Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/4/2015

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle . Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir vor Eintritt in unsere Tagesordnung noch einen Geschäftsordnungsantrag behandeln müssen . Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS zu erweitern und heute Morgen als ersten Tagesordnungspunkt mit einer Debattenzeit von 77 Minuten zu beraten . Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion . ({0})

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Präsident hat ausgeführt, worum es bei dieser Aufsetzungsbitte geht . Wir möchten, dass heute in zweiter und dritter Lesung über das Bundeswehrmandat zum Einsatz in Syrien beraten und dann auch darüber abgestimmt wird . Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang . ({0}) Wenn zwischen den Fraktionen Einvernehmen besteht, dann geschieht das in der Regel bei solchen Ansinnen ohne Geschäftsordnungsdebatte . Heute haben wir dieses Einvernehmen nicht erzielt . Deswegen müssen wir diese Debatte führen und später darüber abstimmen . Aber warum haben wir diesen Antrag überhaupt eingebracht? Wir haben ihn eingebracht, weil wir die Entscheidung über dieses Thema für abstimmungsreif halten. Es gibt ein klar definiertes Mandat. Das ist bekannt,  seit Frankreich die Bitte an uns gestellt hat, konkrete Unterstützung zu leisten . Es gab dann eine Sondersitzung des Kabinetts, in der dieses Mandat konkretisiert wurde, und es gab Zeit, in den Fraktionen und in den Ausschüssen darüber zu beraten . In der Befragung der Bundesregierung am Mittwoch standen der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und die Bundesverteidigungsministerin Frau von der Leyen zur Verfügung . Es gab dann die Möglichkeit, bei der Einbringung des Antrags in der ersten Lesung Fragen zu stellen und alle Bedenken zu äußern . Deswegen glauben wir, dass alle notwendigen Informationen gegeben wurden . ({1}) Es mag sein, dass trotz dieser Informationen Kolleginnen und Kollegen diese Entscheidung heute nicht mittragen und den Antrag ablehnen werden . Die gibt es auch in den Reihen der SPD-Fraktion . Es sind aber grundsätzliche Erwägungen, die diese Entscheidung leiten, und sie werden sich auch nicht dadurch verändern, dass wir eine weitere Woche darüber diskutieren . Denn wenn man eine solche grundsätzliche Einstellung zu militärischen Einsätzen hat, dann wird einen auch weitere Beratungszeit nicht davon abbringen . ({2}) Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die die Rechtsgrundlage infrage stellen . Sie teilen diese Rechtsauffassung nicht . Auch das ist zu respektieren . Aber auch da würde eine weitere Beratung nicht helfen, weil dieses Mandat nicht verändert werden würde . ({3}) Deswegen würde sich die Entscheidung auch in zwei Wochen nicht auf andere Rechtsgrundlagen stützen . Deswegen sind wir der Meinung, eine weitere Beratung würde die Entscheidung in all diesen Fragen nicht beeinflussen.  Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Tagen war das Wort „Schweinsgalopp“ zu hören . Als Kritik wurde geäußert, das sei alles im Hauruckverfahren erfolgt und man müsse noch ausführlich darüber debattieren . Es ist kein ungewöhnlicher Vorgang, wie wir in dieser Woche verfahren haben . Er sollte nicht zur Regel werden, aber es ist wahrlich kein ungewöhnlicher Vorgang . Ich bin seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages und habe schon die eine oder andere Frage mitentschieden, die noch in ganz anderen Zeitabläufen beraten wurde . Ich denke dabei insbesondere an meine Anfangszeit, als es mich auch sehr beeindruckt hat, in welcher Geschwindigkeit über manches abgestimmt wird . ({4}) Ich kann mich noch an Mandate zum Einsatz im Kosovo, in Albanien, in Osttimor erinnern . Aber besonders in Erinnerung ist mir der Afghanistan-Einsatz 2001 . Dafür gab es am 21 . Dezember einen Kabinettsbeschluss . Er wurde am 21 . Dezember dem Bundestag zugeleitet . Am 22 . Dezember gab es die erste Lesung im Bundestag . Es gab die Ausschussberatung am 22 . Dezember . Am 22 . Dezember, also innerhalb von zwei Tagen, gab es dann auch die zweite und dritte Lesung . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist 2001, wie man unschwer erkennen kann, unter Rot-Grün geschehen . Das zeigt: Es gibt besondere Situationen, die solche Zeitabläufe notwendig machen . Bei Afghanistan war das so . Wir meinen, es ist auch heute so, um Solidarität zu zeigen mit Frankreich, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit dem Ansinnen, das die französische Regierung an uns gerichtet hat . Die Fragen, die gestellt wurden, sind beantwortet . Ich glaube, es ist Zeit, dass wir heute in dieser Debatte die Hintergründe für die jeweilige Entscheidung austauschen - dafür ist Zeit; das sollten wir tun - und dann auch abstimmen, und zwar heute . Vielen Dank . ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Sitte hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke . ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lambrecht, es ist kein normaler Vorgang; es ist ein ungewöhnliches Verfahren . ({0}) Dass Sie ausgerechnet Afghanistan als Beispiel anführen! Das ist genau das Beispiel, das uns lehren sollte: Macht es anders! Lasst euch mehr Zeit! Überlegt mehr! ({1}) Wir wissen ja nach 14 Jahren Afghanistan, wie die Ergebnisse sind . Heute geht es um nichts Geringeres als einen Beschluss über den bislang größten Kampfeinsatz der Bundeswehr . Wir haben derzeit 3 040 Soldaten im Ausland im Kampfeinsatz, und heute sollen 1 200 dazukommen . Das alles soll das Parlament innerhalb von drei Tagen entscheiden . Das heißt, wir entscheiden hier innerhalb von drei Tagen, ob Deutschland wieder in den Krieg zieht oder nicht . Wir wollen uns als Opposition nicht im Tornado-Tempo in diese Debatte und in diesen Krieg hineinziehen lassen . ({2}) Wir haben schon vor diesen Debatten im Bundestag, also in der letzten Woche, versucht, Einzelheiten über den Kampfeinsatz zu erfahren . Es gab verschiedene Informationen und von uns immer wieder Nachfragen: Wie sollen die Einzelheiten dieses Kampfeinsatzes aussehen? Da haben wir die Information bekommen: Nein; ist noch nicht bekannt; dazu können wir noch gar nichts sagen . So weit, so gut; so weit, so unglaubwürdig, ({3}) weil nämlich am letzten Sonntag in den überregionalen Medien genau diese Informationen gekommen sind . ({4}) Die Journalisten haben gesagt: Uns liegt die Vorlage vor, die an den Bundestag geht . - Das ist ein unglaublicher Vorgang, den Sie hier organisiert haben . ({5}) Nicht genug damit, dass uns diese Informationen nicht schon am Sonntag oder Montag zugegangen sind - sie sind erst am Dienstag in die Fraktionen gekommen . Erst am Mittwochmorgen haben reguläre parlamentarische Beratungen begonnen . Im Zuge der Selbstbefassungsrechte der Ausschüsse ist in den normalen Ausschusssitzungen über dieses Mandat geredet worden . Erst am Nachmittag hat es die erste Lesung zu diesem Mandat im Plenum gegeben . ({6}) Das heißt, erst da hatten wir als Parlament eine Grundlage, um den gesamten parlamentarischen Verlauf zum Abschluss zu bringen . ({7}) Erst am Nachmittag haben Sie dann in Sondersitzungen Ihre mit Mehrheit gefassten Beschlüsse durchgebracht . Insgesamt haben die Ausschüsse im Schnitt zwei Stunden damit verbracht, über dieses heikle Mandat zu reden . Viele Fragen sind vollkommen unbeantwortet geblieben . ({8}) Was ist in diesen Ausschusssitzungen strittig gewesen? Ich bringe mal eine kleine Auswahl, um auf Frau Lambrecht zu erwidern und zu zeigen, dass die Fragen nicht beantwortet worden sind . Es ist strittig, wie Ihre Strategie im Umgang mit Syrien aussieht . ({9}) Demzufolge ist strittig, welches Ziel mit diesem Einsatz verfolgt werden soll . ({10}) Es ist strittig, warum Deutschland einen Beitrag leisten soll, mit dem ein Beitrag verstärkt werden soll, den andere schon leisten und der bekanntermaßen nur mit mäßigem oder gar keinem Erfolg geleistet wird . ({11}) Es gibt also kein klares Ziel . Demzufolge gibt es auch keine klaren Kriterien für eine Exit-Strategie . Strittig ist weiter, warum es keines weiteren UN-Mandats bedarf . ({12}) Sie verweisen auf eine UN-Resolution und haben zugleich in den Beratungen am Mittwoch hier gesagt, dass in den vorausgegangenen UN-Resolutionen immer das Kapitel VII Grundlage gewesen sei . ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin, Sie denken bitte daran, dass wir die Sachdebatte anschließend führen . ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Selbstverständlich . - Ausgerechnet in der UN-Resolution, auf die Sie sich beziehen, taucht das nicht auf . Also ist es strittig, ob wir eine saubere völkerrechtliche Grundlage für den Einsatz haben, den wir heute beschließen sollen . Meine Damen und Herren, schließlich ist strittig, wie das Verfahren zu dem Beistandsfall aussehen muss . Es gibt kein Beispiel dafür . Das ist das erste Mal in Europa . Bei NATO-Bündnisfällen muss ein Beschluss gefasst werden . ({0}) Hier soll eine mündliche Einlassung des französischen Präsidenten reichen? ({1}) Das ist ein unglaublicher Vorgang . Das müssen wir hier viel ausführlicher und sauber klären . ({2}) Das ist nur eine Auswahl unbeantworteter Fragen . Für viel problematischer halte ich es, dass Sie sich dieser Diskussion und einer weiteren Debatte verweigern . ({3}) Schließlich halte ich es für unverantwortlich, dass sich das Parlament in ein Abenteuer stürzt, nicht wissend, ob die Entscheidung, die es hier und heute fällt, tatsächlich eine falsche Entscheidung sein könnte . Ich halte es für unverantwortlich, dass Sie das nicht durch eine weitere und tiefer gehende Diskussion vorbereiten . Ich kann Ihnen nur sagen - und damit gebe ich die Worte eines Kollegen wieder -: Wer aus Solidarität das Falsche tut, tut dennoch das Falsche . ({4})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Michael Grosse-Brömer hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition will mit dieser Geschäftsordnungsdebatte die notwendige Mandatierung der Bundeswehr für einen Einsatz in Syrien für den Kampf gegen den IS verschieben . ({0}) - Nicht durchführen . Ich halte das für falsch und für wenig verantwortungsvoll . ({1}) Ich will Ihnen das auch gerne erklären . Frau Sitte, wir haben hier Ihre Ausführungen gehört, aber ich habe keinen nachvollziehbaren Grund von Ihnen gehört . ({2}) Ein erster Grund ist rechtlicher Natur . Wir haben eine Geschäftsordnung, die unsere Abläufe regelt . Ich sage Ihnen: Weder haben Sie einen Grund genannt, noch gibt es einen solchen Grund . Wir haben alle Bestimmungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und der Geschäftsordnung eingehalten . Das ist zunächst einmal die Arbeitsgrundlage . ({3}) Ein zweiter Grund ist inhaltlicher Natur . Man kann in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein . ({4}) Es geht aber nicht nur um die inhaltliche Frage, sondern auch darum, wann man debattiert . ({5}) Hier aber zu behaupten, Sie hätten gar keine Möglichkeit, das Mandat überzeugend zu bewerten, das grenzt ja nun wirklich an Heuchelei . ({6}) Wir haben das zwei Mal im Ausschuss beraten . Es gab eine Regierungsbefragung dazu . Wir haben ausführlich darüber debattiert . Wir können ja auch in der nächsten oder übernächsten Woche abstimmen . Vielleicht kann sich jetzt einmal der Kollege von den Linken melden, der in der nächsten Woche eine völlig andere Auffassung zu diesem Mandat haben wird und der völlig anders abstimmen wird . ({7}) Ich will noch etwas zu der Frage sagen, ob man den Inhalt überzeugend bewerten kann oder nicht überzeugend bewerten kann . ({8}) Ich danke Frau Kollegin Göring-Eckardt, die in der ersten Debatte Folgendes gesagt hat - ich zitiere -: Während andere schon am Wochenende mit einem einfachen Nein - damit könnten Sie eventuell gemeint sein ({9}) oder einem bedingungslosen Ja entschieden haben, haben wir - also die Grünen das vorliegende Mandat sehr bewusst ausgiebig geprüft und debattiert . Ich kann nur sagen: Sie haben uns nicht überzeugt . Letzteres  finde  ich  schade,  aber  Ersteres  dokumentiert, dass Sie umfangreich informiert worden sind und umfangreich debattiert haben . Sie müssen heute nur noch entscheiden . ({10}) Deswegen will ich Ihnen eines sagen: Es sind weder rechtliche Gründe noch inhaltliche Gründe, es sind politische Gründe für die Opposition, heute diese GO-Debatte zu machen . Das kann ich Ihnen ganz einfach erklären: Sie sind entscheidungsfähig, aber Sie wollen nicht entscheiden . Sie wollen vertagen, verschieben, verschleppen, und wir als Koalition wollen unserer Verpflichtung,  Deutschlands Rolle in der Welt gerecht werden . ({11}) Wir wollen den Soldaten zeigen: Wir sind entscheidungsfähig . Wir wollen Frankreich zeigen: Wir versprechen nicht nur Solidarität, wir sind auch in der Lage, sie umzusetzen . Letztlich wollen wir Deutschlands Rolle beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch vernünftig mandatieren, ({12}) und zwar zügig, überzeugend, rechtlich einwandfrei . Und wenn Sie klug sind, machen Sie da noch mit . ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Britta Haßelmann hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf den Besuchertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhaltliche Gründe, warum Sie diesen Tagesordnungspunkt heute aufsetzen wollen und warum Sie heute über das Mandat entscheiden wollen, haben weder Frau Lambrecht noch Herr Grosse-Brömer geliefert . Meine Damen und Herren, das muss man doch mal festhalten . ({0}) Ich meine, Ihre Erklärung, Frau Lambrecht, die wäre mir peinlich gewesen, abgrundtief peinlich . ({1}) Ich sage nur etwas zum Beratungsverfahren . Meine Damen und Herren Zuhörende, es ist nicht üblich, dass man ein Bundeswehrmandat von einer solchen Tragweite innerhalb von einer Woche berät und durch das Parlament bringt . Deshalb müssen heute auch Union und SPD um Aufsetzung bitten; denn bisher war gar nicht vorgesehen, dass wir darüber diskutieren . Also: Kein normaler Vorgang, sondern eine besondere Situation, und die ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt . ({2}) Denn wir haben noch weitere Sitzungen in diesem Jahr in der übernächsten Woche . ({3}) Deshalb könnten in aller Sorgfalt und in aller Ausführlichkeit in den Fachausschüssen auch in der nächsten Sitzungswoche noch offene Fragen diskutiert und beraten werden . ({4}) - Alle, die dazwischenbrüllen, das sei geschehen, sind anscheinend ein bisschen aufgeregt ob der Tatsache, dass sich vielleicht noch mehr Widersprüche im Mandat entwickeln könnten, wenn die Beratungszeit sich verlängert . ({5}) Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht zur Sache reden - das machen gleich andere -, aber die Beratungen im Auswärtigen Ausschuss haben das doch gezeigt im Hinblick auf die Rolle der Türkei und die Frage „Liefert man Bilder, ja oder nein?“ . Da ist das Mandat inzwischen verändert worden - innerhalb von drei Tagen, in denen es uns vorliegt . Zur Chronologie . Ich will Ihnen erklären, warum wir heute nicht dafür sind und warum wir finden, dass man  mit mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit beraten muss . Union und SPD befinden sich doch hier im Kosmos dieses  Parlamentes . Außerhalb dieses Parlamentes haben wahnsinnig viele Leute Verständnis dafür, dass in Sorgfalt und Ruhe über einen so weitgehenden Einsatz beraten wird . Das findet hier statt . Die Selbstversicherung „Wir sind bereit, wir sind die Große Koalition“ ist der Sache nicht angemessen, meine Damen und Herren . ({6}) Wir wurden am Donnerstag letzter Woche 30 Minuten lang vom Außenminister über Gespräche zwischen Frankreich und Deutschland informiert . Wir haben eine Regierungsbefragung zum Mandat durchgeführt . Die hat 30 Minuten gedauert . ({7}) Wir haben 77 Minuten im deutschen Parlament über diesen Einsatz diskutiert . Ich will nur mal auf die Briten verweisen . Die haben zehn Stunden im Parlament über das Für und Wider eines Syrien-Einsatzes debattiert ({8}) und nicht 77 Minuten oder am Ende dieses Tages zweimal 77 Minuten, meine Damen und Herren . Völlig falsch! ({9}) Am Sonntag hat uns der Generalinspekteur der Bundeswehr schon mal via Bild am Sonntag die Details zum Mandat präsentiert . Wir als Parlamentarier kannten sie nicht . Am Montagmorgen berichteten Tagesschau, Der Spiegel, dpa ausführlich über das Mandat . Es lag allen drei Medien vor, im Gegensatz zum Parlament . Am Dienstag bekamen wir dann auch den Mandatstext geliefert . Am Mittwoch fand die erste und gleichzeitig auch abschließende Ausschussberatung statt . So viel zum Thema „Sorgfalt der Beratungen“ . Heute debattieren wir in abschließender Lesung . Es kann doch nicht sein, dass man weder die Bundeswehr noch das Mandat noch das Parlament ernst nimmt, meine Damen und Herren . ({10}) Es gibt dafür keinen sachlichen Grund . Es gibt ihn nicht . Sie beide haben ihn nicht geliefert . Ich glaube, dass der Grund der ist, dass die SPD Bundesparteitag hat und dass dann unbequeme Fragen gestellt werden . ({11}) Heute Morgen sagte Thomas Oppermann im Morgenmagazin: Parlamentsarmee heißt nicht, dass wir wochenlang diskutieren müssen . - Das verlangt auch niemand . ({12}) Aber es muss eine anständige und sorgfältige Diskussion geben und kein Schnellverfahren . ({13}) Euch steht doch das Wasser bis zum Hals angesichts eures Parteitages . Das ist doch das Problem . ({14}) Meine Damen und Herren, es gibt viele offene Fragen . Es gibt keine Auskünfte zu den Einsatzregeln und -beschränkungen . Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen: Sie nehmen doch den einzelnen Abgeordneten nicht ernst, ob aus unserer Fraktion oder aus ihren Fraktionen . Deshalb überrascht es mich so, dass Sie alle das als Abgeordnete mitmachen . Wir sind doch selbstbewusste Abgeordnete . ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir wollen doch sagen können: Wir haben das zu verantworten und deshalb sorgfältig geprüft . - Wo bleibt eigentlich Ihr Standing, verdammt noch mal? ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wir kommen zur Abstimmung . Wer für den Aufsetzungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Aufsetzungsantrag angenommen . Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 5 auf: - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 ({1}), 2199 ({2}), 2249 ({3}) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksachen 18/6866, 18/6912 - Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/6913 Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke vor . Über die Beschlussempfehlung sowie über einen Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke werden wir später namentlich abstimmen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 77 Minuten vorgesehen . - Das ist offenkundig einvernehmlich . Dann verfahren wir so . Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion . ({5})

Dr. Rolf Mützenich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003599, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anschläge von Paris werden sich ins europäische Gedächtnis einbrennen . Ebenso müssen wir an andere Gewaltorte erinnern - Sindschar, Aleppo, Beirut, Bagdad, Bamako und viele andere Orte -, in denen der IS so brutal und grenzenlos zugeschlagen hat . Meine Fraktion ist überzeugt: Es gibt keine isolierte militärische Lösung gegen diesen gewaltsamen Extremismus . Aber der „Islamische Staat“ muss eingedämmt werden . ({0}) Meine Damen und Herren, anders als mancher glaubt, scheint es im Bundestag dazu eine gemeinsame Auffassung zu geben, zumindest gewinnt man den Eindruck, wenn man sich einige Einträge im Netz anschaut . Mit Erlaubnis des Präsidenten würde ich gerne zitieren: Ich fahre jetzt zur türkisch-syrischen Grenze . Solidarität mit den tapferen kurdischen Kämpferinnen! Halte Stand, Kobane . Annette Groth, Fraktion Die Linke, 5 . Oktober 2014 . ({1}) Kobane befreit vom Joch der ISIS . . . Es lebe der Widerstand in Kobane . Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke.  . . . eine wichtige Erfolgsmeldung: . . . die Stadt . . . ({2}) . . . vom IS zu befreien . . . . Möglich wurde die Befreiung . . . durch eine breite Allianz kurdischer Gruppierungen, . . . bis hin zu den Peschmerga der irakisch-kurdischen Regionalregierung . Ulla Jelpke, Die Linke, 19 . November 2015 . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben eines übersehen - offensichtlich haben Sie sich gescheut, es aufzuschreiben -: Es waren auch die Angriffe aus der Luft und die Unterstützung vonseiten Deutschlands bei der Ausbildung der Peschmerga, die genau dazu geführt haben . ({4}) Ich werfe Ihnen das nicht vor - man kann das ja mal übersehen -, nur, ich bitte um Redlichkeit . Vielleicht stellen Sie sich auch mal hier in den Deutschen Bundestag und sagen: Ja, vielleicht bin ich auch zerrissen . Ich sage: Ich bin stolz, Mitglied einer sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu sein, die diese Zerrissenheit und eine lange Debatte in der Fraktion zulässt; möglicherweise ringt der eine oder andere Kollege hier noch mit sich.  Ich finde, das  ist Parlamentarismus, und  das müssen Sie zeigen . ({5}) Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat stellt Deutschland militärische Technik und militärisches Gerät zur Verfügung, die andere Nationen so nicht bieten . Wir glauben, das ist angemessen und politisch vertretbar.  Insbesondere  ist  festzuhalten: Es findet  nicht alleine statt . Damit folgen wir der grundsätzlichen Festlegung, die wir hier im Deutschen Bundestag, in der Bundesregierung, aber auch in Europa getroffen haben . Wir agieren immer gemeinsam mit europäischen Partnern und bieten das an, was wir politisch verantworten können . Das ist, glaube ich, die Essenz der Diskussion hier im Deutschen Bundestag . Es gibt in der Mandatsbegründung überzeugende rechtliche Herleitungen . Die Resolutionen sind angesprochen worden . Insbesondere die UN-Sicherheitsratsresolution 2249 hat in den Beratungen eine wichtige Rolle gespielt . Ich möchte die Resolution 2249 zitieren, die mit allen Stimmen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen beschlossen worden ist . Da wird von „einer der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ gesprochen; das ist der Bezug zur Charta der Vereinten Nationen . Die Staatengemeinschaft wird aufgefordert, die Bedrohung „mit allen Mitteln zu bekämpfen“ . Es wird in der Sicherheitsratsresolution darauf hingewiesen, dass auch die irakische Regierung um den Einsatz gebeten hat, weil eine Bedrohung des irakischen Gebiets von außen, durch  ISIS,  stattfindet. -  Ich  finde, das sind drei Bemerkungen, drei Festlegungen des  Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die so deutlich sind, dass diese Aufforderung auch trägt . - Das ist die eine Sache . Die zweite Sache . Die Bundesregierung war genauso klug beraten, als sie sich entschied, den Lissabon-Vertrag in der Mandatsbegründung anzuführen, im Hinblick auf die Solidarität zu Frankreich, aber auch zu vielen anderen Nationen, die in den vergangenen Jahren von islamistischem Terror betroffen waren . Artikel 42 ({6}) EUV trägt als Grundlage einer europäischen Politik . Was wollen Sie eigentlich gegen eine solche europäische Politik einwenden? Da bekennt sich Deutschland letztlich doch zu dem, was diese Gemeinschaft wertvoll gemacht hat, nämlich europäische Solidarität zu üben . ({7}) Der letzte Punkt - ihn hat der Justizminister eingebracht -: der Bezug des Mandats auf das System kollektiver Sicherheit, also auf das, was das Bundesverfassungsgericht von uns verlangt . In der Tat: Kapitel VII der UN-Charta ist in der Mandatsbegründung nicht ausdrücklich erwähnt . Aber das hat leider auch etwas mit der internationalen Situation zu tun, mit der Erfahrung aus Libyen - gar keine Frage -, aber auch damit, dass es keine Einigkeit über die Zukunft von Assad gibt . Genau deswegen führen wir doch die Gespräche in Wien: damit wir ein gemeinsames politisches Konzept für Syrien erreichen . In der Sicherheitsratsresolution 2249 wird ausdrücklich gewürdigt - das wollen Sie nicht wahrhaben -, dass sich dieses Mandat innerhalb des politischen Rahmens der Konferenz von Wien befindet, die die Bundesregierung und viele andere europäische Regierungen erst möglich gemacht haben . - Ich finde, das ist auch unter Berücksichtigung der rechtlichen  Fragen, die gestellt sind, eine gute Herleitung . Meine Damen und Herren, ich finde, dass gerade das,  was die Bundesregierung in den letzten Wochen im Rahmen der Debatte immer wieder gefordert hat, nämlich die Stärkung der Vereinten Nationen, eines der wichtigsten Argumente für die Solidarität ist, die Deutschland üben sollte. Der Einsatz findet in einem System kollektiver Sicherheit statt . ({8}) Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stand die Charta der Vereinten Nationen im Mittelpunkt; es war uns wichtig, die Instrumentarien, die die Vereinten Nationen vorhalten, zu nutzen . Es war der deutsche Außenminister, der de Mistura, den Beauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, endlich in Wien an den Tisch gebracht hat . ({9}) Dort wurden der Zeitplan und letztlich auch die Ziele verabredet, die da lauten: lokale Waffenruhen, Übergangsregierung und Wahlen . Heute Morgen war zu lesen, dass Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, gesagt hat, dass er hofft und mit der internationalen Staatengemeinschaft dafür arbeitet, dass es gelingt, zu dieser Waffenruhe zu kommen . Es wäre schon ein Fortschritt, lokale Waffenruhen zu vereinbaren . Wir Sozialdemokraten wollen gleichzeitig - auch das ist Bestandteil der Verabredungen von Wien - endlich das Finanzsystem austrocknen, ({10}) das dem IS diese Möglichkeiten erlaubt, und auch die Hintermänner dingfest machen . Genau das wird auch in der Resolution 2170 des Sicherheitsrates gefordert . ({11}) Deswegen sagen wir sehr selbstbewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es lohnt sich, innerhalb des Systems der Vereinten Nationen an der Verwirklichung des Ziels - das wir alle im Deutschen Bundestag haben -, in Syrien, aber auch in anderen Gebieten so schnell wie möglich zum Frieden zu kommen, zu arbeiten . Das haben wir in den vergangenen Jahren im Rahmen einer politischen Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten immer wieder versucht . Ich kann mich an die eine oder andere kritische Bemerkung von Ihnen erinnern . Sie haben gesagt: Eine Einigung mit dem Iran wird nie gelingen, Sie brauchen sich nicht auf den Pfad der Vereinten Nationen zu begeben . Wir stimmen heute auch darüber ab, dass das ein gutes Mittel ist . Das Ziel Deutschlands bleibt es, Frieden für die Menschen in Syrien zu erreichen . ({12}) Dennoch will ich darauf hinweisen - auch wenn es eine entsprechende Verabredung im Rahmen der Vereinten Nationen in Wien gegeben hat -, dass für meine Fraktion feststeht: Die Vereinbarung von Wien darf nicht die Verfolgung schlimmster Verbrechen in Syrien verhindern . Deswegen bin ich der Bundesregierung dankbar, dass unter der deutschen Präsidentschaft im Menschenrechtsrat Dossiers über schwerste Menschenrechtsverletzungen erstellt wurden . Die internationale Strafjustiz muss in den nächsten Jahren über die dafür Verantwortlichen entscheiden . Genau dahin wird die Entwicklung gehen . Das ist auch ein Teil des Systems der Vereinten Nationen . Ich wäre dankbar, wenn Sie zumindest diese Möglichkeit weiterhin ins Auge fassen und uns bei dieser wichtigen Arbeit unterstützen würden . ({13}) Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen . Meine Fraktion hätte heute gerne einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Ich finde es schade, Herr Kollege Kauder, dass es dazu nicht gekommen ist . ({14}) Es gibt viele Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung . Gerade weil es auch um den politischen Rahmen dieser Frage geht, hätte eine selbstbewusste Koalition hier und heute einen Entschließungsantrag vorlegen können . ({15}) Auch an die Bundesregierung habe ich eine Bitte . Ich weiß, wie wichtig der Partner Saudi-Arabien gerade im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Oppositionsparteien ist, die wichtig sind, um die in Wien vereinbarte Lösung umzusetzen. Aber ich finde dennoch, dass  öffentlich auch angesprochen werden muss: Die Staatsideologie Saudi-Arabiens ist ein Teil des Nährbodens für den „Islamischen Staat“; das gehört nach meinem Dafürhalten zu einer ehrlichen Debatte dazu . ({16}) Ich habe es eben angesprochen: Meine Fraktion hat sich wirklich Zeit genommen, um über das Mandat zu beraten . Einige meiner Kolleginnen und Kollegen haben die Befürchtung geäußert, das Mandat könnte das Risiko von Anschlägen in Deutschland erhöhen . Ich kann das persönlich nicht ausschließen . Aber ich will deutlich sagen: Deutschland ist längst im Fokus des internationalen Terrorismus . Es ist dem Zufall, dem Glück, aber auch der Aufklärungsarbeit zu verdanken, dass das eine oder andere verhindert wurde . Ich glaube, die Terroristen in Paris haben ganz bewusst das Fußballspiel Deutschland gegen Frankreich als Ziel gewählt; denn dann wären noch mehr deutsche Terroropfer unter den Verletzten oder Toten gewesen . Der entscheidende Punkt wird sein, ob auch die Gesellschaft in Deutschland es versteht, mit dieser Herausforderung umzugehen . Ich erinnere mich: Vor zweieinhalb, drei Jahren habe ich in einer Schule mit, glaube ich, 150 Schülerinnen und Schülern diskutiert . Dort musste ich eine Diskussion mit einem Jungen, der 17 oder 18 Jahre alt war, führen, der der Meinung war: Eigentlich ist das Kalifat besser als die Demokratie . Ich war entsetzt . Ich habe mich dieser Diskussion gestellt, aber ich war entsetzt, wie teilnahmslos Schülerinnen und Schüler und Lehrer dieser Debatte gefolgt sind . Ich habe mir schon damals gewünscht, dass eine Auseinandersetzung stattfinden würde. Sie  ist  dringend notwendig . Diese Auseinandersetzung müssen wir jetzt führen, weil es letztlich eine Angelegenheit der gesamten Gesellschaft ist, dagegen vorzugehen . Deswegen appelliere ich auch von dieser Stelle: Das ist eine Aufgabe des gesellschaftspolitischen Dialogs - in allen Institutionen, nicht nur in diesem Parlament, sondern in der gesamten Gesellschaft . ({17}) Deswegen: Wir müssen festhalten an sozialer Demokratie, an Freiheit und an Respekt; denn das sind die besten Mittel im Kampf gegen einen gewaltsamen Extremismus . Vielen Dank . ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Sahra Wagenknecht das Wort . ({0})

Dr. Sahra Wagenknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004183, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin! Bei der bewegenden Trauerfeier vor einer Woche in Paris zum Gedenken an die Opfer der Terroranschläge wurde das Lied Quand on n’a que l’amour des großen Chansonniers und Pazifisten Jacques  Brel gesungen, das in krassem Kontrast zur Kriegsrhetorik des französischen Präsidenten stand . Quand on n’a que l’amour Pour parler aux canons . . . Wenn man nur die Liebe hat, um zu den Kanonen zu sprechen . - Das ganze Lied ist eine Hommage an die Liebe und an den Frieden und eine klare Absage an Gewalt und Krieg . Die Zeremonie wurde auch hier in Deutschland übertragen . Ich wünschte, Sie alle, die heute zustimmen wollen, hätten dieses Lied gehört und seine Botschaft verstanden . ({0}) Vor genau drei Wochen sind in Paris 130 Menschen einem barbarischen Terrorakt zum Opfer gefallen . Die Täter waren nahezu ausschließlich französische und belgische Staatsbürger, aufgewachsen in den verwilderten Vorstädten von Brüssel und Paris . Und jetzt stellen Sie sich hin und sagen, dass wir den IS dadurch schwächen und bekämpfen, dass wir ebenso unschuldige Menschen, Frauen und Kinder in Rakka und anderen syrischen Städten, bombardieren und dadurch töten . Was ist denn das für ein Wahnsinn? Ich frage Sie: In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? ({1}) Wenn Sie hier sagen, Sie haben sich das gar nicht leicht gemacht und darüber nachgedacht und wir, die wir Nein sagen, hätten keinen Plan, wie man das anders machen kann, dann sage ich: Doch, es gibt einen anderen Plan . Es gibt nur einen anderen Plan . Krieg macht alDr. Rolf Mützenich les nur noch schlimmer . Sie bekämpfen den IS dadurch nicht . Sie werden ihn stärken mit diesem Einsatz . ({2}) Rakka ist eine Stadt mit 200 000 Einwohnern . Bei den letzten Bombardements wurden Krankenhäuser und Schulen getroffen. Es gibt keine offiziellen Zahlen über  die Opfer, aber man kann fest davon ausgehen, dass allein der Bombenkrieg der letzten drei Wochen in Syrien mehr Zivilisten getötet hat als die barbarischen Anschläge in Paris . Und auch die Mütter von Rakka weinen um ihre Kinder . Auch Bombenkrieg ist Terror . ({3}) Wollen die kriegführenden Staaten wirklich in einen Wettstreit mit dem IS treten, wer sich aufs Morden besser versteht? Wer das tut, der hat doch schon verloren . ({4}) Der französische Wirtschaftsminister Macron hat nach den Anschlägen gesagt, die französische Gesellschaft sei „für den Nährboden“ verantwortlich, auf dem der Terror gedeihen kann . ({5}) Gegen das „Gleichheitsversprechen“ - alles Zitat Macron - der französischen Republik werde tagtäglich verstoßen . „Wir haben die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten beendet“, sagte er . - Sie behaupten, Sie wollen mit Frankreich solidarisch sein . Ich frage Sie: Mit welchem Frankreich? Mit dem der politischen Klasse, das auch schon in der Vergangenheit schlimmste Kriege verantwortet hat - ich erinnere nur an den in Algerien -, oder mit der französischen Bevölkerung, die vor allem in Frieden und Sicherheit leben will? ({6}) Ich sage Ihnen: Wenn Sie echte Freundschaft und echte Solidarität mit Frankreich wollen, dann sollten Sie beispielsweise aufhören, diesem Land über Brüssel eine Austeritätspolitik aufzuzwingen, die immer mehr junge Menschen ihrer Zukunft beraubt . Das wäre echte Solidarität . Da könnten Sie mal einen Schritt vorangehen . ({7}) Deshalb noch einmal: Es ist eine schlichte Lüge, dass dieser Kriegseinsatz den IS schwächen wird . Das ist auch der Unterschied zum Kampf der kurdischen Verbände vor Ort . ({8}) Vielleicht konnte man vor 14 Jahren noch glauben, dass sich das Problem des Terrorismus durch Bombenkriege lösen lässt, aber heute doch nicht mehr, nach all den Erfahrungen, die gemacht wurden . 2001 haben Sie entschieden, die Bundeswehr nach Afghanistan zu schicken . Seit 14 Jahren wird dort ein Krieg geführt, dem Tausende Zivilisten und auch über 50 Bundeswehrsoldaten zum Opfer gefallen sind . Und was ist das Ergebnis? Heute haben die Taliban in Afghanistan mehr Rückhalt in der Bevölkerung als je zuvor . Dieser ganze Krieg war ein einziger großer Fehlschlag . Sie könnten das ruhig selbst mal zugeben . ({9}) 2003 ist Bush mit seiner „Koalition der Willigen“ in den Irak einmarschiert . Saddam Hussein wurde gestürzt . Sechs Monate später gründete sich der „Islamische Staat“, und heute beherrscht er den halben Irak . 2011 wurde Libyen bombardiert. Gaddafi wurde gestürzt. Seither herrscht Chaos, und der „Islamische Staat“ hat sich auch in Libyen etabliert . Und das Gleiche in Syrien . Das Pentagon hat doch vor kurzem selbst zugegeben, dass diverse islamistische Terrorgruppen und anfänglich sogar der IS von den USA unterstützt wurden, um Assad zu schwächen . Das ist doch die traurige Wahrheit: Es war der Westen, und es waren vor allem die Vereinigten Staaten, die das Monster geschaffen haben, ({10}) das uns alle heute in Angst und Schrecken versetzt . Das ist die Wahrheit; die wollen Sie nicht hören . Aber es ist das Produkt unserer Kriege, der westlichen Kriege in dieser Welt . ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Janecek zu?

Dr. Sahra Wagenknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004183, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Bitte schön .

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wagenknecht, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen . - Auch ich werde wie Sie gegen diesen Einsatz stimmen . Aber ich frage mich doch sehr, ob Sie in Ihrer Argumentation nicht etwas einseitig agieren . ({0}) Sie beklagen zu Recht die zivilen Opfer bei den Luftschlägen in Rakka . Was ist aber mit den Luftschlägen der russischen Seite, zum Beispiel in der Region von Homs? Ich kenne einen syrischen Flüchtling, der genau in dieser Region seine Familie hat und darüber klagt, dass die russischen Bomber seit Mitte September hier massive Einsätze mit vielen Opfern fliegen. Dazu kommt kein Wort  von Ihnen, ({1}) kein Wort auch von Herrn Bartsch in der Debatte letzten Mittwoch . ({2}) Sind Sie da auf einem Auge blind, dass Sie den Westen für alles verantwortlich machen, aber die verheerenden Einsätze der Russen nicht in diesen Kontext stellen? ({3})

Dr. Sahra Wagenknecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004183, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich finde es  ja wirklich beeindruckend, dass Sie alle  klatschen, wenn jemand die zivilen Opfer der russischen Bomben anspricht . ({0}) Selbstverständlich sind diese Opfer genauso tragisch wie die Opfer der Bomben der Franzosen, wie die Opfer der Bomben der Amerikaner, wie die Opfer aller anderen Bomben . Dieser Bombenkrieg ist das falsche Mittel . Bomben schaffen keinen Frieden, egal ob sie von Russland, egal ob sie von den USA, egal ob sie von Frankreich abgeworfen werden . ({1}) Das haben wir überall so gesagt . Ich habe gestern auf einer Demonstration hier vor dem Reichstag gesprochen, zu der wir mit eingeladen hatten . Ich habe dort genau das Gleiche gesagt . Es ist doch unehrlich: Sie klatschen und sagen, dass diese Opfer falsch sind - das ist auch in die Presse gekommen -, ({2}) aber Sie stimmen heute einem Militäreinsatz zu, der ganz viele weitere Opfer mit sich bringen wird . ({3}) Das ist doch einfach verlogen . Wenn Sie gegen Bomben sind und wenn Sie die russischen Bomben verurteilen, dann reichen Sie, bitte schön, nicht mit Ihren Tornados die Hand dafür, dass dort andere Bomben fallen und Zivilsten töten . Das wäre konsistent, das wäre konsequent . ({4}) Dann hätte ich auch Respekt vor Ihnen . ({5}) Natürlich: Ich weiß sehr gut, dass Assad ein Diktator ist, der sein Land brutal unterdrückt . Aber ich weiß genauso gut, dass es in Washington noch nie um Demokratie und Menschenrechte ging, wenn in selbstherrlicher Arroganz darüber entschieden wurde, welche Diktatoren dieser Welt gestützt und hochgerüstet und welche Diktatoren destabilisiert und gestürzt werden sollen . Es ging doch bei all diesen Kriegen nie um etwas anderes als um Gas,  um Öl  und  um Einflusssphären.  Für  solche  Ziele  haben mittlerweile 1,3 Millionen Menschen mit ihrem Leben bezahlt . ({6}) - Klischees? 1,3 Millionen Menschenleben, und Sie reden von Klischees? Dieser Zwischenruf kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein! Ich finde das wirklich ungeheuerlich. ({7}) Es waren diese Kriege, die den Nahen und Mittleren Osten in einen Brandherd verwandelt haben, aus dem heute Millionen Menschen um ihres nackten Überlebens willen  fliehen.  Es  ist  ein  großes Versagen  der  europäischen Politik, den USA bei ihren Kriegen viel zu lange die Hand gereicht und den Rücken freigehalten zu haben . ({8}) 2001, als der sogenannte Krieg gegen den Terror begann, gab es weltweit einige 100 international gefährliche Terroristen . Heute, nach 14 Jahren des sogenannten Antiterrorkrieges, sind es Hunderttausende . Wollen Sie, dass es Millionen werden? Dann müssen Sie genau so weitermachen und die Spirale aus Krieg und Gewalt immer weiter antreiben . ({9}) Im Jahr 2000 kamen weltweit 3 000 Menschen bei Terroranschlägen ums Leben . Im letzten Jahr waren es schon 30 000 . Sie wissen ganz genau, dass Sie mit der heutigen Entscheidung natürlich auch die Anschlagsgefahr in Deutschland erhöhen . Nein, ich sage Ihnen: Wer den IS wirklich schwächen will, der muss ihn von Waffen, Finanzen und Nachschub an neuen Kämpfern abschneiden . ({10}) Das heißt, er muss die Courage haben, den Terrorpaten unter Ihren vermeintlichen Verbündeten, also der Türkei und den Saudis, endlich das Handwerk zu legen . ({11}) Es ist doch ungeheuerlich, dass der Ölschmuggel über die türkische Grenze bis heute nicht unterbunden ist und jede Nacht 100 neue Dschihadisten - zurzeit sind es noch mehr - diese Grenze überqueren, die den Nachschub des IS bilden. Ich finde, statt Syrien zu bombardieren, sollten Sie lieber mal Erdogan dazu bringen, endlich sein falsches Spiel zu beenden . Es ist übrigens auch dieser Erdogan, der die kurdischen Gruppen, die dort wirklich tapfer kämpfen, bombardiert, nicht zuletzt auch mit deutschen Waffen . Das ist doch der Skandal . Das ist die ganze Verlogenheit dieser Politik . ({12}) Hören Sie auf, Waffen an Saudi-Arabien und Katar zu liefern! Wir legen heute einen Entschließungsantrag zum sofortigen Stopp der Waffenexporte an Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und die Kriegsregion vor . Wer diesem Entschließungsantrag seine Stimme verweigert, der soll bitte nie wieder von sich behaupten, er wolle den islamistischen Terror schwächen . ({13}) Das ist dann nämlich wirklich pure Heuchelei . ({14}) Wer heute zustimmt, der führt Deutschland in einen Krieg mit völlig unkalkulierbaren Eskalationsgefahren, ({15}) in einen Krieg, für den es kein Mandat der Vereinten Nationen gibt, der völkerrechtswidrig ist und klar dem Grundgesetz widerspricht; denn weder Frankreich noch Deutschland werden in Rakka und Aleppo verteidigt . Wer heute zustimmt, der schickt unsere Soldaten in einen Krieg, in dem bereits 14 andere Staaten kämpfen: nebeneinander, miteinander, gegeneinander . Es gibt keine gemeinsamen Ziele, und es gibt keine gemeinsame Strategie, noch nicht mal innerhalb der NATO-Staaten, geschweige denn darüber hinaus . Die Wiener Friedensgespräche - noch vor einer Woche hatten wir das Gefühl, dass Herr Steinmeier wirklich ehrlich an deren Erfolg arbeitet ({16}) werden durch die Eskalation des Krieges natürlich noch viel mehr erschwert und nicht etwa erleichtert . Das ist doch alles verantwortungslos! ({17}) Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, was die sogenannten Antiterrorkriege wirklich gebracht haben . Krieg ist Terror, der neuen Terror hervorbringt . ({18}) Ich sage Ihnen: Das ist so, als wollten Sie Papst Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert gesagt hat - ({19}) - Ich bin gleich am Ende . ({20}) - Sie wollen das nicht hören, aber Sie werden es noch öfter hören müssen, weil dieser Krieg leider lange dauern wird . - Es ist, wie gesagt, so, als wollten Sie Papst Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert gesagt hat: Wenn Ihr wüsstet, mit wie wenig Aufwand von Verstand die Welt regiert wird, so würdet Ihr Euch wundern . Aber eine hochgerüstete Welt mit Atomwaffen kann es sich nicht leisten, ohne Verstand regiert zu werden; denn das ist einfach zu gefährlich . Deshalb wird die Linke heute geschlossen gegen diesen Kriegseinsatz stimmen . ({21})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Norbert Röttgen ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es verdient Respekt, wenn Mitglieder dieses Hauses am Ende gegen diesen Einsatz stimmen . Wer aber - wie Sie, Frau Wagenknecht, durchgehend in Ihrer Rede - die Verteidigung gegen den Terror auf eine Stufe mit dem Terror stellt, der offenbart nicht nur ein Maß an ideologischer Verwirrung, sondern auch an Infamie, das dem Ernst dieser Debatte nicht gerecht wird . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahrzehnten haben wir Europäer die Region des Mittleren Ostens praktisch allein den USA überlassen; seit Jahren haben wir diese Region sich selber überlassen . ISIS-Terror, Assad, Fassbomben auf die eigene Bevölkerung, jetzt auch eine russische Militärintervention und Hunderttausende von Toten sind die Folgen . Die Anschläge von Paris haben uns in Europa gezwungen, zu erkennen, dass die Region des Mittleren Ostens nicht im Süden von Amerika liegt, sondern unsere Nachbarregion ist und dass Terror und Krieg in dieser Region - in Syrien und im Irak - eine Frage von Sicherheit in Europa, in Deutschland und Frankreich ist . Das ist es, was wir erkennen müssen . ({1}) Es wird zu Recht viel über das Verhältnis von Politik und Militär bei diesem Einsatz gesprochen . Meine Überzeugung ist, dass die weitreichendste politische Dimension des militärischen Einsatzes, über den wir heute abstimmen, genau darin liegt, dass wir Europäer endlich die politische Verantwortung für diese Region, auch im Namen und Interesse unserer eigenen nationalen Sicherheit, annehmen . Darum geht es, und das steht auf dem Spiel . ({2}) Nichthandeln und Zusehen hat es lange genug gegeben . Die Verantwortung liegt nun darin, zu handeln . Das Handeln wirft politische, militärische, rechtliche und auch menschliche Fragen auf, zu denen ich jeweils kurz etwas sagen möchte . Zu den politischen Fragen . Ich glaube, alle haben aus den schweren Fehlern gelernt, die gemacht worden sind . Alle haben gelernt: Ohne ein politisches Konzept sind militärische Mittel zum Scheitern verurteilt . Es fehlt uns nicht an den politischen Vorstellungen . Wir wissen, was zu tun ist: Wir wissen, dass wir auf den Irak einwirken müssen, dass es endlich zu einer wirklichen Beteiligung von Sunniten und Kurden an der Macht kommt, damit die Sunniten am Ende nicht doch ISIS mehr vertrauen als der Regierung in Bagdad; ({3}) wir wissen, dass wir mit der Türkei reden müssen, dass sie sich der Priorität, ISIS zu bekämpfen, anschließt und nicht an erster Stelle das Kurden-Problem sieht; wir wissen, dass wir mit Russland kooperieren müssen, weil Russland dort ein Machtfaktor ist, und so weiter . Wir wissen das alles . Worum es geht, ist, dass wir das endlich tun . Es geht darum, Konsequenzen zu ziehen; es geht um das Tun . ({4}) Es geht auch darum, zu beantworten: Wer ist „wir“? ({5}) Ich möchte darauf eine Antwort geben und gleichzeitig auch eine Aufforderung an die Bundesregierung richten: Ich glaube nicht, dass „wir“ Deutschland ist oder dass „wir“ Frankreich ist . Meine Aufforderung an die Bundesregierung ist, dass wir, wie in anderen Fällen - den Nuklearverhandlungen, dem Normandie-Format oder dem Weimarer Dreieck -, auch gegenüber der Region des Mittleren Ostens ein europäisches Handlungsformat entwickeln . Das gibt es noch nicht . Das brauchen wir, und wir müssen es jetzt entwickeln . ({6}) Die schwersten externen Herausforderungen für Europa kommen zu einer Zeit, in der Europa in der schlechtesten Verfassung seit seinem Bestehen ist . ({7}) Dieses Zusammentreffen ist ein Teil der historischen Situation,  in  der wir  uns  befinden. Wir müssen  in  dieser  Krise die Chance nutzen, zu zeigen, dass Europa etwas kann und dass Europa eine Notwendigkeit ist . Darum müssen wir Europa in dieser Situation einsetzen . ({8}) Ich komme zum militärischen Aspekt . Noch einmal da stimmen alle zu -: Ohne Politik macht Militär keinen Sinn . Ich stelle hier aber auch einen zweiten Satz in den Raum, nämlich dass wir die Umkehrung dieses Satzes als Teil der Realität im Mittleren Osten akzeptieren müssen: Ohne militärische Präsenz des Westens in Syrien, im Irak und im Mittleren Osten wird die Diplomatie keine Chance haben, meine Damen und Herren . ({9}) Es ist Realität: Wenn wir die Region ISIS, Assad und Putin überlassen, dann wird es keine diplomatischen Lösungen geben; denn für diese Machthaber, für den russischen Präsidenten ist Diplomatie nicht das Regulativ, sondern die Resultante von Macht, vor allen Dingen von militärischer Macht . Darum bedarf es auch der militärischen Präsenz des Westens in dieser Region . Ich komme zu den rechtlichen Fragestellungen . Manche  empfinden  die  Rechtsfragen  immer  als  eine  Förmelei . Ich glaube, man kann und darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass spätestens seit der Schrift Immanuel Kants Zum ewigen Frieden ({10}) die Idee des Rechts als Instrument des Friedens Eingang nicht nur in die europäische Aufklärung, sondern auch in die Begründung und Entwicklung des internationalen Rechts, des Völkerrechts gefunden hat . Darum spiegelt sich im Recht die Legitimation zum Einsatz des äußersten Mittels, nämlich militärischer, staatlicher Gewalt . ({11}) Hier stellen sich auch neue Herausforderungen . Das Recht, das Völkerrecht, das Verfassungsrecht sind auf Staatenhandeln, auf Kriege zwischen Staaten orientiert . Wir haben es aber nicht mit einem Staat zu tun, sondern wir haben es mit einem nichtstaatlichen, vielleicht quasistaatlichen Akteur zu tun, der von dem Territorium eines Staates seinen Terror auf uns richtet . Manche auch hier im Hause vertreten die Auffassung, dass genau deswegen, weil dieser Terror von einem anderen Staat ausgeht, aber nicht der Staat selber handelt, sondern die Terrortruppe, die staatliche Souveränität ausschließt, dass wir uns gegen diesen Terror wehren . Wenn wir uns dieser Auffassung anschließen würden, meine Damen und Herren, die das Völkerrecht als Schutz für Terror ansieht, dann würde sich das Völkerrecht von einer Schutzordnung gegen Gewalt zu einer Schutzmacht für die ungestörte Ausübung terroristischer Gewalt verwandeln . Diese Perversion von Recht dürfen wir nicht zulassen . ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Röttgen, darf Ihnen der Kollege Neu eine Zwischenfrage stellen?

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das möchte ich nicht . - Darum glaube ich, dass die völkerrechtliche Grundlage, das Selbstverteidigungsrecht, vorliegt . Es ist legitim und legal, sich gegen diese Angriffe zu wehren . Meine Auffassung ist, dass das auch der verfassungsrechtliche Gedanke ist, wie der Kollege Mützenich ausgeführt hat . IS erklärt: Auch ihr seid in unserem Fadenkreuz . IS erklärt sich zum Urheber des Terrors . Darum, glaube ich, handeln wir mit diesem Einsatz zur Verteidigung Deutschlands, wie es in Artikel 87 a des Grundgesetzes vorgesehen ist, meine Damen und Herren . ({0}) Die Bundesregierung hat sich nicht dazu durchgerungen, dieses Neuland zu betreten . Sie hat sich auf Artikel 24 des Grundgesetzes berufen . Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, das zu entscheiden . Politisch ist für mich entscheidend, dass es eine verfassungsrechtliche Grundlage gibt . Auf dieser Grundlage ist die Zustimmung möglich . ({1}) Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen . Politisch: Ja, es gibt viel zu tun . Aber wir können und müssen anfangen, etwas zu tun . Das ist kein Gegenargument . Militärisch: Ja, es gibt einen Mangel an Bodentruppen . Durch die Anschläge hat sich die sicherheitspolitische und militärische Lage erst einmal nicht grundsätzlich geändert . Aber es gab auch bislang schon militärische Erfolge, und wir werden die militärische Ausstattung verbessern . Rechtlich: Ja, da müssen wir vielleicht Neuland betreten . Aber wir haben es eben auch mit neuartigen Bedrohungen unserer Sicherheit zu tun . Darauf muss auch das Recht eine Antwort finden. Wen das alles nicht überzeugt, dem möchte ich ein letztes Argument entgegenhalten - ich richte mich an diejenigen, die für Überzeugungsbildung offen sind -: Es geht darum - das macht es klar und eindeutig -, sich in die Opfer des Terrors hineinzuversetzen, sich als Mutter oder Vater oder Großeltern nur in ein Mädchen zu versetzen, das verkauft wird, damit der Terror finanziert werden  kann, das verkauft wird und dann schrecklich behandelt und misshandelt wird . Es geht darum, sich das Gesicht nur eines Mädchens vorzustellen . Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass diese Brutalität und Menschenverachtung absoluter Alltag sind, dann kann ich denjenigen, die erwägen, heute mit Nein zu stimmen, eine Anmerkung nicht ersparen, und ich möchte sie Ihnen mitgeben: Ich finde, es braucht schon verdammt gute Argumente, wenn  man angesichts dieser Menschenverachtung und Brutalität mit Nein stimmt, für eine Fortsetzung des Nichthandelns . ({2}) Gute Argumente für ein Nichthandeln gibt es nicht . Es ist Zeit, zu handeln, am allermeisten für die Opfer, die wir beschützen wollen . ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Neu das Wort .

Dr. Alexander S. Neu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004361, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mützenich hat gerade davon gesprochen, dass ein Vorgehen nach Kapitel VII der UN-Resolution nicht möglich sei, da man sich im UN-Sicherheitsrat nicht darüber hat einigen können . Das ist richtig, weil es unterschiedliche politische Konzeptionen für Syrien gibt . Moskau hat dem wohl nicht zugestimmt, weil Sie auf einen Regimewechsel von außen setzen; das ist der Punkt . Weil man jetzt der Auffassung ist, dass eine gemeinsame Resolution des Sicherheitsrates nach Kapitel VII nicht erreicht wird, möchte man Lufttruppen entsenden und sich beteiligen, um vor Ort eine Lösung gegen Russland zu erzwingen . Das war im Übrigen auch der Tenor des Kollegen Röttgen . Mir wurde während seines Vortrags nicht klar, wer in seinen Augen der größere Gegner ist, die russische Regierung oder der IS . Das wurde nicht deutlich . Ich hatte eher den Eindruck, dass es die Russen sind . ({0}) Ihnen fehlen die Voraussetzungen eines Vorgehens nach Kapitel VII . Das sind keine Peanuts . Ich meine, wir kennen das aus dem Kosovo; da war es genauso . Im Irakkrieg haben wir damals nicht so richtig mitgemacht . Aber letztlich gehen wir den Schritt weiter und machen ohne eine Kapitel-VII-Mandatierung mit . Zweitens . Sie trauen Ihrer Selbstverteidigungsklausel selber nicht . Ich habe mir den Antrag noch einmal genau angeschaut . Sie verweisen auf Paris, das ist okay . Dann aber verwenden Sie ein seltsames Hilfskonstrukt . Sie verweisen auf den Irak und sagen, der IS habe von Syrien aus den Irak angegriffen und der Irak müsse sich selbst verteidigen, auch kollektiv . Besser kann man die Geschichte kaum verdrehen . Der IS ist ein Produkt der Vorgänge im Irak und hat seine Übergriffe auf Syrien ausgeweitet, nicht umgekehrt . Sie erstellen ein interessantes Hilfskonstrukt und sagen: Weil der Irak und die syrische Regierung sich nicht selbst verteidigen können, gehen Sie dazu über, die amerikanische Doktrin von „unable and unwilling“ zu übernehmen, und zwar wortwörtlich in diesem Antrag . Sie versuchen, rechtliches Neuland zu betreten . Sie versuchen, eine neue Interventionsdoktrin von „unable and unwilling“ hier zu praktizieren und völkerrechtskonform zu machen . Das wird Ihnen nicht gelingen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen .

Dr. Alexander S. Neu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004361, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn ein Land das Selbstverteidigungsrecht für sich in Anspruch nehmen kann, dann ist das die syrische Regierung, die immer noch legitim ist, ob einem das gefällt oder nicht . Es gibt ein Schreiben der syrischen Regierung an den UN-Sicherheitsrat vom 17 . September, in dem die syrische Regierung den Westen via Sicherheitsrat auffordert, sich aus dem syrischen Territorium zurückzuziehen . Aber das interessiert Sie nicht . Wenn ein Land das Recht auf Selbstverteidigung hätte, dann wäre das die syrische Regierung, ungeachtet der Frage, ob die Regierung gut ist oder nicht gut ist .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Wagenknecht, auch ich habe große Zweifel, ob dieser Einsatz sinnvoll ist . Aber Sie können doch nicht wirklich ernsthaft den Versuch des Kampfes gegen den IS gleichsetzen mit dem Einsatz Russlands auf der Seite der Truppen von Assad . Es ist Assad, der für 75 Prozent der Toten verantwortlich ist, Assad, der seine eigene Bevölkerung mit Fassbomben bewerfen lässt, Assad, der Tausende von Menschen in seinen Folterkellern hat ermorden lassen . Das kann und das darf man nicht gleichsetzen . Das ist einfach eine Frechheit . ({0}) Herr Röttgen, Sie haben uns mit Ihrem sogenannten letzten Argument und dem Hinweis auf das Mädchen angesprochen . Herr Röttgen, auch uns nimmt das sehr mit, und wir denken sehr intensiv darüber nach, was zu tun ist, um das Morden in der Region zu stoppen . Aber ein Nein zu Ihrem Mandat bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, dass man nicht handeln soll . ({1}) Wir sind nur der Meinung, dass Sie mit diesem Mandat Ihr Ziel nicht erreichen; das ist der entscheidende Punkt . Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis . ({2}) Wir sollten nach den Anschlägen 2004 in Madrid, 2005 in London und nun in Paris mit kluger Analyse und kühlem Kopf vorgehen, wenn es um die Frage geht, wie wir damit am besten umgehen . Wenn ich mir Ihr Mandat anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Sie etwas tun, um einfach etwas zu tun . Ich kann in diesem Mandat keine ausgereifte Strategie erkennen . Ich habe den Eindruck, dass Ihr Mandat nichts anderes als Aktionismus ist . Ihr ganzes Vorgehen ist davon geprägt, sowohl der zeitliche Ablauf der Beratungen als auch die inhaltliche Ausgestaltung des Mandats . Deshalb kann ich Ihrem Mandat leider nicht zustimmen . ({3}) Ja, wir stehen an der Seite Frankreichs . Ja, wir sind solidarisch . Deswegen teilen wir auch Ihren Impuls, jetzt zu handeln . Aber Handeln darf doch kein Selbstzweck sein . Genauso wenig darf Solidarität bedeuten, dass wir einfach Ja sagen . Wir haben bei dieser Frage intensiv mit uns gerungen . Wir haben uns entschieden, nicht sofort Ja oder Nein zu sagen . Es ist sehr schwierig, einem engen Verbündeten wie Frankreich eine Bitte abzuschlagen . Dafür muss es gute Gründe geben . Ich möchte Ihnen einige aufzählen . Wir tragen die Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten, die wir als Parlamentsarmee in diesen Einsatz schicken . Wir können diese Verantwortung doch nur tragen, wenn wir einen guten Plan mit dieser Mission verbinden . Aber einen guten Plan gibt es leider nicht . Die Beratungen im Verteidigungsausschuss haben das eher deutlicher gemacht . ({4}) Sie wollen hier ein militärisches Eingreifen beschließen, das laut Einschätzung der militärischen Führung unseres Landes zehn Jahre oder länger dauern kann . Sie können aber nicht darlegen, wie eine politische Lösung aussehen kann . Das ist doch kein verantwortliches Handeln . ({5}) Dieses Mandat ist gefährlich vage, weil es so viele Fragen unbeantwortet lässt . Wer hat eigentlich den genauen Oberbefehl: die Franzosen oder die Amerikaner? ({6}) Wie gehen Sie denn mit Russland um, das de facto den syrischen Luftraum kontrolliert und auf der Seite Assads kämpft, der, wie bereits erwähnt, Fassbomben auf die eigene Bevölkerung werfen lässt? Schauen wir uns nur die Auslassungen von Frau von der Leyen an . Am Wochenende war von Frau von der Leyen noch zu hören, dass wir vielleicht auf der Seite der Truppen von Assad kämpfen könnten . Dann hat sie erklärt, dass das alles so nicht gemeint war, und ist zurückgerudert . Wie ist es nun gemeint? Wie gehen Sie denn mit Russland um? Wie gehen Sie denn mit Assad um? Ich kann da keine klare Strategie erkennen . Hatte Frau von der Leyen am Wochenende recht, oder hatte sie unter der Woche recht? Was wird sie morgen erzählen? ({7}) Welche Rolle spielt eigentlich die Türkei in der ganzen Angelegenheit, die mehr gegen die Kurden kämpft als gegen ISIS oder - besser ausgedrückt - Da'isch? Schauen Sie sich doch einmal die komplizierte Regelung für den Zugriff auf die Informationen an, die die Tornados liefern sollen . Sie haben eine ganz komplizierte Regelung schaffen müssen, damit die Türkei, angeblich ein enger Verbündeter und Partner und auf alle Fälle ein NATO-Mitglied, auf gar keinen Fall an diese Informationen herankommt, weil die reale Gefahr besteht, dass sie dann auf der Grundlage dieser Informationen die syrischen Kurden bekämpft . Die Kurden werden wiederDr. Alexander S. Neu um von den USA mit Waffen beliefert, weil sie real eine der wenigen Bodentruppen stellen, die tatsächlich gegen ISIS kämpfen und nicht ihr eigenes Spiel spielen . Allein dieser komplizierte Umgang mit dem NATO-Partner Türkei sagt uns doch, wie undurchdacht dieses Mandat insgesamt ist . ({8}) Wie wollen Sie mit den Sunniten umgehen? Haben Sie nicht die Sorge, dass der Einsatz zu einer Rekrutierungsmission für ISIS wird, weil sich die Sunniten insgesamt ausgeschlossen fühlen und das Ganze einen mobilisierenden Effekt hat? Wie wollen Sie die sunnitischen Oppositionellen einbinden? Wie soll Ihnen das gelingen? Auch darauf geben Sie keine ausreichenden Antworten, weder in dem Antrag auf das Mandat noch in Ihren Reden . Auch diese Fragen müssen deutlich beantwortet werden, bevor man Bomber schickt . ({9}) Ja, wir sind uns hier weitgehend einig, dass ISIS auch militärisch bekämpft werden muss . ({10}) Aber Luftangriffe allein sind doch noch keine militärische Strategie . Die Strategie, so hat man den Eindruck, ist noch nicht einmal zur Hälfte fertig . Man kann nicht einen Einsatz einfach nach dem Motto gestalten: Ja, ich möchte mein Gewissen beruhigen . - Herr Röttgen, einfach zu sagen, man wolle irgendetwas tun, ist doch nicht wirklich eine Strategie . Es braucht eine klare abgestimmte Strategie . Man muss doch Klarheit darüber haben, wer die Verbündeten sind . Es muss doch klar sein, wer der Gegner ist . Es kann doch nicht unklar sein, ob Assad Verbündeter oder Gegner ist, wie man mit der Al-Nusra-Front umgeht, die von Saudi-Arabien unterstützt wird . Ist die Al-Nusra-Front jetzt Gegner oder Verbündeter? Das kann doch nicht angehen . Es können doch nicht das schlechte Gewissen und die Sorgen, die wir komplett teilen, die Strategie und das kluge Handeln ersetzen . ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in den Antrag auf das Mandat schauen, dann beruhigt uns das keineswegs . Ich zitiere wörtlich: Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzende Seegebiete . Man hat den Eindruck, wenn man das liest, dass Sie eigentlich gar nicht genau wissen, wo der Einsatz stattfinden soll . Das ist ein völlig entgrenztes Mandat . Einigen Sie sich doch erst einmal darauf, wie Sie den Einsatz genau gestalten wollen, bevor Sie uns so ein entgrenztes Mandat vorlegen . Wenn Sie uns ein Mandat vorlegen, dann formulieren Sie ein präzises Mandat, ein genau beschreibendes Mandat, aber nicht ein entgrenztes Mandat . ({12}) Der Kampf gegen ISIS muss im Einklang mit dem Völkerrecht und dem Gewaltmonopol der Vereinten Nationen stehen . Ich glaube, man kann zumindest sagen, dass umstritten ist, ob der Einsatz völkerrechtskonform ist . Nicht umstritten wäre er, wenn es Ihnen gelungen wäre, ein VN-Mandat nach Kapitel VII vorzulegen . Jetzt kann man sagen - das ist schon erwähnt worden -: Das ist eine rein formalrechtliche Faktenhuberei . - Nein, das ist es in meinen Augen nicht . Dass Sie kein Mandat nach Kapitel VII vorlegen können, ist ein Hinweis darauf, dass es keine abgestimmte Strategie zwischen allen Beteiligten gibt, dass es eben keine Einigung zwischen Frankreich, Russland, Großbritannien, den USA und den europäischen Staaten gibt . Wenn es diese Einigung gäbe, dann wäre es möglich, ein solches VN-Mandat zu beschließen . Deshalb ist das Fehlen dieses Mandats Ausdruck dafür, dass es ebendiese Strategie leider nicht gibt . ({13}) Schauen wir uns an, wie Sie teilweise mit unseren angeblich engsten Verbündeten umgehen, schauen wir uns Saudi-Arabien an . ({14}) Saudi-Arabien ist einer der engsten Geschäftspartner, ein Land, in das regelmäßig Wirtschaftsdelegationen von uns reisen . Der BND hat gegen den Protest des Außenministeriums eine kluge Analyse durchgeführt . Ergebnis ist, dass Saudi-Arabien inzwischen eines der größten Risiken für die Stabilität der Region ist . Es ist nicht nur Saudi-Arabien ein Risiko; auch die Ideologie Saudi-Arabiens ist ein Risiko für viele Regionen . Sie ist genau genommen ein Risiko für den Weltfrieden . Auf die Ideologie Saudi-Arabiens greift Boko Haram in Nigeria zurück, greifen die Al-Schabab-Milizen in Somalia zurück, greifen der IS und andere Terrororganisationen in Libyen zurück . Deswegen ist es an der Zeit, dass die Bundesregierung und der Westen überhaupt ihren Umgang mit Saudi-Arabien überdenken . Wir sollten zu einem kritischen Umgang mit Saudi-Arabien kommen . Das heißt nicht, dass wir mit den Saudis nicht reden dürfen . Aber der bisherige Umgang, dass es an der dortigen Ideologie keine Kritik gibt, dass es konstant Waffenlieferungen an dieses Land gibt, steht doch für eine Politik, die die Probleme am Ende verstärkt und nicht bekämpft . ({15}) Deswegen: Ändern Sie diese Politik endlich! Zusammengefasst: In unseren Augen ist Ihr Einsatz zu planlos und birgt die Gefahr - ich spreche nicht von Sicherheit -, dass er genau das Gegenteil dessen erreicht, was er bewirken soll . Wir haben doch seit 2001 14 Jahre Erfahrung im Kampf gegen den Terror .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Diese Erfahrungen sind keine positiven . Diese Erfahrungen sind bittere Erfahrungen . Deshalb: Gehen Sie noch einmal in sich! Überlegen Sie sich, ob dieser Einsatz wirklich das Gewünschte erreicht oder ob er nicht, wie der Libyen-Einsatz, wie der Irakeinsatz, am Ende kontraproduktiv ist . Vielen Dank . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Arnold für die SPD-Fraktion . ({0})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist eine zügige Beratung diese Woche . Für mich hat das noch den kleinen Nebeneffekt, dass damit alle Zweifel unserer Verbündeten, der deutsche Parlamentsvorbehalt bringe in schwierigen Situationen möglicherweise eine zu große Langsamkeit, beseitigt sind . Ich würde mir wünschen, dass wir, statt darüber zu lamentieren, dass es zu schnell geht, gemeinsam reflektieren: Hat man nicht  vielleicht viel zu lange gewartet, ({0}) und ist vielleicht alles zu spät? Es gibt bereits 250 000 Tote; Millionen Menschen sind auf der Flucht . Getötet und vertrieben haben sowohl Assad als auch der IS . Es gibt eine neue Dimension des Terrors, nämlich den Versuch der Gründung eines „Staats“, in dem 8 Millionen Menschen leben und leiden müssen . Selbst wenn uns der IS in unserem Land nicht bedrohen würde, würde ich mich schon fragen: Geht uns das alles, was vor unserer Haustür passiert, nichts an? Haben wir keine Verpflichtung, einzugreifen? Was ist eigentlich  mit der richtigen und guten Idee, das Völkerrecht im Sinne einer Schutzverpflichtung der Staaten, Responsibility  to Protect, weiterzuentwickeln? Es ist doch offensichtlich, dass der irakische Staat und der syrische Staat die Bürger nicht mehr schützen können . Daraus ergibt sich eine Verantwortung für uns alle . ({1}) Konkret zum geplanten Einsatz . Wir tun ja manchmal so, als ob wir über einen neuen Einsatz redeten . Wir sind schon lange Teil dieser Allianz und leisten mit der Ausbildung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer und der Ausstattung der Kurden, auch der syrischen Kurden, wichtige Beiträge im Kampf gegen den IS . An dieser Stelle darf man die Linken, Frau Wagenknecht, schon einmal erinnern: Die Kurden sind -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Arnold, darf die Kollegin Buchholz dazu eine Zwischenfrage stellen?

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja . Ich will nicht sagen, gerne . Aber selbstverständlich .

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Kollege Arnold, dass Sie die Frage zulassen . - Sie reden hier darüber, dass endlich gehandelt werden muss . Wir beide sind ja Mitglieder des Verteidigungsausschusses . Von daher würde mich schon sehr interessieren, wie Sie dazu stehen, dass wir als Mitglieder des Ausschusses, aber auch als gesamtes Parlament wissen müssen, worüber wir hier genau abstimmen . Der Kollege Hitschler aus der SPD-Fraktion und ich haben nachgefragt: Wie sieht es eigentlich mit dem Operationsplan für diese Mission aus? Uns wurde gesagt: Na ja, die Operation läuft schon . Es gibt wohl so etwas wie einen Kampagnenplan . - Trotz weiterer Nachfragen war es nicht möglich, eine Auskunft darüber zu bekommen, ob wir da Einsicht nehmen können . Das ist eigentlich ein Recht, das uns als Abgeordneten zusteht . Wir haben es dabei nicht belassen, sondern beim Sekretariat, bei der Geheimschutzstelle noch einmal nachgefragt . Leider ist eine Einsicht nicht möglich . Glauben Sie nicht, dass es wichtig wäre, vor einer solch grundlegenden Entscheidung eine Informationsgrundlage zu haben, was die genauen Unterstellungsverhältnisse, die Fragen des humanitären Völkerrechts und die Einsatzregeln angeht? Wir finden das wichtig, und ich  will Ihnen kurz sagen, warum: Deutschland war bereits an der Bombardierung von Staaten beteiligt, bei denen wir - und dabei schließe ich alle mit ein, die jetzt bomben - Erfahrungen gemacht haben: Das hat zivile Opfer zur Folge gehabt . Ich denke an die schmerzliche Erfahrung der Bombardierung von Kunduz, bei der es zivile Opfer gegeben hat . Wir trauern genauso mit den Müttern, Vätern und Verwandten der Opfer dieser Bombardierung wie mit denen, die um ihre Kinder weinen, die Opfer des Terrors durch den IS geworden sind . ({0}) Genau deshalb möchten wir wissen: Was sind die Regeln? Wer entscheidet letztendlich? - Für uns sind diese Fragen nicht ausreichend beantwortet worden . ({1})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kollegin, lassen Sie uns wenigstens akzeptieren, dass wir im Verteidigungsausschuss alle Zeit der Welt hatten, Fragen zu stellen . ({0}) - Die Antworten wurden auch gegeben . ({1}) Die Antworten haben Ihnen nicht gefallen . Das ist aber etwas ganz anderes . ({2}) Die Frage der Führung des Einsatzes - Herr Hofreiter hat es angesprochen - ist eindeutig geklärt . Er wird von Tampa in Florida über die Headquarters in Kuweit geführt . Von dort aus werden die deutschen Aufklärungsflüge angefordert. Sie werden durchgeführt. Dorthin wird  gemeldet und, und, und . Das ist alles geregelt . Sie haben nach der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlage gefragt . Das ist mittlerweile nichts anderes als eine Strategie bei Ihnen . Dieser Einsatz ist, wie viele Verfassungsjuristen und auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt haben, eindeutig verfassungsrechtlich und völkerrechtlich abgesichert . ({3}) Wenn Sie dies bezweifeln, dann rufen Sie doch bitte das Verfassungsgericht an . ({4}) Aber das ist natürlich viel unbequemer, als zu behaupten, ein Einsatz sei nicht legitimiert . Möglicherweise haben Sie, weil es Neuland ist, sich in Europa auf ein System der kollektiven Sicherheit zu berufen, Angst, dass das Verfassungsgericht Ihnen ins Stammbuch schreibt: Europa ist ein System kollektiver Sicherheit . ({5}) Ich würde begrüßen, wenn Sie das klären lassen . Ich komme zum letzten Punkt: Operationsplan . Es war bei vielen, aber übrigens nicht bei allen Einsätzen so, dass Parlamentarier in der Geheimschutzstelle Teile der Operationspläne einsehen konnten . Wir dürfen nicht vergessen:  Wir  leisten  mit  sechs  Aufklärungsfliegern  und einem Tankflugzeug einen vergleichbar kleinen Beitrag . Wir werden auch nur Einblick in Operationspläne bekommen, die einen Bezug zu unserem Einsatz haben . Den Bezug würde ich als Parlamentarier sehr weitgehend auslegen wollen . Darin sind wir uns völlig einig . Aber in einem bin ich nicht mit Ihnen einig: Die grundsätzliche Frage, ob wir diesem Mandat zustimmen, ist für mich keine Frage militärischer Details . Es ist für mich in hohem Maß eine Frage von politischer Verantwortung und politischer Abwägung . Wir sind als Verteidigungspolitiker keine kleinen Feldherren, die darüber entscheiden sollen, ob der Einsatz XY an diesem Nachmittag sachgerecht ist . Das ist nicht unseres Amtes . Insofern ist das, glaube ich, für Sie nur ein Vorwand, den Einsatz abzulehnen . Es ist aber letztlich völlig wurscht, ob die Fragen aus Ihrer Sicht beantwortet sind . Sie haben noch nie einem Einsatz zugestimmt, und Sie werden auch keinem Einsatz zustimmen . ({6}) Insofern ist es egal, inwieweit Sie sich informiert fühlen .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Arnold, darf die Kollegin Keul noch eine Zusatzfrage stellen?

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin zu allem bereit, Herr Präsident .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber ich weise darauf hin: Das ist dann zunächst die letzte; denn wir haben uns einen Zeitrahmen gesetzt, den wir bitte auch einhalten müssen . - Frau Keul .

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen . - Herr Kollege Arnold, Sie haben gerade in etwa gesagt, wenn man das für verfassungswidrig und völkerrechtswidrig halte, dann solle man halt klagen, und wer nicht klagt, sei einfach nur feige . Ich selbst halte dieses Mandat für völkerrechtswidrig und verfassungswidrig . Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir angesichts der derzeitigen Lage keine Klagemöglichkeit beim Verfassungsgericht haben, weil eine Organklage an der Zulässigkeit scheitern würde, da wir als Fraktion nicht klagen können und eine abstrakte Normenkontrolle, die möglich wäre, an den notwendigen 25 Prozent scheitert? Nun haben wir Grüne die Klage der Linken vor dem Verfassungsgericht auf Absenkung dieses Quorums nicht mit eingereicht . Aber würden Sie, wenn Sie meinen, dass das wichtig ist, vielleicht doch überlegen, dieses Quorum abzusenken, ({0}) damit wir bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen als Opposition mit zwei Fraktionen diese Frage vor dem Verfassungsgericht klären lassen können? ({1})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, Sie sind Juristin . Ich bin kein Jurist; ({0}) aber ich weiß, dass das so ist . Sie wissen aber auch, dass Sie, wenn Sie einen Soldaten finden, der an Ihrer Stelle  klagt, die Chance hätten, das verfassungsrechtlich prüfen zu lassen . Wir hatten in dieser Koalition schon Debatten über die 25 Prozent . Mit mir persönlich könnte man da sehr wohl reden, weil ich glaube, dass es bei einem Einsatz, der zum ersten Mal eine europäische Basis hat, hilfreich ist, wenn das Verfassungsgericht uns den Weg zeigt und es eine eindeutige Klärung gibt . Wenn wir uns die Urteile der Vergangenheit anschauen, stellen wir allerdings fest: Das Verfassungsgericht hat auf einer langen Linie der Regierung eigentlich immer einen relativ großen außenpolitischen Handlungsspielraum eingeräumt ({1}) und gleichzeitig unser Recht als Parlament gestärkt . Deshalb sage ich noch einmal: Wir finden einen Weg, dass  Sie klagen können, und wir sind ganz gelassen, wenn Sie es tun . ({2}) Ich sagte: Der Einsatz ist nicht neu . Wir unterstützen die Peschmerga . Ich möchte Frau Wagenknecht daran erinnern, dass exakt die Kurden sehr dankbar sind, dass es eine Kombination von Kampf am Boden und Luftunterstützung gibt . Finden Sie Luftunterstützung in dem Fall auch schlecht? Sollen sich die Peschmerga, die nur ganz einfache Kalaschnikows haben, Menschen widersetzen, die sie mit schweren Waffensystemen bedrängen, die ihr Gebiet ausgeweitet haben? Die Peschmerga konnten sie ohne massive Unterstützung nicht stoppen . Haben Sie dies einmal  reflektiert, bevor Sie  so pauschale Sätze  in  den Raum schleudern wie: „Mit Waffen schafft man keinen Frieden“? ({3}) Dieser Einsatz, Herr Hofreiter, ist auch keine Symbolik . Er ist sorgfältig durchdacht . Das, was Deutschland liefert, dient exakt den militärischen Aufgaben, für die dieser Koalition die Mittel fehlen, nämlich Aufklärung aus Flugzeugen, von Satelliten, eine Aufklärung, die Drohnen nicht leisten können . Es geht darum, sehr schnell große Gebiete zu bestreifen . Dieser Einsatz hilft Frankreich auch wirklich beim Schutz des Flugzeugträgers, weil es ein großer Aufwand ist, solche Flugzeugträger mit Fregatten zu schützen . Alles ist also sinnvoll . Es ist im Übrigen auch verantwortbar . Wir schicken Soldaten doch nicht in ein unkalkulierbares Risiko . Die Tornados sind auf einem modernen Stand . Sie haben einen hervorragenden Eigenschutz . Zu Ihrem Vorwurf, es gäbe kein klares Einsatzgebiet . Herr Hofreiter, das erklärt sich wirklich ganz eindeutig . Ich glaube, Ihre Kollegin hat im Verteidigungsausschuss sogar nachgefragt . Wir reden über ein Einsatzgebiet für die Luftbetankung, und die findet nicht nur über Syrien  statt - dort hoffentlich gar nicht -, sondern außerhalb des Bereichs über der offenen See . Dann reden wir über den Schutz eines Flugzeugträgers, der wahrscheinlich nicht vor Anker liegen wird. Deshalb ist der Raum so definiert,  wie  er  definiert  ist.  Daran  ist  nichts  Geheimnisvolles,  nichts Trickreiches . Es ist alles erklärt worden . Dieser Einsatz ist auch leistbar . Die Bundeswehr kann sechs Tornados hinschicken, und die Luftwaffe hat die Fähigkeiten dazu . Dann noch zu den Bildern . Auch die Auswertung ist klar geregelt . Die Deutschen erhalten zunächst ihre Bilder . Dort wird noch einmal geprüft: Was ist rechtskonform? Dann gehen die Bilder zum Auftraggeber, nämlich an die Headquarters . Ihre Behauptung, die Bilder würden dann allen in dieser Koalition oder gar allen NATO-Mitgliedern einschließlich der Türkei zur Verfügung stehen, ist einfach abenteuerlich . Sie stehen denen zur Verfügung, die sie für den Einsatz, für den sie einen Auftrag bekommen haben, brauchen . Sonst stehen sie niemandem zur Verfügung . Das sind absolut übliche Verfahren in diesem Bereich . Keine Aufregung! Im Übrigen sind Aufklärungsflieger kein Beitrag zum  achtlosen Bombenkrieg . Aufklärung ist eine Grundvoraussetzung dafür, möglichst präzise militärisch arbeiten zu können . Heute wurde bereits über Lehren aus vergangenen Einsätzen gesprochen . Ich glaube, eine Lehre ist wirklich wichtig . Der Irakkrieg, aber auch Afghanistan und Libyen haben gezeigt, dass es heute relativ einfach ist, mit moderner Militärtechnologie aus der Luft ein Regime zu vertreiben . Danach aber auch für Stabilität zu sorgen, ist ein langwieriger Prozess, und dies ist von außen mit militärischen Mitteln kommend nicht möglich . Deshalb ist der Vorwurf, hinter diesem Einsatz stehe keine politische Konzeption, völlig unbegründet; denn die entsprechenden Lehren daraus wurden gezogen . Der Wiener Prozess ist halt so mühsam, wie er ist, weil wir dabei mit Partnern umgehen müssen, die teilweise sehr schwierig sind . Wir müssen mit Partnern umgehen, die gemeinsame und gleichzeitig widerstrebende Interessen haben . Außerdem sollten wir uns ein bisschen in Selbstbescheidenheit üben . Es werden nicht alle darauf warten, bis wir Deutschen sagen, wo es langgeht . Es bleibt nur der Weg der mühsamen Diplomatie . Wir sind sehr froh, dass der Außenminister diesen Pfad seit Monaten mit unermüdlichem Engagement geht . ({4}) Die Lehren aus den vergangenen Konflikten werden  auch dort zu ziehen sein . Für die Zeit nach Assad wissen doch alle mittlerweile: Man darf nicht alle Sicherheitsstrukturen und nicht sämtliche Teile der Administration eines Landes in die Wüste schicken, sondern wir müssen einen Teil beim Aufbau der neuen Gesellschaft einbinden . Nur so kann es gelingen, ein Machtvakuum in diesen Ländern zu verhindern, das dann wiederum Terroristen nutzen könnten . Ich glaube, diese Lehren wurden von der Staatengemeinschaft gut verstanden . Zum Schluss: Wir können stundenlang darüber reden, dass ein Militäreinsatz Risiken birgt . Das ist doch völlig unstrittig . Es gibt politische Risiken . Der Wiener Prozess ist noch lange nicht in trockenen Tüchern . Wir können mithelfen, haben es aber nicht in der Hand . Ich will militärische Risiken nicht beschönigen, obwohl ich klar sage, dass wir die Soldaten in kein Abenteuer schicken . Wenn wir aber schon so lange über diese Risiken reden, müssen wir bitte aber auch über die Risiken reden, die es gibt, wenn wir nicht entscheiden . Dabei sehe ich zwei Risiken an vorderster Stelle . Europa ist nun einmal in keiner guten Verfassung . Wenn es die enge und besonders vertrauensvolle Zusammenarbeit - übrigens auch im Zusammenhang mit der Ablehnung des Irakkriegs - zwischen Deutschland und Frankreich nicht gegeben hätte, hätten wir das gar nicht so ohne weiteres hinbekommen . Wenn diese hervorragende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich in die Brüche geht, weil wir nicht verstehen, unter welchem innen- und außenpolitischen Druck und unter welchem Sicherheitsdruck die französischen Freunde stehen, und wenn wir auf ihre Unterstützungsanfrage Nein sagen, dann haben wir eine Situation, die es noch schwerer machen wird, in Europa Solidarität in vielen Fragen einzufordern . Wenn dieses Europa scheitert, dann scheitert es an mangelnder Solidarität . Dabei sollten wir Deutschen nicht diejenigen sein, die ein schlechtes Beispiel geben . Wenn wir ernst genommen werden wollen - das wollen wir zusammen mit Frankreich -, dann müssen wir Solidarität zeigen . Darüber hinaus kann es sein, dass es unsere Sicherheitsorganisationen einmal nicht schaffen, einen Anschlag bei uns zu verhindern . Malen wir uns doch aus, was es bedeuten würde, welches Risiko wir hätten, wenn wir das jetzige französische Ansinnen abgelehnt hätten . Fragen wir uns einmal innenpolitisch, welche Fragen uns die Bürger stellen würden . Fragen wir uns das vor allen Dingen aber auch außenpolitisch, weil wir dann wirklich kapieren müssten, dass wir Partner beim Umgang mit Terror brauchen . Kein Land wird allein mit dieser Herausforderung fertig . Ich glaube, dann würden wir schnell merken, Solidarität ist halt keine Einbahnstraße .

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege .

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deshalb ist dieser Einsatz richtig und notwendig . Herzlichen Dank . ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hennig Otte für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland steht vor einer wichtigen Entscheidung . Lassen wir den IS mit seinem furchtbaren Terror weiter gewähren, damit er Anschläge auch in Europa durchführt, weiterhin unschuldige Menschen tötet, Frauen verschleppt, verkauft, vergewaltigt? Liebe Kolleginnen und Kollegen, das dürfen wir nicht zulassen . Wir müssen uns gegen den IS-Terror stellen und uns für die Solidarität an der Seite Frankreichs, für den Schutz der Menschen und auch für die Sicherheit unseres Landes entscheiden . Deswegen müssen wir heute diesem Mandat zustimmen . ({0}) Wir sind als CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammen mit der SPD in einer Großen Koalition bereit, für Frieden und Freiheit und auch für unsere Grundordnung einzustehen und diese in letzter Konsequenz auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen . Meine Damen und Herren, wir bleiben bei diesem Einsatz unseren Grundlinien treu . Dieser militärische Einsatz ist eingebettet in ein politisches Gesamtkonzept, zusammen mit 64 Staaten einer Allianz auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage und mit einem Mandat des Deutschen Bundestages . Dieser militärische Beitrag Deutschlands ergänzt die Fähigkeiten unserer verbündeten Partner . Zusammen mit Frankreich, mit den USA, mit England, mit Kanada, mit Dänemark und beispielsweise mit Belgien leisten wir einen Beitrag und entsenden 1 200 Soldatinnen und Soldaten für Schutz, für Aufklärung und für Logistik . Ich möchte das einmal auf die einzelnen Bereiche herunterdeklinieren: circa 450 Soldaten für den Betrieb von sechs Aufklärungstornados und einem Satellitenradar zur Gewinnung von Informationsbildern, die wir ausschließlich für uns nutzen oder unseren Verbündeten zur Verfügung stellen; 300 Soldaten für den Betrieb einer Fregatte im Mittelmeer zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers; circa 200 Soldaten für den Betrieb eines Airbus-Flugzeuges zur Betankung und circa 50 Soldaten in Koordinierungsstellen und dazu noch ein flexibler Personalpuffer zur Ablösung dieser genannten Kontingentanteile . Dieser Einsatz wird auch ein gefährlicher Einsatz sein . Unsere Soldatinnen und Soldaten sind gut vorbereitet und gut ausgestattet für diese Mission . Die beste Rückendeckung aber können wir den Soldaten und deren Familien geben, indem wir ihnen heute mit diesem Mandat als Deutscher Bundestag mit breiter Mehrheit das Vertrauen aussprechen . ({1}) Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat in den vielfältigen Einsätzen bewiesen, dass sie verantwortungsvoll und erfolgreich ihre Aufträge erfüllen kann . Unvorstellbar, wie wohl die Welt wäre und wie sie aussehen würde, hätte nicht eine Allianz, auch zusammen mit der Bundeswehr, auf dem Balkan militärisch eingegriffen, um eine noch größere humanitäre Katastrophe zu verhindern . Unvorstellbar, wie wohl die Welt aussehen würde, hätte man in Afghanistan nicht gegen das Taliban-Regime eingegriffen und dort gezeigt, dass man eine stabilisierende Funktion erfüllen, mithin den Aufbau einer afghanischen Armee durchführen kann, durch die, auch wenn sie noch weiter beraten werden muss, das Gewaltmonopol wieder beim Staat Afghanistan ist . Manchmal muss man eben militärisch eingreifen, um noch Schlimmeres zu verhindern, auch um wieder die Basis für eine friedliche Entwicklung zu schaffen . Auch dazu ist dieses Mandat heute ein Beitrag . ({2}) Vor allem war es richtig, dass wir im Norden Iraks die kurdischen Kämpfer nicht nur ausgestattet, sondern sie auch ausgebildet haben, damit sie erfolgreich gegen den IS-Terror kämpfen können . Dies soll zum einen verdeutlichen, dass Deutschland bereits einen Beitrag geleistet hat und dass wir nun lediglich einen weiteren Beitrag leisten . Vor allen Dingen aber soll es verdeutlichen, dass der furchtbare IS-Terror besiegbar ist . Ich kann mich nur wundern, Frau Wagenknecht, über Ihre Rede hier heute, dass Sie dieses Mandat in Bausch und Bogen ablehnen . Ich weiß gar nicht, wie Sie das angesichts des Leids dieser Menschen rechtfertigen können . Sprechen Sie doch mit den Frauen, mit den Kindern, mit den Männern, den kurdischen Kämpfern, und lassen Sie uns doch einmal offen darüber diskutieren, ob wir ihnen nicht helfen müssen! Wir als Union helfen . Wir können Ihre Kaltherzigkeit nicht verstehen . ({3}) Wir müssen diesen erfolgreichen Weg der Unterstützung weitergehen . Wir wollen mit der Unterstützung von Luftangriffen zentrale Infrastrukturbereiche des IS, nämlich Kommandozentralen, Ausbildungszentralen, Infrastrukturzentralen, auch Ölförderanlagen als wichtige Einnahmequellen, zerstören . Dieses gemeinsame Vorgehen hat zum Ziel, dass der Staat Syrien nicht im Terror untergeht, sondern eines Tages mit Neuwahlen in eine neue und gute Zukunft gehen kann, auch damit die vielen Menschen, die vor diesem furchtbaren IS-Terror und vor dem furchtbaren, verbrecherischen Assad-Regime fliehen - auch nach Deutschland -, wieder in ihrem Heimatland Syrien eine Perspektive bekommen, damit sie zurückfinden können und in ihrer Heimat leben können.  ({4}) Meine Damen und Herren, es zeigt sich deutlich, dass, wenn wir nicht bereit sind, die Menschen in den Krisengebieten zu unterstützen, dann die Krisen zu uns kommen . Wir müssen uns dem Terror dort entgegenstellen, wo er entsteht . Bei den jüngsten Umfragen wurde deutlich, dass beinahe 60 Prozent der deutschen Bevölkerung dafür sind, dass wir einen militärischen Beitrag leisten sollten . Von diesen 60 Prozent sind gar 51 Prozent Grüne-Anhänger, Herr Hofreiter . Ich weiß gar nicht, wie Sie diese Zerreißprobe in Ihrer Partei bestehen wollen . Die Mehrheit Ihrer Anhänger ist für einen militärischen Beitrag, und Sie entscheiden sich heute dagegen . Das wird Ihre Partei vor eine große Zerreißprobe stellen . ({5}) Die Anschläge von Paris waren auch gegen Deutschland gerichtet . Es ist klar, dass wir uns an die Seite unserer französischen Partner stellen, auch um die Sicherheit unseres Landes zu stärken . Wir stehen ein für die freiheitlichen Demokratien, weil wir wissen, dass der IS überall dort die Gelegenheit nutzt, freiheitliche Strukturen zu zerstören . Egal, ob sich ein Land an einer Allianz beteiligt oder nicht: Der IS-Terror nimmt keine Rücksicht . Er tötet all diejenigen, die sich nicht ihrer radikalen Bewegung anschließen . Das bedeutet für uns im Umkehrschluss, dass uns Passivität nicht schützen wird . Außenpolitische Zurückhaltung wird uns nicht weniger zu einem Anschlagsziel machen, als wir es jetzt vielleicht schon sind . Ich möchte aber deutlich darauf hinweisen, dass ein militärischer Beitrag nur ein Baustein unserer Strategie im Kampf gegen den IS ist . Erst der gleichzeitige Einsatz verschiedener Instrumente - Diplomatie, zivilgesellschaftliches Engagement und militärisch temporärer Einsatz - unterstützt einen solchen Erfolg . Auch das ist die Lehre aus dem Afghanistan-Einsatz . Meine Damen und Herren, vor allem wichtig ist, dass der Wiener Prozess dieses Vorgehen begleitet . In der Vergangenheit ist der IS auch durch die Uneinigkeit der Staatengemeinschaft stark geworden . Durch den Wiener Prozess sitzen nun alle beteiligten Staaten dieser Region an einem Tisch, um eine Lösung zu erarbeiten . Es gibt einen gemeinsamen Nenner dieser Staaten . Dieser gemeinsame Nenner ist die Verantwortung, sich gegen diesen IS-Terror zu stellen . Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr . Wir können uns nicht heraushalten, und wir wollen uns nicht heraushalten, auch zum Schutz unseres eigenen Landes . Es wird ein langer und es wird ein steiniger Weg, den es sich lohnt gemeinsam zu gehen . Meine Damen und Herren, die Sicherheit ist der Garant für die Freiheit; denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit . Wir müssen bereit sein, diese Freiheit zu verteidigen, auch dafür einzustehen: zum Schutz der leidgeprüften Menschen, für die Solidarität in Europa und für die Sicherheit unseres Landes . Lassen Sie uns gegen den IS-Terror entscheiden, damit Menschlichkeit wieder Raum greift . Deshalb sollten wir diesem Mandat heute zustimmen . Herzlichen Dank . ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Roderich Kiesewetter für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Roderich Kiesewetter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004068, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Einsatzentscheidung ist ein Zeichen der Entschlossenheit, und sie ist wohlüberlegt . Heute vor drei Wochen, am 13 . November, haben die fürchterlichen Anschläge in Paris stattgefunden . Sie haben auch uns gegolten, nicht nur unserer Nationalmannschaft, sondern unserer westlichen Lebensweise . Deshalb ist dieses Zeichen der Entschlossenheit auch dadurch geprägt, dass es Parlament und Regierung gelungen ist, innerhalb von drei Wochen ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen gegen den Terror, ein entschlossenes Zeichen im Kampf gegen den Terrorismus gegen unsere westliche Welt . ({0}) Trotzdem - ich habe viel Verständnis für die Kollegen, die mit Demut auf die Entscheidungen schauen - müssen wir uns bewusst sein, dass wir es uns in der Vergangenheit nicht immer einfach gemacht haben, so auch heute . Zu diesem Zeichen der Entschlossenheit gehört eine kurzfristige militärische Aktion . Aber genauso gehört dazu, alle Anstrengungen darauf auszurichten, mittelfristig ein Mandat der Vereinten Nationen zu erzielen und auf weitere Sicht ein Mandat zu erzielen, das Bodentruppen aus der Region umfasst, die für eine Befriedung, für die Trennung der Konfliktparteien und  für eine Stabilisierung des Wiederaufbaus sorgen . Um dies zu erreichen, ist die heutige Entscheidung die erste Voraussetzung . Sie ist notwendig, aber bei weitem noch nicht hinreichend . Ich möchte deshalb einen Blick auf die Instrumente werfen, die wir einsetzen . Lieber Herr Kollege Hofreiter, es ist nicht hilfreich, wenn Sie sagen, es sei ein entgrenztes Mandat . Gerade der Blick auf das Mandatsgebiet zeigt, wie ernst uns der politische Prozess ist: Es gehören Syrien und Irak dazu, es gehören das östliche Mittelmeer, das Rote Meer und der Persische Golf dazu . Wir müssen die Konfliktregionen insgesamt betrachten. Es geht hier  nicht nur um Syrien . ({1}) Ich möchte zuerst auf die diplomatischen Mittel eingehen . Bevor es zu diesem Einsatz kam, wurde in Wien die Voraussetzung dafür geschaffen, einen politischen Prozess anzustrengen . Das Einzigartige des Wiener Prozesses ist es doch - das sollten Sie anerkennen -, dass sowohl Russland als auch die USA am Tisch sind, dass Saudi-Arabien und Iran am Tisch sind, dass wir eine internationale Koalition schmieden, die mittelfristig dazu in der Lage ist, alle Vorbehalte, die von der einen oder anderen Seite gegen ein UN-Mandat angeführt werden, zu überwinden . Das ist die Arbeit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und unseres Außenministers FrankWalter Steinmeier . Unterstützen wir sie mit dem Mandat dabei! Wir müssen mit der heutigen Abstimmung ein klares Zeichen setzen . ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem politischen Prozess gehören auch Anstrengungen in der Entwicklungszusammenarbeit . Gerade der Gipfel mit der Türkei hat gezeigt, dass wir etwas spät auf die Entwicklungen in der Region reagiert haben, aber nicht zu spät . Die Stabilisierungsmaßnahmen der Türkei, die mit der Aufnahme von Millionen von Flüchtlingen geleistet werden, helfen auch uns in Europa . Wir müssen das bei allen innenpolitischen Problemen, die die Türkei hat und auch uns bereitet, wertschätzen . Aber es kann nicht reichen, dass wir nur auf die Türkei schauen . Diejenigen von uns, die in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder auch im Libanon oder - wie ich unlängst - in Jordanien waren, wissen, dass die Flüchtlinge dort gebannt darauf warten, dass die Europäische Union bereit ist, mehr zu tun und mitzuhelfen . Wir haben jetzt mit der Bereitstellung von erheblich mehr Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit und für die Maßnahmen des Welternährungsprogramms in den Flüchtlingslagern die entscheidende Wende erreicht . Wichtig ist aber, auch darauf zu schauen, dass Staaten wie Libanon und Jordanien nicht überfordert werden . Ein Viertel der Bevölkerung dieser Länder besteht aus Flüchtlingen . Wir sollten uns klar vor Augen führen, dass wir hier gefordert sein werden, nicht nur im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, und dass dieses Mandat möglicherweise - das sage ich in aller Demut - einen Einstieg der Europäischen Union in einen weiteren Zusammenhang, in eine weitere Stabilisierung bedeuten muss . ({3}) Wir müssen den Blick auch darauf richten, wie wir es schaffen, dass die Region selber Verantwortung übernimmt . Hier reichen entwicklungspolitische Maßnahmen nicht aus . Das führt mich zum dritten Punkt: zur Frage der Stabilisierung und Aussöhnung . In Kurdistan, im Irak beginnt gerade eine ganz vorsichtige Aussöhnung zwischen den zerstrittenen Parteien der Sunniten, Schiiten und Kurden . Das ist ein sehr langfristiger Prozess . Die Kurden übernehmen in einer bestimmten Region Verantwortung, auch dank deutscher Unterstützung und Beratung . Wir werden uns dort jahrelang engagieren müssen . Ein weiterer Blick, der aus meiner Sicht erforderlich ist, richtet sich darauf, dass sich ISIS zurzeit in Libyen festbeißt . Der Libyen-Einsatz 2011 zeigt, dass eine isolierte Betrachtung und ein ausschließlicher Einsatz militärischer Mittel nicht zielführend sind . Hier liegt es in der Verantwortung der Europäischen Union, aus den Fehlern von 2011 zu lernen . ({4}) Wir müssen es schaffen, als Europäer gemeinsam ein Zeichen zu setzen . In der Europäischen Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 hieß es, dass Europa von einem Ring stabiler Staaten umgeben sein sollte . Diese Forderung haben wir nicht umsetzen können . Das wird die entscheidende Herausforderung der nächsten Jahre werden . Wir warten gespannt nicht nur auf das Weißbuch der Bundesregierung, sondern wir warten gespannt auch auf die europäische außen- und sicherheitspolitische Strategie, die im Sommer nächsten Jahres verabschiedet werden soll . Über unser europäisches Engagement und unsere deutsche Verantwortung nachzudenken und zu debattieren, wäre aller Anstrengungen in diesem Hohen Hause wert . Wir können nicht von Entgrenzung reden, Herr Kollege Hofreiter, schon gar nicht sollten wir von einer Unterstützung des Terrorismus durch Enthaltung, so wie Sie es machen, oder durch Ablehnung reden, sondern wir müssen uns stärker in der Region engagieren und uns darüber in diesem Hause unterhalten . ({5}) Damit komme ich zur militärischen Komponente . Jeder Militäreinsatz ist ein sehr schwieriger Einsatz, weil er auch Gewissensfragen umfasst . Aber ausschließlich den Einsatz westlicher Armeen zu verdammen, kein Wort über die Verbrechen, die Russland in verschiedenen Bereichen durchführt, zu verlieren und immer den Westen anzugreifen, das spricht für eine Verblendung . Das ist ein falsches Bild, das unserer Öffentlichkeit hier aus dem Parlament übermittelt wird . Jeder Einsatz muss in ein politisches Konzept eingebettet sein . Das ist das, was deutsche Außenpolitik ausmacht . Das sind unsere Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz und aus dem Irakkrieg von 2003 . Deshalb war es gerade so wichtig, dass die Bundesregierung, aber auch unser Parlament so stark darauf gedrungen haben, dass der politische Prozess in Wien nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Iran vorangetrieben wird . Noch eines: Dieser Prozess bietet der Europäischen Union endlich die Chance, Bewegung in den Nahostkonflikt zu bringen. Mit einer Stabilisierung von Jordanien  und dem Libanon leisten wir einen Beitrag zur Unterstützung Israels und damit auch einen Beitrag zur viel beschworenen Staatsräson, die wir erbringen müssen, um in der Region zu helfen und um Israel in einem stabilen Umfeld zu bewahren . Darüber haben wir überhaupt noch nicht nachgedacht . Deshalb appelliere ich an die Grünen: ({6}) Geben Sie sich einen Ruck, und denken Sie nicht nur an die Bekämpfung des Terrors! Denken Sie auch an die Bekämpfung und Überwindung des Nahostkonflikts. Wir  brauchen eine stabile Region, auch im Südosten Europas . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Johann Wadephul ist der letzte Redner in dieser Debatte für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Johann Wadephul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004182, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass in dieser Debatte deutlich geworden ist, dass wir heute zwar einen militärischen Einsatz beschließen, dass aber das Militärische nicht die letzte, nicht die einzige Antwort auf den IS, den Terrorismus und die Barbarei ist, der wir uns gegenübersehen . Ich möchte zum Schluss der Debatte darauf aufmerksam machen, dass die deutsche Außenpolitik in einer großen Kontinuität steht . Sie stellt die Diplomatie, die Verständigung und das Herstellen von Gesprächskontakten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit . Das ist bei Vorgängerregierungen so gewesen, und das ist bei den aktuellen Konflikten, die wir zu bewältigen hatten, auch so gewesen . Ich darf den Ukraine-Konflikt in Erinnerung rufen; der  übrigens mitnichten beendet worden ist . Es gab schwere Völkerrechtsverletzungen seitens Russlands . Es war Deutschland, es war die deutsche Bundeskanzlerin, die dafür gesorgt hat, dass der Minsker Prozess eingeleitet wurde . Sie war es, die Frankreich eingebunden hat . Sie hat dafür gesorgt, dass Präsident Putin mit am Tisch saß . Es war die deutsche Bundeskanzlerin, es war Deutschland, das auf Diplomatie und auf Verständigung gesetzt hat . Es war Deutschland, das sich der Forderung, Waffen an die Ukraine zu liefern, widersetzt hat . Unsere Außenpolitik ist also nicht militärisch geprägt, aber wir wissen, dass es Situationen gibt, in denen wir bündnisfähig sein müssen . ({0}) Es war der deutsche Bundesaußenminister, der viel Kraft und Energie auf die Nukleargespräche, die den Iran betrafen, verwandt hat . Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir einen Erfolg erzielt haben . Es war der deutsche Bundesaußenminister, der mit unserer Unterstützung - Herr Gehrcke, ich glaube, sogar mit Ihrer, dafür ein herzliches Dankeschön - nach erfolgreichem Abschluss der Nukleargespräche eine bemerkenswerte Reise gemacht hat - erst in den Iran, nach Teheran, dann nach Saudi-Arabien, nach Riad - und damit wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der Wiener Prozess beginnen konnte . Jeder in diesem Hohen Hause weiß doch - auch jeder, der heute zustimmen will -: Militärisch werden wir das nicht lösen . Wir werden das nur lösen, wenn der Wiener Prozess vorangeht, und das schaffen wir ohne Iran und ohne Saudi-Arabien nicht . Ich möchte Frank-Walter Steinmeier ein ganz herzliches Dankeschön sagen, dass er sich dafür eingesetzt hat . Das hat viel geholfen . ({1}) Aber jetzt gibt es eine Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft zum Kampf gegen diese Barbarei . Es geht nicht - Frau Kollegin Wagenknecht, ich möchte Sie herzlich auffordern, diese Formulierung noch einmal zu überdenken und sie zurückzunehmen - um einen Wettstreit, wer der Bessere im „Morden“ ist, wie Sie, Frau Wagenknecht, heute Morgen hier gesagt haben . Ich halte das für eine schlimme Entgleisung . ({2}) Wir sind an der Seite der Weltgemeinschaft, die in einer UN-Resolution - unabhängig davon, was Sie völkerrechtlich aus dieser UN-Resolution herleiten - diese Barbarei des IS verurteilt hat . ({3}) Wir sind, Herr Kollege Gehrcke, auf der Seite der Humanität . Wir sind auf der Seite des Rechts . Wir sind auf der Seite des Internationalismus . Das sage ich den Linken einmal: Hört ihr nicht die Signale? Sie sind Provinzialisten, wenn Sie sich in die linke Ecke des deutschen Hauses zurückziehen . ({4}) Ich kann den Grünen in dieser Debatte folgenden Hinweis nicht ersparen: Sie haben nicht ohne Stolz - das muss man anerkennen - in vielen Debatten über Europa, zum Beispiel über die Griechenland- und die Portugal-Rettungspakete, immer wieder darauf hingewiesen - ich habe manche Rede des Kollegen Trittin hier in wirklich guter Erinnerung -, dass Sie für das europäische Projekt stehen . Herr Kollege Hofreiter, es wäre nicht trivial - das muss man bei all den Fragen, die es zur Zukunft in Syrien noch gibt, und bei all der Unfertigkeit dieses Projektes sagen -, wenn wir in dieser Lage Frankreich die Solidarität versagen würden . ({5}) Die deutsch-französische Freundschaft ist nach wie vor - 2003 haben wir hier gemeinsam das Jubiläum begangen - eine Sache, für die wir tiefste Dankbarkeit empfinden müssen, auch in dieser Situation. Europa wird  ohne eine funktionierende deutsch-französische Achse schlicht und ergreifend handlungsunfähig . ({6}) - Sie können zu Recht auf viele andere Projekte hinweisen - natürlich machen wir Mali -; das ist alles richtig . Aber in dieser Situation diese Bitte des französischen Präsidenten und des französischen Staates abzulehnen, würde die deutsch-französische Freundschaft auf das Schwerste schädigen . ({7}) Wenn Sie sich zum Projekt Europa bekennen, dann müssen Sie sich an dieser Stelle auch zur Solidarität mit Frankreich bekennen . ({8}) Dann muss man jetzt auch springen und darf sich nicht zurückziehen auf intellektuelle Spielchen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Linken . ({9}) Meine Damen und Herren, die Christen in dieser Welt bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor . Nach unserer schwierigen Entscheidung müssen sich auch deutsche Soldatinnen und Soldaten auf einen schwierigen, schweren und gefährlichen Einsatz vorbereiten . Wir wünschen ihnen alles Gute, Gottes Segen und dass sie nach Erfüllung ihres Auftrags wohlbehalten zu ihren Familien zurückkehren können . Herzlichen Dank . ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristi- scher Handlungen durch die Terrororganisation IS . Hierzu liegen mir zahlreiche persönliche Erklärungen zur Abstimmung vor, die wir, wie üblich, dem Protokoll beifügen .1) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6912, dem Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/6866 zuzustimmen . Über diese Beschlussempfehlung stimmen wir nun auf Antrag der Koalitionsfraktionen namentlich ab . Ich weise aber schon jetzt darauf hin, dass es danach eine weitere namentliche und eine weitere nicht namentliche Abstimmung geben wird . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn die Urnen jeweils doppelt besetzt sind . ({0}) - Ich darf Sie bitten, die Fahne dort oben friedlich wieder einzurollen . Darf ich noch einmal fragen, ob an allen Urnen jeweils zwei Schriftführerinnen und Schriftführer anwesend sind? - Das scheint der Fall zu sein . Dann eröffne ich den Abstimmungsvorgang .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mei- ner Seite, auch den Gästen auf der Tribüne! Darf ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit bitten: Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben bei der ersten namentlichen Abstimmung? - Da niemand reagiert, gehe ich davon aus, dass Sie alle abgestimmt haben . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen .2) Wir stimmen nun über die Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke ab . Die Fraktion Die Linke hat zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 18/6918 na- mentliche Abstimmung verlangt . Ich bitte die Schriftfüh- rer und Schriftführerinnen, die vorgesehenen Plätze ein- zunehmen . - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall . Ich eröffne die zweite namentliche Abstim- mung über den Entschließungsantrag - ich sage es noch einmal - auf Drucksache 18/6918 . Gibt es Mitglieder des Hauses, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? - Es wäre viel einfacher, das festzustellen, wenn Sie sich hinsetzen und die Gespräche einstellen würden, weil wir gleich noch eine Abstimmung haben . Also: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Ich werde Ihnen die Ergebnisse der Abstim- mung - wie immer -, sobald sie uns vorliegen, bekannt geben .3) Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck- 1) Anlagen 2 bis 12 2) Ergebnis Seite 14131 D 3) Ergebnis Seite 14134 B sache 18/6917 . Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zugestimmt hat Die Linke, abgelehnt hat der Rest des Hauses: CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Jetzt kommt ein sehr wichtiges Thema . Deswegen bitte ich - das ist unverhandelbar -, die Gespräche einzustellen und Platz zu nehmen; das gilt für alle . Wir kommen jetzt, wie gesagt, zu einem sehr wichtigen Thema, nämlich zu einer Regierungserklärung, und ich möchte, dass der Ministerin und den Kolleginnen und Kollegen zugehört wird . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur UN-Klimakonferenz in Paris Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vor . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 77 Minuten vorgesehen . - Ich höre und sehe keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung hat jetzt Dr . Barbara Hendricks . ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Minister:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klimakonferenz in Paris, die Anfang dieser Woche begonnen hat, könnte - ja, sie muss - der Aufbruch in ein neues Zeitalter sein . Es geht tatsächlich um die Zukunft unseres Planeten . UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat zur Eröffnung am Montag treffend beschrieben, die Konferenz sei ein politischer Moment, wie er vielleicht nicht wiederkommt . In den meisten Reden der Staats- und Regierungschefs ist die Bereitschaft zum Ausdruck gekommen, jetzt einen globalen Klimavertrag zu vereinbaren, und auch bei meinen ersten Gesprächen in Paris habe ich gespürt, dass wir alle uns unserer gemeinsamen Verantwortung bewusst sind . Die Erwartungen an diese Konferenz aus diesem Hohen Haus, aus Deutschland und aus Europa reihen sich ein in die Erwartungen von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt - vor allem in den ärmsten und besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern . Ich möchte dem gesamten Bundestag für das Engagement gegen den Klimawandel danken . ({0}) Natürlich streiten wir auch hier gelegentlich über den richtigen Weg des Klimaschutzes im eigenen Land . Bei den internationalen Verhandlungen haben wir aber immer die Tradition des Schulterschlusses gehabt, und ich freue mich auf die vielen positiven Beiträge aus allen Fraktionen . Ich danke auch dafür, dass aus allen Fraktionen Kolleginnen und Kollegen mit nach Paris kommen werden . Wir werden Sie über den Gang der Dinge auch weiter gut informiert halten, sodass Sie Informationen zum Verhandlungsprozess aus erster Hand erhalten . Die Delegationen der 195 Staaten haben die Aufgabe, die vermutlich größte Herausforderung dieses Jahrhunderts anzugehen, nämlich den Klimawandel zu begrenzen . Von Paris soll das Signal ausgehen: Die Welt steht zusammen . Für unseren Teil kann ich sagen: Die Bundesregierung wird alles dafür tun, dass diese Konferenz ein Erfolg wird . Ich möchte Präsident Hollande und allen Französinnen und Franzosen meinen großen Dank dafür aussprechen, dass sie diese Großveranstaltung trotz der schwierigen Situation in so hervorragender Weise schultern . ({1}) Für uns alle ist in Paris die Trauer über die feigen und bestialischen Anschläge spürbar . Aber wir spüren auch das Ausrufezeichen: Jetzt erst recht! Wir lassen uns die Zukunftsgestaltung nicht von Mördern wegnehmen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg nach Paris war mühsam und lang . Allerdings sind wir gerade auf den letzten Metern in diesem Jahr sehr gut vorangekommen . Dazu zähle ich unter anderem die Beschlüsse der G-7-Konferenz in Elmau, die Weltwirtschaft noch in diesem Jahrhundert zu dekarbonisieren . Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie dieses Ziel der Dekarbonisierung noch einmal ausdrücklich unterstrichen hat . ({2}) Das Bekenntnis, von Kohle, Öl und schließlich auch Gas vollständig Abstand zu nehmen, war eben keine Laune in Elmau, sondern eine gut bedachte und notwendige Richtungsentscheidung, ein Bekenntnis, dem sich Brasilien wenig später angeschlossen hat . Das war ein wichtiges Signal in Richtung der aufstrebenden Länder des Südens . Ein anderer wichtiger Zwischenschritt liegt bereits zwei Jahre zurück . Bei der Konferenz in Warschau 2013 wurde vereinbart, dass alle Staaten im Vorfeld der Pariser Konferenz ihre nationalen Beiträge einreichen sollten . Dieses Vorgehen hat sich als sehr sinnvoll erwiesen . 185 Vertragspartner haben das jetzt getan . Sie stehen für mehr als 95 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes . Der Verhandlungsprozess von Paris hat schon jetzt zu mehr Klimapolitik auf der Welt geführt, als wir je zuvor hatten . Vizepräsidentin Claudia Roth Mit diesen Beiträgen würden wir die weltweite Erwärmung auf circa 2,7 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzen können . Wir erreichen also zwar noch nicht die 2-Grad-Obergrenze, aber das ist eine deutliche Abkehr vom bisherigen Trend, bei dem wir noch mit 4 oder sogar 5 Grad Erderwärmung hätten rechnen müssen . Aber nochmals: Nur die Zwei vor dem Komma reicht nicht aus . Wir müssen mehr machen, und wir können das auch . Die 2-Grad-Obergrenze muss völkerrechtlich verbindlich werden . Nicht zuletzt deswegen stehen wir jetzt, fast 20 Jahre nach Kioto, in den härtesten zwei Wochen des internationalen Klimaprozesses . Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal darstellen, was die Leitlinien unserer Verhandlungen in Paris sind . Erstens . Wir brauchen vollständige Transparenz . Wir wollen klare Regeln, wie der Klimaschutz in den einzelnen Staaten gemessen und dokumentiert wird . Zweitens . Wir müssen in der Lage sein, nachzusteuern . Deswegen brauchen wir einen Mechanismus, der die Ambitionen Stück für Stück steigert . Ich möchte erreichen, dass wir Zyklen von fünf Jahren durchsetzen, wobei die Klimaschutzanstrengungen jeweils verstärkt werden müssen, sodass man keinesfalls dahinter zurückfallen kann . Drittens . Wir wollen weltweite Solidarität mit den Ländern, die unter den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten leiden . Viertens . Wir brauchen das Bekenntnis zu einem langfristigen Ziel . Das Ziel muss sein: null CO2 aus fossilen Energieträgern im Laufe dieses Jahrhunderts . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der internationale Klimaschutz wird weiterhin auf Dialog angelegt sein . Für diesen Dialog brauchen wir aber Leitplanken, die uns in Richtung des 2-Grad-Ziels führen . Dazu zählt, dass wir die Anstrengungen der Staaten regelmäßig überprüfen . Am liebsten wäre es mir, die nationalen Beiträge völkerrechtlich verbindlich festzuschreiben . Mindestens aber brauchen wir ein völkerrechtlich verbindliches System, mit dem gemessen wird . Je transparenter die Bemühungen der Staaten, desto unwahrscheinlicher, dass sich Länder still und heimlich von ihren Zielen und Zusagen verabschieden . Daher wollen wir alle fünf Jahre eine Überprüfung . Es lohnt sich, um die Vermeidung eines jeden Zehntelgrades Erderwärmung zu kämpfen . Darüber hinaus müssen wir in der Lage sein, nachzujustieren . Wir wollen einen Mechanismus vereinbaren, der es uns ermöglicht, die Anstrengungen Stück für Stück zu steigern, abhängig von wissenschaftlichen Erkenntnissen und von künftigen technologischen Möglichkeiten . Sie sehen: Paris wird nicht der Endpunkt der Klimadiplomatie sein . Vielmehr muss es der Ausgangspunkt einer neuen und erfolgreichen Phase weltweiter Klimaschutzpolitik sein . Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich anhand von zwei Begegnungen, die ich gerade vorgestern hatte, die Situation beschreiben . Ich habe am Mittwoch Sheila Watt-Cloutier, eine sehr engagierte Frau aus dem Norden Kanadas, kennengelernt . Sie gehört zum Volke der Inuit und erzählte mir von dem Nationalpark Auyuittuq am Rande der Arktis . Der Name heißt auf Deutsch: Land, das nie schmilzt . Tatsächlich stimmt der Name nicht mehr: Heute schmilzt das Land und damit alles, was die Lebensgrundlage des Volkes der Inuit ausmacht . Gemeinsam mit ihr habe ich den Außenminister der Marshall Islands, Tony de Brum, getroffen . Beide wurden gerade mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet . Ohne ein neues Klimaschutzabkommen wird seine Heimat im Meer versinken . Auf der einen Seite schmilzt ein Land, auf der anderen Seite droht ein anderes vom steigenden Meeresspiegel geschluckt zu werden . Natürlich ist das ursächlich miteinander verbunden, obwohl der Norden Kanadas und die Marshall-Inseln mehr als 10 000 Kilometer voneinander entfernt sind . Das sind nur zwei Beispiele . Von der Konferenz in Paris hängt die Existenz ganzer Völker ab . ({4}) Für viele Menschen ist der Klimawandel bereits heute eine unmittelbare Bedrohung: in Afrika südlich der Sahara, in Südasien und an vielen anderen Orten . Trinkwasser wird knapp, Böden vertrocknen, und Wüsten breiten sich aus . Immer mehr Menschen verlieren ihre Heimat . Ein fortschreitender Klimawandel würde viele Verteilungskonflikte verschärfen und neue Verteilungskonflikte hervorrufen: Konflikte um Land, um Wasser, um Böden, um  Nahrungsmittel . Wenn die Erderwärmung um mehr als 2 Grad steigt, wird es gefährlich . In vielen Regionen setzt dies schon oberhalb von 1,5 Grad ein . Schaffen wir es nicht, den Temperaturanstieg zu begrenzen, werden wir den Kampf gegen  Armut,  Verzweiflung  und  Flucht  verlieren.  Wir  alle haben die Pflicht, unseren Beitrag zu leisten, damit  diesen Menschen eben nicht die Hoffnung genommen wird . Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspolitik und Friedenspolitik . ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gesagt, dass die Konferenz unter guten Vorzeichen steht . Dennoch dürfen wir nicht so tun, als wäre das Ergebnis schon erreicht . Wir haben insgesamt 196 Vertragsparteien, zwischen denen sich Dynamiken ergeben können, die wir noch nicht genau absehen . Der EU kommt hier eine wichtige Bedeutung zu, als Vermittlerin und als Antreiberin, damit es nicht nur Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gibt . Gemeinsam mit meinen europäischen Kolleginnen und Kollegen wird das der Schwerpunkt meiner Arbeit in der kommenden Woche sein . Ich darf Ihnen sagen, dass Deutschland international als ein ehrlicher Makler wahrgenommen wird; eine Rolle, die wir nun auch gut ausfüllen wollen . ({6}) Gerade die Länder des Südens werden unter den Folgen des Klimawandels leiden, selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen können . Gleichzeitig haben die allermeisten von ihnen historisch nur zu einem sehr geringen Teil zum Klimawandel beigetragen . Schon in Kopenhagen haben wir, die Industrieländer, uns dazu verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Investitionen für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zu mobilisieren . Das ist - ich habe das in Paris bereits betont - eine absolut notwendige Voraussetzung, um die Zustimmung aller Staaten zu bekommen . ({7}) Ende 2014 standen wir bereits bei 62 Milliarden US-Dollar . Wir sind also auf einem guten Weg . Insgesamt  muss  die  Klimafinanzierung  eine  der  Säulen  des  neuen Abkommens sein . Wir wollen, dass sich der Geberkreis erweitert . Wir brauchen auch in dieser Hinsicht Fairness . Die Reicheren, Leistungsstärkeren müssen den Bedürftigeren helfen . Das ist die ganz einfache Formel, um die es geht . ({8}) Das bedeutet auch, dass wir uns von Einteilungen der Welt in Arm und Reich, wie sie etwa noch Anfang der 90er-Jahre bestanden hat, verabschieden müssen . Heute haben einige prosperierende Länder des Südens ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als mancher EU-Mitgliedstaat . Diese müssen wir in die Solidarität einbinden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, effektiver Klimaschutz ist nur möglich, wenn möglichst viele Finanzströme in Richtung Klimaschutz und Klimaanpassung umgelenkt werden, und das hat bereits begonnen: Von der Rockefeller-Stiftung bis zum norwegischen Staatsfonds ziehen immer mehr Investoren ihr Geld aus fossilen Industrien ab und legen es stattdessen in erneuerbare Energien und nachhaltige Investitionen an . In der vergangenen Woche - Sie haben es alle wahrgenommen - hat die Allianz Versicherung eine entsprechende Ankündigung gemacht . Es ist wichtig, diese Entwicklung zu unterstützen . Deshalb ist das Langfristziel so wichtig; denn damit geben wir der wirtschaftlichen Entwicklung eine Richtung und Investoren ein Signal . ({9}) Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass viele auch etwas im Kampf gegen den Klimawandel tun können . Wenn die Allianz ihre Anlagestrategie ändert, dann können das andere Anleger auch: ({10}) Stiftungen, Kirchen, Privatanleger oder Kommunen, wie es zum Beispiel die Stadt Münster gerade getan hat . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Großteil der bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas muss in der Erde bleiben, wenn der Klimawandel nicht aus dem Ruder laufen soll . ({11}) Die Zeit ist reif für eine weltweite Energiewende . Es ist nicht zuletzt einer der Erfolge des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes, dass Strom aus erneuerbaren Energien marktfähig geworden ist . Wir haben gut daran getan, voranzugehen . Wir können heute günstigen Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen . Das langfristige Ziel einer grünen Null, netto null Gramm Treibhausgasausstoß aus unseren Wirtschaftsprozessen, gibt die Richtung vor . Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien . ({12}) Damit bin ich bei unseren Aufgaben in Deutschland . Der Klimawandel wird auch uns direkt betreffen . Seit 1880 hat sich die durchschnittliche Jahrestemperatur um 1,4 Grad erhöht . Die Zahl der heißen Tage mit über 30 Grad hat sich verdreifacht, mit vielen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Landwirtschaft und die Tier- und Pflanzenwelt. Wir haben es immer häufiger  mit  Stürmen,  Starkregenereignissen  und Überflutungen  zu tun . Die Reparaturkosten, die ein ungebremster Klimawandel mit sich bringen würde, sind nachweislich höher als entschlossener Klimaschutz; weltweit betrachtet, aber auch in unserem eigenen Land . ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist für alle ein guter Anlass, sich selbst einmal gründlich zu hinterfragen . Ich treffe immer wieder Skeptiker, die das, was wir tun, für übertriebene Hysterie halten . ({14}) Dieser Haltung begegnet man zwar nicht gerade im Umfeld großer Klimakonferenzen, wohl aber im politischen Alltag, wenn es darum geht, Klimaschutz aktiv umzusetzen . ({15}) Ich will am heutigen Tag eines sagen: Der Kampf gegen den Klimawandel ist eben keine Spaßveranstaltung . Er ist auch kein Hobby und kein sinnloses Zeug, sondern er ist ausgesprochen ernst . ({16}) Präsident Obama hat recht mit seiner Aussage, dass es absolut zynisch ist, zu sagen, man könne nichts gegen den globalen Klimawandel tun . Mit einem neuen Abkommen wollen wir denjenigen die Hand entgegenstrecken, deren Angst vor der Transformation größer ist als die Sorgen vor den Folgen des Klimawandels . ({17}) Ihnen allen möchte ich heute zurufen: Kommen Sie mit, machen Sie mit! ({18}) Wir stoppen gemeinsam den Klimawandel und geben so Millionen von Menschen die Chance auf ein besseres Leben . ({19}) Es gibt keinen Anlass, den Kopf in den Sand zu stecken . Die Bundesregierung ist die Erste, die klar sagt, wie wir unsere Klimaziele erreichen können . Mit dem Aktionsprogramm „Klimaschutz“ haben wir über 100 zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht . Wir haben Transparenz hergestellt, indem wir jedes Jahr einen Klimaschutzbericht vorlegen . Gerade gestern wurde erstmals über einen solchen Bericht debattiert . ({20}) Wir haben zudem die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger mit an den Tisch geholt . Im kommenden Jahr werde ich Ihnen den Klimaschutzplan 2050 vorstellen . Er wird Strategien aufzeigen, wie wir unser langfristiges Ziel erreichen können, bis zum Jahr 2050 bis zu 95 Prozent weniger CO2 auszustoßen; dazu  haben wir  uns  verpflichtet. Das  ist  aller Anstrengungen wert . Wenn ich sage, dass wir in unserem Land klare Signale geben müssen, wohin wir mit unserer Politik wollen, dann gilt das besonders für die Wirtschaft . Deutschland ist ein Vorreiter im Klimaschutz . Wir erleben gerade, wie uns immer mehr Länder folgen . Das ist auch eine direkte Folge der klugen Förderpolitik in unserem Land . 1,5 Millionen Menschen verdienen ihr Geld heute in dieser Branche . Der Weltmarktanteil nachhaltiger Produkte, Verfahren und Dienstleistungen made in Germany liegt bei fast 14 Prozent . Das sollte uns ermutigen, diesen Weg weiterzugehen . Klimaschutz schadet nicht der Wirtschaft . Klimaschutz schafft vielmehr Wohlstand und Arbeitsplätze . In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1990 und 2014 um 39 Prozent gestiegen, während im selben Zeitraum die Emissionen um 27 Prozent gesunken sind . Wir haben also das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch entkoppelt . Das ist echte Nachhaltigkeit . Richtig ist, dass sich unsere Wirtschaftsstruktur weiter verändern wird, übrigens auch die Mobilität . Diese Prozesse müssen wir klug organisieren . Die Zeit der fossilen Energieträger, auch der Braunkohle, geht zu Ende . ({21}) Das müssen wir den Menschen offen sagen, weil wir die Verantwortung für einen gut gesteuerten Strukturwandel tragen, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der betroffenen Regionen . Das Gleiche gilt für die Landwirtschaft . Es reicht nicht mehr, nur auf Masse zu produzieren . Dazu sind die Umwelt- und Klimafolgen der Landwirtschaft zu groß . ({22}) Auch hier ist ein Strukturwandel notwendig, hin zu mehr Umwelt- und Naturschutz und weniger Emissionen . Das überkommene System der Agrarsubventionen setzt hier bisher die völlig falschen Anreize . Es ist wirklich an der Zeit, das grundsätzlich zu ändern . ({23}) In dem Zug nach Paris am letzten Samstag habe ich zwei Schüler getroffen: die 16-jährige Amelie und den 15-jährigen Jonah . Gemeinsam mit vielen anderen Schülern haben die beiden eine Aktion gestartet . Sie haben Postkarten verteilt, auf denen man seine Wünsche für die Pariser Konferenz aufschreiben konnte . Über 3 000 Postkarten junger Menschen wurden mir überreicht . Der ganz überwiegende Teil hat sich von uns gewünscht, dass wir im Klimaschutz vorankommen . Die Frage, wie wir heute unsere Verantwortung wahrnehmen, stellt die Weichen für die Zukunft . Ich möchte, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit der Postkartenaktion, aber auch die Schülerinnen und Schüler in Kanada oder die auf einer pazifischen  Insel  einmal an unsere Generation erinnern  als eine, die den Mut hatte, umzusteuern, die den Mut hatte, die Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen zu beenden, und die einen Weg gefunden hat, in Wohlstand und einer intakten Umwelt leben zu können . Herzlichen Dank . ({24})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr . Hendricks . - Ich glaube, wir alle wünschen Ihnen Kraft, Durchsetzungsvermögen und Erfolg für die Konferenz in Paris . ({0}) Ich darf Ihnen, bevor wir mit der Debatte beginnen, die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt geben . Erste namentliche Abstimmung - Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS -: abgegebene Stimmen 598 . Mit Ja haben gestimmt 445, mit Nein haben gestimmt 146, und es gab 7 Enthaltungen . Die Beschlussempfehlung ist angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 597; davon ja: 445 nein: 145 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Stephan Albani Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens ({1}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . Andre Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr . Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Dr . Helge Braun Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({2}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({3}) Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({4}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann ({5}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr . Franz Josef Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr . Roy Kühne Günter Lach Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Paul Lehrieder Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({6}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Dr . Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({7}) Stefan Müller ({8}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Dr . Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({9}) Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({10}) Gabriele Schmidt ({11}) Ronja Schmitt Nadine Schön ({12}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({13}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer ({14}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl ({15}) Lena Strothmann Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({16}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg ({17}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({18}) Sabine Weiss ({19}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({20}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Heinz-Joachim Barchmann Dr . Katarina Barley Doris Barnett Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Burkhard Blienert Willi Brase Dr . Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Bettina Hagedorn Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({21}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({22}) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Angela Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christian Lange ({23}) Dr . Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Detlef Müller ({24}) Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir ({25}) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post ({26}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({27}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer ({28}) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({29}) Dagmar Schmidt ({30}) Carsten Schneider ({31}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Zweite namentliche Abstimmung - Entschließungsantrag der Linken -: abgegebene Stimmen 592 . Mit Ja haben gestimmt 62 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein haben gestimmt 475, Enthaltungen 55 . Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Tom Koenigs Manuel Sarrazin Kordula Schulz-Asche Nein CDU/CSU Hans-Georg von der Marwitz Martin Patzelt SPD Ulrike Bahr Klaus Barthel Lothar Binding ({32}) Marco Bülow Dr . Ute Finckh-Krämer Rita Hagl-Kehl Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({33}) Frank Junge Thomas Jurk Ralf Kapschack Cansel Kiziltepe Steffen-Claudio Lemme Dr . Birgit Malecha-Nissen Hilde Mattheis Bettina Müller Jeannine Pflugradt Andreas Rimkus René Röspel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Dr . Nina Scheer Matthias Schmidt ({34}) Swen Schulz ({35}) Ewald Schurer Sonja Steffen Rüdiger Veit Waltraud Wolff ({36}) DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr . Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . Andre Hahn Heike Hänsel Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller ({37}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Harald Petzold ({38}) Martina Renner Michael Schlecht Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Azize Tank Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann ({39}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Volker Beck ({40}) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Dr . Anton Hofreiter Uwe Kekeritz Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({41}) Christian Kühn ({42}) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr . Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr . Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth ({43}) Corinna Rüffer Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Enthalten CDU/CSU Dr . Andreas Lenz SPD Dr . Simone Raatz Mechthild Rawert Sönke Rix BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({44}) Dr . Franziska Brantner Cem Özdemir Vizepräsidentin Claudia Roth Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 594; davon ja: 62 nein: 477 enthalten: 55 Ja DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr . Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Gregor Gysi Dr . Andre Hahn Heike Hänsel Dr . Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller ({45}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Harald Petzold ({46}) Martina Renner Michael Schlecht Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Azize Tank Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann ({47}) Nein CDU/CSU Stephan Albani Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens ({48}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . Andre Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr . Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({49}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({50}) Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr . Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Mark Hauptmann Dr . Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich ({51}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann ({52}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr . Franz Josef Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr . Stefan Kaufmann Dr . Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr . Roy Kühne Günter Lach Andreas G . Lämmel Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr . Silke Launert Paul Lehrieder Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({53}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Dr . Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({54}) Stefan Müller ({55}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr . Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr . Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({56}) Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({57}) Gabriele Schmidt ({58}) Ronja Schmitt Nadine Schön ({59}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({60}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer ({61}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl ({62}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({63}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg ({64}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({65}) Sabine Weiss ({66}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({67}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr . Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({68}) Burkhard Blienert Willi Brase Dr . Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr . Johannes Fechner Dr . Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr . Ute Finckh-Krämer Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann ({69}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({70}) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Angela Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christian Lange ({71}) Dr . Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller ({72}) Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({73}) Aydan Özoğuz Markus Paschke Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post ({74}) Dr . Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({75}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer ({76}) Dr . Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({77}) Dagmar Schmidt ({78}) Carsten Schneider ({79}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({80}) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff ({81}) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck ({82}) Dr . Franziska Brantner Dr . Thomas Gambke Renate Künast Cem Özdemir Doris Wagner Enthalten SPD Petra Hinz ({83}) Steffen-Claudio Lemme Matthias Schmidt ({84}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Volker Beck ({85}) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Dr . Anton Hofreiter Uwe Kekeritz Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({86}) Christian Kühn ({87}) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr . Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr . Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth ({88}) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr . Julia Verlinden Beate Walter-Rosenheimer Wir beginnen jetzt die Debatte . Die erste Rednerin ist Katja Kipping für die Linke . ({89})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Klimawandel ist schon längst nicht mehr nur eine abstrakte Bedrohung irgendwann in der Zukunft, sondern bittere Realität - auch hierzulande . Die Unwetter nehmen zu, und Hochwasser, die einst als Jahrhunderthochwasser galten, treten jetzt im Zehnjahresrhythmus auf . Der Klimawandel führt uns also in aller Brutalität vor Augen: Wir alle, die wir hier auf diesem Planeten leben, bilden eine Schicksalsgemeinschaft . Das Gebot der Stunde muss deswegen lauten: Klimaschutz und Klimagerechtigkeit . Rein unverbindliche Zielvorgaben bringen uns da nicht weiter . ({0}) Zu den großen globalen Ungerechtigkeiten auf dieser Welt gehört, dass die ärmeren Länder in besonderer Härte von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen sind . In Afrika beispielsweise leiden Millionen Menschen an Wassermangel . Dem Bericht des UN-Klima rats zufolge werden in Zukunft bis zu 250 Millionen Menschen an Wassermangel leiden . Das muss man sich einmal vergegenwärtigen . Millionen Männern, Frauen und Kindern fehlt es an dem elementarsten aller Lebensmittel, an Wasser . Vor diesem Hintergrund steht doch fest: Die konsequente Reduktion des CO2-Ausstoßes ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit . Dazu müssen wir so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen . ({1}) Die Folgen der globalen Erwärmung wie Dürre und Überschwemmung treiben weltweit Menschen in die Flucht . Mich persönlich hat besonders die Geschichte eines Flüchtlings aus Kamerun berührt, dessen Familie einst eine Kakaoplantage betrieb . Er schilderte, er könne sich noch daran erinnern, dass man in seiner Kindheit die Regenzeit auf den Tag genau bestimmen konnte . In seiner Jugend hingegen gab es schon Jahre, in denen der Regen komplett ausfiel. Die Sonne verbrannte die Setzlinge, und die Setzlinge, die überlebt hatten, wurden dann weggeschwemmt, als der Regen kam, weil er mit einer solchen Wucht kam, dass nichts mehr zu retten war . Wenn wir also so weitermachen wie bisher, wird die Zahl der Klimaflüchtlinge explodieren. Das hat der Teilnehmer einer Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung sehr treffend auf den Punkt gebracht, als er alle fragte: Ja, was denkt ihr denn? Wenn unsere Heimat ein Backofen wird, erwartet ihr, dass wir in diesem Backofen sitzen bleiben, bis wir verdorrt und verdurstet sind? - Der Klimawandel und die Klimakatastrophen werden wahrscheinlich die Fluchtursachen der Zukunft sein . Frau Hendricks, Sie haben hier treffende Worte dazu gefunden . Ich erwarte aber auch, dass der Rest der Regierung in diesem Sinne handelt und wirklich konsequent etwas zur Reduktion der CO2-Emissionen unternimmt . ({2}) Dazu gehört auch, die Wirtschaft entsprechend in die Pflicht zu nehmen. Doch anstatt den großen Konzernen  die ökologischen Folgekosten ihrer Emissionen aufzuerlegen, reagieren die Regierenden anders . Bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA werden Klimaschutz und Umweltschutz zum Investitionshemmnis degradiert . So wird Klimaschutz behindert . Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Abkommen wie TTIP und CETA sind Klimakiller . Sie gehören umgehend entsorgt, und zwar in die Schadstofftonne . ({3}) Es gibt ganz viele konkrete Schritte, die wir gehen müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren . Dazu wird meine Kollegin Eva Bulling-Schröter gleich noch sprechen . Ich möchte mit einer grundsätzlichen Bemerkung schließen . Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen eins deutlich: Es ist bisher in keiner Weise gelungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren . Lediglich infolge eines Systemzusammenbruchs oder infolge großer Wirtschaftskrisen ist das gelungen . Ganz im Gegenteil: Noch im Jahr 2013 haben die CO2-Emissionen mit 35 Milliarden Tonnen ein historisches Ausmaß gehabt . Das hat eine Ursache . Das kapitalistische „Höher, schneller, weiter“ kennt eben nur ein Erfolgskriterium, und das ist der Profit.  Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass auch der grüne Traum von einem grünen Kapitalismus, in dem allein ressourcensparende Technologien alle unsere Probleme lösen, ausgeträumt ist . Denn selbst die Einsparungen würden doch sofort durch mehr Konsum, durch mehr Wirtschaftswachstum  zunichtegemacht.  Insofern,  finde  ich, hat es die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein auf den Punkt gebracht, als sie sagte: Klima oder Kapitalismus - wir müssen uns entscheiden . ({4}) - Mir ist schon bewusst, dass Ihnen solche Wahrheiten nicht gefallen . Aber wenn man sich dem Problem Klimakollaps in aller Dringlichkeit stellen will, muss man an die Wurzeln des Problems heran . Vor die Entscheidung „Klimaschutz oder Kapitalismus?“ gestellt, weiß ich, wofür ich mich entscheide: Im Interesse der zukünftigen Generationen, im Interesse der Kinder und Enkel und im Interesse der vielen Menschen, die bereits heute an Wassermangel leiden, setzen wir auf Klimaschutz . ({5}) Vielen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Kollegin Kipping . - Das Wort hat jetzt der Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, Andreas Jung, für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Vormittag in diesem Haus über die Bedrohung durch den Terrorismus gesprochen . Jetzt geht es um Klimawandel . Das sind zwar zwei völlig unterschiedliche Themen, aber auch die Bedrohung durch den Klimawandel ist konkret und hat sich schon ganz konkret realisiert . Es gibt Menschen, die wegen des Klimawandels gestorben sind.  Ich denke dabei an Überflutungen,  zum Beispiel in Bangladesch . Es gibt ganze Länder, die bedroht sind . Denken wir an die Inselstaaten, deren Überleben durch das Ansteigen des Meeresspiegels infrage gestellt wird . Es gibt Millionen von Menschen, die auf der Flucht sind - auch wegen der Klimaveränderung . Angesichts der mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen haben wir allen Grund, die Konferenz in Paris so ernst zu nehmen . Es war gut, dass die Bundeskanzlerin bei der Eröffnung gewesen ist . Sie hat dort gesagt: Beim Klimaschutz geht es um Menschlichkeit und letztlich um das Überleben der Menschheit . So waren ihre Worte . ({0}) Ich denke, genau darum geht es . Deshalb wünschen wir dieser Konferenz in Paris von Herzen viel Erfolg . Wir wünschen der Kanzlerin, der Umweltministerin, der Bundesregierung viel Erfolg bei dem, was Sie, Frau Hendricks, dargestellt haben: bei dem Ringen um ein wirksames, verbindliches Klimaschutzabkommen unter Einbeziehung aller Emittenten . ({1}) Frau Kipping, weil Sie gerade „Worte!“ dazwischengerufen haben, will ich sagen: Ich teile die Einschätzung, dass wir, die Industriestaaten, also auch Deutschland, in besonderer Weise in der Pflicht stehen, dass wir eine  besondere Verantwortung haben . Ja, wir haben seit der Industrialisierung unseren Wohlstand auch auf dem Ausstoß von CO2 aufgebaut . Unser Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit hatte drei starke Säulen: Das waren die Zigarre von Ludwig Erhard, die D-Mark in der Tasche, aber eben auch die Kohle im Revier . Davon haben wir profitiert; davon profitieren wir  in Teilen bis heute.  Aber das bringt die Verantwortung mit sich, jetzt genauso engagiert als Vorreiter im Klimaschutz voranzugehen . Schließlich wissen wir - Sie haben es soeben beschrieben -, dass gerade die Ärmsten der Armen als Erste und am meisten vom Klimawandel betroffen sein werden . Ja, wir Deutsche haben eine besondere Pflicht. Wir gehören  immer noch zu den zehn größten Emittenten . Was unseren Pro-Kopf-Ausstoß angeht, sind wir trotz aller Anstrengungen und Erfolge, die wir in Deutschland und der Europäischen Union im Übrigen haben - darin sind wir anderer Meinung als Sie -, noch in der Pflicht  und in der Verantwortung; da haben wir noch viel zu tun . Ich sage aber genauso deutlich dazu: Dieser Verantwortung werden wir gerecht . Und wenn ich „wir“ sage, dann denke ich nicht zuvörderst an die jetzige Koalition, sondern an das, was in Deutschland über die unterschiedlichsten Bundesregierungen mit den Umweltministern Klaus Töpfer, Angela Merkel, Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier und zurzeit Barbara Hendricks hinweg gemacht wurde . Bei allen Unterschieden im Detail, die auch hier zutage treten, gibt es eine große Kontinuität in der deutschen Klimapolitik in dem Ringen um einen wirksamen internationalen Klimaschutz . Daran sollten wir festhalten . Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Paris einen Abschluss hinbekommen und dass Paris nach den schrecklichen Tagen und schrecklichen Bildern zu einem Sinnbild und Symbol für Leben und Überleben und für den gemeinsamen Willen der Menschheit wird, dafür einzutreten . ({2}) Dafür, denke ich, gibt es die Unterstützung des ganzen Hauses . Wenn Sie sagen, das seien nur Worte, will ich entgegenhalten, dass wir ganz konkret etwas tun . Das will ich an drei größeren Beispielen belegen . Erstens . Politisch hat die Bundesregierung eine drängende Rolle in diesem Prozess für den Klimaschutz . Diese hat sie in den letzten Monaten bzw . im letzten Jahr zunächst einmal durch klare Festlegungen in Europa wahrgenommen . Auch und gerade in der Klimapolitik gilt: Wir als Deutsche und wir als Nationalstaaten können alleine nichts bewegen . Wir brauchen die größere Einheit der Europäischen Union, um wahrgenommen zu werden und politisches Gewicht zu haben . Die Europäische Union war über viele Konferenzen hinweg auch und gerade im Vergleich mit anderen Regionen der Welt jeweils die Staatengruppe, die nicht in nationale Egoismen zerfallen ist . Trotz aller schwierigen Diskussionen, die wir auch haben, zum Beispiel mit Polen, ist die Europäische Union nicht in nationale Egoismen zerfallen, sondern sie hat das große Ganze gesehen . Sie hat sich mit der Reduktion des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent bis 2030 zu einem ambitionierten Ziel bekannt, und sie hat es auf das ausdrückliche Engagement der Bundesregierung hin mit einem „mindestens“ versehen: Es sollen mindestens 40 Prozent erreicht werden . Das zeigt, dass wir auch bereit sind, darüber hinauszugehen, und dass wir Europäer wissen: Wenn es zu einem Abkommen kommt, dann müssen wir noch mehr für den Klimaschutz tun . Dann müssen wir noch eine Schippe drauflegen. - Das ist die Dynamik, die wir in Paris und  in Zukunft brauchen . Dafür steht Deutschland, und dafür haben wir uns in der EU eingesetzt und das auch durchgesetzt . ({3}) Diese Verantwortung wird durch viele Klimapartnerschaften mit Entwicklungsländern und konkret durch vielfältige Programme und Unterstützung vor Ort deutlich . Und sie ist - Sie haben die Industriestaaten angesprochen - gerade beim G-7-Gipfel in Elmau deutlich geworden . In Elmau ist es der Bundeskanzlerin gelungen - was nicht selbstverständlich war; es war alles andere als selbstverständlich -, ihre sechs Kollegen für die gemeinsame Erklärung zu gewinnen: Wir wollen bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Dekarbonisierung schaffen . - Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zur globalen Energiewende . ({4}) Das sollten all diejenigen nachlesen, die hier allenthalben sagen: Nur wir in Deutschland machen die Energiewende; nur wir denken an Klimaschutz . - Das Gegenteil ist richtig . Es gibt einen unaufhaltsamen Trend zu Energiespartechnologien, zur Dekarbonisierung und zu einer globalen Energiewende . In der Erklärung von Elmau steht das schwarz auf weiß . ({5}) In der Presse wurde vom Hammer von Elmau und einer Sensation geschrieben . Das war eine wichtige Vorbereitung für den Klimagipfel . ({6}) Vielleicht wird wieder gesagt: Das sind erst einmal Erklärungen; sie sind noch nicht verbindlich . Das ist richtig . Sie sollen die verbindliche Erklärung vorbereiten . Aber wir bezahlen auch in harter Währung, mit Euro und Dollar . Zweitens . Wir wissen, dass die Finanzierung des Klimaschutzes eine wichtige Säule dieser Verhandlungen ist, weil es auf konkrete Hilfe für die Klimaanpassung in den betroffenen Ländern, für Technologien, Walderhalt und vieles mehr ankommt . Dafür wird dringend jeder Euro und jeder Dollar gebraucht . Deshalb haben die Industrieländer auf dem Klimagipfel in Kopenhagen versprochen: Wir werden 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 für die Finanzierung des Klimaschutzes zur Verfügung stellen . Wenn wir jetzt feststellen können, dass nach etwas mehr als der Hälfte dieser Zeit diese Zusage zu zwei Dritteln eingelöst ist, dann hat das viel mit dem deutschen Engagement zu tun . Gerade in diesem Jahr hat die Bundesregierung  zugesagt:  Wir  werden  unser  finanzielles  Engagement noch einmal verdoppeln, auf 4 bis 4,5 Milliarden US-Dollar . - Das ist der richtige Weg und ein ganz klares Signal: Wir reden nicht nur, wir handeln, und wir bezahlen dort, wo es nötig ist, ganz konkrete Hilfen . Drittens: Reduktion . Ja, daran lassen wir uns messen . Deutschland hat gesagt: Wir machen auch mehr als die EU, die bis 2030 minus 40 Prozent schaffen will . Wir werden diese Reduktion mit unserem 40-Prozent-Ziel schon im Jahr 2020 übertreffen . Daran halten wir fest . Wir wissen: Da gibt es noch einiges zu tun . Deshalb sind die Programme auf dem Weg . Deshalb brauchen wir ein ehrgeiziges Vorgehen bei Kohle und Braunkohle . Wir müssen in der Tat in Etappen einen immer geringeren Kohleeinsatz und CO2-Ausstoß erreichen . Wir müssen hierfür die Weichen stellen . Das brauchen wir im Bereich der Energieeffizienz, bei den Gebäuden, beim Verkehr und - es ist gesagt worden - in der Landwirtschaft . Alle Sektoren müssen das liefern, was sie liefern können . Das ist das Vorhaben dieser Bundesregierung, und wir werden darauf achten, dass das genau so umgesetzt wird . Glaubwürdigkeit erwächst durch das Ringen im internationalen Prozess, durch die Verstärkung bzw . Einhaltung unserer finanziellen Zusagen. Wenn Sie sagen: „Kapitalismus oder Klimaschutz?“, dann möchte ich Ihnen entgegnen: Am Ende werden wir es dann schaffen, wenn es uns mit unserer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft gelingt, Klimaschutz umzusetzen, aber auch Wohlstand zu behalten und dadurch den sozialen Frieden in Deutschland sicherzustellen . Das müssen wir zusammenbringen . Deshalb ist Ihre Alternative nicht die richtige . In unserem System von Nachhaltigkeit - Wirtschaft, Soziales und Ökologie - müssen wir das hinbekommen . So müssen wir unsere Klimaschutzziele ambitioniert umsetzen und dadurch unseren Beitrag zum Gelingen in Paris und zu dem sicher notwendigen Prozess danach leisten . Dafür hat die Bundesregierung unsere Unterstützung . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Andreas Jung . - Der nächste Redner in der Debatte: Dr . Toni Hofreiter für Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Menschen glauben immer noch, die Klimakrise sei etwas, was uns in ferner Zukunft ereilen könnte . Bei vielen Menschen ist die Klimakrise aber längst angekommen . Es mussten bereits Menschen ihre Heimat verlassen, weil der Meeresspiegel über die letzten Jahrzehnte um 20 Zentimeter angestiegen ist und ihre Inseln - ihr Lebensraum - deshalb zerstört oder versalzen worden sind . Diese Menschen können und dürfen erwarten, dass die Reden, die geschwungen werden - die Reden von vielen Staats- und Regierungschefs, aber auch die Reden, die wir gerade gehört haben -, irgendwann einmal auch zum Handeln führen . ({0}) Frau Merkel hat auf der Klimakonferenz vor wenigen Tagen thematisiert: „Wir wissen: Wir müssen heute handeln .“ Da frage ich mich: Wen meint Frau Merkel eigentlich mit diesem „wir“? Ihre eigene Regierung meint sie offensichtlich nicht mit diesem „wir“ . Ihre eigene Regierung handelt nämlich gegenteilig: 1,6 Milliarden Euro neue Subventionen für Kohlekraftwerke, Zerstören des Photovoltaikmarktes, Absturz des Ausbaus der Photovoltaik, bei KWK neue Subventionen für Kohle . Im Verkehrsbereich hat sich die letzten zwei Jahre gar nichts im positiven Sinne getan . Wir haben einen seltsamen Minister, dessen Haupthobby die Ausländermaut ist . Aber beim VW-Skandal - Millionen von Autos, die in Deutschland herumfahren, halten die CO2-Grenzwerte nicht ein - ist der Minister nicht einmal in der Lage, die Namen der Mitglieder seiner Untersuchungskommission zu nennen, geschweige denn in der Lage, aufzuklären, geschweige denn, etwas dagegen zu unternehmen . Und denken wir an Herrn Gabriel: Herr Gabriel hat das gesamte EEG verkorkst, sodass die Ausbauraten zusammengebrochen sind . Was ist das eigentlich für eine Bundesregierung? Frau Hendricks, Sie haben ja recht in vielem, was Sie hier gesagt haben . Herr Jung, auch Sie haben recht in vielem, was Sie hier gesagt haben . Im Grunde genommen müssten Sie das aber einmal den zuständigen Ministern sagen . Sie müssten das Herrn Dobrindt sagen . Sie müssten das Herrn Gabriel sagen . ({1}) Sie müssten das auch Herrn Landwirtschaftsminister Schmidt sagen; denn auch die Landwirtschaft trägt zu einem erheblichen Teil zum Klimawandel bei . Warum erzählen Sie uns hier in schönen, wohlabgewogenen Worten, wie der Klimaschutz theoretisch auf internationaler Ebene stattfinden soll, wenn Ihre eigene Regierung vor  Ort anders handelt? ({2}) Klimaschutzkonferenzen sind wichtig und bedeutsam . Am Ende muss Klimaschutz aber vor Ort umgesetzt und kann nicht nur auf theoretischen Konferenzen verhandelt werden . Dies vor Ort umzusetzen, bedeutet ganz konkret: raus aus der Kohle, raus aus dem Verbrennungsmotor, hin zu mehr erneuerbaren Energien und hin zu einer anderen Landwirtschaftspolitik . ({3}) Das sehen wir bei dieser Regierung aber nicht . Handeln Sie also bitte konkret! Dann sind Ihre Reden auch glaubwürdig . ({4}) Häufig bekommt man zu hören, Deutschland sei gar  nicht so entscheidend; denn in China - das Thema hatten wir gerade gestern bei der Energiedebatte - gehe jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz . Wer das sagt, hat die aktuelle Entwicklung in China nicht mitbekommen . Dort hat man inzwischen festgestellt, dass Kohlekraftwerke nicht nur das Klima zerstören, sondern insbesondere auch einen gigantischen Smog verursachen . Deshalb ist die Entwicklung in China inzwischen auch eine andere . Aber man darf dabei doch eins nicht vergessen: Deutschland ist die viertgrößte Industrienation auf diesem Planeten . Angesichts dessen und angesichts des Vorsprungs, den wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien hatten und den wir beim Klimaschutz hatten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir als wohlhabendes industrialisiertes Land zeigen, dass es funktioniert: Man kann gleichzeitig für Klimaschutz sorgen und seinen Wohlstand erhalten . Insofern genügt es nicht, auf den Klimakonferenzen voranzugehen, sondern man muss das entsprechend vor Ort konkret umsetzen . ({5}) Angesichts Ihres gigantischen Umsetzungsdefizits ist  es nicht erstaunlich, dass Ihnen Ihre eigenen Regierungsberater sagen, dass Sie Ihre Bemühungen beim Klimaschutz verdreifachen müssen, um das 40-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 zu erreichen . Das sagen nicht wir, sondern das sagen Ihnen Ihre eigenen Regierungsberater . Glauben Sie denen doch, und handeln Sie entsprechend! Es reicht nicht, wenn Sie gebetsmühlenartig immer wiederholen: Ja, wir werden das 40-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 erreichen . - Das werden Sie nicht dadurch erreichen, dass Sie hier warme Worte produzieren, die in vielen Fällen sogar stimmen, sondern das wird dadurch erreicht, dass Ihre Regierungskoalition handelt, ({6}) indem Sie diesem Pfeiffer, diesem Fuchs, diesem Bareiß endlich einmal Beine machen und dafür sorgen, dass sie nicht weiterhin alles blockieren, was Frau Hendricks an teilweise sogar Sinnvollem vorgeschlagen hat . ({7}) Schauen wir uns zum Beispiel einmal den Verkehrsbereich an . Was stellen Ihre eigenen Regierungsberater da fest? Der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich hat sogar noch zugenommen . Und was ist die Konsequenz daraus? Die Konsequenz ist, dass wir einen Minister haben, der, nachdem er die Ausländermaut nicht durchgesetzt hat, von nichts anderem redet, als möglichst viele Straßen bauen zu wollen, statt dass er endlich dafür sorgt, dass die Autoindustrie - schon aus eigenem Interesse - auf die Idee kommt, aus dem Verbrennungsmotor auszusteigen . Oder wie wäre es damit, die Bahn auf Vordermann zu bringen? Das ist immerhin ein 100-prozentiges Bundesunternehmen . ({8}) Sie könnten sich auch einmal dafür engagieren, dass das funktioniert; denn Bahnverkehr ist bekanntermaßen CO2-ärmer . Ich wünsche mir von ganzem Herzen - da sind wir uns wieder einig -, dass Frau Hendricks dazu beitragen kann, dass die Klimakonferenz in Paris zu einem guten Vertrag führt, der den Anforderungen entspricht . Außerdem wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass uns Paris 2015 nicht allein durch die Terroranschläge in Erinnerung bleibt, sondern uns in Erinnerung bleibt als der Ort, an dem es uns gelungen ist, gemeinsam das Fundament für eine lebenswerte Zukunft zu legen; denn das ist das, was wir wirklich brauchen . Vielen Dank . ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Toni Hofreiter . - Nächster Redner: Dr . Matthias Miersch für die SPD . ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Toni Hofreiter, es ist natürlich klar und auch richtig, dass die Opposition angreift . Wenn wir aber hier vor einer Klimakonferenz miteinander streiten, dann gehört es meines Erachtens auch zur Wahrheit, dass wir als Delegation, die die Bundesumweltministerin bei den Verhandlungen in Paris unterstützen wird, heute Abend durchaus sehr stolz nach Paris fahren können, weil die Energiewende in der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kontext beispiellos ist und Deutschland nach wie vor eine Vorreiterrolle einnimmt . ({0}) Dass vieles von dem, was Sie gesagt haben, diskutabel ist, ist keine Frage . Aber dass diese Bundesregierung das erste Mal überhaupt ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 vorlegt und auch die Diskussion darüber zulässt - denn die Expertenkommission ist nur möglich, weil es klare Ziele und das vereinbarte Monitoring gibt -, ist ein wirklicher Erfolg . ({1}) Das kann auch nur ein Erfolg sein, wenn das auf internationaler Ebene vereinbart wird . Insofern: Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt dieser Bundesregierung . ({2}) Ich will nicht darüber philosophieren . Wenn wir uns aber beispielsweise den Zubau bei der Windenergie anschauen, dann stimmt es einfach nicht, was Sie sagen: dass die Erneuerbaren an dieser Stelle abgewürgt werden . ({3}) Ich will auch darauf hinweisen, liebe Frau Kipping, weil Sie hier Kapitalismuskritik geübt haben: Da sind wir an der einen oder anderen Stelle möglicherweise sogar einer Meinung . ({4}) Aber wenn ich mir die Vertreter der Staaten auf den internationalen Konferenzen anschaue, die sich als Sozialisten bezeichnen, und dann die Umweltpolitik dieser Staaten betrachte, dann muss ich sagen, dass Sie mit dieser Behauptung absolut auf dem Holzweg sind . ({5}) Im Übrigen wissen Sie doch auch - das erleben Sie, wo Sie Verantwortung tragen; das gilt auch für die Grünen in Nordrhein-Westfalen, in Brandenburg -, dass das Thema Kohle nicht einfach ist . ({6}) Deswegen sage ich: Es ist ein Fortschritt, dass die Bundesumweltministerin im Zusammenhang mit dem Klimaschutzplan 2050 angemahnt hat, dass wir einen Kohleausstiegspfad verlässlich - auch unter sozialen Gesichtspunkten - abbilden . Das ist eine Herkulesaufgabe, ({7}) und da unterstützen wir sie nach allen Kräften . ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer, wenn man sich die Presse anschaut, werden vor einem Gipfel Worte gebraucht wie: „Das ist die letzte Chance“ und: „Danach geht nichts mehr“ oder euphorisch: „Wir müssen die Welt jetzt retten“ . Das alles birgt eine große Gefahr: dass es letztlich zu einer Übereinkunft kommt, aber es kein Regulativ gibt, das die Überprüfung dieser Ziele sicherstellt . ({9}) Deswegen ist der eigentliche Erfolg dieser Pariser Konferenz, wenn es nicht nur dazu kommt, dass die Staaten dieser Welt aufgefordert werden, zu liefern - das haben viele gemacht -, sondern gleichzeitig auch ein Monitoring, ein Überprüfungsmechanismus, wie wir es jetzt hier in Deutschland haben, eingeführt wird, damit die, die dann nach fünf Jahren sagen: „Wir konnten nicht liefern“, öffentlich am Pranger stehen . ({10}) Das ist wahrscheinlich der einzige und wichtige Erfolg von Paris . Die Arbeit beginnt erst nach Paris, und da, glaube ich, müssen wir generell überlegen, wie wir Politik organisieren - auch in der Bundesrepublik Deutschland . Ich habe die große Befürchtung, wenn ich die Debatten um den Klimaschutzplan 2050 sehe, dass es dann doch wieder nur bestimmte Ressorts sind, die liefern, ({11}) und andere blockieren . Wir haben eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in unserer Fraktion eingerichtet, ({12}) in der alle Fachdisziplinen miteinander arbeiten, um parlamentarisch dieses Verfahren zu begleiten . Herr Krischer, ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich meine, dass der Verkehrssektor einen elementaren Beitrag leisten muss . Davon sind wir aber meilenweit entfernt . ({13}) Wenn ich einige Wirtschaftspolitiker meines Koalitionspartners höre, die sagen: „Wir dürfen die Wirtschaft nicht überfordern“, ({14}) dann sage ich: Wir sollten uns als Erstes darauf verständigen, dass wir diesen Planeten nicht überfordern dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({15}) Können wir uns darauf verständigen, dass die Bundesumweltministerin recht hat, wenn sie sagt: „Gute Umweltpolitik ist Friedenspolitik, ist Gerechtigkeitspolitik“? ({16}) Aber es ist auch eine gute Wirtschaftspolitik, weil wir wissen, dass in Zukunft die Maschinen gefragt sind, die wenig Energie brauchen . Deswegen: Wer auf die Wirtschaft setzt, muss eine gute Umweltpolitik machen, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({17}) Wir werden in diesem Jahr, wenn es dazu kommt, zwei internationale Vereinbarungen erreicht haben, nämlich die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, die vor wenigen Monaten verabschiedet worden sind, und hoffentlich ein verbindliches Klimaabkommen . Diese beiden Abkommen müssen die Grundlage unseres Handelns hier sein . Sie dürfen nicht nur Papier sein . Das Abkommen von Montreal hat gezeigt, dass internationale Vereinbarungen - es ging um das Ozonloch - Wirkung entfalten können, wenn alle Staaten mitmachen . Ich habe das Vertrauen, dass wir Parlamentarier und diese Bundesregierung einen großen Schritt tun können, wenn wir es ernst meinen . Ich bitte und lade alle dazu ein, mit uns darüber zu streiten, wie wir diese Ziele miteinander erreichen . Ich glaube, dass die internationale Politik in den nächsten Tagen eine gute Vorlage bieten wird . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Matthias Miersch . - Nächste Rednerin: Dr . Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Angela Merkel hat bei der Klimakonferenz gesagt: Wir wissen, wir müssen heute handeln . Das muss der Anspruch dieser Konferenz sein . Besser und treffender kann man die Situation nicht beschreiben . Werte Kollegen von den Grünen, Deutschland und Europa handeln . Erstens . Wir haben uns ambitionierte Ziele gegeben, und wir setzen diese auch konsequent um: durch das Klima-Aktionsprogramm, durch den Klimaschutzplan . Zweitens . Wir nehmen auch unsere Verantwortung bei der Klimafinanzierung wahr. Gerade Deutschland hat  sich bei diesem Thema an die Spitze gesetzt . Auch Europa hat sich als eine der ersten Vertragsparteien mit einem Reduktionsbeitrag von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2030 ein ambitioniertes Ziel gesetzt . Wenn man die aktuellen Beiträge vergleicht, dann sieht man, dass das EU-Ziel zu den ambitioniertesten zählt . Deutschland geht noch weiter . Wir wollen die Treibhausgasemissionen bereits bis 2020, also zehn Jahre früher als die EU, um 40 Prozent reduzieren . Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir ein Klimaschutz-Aktionsprogramm mit 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt, die alle Sektoren umfassen . Wir haben KfW-Mittel in Höhe von 177 Milliarden Euro in Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen investiert . Auch hier setzen wir ein Zeichen . In der Debatte wird auch oft vergessen, dass sich Deutschland ein Zwischenziel gegeben hat . Mit dem Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 befinden wir uns  auf dem 2-Grad-Pfad . Und: Wir haben auch ein Langfristziel . Bis 2050 wollen wir es schaffen, unsere Emissionen um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren . Dazu erarbeitet die Bundesregierung gerade mit allen beteiligten Gruppen, Gesellschaft und Wirtschaft, einen Klimaschutzplan . ({0}) Werter Herr Kollege Hofreiter, das Schlechteste, was wir während der Verhandlungen in Paris machen können, ist, dass wir unsere eigenen Ziele schlechtreden . ({1}) Wenn die Deutschen dies tun würden, dann könnten die anderen denken, dass sie sich nicht mehr anzustrengen brauchen . Das wäre fatal, vor allem, weil unsere Ziele ambitioniert sind, weil wir selbstbewusst sein können . Wenn wir nach Paris fahren und unsere eigene Maßnahmen schlechtreden, dann werden sich die anderen eher zurücklehnen und nicht anstrengen . Das ist genau das falsche Signal Ihrer Rede in dieser Debatte . ({2}) Deswegen haben wir in unserem Antrag auch positiv beschrieben, was wir machen . Wir wissen auch: Alleine werden wir es nicht schaffen . Wir brauchen auch die anderen Staaten der Welt . Diese Staaten brauchen unsere Unterstützung. Deshalb ist die Klimafinanzierung ein  wichtiger Punkt, ich möchte fast sagen, mit der wichtigste Punkt neben dem Thema Überprüfungsmechanismus . An dieser Stelle will ich einmal sagen, was unsere Minister machen, was Deutschland macht . Ich möchte dazu das Entwicklungshilferessort herausgreifen . Entwicklungshilfeminister Gerd Müller setzt in den Bereichen  der  Klimafinanzierung  und  der  Klimaanpassung  ganz gezielt Gelder aus seinem Haushalt ein . Aus seinem aktuellen Etat werden über 2 Milliarden Euro in Minderungsmaßnahmen investiert, zum Beispiel in das Waldschutzprogramm zum Erhalt der tropischen Regenwälder und zur Verhinderung der Rodung oder in den Aufbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien in den ärmeren Ländern dieser Welt . Vor kurzem hat man mit Indien eine Solarpartnerschaft abgeschlossen . In Marokko wird Anfang kommenden Jahres das größte Solarkraftwerk in Betrieb genommen . Das BMZ baut auch die Klimarisikoversicherung auf . Also: Wir handeln . Das sollte man auch einmal benennen, meine Damen und Herren . ({3}) Ein wichtiges Instrument ist auch der internationale Grüne Klimafonds . Vor circa einem Jahr konnte dieser mit 10 Milliarden US-Dollar gefüllt werden . 10 Prozent davon, nämlich 1 Milliarde US-Dollar, stellt allein Deutschland zur Verfügung . Auch hier war Deutschland, waren wir an vorderster Front dabei . Jetzt ist daraus eine Dynamik entstanden: Mit Stand vom 1 . Dezember sind die Zusagen auf 24 Milliarden US-Dollar angewachsen . Frankreich hat seinen Beitrag ebenso wie die USA und andere Staaten beziffert . Also ist auch hier etwas in Bewegung. In Paris zeichnet sich beim Punkt Klimafinanzierung eine positive Dynamik ab . Auch mit unserem Beitrag haben wir diesen Stein ins Rollen gebracht, meine Damen und Herren . Nicht nur wegen der Finanzierung, sondern auch ganz generell bin ich guter Dinge, dass Paris zu einem Erfolg wird . Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum ich der Meinung bin, dass dies der Fall ist: Der erste Grund . Viele Staaten der Welt sind dabei . Große wie kleine, reiche wie arme Länder haben ihre nationalen Beiträge vorgelegt . Inzwischen sind es 184 Staaten, darunter erstmals Staaten wie die USA, Russland, Südafrika oder Brasilien, aber auch Inselstaaten und viele arme afrikanische Länder . Diese Staaten stehen für 95 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen . Bei Kioto II waren es am Ende gerade einmal 37 Staaten, die noch dabei waren und sich Ziele gesetzt haben . Diese 37 Staaten machten nur 12 bis 14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus . Wir sind jetzt also auf einem guten Weg . Die nationalen Beiträge wurden auch durch die jeweiligen Parlamente untermauert . Sie wurden in einem breit angelegten Prozess in der Gesellschaft entwickelt . Zum Beispiel hat man in Brasilien ein Referendum durchgeführt . Insofern glaube ich, dass diese Ziele wirklich in der Mitte der Gesellschaft entstanden sind und dass diese Klimakonferenz dem Willen der Bevölkerung entspricht . Schon allein deshalb ist Paris meiner Meinung nach erfolgversprechender als Kopenhagen, meine Damen und Herren . ({4}) Der zweite Grund . Die vorgelegten Beiträge sind bei vielen Staaten wirklich nur als Ausgangspunkt zu sehen . Es ist anzunehmen, dass einige der Staaten am Ende noch mehr leisten werden . Dazu zwei Beispiele: China will den Höchststand der Emissionen bis spätestens 2030 erreichen . Also kann es gut sein, dass China den Wendepunkt, den Peak, vorher erreicht . Außerdem wird China 2017 einen landesweiten Emissionshandel einführen; er wird in der ganzen Volksrepublik China eingeführt . Neu ist auch das Ziel Chinas, die CO2-Intensität der chinesischen Wirtschaft bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren . Ähnlich Positives vernehmen wir von Kanada . Die neue kanadische Umweltministerin McKenna sagte vor kurzem, dass Kanadas Beitrag für die Zeit nach 2020 nur ein Startpunkt ist und keinesfalls der Endpunkt der kanadischen Bemühungen . - Das sind Beispiele für Länder, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie vielleicht sogar noch über ihre zugesagten Beiträge hinausgehen . Der dritte Grund, warum ich glaube, dass Paris ein Erfolg wird, ist: Die Bedingungen sind anders als in Kopenhagen . Die Verhandler haben sich am Vorabend des Gipfelbeginns auf einen konkreten Ablaufplan verständigt . Der vorliegende Text ist kein politischer Text, sondern ein Text in Rechtssprache . Die Ausgangsbedingungen sind also gut . „Wir haben zum ersten Mal die Chance, unser Ziel eines Abkommens zu erreichen“ - so hat es unsere Bundeskanzlerin formuliert -, eines Abkommens, das verbindlich ist und das den Weg aufzeigt, wie die 2-Grad-Obergrenze glaubhaft erreicht werden kann . Wir brauchen einen Überprüfungsmechanismus, der völkerrechtlich verbindlich festgelegt wird . Dieser Überprüfungsmechanismus soll dazu führen, dass alle fünf Jahre geschaut wird: Haben die Vertragsstaaten ihre nationalen Beiträge erreicht? Und: Wie weit sind wir von der 2-Grad-Obergrenze entfernt? Meine Damen und Herren, es ist fünf vor zwölf, aber es ist noch nicht zu spät . Die Chancen stehen nicht schlecht . Ergreifen wir also diese Chancen . Zum Abschluss möchte ich US-Präsident Obama zitieren . Er hat gesagt: Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt, und die letzte, die es in der Hand hat, etwas dagegen zu tun . Packen wir es an! Ich bin optimistisch, dass uns in Paris etwas Positives gelingen wird . Vielen Dank . ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Anja Weisgerber . - Nächste Rednerin für die Linke: Eva Bulling-Schröter . ({0})

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Bundestag heute über die Klimakonferenz in Paris debattiert, geht es nicht nur um CO2-Minderung, INDCs, also nationale Klimabeiträge, und UN-Mechanismen . Bevor ich auf unsere Anträge eingehe, will ich am Beispiel meines Wahlkreises Ingolstadt ganz konkret machen, was Klimawandel heißt . Bei mir in Bayern droht bis Ende des Jahrhunderts ein Temperaturanstieg um bis zu viereinhalb Grad Celsius . Im Sommer wird es mehr als 30 Hitzetage über 30 Grad geben, heute sind es im Durchschnitt 5 . Ab 2060 gibt es bis zu 60 Schneetage weniger im Jahr - da nutzen auch die Eiskanonen nichts mehr - und kaum noch Eistage, also Tage, an denen die Temperatur konstant unter null Grad liegt . Was das für Landwirtschaft, Tourismus und Gesundheit heißt, können wir uns alle vorstellen . Das ist ja auch nicht neu . Aber wir alle hier werden das Ende des Jahrhunderts nicht mehr erleben . Im globalen Süden ist der Klimawandel schon jetzt Alltag . Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad sterben die Korallenriffe, ganze Inselbevölkerungen verlieren ihre Heimat, Dürren machen die Armutsbekämpfung zunichte, und der Syrien-Krieg, heißt es, sei durch den Klimawandel verschärft worden . Auch diese Folgen kennen wir . Natürlich spielt auch in Deutschland das Wetter verrückt, schon heute . 2015 wird wohl das wärmste Jahr überhaupt . Die Deutsche Bahn hat erstmals wieder Verluste eingefahren, insbesondere wegen Mehrkosten durch Unwetterschäden . Dass der Klimawandel in unserem Land angekommen ist, das bezweifelt niemand mehr; vielleicht noch einige Hinterbänkler der CDU/ CSU, die trotz Physikstudium die Naturwissenschaften weiter in Zweifel ziehen . ({0}) Da kann ich nur sagen: Hören Sie Ihrer Regierung gut zu, liebe Kollegen der Union . Die Gegner der Energiewende sitzen in Ihren Reihen . Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses schimpft mit Blick auf den Klimaschutz über eine „grüne Ideologie“ und „exzessive Milliardenkosten“ . Ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender sieht eine Bedrohung für unseren „guten Lebensstandard“ und einen „tödlichen Irrweg“ . Ja, wo sind wir denn? Sie müssen sich davon distanzieren . ({1}) Lieber Herr Ramsauer, lieber Herr Vaatz - beide sind natürlich nicht anwesend -, auch Sie müssen den Schuss hören . Sie müssen sich die Rede der Kanzlerin in Paris anhören, damit Sie wenigstens ein bisschen verstehen . Nicht zu viel Klimaschutz ist Ressourcenverschwendung, wie Sie behaupten: Zu wenig Klimaschutz ist Ressourcenverschwendung, meine Damen und Herren . ({2}) Die Linke hat heute zwei Entschließungsanträge eingebracht . Auf internationaler Ebene brauchen wir echte Verbindlichkeit, aber die wird es in Paris leider nicht geben . Darum brauchen wir hier in Deutschland ein Klimaschutzgesetz, das die Klimaschutzziele verbindlich festlegt . Dann ist endlich Schluss mit den KfW-Krediten für neue Kohlekraftwerke im Ausland . Die müssen endlich gestoppt werden! ({3}) Und dann kann der Klimaschutz auch nicht mehr durch TTIP und CETA ausgehebelt werden; das steht in der EU-Resolution . Auch der Fahrplan für einen weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien wird auf der Konferenz von Paris nicht geliefert werden . Darum müssen wir ein Kohleausstiegsgesetz auf den Weg bringen . ({4}) Spätestens 2040, am besten schon 2035, muss Schicht im Kohleschlot sein . Da sind wir ganz auf der Linie von Frau Umweltministerin Hendricks . - Vielen Dank für diesen Vorstoß . ({5}) Dann wäre auch Schluss mit neuen Umweltsauereien wie denen, die jetzt wieder auf der Agenda stehen wie CCS oder wie die geplante Umstellung der Betriebsfeuerung aller Asphaltmischanlagen in Deutschland auf Braunkohle . Auch das lehnen wir natürlich ab . Worum geht es jetzt in Paris? Wir sehen das Ringen zwischen den Bevölkerungen: Bevölkerungen im Süden, die sich aus der Armut befreien wollen, und Bevölkerungen im Norden, die nicht ärmer werden wollen . Deshalb brauchen wir Klimagerechtigkeit, Climate Justice . Die halten wir für dringend notwendig . Deshalb muss die EU etwas tun . Deshalb brauchen wir ambitionierte EU-Klimaziele, und wir brauchen eine verbindliche Klimafinanzierung . Zum Schluss: Papst Franziskus sagt - ich zitiere -: Dieses System tötet . - Deshalb brauchen wir soziale Gerechtigkeit und Umverteilung . Diese Umverteilung wird es im Kapitalismus aber nie geben; denn sie ist in seinem System nicht vorgesehen . Danke . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Eva Bulling-Schröter . - Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Frank Schwabe . ({0})

Frank Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003846, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Dinge sind so, wie sie sind . ({0}) Der  Klimawandel  findet  statt,  und  er  ist  menschengemacht . Wir leben in einer Zeit, in der wir Schwellen überschreiten und Extreme erleben . Wir verzeichnen gegenüber der vorindustriellen Zeit eine Erhöhung der Temperatur um mehr als 1 Grad . Wir haben mittlerweile einen Wert von 400 ppm erreicht; dieser technische Wert ist ein Maß dafür, wie hoch die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist . Außerdem ist dieses Jahr das wärmste seit der Temperaturaufzeichnung . Da uns der liebe Gott die Möglichkeit gegeben hat, zu denken, und wir verantwortliche Politik betreiben wollen, müssen wir die Dinge ändern: wie wir leben, wie wir Produkte erzeugen, wie wir Energie erzeugen, wie wir uns fortbewegen, was wir essen, wie wir das, was wir essen, produzieren bzw . aufziehen . ({1}) Ist das hart, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ja, es ist hart, die Dinge zu verändern, sich umzustellen . Aber was könnte härter sein, als das, was 35 Millionen Menschen in Bangladesch erleben, die weniger als 1 Meter oberhalb des Meeresspiegels leben und alles zu verlieren drohen? Was könnte härter sein als das, was die Menschen auf der  Pazifikinsel Kiribati  erleben,  die  auf  andere  Inseln  umgesiedelt  werden  sollen? All  das  findet  heute  statt.  Deswegen ist dies keine theoretische Debatte darüber, ob wir eine Erhöhung der Temperatur um 1 Grad, 1,5 Grad oder 2 Grad haben . Ich weiß, dass 2 Grad das realistische Ziel ist, um das es in Paris geht; aber ich bin sehr bei den Entwicklungsländern, die das 1,5-Grad-Ziel fordern . ({2}) Die Wahrheit ist: Der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl findet längst statt. Wir streiten uns nur noch darüber, ob  er in 20, 25 oder 30 Jahren vollzogen sein soll . Der Ausstieg ist besiegelt . Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie . Das interessiert uns Sozialdemokraten natürlich besonders . Es geht darum, wie wir den Umbau organisieren, damit die Menschen, wie wir im Ruhrgebiet sagen, nicht ins Bergfreie fallen . Der Umstieg findet längst statt - und nicht erst seit Beginn der Klimakonferenz in Paris . Aber der Plan des Umstiegs wird mehr und mehr festgetreten, und dazu dient auch Paris . Wichtig ist: Wenn wir aus Paris zurückkommen, muss die Arbeit hier, in der Europäischen Union und in Deutschland, intensiviert werden . Dann müssen die Ziele, die wir uns gesetzt haben, umgesetzt werden, an der einen oder anderen Stelle auch verschärft werden . Niemand soll die Hoffnung haben, dass es in Paris keinen rechtsverbindlichen Klimavertrag geben wird . Den wird es geben. Damit, finde  ich,  entfällt  jedes Argument, dass wir kein Level Playing Field auf internationaler Ebene haben . Damit entfällt jedes Argument, dass wir keine ambitionierte europäische und deutsche Klimaschutzpolitik betreiben . Damit ist das Programm für 2016 eigentlich schon vorgegeben . Meine Hoffnung und meine Bitte sind, dass alle konstruktiv daran mitwirken . Ich bin mir nicht so sicher, ob das so sein wird . Ich habe mir gerade ein Papier des BDI angesehen - ich hoffe, dass das ein Ausrutscher ist -, in dem davon gesprochen wird, dass das Klimaziel für 2020 zu hoch sei und Investoren verschrecke . In dem Papier wird davon gesprochen, dass der Klimaschutzplan für 2050 zu verwerfen sei, weil er in die klimapolitische Kleinstaaterei führe. Ich finde, das ist keine konstruktive  Debatte . ({3}) Wer jetzt propagiert, Klimaschutzziele aufzugeben oder keine neuen zu fassen, der hat die Zeichen der Zeit wirklich verkannt . ({4}) Es ist am Ende eine Politik der Realitäts- und Zukunftsverweigerung, die schon RWE und Eon - das ist bitter genug - an den Rand des unternehmerischen Abgrunds geführt hat . Ich glaube, es geht nach Paris um Dreierlei . Wenn Paris erfolgreich sein soll, werden wir drei zentrale Aufgaben zu bewältigen haben . Erstens . Wir müssen das EU-Ziel anschärfen; das ist mehrfach betont worden . Wir haben ein Ziel, das mindestens 40 Prozent Reduktion vorsieht . Im Lichte von Paris muss das angeschärft werden . Wir dürfen nicht hinter China, die USA und andere Teile der Welt zurückfallen, die sich längst auf den Weg gemacht haben, die zum Sprint angesetzt haben und an manchen Stellen - so viel gehört auch zur Wahrheit - klimapolitisch durchaus schon weiter sind als wir zurzeit in der Europäischen Union . Zweitens . Wir müssen die Ziele für 2030, 2040 und 2050 so festzurren - wenn es nach mir persönlich geht, weiterhin gesetzlich -, dass sich die Akteure in der Wirtschaft nicht mehr um das Ob streiten müssen, sondern nur noch um das Wie . Das ist die konstruktivere Debatte . Das schafft für die heimische Wirtschaft einen verlässlichen Rahmen für Innovationen und Investitionen . Drittens . Wir müssen die Ziele von 40 Prozent bis 2020 und bis zu 95 Prozent bis 2050 weiterhin so mit Maßnahmen unterlegen und die Maßnahmen, die wir schon haben, so konsequent umsetzen, dass die Ziele in der Tat erreicht werden . Paris wird das Signal aussenden, mehr zu tun und nicht weniger . Klimaschutz ist Wirtschaftsförderung für die Zukunft . Ein Land, das umweltfreundlich Energie erzeugen kann, ein Land, das energieeffizient produzieren  kann, das aber nicht tut, würde sich versündigen an der Zukunft, an den nächsten Generationen und würde, wie ich finde, gleichzeitig auch seiner  internationalen Wettbewerbsfähigkeit schaden . ({5}) Das sollten wir nicht zulassen . Wir sollten gemeinsam handeln für ein erfolgreiches Abkommen in Paris, für eine Anschärfung der Ziele in der Europäischen Union und für die konsequente Umsetzung . Ich freue mich, dass die Grünen hinsichtlich der konsequenten Umsetzung der Maßnahmen in Deutschland an der Seite der Umweltministerin stehen . ({6}) Glück auf, Herr Krischer! ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Frank Schwabe . - Nächste Rednerin in der Debatte: Annalena Baerbock für Bündnis 90/ Die Grünen .

Annalena Baerbock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004245, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Frau Umweltministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Weisgerber, es geht ja nicht darum, dass wir jetzt auch einmal anerkennen, dass die Bundesregierung etwas tut . Natürlich wissen wir, Herr Kollege Miersch, dass es nicht schön ist, mit Saudi-Arabien, einem Dauerblockierer, auf der Klimakonferenz zu verhandeln . Aber als ich gestern Abend meine Sachen für unsere Delegationsreise packte, habe ich auch die kleinen Babysachen von meiner gerade geborenen Tochter mit eingepackt; denn sie muss nächste Woche mit nach Paris . Dann habe ich mir überlegt: Sie wird im Jahr 2050 - über dieses Jahr reden wir gerade - genauso alt sein wie ich jetzt . Wenn sie dann selbst eine kleine Tochter hat, wird sie mich fragen: Habt ihr damals in 2015 eigentlich alles dafür getan, diesen Klimakollaps zu verhindern? Ich glaube, das ist die entscheidende Frage, die Sie sich und die wir als Grüne uns stellen müssen: Tun wir wirklich alles dafür, dass wir diese größte Katastrophe, wie Ban Ki-moon es nannte, wirklich verhindern? ({0}) Deswegen ist es für uns entscheidend, dass wir uns in Paris nicht mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Indien messen . Vielmehr müssen wir uns daran messen, was die Vorreiter tun . Wir müssen auch dafür sorgen, dass Deutschland wieder zu einem Vorreiter wird . Lieber Frank Schwabe, auch du weißt: Es macht einen großen Unterschied, ob wir den Kohleausstieg früher oder später machen . Denn CO2 summiert sich in der Luft . Das ist das Entscheidende . Wenn wir es jetzt mit Karacho rausblasen, dann ist es da oben, dann können wir es nicht mehr zurückholen . ({1}) Es macht einen großen Unterschied, ob wir bei 2 Grad, 2,1 Grad oder 3,5 Grad landen . Denn die Inseln, die angesprochen wurden, gehen in dem einen Fall unter und in dem anderen Fall werden sie gerade noch gerettet . Daher ist auch für uns als Opposition nicht nur wichtig, dass die Verhandlerinnen und Verhandler aus dem BMUB, die in Paris sicher alles geben werden, um jedes Wort und um jedes Komma in diesem Klimavertrag kämpfen, sondern auch, dass Sie als Bundesregierung hier vor Ort, also zu Hause, um jede eingesparte Tonne CO2 kämpfen . ({2}) Es macht auch einen großen Unterschied, liebe Frau Hendricks, wann der Kohleausstieg kommt . Am Dienstag säuseln Sie im Hintergrund davon, der Kohleausstieg könne in 20 bis 25 Jahren gelingen, und am Sonntag im Deutschlandfunk sagen Sie plötzlich: Na ja, oder vielleicht auch erst 2050 . - Es macht einen Riesenunterschied, ob er zehn Jahre früher oder zehn Jahre später kommt . ({3}) Daran wollen wir Sie messen, und daran messen wir Sie auch bei Ihrem Handeln im Ausland . Es ist natürlich sehr gut, wenn Sie sagen: Wir investieren jetzt 3 Milliarden Euro in erneuerbare Energien in Afrika . - Klammer auf: Diese Gelder waren schon in den Haushalt eingestellt; man fokussiert sie nun noch . Nur, was hilft es uns, wenn wir die Erneuerbaren auf der einen Seite ausbauen und sie auf der anderen Seite mit dem Allerwertesten einreißen? Denn einerseits stecken wir 3 Milliarden Euro in Erneuerbare . Andererseits steht gleichzeitig eine Anfrage bezüglich einer Hermesbürgschaft aus Südafrika bei Ihnen auf dem Tableau, bei der es um eine neue Kohlefinanzierung geht. Wenn wir dieser Hermesbürgschaft zustimmen, dann heißt das, dass wir den fossilen Pfad für 30, 40 Jahre manifestieren . Das macht all das zunichte, was Sie unter anderem in Form von Solarparks in Marokko aufbauen . ({4}) Es gibt einen Grund, warum wir so sehr auf den Hermesbürgschaften und den KfW-Krediten herumreiten . Als sie gestern angesprochen wurden, hieß es: Meine Güte, es geht um 3,3 Milliarden Euro . Das macht doch gar nichts aus . Dem stehen 177 Milliarden Euro für den Klimaschutz gegenüber . - Doch, es macht etwas aus, und es macht gerade in diesen Zeiten etwas aus . Sie haben es angesprochen: Wenn Sie die Rockefeller-Stiftung, den norwegischen Pensionsfonds und die Allianz loben, die sagen: „Wir investieren nicht mehr in diesen Bereich“, dann ist es doch ein dramatischer Unterschied, ob ein Land wie Deutschland sagt: „Aber wir stellen nach wie vor Hermesbürgschaften zur Verfügung, damit in Südafrika Kohlekraftwerke gebaut werden können“, oder nicht . Wenn Sie diese Akteure loben, dann müssen Sie ihrem Beispiel  folgen und aus der Kohleauslandsfinanzierung aussteigen, meine sehr verehrten Damen und Herren . ({5}) Ein letzter Punkt: zum Ambitionsmechanismus . Sie haben gesagt: Wir wollen ihn völkerrechtlich verankern; leider klappt das nicht . - Das stimmt . Deutschland kann sich auf den Kopf stellen; das wird nicht klappen . Was Sie aber tun können, ist, einen Ambitionsmechanismus auf nationaler Ebene zu verankern . Deswegen fordern wir ein nationales Klimagesetz, und deswegen fordern wir Sie auf, das europäische INDC-Ziel nachzuschärfen . Das Europäische Parlament ist vorangegangen, hat einen Beschluss gefasst und gesagt: Nach Paris muss das EU-Ziel nachgeschärft werden . - Wir haben Ihnen angeboten, die EP-Resolution zur Klimakonferenz gemeinsam im Deutschen Bundestag hier und heute zu beschließen . Von Ihrer Seite kam aber leider: Das geht nicht; im Koalitionsvertrag haben wir etwas anderes vereinbart . ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass sich die Welt weiterdreht und hier in Deutschland ewig der Koalitionsvertrag gilt . So werden wir die Zukunft unserer Kinder nicht retten können . Herzlichen Dank . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Annalena Baerbock . - Nächster Redner in der Debatte: Matern von Marschall für die CDU/ CSU-Fraktion . ({0})

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Glückwunsch beginnen . Frau Ministerin, Sie haben heute Namenstag . Ich wünsche Ihnen, dass am heutigen Barbara-Tag jemand einen Zweig für Sie schneiden und dieser Zweig am Heiligen Abend erblühen möge, ({0}) und zwar in dem Sinne, dass Sie sich am Ausgang der dann hoffentlich erfolgreich beendeten Klimakonferenz erfreuen können . In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Arbeit! Dieser Dank gilt auch Ihrem Verhandlungsteam, das schon im letzten Jahr in Lima unsere Delegation hat sich davon überzeugen können unermüdlich gearbeitet hat . ({1}) Die Klimakonferenz, über die wir sprechen, trägt das Kürzel „Cop 21“ . Diese Conference of the Parties - das bedeutet „Cop“ - hat ihre Wurzeln in Rio im Jahre 1992 . In diesem Jahr wurde die Klimarahmenkonvention unterzeichnet . Jetzt kommt etwas Bedeutendes: Die erste COP, die COP 1, fand vor genau 20 Jahren in Berlin statt . Gastgeberin und diejenige, die diese erste COP zum Erfolg geführt hat, war niemand Geringere als die junge Bundesumweltministerin Angela Merkel . Angela Merkel hat diese Politik mit ihrer Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit über all diese Jahre vorangebracht . Sie hat immer wieder - gerade auch in den letzten Tagen; das hat mich beeindruckt - an den Film Der Marsch aus dem Jahr 1990 erinnert, der eine Flüchtlingskrise beschreibt, die durch den Klimawandel verursacht wurde . Insoweit kann man sagen, dass die Bundeskanzlerin die globalen Zusammenhänge der nationalen, der europäischen und der globalen Politiken - sie haben Auswirkungen in die einzelnen Länder hinein - schon sehr früh erkannt und eine entsprechende Politik sehr lange, beharrlich und nachhaltig bis zum heutigen Tag verfolgt hat . Dafür danken wir ihr sehr herzlich . Die Erwartungen an diese COP 21 sind schon verschiedentlich skizziert worden . Ich glaube, wir dürfen sie nicht zu hoch einschätzen, aber wir sollten sie auch nicht zu gering einschätzen . Ich bin der sehr festen Überzeugung, dass wir die Vorreiterrolle, die Deutschland damals, bei der COP 1 hier in Berlin, eingenommen hat wir haben ambitionierte Reduktionsziele vorgelegt und andere dadurch ermuntert -, auch weiterhin spielen müssen und dass auch die Europäische Union als führende Gemeinschaft von Staaten solch eine führende Rolle im Klimaschutz weiterhin einnehmen muss . Deswegen bin ich auch ganz froh, dass der Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes vor wenigen Tagen einen Ambitionsmechanismus vereinbart hat . Es geht darum, in kurzen Abständen zu überprüfen: Sind bestimmte Ziele erreicht worden? Sind sie ausreichend, oder müssen wir im globalen Kontext noch größere Ambitionen haben? - Das finde ich eine gute Initiative. ({2}) Eine gleichermaßen gute Initiative - hier möchte ich einmal nach vorne schauen - ist für mich die Reform des  Zertifikatehandels.  Dieser  Zertifikatehandel  -  das  sagen uns nicht ganz unbedeutende Wissenschaftler wie Edenhofer - muss nicht nur eine breitere Basis bekommen, sondern auch den notwendigen Rahmen setzen, damit eine tatsächliche Lenkungswirkung in Richtung „Saubere Technologien“ und „Sauberes Wirtschaften“ entfaltet werden kann . Ich glaube, er kann das, und zwar durch eine bessere Wahrung der Subsidiarität in den Einzelstaaten, die dann darin frei sind, die für sie kosteneffizientesten  und  wirtschaftlich  sinnvollsten  Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen . Es ist schon angesprochen worden: Die ursprünglichen Zielsetzungen sind schon 1995 formuliert worden . Man wollte den Graben zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern überbrücken und hat gesagt: Wir haben eine gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung . - Einzelne Schwellenländer brachten die unterschiedliche Verantwortung damals noch dadurch zum Ausdruck, dass sie sagten, sie hätten gar keine . Diese Haltung hat sich geändert . Indien ist noch nicht angesprochen worden, China aber sehr wohl . Länder, die erst noch große wirtschaftliche Prozesse durchlaufen wollen, können natürlich nicht die gleichen Ambitionen bei den Minderungszielen haben wie wir; das ist richtig . Wir bekommen durch diesen Vertrag nun aber auch diese sehr großen Länder mit ins Boot. Ich glaube, das ist neben der Klimafinanzierung, die besonders die schwachen Länder brauchen, und neben einer Politik der Nachhaltigkeit, die vor allen Dingen unser BMZ vorantreibt - im September sind Nachhaltigkeitsziele formuliert worden, wonach soziale, wirtschaftliche und eben auch ökologische Ziele in Einklang gebracht werden müssen -, von außerordentlicher Bedeutung . Zum Abschluss möchte ich noch ein etwas düsteres Thema berühren . Wenn wir jetzt in Paris sein werden, dann werden wir uns besonders intensiv an die schrecklichen Terroranschläge erinnern . In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, woher dieser Extremismus kommt . Dabei muss ich an die arabischen Länder mit ihren Ölfeldern denken, die gewissermaßen die Basis eines religiösen Extremismus sind . Das dürfen wir nicht übersehen . Dieser Extremismus ist in die meisten der Industrieländer hinausgetragen worden und entfaltet dort bis heute seine Wirkung . Diese Bemühungen, diesen Extremismus in viele Länder der Erde zu tragen, sind maßgeblich mit Petrodollars finanziert. Ich glaube, Paris kann eine Konferenz des Friedens sein, wenn wir die Überzeugung haben, dass eine geringere Abhängigkeit von Erdöl nicht nur zum Klimaschutz beiträgt, sondern eben auch zu einer friedlicheren Entwicklung auf der Erde insgesamt . ({3}) Herr Hofreiter, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Die Mobilität ist in diesem Zusammenhang natürlich ein fundamental wichtiges Thema . Ich will allerdings sagen, dass hier nicht so sehr der Staat zum Handeln aufgefordert ist, sondern dass die deutsche Automobilindustrie, die einen Umsatz von 350 Milliarden Dollar macht und die zu den Herstellern der führenden Marken auf dieser Erde zählt, eine Verantwortung hat, uns, den Konsumenten, Autos, die CO2-frei fahren, zu einem räsonablen Preis in kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen . ({4}) - „Den Rahmen dafür setzen“ - wenn ich das noch ergänzen darf -, heißt natürlich, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen, also etwa Ladestationen für Elektroautos . ({5}) Das bedeutet selbstverständlich auch, eine Infrastruktur mit Blick auf Wasserstofftankstellen bereitzustellen . Diesen Weg müssen wir gehen . Dann kommen wir auch im Klimaschutz erheblich weiter . Danke schön . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege . - Nächste Rednerin: Dr. Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Bärbel Kofler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakonferenz in Paris reiht sich ein in eine Folge wichtiger internationaler Konferenzen im Jahr 2015 . Im September haben wir die UN-Konferenz zu den Nachhaltigkeitszielen abgeschlossen, und zwar, wie ich denke, sehr erfolgreich abgeschlossen . Es gab bereits vorher eine wichtige Initiative, nämlich die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba . Ich erwähne das an dieser Stelle, weil  Entwicklungsfinanzierung  mit  Klimafinanzierung  eng verbunden ist und beide zusammen betrachtet werden müssen . Frau Ministerin, Sie haben es zu Recht ausgeführt: „Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspolitik und Friedenspolitik .“ Ich möchte diesen Satz unterstreichen und bin dankbar dafür, dass dieser Gedanke von der Bundesregierung und von Ihnen persönlich in Paris vertreten wird . ({0}) Es ist an dieser Stelle viel über die nationalen Klimaziele und -pläne gesagt worden . Ich möchte auf zwei Aspekte besonders eingehen, einmal auf die Frage der Minderung des CO2-Ausstoßes und einmal auf die internationalen Zusammenhänge insbesondere in der Frage der Anpassung . Minderungsziele im eigenen Land sind richtig und wichtig . Wir wissen, dass inzwischen 184 Staaten - das wurde schon angesprochen - nationale Klimapläne aufgelegt haben . Wir wissen aber leider auch, dass das, was vorgelegt worden ist, noch nicht reichen wird, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, sondern dass wir uns dann auf einen Temperaturanstieg zwischen 2,6 und 2,8 Grad zubewegen . Wir wissen auch, dass sich die ärmsten und verwundbarsten Länder vor einigen Monaten in Lima zu einer Initiative, V20, zusammengeschlossen haben . Dabei geht es darum, zumindest das Ziel zu erreichen, das ihnen helMatern von Marschall fen würde, nämlich die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen . Wir werden also, was die Minderung des CO2-Ausstoßes anbelangt, ein Mehr an Anstrengungen auch nach dieser Konferenz zu leisten haben . Dazu können wir hier in Deutschland einen Beitrag leisten; das ist von allen Vorrednern angesprochen worden . Aber ich möchte den Blick auch auf internationale Zusammenhänge und die Beiträge lenken, die man leisten kann . Ich möchte ein Beispiel nennen . IRENA, die Internationale Agentur für erneuerbare Energien, hat einmal ausgerechnet, was allein auf dem afrikanischen Kontinent möglich wäre, wenn auf erneuerbare Energien umgestiegen würde . Die Agentur hat auch den nötigen Zuwachs an Energie errechnet, den diese Länder dringend brauchen, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu stärken und Armutsbekämpfung voranzubringen . IRENA prognostiziert für den gesamten afrikanischen Kontinent bis zum Jahr 2030, das Wirtschaftswachstum eingerechnet, immerhin einen Anteil erneuerbarer Energien von insgesamt 22 Prozent, und auf den Strombereich entfallend 50 Prozent.  Ich finde, das  sind beachtliche Zahlen . Sie sprechen von einem CO2-Ausstoß von 310 Megatonnen, den man an dieser Stelle einsparen könnte und die es lohnen, dass wir als internationale Gemeinschaft mehr tun, um in den Ländern Kapazitäten und Strukturen aufzubauen, damit dieser Umstieg auf erneuerbare Energien oder dieser Einstieg in erneuerbare Energien auch im Süden möglich ist . ({1}) Ähnliches gilt selbstverständlich für den Bereich der Anpassungsmaßnahmen . Es wäre mir als Entwicklungspolitikerin eigentlich lieber, wir würden es schaffen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, um viele Anpassungsmaßnahmen vielleicht nicht nötig werden zu lassen . Trotzdem weiß ich: Es ist bereits heute Tatsache, dass Menschen fliehen. Menschen verlassen  ihre  angestammten Regionen, Menschen können nicht mehr so produzieren, wie sie es getan haben, weil Böden versalzen und weil Wasser fehlt . Das ist von allen Vorrednern angesprochen worden . Das heißt, wir müssen in dem Bereich der Anpassung mehr tun . Wir müssen  auch das Thema der Klimafinanzierung  verstärkt für diesen Bereich nutzen, denn es ist klar: Minderungsziele haben auch sehr viel mit Industrie, mit Industrie in Schwellenländern und in Industrieländern, zu tun . Das ist alles richtig und wichtig, aber die Anpassungsmaßnahmen  zu  finanzieren,  ist  leider  eine  etwas  unattraktivere Geschichte in diesem gesamten Konzert . Deshalb glaube ich, wir müssen Finanzierungen für Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung stellen . ({2}) Neben dem Green Climate Fund, der angesprochen worden ist und bei dem man sicher noch genau hinsehen muss, wie die Frage der Anpassung in diesem Fonds gelingen wird, leistet auch der UN-Anpassungsfonds, den es bereits gibt, einen Beitrag . Im Oktober dieses Jahres wurden dort 32 Projektanträge behandelt . Das zeigt, dass es hier ein steigendes Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen gibt . Dieser Fonds kriegt auch gute Noten, weil es darum geht, Kapazitäten in den Ländern des Südens aufzubauen und so den am meisten vom Klimawandel betroffenen Menschen und Gemeinden wirklich zu helfen . Ich wünsche mir sehr, dass gerade dieser multilaterale Fonds, der wirklich einiges leistet, vorangehen kann, finanziell besser ausgestattet wird und für die  Zukunft auf eine sichere Finanzbasis gestellt wird . ({3}) Als Entwicklungspolitikerin sage ich noch einen letzten Satz generell zur Finanzierung . Ich habe am Anfang gesagt: Klima, Entwicklung und Frieden sind untrennbar miteinander verbunden . Das gilt sicher auch für Finanzierungsfragen . Einen Gedanken aber bitte ich, bei allem immer mit zu berücksichtigen: Es gibt klimarelevante Armutsfolgen, es gibt Verschränkungen der beiden Themenfelder, aber es gibt auch klassische Felder der Armutsbekämpfung und klassische Felder des Staatsaufbaus, für die die Entwicklungszusammenarbeit Gelder benötigt.  Ich bitte  daher darum, Klimafinanzierung mit  Extramitteln auszustatten und nicht eins zu eins mit Entwicklungsgeldern zu verrechnen . ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen  Dank,  Bärbel  Kofler.  -  Nächster  Redner:  Dr . Thomas Gebhart für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Dr. Thomas Gebhart (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004038, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen Tagen erreichen uns ständig neue Nachrichten darüber, dass der Klimawandel voranschreitet . Im südlichen Afrika gibt es extreme Wetterereignisse, es gibt einen steigenden Meeresspiegel und vieles mehr . Wir nehmen wahr: Die Lebensbedingungen auf unserer Erde verändern sich, und die Wissenschaftler mahnen uns: Wir müssen das Klima schützen . Wir müssen alles daransetzen, diese globale Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen; denn wenn uns dies nicht gelingt, dann besteht die große Gefahr, dass dieser Klimawandel durch den Menschen nicht mehr beherrschbar ist . Das Klima schützen, das ist unsere Verantwortung vor allem für die nachfolgenden Generationen . Warum aber ist es so schwierig, diese Erkenntnis in Taten umzusetzen? Zunächst einmal müssen wir wahrnehmen: Das ist ein globales Problem . Wir allein können das Klima nicht schützen, sondern die Staaten dieser Welt müssen miteinander kooperieren . Wir brauchen eine gemeinsame Lösung, wir brauchen ein weltweites Abkommen . Warum haben wir dies bislang noch nicht erreicht? Warum verhandelt die Welt seit 20 Jahren über den Klimaschutz, während die weltweiten Treibhausgasemissionen Jahr für Jahr immer weiter in die Höhe gegangen sind? Dies hängt vor allem damit zusammen, dass am Verhandlungstisch 195 Länder sitzen, die teilweise sehr unterschiedliche Interessen haben . Da gibt es Länder an der Spitze - dazu zählen auch wir -, die für einen ambitionierten Klimaschutz streiten . Da gibt es Länder, die vor allem eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels wollen . Es gibt aber auch Länder, die sagen, dass sie sich nicht einschränken möchten, weil sie zunächst einmal ein gewisses Maß an Wachstum und Wohlstand erreichen wollen, was sicherlich auch verständlich ist . Unterschiedliche Interessen prallen also aufeinander . Hinzu kommt, dass bei den Klimakonferenzen das Einstimmigkeitsprinzip gilt . Das heißt, Entscheidungen können immer nur dann getroffen werden, wenn am Ende alle 195 Länder Ja sagen . Was bedeutet das nun für Paris? Die Grundschwierigkeit, die ich eben beschrieben habe, löst sich nicht in Luft auf, sondern bleibt bestehen . Wir sollten eine ehrliche und realistische Erwartungshaltung haben . Dazu gehört, dass wir uns bewusst machen: Es gibt in den nächsten Tagen noch erhebliche Stolpersteine auf dem Weg hin zu einem weltweiten Abkommen . Wir sollten uns außerdem bewusst machen, dass es selbst dann, wenn die Minderungsziele, die die einzelnen Länder gemeldet haben, vollständig erreicht werden, in der Summe nicht ausreicht, das 2-Grad-Ziel zu erreichen . Wir müssen uns auch bewusst machen, dass ein weiterer Punkt hinzukommen muss, wenn ein solch notwendiges Abkommen geschlossen werden soll . Es muss uns gelingen, den  Grundkonflikt  der  unterschiedlichen  Interessen  zu  überwinden und die unterschiedlichen Ziele wie Klimaschutz auf der einen Seite und Wohlstand und Wachstum auf der anderen Seite in Einklang zu bringen . Das geht nur mithilfe von Innovationen und neuen Technologien . Deutschland geht bei den erneuerbaren Energien voran . Das wird international aufmerksam beobachtet . ({0}) Zu einer ehrlichen und realistischen Sichtweise gehört aber auch, dass es Anlass zu begründetem Optimismus gibt, und zwar in so starkem Maße wie noch nie vor einer Weltklimakonferenz . Warum? Mehr als 180 Staaten haben freiwillig Minderungszusagen gemacht . Alle größeren Verursacher des Klimawandels bekennen sich zum Klimaschutz . Teil eines Abkommens soll - darauf drängen wir ganz besonders - ein regelmäßiger Überprüfungsmechanismus sein . Das heißt, Paris ist nicht der Endpunkt - das wurde schon angesprochen -, sondern ein Zwischenschritt . Für einige Länder ist Paris sogar der Start in die Klimaschutzpolitik . Das angestrebte Abkommen ist so nah wie nie zuvor . Ich hoffe und erwarte, dass es in einer Woche in Paris eine Einigung geben wird . Ein solches Abkommen wäre ein riesiger Fortschritt, weil die Richtung klargemacht würde . Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es uns gelingt, ein solches Abkommen zu schließen, dann werden weitere Schritte folgen . Unter dem Strich gibt es keine vernünftige Alternative . Wir haben keine zweite Erde, auf die wir ausweichen können . Deswegen müssen wir alles daransetzen, am nächsten Freitag ein ambitioniertes, verbindliches und weltweit gültiges Abkommen unter Dach und Fach zu bekommen . Inwiefern tragen wir in Deutschland dazu bei? Wir leisten einen sehr großen Beitrag . Ich will nur zwei Punkte nennen . Der erste Punkt ist: Wir haben ein sehr ambitioniertes Klimaschutzziel und wollen bis 2020 eine 40-prozentige Reduzierung im Vergleich zu 1990 erreichen . Das ist ein sehr glaubwürdiges Ziel, weil wir den größten Teil bereits geschafft haben . Die Lücke, die noch besteht, werden wir schließen mit einem Bündel aus Maßnahmen . Der zweite Punkt ist: Deutschland wird die Haushaltsmittel  für  die Klimafinanzierung  auf  künftig  4 Milliarden Euro verdoppeln . Wir helfen damit vor allem den ärmeren Ländern, dass sie sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können, dass sie Waldschutz betreiben können, dass sie insgesamt Klimaschutz betreiben können . Wir erleben jetzt in diesen ersten Tagen der Konferenz in Paris, dass eine Dynamik in das Thema der Klimafinanzierung gekommen ist. Das sind erfreuliche und  positive Zeichen . ({1}) Ich war wie viele andere auch bei diesen letzten Klimakonferenzen in den vergangenen Jahren dabei . Wir hatten Gelegenheit, mit vielen Vertretern anderer Länder zu sprechen, mit Regierungsvertretern, aber auch mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen . Es zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche, dass Deutschland ein unglaublich hohes Ansehen im Bereich der internationalen Klimaschutzpolitik hat . Wir werden als Vorreiter gesehen, wir werden als glaubwürdig betrachtet . Das ist vor allem auch ein Verdienst der deutschen Bundeskanzlerin . ({2}) Angela Merkel hält seit 20 Jahren den internationalen Klimaschutz hoch, sie treibt an, sie geht voraus . Ich sage ausdrücklich: Ohne die deutsche Bundeskanzlerin wären die Chancen auf ein weltweites Klimaabkommen heute nicht so hoch, wie sie tatsächlich sind . ({3}) Ich danke auch der Bundesumweltministerin, auch ihren Vorgängern, die sich alle sehr glaubwürdig und sehr engagiert für das Ziel des weltweiten Klimaschutzes eingesetzt haben und nach wie vor einsetzen . ({4}) Ich hoffe, wir kommen Freitagnacht in Paris zu einem Ergebnis und können sagen: Ja, die Staaten handeln, sie kooperieren . Ich hoffe, dass es so sein wird, dass sich die Weltgemeinschaft Freitagnacht auch einmal selbst applaudieren kann . Wir haben eine historische Chance, und die sollten wir jetzt endlich nutzen . Herzlichen Dank . ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr . Gebhart . - Letzte Rednerin in dieser Debatte: Dr . Nina Scheer für die SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die jeweiligen UN-Klimakonferenzen sind für uns auch immer ein Spiegelbild . Sie haben natürlich den Zweck, dass wir uns darauf verständigen, was wir tun müssen, aber sie sind, gerade mit den vorbereitenden Berichten des Weltklimarats, des IPCC - auch der jetzige Bericht bildet wieder eine Grundlage -, immer auch ein Warnsignal . Man muss zunehmend die Klimaberichte des Weltklimarates im Detail studieren, um zu erkennen und ehrlich zu bekennen, welche Aufgaben vor uns liegen . Frau Hendricks hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Transparenz das oberste Gebot ist . Ich möchte hier die Gelegenheit der freien Aussprache über die Klimaverhandlungen nutzen - als solche kann man den heutigen Vormittag zu der Thematik verstehen -, das Augenmerk auf einige Inhalte zu richten . Mit großer Sorge - das muss ich sagen - betrachte ich, wie sich inzwischen aus der Befürchtung heraus, die Klimaziele nicht zu erreichen, ein Verrechnungsmodell etabliert . Es kommt zu der Bildung eines Emissionsbudgets, wobei wir alle wissen, dass das Emissionsbudget, das uns dann noch verbleibt und das sich an dem 2-GradZiel orientiert, möglicherweise schon 2030 aufgebraucht sein wird . Das allein für sich genommen ist ein brauchbares Warnsignal an uns, das wir insofern berücksichtigen sollten, als es eine Handlungsaufforderung ist . Was allerdings nicht passieren darf - leider gibt es Anzeichen dafür, dass es passiert -, ist, dass die Nichteinhaltung der Zeitachse für dieses Emissionsbudget - ein früheres Aufbrauchen des Emissionsbudgets - dazu verleitet, Auswege zu suchen . Das heißt, man möchte negative Emissionen einpreisen . Es gehört zur Transparenz, zu erkennen, dass von den 400 dem Sachstandsbericht des Weltklimarats zugrundegelegten Szenarien bereits bei 344 Szenarien mögliche Klimaschulden enthalten sind, die zu einem späteren als dem für das Emissionsbudget errechneten Zeitpunkt wieder abzubauen sein werden . Das heißt, wenn wir die Ziele in Anbetracht dieser 344 zugrundegelegten Szenarien erreichen wollen, dann müssen wir genau wissen, was auf dem Weg dahin eingehalten werden muss . Damit geht leider einher, dass wir einen Verschmutzungskredit aufgenommen haben, den man in der Folgezeit abzubauen hat . Dabei wird es dann auch wirtschaftspolitisch interessant, zu sehen, welche Maßnahmen greifen und in welche Richtung sich die Technologieentwicklung bewegt . Wenn wir diese Wege beschreiten, was, wie ich finde,  nicht passieren darf, dann könnte das auch bedeuten, dass besonders stark in die Technologien zur Abscheidung von CO2 investiert wird, und zwar auch in CO2-Abscheidung im Bereich der Bioenergieerzeugung und in unterirdische Verpressung, um den angesprochenen Kredit zurückzahlen zu können . Wenn in diese Bereiche große Investitionen getätigt werden, können die gleichen Gelder anderswo nicht mehr investiert werden . Außerdem haben wir keine richtig transparente Klarheit mehr darüber, wo wir wirklich stehen . Der Wert der Weltklimakonferenzen, die bisher stattgefunden haben, geht dann vielleicht ein Stück weit verloren, weil uns nicht mehr ganz ehrlich das offenbart wird, was tatsächlich zu tun ist . Ebensolches  - Bärbel Kofler  hat  es  angesprochen  -  gilt für die Anpassungsstrategien . So wichtig es ist, Anpassungsstrategien zu verfolgen, gerade mit Blick auf die ärmsten Länder, die vom Klimawandel als Erste betroffen sein werden, müssen wir aufpassen, dass wir keine zu enge Vermischung mit den Bemühungen vornehmen, den Klimawandel einzugrenzen . Denn es kann der Eindruck entstehen: Wir tun doch schon viel; wir leisten doch schon viel . - Es muss ganz klar sein: Das eine ist, den Klimawandel zu verhindern, das andere ist: Wir müssen uns auch darum kümmern, dem nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandel und dessen Auswirkungen in Form von Anpassungsstrategien zu begegnen . Eine weitere Gefahr sehe ich darin, dass zunehmend NGOs in den Entscheidungsprozess eingebunden sind und damit nicht mehr zur kritischen Masse gehören . Ich sage das insbesondere mit Blick darauf, dass die Atomenergie heutzutage als klimafreundliche Energie gilt . Auch darauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten . Ich hätte noch ein paar weitere Dinge zu sagen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nein .

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß, meine Redezeit ist zu Ende . Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Nina Scheer . - Ich schließe die wirklich nachdenklich machende, an das Verantwortungsbewusstsein appellierende Aussprache . Es wäre für manche Kolleginnen und Kollegen vielleicht nicht schlecht gewesen, ihr zu folgen . Es wäre wünschenswert gewesen, dass noch mehr Kollegen an dieser wirklich sehr intensiven Debatte teilnehmen . ({0}) Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen vom Umweltausschuss, die heute nach Paris reisen, viele intensive Gespräche und Begegnungen, um so von parlamentarischer Seite Druck auszuüben und Dampf zu machen . Kommen Sie also gut an, und kommen Sie gut und erfolgreich zurück . ({1}) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent- schließungsanträge . Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6881 . Wer stimmt für diesen Entschlie- ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge- stimmt hat die Linke . Dagegengestimmt haben CDU/ CSU und SPD . Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grü- nen . Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6882 . Wer stimmt für diesen Entschlie- ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge- stimmt haben Linke und Bündnis 90/Die Grünen . Dage- gengestimmt haben CDU/CSU und SPD . Ich übergebe die Sitzungsleitung an meine Kollegin Petra Pau und wünsche Ihnen noch einmal erfolgreiche Tage .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Ernst, Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für eine lebendige Demokratie - Fairer Handel statt TTIP und CETA Drucksache 18/6818 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0}) Finanzausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Dr . Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Paralleljustiz für internationale Konzerne durch Freihandelsabkommen Drucksachen 18/5094, 18/6911 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke .

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sozusagen als Einstimmung auf die besinnliche Zeit haben Sie noch einmal Gelegenheit, mit uns über die Handelsabkommen zu diskutieren . Ich denke, Sie machen das mit großer Freude . Wir haben zwei Anträge vorgelegt, die Sie sicherlich alle gelesen haben . Mit dem einen Antrag geht es uns darum, die mit den zusätzlichen Schiedsgerichten geplante Paralleljustiz zu verhindern . Übrigens gilt unabhängig davon, ob es sich um private Schiedsgerichte oder einen Handelsgerichtshof handelt: Das ist eine Paralleljustiz . In dem anderen Antrag plädieren wir für fairen Handel . Ich gehe davon aus, dass Sie unsere Anträge wie immer ablehnen werden . Aber unabhängig davon können Sie die Adventszeit nutzen, um darüber nachzudenken . Vielleicht kommen Sie dann zu der einen oder anderen neuen Erkenntnis . Große Teile der Zivilgesellschaft lehnen die Handelsabkommen ab, weil sie bereits nachgedacht haben . Ich nenne ein Beispiel . Ich habe gestern den Bundesverband der Milchbauern besucht . Insbesondere kleine Bauern kämpfen ums Überleben, und zwar nicht nur wegen der niedrigen Milchpreise, sondern auch wegen der Preise und Produktionsverhältnisse bei anderen landwirtschaftlichen Produkten . Und was macht die Europäische Union, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ich habe mir fast die Augen gerieben: In den Verhandlungen der Europäischen Union mit den Amerikanern wird tatsächlich darüber gestritten, ob man es den Amerikanern erlauben bzw . erleichtern soll, rohe Eier in Europa zu verkaufen . Das war Gegenstand der letzten Verhandlungen . Das ist kein Witz . Offensichtlich sollen rohe Eier über den Ozean geschippert werden, weil das US-Ei billiger ist als das Ei europäischer Hennen . Warum ist das so? Weil die US-Henne billigeres Futter frisst und der Tierschutz offensichtlich lascher ist . Aber allein die Tatsache, dass sich die EU-Kommission damit befasst, ob rohe Eier über den Ozean geschippert werden sollen, zeigt, wie absurd das ist . Das ist doch nicht mehr normal, meine Damen und Herren . ({0}) Wir hatten gerade eine Umweltdebatte . In Paris wird darüber diskutiert, wie wir den Schadstoffausstoß reduzieren, um die Klimaerwärmung zu begrenzen . Der Generalsekretär des International Transport Forum, José Viegas, hat am 1 . Dezember im Tagesspiegel geschrieben, dass nahezu ein Drittel aller weltweiten Verkehrsemissionen aus dem internationalen Frachtverkehr stammen . Der Welthandel wird sich bis 2050 vervierfachen . Damit wird auch der CO2-Ausstoß entsprechend zunehmen . Und die EU diskutiert über die Eier auf dem Meer . Dümmer geht’s nimmer, meine Damen und Herren . Würde TTIP Realität werden, dann würden im Übrigen die Bauern in Europa noch mehr unter Druck geraten . Beenden wir diesen Unfug! Die Ablehnung wird immer breiter . Das wissen Sie . Ich möchte Ihnen einige zentrale Forderungen der Zivilgesellschaft vortragen . Ich zitiere: „Ein Abkommen, das den Bürgerinnen und Bürgern nutzen soll, darf nicht Vizepräsidentin Claudia Roth verhandelt werden, als müssten die Ergebnisse vor der Öffentlichkeit verborgen werden .“ Realität ist: Nach wie vor haben nicht einmal Abgeordnete Kenntnis von den konsolidierten Verhandlungstexten . Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Lammert ausdrücklich für sein Engagement dafür danken, dass die Abgeordneten des Parlaments endlich erfahren, was eigentlich gespielt wird . ({1}) Ich würde erwarten, dass er mehr Unterstützung aus der CDU/CSU bekommt . Unser Präsident gehört schließlich zu Ihrer Fraktion . ({2}) - Da klatschen die nicht einmal . Ja, so sind sie . Marx sagte: Wie sie sich geben, so sind sie . Eine weitere Forderung, meine Damen und Herren Zitat -: Eine Sondergerichtsbarkeit für Investoren ist nicht zu akzeptieren und darüber hinaus zwischen Demokratien wie der EU und den USA schlicht unnötig . Nach wie vor aber sind in CETA Sondergerichte enthalten . Trotz aller Reformen bleibt es bei Sondergerichten . Noch ein Zitat: Eine Rekommunalisierung einst privatisierter öffentlicher Dienstleistungen darf nicht durch Standstill- oder Ratchet-Klauseln im Freihandelsabkommen unmöglich gemacht werden . ({3}) In CETA sind solche Klauseln enthalten . Ausnahmen sind lückenhaft . Eine letzte Forderung, die ich Ihnen vortragen möchte - Zitat -: Verbindliche Regelungen zu den ILO-Kernarbeitsnormen sind . . . unabdingbare Voraussetzung . . . Sie wissen, meine Damen und Herren: Im Wirtschaftsausschuss hat der Verhandlungsführer der Amerikaner erklärt,  für  ihn  komme  eine Ratifizierung der  ILO-Abkommen nicht infrage . Das ist die Realität . ({4}) - Ihr regiert . Dann macht das mal vernünftig . Aber das kriegt ihr nicht hin . Meine Damen und Herren, von wem waren nun die Zitate? Das waren allesamt Zitate aus Anträgen von Landesverbänden der SPD zum SPD-Parteitag am 10 . Dezember . Alles Zitate von der Basis oder von Landesverbänden der SPD! Ich kann nur sagen: Die SPD-Basis orientiert sich offenbar mehr am Gemeinwohl, als es gegenwärtig die Bundesregierung tut . Von der Bundesregierung hat man den Eindruck, dass sie die Dinge durchpeitschen will . ({5}) Die Kritik kommt übrigens immer mehr auch von Wählern der Union . ({6}) Jetzt ist mein Freund Ramsauer nicht da . Er hat in Kanada - Sie waren dabei - bei jeder Veranstaltung erzählt, dass es in seiner Region Traunstein - ein wunderbarer bayerischer Wahlkreis mit absoluten Mehrheiten für die CSU - zu einer Demonstration von 500 Leuten gekommen sei und dass es keine Linken gewesen seien, sondern seine Wähler . - So geht es euch . Übrigens kann ich auch die Milchbauern nennen . Das sind auch nicht gerade Wähler der Linken, sondern eher Wähler von euch . Ich kann Ihnen allen nur empfehlen: Hören Sie auf Ihre Basis! Ich möchte zum Schluss noch sagen, was die Landesorganisation Bremen im Antrag T 20 zum SPD-Parteitag festgestellt hat: . . . erfüllt nicht die Anforderungen an Handelsabkommen, wie sie im Beschluss des Parteikonvents der SPD vom September 2014 gestellt wurden, und auch nicht die im Europaparlament Anfang Juli 2015 gestellten Anforderungen an das Handelsabkommen . . . Das stellt die SPD Bremen fest . Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen, wenn Sie auf Ihrem Parteitag - das kann ich Ihnen nur ans Herz legen - klare Kante zeigen, und zwar nicht für die Großindustrie, sondern im Interesse der Bürger und im Interesse der Mitglieder der SPD . Wenn Sie das tun, dann hat die SPD bei Umfragen vielleicht auch wieder steigende Werte . Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man könnte sagen: It’s TTIP-time . - Es ist Freitagmittag . Die Linken beantragen ihre Debatte . Es ist imKlaus Ernst mer das Gleiche . Wenn man sich die Anträge anschaut, stellt man fest, Herr Kollege Ernst: Der erste Antrag, den Sie benannt haben, hat letzte Woche seinen ersten Geburtstag gefeiert . Plenum, Ausschuss, Plenum: Man nennt das, was Sie da betreiben, Beschäftigungstherapie . ({0}) Es kommt kein neuer Gesichtspunkt in die Diskussion . ({1}) Es ist höchste Zeit, dass Sie nach einem Jahr die Positionen, die Sie damals aufgeschrieben haben, überdenken . ({2}) Bei dem zweiten Antrag, meine Damen und Herren, haben Sie eine interessante Überschrift gewählt: „Für eine lebendige Demokratie - Fairer Handel statt TTIP und CETA“ . Das ist schon interessant . Die lebendige Demokratie wird, glaube ich, hier in Deutschland tagtäglich bewiesen, gerade bei der öffentlichen Diskussion über Handelsabkommen, über alle politischen Themen . Wir brauchen doch keinen Antrag der Linken, um die lebendige Demokratie in Deutschland zu befördern . Ich weiß nicht, ob Sie noch in der Zeit von vor 25 Jahren, vor 1990, denken . Da war natürlich nichts mit lebendiger Demokratie . ({3}) - Wir haben mehr gelernt als Sie . ({4}) Aber dass Sie das heute in einen Titel schreiben, verwundert uns schon sehr . Der zweite Teil der Überschrift, nämlich „Fairer Handel statt TTIP und CETA“, ({5}) ist auch ganz interessant . Die Frage ist: Was meinen Sie denn eigentlich? Sie meinen: Der Handelsaustausch, der im Moment zwischen Europa und den USA, zwischen Europa und Kanada stattfindet, ist kein fairer Handel. -  So muss man das ja lesen . ({6}) Handelsabkommen sind für Sie also nicht der Türöffner für fairen Handel, sondern Sie meinen, Handelsabkommen seien ein Handelshemmnis . Ich kann die Denkweise nicht nachvollziehen, die hinter dieser ganze Sache steht . Meine Damen und Herren, wenn man sich einmal Ihren Antrag  anschaut,  dann findet man darin  interessante Dinge . In der Begründung schreiben Sie, wegen der angestrebten transatlantischen Angleichung von Normen und Standards würden Standards gesenkt und Normen verändert . Das ist ja interessant . Wie kommen Sie denn auf diese Annahmen? Wenn man mit einem Partner vereinbart, dass die jeweils höheren Standards zur Anwendung kommen, wie soll man denn dann auf die Idee kommen, dass die Standards gesenkt werden? Das ist doch vollkommen unlogisch . ({7}) Die Denkweise, die dahintersteckt, ist doch völliger Unfug . Das Bestreben dieser Handelsabkommen ist es doch gerade, gemeinsam die höchsten Standards festzulegen, damit sich weltweit niemand mehr unterhalb dieser Standards bewegen kann . ({8}) Das ist doch der Sinn . Sonst muss man doch gar nicht über Standards verhandeln . Es ist also völliger Unfug, was Sie den Leuten suggerieren . Über den Zugang zu den Unterlagen haben wir hier im Plenum schon öfter diskutiert . Sie haben das Bemühen von Herrn Lammert angesprochen . Dazu hat sich auch schon unser Ausschussvorsitzender Peter Ramsauer geäußert . Ich hoffe, dass wir damit einen großen Fortschritt erzielt haben . Ich bin gespannt, wie oft ich Sie im Leseraum antreffen werde . ({9}) Dann werden wir einmal sehen, wie oft Sie dann wirklich über den 1 000 Seiten Unterlagen sitzen und diese lesen werden . Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, den wir erreichen konnten, weil wir an dem Prozess beteiligt sind . Sie lehnen das jedoch ab und sagen: Stopp CETA! Stopp TTIP! - Wir hingegen sagen, dass wir verhandeln müssen . Deshalb ist dieser Verhandlungsfortschritt ein großer Fortschritt . Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass eine bevorzugte Behandlung von Unternehmen bei öffentlichen Beschaffungen möglich sein müsse . Weiter schreiben Sie vom Kampf gegen die Korruption und die Verschwendung von Steuermitteln . Meine Damen und Herren, genau das ist der Sinn der Sache . Wir wollen, dass die öffentliche Vergabe transparent erfolgt . Wir wollen, dass die Ungleichheiten auf den Beschaffungsmärkten in den Vereinigten Staaten und Kanada einerseits und Europa andererseits abgebaut werden . Wir wollen, dass deutsche Unternehmen einen gleichberechtigten Zugang zu den Beschaffungsmärkten in den USA und in Kanada haben . Transparenz ist das beste Mittel gegen Korruption und Verschwendung . Auch in diesem Fall kann man die hinter dieser Sache stehende Logik überhaupt nicht erkennen, die Sie uns heute versuchen in den Nikolausstiefel zu schieben . Meine Damen und Herren, Sie ändern Ihre Strategie bei den Investitionsschutzabkommen . Früher waren es halt die bösen Konzerne und die Banken, die die Staaten ausnehmen könnten . Nun haben Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause Vorschläge für einen internationalen Handelsgerichtshof eingebracht . Auch Herr Gabriel hat Vorschläge dazu gemacht . Jetzt, da es an die Umsetzung geht, sagen Sie, das sei Mist und das brauche man nicht . Da muss sich doch jeder normale Mensch fragen: Was soll das? Erst kämpfen wir für etwas, und wenn es erreicht wird, dann ist das alles plötzlich Unfug . - Das ist eine völlig unlogische Argumentation . Herr Ernst, derzeit werden weltweit rund 20 Abkommen verhandelt . Stellen Sie doch einmal zu jedem dieser Abkommen einen Antrag, zum Beispiel „Stopp Vietnam“ .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ernst?

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn es der Aufklärung des Sachverhaltes dient, dann gerne . ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Lämmel, danke, dass Sie die Frage zulassen . - Erstens . Sie haben auf diesen internationalen Handelsgerichtshof abgestellt . Außerdem haben Sie gesagt, wir hätten unsere Strategie geändert . Das ist überhaupt nicht der Fall . Ist es nicht so, dass es nach wie vor ein eigener Gerichtshof sein wird, bei dem keine einheimischen Unternehmen, sondern nur ausländische Unternehmen klagen können? Sind Sie mit mir der Auffassung, die laut Medienberichten auch von der Wissenschaft vertreten wird, dass das eine weitere Bevorzugung der ausländischen Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen wäre, und zwar unabhängig davon, ob dies eine private oder öffentliche Gerichtsbarkeit darstellt? Zweitens . Sie haben vorhin dargestellt, dass jetzt die große Transparenz ausgebrochen sei . Ich lese im Tagesspiegel von gestern, ({0}) dass Bundestagsabgeordnete in Berlin Zugang erhalten sollen . Dann heißt es aber, dass die amerikanische Handelsbehörde von dem nichts weiß . Da würde ich Sie bitten, das einmal aufzuklären . Drittens . Sind Sie mit mir der Auffassung, dass der Präsident des Deutschen Bundestages in hervorragender Weise dieses Thema angesprochen hat und es eigentlich auch Aufgabe der Koalitionsfraktionen gewesen wäre, in dieser Deutlichkeit, und zwar auch möglicherweise durch einen von ihnen eingebrachten Antrag in dieser Sache, darauf hinzuwirken, dass dieser unhaltbare Zustand, dass Abgeordnete den Text nicht einsehen können, abgestellt wird? Viertens . Herr Lämmel, warum - haben Sie eine Erklärung dafür? - hat die Europäische Kommission zugestimmt, dass der amerikanische Abgeordnete schon längst die Möglichkeit hat, die Unterlagen einzusehen, während der europäische Abgeordnete, der Abgeordnete der Nationalparlamente nach wie vor keine Chance hat, diese einzusehen? ({1})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Erstens . Herr Ernst, wenn Sie Ihr Wissen, Ihre Argumentation aus der Zeitung beziehen, kann ich Ihnen auch nicht helfen . Das tut mir leid . In der Zeitung ist heute leider auch nicht mehr alles richtig dargestellt . ({0}) Zweitens . Zu den internationalen Gerichtshöfen . Sie haben es ja immer so dargestellt, als ob diese Schiedsgerichte sozusagen eine ganz große Besonderheit des Handelsabkommens zwischen den Amerikanern und den Europäern wären . Aber in vielen Debatten ist Ihnen doch immer wieder erklärt worden, dass Schiedsgerichte überhaupt keine neue Erfindung im Zusammenhang mit  Handelsabkommen sind . ({1}) Schiedsgerichte gibt es überall in der Welt, von der Welthandelsorganisation bis zum Friedensrichter im Nachbarschaftsstreit . ({2}) Dann haben Sie als Linke immer gesagt: Diese Schiedsgerichte sind uns zu intransparent . Wir wissen überhaupt nicht, was dort der Klagegegenstand ist . Wir wissen überhaupt nicht, wer dort die Richter, die Schiedsrichter sind . - Genau diese Argumente hatten auch wir in unserer Diskussion immer aufgegriffen . Natürlich brauchen wir, wenn wir ein modernes Handelsabkommen schließen wollen, auch beim Schiedsverfahren Fortschritte . Jetzt haben wir sie erreicht . Jetzt werden internationale Richter berufen, die vorher nicht mit dem Sachverhalt betraut gewesen sein dürfen . Wir haben das jetzt im ersten Handelsabkommen mit Vietnam vereinbart . Das ist Ihnen nun auch wieder nicht recht . Sie müssen sich wirklich einmal eine Strategie überlegen, damit Sie Ihre Argumente auch durchhalten . ({3}) Insofern: Sie schreiben über Anträge immer nur: „Stopp, Stopp, Stopp“ . Zu Herrn Präsident Lammert . Ich habe Ihnen doch vorhin gesagt, dass Herr Dr . Ramsauer als AusschussAndreas G. Lämmel vorsitzender in unserem gemeinsamen Auftrag an Frau Malmström geschrieben hat . Schon Ernst Hinsken als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses hat in der letzten Legislaturperiode an den damaligen EU-Kommissar geschrieben, um genau diese Möglichkeit der Einsicht in die Unterlagen zu erreichen . Wir freuen uns nun gemeinsam, dass das funktioniert hat . Das ist doch ein großer Fortschritt . Da sollten wir doch mal zufrieden sein . Da sollten Sie mal sagen: Mensch, jetzt haben wir doch was geschafft in der lebendigen Demokratie . Meine Damen und Herren, noch mal zurück zum Investitionsschutzabkommen mit Vietnam, das jetzt beschlossen und in dem ja dieser Handelsgerichtshof stellen Sie mal einen Antrag „Stopp Vietnam“ - vereinbart wurde . Wir werden gelegentlich darüber diskutieren müssen, welche Vorstellungen die Kommission genau hat, wie man diesen konstruiert und vor allen Dingen, wie schnell der auf die Füße kommt . Dauerthema „öffentliche Daseinsvorsorge“ . Da kann ich Ihnen nur sagen: Frau Malmström war gestern in Berlin und hat eine Pressekonferenz dazu gegeben . Ich lese Ihnen bloß einen ihrer Sätze daraus vor: „Güter wie Wasser, Bildung oder Gesundheit sollen nicht aus der öffentlichen Hand gegeben werden dürfen .“ „Punkt“, kann man da nur sagen . Ihre Befürchtungen nach dem Motto „Jetzt kommen die bösen Amerikanerheuschrecken und schnappen euch eure Wasserwerke weg“, die Sie den Leuten ständig einreden, sind doch so ein Humbug . ({4}) Dass in Deutschland eine solche Stimmung entstanden ist, kosten Sie doch jetzt genüsslich aus . Die Verhandlungen über diese Handelsabkommen sind ein sehr komplexer Vorgang, gar keine Frage . Die Inhalte sind auch sehr verwoben . Das schreiben Sie ja in Ihrem Antrag . Aber statt Aufklärung zu betreiben und zu sagen: „Leute, wir haben jetzt zehn Punkte, und fünf davon müssen wir noch weiter kritisch begleiten und diskutieren“, machen Sie es genau andersherum . Sie jagen erst das Chlorhuhn durch die Fernsehzimmer, und dann kommen die ganzen anderen Beispiele . Zurzeit sprechen Sie ja über die rohen Eier, die über das Meer transportiert werden . Ich bin gespannt, was Sie in der nächsten Debatte anbringen . Wenn das Thema Eier beendet ist, dann sind es vielleicht die Kaninchen, die durch die Welt getrieben werden . ({5}) So kann man doch keine verantwortliche Politik machen . So macht man eine Angstpolitik . Genau das brauchen wir in einer lebendigen Demokratie nicht, Herr Ernst . Deswegen sind Ihre Anträge ein böser Nikolausscherz, mehr sind sie nicht . Danke . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Katharina Dröge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Lämmel, in einem Punkt muss ich Ihnen heute recht geben . Ich glaube, es passiert nicht oft, dass ich Ihnen recht gebe . Wir diskutieren tatsächlich nicht zum ersten Mal über TTIP und CETA im Deutschen Bundestag . ({0}) Doch ich muss ganz ehrlich sagen: Genützt hat es in der Sache noch gar nichts . ({1}) Wenn ich mir die Politik anschaue, die Sie als Große Koalition im Umgang mit TTIP und CETA betreiben, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dass sie mich ein bisschen an einen gestrandeten Pottwal erinnert: Allein kommen Sie nicht vom Fleck - und das, obwohl es dringend notwendig wäre . ({2}) Man braucht viele Menschen, man muss ziemlich ziehen und zerren, um einen gestrandeten Pottwal zu bewegen . Um das konkret auf Ihre Politik im Deutschen Bundestag zu übertragen: Wir haben zwei Jahre lang über TTIP und CETA im Bundestag gestritten . Es brauchte eine Demonstration mit 250 000 Teilnehmern, damit Sie sich nur einen Zentimeter in der Sache bewegt haben, dass Sie sich vielleicht - hoffentlich! - dafür einsetzen, dass wir Abgeordnete Leserechte für die Dokumente, über die wir am Ende beschließen sollen, bekommen . Das Winzigste, was wir erreichen konnten, ist, dass diejenigen, die darüber beraten, einmal in die Dokumente schauen dürfen, mehr ist das ja nicht . ({3}) Wir können keinen Zettel, keinen Stift mit in die Leseräume nehmen . Das heißt, wir können dort gar nicht richtig arbeiten . Noch schlimmer: Wir können den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht erzählen, was wir gelesen haben; denn das Ganze ist geheim . Viel haben wir also noch nicht erreicht . Das Einzige, was wir erreicht haben ({4}) - vielleicht; das wissen wir noch nicht -, ist, dass wir in die Dokumente sehen können . Dafür feiern Sie sich heute . Von den Veränderungen in der Sache ganz zu schweigen: ob es um die Schiedsgerichte, ob um die Umweltregulierung oder um die Liberalisierung im Bereich der Kommunen geht . Herr Lämmel hat so getan, als wäre in den letzten Monaten in der Debatte irgendetwas in Bewegung gekommen . ({5}) Aber man darf Rhetorik, man darf Ankündigungen nicht mit realer Politik verwechseln . Diesen Fehler macht Herr Wiese in der Debatte auch ganz oft . Herr Gabriel, Sie versprechen ein neues Konzept im Bereich des Investitionsschutzes . Frau Malmström stellt ein neues Konzept vor . Aber wenn man fragt: „Stimmen wir im Bundestag ab?“, dann kommt von Ihnen immer: „Ach, nee, abstimmen wollen wir lieber nicht, wir könnten uns ja festlegen müssen .“ Jeden einzelnen Antrag von uns haben Sie bislang versenkt . Einen eigenen Antrag haben Sie nie gestellt . Wenn man mit den Verhandlern der USA oder Kanadas redet, dann sagen sie immer: „Schöne Vorschläge, die Herr Gabriel gemacht hat . Schöne Vorschläge, die Frau Malmström gemacht hat .“ Aber in der Sache ist das im Falle von Kanada leider durch . Oder: „Wir können uns wirklich nicht vorstellen, dass wir uns auf Sie zubewegen .“ In der Sache haben Sie nichts erreicht . ({6}) Sie haben immer noch nicht verstanden, das Thema Vorsorgeprinzip, unsere zentrale Regulierungsphilosophie, die wir in Europa haben, in TTIP oder CETA zu verankern . Das hätte man in CETA machen können . Das wäre eine große Chance gewesen . In CETA gibt es nicht nur die Schiedsgerichte, sondern auch die State-to-State-Gerichte . Da werden wir vor dem WTO-Handelsgericht verklagt, und dann geht es um die Frage, wie man die Maßnahme bewertet: nach dem amerikanischen wissenschaftsbasierten Ansatz oder nach dem europäischen Vorsorgeprinzip . ({7}) Die Rechtsprechung der WTO war bislang so, dass sie sich auf den amerikanischen wissenschaftsbasierten Ansatz gestützt hat und damit die europäische Umweltregulierung in einigen Streitfällen unter Druck geraten ist . Auch dazu von Ihnen in dieser Debatte bislang kein Wort . Das dritte Thema - auch darüber hätte man bei CETA noch einmal miteinander reden können -: der Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge . Wir haben wiederholt den Vorschlag gemacht, Positivlisten anstatt Negativlisten festzulegen, um eine Sicherheit zu haben, dass am Ende nicht irgendetwas vergessen wird und es dadurch zu einer ungewollten Liberalisierungsverpflichtung kommt, dass  wir nicht erst am Ende, nachdem wir den völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnet haben, merken: Verdammt, da war etwas drin, was wir gar nicht so regeln wollten; aber jetzt können wir den Vertrag nicht mehr ändern . - Auch dazu von Ihnen kein Wort! Ein weiteres Thema, über das man reden könnte, ist der in CETA vorgesehene Hauptausschuss, der am Ende die Kompetenz besitzen soll, die Annexe, die Protokolle, die Verträge zu ändern . Es ist nicht sicher, ob das Europaparlament am Ende an der Entscheidung beteiligt werden muss, ob etwa die Protokolle verändert werden sollen . In den Protokollen stehen aber relevante Dinge wie Pestizidgrenzwerte oder eben die Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge . Auch dazu von Ihnen kein Wort! Da frage ich mich ganz ehrlich: Was tun Sie eigentlich hier im Deutschen Bundestag, außer Reden zu halten? ({8}) - Ja, genau, leider müssen Sie mir zuhören . ({9}) Ich verspreche Ihnen: Sie werden mir noch das ein oder andere Mal hier zuhören müssen . ({10}) Jetzt komme ich auf das Bild mit dem gestrandeten Pottwal zurück . Sie wissen ja: Wir Grünen haben ein Herz für Tierschutz . Deshalb werden wir bei TTIP und CETA weiter ziehen und zerren, bis der Pottwal Große Koalition endlich im Wasser angekommen ist . Ich verspreche Ihnen: So wie der Wal merkt, dass man im Wasser besser schwimmt, so werden Sie auch merken, dass ein Neustart dieser verkorksten Handelspolitik auch Ihnen mehr Freiheit und ein besseres Gefühl verschaffen wird . ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dirk Wiese für SPD-Fraktion . ({0})

Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lebenswert, offen, engagiert, vielleicht das höflichste Land der Welt, von Wissenschaftlern als friedliche Mittelmacht bezeichnet, laut einer Empfehlung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ein besonders willkommener und geschätzter Partner - die Rede ist von Kanada . Unter Partnern - das sage ich hier ganz offen - kann man reden, auch über ein Freihandelsabkommen, aber bitte sachlich . Vertreter der Fraktion Die Linke sprechen in Interviews im Hinblick auf CETA mittlerweile von einem Anschlag auf Demokratie, Sozialstaat und Umwelt . Ganz ehrlich: Solche Formulierungen sind zwischen Partnern, die lange freundschaftliche Beziehungen haben, nicht angemessen und werfen ein schlechtes Licht darauf, wie unsachlich Sie die Debatte führen . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik Deutschland und Kanada pflegen seit  Jahrzehnten enge  freundschaftliche Beziehungen . Wir teilen gemeinsame Werte und Grundüberzeugungen . Über 3,2 Millionen Kanadier haben deutsche Wurzeln . Uns verbindet eine aktive Mitarbeit in internationalen Gremien, vor allem in Fragen der Sicherheit und Abrüstung, der Menschenrechte, bei humanitären Aktionen und bei friedenserhaltenden Maßnahmen . Das angedachte Freihandelsabkommen soll nun ein Baustein sein, um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu vertiefen . Aktuell gehört Deutschland zwar schon zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Kanadas; Studien zeigen aber auch auf, dass in den deutsch-kanadischen Wirtschaftsbeziehungen für beide Volkswirtschaften noch mehr Potenzial liegt . Hauptexportprodukte Deutschlands sind Fahrzeuge, Fahrzeugteile, Maschinen, mechanische und elektrische Geräte . Hinzu kommt: Abkommen und Verständigungen auf bilateraler Ebene zwischen unseren beiden Ländern sind nicht neu . Kanada und Deutschland haben 2002 ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, das das Abkommen von 1981 ablöste, mit der EU besteht seit 1976 ein Rahmenabkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, seit 1995 ein Abkommen über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit, seit 2003 ein Wein- und Spirituosenabkommen und seit 2009 ein Luftfahrtübereinkommen . Im Freihandelsabkommen mit Kanada, das jetzt im Entwurf vorliegt, ist im Industriesektor - um ein Beispiel zu nennen - ein Abbau von 99,7 Prozent der Zolllinien vereinbart, im Warenhandel von 98,4 Prozent der Zolllinien . Infolge der Marktöffnung wird es einen verbesserten Zugang für europäische Unternehmen, für Dienstleistungsanbieter geben . Zudem kommt es zu Verbesserungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Auch  die Absicherung  in  sensiblen  Bereichen, wie zum Beispiel im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, ist gewährleistet . Positiv ist zudem die Ermöglichung des Zugangs heimischer Unternehmen zu Ausschreibungen in Kanada . Das gilt auch für Ausschreibungen auf regionaler und kommunaler Ebene . Man geht dabei von einem Beschaffungsvolumen von etwa 100 Milliarden kanadischen Dollar aus . Hier haben unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen überhaupt keine Möglichkeit, sich in Kanada dem Wettbewerb zu stellen . Für kanadische Unternehmen ist das hingegen schon heute in Deutschland möglich . Folglich gibt es faktisch keine zusätzliche Marktöffnung hier bei uns . Wichtig ist: Trotz der geplanten Regelung können weiterhin Ausschreibungsbedingungen von Ausschreibungsstellen festgelegt werden; die Möglichkeit, Regelungen zur Tariftreue oder Umweltbedingungen in die Ausschreibung aufzunehmen, werden nicht beschränkt . Zudem: Das WTO-Streitverfahren mit Kanada zu der Frage von hormonbehandeltem Rindfleisch wird einer endgültigen Regelung zugeführt.  Es wird die Einräumung eines Zollkontingents für Qualitätsrindfleisch geben. Also kurz und knapp: Weiterhin  kein Import von hormonbehandeltem Rindfleisch.  An einigen wichtigen Punkten bedarf die bisherige Verständigung noch Änderungen und der Feinjustierung . Hieran arbeiten Sozialdemokraten an vorderster Stelle mit . Das nennt man übrigens: Politik machen und Zukunft gestalten . Denn wer sich allen Gesprächen und Verhandlungen, die  jetzt gerade  stattfinden, verweigert,  der gestaltet Globalisierung nicht mit, sondern der wird gestaltet werden . Bezogen auf die Weltwirtschaft heißt dies: Wer den Ball nicht aufnimmt, der spielt nicht mit . ({1}) Lieber Kollege Klaus Ernst, wenn Sie im Januar Zugang zu den Dokumenten haben, dann haben Sie das einem zu verdanken, und das ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich immer wieder dafür eingesetzt hat, dass wir als nationale Abgeordnete Zugang zum Vertragstext bekommen . Geben Sie Sigmar Gabriel mal einen aus; sagen Sie ihm Danke schön . Er sorgt dafür, dass Sie endlich aufgeklärt werden . ({2}) Ich empfehle Ihnen das Positionspapier von Bernd Lange „Wandel durch Handel - Faire Handelspolitik im 21 . Jahrhundert“ wärmstens als Lektüre für die ruhigen Weihnachtstage, dann werden sich nämlich viele Ihrer Fragen klären . Die Anmerkungen, die ich an der einen oder anderen Stelle gemacht habe, gelten eins zu eins auch für das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, TTIP . Es wird übrigens - das möchte ich deutlich formulieren - noch sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, bis wir zu möglichen Ergebnissen kommen . Einen Satz noch zu CETA . Sie suggerieren bzw . behaupten fälschlicherweise immer, dass sogenannte Briefkastenfirmen, Mailbox Companies, Klagemöglichkeiten  haben . ({3}) Das  ist  faktisch  falsch  und  gelogen.  Briefkastenfirmen  haben in CETA keine Klagemöglichkeit mehr; das ist ausgeräumt . In alten Schiedsgerichtsabkommen, von denen die Bundesrepublik Deutschland eine Menge abgeschlossen hat, gab es diese Möglichkeit . Wenn die Befürchtungen, die Sie hinsichtlich der sogenannten Briefkastenfirmen  haben,  nämlich  dass  US-amerikanische  Firmen in anderen Ländern schnell ein Büro eröffnen und einen Briefkasten einrichten, um Klagemöglichkeiten zu bekommen, wahr wären, dann müssten wir im Rahmen der bereits abgeschlossenen Abkommen - es sind über hundert - mit unzähligen Klagen überzogen worden sein . Wissen Sie, wie oft wir verklagt worden sind? Dreimal . Das ist einfach nur Angst, was Sie erzeugen, und nichts anderes . ({4}) Wir Sozialdemokraten wollen Prinzipien und Werte global verankern . Darüber diskutieren wir auch auf dem Bundesparteitag, der in der kommenden Woche ansteht . ({5}) Aufgrund des Stillstands in der Welthandelsorganisation ist die Möglichkeit, Fortschritte multilateral zu erzielen, derzeit nicht gegeben . Daher stellen bilaterale Abkommen aktuell ein Instrument dar, globalen Handel zu verändern . Es ist darum richtig, in den kommenden Wochen mit dem Partner, der neuen kanadischen Regierung, zu sprechen . Wir tun das: gestern mit Cecilia Malmström, heute Morgen mit dem Chefunterhändler Steve Verheul von kanadischer Seite . Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Wochen noch zu Ergebnissen kommen werden, die Sie überraschen werden . Vielleicht werden die Ergebnisse Sie dazu bringen, dem Ganzen möglicherweise doch zuzustimmen . Vielen Dank . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Matthias Heider hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Ernst, wenn man Ihre Anträge so durchliest, fragt man sich, wie man sie am ehesten charakterisieren soll . Es ist gerade Mittagszeit, und die Suppe, die Sie uns heute angerichtet haben, ist ein wahrer Feuertopf . Das sind Ihre Zutaten: eine ordentliche Portion Wachstumskritik, ein bisschen Demokratieverdrossenheit, ein Teil Paralleljustiz, ein Teil Empörung, ganz viel Spekulation, zwei Bund Geheimniskrämerei und eine Prise Streit . Alles in einen Topf werfen, ordentlich umrühren und dann verteilen; Hauptsache, die Suppe ist heiß genug, sodass sich später irgendjemand daran verbrennen wird - das ist Ihre Art von Politik, Herr Ernst . ({0}) Einige wichtige Punkte drohen in der Debatte unterzugehen . Umwelt, Lebensmittelsicherheit und technische Standards - das sind Aspekte, die alle Bürger angehen, nicht nur diejenigen, die vor wenigen Wochen hier in Berlin demonstriert haben oder die Eingaben an die EU-Kommission machen . Das Freihandelsabkommen betrifft über 800 Millionen Menschen . Es ist der größte demokratisch legitimierte Wirtschaftsmarkt der Welt . Ich glaube, er hat einen verlässlichen Rechtsrahmen für den transatlantischen Handel verdient . Die Menschen in diesem Markt wollen Produktvielfalt, sie wollen sinkende Preise, sie wollen aber auch einen Lohnanstieg . Wir führen die Debatte schon über zwei Jahre . Ich frage mich: Was wäre eigentlich aus dem europäischen Binnenmarkt geworden, wenn man mit ihm so umgegangen wäre, wie Sie heute mit dem Freihandelsabkommen umgehen? ({1}) Ich kann es Ihnen sagen: Bei den Vorbehalten wären wir in Europa nie auf einen gemeinsamen Nenner gekommen . Die Grundfreiheiten des europäischen Marktes prägen die EU bereits seit 1957: Als Erstes sind die Warenzölle auf dem Gebiet der EU abgeschafft worden, der freie Warenverkehr wurde durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs durchgesetzt, und erst 1993 haben wir eine Vielzahl von nichttarifären Handelshemmnissen, die uns behindert haben, abgeschafft. Wir profitieren  davon . Warum sollten wir uns nicht auch im transatlantischen Bereich für Freihandel mit Kanada und den USA einsetzen? Die positiven Effekte solcher Abkommen sind sichtbar . Schauen Sie sich wenigstens das Abkommen mit Chile an . Wir können feststellen, dass sich die Umsätze auf dem Markt zwischen Chile und der EU von 7 Milliarden auf inzwischen 18 Milliarden Euro erhöht haben . Und nach dem Abkommen, das mit Ägypten geschlossen wurde, sind die Umsätze von 11 Milliarden auf 22 Milliarden Euro gestiegen . Das ist doch ein spürbarer Effekt . Ich glaube, im Interesse der Arbeitsplätze bei uns in Deutschland müssen wir uns darum bemühen, die Wertschöpfung bei uns im Land zu halten . Wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht woanders hin verlagert wird, und dafür müssen wir die Rahmenbedingungen dieser Märkte gestalten . Das dürfen wir nicht anderen überlassen . ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger . Gerade das ist es doch, was die EU in ihren Regelungsvorschlägen, die sie in die Verhandlungen einbringt, anspricht: Freihandel unter Beibehaltung der hohen Verbraucher- und Umweltstandards . Schauen Sie sich einmal die einzelnen Regelungsvorschläge an . Es ist doch nicht so, dass damit das aufgegeben wird, was in Richtlinien und Verordnungen in der EU festgeschrieben ist . Wir haben das doch in Jahrzehnten aufgebaut . Warum sollten wir uns denn bei dieser Gelegenheit davon trennen? Damit ist nicht gemeint, dass die Standards in den USA viel niedriger wären als bei uns . Nein, sie werden nur anders festgelegt . Lassen Sie uns doch gerade in den Bereichen, in denen technisch festgestellt werden kann, dass die Standards die gleiche Sicherheit bewirken, Bürokratieabbau betreiben . Lassen Sie uns doch Standards finden, die es den Unternehmen in Deutschland ermöglichen, ihre Produkte einfacher auf den anderen Markt zu bringen - Produkte, die hier produziert werden und auf den anderen Markt gebracht werden . Sie schreiben in Ihrem Antrag - ich zitiere -: Letztendlich wird über die konkrete Ausrichtung von CETA und TTIP auf einzelwirtschaftliche Interessen nach Kostensenkung im Handel und der politischen Selbstbindung der Parlamente die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften ausgehebelt . Da kann ich nur fragen: Geht es eigentlich noch? Glauben Sie, dass wir und unsere Kollegen in 28 MitgliedDirk Wiese staaten der Europäischen Union uns einfach das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen? ({3}) Ich glaube, da liegen Sie falsch . Ich glaube, das sollten Sie auch mit Ihren Kollegen im Ausland noch einmal dringend besprechen . ({4}) Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die Schiedsverfahren zu sprechen kommen; das ist für Sie ja auch ein wichtiger Punkt . Ihre prinzipielle Ablehnung dieser Verfahren kann ich nicht verstehen . Haben Sie eigentlich ein Schiedsgericht in Ihrer Parteisatzung? Ich glaube, ja . Ich glaube, auch da gibt es eine gewisse friedenstiftende Funktion . Das ist in den anderen Rechtsbereichen, in denen Schiedsverfahren eingesetzt werden, auch so . ({5}) Es passt zu Ihrem Bild von der Wirtschaft, dass Sie das Wirtschaftsunternehmen vorenthalten wollen . ({6}) Diese Verfahren dienen der schnellen Durchsetzung eines Rechtsschutzes . Kein Kaufmann auf der Welt kann acht bis zehn Jahre warten, bis die Gerichte in drei Instanzen entschieden haben, ob seine Investition in einem anderen Land trägt oder nicht trägt . Da muss ein schnelleres Verfahren her . Dazu dienen diese Schiedsverfahren . Ich freue mich ausgesprochen, dass wir in dem Vertrag mit Kanada bereits eine ganze Anzahl von Regelungen haben, die die jetzt geltenden Regelungen für Schiedsverfahren auf einen ganz neuen Standard bringen . Im Übrigen müssen Sie sich einmal Folgendes vor Augen führen: Kanada und die USA machen nicht nur Rechtsgeschäfte in Deutschland; die machen auch Geschäfte in Bulgarien oder Rumänien, wo die Durchsetzung der Rechtsstandards möglicherweise etwas schwieriger ist als bei uns . Man kann durchaus auch einmal darüber nachdenken, ob Sie Europa wirklich über einen Leisten schlagen wollen . ({7}) Ich glaube, man kann das so nicht machen, sondern man muss Vorsorge treffen . Nach aller kaufmännischen Erfahrung sind Schiedsgerichte dafür ein ganz wichtiges Element . Ich muss Ihnen in einem Punkt recht geben: Das Lesen dieser konsolidierten Vertragstexte muss man schon deshalb sehr schnell bewerkstelligen, weil es ungemein zeitaufwendig ist . Allein CETA umfasst etwa 1 700 Seiten und ist so dick wie das Telefonbuch von Düsseldorf . Das braucht Zeit . Deshalb ist es klug, wenn die EU-Kommission und die amerikanische Verhandlungsseite bei TTIP den Abgeordneten diese Dokumente möglichst schnell zur Verfügung stellen . Ich glaube, es gibt in diesem Haus auch keinen Widerspruch dazu, dass das so gemacht werden soll . ({8}) Ich bin der Auffassung, dass wir mit diesen Abkommen rechtzeitig auf die Zielgerade kommen sollten . Bei CETA, dem Abkommen mit Kanada, sind wir bereits auf der Zielgeraden . Ich habe noch nie so eine lange Rechtsförmlichkeitsprüfung durch die Kommission erlebt wie bei diesem Abkommen mit Kanada. Ich finde, wir sollten  zu einer Entscheidung kommen . Wir brauchen bei TTIP eine  qualifizierte  Diskussion  statt  Spekulationen.  Bei  CETA brauchen wir jetzt einen schnellen Abschluss der Rechtsprüfung und dann eine Schlussabstimmung in den Parlamenten . Das wäre ein Impuls für den transatlantischen Handel, den wir geben könnten . Herr Ernst, ich sage Ihnen noch einmal: Dass Sie sich für Protektionismus einsetzen und nicht für Freihandel, überrascht mich . ({9}) Dann gehören Sie zu den Protektionisten . Aber der Rest dieses Parlaments wird zu denen gehören, die den Freihandel unterstützen und die mit einem Impuls das Wachstum in den Märkten weiter nach vorne bringen wollen . Herzlichen Dank, meine Damen und Herren . ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Dr . Nina Scheer hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion, die wir seit vielen Monaten, bald schon Jahren, jedenfalls seit dieser Legislaturperiode, hier im Deutschen Bundestag über die Freihandelsabkommen führen, hat eines bewiesen: Es ist wichtig, diese Diskussion zu führen . Insofern möchte ich gleich zu Beginn sagen: Eine sofortige Ablehnung von Verhandlungsprozessen kann uns die Chance nehmen, über die Inhalte zu diskutieren . Wann, wenn nicht im Rahmen solcher Abkommen, können wir über die Dinge diskutieren, die möglicherweise tatsächlich hinterher nicht funktionieren? Das sollte nicht vorweggenommen werden . Wir sind in einem Prozess der Klärung . Gerade die letzten Äußerungen meines Kollegen Heider zeigen, dass etwa bei der Frage der Schiedsgerichtsbarkeit sehr wohl noch großer Klärungsbedarf besteht . ({0}) Er ist jetzt gerade nicht ansprechbar . ({1}) Zu dem Argument, dass das eine Selbstverständlichkeit sei, weil Schiedsgerichte auch in Parteistatuten enthalten seien, muss ich sagen: Wenn Sie diese so essenzielle Frage derart auf die leichte Schulter nehmen, kann ich da nicht mitgehen . ({2}) Die Schiedsgerichtsbarkeit ist zu Recht ein politisch hart diskutierter Punkt . Aus gutem Grund hat sich Sigmar Gabriel für eine Reform des Schiedsgerichtswesens eingesetzt . Aber auch da müssen wir natürlich genau schauen: Was wird mit dieser Reform zu erreichen sein? Inwieweit werden die kritischen Punkte, die wir sehen, tatsächlich aufgegriffen? Natürlich sind wir - das ist zum Beispiel auch im Beschluss des SPD-Konvents enthalten - nicht damit einverstanden, dass Staaten über Schiedsgerichtsverfahren und Urteile quasi erpresst werden können . Das ist ganz klar . Lieber Herr Heider, da hinkt der Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit in Parteistatuten . Hier kann kein Staat auf Schadensersatz verklagt werden . ({3}) Ich bitte, mit diesen Fragen ernsthaft umzugehen . ({4}) Die Diskussion zeigt, dass es erforderlich und auch hilfreich ist, einen stetigen Abgleich vorzunehmen . Genau dafür sind diese Diskussionsprozesse wichtig . Das zeigt uns auch die Mobilisierung auf den Straßen . Die große Demonstration wurde schon oft erwähnt . Daran haben viele Menschen teilgenommen. Ich finde, wir wiederum sollten spiegeln und ernst nehmen, was dort stattgefunden hat . Hier wird von der Öffentlichkeit ein Abgleich eingefordert zwischen dem, was verhandelt wird, und dem, was heutzutage in der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit noch mehrheitsfähig wäre . Diesen Prozess müssen wir auch im Interesse einer funktionierenden Demokratie wahrnehmen . Ich glaube, genau darin liegt der Wert, zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall an diesem Verhandlungsprozess festzuhalten . Es offenbart sich eine Mobilisierungsfähigkeit der Öffentlichkeit, eine demokratische Mitwirkung der Öffentlichkeit, die aufgegriffen und respektiert werden muss . Das ist nicht einfach nur ein schlichtes Nein . Unter den Forderungen der Demonstranten befinden sich sehr wohl  welche, die auf die Inhalte solcher Abkommen zielen . Es stellt sich die Frage, ob man Freihandelsabkommen möglicherweise zu Handelsabkommen werden lassen könnte . Dies halte ich nicht für ein schlechtes Ziel . Wenn wir, etwa mit den neuen UN-Nachhaltigkeitszielen, faire Bedingungen und Sozial- und Umweltstandards einfordern, dann müssen wir natürlich auch schauen: Wo bleiben sie in unserer realen Politik? Dann müssen wir uns natürlich auch fragen lassen, wie weit eine Deregulierungsverpflichtung diesen Zielen tatsächlich entspricht. ({5}) Solange dieser Prozess, in dessen Rahmen Abkommen verhandelt werden, andauert, müssen wir uns diese Fragen stellen und einen Abgleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit vornehmen . Ich möchte kurz wiederholen - meine Redezeit ist gleich zu Ende -: Es ist wichtig - auch Dirk Wiese hat darauf hingewiesen -, den Verhandlungsprozess ernst zu nehmen, ihn politisch zu nutzen und unsere Aufgabe als politische Ebene in diesem Kontext wahrzunehmen . Noch ein letzter Aspekt, dessen Bedeutung mir in den letzten Monaten immer mehr aufgefallen ist - gestern haben wir auch mit Frau Malmström darüber diskutiert -: Unsere Forderung ist ja, dass Welthandelsbestimmungen Umweltschutz  und  Sozialstandards  flankieren  müssen.  Es kann natürlich passieren, dass aus diesem Konglomerat an Außenhandelsbestimmungen eine Quasi-Weltwirtschaftsordnung wird . Hier appelliere ich an uns alle, zu kontrollieren, ob es tatsächlich in unserem Sinne ist, darüber eine bilaterale Weltwirtschaftsordnung zu etablieren . Ich persönlich setze hier ein großes Fragezeichen . Ich wünsche mir, dass dieser Diskussionsprozess dazu genutzt wird, genau diese Fragen zu stellen . Vielen Dank . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/6818 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Paralleljustiz für internationale Konzerne durch Freihandelsabkommen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6911, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5094 abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas Drucksache 18/6858 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Bundesministerin Manuela Schwesig . ({1})

Manuela Schwesig (Minister:in)

Politiker ID: 11005303

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kinderschutz ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung, Kinderschutz ist ein wichtiges Anliegen der Großen Koalition, und Kinderschutz ist auch mir ein besonders wichtiges Anliegen . Deshalb legen wir Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der unsere Kinder und Jugendlichen vor dem Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas schützen soll; denn E-Zigaretten und E-Shishas sind gesundheitsschädlich für Kinder . Deshalb gehören sie für Kinder verboten . E-Zigaretten und E-Shishas gehören nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen . ({0}) Etwa 20 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben schon einmal eine E-Shisha probiert, 15 Prozent haben es auch schon einmal mit einer E-Zigarette versucht . Kinder und Jugendliche können das bis jetzt ohne Weiteres tun; denn wir haben weder für E-Zigaretten noch für E-Shishas Abgabe- und Konsumverbote . Das ist eine Regelungslücke im Kinder- und auch im Jugendschutz, die wir schließen wollen . In den letzten Tagen haben mir viele Erwachsene, die sogenannte Dampfer von E-Zigaretten oder E-Shishas sind, geschrieben, dass sie die Kritik an E-Zigaretten und E-Shishas gar nicht verstehen . Deshalb möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wenn Erwachsene anstatt einer Tabakzigarette lieber eine E-Zigarette rauchen wollen, dann können sie das frei entscheiden und tun . Es geht hier um den besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen . Für Kinder und Jugendliche gelten ganz andere Schutzvorschriften, und auch die Wirkungen von E-Zigaretten auf ihre Gesundheit sind ganz andere als bei den Erwachsenen . Deshalb ist es ganz wichtig, noch einmal zu sagen: Dieses Verbot betrifft ausschließlich den Konsum von Kindern und Jugendlichen . Erwachsene sind weiterhin frei, selbst zu entscheiden, was für sie gut oder nicht gut ist . ({1}) Um diesen Schutz haben uns insbesondere auch viele Eltern und sogar schon Elterninitiativen gebeten, weil sie mit Sorge gesehen haben, dass Kinder und Jugendliche hier verleitet werden, und es gibt auch eine Initiative der Kinder- und Jugendärzte . Wir sehen es mit Sorge, dass diese E-Zigaretten und E-Shishas oft nach Schokolade oder Früchten schmecken, aber eben auch schädlich sind . Wir haben dazu wissenschaftliche Erkenntnisse eingeholt und diese Erkenntnisse mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, mit dem Bundesgesundheitsministerium und mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ausgewertet . Weil einige Teile der Bevölkerung und auch die entsprechende Lobby gegen dieses Verbot unterwegs sind, möchte ich hier auch noch einmal ganz deutlich sagen: Wir haben uns das nicht einfach ausgedacht, sondern unsere Erkenntnisse basieren auf Aussagen von Fachexperten des Deutschen Krebsforschungszentrums . Deren Studien belegen, dass auch der Konsum von nikotinfreien E-Shishas und E-Zigaretten für Kinder und Jugendliche gesundheitsschädlich ist . Das, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, müssen wir gemeinsam ernst nehmen . Deshalb müssen wir Kindern diese Produkte verbieten . ({2}) Die Studien zeigen, dass bei dem Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas Stoffe entstehen, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen . Feine Partikel dringen in die Lunge ein, reizen sie und hindern sie am Wachstum . Darum geht es: Bei Kindern und Jugendlichen wachsen die Lungen noch . Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Wachstum nicht geschädigt wird, weshalb wir die Kinder und Jugendlichen vor dieser Gesundheitsgefährdung schützen müssen . Erst am Mittwoch, also vorgestern, haben Krebsexpertinnen und -experten wieder vor den Gefahren von E-Zigaretten und E-Shishas gewarnt und dabei ausdrücklich auch die Verlockungen der guten Geschmacksrichtungen, wie Mango oder Schokolade, genannt . Wer lange geraucht hat, der schafft es vielleicht, durch E-Zigaretten vom Rauchen wegzukommen, und der fühlt sich damit vielleicht wohler, was mir viele sogenannte Dampfer geschrieben haben . Bei Kindern und Jugendlichen droht aber eine genau umgekehrte Gefahr: Die E-Zigaretten und E-Shishas sind für Kinder und Jugendliche eher ein Einstieg ins Rauchen . Uns geht es darum, diesen Einstieg ins Rauchen präventiv zu verhindern . ({3}) Die Idee der klaren Verbote für Kinder und Jugendliche mit gleichzeitiger Prävention stellt schon bei Tabakzigaretten einen erfolgreichen Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche dar . Diese Idee hat sich bewährt, und an dieser Idee werden wir jetzt mit unserer Ausweitung des Verbotes festhalten . Mit den neuen Regelungen setzen wir auch das Signal, dass E-Zigaretten und E-Shishas für Kinder und Jugendliche eben nicht harmlos sind und dass sich damit nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte - alle, die Vizepräsidentin Petra Pau mit Kindern und Jugendlichen über solche Dinge reden auseinandersetzen sollten . Es geht auch um Aufklärung für unsere Kinder und Jugendlichen . Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie, dass wir diesen Gesetzentwurf schnell im Parlament beraten und auch verabschieden . Je eher das Gesetz kommt, desto eher und besser können wir unsere Kinder und Jugendlichen schützen . Vielen Dank . ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Norbert Müller für die Fraktion Die Linke . ({0})

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! Wer sich das Angebot sogenannter Liquids, also der Verdampferflüssigkeiten für elektronische Zigaretten, anschaut, dem fällt schnell auf, dass E-Zigaretten für Jugendliche durchaus verlockend sind - die Bundesministerin hat das angesprochen -: Sorten wie Karamell, Erdbeere, Vanille, Schokolade oder Geschmacksrichtungen wie Gummibärchen erinnern eher an Eis oder Bonbons als an Rauchwaren Ich persönlich kann dazu nur sagen: Mir sind, ehrlich gesagt, Dinge, die nur so riechen oder schmecken wie etwas, suspekt . Man fragt sich, warum Menschen das überhaupt konsumieren . Aber faktisch ist es so, dass es für eine Vielzahl von Jugendlichen ein interessanter Einstieg ist . So greifen immer mehr Schülerinnen und Schüler zum chemischen Rauchgemisch aus Aromastoffen und häufig eben auch Nikotin. Aufgrund der attraktiv designten E-Zigaretten in coolen Farben und schicken Verzierungen sind die E-Kippen bei Jugendlichen im Trend . Das Problem besteht weniger darin, dass E-Zigaretten für Jugendliche schädlich sein könnten, sondern vor allem darin, dass Kinder und Jugendliche das Rauchen erlernen . Es ist ein Unterschied, ob ein Erwachsener über die E-Zigarette vom Rauchen wegkommt oder ob ein Jugendlicher über die E-Zigarette zum Rauchen hinkommt . Experten befürchten, dass Kinder und Jugendliche, die E-Zigaretten rauchen, später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur richtigen Zigarette greifen - mit all den gesundheitlichen Folgen und Wirkungen, die wir kennen . Hinzu kommt, dass die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen des E-Zigaretten-Konsums noch nicht umfassend erforscht sind . In der Praxis gibt es fast überhaupt keine oder nur sehr wenige Forschungsergebnisse zum Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas . Die allermeisten unserer Studien kommen aus dem Ausland . Wir stehen da eher am Anfang der Forschung . Hier wäre es eine Aufgabe, deutlich mehr zu investieren, um zu einer gesicherteren Grundlage zu kommen, wie sich E-Zigaretten-Konsum auswirkt . Wir wissen eben nicht, wie sich der Chemiecocktail in den Atemwegen und im ganzen Körper verbreitet und was er auch langfristig anrichtet . Laut einem EU-Vorhaben sollen deswegen E-Zigaretten in naher Zukunft wie Zigaretten behandelt - das fordern auch wir Linke - und mit einem Werbeverbot belegt werden . Spätestens im Mai 2016 soll das entsprechende Gesetz in Kraft treten . An den elektronischen Zigaretten scheiden sich die Geister . Für die einen sind sie eine Alternative zum Tabak, für die anderen nur ein weiteres Suchtmittel . Ich halte beide Sichtweisen ein Stück weit für nachvollziehbar . Deswegen fordern wir eine Regulierung, die beiden Aspekten gerecht wird . Wir müssen auf die zunehmende Verbreitung von E-Zigaretten und E-Shishas reagieren und den Verkauf regulieren . Gefahren durch minderwertige Qualität und völlig ungeprüfte Inhaltsstoffe können und müssen durch rechtliche Regelungen unterbunden werden . Das heißt unter anderem: eine angemessene Produktsicherheit und -qualität, aber auch wirksame Vorkehrungen im Jugendschutz . Nikotin ist ein Suchtstoff; das darf nicht verharmlost werden . Hier im Haus wird niemand bestreiten, auch die eine Raucherin oder der andere Raucher nicht, dass die gesundheitlichen Folgen des E-Rauchens oder des Dampfens geringer sind als bei Tabakzigaretten . Aber wie groß sie sind, werden weitere Forschungen zeigen müssen . Deswegen fordert die Linke, E-Zigaretten anhand der festgestellten Schädlichkeit und aufgrund eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes und des Präventionsgedankens zu regulieren . ({0}) Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Forderungen aufgeschrieben . Ich will nur einige nennen . Den Flüssigkeiten in E-Zigaretten und E-Shishas sind Zusatzstoffe beigesetzt . Das ist für diese Dampfer, von denen es auch große gibt, die in Discos eingesetzt werden, wo dann dieser Dampf produziert wird . Die Unbedenklichkeit dieser Zusatzstoffe muss grundsätzlich gewährleistet werden, oder diese Stoffe müssen entsprechend reguliert werden . Es muss im Rahmen des Jugendschutzes entsprechende Verkaufsbeschränkungen geben . Auch muss es Werbeverbote geben . Da wären wir dabei . Die Anwendung von Nichtraucherschutzregelungen, die für normale Tabakprodukte gelten, muss sichergestellt werden, und es muss eine Gefährdung durch Passivkonsum mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden . Auch in der Frage des Passivkonsums stehen wir am Anfang der Erkenntnisse . Wir wissen nicht, welche Auswirkungen der Passivkonsum hat . Wir brauchen deutlich mehr Förderung der Erforschung von gesundheitlichen Folgen und weiteren Aspekten des E-Zigaretten-Konsums . ({1}) Grundsätzlich wollen wir eine Gleichstellung von Tabakprodukten und E-Zigaretten und -Shishas . So löblich es ist, dass die Bundesregierung in diesem Bereich einen Schritt vorwärtskommt, so tritt sie bei der Bekämpfung von Tabak national und international seit Jahren doch auf die Bremse . Da ist das Vorpreschen von Frau BundesmiBundesministerin Manuela Schwesig nisterin Schwesig sehr lobenswert, die ja gesagt hat, man hätte sich mit einer gewissen Lobby angelegt . Es wäre erfreulich, wenn sich die Bundesregierung mit genau dieser Lobby, der Tabakindustrie, grundsätzlicher anlegen würde . Es kann auch nicht sein, dass Deutschland bei der Regulierung von Tabakprodukten immer das europäische Schlusslicht ist und wir immer erst warten müssen, bis die EU neue Standards zum Gesundheitsschutz setzt, die dann in Deutschland rückwirkend umgesetzt werden . Es wäre wichtig, dass wir in Deutschland Vorreiter bei der Zurückdrängung von Tabak sind - im Sinne von Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz und Prävention . ({2}) Wir halten es für sinnvoll, dass unter anderem die Regelungen  zum  Jugendschutz,  zu  Deklarationspflichten,  zur Zulassungspflicht von Zusatzstoffen und zum Werbeverbot, eben zu allem, was für Tabakprodukte gilt, auch für E-Zigaretten und E-Shishas gelten . Ziel sollte sein, sowohl tabakbedingte als auch durch E-Zigaretten verursachte Schädigungen zu reduzieren und die Freiheit der Menschen gleichzeitig nicht mehr als notwendig einzuschränken . Ich freue mich auf die Debatte, die wir in der Anhörung und im Ausschuss führen werden . Vielen Dank . ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Markus Koob hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Markus Koob (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004331, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kinder und Jugendliche! Lungenkrebs, Wachstumsstörungen, Einengungen der Bronchialwege, chronische Entzündungen der Bronchien, Bluthochdruck, erhöhte Herzfrequenz, erhöhtes Thromboserisiko - die von mir aufgezählten Krankheiten sind nicht nur lebensbedrohlich, sondern allesamt Krankheiten, die man mit dem Rauchen von E-Zigaretten und E-Shishas in Verbindung bringt . Es ist mitnichten der Fall, dass es sich bei einer E-Zigarette um die gesunde Schwester der Tabakzigarette handelt . Vielleicht geht es Ihnen, wie es mir zu Beginn der parlamentarischen Beratungen zu E-Zigaretten und E-Shishas als Nichtraucher ging: Sie haben keine blasse Ahnung davon, wie E-Zigaretten und E-Shishas funktionieren . Alle Welt redet davon; aber an Ihnen als Nichtraucherinnen und Nichtrauchern ist das Thema komplett vorbeigegangen . - Ich möchte Ihnen die Funktionsweise einmal kurz erläutern, damit Sie sich selbst ein genaues Bild machen können . Jede E-Zigarette funktioniert nämlich nach dem gleichen Prinzip: Eine Flüssigkeit, das sogenannte Liquid, wird über eine Heizspirale geführt, wobei dieses Liquid durch die Hitze verdampft . Durch den individuellen Luftzug wird dieser Dampf dann aus der E-Zigarette gezogen . Fertig ist die simple Funktionsweise der E-Zigaretten . Welcher zentrale Punkt bei der Funktionsweise des Gerätes aber nicht vergessen werden darf, ist die Wirkungsweise dieser sogenannten Liquids . Die Harmlosigkeit, wie uns Industrie und auch Konsumenten weismachen wollen, ist keinesfalls wissenschaftlich gesichert . Das Gesundheitsrisiko für nikotinhaltige Liquids liegt zunächst auf der Hand . Nikotin als solches ist ein Suchtstoff . Der Konsum von Nikotin führt in der Regel zu einem langanhaltenden Konsum . Gerade dann, wenn die Stoffe, die man gemeinsam mit dem Nikotin zu sich nimmt, gesundheitsschädigend sind, führt das Nikotin selbstverständlich dazu, dass man diese gesundheitsschädigenden Stoffe regelmäßig zu sich nimmt . Sucht ist immer gefährlich, vor allem dann, wenn sie im Jugendalter beginnt . ({0}) Mit der nun erfolgenden Änderung des Jugendschutzgesetzes verbieten wir die Abgabe von nikotinhaltigen E-Zigaretten und E-Shishas, aber auch die Abgabe von nikotinfreien E-Zigaretten und E-Shishas an Jugendliche offline  und  auch  online.  Das  liegt  daran,  dass  Nikotin  nicht der gefährlichste Inhaltsstoff der E-Zigaretten und E-Shishas ist . Deshalb gibt es für den Gesetzgeber auch keinen Grund, einen Unterschied zwischen nikotinhaltig und nikotinfrei zu machen, gerade nicht im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen . Bei nikotinfreien elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas wird der bei der Verdampfung des Liquids entstehende Nebel, Aerosol genannt, inhaliert . Dieses Liquid besteht aus einem Gemisch verschiedener Chemikalien, wobei als Grundsubstanzen Propylenglykol und Glycerin dienen; Propylenglykol ist allen Anwesenden höchstwahrscheinlich besser als Frostschutzmittel bekannt . Die ultrafeinen Partikel des Aerosols können chronische Schädigungen verursachen . Diese wirken sich insbesondere in der Wachstumsphase der Kinder und Jugendlichen aus und beeinträchtigen die Lungenentwicklung bei Kindern; denn das Wachstum der Lungen endet erst im jungen Erwachsenenalter . Auswertungen neuer Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung und des Deutschen Krebsforschungszentrums ergeben, dass beim Dampfen von elektronischen Inhaltsprodukten Carbonylverbindungen entstehen, die, wie auch Benzol oder Asbest, im Verdacht stehen, Krebs auszulösen . Neben diesen Grundsubstanzen des Liquids werden aber auch Aromazusätze verwendet, die im Liquid mitverdampfen . Diacetyl ist als süßer Bestandteil sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt . Wird dieser Stoff aber inhalativ aufgenommen, kann er zu schweren Entzündungen der Atemwege führen . Weitere Bestandteile von E-Zigaretten und E-Shishas sind Schwermetalle . Forscher haben sowohl Blei- als auch Chromwerte gemessen, die bei herkömmlichen Zigaretten gar nicht auftauchen . Die Nickelmesswerte waren ungefähr viermal so hoch wie beim konventionellen Tabakrauch . Norbert Müller ({1}) Nichtrauchen ist Gesundheitsschutz . Der Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas ist das Gegenteil davon . Vor allem im Wachstum befindliche Jugendliche sollten dies  erkennen . E-Zigaretten sind vieles, aber ganz sicher nicht hipp und cool . Wenn Sie Gummibärchengeschmack wollen, essen Sie Gummibärchen . Wenn Ihnen nach Vanille ist, bietet es sich in dieser Jahreszeit vielleicht an, auf Vanillekipferl umzusteigen . ({2}) Aber schädigen Sie nicht Ihre Gesundheit, die im Zweifelsfall noch mindestens 80 Jahren halten sollte . ({3}) Es ist eben nicht so, dass es eine gesunde Alternative ist . Es ist nur eine weniger schädliche, als Tabak zu sich zu nehmen . Auch aus diesem Grund stelle ich mich gegen die euphemistische Bezeichnung des Dampfens . Uns allen in diesem Hause ist bewusst, dass an einem Verkaufsverbot für unter 18-Jährige sowohl offline in Kiosken als auch online im Internet kein Weg vorbeiführt, so wie es ursprünglich intendiert war, bis das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Rechtsprechung die E-Zigarette als Medizinprodukt kippte . Für einen wirksamen Jugendschutz wird es nötig sein, die Hürden für Jugendliche so hoch wie möglich, für E-Zigaretten konsumierende Erwachsene dagegen so niedrig wie möglich zu machen . Das ist ein bekanntes Spannungsfeld, auf dem wir uns im Ausschuss immer wieder bewegen, welches wir aber in anderen Segmenten, unter anderem im Filmsegment, erfolgreich gelöst haben . Auch wenn E-Zigaretten für bereits suchterkrankte Raucherinnen und Raucher ein Ausstiegsmodell sein können, besteht die Gefahr, dass sich dieses Ausstiegsmodell bei naturgemäß nicht zigarettenaffinen  Jugendlichen  in  ein  Einstiegsmodell  zum dauerhaften Tabak- oder E-Zigaretten-Konsum entwickeln kann . Dies gilt es mit aller Kraft zu verhindern . Auch dafür brauchen wir diese Jugendschutznovelle . ({4}) Bereits heute hat jede fünfte minderjährige Person in der Altersgruppe der Zwölf- bis Siebzehnjährigen schon einmal eine elektronische Shisha probiert . Jeder Siebte in dieser Altersgruppe hat Erfahrung mit einer elektronischen Zigarette . 534 000 Kinder und Jugendliche haben bereits eine elektronische Shisha oder Zigarette konsumiert, aber bislang noch nie eine Tabakzigarette geraucht . Um diesen 534 000 Kindern und Jugendlichen nicht den Weg in die Sucht zu ebnen, muss das Verbot für unter 18-Jährige schnell und umfassend erfolgen, so wie wir es im Gesetzentwurf planen . Es geht mir dabei nicht darum, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu beschränken . Ich möchte im Rahmen des uns zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurfs erreichen, dass Heranwachsende vollumfänglich vor den erwähnten lebensgefährlichen Stoffen geschützt werden . Erwachsene Bürgerinnen und Bürger dürfen darauf wurde hier bereits mehrfach hingewiesen - ihre eigene Entscheidung treffen, wie sie mit E-Zigaretten und E-Shishas und den damit verbundenen Risiken umgehen . Für unter 18-Jährige aber gilt dieser Grundsatz nicht . Deshalb verbieten wir mit diesem Gesetz die Abgabe von E-Zigaretten und E-Shishas an diese Gruppe und schließen damit die durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entstandene Rechtslücke . ({5}) Zum Ende meiner Rede - das ist vielleicht ein schönes Zeichen der Einmütigkeit in diesem Haus bei diesem Thema - möchte ich den gleichen Hinweis geben wie der Kollege Müller . Ich möchte die Gelegenheit nutzen, aufgrund der nicht immer belastbaren Daten für eine unabhängige Forschung auf diesem Gebiet zu werben . Dies bringt sowohl den Raucherinnen und Rauchern als auch den Nichtraucherinnen und Nichtrauchern Erkenntnisse, die für einen unbelasteten Gebrauch elektronischer Shishas und Zigaretten notwendig sind . Außerdem möchte ich an die Raucherinnen und Raucher von E-Zigaretten und E-Shishas appellieren, das Rauchen elektronischer Güter in Nichtraucherzonen so lange zu unterlassen, bis abschließend geklärt ist, welche Giftstoffe durch das Passivrauchen von E-Zigaretten und E-Shishas aufgenommen werden können . Vielen Dank . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Dr . Harald Terpe das Wort .

Dr. Harald Terpe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003854, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zur Beratung anstehende gesetzliche Regelung soll dem Ziel dienen, Kinder und Jugendliche vor den Folgen des Rauchens bzw . - so wird es häufig auch genannt - des Dampfens von Flüssigkeiten  mithilfe einer E-Zigarette oder einer E-Shisha zu schützen . Die gesetzliche Regelung wird daher naheliegend im Jugendschutzgesetz - ähnlich wie die Regelung zum Tabakrauchen - vorgenommen . Die so gewählte inhaltliche Nähe zum Tabak ist bezüglich der Suchtgefährdung durch Nikotin sofort plausibel . Anders verhält es sich mit den durchaus differenziert zu betrachtenden Gesundheitsgefährdungen, die sich unabhängig von der Nikotinwirkung für das Tabakrauchen auf der einen Seite und den Flüssigkeitsdampf von E-Zigaretten und E-Shishas auf der anderen Seite ergeben . Die krebserregende und auch Herz-Kreislauf-schädigende Wirkung des Tabakrauchens, die auch sehr häufig zum  Tode führt, ist seit vielen Jahren und Jahrzehnten unstrittig und über lange Zeit in der Forschung dokumentiert . Eine gleiche Untersuchungsdichte und Folgenschwere kann man für die Liquiddämpfe von E-Zigaretten und E-Shishas naturgemäß noch nicht erwarten, weil das eine noch sehr junge Entwicklung ist . Deswegen ist es sehr richtig - das ist hier auch schon gefordert worden -, dass wir mehr Forschung dazu brauchen und die Forschung weitergeführt werden muss, damit man sich langfristig auf nachweisbare Daten stützen kann . Zwei wesentliche Argumente sprechen meiner Meinung nach dafür, trotzdem auch die Abgabe nikotinfreier Liquids und deren Genuss mithilfe von E-Zigaretten und E-Shishas im Rahmen des Jugendschutzes zu unterbinden . Erstens . Die durch die Verdampfung von Liquid entstehenden Inhalationsprodukte haben Schädigungspotenzial für die Lunge bis hin zur Krebsinduktion . Auch wenn das noch nicht so lange dokumentiert ist, haben wir doch die Grundhaltung, dass man bereits vor dem Risiko schützen muss . Das wird im Jugendschutzgesetz in eindrucksvoller Weise gemacht . ({0}) Zweitens . Die Ähnlichkeit der E-Zigarette zur Tabakzigarette in der Gestalt und auch in der Inhalationshandlung birgt das Potenzial, ein Rauchverhalten zu verfestigen, das später zum Tabakrauchen anstiften kann . Auch da muss man sagen: Beugt dem Risiko vor! Beiden genannten Risiken kann durch das Gesetz, das im Entwurf vorliegt, vorgebeugt werden . Deshalb ist es eigentlich ein Präventionsgesetz . Wir stimmen daher zu, die Verankerung im Jugendschutzgesetz vorzunehmen, fordern aber auch, wie schon gesagt: Forschung muss forciert werden . Wichtig ist aber auch, dass wir die Information und Aufklärung über E-Zigaretten-Rauchen und E-Shisha-Rauchen verstärken . Wir sollten das möglichst darauf ausweiten, dass man auf Werbung für diese Produkte verzichtet . Ich wünsche Ihnen von meiner Seite ein schönes Wochenende . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Dr . Silke Launert das Wort . ({0})

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele sehen aus wie Buntstifte; sie schmecken nach Kaugummi, nach Schokolade, Melone oder Brombeere . Es gibt sie schon ab 8 Euro zu kaufen und wahrscheinlich auch am nächsten Kiosk, und online gibt es sie auch . Sie sind auffallend beliebt auf dem Schulhof, wo sie gerade zum neuen Lifestyle-Produkt avancieren . Dort heben sie so manchen in den Status der Coolness, und manchem Sechstklässler ist das sein Taschengeld wert . Wenn Sie jetzt an Süßkram denken, wie Gummibärchen, Lakritzschnecken oder Ähnliches, dann liegen Sie schon fast richtig, jedenfalls aus rechtlicher Sicht; denn einen Unterschied gibt es da im Moment noch nicht . Die Rede ist jedoch nicht von Süßigkeiten, sondern von elektronischen Zigaretten und von E-Shishas, von jenen Gerätschaften, die herkömmliche Tabakwaren simulieren, es aber nicht sind . Jedenfalls werden sie bislang nicht als solche behandelt und unterliegen deshalb auch keinerlei vergleichbaren Beschränkungen, nicht einmal für Kinder und Jugendliche . Sie werden derzeit ohne Einschränkungen an Kinder verkauft, und das, obwohl beim Konsum dieser vermeintlichen Glimmstängel Gesundheitsgefahren bestehen . Mit dem Gesetz, das uns hier im Entwurf vorliegt, räumen wir mit diesem Missstand auf und stellen sicher, dass zum Schutz von Kindern und Jugendlichen die Abgabe- und Konsumverbote von Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas ausgedehnt werden . Außerdem stellen wir sicher, dass Tabakwaren, E-Zigaretten und E-Shishas auch über den Versandhandel nur an Erwachsene abgegeben werden dürfen . Schließlich dehnen wir das im Jugendarbeitsschutzgesetz verankerte Verbot der Abgabe von Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas aus . ({0}) Doch nun von vorn . Warum ist es höchste Zeit zu handeln? Worum handelt es sich bei E-Zigaretten und E-Shishas eigentlich? Die Technik dieser beiden Geräte ist weitgehend identisch; es gibt nur kleine Unterschiede . Beide, E-Zigarette und E-Shisha, bestehen aus einem Mundstück, einer Kartusche mit Flüssigkeit, einem Verdampfer sowie einer Batterie . Bei der Verwendung verdampft die Flüssigkeit, die auch Liquid genannt wird, und der dabei entstehende Nebel wird vom Verwender inhaliert . Was da mit jedem Atemzug inhaliert wird, ist ein Gemisch aus verschiedenen Chemikalien . Der Grundstoff ist in aller Regel Propylenglykol - das wurde schon angesprochen -, dem die fantasievollsten Aromastoffe  und  häufig  auch Nikotin  zugesetzt werden. Dies  wird über die Atemwege in die Lunge aufgenommen . Den meisten von Ihnen werden diese Chemikalien ich gebe zu, auch mir - unbekannt sein . Ich möchte Ihnen daher kurz darstellen, womit wir es hier zu tun haben . Propylenglykol, der erwähnte Grundstoff, sorgt für den Nebel . Er wird daher beispielsweise auch auf Theaterbühnen  verwendet  oder  in Diskos. Außerdem findet  er  industrielle Verwendung, zum Beispiel im Frostschutz und in Enteisungsmitteln für Autos, Flugzeuge und Boote . Das Deutsche Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft gibt als Kurzzeitfolgen an: Atemwegsreizungen, Husten, eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion, Augenreizungen, Schwindel, Müdigkeit und Schlaflosigkeit. Bei manchen Aromastoffen, die  beigemischt werden, beispielsweise Menthol oder Vanillin, handelt es sich um Kontaktallergene . Daher ist nicht auszuschließen, dass diese Stoffe Allergien auslösen . Darüber hinaus hat das Bundesinstitut für Risikobewertung festgestellt, dass durch die aromatisierten Liquids Stammzellen geschädigt werden können, die bei Wachstum und Entwicklung sowie bei Regenerierung des geschädigten Lungengewebes nach Infektionskrankheiten oder Entzündungen eine wichtige Rolle spielen . In einzelnen Liquids wurden geringe Mengen sogenannDr. Harald Terpe ter Nitrosamine nachgewiesen . Im Nebel verschiedener E-Zigaretten wurde zum Beispiel auch Formaldehyd festgestellt . Alle diese Substanzen - man kann es genauer nachlesen - können Krebs erzeugen . Außerdem enthält der Nebel von E-Zigaretten und E-Shishas feine und ultrafeine Partikel; das wurde schon angesprochen . Diese können die Wachstumsphase beeinträchtigen, und bei Kindern auch die Lungenentwicklung . Ich glaube, für die Darstellung der Wirkungen des Nikotins brauche ich meine Energien nicht mehr zu verschwenden; sie dürften hinlänglich bekannt sein . Kurzum: Bei den E-Shishas und den E-Zigaretten, egal ob mit oder ohne Nikotin - es gibt beides -, haben wir es nicht mit harmlosen Produkten zu tun . Doch nicht nur das . Es wurde schon angesprochen, dass sich Kinder davon besonders angezogen fühlen - von den bunten Farben, von den leckeren Aromen von Früchten, vom Geschmack von Süßigkeiten und Getränken . Das kann eben auch dazu führen, dass man sich langsam an das Rauchen gewöhnt . Wie ebenfalls schon angesprochen, führt das bei jungen Menschen, anders als bei Erwachsenen, eher zu einem Einstieg ins Rauchen . Bereits jeder dritte Jugendliche hat eine E-Shisha, eine E-Zigarette oder eine Tabakzigarette verwendet . Wenn wir nichts dagegen unternehmen, dann schauen wir zu, wie Jugendliche, vor allem Kinder, Gesundheitsgefahren ausgesetzt werden . Es liegt uns am Herzen, Kinder und Jugendliche zu schützen . Ihr Schutz ist eine der wichtigsten Aufgaben des Familienausschusses . Hier gehen Jugendschutz und gesundheitlicher Verbraucherschutz Hand in Hand . Umso wichtiger ist es, dass wir diese Aufgabe jetzt konsequent angehen und keine Hintertüren offenlassen - für die Gesundheit unserer Kinder . Vielen Dank . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Stefan Schwartze hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesjugendministerin Schwesig! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn bei der letzten Reform des Jugendschutzes die E-Verdampfer verbreitet gewesen wären, dann würden wir heute gar nicht mehr darüber diskutieren, weil der Jugendschutz in diesem Bereich längst greifen würde . Es geht nicht um ein generelles Verbot der E-Verdampfer, sondern um den Schutz von Kindern und Jugendlichen . Ich danke Ministerin Schwesig für den Gesetzentwurf und damit für die schnelle Antwort auf die Ergebnisse der Studien der deutschen Krebsforschung . In der öffentlichen Diskussion über die sogenannten E-Verdampfer gibt es viele unterschiedliche Ansichten und Meinungen . Interessenvertreter und Bürger melden sich zu Wort . Sie berichten oft über ihre subjektiven Erfahrungen . In der öffentlichen Diskussion über die sogenannten E-Verdampfer werden Ergebnisse wissenschaftlicher Studien oft auch mit der eigenen persönlichen Ansicht vermischt . Dies führt an vielen Stellen zu Unklarheiten . Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums der E-Zigaretten und E-Shishas schaffen wir gesetzlich Klarheit . Wir schaffen Klarheit darüber, dass Dampfen nicht das gesündere Rauchen ist; denn wir können auf Basis fachlicher Expertise feststellen: E-Zigaretten und E-Shishas sind gesundheitsgefährdend . Beim Dampfen der Inhalationsprodukte entstehen chemische Verbindungen, die durchaus krebsauslösend sind . Die Zusammensetzung der Schadstoffe ist der aus herkömmlichen Zigaretten ganz ähnlich . Darüber hinaus enthalten die Dämpfe feine und ultrafeine Partikel, die die Lunge chronisch schädigen können . Wir schaffen Klarheit darüber, dass bezüglich der Gesundheitsgefährdung auf Basis dieser Erkenntnisse kein Unterschied zwischen nikotinhaltigen und nikotinfreien Liquids zu machen ist . Aufgrund  dieser  Fakten  ist  es  unsere  Verpflichtung  als Jugendpolitiker, zu handeln und gesetzgeberisch tätig zu werden . Mit der neuen Regelung schaffen wir Bewusstsein dafür, dass der Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas gesundheitsgefährdend ist . Der Gesetzentwurf sieht daher für diese Produkte ein Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche vor . Wir wollen darüber hinaus verhindern, dass eine neue Kultur des Rauchens unter Kindern und Jugendlichen entsteht . Kinder und Jugendliche, die elektronische Zigaretten konsumieren, gefährden nicht nur die eigene Gesundheit, indem sie die Entwicklungsphasen ihrer Lunge stark beeinträchtigen, sondern gewöhnen sich auch an das Rauchritual . Sie werden verleitet, Rauchen bzw . Dampfen als etwas Normales, Alltägliches und nur mäßig Gesundheitsgefährdendes zu akzeptieren . Wir dürfen die bisherigen Erfolge, die wir in der Tabakprävention erzielt haben, nicht aufs Spiel setzen . Für Kinder und Jugendliche darf der Konsum elektronischer Zigaretten nicht etwas Normales und Alltägliches sein, ({0}) und es darf schon gar nicht der Eindruck entstehen, er wäre nur mäßig gesundheitsgefährdend . Das Gesetz, das im Entwurf vorliegt, aktualisiert aus gegebenem Anlass auf vernünftige Art und Weise unser Jugendschutzgesetz . Wir als Gesetzgeber reagieren angemessen im Sinne des Schutzes unserer Kinder und Jugendlichen . Ich freue mich auf die Anhörung und die weiteren Beratungen im Ausschuss . Vielen Dank und ein schönes Wochenende . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache und bedanke mich ausdrücklich bei allen Rednerinnen und Rednern, dass sie die offenbar vorhandene breite Übereinstimmung auch so zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich an die Redezeitbegrenzung gehalten haben bzw . an der einen oder anderen Stelle darauf verzichtet haben, schon vorgetragene Argumente nur zur Ausschöpfung der Redezeit noch einmal vorzutragen . Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/6858 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 2 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/6700 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich warte noch, bis die notwendigen Umgruppierungen vollzogen sind . - Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin Dr . Eva Högl für die SPD-Fraktion . ({0})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jetzt liegt er also vor, der Bericht des 2 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode . Auf knapp 1 000 Seiten steht, was wir in 45 Sitzungen durch Vernehmung von 57 Zeuginnen und Zeugen und durch Auswertung von über 600 Aktenbänden untersucht und aufgeklärt haben . - Ein bisschen Statistik zu Beginn der Debatte gehört immer dazu . Der Untersuchungsauftrag des Ausschusses bezog sich im Wesentlichen auf drei Fragestellungen: Erstens . Wurde die Operation „Selm“, also die Bearbeitung von aus Kanada übermittelten Listen deutscher Kunden eines Vertreibers von kinderpornografischem Material, im  Bundeskriminalamt ordnungsgemäß und in angemessener Zeit bearbeitet? - Die zweite Frage war - eine sehr wichtige Frage -: Wurden Informationen über den Fall des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy, der sich ebenfalls auf der Kundenliste befand, weitergegeben, innerhalb oder auch außerhalb der Strafverfolgungsbehörden? Kurz gesagt: Wurde Sebastian Edathy gewarnt und, wenn ja, von wem? - Drittens hatten wir uns mit dem Fall eines ehemaligen BKA-Beamten zu beschäftigen, der ebenfalls bei dieser kanadischen Firma Material bestellt hatte . Da stellte sich die Frage, ob das im BKA und vom dienstaufsichtführenden Bundesinnenministerium ordnungsgemäß bearbeitet wurde . Ich darf sagen: Wir sind diesen Fragen gründlich nachgegangen und beantworten sie in unserem Bericht ausführlich . Ich füge aber hinzu: Wir konnten nicht alle Fragen abschließend und ausreichend beantworten, und das ist natürlich etwas, was uns alle nicht zufriedenstellt . Zunächst einmal zur Operation „Selm“ . Da haben wir die Bearbeitung nachvollzogen . Wir haben viele Zeuginnen und Zeugen der zuständigen Fachabteilung gehört, darunter mehrere, die bereits im Innenausschuss berichtet hatten . Ich darf noch erwähnen, dass das Bundeskriminalamt uns wirklich tatkräftig unterstützt hat bei der Zusammenstellung der Unterlagen und auch durch die Aussagen der Zeuginnen und Zeugen . Wir können feststellen - das sage ich hier voller Überzeugung -, dass das Bundeskriminalamt die Operation „Selm“ hervorragend bearbeitet hat und an keiner Stelle Anlass ist, dem Bundeskriminalamt irgendeinen Vorwurf zu machen . Es ist sehr wichtig, das hier noch einmal zu betonen . Wir haben uns auch mit der Frage befasst: Wieso dauerte die Bearbeitung der Operation „Selm“ eigentlich so lange? Sie dauerte lange . Sie begann im November 2011 und endete erst während der Laufzeit des Untersuchungsausschusses, Ende 2014 . Ich möchte auch das hier sagen: Bei genauem Hinschauen war es überhaupt nicht verwunderlich, dass es so lange gedauert hat . Wir haben uns das sehr genau angeguckt . Es war ein sehr großes Verfahren, ein sogenanntes Masseverfahren, mit über 800 verdächtigen deutschen Kunden und umfassendem Beweismaterial . Es war wirklich eine sehr mühsame Arbeit; denn es ging um ungefähr 500 Stunden Filmmaterial und rund 70 000 Bilder. Die  einzelnen Kunden mussten  identifiziert werden . Schwere Fälle, in denen eine klare Strafbarkeit bestand und vielleicht sogar ein akuter Missbrauch von Kindern und Jugendlichen drohte, wurden - es war sehr wichtig, dass das im Untersuchungsausschuss herausgearbeitet wurde - prioritär behandelt . Wir können also feststellen - ich sage es noch einmal -: Im Bundeskriminalamt wurde professionell gearbeitet, engagiert und zügig . Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamts ganz ausdrücklich und von Herzen danken für diese schwere Arbeit, die sie machen, und für diese wichtige Aufgabe, die sie wahrnehmen . ({0}) Wir stellen in unserem Bericht übereinstimmend fest, dass die sorgfältige Bearbeitung durch das BKA auch für die beiden Einzelfälle gilt, die wir uns genauer angeschaut haben, nämlich den Sachverhalt des früheren Kollegen Sebastian Edathy und den Sachverhalt des früheren BKA-Beamten . Insbesondere beim ehemaligen BKA-Beamten haben wir uns auch den dienst- und disziplinarrechtlichen Umgang mit dem Sachverhalt angeschaut . Wir haben festgestellt, dass sich alles im Rahmen des rechtlich Vorgesehenen und Zulässigen bewegte . Außerdem konnten weder ein unangemessen milder Umgang mit  dem  Beamten  noch  unzulässige  Einflussnahmen festgestellt werden . Vielmehr wurde der Sachverhalt ordnungsgemäß bearbeitet . Beim Sachverhalt Edathy haben wir festgestellt, dass dieser Sachverhalt im Bundeskriminalamt ebenfalls professionell bearbeitet und diskret behandelt wurde und die Information - daran gab es viel Kritik - der Vorgesetzten im Bundeskriminalamt und des Bundesinnenministeriums keinen Anlass für Kritik bot . Damit ist die Kritik unserer Meinung nach auch nicht gerechtfertigt . Vizepräsidentin Petra Pau Ich sagte es eben schon: Wir konnten leider nicht in jedem Punkt unserem Auftrag gerecht werden und nicht jede Frage beantworten . Deshalb hier noch einmal die Feststellung: Wir sind uns, denke ich, alle darüber einig das haben wir auch zum Ausdruck gebracht -: Sebastian Edathy wurde vor den Ermittlungen gewarnt, ja sogar konkret vor der Durchsuchung . Wir haben nicht herausarbeiten können, von wem Sebastian Edathy gewarnt wurde . Wir hatten mehrere unterschiedliche Zeugenaussagen, auch unter Wahrheitspflicht, aber wir konnten  nicht feststellen, wer es letztendlich war . Ein Untersuchungsausschuss stößt an seine Grenzen, wenn es widersprüchliche Aussagen im Untersuchungsausschuss gibt . Eine Erkenntnis bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und die ist mir sehr wichtig . Dieser Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass es dringend geboten ist, sensible Sachverhalte im politischen Umfeld in den Behörden wirklich vertraulich zu behandeln - ich glaube, wir können alle unterschreiben, dass das eine wichtige Erkenntnis ist -, damit Personen nicht zu Unrecht verdächtigt werden . Auch das ist eine Gefahr . Nur so können die Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit ordnungsgemäß erledigen . Vertraulichkeit ist also wichtig . Ich möchte als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, deren Aufgabe mit dieser Rede endet, allen Kolleginnen und Kollegen recht herzlich danken für die konstruktive und sachliche Zusammenarbeit, die wir an unserem Untersuchungsauftrag orientiert haben und die wir in angemessen konzentrierter Stimmung, aber natürlich nicht immer ohne Meinungsunterschiede gestaltet haben . Ich danke aber auch allen, die uns hierbei unterstützt haben . Dies war insbesondere das Ausschusssekretariat, das - sie winken dort oben - auf der Besuchertribüne sitzt . Herzlichen Dank für die tolle Unterstützung! Ich danke bei dieser Gelegenheit auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Büros und in den Fraktionen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Landes- und Bundesbehörden . Herzlichen Dank . ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Frank Tempel für die Fraktion Die Linke . ({0})

Frank Tempel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003899, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte um etwas Aufmerksamkeit . Der Fall Edathy war nun einmal in aller Munde . Es wurden sehr viele berechtigte Fragen gestellt . Die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, zu erfahren, was im Hohen Hause gespielt wird . Außerdem liegen uns Ergebnisse vor . Unsere Sicht der Dinge möchte ich folgendermaßen darlegen: Es gibt keine Hinweise, dass im Bundeskriminalamt Ermittlungen gegen Sebastian Edathy vorsätzlich verschleppt wurden . Es wurde aber deutlich, dass es erhebliche Mängel beim Datenschutz und bei der Verteilung personeller Ressourcen gab . Die Linke erwartet, dass im Bundeskriminalamt deutlich an diesen Schwachstellen gearbeitet wird und zeitnah Verbesserungen erfolgen . ({0}) Nächster Punkt . In Niedersachsen wurden nachweislich zahlreiche Personen in Justiz und Polizei dienstlich über den Fall Edathy informiert . Die Spekulation, ob an dieser Stelle Informationen an Sebastian Edathy abgeflossen sind, blieb Spekulation. Bereits vor dem Untersuchungsausschuss war bekannt, dass das Bundeskriminalamt das Innenministerium sehr frühzeitig über die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy informiert hat . Es war auch bekannt, dass der ehemalige Innenminister Friedrich diese Information trotz Verpflichtung zur Geheimhaltung an Sigmar Gabriel weitergab . Die Frage für uns war: Welche Konsequenz hatte dieser Geheimnisverrat? Fakt ist: Sebastian Edathy wurde ganz eindeutig vor laufenden Ermittlungen gewarnt; da sind wir uns alle einig . Daran ließ auch die Situation am Durchsuchungsort keinerlei Zweifel zu . Fakt ist auch: Die zeitlichen Abläufe der Handlungen von Sebastian Edathy und seinem Anwalt sind nur mit fortlaufenden Informationen logisch erklärbar . Sebastian Edathy hat in seiner Aussage den Abgeordneten Michael Hartmann als seine Informationsquelle  identifiziert.  Dieser  wiederum  soll  seine  Informationen über den Ermittlungsstand direkt von der BKA-Spitze erhalten haben . An dieser Aussage kommen wir nicht vorbei . Im Ergebnis sieht die Linke diese Aussage von Sebastian Edathy bestätigt . Es gibt keinen anderen Rückschluss, als dass Michael Hartmann die Informationsquelle für Sebastian Edathy war . Nicht abschließend beantworten konnte der Untersuchungsausschuss die Frage, von wem Michael Hartmann die Informationen hatte und welche Motivation ihn zu seinem Handeln trieb . Dazu wäre eine ehrliche, von Aufklärungswillen geprägte Aussage des Abgeordneten Michael Hartmann erforderlich . Er wollte es nicht . Er nahm dafür Ermittlungen wegen Falschaussage in Kauf, und auch hier fragen wir nach dem Motiv . Also: Wen deckt Michael Hartmann? Doch zunächst zu den Informationen . Die Linke stellt fest, dass es eine bemerkenswerte, fast lückenlose Deckungsgleichheit des Informationsstandes im Bundeskriminalamt mit den Informationen von Sebastian Edathy gab, die dessen Handlungen in diesem Zeitraum sehr wesentlich geprägt haben . Erst als es im BKA eine Führungsinformation gab, dass es wahrscheinlich zu Maßnahmen gegen Sebastian Edathy kommt, gab dieser zum Beispiel sein Mandat ab . Ob, wie von Edathy behauptet wird, der BKA-Chef Ziercke die Quelle von Michael Hartmann war, das wiederum könnte nur Michael Hartmann selber aussagen . ({1}) Aber, wie gesagt, der verweigert die Zusammenarbeit . Die Linke konnte im Verlauf des Untersuchungsausschusses allerdings kein Eigenmotiv des Abgeordneten Michael Hartmann feststellen . Eher Konkurrenz statt Freundschaft verband ihn mit Sebastian Edathy . Für die SPD-Fraktion stand jedoch das Motiv der Schadensminimierung bei einem befürchteten Skandal im Vordergrund . Wie stark dieses Bedürfnis der Schadensminimierung ist, bewies die SPD-Fraktion leider während des gesamten Untersuchungsausschusses; das muss man einmal so feststellen . Gedächtnislücken bei den Zeugen aus der SPD-Fraktion und eine sehr einseitige Befragung, zum Beispiel der Zeugen Hartmann und Edathy, waren ein klares Mauern und hatten aber auch gar nichts mit Aufklärungswillen zu tun . Die Linke sieht es nach Abschluss der Untersuchungen als erwiesen an, dass es eine Kommunikation zum Fall Edathy von der SPD-Fraktionsspitze über Michael Hartmann bis hin zu Sebastian Edathy gegeben haben muss . Schon allein der Umstand, dass Sebastian Edathy ganz offensichtlich wusste, dass die SPD-Fraktionsspitze informiert war, belegt diesen Fakt - eindeutig sogar . Meine Damen und Herren, wir müssen abschließend feststellen, dass der Geheimnisverrat des Innenministers Friedrich doch sehr ernsthafte Konsequenzen hatte . In letzter Konsequenz wurde Sebastian Edathy vor den Ermittlungen auf diesem Weg gewarnt, und wir werden nie feststellen können, ob und wie viele Beweise dadurch vernichtet werden konnten . Die Linke wird deswegen Vorschläge unterbreiten, wie neu geregelt werden soll, ob, wann und in welchem Umfang die Politik über Ermittlungen gegen einen Politiker informiert werden darf . Wir haben viel, aber auch nicht alles herausgefunden . Trotz aller Unterschiede, was die eigene Rolle angeht, was wir übrigens - an die Kollegen der SPD-Fraktion wussten und auch versucht haben zu respektieren, hat der Untersuchungsausschuss sehr gut zusammengearbeitet . Auch wir möchten uns für die Zusammenarbeit bedanken . Wir hoffen, dass der Bundestag einen solchen Untersuchungsausschuss nie wieder einberufen wird . Ganz besonders der SPD-Fraktion wünsche ich, dass es einen solchen Untersuchungsausschuss nie wieder geben muss . ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Armin Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich knüpfe nahtlos an, wie Frank Tempel aufgehört hat: Dieser Untersuchungsausschuss wird nicht in die Geschichte eingehen als einer, der nur sehr viele Gesetzesänderungen nach sich zieht, der in irgendeiner Form parlamentarisch produktiv war . Die Auftritte einiger, vor allen Dingen parlamentarisch erfahrener Zeugen waren wahrlich keine Sternstunden des Parlamentarismus . Der Ausschuss hat wohl wie kein zweiter Einblicke in die Seelen und auch menschlichen Schwächen von zahlreichen Beteiligten gewährt . Ich ganz persönlich hätte das nicht gebraucht . Deswegen bin ich dankbar, dass wir diesen Ausschuss einmal nicht bis zum Ende der Legislaturperiode führen, ich glaube, das Untersuchungsausschusssekretariat auch . Trotzdem herzlichen Dank für die starke Leistung! Ich finde es ein tolles Zeichen, dass  ihr da oben sitzt . ({0}) Aber, meine Damen und Herren, wir haben den Ausschuss nicht auf die leichte Schulter genommen . Wir haben gewissenhaft gearbeitet . Die Union hat alles darangesetzt, die Fragenkomplexe, die im Untersuchungsauftrag vorgesehen waren, aufzuklären . Das kann ich in vier zentrale Erkenntnisse zusammenfassen . Erstens . Wir haben mit diesem Untersuchungsauftrag einen wertvollen Beitrag geleistet, dass etwa zur gleichen Zeit, Anfang 2015, das Sexualstrafrecht verschärft wurde . Um es kurz zu sagen: Der Fall Edathy und viele andere gleichgelagerte Fälle würden heute nicht mehr so glimpflich  ausgehen,  nachdem  wir  den  Gesetzentwurf  von Herrn Maas hier so angenommen haben . Dieses Verhalten wäre heute eindeutig strafbar, und das ist auch gut so . Zweitens . Die erschütternden Fallschilderungen vieler Experten - ich lasse die Beispiele jetzt lieber weg - haben wertvolle Erkenntnisse geliefert, warum die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der Kinderpornografie unerlässlich ist.  ({1}) Die eindeutigen Voten aller Experten konnte man nicht überhören, und wir haben sie nicht überhört . Wir haben den Einstieg in die Mindestspeicherfristen gemacht . Dafür war dieser Ausschuss unglaublich wichtig . ({2}) Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die mediale Aufmerksamkeit ganz anderen Themen gewidmet ist . Ich komme zu dem zentralen Punkt dieses Ausschusses, den wir nicht unterschätzen dürfen . Wir haben ganz sicher dazu beigetragen, dass es für die Täter in diesem Land wieder schwerer geworden ist, mit dem Leid von Kindern Geschäfte zu machen . Das ist für mich das Ergebnis, das diesen Ausschuss auf Dauer überstrahlen wird . ({3}) Drittens . Zur Untersuchungsausschussfrage, ob das BKA den Fall einwandfrei behandelt hat, können wir zweifelsfrei feststellen: Die Ermittlungen während des gesamten Verfahrens waren professionell, engagiert, strukturiert und wurden so schnell wie möglich und ohne Ansehen der Person abgearbeitet . Ich glaube, Sie stimmen mir zu, dieses Deliktsfeld ist eines der schwersten, in die man als Ermittler geschickt werden kann . Deshalb verdienen die BKA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ganz besonders unsere persönliche Hochachtung, aber nicht, liebe Kollegen von den Linken und den Grünen, dieses oberlehrerhafte Verhalten, wie das in den Innenausschusssitzungen der Fall war . ({4}) Ich spreche das deshalb an, weil Sie es nicht lassen konnten, bei Ihrer Kleinen Anfrage wieder auf den Punkt einzugehen, ob sie auch Zeitung lesen, damit sie ja Edathy erkennen . Ich glaube, Sie haben jetzt auch im Untersuchungsausschuss gemerkt, wie viele Menschen Edathy nicht kannten . ({5}) Wir von der Union nehmen uns nicht so wichtig . Wir haben es nicht seltsam gefunden, dass eine Oberkommissarin des BKA Herrn Edathy nicht kannte . Akzeptieren Sie es, und seien Sie nicht so kleinkrämerisch . Vielleicht nehmen Sie sich auch zu wichtig . Der Sinn einer Kleinen Anfrage, Frau Mihalic, erschließt sich mir sowieso nicht . Sie hätten all diese Fragen im Ausschuss stellen können . Ich weiß nicht, warum Sie da jetzt nachkarten . Das ist seltsam . ({6}) Viertens . Zentrales Ziel des Untersuchungsausschusses war es, die Frage zu klären: War Edathy gewarnt? Diesen Auftrag sehen wir als erfüllt an . Für uns steht fest, dass er gewarnt war . Es spricht vieles dafür, unter anderem die Auffindesituation seiner Wohnung. Von wem er  diese Information bekam, konnten wir nicht aufklären . Dafür gibt es vier zentrale Gründe . Erstens . Es mangelte sehr am Erinnerungsvermögen einiger Zeugen . Die Widersprüchlichkeit mancher Aussagen und die eingeschränkte bis offenkundige Verweigerungshaltung einiger Zeugen vor dem Ausschuss waren manchmal schon unerträglich . Zweitens . Ob Niedersachsen eine entscheidende Rolle im Fall Edathy spielt, bleibt offen . Widerspenstig hat man uns 138 Namen geliefert, die in Niedersachsen Kenntnis von dem Fall hatten, bevor er öffentlich wurde . 138 Personen konnten wir nicht vorladen . Das hätte den Rahmen des Untersuchungsausschusses gesprengt . Da stellt sich die Frage: Braucht Niedersachsen einen solchen Ausschuss, wo ein Innenminister und ein Polizeipräsident als Einzige von 138 sich nicht erinnern können, wann sie über den Fall gesprochen haben wollen, und wo große Teile der Polizei darüber gesprochen haben, aber die Staatssekretäre, Abteilungsleiter Polizei im Innenministerium nicht informiert waren? Das LKA kannte übrigens den Namen Edathy auch nicht . Der LKA-Präsident war Wochen später informiert . Das Justizministerium war ein Stück Geschichte für sich in diesem Ausschuss . ({7}) Vier Wochen hat es gedauert, bis der zuständige Staatsanwalt überhaupt erst einmal zusätzliche Akten aus dem BKA anfordert . Monate hat es gedauert, bis auf der Hand liegende Vollstreckungsmaßnahmen endlich vollzogen werden . ({8}) Währenddessen war der Anwalt Edathys Dauergast dieser Staatsanwaltschaft . Meine Damen und Herren, die niedersächsische Justiz bis hin zur Ministerin hat im Ausschuss insgesamt einen ziemlich bedenklichen Eindruck hinterlassen . ({9}) Das Verhältnis zwischen Ministerium, Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft kann man eigentlich nur als zerrüttet bezeichnen, so wie sie aufgetreten sind . Wir wissen bis heute nicht, ob die Leitungsebene des Ministeriums früh oder spät informiert war, weil sich Generalstaatsanwalt und Ministerium komplett widersprechen . Und so weiter und so fort . ({10}) Die Akte Niedersachsen sollte man nicht schließen . Die Schlüsselrolle, warum wir nicht aufklären konnten, wer Edathy gewarnt hat, spielt wirklich der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann . Ich wünschte, er wäre der Empfehlung seines Parteichefs Sigmar Gabriel gefolgt und hätte umfassend ausgesagt . Wir wären dann nicht nur der Aufklärung ein großes Stück näher gekommen . Mir wäre dann auch der Satz erspart geblieben, den ich jetzt sagen muss: dass er von einigen glaubhaft aufgetretenen Zeugen erheblich belastet wird, tatsächlich der gut informierte Tippgeber für Edathy gewesen sein zu können . Diese Aussage-gegen-Aussage-Situation kann nur Michael Hartmann auflösen, tut er aber nicht. ({11}) Dieses Verhalten ist zwar enttäuschend, aber juristisch absolut einwandfrei; das muss man auch einmal sagen . Er hat dieses Recht und darf es in Anspruch nehmen; aber wir kommen deshalb an dieser Stelle auch nicht weiter . Die fehlende Mitwirkung einiger Zeugen, das Halbdunkel in Niedersachsen, Widersprüchlichkeiten und Aussageverweigerungen hinterlassen genügend Raum für Spekulationen - der eigentliche Grund, warum Sie beide, Linke und Grüne, ein abweichendes Votum abgeben -, die sich in erster Linie auf eine mögliche Beteiligung der SPD-Spitze im Fall Edathy beziehen, ({12}) Armin Schuster ({13}) also der Herren Gabriel, Steinmeier und Oppermann . ({14}) Meine Damen und Herren, hier unterscheiden wir uns . In Beweisaufnahmesitzungen darf man, muss man spekulieren, um Hypothesen zu bilden . ({15}) In einer Abschlussdebatte und in einem Abschlussbericht geht es nicht mehr um Spekulationen . Vielmehr müssen wir zusammentragen, was wir an Tatsachen belegen können . ({16}) Genau das haben wir gemacht . Tatsache ist, dass Edathy gewarnt war . Die Klarheit, durch wen, wurde durch Schweigen und Erinnerungslücken vernebelt . Nebel ist allerdings ein flüchtiger Zustand. Deshalb schließe ich mit der ersten Strophe eines evangelischen Kirchenliedes von Johann Sebastian Bach ({17}) - zuhören, Leute, jetzt könnt ihr etwas lernen! -: Ach wie flüchtig, ach wie nichtig  ist der Menschen Leben! ({18}) Wie ein Nebel bald entstehet und auch wieder bald vergehet, so ist unser Leben, sehet! ({19}) Ich danke Ihnen . ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, der Fall Edathy hat gleich zu Beginn dieser Wahlperiode für eine handfeste Koalitionskrise gesorgt . Ein Minister musste zurücktreten . Wir haben im Innenausschuss vier Sitzungen zu diesem Thema gehabt, und wir hatten am Ende, nach vier Sitzungen, vier verschiedene Versionen ein und derselben Geschichte, mehr Fragen als Antworten . Deshalb war es gut, dass wir diesen Untersuchungsausschuss eingesetzt haben . ({0}) Denn heute wissen wir zum Beispiel über die Arbeitsweise des Bundeskriminalamts deutlich mehr . Auch ich will an dieser Stelle sagen, dass gerade die Mitarbeiter des Bundeskriminalamts hier wirklich insgesamt eine sehr gute Arbeit geleistet haben . Das ist bei der Masse der zu untersuchenden Datensätze wirklich bemerkenswert . Es gab auch Mängel in der Struktur, bei den Abläufen - auch das haben wir herausgearbeitet -, aber sie wurden zum Teil schon beseitigt, auch als Konsequenz aus diesem Untersuchungsausschuss . Wir wissen außerdem deutlich mehr über den Geheimnisverrat des damaligen Innenministers Friedrich an die SPD-Spitze, dass Sebastian Edathy auf der sogenannten Kundenliste stand . Wir konnten zusätzlich herausarbeiten, dass der damalige Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche, nicht nur vom Geheimnisverrat gewusst hat; er hat Friedrich sogar dazu geraten, den SPD-Vorsitzenden zu informieren, und das, obwohl dieser noch nicht einmal Mitglied der Bundesregierung war . ({1}) Das ist nach meiner Auffassung schon ein sehr seltsames Rechtsverständnis; ({2}) denn nicht einmal die Bundeskanzlerin hat die Informationen bekommen, die Herrn Gabriel mal so eben anvertraut wurden . Unterm Strich: Der Bundesregierung hätte deutlich mehr Verschwiegenheit an dieser Stelle sehr gut getan . ({3}) Im Gegensatz dazu hätte die BKA-Spitze an einem Punkt etwas gesprächiger sein können und sogar müssen . Jetzt komme ich auf Niedersachsen zu sprechen; denn in dem Moment, als der BKA-Chef Jörg Ziercke in diesem berühmt gewordenen Telefonat mit Herrn Oppermann erfahren hat, dass bereits die gesamte SPD-Spitze vom Verdacht gegen Edathy weiß, hätte er sein nächstes Telefonat mit der niedersächsischen Staatsanwaltschaft führen müssen . ({4}) Denn die Staatsanwaltschaft hätte die Information, dass der Fall Edathy in der SPD schon lange die Runde macht, dringend gebraucht . Dann wären im Fall Edathy sicherlich auch schneller Maßnahmen ergriffen worden . Das Schweigen von Ziercke hat die Ermittlungen gegen Armin Schuster ({5}) Edathy ganz klar behindert . Das war ein klarer Rechtsbruch, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({6}) Auch die Frage aller Fragen, ob und von wem Edathy über mögliche Ermittlungen gegen ihn informiert wurde, konnten wir in der Ausschussarbeit klären . Deswegen verstehe ich Ihre Reden an dieser Stelle nicht . Heute wissen wir, dass Edathy spätestens auf dem SPD-Parteitag am 15 . November 2013 von Michael Hartmann von den Ermittlungen erfahren hat - das haben uns insgesamt sechs Zeugen bestätigt; hier steht also nicht Aussage gegen Aussage -; nur einer bestreitet das, und zwar Michael Hartmann selbst . Selbst Sie, Frau Högl, haben in einem Interview im Deutschlandfunk Anfang des Jahres zugestanden, dass man nach den sechs Zeugenaussagen die Aussage von Michael Hartmann neu bewerten muss . Herr Schuster, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei den Statements, insbesondere nach den Beweisaufnahmesitzungen, haben Sie damals völlig zu Recht festgestellt: Hartmann muss die Information an Edathy weitergegeben haben . - Mir bleibt es ein Rätsel, warum Sie diese simple Erkenntnis nicht in Ihren Abschlussbericht hineinretten konnten . ({7}) Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft . Vielleicht klärt sich dabei auch noch, von wem Michael Hartmann seine Informationen hatte . Da sind wir als Untersuchungsausschuss leider auf der Stelle getreten . Wir konnten es nicht beweisen . Zwei Thesen stehen aber weiterhin im Raum: Die Information an Hartmann kam entweder aus der SPD-Spitze, oder sie kam direkt aus dem Bundeskriminalamt . Also Oppermann oder Ziercke, das war leider nicht mehr aufzuklären . ({8}) Wir kommen insgesamt zu einem sehr klaren Ergebnis: Die Bundesregierung hat die SPD-Spitze illegal über den Fall Edathy informiert . Die Information gelangte an den Abgeordneten Michael Hartmann, der wiederum Edathy informierte . Die BKA-Spitze hat der Staatsanwaltschaft nichts von dieser Informationsweitergabe von der Bundesregierung an die SPD erzählt . Dadurch wurden die Ermittlungen erheblich behindert . Das ist die Bilanz . Die Untersuchungsarbeit ist damit abgeschlossen . ({9}) Jetzt müssen wir beraten, wie wir in Zukunft einen solchen Umgang mit sensiblen Informationen verhindern können . Frau Högl, Sie haben das Thema eben auch noch einmal angesprochen . Es geht um den Umgang mit vertraulichen Informationen innerhalb der Politik, innerhalb der Regierung . Die Bundesregierung hat dazu weder eine gute Idee noch sieht sie irgendeinen Handlungsbedarf . Das ist die traurige Antwort auf unsere Kleine Anfrage, Herr Schuster, die wir Grüne dazu gestellt haben. Ich finde das ziemlich bedenklich; denn alles, was wir in der Politik machen, basiert auf dem Vertrauen der Bevölkerung . Deshalb sollten wir auch alles tun, um uns dieses Vertrauen nachhaltig zu erarbeiten . Ganz herzlichen Dank . ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Uli Grötsch hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Uli Grötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004282, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ganz am Ende dieses Untersuchungsausschusses, gegen Ende dieser Debatte, darf ich sagen: Es gehört zur Wahrheit des 2 . Untersuchungsausschusses dazu, dass wir die zentrale Frage: „Wer hat Sebastian Edathy vor den gegen ihn laufenden Ermittlungen wegen des Besitzes von Kinderpornografie oder vor  den daraus resultierenden Durchsuchungen gewarnt?“, nicht klären konnten . ({0}) Vermutungen gab es viele, manche davon wurden geradezu gebetsmühlenartig vorgetragen, bis sie für manche Mitglieder des Ausschusses zu ihrer ganz persönlichen Wahrheit wurden . Am Anfang des Untersuchungsausschusses haben wir die Ermittlungsmethoden des Bundeskriminalamtes untersucht . Wir haben Zeugen aus der Abteilung SO 12 des Bundeskriminalamtes erlebt, die in ihrer täglichen Arbeit dem Grauen förmlich in die Augen sehen müssen . Ich bin froh und dankbar, dass die Mitarbeiter der Abteilung SO 12 im Bundeskriminalamt und die Staatsanwälte der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in Gießen diese Arbeit für unsere Gesellschaft machen . Ich glaube, dass wir uns in einer Sache einig sind: Die Skandalisierung der Arbeitsweise des BKA durch Teile der Opposition im Innenausschuss ist ins Leere gelaufen . Bei SO 12 wird höchst professionell an einem abscheulichen Thema gearbeitet, im Allgemeinen und im Speziellen bei der von uns beleuchteten OP „Selm“ . Hier, wie auch an manchen anderen Stellen, hat der Ausschuss festgestellt, dass eben doch alles mit rechten Dingen zugegangen ist . ({1}) Es begann mit dem allgemeinen und schnell widerlegten Vorwurf, der Fall Edathy sei im BKA vertuscht und verschleppt worden, weil sein Name den zuständigen Sachbearbeiterinnen nicht frühzeitig aufgefallen ist . Jetzt fordert die Opposition in ihrem MinderheitenvoIrene Mihalic tum eine verpflichtende tägliche Zeitungslektüre für alle  BKA-Mitarbeiter . ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wirklich so schlimm, wenn eine Polizistin den Namen eines Bundestagsabgeordneten nicht kennt? Ich glaube, dass es uns allen gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir uns selbst nicht immer ganz so wichtig nehmen würden . ({3}) Ebenso verpuffte der Versuch, den Umgang mit dem BKA-Beamten, der in Kanada Bilder und Filme bestellt hatte, zu skandalisieren . Auch hier ging wohl der Jagdeifer mit den Kollegen durch, als sie beispielsweise kritisierten, dass das BKA nicht sofort das Büro seines Mitarbeiters durchsucht hat, was ohne richterlichen Beschluss im Übrigen rechtswidrig gewesen wäre . Immer noch sieht sich die Opposition auf der Spur von mehreren Informationsskandalen, wie sie das nennt . Ich teile diese Ansicht nicht . Ich kann nichts Falsches daran erkennen, dass das BKA das Bundesinnenministerium als seine Fach- und Dienstaufsicht über den sensiblen Fall eines des Erwerbs von Kinderpornografie verdächtigen Bundestagsabgeordneten unterrichtet hat . ({4}) Ich halte es auch nicht für verwerflich, wenn der  informierte Minister anschließend Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass eben dieser Abgeordnete in der neu zu bildenden Koalition eine besondere Funktion erhält . ({5}) Auch das viel besungene kurze Telefonat zwischen dem damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und dem BKA-Präsidenten ist beiden letztendlich doch nicht vorzuwerfen . Warum manche Abgeordnete hier auf Biegen und Brechen einen Skandal, gar eine Verschwörung entdecken wollten und versucht haben, weitere Kontakte und Probleme im zeitlichen Ablauf herbeizureden - ich weiß es nicht . ({6}) Es war jedenfalls sinnlos . Letztendlich hat sich sogar erwiesen, dass die Erinnerungen der Zeugen Gabriel und Oppermann richtiger waren als die durch die Zeitumstellung auf die Winterzeit verfälschte Anrufprotokollierung des Bundeskriminalamtes . Ich halte also fest: Es ist faktisch nicht erwiesen, wer Sebastian Edathy gewarnt hat . Wir konnten nicht einmal feststellen, dass er besondere Kenntnisse über dieses Verfahren besaß . Edathy kann daher ebenso gut von einem der sehr vielen Kenntnisträger bei Polizei oder Justiz gewarnt worden oder sogar nur durch Medienberichte auf die Ermittlungen aufmerksam geworden sein . ({7}) Seine Behauptung, angeblich kontinuierlich, ja, sogar wöchentlich über den Verfahrensgang unterrichtet worden zu sein, konnten wir jedenfalls anhand der Akten als unsinnig widerlegen . Was ich am Ende nicht unerwähnt lassen möchte: Als beschämend habe ich die Art und Weise empfunden, wie manche Mitglieder der Opposition mit dem Zeugen Hartmann in seiner nächtlichen Vernehmung im Ausschuss und in späteren Medienäußerungen umgingen . Hier wurden haltlose und unsachliche Vorwürfe erhoben, bei denen es nicht mehr um Aufklärung, sondern um die Zerstörung einer Person ging . ({8}) Ich hoffe sehr, dass wir in künftigen Untersuchungsausschüssen wieder zu einem menschlicheren Umgang miteinander zurückfinden. Vielen Dank . ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Michael Frieser hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Michael Frieser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank . - Frau Präsidentin! So mancher steht enttäuscht und sieht betroffen den Vorhang zu und zumindest noch einige Fragen offen . - Das kann man am Ende eines solchen Untersuchungsausschusses schon so sehen . Ich sage es gleich am Anfang: So wie es im Augenblick die Wortgewalt der Opposition erscheinen lässt, so war die Stimmung im Ausschuss nicht . Sie war sehr viel kontemplativer, sie war sehr viel kollegialer, sie war an der Sache orientiert, sie war sehr ernsthaft und diesem Thema angemessen . ({0}) Dafür will ich insgesamt Dank sagen . Das schließt auch die Kollegen aus der Opposition ein . ({1}) Die Kritik kommt gleich noch . Aber zumindest wollte ich das am Anfang meiner Rede sagen . Ich glaube, dass der Ausschuss es geschafft hat, diesen Themenkomplex, um den sich wahrlich niemand gerissen hat, so auszuleuchten, dass man am Ende des Tages sagen kann: Wir sind unserer Aufgabe tatsächlich gerecht geworden . Ich will mit dem BKA anfangen und nur noch einen Gedanken hinzufügen . Wir konnten uns ein Bild von der Arbeit machen, die die Mitarbeiter dort dankenswerterweise für uns erledigen . Das ist eine Arbeit, die keiner in diesem Haus gerne machen würde, nämlich Tausende und Abertausende von Bildern der Kinderpornografie zu  durchforsten . Ja, man kann sagen, dass das Teil des Jobs ist, aber am Ende des Tages muss man damit zurechtkommen . Dass es dabei einer Priorisierung bedarf, dass es dabei einer Gewichtung bedarf, ist selbstverständlich, weil man dem Schrecknis dieser ganzen Welt - es geht ja nicht nur um Deutschland, sondern um sehr, sehr viele Bezugsorte - gerecht werden muss . Deshalb kann ich am Ende mit einiger Dankbarkeit für die Arbeit des BKA auch sagen: Wir konnten uns davon überzeugen, dass diese Arbeit ordnungsgemäß und dem Sachverhalt angemessen durchgeführt wurde . Das ist keine Petitesse . Denn das war immerhin der Ausgangspunkt für den Untersuchungsgegenstand, mit dem wir uns beschäftigen mussten . Ja, eindeutig, es gab eine Warnung . Von wem, das konnte der Ausschuss nicht mehr aufklären . Wir haben genügend Zeugen befragt, die die These gestützt haben, dass Michael Hartmann eine der entscheidenden Quellen hätte sein können . Nach unserer Begutachtung, Frau Mihalic, war er das auch . Aber das, was wir glauben, ist nicht das, was ein Untersuchungsausschuss belegen kann . Deshalb ist es eine Frage der Interpretation . Ich hätte mich gefreut, wenn Herr Hartmann heute dieser Debatte hätte folgen können . ({2}) Er hätte vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch etwas zur Aufklärung beitragen können . Wir freuen uns alle ganz narrisch darüber, dass er an dem Tag, an dem der Untersuchungsausschuss beendet war, wieder genesen ist . Wir wünschen ihm auf Dauer alles Gute . Ich hoffe trotzdem, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, an dieser Stelle auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens seinen Beitrag zu leisten . Mit einer Sache will ich dann doch noch einmal aufräumen, nämlich mit der Aussage, dass eindeutig bewiesen ist, dass der Ursprung dieses Untersuchungsausschusses ein Geheimnisverrat gewesen ist . Dass die CSU durch den Verlust eines amtierenden Ministers einen politischen Preis zahlen musste, ist klar . Es ging hier aber weder um einen Rachefeldzug noch um das Kühlen irgendwelcher politischer Mütchen . Was nützt mir ein Minister im Amt, wenn er nicht die entscheidende Frage beantworten kann: Was tue ich, damit ich Schaden von diesem Land abwenden kann? Was tue ich, damit eine Person, über die Dinge bekannt sind, nicht in ein Amt kommt, was tatsächlich diesem Land, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden kann? Deshalb halte ich das Verhalten von Hans-Peter Friedrich zur damaligen Zeit nach wie vor für absolut richtig . ({3}) Im Ergebnis stellt sich die Frage, wie nun der Gesprächspartner von Hans-Peter Friedrich als Inhaber dieses Geheimnisses damit umgegangen ist und wem alles er davon erzählt hat . Diese Frage darf man stellen . Letztendlich schauen wir, wenn wir wissen, wie weit das hinuntergegangen ist, vor allem in die Reihen der SPD . Ja, das war nicht angenehm, keine Frage . Wir haben Sternstunden der Fragetechnik im Untersuchungsausschuss hinter uns . Manch SPD-Abgeordneter hat der Bedeutung des Wortes „vage“ eine ganz neue Dimension verliehen . Wir erlebten stundenlange Aussagen, in denen tatsächlich nichts mehr übrig blieb . Am Ende half das alles nichts . Wir konnten auch noch den Blick nach Niedersachsen wenden . Wenn es um die entscheidende Frage geht, wie Informationen behandelt werden sollten, wenn es um die entscheidende Frage geht, wie man sein Haus im Griff haben sollte, dann sind die Kollegen aus Niedersachsen ein Hort der tollen Erkenntnis: So sollte man es nicht machen . Man sollte nicht so mit Informationen umgehen, dass am Ende keiner mehr weiß, was die linke und was die rechte Hand tut . Das war mit Sicherheit nicht das beste Beispiel dafür, wie wir dieses Thema behandeln sollten . Ich will noch einen Punkt ansprechen, der die Menschen im Kontext dieses Untersuchungsausschusses um Edathy wirklich verunsichert hat . Was wird in diesem Staat von der Justiz nicht alles aufgeklärt, und was wird nicht alles angeklagt? Dass aber jemand, der als Konsument Tausender und Abertausender kinderpornografischer Bilder  angeklagt  ist,  das Verfahren  am Ende  mit einer Geldauflage von 5 000 Euro - und sogar ohne  Schuldeingeständnis - hinter sich lassen kann, hat viele Menschen zu Recht verunsichert . Da muss man schon fragen, ob das gerade in Anbetracht des öffentlichen Interesses an diesem Verfahren noch angemessen war . Ich bin keiner, der gerne Justizschelte betreibt . Aber die Antwort auf die Frage, ob das in Anbetracht des öffentlichen Interesses an diesem Fall wirklich angemessen war, ist uns die Justiz immer noch schuldig . Letztendlich kann ich sagen: Wir müssen sehen - das sage ich jetzt natürlich nur, damit auch die Grünen wissen, wo wir redetechnisch hingehören; ich meine es allerdings sehr ernst -, dass auch Höchstspeicherfristen ein Thema sind; da schaue ich jetzt die Kollegin Mihalic an . Wir haben, auch im Ausschuss, Fälle geschildert bekommen, in denen wirklich eindeutig war, dass dieses Instrument - nur dieses und sonst keines - der einzige Hebel ist, um zeitgerecht, zeitgleich an Menschen heranzukommen . Das muss man gar nicht in Abrede stellen, und da muss man gar keine Gutbeterei betreiben . Dass es aber Fälle gibt, in denen ohne das Instrument der HöchstspeiMichael Frieser cherfristen keine Rechtsverfolgung stattfinden kann, war  ein eindeutiges Ergebnis der Arbeit dieses Ausschusses . ({4}) Zur  Präzisierung  beim  Thema  Kinderpornografie  in  den Anfangstagen und -wochen dieses Ausschusses muss ich sagen: Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es uns tatsächlich gelingt, dafür zu sorgen, dass wir in der Lage sind, Vorgänge, die für uns damals noch grenzwertig und schwierig zu beurteilen waren, heute mit den Behörden zusammen eindeutig zu entscheiden . Ich glaube, am Ende lässt sich sagen: Vielleicht sind mit dem Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses nicht alle zufrieden . Vielleicht konnten wir nicht alles aufklären, was wir aufklären wollten . Ich bedanke mich aber trotzdem - an dieser Stelle darf ich das auch einmal als stellvertretender Vorsitzender tun - bei der Vorsitzenden, die als Mitglied einer doch stark betroffenen Fraktion in einer nicht besonders einfachen Situation war und der es gelungen ist, dieses Schiff einigermaßen durch die Wirrnis zu steuern . Auch den Kollegen herzlichen Dank für die Zeit! Man hat sehr viel gelernt, auch wenn es manchmal nächtelang gedauert hat . Ich glaube, dass wir sagen können - auch wenn wir nicht bei allen Bewertungen übereinstimmen -: Der Ausschuss hat seine Arbeit getan . Dafür herzlichen Dank! ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 2 . Untersuchungsausschusses auf Drucksache  18/6700.  Der  Ausschuss  empfiehlt,  den  Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen . Ich denke, dass wir alle auch den auf der Besucheroder Zuhörertribüne sitzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats für die Begleitung dieser Arbeit noch einmal danken . ({0}) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr . Gerhard Schick, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter, Jan van Aken, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/6839 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Dr . Gerhard Schick .

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über zehn Jahre lang haben Millionäre und große Banken unsere öffentlichen Kassen geplündert . Über zehn Jahre lang sind sie unbehelligt beim Finanzamt ein- und ausgegangen und haben unter den Augen von Politik und Verwaltung Geld abgezweigt . Diese haben leider zugesehen und den Betrügereien lange kein Ende gesetzt . Weder haben die damaligen Bundesregierungen rechtzeitig und wirksam gehandelt, obwohl es Hinweise gab, noch haben die Steuerverwaltungen der Länder oder die Finanzaufsicht Alarm geschlagen . Öffentliche Banken, Landesbanken, haben an diesem Skandal sogar mitgewirkt . Viele fragen sich auch heute noch, was eigentlich Cum-Ex-Geschäfte sind . ({0}) Diese Geschäfte beruhen auf einem Konstrukt, das dazu führte, dass eine Steuer zweimal zurückerstattet wurde, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde . Dies ist so, als ob Eltern für dasselbe Kind zweimal Kindergeld kassieren einmal die Mutter und einmal der Vater . Das ist natürlich ungerecht und im Steuergesetz nicht vorgesehen . ({1}) Für unsere Aufgabe als Abgeordnete steht aber nicht die Technik, also die Art, wie das im Einzelnen arrangiert wurde, im Mittelpunkt, sondern entscheidend ist, was im Ergebnis passiert ist, nämlich ein Schaden für das Gemeinwesen von geschätzt 12 Milliarden Euro . Das ist absolut inakzeptabel . Diese 12 Milliarden Euro fehlten für sinnvolle Ausgaben . Oder übersetzt: Banken und Millionäre konnten jedem einzelnen Bundesbürger 150 Euro aus dem Geldbeutel klauen . So etwas darf sich nie wiederholen . ({2}) Genau deswegen wollen wir Aufklärung . Obwohl der Schaden so groß ist, haben die Fraktionen der Großen Koalition es abgelehnt, aufzuklären, wie das passieren konnte . Sie haben unseren Antrag auf einen Sonderermittler abgelehnt und somit der Aufklärung leider eine Absage erteilt . ({3}) Wir haben auch Gespräche geführt, um andere Formen der Aufklärung zu finden und auszuloten, ob wir gemeinsam aufklären können - leider ergebnislos . Für mich und für unsere beiden Fraktionen ist das unverständlich . ({4}) Deswegen machen wir von unserem Minderheitenrecht Gebrauch und beantragen einen Untersuchungsausschuss zum Steuerbetrug an den Finanzmärkten mittels Cum-Ex-Geschäften . ({5}) Es geht uns nicht darum, einzelne Personen an den Pranger zu stellen, und auch nicht um Parteipolitik, ({6}) sondern es geht darum, sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger nie wieder in diesem Ausmaß abgezockt werden, wie es hier vorgekommen ist . Dafür müssen wir wissen, wieso staatliche Institutionen in Bund und Ländern jahrelang untätig blieben, statt das Geld der Bürgerinnen und Bürger zu schützen . Wir müssen wissen, ob heute dieselben Institutionen willens und in der Lage sind, bei ähnlichen Fällen rechtzeitig mit wirksamen Mitteln einzugreifen . Wir müssen wissen, wie es passieren konnte, dass öffentliche Banken am Betrug an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mitgewirkt haben . Wir sind nämlich schon längst in der nächsten Runde im Hase-und-Igel-Spiel auf dem Finanzmarkt zulasten der Bürger . Mit den sogenannten Cum-Cum-Geschäften stehen erneut Milliarden auf dem Spiel . Auch hier wird dem Treiben auf dem Finanzmarkt schon viel zu lange zugesehen . ({7}) Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen laden Sie zu einer parteiübergreifenden sachlichen Arbeit im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein . Bei einem Schaden dieser Größenordnung für das Gemeinwesen dürfen Demokraten nicht zur Tagesordnung übergehen . Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, dass Staat und Bürger zum Spielzeug von Betrügern auf dem Finanzmarkt werden, und wenn nicht sichtbar wird, dass wir im Parlament alles tun, damit nicht wieder Steuergeld in so großem Umfang von Betrügern auf dem Finanzmarkt abgezweigt wird, dann verlieren die Menschen das Vertrauen in unsere Institutionen . Deswegen müssen wir hier gemeinsam tätig werden . ({8}) Sie haben damals zwei Gegenargumente gegen den Antrag auf einen Sonderermittler vorgebracht . Das eine Gegenargument war: Es gibt für einen Sonderermittler keine Rechtsgrundlage . ({9}) Das ist ein sehr merkwürdiges Argument, weil im Saarland unter der Leitung der CDU im Moment genau das stattfindet, was wir hier gefordert haben. Aufgrund eines  kläglichen Versagens in der Steuerfahndung wird dort eine externe Sonderermittlerin eingesetzt, um das aufzuklären und um diese Dinge für die Zukunft richtig aufzustellen . - Ihr Gegenargument trägt nicht . ({10}) Das zweite Gegenargument war: Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte sind doch im Moment mit der Aufklärung dieser Fälle beschäftigt . - In der Tat: Zum Glück gibt es da Aufarbeitung vor den Gerichten . Aber diese klären, wer jetzt was zahlen muss und wer bei den Investoren strafrechtlich Verantwortung trägt . Sie klären nicht, was auf staatlicher Seite schiefgelaufen ist . Damit können Sie nicht die Arbeit voranbringen, die unsere Arbeit ist, nämlich dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Skandal nie mehr wiederholen kann . Das können nur wir hier tun . ({11}) Genau deswegen wollen wir jetzt wissen, was schiefgelaufen ist, und zwar nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit . Ich wiederhole es: Es geht darum, über die Erkenntnisse der Vergangenheit sicherzustellen, dass es in Zukunft nie wieder passieren kann, dass das Geld, das die kleinen Leute in unserem Land mit ihrer Umsatzsteuer und mit ihrer Einkommensteuer zahlen, unkontrolliert an Trickser und Betrüger am Finanzmarkt abfließt. Das  können wir den Menschen nicht zumuten . Deswegen heute der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses . ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Matthias Hauer für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Matthias Hauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004292, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die Cum-Ex-Geschäfte im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch einen Untersuchungsausschuss zu beleuchten . Worum geht es dabei? Bei den Cum-Ex-Geschäften haben vermeintlich findige Banken und  Investoren Aktiengeschäfte allein mit dem Ziel getätigt, sich Kapitalertragsteuer zweimal erstatten zu lassen, die nur einmal gezahlt wurde . Grundlage dieses kriminellen Geschäfts war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin, nämlich kurz davor Cum-Dividende und kurz danach Ex-Dividende . Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von Fristen fielen der  rechtliche und der wirtschaftliche Eigentümer der Aktie auseinander . Mit großer krimineller Energie gelang es so, die Abführung der Kapitalertragsteuer doppelt bescheinigt zu bekommen . Das war damals noch möglich, weil es nicht dieselbe Stelle war, die den Steuerabzug vornahm und die die Steuerbescheinigung ausstellte . Die Grünen haben in ihrem Antrag zum gleichen Thema im Januar die Geschäfte als „zumindest illegitim“ bezeichnet . Im aktuellen Antrag sprechen Linke und Grüne von „Steuergestaltung“ . Wieso so zurückhaltend? Nennen wir es doch gemeinsam beim Namen: Ein solches Vorgehen ist nicht nur illegitim, sondern schlichtweg rechtswidrig und kriminell . ({0}) Bei diesen Cum-Ex-Geschäften hat es sich nie um ein Steuergestaltungsmodell gehandelt . Die Rechtsauffassung  des  Bundesfinanzministeriums  ist  unverändert:  Diese Gestaltung der Cum-Ex-Geschäfte war schon immer unzulässig . Einmal abgeführte Kapitalertragsteuer darf nur einmal bescheinigt und auch nur einmal erstattet werden . ({1}) Nachdem tatsächlich durchgeführte Cum-Ex-Geschäfte bekannt wurden, hat die Politik reagiert . Im Jahr 2007 hat der Gesetzgeber die Abwicklung der Geschäfte über inländische Banken unterbunden . Das gelang, indem die inländische Bank des Leerverkäufers zur Abführung der Kapitalertragsteuer  verpflichtet  wurde.  Dadurch  wurde  sichergestellt, dass auch die Kompensationszahlungen des Leerverkäufers unter Nutzung inländischer Abwicklungsbanken mit Kapitalertragsteuer belastet waren und keine unberechtigte Steuerbescheinigung erstellt wurde . Konkrete Hinweise auf die Abwicklung über ausländische Banken gab es dann im Jahr 2009 . Das Bundesfinanzministerium hat  reagiert  und besondere Erfordernisse an Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit Leerverkäufen über ausländische Kreditinstitute formuliert . Es wurde geregelt, dass alle Steuerbescheinigungen, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag erworben wurden, besonders gekennzeichnet werden müssen . Diese Regelung wurde durch zwei Schreiben des Bundesfinanzministeriums  in  den  Jahren  2010  und  2011 ergänzt . Ende 2010 erfolgte mit der OGAW-IV-Umsetzung die vollständige Umstellung der Erhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen deutscher Aktien . Durch die neue Systematik wird die Kapitalertragsteuer nunmehr durch das Kreditinstitut, das die Dividende auszahlt, sowohl abgeführt als auch bescheinigt . Beides liegt also in einer Hand; denn das Auseinanderfallen beider Stellen war die Basis der rechtswidrigen Geschäfte in der Vergangenheit . Seit Inkrafttreten 2012 werden die Cum-Ex-Geschäfte auch über ausländische Banken somit verhindert . Der Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Minister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage entzogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich unterbunden . Deshalb sind Cum-Ex-Geschäfte heute zum Glück nicht mehr möglich . ({2}) Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle . Wer solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft gezogen werden . ({3}) Unsere Gewaltenteilung legt eine solche strafrechtliche Aufarbeitung aber nicht in die Hände des Parlaments und auch nicht in die Hände eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses . ({4}) Hier sind vielmehr die Finanzverwaltung, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichtsbarkeit gefordert, und mehrere Verfahren laufen bereits . Sie haben gerade dazwischengerufen, es gehe um die politische Aufarbeitung . ({5}) Sie haben auch letztens noch erklärt, es seien keine Konsequenzen gezogen worden . Dass sehr wohl Konsequenzen gezogen wurden, habe ich gerade dargelegt . Die Cum-Ex-Geschäfte sind mittlerweile unterbunden, und dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe, ist auch unzutreffend . Ich habe Ihnen gerade die Gesetzgebungsverfahren dargelegt . In all diese Verfahren war der Gesetzgeber, waren alle Fraktionen, auch Bündnis 90/ Die Grünen und Linke, eingebunden . Darüber hinaus hat das Bundesfinanzministerium detailliert und schriftlich die von Ihnen, von den Grünen und von den Linken, gestellten Kleinen Anfragen der Opposition beantwortet und die Erkenntnisse der Bundesregierung darin einfließen lassen . Auch in diesem Jahr haben wir uns mit den Cum-Ex-Geschäften in diesem Hause beschäftigt . Nach Debatten im Januar und im September geschieht dies heute zum dritten Mal in 2015 . Es trifft also nicht zu, dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe . ({6}) - Sie schreien, deshalb komme ich jetzt direkt zu Ihnen . Herr Dr . Schick, Sie stützen sich ja vor allem auf ein Schreiben aus dem Jahr 2002 . Dazu hatten Sie sich in Ihrer Rede im September noch empört - ich zitiere -: Die Bundesregierung ignorierte dieses Schreiben fünf Jahre lang . Warum? … sollte aus Gründen der Finanzmarktförderung möglichst nicht gegengesteuert werden? Dazu sage ich Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten Sie vor Ihrer eigenen Haustür kehren . Am besten hätten Sie mit der Untersuchung in Ihren eigenen Reihen angefangen . Immerhin waren Bündnis 90/Die Grünen bis 2005 Teil der damaligen Bundesregierung, und Sie stellten 2002 sogar den Vorsitz im Finanzausschuss . ({7}) Aber die Geschäfte waren eben auch für Sie nicht so einfach zu erkennen, wie sie jetzt manchmal versuchen, den Eindruck zu erwecken, weil sie hochkomplex waren . Außerdem haben die beteiligten Banken, Berater und Investoren erhebliche Anstrengungen unternommen, um diese Handlungen zu verschleiern . Um die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern intransparent zu machen, haben sie zusätzliche, oft im Ausland ansässige Marktteilnehmer dazwischengeschaltet . Unter anderem aus diesem Grund wurden die Geschäfte leider nur zeitlich verzögert bekannt . Deshalb gab es in den ersten Jahren auch kein Gegensteuern, weder durch die damaligen Regierungen noch durch die Fraktionen in den Parlamenten . Es ist gut, dass  durch  das  Einschreiten  von  Bundesfinanzminister  Wolfgang Schäuble und des Gesetzgebers diese Geschäfte heute nicht mehr möglich sind . ({8}) Wir können daher im Augenblick nicht erkennen, warum es dieses Untersuchungsausschusses bedarf, den Linke und Grüne einsetzen wollen . Dennoch respektieren wir natürlich die parlamentarischen Rechte der Opposition . Wenn wir schon einen Untersuchungsausschuss einsetzen, dann - darauf können Sie sich verlassen - werden wir auch konstruktiv darin mitarbeiten und die Thematik noch einmal im Detail durchsprechen . Der nun beantragte Untersuchungsausschuss wirft den Blick vor allem zurück . Er bindet Ressourcen, um bereits gelöste Probleme erneut zu beleuchten . Wir sollten stattdessen die heutigen Herausforderungen angehen, nämlich bestehende Regelungen verbessern und sie wetterfest für die Zukunft machen . Das werden wir, die Union, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner auch tun . Vielen Dank . ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die Fraktion Die Linke . ({0})

Richard Pitterle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004129, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einmal vor: Sie sind Kundin oder Kunde einer Bank und haben dort Ihr Geld im Tresor liegen . Stellen Sie sich weiter vor: Bei der Leitung der Bank geht aus gut informierten Kreisen die Warnung ein, dass der Tresor nicht sicher sei und das dort liegende Geld bald gestohlen werden könne . Was würden Sie sich da wohl wünschen? Doch wohl sicherlich, dass die Bank umgehend reagiert und zum Beispiel den Tresor überprüfen lässt oder den Sicherheitsdienst verstärkt . Was aber, wenn die Bank einfach nichts macht und über zehn Jahre lang Ihr Geld nach und nach gestohlen wird? Als Kundinnen und Kunden würden Sie zu Recht im Karree springen und nach Aufklärung verlangen . Dieses Beispiel passt leider recht gut zum heutigen Thema, nämlich zu der Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte . Die Bank aus meinem Beispiel ist die Bundesregierung, die diese Geschäfte zwischen 2002 und 2012, zehn Jahre lang, nicht wirksam unterbunden hat . Die gelackmeierten Kundinnen und Kunden sind die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denen durch die Cum-Ex-Geschäfte ein Schaden von schätzungsweise 12 Milliarden Euro entstanden ist . Der Linken und Bündnis 90/Die Grünen fällt nun wieder einmal die Rolle der Aufklärer zu, und diese Rolle nehmen wir gerne an . ({0}) „Cum“ und „Ex“ stehen für „mit Dividende“ und „ohne Dividende“ bei Aktiengeschäften, die um den Dividendenstichtag  herum  stattfinden.  Die Aktie  wird  in  kurzem Abstand einmal mit und einmal ohne Dividende weiterverkauft . Auf die Dividende muss Kapitalertragsteuer gezahlt werden, welche man sich anrechnen oder erstatten lassen kann . Vereinfacht gesagt, waren die Cum-Ex-Geschäfte so konstruiert, dass zwei der am Kauf Beteiligten jeweils eine Bescheinigung für die gezahlte Kapitalertragsteuer erhielten, obwohl die Steuer tatsächlich nur einmal gezahlt worden war . Beide konnten sich die Steuer dann mit der jeweiligen Bescheinigung erstatten oder anrechnen lassen . Kurzum: Schwerreiche Investoren bedienten sich zweimal aus der Staatskasse, obwohl sie nur einmal eingezahlt hatten . Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben bereits einen Sonderermittler gefordert, um zu klären, warum Superreiche unbehelligt ein Jahrzehnt lang einen Riesenreibach auf Staatskosten machen konnten . Union und SPD haben diesen Sonderermittler leider verhindert und behauptet, es sei ja schon alles aufgeklärt . Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein! ({1}) 2002 gab es einen ernsthaften Hinweis auf die Möglichkeit dieser krummen Geschäfte an das Bundesfinanzministerium . Aber erst 2012 wurden diese Geschäfte durch eine Gesetzesänderung unterbunden . Da muss man sich  doch  fragen,  wer  da  im  Bundesfinanzministerium  gepennt hat . Wieso ist da nichts passiert? ({2}) Als Ausrede für die Untätigkeit der Bundesregierung kommt von Union und SPD auch gerne das Argument, die Cum-Ex-Geschäfte seien von Anfang an wohl strafbar gewesen, und dementsprechend sei das alles Sache der Gerichte und der Staatsanwaltschaften . ({3}) Meine Damen und Herren, ich bitte Sie! Auch wenn etwas strafbar ist, kann man sich doch nicht entspannt zurücklehnen und abwarten . Im Gegenteil: Gerade dann muss man bei entsprechenden Hinweisen doch dafür sorgen, dass Straftaten gar nicht erst begangen werden . ({4}) Bereits 2002 hätte es eine gesetzliche Regelung zur Verhinderung der Cum-Ex-Geschäfte geben müssen . Für die Linke besteht hier jedenfalls sehr wohl Anlass zur Aufklärung . Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu erfahren, warum die Bundesregierung untätig geblieben ist und so ein Schaden von 12 Milliarden Euro entstehen konnte . Die Fehler der Vergangenheit müssen dringend aufgearbeitet werden, damit wir sicherstellen können, dass sich so etwas nicht wiederholt . ({5}) Deswegen fordern wir gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen diesen Untersuchungsausschuss . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich will das Bild von Richard Pitterle aufnehmen, aber etwas korrigieren . Da ist ein Dieb, der die Bank bestiehlt . Daraufhin macht die Bank ein Extraschloss an die Tür . Jetzt kommt der Dieb durchs Fenster . Erst die Totalvergitterung der Bank macht diese Bank diebstahlsicher . Aber immer war Diebstahl kriminell und gesetzeswidrig . Insofern ist also etwas passiert, aber solche kriminellen Handlungen kann man möglicherweise nicht ausschließen, obwohl es eine Vergitterung gibt, obwohl es eine gute Gesetzgebung gibt und gab . Wir sprechen über den größten bekannten Steuerbetrug seit Jahrzehnten - das stimmt; da stimmen wir zu -, in einer Größenordnung, soweit wir das wissen, von 12 Milliarden Euro . Wir haben schon gehört, wie die Cum-Ex-Geschäfte funktionieren . Cum-Ex-Geschäfte klingt schon kompliziert . Man kann sagen, dass es ohne die Hilfe von Banken diese Geschäfte gar nicht gegeben hätte . Man kann sagen: Die Banken haben den Dieben dabei geholfen, einzubrechen, aber natürlich nicht bei sich selbst, sondern bei den Steuerzahlern . Das ist verwerflich. Deshalb  ist  es  gut,  dass wir  uns  heute  darum  kümmern . Gestern Abend erst hat die ARD berichtet, dass die HypoVereinsbank eine Buße von immerhin 10 Millionen Euro zu akzeptieren hatte . Das Amtsgericht Köln hat diese Buße verhängt . Man kann also schon sehen, dass im Moment zumindest unsere Strafverfolgung an dieser Stelle ganz gut funktioniert . Nun hören wir noch von vielen anderen Banken, die das gemacht haben . Deshalb wird es spannend sein, sich darum zu kümmern . Grundlage der Geschäfte - das haben Sie schön ausgeführt - waren Leerverkäufe rund um den Dividendenstichtag und die Tatsache, dass die Stelle, die die Kapitalertragsteuer abgeführt hat, und die Stelle, die den Kapitalertrag bescheinigte, auseinanderfielen. Durch dieses Auseinanderfallen gab es die Möglichkeit, sich zweimal etwas erstatten zu lassen, was man aber nur einmal bezahlt hat . Schon allein an diesem Punkt - sich zweimal etwas erstatten zu lassen, was man nur einmal bezahlt hat - erkennt man die kriminelle Energie; denn es versteht sich von selbst, egal nach welcher Gesetzgebung, dass das wohl nicht richtig sein kann, zumal schon die Erstattung ein Entgegenkommen gegenüber dem Steuerzahler ist . Man räumt einen Grund für die Erstattung ein, und plötzlich will einer die Erstattung doppelt haben . Ich würde sogar auf jeglichen Verweis auf die Gesetzgebung verzichten und sagen, dass es sich von selbst versteht, dass man das nicht macht . Das ist unanständig und kriminell . ({0}) - Wenn sich das für Sie nicht von selbst versteht, dann finde  ich  auch  das  verwerflich.  Gewisse  moralische  Grundsätze gelten auch für die Grünen . Da wir und auch das BMF offensichtlich die Komplexität eine gewisse Zeit unterschätzt haben - ich zumindest; vielleicht haben manche hier das rechtzeitig gesehen -, waren unsere ersten Regelungen unzureichend . Auch das wurde schon erwähnt . Wir haben nämlich nur die Inlandsfälle geregelt . Die Lücken waren dann dicht, wunderbar . Aber die freundlichen Herren haben sich dann grenzüberschreitende Modelle überlegt, die von uns erst wieder ganz langsam entdeckt werden mussten . Dazu muss man sagen: Es ist nicht so, dass wir im Parlament im Regelfall solche Gestaltungsmodelle und die Vollzugsverwaltung in den Blick nehmen, sondern wir machen Gesetze und gehen davon aus, dass sie eingehalten werden . Wenn nicht, dann ist das ein kriminelles Verhalten, und die Strafverfolgungsbehörde kümmert sich darum .

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Binding, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Schick?

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Probieren wir es einmal . - Also, eine Frage von Gerhard Schick . ({0}) - Ja, klar . Danke .

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, ich bin in der Lage, eine Frage zu stellen . - Es ist von Ihnen und von Kollegen Hauer dargelegt worden, dass das von Anfang an als betrügerisch, also als kriminell, zu bewerten gewesen ist . Vielleicht ist die Frage, die ich dazu stellen möchte, aus Ihrer Sicht schon zu beantworten; aus meiner Sicht ist das noch offen . Wenn klar war, dass es kriminell ist, warum hat dann die Finanzaufsichtsbehörde zehn Jahre lang zugelassen, dass Banken in Deutschland in einem Milliardenumfang kriminelle Geschäfte machen, ohne einzuschreiten? ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin mir gar nicht sicher, ob der BaFin das von Anfang an klar war . ({0}) Die Frage ist, ob man von Anfang an merken konnte, was da eigentlich passiert; denn die Gesetzeslage war klar, und auch die Erstattung war zunächst ganz klar . Dann gab es eine zweite Erstattung . Die war zwar kriminell, aber sie ist nicht aufgefallen, weil in diesem System die beiden Stellen, von denen ich sprach, auseinanderfielen  und auf diese Weise nicht festgestellt werden konnte, was passiert . Ich glaube, dass die BaFin oder andere Aufsichtsbehörden, die sich darum vielleicht kümmern konnten, zunächst gar nicht gemerkt haben, was passiert . Daraus, dass jemand etwas übersehen hat, kann man sicherlich einen Vorwurf ableiten. Deshalb finde ich es gut, dass wir  nach einer geraumen Zeit gesetzgeberisch aktiv wurden, wie gesagt, nicht vollständig und nicht umfänglich, weil nur die Inlandsfälle geregelt wurden . Daran erkennt man, dass ganz viele Leute - übrigens auch Sie und ich - gar nicht gemerkt haben, was da tatsächlich passiert . Deshalb ist uns wichtig, sich nicht nur um die Vergangenheit zu kümmern, sondern auch um die Zukunft . Denn wir wissen auch in dieser Sekunde nicht, was geschieht und ob nicht vielleicht kriminelle Dinge passieren . Es ist also wichtig, sich darum zu kümmern . Trotzdem darf man nicht vergessen, dass ein Parlament keine Vollzugsverwaltung ist . Insofern sind wir auf Hinweise angewiesen . Denen sollte man nachgehen . Ich glaube, ein Versäumnis ist gewesen, dass man bestimmten Hinweisen nicht schnell genug nachgegangen ist . Darum müssen wir uns auch im Untersuchungsausschuss darum kümmern . Was ich gerne vermeiden würde, ist, dass wir uns jetzt vornehmlich und ausschließlich um die Exekutive kümmern, aber die Gauner und die Betrüger und die Diebe und die Kriminellen aus dem Blick verlieren . Ich meine, dass wir im Untersuchungsausschuss unseren Blick sehr stark darauf lenken müssen, wer am Markt in welcher Weise agiert, wie er sich verhält, mit welchem Ziel und auf wessen Kosten er dies tut . Auch das wurde schon gesagt: Der Steuerbetrüger betrügt ja nicht irgendwie den abstrakten Staat, sondern er betrügt seinen Nachbarn, der seine Steuern ehrlich bezahlt, und das sind die meisten. Wie wir wissen, fließen  die höchsten Steuereinnahmen aus der Einkommen- und Lohnsteuer sowie aus der Mehrwertsteuer . Insofern haben sich Menschen mit relativ gutem Einkommen an jenen bereichert, die ein relativ schlechtes Einkommen haben . Ich glaube, das ist eine Sache, die es sich zu untersuchen lohnt . Wir wissen inzwischen, wie das Problem gelöst wurde, nämlich, was gar nicht einfach ist, durch einen vollständigen Systemwechsel . Wir mussten das alte System verlassen . Ich bin froh, dass das BMF so eine gute Lösung gefunden hat; diese Lösung wurde ja nicht im Parlament entwickelt . Ich glaube, das Finanzministerium hat eine sehr gute Arbeit geleistet . Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir sagen: Es herrscht auch kein Mangel an Transparenz . Die Fragen der Opposition waren sehr gut . Auch die Linken haben Fragen in dieser Richtung gestellt . Ich glaube, es gab sogar eine Kleine Anfrage, die sehr ausführlich beantwortet worden ist . Außerdem gibt es eine öffentliche Kontrolle, wofür wir ebenfalls sehr dankbar sind . Klaus Ott, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, hat sehr ausführlich recherchiert . Er kam zu dem Ergebnis: Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nötig . Er hat alle Akten, die ihm wichtig waren, einsehen können . Es war ihm möglich, sehr weitgehend zu recherchieren . Er war mit hinreichenden Erkenntnissen ausgestattet, um den Gesamtvorgang zu beurteilen . In diesem Fall war der Journalismus wieder ein gutes Stück voraus . Deshalb meinte er, ein Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Aber wenn wir denken,  es wäre eine gute Sache, sich das Ganze noch einmal anzuschauen, dann sollten wir das machen . Außerdem ermitteln die Staatsanwaltschaften . Was uns damals gestört hatte, war die Idee, einen Sonderermittler einzusetzen; denn der Sonderermittler ist kein Instrument des Parlaments, sondern ein Instrument Lothar Binding ({1}) der Regierung . Wir haben gemeint: Wenn sich jemand darum kümmern sollte, dann wir . ({2}) - Ich hatte angeregt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen . ({3}) Aber die einfache Begründung dagegen war, dass seinerzeit Prozesse liefen, die wir abwarten sollten, auch um mehr über die Geschäfte zu lernen . Das ist ja relativ einfach, weil es um Betrug und nicht um falsche Gesetzgebung geht . Insofern ist die Interpretation der Gesetzgebung hinsichtlich der betrügerischen Absichten eigentlich eindeutig abgegrenzt . Dass das Gebaren rechtswidrig ist, ist völlig klar . Es ist gut, dass wir jetzt einen Untersuchungsausschuss einsetzen . Allerdings steht in der Antragsbegründung ein Wort, das mich ein bisschen irritiert hat; dort ist nämlich von einem „Ermittlungsbeauftragten“ die Rede . Meine Sorge ist, dass wir in dem Untersuchungsausschuss sehr viel beauftragen und sehr wenig selber tun . Mein Anspruch an den Untersuchungsausschuss ist aber, dass wir selbst Aktenstudium betreiben, um eigenständig urteilsfähig zu werden . ({4}) Dass wir dabei neben der Exekutive die Betrüger nicht vergessen, ist sicherlich eine wichtige Aufgabe des Parlaments . Gelingt uns das, haben wir eine Gesamtschau dessen, was auf dem Markt passiert ist; dann kommen wir sicher zu guten Ergebnissen, verbunden mit der Hoffnung, dass wir daraus auch gesetzgeberische Konsequenzen für die Zukunft ableiten können . Schönen Dank . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Philipp Graf Lerchenfeld für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Philipp Lerchenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004340, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es freut mich, dass wir heute bei diesem Antrag der Opposition feststellen können, dass die Opposition tatsächlich lernfähig ist . ({0}) Sie hat von Januar bis September immer gefordert, einen Sonderermittler einzusetzen, während wir Ihnen vernünftigerweise vorgegeben haben, einen Untersuchungsausschuss einzufordern . ({1}) Jetzt fordern Sie ihn ein, und damit ist eigentlich endlich etwas erfüllt worden, das wir schon lange gefordert haben . Vielen herzlichen Dank, dass Sie so klug sind, unseren Rat anzunehmen . Ich hoffe, dass das ein gutes Beispiel für die Zukunft ist und dass Sie häufiger das tun,  was wir Ihnen raten . ({2}) Der Auftrag an den Untersuchungsausschuss ist mit einem sehr umfangreichen Fragenkatalog versehen . Es wird sicherlich nicht einfach sein, alle diese Fragen zu beantworten . Sie sind teilweise sehr allgemein gefasst und teilweise sehr detailliert . Aber letztendlich wird der ganze komplexe Sachverhalt, der von dem Kollegen schon beschrieben wurde, nicht vollumfänglich erfasst . Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass diese Fälle komplexen Steuerbetrugs derzeit noch aufgeklärt werden, dass noch nicht alle Fakten vorliegen, dass verschleiert wurde und noch nicht alles vollständig klar ist . ({3}) Kürzlich akzeptierte die HVB eine Geldbuße von fast 10 Millionen Euro, da sie in den Jahren 2005 bis 2008 entsprechende Geschäfte über ihre britische Tochter abgewickelt hat . Die Strafe für die Bank war deswegen so gering, weil sie selber tatkräftig an der Aufklärung mitgearbeitet hat . Denn sonst wären diese komplizierten Sachverhalte nicht aufzuklären gewesen . Die Gesamtkosten einschließlich der Steuernachzahlung für die Bank beliefen sich angabegemäß auf insgesamt circa 250 Millionen Euro . Die Aufklärung ist immer noch im Gange . Zahlreiche Steuerfahnder und Staatsanwälte ermitteln weiterhin und erhoffen sich, dass allein durch das Beispiel der HVB vielleicht auch andere Banken sich jetzt dazu durchringen, endlich den Sachverhalt aufzudecken, damit das gesamte Ausmaß des Betrugs deutlich wird . Das Beispiel der HVB zeigt aber auch, wie unglaublich kompliziert dieser Sachverhalt ist . Es wird schwierig und langwierig sein, eine vollständige Aufklärung zu erreichen . Die ersten Hinweise auf diese Betrügereien kamen vom Bankenverband bereits im Jahr 2002 . Allerdings waren sie nicht so konkret, dass sie zu entsprechenden Prüfungen geführt haben . Vor allem hatte man nicht die heutigen Erkenntnisse . Die Modelle waren außerdem mit größtmöglicher Verschleierung konstruiert . Damit ist Lothar Binding ({4}) eine Entdeckung sehr, sehr schwierig geworden . Ich bin sehr gespannt, ob es uns jetzt gelingen wird, in dem Untersuchungsausschuss Klarheit in die Sache zu bringen . Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition,  interessant finde  ich  Ihre Frage 3  im Antrag zur  Einsetzung des Untersuchungsausschusses . Sie fragen danach, „welche Stellen und welche Personen auf der staatlichen Seite nicht rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um Cum-Ex-Geschäfte zu unterbinden, und damit für den entstandenen Schaden einerseits formal und andererseits tatsächlich mitverantwortlich sind“ . Nun frage ich mich - und ich bin schon sehr gespannt darauf -, ob Sie dann im Ausschuss den früheren Bundeskanzler Schröder und den früheren Bundesfinanzminister  Eichel  als  Zeugen  benennen  wollen.  Denn letztendlich geht das Ganze auf das Gesetz zur Unternehmensteuerreform von 1999 zurück, das unter diesen Herren geschaffen wurde . Dadurch wurde die Lücke für Cum-Ex-Geschäfte erst geöffnet . Oder werden Sie, wie vorhin der Kollege Hauer ganz richtig gefragt hat, Frau Christine Scheel als ehemalige Vorsitzende des Finanzausschusses im Untersuchungsausschuss befragen? Sie war von 1998 bis 2005 Vorsitzende des Finanzausschusses und hätte als solche auch reagieren können . Sie können nicht das Ganze uns in die Schuhe schieben; ein bisschen davon müssen Sie auch in Ihren eigenen Schuhen suchen . Der Fragenkatalog beinhaltet auch Fragen zur Reduzierung des gesamten entstandenen Schadens, zu Vorkehrungen zur Vermeidung ähnlicher Gestaltungen und dazu, ob Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Bund  und Ländern auf dem Gebiet des Vollzugs der Steuergesetze durch eine Gesetzesänderung oder sogar durch eine Änderung des Grundgesetzes behoben werden müssen . Das sind sehr umfangreiche Fragenkomplexe, die viel Fachkenntnis und Expertenwissen erforderlich machen . Ich bin gespannt, welche Antworten wir letztlich erhalten werden und ob und vor allem auch wann wir angesichts dieser komplexen Fragen mit einem befriedigenden Ergebnis des Untersuchungsausschusses rechnen können . Wir werden im Untersuchungsausschuss konstruktiv mitarbeiten, ({5}) und ich freue mich schon auf diese Arbeit . Vielen Dank . ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Dr . Jens Zimmermann hat für die SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im Finanzausschuss schon die eine oder andere Debatte über dieses Thema geführt . An dieser Stelle hat gerade mein Kollege Lothar Binding immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Untersuchungsausschuss eigentlich das geeignete Instrument zur Aufklärung dieses Themas ist. Deswegen finde ich es auch nur folgerichtig,  dass Sie Ihr Anliegen mit diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses jetzt ins Parlament bringen . Wir - das kann ich für die SPD-Fraktion sagen werden die Arbeit unterstützen; denn auch wir haben natürlich ein Erkenntnisinteresse . Man sollte aber nicht verkennen: Wenn man mit das schärfste Schwert zieht, das wir als Parlament haben - ein Untersuchungsausschuss -, dann ist das auch mit einer gewissen Verantwortung verbunden . Damit gehe ich auf die Begründung zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses ein . Da fällt ganz oft das Wort „Sonderermittler“ . Es ist vollkommen richtig - darauf wurde schon hingewiesen -: Im PUAG ist dieses Instrument rechtlich geregelt . Deswegen ist es vollkommen legitim, dass ein Untersuchungsausschuss am Ende sich auch dessen bedient . Aber Sie sollten nicht glauben - das will ich für unsere Fraktion schon an dieser Stelle klarmachen -, dass es so geht: Wir als Parlament setzen jetzt einen Untersuchungsausschuss ein, dieser Untersuchungsausschuss beauftragt dann jemanden, der die ganze Arbeit macht, ({0}) und die Parlamentarier treffen sich dann zwei- oder dreimal, um die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen . Ich verbringe seit einem Jahr jeden Donnerstag einer Sitzungswoche zwölf Stunden im NSA-Untersuchungsausschuss - auch mit Ihren Kollegen, mit Herrn Ströbele und Herrn von Notz . Das ist Arbeit . Das macht viel Arbeit . Nur dann, wenn wir als Parlamentarier diesen Untersuchungsausschuss am Ende auch mit Leben füllen, verdient er wirklich die Einsetzung . ({1}) Wir als SPD-Fraktion werden sehr genau darauf achten und sehr darauf drängen, dass Sie dieser Arbeit im Untersuchungsausschuss nachkommen . ({2}) Einfach einen Sonderermittler einsetzen, und das war es - das wird es mit uns nicht geben, meine Damen und Herren . ({3}) Lassen Sie mich, wenn ich beim Entwurf des Einsetzungsbeschlusses bin, noch auf einen Punkt eingehen, den ich doch sehr bemerkenswert finde. Unter Nummer 5  zielen Sie auf die öffentlich-rechtlichen Banken ab . Das finde  ich  vollkommen  in  Ordnung;  denn  wir  haben  in  der Bankenkrise gesehen, dass dort in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden und nicht alles so gelaufen ist, wie wir uns das vorstellen . Aber gerade heute Morgen ist über die Ticker und durch die Medien gegangen: Die HypoVereinsbank hat jetzt eine Strafe gezahlt - genau zum Thema der Cum-Ex-Geschäfte . Ich frage mich: Wollen wir das überhaupt nicht aufklären? Wollen wir uns nicht darüber unterhalten, was mit den privaten Banken ist? Eine Sache bei einem Untersuchungsausschuss ist das habe ich in dem einen Jahr auch gelernt -, dass man den Einsetzungsbeschluss präzise formuliert . Wenn wir nicht hineinschreiben, dass wir uns zum Beispiel auch um die privaten Banken kümmern wollen, dann wird das am Ende im Untersuchungsausschuss auch nur schwer möglich sein . Das sollten wir dann also noch tun, meine Damen und Herren . ({4}) Zum Abschluss . Wir sollten eines nicht vergessen und auch mit einer gewissen Demut an die ganze Sache herangehen . Es ist immer unglaublich leicht, zwölf Jahre später zu fragen: Warum hat man damals nicht? Das ist richtig . Es kann nicht das Interesse des Parlaments sein, zu versuchen, Dinge, die vor vielen Jahren falsch gelaufen sind, irgendwie unter den Teppich zu kehren . Aber ich glaube, wir müssen an dieser Stelle schon auch ein bisschen schauen, wie das Umfeld damals war . Eines haben wir doch in der Zeit seit 2008 gesehen: Wir sind als Gesetzgeber nach der Finanzkrise unglaublich aktiv geworden . Wir haben sehr viele Lücken geschlossen und Probleme gelöst, die zuvor existiert haben . Auch in den Banken hat ein Kulturwandel eingesetzt, der uns aber bei weitem noch nicht weit genug und nicht schnell genug geht . Wir sollten an dieser Stelle nicht vergessen, auch die Rolle der Banken ordentlich unter die Lupe zu nehmen . Denn am Ende des Tages waren all diese Geschäfte vor allem deshalb möglich, weil es willige Helferinnen und Helfer gab, und diese möchte ich auch zur Verantwortung ziehen . Vielen Dank und schönes Wochenende . ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache . Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/6839 an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16 . Dezember 2015, 13 Uhr, ein . Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung ist geschlossen .