will ich nicht sagen, dass es keine armen Studenten gibt, die zwei Jobs brauchen, um sich über Wasser halten zu können . Aber diese Statistik schert beide Studenten über einen Kamm; sie erfasst die tatsächliche Armut in diesem Land nicht . ({7}) Schauen wir uns die regionalen Armutsstudien an . In Bayern liegt das Armutsrisiko bei 11,5 Prozent, in Thüringen bei 17,8 Prozent . Ich bin schon einmal von Bayern nach Thüringen gefahren, und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich aus dem Paradies vertrieben und ins Elend hineingetrieben wurde . ({8}) Der Grund ist auch ein ganz einfacher, Herr Kollege: Mit 800 Euro kommt man in München nicht sehr weit, aber in Schmalkalden kommt man damit schon etwas weiter . Der Zauber ist der Kaufkraftunterschied . Den muss man berücksichtigen . Wenn man ihn berücksichtigt, dann schmilzt der Unterschied auf 1 Prozent . Mit anderen Worten: In Thüringen ist die Armut nicht viel größer als in Bayern . ({9}) Zumindest war das bis 2014 so . Ob es so bleibt, liebe Linke, werden wir spätestens bei der nächsten Landtagswahl merken . Ich könnte weitere ähnliche Beispiele bringen . Fakt ist jedoch: Die Angstüberschriften passen nicht zur Lebenswirklichkeit der Menschen in diesem Land . Wir haben die geringste Arbeitslosenquote seit 1990; wir haben so viele Erwerbstätige wie noch nie; die Reallöhne steigen seit sieben Jahren konstant an; die Sozialabgaben sind stabil - das ist die konkrete Wahrheit in diesem Land . ({10}) Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich dachte eigentlich, dass Sie von den Linken der Wahrheit sehr nahe stehen . Auch Lenin hat ja erkannt, dass die Wahrheit immer konkret ist; aber das scheint ja heute in dieser Aktuellen Stunde relativ wenige von Ihnen zu interessieren . ({11}) Wenn wir Einkommens- und Vermögensunterschiede wirklich bekämpfen wollen, dann durch Arbeitsplätze und gute Wirtschaft . ({12}) Das lehrt die Geschichte; denn ebenso wie die Arbeitslosigkeit in diesem Land unter Rot-Grün bis 2005 kontinuierlich angestiegen ist, hat auch die Einkommensungleichheit zugenommen; seit 2005, seitdem wir in der Bundesregierung sind, geht die Einkommensungleichheit zurück . ({13}) Diesen Erfolg wollen wir fortsetzen, ({14}) indem wir es den Menschen ermöglichen, endlich wieder Vermögen aufzubauen, statt es ihnen sofort wieder wegzunehmen, wie Sie es wollen, liebe Linke . Vielen Dank . ({15})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Die Aktuelle Stunde ist beendet . Wir sind gleichzeitig am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28 . Januar 2016, 9 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen .