Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle .
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass
wir vor Eintritt in unsere Tagesordnung noch einen Geschäftsordnungsantrag behandeln müssen . Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben fristgerecht beantragt,
die heutige Tagesordnung um die Beschlussempfehlung
des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte
zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS zu erweitern und
heute Morgen als ersten Tagesordnungspunkt mit einer
Debattenzeit von 77 Minuten zu beraten .
Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Kollegin
Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Präsident hat ausgeführt, worum es bei dieser Aufsetzungsbitte geht . Wir möchten, dass heute in zweiter und
dritter Lesung über das Bundeswehrmandat zum Einsatz
in Syrien beraten und dann auch darüber abgestimmt
wird . Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang .
({0})
Wenn zwischen den Fraktionen Einvernehmen besteht,
dann geschieht das in der Regel bei solchen Ansinnen
ohne Geschäftsordnungsdebatte . Heute haben wir dieses
Einvernehmen nicht erzielt . Deswegen müssen wir diese
Debatte führen und später darüber abstimmen .
Aber warum haben wir diesen Antrag überhaupt eingebracht? Wir haben ihn eingebracht, weil wir die Entscheidung über dieses Thema für abstimmungsreif halten. Es gibt ein klar definiertes Mandat. Das ist bekannt,
seit Frankreich die Bitte an uns gestellt hat, konkrete Unterstützung zu leisten . Es gab dann eine Sondersitzung
des Kabinetts, in der dieses Mandat konkretisiert wurde,
und es gab Zeit, in den Fraktionen und in den Ausschüssen darüber zu beraten . In der Befragung der Bundesregierung am Mittwoch standen der Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier und die Bundesverteidigungsministerin Frau von der Leyen zur Verfügung . Es gab
dann die Möglichkeit, bei der Einbringung des Antrags
in der ersten Lesung Fragen zu stellen und alle Bedenken
zu äußern . Deswegen glauben wir, dass alle notwendigen
Informationen gegeben wurden .
({1})
Es mag sein, dass trotz dieser Informationen Kolleginnen und Kollegen diese Entscheidung heute nicht mittragen und den Antrag ablehnen werden . Die gibt es auch in
den Reihen der SPD-Fraktion . Es sind aber grundsätzliche Erwägungen, die diese Entscheidung leiten, und sie
werden sich auch nicht dadurch verändern, dass wir eine
weitere Woche darüber diskutieren . Denn wenn man eine
solche grundsätzliche Einstellung zu militärischen Einsätzen hat, dann wird einen auch weitere Beratungszeit
nicht davon abbringen .
({2})
Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die die
Rechtsgrundlage infrage stellen . Sie teilen diese Rechtsauffassung nicht . Auch das ist zu respektieren . Aber auch
da würde eine weitere Beratung nicht helfen, weil dieses
Mandat nicht verändert werden würde .
({3})
Deswegen würde sich die Entscheidung auch in zwei Wochen nicht auf andere Rechtsgrundlagen stützen . Deswegen sind wir der Meinung, eine weitere Beratung würde
die Entscheidung in all diesen Fragen nicht beeinflussen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Tagen war das Wort „Schweinsgalopp“ zu hören . Als Kritik
wurde geäußert, das sei alles im Hauruckverfahren erfolgt
und man müsse noch ausführlich darüber debattieren .
Es ist kein ungewöhnlicher Vorgang, wie wir in dieser
Woche verfahren haben . Er sollte nicht zur Regel werden, aber es ist wahrlich kein ungewöhnlicher Vorgang .
Ich bin seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages
und habe schon die eine oder andere Frage mitentschieden, die noch in ganz anderen Zeitabläufen beraten wurde . Ich denke dabei insbesondere an meine Anfangszeit,
als es mich auch sehr beeindruckt hat, in welcher Geschwindigkeit über manches abgestimmt wird .
({4})
Ich kann mich noch an Mandate zum Einsatz im Kosovo, in Albanien, in Osttimor erinnern . Aber besonders in
Erinnerung ist mir der Afghanistan-Einsatz 2001 . Dafür
gab es am 21 . Dezember einen Kabinettsbeschluss . Er
wurde am 21 . Dezember dem Bundestag zugeleitet . Am
22 . Dezember gab es die erste Lesung im Bundestag .
Es gab die Ausschussberatung am 22 . Dezember . Am
22 . Dezember, also innerhalb von zwei Tagen, gab es
dann auch die zweite und dritte Lesung .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist 2001, wie
man unschwer erkennen kann, unter Rot-Grün geschehen . Das zeigt: Es gibt besondere Situationen, die solche
Zeitabläufe notwendig machen . Bei Afghanistan war das
so . Wir meinen, es ist auch heute so, um Solidarität zu
zeigen mit Frankreich, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit dem Ansinnen, das die französische Regierung
an uns gerichtet hat .
Die Fragen, die gestellt wurden, sind beantwortet .
Ich glaube, es ist Zeit, dass wir heute in dieser Debatte
die Hintergründe für die jeweilige Entscheidung austauschen - dafür ist Zeit; das sollten wir tun - und dann auch
abstimmen, und zwar heute .
Vielen Dank .
({6})
Die Kollegin Sitte hat nun das Wort für die Fraktion
Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Lambrecht, es ist kein normaler Vorgang; es ist ein ungewöhnliches Verfahren .
({0})
Dass Sie ausgerechnet Afghanistan als Beispiel anführen! Das ist genau das Beispiel, das uns lehren sollte:
Macht es anders! Lasst euch mehr Zeit! Überlegt mehr!
({1})
Wir wissen ja nach 14 Jahren Afghanistan, wie die Ergebnisse sind .
Heute geht es um nichts Geringeres als einen Beschluss über den bislang größten Kampfeinsatz der Bundeswehr . Wir haben derzeit 3 040 Soldaten im Ausland
im Kampfeinsatz, und heute sollen 1 200 dazukommen .
Das alles soll das Parlament innerhalb von drei Tagen
entscheiden . Das heißt, wir entscheiden hier innerhalb
von drei Tagen, ob Deutschland wieder in den Krieg
zieht oder nicht . Wir wollen uns als Opposition nicht im
Tornado-Tempo in diese Debatte und in diesen Krieg hineinziehen lassen .
({2})
Wir haben schon vor diesen Debatten im Bundestag,
also in der letzten Woche, versucht, Einzelheiten über
den Kampfeinsatz zu erfahren . Es gab verschiedene Informationen und von uns immer wieder Nachfragen: Wie
sollen die Einzelheiten dieses Kampfeinsatzes aussehen?
Da haben wir die Information bekommen: Nein; ist noch
nicht bekannt; dazu können wir noch gar nichts sagen . So weit, so gut; so weit, so unglaubwürdig,
({3})
weil nämlich am letzten Sonntag in den überregionalen
Medien genau diese Informationen gekommen sind .
({4})
Die Journalisten haben gesagt: Uns liegt die Vorlage vor,
die an den Bundestag geht . - Das ist ein unglaublicher
Vorgang, den Sie hier organisiert haben .
({5})
Nicht genug damit, dass uns diese Informationen nicht
schon am Sonntag oder Montag zugegangen sind - sie
sind erst am Dienstag in die Fraktionen gekommen . Erst
am Mittwochmorgen haben reguläre parlamentarische
Beratungen begonnen . Im Zuge der Selbstbefassungsrechte der Ausschüsse ist in den normalen Ausschusssitzungen über dieses Mandat geredet worden . Erst am
Nachmittag hat es die erste Lesung zu diesem Mandat im
Plenum gegeben .
({6})
Das heißt, erst da hatten wir als Parlament eine Grundlage, um den gesamten parlamentarischen Verlauf zum
Abschluss zu bringen .
({7})
Erst am Nachmittag haben Sie dann in Sondersitzungen Ihre mit Mehrheit gefassten Beschlüsse durchgebracht . Insgesamt haben die Ausschüsse im Schnitt zwei
Stunden damit verbracht, über dieses heikle Mandat zu
reden . Viele Fragen sind vollkommen unbeantwortet geblieben .
({8})
Was ist in diesen Ausschusssitzungen strittig gewesen? Ich bringe mal eine kleine Auswahl, um auf Frau
Lambrecht zu erwidern und zu zeigen, dass die Fragen
nicht beantwortet worden sind .
Es ist strittig, wie Ihre Strategie im Umgang mit Syrien aussieht .
({9})
Demzufolge ist strittig, welches Ziel mit diesem Einsatz
verfolgt werden soll .
({10})
Es ist strittig, warum Deutschland einen Beitrag leisten
soll, mit dem ein Beitrag verstärkt werden soll, den andere schon leisten und der bekanntermaßen nur mit mäßigem oder gar keinem Erfolg geleistet wird .
({11})
Es gibt also kein klares Ziel . Demzufolge gibt es auch
keine klaren Kriterien für eine Exit-Strategie .
Strittig ist weiter, warum es keines weiteren UN-Mandats bedarf .
({12})
Sie verweisen auf eine UN-Resolution und haben zugleich in den Beratungen am Mittwoch hier gesagt, dass
in den vorausgegangenen UN-Resolutionen immer das
Kapitel VII Grundlage gewesen sei .
({13})
Frau Kollegin, Sie denken bitte daran, dass wir die
Sachdebatte anschließend führen .
({0})
Selbstverständlich . - Ausgerechnet in der UN-Resolution, auf die Sie sich beziehen, taucht das nicht auf . Also
ist es strittig, ob wir eine saubere völkerrechtliche Grundlage für den Einsatz haben, den wir heute beschließen
sollen .
Meine Damen und Herren, schließlich ist strittig, wie
das Verfahren zu dem Beistandsfall aussehen muss . Es
gibt kein Beispiel dafür . Das ist das erste Mal in Europa . Bei NATO-Bündnisfällen muss ein Beschluss gefasst
werden .
({0})
Hier soll eine mündliche Einlassung des französischen
Präsidenten reichen?
({1})
Das ist ein unglaublicher Vorgang . Das müssen wir hier
viel ausführlicher und sauber klären .
({2})
Das ist nur eine Auswahl unbeantworteter Fragen . Für
viel problematischer halte ich es, dass Sie sich dieser
Diskussion und einer weiteren Debatte verweigern .
({3})
Schließlich halte ich es für unverantwortlich, dass sich
das Parlament in ein Abenteuer stürzt, nicht wissend, ob
die Entscheidung, die es hier und heute fällt, tatsächlich
eine falsche Entscheidung sein könnte . Ich halte es für
unverantwortlich, dass Sie das nicht durch eine weitere
und tiefer gehende Diskussion vorbereiten .
Ich kann Ihnen nur sagen - und damit gebe ich die
Worte eines Kollegen wieder -: Wer aus Solidarität das
Falsche tut, tut dennoch das Falsche .
({4})
Michael Grosse-Brömer hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Opposition will mit dieser Geschäftsordnungsdebatte die notwendige Mandatierung der Bundeswehr für einen Einsatz in Syrien für den Kampf gegen
den IS verschieben .
({0})
- Nicht durchführen .
Ich halte das für falsch und für wenig verantwortungsvoll .
({1})
Ich will Ihnen das auch gerne erklären . Frau Sitte, wir haben hier Ihre Ausführungen gehört, aber ich habe keinen
nachvollziehbaren Grund von Ihnen gehört .
({2})
Ein erster Grund ist rechtlicher Natur . Wir haben eine
Geschäftsordnung, die unsere Abläufe regelt . Ich sage
Ihnen: Weder haben Sie einen Grund genannt, noch gibt
es einen solchen Grund . Wir haben alle Bestimmungen
des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und der Geschäftsordnung eingehalten . Das ist zunächst einmal die Arbeitsgrundlage .
({3})
Ein zweiter Grund ist inhaltlicher Natur . Man kann in
der Sache unterschiedlicher Auffassung sein .
({4})
Es geht aber nicht nur um die inhaltliche Frage, sondern
auch darum, wann man debattiert .
({5})
Hier aber zu behaupten, Sie hätten gar keine Möglichkeit, das Mandat überzeugend zu bewerten, das grenzt ja
nun wirklich an Heuchelei .
({6})
Wir haben das zwei Mal im Ausschuss beraten . Es gab
eine Regierungsbefragung dazu . Wir haben ausführlich
darüber debattiert . Wir können ja auch in der nächsten
oder übernächsten Woche abstimmen . Vielleicht kann
sich jetzt einmal der Kollege von den Linken melden, der
in der nächsten Woche eine völlig andere Auffassung zu
diesem Mandat haben wird und der völlig anders abstimmen wird .
({7})
Ich will noch etwas zu der Frage sagen, ob man den
Inhalt überzeugend bewerten kann oder nicht überzeugend bewerten kann .
({8})
Ich danke Frau Kollegin Göring-Eckardt, die in der
ersten Debatte Folgendes gesagt hat - ich zitiere -:
Während andere schon am Wochenende mit einem
einfachen Nein
- damit könnten Sie eventuell gemeint sein ({9})
oder einem bedingungslosen Ja entschieden haben,
haben wir
- also die Grünen das vorliegende Mandat sehr bewusst ausgiebig geprüft und debattiert . Ich kann nur sagen: Sie haben
uns nicht überzeugt .
Letzteres finde ich schade, aber Ersteres dokumentiert, dass Sie umfangreich informiert worden sind und
umfangreich debattiert haben . Sie müssen heute nur noch
entscheiden .
({10})
Deswegen will ich Ihnen eines sagen: Es sind weder
rechtliche Gründe noch inhaltliche Gründe, es sind politische Gründe für die Opposition, heute diese GO-Debatte zu machen . Das kann ich Ihnen ganz einfach erklären:
Sie sind entscheidungsfähig, aber Sie wollen nicht entscheiden . Sie wollen vertagen, verschieben, verschleppen, und wir als Koalition wollen unserer Verpflichtung,
Deutschlands Rolle in der Welt gerecht werden .
({11})
Wir wollen den Soldaten zeigen: Wir sind entscheidungsfähig . Wir wollen Frankreich zeigen: Wir versprechen
nicht nur Solidarität, wir sind auch in der Lage, sie umzusetzen . Letztlich wollen wir Deutschlands Rolle beim
Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch vernünftig mandatieren,
({12})
und zwar zügig, überzeugend, rechtlich einwandfrei .
Und wenn Sie klug sind, machen Sie da noch mit .
({13})
Britta Haßelmann hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank . - Herr Präsident! Meine Damen und
Herren auf den Besuchertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Inhaltliche Gründe, warum Sie diesen
Tagesordnungspunkt heute aufsetzen wollen und warum
Sie heute über das Mandat entscheiden wollen, haben
weder Frau Lambrecht noch Herr Grosse-Brömer geliefert . Meine Damen und Herren, das muss man doch mal
festhalten .
({0})
Ich meine, Ihre Erklärung, Frau Lambrecht, die wäre mir
peinlich gewesen, abgrundtief peinlich .
({1})
Ich sage nur etwas zum Beratungsverfahren . Meine
Damen und Herren Zuhörende, es ist nicht üblich, dass
man ein Bundeswehrmandat von einer solchen Tragweite
innerhalb von einer Woche berät und durch das Parlament bringt . Deshalb müssen heute auch Union und SPD
um Aufsetzung bitten; denn bisher war gar nicht vorgesehen, dass wir darüber diskutieren . Also: Kein normaler
Vorgang, sondern eine besondere Situation, und die ist
aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt .
({2})
Denn wir haben noch weitere Sitzungen in diesem Jahr in
der übernächsten Woche .
({3})
Deshalb könnten in aller Sorgfalt und in aller Ausführlichkeit in den Fachausschüssen auch in der nächsten Sitzungswoche noch offene Fragen diskutiert und beraten
werden .
({4})
- Alle, die dazwischenbrüllen, das sei geschehen, sind
anscheinend ein bisschen aufgeregt ob der Tatsache, dass
sich vielleicht noch mehr Widersprüche im Mandat entwickeln könnten, wenn die Beratungszeit sich verlängert .
({5})
Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht zur Sache
reden - das machen gleich andere -, aber die Beratungen
im Auswärtigen Ausschuss haben das doch gezeigt im
Hinblick auf die Rolle der Türkei und die Frage „Liefert
man Bilder, ja oder nein?“ . Da ist das Mandat inzwischen
verändert worden - innerhalb von drei Tagen, in denen es
uns vorliegt .
Zur Chronologie . Ich will Ihnen erklären, warum wir
heute nicht dafür sind und warum wir finden, dass man
mit mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit beraten muss . Union und SPD befinden sich doch hier im Kosmos dieses
Parlamentes . Außerhalb dieses Parlamentes haben wahnsinnig viele Leute Verständnis dafür, dass in Sorgfalt und
Ruhe über einen so weitgehenden Einsatz beraten wird .
Das findet hier statt . Die Selbstversicherung „Wir sind
bereit, wir sind die Große Koalition“ ist der Sache nicht
angemessen, meine Damen und Herren .
({6})
Wir wurden am Donnerstag letzter Woche 30 Minuten lang vom Außenminister über Gespräche zwischen
Frankreich und Deutschland informiert . Wir haben eine
Regierungsbefragung zum Mandat durchgeführt . Die hat
30 Minuten gedauert .
({7})
Wir haben 77 Minuten im deutschen Parlament über diesen Einsatz diskutiert . Ich will nur mal auf die Briten verweisen . Die haben zehn Stunden im Parlament über das
Für und Wider eines Syrien-Einsatzes debattiert
({8})
und nicht 77 Minuten oder am Ende dieses Tages zweimal
77 Minuten, meine Damen und Herren . Völlig falsch!
({9})
Am Sonntag hat uns der Generalinspekteur der Bundeswehr schon mal via Bild am Sonntag die Details zum
Mandat präsentiert . Wir als Parlamentarier kannten sie
nicht . Am Montagmorgen berichteten Tagesschau, Der
Spiegel, dpa ausführlich über das Mandat . Es lag allen
drei Medien vor, im Gegensatz zum Parlament . Am
Dienstag bekamen wir dann auch den Mandatstext geliefert . Am Mittwoch fand die erste und gleichzeitig auch
abschließende Ausschussberatung statt . So viel zum Thema „Sorgfalt der Beratungen“ . Heute debattieren wir in
abschließender Lesung . Es kann doch nicht sein, dass
man weder die Bundeswehr noch das Mandat noch das
Parlament ernst nimmt, meine Damen und Herren .
({10})
Es gibt dafür keinen sachlichen Grund . Es gibt ihn nicht .
Sie beide haben ihn nicht geliefert . Ich glaube, dass der
Grund der ist, dass die SPD Bundesparteitag hat und dass
dann unbequeme Fragen gestellt werden .
({11})
Heute Morgen sagte Thomas Oppermann im Morgenmagazin: Parlamentsarmee heißt nicht, dass wir wochenlang diskutieren müssen . - Das verlangt auch niemand .
({12})
Aber es muss eine anständige und sorgfältige Diskussion
geben und kein Schnellverfahren .
({13})
Euch steht doch das Wasser bis zum Hals angesichts eures Parteitages . Das ist doch das Problem .
({14})
Meine Damen und Herren, es gibt viele offene Fragen . Es gibt keine Auskünfte zu den Einsatzregeln und
-beschränkungen .
Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen: Sie nehmen doch den einzelnen Abgeordneten nicht ernst, ob
aus unserer Fraktion oder aus ihren Fraktionen . Deshalb
überrascht es mich so, dass Sie alle das als Abgeordnete
mitmachen . Wir sind doch selbstbewusste Abgeordnete .
({15})
Frau Kollegin .
Wir wollen doch sagen können: Wir haben das zu verantworten und deshalb sorgfältig geprüft . - Wo bleibt eigentlich Ihr Standing, verdammt noch mal?
({0})
Wir kommen zur Abstimmung . Wer für den Aufsetzungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen . Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der
Aufsetzungsantrag angenommen .
Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 5 auf:
- Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte
zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51
der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den
Resolutionen 2170 ({1}), 2199 ({2}), 2249
({3}) des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen
Drucksachen 18/6866, 18/6912
- Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
Drucksache 18/6913
Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke vor . Über die Beschlussempfehlung sowie
über einen Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke
werden wir später namentlich abstimmen .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 77 Minuten vorgesehen . - Das ist offenkundig einvernehmlich . Dann verfahren wir so .
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion .
({5})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Anschläge von Paris werden sich ins europäische
Gedächtnis einbrennen . Ebenso müssen wir an andere
Gewaltorte erinnern - Sindschar, Aleppo, Beirut, Bagdad, Bamako und viele andere Orte -, in denen der IS so
brutal und grenzenlos zugeschlagen hat . Meine Fraktion
ist überzeugt: Es gibt keine isolierte militärische Lösung
gegen diesen gewaltsamen Extremismus . Aber der „Islamische Staat“ muss eingedämmt werden .
({0})
Meine Damen und Herren, anders als mancher glaubt,
scheint es im Bundestag dazu eine gemeinsame Auffassung zu geben, zumindest gewinnt man den Eindruck,
wenn man sich einige Einträge im Netz anschaut . Mit Erlaubnis des Präsidenten würde ich gerne zitieren:
Ich fahre jetzt zur türkisch-syrischen Grenze . Solidarität mit den tapferen kurdischen Kämpferinnen!
Halte Stand, Kobane .
Annette Groth, Fraktion Die Linke, 5 . Oktober 2014 .
({1})
Kobane befreit vom Joch der ISIS . . . Es lebe der Widerstand in Kobane .
Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke.
. . . eine wichtige Erfolgsmeldung: . . . die Stadt . . .
({2}) . . . vom IS zu befreien . . . . Möglich wurde die Befreiung . . . durch eine breite Allianz kurdischer Gruppierungen, . . . bis hin zu den Peschmerga
der irakisch-kurdischen Regionalregierung .
Ulla Jelpke, Die Linke, 19 . November 2015 .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben eines
übersehen - offensichtlich haben Sie sich gescheut, es
aufzuschreiben -: Es waren auch die Angriffe aus der
Luft und die Unterstützung vonseiten Deutschlands bei
der Ausbildung der Peschmerga, die genau dazu geführt
haben .
({4})
Ich werfe Ihnen das nicht vor - man kann das ja mal übersehen -, nur, ich bitte um Redlichkeit . Vielleicht stellen
Sie sich auch mal hier in den Deutschen Bundestag und
sagen: Ja, vielleicht bin ich auch zerrissen .
Ich sage: Ich bin stolz, Mitglied einer sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu sein, die diese Zerrissenheit und eine lange Debatte in der Fraktion zulässt;
möglicherweise ringt der eine oder andere Kollege hier
noch mit sich. Ich finde, das ist Parlamentarismus, und
das müssen Sie zeigen .
({5})
Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat stellt Deutschland militärische Technik und militärisches Gerät zur Verfügung, die andere Nationen so
nicht bieten . Wir glauben, das ist angemessen und politisch vertretbar. Insbesondere ist festzuhalten: Es findet
nicht alleine statt . Damit folgen wir der grundsätzlichen
Festlegung, die wir hier im Deutschen Bundestag, in der
Bundesregierung, aber auch in Europa getroffen haben .
Wir agieren immer gemeinsam mit europäischen Partnern und bieten das an, was wir politisch verantworten
können . Das ist, glaube ich, die Essenz der Diskussion
hier im Deutschen Bundestag .
Es gibt in der Mandatsbegründung überzeugende
rechtliche Herleitungen . Die Resolutionen sind angesprochen worden . Insbesondere die UN-Sicherheitsratsresolution 2249 hat in den Beratungen eine wichtige
Rolle gespielt . Ich möchte die Resolution 2249 zitieren,
die mit allen Stimmen des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen beschlossen worden ist . Da wird von „einer der
schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ gesprochen; das ist der Bezug zur
Charta der Vereinten Nationen . Die Staatengemeinschaft
wird aufgefordert, die Bedrohung „mit allen Mitteln zu
bekämpfen“ . Es wird in der Sicherheitsratsresolution darauf hingewiesen, dass auch die irakische Regierung um
den Einsatz gebeten hat, weil eine Bedrohung des irakischen Gebiets von außen, durch ISIS, stattfindet. - Ich
finde, das sind drei Bemerkungen, drei Festlegungen des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die so deutlich
sind, dass diese Aufforderung auch trägt . - Das ist die
eine Sache .
Die zweite Sache . Die Bundesregierung war genauso
klug beraten, als sie sich entschied, den Lissabon-Vertrag
in der Mandatsbegründung anzuführen, im Hinblick auf
die Solidarität zu Frankreich, aber auch zu vielen anderen
Nationen, die in den vergangenen Jahren von islamistischem Terror betroffen waren . Artikel 42 ({6}) EUV trägt
als Grundlage einer europäischen Politik . Was wollen Sie
eigentlich gegen eine solche europäische Politik einwenden? Da bekennt sich Deutschland letztlich doch zu dem,
was diese Gemeinschaft wertvoll gemacht hat, nämlich
europäische Solidarität zu üben .
({7})
Der letzte Punkt - ihn hat der Justizminister eingebracht -: der Bezug des Mandats auf das System kollektiver Sicherheit, also auf das, was das Bundesverfassungsgericht von uns verlangt .
In der Tat: Kapitel VII der UN-Charta ist in der Mandatsbegründung nicht ausdrücklich erwähnt . Aber das
hat leider auch etwas mit der internationalen Situation zu
tun, mit der Erfahrung aus Libyen - gar keine Frage -,
aber auch damit, dass es keine Einigkeit über die Zukunft
von Assad gibt . Genau deswegen führen wir doch die Gespräche in Wien: damit wir ein gemeinsames politisches
Konzept für Syrien erreichen . In der Sicherheitsratsresolution 2249 wird ausdrücklich gewürdigt - das wollen
Sie nicht wahrhaben -, dass sich dieses Mandat innerhalb des politischen Rahmens der Konferenz von Wien
befindet, die die Bundesregierung und viele andere europäische Regierungen erst möglich gemacht haben . - Ich
finde, das ist auch unter Berücksichtigung der rechtlichen
Fragen, die gestellt sind, eine gute Herleitung .
Meine Damen und Herren, ich finde, dass gerade das,
was die Bundesregierung in den letzten Wochen im Rahmen der Debatte immer wieder gefordert hat, nämlich die
Stärkung der Vereinten Nationen, eines der wichtigsten
Argumente für die Solidarität ist, die Deutschland üben
sollte. Der Einsatz findet in einem System kollektiver Sicherheit statt .
({8})
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
stand die Charta der Vereinten Nationen im Mittelpunkt;
es war uns wichtig, die Instrumentarien, die die Vereinten
Nationen vorhalten, zu nutzen . Es war der deutsche Außenminister, der de Mistura, den Beauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, endlich in Wien an
den Tisch gebracht hat .
({9})
Dort wurden der Zeitplan und letztlich auch die Ziele
verabredet, die da lauten: lokale Waffenruhen, Übergangsregierung und Wahlen .
Heute Morgen war zu lesen, dass Ban Ki-moon, der
Generalsekretär der Vereinten Nationen, gesagt hat, dass
er hofft und mit der internationalen Staatengemeinschaft
dafür arbeitet, dass es gelingt, zu dieser Waffenruhe zu
kommen . Es wäre schon ein Fortschritt, lokale Waffenruhen zu vereinbaren . Wir Sozialdemokraten wollen
gleichzeitig - auch das ist Bestandteil der Verabredungen
von Wien - endlich das Finanzsystem austrocknen,
({10})
das dem IS diese Möglichkeiten erlaubt, und auch die
Hintermänner dingfest machen . Genau das wird auch in
der Resolution 2170 des Sicherheitsrates gefordert .
({11})
Deswegen sagen wir sehr selbstbewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es lohnt sich, innerhalb des Systems der Vereinten Nationen an der Verwirklichung des
Ziels - das wir alle im Deutschen Bundestag haben -,
in Syrien, aber auch in anderen Gebieten so schnell wie
möglich zum Frieden zu kommen, zu arbeiten . Das haben wir in den vergangenen Jahren im Rahmen einer
politischen Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten
immer wieder versucht .
Ich kann mich an die eine oder andere kritische Bemerkung von Ihnen erinnern . Sie haben gesagt: Eine Einigung mit dem Iran wird nie gelingen, Sie brauchen sich
nicht auf den Pfad der Vereinten Nationen zu begeben . Wir stimmen heute auch darüber ab, dass das ein gutes
Mittel ist . Das Ziel Deutschlands bleibt es, Frieden für
die Menschen in Syrien zu erreichen .
({12})
Dennoch will ich darauf hinweisen - auch wenn es
eine entsprechende Verabredung im Rahmen der Vereinten Nationen in Wien gegeben hat -, dass für meine
Fraktion feststeht: Die Vereinbarung von Wien darf nicht
die Verfolgung schlimmster Verbrechen in Syrien verhindern . Deswegen bin ich der Bundesregierung dankbar,
dass unter der deutschen Präsidentschaft im Menschenrechtsrat Dossiers über schwerste Menschenrechtsverletzungen erstellt wurden . Die internationale Strafjustiz
muss in den nächsten Jahren über die dafür Verantwortlichen entscheiden . Genau dahin wird die Entwicklung
gehen . Das ist auch ein Teil des Systems der Vereinten
Nationen . Ich wäre dankbar, wenn Sie zumindest diese
Möglichkeit weiterhin ins Auge fassen und uns bei dieser
wichtigen Arbeit unterstützen würden .
({13})
Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen . Meine
Fraktion hätte heute gerne einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Ich finde es schade, Herr Kollege Kauder, dass es dazu nicht
gekommen ist .
({14})
Es gibt viele Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung . Gerade weil es auch um den politischen Rahmen
dieser Frage geht, hätte eine selbstbewusste Koalition
hier und heute einen Entschließungsantrag vorlegen können .
({15})
Auch an die Bundesregierung habe ich eine Bitte . Ich
weiß, wie wichtig der Partner Saudi-Arabien gerade im
Zusammenhang mit der Zusammenführung von Oppositionsparteien ist, die wichtig sind, um die in Wien vereinbarte Lösung umzusetzen. Aber ich finde dennoch, dass
öffentlich auch angesprochen werden muss: Die Staatsideologie Saudi-Arabiens ist ein Teil des Nährbodens für
den „Islamischen Staat“; das gehört nach meinem Dafürhalten zu einer ehrlichen Debatte dazu .
({16})
Ich habe es eben angesprochen: Meine Fraktion hat
sich wirklich Zeit genommen, um über das Mandat zu
beraten . Einige meiner Kolleginnen und Kollegen haben
die Befürchtung geäußert, das Mandat könnte das Risiko von Anschlägen in Deutschland erhöhen . Ich kann
das persönlich nicht ausschließen . Aber ich will deutlich
sagen: Deutschland ist längst im Fokus des internationalen Terrorismus . Es ist dem Zufall, dem Glück, aber
auch der Aufklärungsarbeit zu verdanken, dass das eine
oder andere verhindert wurde . Ich glaube, die Terroristen
in Paris haben ganz bewusst das Fußballspiel Deutschland gegen Frankreich als Ziel gewählt; denn dann wären noch mehr deutsche Terroropfer unter den Verletzten
oder Toten gewesen . Der entscheidende Punkt wird sein,
ob auch die Gesellschaft in Deutschland es versteht, mit
dieser Herausforderung umzugehen .
Ich erinnere mich: Vor zweieinhalb, drei Jahren habe
ich in einer Schule mit, glaube ich, 150 Schülerinnen und
Schülern diskutiert . Dort musste ich eine Diskussion mit
einem Jungen, der 17 oder 18 Jahre alt war, führen, der
der Meinung war: Eigentlich ist das Kalifat besser als
die Demokratie . Ich war entsetzt . Ich habe mich dieser
Diskussion gestellt, aber ich war entsetzt, wie teilnahmslos Schülerinnen und Schüler und Lehrer dieser Debatte gefolgt sind . Ich habe mir schon damals gewünscht,
dass eine Auseinandersetzung stattfinden würde. Sie ist
dringend notwendig . Diese Auseinandersetzung müssen
wir jetzt führen, weil es letztlich eine Angelegenheit der
gesamten Gesellschaft ist, dagegen vorzugehen . Deswegen appelliere ich auch von dieser Stelle: Das ist eine
Aufgabe des gesellschaftspolitischen Dialogs - in allen
Institutionen, nicht nur in diesem Parlament, sondern in
der gesamten Gesellschaft .
({17})
Deswegen: Wir müssen festhalten an sozialer Demokratie, an Freiheit und an Respekt; denn das sind die besten
Mittel im Kampf gegen einen gewaltsamen Extremismus .
Vielen Dank .
({18})
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Sahra
Wagenknecht das Wort .
({0})
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bundeskanzlerin! Bei der bewegenden Trauerfeier
vor einer Woche in Paris zum Gedenken an die Opfer
der Terroranschläge wurde das Lied Quand on n’a que
l’amour des großen Chansonniers und Pazifisten Jacques
Brel gesungen, das in krassem Kontrast zur Kriegsrhetorik des französischen Präsidenten stand .
Quand on n’a que l’amour
Pour parler aux canons . . .
Wenn man nur die Liebe hat, um zu den Kanonen zu sprechen . - Das ganze Lied ist eine Hommage an die Liebe
und an den Frieden und eine klare Absage an Gewalt und
Krieg . Die Zeremonie wurde auch hier in Deutschland
übertragen . Ich wünschte, Sie alle, die heute zustimmen
wollen, hätten dieses Lied gehört und seine Botschaft
verstanden .
({0})
Vor genau drei Wochen sind in Paris 130 Menschen
einem barbarischen Terrorakt zum Opfer gefallen . Die
Täter waren nahezu ausschließlich französische und belgische Staatsbürger, aufgewachsen in den verwilderten
Vorstädten von Brüssel und Paris . Und jetzt stellen Sie
sich hin und sagen, dass wir den IS dadurch schwächen
und bekämpfen, dass wir ebenso unschuldige Menschen,
Frauen und Kinder in Rakka und anderen syrischen Städten, bombardieren und dadurch töten . Was ist denn das
für ein Wahnsinn? Ich frage Sie: In welchem Jahrhundert
leben wir eigentlich?
({1})
Wenn Sie hier sagen, Sie haben sich das gar nicht
leicht gemacht und darüber nachgedacht und wir, die wir
Nein sagen, hätten keinen Plan, wie man das anders machen kann, dann sage ich: Doch, es gibt einen anderen
Plan . Es gibt nur einen anderen Plan . Krieg macht alDr. Rolf Mützenich
les nur noch schlimmer . Sie bekämpfen den IS dadurch
nicht . Sie werden ihn stärken mit diesem Einsatz .
({2})
Rakka ist eine Stadt mit 200 000 Einwohnern . Bei
den letzten Bombardements wurden Krankenhäuser und
Schulen getroffen. Es gibt keine offiziellen Zahlen über
die Opfer, aber man kann fest davon ausgehen, dass allein der Bombenkrieg der letzten drei Wochen in Syrien
mehr Zivilisten getötet hat als die barbarischen Anschläge in Paris . Und auch die Mütter von Rakka weinen um
ihre Kinder . Auch Bombenkrieg ist Terror .
({3})
Wollen die kriegführenden Staaten wirklich in einen
Wettstreit mit dem IS treten, wer sich aufs Morden besser
versteht? Wer das tut, der hat doch schon verloren .
({4})
Der französische Wirtschaftsminister Macron hat nach
den Anschlägen gesagt, die französische Gesellschaft sei
„für den Nährboden“ verantwortlich, auf dem der Terror
gedeihen kann .
({5})
Gegen das „Gleichheitsversprechen“ - alles Zitat
Macron - der französischen Republik werde tagtäglich
verstoßen . „Wir haben die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten beendet“, sagte er . - Sie behaupten, Sie wollen mit
Frankreich solidarisch sein . Ich frage Sie: Mit welchem
Frankreich? Mit dem der politischen Klasse, das auch
schon in der Vergangenheit schlimmste Kriege verantwortet hat - ich erinnere nur an den in Algerien -, oder
mit der französischen Bevölkerung, die vor allem in Frieden und Sicherheit leben will?
({6})
Ich sage Ihnen: Wenn Sie echte Freundschaft und
echte Solidarität mit Frankreich wollen, dann sollten Sie
beispielsweise aufhören, diesem Land über Brüssel eine
Austeritätspolitik aufzuzwingen, die immer mehr junge
Menschen ihrer Zukunft beraubt . Das wäre echte Solidarität . Da könnten Sie mal einen Schritt vorangehen .
({7})
Deshalb noch einmal: Es ist eine schlichte Lüge, dass
dieser Kriegseinsatz den IS schwächen wird . Das ist auch
der Unterschied zum Kampf der kurdischen Verbände
vor Ort .
({8})
Vielleicht konnte man vor 14 Jahren noch glauben, dass
sich das Problem des Terrorismus durch Bombenkriege lösen lässt, aber heute doch nicht mehr, nach all den
Erfahrungen, die gemacht wurden . 2001 haben Sie entschieden, die Bundeswehr nach Afghanistan zu schicken .
Seit 14 Jahren wird dort ein Krieg geführt, dem Tausende
Zivilisten und auch über 50 Bundeswehrsoldaten zum
Opfer gefallen sind . Und was ist das Ergebnis? Heute
haben die Taliban in Afghanistan mehr Rückhalt in der
Bevölkerung als je zuvor . Dieser ganze Krieg war ein
einziger großer Fehlschlag . Sie könnten das ruhig selbst
mal zugeben .
({9})
2003 ist Bush mit seiner „Koalition der Willigen“ in
den Irak einmarschiert . Saddam Hussein wurde gestürzt .
Sechs Monate später gründete sich der „Islamische
Staat“, und heute beherrscht er den halben Irak . 2011
wurde Libyen bombardiert. Gaddafi wurde gestürzt. Seither herrscht Chaos, und der „Islamische Staat“ hat sich
auch in Libyen etabliert . Und das Gleiche in Syrien . Das
Pentagon hat doch vor kurzem selbst zugegeben, dass diverse islamistische Terrorgruppen und anfänglich sogar
der IS von den USA unterstützt wurden, um Assad zu
schwächen . Das ist doch die traurige Wahrheit: Es war
der Westen, und es waren vor allem die Vereinigten Staaten, die das Monster geschaffen haben,
({10})
das uns alle heute in Angst und Schrecken versetzt . Das
ist die Wahrheit; die wollen Sie nicht hören . Aber es ist
das Produkt unserer Kriege, der westlichen Kriege in dieser Welt .
({11})
Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Janecek
zu?
Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Kollegin Wagenknecht, dass Sie
diese Zwischenfrage zulassen . - Auch ich werde wie Sie
gegen diesen Einsatz stimmen . Aber ich frage mich doch
sehr, ob Sie in Ihrer Argumentation nicht etwas einseitig
agieren .
({0})
Sie beklagen zu Recht die zivilen Opfer bei den Luftschlägen in Rakka . Was ist aber mit den Luftschlägen der
russischen Seite, zum Beispiel in der Region von Homs?
Ich kenne einen syrischen Flüchtling, der genau in dieser
Region seine Familie hat und darüber klagt, dass die russischen Bomber seit Mitte September hier massive Einsätze mit vielen Opfern fliegen. Dazu kommt kein Wort
von Ihnen,
({1})
kein Wort auch von Herrn Bartsch in der Debatte letzten
Mittwoch .
({2})
Sind Sie da auf einem Auge blind, dass Sie den Westen
für alles verantwortlich machen, aber die verheerenden
Einsätze der Russen nicht in diesen Kontext stellen?
({3})
Ich finde es ja wirklich beeindruckend, dass Sie alle
klatschen, wenn jemand die zivilen Opfer der russischen
Bomben anspricht .
({0})
Selbstverständlich sind diese Opfer genauso tragisch
wie die Opfer der Bomben der Franzosen, wie die Opfer
der Bomben der Amerikaner, wie die Opfer aller anderen Bomben . Dieser Bombenkrieg ist das falsche Mittel .
Bomben schaffen keinen Frieden, egal ob sie von Russland, egal ob sie von den USA, egal ob sie von Frankreich abgeworfen werden .
({1})
Das haben wir überall so gesagt . Ich habe gestern auf einer Demonstration hier vor dem Reichstag gesprochen,
zu der wir mit eingeladen hatten . Ich habe dort genau das
Gleiche gesagt .
Es ist doch unehrlich: Sie klatschen und sagen, dass
diese Opfer falsch sind - das ist auch in die Presse gekommen -,
({2})
aber Sie stimmen heute einem Militäreinsatz zu, der ganz
viele weitere Opfer mit sich bringen wird .
({3})
Das ist doch einfach verlogen . Wenn Sie gegen Bomben
sind und wenn Sie die russischen Bomben verurteilen,
dann reichen Sie, bitte schön, nicht mit Ihren Tornados
die Hand dafür, dass dort andere Bomben fallen und Zivilsten töten . Das wäre konsistent, das wäre konsequent .
({4})
Dann hätte ich auch Respekt vor Ihnen .
({5})
Natürlich: Ich weiß sehr gut, dass Assad ein Diktator
ist, der sein Land brutal unterdrückt . Aber ich weiß genauso gut, dass es in Washington noch nie um Demokratie und Menschenrechte ging, wenn in selbstherrlicher
Arroganz darüber entschieden wurde, welche Diktatoren
dieser Welt gestützt und hochgerüstet und welche Diktatoren destabilisiert und gestürzt werden sollen . Es ging
doch bei all diesen Kriegen nie um etwas anderes als um
Gas, um Öl und um Einflusssphären. Für solche Ziele
haben mittlerweile 1,3 Millionen Menschen mit ihrem
Leben bezahlt .
({6})
- Klischees? 1,3 Millionen Menschenleben, und Sie reden von Klischees? Dieser Zwischenruf kann doch wohl
nicht Ihr Ernst sein! Ich finde das wirklich ungeheuerlich.
({7})
Es waren diese Kriege, die den Nahen und Mittleren
Osten in einen Brandherd verwandelt haben, aus dem
heute Millionen Menschen um ihres nackten Überlebens
willen fliehen. Es ist ein großes Versagen der europäischen Politik, den USA bei ihren Kriegen viel zu lange
die Hand gereicht und den Rücken freigehalten zu haben .
({8})
2001, als der sogenannte Krieg gegen den Terror begann,
gab es weltweit einige 100 international gefährliche Terroristen . Heute, nach 14 Jahren des sogenannten Antiterrorkrieges, sind es Hunderttausende . Wollen Sie, dass es
Millionen werden? Dann müssen Sie genau so weitermachen und die Spirale aus Krieg und Gewalt immer weiter
antreiben .
({9})
Im Jahr 2000 kamen weltweit 3 000 Menschen bei Terroranschlägen ums Leben . Im letzten Jahr waren es schon
30 000 . Sie wissen ganz genau, dass Sie mit der heutigen Entscheidung natürlich auch die Anschlagsgefahr in
Deutschland erhöhen . Nein, ich sage Ihnen: Wer den IS
wirklich schwächen will, der muss ihn von Waffen, Finanzen und Nachschub an neuen Kämpfern abschneiden .
({10})
Das heißt, er muss die Courage haben, den Terrorpaten
unter Ihren vermeintlichen Verbündeten, also der Türkei
und den Saudis, endlich das Handwerk zu legen .
({11})
Es ist doch ungeheuerlich, dass der Ölschmuggel über
die türkische Grenze bis heute nicht unterbunden ist und
jede Nacht 100 neue Dschihadisten - zurzeit sind es noch
mehr - diese Grenze überqueren, die den Nachschub des
IS bilden. Ich finde, statt Syrien zu bombardieren, sollten Sie lieber mal Erdogan dazu bringen, endlich sein
falsches Spiel zu beenden . Es ist übrigens auch dieser
Erdogan, der die kurdischen Gruppen, die dort wirklich
tapfer kämpfen, bombardiert, nicht zuletzt auch mit deutschen Waffen . Das ist doch der Skandal . Das ist die ganze
Verlogenheit dieser Politik .
({12})
Hören Sie auf, Waffen an Saudi-Arabien und Katar zu
liefern! Wir legen heute einen Entschließungsantrag zum
sofortigen Stopp der Waffenexporte an Saudi-Arabien,
Katar, die Türkei und die Kriegsregion vor . Wer diesem
Entschließungsantrag seine Stimme verweigert, der soll
bitte nie wieder von sich behaupten, er wolle den islamistischen Terror schwächen .
({13})
Das ist dann nämlich wirklich pure Heuchelei .
({14})
Wer heute zustimmt, der führt Deutschland in einen
Krieg mit völlig unkalkulierbaren Eskalationsgefahren,
({15})
in einen Krieg, für den es kein Mandat der Vereinten
Nationen gibt, der völkerrechtswidrig ist und klar dem
Grundgesetz widerspricht; denn weder Frankreich noch
Deutschland werden in Rakka und Aleppo verteidigt .
Wer heute zustimmt, der schickt unsere Soldaten in einen Krieg, in dem bereits 14 andere Staaten kämpfen:
nebeneinander, miteinander, gegeneinander . Es gibt keine gemeinsamen Ziele, und es gibt keine gemeinsame
Strategie, noch nicht mal innerhalb der NATO-Staaten,
geschweige denn darüber hinaus .
Die Wiener Friedensgespräche - noch vor einer Woche hatten wir das Gefühl, dass Herr Steinmeier wirklich
ehrlich an deren Erfolg arbeitet ({16})
werden durch die Eskalation des Krieges natürlich noch
viel mehr erschwert und nicht etwa erleichtert . Das ist
doch alles verantwortungslos!
({17})
Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, was die sogenannten Antiterrorkriege wirklich gebracht haben . Krieg
ist Terror, der neuen Terror hervorbringt .
({18})
Ich sage Ihnen: Das ist so, als wollten Sie Papst
Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert gesagt hat - ({19})
- Ich bin gleich am Ende .
({20})
- Sie wollen das nicht hören, aber Sie werden es noch
öfter hören müssen, weil dieser Krieg leider lange dauern wird . - Es ist, wie gesagt, so, als wollten Sie Papst
Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert gesagt hat:
Wenn Ihr wüsstet, mit wie wenig Aufwand von
Verstand die Welt regiert wird, so würdet Ihr Euch
wundern .
Aber eine hochgerüstete Welt mit Atomwaffen kann es
sich nicht leisten, ohne Verstand regiert zu werden; denn
das ist einfach zu gefährlich . Deshalb wird die Linke
heute geschlossen gegen diesen Kriegseinsatz stimmen .
({21})
Norbert Röttgen ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
verdient Respekt, wenn Mitglieder dieses Hauses am
Ende gegen diesen Einsatz stimmen . Wer aber - wie Sie,
Frau Wagenknecht, durchgehend in Ihrer Rede - die Verteidigung gegen den Terror auf eine Stufe mit dem Terror
stellt, der offenbart nicht nur ein Maß an ideologischer
Verwirrung, sondern auch an Infamie, das dem Ernst dieser Debatte nicht gerecht wird .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahrzehnten haben wir Europäer die Region des Mittleren Ostens praktisch allein den USA überlassen; seit Jahren haben wir
diese Region sich selber überlassen . ISIS-Terror, Assad,
Fassbomben auf die eigene Bevölkerung, jetzt auch eine
russische Militärintervention und Hunderttausende von
Toten sind die Folgen .
Die Anschläge von Paris haben uns in Europa gezwungen, zu erkennen, dass die Region des Mittleren
Ostens nicht im Süden von Amerika liegt, sondern unsere Nachbarregion ist und dass Terror und Krieg in dieser
Region - in Syrien und im Irak - eine Frage von Sicherheit in Europa, in Deutschland und Frankreich ist . Das ist
es, was wir erkennen müssen .
({1})
Es wird zu Recht viel über das Verhältnis von Politik
und Militär bei diesem Einsatz gesprochen . Meine Überzeugung ist, dass die weitreichendste politische Dimension des militärischen Einsatzes, über den wir heute abstimmen, genau darin liegt, dass wir Europäer endlich die
politische Verantwortung für diese Region, auch im Namen und Interesse unserer eigenen nationalen Sicherheit,
annehmen . Darum geht es, und das steht auf dem Spiel .
({2})
Nichthandeln und Zusehen hat es lange genug gegeben . Die Verantwortung liegt nun darin, zu handeln .
Das Handeln wirft politische, militärische, rechtliche
und auch menschliche Fragen auf, zu denen ich jeweils
kurz etwas sagen möchte .
Zu den politischen Fragen . Ich glaube, alle haben aus
den schweren Fehlern gelernt, die gemacht worden sind .
Alle haben gelernt: Ohne ein politisches Konzept sind
militärische Mittel zum Scheitern verurteilt .
Es fehlt uns nicht an den politischen Vorstellungen .
Wir wissen, was zu tun ist: Wir wissen, dass wir auf den
Irak einwirken müssen, dass es endlich zu einer wirklichen Beteiligung von Sunniten und Kurden an der Macht
kommt, damit die Sunniten am Ende nicht doch ISIS
mehr vertrauen als der Regierung in Bagdad;
({3})
wir wissen, dass wir mit der Türkei reden müssen, dass
sie sich der Priorität, ISIS zu bekämpfen, anschließt und
nicht an erster Stelle das Kurden-Problem sieht; wir wissen, dass wir mit Russland kooperieren müssen, weil
Russland dort ein Machtfaktor ist, und so weiter . Wir
wissen das alles .
Worum es geht, ist, dass wir das endlich tun . Es geht
darum, Konsequenzen zu ziehen; es geht um das Tun .
({4})
Es geht auch darum, zu beantworten: Wer ist „wir“?
({5})
Ich möchte darauf eine Antwort geben und gleichzeitig
auch eine Aufforderung an die Bundesregierung richten:
Ich glaube nicht, dass „wir“ Deutschland ist oder dass
„wir“ Frankreich ist . Meine Aufforderung an die Bundesregierung ist, dass wir, wie in anderen Fällen - den
Nuklearverhandlungen, dem Normandie-Format oder
dem Weimarer Dreieck -, auch gegenüber der Region
des Mittleren Ostens ein europäisches Handlungsformat
entwickeln . Das gibt es noch nicht . Das brauchen wir,
und wir müssen es jetzt entwickeln .
({6})
Die schwersten externen Herausforderungen für Europa kommen zu einer Zeit, in der Europa in der schlechtesten Verfassung seit seinem Bestehen ist .
({7})
Dieses Zusammentreffen ist ein Teil der historischen Situation, in der wir uns befinden. Wir müssen in dieser
Krise die Chance nutzen, zu zeigen, dass Europa etwas
kann und dass Europa eine Notwendigkeit ist . Darum
müssen wir Europa in dieser Situation einsetzen .
({8})
Ich komme zum militärischen Aspekt . Noch einmal da stimmen alle zu -: Ohne Politik macht Militär keinen
Sinn . Ich stelle hier aber auch einen zweiten Satz in den
Raum, nämlich dass wir die Umkehrung dieses Satzes als
Teil der Realität im Mittleren Osten akzeptieren müssen:
Ohne militärische Präsenz des Westens in Syrien, im Irak
und im Mittleren Osten wird die Diplomatie keine Chance haben, meine Damen und Herren .
({9})
Es ist Realität: Wenn wir die Region ISIS, Assad und
Putin überlassen, dann wird es keine diplomatischen Lösungen geben; denn für diese Machthaber, für den russischen Präsidenten ist Diplomatie nicht das Regulativ,
sondern die Resultante von Macht, vor allen Dingen von
militärischer Macht . Darum bedarf es auch der militärischen Präsenz des Westens in dieser Region .
Ich komme zu den rechtlichen Fragestellungen . Manche empfinden die Rechtsfragen immer als eine Förmelei . Ich glaube, man kann und darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass spätestens seit der Schrift Immanuel
Kants Zum ewigen Frieden
({10})
die Idee des Rechts als Instrument des Friedens Eingang
nicht nur in die europäische Aufklärung, sondern auch
in die Begründung und Entwicklung des internationalen
Rechts, des Völkerrechts gefunden hat . Darum spiegelt
sich im Recht die Legitimation zum Einsatz des äußersten Mittels, nämlich militärischer, staatlicher Gewalt .
({11})
Hier stellen sich auch neue Herausforderungen . Das
Recht, das Völkerrecht, das Verfassungsrecht sind auf
Staatenhandeln, auf Kriege zwischen Staaten orientiert .
Wir haben es aber nicht mit einem Staat zu tun, sondern
wir haben es mit einem nichtstaatlichen, vielleicht quasistaatlichen Akteur zu tun, der von dem Territorium eines
Staates seinen Terror auf uns richtet .
Manche auch hier im Hause vertreten die Auffassung,
dass genau deswegen, weil dieser Terror von einem anderen Staat ausgeht, aber nicht der Staat selber handelt,
sondern die Terrortruppe, die staatliche Souveränität ausschließt, dass wir uns gegen diesen Terror wehren . Wenn
wir uns dieser Auffassung anschließen würden, meine
Damen und Herren, die das Völkerrecht als Schutz für
Terror ansieht, dann würde sich das Völkerrecht von einer Schutzordnung gegen Gewalt zu einer Schutzmacht
für die ungestörte Ausübung terroristischer Gewalt verwandeln . Diese Perversion von Recht dürfen wir nicht
zulassen .
({12})
Herr Kollege Röttgen, darf Ihnen der Kollege Neu
eine Zwischenfrage stellen?
Nein, das möchte ich nicht . - Darum glaube ich, dass
die völkerrechtliche Grundlage, das Selbstverteidigungsrecht, vorliegt . Es ist legitim und legal, sich gegen diese
Angriffe zu wehren .
Meine Auffassung ist, dass das auch der verfassungsrechtliche Gedanke ist, wie der Kollege Mützenich ausgeführt hat . IS erklärt: Auch ihr seid in unserem Fadenkreuz . IS erklärt sich zum Urheber des Terrors . Darum,
glaube ich, handeln wir mit diesem Einsatz zur Verteidigung Deutschlands, wie es in Artikel 87 a des Grundgesetzes vorgesehen ist, meine Damen und Herren .
({0})
Die Bundesregierung hat sich nicht dazu durchgerungen, dieses Neuland zu betreten . Sie hat sich auf Artikel 24 des Grundgesetzes berufen . Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, das zu entscheiden .
Politisch ist für mich entscheidend, dass es eine verfassungsrechtliche Grundlage gibt . Auf dieser Grundlage ist
die Zustimmung möglich .
({1})
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen . Politisch: Ja, es gibt viel zu tun . Aber wir können und müssen anfangen, etwas zu tun . Das ist kein Gegenargument .
Militärisch: Ja, es gibt einen Mangel an Bodentruppen .
Durch die Anschläge hat sich die sicherheitspolitische
und militärische Lage erst einmal nicht grundsätzlich geändert . Aber es gab auch bislang schon militärische Erfolge, und wir werden die militärische Ausstattung verbessern . Rechtlich: Ja, da müssen wir vielleicht Neuland
betreten . Aber wir haben es eben auch mit neuartigen Bedrohungen unserer Sicherheit zu tun . Darauf muss auch
das Recht eine Antwort finden.
Wen das alles nicht überzeugt, dem möchte ich ein
letztes Argument entgegenhalten - ich richte mich an
diejenigen, die für Überzeugungsbildung offen sind -: Es
geht darum - das macht es klar und eindeutig -, sich in
die Opfer des Terrors hineinzuversetzen, sich als Mutter
oder Vater oder Großeltern nur in ein Mädchen zu versetzen, das verkauft wird, damit der Terror finanziert werden
kann, das verkauft wird und dann schrecklich behandelt
und misshandelt wird . Es geht darum, sich das Gesicht
nur eines Mädchens vorzustellen . Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass diese Brutalität und Menschenverachtung absoluter Alltag sind, dann kann ich denjenigen, die
erwägen, heute mit Nein zu stimmen, eine Anmerkung
nicht ersparen, und ich möchte sie Ihnen mitgeben: Ich
finde, es braucht schon verdammt gute Argumente, wenn
man angesichts dieser Menschenverachtung und Brutalität mit Nein stimmt, für eine Fortsetzung des Nichthandelns .
({2})
Gute Argumente für ein Nichthandeln gibt es nicht . Es ist
Zeit, zu handeln, am allermeisten für die Opfer, die wir
beschützen wollen .
({3})
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Neu das
Wort .
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mützenich hat
gerade davon gesprochen, dass ein Vorgehen nach Kapitel VII der UN-Resolution nicht möglich sei, da man sich
im UN-Sicherheitsrat nicht darüber hat einigen können .
Das ist richtig, weil es unterschiedliche politische Konzeptionen für Syrien gibt . Moskau hat dem wohl nicht
zugestimmt, weil Sie auf einen Regimewechsel von außen setzen; das ist der Punkt . Weil man jetzt der Auffassung ist, dass eine gemeinsame Resolution des Sicherheitsrates nach Kapitel VII nicht erreicht wird, möchte
man Lufttruppen entsenden und sich beteiligen, um vor
Ort eine Lösung gegen Russland zu erzwingen . Das war
im Übrigen auch der Tenor des Kollegen Röttgen . Mir
wurde während seines Vortrags nicht klar, wer in seinen
Augen der größere Gegner ist, die russische Regierung
oder der IS . Das wurde nicht deutlich . Ich hatte eher den
Eindruck, dass es die Russen sind .
({0})
Ihnen fehlen die Voraussetzungen eines Vorgehens
nach Kapitel VII . Das sind keine Peanuts . Ich meine, wir
kennen das aus dem Kosovo; da war es genauso . Im Irakkrieg haben wir damals nicht so richtig mitgemacht . Aber
letztlich gehen wir den Schritt weiter und machen ohne
eine Kapitel-VII-Mandatierung mit .
Zweitens . Sie trauen Ihrer Selbstverteidigungsklausel selber nicht . Ich habe mir den Antrag noch einmal
genau angeschaut . Sie verweisen auf Paris, das ist okay .
Dann aber verwenden Sie ein seltsames Hilfskonstrukt .
Sie verweisen auf den Irak und sagen, der IS habe von
Syrien aus den Irak angegriffen und der Irak müsse sich
selbst verteidigen, auch kollektiv . Besser kann man die
Geschichte kaum verdrehen . Der IS ist ein Produkt der
Vorgänge im Irak und hat seine Übergriffe auf Syrien
ausgeweitet, nicht umgekehrt . Sie erstellen ein interessantes Hilfskonstrukt und sagen: Weil der Irak und die
syrische Regierung sich nicht selbst verteidigen können,
gehen Sie dazu über, die amerikanische Doktrin von
„unable and unwilling“ zu übernehmen, und zwar wortwörtlich in diesem Antrag . Sie versuchen, rechtliches
Neuland zu betreten . Sie versuchen, eine neue Interventionsdoktrin von „unable and unwilling“ hier zu praktizieren und völkerrechtskonform zu machen . Das wird Ihnen
nicht gelingen .
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen .
Wenn ein Land das Selbstverteidigungsrecht für sich
in Anspruch nehmen kann, dann ist das die syrische Regierung, die immer noch legitim ist, ob einem das gefällt
oder nicht . Es gibt ein Schreiben der syrischen Regierung
an den UN-Sicherheitsrat vom 17 . September, in dem die
syrische Regierung den Westen via Sicherheitsrat auffordert, sich aus dem syrischen Territorium zurückzuziehen .
Aber das interessiert Sie nicht . Wenn ein Land das Recht
auf Selbstverteidigung hätte, dann wäre das die syrische
Regierung, ungeachtet der Frage, ob die Regierung gut
ist oder nicht gut ist .
Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Kollegin Wagenknecht, auch ich habe große
Zweifel, ob dieser Einsatz sinnvoll ist . Aber Sie können
doch nicht wirklich ernsthaft den Versuch des Kampfes
gegen den IS gleichsetzen mit dem Einsatz Russlands auf
der Seite der Truppen von Assad . Es ist Assad, der für
75 Prozent der Toten verantwortlich ist, Assad, der seine eigene Bevölkerung mit Fassbomben bewerfen lässt,
Assad, der Tausende von Menschen in seinen Folterkellern hat ermorden lassen . Das kann und das darf man
nicht gleichsetzen . Das ist einfach eine Frechheit .
({0})
Herr Röttgen, Sie haben uns mit Ihrem sogenannten
letzten Argument und dem Hinweis auf das Mädchen angesprochen . Herr Röttgen, auch uns nimmt das sehr mit,
und wir denken sehr intensiv darüber nach, was zu tun
ist, um das Morden in der Region zu stoppen . Aber ein
Nein zu Ihrem Mandat bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, dass man nicht handeln soll .
({1})
Wir sind nur der Meinung, dass Sie mit diesem Mandat
Ihr Ziel nicht erreichen; das ist der entscheidende Punkt .
Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis .
({2})
Wir sollten nach den Anschlägen 2004 in Madrid,
2005 in London und nun in Paris mit kluger Analyse und
kühlem Kopf vorgehen, wenn es um die Frage geht, wie
wir damit am besten umgehen . Wenn ich mir Ihr Mandat
anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Sie etwas
tun, um einfach etwas zu tun . Ich kann in diesem Mandat
keine ausgereifte Strategie erkennen . Ich habe den Eindruck, dass Ihr Mandat nichts anderes als Aktionismus
ist . Ihr ganzes Vorgehen ist davon geprägt, sowohl der
zeitliche Ablauf der Beratungen als auch die inhaltliche
Ausgestaltung des Mandats . Deshalb kann ich Ihrem
Mandat leider nicht zustimmen .
({3})
Ja, wir stehen an der Seite Frankreichs . Ja, wir sind
solidarisch . Deswegen teilen wir auch Ihren Impuls, jetzt
zu handeln . Aber Handeln darf doch kein Selbstzweck
sein . Genauso wenig darf Solidarität bedeuten, dass wir
einfach Ja sagen . Wir haben bei dieser Frage intensiv mit
uns gerungen . Wir haben uns entschieden, nicht sofort Ja
oder Nein zu sagen . Es ist sehr schwierig, einem engen
Verbündeten wie Frankreich eine Bitte abzuschlagen .
Dafür muss es gute Gründe geben . Ich möchte Ihnen einige aufzählen .
Wir tragen die Verantwortung für unsere Soldatinnen
und Soldaten, die wir als Parlamentsarmee in diesen Einsatz schicken . Wir können diese Verantwortung doch nur
tragen, wenn wir einen guten Plan mit dieser Mission
verbinden . Aber einen guten Plan gibt es leider nicht . Die
Beratungen im Verteidigungsausschuss haben das eher
deutlicher gemacht .
({4})
Sie wollen hier ein militärisches Eingreifen beschließen,
das laut Einschätzung der militärischen Führung unseres
Landes zehn Jahre oder länger dauern kann . Sie können
aber nicht darlegen, wie eine politische Lösung aussehen
kann . Das ist doch kein verantwortliches Handeln .
({5})
Dieses Mandat ist gefährlich vage, weil es so viele
Fragen unbeantwortet lässt . Wer hat eigentlich den genauen Oberbefehl: die Franzosen oder die Amerikaner?
({6})
Wie gehen Sie denn mit Russland um, das de facto den
syrischen Luftraum kontrolliert und auf der Seite Assads
kämpft, der, wie bereits erwähnt, Fassbomben auf die eigene Bevölkerung werfen lässt?
Schauen wir uns nur die Auslassungen von Frau von
der Leyen an . Am Wochenende war von Frau von der
Leyen noch zu hören, dass wir vielleicht auf der Seite der
Truppen von Assad kämpfen könnten . Dann hat sie erklärt, dass das alles so nicht gemeint war, und ist zurückgerudert . Wie ist es nun gemeint? Wie gehen Sie denn
mit Russland um? Wie gehen Sie denn mit Assad um? Ich
kann da keine klare Strategie erkennen . Hatte Frau von
der Leyen am Wochenende recht, oder hatte sie unter der
Woche recht? Was wird sie morgen erzählen?
({7})
Welche Rolle spielt eigentlich die Türkei in der ganzen Angelegenheit, die mehr gegen die Kurden kämpft
als gegen ISIS oder - besser ausgedrückt - Da'isch?
Schauen Sie sich doch einmal die komplizierte Regelung für den Zugriff auf die Informationen an, die die
Tornados liefern sollen . Sie haben eine ganz komplizierte
Regelung schaffen müssen, damit die Türkei, angeblich
ein enger Verbündeter und Partner und auf alle Fälle ein
NATO-Mitglied, auf gar keinen Fall an diese Informationen herankommt, weil die reale Gefahr besteht, dass
sie dann auf der Grundlage dieser Informationen die syrischen Kurden bekämpft . Die Kurden werden wiederDr. Alexander S. Neu
um von den USA mit Waffen beliefert, weil sie real eine
der wenigen Bodentruppen stellen, die tatsächlich gegen
ISIS kämpfen und nicht ihr eigenes Spiel spielen . Allein
dieser komplizierte Umgang mit dem NATO-Partner
Türkei sagt uns doch, wie undurchdacht dieses Mandat
insgesamt ist .
({8})
Wie wollen Sie mit den Sunniten umgehen? Haben
Sie nicht die Sorge, dass der Einsatz zu einer Rekrutierungsmission für ISIS wird, weil sich die Sunniten insgesamt ausgeschlossen fühlen und das Ganze einen mobilisierenden Effekt hat? Wie wollen Sie die sunnitischen
Oppositionellen einbinden? Wie soll Ihnen das gelingen?
Auch darauf geben Sie keine ausreichenden Antworten,
weder in dem Antrag auf das Mandat noch in Ihren Reden . Auch diese Fragen müssen deutlich beantwortet
werden, bevor man Bomber schickt .
({9})
Ja, wir sind uns hier weitgehend einig, dass ISIS auch
militärisch bekämpft werden muss .
({10})
Aber Luftangriffe allein sind doch noch keine militärische Strategie . Die Strategie, so hat man den Eindruck,
ist noch nicht einmal zur Hälfte fertig . Man kann nicht
einen Einsatz einfach nach dem Motto gestalten: Ja, ich
möchte mein Gewissen beruhigen . - Herr Röttgen, einfach zu sagen, man wolle irgendetwas tun, ist doch nicht
wirklich eine Strategie . Es braucht eine klare abgestimmte Strategie . Man muss doch Klarheit darüber haben, wer
die Verbündeten sind . Es muss doch klar sein, wer der
Gegner ist . Es kann doch nicht unklar sein, ob Assad
Verbündeter oder Gegner ist, wie man mit der Al-Nusra-Front umgeht, die von Saudi-Arabien unterstützt wird .
Ist die Al-Nusra-Front jetzt Gegner oder Verbündeter?
Das kann doch nicht angehen . Es können doch nicht das
schlechte Gewissen und die Sorgen, die wir komplett teilen, die Strategie und das kluge Handeln ersetzen .
({11})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in den
Antrag auf das Mandat schauen, dann beruhigt uns das
keineswegs . Ich zitiere wörtlich:
Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig
im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der
jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet
östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer
und angrenzende Seegebiete .
Man hat den Eindruck, wenn man das liest, dass Sie eigentlich gar nicht genau wissen, wo der Einsatz stattfinden soll . Das ist ein völlig entgrenztes Mandat . Einigen
Sie sich doch erst einmal darauf, wie Sie den Einsatz genau gestalten wollen, bevor Sie uns so ein entgrenztes
Mandat vorlegen . Wenn Sie uns ein Mandat vorlegen,
dann formulieren Sie ein präzises Mandat, ein genau beschreibendes Mandat, aber nicht ein entgrenztes Mandat .
({12})
Der Kampf gegen ISIS muss im Einklang mit dem
Völkerrecht und dem Gewaltmonopol der Vereinten Nationen stehen . Ich glaube, man kann zumindest sagen,
dass umstritten ist, ob der Einsatz völkerrechtskonform
ist . Nicht umstritten wäre er, wenn es Ihnen gelungen
wäre, ein VN-Mandat nach Kapitel VII vorzulegen . Jetzt
kann man sagen - das ist schon erwähnt worden -: Das
ist eine rein formalrechtliche Faktenhuberei . - Nein,
das ist es in meinen Augen nicht . Dass Sie kein Mandat
nach Kapitel VII vorlegen können, ist ein Hinweis darauf, dass es keine abgestimmte Strategie zwischen allen
Beteiligten gibt, dass es eben keine Einigung zwischen
Frankreich, Russland, Großbritannien, den USA und
den europäischen Staaten gibt . Wenn es diese Einigung
gäbe, dann wäre es möglich, ein solches VN-Mandat zu
beschließen . Deshalb ist das Fehlen dieses Mandats Ausdruck dafür, dass es ebendiese Strategie leider nicht gibt .
({13})
Schauen wir uns an, wie Sie teilweise mit unseren angeblich engsten Verbündeten umgehen, schauen wir uns
Saudi-Arabien an .
({14})
Saudi-Arabien ist einer der engsten Geschäftspartner, ein
Land, in das regelmäßig Wirtschaftsdelegationen von uns
reisen . Der BND hat gegen den Protest des Außenministeriums eine kluge Analyse durchgeführt . Ergebnis ist, dass
Saudi-Arabien inzwischen eines der größten Risiken für
die Stabilität der Region ist . Es ist nicht nur Saudi-Arabien ein Risiko; auch die Ideologie Saudi-Arabiens ist ein
Risiko für viele Regionen . Sie ist genau genommen ein
Risiko für den Weltfrieden . Auf die Ideologie Saudi-Arabiens greift Boko Haram in Nigeria zurück, greifen die
Al-Schabab-Milizen in Somalia zurück, greifen der IS
und andere Terrororganisationen in Libyen zurück . Deswegen ist es an der Zeit, dass die Bundesregierung und
der Westen überhaupt ihren Umgang mit Saudi-Arabien
überdenken . Wir sollten zu einem kritischen Umgang mit
Saudi-Arabien kommen . Das heißt nicht, dass wir mit
den Saudis nicht reden dürfen . Aber der bisherige Umgang, dass es an der dortigen Ideologie keine Kritik gibt,
dass es konstant Waffenlieferungen an dieses Land gibt,
steht doch für eine Politik, die die Probleme am Ende
verstärkt und nicht bekämpft .
({15})
Deswegen: Ändern Sie diese Politik endlich!
Zusammengefasst: In unseren Augen ist Ihr Einsatz
zu planlos und birgt die Gefahr - ich spreche nicht von
Sicherheit -, dass er genau das Gegenteil dessen erreicht,
was er bewirken soll . Wir haben doch seit 2001 14 Jahre
Erfahrung im Kampf gegen den Terror .
Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit .
Diese Erfahrungen sind keine positiven . Diese Erfahrungen sind bittere Erfahrungen . Deshalb: Gehen Sie
noch einmal in sich! Überlegen Sie sich, ob dieser Einsatz wirklich das Gewünschte erreicht oder ob er nicht,
wie der Libyen-Einsatz, wie der Irakeinsatz, am Ende
kontraproduktiv ist .
Vielen Dank .
({0})
Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Arnold für die
SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,
es ist eine zügige Beratung diese Woche . Für mich hat
das noch den kleinen Nebeneffekt, dass damit alle Zweifel unserer Verbündeten, der deutsche Parlamentsvorbehalt bringe in schwierigen Situationen möglicherweise
eine zu große Langsamkeit, beseitigt sind . Ich würde mir
wünschen, dass wir, statt darüber zu lamentieren, dass es
zu schnell geht, gemeinsam reflektieren: Hat man nicht
vielleicht viel zu lange gewartet,
({0})
und ist vielleicht alles zu spät? Es gibt bereits
250 000 Tote; Millionen Menschen sind auf der Flucht .
Getötet und vertrieben haben sowohl Assad als auch der
IS . Es gibt eine neue Dimension des Terrors, nämlich den
Versuch der Gründung eines „Staats“, in dem 8 Millionen Menschen leben und leiden müssen .
Selbst wenn uns der IS in unserem Land nicht bedrohen würde, würde ich mich schon fragen: Geht uns das
alles, was vor unserer Haustür passiert, nichts an? Haben
wir keine Verpflichtung, einzugreifen? Was ist eigentlich
mit der richtigen und guten Idee, das Völkerrecht im Sinne einer Schutzverpflichtung der Staaten, Responsibility
to Protect, weiterzuentwickeln? Es ist doch offensichtlich, dass der irakische Staat und der syrische Staat die
Bürger nicht mehr schützen können . Daraus ergibt sich
eine Verantwortung für uns alle .
({1})
Konkret zum geplanten Einsatz . Wir tun ja manchmal so, als ob wir über einen neuen Einsatz redeten . Wir
sind schon lange Teil dieser Allianz und leisten mit der
Ausbildung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer und
der Ausstattung der Kurden, auch der syrischen Kurden,
wichtige Beiträge im Kampf gegen den IS .
An dieser Stelle darf man die Linken, Frau
Wagenknecht, schon einmal erinnern: Die Kurden
sind -
Kollege Arnold, darf die Kollegin Buchholz dazu eine
Zwischenfrage stellen?
Ja . Ich will nicht sagen, gerne . Aber selbstverständlich .
Vielen Dank, Kollege Arnold, dass Sie die Frage zulassen . - Sie reden hier darüber, dass endlich gehandelt
werden muss . Wir beide sind ja Mitglieder des Verteidigungsausschusses . Von daher würde mich schon sehr
interessieren, wie Sie dazu stehen, dass wir als Mitglieder des Ausschusses, aber auch als gesamtes Parlament
wissen müssen, worüber wir hier genau abstimmen .
Der Kollege Hitschler aus der SPD-Fraktion und ich
haben nachgefragt: Wie sieht es eigentlich mit dem Operationsplan für diese Mission aus? Uns wurde gesagt: Na
ja, die Operation läuft schon . Es gibt wohl so etwas wie
einen Kampagnenplan . - Trotz weiterer Nachfragen war
es nicht möglich, eine Auskunft darüber zu bekommen,
ob wir da Einsicht nehmen können . Das ist eigentlich ein
Recht, das uns als Abgeordneten zusteht .
Wir haben es dabei nicht belassen, sondern beim Sekretariat, bei der Geheimschutzstelle noch einmal nachgefragt . Leider ist eine Einsicht nicht möglich .
Glauben Sie nicht, dass es wichtig wäre, vor einer
solch grundlegenden Entscheidung eine Informationsgrundlage zu haben, was die genauen Unterstellungsverhältnisse, die Fragen des humanitären Völkerrechts und
die Einsatzregeln angeht? Wir finden das wichtig, und ich
will Ihnen kurz sagen, warum: Deutschland war bereits
an der Bombardierung von Staaten beteiligt, bei denen
wir - und dabei schließe ich alle mit ein, die jetzt bomben - Erfahrungen gemacht haben: Das hat zivile Opfer
zur Folge gehabt . Ich denke an die schmerzliche Erfahrung der Bombardierung von Kunduz, bei der es zivile
Opfer gegeben hat . Wir trauern genauso mit den Müttern,
Vätern und Verwandten der Opfer dieser Bombardierung
wie mit denen, die um ihre Kinder weinen, die Opfer des
Terrors durch den IS geworden sind .
({0})
Genau deshalb möchten wir wissen: Was sind die Regeln? Wer entscheidet letztendlich? - Für uns sind diese
Fragen nicht ausreichend beantwortet worden .
({1})
Liebe Kollegin, lassen Sie uns wenigstens akzeptieren, dass wir im Verteidigungsausschuss alle Zeit der
Welt hatten, Fragen zu stellen .
({0})
- Die Antworten wurden auch gegeben .
({1})
Die Antworten haben Ihnen nicht gefallen . Das ist aber
etwas ganz anderes .
({2})
Die Frage der Führung des Einsatzes - Herr Hofreiter
hat es angesprochen - ist eindeutig geklärt . Er wird von
Tampa in Florida über die Headquarters in Kuweit geführt . Von dort aus werden die deutschen Aufklärungsflüge angefordert. Sie werden durchgeführt. Dorthin wird
gemeldet und, und, und . Das ist alles geregelt .
Sie haben nach der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlage gefragt . Das ist mittlerweile
nichts anderes als eine Strategie bei Ihnen . Dieser Einsatz
ist, wie viele Verfassungsjuristen und auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages festgestellt haben,
eindeutig verfassungsrechtlich und völkerrechtlich abgesichert .
({3})
Wenn Sie dies bezweifeln, dann rufen Sie doch bitte das
Verfassungsgericht an .
({4})
Aber das ist natürlich viel unbequemer, als zu behaupten,
ein Einsatz sei nicht legitimiert . Möglicherweise haben
Sie, weil es Neuland ist, sich in Europa auf ein System
der kollektiven Sicherheit zu berufen, Angst, dass das
Verfassungsgericht Ihnen ins Stammbuch schreibt: Europa ist ein System kollektiver Sicherheit .
({5})
Ich würde begrüßen, wenn Sie das klären lassen .
Ich komme zum letzten Punkt: Operationsplan . Es
war bei vielen, aber übrigens nicht bei allen Einsätzen
so, dass Parlamentarier in der Geheimschutzstelle Teile
der Operationspläne einsehen konnten . Wir dürfen nicht
vergessen: Wir leisten mit sechs Aufklärungsfliegern
und einem Tankflugzeug einen vergleichbar kleinen Beitrag . Wir werden auch nur Einblick in Operationspläne
bekommen, die einen Bezug zu unserem Einsatz haben .
Den Bezug würde ich als Parlamentarier sehr weitgehend
auslegen wollen . Darin sind wir uns völlig einig .
Aber in einem bin ich nicht mit Ihnen einig: Die
grundsätzliche Frage, ob wir diesem Mandat zustimmen, ist für mich keine Frage militärischer Details . Es
ist für mich in hohem Maß eine Frage von politischer
Verantwortung und politischer Abwägung . Wir sind als
Verteidigungspolitiker keine kleinen Feldherren, die darüber entscheiden sollen, ob der Einsatz XY an diesem
Nachmittag sachgerecht ist . Das ist nicht unseres Amtes .
Insofern ist das, glaube ich, für Sie nur ein Vorwand, den
Einsatz abzulehnen . Es ist aber letztlich völlig wurscht,
ob die Fragen aus Ihrer Sicht beantwortet sind . Sie haben
noch nie einem Einsatz zugestimmt, und Sie werden auch
keinem Einsatz zustimmen .
({6})
Insofern ist es egal, inwieweit Sie sich informiert fühlen .
Herr Arnold, darf die Kollegin Keul noch eine Zusatzfrage stellen?
Ich bin zu allem bereit, Herr Präsident .
Aber ich weise darauf hin: Das ist dann zunächst die
letzte; denn wir haben uns einen Zeitrahmen gesetzt, den
wir bitte auch einhalten müssen . - Frau Keul .
Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen . - Herr Kollege Arnold, Sie haben gerade in etwa gesagt, wenn man
das für verfassungswidrig und völkerrechtswidrig halte,
dann solle man halt klagen, und wer nicht klagt, sei einfach nur feige .
Ich selbst halte dieses Mandat für völkerrechtswidrig und verfassungswidrig . Würden Sie zur Kenntnis
nehmen, dass wir angesichts der derzeitigen Lage keine
Klagemöglichkeit beim Verfassungsgericht haben, weil
eine Organklage an der Zulässigkeit scheitern würde, da
wir als Fraktion nicht klagen können und eine abstrakte
Normenkontrolle, die möglich wäre, an den notwendigen
25 Prozent scheitert? Nun haben wir Grüne die Klage
der Linken vor dem Verfassungsgericht auf Absenkung
dieses Quorums nicht mit eingereicht . Aber würden Sie,
wenn Sie meinen, dass das wichtig ist, vielleicht doch
überlegen, dieses Quorum abzusenken,
({0})
damit wir bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen als
Opposition mit zwei Fraktionen diese Frage vor dem
Verfassungsgericht klären lassen können?
({1})
Frau Kollegin, Sie sind Juristin . Ich bin kein Jurist;
({0})
aber ich weiß, dass das so ist . Sie wissen aber auch, dass
Sie, wenn Sie einen Soldaten finden, der an Ihrer Stelle
klagt, die Chance hätten, das verfassungsrechtlich prüfen
zu lassen .
Wir hatten in dieser Koalition schon Debatten über
die 25 Prozent . Mit mir persönlich könnte man da sehr
wohl reden, weil ich glaube, dass es bei einem Einsatz,
der zum ersten Mal eine europäische Basis hat, hilfreich
ist, wenn das Verfassungsgericht uns den Weg zeigt und
es eine eindeutige Klärung gibt . Wenn wir uns die Urteile
der Vergangenheit anschauen, stellen wir allerdings fest:
Das Verfassungsgericht hat auf einer langen Linie der
Regierung eigentlich immer einen relativ großen außenpolitischen Handlungsspielraum eingeräumt
({1})
und gleichzeitig unser Recht als Parlament gestärkt . Deshalb sage ich noch einmal: Wir finden einen Weg, dass
Sie klagen können, und wir sind ganz gelassen, wenn Sie
es tun .
({2})
Ich sagte: Der Einsatz ist nicht neu . Wir unterstützen
die Peschmerga . Ich möchte Frau Wagenknecht daran erinnern, dass exakt die Kurden sehr dankbar sind, dass es
eine Kombination von Kampf am Boden und Luftunterstützung gibt . Finden Sie Luftunterstützung in dem Fall
auch schlecht? Sollen sich die Peschmerga, die nur ganz
einfache Kalaschnikows haben, Menschen widersetzen,
die sie mit schweren Waffensystemen bedrängen, die ihr
Gebiet ausgeweitet haben? Die Peschmerga konnten sie
ohne massive Unterstützung nicht stoppen . Haben Sie
dies einmal reflektiert, bevor Sie so pauschale Sätze in
den Raum schleudern wie: „Mit Waffen schafft man keinen Frieden“?
({3})
Dieser Einsatz, Herr Hofreiter, ist auch keine Symbolik . Er ist sorgfältig durchdacht . Das, was Deutschland liefert, dient exakt den militärischen Aufgaben, für
die dieser Koalition die Mittel fehlen, nämlich Aufklärung aus Flugzeugen, von Satelliten, eine Aufklärung,
die Drohnen nicht leisten können . Es geht darum, sehr
schnell große Gebiete zu bestreifen . Dieser Einsatz hilft
Frankreich auch wirklich beim Schutz des Flugzeugträgers, weil es ein großer Aufwand ist, solche Flugzeugträger mit Fregatten zu schützen . Alles ist also sinnvoll . Es
ist im Übrigen auch verantwortbar . Wir schicken Soldaten doch nicht in ein unkalkulierbares Risiko . Die Tornados sind auf einem modernen Stand . Sie haben einen
hervorragenden Eigenschutz .
Zu Ihrem Vorwurf, es gäbe kein klares Einsatzgebiet .
Herr Hofreiter, das erklärt sich wirklich ganz eindeutig .
Ich glaube, Ihre Kollegin hat im Verteidigungsausschuss
sogar nachgefragt . Wir reden über ein Einsatzgebiet für
die Luftbetankung, und die findet nicht nur über Syrien
statt - dort hoffentlich gar nicht -, sondern außerhalb des
Bereichs über der offenen See . Dann reden wir über den
Schutz eines Flugzeugträgers, der wahrscheinlich nicht
vor Anker liegen wird. Deshalb ist der Raum so definiert,
wie er definiert ist. Daran ist nichts Geheimnisvolles,
nichts Trickreiches . Es ist alles erklärt worden . Dieser
Einsatz ist auch leistbar . Die Bundeswehr kann sechs
Tornados hinschicken, und die Luftwaffe hat die Fähigkeiten dazu .
Dann noch zu den Bildern . Auch die Auswertung ist
klar geregelt . Die Deutschen erhalten zunächst ihre Bilder . Dort wird noch einmal geprüft: Was ist rechtskonform? Dann gehen die Bilder zum Auftraggeber, nämlich
an die Headquarters . Ihre Behauptung, die Bilder würden
dann allen in dieser Koalition oder gar allen NATO-Mitgliedern einschließlich der Türkei zur Verfügung stehen,
ist einfach abenteuerlich . Sie stehen denen zur Verfügung, die sie für den Einsatz, für den sie einen Auftrag
bekommen haben, brauchen . Sonst stehen sie niemandem zur Verfügung . Das sind absolut übliche Verfahren
in diesem Bereich . Keine Aufregung!
Im Übrigen sind Aufklärungsflieger kein Beitrag zum
achtlosen Bombenkrieg . Aufklärung ist eine Grundvoraussetzung dafür, möglichst präzise militärisch arbeiten
zu können .
Heute wurde bereits über Lehren aus vergangenen
Einsätzen gesprochen . Ich glaube, eine Lehre ist wirklich wichtig . Der Irakkrieg, aber auch Afghanistan und
Libyen haben gezeigt, dass es heute relativ einfach ist,
mit moderner Militärtechnologie aus der Luft ein Regime
zu vertreiben . Danach aber auch für Stabilität zu sorgen,
ist ein langwieriger Prozess, und dies ist von außen mit
militärischen Mitteln kommend nicht möglich .
Deshalb ist der Vorwurf, hinter diesem Einsatz stehe
keine politische Konzeption, völlig unbegründet; denn
die entsprechenden Lehren daraus wurden gezogen . Der
Wiener Prozess ist halt so mühsam, wie er ist, weil wir
dabei mit Partnern umgehen müssen, die teilweise sehr
schwierig sind . Wir müssen mit Partnern umgehen, die
gemeinsame und gleichzeitig widerstrebende Interessen
haben . Außerdem sollten wir uns ein bisschen in Selbstbescheidenheit üben . Es werden nicht alle darauf warten,
bis wir Deutschen sagen, wo es langgeht . Es bleibt nur
der Weg der mühsamen Diplomatie . Wir sind sehr froh,
dass der Außenminister diesen Pfad seit Monaten mit unermüdlichem Engagement geht .
({4})
Die Lehren aus den vergangenen Konflikten werden
auch dort zu ziehen sein . Für die Zeit nach Assad wissen
doch alle mittlerweile: Man darf nicht alle Sicherheitsstrukturen und nicht sämtliche Teile der Administration
eines Landes in die Wüste schicken, sondern wir müssen
einen Teil beim Aufbau der neuen Gesellschaft einbinden . Nur so kann es gelingen, ein Machtvakuum in diesen Ländern zu verhindern, das dann wiederum Terroristen nutzen könnten . Ich glaube, diese Lehren wurden von
der Staatengemeinschaft gut verstanden .
Zum Schluss: Wir können stundenlang darüber reden,
dass ein Militäreinsatz Risiken birgt . Das ist doch völlig
unstrittig . Es gibt politische Risiken . Der Wiener Prozess
ist noch lange nicht in trockenen Tüchern . Wir können
mithelfen, haben es aber nicht in der Hand . Ich will militärische Risiken nicht beschönigen, obwohl ich klar sage,
dass wir die Soldaten in kein Abenteuer schicken .
Wenn wir aber schon so lange über diese Risiken reden, müssen wir bitte aber auch über die Risiken reden,
die es gibt, wenn wir nicht entscheiden . Dabei sehe ich
zwei Risiken an vorderster Stelle .
Europa ist nun einmal in keiner guten Verfassung .
Wenn es die enge und besonders vertrauensvolle Zusammenarbeit - übrigens auch im Zusammenhang mit
der Ablehnung des Irakkriegs - zwischen Deutschland
und Frankreich nicht gegeben hätte, hätten wir das gar
nicht so ohne weiteres hinbekommen . Wenn diese hervorragende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
Frankreich in die Brüche geht, weil wir nicht verstehen, unter welchem innen- und außenpolitischen Druck
und unter welchem Sicherheitsdruck die französischen
Freunde stehen, und wenn wir auf ihre Unterstützungsanfrage Nein sagen, dann haben wir eine Situation, die
es noch schwerer machen wird, in Europa Solidarität in
vielen Fragen einzufordern .
Wenn dieses Europa scheitert, dann scheitert es an
mangelnder Solidarität . Dabei sollten wir Deutschen
nicht diejenigen sein, die ein schlechtes Beispiel geben .
Wenn wir ernst genommen werden wollen - das wollen
wir zusammen mit Frankreich -, dann müssen wir Solidarität zeigen .
Darüber hinaus kann es sein, dass es unsere Sicherheitsorganisationen einmal nicht schaffen, einen Anschlag bei uns zu verhindern . Malen wir uns doch aus,
was es bedeuten würde, welches Risiko wir hätten, wenn
wir das jetzige französische Ansinnen abgelehnt hätten .
Fragen wir uns einmal innenpolitisch, welche Fragen uns
die Bürger stellen würden . Fragen wir uns das vor allen
Dingen aber auch außenpolitisch, weil wir dann wirklich kapieren müssten, dass wir Partner beim Umgang
mit Terror brauchen . Kein Land wird allein mit dieser
Herausforderung fertig . Ich glaube, dann würden wir
schnell merken, Solidarität ist halt keine Einbahnstraße .
Herr Kollege .
Deshalb ist dieser Einsatz richtig und notwendig .
Herzlichen Dank .
({0})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hennig Otte für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland
steht vor einer wichtigen Entscheidung . Lassen wir den
IS mit seinem furchtbaren Terror weiter gewähren, damit er Anschläge auch in Europa durchführt, weiterhin
unschuldige Menschen tötet, Frauen verschleppt, verkauft, vergewaltigt? Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das dürfen wir nicht zulassen . Wir müssen uns gegen den
IS-Terror stellen und uns für die Solidarität an der Seite
Frankreichs, für den Schutz der Menschen und auch für
die Sicherheit unseres Landes entscheiden . Deswegen
müssen wir heute diesem Mandat zustimmen .
({0})
Wir sind als CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammen
mit der SPD in einer Großen Koalition bereit, für Frieden
und Freiheit und auch für unsere Grundordnung einzustehen und diese in letzter Konsequenz auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen .
Meine Damen und Herren, wir bleiben bei diesem
Einsatz unseren Grundlinien treu . Dieser militärische
Einsatz ist eingebettet in ein politisches Gesamtkonzept,
zusammen mit 64 Staaten einer Allianz auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage und mit einem Mandat
des Deutschen Bundestages . Dieser militärische Beitrag
Deutschlands ergänzt die Fähigkeiten unserer verbündeten Partner . Zusammen mit Frankreich, mit den USA, mit
England, mit Kanada, mit Dänemark und beispielsweise mit Belgien leisten wir einen Beitrag und entsenden
1 200 Soldatinnen und Soldaten für Schutz, für Aufklärung und für Logistik . Ich möchte das einmal auf die einzelnen Bereiche herunterdeklinieren: circa 450 Soldaten
für den Betrieb von sechs Aufklärungstornados und einem Satellitenradar zur Gewinnung von Informationsbildern, die wir ausschließlich für uns nutzen oder unseren Verbündeten zur Verfügung stellen; 300 Soldaten
für den Betrieb einer Fregatte im Mittelmeer zum Schutz
eines französischen Flugzeugträgers; circa 200 Soldaten
für den Betrieb eines Airbus-Flugzeuges zur Betankung
und circa 50 Soldaten in Koordinierungsstellen und dazu
noch ein flexibler Personalpuffer zur Ablösung dieser genannten Kontingentanteile .
Dieser Einsatz wird auch ein gefährlicher Einsatz sein .
Unsere Soldatinnen und Soldaten sind gut vorbereitet
und gut ausgestattet für diese Mission . Die beste Rückendeckung aber können wir den Soldaten und deren Familien geben, indem wir ihnen heute mit diesem Mandat als
Deutscher Bundestag mit breiter Mehrheit das Vertrauen
aussprechen .
({1})
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat in den
vielfältigen Einsätzen bewiesen, dass sie verantwortungsvoll und erfolgreich ihre Aufträge erfüllen kann . Unvorstellbar, wie wohl die Welt wäre und wie sie aussehen
würde, hätte nicht eine Allianz, auch zusammen mit der
Bundeswehr, auf dem Balkan militärisch eingegriffen,
um eine noch größere humanitäre Katastrophe zu verhindern . Unvorstellbar, wie wohl die Welt aussehen würde,
hätte man in Afghanistan nicht gegen das Taliban-Regime eingegriffen und dort gezeigt, dass man eine stabilisierende Funktion erfüllen, mithin den Aufbau einer
afghanischen Armee durchführen kann, durch die, auch
wenn sie noch weiter beraten werden muss, das Gewaltmonopol wieder beim Staat Afghanistan ist . Manchmal
muss man eben militärisch eingreifen, um noch Schlimmeres zu verhindern, auch um wieder die Basis für eine
friedliche Entwicklung zu schaffen . Auch dazu ist dieses
Mandat heute ein Beitrag .
({2})
Vor allem war es richtig, dass wir im Norden Iraks die
kurdischen Kämpfer nicht nur ausgestattet, sondern sie
auch ausgebildet haben, damit sie erfolgreich gegen den
IS-Terror kämpfen können . Dies soll zum einen verdeutlichen, dass Deutschland bereits einen Beitrag geleistet
hat und dass wir nun lediglich einen weiteren Beitrag
leisten . Vor allen Dingen aber soll es verdeutlichen, dass
der furchtbare IS-Terror besiegbar ist .
Ich kann mich nur wundern, Frau Wagenknecht, über
Ihre Rede hier heute, dass Sie dieses Mandat in Bausch
und Bogen ablehnen . Ich weiß gar nicht, wie Sie das angesichts des Leids dieser Menschen rechtfertigen können . Sprechen Sie doch mit den Frauen, mit den Kindern,
mit den Männern, den kurdischen Kämpfern, und lassen
Sie uns doch einmal offen darüber diskutieren, ob wir
ihnen nicht helfen müssen! Wir als Union helfen . Wir
können Ihre Kaltherzigkeit nicht verstehen .
({3})
Wir müssen diesen erfolgreichen Weg der Unterstützung weitergehen . Wir wollen mit der Unterstützung
von Luftangriffen zentrale Infrastrukturbereiche des IS,
nämlich Kommandozentralen, Ausbildungszentralen, Infrastrukturzentralen, auch Ölförderanlagen als wichtige
Einnahmequellen, zerstören . Dieses gemeinsame Vorgehen hat zum Ziel, dass der Staat Syrien nicht im Terror
untergeht, sondern eines Tages mit Neuwahlen in eine
neue und gute Zukunft gehen kann, auch damit die vielen Menschen, die vor diesem furchtbaren IS-Terror und
vor dem furchtbaren, verbrecherischen Assad-Regime
fliehen - auch nach Deutschland -, wieder in ihrem Heimatland Syrien eine Perspektive bekommen, damit sie
zurückfinden können und in ihrer Heimat leben können.
({4})
Meine Damen und Herren, es zeigt sich deutlich, dass,
wenn wir nicht bereit sind, die Menschen in den Krisengebieten zu unterstützen, dann die Krisen zu uns kommen . Wir müssen uns dem Terror dort entgegenstellen,
wo er entsteht . Bei den jüngsten Umfragen wurde deutlich, dass beinahe 60 Prozent der deutschen Bevölkerung
dafür sind, dass wir einen militärischen Beitrag leisten
sollten . Von diesen 60 Prozent sind gar 51 Prozent Grüne-Anhänger, Herr Hofreiter . Ich weiß gar nicht, wie Sie
diese Zerreißprobe in Ihrer Partei bestehen wollen . Die
Mehrheit Ihrer Anhänger ist für einen militärischen Beitrag, und Sie entscheiden sich heute dagegen . Das wird
Ihre Partei vor eine große Zerreißprobe stellen .
({5})
Die Anschläge von Paris waren auch gegen Deutschland gerichtet . Es ist klar, dass wir uns an die Seite unserer französischen Partner stellen, auch um die Sicherheit unseres Landes zu stärken . Wir stehen ein für die
freiheitlichen Demokratien, weil wir wissen, dass der IS
überall dort die Gelegenheit nutzt, freiheitliche Strukturen zu zerstören . Egal, ob sich ein Land an einer Allianz
beteiligt oder nicht: Der IS-Terror nimmt keine Rücksicht . Er tötet all diejenigen, die sich nicht ihrer radikalen Bewegung anschließen . Das bedeutet für uns im
Umkehrschluss, dass uns Passivität nicht schützen wird .
Außenpolitische Zurückhaltung wird uns nicht weniger
zu einem Anschlagsziel machen, als wir es jetzt vielleicht
schon sind .
Ich möchte aber deutlich darauf hinweisen, dass ein
militärischer Beitrag nur ein Baustein unserer Strategie
im Kampf gegen den IS ist . Erst der gleichzeitige Einsatz verschiedener Instrumente - Diplomatie, zivilgesellschaftliches Engagement und militärisch temporärer
Einsatz - unterstützt einen solchen Erfolg . Auch das ist
die Lehre aus dem Afghanistan-Einsatz .
Meine Damen und Herren, vor allem wichtig ist, dass
der Wiener Prozess dieses Vorgehen begleitet . In der
Vergangenheit ist der IS auch durch die Uneinigkeit der
Staatengemeinschaft stark geworden . Durch den Wiener
Prozess sitzen nun alle beteiligten Staaten dieser Region
an einem Tisch, um eine Lösung zu erarbeiten . Es gibt einen gemeinsamen Nenner dieser Staaten . Dieser gemeinsame Nenner ist die Verantwortung, sich gegen diesen
IS-Terror zu stellen .
Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr . Wir
können uns nicht heraushalten, und wir wollen uns nicht
heraushalten, auch zum Schutz unseres eigenen Landes .
Es wird ein langer und es wird ein steiniger Weg, den es
sich lohnt gemeinsam zu gehen .
Meine Damen und Herren, die Sicherheit ist der Garant für die Freiheit; denn ohne Sicherheit gibt es keine
Freiheit . Wir müssen bereit sein, diese Freiheit zu verteidigen, auch dafür einzustehen: zum Schutz der leidgeprüften Menschen, für die Solidarität in Europa und
für die Sicherheit unseres Landes . Lassen Sie uns gegen
den IS-Terror entscheiden, damit Menschlichkeit wieder
Raum greift . Deshalb sollten wir diesem Mandat heute
zustimmen .
Herzlichen Dank .
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Roderich Kiesewetter
für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige
Einsatzentscheidung ist ein Zeichen der Entschlossenheit, und sie ist wohlüberlegt . Heute vor drei Wochen,
am 13 . November, haben die fürchterlichen Anschläge in
Paris stattgefunden . Sie haben auch uns gegolten, nicht
nur unserer Nationalmannschaft, sondern unserer westlichen Lebensweise . Deshalb ist dieses Zeichen der Entschlossenheit auch dadurch geprägt, dass es Parlament
und Regierung gelungen ist, innerhalb von drei Wochen
ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen gegen den Terror, ein
entschlossenes Zeichen im Kampf gegen den Terrorismus gegen unsere westliche Welt .
({0})
Trotzdem - ich habe viel Verständnis für die Kollegen,
die mit Demut auf die Entscheidungen schauen - müssen
wir uns bewusst sein, dass wir es uns in der Vergangenheit nicht immer einfach gemacht haben, so auch heute . Zu diesem Zeichen der Entschlossenheit gehört eine
kurzfristige militärische Aktion . Aber genauso gehört
dazu, alle Anstrengungen darauf auszurichten, mittelfristig ein Mandat der Vereinten Nationen zu erzielen und
auf weitere Sicht ein Mandat zu erzielen, das Bodentruppen aus der Region umfasst, die für eine Befriedung, für
die Trennung der Konfliktparteien und für eine Stabilisierung des Wiederaufbaus sorgen . Um dies zu erreichen,
ist die heutige Entscheidung die erste Voraussetzung . Sie
ist notwendig, aber bei weitem noch nicht hinreichend .
Ich möchte deshalb einen Blick auf die Instrumente
werfen, die wir einsetzen . Lieber Herr Kollege Hofreiter,
es ist nicht hilfreich, wenn Sie sagen, es sei ein entgrenztes Mandat . Gerade der Blick auf das Mandatsgebiet
zeigt, wie ernst uns der politische Prozess ist: Es gehören
Syrien und Irak dazu, es gehören das östliche Mittelmeer,
das Rote Meer und der Persische Golf dazu . Wir müssen
die Konfliktregionen insgesamt betrachten. Es geht hier
nicht nur um Syrien .
({1})
Ich möchte zuerst auf die diplomatischen Mittel eingehen . Bevor es zu diesem Einsatz kam, wurde in Wien
die Voraussetzung dafür geschaffen, einen politischen
Prozess anzustrengen . Das Einzigartige des Wiener Prozesses ist es doch - das sollten Sie anerkennen -, dass
sowohl Russland als auch die USA am Tisch sind, dass
Saudi-Arabien und Iran am Tisch sind, dass wir eine internationale Koalition schmieden, die mittelfristig dazu
in der Lage ist, alle Vorbehalte, die von der einen oder
anderen Seite gegen ein UN-Mandat angeführt werden,
zu überwinden . Das ist die Arbeit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und unseres Außenministers FrankWalter Steinmeier . Unterstützen wir sie mit dem Mandat
dabei! Wir müssen mit der heutigen Abstimmung ein klares Zeichen setzen .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem politischen
Prozess gehören auch Anstrengungen in der Entwicklungszusammenarbeit . Gerade der Gipfel mit der Türkei
hat gezeigt, dass wir etwas spät auf die Entwicklungen in
der Region reagiert haben, aber nicht zu spät . Die Stabilisierungsmaßnahmen der Türkei, die mit der Aufnahme
von Millionen von Flüchtlingen geleistet werden, helfen
auch uns in Europa . Wir müssen das bei allen innenpolitischen Problemen, die die Türkei hat und auch uns bereitet, wertschätzen . Aber es kann nicht reichen, dass wir
nur auf die Türkei schauen .
Diejenigen von uns, die in den Flüchtlingslagern in
der Türkei oder auch im Libanon oder - wie ich unlängst - in Jordanien waren, wissen, dass die Flüchtlinge
dort gebannt darauf warten, dass die Europäische Union
bereit ist, mehr zu tun und mitzuhelfen . Wir haben jetzt
mit der Bereitstellung von erheblich mehr Mitteln für die
Entwicklungszusammenarbeit und für die Maßnahmen
des Welternährungsprogramms in den Flüchtlingslagern
die entscheidende Wende erreicht .
Wichtig ist aber, auch darauf zu schauen, dass Staaten wie Libanon und Jordanien nicht überfordert werden .
Ein Viertel der Bevölkerung dieser Länder besteht aus
Flüchtlingen . Wir sollten uns klar vor Augen führen, dass
wir hier gefordert sein werden, nicht nur im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit, und dass dieses Mandat
möglicherweise - das sage ich in aller Demut - einen
Einstieg der Europäischen Union in einen weiteren Zusammenhang, in eine weitere Stabilisierung bedeuten
muss .
({3})
Wir müssen den Blick auch darauf richten, wie wir es
schaffen, dass die Region selber Verantwortung übernimmt . Hier reichen entwicklungspolitische Maßnahmen
nicht aus .
Das führt mich zum dritten Punkt: zur Frage der Stabilisierung und Aussöhnung . In Kurdistan, im Irak beginnt
gerade eine ganz vorsichtige Aussöhnung zwischen den
zerstrittenen Parteien der Sunniten, Schiiten und Kurden . Das ist ein sehr langfristiger Prozess . Die Kurden
übernehmen in einer bestimmten Region Verantwortung,
auch dank deutscher Unterstützung und Beratung . Wir
werden uns dort jahrelang engagieren müssen .
Ein weiterer Blick, der aus meiner Sicht erforderlich
ist, richtet sich darauf, dass sich ISIS zurzeit in Libyen
festbeißt . Der Libyen-Einsatz 2011 zeigt, dass eine isolierte Betrachtung und ein ausschließlicher Einsatz militärischer Mittel nicht zielführend sind . Hier liegt es in der
Verantwortung der Europäischen Union, aus den Fehlern
von 2011 zu lernen .
({4})
Wir müssen es schaffen, als Europäer gemeinsam ein
Zeichen zu setzen .
In der Europäischen Sicherheitsstrategie aus dem
Jahr 2003 hieß es, dass Europa von einem Ring stabiler
Staaten umgeben sein sollte . Diese Forderung haben wir
nicht umsetzen können . Das wird die entscheidende Herausforderung der nächsten Jahre werden .
Wir warten gespannt nicht nur auf das Weißbuch der
Bundesregierung, sondern wir warten gespannt auch auf
die europäische außen- und sicherheitspolitische Strategie, die im Sommer nächsten Jahres verabschiedet
werden soll . Über unser europäisches Engagement und
unsere deutsche Verantwortung nachzudenken und zu
debattieren, wäre aller Anstrengungen in diesem Hohen
Hause wert . Wir können nicht von Entgrenzung reden,
Herr Kollege Hofreiter, schon gar nicht sollten wir von
einer Unterstützung des Terrorismus durch Enthaltung,
so wie Sie es machen, oder durch Ablehnung reden, sondern wir müssen uns stärker in der Region engagieren
und uns darüber in diesem Hause unterhalten .
({5})
Damit komme ich zur militärischen Komponente . Jeder Militäreinsatz ist ein sehr schwieriger Einsatz, weil er
auch Gewissensfragen umfasst . Aber ausschließlich den
Einsatz westlicher Armeen zu verdammen, kein Wort
über die Verbrechen, die Russland in verschiedenen Bereichen durchführt, zu verlieren und immer den Westen
anzugreifen, das spricht für eine Verblendung . Das ist ein
falsches Bild, das unserer Öffentlichkeit hier aus dem
Parlament übermittelt wird .
Jeder Einsatz muss in ein politisches Konzept eingebettet sein . Das ist das, was deutsche Außenpolitik
ausmacht . Das sind unsere Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz und aus dem Irakkrieg von 2003 . Deshalb
war es gerade so wichtig, dass die Bundesregierung, aber
auch unser Parlament so stark darauf gedrungen haben,
dass der politische Prozess in Wien nach Abschluss der
Verhandlungen mit dem Iran vorangetrieben wird .
Noch eines: Dieser Prozess bietet der Europäischen
Union endlich die Chance, Bewegung in den Nahostkonflikt zu bringen. Mit einer Stabilisierung von Jordanien
und dem Libanon leisten wir einen Beitrag zur Unterstützung Israels und damit auch einen Beitrag zur viel
beschworenen Staatsräson, die wir erbringen müssen, um
in der Region zu helfen und um Israel in einem stabilen
Umfeld zu bewahren . Darüber haben wir überhaupt noch
nicht nachgedacht . Deshalb appelliere ich an die Grünen:
({6})
Geben Sie sich einen Ruck, und denken Sie nicht nur an
die Bekämpfung des Terrors! Denken Sie auch an die
Bekämpfung und Überwindung des Nahostkonflikts. Wir
brauchen eine stabile Region, auch im Südosten Europas .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({7})
Johann Wadephul ist der letzte Redner in dieser Debatte für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass in dieser Debatte deutlich
geworden ist, dass wir heute zwar einen militärischen
Einsatz beschließen, dass aber das Militärische nicht die
letzte, nicht die einzige Antwort auf den IS, den Terrorismus und die Barbarei ist, der wir uns gegenübersehen .
Ich möchte zum Schluss der Debatte darauf aufmerksam machen, dass die deutsche Außenpolitik in einer
großen Kontinuität steht . Sie stellt die Diplomatie, die
Verständigung und das Herstellen von Gesprächskontakten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit . Das ist bei Vorgängerregierungen so gewesen, und das ist bei den aktuellen
Konflikten, die wir zu bewältigen hatten, auch so gewesen .
Ich darf den Ukraine-Konflikt in Erinnerung rufen; der
übrigens mitnichten beendet worden ist . Es gab schwere Völkerrechtsverletzungen seitens Russlands . Es war
Deutschland, es war die deutsche Bundeskanzlerin, die
dafür gesorgt hat, dass der Minsker Prozess eingeleitet
wurde . Sie war es, die Frankreich eingebunden hat . Sie
hat dafür gesorgt, dass Präsident Putin mit am Tisch saß .
Es war die deutsche Bundeskanzlerin, es war Deutschland, das auf Diplomatie und auf Verständigung gesetzt
hat . Es war Deutschland, das sich der Forderung, Waffen
an die Ukraine zu liefern, widersetzt hat . Unsere Außenpolitik ist also nicht militärisch geprägt, aber wir wissen,
dass es Situationen gibt, in denen wir bündnisfähig sein
müssen .
({0})
Es war der deutsche Bundesaußenminister, der viel
Kraft und Energie auf die Nukleargespräche, die den
Iran betrafen, verwandt hat . Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir einen Erfolg erzielt haben . Es war
der deutsche Bundesaußenminister, der mit unserer Unterstützung - Herr Gehrcke, ich glaube, sogar mit Ihrer,
dafür ein herzliches Dankeschön - nach erfolgreichem
Abschluss der Nukleargespräche eine bemerkenswerte
Reise gemacht hat - erst in den Iran, nach Teheran, dann
nach Saudi-Arabien, nach Riad - und damit wichtige
Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der Wiener
Prozess beginnen konnte . Jeder in diesem Hohen Hause weiß doch - auch jeder, der heute zustimmen will -:
Militärisch werden wir das nicht lösen . Wir werden das
nur lösen, wenn der Wiener Prozess vorangeht, und das
schaffen wir ohne Iran und ohne Saudi-Arabien nicht . Ich möchte Frank-Walter Steinmeier ein ganz herzliches
Dankeschön sagen, dass er sich dafür eingesetzt hat . Das
hat viel geholfen .
({1})
Aber jetzt gibt es eine Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft zum Kampf gegen diese Barbarei .
Es geht nicht - Frau Kollegin Wagenknecht, ich möchte
Sie herzlich auffordern, diese Formulierung noch einmal zu überdenken und sie zurückzunehmen - um einen
Wettstreit, wer der Bessere im „Morden“ ist, wie Sie,
Frau Wagenknecht, heute Morgen hier gesagt haben . Ich
halte das für eine schlimme Entgleisung .
({2})
Wir sind an der Seite der Weltgemeinschaft, die in einer UN-Resolution - unabhängig davon, was Sie völkerrechtlich aus dieser UN-Resolution herleiten - diese
Barbarei des IS verurteilt hat .
({3})
Wir sind, Herr Kollege Gehrcke, auf der Seite der Humanität . Wir sind auf der Seite des Rechts . Wir sind auf
der Seite des Internationalismus . Das sage ich den Linken einmal: Hört ihr nicht die Signale? Sie sind Provinzialisten, wenn Sie sich in die linke Ecke des deutschen
Hauses zurückziehen .
({4})
Ich kann den Grünen in dieser Debatte folgenden Hinweis nicht ersparen: Sie haben nicht ohne Stolz - das muss
man anerkennen - in vielen Debatten über Europa, zum
Beispiel über die Griechenland- und die Portugal-Rettungspakete, immer wieder darauf hingewiesen - ich
habe manche Rede des Kollegen Trittin hier in wirklich
guter Erinnerung -, dass Sie für das europäische Projekt
stehen . Herr Kollege Hofreiter, es wäre nicht trivial - das
muss man bei all den Fragen, die es zur Zukunft in Syrien
noch gibt, und bei all der Unfertigkeit dieses Projektes
sagen -, wenn wir in dieser Lage Frankreich die Solidarität versagen würden .
({5})
Die deutsch-französische Freundschaft ist nach wie
vor - 2003 haben wir hier gemeinsam das Jubiläum
begangen - eine Sache, für die wir tiefste Dankbarkeit
empfinden müssen, auch in dieser Situation. Europa wird
ohne eine funktionierende deutsch-französische Achse
schlicht und ergreifend handlungsunfähig .
({6})
- Sie können zu Recht auf viele andere Projekte hinweisen - natürlich machen wir Mali -; das ist alles richtig .
Aber in dieser Situation diese Bitte des französischen
Präsidenten und des französischen Staates abzulehnen,
würde die deutsch-französische Freundschaft auf das
Schwerste schädigen .
({7})
Wenn Sie sich zum Projekt Europa bekennen, dann
müssen Sie sich an dieser Stelle auch zur Solidarität mit
Frankreich bekennen .
({8})
Dann muss man jetzt auch springen und darf sich nicht
zurückziehen auf intellektuelle Spielchen, meine sehr
verehrten Damen und Herren von den Linken .
({9})
Meine Damen und Herren, die Christen in dieser Welt
bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor . Nach unserer
schwierigen Entscheidung müssen sich auch deutsche
Soldatinnen und Soldaten auf einen schwierigen, schweren und gefährlichen Einsatz vorbereiten . Wir wünschen
ihnen alles Gute, Gottes Segen und dass sie nach Erfüllung ihres Auftrags wohlbehalten zu ihren Familien zurückkehren können .
Herzlichen Dank .
({10})
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag
der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristi-
scher Handlungen durch die Terrororganisation IS .
Hierzu liegen mir zahlreiche persönliche Erklärungen
zur Abstimmung vor, die wir, wie üblich, dem Protokoll
beifügen .1)
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6912, dem Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/6866 zuzustimmen . Über
diese Beschlussempfehlung stimmen wir nun auf Antrag
der Koalitionsfraktionen namentlich ab .
Ich weise aber schon jetzt darauf hin, dass es danach
eine weitere namentliche und eine weitere nicht namentliche Abstimmung geben wird .
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn die
Urnen jeweils doppelt besetzt sind .
({0})
- Ich darf Sie bitten, die Fahne dort oben friedlich wieder
einzurollen .
Darf ich noch einmal fragen, ob an allen Urnen jeweils
zwei Schriftführerinnen und Schriftführer anwesend
sind? - Das scheint der Fall zu sein . Dann eröffne ich den
Abstimmungsvorgang .
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mei-
ner Seite, auch den Gästen auf der Tribüne! Darf ich bitte
um Ihre Aufmerksamkeit bitten: Gibt es Kolleginnen und
Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben bei der ersten
namentlichen Abstimmung? - Da niemand reagiert, gehe
ich davon aus, dass Sie alle abgestimmt haben . Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen .2)
Wir stimmen nun über die Entschließungsanträge der
Fraktion Die Linke ab . Die Fraktion Die Linke hat zu
dem Entschließungsantrag auf Drucksache 18/6918 na-
mentliche Abstimmung verlangt . Ich bitte die Schriftfüh-
rer und Schriftführerinnen, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen . - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das
ist der Fall . Ich eröffne die zweite namentliche Abstim-
mung über den Entschließungsantrag - ich sage es noch
einmal - auf Drucksache 18/6918 .
Gibt es Mitglieder des Hauses, die ihre Stimme noch
nicht abgegeben haben? - Es wäre viel einfacher, das
festzustellen, wenn Sie sich hinsetzen und die Gespräche
einstellen würden, weil wir gleich noch eine Abstimmung
haben . Also: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend,
das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht
der Fall . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen . Ich werde Ihnen die Ergebnisse der Abstim-
mung - wie immer -, sobald sie uns vorliegen, bekannt
geben .3)
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
1) Anlagen 2 bis 12
2) Ergebnis Seite 14131 D
3) Ergebnis Seite 14134 B
sache 18/6917 . Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zugestimmt hat Die
Linke, abgelehnt hat der Rest des Hauses: CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen .
Jetzt kommt ein sehr wichtiges Thema . Deswegen
bitte ich - das ist unverhandelbar -, die Gespräche einzustellen und Platz zu nehmen; das gilt für alle . Wir kommen jetzt, wie gesagt, zu einem sehr wichtigen Thema,
nämlich zu einer Regierungserklärung, und ich möchte,
dass der Ministerin und den Kolleginnen und Kollegen
zugehört wird .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit
zur UN-Klimakonferenz in Paris
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag
der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 77 Minuten vorgesehen . - Ich höre und sehe keinen
Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung hat
jetzt Dr . Barbara Hendricks .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Klimakonferenz in Paris, die Anfang dieser Woche
begonnen hat, könnte - ja, sie muss - der Aufbruch in ein
neues Zeitalter sein . Es geht tatsächlich um die Zukunft
unseres Planeten .
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat zur Eröffnung
am Montag treffend beschrieben, die Konferenz sei ein
politischer Moment, wie er vielleicht nicht wiederkommt .
In den meisten Reden der Staats- und Regierungschefs
ist die Bereitschaft zum Ausdruck gekommen, jetzt einen
globalen Klimavertrag zu vereinbaren, und auch bei meinen ersten Gesprächen in Paris habe ich gespürt, dass wir
alle uns unserer gemeinsamen Verantwortung bewusst
sind .
Die Erwartungen an diese Konferenz aus diesem Hohen Haus, aus Deutschland und aus Europa reihen sich
ein in die Erwartungen von Milliarden Menschen auf der
ganzen Welt - vor allem in den ärmsten und besonders
vom Klimawandel betroffenen Ländern . Ich möchte dem
gesamten Bundestag für das Engagement gegen den Klimawandel danken .
({0})
Natürlich streiten wir auch hier gelegentlich über den
richtigen Weg des Klimaschutzes im eigenen Land . Bei
den internationalen Verhandlungen haben wir aber immer die Tradition des Schulterschlusses gehabt, und ich
freue mich auf die vielen positiven Beiträge aus allen
Fraktionen .
Ich danke auch dafür, dass aus allen Fraktionen Kolleginnen und Kollegen mit nach Paris kommen werden .
Wir werden Sie über den Gang der Dinge auch weiter
gut informiert halten, sodass Sie Informationen zum Verhandlungsprozess aus erster Hand erhalten .
Die Delegationen der 195 Staaten haben die Aufgabe,
die vermutlich größte Herausforderung dieses Jahrhunderts anzugehen, nämlich den Klimawandel zu begrenzen . Von Paris soll das Signal ausgehen: Die Welt steht
zusammen . Für unseren Teil kann ich sagen: Die Bundesregierung wird alles dafür tun, dass diese Konferenz
ein Erfolg wird .
Ich möchte Präsident Hollande und allen Französinnen und Franzosen meinen großen Dank dafür aussprechen, dass sie diese Großveranstaltung trotz der schwierigen Situation in so hervorragender Weise schultern .
({1})
Für uns alle ist in Paris die Trauer über die feigen und
bestialischen Anschläge spürbar . Aber wir spüren auch
das Ausrufezeichen: Jetzt erst recht! Wir lassen uns die
Zukunftsgestaltung nicht von Mördern wegnehmen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg nach Paris war mühsam und lang . Allerdings sind wir gerade auf
den letzten Metern in diesem Jahr sehr gut vorangekommen . Dazu zähle ich unter anderem die Beschlüsse der
G-7-Konferenz in Elmau, die Weltwirtschaft noch in diesem Jahrhundert zu dekarbonisieren .
Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie dieses
Ziel der Dekarbonisierung noch einmal ausdrücklich unterstrichen hat .
({2})
Das Bekenntnis, von Kohle, Öl und schließlich auch Gas
vollständig Abstand zu nehmen, war eben keine Laune in
Elmau, sondern eine gut bedachte und notwendige Richtungsentscheidung, ein Bekenntnis, dem sich Brasilien
wenig später angeschlossen hat . Das war ein wichtiges
Signal in Richtung der aufstrebenden Länder des Südens .
Ein anderer wichtiger Zwischenschritt liegt bereits
zwei Jahre zurück . Bei der Konferenz in Warschau 2013
wurde vereinbart, dass alle Staaten im Vorfeld der Pariser Konferenz ihre nationalen Beiträge einreichen sollten . Dieses Vorgehen hat sich als sehr sinnvoll erwiesen .
185 Vertragspartner haben das jetzt getan . Sie stehen für
mehr als 95 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes . Der Verhandlungsprozess von Paris hat schon jetzt
zu mehr Klimapolitik auf der Welt geführt, als wir je zuvor hatten .
Vizepräsidentin Claudia Roth
Mit diesen Beiträgen würden wir die weltweite Erwärmung auf circa 2,7 Grad gegenüber der vorindustriellen
Zeit begrenzen können . Wir erreichen also zwar noch
nicht die 2-Grad-Obergrenze, aber das ist eine deutliche
Abkehr vom bisherigen Trend, bei dem wir noch mit 4
oder sogar 5 Grad Erderwärmung hätten rechnen müssen .
Aber nochmals: Nur die Zwei vor dem Komma reicht
nicht aus . Wir müssen mehr machen, und wir können das
auch . Die 2-Grad-Obergrenze muss völkerrechtlich verbindlich werden . Nicht zuletzt deswegen stehen wir jetzt,
fast 20 Jahre nach Kioto, in den härtesten zwei Wochen
des internationalen Klimaprozesses .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
noch einmal darstellen, was die Leitlinien unserer Verhandlungen in Paris sind .
Erstens . Wir brauchen vollständige Transparenz . Wir
wollen klare Regeln, wie der Klimaschutz in den einzelnen Staaten gemessen und dokumentiert wird .
Zweitens . Wir müssen in der Lage sein, nachzusteuern . Deswegen brauchen wir einen Mechanismus, der
die Ambitionen Stück für Stück steigert . Ich möchte erreichen, dass wir Zyklen von fünf Jahren durchsetzen,
wobei die Klimaschutzanstrengungen jeweils verstärkt
werden müssen, sodass man keinesfalls dahinter zurückfallen kann .
Drittens . Wir wollen weltweite Solidarität mit den
Ländern, die unter den Auswirkungen des Klimawandels
am stärksten leiden .
Viertens . Wir brauchen das Bekenntnis zu einem langfristigen Ziel . Das Ziel muss sein: null CO2 aus fossilen
Energieträgern im Laufe dieses Jahrhunderts .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der internationale
Klimaschutz wird weiterhin auf Dialog angelegt sein .
Für diesen Dialog brauchen wir aber Leitplanken, die
uns in Richtung des 2-Grad-Ziels führen . Dazu zählt,
dass wir die Anstrengungen der Staaten regelmäßig überprüfen . Am liebsten wäre es mir, die nationalen Beiträge
völkerrechtlich verbindlich festzuschreiben . Mindestens
aber brauchen wir ein völkerrechtlich verbindliches System, mit dem gemessen wird . Je transparenter die Bemühungen der Staaten, desto unwahrscheinlicher, dass sich
Länder still und heimlich von ihren Zielen und Zusagen
verabschieden . Daher wollen wir alle fünf Jahre eine
Überprüfung . Es lohnt sich, um die Vermeidung eines jeden Zehntelgrades Erderwärmung zu kämpfen .
Darüber hinaus müssen wir in der Lage sein, nachzujustieren . Wir wollen einen Mechanismus vereinbaren, der es uns ermöglicht, die Anstrengungen Stück
für Stück zu steigern, abhängig von wissenschaftlichen
Erkenntnissen und von künftigen technologischen Möglichkeiten . Sie sehen: Paris wird nicht der Endpunkt der
Klimadiplomatie sein . Vielmehr muss es der Ausgangspunkt einer neuen und erfolgreichen Phase weltweiter
Klimaschutzpolitik sein .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich anhand von zwei Begegnungen, die ich gerade vorgestern
hatte, die Situation beschreiben . Ich habe am Mittwoch
Sheila Watt-Cloutier, eine sehr engagierte Frau aus dem
Norden Kanadas, kennengelernt . Sie gehört zum Volke
der Inuit und erzählte mir von dem Nationalpark Auyuittuq am Rande der Arktis . Der Name heißt auf Deutsch:
Land, das nie schmilzt . Tatsächlich stimmt der Name
nicht mehr: Heute schmilzt das Land und damit alles,
was die Lebensgrundlage des Volkes der Inuit ausmacht .
Gemeinsam mit ihr habe ich den Außenminister der Marshall Islands, Tony de Brum, getroffen . Beide wurden
gerade mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet .
Ohne ein neues Klimaschutzabkommen wird seine
Heimat im Meer versinken . Auf der einen Seite schmilzt
ein Land, auf der anderen Seite droht ein anderes vom
steigenden Meeresspiegel geschluckt zu werden . Natürlich ist das ursächlich miteinander verbunden, obwohl
der Norden Kanadas und die Marshall-Inseln mehr als
10 000 Kilometer voneinander entfernt sind . Das sind
nur zwei Beispiele . Von der Konferenz in Paris hängt die
Existenz ganzer Völker ab .
({4})
Für viele Menschen ist der Klimawandel bereits heute
eine unmittelbare Bedrohung: in Afrika südlich der Sahara, in Südasien und an vielen anderen Orten . Trinkwasser
wird knapp, Böden vertrocknen, und Wüsten breiten sich
aus . Immer mehr Menschen verlieren ihre Heimat . Ein
fortschreitender Klimawandel würde viele Verteilungskonflikte verschärfen und neue Verteilungskonflikte hervorrufen: Konflikte um Land, um Wasser, um Böden, um
Nahrungsmittel .
Wenn die Erderwärmung um mehr als 2 Grad steigt,
wird es gefährlich . In vielen Regionen setzt dies schon
oberhalb von 1,5 Grad ein . Schaffen wir es nicht, den
Temperaturanstieg zu begrenzen, werden wir den Kampf
gegen Armut, Verzweiflung und Flucht verlieren. Wir
alle haben die Pflicht, unseren Beitrag zu leisten, damit
diesen Menschen eben nicht die Hoffnung genommen
wird . Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspolitik und Friedenspolitik .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gesagt,
dass die Konferenz unter guten Vorzeichen steht . Dennoch dürfen wir nicht so tun, als wäre das Ergebnis
schon erreicht . Wir haben insgesamt 196 Vertragsparteien, zwischen denen sich Dynamiken ergeben können, die
wir noch nicht genau absehen . Der EU kommt hier eine
wichtige Bedeutung zu, als Vermittlerin und als Antreiberin, damit es nicht nur Kompromisse auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner gibt .
Gemeinsam mit meinen europäischen Kolleginnen
und Kollegen wird das der Schwerpunkt meiner Arbeit
in der kommenden Woche sein . Ich darf Ihnen sagen,
dass Deutschland international als ein ehrlicher Makler
wahrgenommen wird; eine Rolle, die wir nun auch gut
ausfüllen wollen .
({6})
Gerade die Länder des Südens werden unter den Folgen des Klimawandels leiden, selbst wenn wir den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen können . Gleichzeitig haben die allermeisten von ihnen historisch nur zu
einem sehr geringen Teil zum Klimawandel beigetragen .
Schon in Kopenhagen haben wir, die Industrieländer, uns
dazu verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Investitionen
für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zu mobilisieren . Das ist - ich habe das in Paris
bereits betont - eine absolut notwendige Voraussetzung,
um die Zustimmung aller Staaten zu bekommen .
({7})
Ende 2014 standen wir bereits bei 62 Milliarden
US-Dollar . Wir sind also auf einem guten Weg . Insgesamt muss die Klimafinanzierung eine der Säulen des
neuen Abkommens sein . Wir wollen, dass sich der Geberkreis erweitert . Wir brauchen auch in dieser Hinsicht
Fairness . Die Reicheren, Leistungsstärkeren müssen den
Bedürftigeren helfen . Das ist die ganz einfache Formel,
um die es geht .
({8})
Das bedeutet auch, dass wir uns von Einteilungen der
Welt in Arm und Reich, wie sie etwa noch Anfang der
90er-Jahre bestanden hat, verabschieden müssen . Heute
haben einige prosperierende Länder des Südens ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als mancher EU-Mitgliedstaat . Diese müssen wir in die Solidarität einbinden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, effektiver Klimaschutz ist nur möglich, wenn möglichst viele Finanzströme in Richtung Klimaschutz und Klimaanpassung umgelenkt werden, und das hat bereits begonnen: Von der
Rockefeller-Stiftung bis zum norwegischen Staatsfonds
ziehen immer mehr Investoren ihr Geld aus fossilen Industrien ab und legen es stattdessen in erneuerbare Energien und nachhaltige Investitionen an . In der vergangenen Woche - Sie haben es alle wahrgenommen - hat die
Allianz Versicherung eine entsprechende Ankündigung
gemacht .
Es ist wichtig, diese Entwicklung zu unterstützen .
Deshalb ist das Langfristziel so wichtig; denn damit geben wir der wirtschaftlichen Entwicklung eine Richtung
und Investoren ein Signal .
({9})
Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass viele auch
etwas im Kampf gegen den Klimawandel tun können .
Wenn die Allianz ihre Anlagestrategie ändert, dann können das andere Anleger auch:
({10})
Stiftungen, Kirchen, Privatanleger oder Kommunen, wie
es zum Beispiel die Stadt Münster gerade getan hat .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Großteil der bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas muss in der Erde
bleiben, wenn der Klimawandel nicht aus dem Ruder laufen soll .
({11})
Die Zeit ist reif für eine weltweite Energiewende . Es ist
nicht zuletzt einer der Erfolge des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes, dass Strom aus erneuerbaren Energien marktfähig geworden ist . Wir haben gut daran getan,
voranzugehen . Wir können heute günstigen Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen . Das langfristige Ziel einer grünen Null, netto null Gramm Treibhausgasausstoß
aus unseren Wirtschaftsprozessen, gibt die Richtung vor .
Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien .
({12})
Damit bin ich bei unseren Aufgaben in Deutschland .
Der Klimawandel wird auch uns direkt betreffen . Seit
1880 hat sich die durchschnittliche Jahrestemperatur
um 1,4 Grad erhöht . Die Zahl der heißen Tage mit über
30 Grad hat sich verdreifacht, mit vielen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Landwirtschaft und
die Tier- und Pflanzenwelt. Wir haben es immer häufiger
mit Stürmen, Starkregenereignissen und Überflutungen
zu tun . Die Reparaturkosten, die ein ungebremster Klimawandel mit sich bringen würde, sind nachweislich höher als entschlossener Klimaschutz; weltweit betrachtet,
aber auch in unserem eigenen Land .
({13})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist für alle ein
guter Anlass, sich selbst einmal gründlich zu hinterfragen . Ich treffe immer wieder Skeptiker, die das, was wir
tun, für übertriebene Hysterie halten .
({14})
Dieser Haltung begegnet man zwar nicht gerade im Umfeld großer Klimakonferenzen, wohl aber im politischen
Alltag, wenn es darum geht, Klimaschutz aktiv umzusetzen .
({15})
Ich will am heutigen Tag eines sagen: Der Kampf gegen
den Klimawandel ist eben keine Spaßveranstaltung . Er
ist auch kein Hobby und kein sinnloses Zeug, sondern er
ist ausgesprochen ernst .
({16})
Präsident Obama hat recht mit seiner Aussage, dass es
absolut zynisch ist, zu sagen, man könne nichts gegen den
globalen Klimawandel tun . Mit einem neuen Abkommen
wollen wir denjenigen die Hand entgegenstrecken, deren
Angst vor der Transformation größer ist als die Sorgen
vor den Folgen des Klimawandels .
({17})
Ihnen allen möchte ich heute zurufen: Kommen Sie mit,
machen Sie mit!
({18})
Wir stoppen gemeinsam den Klimawandel und geben
so Millionen von Menschen die Chance auf ein besseres
Leben .
({19})
Es gibt keinen Anlass, den Kopf in den Sand zu stecken . Die Bundesregierung ist die Erste, die klar sagt,
wie wir unsere Klimaziele erreichen können . Mit dem
Aktionsprogramm „Klimaschutz“ haben wir über
100 zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht . Wir
haben Transparenz hergestellt, indem wir jedes Jahr einen Klimaschutzbericht vorlegen . Gerade gestern wurde
erstmals über einen solchen Bericht debattiert .
({20})
Wir haben zudem die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger mit an den Tisch geholt .
Im kommenden Jahr werde ich Ihnen den Klimaschutzplan 2050 vorstellen . Er wird Strategien aufzeigen, wie
wir unser langfristiges Ziel erreichen können, bis zum
Jahr 2050 bis zu 95 Prozent weniger CO2 auszustoßen;
dazu haben wir uns verpflichtet. Das ist aller Anstrengungen wert .
Wenn ich sage, dass wir in unserem Land klare Signale geben müssen, wohin wir mit unserer Politik wollen,
dann gilt das besonders für die Wirtschaft . Deutschland
ist ein Vorreiter im Klimaschutz . Wir erleben gerade,
wie uns immer mehr Länder folgen . Das ist auch eine
direkte Folge der klugen Förderpolitik in unserem Land .
1,5 Millionen Menschen verdienen ihr Geld heute in dieser Branche . Der Weltmarktanteil nachhaltiger Produkte,
Verfahren und Dienstleistungen made in Germany liegt
bei fast 14 Prozent . Das sollte uns ermutigen, diesen
Weg weiterzugehen . Klimaschutz schadet nicht der Wirtschaft . Klimaschutz schafft vielmehr Wohlstand und Arbeitsplätze . In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt
zwischen 1990 und 2014 um 39 Prozent gestiegen, während im selben Zeitraum die Emissionen um 27 Prozent
gesunken sind . Wir haben also das Wirtschaftswachstum
vom Energieverbrauch entkoppelt . Das ist echte Nachhaltigkeit . Richtig ist, dass sich unsere Wirtschaftsstruktur weiter verändern wird, übrigens auch die Mobilität .
Diese Prozesse müssen wir klug organisieren .
Die Zeit der fossilen Energieträger, auch der Braunkohle, geht zu Ende .
({21})
Das müssen wir den Menschen offen sagen, weil wir die
Verantwortung für einen gut gesteuerten Strukturwandel
tragen, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der betroffenen Regionen .
Das Gleiche gilt für die Landwirtschaft . Es reicht
nicht mehr, nur auf Masse zu produzieren . Dazu sind die
Umwelt- und Klimafolgen der Landwirtschaft zu groß .
({22})
Auch hier ist ein Strukturwandel notwendig, hin zu mehr
Umwelt- und Naturschutz und weniger Emissionen . Das
überkommene System der Agrarsubventionen setzt hier
bisher die völlig falschen Anreize . Es ist wirklich an der
Zeit, das grundsätzlich zu ändern .
({23})
In dem Zug nach Paris am letzten Samstag habe ich
zwei Schüler getroffen: die 16-jährige Amelie und den
15-jährigen Jonah . Gemeinsam mit vielen anderen Schülern haben die beiden eine Aktion gestartet . Sie haben
Postkarten verteilt, auf denen man seine Wünsche für die
Pariser Konferenz aufschreiben konnte . Über 3 000 Postkarten junger Menschen wurden mir überreicht . Der ganz
überwiegende Teil hat sich von uns gewünscht, dass wir
im Klimaschutz vorankommen . Die Frage, wie wir heute
unsere Verantwortung wahrnehmen, stellt die Weichen
für die Zukunft . Ich möchte, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit der Postkartenaktion, aber auch die
Schülerinnen und Schüler in Kanada oder die auf einer
pazifischen Insel einmal an unsere Generation erinnern
als eine, die den Mut hatte, umzusteuern, die den Mut
hatte, die Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen zu beenden, und die einen Weg gefunden hat, in Wohlstand
und einer intakten Umwelt leben zu können .
Herzlichen Dank .
({24})
Vielen Dank, Dr . Hendricks . - Ich glaube, wir alle
wünschen Ihnen Kraft, Durchsetzungsvermögen und Erfolg für die Konferenz in Paris .
({0})
Ich darf Ihnen, bevor wir mit der Debatte beginnen,
die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen
bekannt geben . Erste namentliche Abstimmung - Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung
und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die
Terrororganisation IS -: abgegebene Stimmen 598 . Mit
Ja haben gestimmt 445, mit Nein haben gestimmt 146,
und es gab 7 Enthaltungen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 597;
davon
ja: 445
nein: 145
enthalten: 7
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({1})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({2})
Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich
({3})
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({4})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann
({5})
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({6})
Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller
({7})
Stefan Müller ({8})
Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({9})
Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({10})
Gabriele Schmidt ({11})
Ronja Schmitt
Nadine Schön ({12})
Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder
({13})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
({14})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({15})
Lena Strothmann
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({16})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({17})
Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß ({18})
Sabine Weiss ({19})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({20})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Heike Baehrens
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Bettina Hagedorn
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann
({21})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({22})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Angela Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christian Lange ({23})
Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Detlef Müller ({24})
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir ({25})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post ({26})
Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Martin Rabanus
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({27})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({28})
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({29})
Dagmar Schmidt ({30})
Carsten Schneider ({31})
Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Zweite namentliche Abstimmung - Entschließungsantrag der Linken -: abgegebene Stimmen 592 . Mit Ja
haben gestimmt 62 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein
haben gestimmt 475, Enthaltungen 55 . Der Entschließungsantrag ist abgelehnt .
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Tom Koenigs
Manuel Sarrazin
Kordula Schulz-Asche
Nein
CDU/CSU
Hans-Georg von der Marwitz
Martin Patzelt
SPD
Ulrike Bahr
Klaus Barthel
Lothar Binding ({32})
Marco Bülow
Dr . Ute Finckh-Krämer
Rita Hagl-Kehl
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({33})
Frank Junge
Thomas Jurk
Ralf Kapschack
Cansel Kiziltepe
Steffen-Claudio Lemme
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Hilde Mattheis
Bettina Müller
Jeannine Pflugradt
Andreas Rimkus
René Röspel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Dr . Nina Scheer
Matthias Schmidt ({34})
Swen Schulz ({35})
Ewald Schurer
Sonja Steffen
Rüdiger Veit
Waltraud Wolff
({36})
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({37})
Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Harald Petzold ({38})
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann
({39})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({40})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Dr . Anton Hofreiter
Uwe Kekeritz
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn ({41})
Christian Kühn ({42})
Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({43})
Corinna Rüffer
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Dr . Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Enthalten
CDU/CSU
Dr . Andreas Lenz
SPD
Dr . Simone Raatz
Mechthild Rawert
Sönke Rix
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({44})
Dr . Franziska Brantner
Cem Özdemir
Vizepräsidentin Claudia Roth
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 594;
davon
ja: 62
nein: 477
enthalten: 55
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller ({45})
Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Harald Petzold ({46})
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann
({47})
Nein
CDU/CSU
Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens ({48})
Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer ({49})
Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich
({50})
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Mark Hauptmann
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich ({51})
Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann
({52})
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({53})
Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller
({54})
Stefan Müller ({55})
Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer ({56})
Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt ({57})
Gabriele Schmidt ({58})
Ronja Schmitt
Nadine Schön ({59})
Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder
({60})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
({61})
Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl ({62})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel ({63})
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg ({64})
Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß ({65})
Sabine Weiss ({66})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({67})
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({68})
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann ({69})
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil ({70})
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Angela Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christian Lange ({71})
Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller ({72})
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir ({73})
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post ({74})
Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({75})
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim
Schabedoth
Axel Schäfer ({76})
Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt ({77})
Dagmar Schmidt ({78})
Carsten Schneider ({79})
Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz ({80})
Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Waltraud Wolff
({81})
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({82})
Dr . Franziska Brantner
Dr . Thomas Gambke
Renate Künast
Cem Özdemir
Doris Wagner
Enthalten
SPD
Petra Hinz ({83})
Steffen-Claudio Lemme
Matthias Schmidt ({84})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Volker Beck ({85})
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Dr . Anton Hofreiter
Uwe Kekeritz
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn ({86})
Christian Kühn ({87})
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({88})
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Wir beginnen jetzt die Debatte . Die erste Rednerin ist
Katja Kipping für die Linke .
({89})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Klimawandel ist schon längst nicht mehr nur eine abstrakte
Bedrohung irgendwann in der Zukunft, sondern bittere
Realität - auch hierzulande . Die Unwetter nehmen zu,
und Hochwasser, die einst als Jahrhunderthochwasser
galten, treten jetzt im Zehnjahresrhythmus auf . Der Klimawandel führt uns also in aller Brutalität vor Augen:
Wir alle, die wir hier auf diesem Planeten leben, bilden
eine Schicksalsgemeinschaft . Das Gebot der Stunde
muss deswegen lauten: Klimaschutz und Klimagerechtigkeit . Rein unverbindliche Zielvorgaben bringen uns da
nicht weiter .
({0})
Zu den großen globalen Ungerechtigkeiten auf dieser
Welt gehört, dass die ärmeren Länder in besonderer Härte
von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen sind . In Afrika beispielsweise leiden Millionen Menschen an Wassermangel . Dem Bericht des UN-Klima rats
zufolge werden in Zukunft bis zu 250 Millionen Menschen an Wassermangel leiden . Das muss man sich einmal vergegenwärtigen . Millionen Männern, Frauen und
Kindern fehlt es an dem elementarsten aller Lebensmittel, an Wasser . Vor diesem Hintergrund steht doch fest:
Die konsequente Reduktion des CO2-Ausstoßes ist eine
Frage der globalen Gerechtigkeit . Dazu müssen wir so
schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen .
({1})
Die Folgen der globalen Erwärmung wie Dürre und
Überschwemmung treiben weltweit Menschen in die
Flucht . Mich persönlich hat besonders die Geschichte
eines Flüchtlings aus Kamerun berührt, dessen Familie
einst eine Kakaoplantage betrieb . Er schilderte, er könne sich noch daran erinnern, dass man in seiner Kindheit
die Regenzeit auf den Tag genau bestimmen konnte . In
seiner Jugend hingegen gab es schon Jahre, in denen der
Regen komplett ausfiel. Die Sonne verbrannte die Setzlinge, und die Setzlinge, die überlebt hatten, wurden dann
weggeschwemmt, als der Regen kam, weil er mit einer
solchen Wucht kam, dass nichts mehr zu retten war .
Wenn wir also so weitermachen wie bisher, wird die
Zahl der Klimaflüchtlinge explodieren. Das hat der Teilnehmer einer Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung
sehr treffend auf den Punkt gebracht, als er alle fragte:
Ja, was denkt ihr denn? Wenn unsere Heimat ein Backofen wird, erwartet ihr, dass wir in diesem Backofen sitzen bleiben, bis wir verdorrt und verdurstet sind? - Der
Klimawandel und die Klimakatastrophen werden wahrscheinlich die Fluchtursachen der Zukunft sein .
Frau Hendricks, Sie haben hier treffende Worte dazu
gefunden . Ich erwarte aber auch, dass der Rest der Regierung in diesem Sinne handelt und wirklich konsequent
etwas zur Reduktion der CO2-Emissionen unternimmt .
({2})
Dazu gehört auch, die Wirtschaft entsprechend in die
Pflicht zu nehmen. Doch anstatt den großen Konzernen
die ökologischen Folgekosten ihrer Emissionen aufzuerlegen, reagieren die Regierenden anders . Bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA
werden Klimaschutz und Umweltschutz zum Investitionshemmnis degradiert . So wird Klimaschutz behindert .
Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Abkommen wie
TTIP und CETA sind Klimakiller . Sie gehören umgehend
entsorgt, und zwar in die Schadstofftonne .
({3})
Es gibt ganz viele konkrete Schritte, die wir gehen
müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren . Dazu
wird meine Kollegin Eva Bulling-Schröter gleich noch
sprechen .
Ich möchte mit einer grundsätzlichen Bemerkung
schließen . Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen eins deutlich: Es ist bisher in keiner Weise gelungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren . Lediglich infolge
eines Systemzusammenbruchs oder infolge großer Wirtschaftskrisen ist das gelungen . Ganz im Gegenteil: Noch
im Jahr 2013 haben die CO2-Emissionen mit 35 Milliarden Tonnen ein historisches Ausmaß gehabt . Das hat eine
Ursache . Das kapitalistische „Höher, schneller, weiter“
kennt eben nur ein Erfolgskriterium, und das ist der Profit.
Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass auch der grüne Traum von einem grünen Kapitalismus, in dem allein
ressourcensparende Technologien alle unsere Probleme
lösen, ausgeträumt ist . Denn selbst die Einsparungen
würden doch sofort durch mehr Konsum, durch mehr
Wirtschaftswachstum zunichtegemacht. Insofern, finde
ich, hat es die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein auf den Punkt gebracht, als sie sagte: Klima
oder Kapitalismus - wir müssen uns entscheiden .
({4})
- Mir ist schon bewusst, dass Ihnen solche Wahrheiten
nicht gefallen . Aber wenn man sich dem Problem Klimakollaps in aller Dringlichkeit stellen will, muss man an
die Wurzeln des Problems heran . Vor die Entscheidung
„Klimaschutz oder Kapitalismus?“ gestellt, weiß ich,
wofür ich mich entscheide: Im Interesse der zukünftigen
Generationen, im Interesse der Kinder und Enkel und im
Interesse der vielen Menschen, die bereits heute an Wassermangel leiden, setzen wir auf Klimaschutz .
({5})
Vielen Dank .
({6})
Danke, Kollegin Kipping . - Das Wort hat jetzt der
Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, Andreas Jung, für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben heute Vormittag in diesem Haus über die Bedrohung durch den Terrorismus gesprochen . Jetzt geht
es um Klimawandel . Das sind zwar zwei völlig unterschiedliche Themen, aber auch die Bedrohung durch den
Klimawandel ist konkret und hat sich schon ganz konkret
realisiert . Es gibt Menschen, die wegen des Klimawandels gestorben sind. Ich denke dabei an Überflutungen,
zum Beispiel in Bangladesch . Es gibt ganze Länder,
die bedroht sind . Denken wir an die Inselstaaten, deren
Überleben durch das Ansteigen des Meeresspiegels infrage gestellt wird . Es gibt Millionen von Menschen, die
auf der Flucht sind - auch wegen der Klimaveränderung .
Angesichts der mit dem Klimawandel verbundenen
Herausforderungen haben wir allen Grund, die Konferenz in Paris so ernst zu nehmen . Es war gut, dass die
Bundeskanzlerin bei der Eröffnung gewesen ist . Sie hat
dort gesagt: Beim Klimaschutz geht es um Menschlichkeit und letztlich um das Überleben der Menschheit . So
waren ihre Worte .
({0})
Ich denke, genau darum geht es . Deshalb wünschen wir
dieser Konferenz in Paris von Herzen viel Erfolg . Wir
wünschen der Kanzlerin, der Umweltministerin, der
Bundesregierung viel Erfolg bei dem, was Sie, Frau
Hendricks, dargestellt haben: bei dem Ringen um ein
wirksames, verbindliches Klimaschutzabkommen unter
Einbeziehung aller Emittenten .
({1})
Frau Kipping, weil Sie gerade „Worte!“ dazwischengerufen haben, will ich sagen: Ich teile die Einschätzung,
dass wir, die Industriestaaten, also auch Deutschland,
in besonderer Weise in der Pflicht stehen, dass wir eine
besondere Verantwortung haben . Ja, wir haben seit der
Industrialisierung unseren Wohlstand auch auf dem Ausstoß von CO2 aufgebaut . Unser Wirtschaftswunder in
der Nachkriegszeit hatte drei starke Säulen: Das waren
die Zigarre von Ludwig Erhard, die D-Mark in der Tasche, aber eben auch die Kohle im Revier . Davon haben
wir profitiert; davon profitieren wir in Teilen bis heute.
Aber das bringt die Verantwortung mit sich, jetzt genauso engagiert als Vorreiter im Klimaschutz voranzugehen .
Schließlich wissen wir - Sie haben es soeben beschrieben -, dass gerade die Ärmsten der Armen als Erste und
am meisten vom Klimawandel betroffen sein werden . Ja,
wir Deutsche haben eine besondere Pflicht. Wir gehören
immer noch zu den zehn größten Emittenten .
Was unseren Pro-Kopf-Ausstoß angeht, sind wir trotz
aller Anstrengungen und Erfolge, die wir in Deutschland
und der Europäischen Union im Übrigen haben - darin
sind wir anderer Meinung als Sie -, noch in der Pflicht
und in der Verantwortung; da haben wir noch viel zu tun .
Ich sage aber genauso deutlich dazu: Dieser Verantwortung werden wir gerecht . Und wenn ich „wir“ sage, dann
denke ich nicht zuvörderst an die jetzige Koalition, sondern an das, was in Deutschland über die unterschiedlichsten Bundesregierungen mit den Umweltministern
Klaus Töpfer, Angela Merkel, Jürgen Trittin, Sigmar
Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier und zurzeit
Barbara Hendricks hinweg gemacht wurde .
Bei allen Unterschieden im Detail, die auch hier zutage treten, gibt es eine große Kontinuität in der deutschen
Klimapolitik in dem Ringen um einen wirksamen internationalen Klimaschutz . Daran sollten wir festhalten . Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Paris einen Abschluss
hinbekommen und dass Paris nach den schrecklichen
Tagen und schrecklichen Bildern zu einem Sinnbild und
Symbol für Leben und Überleben und für den gemeinsamen Willen der Menschheit wird, dafür einzutreten .
({2})
Dafür, denke ich, gibt es die Unterstützung des ganzen
Hauses .
Wenn Sie sagen, das seien nur Worte, will ich entgegenhalten, dass wir ganz konkret etwas tun . Das will ich
an drei größeren Beispielen belegen .
Erstens . Politisch hat die Bundesregierung eine drängende Rolle in diesem Prozess für den Klimaschutz . Diese hat sie in den letzten Monaten bzw . im letzten Jahr
zunächst einmal durch klare Festlegungen in Europa
wahrgenommen . Auch und gerade in der Klimapolitik
gilt: Wir als Deutsche und wir als Nationalstaaten können
alleine nichts bewegen . Wir brauchen die größere Einheit
der Europäischen Union, um wahrgenommen zu werden
und politisches Gewicht zu haben . Die Europäische Union war über viele Konferenzen hinweg auch und gerade
im Vergleich mit anderen Regionen der Welt jeweils die
Staatengruppe, die nicht in nationale Egoismen zerfallen
ist . Trotz aller schwierigen Diskussionen, die wir auch
haben, zum Beispiel mit Polen, ist die Europäische Union nicht in nationale Egoismen zerfallen, sondern sie hat
das große Ganze gesehen .
Sie hat sich mit der Reduktion des CO2-Ausstoßes um
40 Prozent bis 2030 zu einem ambitionierten Ziel bekannt, und sie hat es auf das ausdrückliche Engagement
der Bundesregierung hin mit einem „mindestens“ versehen: Es sollen mindestens 40 Prozent erreicht werden .
Das zeigt, dass wir auch bereit sind, darüber hinauszugehen, und dass wir Europäer wissen: Wenn es zu einem
Abkommen kommt, dann müssen wir noch mehr für den
Klimaschutz tun . Dann müssen wir noch eine Schippe
drauflegen. - Das ist die Dynamik, die wir in Paris und
in Zukunft brauchen . Dafür steht Deutschland, und dafür
haben wir uns in der EU eingesetzt und das auch durchgesetzt .
({3})
Diese Verantwortung wird durch viele Klimapartnerschaften mit Entwicklungsländern und konkret durch
vielfältige Programme und Unterstützung vor Ort deutlich . Und sie ist - Sie haben die Industriestaaten angesprochen - gerade beim G-7-Gipfel in Elmau deutlich
geworden . In Elmau ist es der Bundeskanzlerin gelungen - was nicht selbstverständlich war; es war alles andere als selbstverständlich -, ihre sechs Kollegen für die
gemeinsame Erklärung zu gewinnen: Wir wollen bis zum
Ende dieses Jahrhunderts die Dekarbonisierung schaffen . - Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zur globalen Energiewende .
({4})
Das sollten all diejenigen nachlesen, die hier allenthalben sagen: Nur wir in Deutschland machen die Energiewende; nur wir denken an Klimaschutz . - Das Gegenteil
ist richtig . Es gibt einen unaufhaltsamen Trend zu Energiespartechnologien, zur Dekarbonisierung und zu einer
globalen Energiewende . In der Erklärung von Elmau
steht das schwarz auf weiß .
({5})
In der Presse wurde vom Hammer von Elmau und einer Sensation geschrieben . Das war eine wichtige Vorbereitung für den Klimagipfel .
({6})
Vielleicht wird wieder gesagt: Das sind erst einmal
Erklärungen; sie sind noch nicht verbindlich . Das ist
richtig . Sie sollen die verbindliche Erklärung vorbereiten . Aber wir bezahlen auch in harter Währung, mit Euro
und Dollar .
Zweitens . Wir wissen, dass die Finanzierung des Klimaschutzes eine wichtige Säule dieser Verhandlungen
ist, weil es auf konkrete Hilfe für die Klimaanpassung
in den betroffenen Ländern, für Technologien, Walderhalt und vieles mehr ankommt . Dafür wird dringend
jeder Euro und jeder Dollar gebraucht . Deshalb haben
die Industrieländer auf dem Klimagipfel in Kopenhagen
versprochen: Wir werden 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 für die Finanzierung des Klimaschutzes zur
Verfügung stellen .
Wenn wir jetzt feststellen können, dass nach etwas
mehr als der Hälfte dieser Zeit diese Zusage zu zwei Dritteln eingelöst ist, dann hat das viel mit dem deutschen
Engagement zu tun . Gerade in diesem Jahr hat die Bundesregierung zugesagt: Wir werden unser finanzielles
Engagement noch einmal verdoppeln, auf 4 bis 4,5 Milliarden US-Dollar . - Das ist der richtige Weg und ein ganz
klares Signal: Wir reden nicht nur, wir handeln, und wir
bezahlen dort, wo es nötig ist, ganz konkrete Hilfen .
Drittens: Reduktion . Ja, daran lassen wir uns messen .
Deutschland hat gesagt: Wir machen auch mehr als die
EU, die bis 2030 minus 40 Prozent schaffen will . Wir
werden diese Reduktion mit unserem 40-Prozent-Ziel
schon im Jahr 2020 übertreffen . Daran halten wir fest .
Wir wissen: Da gibt es noch einiges zu tun . Deshalb sind
die Programme auf dem Weg . Deshalb brauchen wir ein
ehrgeiziges Vorgehen bei Kohle und Braunkohle . Wir
müssen in der Tat in Etappen einen immer geringeren
Kohleeinsatz und CO2-Ausstoß erreichen . Wir müssen
hierfür die Weichen stellen . Das brauchen wir im Bereich der Energieeffizienz, bei den Gebäuden, beim Verkehr und - es ist gesagt worden - in der Landwirtschaft .
Alle Sektoren müssen das liefern, was sie liefern können .
Das ist das Vorhaben dieser Bundesregierung, und wir
werden darauf achten, dass das genau so umgesetzt wird .
Glaubwürdigkeit erwächst durch das Ringen im internationalen Prozess, durch die Verstärkung bzw . Einhaltung
unserer finanziellen Zusagen.
Wenn Sie sagen: „Kapitalismus oder Klimaschutz?“,
dann möchte ich Ihnen entgegnen: Am Ende werden wir
es dann schaffen, wenn es uns mit unserer sozialen und
ökologischen Marktwirtschaft gelingt, Klimaschutz umzusetzen, aber auch Wohlstand zu behalten und dadurch
den sozialen Frieden in Deutschland sicherzustellen . Das
müssen wir zusammenbringen . Deshalb ist Ihre Alternative nicht die richtige . In unserem System von Nachhaltigkeit - Wirtschaft, Soziales und Ökologie - müssen wir
das hinbekommen . So müssen wir unsere Klimaschutzziele ambitioniert umsetzen und dadurch unseren Beitrag
zum Gelingen in Paris und zu dem sicher notwendigen
Prozess danach leisten . Dafür hat die Bundesregierung
unsere Unterstützung .
({7})
Vielen Dank, Andreas Jung . - Der nächste Redner in
der Debatte: Dr . Toni Hofreiter für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Manche Menschen glauben immer noch, die
Klimakrise sei etwas, was uns in ferner Zukunft ereilen
könnte . Bei vielen Menschen ist die Klimakrise aber
längst angekommen . Es mussten bereits Menschen ihre
Heimat verlassen, weil der Meeresspiegel über die letzten Jahrzehnte um 20 Zentimeter angestiegen ist und ihre
Inseln - ihr Lebensraum - deshalb zerstört oder versalzen worden sind . Diese Menschen können und dürfen
erwarten, dass die Reden, die geschwungen werden - die
Reden von vielen Staats- und Regierungschefs, aber auch
die Reden, die wir gerade gehört haben -, irgendwann
einmal auch zum Handeln führen .
({0})
Frau Merkel hat auf der Klimakonferenz vor wenigen Tagen thematisiert: „Wir wissen: Wir müssen heute
handeln .“ Da frage ich mich: Wen meint Frau Merkel eigentlich mit diesem „wir“? Ihre eigene Regierung meint
sie offensichtlich nicht mit diesem „wir“ . Ihre eigene Regierung handelt nämlich gegenteilig: 1,6 Milliarden Euro
neue Subventionen für Kohlekraftwerke, Zerstören des
Photovoltaikmarktes, Absturz des Ausbaus der Photovoltaik, bei KWK neue Subventionen für Kohle .
Im Verkehrsbereich hat sich die letzten zwei Jahre gar
nichts im positiven Sinne getan . Wir haben einen seltsamen Minister, dessen Haupthobby die Ausländermaut
ist . Aber beim VW-Skandal - Millionen von Autos, die
in Deutschland herumfahren, halten die CO2-Grenzwerte
nicht ein - ist der Minister nicht einmal in der Lage, die
Namen der Mitglieder seiner Untersuchungskommission
zu nennen, geschweige denn in der Lage, aufzuklären,
geschweige denn, etwas dagegen zu unternehmen .
Und denken wir an Herrn Gabriel: Herr Gabriel hat
das gesamte EEG verkorkst, sodass die Ausbauraten zusammengebrochen sind .
Was ist das eigentlich für eine Bundesregierung? Frau
Hendricks, Sie haben ja recht in vielem, was Sie hier gesagt haben . Herr Jung, auch Sie haben recht in vielem,
was Sie hier gesagt haben . Im Grunde genommen müssten Sie das aber einmal den zuständigen Ministern sagen .
Sie müssten das Herrn Dobrindt sagen . Sie müssten das
Herrn Gabriel sagen .
({1})
Sie müssten das auch Herrn Landwirtschaftsminister
Schmidt sagen; denn auch die Landwirtschaft trägt zu einem erheblichen Teil zum Klimawandel bei . Warum erzählen Sie uns hier in schönen, wohlabgewogenen Worten, wie der Klimaschutz theoretisch auf internationaler
Ebene stattfinden soll, wenn Ihre eigene Regierung vor
Ort anders handelt?
({2})
Klimaschutzkonferenzen sind wichtig und bedeutsam .
Am Ende muss Klimaschutz aber vor Ort umgesetzt und
kann nicht nur auf theoretischen Konferenzen verhandelt
werden . Dies vor Ort umzusetzen, bedeutet ganz konkret:
raus aus der Kohle, raus aus dem Verbrennungsmotor,
hin zu mehr erneuerbaren Energien und hin zu einer anderen Landwirtschaftspolitik .
({3})
Das sehen wir bei dieser Regierung aber nicht . Handeln
Sie also bitte konkret! Dann sind Ihre Reden auch glaubwürdig .
({4})
Häufig bekommt man zu hören, Deutschland sei gar
nicht so entscheidend; denn in China - das Thema hatten wir gerade gestern bei der Energiedebatte - gehe jede
Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz . Wer das sagt,
hat die aktuelle Entwicklung in China nicht mitbekommen . Dort hat man inzwischen festgestellt, dass Kohlekraftwerke nicht nur das Klima zerstören, sondern insbesondere auch einen gigantischen Smog verursachen .
Deshalb ist die Entwicklung in China inzwischen auch
eine andere .
Aber man darf dabei doch eins nicht vergessen:
Deutschland ist die viertgrößte Industrienation auf diesem Planeten . Angesichts dessen und angesichts des Vorsprungs, den wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien
hatten und den wir beim Klimaschutz hatten, ist es von
entscheidender Bedeutung, dass wir als wohlhabendes
industrialisiertes Land zeigen, dass es funktioniert: Man
kann gleichzeitig für Klimaschutz sorgen und seinen
Wohlstand erhalten . Insofern genügt es nicht, auf den
Klimakonferenzen voranzugehen, sondern man muss das
entsprechend vor Ort konkret umsetzen .
({5})
Angesichts Ihres gigantischen Umsetzungsdefizits ist
es nicht erstaunlich, dass Ihnen Ihre eigenen Regierungsberater sagen, dass Sie Ihre Bemühungen beim Klimaschutz verdreifachen müssen, um das 40-Prozent-Ziel bis
zum Jahr 2020 zu erreichen . Das sagen nicht wir, sondern
das sagen Ihnen Ihre eigenen Regierungsberater . Glauben
Sie denen doch, und handeln Sie entsprechend! Es reicht
nicht, wenn Sie gebetsmühlenartig immer wiederholen:
Ja, wir werden das 40-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 erreichen . - Das werden Sie nicht dadurch erreichen, dass
Sie hier warme Worte produzieren, die in vielen Fällen
sogar stimmen, sondern das wird dadurch erreicht, dass
Ihre Regierungskoalition handelt,
({6})
indem Sie diesem Pfeiffer, diesem Fuchs, diesem Bareiß
endlich einmal Beine machen und dafür sorgen, dass sie
nicht weiterhin alles blockieren, was Frau Hendricks an
teilweise sogar Sinnvollem vorgeschlagen hat .
({7})
Schauen wir uns zum Beispiel einmal den Verkehrsbereich an . Was stellen Ihre eigenen Regierungsberater da
fest? Der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich hat sogar
noch zugenommen . Und was ist die Konsequenz daraus?
Die Konsequenz ist, dass wir einen Minister haben, der,
nachdem er die Ausländermaut nicht durchgesetzt hat,
von nichts anderem redet, als möglichst viele Straßen
bauen zu wollen, statt dass er endlich dafür sorgt, dass
die Autoindustrie - schon aus eigenem Interesse - auf die
Idee kommt, aus dem Verbrennungsmotor auszusteigen .
Oder wie wäre es damit, die Bahn auf Vordermann
zu bringen? Das ist immerhin ein 100-prozentiges Bundesunternehmen .
({8})
Sie könnten sich auch einmal dafür engagieren, dass
das funktioniert; denn Bahnverkehr ist bekanntermaßen
CO2-ärmer .
Ich wünsche mir von ganzem Herzen - da sind wir uns
wieder einig -, dass Frau Hendricks dazu beitragen kann,
dass die Klimakonferenz in Paris zu einem guten Vertrag
führt, der den Anforderungen entspricht . Außerdem wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass uns Paris 2015
nicht allein durch die Terroranschläge in Erinnerung
bleibt, sondern uns in Erinnerung bleibt als der Ort, an
dem es uns gelungen ist, gemeinsam das Fundament für
eine lebenswerte Zukunft zu legen; denn das ist das, was
wir wirklich brauchen .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank, Toni Hofreiter . - Nächster Redner:
Dr . Matthias Miersch für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Toni
Hofreiter, es ist natürlich klar und auch richtig, dass die
Opposition angreift . Wenn wir aber hier vor einer Klimakonferenz miteinander streiten, dann gehört es meines
Erachtens auch zur Wahrheit, dass wir als Delegation, die
die Bundesumweltministerin bei den Verhandlungen in
Paris unterstützen wird, heute Abend durchaus sehr stolz
nach Paris fahren können, weil die Energiewende in der
Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kontext
beispiellos ist und Deutschland nach wie vor eine Vorreiterrolle einnimmt .
({0})
Dass vieles von dem, was Sie gesagt haben, diskutabel ist, ist keine Frage . Aber dass diese Bundesregierung
das erste Mal überhaupt ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 vorlegt und auch die Diskussion darüber
zulässt - denn die Expertenkommission ist nur möglich,
weil es klare Ziele und das vereinbarte Monitoring gibt -,
ist ein wirklicher Erfolg .
({1})
Das kann auch nur ein Erfolg sein, wenn das auf internationaler Ebene vereinbart wird . Insofern: Das ist ein ganz
wichtiger Fortschritt dieser Bundesregierung .
({2})
Ich will nicht darüber philosophieren . Wenn wir uns
aber beispielsweise den Zubau bei der Windenergie anschauen, dann stimmt es einfach nicht, was Sie sagen:
dass die Erneuerbaren an dieser Stelle abgewürgt werden .
({3})
Ich will auch darauf hinweisen, liebe Frau Kipping,
weil Sie hier Kapitalismuskritik geübt haben: Da sind wir
an der einen oder anderen Stelle möglicherweise sogar
einer Meinung .
({4})
Aber wenn ich mir die Vertreter der Staaten auf den internationalen Konferenzen anschaue, die sich als Sozialisten bezeichnen, und dann die Umweltpolitik dieser Staaten betrachte, dann muss ich sagen, dass Sie mit dieser
Behauptung absolut auf dem Holzweg sind .
({5})
Im Übrigen wissen Sie doch auch - das erleben Sie,
wo Sie Verantwortung tragen; das gilt auch für die Grünen in Nordrhein-Westfalen, in Brandenburg -, dass das
Thema Kohle nicht einfach ist .
({6})
Deswegen sage ich: Es ist ein Fortschritt, dass die
Bundesumweltministerin im Zusammenhang mit dem
Klimaschutzplan 2050 angemahnt hat, dass wir einen
Kohleausstiegspfad verlässlich - auch unter sozialen Gesichtspunkten - abbilden . Das ist eine Herkulesaufgabe,
({7})
und da unterstützen wir sie nach allen Kräften .
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer, wenn
man sich die Presse anschaut, werden vor einem Gipfel
Worte gebraucht wie: „Das ist die letzte Chance“ und:
„Danach geht nichts mehr“ oder euphorisch: „Wir müssen die Welt jetzt retten“ . Das alles birgt eine große Gefahr: dass es letztlich zu einer Übereinkunft kommt, aber
es kein Regulativ gibt, das die Überprüfung dieser Ziele
sicherstellt .
({9})
Deswegen ist der eigentliche Erfolg dieser Pariser Konferenz, wenn es nicht nur dazu kommt, dass die Staaten
dieser Welt aufgefordert werden, zu liefern - das haben
viele gemacht -, sondern gleichzeitig auch ein Monitoring, ein Überprüfungsmechanismus, wie wir es jetzt
hier in Deutschland haben, eingeführt wird, damit die,
die dann nach fünf Jahren sagen: „Wir konnten nicht liefern“, öffentlich am Pranger stehen .
({10})
Das ist wahrscheinlich der einzige und wichtige Erfolg von Paris . Die Arbeit beginnt erst nach Paris, und da,
glaube ich, müssen wir generell überlegen, wie wir Politik organisieren - auch in der Bundesrepublik Deutschland . Ich habe die große Befürchtung, wenn ich die Debatten um den Klimaschutzplan 2050 sehe, dass es dann
doch wieder nur bestimmte Ressorts sind, die liefern,
({11})
und andere blockieren . Wir haben eine interdisziplinäre
Arbeitsgruppe in unserer Fraktion eingerichtet,
({12})
in der alle Fachdisziplinen miteinander arbeiten, um
parlamentarisch dieses Verfahren zu begleiten . Herr
Krischer, ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich meine, dass
der Verkehrssektor einen elementaren Beitrag leisten
muss . Davon sind wir aber meilenweit entfernt .
({13})
Wenn ich einige Wirtschaftspolitiker meines Koalitionspartners höre, die sagen: „Wir dürfen die Wirtschaft
nicht überfordern“,
({14})
dann sage ich: Wir sollten uns als Erstes darauf verständigen, dass wir diesen Planeten nicht überfordern dürfen,
liebe Kolleginnen und Kollegen .
({15})
Können wir uns darauf verständigen, dass die Bundesumweltministerin recht hat, wenn sie sagt: „Gute Umweltpolitik ist Friedenspolitik, ist Gerechtigkeitspolitik“?
({16})
Aber es ist auch eine gute Wirtschaftspolitik, weil wir
wissen, dass in Zukunft die Maschinen gefragt sind, die
wenig Energie brauchen . Deswegen: Wer auf die Wirtschaft setzt, muss eine gute Umweltpolitik machen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .
({17})
Wir werden in diesem Jahr, wenn es dazu kommt,
zwei internationale Vereinbarungen erreicht haben, nämlich die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, die vor wenigen
Monaten verabschiedet worden sind, und hoffentlich
ein verbindliches Klimaabkommen . Diese beiden Abkommen müssen die Grundlage unseres Handelns hier
sein . Sie dürfen nicht nur Papier sein . Das Abkommen
von Montreal hat gezeigt, dass internationale Vereinbarungen - es ging um das Ozonloch - Wirkung entfalten
können, wenn alle Staaten mitmachen .
Ich habe das Vertrauen, dass wir Parlamentarier und
diese Bundesregierung einen großen Schritt tun können,
wenn wir es ernst meinen . Ich bitte und lade alle dazu
ein, mit uns darüber zu streiten, wie wir diese Ziele miteinander erreichen . Ich glaube, dass die internationale Politik in den nächsten Tagen eine gute Vorlage bieten wird .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({18})
Vielen Dank, Kollege Matthias Miersch . - Nächste
Rednerin: Dr . Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Ja, Angela Merkel hat bei der Klimakonferenz
gesagt:
Wir wissen, wir müssen heute handeln . Das muss
der Anspruch dieser Konferenz sein .
Besser und treffender kann man die Situation nicht beschreiben .
Werte Kollegen von den Grünen, Deutschland und Europa handeln . Erstens . Wir haben uns ambitionierte Ziele
gegeben, und wir setzen diese auch konsequent um: durch
das Klima-Aktionsprogramm, durch den Klimaschutzplan . Zweitens . Wir nehmen auch unsere Verantwortung
bei der Klimafinanzierung wahr. Gerade Deutschland hat
sich bei diesem Thema an die Spitze gesetzt .
Auch Europa hat sich als eine der ersten Vertragsparteien mit einem Reduktionsbeitrag von mindestens
40 Prozent bis zum Jahr 2030 ein ambitioniertes Ziel gesetzt . Wenn man die aktuellen Beiträge vergleicht, dann
sieht man, dass das EU-Ziel zu den ambitioniertesten
zählt .
Deutschland geht noch weiter . Wir wollen die Treibhausgasemissionen bereits bis 2020, also zehn Jahre
früher als die EU, um 40 Prozent reduzieren . Um dieses
Ziel zu erreichen, haben wir ein Klimaschutz-Aktionsprogramm mit 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt, die alle
Sektoren umfassen . Wir haben KfW-Mittel in Höhe von
177 Milliarden Euro in Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen investiert . Auch hier setzen wir ein Zeichen .
In der Debatte wird auch oft vergessen, dass sich
Deutschland ein Zwischenziel gegeben hat . Mit dem
Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 befinden wir uns
auf dem 2-Grad-Pfad . Und: Wir haben auch ein Langfristziel . Bis 2050 wollen wir es schaffen, unsere Emissionen
um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren . Dazu erarbeitet die
Bundesregierung gerade mit allen beteiligten Gruppen,
Gesellschaft und Wirtschaft, einen Klimaschutzplan .
({0})
Werter Herr Kollege Hofreiter, das Schlechteste, was
wir während der Verhandlungen in Paris machen können,
ist, dass wir unsere eigenen Ziele schlechtreden .
({1})
Wenn die Deutschen dies tun würden, dann könnten die
anderen denken, dass sie sich nicht mehr anzustrengen
brauchen . Das wäre fatal, vor allem, weil unsere Ziele
ambitioniert sind, weil wir selbstbewusst sein können .
Wenn wir nach Paris fahren und unsere eigene Maßnahmen schlechtreden, dann werden sich die anderen eher
zurücklehnen und nicht anstrengen . Das ist genau das
falsche Signal Ihrer Rede in dieser Debatte .
({2})
Deswegen haben wir in unserem Antrag auch positiv
beschrieben, was wir machen . Wir wissen auch: Alleine werden wir es nicht schaffen . Wir brauchen auch die
anderen Staaten der Welt . Diese Staaten brauchen unsere Unterstützung. Deshalb ist die Klimafinanzierung ein
wichtiger Punkt, ich möchte fast sagen, mit der wichtigste Punkt neben dem Thema Überprüfungsmechanismus .
An dieser Stelle will ich einmal sagen, was unsere
Minister machen, was Deutschland macht . Ich möchte
dazu das Entwicklungshilferessort herausgreifen . Entwicklungshilfeminister Gerd Müller setzt in den Bereichen der Klimafinanzierung und der Klimaanpassung
ganz gezielt Gelder aus seinem Haushalt ein . Aus seinem
aktuellen Etat werden über 2 Milliarden Euro in Minderungsmaßnahmen investiert, zum Beispiel in das Waldschutzprogramm zum Erhalt der tropischen Regenwälder
und zur Verhinderung der Rodung oder in den Aufbau
der Versorgung mit erneuerbaren Energien in den ärmeren Ländern dieser Welt . Vor kurzem hat man mit Indien
eine Solarpartnerschaft abgeschlossen . In Marokko wird
Anfang kommenden Jahres das größte Solarkraftwerk in
Betrieb genommen . Das BMZ baut auch die Klimarisikoversicherung auf . Also: Wir handeln . Das sollte man
auch einmal benennen, meine Damen und Herren .
({3})
Ein wichtiges Instrument ist auch der internationale
Grüne Klimafonds . Vor circa einem Jahr konnte dieser
mit 10 Milliarden US-Dollar gefüllt werden . 10 Prozent davon, nämlich 1 Milliarde US-Dollar, stellt allein
Deutschland zur Verfügung . Auch hier war Deutschland,
waren wir an vorderster Front dabei . Jetzt ist daraus eine
Dynamik entstanden: Mit Stand vom 1 . Dezember sind
die Zusagen auf 24 Milliarden US-Dollar angewachsen .
Frankreich hat seinen Beitrag ebenso wie die USA und
andere Staaten beziffert . Also ist auch hier etwas in Bewegung. In Paris zeichnet sich beim Punkt Klimafinanzierung eine positive Dynamik ab . Auch mit unserem
Beitrag haben wir diesen Stein ins Rollen gebracht, meine Damen und Herren .
Nicht nur wegen der Finanzierung, sondern auch ganz
generell bin ich guter Dinge, dass Paris zu einem Erfolg
wird . Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum ich
der Meinung bin, dass dies der Fall ist:
Der erste Grund . Viele Staaten der Welt sind dabei .
Große wie kleine, reiche wie arme Länder haben ihre nationalen Beiträge vorgelegt . Inzwischen sind es 184 Staaten, darunter erstmals Staaten wie die USA, Russland,
Südafrika oder Brasilien, aber auch Inselstaaten und
viele arme afrikanische Länder . Diese Staaten stehen für
95 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen . Bei
Kioto II waren es am Ende gerade einmal 37 Staaten, die
noch dabei waren und sich Ziele gesetzt haben . Diese
37 Staaten machten nur 12 bis 14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus . Wir sind jetzt also auf
einem guten Weg .
Die nationalen Beiträge wurden auch durch die jeweiligen Parlamente untermauert . Sie wurden in einem breit
angelegten Prozess in der Gesellschaft entwickelt . Zum
Beispiel hat man in Brasilien ein Referendum durchgeführt . Insofern glaube ich, dass diese Ziele wirklich in
der Mitte der Gesellschaft entstanden sind und dass diese
Klimakonferenz dem Willen der Bevölkerung entspricht .
Schon allein deshalb ist Paris meiner Meinung nach erfolgversprechender als Kopenhagen, meine Damen und
Herren .
({4})
Der zweite Grund . Die vorgelegten Beiträge sind bei
vielen Staaten wirklich nur als Ausgangspunkt zu sehen .
Es ist anzunehmen, dass einige der Staaten am Ende noch
mehr leisten werden . Dazu zwei Beispiele:
China will den Höchststand der Emissionen bis spätestens 2030 erreichen . Also kann es gut sein, dass China
den Wendepunkt, den Peak, vorher erreicht . Außerdem
wird China 2017 einen landesweiten Emissionshandel
einführen; er wird in der ganzen Volksrepublik China
eingeführt . Neu ist auch das Ziel Chinas, die CO2-Intensität der chinesischen Wirtschaft bis 2030 um 60 bis
65 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren .
Ähnlich Positives vernehmen wir von Kanada . Die
neue kanadische Umweltministerin McKenna sagte vor
kurzem, dass Kanadas Beitrag für die Zeit nach 2020 nur
ein Startpunkt ist und keinesfalls der Endpunkt der kanadischen Bemühungen . - Das sind Beispiele für Länder,
bei denen man davon ausgehen kann, dass sie vielleicht
sogar noch über ihre zugesagten Beiträge hinausgehen .
Der dritte Grund, warum ich glaube, dass Paris ein Erfolg wird, ist: Die Bedingungen sind anders als in Kopenhagen . Die Verhandler haben sich am Vorabend des Gipfelbeginns auf einen konkreten Ablaufplan verständigt .
Der vorliegende Text ist kein politischer Text, sondern
ein Text in Rechtssprache . Die Ausgangsbedingungen
sind also gut .
„Wir haben zum ersten Mal die Chance, unser
Ziel eines Abkommens zu erreichen“ - so hat es unsere Bundeskanzlerin formuliert -, eines Abkommens,
das verbindlich ist und das den Weg aufzeigt, wie die
2-Grad-Obergrenze glaubhaft erreicht werden kann . Wir
brauchen einen Überprüfungsmechanismus, der völkerrechtlich verbindlich festgelegt wird . Dieser Überprüfungsmechanismus soll dazu führen, dass alle fünf Jahre
geschaut wird: Haben die Vertragsstaaten ihre nationalen Beiträge erreicht? Und: Wie weit sind wir von der
2-Grad-Obergrenze entfernt?
Meine Damen und Herren, es ist fünf vor zwölf,
aber es ist noch nicht zu spät . Die Chancen stehen nicht
schlecht . Ergreifen wir also diese Chancen .
Zum Abschluss möchte ich US-Präsident Obama zitieren . Er hat gesagt:
Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel
spürt, und die letzte, die es in der Hand hat, etwas
dagegen zu tun .
Packen wir es an! Ich bin optimistisch, dass uns in Paris
etwas Positives gelingen wird .
Vielen Dank .
({5})
Vielen Dank, Anja Weisgerber . - Nächste Rednerin
für die Linke: Eva Bulling-Schröter .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn der Bundestag heute über die Klimakonferenz in
Paris debattiert, geht es nicht nur um CO2-Minderung,
INDCs, also nationale Klimabeiträge, und UN-Mechanismen .
Bevor ich auf unsere Anträge eingehe, will ich am
Beispiel meines Wahlkreises Ingolstadt ganz konkret machen, was Klimawandel heißt . Bei mir in Bayern droht
bis Ende des Jahrhunderts ein Temperaturanstieg um bis
zu viereinhalb Grad Celsius . Im Sommer wird es mehr
als 30 Hitzetage über 30 Grad geben, heute sind es im
Durchschnitt 5 . Ab 2060 gibt es bis zu 60 Schneetage
weniger im Jahr - da nutzen auch die Eiskanonen nichts
mehr - und kaum noch Eistage, also Tage, an denen die
Temperatur konstant unter null Grad liegt . Was das für
Landwirtschaft, Tourismus und Gesundheit heißt, können wir uns alle vorstellen . Das ist ja auch nicht neu .
Aber wir alle hier werden das Ende des Jahrhunderts
nicht mehr erleben .
Im globalen Süden ist der Klimawandel schon jetzt
Alltag . Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad sterben die
Korallenriffe, ganze Inselbevölkerungen verlieren ihre
Heimat, Dürren machen die Armutsbekämpfung zunichte, und der Syrien-Krieg, heißt es, sei durch den Klimawandel verschärft worden . Auch diese Folgen kennen
wir .
Natürlich spielt auch in Deutschland das Wetter verrückt, schon heute . 2015 wird wohl das wärmste Jahr
überhaupt . Die Deutsche Bahn hat erstmals wieder
Verluste eingefahren, insbesondere wegen Mehrkosten
durch Unwetterschäden . Dass der Klimawandel in unserem Land angekommen ist, das bezweifelt niemand
mehr; vielleicht noch einige Hinterbänkler der CDU/
CSU, die trotz Physikstudium die Naturwissenschaften
weiter in Zweifel ziehen .
({0})
Da kann ich nur sagen: Hören Sie Ihrer Regierung gut zu,
liebe Kollegen der Union . Die Gegner der Energiewende
sitzen in Ihren Reihen .
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses schimpft
mit Blick auf den Klimaschutz über eine „grüne Ideologie“ und „exzessive Milliardenkosten“ . Ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender sieht eine Bedrohung für
unseren „guten Lebensstandard“ und einen „tödlichen
Irrweg“ . Ja, wo sind wir denn? Sie müssen sich davon
distanzieren .
({1})
Lieber Herr Ramsauer, lieber Herr Vaatz - beide sind
natürlich nicht anwesend -, auch Sie müssen den Schuss
hören . Sie müssen sich die Rede der Kanzlerin in Paris
anhören, damit Sie wenigstens ein bisschen verstehen .
Nicht zu viel Klimaschutz ist Ressourcenverschwendung, wie Sie behaupten: Zu wenig Klimaschutz ist Ressourcenverschwendung, meine Damen und Herren .
({2})
Die Linke hat heute zwei Entschließungsanträge eingebracht . Auf internationaler Ebene brauchen wir echte
Verbindlichkeit, aber die wird es in Paris leider nicht geben . Darum brauchen wir hier in Deutschland ein Klimaschutzgesetz, das die Klimaschutzziele verbindlich festlegt . Dann ist endlich Schluss mit den KfW-Krediten für
neue Kohlekraftwerke im Ausland . Die müssen endlich
gestoppt werden!
({3})
Und dann kann der Klimaschutz auch nicht mehr durch
TTIP und CETA ausgehebelt werden; das steht in der
EU-Resolution .
Auch der Fahrplan für einen weltweiten Ausstieg aus
den fossilen Energien wird auf der Konferenz von Paris
nicht geliefert werden . Darum müssen wir ein Kohleausstiegsgesetz auf den Weg bringen .
({4})
Spätestens 2040, am besten schon 2035, muss Schicht
im Kohleschlot sein . Da sind wir ganz auf der Linie von
Frau Umweltministerin Hendricks . - Vielen Dank für
diesen Vorstoß .
({5})
Dann wäre auch Schluss mit neuen Umweltsauereien wie
denen, die jetzt wieder auf der Agenda stehen wie CCS
oder wie die geplante Umstellung der Betriebsfeuerung
aller Asphaltmischanlagen in Deutschland auf Braunkohle . Auch das lehnen wir natürlich ab .
Worum geht es jetzt in Paris? Wir sehen das Ringen
zwischen den Bevölkerungen: Bevölkerungen im Süden,
die sich aus der Armut befreien wollen, und Bevölkerungen im Norden, die nicht ärmer werden wollen . Deshalb
brauchen wir Klimagerechtigkeit, Climate Justice . Die
halten wir für dringend notwendig . Deshalb muss die EU
etwas tun . Deshalb brauchen wir ambitionierte EU-Klimaziele, und wir brauchen eine verbindliche Klimafinanzierung .
Zum Schluss: Papst Franziskus sagt - ich zitiere -:
Dieses System tötet . - Deshalb brauchen wir soziale Gerechtigkeit und Umverteilung . Diese Umverteilung wird
es im Kapitalismus aber nie geben; denn sie ist in seinem
System nicht vorgesehen .
Danke .
({6})
Danke, Eva Bulling-Schröter . - Nächster Redner für
die SPD-Fraktion: Frank Schwabe .
({0})
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen! Die Dinge sind so, wie sie sind .
({0})
Der Klimawandel findet statt, und er ist menschengemacht . Wir leben in einer Zeit, in der wir Schwellen
überschreiten und Extreme erleben . Wir verzeichnen
gegenüber der vorindustriellen Zeit eine Erhöhung der
Temperatur um mehr als 1 Grad . Wir haben mittlerweile
einen Wert von 400 ppm erreicht; dieser technische Wert
ist ein Maß dafür, wie hoch die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist . Außerdem ist dieses
Jahr das wärmste seit der Temperaturaufzeichnung .
Da uns der liebe Gott die Möglichkeit gegeben hat, zu
denken, und wir verantwortliche Politik betreiben wollen, müssen wir die Dinge ändern: wie wir leben, wie wir
Produkte erzeugen, wie wir Energie erzeugen, wie wir
uns fortbewegen, was wir essen, wie wir das, was wir
essen, produzieren bzw . aufziehen .
({1})
Ist das hart, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ja, es ist
hart, die Dinge zu verändern, sich umzustellen . Aber was
könnte härter sein, als das, was 35 Millionen Menschen
in Bangladesch erleben, die weniger als 1 Meter oberhalb
des Meeresspiegels leben und alles zu verlieren drohen?
Was könnte härter sein als das, was die Menschen auf
der Pazifikinsel Kiribati erleben, die auf andere Inseln
umgesiedelt werden sollen? All das findet heute statt.
Deswegen ist dies keine theoretische Debatte darüber, ob
wir eine Erhöhung der Temperatur um 1 Grad, 1,5 Grad
oder 2 Grad haben . Ich weiß, dass 2 Grad das realistische
Ziel ist, um das es in Paris geht; aber ich bin sehr bei den
Entwicklungsländern, die das 1,5-Grad-Ziel fordern .
({2})
Die Wahrheit ist: Der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl
findet längst statt. Wir streiten uns nur noch darüber, ob
er in 20, 25 oder 30 Jahren vollzogen sein soll . Der Ausstieg ist besiegelt . Es geht nicht mehr um das Ob, sondern
nur noch um das Wie . Das interessiert uns Sozialdemokraten natürlich besonders . Es geht darum, wie wir den
Umbau organisieren, damit die Menschen, wie wir im
Ruhrgebiet sagen, nicht ins Bergfreie fallen .
Der Umstieg findet längst statt - und nicht erst seit Beginn der Klimakonferenz in Paris . Aber der Plan des Umstiegs wird mehr und mehr festgetreten, und dazu dient
auch Paris . Wichtig ist: Wenn wir aus Paris zurückkommen, muss die Arbeit hier, in der Europäischen Union
und in Deutschland, intensiviert werden . Dann müssen
die Ziele, die wir uns gesetzt haben, umgesetzt werden,
an der einen oder anderen Stelle auch verschärft werden .
Niemand soll die Hoffnung haben, dass es in Paris
keinen rechtsverbindlichen Klimavertrag geben wird .
Den wird es geben. Damit, finde ich, entfällt jedes Argument, dass wir kein Level Playing Field auf internationaler Ebene haben . Damit entfällt jedes Argument,
dass wir keine ambitionierte europäische und deutsche
Klimaschutzpolitik betreiben . Damit ist das Programm
für 2016 eigentlich schon vorgegeben .
Meine Hoffnung und meine Bitte sind, dass alle konstruktiv daran mitwirken . Ich bin mir nicht so sicher, ob
das so sein wird . Ich habe mir gerade ein Papier des BDI
angesehen - ich hoffe, dass das ein Ausrutscher ist -,
in dem davon gesprochen wird, dass das Klimaziel für
2020 zu hoch sei und Investoren verschrecke . In dem Papier wird davon gesprochen, dass der Klimaschutzplan
für 2050 zu verwerfen sei, weil er in die klimapolitische
Kleinstaaterei führe. Ich finde, das ist keine konstruktive
Debatte .
({3})
Wer jetzt propagiert, Klimaschutzziele aufzugeben oder
keine neuen zu fassen, der hat die Zeichen der Zeit wirklich verkannt .
({4})
Es ist am Ende eine Politik der Realitäts- und Zukunftsverweigerung, die schon RWE und Eon - das ist bitter
genug - an den Rand des unternehmerischen Abgrunds
geführt hat .
Ich glaube, es geht nach Paris um Dreierlei . Wenn Paris erfolgreich sein soll, werden wir drei zentrale Aufgaben zu bewältigen haben .
Erstens . Wir müssen das EU-Ziel anschärfen; das ist
mehrfach betont worden . Wir haben ein Ziel, das mindestens 40 Prozent Reduktion vorsieht . Im Lichte von
Paris muss das angeschärft werden . Wir dürfen nicht
hinter China, die USA und andere Teile der Welt zurückfallen, die sich längst auf den Weg gemacht haben, die
zum Sprint angesetzt haben und an manchen Stellen - so
viel gehört auch zur Wahrheit - klimapolitisch durchaus
schon weiter sind als wir zurzeit in der Europäischen
Union .
Zweitens . Wir müssen die Ziele für 2030, 2040 und
2050 so festzurren - wenn es nach mir persönlich geht,
weiterhin gesetzlich -, dass sich die Akteure in der Wirtschaft nicht mehr um das Ob streiten müssen, sondern
nur noch um das Wie . Das ist die konstruktivere Debatte .
Das schafft für die heimische Wirtschaft einen verlässlichen Rahmen für Innovationen und Investitionen .
Drittens . Wir müssen die Ziele von 40 Prozent bis
2020 und bis zu 95 Prozent bis 2050 weiterhin so mit
Maßnahmen unterlegen und die Maßnahmen, die wir
schon haben, so konsequent umsetzen, dass die Ziele in
der Tat erreicht werden .
Paris wird das Signal aussenden, mehr zu tun und
nicht weniger . Klimaschutz ist Wirtschaftsförderung für
die Zukunft . Ein Land, das umweltfreundlich Energie erzeugen kann, ein Land, das energieeffizient produzieren
kann, das aber nicht tut, würde sich versündigen an der
Zukunft, an den nächsten Generationen und würde, wie
ich finde, gleichzeitig auch seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit schaden .
({5})
Das sollten wir nicht zulassen . Wir sollten gemeinsam
handeln für ein erfolgreiches Abkommen in Paris, für
eine Anschärfung der Ziele in der Europäischen Union
und für die konsequente Umsetzung . Ich freue mich,
dass die Grünen hinsichtlich der konsequenten Umsetzung der Maßnahmen in Deutschland an der Seite der
Umweltministerin stehen .
({6})
Glück auf, Herr Krischer!
({7})
Vielen Dank, Kollege Frank Schwabe . - Nächste Rednerin in der Debatte: Annalena Baerbock für Bündnis 90/
Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Frau Umweltministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Weisgerber, es geht ja nicht darum,
dass wir jetzt auch einmal anerkennen, dass die Bundesregierung etwas tut . Natürlich wissen wir, Herr Kollege
Miersch, dass es nicht schön ist, mit Saudi-Arabien, einem Dauerblockierer, auf der Klimakonferenz zu verhandeln . Aber als ich gestern Abend meine Sachen für unsere Delegationsreise packte, habe ich auch die kleinen
Babysachen von meiner gerade geborenen Tochter mit
eingepackt; denn sie muss nächste Woche mit nach Paris .
Dann habe ich mir überlegt: Sie wird im Jahr 2050 - über
dieses Jahr reden wir gerade - genauso alt sein wie ich
jetzt . Wenn sie dann selbst eine kleine Tochter hat, wird
sie mich fragen: Habt ihr damals in 2015 eigentlich alles dafür getan, diesen Klimakollaps zu verhindern? Ich
glaube, das ist die entscheidende Frage, die Sie sich und
die wir als Grüne uns stellen müssen: Tun wir wirklich
alles dafür, dass wir diese größte Katastrophe, wie Ban
Ki-moon es nannte, wirklich verhindern?
({0})
Deswegen ist es für uns entscheidend, dass wir uns
in Paris nicht mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Indien messen . Vielmehr müssen wir uns daran messen, was
die Vorreiter tun . Wir müssen auch dafür sorgen, dass
Deutschland wieder zu einem Vorreiter wird .
Lieber Frank Schwabe, auch du weißt: Es macht einen großen Unterschied, ob wir den Kohleausstieg früher
oder später machen . Denn CO2 summiert sich in der Luft .
Das ist das Entscheidende . Wenn wir es jetzt mit Karacho
rausblasen, dann ist es da oben, dann können wir es nicht
mehr zurückholen .
({1})
Es macht einen großen Unterschied, ob wir bei 2 Grad,
2,1 Grad oder 3,5 Grad landen . Denn die Inseln, die angesprochen wurden, gehen in dem einen Fall unter und in
dem anderen Fall werden sie gerade noch gerettet .
Daher ist auch für uns als Opposition nicht nur wichtig, dass die Verhandlerinnen und Verhandler aus dem
BMUB, die in Paris sicher alles geben werden, um jedes Wort und um jedes Komma in diesem Klimavertrag
kämpfen, sondern auch, dass Sie als Bundesregierung
hier vor Ort, also zu Hause, um jede eingesparte Tonne
CO2 kämpfen .
({2})
Es macht auch einen großen Unterschied, liebe Frau
Hendricks, wann der Kohleausstieg kommt . Am Dienstag säuseln Sie im Hintergrund davon, der Kohleausstieg
könne in 20 bis 25 Jahren gelingen, und am Sonntag im
Deutschlandfunk sagen Sie plötzlich: Na ja, oder vielleicht auch erst 2050 . - Es macht einen Riesenunterschied, ob er zehn Jahre früher oder zehn Jahre später
kommt .
({3})
Daran wollen wir Sie messen, und daran messen wir Sie
auch bei Ihrem Handeln im Ausland .
Es ist natürlich sehr gut, wenn Sie sagen: Wir investieren jetzt 3 Milliarden Euro in erneuerbare Energien
in Afrika . - Klammer auf: Diese Gelder waren schon in
den Haushalt eingestellt; man fokussiert sie nun noch . Nur, was hilft es uns, wenn wir die Erneuerbaren auf der
einen Seite ausbauen und sie auf der anderen Seite mit
dem Allerwertesten einreißen? Denn einerseits stecken
wir 3 Milliarden Euro in Erneuerbare . Andererseits steht
gleichzeitig eine Anfrage bezüglich einer Hermesbürgschaft aus Südafrika bei Ihnen auf dem Tableau, bei der
es um eine neue Kohlefinanzierung geht. Wenn wir dieser Hermesbürgschaft zustimmen, dann heißt das, dass
wir den fossilen Pfad für 30, 40 Jahre manifestieren . Das
macht all das zunichte, was Sie unter anderem in Form
von Solarparks in Marokko aufbauen .
({4})
Es gibt einen Grund, warum wir so sehr auf den Hermesbürgschaften und den KfW-Krediten herumreiten .
Als sie gestern angesprochen wurden, hieß es: Meine
Güte, es geht um 3,3 Milliarden Euro . Das macht doch
gar nichts aus . Dem stehen 177 Milliarden Euro für den
Klimaschutz gegenüber . - Doch, es macht etwas aus, und
es macht gerade in diesen Zeiten etwas aus . Sie haben
es angesprochen: Wenn Sie die Rockefeller-Stiftung, den
norwegischen Pensionsfonds und die Allianz loben, die
sagen: „Wir investieren nicht mehr in diesen Bereich“,
dann ist es doch ein dramatischer Unterschied, ob ein
Land wie Deutschland sagt: „Aber wir stellen nach wie
vor Hermesbürgschaften zur Verfügung, damit in Südafrika Kohlekraftwerke gebaut werden können“, oder
nicht . Wenn Sie diese Akteure loben, dann müssen Sie
ihrem Beispiel folgen und aus der Kohleauslandsfinanzierung aussteigen, meine sehr verehrten Damen und
Herren .
({5})
Ein letzter Punkt: zum Ambitionsmechanismus . Sie
haben gesagt: Wir wollen ihn völkerrechtlich verankern;
leider klappt das nicht . - Das stimmt . Deutschland kann
sich auf den Kopf stellen; das wird nicht klappen . Was
Sie aber tun können, ist, einen Ambitionsmechanismus
auf nationaler Ebene zu verankern . Deswegen fordern
wir ein nationales Klimagesetz, und deswegen fordern
wir Sie auf, das europäische INDC-Ziel nachzuschärfen . Das Europäische Parlament ist vorangegangen, hat
einen Beschluss gefasst und gesagt: Nach Paris muss das
EU-Ziel nachgeschärft werden . - Wir haben Ihnen angeboten, die EP-Resolution zur Klimakonferenz gemeinsam im Deutschen Bundestag hier und heute zu beschließen . Von Ihrer Seite kam aber leider: Das geht nicht; im
Koalitionsvertrag haben wir etwas anderes vereinbart .
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann
doch nicht sein, dass sich die Welt weiterdreht und hier
in Deutschland ewig der Koalitionsvertrag gilt . So werden wir die Zukunft unserer Kinder nicht retten können .
Herzlichen Dank .
({7})
Vielen Dank, Annalena Baerbock . - Nächster Redner in der Debatte: Matern von Marschall für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Verehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem
Glückwunsch beginnen . Frau Ministerin, Sie haben
heute Namenstag . Ich wünsche Ihnen, dass am heutigen
Barbara-Tag jemand einen Zweig für Sie schneiden und
dieser Zweig am Heiligen Abend erblühen möge,
({0})
und zwar in dem Sinne, dass Sie sich am Ausgang der
dann hoffentlich erfolgreich beendeten Klimakonferenz
erfreuen können . In diesem Sinne herzlichen Dank für
Ihre unermüdliche Arbeit! Dieser Dank gilt auch Ihrem
Verhandlungsteam, das schon im letzten Jahr in Lima unsere Delegation hat sich davon überzeugen können unermüdlich gearbeitet hat .
({1})
Die Klimakonferenz, über die wir sprechen, trägt das
Kürzel „Cop 21“ . Diese Conference of the Parties - das
bedeutet „Cop“ - hat ihre Wurzeln in Rio im Jahre 1992 .
In diesem Jahr wurde die Klimarahmenkonvention unterzeichnet .
Jetzt kommt etwas Bedeutendes: Die erste COP, die
COP 1, fand vor genau 20 Jahren in Berlin statt . Gastgeberin und diejenige, die diese erste COP zum Erfolg
geführt hat, war niemand Geringere als die junge Bundesumweltministerin Angela Merkel .
Angela Merkel hat diese Politik mit ihrer Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit über all diese Jahre vorangebracht . Sie hat immer wieder - gerade auch in den letzten Tagen; das hat mich beeindruckt - an den Film Der
Marsch aus dem Jahr 1990 erinnert, der eine Flüchtlingskrise beschreibt, die durch den Klimawandel verursacht
wurde . Insoweit kann man sagen, dass die Bundeskanzlerin die globalen Zusammenhänge der nationalen, der
europäischen und der globalen Politiken - sie haben Auswirkungen in die einzelnen Länder hinein - schon sehr
früh erkannt und eine entsprechende Politik sehr lange,
beharrlich und nachhaltig bis zum heutigen Tag verfolgt
hat . Dafür danken wir ihr sehr herzlich .
Die Erwartungen an diese COP 21 sind schon verschiedentlich skizziert worden . Ich glaube, wir dürfen
sie nicht zu hoch einschätzen, aber wir sollten sie auch
nicht zu gering einschätzen . Ich bin der sehr festen Überzeugung, dass wir die Vorreiterrolle, die Deutschland
damals, bei der COP 1 hier in Berlin, eingenommen hat wir haben ambitionierte Reduktionsziele vorgelegt und
andere dadurch ermuntert -, auch weiterhin spielen müssen und dass auch die Europäische Union als führende
Gemeinschaft von Staaten solch eine führende Rolle im
Klimaschutz weiterhin einnehmen muss .
Deswegen bin ich auch ganz froh, dass der Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes vor wenigen
Tagen einen Ambitionsmechanismus vereinbart hat . Es
geht darum, in kurzen Abständen zu überprüfen: Sind
bestimmte Ziele erreicht worden? Sind sie ausreichend,
oder müssen wir im globalen Kontext noch größere Ambitionen haben? - Das finde ich eine gute Initiative.
({2})
Eine gleichermaßen gute Initiative - hier möchte ich
einmal nach vorne schauen - ist für mich die Reform
des Zertifikatehandels. Dieser Zertifikatehandel - das
sagen uns nicht ganz unbedeutende Wissenschaftler wie
Edenhofer - muss nicht nur eine breitere Basis bekommen, sondern auch den notwendigen Rahmen setzen,
damit eine tatsächliche Lenkungswirkung in Richtung
„Saubere Technologien“ und „Sauberes Wirtschaften“
entfaltet werden kann . Ich glaube, er kann das, und zwar
durch eine bessere Wahrung der Subsidiarität in den Einzelstaaten, die dann darin frei sind, die für sie kosteneffizientesten und wirtschaftlich sinnvollsten Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen .
Es ist schon angesprochen worden: Die ursprünglichen Zielsetzungen sind schon 1995 formuliert worden .
Man wollte den Graben zwischen den Industrie- und den
Entwicklungsländern überbrücken und hat gesagt: Wir
haben eine gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung . - Einzelne Schwellenländer brachten die unterschiedliche Verantwortung damals noch dadurch zum
Ausdruck, dass sie sagten, sie hätten gar keine . Diese
Haltung hat sich geändert .
Indien ist noch nicht angesprochen worden, China
aber sehr wohl . Länder, die erst noch große wirtschaftliche Prozesse durchlaufen wollen, können natürlich
nicht die gleichen Ambitionen bei den Minderungszielen haben wie wir; das ist richtig . Wir bekommen durch
diesen Vertrag nun aber auch diese sehr großen Länder
mit ins Boot. Ich glaube, das ist neben der Klimafinanzierung, die besonders die schwachen Länder brauchen,
und neben einer Politik der Nachhaltigkeit, die vor allen Dingen unser BMZ vorantreibt - im September sind
Nachhaltigkeitsziele formuliert worden, wonach soziale,
wirtschaftliche und eben auch ökologische Ziele in Einklang gebracht werden müssen -, von außerordentlicher
Bedeutung .
Zum Abschluss möchte ich noch ein etwas düsteres
Thema berühren . Wenn wir jetzt in Paris sein werden,
dann werden wir uns besonders intensiv an die schrecklichen Terroranschläge erinnern . In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, woher dieser Extremismus
kommt . Dabei muss ich an die arabischen Länder mit
ihren Ölfeldern denken, die gewissermaßen die Basis eines religiösen Extremismus sind . Das dürfen wir nicht
übersehen .
Dieser Extremismus ist in die meisten der Industrieländer hinausgetragen worden und entfaltet dort bis heute
seine Wirkung . Diese Bemühungen, diesen Extremismus
in viele Länder der Erde zu tragen, sind maßgeblich mit
Petrodollars finanziert. Ich glaube, Paris kann eine Konferenz des Friedens sein, wenn wir die Überzeugung haben, dass eine geringere Abhängigkeit von Erdöl nicht
nur zum Klimaschutz beiträgt, sondern eben auch zu
einer friedlicheren Entwicklung auf der Erde insgesamt .
({3})
Herr Hofreiter, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu:
Die Mobilität ist in diesem Zusammenhang natürlich ein
fundamental wichtiges Thema . Ich will allerdings sagen,
dass hier nicht so sehr der Staat zum Handeln aufgefordert ist, sondern dass die deutsche Automobilindustrie,
die einen Umsatz von 350 Milliarden Dollar macht und
die zu den Herstellern der führenden Marken auf dieser
Erde zählt, eine Verantwortung hat, uns, den Konsumenten, Autos, die CO2-frei fahren, zu einem räsonablen
Preis in kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen .
({4})
- „Den Rahmen dafür setzen“ - wenn ich das noch ergänzen darf -, heißt natürlich, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen, also etwa Ladestationen für Elektroautos .
({5})
Das bedeutet selbstverständlich auch, eine Infrastruktur
mit Blick auf Wasserstofftankstellen bereitzustellen . Diesen Weg müssen wir gehen . Dann kommen wir auch im
Klimaschutz erheblich weiter .
Danke schön .
({6})
Vielen Dank, Herr Kollege . - Nächste Rednerin:
Dr. Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakonferenz
in Paris reiht sich ein in eine Folge wichtiger internationaler Konferenzen im Jahr 2015 . Im September haben
wir die UN-Konferenz zu den Nachhaltigkeitszielen abgeschlossen, und zwar, wie ich denke, sehr erfolgreich
abgeschlossen . Es gab bereits vorher eine wichtige Initiative, nämlich die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba . Ich erwähne das an dieser Stelle,
weil Entwicklungsfinanzierung mit Klimafinanzierung
eng verbunden ist und beide zusammen betrachtet werden müssen .
Frau Ministerin, Sie haben es zu Recht ausgeführt:
„Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspolitik
und Friedenspolitik .“ Ich möchte diesen Satz unterstreichen und bin dankbar dafür, dass dieser Gedanke von der
Bundesregierung und von Ihnen persönlich in Paris vertreten wird .
({0})
Es ist an dieser Stelle viel über die nationalen Klimaziele und -pläne gesagt worden . Ich möchte auf zwei
Aspekte besonders eingehen, einmal auf die Frage der
Minderung des CO2-Ausstoßes und einmal auf die internationalen Zusammenhänge insbesondere in der Frage der Anpassung . Minderungsziele im eigenen Land
sind richtig und wichtig . Wir wissen, dass inzwischen
184 Staaten - das wurde schon angesprochen - nationale Klimapläne aufgelegt haben . Wir wissen aber leider auch, dass das, was vorgelegt worden ist, noch nicht
reichen wird, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, sondern
dass wir uns dann auf einen Temperaturanstieg zwischen
2,6 und 2,8 Grad zubewegen .
Wir wissen auch, dass sich die ärmsten und verwundbarsten Länder vor einigen Monaten in Lima zu einer Initiative, V20, zusammengeschlossen haben . Dabei geht es
darum, zumindest das Ziel zu erreichen, das ihnen helMatern von Marschall
fen würde, nämlich die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu
begrenzen . Wir werden also, was die Minderung des
CO2-Ausstoßes anbelangt, ein Mehr an Anstrengungen
auch nach dieser Konferenz zu leisten haben . Dazu können wir hier in Deutschland einen Beitrag leisten; das ist
von allen Vorrednern angesprochen worden .
Aber ich möchte den Blick auch auf internationale
Zusammenhänge und die Beiträge lenken, die man leisten kann . Ich möchte ein Beispiel nennen . IRENA, die
Internationale Agentur für erneuerbare Energien, hat
einmal ausgerechnet, was allein auf dem afrikanischen
Kontinent möglich wäre, wenn auf erneuerbare Energien
umgestiegen würde . Die Agentur hat auch den nötigen
Zuwachs an Energie errechnet, den diese Länder dringend brauchen, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu
stärken und Armutsbekämpfung voranzubringen .
IRENA prognostiziert für den gesamten afrikanischen
Kontinent bis zum Jahr 2030, das Wirtschaftswachstum
eingerechnet, immerhin einen Anteil erneuerbarer Energien von insgesamt 22 Prozent, und auf den Strombereich entfallend 50 Prozent. Ich finde, das sind beachtliche Zahlen . Sie sprechen von einem CO2-Ausstoß von
310 Megatonnen, den man an dieser Stelle einsparen
könnte und die es lohnen, dass wir als internationale Gemeinschaft mehr tun, um in den Ländern Kapazitäten und
Strukturen aufzubauen, damit dieser Umstieg auf erneuerbare Energien oder dieser Einstieg in erneuerbare Energien auch im Süden möglich ist .
({1})
Ähnliches gilt selbstverständlich für den Bereich der
Anpassungsmaßnahmen . Es wäre mir als Entwicklungspolitikerin eigentlich lieber, wir würden es schaffen, die
Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, um viele Anpassungsmaßnahmen vielleicht nicht nötig werden zu
lassen . Trotzdem weiß ich: Es ist bereits heute Tatsache,
dass Menschen fliehen. Menschen verlassen ihre angestammten Regionen, Menschen können nicht mehr so
produzieren, wie sie es getan haben, weil Böden versalzen und weil Wasser fehlt . Das ist von allen Vorrednern
angesprochen worden . Das heißt, wir müssen in dem Bereich der Anpassung mehr tun .
Wir müssen auch das Thema der Klimafinanzierung
verstärkt für diesen Bereich nutzen, denn es ist klar:
Minderungsziele haben auch sehr viel mit Industrie, mit
Industrie in Schwellenländern und in Industrieländern,
zu tun . Das ist alles richtig und wichtig, aber die Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren, ist leider eine etwas
unattraktivere Geschichte in diesem gesamten Konzert .
Deshalb glaube ich, wir müssen Finanzierungen für Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung stellen .
({2})
Neben dem Green Climate Fund, der angesprochen
worden ist und bei dem man sicher noch genau hinsehen
muss, wie die Frage der Anpassung in diesem Fonds gelingen wird, leistet auch der UN-Anpassungsfonds, den
es bereits gibt, einen Beitrag . Im Oktober dieses Jahres
wurden dort 32 Projektanträge behandelt . Das zeigt, dass
es hier ein steigendes Bewusstsein für die Notwendigkeit
dieser Maßnahmen gibt . Dieser Fonds kriegt auch gute
Noten, weil es darum geht, Kapazitäten in den Ländern
des Südens aufzubauen und so den am meisten vom Klimawandel betroffenen Menschen und Gemeinden wirklich zu helfen . Ich wünsche mir sehr, dass gerade dieser
multilaterale Fonds, der wirklich einiges leistet, vorangehen kann, finanziell besser ausgestattet wird und für die
Zukunft auf eine sichere Finanzbasis gestellt wird .
({3})
Als Entwicklungspolitikerin sage ich noch einen letzten Satz generell zur Finanzierung . Ich habe am Anfang
gesagt: Klima, Entwicklung und Frieden sind untrennbar miteinander verbunden . Das gilt sicher auch für Finanzierungsfragen . Einen Gedanken aber bitte ich, bei
allem immer mit zu berücksichtigen: Es gibt klimarelevante Armutsfolgen, es gibt Verschränkungen der beiden
Themenfelder, aber es gibt auch klassische Felder der
Armutsbekämpfung und klassische Felder des Staatsaufbaus, für die die Entwicklungszusammenarbeit Gelder
benötigt. Ich bitte daher darum, Klimafinanzierung mit
Extramitteln auszustatten und nicht eins zu eins mit Entwicklungsgeldern zu verrechnen .
({4})
Vielen Dank, Bärbel Kofler. - Nächster Redner:
Dr . Thomas Gebhart für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! In diesen Tagen erreichen uns ständig neue
Nachrichten darüber, dass der Klimawandel voranschreitet . Im südlichen Afrika gibt es extreme Wetterereignisse,
es gibt einen steigenden Meeresspiegel und vieles mehr .
Wir nehmen wahr: Die Lebensbedingungen auf unserer
Erde verändern sich, und die Wissenschaftler mahnen
uns: Wir müssen das Klima schützen . Wir müssen alles
daransetzen, diese globale Erderwärmung auf maximal
2 Grad zu begrenzen; denn wenn uns dies nicht gelingt,
dann besteht die große Gefahr, dass dieser Klimawandel
durch den Menschen nicht mehr beherrschbar ist . Das
Klima schützen, das ist unsere Verantwortung vor allem
für die nachfolgenden Generationen .
Warum aber ist es so schwierig, diese Erkenntnis in
Taten umzusetzen? Zunächst einmal müssen wir wahrnehmen: Das ist ein globales Problem . Wir allein können das Klima nicht schützen, sondern die Staaten dieser Welt müssen miteinander kooperieren . Wir brauchen
eine gemeinsame Lösung, wir brauchen ein weltweites
Abkommen .
Warum haben wir dies bislang noch nicht erreicht?
Warum verhandelt die Welt seit 20 Jahren über den Klimaschutz, während die weltweiten Treibhausgasemissionen Jahr für Jahr immer weiter in die Höhe gegangen
sind? Dies hängt vor allem damit zusammen, dass am
Verhandlungstisch 195 Länder sitzen, die teilweise sehr
unterschiedliche Interessen haben . Da gibt es Länder an
der Spitze - dazu zählen auch wir -, die für einen ambitionierten Klimaschutz streiten . Da gibt es Länder, die
vor allem eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels wollen . Es gibt aber auch Länder, die sagen, dass
sie sich nicht einschränken möchten, weil sie zunächst
einmal ein gewisses Maß an Wachstum und Wohlstand
erreichen wollen, was sicherlich auch verständlich ist .
Unterschiedliche Interessen prallen also aufeinander .
Hinzu kommt, dass bei den Klimakonferenzen das Einstimmigkeitsprinzip gilt . Das heißt, Entscheidungen können immer nur dann getroffen werden, wenn am Ende
alle 195 Länder Ja sagen .
Was bedeutet das nun für Paris? Die Grundschwierigkeit, die ich eben beschrieben habe, löst sich nicht in
Luft auf, sondern bleibt bestehen . Wir sollten eine ehrliche und realistische Erwartungshaltung haben . Dazu
gehört, dass wir uns bewusst machen: Es gibt in den
nächsten Tagen noch erhebliche Stolpersteine auf dem
Weg hin zu einem weltweiten Abkommen . Wir sollten
uns außerdem bewusst machen, dass es selbst dann,
wenn die Minderungsziele, die die einzelnen Länder gemeldet haben, vollständig erreicht werden, in der Summe
nicht ausreicht, das 2-Grad-Ziel zu erreichen . Wir müssen uns auch bewusst machen, dass ein weiterer Punkt
hinzukommen muss, wenn ein solch notwendiges Abkommen geschlossen werden soll . Es muss uns gelingen,
den Grundkonflikt der unterschiedlichen Interessen zu
überwinden und die unterschiedlichen Ziele wie Klimaschutz auf der einen Seite und Wohlstand und Wachstum
auf der anderen Seite in Einklang zu bringen . Das geht
nur mithilfe von Innovationen und neuen Technologien .
Deutschland geht bei den erneuerbaren Energien voran .
Das wird international aufmerksam beobachtet .
({0})
Zu einer ehrlichen und realistischen Sichtweise gehört
aber auch, dass es Anlass zu begründetem Optimismus
gibt, und zwar in so starkem Maße wie noch nie vor
einer Weltklimakonferenz . Warum? Mehr als 180 Staaten haben freiwillig Minderungszusagen gemacht . Alle
größeren Verursacher des Klimawandels bekennen sich
zum Klimaschutz . Teil eines Abkommens soll - darauf
drängen wir ganz besonders - ein regelmäßiger Überprüfungsmechanismus sein . Das heißt, Paris ist nicht der
Endpunkt - das wurde schon angesprochen -, sondern
ein Zwischenschritt . Für einige Länder ist Paris sogar der
Start in die Klimaschutzpolitik .
Das angestrebte Abkommen ist so nah wie nie zuvor .
Ich hoffe und erwarte, dass es in einer Woche in Paris
eine Einigung geben wird . Ein solches Abkommen wäre
ein riesiger Fortschritt, weil die Richtung klargemacht
würde . Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es uns gelingt, ein solches Abkommen zu schließen, dann werden
weitere Schritte folgen . Unter dem Strich gibt es keine
vernünftige Alternative . Wir haben keine zweite Erde,
auf die wir ausweichen können . Deswegen müssen wir
alles daransetzen, am nächsten Freitag ein ambitioniertes, verbindliches und weltweit gültiges Abkommen unter Dach und Fach zu bekommen .
Inwiefern tragen wir in Deutschland dazu bei? Wir
leisten einen sehr großen Beitrag . Ich will nur zwei
Punkte nennen . Der erste Punkt ist: Wir haben ein sehr
ambitioniertes Klimaschutzziel und wollen bis 2020
eine 40-prozentige Reduzierung im Vergleich zu 1990
erreichen . Das ist ein sehr glaubwürdiges Ziel, weil wir
den größten Teil bereits geschafft haben . Die Lücke, die
noch besteht, werden wir schließen mit einem Bündel aus
Maßnahmen .
Der zweite Punkt ist: Deutschland wird die Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung auf künftig 4 Milliarden Euro verdoppeln . Wir helfen damit vor allem den
ärmeren Ländern, dass sie sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können, dass sie Waldschutz betreiben
können, dass sie insgesamt Klimaschutz betreiben können . Wir erleben jetzt in diesen ersten Tagen der Konferenz in Paris, dass eine Dynamik in das Thema der Klimafinanzierung gekommen ist. Das sind erfreuliche und
positive Zeichen .
({1})
Ich war wie viele andere auch bei diesen letzten Klimakonferenzen in den vergangenen Jahren dabei . Wir
hatten Gelegenheit, mit vielen Vertretern anderer Länder zu sprechen, mit Regierungsvertretern, aber auch
mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen . Es
zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche, dass
Deutschland ein unglaublich hohes Ansehen im Bereich
der internationalen Klimaschutzpolitik hat . Wir werden
als Vorreiter gesehen, wir werden als glaubwürdig betrachtet . Das ist vor allem auch ein Verdienst der deutschen Bundeskanzlerin .
({2})
Angela Merkel hält seit 20 Jahren den internationalen
Klimaschutz hoch, sie treibt an, sie geht voraus . Ich sage
ausdrücklich: Ohne die deutsche Bundeskanzlerin wären
die Chancen auf ein weltweites Klimaabkommen heute
nicht so hoch, wie sie tatsächlich sind .
({3})
Ich danke auch der Bundesumweltministerin, auch ihren Vorgängern, die sich alle sehr glaubwürdig und sehr
engagiert für das Ziel des weltweiten Klimaschutzes eingesetzt haben und nach wie vor einsetzen .
({4})
Ich hoffe, wir kommen Freitagnacht in Paris zu einem
Ergebnis und können sagen: Ja, die Staaten handeln, sie
kooperieren . Ich hoffe, dass es so sein wird, dass sich
die Weltgemeinschaft Freitagnacht auch einmal selbst
applaudieren kann . Wir haben eine historische Chance,
und die sollten wir jetzt endlich nutzen .
Herzlichen Dank .
({5})
Vielen Dank, Dr . Gebhart . - Letzte Rednerin in dieser
Debatte: Dr . Nina Scheer für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die jeweiligen UN-Klimakonferenzen sind für uns auch immer ein Spiegelbild . Sie haben
natürlich den Zweck, dass wir uns darauf verständigen,
was wir tun müssen, aber sie sind, gerade mit den vorbereitenden Berichten des Weltklimarats, des IPCC - auch
der jetzige Bericht bildet wieder eine Grundlage -, immer auch ein Warnsignal . Man muss zunehmend die Klimaberichte des Weltklimarates im Detail studieren, um
zu erkennen und ehrlich zu bekennen, welche Aufgaben
vor uns liegen .
Frau Hendricks hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
Transparenz das oberste Gebot ist . Ich möchte hier die
Gelegenheit der freien Aussprache über die Klimaverhandlungen nutzen - als solche kann man den heutigen
Vormittag zu der Thematik verstehen -, das Augenmerk
auf einige Inhalte zu richten .
Mit großer Sorge - das muss ich sagen - betrachte
ich, wie sich inzwischen aus der Befürchtung heraus, die
Klimaziele nicht zu erreichen, ein Verrechnungsmodell
etabliert . Es kommt zu der Bildung eines Emissionsbudgets, wobei wir alle wissen, dass das Emissionsbudget,
das uns dann noch verbleibt und das sich an dem 2-GradZiel orientiert, möglicherweise schon 2030 aufgebraucht
sein wird .
Das allein für sich genommen ist ein brauchbares
Warnsignal an uns, das wir insofern berücksichtigen
sollten, als es eine Handlungsaufforderung ist . Was allerdings nicht passieren darf - leider gibt es Anzeichen
dafür, dass es passiert -, ist, dass die Nichteinhaltung der
Zeitachse für dieses Emissionsbudget - ein früheres Aufbrauchen des Emissionsbudgets - dazu verleitet, Auswege zu suchen . Das heißt, man möchte negative Emissionen einpreisen .
Es gehört zur Transparenz, zu erkennen, dass von den
400 dem Sachstandsbericht des Weltklimarats zugrundegelegten Szenarien bereits bei 344 Szenarien mögliche
Klimaschulden enthalten sind, die zu einem späteren
als dem für das Emissionsbudget errechneten Zeitpunkt
wieder abzubauen sein werden . Das heißt, wenn wir die
Ziele in Anbetracht dieser 344 zugrundegelegten Szenarien erreichen wollen, dann müssen wir genau wissen,
was auf dem Weg dahin eingehalten werden muss . Damit
geht leider einher, dass wir einen Verschmutzungskredit
aufgenommen haben, den man in der Folgezeit abzubauen hat . Dabei wird es dann auch wirtschaftspolitisch interessant, zu sehen, welche Maßnahmen greifen und in
welche Richtung sich die Technologieentwicklung bewegt .
Wenn wir diese Wege beschreiten, was, wie ich finde,
nicht passieren darf, dann könnte das auch bedeuten, dass
besonders stark in die Technologien zur Abscheidung von
CO2 investiert wird, und zwar auch in CO2-Abscheidung
im Bereich der Bioenergieerzeugung und in unterirdische
Verpressung, um den angesprochenen Kredit zurückzahlen zu können . Wenn in diese Bereiche große Investitionen getätigt werden, können die gleichen Gelder anderswo nicht mehr investiert werden . Außerdem haben wir
keine richtig transparente Klarheit mehr darüber, wo wir
wirklich stehen . Der Wert der Weltklimakonferenzen,
die bisher stattgefunden haben, geht dann vielleicht ein
Stück weit verloren, weil uns nicht mehr ganz ehrlich das
offenbart wird, was tatsächlich zu tun ist .
Ebensolches - Bärbel Kofler hat es angesprochen -
gilt für die Anpassungsstrategien . So wichtig es ist, Anpassungsstrategien zu verfolgen, gerade mit Blick auf die
ärmsten Länder, die vom Klimawandel als Erste betroffen sein werden, müssen wir aufpassen, dass wir keine
zu enge Vermischung mit den Bemühungen vornehmen,
den Klimawandel einzugrenzen . Denn es kann der Eindruck entstehen: Wir tun doch schon viel; wir leisten
doch schon viel . - Es muss ganz klar sein: Das eine ist,
den Klimawandel zu verhindern, das andere ist: Wir müssen uns auch darum kümmern, dem nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandel und dessen Auswirkungen in Form
von Anpassungsstrategien zu begegnen .
Eine weitere Gefahr sehe ich darin, dass zunehmend
NGOs in den Entscheidungsprozess eingebunden sind
und damit nicht mehr zur kritischen Masse gehören . Ich
sage das insbesondere mit Blick darauf, dass die Atomenergie heutzutage als klimafreundliche Energie gilt .
Auch darauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten .
Ich hätte noch ein paar weitere Dinge zu sagen .
Nein .
Ich weiß, meine Redezeit ist zu Ende .
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
({0})
Vielen Dank, Nina Scheer . - Ich schließe die wirklich
nachdenklich machende, an das Verantwortungsbewusstsein appellierende Aussprache . Es wäre für manche Kolleginnen und Kollegen vielleicht nicht schlecht gewesen,
ihr zu folgen . Es wäre wünschenswert gewesen, dass
noch mehr Kollegen an dieser wirklich sehr intensiven
Debatte teilnehmen .
({0})
Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen vom Umweltausschuss, die heute nach Paris reisen, viele intensive Gespräche und Begegnungen, um so von parlamentarischer Seite Druck auszuüben und Dampf zu machen .
Kommen Sie also gut an, und kommen Sie gut und erfolgreich zurück .
({1})
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge .
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/6881 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge-
stimmt hat die Linke . Dagegengestimmt haben CDU/
CSU und SPD . Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grü-
nen .
Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der
Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/6882 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge-
stimmt haben Linke und Bündnis 90/Die Grünen . Dage-
gengestimmt haben CDU/CSU und SPD .
Ich übergebe die Sitzungsleitung an meine Kollegin
Petra Pau und wünsche Ihnen noch einmal erfolgreiche
Tage .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Für eine lebendige Demokratie - Fairer Handel statt TTIP und CETA
Drucksache 18/6818
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0})
Finanzausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie
({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Dr . Diether
Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Keine Paralleljustiz für internationale Konzerne durch Freihandelsabkommen
Drucksachen 18/5094, 18/6911
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sozusagen als Einstimmung auf die besinnliche Zeit haben Sie noch einmal Gelegenheit, mit uns über die Handelsabkommen zu diskutieren . Ich denke, Sie machen
das mit großer Freude .
Wir haben zwei Anträge vorgelegt, die Sie sicherlich
alle gelesen haben . Mit dem einen Antrag geht es uns darum, die mit den zusätzlichen Schiedsgerichten geplante
Paralleljustiz zu verhindern . Übrigens gilt unabhängig
davon, ob es sich um private Schiedsgerichte oder einen
Handelsgerichtshof handelt: Das ist eine Paralleljustiz .
In dem anderen Antrag plädieren wir für fairen Handel . Ich gehe davon aus, dass Sie unsere Anträge wie immer ablehnen werden . Aber unabhängig davon können
Sie die Adventszeit nutzen, um darüber nachzudenken .
Vielleicht kommen Sie dann zu der einen oder anderen
neuen Erkenntnis .
Große Teile der Zivilgesellschaft lehnen die Handelsabkommen ab, weil sie bereits nachgedacht haben . Ich
nenne ein Beispiel . Ich habe gestern den Bundesverband
der Milchbauern besucht . Insbesondere kleine Bauern
kämpfen ums Überleben, und zwar nicht nur wegen der
niedrigen Milchpreise, sondern auch wegen der Preise
und Produktionsverhältnisse bei anderen landwirtschaftlichen Produkten .
Und was macht die Europäische Union, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ich habe mir fast die Augen gerieben: In den Verhandlungen der Europäischen Union mit
den Amerikanern wird tatsächlich darüber gestritten, ob
man es den Amerikanern erlauben bzw . erleichtern soll,
rohe Eier in Europa zu verkaufen . Das war Gegenstand
der letzten Verhandlungen . Das ist kein Witz . Offensichtlich sollen rohe Eier über den Ozean geschippert werden, weil das US-Ei billiger ist als das Ei europäischer
Hennen . Warum ist das so? Weil die US-Henne billigeres
Futter frisst und der Tierschutz offensichtlich lascher ist .
Aber allein die Tatsache, dass sich die EU-Kommission damit befasst, ob rohe Eier über den Ozean geschippert werden sollen, zeigt, wie absurd das ist . Das ist doch
nicht mehr normal, meine Damen und Herren .
({0})
Wir hatten gerade eine Umweltdebatte . In Paris wird
darüber diskutiert, wie wir den Schadstoffausstoß reduzieren, um die Klimaerwärmung zu begrenzen . Der
Generalsekretär des International Transport Forum, José
Viegas, hat am 1 . Dezember im Tagesspiegel geschrieben, dass nahezu ein Drittel aller weltweiten Verkehrsemissionen aus dem internationalen Frachtverkehr stammen . Der Welthandel wird sich bis 2050 vervierfachen .
Damit wird auch der CO2-Ausstoß entsprechend zunehmen . Und die EU diskutiert über die Eier auf dem Meer .
Dümmer geht’s nimmer, meine Damen und Herren .
Würde TTIP Realität werden, dann würden im Übrigen die Bauern in Europa noch mehr unter Druck geraten . Beenden wir diesen Unfug!
Die Ablehnung wird immer breiter . Das wissen Sie .
Ich möchte Ihnen einige zentrale Forderungen der Zivilgesellschaft vortragen . Ich zitiere: „Ein Abkommen,
das den Bürgerinnen und Bürgern nutzen soll, darf nicht
Vizepräsidentin Claudia Roth
verhandelt werden, als müssten die Ergebnisse vor der
Öffentlichkeit verborgen werden .“
Realität ist: Nach wie vor haben nicht einmal Abgeordnete Kenntnis von den konsolidierten Verhandlungstexten . Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Lammert
ausdrücklich für sein Engagement dafür danken, dass die
Abgeordneten des Parlaments endlich erfahren, was eigentlich gespielt wird .
({1})
Ich würde erwarten, dass er mehr Unterstützung aus der
CDU/CSU bekommt . Unser Präsident gehört schließlich
zu Ihrer Fraktion .
({2})
- Da klatschen die nicht einmal . Ja, so sind sie . Marx
sagte: Wie sie sich geben, so sind sie .
Eine weitere Forderung, meine Damen und Herren Zitat -:
Eine Sondergerichtsbarkeit für Investoren ist nicht
zu akzeptieren und darüber hinaus zwischen Demokratien wie der EU und den USA schlicht unnötig .
Nach wie vor aber sind in CETA Sondergerichte enthalten . Trotz aller Reformen bleibt es bei Sondergerichten .
Noch ein Zitat:
Eine Rekommunalisierung einst privatisierter öffentlicher Dienstleistungen darf nicht durch Standstill- oder Ratchet-Klauseln im Freihandelsabkommen unmöglich gemacht werden .
({3})
In CETA sind solche Klauseln enthalten . Ausnahmen
sind lückenhaft .
Eine letzte Forderung, die ich Ihnen vortragen möchte - Zitat -:
Verbindliche Regelungen zu den ILO-Kernarbeitsnormen sind . . . unabdingbare Voraussetzung . . .
Sie wissen, meine Damen und Herren: Im Wirtschaftsausschuss hat der Verhandlungsführer der Amerikaner
erklärt, für ihn komme eine Ratifizierung der ILO-Abkommen nicht infrage . Das ist die Realität .
({4})
- Ihr regiert . Dann macht das mal vernünftig . Aber das
kriegt ihr nicht hin .
Meine Damen und Herren, von wem waren nun die
Zitate? Das waren allesamt Zitate aus Anträgen von Landesverbänden der SPD zum SPD-Parteitag am 10 . Dezember . Alles Zitate von der Basis oder von Landesverbänden der SPD!
Ich kann nur sagen: Die SPD-Basis orientiert sich
offenbar mehr am Gemeinwohl, als es gegenwärtig die
Bundesregierung tut . Von der Bundesregierung hat man
den Eindruck, dass sie die Dinge durchpeitschen will .
({5})
Die Kritik kommt übrigens immer mehr auch von
Wählern der Union .
({6})
Jetzt ist mein Freund Ramsauer nicht da . Er hat in Kanada - Sie waren dabei - bei jeder Veranstaltung erzählt,
dass es in seiner Region Traunstein - ein wunderbarer
bayerischer Wahlkreis mit absoluten Mehrheiten für die
CSU - zu einer Demonstration von 500 Leuten gekommen sei und dass es keine Linken gewesen seien, sondern
seine Wähler . - So geht es euch .
Übrigens kann ich auch die Milchbauern nennen . Das
sind auch nicht gerade Wähler der Linken, sondern eher
Wähler von euch .
Ich kann Ihnen allen nur empfehlen: Hören Sie auf
Ihre Basis!
Ich möchte zum Schluss noch sagen, was die Landesorganisation Bremen im Antrag T 20 zum SPD-Parteitag
festgestellt hat:
. . . erfüllt nicht die Anforderungen an Handelsabkommen, wie sie im Beschluss des Parteikonvents
der SPD vom September 2014 gestellt wurden, und
auch nicht die im Europaparlament Anfang Juli
2015 gestellten Anforderungen an das Handelsabkommen . . .
Das stellt die SPD Bremen fest .
Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen,
wenn Sie auf Ihrem Parteitag - das kann ich Ihnen nur
ans Herz legen - klare Kante zeigen, und zwar nicht für
die Großindustrie, sondern im Interesse der Bürger und
im Interesse der Mitglieder der SPD . Wenn Sie das tun,
dann hat die SPD bei Umfragen vielleicht auch wieder
steigende Werte .
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .
({7})
Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Man könnte sagen: It’s TTIP-time . - Es ist Freitagmittag . Die Linken beantragen ihre Debatte . Es ist imKlaus Ernst
mer das Gleiche . Wenn man sich die Anträge anschaut,
stellt man fest, Herr Kollege Ernst:
Der erste Antrag, den Sie benannt haben, hat letzte
Woche seinen ersten Geburtstag gefeiert . Plenum, Ausschuss, Plenum: Man nennt das, was Sie da betreiben,
Beschäftigungstherapie .
({0})
Es kommt kein neuer Gesichtspunkt in die Diskussion .
({1})
Es ist höchste Zeit, dass Sie nach einem Jahr die Positionen, die Sie damals aufgeschrieben haben, überdenken .
({2})
Bei dem zweiten Antrag, meine Damen und Herren,
haben Sie eine interessante Überschrift gewählt: „Für
eine lebendige Demokratie - Fairer Handel statt TTIP
und CETA“ . Das ist schon interessant . Die lebendige
Demokratie wird, glaube ich, hier in Deutschland tagtäglich bewiesen, gerade bei der öffentlichen Diskussion
über Handelsabkommen, über alle politischen Themen .
Wir brauchen doch keinen Antrag der Linken, um die
lebendige Demokratie in Deutschland zu befördern . Ich
weiß nicht, ob Sie noch in der Zeit von vor 25 Jahren,
vor 1990, denken . Da war natürlich nichts mit lebendiger
Demokratie .
({3})
- Wir haben mehr gelernt als Sie .
({4})
Aber dass Sie das heute in einen Titel schreiben, verwundert uns schon sehr .
Der zweite Teil der Überschrift, nämlich „Fairer Handel statt TTIP und CETA“,
({5})
ist auch ganz interessant . Die Frage ist: Was meinen Sie
denn eigentlich? Sie meinen: Der Handelsaustausch, der
im Moment zwischen Europa und den USA, zwischen
Europa und Kanada stattfindet, ist kein fairer Handel. -
So muss man das ja lesen .
({6})
Handelsabkommen sind für Sie also nicht der Türöffner
für fairen Handel, sondern Sie meinen, Handelsabkommen seien ein Handelshemmnis . Ich kann die Denkweise
nicht nachvollziehen, die hinter dieser ganze Sache steht .
Meine Damen und Herren, wenn man sich einmal Ihren Antrag anschaut, dann findet man darin interessante Dinge . In der Begründung schreiben Sie, wegen der
angestrebten transatlantischen Angleichung von Normen
und Standards würden Standards gesenkt und Normen
verändert .
Das ist ja interessant . Wie kommen Sie denn auf diese Annahmen? Wenn man mit einem Partner vereinbart,
dass die jeweils höheren Standards zur Anwendung kommen, wie soll man denn dann auf die Idee kommen, dass
die Standards gesenkt werden? Das ist doch vollkommen
unlogisch .
({7})
Die Denkweise, die dahintersteckt, ist doch völliger
Unfug . Das Bestreben dieser Handelsabkommen ist es
doch gerade, gemeinsam die höchsten Standards festzulegen, damit sich weltweit niemand mehr unterhalb dieser Standards bewegen kann .
({8})
Das ist doch der Sinn . Sonst muss man doch gar nicht
über Standards verhandeln . Es ist also völliger Unfug,
was Sie den Leuten suggerieren .
Über den Zugang zu den Unterlagen haben wir hier im
Plenum schon öfter diskutiert . Sie haben das Bemühen
von Herrn Lammert angesprochen . Dazu hat sich auch
schon unser Ausschussvorsitzender Peter Ramsauer geäußert . Ich hoffe, dass wir damit einen großen Fortschritt
erzielt haben . Ich bin gespannt, wie oft ich Sie im Leseraum antreffen werde .
({9})
Dann werden wir einmal sehen, wie oft Sie dann wirklich
über den 1 000 Seiten Unterlagen sitzen und diese lesen
werden .
Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, den wir erreichen konnten, weil wir an dem Prozess beteiligt sind .
Sie lehnen das jedoch ab und sagen: Stopp CETA! Stopp
TTIP! - Wir hingegen sagen, dass wir verhandeln müssen . Deshalb ist dieser Verhandlungsfortschritt ein großer
Fortschritt .
Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem
Antrag, dass eine bevorzugte Behandlung von Unternehmen bei öffentlichen Beschaffungen möglich sein müsse .
Weiter schreiben Sie vom Kampf gegen die Korruption
und die Verschwendung von Steuermitteln .
Meine Damen und Herren, genau das ist der Sinn der
Sache . Wir wollen, dass die öffentliche Vergabe transparent erfolgt . Wir wollen, dass die Ungleichheiten auf
den Beschaffungsmärkten in den Vereinigten Staaten
und Kanada einerseits und Europa andererseits abgebaut
werden . Wir wollen, dass deutsche Unternehmen einen
gleichberechtigten Zugang zu den Beschaffungsmärkten
in den USA und in Kanada haben .
Transparenz ist das beste Mittel gegen Korruption und
Verschwendung . Auch in diesem Fall kann man die hinter dieser Sache stehende Logik überhaupt nicht erkennen, die Sie uns heute versuchen in den Nikolausstiefel
zu schieben .
Meine Damen und Herren, Sie ändern Ihre Strategie
bei den Investitionsschutzabkommen . Früher waren es
halt die bösen Konzerne und die Banken, die die Staaten
ausnehmen könnten . Nun haben Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause Vorschläge für einen internationalen Handelsgerichtshof eingebracht . Auch Herr Gabriel
hat Vorschläge dazu gemacht . Jetzt, da es an die Umsetzung geht, sagen Sie, das sei Mist und das brauche man
nicht . Da muss sich doch jeder normale Mensch fragen:
Was soll das? Erst kämpfen wir für etwas, und wenn es
erreicht wird, dann ist das alles plötzlich Unfug . - Das ist
eine völlig unlogische Argumentation .
Herr Ernst, derzeit werden weltweit rund 20 Abkommen verhandelt . Stellen Sie doch einmal zu jedem dieser
Abkommen einen Antrag, zum Beispiel „Stopp Vietnam“ .
Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ernst?
Wenn es der Aufklärung des Sachverhaltes dient, dann
gerne .
({0})
Herr Kollege Lämmel, danke, dass Sie die Frage zulassen . - Erstens . Sie haben auf diesen internationalen
Handelsgerichtshof abgestellt . Außerdem haben Sie gesagt, wir hätten unsere Strategie geändert . Das ist überhaupt nicht der Fall .
Ist es nicht so, dass es nach wie vor ein eigener Gerichtshof sein wird, bei dem keine einheimischen Unternehmen, sondern nur ausländische Unternehmen klagen
können? Sind Sie mit mir der Auffassung, die laut Medienberichten auch von der Wissenschaft vertreten wird,
dass das eine weitere Bevorzugung der ausländischen
Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen
wäre, und zwar unabhängig davon, ob dies eine private
oder öffentliche Gerichtsbarkeit darstellt?
Zweitens . Sie haben vorhin dargestellt, dass jetzt die
große Transparenz ausgebrochen sei . Ich lese im Tagesspiegel von gestern,
({0})
dass Bundestagsabgeordnete in Berlin Zugang erhalten
sollen . Dann heißt es aber, dass die amerikanische Handelsbehörde von dem nichts weiß . Da würde ich Sie bitten, das einmal aufzuklären .
Drittens . Sind Sie mit mir der Auffassung, dass der
Präsident des Deutschen Bundestages in hervorragender
Weise dieses Thema angesprochen hat und es eigentlich
auch Aufgabe der Koalitionsfraktionen gewesen wäre,
in dieser Deutlichkeit, und zwar auch möglicherweise
durch einen von ihnen eingebrachten Antrag in dieser
Sache, darauf hinzuwirken, dass dieser unhaltbare Zustand, dass Abgeordnete den Text nicht einsehen können,
abgestellt wird?
Viertens . Herr Lämmel, warum - haben Sie eine Erklärung dafür? - hat die Europäische Kommission zugestimmt, dass der amerikanische Abgeordnete schon
längst die Möglichkeit hat, die Unterlagen einzusehen,
während der europäische Abgeordnete, der Abgeordnete
der Nationalparlamente nach wie vor keine Chance hat,
diese einzusehen?
({1})
Erstens . Herr Ernst, wenn Sie Ihr Wissen, Ihre Argumentation aus der Zeitung beziehen, kann ich Ihnen auch
nicht helfen . Das tut mir leid . In der Zeitung ist heute
leider auch nicht mehr alles richtig dargestellt .
({0})
Zweitens . Zu den internationalen Gerichtshöfen . Sie
haben es ja immer so dargestellt, als ob diese Schiedsgerichte sozusagen eine ganz große Besonderheit des
Handelsabkommens zwischen den Amerikanern und
den Europäern wären . Aber in vielen Debatten ist Ihnen
doch immer wieder erklärt worden, dass Schiedsgerichte
überhaupt keine neue Erfindung im Zusammenhang mit
Handelsabkommen sind .
({1})
Schiedsgerichte gibt es überall in der Welt, von der Welthandelsorganisation bis zum Friedensrichter im Nachbarschaftsstreit .
({2})
Dann haben Sie als Linke immer gesagt: Diese
Schiedsgerichte sind uns zu intransparent . Wir wissen überhaupt nicht, was dort der Klagegegenstand ist .
Wir wissen überhaupt nicht, wer dort die Richter, die
Schiedsrichter sind . - Genau diese Argumente hatten
auch wir in unserer Diskussion immer aufgegriffen . Natürlich brauchen wir, wenn wir ein modernes Handelsabkommen schließen wollen, auch beim Schiedsverfahren
Fortschritte . Jetzt haben wir sie erreicht . Jetzt werden
internationale Richter berufen, die vorher nicht mit dem
Sachverhalt betraut gewesen sein dürfen . Wir haben das
jetzt im ersten Handelsabkommen mit Vietnam vereinbart . Das ist Ihnen nun auch wieder nicht recht . Sie müssen sich wirklich einmal eine Strategie überlegen, damit
Sie Ihre Argumente auch durchhalten .
({3})
Insofern: Sie schreiben über Anträge immer nur: „Stopp,
Stopp, Stopp“ .
Zu Herrn Präsident Lammert . Ich habe Ihnen doch
vorhin gesagt, dass Herr Dr . Ramsauer als AusschussAndreas G. Lämmel
vorsitzender in unserem gemeinsamen Auftrag an Frau
Malmström geschrieben hat . Schon Ernst Hinsken als
Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses hat in der letzten Legislaturperiode an den damaligen EU-Kommissar
geschrieben, um genau diese Möglichkeit der Einsicht in
die Unterlagen zu erreichen . Wir freuen uns nun gemeinsam, dass das funktioniert hat . Das ist doch ein großer
Fortschritt . Da sollten wir doch mal zufrieden sein . Da
sollten Sie mal sagen: Mensch, jetzt haben wir doch was
geschafft in der lebendigen Demokratie .
Meine Damen und Herren, noch mal zurück zum
Investitionsschutzabkommen mit Vietnam, das jetzt
beschlossen und in dem ja dieser Handelsgerichtshof stellen Sie mal einen Antrag „Stopp Vietnam“ - vereinbart wurde . Wir werden gelegentlich darüber diskutieren
müssen, welche Vorstellungen die Kommission genau
hat, wie man diesen konstruiert und vor allen Dingen,
wie schnell der auf die Füße kommt .
Dauerthema „öffentliche Daseinsvorsorge“ . Da kann
ich Ihnen nur sagen: Frau Malmström war gestern in
Berlin und hat eine Pressekonferenz dazu gegeben . Ich
lese Ihnen bloß einen ihrer Sätze daraus vor: „Güter wie
Wasser, Bildung oder Gesundheit sollen nicht aus der öffentlichen Hand gegeben werden dürfen .“ „Punkt“, kann
man da nur sagen . Ihre Befürchtungen nach dem Motto
„Jetzt kommen die bösen Amerikanerheuschrecken und
schnappen euch eure Wasserwerke weg“, die Sie den
Leuten ständig einreden, sind doch so ein Humbug .
({4})
Dass in Deutschland eine solche Stimmung entstanden
ist, kosten Sie doch jetzt genüsslich aus . Die Verhandlungen über diese Handelsabkommen sind ein sehr komplexer Vorgang, gar keine Frage . Die Inhalte sind auch sehr
verwoben . Das schreiben Sie ja in Ihrem Antrag . Aber
statt Aufklärung zu betreiben und zu sagen: „Leute, wir
haben jetzt zehn Punkte, und fünf davon müssen wir
noch weiter kritisch begleiten und diskutieren“, machen
Sie es genau andersherum . Sie jagen erst das Chlorhuhn
durch die Fernsehzimmer, und dann kommen die ganzen
anderen Beispiele . Zurzeit sprechen Sie ja über die rohen
Eier, die über das Meer transportiert werden . Ich bin gespannt, was Sie in der nächsten Debatte anbringen . Wenn
das Thema Eier beendet ist, dann sind es vielleicht die
Kaninchen, die durch die Welt getrieben werden .
({5})
So kann man doch keine verantwortliche Politik machen . So macht man eine Angstpolitik . Genau das brauchen wir in einer lebendigen Demokratie nicht, Herr
Ernst . Deswegen sind Ihre Anträge ein böser Nikolausscherz, mehr sind sie nicht .
Danke .
({6})
Das Wort hat die Kollegin Katharina Dröge für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Lieber Herr Lämmel, in einem Punkt muss
ich Ihnen heute recht geben . Ich glaube, es passiert nicht
oft, dass ich Ihnen recht gebe . Wir diskutieren tatsächlich
nicht zum ersten Mal über TTIP und CETA im Deutschen
Bundestag .
({0})
Doch ich muss ganz ehrlich sagen: Genützt hat es in der
Sache noch gar nichts .
({1})
Wenn ich mir die Politik anschaue, die Sie als Große Koalition im Umgang mit TTIP und CETA betreiben,
dann muss ich ganz ehrlich sagen, dass sie mich ein bisschen an einen gestrandeten Pottwal erinnert: Allein kommen Sie nicht vom Fleck - und das, obwohl es dringend
notwendig wäre .
({2})
Man braucht viele Menschen, man muss ziemlich ziehen
und zerren, um einen gestrandeten Pottwal zu bewegen .
Um das konkret auf Ihre Politik im Deutschen Bundestag zu übertragen: Wir haben zwei Jahre lang über TTIP
und CETA im Bundestag gestritten . Es brauchte eine Demonstration mit 250 000 Teilnehmern, damit Sie sich nur
einen Zentimeter in der Sache bewegt haben, dass Sie
sich vielleicht - hoffentlich! - dafür einsetzen, dass wir
Abgeordnete Leserechte für die Dokumente, über die wir
am Ende beschließen sollen, bekommen . Das Winzigste,
was wir erreichen konnten, ist, dass diejenigen, die darüber beraten, einmal in die Dokumente schauen dürfen,
mehr ist das ja nicht .
({3})
Wir können keinen Zettel, keinen Stift mit in die Leseräume nehmen . Das heißt, wir können dort gar nicht
richtig arbeiten . Noch schlimmer: Wir können den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht erzählen, was wir gelesen
haben; denn das Ganze ist geheim . Viel haben wir also
noch nicht erreicht .
Das Einzige, was wir erreicht haben
({4})
- vielleicht; das wissen wir noch nicht -, ist, dass wir in
die Dokumente sehen können . Dafür feiern Sie sich heute . Von den Veränderungen in der Sache ganz zu schweigen: ob es um die Schiedsgerichte, ob um die Umweltregulierung oder um die Liberalisierung im Bereich der
Kommunen geht . Herr Lämmel hat so getan, als wäre in
den letzten Monaten in der Debatte irgendetwas in Bewegung gekommen .
({5})
Aber man darf Rhetorik, man darf Ankündigungen nicht
mit realer Politik verwechseln . Diesen Fehler macht Herr
Wiese in der Debatte auch ganz oft .
Herr Gabriel, Sie versprechen ein neues Konzept im
Bereich des Investitionsschutzes . Frau Malmström stellt
ein neues Konzept vor . Aber wenn man fragt: „Stimmen
wir im Bundestag ab?“, dann kommt von Ihnen immer:
„Ach, nee, abstimmen wollen wir lieber nicht, wir könnten uns ja festlegen müssen .“ Jeden einzelnen Antrag von
uns haben Sie bislang versenkt . Einen eigenen Antrag haben Sie nie gestellt . Wenn man mit den Verhandlern der
USA oder Kanadas redet, dann sagen sie immer: „Schöne
Vorschläge, die Herr Gabriel gemacht hat . Schöne Vorschläge, die Frau Malmström gemacht hat .“ Aber in der
Sache ist das im Falle von Kanada leider durch . Oder:
„Wir können uns wirklich nicht vorstellen, dass wir uns
auf Sie zubewegen .“ In der Sache haben Sie nichts erreicht .
({6})
Sie haben immer noch nicht verstanden, das Thema
Vorsorgeprinzip, unsere zentrale Regulierungsphilosophie, die wir in Europa haben, in TTIP oder CETA zu
verankern . Das hätte man in CETA machen können . Das
wäre eine große Chance gewesen . In CETA gibt es nicht
nur die Schiedsgerichte, sondern auch die State-to-State-Gerichte . Da werden wir vor dem WTO-Handelsgericht verklagt, und dann geht es um die Frage, wie man
die Maßnahme bewertet: nach dem amerikanischen wissenschaftsbasierten Ansatz oder nach dem europäischen
Vorsorgeprinzip .
({7})
Die Rechtsprechung der WTO war bislang so, dass sie
sich auf den amerikanischen wissenschaftsbasierten Ansatz gestützt hat und damit die europäische Umweltregulierung in einigen Streitfällen unter Druck geraten ist . Auch dazu von Ihnen in dieser Debatte bislang kein Wort .
Das dritte Thema - auch darüber hätte man bei CETA
noch einmal miteinander reden können -: der Schutz der
kommunalen Daseinsvorsorge . Wir haben wiederholt den
Vorschlag gemacht, Positivlisten anstatt Negativlisten
festzulegen, um eine Sicherheit zu haben, dass am Ende
nicht irgendetwas vergessen wird und es dadurch zu einer
ungewollten Liberalisierungsverpflichtung kommt, dass
wir nicht erst am Ende, nachdem wir den völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnet haben, merken: Verdammt, da
war etwas drin, was wir gar nicht so regeln wollten; aber
jetzt können wir den Vertrag nicht mehr ändern . - Auch
dazu von Ihnen kein Wort!
Ein weiteres Thema, über das man reden könnte, ist
der in CETA vorgesehene Hauptausschuss, der am Ende
die Kompetenz besitzen soll, die Annexe, die Protokolle,
die Verträge zu ändern . Es ist nicht sicher, ob das Europaparlament am Ende an der Entscheidung beteiligt werden
muss, ob etwa die Protokolle verändert werden sollen .
In den Protokollen stehen aber relevante Dinge wie Pestizidgrenzwerte oder eben die Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge . Auch dazu von Ihnen kein Wort!
Da frage ich mich ganz ehrlich: Was tun Sie eigentlich
hier im Deutschen Bundestag, außer Reden zu halten?
({8})
- Ja, genau, leider müssen Sie mir zuhören .
({9})
Ich verspreche Ihnen: Sie werden mir noch das ein oder
andere Mal hier zuhören müssen .
({10})
Jetzt komme ich auf das Bild mit dem gestrandeten
Pottwal zurück . Sie wissen ja: Wir Grünen haben ein
Herz für Tierschutz . Deshalb werden wir bei TTIP und
CETA weiter ziehen und zerren, bis der Pottwal Große
Koalition endlich im Wasser angekommen ist . Ich verspreche Ihnen: So wie der Wal merkt, dass man im Wasser besser schwimmt, so werden Sie auch merken, dass
ein Neustart dieser verkorksten Handelspolitik auch Ihnen mehr Freiheit und ein besseres Gefühl verschaffen
wird .
({11})
Das Wort hat der Kollege Dirk Wiese für SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lebenswert, offen, engagiert, vielleicht das
höflichste Land der Welt, von Wissenschaftlern als friedliche Mittelmacht bezeichnet, laut einer Empfehlung des
Deutschen Akademischen Austauschdienstes ein besonders willkommener und geschätzter Partner - die Rede
ist von Kanada . Unter Partnern - das sage ich hier ganz
offen - kann man reden, auch über ein Freihandelsabkommen, aber bitte sachlich . Vertreter der Fraktion Die
Linke sprechen in Interviews im Hinblick auf CETA
mittlerweile von einem Anschlag auf Demokratie, Sozialstaat und Umwelt . Ganz ehrlich: Solche Formulierungen sind zwischen Partnern, die lange freundschaftliche
Beziehungen haben, nicht angemessen und werfen ein
schlechtes Licht darauf, wie unsachlich Sie die Debatte
führen .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik
Deutschland und Kanada pflegen seit Jahrzehnten enge
freundschaftliche Beziehungen . Wir teilen gemeinsame
Werte und Grundüberzeugungen . Über 3,2 Millionen
Kanadier haben deutsche Wurzeln . Uns verbindet eine
aktive Mitarbeit in internationalen Gremien, vor allem in
Fragen der Sicherheit und Abrüstung, der Menschenrechte, bei humanitären Aktionen und bei friedenserhaltenden
Maßnahmen .
Das angedachte Freihandelsabkommen soll nun ein
Baustein sein, um die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen unseren beiden Ländern zu vertiefen . Aktuell
gehört Deutschland zwar schon zu den zehn wichtigsten
Handelspartnern Kanadas; Studien zeigen aber auch auf,
dass in den deutsch-kanadischen Wirtschaftsbeziehungen für beide Volkswirtschaften noch mehr Potenzial
liegt . Hauptexportprodukte Deutschlands sind Fahrzeuge, Fahrzeugteile, Maschinen, mechanische und elektrische Geräte .
Hinzu kommt: Abkommen und Verständigungen auf
bilateraler Ebene zwischen unseren beiden Ländern sind
nicht neu . Kanada und Deutschland haben 2002 ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, das das Abkommen von 1981 ablöste, mit der EU besteht seit 1976
ein Rahmenabkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, seit 1995 ein Abkommen
über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit,
seit 2003 ein Wein- und Spirituosenabkommen und seit
2009 ein Luftfahrtübereinkommen .
Im Freihandelsabkommen mit Kanada, das jetzt im
Entwurf vorliegt, ist im Industriesektor - um ein Beispiel zu nennen - ein Abbau von 99,7 Prozent der Zolllinien vereinbart, im Warenhandel von 98,4 Prozent
der Zolllinien . Infolge der Marktöffnung wird es einen
verbesserten Zugang für europäische Unternehmen, für
Dienstleistungsanbieter geben . Zudem kommt es zu Verbesserungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Auch die Absicherung in sensiblen
Bereichen, wie zum Beispiel im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge, ist gewährleistet .
Positiv ist zudem die Ermöglichung des Zugangs heimischer Unternehmen zu Ausschreibungen in Kanada .
Das gilt auch für Ausschreibungen auf regionaler und
kommunaler Ebene . Man geht dabei von einem Beschaffungsvolumen von etwa 100 Milliarden kanadischen
Dollar aus . Hier haben unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen überhaupt keine Möglichkeit, sich
in Kanada dem Wettbewerb zu stellen . Für kanadische
Unternehmen ist das hingegen schon heute in Deutschland möglich . Folglich gibt es faktisch keine zusätzliche
Marktöffnung hier bei uns . Wichtig ist: Trotz der geplanten Regelung können weiterhin Ausschreibungsbedingungen von Ausschreibungsstellen festgelegt werden;
die Möglichkeit, Regelungen zur Tariftreue oder Umweltbedingungen in die Ausschreibung aufzunehmen,
werden nicht beschränkt . Zudem: Das WTO-Streitverfahren mit Kanada zu der Frage von hormonbehandeltem
Rindfleisch wird einer endgültigen Regelung zugeführt.
Es wird die Einräumung eines Zollkontingents für Qualitätsrindfleisch geben. Also kurz und knapp: Weiterhin
kein Import von hormonbehandeltem Rindfleisch.
An einigen wichtigen Punkten bedarf die bisherige
Verständigung noch Änderungen und der Feinjustierung .
Hieran arbeiten Sozialdemokraten an vorderster Stelle
mit . Das nennt man übrigens: Politik machen und Zukunft gestalten . Denn wer sich allen Gesprächen und
Verhandlungen, die jetzt gerade stattfinden, verweigert,
der gestaltet Globalisierung nicht mit, sondern der wird
gestaltet werden . Bezogen auf die Weltwirtschaft heißt
dies: Wer den Ball nicht aufnimmt, der spielt nicht mit .
({1})
Lieber Kollege Klaus Ernst, wenn Sie im Januar Zugang zu den Dokumenten haben, dann haben Sie das
einem zu verdanken, und das ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der sich immer wieder dafür eingesetzt hat, dass wir als nationale Abgeordnete Zugang
zum Vertragstext bekommen . Geben Sie Sigmar Gabriel
mal einen aus; sagen Sie ihm Danke schön . Er sorgt dafür, dass Sie endlich aufgeklärt werden .
({2})
Ich empfehle Ihnen das Positionspapier von Bernd
Lange „Wandel durch Handel - Faire Handelspolitik im
21 . Jahrhundert“ wärmstens als Lektüre für die ruhigen
Weihnachtstage, dann werden sich nämlich viele Ihrer
Fragen klären .
Die Anmerkungen, die ich an der einen oder anderen Stelle gemacht habe, gelten eins zu eins auch für
das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten,
TTIP . Es wird übrigens - das möchte ich deutlich formulieren - noch sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, bis
wir zu möglichen Ergebnissen kommen .
Einen Satz noch zu CETA . Sie suggerieren bzw . behaupten fälschlicherweise immer, dass sogenannte Briefkastenfirmen, Mailbox Companies, Klagemöglichkeiten
haben .
({3})
Das ist faktisch falsch und gelogen. Briefkastenfirmen
haben in CETA keine Klagemöglichkeit mehr; das ist
ausgeräumt . In alten Schiedsgerichtsabkommen, von
denen die Bundesrepublik Deutschland eine Menge abgeschlossen hat, gab es diese Möglichkeit . Wenn die Befürchtungen, die Sie hinsichtlich der sogenannten Briefkastenfirmen haben, nämlich dass US-amerikanische
Firmen in anderen Ländern schnell ein Büro eröffnen und
einen Briefkasten einrichten, um Klagemöglichkeiten zu
bekommen, wahr wären, dann müssten wir im Rahmen
der bereits abgeschlossenen Abkommen - es sind über
hundert - mit unzähligen Klagen überzogen worden sein .
Wissen Sie, wie oft wir verklagt worden sind? Dreimal .
Das ist einfach nur Angst, was Sie erzeugen, und nichts
anderes .
({4})
Wir Sozialdemokraten wollen Prinzipien und Werte
global verankern . Darüber diskutieren wir auch auf dem
Bundesparteitag, der in der kommenden Woche ansteht .
({5})
Aufgrund des Stillstands in der Welthandelsorganisation
ist die Möglichkeit, Fortschritte multilateral zu erzielen,
derzeit nicht gegeben . Daher stellen bilaterale Abkommen aktuell ein Instrument dar, globalen Handel zu verändern . Es ist darum richtig, in den kommenden Wochen
mit dem Partner, der neuen kanadischen Regierung, zu
sprechen . Wir tun das: gestern mit Cecilia Malmström,
heute Morgen mit dem Chefunterhändler Steve Verheul
von kanadischer Seite . Ich bin mir sicher, dass wir in den
nächsten Wochen noch zu Ergebnissen kommen werden,
die Sie überraschen werden . Vielleicht werden die Ergebnisse Sie dazu bringen, dem Ganzen möglicherweise
doch zuzustimmen .
Vielen Dank .
({6})
Der Kollege Dr . Matthias Heider hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Herr Ernst, wenn man Ihre
Anträge so durchliest, fragt man sich, wie man sie am
ehesten charakterisieren soll . Es ist gerade Mittagszeit,
und die Suppe, die Sie uns heute angerichtet haben, ist
ein wahrer Feuertopf . Das sind Ihre Zutaten: eine ordentliche Portion Wachstumskritik, ein bisschen Demokratieverdrossenheit, ein Teil Paralleljustiz, ein Teil Empörung,
ganz viel Spekulation, zwei Bund Geheimniskrämerei
und eine Prise Streit . Alles in einen Topf werfen, ordentlich umrühren und dann verteilen; Hauptsache, die Suppe ist heiß genug, sodass sich später irgendjemand daran
verbrennen wird - das ist Ihre Art von Politik, Herr Ernst .
({0})
Einige wichtige Punkte drohen in der Debatte unterzugehen . Umwelt, Lebensmittelsicherheit und technische Standards - das sind Aspekte, die alle Bürger angehen, nicht nur diejenigen, die vor wenigen Wochen hier
in Berlin demonstriert haben oder die Eingaben an die
EU-Kommission machen .
Das Freihandelsabkommen betrifft über 800 Millionen Menschen . Es ist der größte demokratisch legitimierte Wirtschaftsmarkt der Welt . Ich glaube, er hat einen
verlässlichen Rechtsrahmen für den transatlantischen
Handel verdient . Die Menschen in diesem Markt wollen
Produktvielfalt, sie wollen sinkende Preise, sie wollen
aber auch einen Lohnanstieg .
Wir führen die Debatte schon über zwei Jahre . Ich
frage mich: Was wäre eigentlich aus dem europäischen
Binnenmarkt geworden, wenn man mit ihm so umgegangen wäre, wie Sie heute mit dem Freihandelsabkommen
umgehen?
({1})
Ich kann es Ihnen sagen: Bei den Vorbehalten wären wir
in Europa nie auf einen gemeinsamen Nenner gekommen .
Die Grundfreiheiten des europäischen Marktes prägen
die EU bereits seit 1957: Als Erstes sind die Warenzölle auf dem Gebiet der EU abgeschafft worden, der freie
Warenverkehr wurde durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs durchgesetzt, und erst 1993 haben
wir eine Vielzahl von nichttarifären Handelshemmnissen, die uns behindert haben, abgeschafft. Wir profitieren
davon . Warum sollten wir uns nicht auch im transatlantischen Bereich für Freihandel mit Kanada und den USA
einsetzen?
Die positiven Effekte solcher Abkommen sind sichtbar . Schauen Sie sich wenigstens das Abkommen mit
Chile an . Wir können feststellen, dass sich die Umsätze
auf dem Markt zwischen Chile und der EU von 7 Milliarden auf inzwischen 18 Milliarden Euro erhöht haben .
Und nach dem Abkommen, das mit Ägypten geschlossen
wurde, sind die Umsätze von 11 Milliarden auf 22 Milliarden Euro gestiegen . Das ist doch ein spürbarer Effekt . Ich glaube, im Interesse der Arbeitsplätze bei uns in
Deutschland müssen wir uns darum bemühen, die Wertschöpfung bei uns im Land zu halten . Wir müssen dafür
sorgen, dass sie nicht woanders hin verlagert wird, und
dafür müssen wir die Rahmenbedingungen dieser Märkte
gestalten . Das dürfen wir nicht anderen überlassen .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger . Gerade das ist es
doch, was die EU in ihren Regelungsvorschlägen, die
sie in die Verhandlungen einbringt, anspricht: Freihandel unter Beibehaltung der hohen Verbraucher- und Umweltstandards . Schauen Sie sich einmal die einzelnen
Regelungsvorschläge an . Es ist doch nicht so, dass damit
das aufgegeben wird, was in Richtlinien und Verordnungen in der EU festgeschrieben ist . Wir haben das doch in
Jahrzehnten aufgebaut . Warum sollten wir uns denn bei
dieser Gelegenheit davon trennen?
Damit ist nicht gemeint, dass die Standards in den
USA viel niedriger wären als bei uns . Nein, sie werden
nur anders festgelegt . Lassen Sie uns doch gerade in den
Bereichen, in denen technisch festgestellt werden kann,
dass die Standards die gleiche Sicherheit bewirken, Bürokratieabbau betreiben . Lassen Sie uns doch Standards
finden, die es den Unternehmen in Deutschland ermöglichen, ihre Produkte einfacher auf den anderen Markt zu
bringen - Produkte, die hier produziert werden und auf
den anderen Markt gebracht werden .
Sie schreiben in Ihrem Antrag - ich zitiere -:
Letztendlich wird über die konkrete Ausrichtung
von CETA und TTIP auf einzelwirtschaftliche Interessen nach Kostensenkung im Handel und der
politischen Selbstbindung der Parlamente die demokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften
ausgehebelt .
Da kann ich nur fragen: Geht es eigentlich noch? Glauben Sie, dass wir und unsere Kollegen in 28 MitgliedDirk Wiese
staaten der Europäischen Union uns einfach das Heft des
Handelns aus der Hand nehmen lassen?
({3})
Ich glaube, da liegen Sie falsch . Ich glaube, das sollten
Sie auch mit Ihren Kollegen im Ausland noch einmal
dringend besprechen .
({4})
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die
Schiedsverfahren zu sprechen kommen; das ist für Sie
ja auch ein wichtiger Punkt . Ihre prinzipielle Ablehnung dieser Verfahren kann ich nicht verstehen . Haben
Sie eigentlich ein Schiedsgericht in Ihrer Parteisatzung?
Ich glaube, ja . Ich glaube, auch da gibt es eine gewisse
friedenstiftende Funktion . Das ist in den anderen Rechtsbereichen, in denen Schiedsverfahren eingesetzt werden,
auch so .
({5})
Es passt zu Ihrem Bild von der Wirtschaft, dass Sie das
Wirtschaftsunternehmen vorenthalten wollen .
({6})
Diese Verfahren dienen der schnellen Durchsetzung
eines Rechtsschutzes . Kein Kaufmann auf der Welt kann
acht bis zehn Jahre warten, bis die Gerichte in drei Instanzen entschieden haben, ob seine Investition in einem
anderen Land trägt oder nicht trägt . Da muss ein schnelleres Verfahren her . Dazu dienen diese Schiedsverfahren .
Ich freue mich ausgesprochen, dass wir in dem Vertrag
mit Kanada bereits eine ganze Anzahl von Regelungen
haben, die die jetzt geltenden Regelungen für Schiedsverfahren auf einen ganz neuen Standard bringen . Im
Übrigen müssen Sie sich einmal Folgendes vor Augen
führen: Kanada und die USA machen nicht nur Rechtsgeschäfte in Deutschland; die machen auch Geschäfte
in Bulgarien oder Rumänien, wo die Durchsetzung der
Rechtsstandards möglicherweise etwas schwieriger ist
als bei uns . Man kann durchaus auch einmal darüber
nachdenken, ob Sie Europa wirklich über einen Leisten
schlagen wollen .
({7})
Ich glaube, man kann das so nicht machen, sondern man
muss Vorsorge treffen . Nach aller kaufmännischen Erfahrung sind Schiedsgerichte dafür ein ganz wichtiges
Element .
Ich muss Ihnen in einem Punkt recht geben: Das Lesen
dieser konsolidierten Vertragstexte muss man schon deshalb sehr schnell bewerkstelligen, weil es ungemein zeitaufwendig ist . Allein CETA umfasst etwa 1 700 Seiten
und ist so dick wie das Telefonbuch von Düsseldorf . Das
braucht Zeit . Deshalb ist es klug, wenn die EU-Kommission und die amerikanische Verhandlungsseite bei TTIP
den Abgeordneten diese Dokumente möglichst schnell
zur Verfügung stellen . Ich glaube, es gibt in diesem Haus
auch keinen Widerspruch dazu, dass das so gemacht werden soll .
({8})
Ich bin der Auffassung, dass wir mit diesen Abkommen rechtzeitig auf die Zielgerade kommen sollten . Bei
CETA, dem Abkommen mit Kanada, sind wir bereits auf
der Zielgeraden . Ich habe noch nie so eine lange Rechtsförmlichkeitsprüfung durch die Kommission erlebt wie
bei diesem Abkommen mit Kanada. Ich finde, wir sollten
zu einer Entscheidung kommen . Wir brauchen bei TTIP
eine qualifizierte Diskussion statt Spekulationen. Bei
CETA brauchen wir jetzt einen schnellen Abschluss der
Rechtsprüfung und dann eine Schlussabstimmung in den
Parlamenten . Das wäre ein Impuls für den transatlantischen Handel, den wir geben könnten .
Herr Ernst, ich sage Ihnen noch einmal: Dass Sie sich
für Protektionismus einsetzen und nicht für Freihandel,
überrascht mich .
({9})
Dann gehören Sie zu den Protektionisten . Aber der
Rest dieses Parlaments wird zu denen gehören, die den
Freihandel unterstützen und die mit einem Impuls das
Wachstum in den Märkten weiter nach vorne bringen
wollen .
Herzlichen Dank, meine Damen und Herren .
({10})
Die Kollegin Dr . Nina Scheer hat für die SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion, die wir seit vielen
Monaten, bald schon Jahren, jedenfalls seit dieser Legislaturperiode, hier im Deutschen Bundestag über die
Freihandelsabkommen führen, hat eines bewiesen: Es ist
wichtig, diese Diskussion zu führen . Insofern möchte ich
gleich zu Beginn sagen: Eine sofortige Ablehnung von
Verhandlungsprozessen kann uns die Chance nehmen,
über die Inhalte zu diskutieren . Wann, wenn nicht im
Rahmen solcher Abkommen, können wir über die Dinge diskutieren, die möglicherweise tatsächlich hinterher
nicht funktionieren? Das sollte nicht vorweggenommen
werden . Wir sind in einem Prozess der Klärung .
Gerade die letzten Äußerungen meines Kollegen
Heider zeigen, dass etwa bei der Frage der Schiedsgerichtsbarkeit sehr wohl noch großer Klärungsbedarf besteht .
({0})
Er ist jetzt gerade nicht ansprechbar .
({1})
Zu dem Argument, dass das eine Selbstverständlichkeit
sei, weil Schiedsgerichte auch in Parteistatuten enthalten seien, muss ich sagen: Wenn Sie diese so essenzielle
Frage derart auf die leichte Schulter nehmen, kann ich da
nicht mitgehen .
({2})
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist zu Recht ein politisch hart diskutierter Punkt . Aus gutem Grund hat sich
Sigmar Gabriel für eine Reform des Schiedsgerichtswesens eingesetzt . Aber auch da müssen wir natürlich genau schauen: Was wird mit dieser Reform zu erreichen
sein? Inwieweit werden die kritischen Punkte, die wir
sehen, tatsächlich aufgegriffen? Natürlich sind wir - das
ist zum Beispiel auch im Beschluss des SPD-Konvents
enthalten - nicht damit einverstanden, dass Staaten über
Schiedsgerichtsverfahren und Urteile quasi erpresst
werden können . Das ist ganz klar . Lieber Herr Heider,
da hinkt der Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit in
Parteistatuten . Hier kann kein Staat auf Schadensersatz
verklagt werden .
({3})
Ich bitte, mit diesen Fragen ernsthaft umzugehen .
({4})
Die Diskussion zeigt, dass es erforderlich und auch
hilfreich ist, einen stetigen Abgleich vorzunehmen . Genau dafür sind diese Diskussionsprozesse wichtig . Das
zeigt uns auch die Mobilisierung auf den Straßen . Die
große Demonstration wurde schon oft erwähnt . Daran
haben viele Menschen teilgenommen. Ich finde, wir wiederum sollten spiegeln und ernst nehmen, was dort stattgefunden hat . Hier wird von der Öffentlichkeit ein Abgleich eingefordert zwischen dem, was verhandelt wird,
und dem, was heutzutage in der Erwartungshaltung der
Öffentlichkeit noch mehrheitsfähig wäre . Diesen Prozess
müssen wir auch im Interesse einer funktionierenden Demokratie wahrnehmen . Ich glaube, genau darin liegt der
Wert, zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall an diesem
Verhandlungsprozess festzuhalten .
Es offenbart sich eine Mobilisierungsfähigkeit der Öffentlichkeit, eine demokratische Mitwirkung der Öffentlichkeit, die aufgegriffen und respektiert werden muss .
Das ist nicht einfach nur ein schlichtes Nein . Unter den
Forderungen der Demonstranten befinden sich sehr wohl
welche, die auf die Inhalte solcher Abkommen zielen . Es
stellt sich die Frage, ob man Freihandelsabkommen möglicherweise zu Handelsabkommen werden lassen könnte .
Dies halte ich nicht für ein schlechtes Ziel . Wenn wir,
etwa mit den neuen UN-Nachhaltigkeitszielen, faire Bedingungen und Sozial- und Umweltstandards einfordern,
dann müssen wir natürlich auch schauen: Wo bleiben sie
in unserer realen Politik? Dann müssen wir uns natürlich
auch fragen lassen, wie weit eine Deregulierungsverpflichtung diesen Zielen tatsächlich entspricht.
({5})
Solange dieser Prozess, in dessen Rahmen Abkommen
verhandelt werden, andauert, müssen wir uns diese Fragen stellen und einen Abgleich zwischen Anspruch und
Wirklichkeit vornehmen .
Ich möchte kurz wiederholen - meine Redezeit ist
gleich zu Ende -: Es ist wichtig - auch Dirk Wiese hat
darauf hingewiesen -, den Verhandlungsprozess ernst zu
nehmen, ihn politisch zu nutzen und unsere Aufgabe als
politische Ebene in diesem Kontext wahrzunehmen .
Noch ein letzter Aspekt, dessen Bedeutung mir in den
letzten Monaten immer mehr aufgefallen ist - gestern haben wir auch mit Frau Malmström darüber diskutiert -:
Unsere Forderung ist ja, dass Welthandelsbestimmungen
Umweltschutz und Sozialstandards flankieren müssen.
Es kann natürlich passieren, dass aus diesem Konglomerat an Außenhandelsbestimmungen eine Quasi-Weltwirtschaftsordnung wird . Hier appelliere ich an uns alle,
zu kontrollieren, ob es tatsächlich in unserem Sinne ist,
darüber eine bilaterale Weltwirtschaftsordnung zu etablieren . Ich persönlich setze hier ein großes Fragezeichen . Ich wünsche mir, dass dieser Diskussionsprozess
dazu genutzt wird, genau diese Fragen zu stellen .
Vielen Dank .
({6})
Ich schließe die Aussprache .
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/6818 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Keine Paralleljustiz für internationale Konzerne durch
Freihandelsabkommen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6911, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5094
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz
von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas
Drucksache 18/6858
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({0})
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Bundesministerin Manuela Schwesig .
({1})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Kinderschutz ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung, Kinderschutz ist ein
wichtiges Anliegen der Großen Koalition, und Kinderschutz ist auch mir ein besonders wichtiges Anliegen .
Deshalb legen wir Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor,
der unsere Kinder und Jugendlichen vor dem Konsum
von E-Zigaretten und E-Shishas schützen soll; denn
E-Zigaretten und E-Shishas sind gesundheitsschädlich
für Kinder . Deshalb gehören sie für Kinder verboten .
E-Zigaretten und E-Shishas gehören nicht in die Hände
von Kindern und Jugendlichen .
({0})
Etwa 20 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben schon
einmal eine E-Shisha probiert, 15 Prozent haben es auch
schon einmal mit einer E-Zigarette versucht . Kinder und
Jugendliche können das bis jetzt ohne Weiteres tun; denn
wir haben weder für E-Zigaretten noch für E-Shishas Abgabe- und Konsumverbote . Das ist eine Regelungslücke
im Kinder- und auch im Jugendschutz, die wir schließen
wollen .
In den letzten Tagen haben mir viele Erwachsene, die
sogenannte Dampfer von E-Zigaretten oder E-Shishas
sind, geschrieben, dass sie die Kritik an E-Zigaretten und
E-Shishas gar nicht verstehen . Deshalb möchte ich an
dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wenn Erwachsene anstatt einer Tabakzigarette lieber eine E-Zigarette rauchen
wollen, dann können sie das frei entscheiden und tun . Es
geht hier um den besonderen Schutz von Kindern und
Jugendlichen . Für Kinder und Jugendliche gelten ganz
andere Schutzvorschriften, und auch die Wirkungen von
E-Zigaretten auf ihre Gesundheit sind ganz andere als bei
den Erwachsenen . Deshalb ist es ganz wichtig, noch einmal zu sagen: Dieses Verbot betrifft ausschließlich den
Konsum von Kindern und Jugendlichen . Erwachsene
sind weiterhin frei, selbst zu entscheiden, was für sie gut
oder nicht gut ist .
({1})
Um diesen Schutz haben uns insbesondere auch viele
Eltern und sogar schon Elterninitiativen gebeten, weil sie
mit Sorge gesehen haben, dass Kinder und Jugendliche
hier verleitet werden, und es gibt auch eine Initiative der
Kinder- und Jugendärzte .
Wir sehen es mit Sorge, dass diese E-Zigaretten und
E-Shishas oft nach Schokolade oder Früchten schmecken, aber eben auch schädlich sind . Wir haben dazu
wissenschaftliche Erkenntnisse eingeholt und diese Erkenntnisse mit dem Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft, mit dem Bundesgesundheitsministerium und mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ausgewertet .
Weil einige Teile der Bevölkerung und auch die entsprechende Lobby gegen dieses Verbot unterwegs sind,
möchte ich hier auch noch einmal ganz deutlich sagen:
Wir haben uns das nicht einfach ausgedacht, sondern
unsere Erkenntnisse basieren auf Aussagen von Fachexperten des Deutschen Krebsforschungszentrums .
Deren Studien belegen, dass auch der Konsum von nikotinfreien E-Shishas und E-Zigaretten für Kinder und
Jugendliche gesundheitsschädlich ist . Das, sehr geehrte
Damen und Herren Abgeordnete, müssen wir gemeinsam
ernst nehmen . Deshalb müssen wir Kindern diese Produkte verbieten .
({2})
Die Studien zeigen, dass bei dem Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas Stoffe entstehen, die im Verdacht
stehen, Krebs auszulösen . Feine Partikel dringen in die
Lunge ein, reizen sie und hindern sie am Wachstum .
Darum geht es: Bei Kindern und Jugendlichen wachsen
die Lungen noch . Wir müssen dafür sorgen, dass dieses
Wachstum nicht geschädigt wird, weshalb wir die Kinder und Jugendlichen vor dieser Gesundheitsgefährdung
schützen müssen .
Erst am Mittwoch, also vorgestern, haben Krebsexpertinnen und -experten wieder vor den Gefahren von
E-Zigaretten und E-Shishas gewarnt und dabei ausdrücklich auch die Verlockungen der guten Geschmacksrichtungen, wie Mango oder Schokolade, genannt .
Wer lange geraucht hat, der schafft es vielleicht, durch
E-Zigaretten vom Rauchen wegzukommen, und der fühlt
sich damit vielleicht wohler, was mir viele sogenannte
Dampfer geschrieben haben . Bei Kindern und Jugendlichen droht aber eine genau umgekehrte Gefahr: Die
E-Zigaretten und E-Shishas sind für Kinder und Jugendliche eher ein Einstieg ins Rauchen . Uns geht es darum,
diesen Einstieg ins Rauchen präventiv zu verhindern .
({3})
Die Idee der klaren Verbote für Kinder und Jugendliche mit gleichzeitiger Prävention stellt schon bei Tabakzigaretten einen erfolgreichen Gesundheitsschutz für
Kinder und Jugendliche dar . Diese Idee hat sich bewährt,
und an dieser Idee werden wir jetzt mit unserer Ausweitung des Verbotes festhalten .
Mit den neuen Regelungen setzen wir auch das Signal, dass E-Zigaretten und E-Shishas für Kinder und Jugendliche eben nicht harmlos sind und dass sich damit
nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Eltern,
Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte - alle, die
Vizepräsidentin Petra Pau
mit Kindern und Jugendlichen über solche Dinge reden auseinandersetzen sollten . Es geht auch um Aufklärung
für unsere Kinder und Jugendlichen .
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie, dass wir diesen Gesetzentwurf schnell im Parlament beraten und auch verabschieden . Je eher das Gesetz
kommt, desto eher und besser können wir unsere Kinder
und Jugendlichen schützen .
Vielen Dank .
({4})
Das Wort hat der Kollege Norbert Müller für die Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den
Tribünen! Wer sich das Angebot sogenannter Liquids,
also der Verdampferflüssigkeiten für elektronische Zigaretten, anschaut, dem fällt schnell auf, dass E-Zigaretten
für Jugendliche durchaus verlockend sind - die Bundesministerin hat das angesprochen -: Sorten wie Karamell,
Erdbeere, Vanille, Schokolade oder Geschmacksrichtungen wie Gummibärchen erinnern eher an Eis oder Bonbons als an Rauchwaren
Ich persönlich kann dazu nur sagen: Mir sind, ehrlich
gesagt, Dinge, die nur so riechen oder schmecken wie etwas, suspekt . Man fragt sich, warum Menschen das überhaupt konsumieren . Aber faktisch ist es so, dass es für
eine Vielzahl von Jugendlichen ein interessanter Einstieg
ist . So greifen immer mehr Schülerinnen und Schüler
zum chemischen Rauchgemisch aus Aromastoffen und
häufig eben auch Nikotin. Aufgrund der attraktiv designten E-Zigaretten in coolen Farben und schicken Verzierungen sind die E-Kippen bei Jugendlichen im Trend .
Das Problem besteht weniger darin, dass E-Zigaretten für Jugendliche schädlich sein könnten, sondern vor
allem darin, dass Kinder und Jugendliche das Rauchen
erlernen . Es ist ein Unterschied, ob ein Erwachsener
über die E-Zigarette vom Rauchen wegkommt oder ob
ein Jugendlicher über die E-Zigarette zum Rauchen hinkommt . Experten befürchten, dass Kinder und Jugendliche, die E-Zigaretten rauchen, später mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit zur richtigen Zigarette greifen - mit
all den gesundheitlichen Folgen und Wirkungen, die wir
kennen .
Hinzu kommt, dass die langfristigen gesundheitlichen
Auswirkungen des E-Zigaretten-Konsums noch nicht
umfassend erforscht sind . In der Praxis gibt es fast überhaupt keine oder nur sehr wenige Forschungsergebnisse
zum Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas . Die allermeisten unserer Studien kommen aus dem Ausland . Wir
stehen da eher am Anfang der Forschung . Hier wäre es
eine Aufgabe, deutlich mehr zu investieren, um zu einer
gesicherteren Grundlage zu kommen, wie sich E-Zigaretten-Konsum auswirkt .
Wir wissen eben nicht, wie sich der Chemiecocktail
in den Atemwegen und im ganzen Körper verbreitet und
was er auch langfristig anrichtet . Laut einem EU-Vorhaben sollen deswegen E-Zigaretten in naher Zukunft wie
Zigaretten behandelt - das fordern auch wir Linke - und
mit einem Werbeverbot belegt werden . Spätestens im
Mai 2016 soll das entsprechende Gesetz in Kraft treten .
An den elektronischen Zigaretten scheiden sich die
Geister . Für die einen sind sie eine Alternative zum Tabak, für die anderen nur ein weiteres Suchtmittel . Ich
halte beide Sichtweisen ein Stück weit für nachvollziehbar . Deswegen fordern wir eine Regulierung, die beiden
Aspekten gerecht wird . Wir müssen auf die zunehmende
Verbreitung von E-Zigaretten und E-Shishas reagieren
und den Verkauf regulieren . Gefahren durch minderwertige Qualität und völlig ungeprüfte Inhaltsstoffe können
und müssen durch rechtliche Regelungen unterbunden
werden . Das heißt unter anderem: eine angemessene Produktsicherheit und -qualität, aber auch wirksame Vorkehrungen im Jugendschutz .
Nikotin ist ein Suchtstoff; das darf nicht verharmlost
werden . Hier im Haus wird niemand bestreiten, auch
die eine Raucherin oder der andere Raucher nicht, dass
die gesundheitlichen Folgen des E-Rauchens oder des
Dampfens geringer sind als bei Tabakzigaretten . Aber
wie groß sie sind, werden weitere Forschungen zeigen
müssen . Deswegen fordert die Linke, E-Zigaretten anhand der festgestellten Schädlichkeit und aufgrund eines
vorbeugenden Gesundheitsschutzes und des Präventionsgedankens zu regulieren .
({0})
Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen und
Forderungen aufgeschrieben . Ich will nur einige nennen .
Den Flüssigkeiten in E-Zigaretten und E-Shishas
sind Zusatzstoffe beigesetzt . Das ist für diese Dampfer,
von denen es auch große gibt, die in Discos eingesetzt
werden, wo dann dieser Dampf produziert wird . Die Unbedenklichkeit dieser Zusatzstoffe muss grundsätzlich
gewährleistet werden, oder diese Stoffe müssen entsprechend reguliert werden . Es muss im Rahmen des Jugendschutzes entsprechende Verkaufsbeschränkungen geben .
Auch muss es Werbeverbote geben . Da wären wir dabei .
Die Anwendung von Nichtraucherschutzregelungen,
die für normale Tabakprodukte gelten, muss sichergestellt werden, und es muss eine Gefährdung durch Passivkonsum mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen
werden . Auch in der Frage des Passivkonsums stehen
wir am Anfang der Erkenntnisse . Wir wissen nicht, welche Auswirkungen der Passivkonsum hat . Wir brauchen
deutlich mehr Förderung der Erforschung von gesundheitlichen Folgen und weiteren Aspekten des E-Zigaretten-Konsums .
({1})
Grundsätzlich wollen wir eine Gleichstellung von Tabakprodukten und E-Zigaretten und -Shishas . So löblich
es ist, dass die Bundesregierung in diesem Bereich einen
Schritt vorwärtskommt, so tritt sie bei der Bekämpfung
von Tabak national und international seit Jahren doch auf
die Bremse . Da ist das Vorpreschen von Frau BundesmiBundesministerin Manuela Schwesig
nisterin Schwesig sehr lobenswert, die ja gesagt hat, man
hätte sich mit einer gewissen Lobby angelegt . Es wäre
erfreulich, wenn sich die Bundesregierung mit genau dieser Lobby, der Tabakindustrie, grundsätzlicher anlegen
würde . Es kann auch nicht sein, dass Deutschland bei der
Regulierung von Tabakprodukten immer das europäische
Schlusslicht ist und wir immer erst warten müssen, bis
die EU neue Standards zum Gesundheitsschutz setzt, die
dann in Deutschland rückwirkend umgesetzt werden . Es
wäre wichtig, dass wir in Deutschland Vorreiter bei der
Zurückdrängung von Tabak sind - im Sinne von Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz und Prävention .
({2})
Wir halten es für sinnvoll, dass unter anderem die Regelungen zum Jugendschutz, zu Deklarationspflichten,
zur Zulassungspflicht von Zusatzstoffen und zum Werbeverbot, eben zu allem, was für Tabakprodukte gilt, auch
für E-Zigaretten und E-Shishas gelten . Ziel sollte sein,
sowohl tabakbedingte als auch durch E-Zigaretten verursachte Schädigungen zu reduzieren und die Freiheit der
Menschen gleichzeitig nicht mehr als notwendig einzuschränken .
Ich freue mich auf die Debatte, die wir in der Anhörung und im Ausschuss führen werden .
Vielen Dank .
({3})
Der Kollege Markus Koob hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Liebe Kinder und Jugendliche! Lungenkrebs,
Wachstumsstörungen, Einengungen der Bronchialwege, chronische Entzündungen der Bronchien, Bluthochdruck, erhöhte Herzfrequenz, erhöhtes Thromboserisiko - die von mir aufgezählten Krankheiten sind nicht
nur lebensbedrohlich, sondern allesamt Krankheiten, die
man mit dem Rauchen von E-Zigaretten und E-Shishas
in Verbindung bringt . Es ist mitnichten der Fall, dass es
sich bei einer E-Zigarette um die gesunde Schwester der
Tabakzigarette handelt .
Vielleicht geht es Ihnen, wie es mir zu Beginn der
parlamentarischen Beratungen zu E-Zigaretten und
E-Shishas als Nichtraucher ging: Sie haben keine blasse
Ahnung davon, wie E-Zigaretten und E-Shishas funktionieren . Alle Welt redet davon; aber an Ihnen als Nichtraucherinnen und Nichtrauchern ist das Thema komplett
vorbeigegangen . - Ich möchte Ihnen die Funktionsweise
einmal kurz erläutern, damit Sie sich selbst ein genaues Bild machen können . Jede E-Zigarette funktioniert
nämlich nach dem gleichen Prinzip: Eine Flüssigkeit, das
sogenannte Liquid, wird über eine Heizspirale geführt,
wobei dieses Liquid durch die Hitze verdampft . Durch
den individuellen Luftzug wird dieser Dampf dann aus
der E-Zigarette gezogen . Fertig ist die simple Funktionsweise der E-Zigaretten .
Welcher zentrale Punkt bei der Funktionsweise des
Gerätes aber nicht vergessen werden darf, ist die Wirkungsweise dieser sogenannten Liquids . Die Harmlosigkeit, wie uns Industrie und auch Konsumenten weismachen wollen, ist keinesfalls wissenschaftlich gesichert .
Das Gesundheitsrisiko für nikotinhaltige Liquids liegt
zunächst auf der Hand . Nikotin als solches ist ein Suchtstoff . Der Konsum von Nikotin führt in der Regel zu einem langanhaltenden Konsum . Gerade dann, wenn die
Stoffe, die man gemeinsam mit dem Nikotin zu sich
nimmt, gesundheitsschädigend sind, führt das Nikotin
selbstverständlich dazu, dass man diese gesundheitsschädigenden Stoffe regelmäßig zu sich nimmt . Sucht ist immer gefährlich, vor allem dann, wenn sie im Jugendalter
beginnt .
({0})
Mit der nun erfolgenden Änderung des Jugendschutzgesetzes verbieten wir die Abgabe von nikotinhaltigen
E-Zigaretten und E-Shishas, aber auch die Abgabe von
nikotinfreien E-Zigaretten und E-Shishas an Jugendliche
offline und auch online. Das liegt daran, dass Nikotin
nicht der gefährlichste Inhaltsstoff der E-Zigaretten und
E-Shishas ist . Deshalb gibt es für den Gesetzgeber auch
keinen Grund, einen Unterschied zwischen nikotinhaltig
und nikotinfrei zu machen, gerade nicht im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen .
Bei nikotinfreien elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas wird der bei der Verdampfung des
Liquids entstehende Nebel, Aerosol genannt, inhaliert .
Dieses Liquid besteht aus einem Gemisch verschiedener
Chemikalien, wobei als Grundsubstanzen Propylenglykol und Glycerin dienen; Propylenglykol ist allen Anwesenden höchstwahrscheinlich besser als Frostschutzmittel bekannt . Die ultrafeinen Partikel des Aerosols können
chronische Schädigungen verursachen . Diese wirken sich
insbesondere in der Wachstumsphase der Kinder und Jugendlichen aus und beeinträchtigen die Lungenentwicklung bei Kindern; denn das Wachstum der Lungen endet
erst im jungen Erwachsenenalter .
Auswertungen neuer Studien des Bundesinstituts für
Risikobewertung und des Deutschen Krebsforschungszentrums ergeben, dass beim Dampfen von elektronischen Inhaltsprodukten Carbonylverbindungen entstehen, die, wie auch Benzol oder Asbest, im Verdacht
stehen, Krebs auszulösen . Neben diesen Grundsubstanzen des Liquids werden aber auch Aromazusätze verwendet, die im Liquid mitverdampfen . Diacetyl ist als
süßer Bestandteil sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt .
Wird dieser Stoff aber inhalativ aufgenommen, kann er
zu schweren Entzündungen der Atemwege führen .
Weitere Bestandteile von E-Zigaretten und E-Shishas
sind Schwermetalle . Forscher haben sowohl Blei- als
auch Chromwerte gemessen, die bei herkömmlichen Zigaretten gar nicht auftauchen . Die Nickelmesswerte waren ungefähr viermal so hoch wie beim konventionellen
Tabakrauch .
Norbert Müller ({1})
Nichtrauchen ist Gesundheitsschutz . Der Konsum von
E-Zigaretten und E-Shishas ist das Gegenteil davon . Vor
allem im Wachstum befindliche Jugendliche sollten dies
erkennen . E-Zigaretten sind vieles, aber ganz sicher nicht
hipp und cool . Wenn Sie Gummibärchengeschmack wollen, essen Sie Gummibärchen . Wenn Ihnen nach Vanille
ist, bietet es sich in dieser Jahreszeit vielleicht an, auf
Vanillekipferl umzusteigen .
({2})
Aber schädigen Sie nicht Ihre Gesundheit, die im Zweifelsfall noch mindestens 80 Jahren halten sollte .
({3})
Es ist eben nicht so, dass es eine gesunde Alternative ist . Es ist nur eine weniger schädliche, als Tabak zu
sich zu nehmen . Auch aus diesem Grund stelle ich mich
gegen die euphemistische Bezeichnung des Dampfens .
Uns allen in diesem Hause ist bewusst, dass an einem
Verkaufsverbot für unter 18-Jährige sowohl offline in Kiosken als auch online im Internet kein Weg vorbeiführt,
so wie es ursprünglich intendiert war, bis das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Rechtsprechung die E-Zigarette als Medizinprodukt kippte . Für einen wirksamen
Jugendschutz wird es nötig sein, die Hürden für Jugendliche so hoch wie möglich, für E-Zigaretten konsumierende Erwachsene dagegen so niedrig wie möglich zu
machen . Das ist ein bekanntes Spannungsfeld, auf dem
wir uns im Ausschuss immer wieder bewegen, welches
wir aber in anderen Segmenten, unter anderem im Filmsegment, erfolgreich gelöst haben . Auch wenn E-Zigaretten für bereits suchterkrankte Raucherinnen und Raucher
ein Ausstiegsmodell sein können, besteht die Gefahr,
dass sich dieses Ausstiegsmodell bei naturgemäß nicht
zigarettenaffinen Jugendlichen in ein Einstiegsmodell
zum dauerhaften Tabak- oder E-Zigaretten-Konsum entwickeln kann . Dies gilt es mit aller Kraft zu verhindern .
Auch dafür brauchen wir diese Jugendschutznovelle .
({4})
Bereits heute hat jede fünfte minderjährige Person in
der Altersgruppe der Zwölf- bis Siebzehnjährigen schon
einmal eine elektronische Shisha probiert . Jeder Siebte in dieser Altersgruppe hat Erfahrung mit einer elektronischen Zigarette . 534 000 Kinder und Jugendliche
haben bereits eine elektronische Shisha oder Zigarette
konsumiert, aber bislang noch nie eine Tabakzigarette
geraucht . Um diesen 534 000 Kindern und Jugendlichen
nicht den Weg in die Sucht zu ebnen, muss das Verbot für
unter 18-Jährige schnell und umfassend erfolgen, so wie
wir es im Gesetzentwurf planen .
Es geht mir dabei nicht darum, die Lebensqualität der
Bürgerinnen und Bürger zu beschränken . Ich möchte im
Rahmen des uns zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurfs erreichen, dass Heranwachsende vollumfänglich
vor den erwähnten lebensgefährlichen Stoffen geschützt
werden . Erwachsene Bürgerinnen und Bürger dürfen darauf wurde hier bereits mehrfach hingewiesen - ihre
eigene Entscheidung treffen, wie sie mit E-Zigaretten
und E-Shishas und den damit verbundenen Risiken umgehen . Für unter 18-Jährige aber gilt dieser Grundsatz
nicht . Deshalb verbieten wir mit diesem Gesetz die Abgabe von E-Zigaretten und E-Shishas an diese Gruppe
und schließen damit die durch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts entstandene Rechtslücke .
({5})
Zum Ende meiner Rede - das ist vielleicht ein schönes Zeichen der Einmütigkeit in diesem Haus bei diesem
Thema - möchte ich den gleichen Hinweis geben wie
der Kollege Müller . Ich möchte die Gelegenheit nutzen,
aufgrund der nicht immer belastbaren Daten für eine unabhängige Forschung auf diesem Gebiet zu werben . Dies
bringt sowohl den Raucherinnen und Rauchern als auch
den Nichtraucherinnen und Nichtrauchern Erkenntnisse,
die für einen unbelasteten Gebrauch elektronischer Shishas und Zigaretten notwendig sind . Außerdem möchte
ich an die Raucherinnen und Raucher von E-Zigaretten
und E-Shishas appellieren, das Rauchen elektronischer
Güter in Nichtraucherzonen so lange zu unterlassen, bis
abschließend geklärt ist, welche Giftstoffe durch das Passivrauchen von E-Zigaretten und E-Shishas aufgenommen werden können .
Vielen Dank .
({6})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Dr . Harald Terpe das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die zur Beratung anstehende
gesetzliche Regelung soll dem Ziel dienen, Kinder und
Jugendliche vor den Folgen des Rauchens bzw . - so wird
es häufig auch genannt - des Dampfens von Flüssigkeiten
mithilfe einer E-Zigarette oder einer E-Shisha zu schützen . Die gesetzliche Regelung wird daher naheliegend
im Jugendschutzgesetz - ähnlich wie die Regelung zum
Tabakrauchen - vorgenommen . Die so gewählte inhaltliche Nähe zum Tabak ist bezüglich der Suchtgefährdung
durch Nikotin sofort plausibel .
Anders verhält es sich mit den durchaus differenziert
zu betrachtenden Gesundheitsgefährdungen, die sich unabhängig von der Nikotinwirkung für das Tabakrauchen
auf der einen Seite und den Flüssigkeitsdampf von E-Zigaretten und E-Shishas auf der anderen Seite ergeben .
Die krebserregende und auch Herz-Kreislauf-schädigende Wirkung des Tabakrauchens, die auch sehr häufig zum
Tode führt, ist seit vielen Jahren und Jahrzehnten unstrittig und über lange Zeit in der Forschung dokumentiert .
Eine gleiche Untersuchungsdichte und Folgenschwere
kann man für die Liquiddämpfe von E-Zigaretten und
E-Shishas naturgemäß noch nicht erwarten, weil das eine
noch sehr junge Entwicklung ist . Deswegen ist es sehr
richtig - das ist hier auch schon gefordert worden -, dass
wir mehr Forschung dazu brauchen und die Forschung
weitergeführt werden muss, damit man sich langfristig
auf nachweisbare Daten stützen kann .
Zwei wesentliche Argumente sprechen meiner Meinung nach dafür, trotzdem auch die Abgabe nikotinfreier
Liquids und deren Genuss mithilfe von E-Zigaretten und
E-Shishas im Rahmen des Jugendschutzes zu unterbinden .
Erstens . Die durch die Verdampfung von Liquid entstehenden Inhalationsprodukte haben Schädigungspotenzial für die Lunge bis hin zur Krebsinduktion . Auch
wenn das noch nicht so lange dokumentiert ist, haben wir
doch die Grundhaltung, dass man bereits vor dem Risiko
schützen muss . Das wird im Jugendschutzgesetz in eindrucksvoller Weise gemacht .
({0})
Zweitens . Die Ähnlichkeit der E-Zigarette zur Tabakzigarette in der Gestalt und auch in der Inhalationshandlung birgt das Potenzial, ein Rauchverhalten zu verfestigen, das später zum Tabakrauchen anstiften kann . Auch
da muss man sagen: Beugt dem Risiko vor!
Beiden genannten Risiken kann durch das Gesetz, das
im Entwurf vorliegt, vorgebeugt werden . Deshalb ist es
eigentlich ein Präventionsgesetz . Wir stimmen daher zu,
die Verankerung im Jugendschutzgesetz vorzunehmen,
fordern aber auch, wie schon gesagt: Forschung muss
forciert werden . Wichtig ist aber auch, dass wir die Information und Aufklärung über E-Zigaretten-Rauchen und
E-Shisha-Rauchen verstärken . Wir sollten das möglichst
darauf ausweiten, dass man auf Werbung für diese Produkte verzichtet .
Ich wünsche Ihnen von meiner Seite ein schönes Wochenende . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
({1})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Dr . Silke
Launert das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele sehen
aus wie Buntstifte; sie schmecken nach Kaugummi, nach
Schokolade, Melone oder Brombeere . Es gibt sie schon
ab 8 Euro zu kaufen und wahrscheinlich auch am nächsten Kiosk, und online gibt es sie auch . Sie sind auffallend
beliebt auf dem Schulhof, wo sie gerade zum neuen Lifestyle-Produkt avancieren . Dort heben sie so manchen
in den Status der Coolness, und manchem Sechstklässler
ist das sein Taschengeld wert .
Wenn Sie jetzt an Süßkram denken, wie Gummibärchen, Lakritzschnecken oder Ähnliches, dann liegen Sie
schon fast richtig, jedenfalls aus rechtlicher Sicht; denn
einen Unterschied gibt es da im Moment noch nicht . Die
Rede ist jedoch nicht von Süßigkeiten, sondern von elektronischen Zigaretten und von E-Shishas, von jenen Gerätschaften, die herkömmliche Tabakwaren simulieren,
es aber nicht sind . Jedenfalls werden sie bislang nicht als
solche behandelt und unterliegen deshalb auch keinerlei
vergleichbaren Beschränkungen, nicht einmal für Kinder
und Jugendliche . Sie werden derzeit ohne Einschränkungen an Kinder verkauft, und das, obwohl beim Konsum
dieser vermeintlichen Glimmstängel Gesundheitsgefahren bestehen .
Mit dem Gesetz, das uns hier im Entwurf vorliegt,
räumen wir mit diesem Missstand auf und stellen sicher,
dass zum Schutz von Kindern und Jugendlichen die Abgabe- und Konsumverbote von Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas ausgedehnt werden . Außerdem
stellen wir sicher, dass Tabakwaren, E-Zigaretten und
E-Shishas auch über den Versandhandel nur an Erwachsene abgegeben werden dürfen . Schließlich dehnen wir
das im Jugendarbeitsschutzgesetz verankerte Verbot der
Abgabe von Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas
aus .
({0})
Doch nun von vorn . Warum ist es höchste Zeit zu
handeln? Worum handelt es sich bei E-Zigaretten und
E-Shishas eigentlich? Die Technik dieser beiden Geräte
ist weitgehend identisch; es gibt nur kleine Unterschiede . Beide, E-Zigarette und E-Shisha, bestehen aus einem
Mundstück, einer Kartusche mit Flüssigkeit, einem Verdampfer sowie einer Batterie . Bei der Verwendung verdampft die Flüssigkeit, die auch Liquid genannt wird,
und der dabei entstehende Nebel wird vom Verwender
inhaliert . Was da mit jedem Atemzug inhaliert wird,
ist ein Gemisch aus verschiedenen Chemikalien . Der
Grundstoff ist in aller Regel Propylenglykol - das wurde
schon angesprochen -, dem die fantasievollsten Aromastoffe und häufig auch Nikotin zugesetzt werden. Dies
wird über die Atemwege in die Lunge aufgenommen .
Den meisten von Ihnen werden diese Chemikalien ich gebe zu, auch mir - unbekannt sein . Ich möchte Ihnen
daher kurz darstellen, womit wir es hier zu tun haben .
Propylenglykol, der erwähnte Grundstoff, sorgt für den
Nebel . Er wird daher beispielsweise auch auf Theaterbühnen verwendet oder in Diskos. Außerdem findet er
industrielle Verwendung, zum Beispiel im Frostschutz
und in Enteisungsmitteln für Autos, Flugzeuge und
Boote . Das Deutsche Krebsforschungszentrum in der
Helmholtz-Gemeinschaft gibt als Kurzzeitfolgen an:
Atemwegsreizungen, Husten, eine Beeinträchtigung der
Lungenfunktion, Augenreizungen, Schwindel, Müdigkeit und Schlaflosigkeit. Bei manchen Aromastoffen, die
beigemischt werden, beispielsweise Menthol oder Vanillin, handelt es sich um Kontaktallergene . Daher ist nicht
auszuschließen, dass diese Stoffe Allergien auslösen .
Darüber hinaus hat das Bundesinstitut für Risikobewertung festgestellt, dass durch die aromatisierten Liquids Stammzellen geschädigt werden können, die bei
Wachstum und Entwicklung sowie bei Regenerierung
des geschädigten Lungengewebes nach Infektionskrankheiten oder Entzündungen eine wichtige Rolle spielen .
In einzelnen Liquids wurden geringe Mengen sogenannDr. Harald Terpe
ter Nitrosamine nachgewiesen . Im Nebel verschiedener
E-Zigaretten wurde zum Beispiel auch Formaldehyd
festgestellt . Alle diese Substanzen - man kann es genauer nachlesen - können Krebs erzeugen . Außerdem
enthält der Nebel von E-Zigaretten und E-Shishas feine
und ultrafeine Partikel; das wurde schon angesprochen .
Diese können die Wachstumsphase beeinträchtigen, und
bei Kindern auch die Lungenentwicklung . Ich glaube, für
die Darstellung der Wirkungen des Nikotins brauche ich
meine Energien nicht mehr zu verschwenden; sie dürften
hinlänglich bekannt sein .
Kurzum: Bei den E-Shishas und den E-Zigaretten,
egal ob mit oder ohne Nikotin - es gibt beides -, haben
wir es nicht mit harmlosen Produkten zu tun . Doch nicht
nur das . Es wurde schon angesprochen, dass sich Kinder davon besonders angezogen fühlen - von den bunten
Farben, von den leckeren Aromen von Früchten, vom
Geschmack von Süßigkeiten und Getränken . Das kann
eben auch dazu führen, dass man sich langsam an das
Rauchen gewöhnt . Wie ebenfalls schon angesprochen,
führt das bei jungen Menschen, anders als bei Erwachsenen, eher zu einem Einstieg ins Rauchen .
Bereits jeder dritte Jugendliche hat eine E-Shisha, eine
E-Zigarette oder eine Tabakzigarette verwendet . Wenn
wir nichts dagegen unternehmen, dann schauen wir zu,
wie Jugendliche, vor allem Kinder, Gesundheitsgefahren
ausgesetzt werden . Es liegt uns am Herzen, Kinder und
Jugendliche zu schützen . Ihr Schutz ist eine der wichtigsten Aufgaben des Familienausschusses . Hier gehen
Jugendschutz und gesundheitlicher Verbraucherschutz
Hand in Hand . Umso wichtiger ist es, dass wir diese Aufgabe jetzt konsequent angehen und keine Hintertüren offenlassen - für die Gesundheit unserer Kinder .
Vielen Dank .
({1})
Der Kollege Stefan Schwartze hat für die SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesjugendministerin Schwesig! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn bei der
letzten Reform des Jugendschutzes die E-Verdampfer
verbreitet gewesen wären, dann würden wir heute gar
nicht mehr darüber diskutieren, weil der Jugendschutz in
diesem Bereich längst greifen würde . Es geht nicht um
ein generelles Verbot der E-Verdampfer, sondern um den
Schutz von Kindern und Jugendlichen . Ich danke Ministerin Schwesig für den Gesetzentwurf und damit für
die schnelle Antwort auf die Ergebnisse der Studien der
deutschen Krebsforschung .
In der öffentlichen Diskussion über die sogenannten
E-Verdampfer gibt es viele unterschiedliche Ansichten
und Meinungen . Interessenvertreter und Bürger melden
sich zu Wort . Sie berichten oft über ihre subjektiven
Erfahrungen . In der öffentlichen Diskussion über die
sogenannten E-Verdampfer werden Ergebnisse wissenschaftlicher Studien oft auch mit der eigenen persönlichen Ansicht vermischt . Dies führt an vielen Stellen zu
Unklarheiten .
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren
des Konsums der E-Zigaretten und E-Shishas schaffen
wir gesetzlich Klarheit . Wir schaffen Klarheit darüber,
dass Dampfen nicht das gesündere Rauchen ist; denn wir
können auf Basis fachlicher Expertise feststellen: E-Zigaretten und E-Shishas sind gesundheitsgefährdend . Beim
Dampfen der Inhalationsprodukte entstehen chemische
Verbindungen, die durchaus krebsauslösend sind . Die
Zusammensetzung der Schadstoffe ist der aus herkömmlichen Zigaretten ganz ähnlich . Darüber hinaus enthalten
die Dämpfe feine und ultrafeine Partikel, die die Lunge
chronisch schädigen können . Wir schaffen Klarheit darüber, dass bezüglich der Gesundheitsgefährdung auf Basis
dieser Erkenntnisse kein Unterschied zwischen nikotinhaltigen und nikotinfreien Liquids zu machen ist .
Aufgrund dieser Fakten ist es unsere Verpflichtung
als Jugendpolitiker, zu handeln und gesetzgeberisch
tätig zu werden . Mit der neuen Regelung schaffen wir
Bewusstsein dafür, dass der Konsum von E-Zigaretten
und E-Shishas gesundheitsgefährdend ist . Der Gesetzentwurf sieht daher für diese Produkte ein Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche vor . Wir wollen darüber
hinaus verhindern, dass eine neue Kultur des Rauchens
unter Kindern und Jugendlichen entsteht . Kinder und
Jugendliche, die elektronische Zigaretten konsumieren,
gefährden nicht nur die eigene Gesundheit, indem sie
die Entwicklungsphasen ihrer Lunge stark beeinträchtigen, sondern gewöhnen sich auch an das Rauchritual .
Sie werden verleitet, Rauchen bzw . Dampfen als etwas
Normales, Alltägliches und nur mäßig Gesundheitsgefährdendes zu akzeptieren . Wir dürfen die bisherigen Erfolge, die wir in der Tabakprävention erzielt haben, nicht
aufs Spiel setzen . Für Kinder und Jugendliche darf der
Konsum elektronischer Zigaretten nicht etwas Normales
und Alltägliches sein,
({0})
und es darf schon gar nicht der Eindruck entstehen, er
wäre nur mäßig gesundheitsgefährdend .
Das Gesetz, das im Entwurf vorliegt, aktualisiert aus
gegebenem Anlass auf vernünftige Art und Weise unser Jugendschutzgesetz . Wir als Gesetzgeber reagieren
angemessen im Sinne des Schutzes unserer Kinder und
Jugendlichen . Ich freue mich auf die Anhörung und die
weiteren Beratungen im Ausschuss .
Vielen Dank und ein schönes Wochenende .
({1})
Ich schließe die Aussprache und bedanke mich ausdrücklich bei allen Rednerinnen und Rednern, dass sie
die offenbar vorhandene breite Übereinstimmung auch
so zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich an die
Redezeitbegrenzung gehalten haben bzw . an der einen
oder anderen Stelle darauf verzichtet haben, schon vorgetragene Argumente nur zur Ausschöpfung der Redezeit
noch einmal vorzutragen .
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/6858 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des 2 . Untersuchungsausschusses der
18 . Wahlperiode gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes
Drucksache 18/6700
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich warte noch, bis die notwendigen Umgruppierungen vollzogen sind . - Ich eröffne die Aussprache . Das
Wort hat die Kollegin Dr . Eva Högl für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Jetzt liegt er also vor, der Bericht des
2 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode . Auf
knapp 1 000 Seiten steht, was wir in 45 Sitzungen durch
Vernehmung von 57 Zeuginnen und Zeugen und durch
Auswertung von über 600 Aktenbänden untersucht und
aufgeklärt haben . - Ein bisschen Statistik zu Beginn der
Debatte gehört immer dazu .
Der Untersuchungsauftrag des Ausschusses bezog
sich im Wesentlichen auf drei Fragestellungen: Erstens .
Wurde die Operation „Selm“, also die Bearbeitung von
aus Kanada übermittelten Listen deutscher Kunden eines Vertreibers von kinderpornografischem Material, im
Bundeskriminalamt ordnungsgemäß und in angemessener Zeit bearbeitet? - Die zweite Frage war - eine sehr
wichtige Frage -: Wurden Informationen über den Fall
des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy, der sich
ebenfalls auf der Kundenliste befand, weitergegeben, innerhalb oder auch außerhalb der Strafverfolgungsbehörden? Kurz gesagt: Wurde Sebastian Edathy gewarnt und,
wenn ja, von wem? - Drittens hatten wir uns mit dem
Fall eines ehemaligen BKA-Beamten zu beschäftigen,
der ebenfalls bei dieser kanadischen Firma Material bestellt hatte . Da stellte sich die Frage, ob das im BKA und
vom dienstaufsichtführenden Bundesinnenministerium
ordnungsgemäß bearbeitet wurde .
Ich darf sagen: Wir sind diesen Fragen gründlich
nachgegangen und beantworten sie in unserem Bericht
ausführlich . Ich füge aber hinzu: Wir konnten nicht alle
Fragen abschließend und ausreichend beantworten, und
das ist natürlich etwas, was uns alle nicht zufriedenstellt .
Zunächst einmal zur Operation „Selm“ . Da haben wir
die Bearbeitung nachvollzogen . Wir haben viele Zeuginnen und Zeugen der zuständigen Fachabteilung gehört,
darunter mehrere, die bereits im Innenausschuss berichtet hatten . Ich darf noch erwähnen, dass das Bundeskriminalamt uns wirklich tatkräftig unterstützt hat bei der
Zusammenstellung der Unterlagen und auch durch die
Aussagen der Zeuginnen und Zeugen . Wir können feststellen - das sage ich hier voller Überzeugung -, dass das
Bundeskriminalamt die Operation „Selm“ hervorragend
bearbeitet hat und an keiner Stelle Anlass ist, dem Bundeskriminalamt irgendeinen Vorwurf zu machen . Es ist
sehr wichtig, das hier noch einmal zu betonen .
Wir haben uns auch mit der Frage befasst: Wieso dauerte die Bearbeitung der Operation „Selm“ eigentlich so
lange? Sie dauerte lange . Sie begann im November 2011
und endete erst während der Laufzeit des Untersuchungsausschusses, Ende 2014 . Ich möchte auch das hier sagen:
Bei genauem Hinschauen war es überhaupt nicht verwunderlich, dass es so lange gedauert hat . Wir haben uns das
sehr genau angeguckt . Es war ein sehr großes Verfahren,
ein sogenanntes Masseverfahren, mit über 800 verdächtigen deutschen Kunden und umfassendem Beweismaterial . Es war wirklich eine sehr mühsame Arbeit; denn es
ging um ungefähr 500 Stunden Filmmaterial und rund
70 000 Bilder. Die einzelnen Kunden mussten identifiziert werden . Schwere Fälle, in denen eine klare Strafbarkeit bestand und vielleicht sogar ein akuter Missbrauch
von Kindern und Jugendlichen drohte, wurden - es war
sehr wichtig, dass das im Untersuchungsausschuss herausgearbeitet wurde - prioritär behandelt .
Wir können also feststellen - ich sage es noch einmal -: Im Bundeskriminalamt wurde professionell gearbeitet, engagiert und zügig . Ich möchte an dieser Stelle
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamts ganz ausdrücklich und von Herzen danken für
diese schwere Arbeit, die sie machen, und für diese wichtige Aufgabe, die sie wahrnehmen .
({0})
Wir stellen in unserem Bericht übereinstimmend fest,
dass die sorgfältige Bearbeitung durch das BKA auch
für die beiden Einzelfälle gilt, die wir uns genauer angeschaut haben, nämlich den Sachverhalt des früheren
Kollegen Sebastian Edathy und den Sachverhalt des
früheren BKA-Beamten . Insbesondere beim ehemaligen
BKA-Beamten haben wir uns auch den dienst- und disziplinarrechtlichen Umgang mit dem Sachverhalt angeschaut . Wir haben festgestellt, dass sich alles im Rahmen
des rechtlich Vorgesehenen und Zulässigen bewegte .
Außerdem konnten weder ein unangemessen milder Umgang mit dem Beamten noch unzulässige Einflussnahmen festgestellt werden . Vielmehr wurde der Sachverhalt
ordnungsgemäß bearbeitet .
Beim Sachverhalt Edathy haben wir festgestellt, dass
dieser Sachverhalt im Bundeskriminalamt ebenfalls professionell bearbeitet und diskret behandelt wurde und die
Information - daran gab es viel Kritik - der Vorgesetzten
im Bundeskriminalamt und des Bundesinnenministeriums keinen Anlass für Kritik bot . Damit ist die Kritik
unserer Meinung nach auch nicht gerechtfertigt .
Vizepräsidentin Petra Pau
Ich sagte es eben schon: Wir konnten leider nicht in
jedem Punkt unserem Auftrag gerecht werden und nicht
jede Frage beantworten . Deshalb hier noch einmal die
Feststellung: Wir sind uns, denke ich, alle darüber einig das haben wir auch zum Ausdruck gebracht -: Sebastian
Edathy wurde vor den Ermittlungen gewarnt, ja sogar
konkret vor der Durchsuchung . Wir haben nicht herausarbeiten können, von wem Sebastian Edathy gewarnt
wurde . Wir hatten mehrere unterschiedliche Zeugenaussagen, auch unter Wahrheitspflicht, aber wir konnten
nicht feststellen, wer es letztendlich war . Ein Untersuchungsausschuss stößt an seine Grenzen, wenn es widersprüchliche Aussagen im Untersuchungsausschuss gibt .
Eine Erkenntnis bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und die ist mir sehr wichtig . Dieser Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass es dringend geboten
ist, sensible Sachverhalte im politischen Umfeld in den
Behörden wirklich vertraulich zu behandeln - ich glaube,
wir können alle unterschreiben, dass das eine wichtige
Erkenntnis ist -, damit Personen nicht zu Unrecht verdächtigt werden . Auch das ist eine Gefahr . Nur so können
die Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit ordnungsgemäß erledigen . Vertraulichkeit ist also wichtig .
Ich möchte als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, deren Aufgabe mit dieser Rede endet, allen
Kolleginnen und Kollegen recht herzlich danken für die
konstruktive und sachliche Zusammenarbeit, die wir an
unserem Untersuchungsauftrag orientiert haben und die
wir in angemessen konzentrierter Stimmung, aber natürlich nicht immer ohne Meinungsunterschiede gestaltet
haben .
Ich danke aber auch allen, die uns hierbei unterstützt
haben . Dies war insbesondere das Ausschusssekretariat,
das - sie winken dort oben - auf der Besuchertribüne
sitzt . Herzlichen Dank für die tolle Unterstützung! Ich
danke bei dieser Gelegenheit auch allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in den Büros und in den Fraktionen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Landes- und Bundesbehörden .
Herzlichen Dank .
({1})
Das Wort hat der Kollege Frank Tempel für die Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich bitte um etwas Aufmerksamkeit . Der
Fall Edathy war nun einmal in aller Munde . Es wurden
sehr viele berechtigte Fragen gestellt . Die Öffentlichkeit
hat ein Interesse daran, zu erfahren, was im Hohen Hause gespielt wird . Außerdem liegen uns Ergebnisse vor .
Unsere Sicht der Dinge möchte ich folgendermaßen darlegen:
Es gibt keine Hinweise, dass im Bundeskriminalamt
Ermittlungen gegen Sebastian Edathy vorsätzlich verschleppt wurden . Es wurde aber deutlich, dass es erhebliche Mängel beim Datenschutz und bei der Verteilung
personeller Ressourcen gab . Die Linke erwartet, dass im
Bundeskriminalamt deutlich an diesen Schwachstellen
gearbeitet wird und zeitnah Verbesserungen erfolgen .
({0})
Nächster Punkt . In Niedersachsen wurden nachweislich zahlreiche Personen in Justiz und Polizei dienstlich
über den Fall Edathy informiert . Die Spekulation, ob an
dieser Stelle Informationen an Sebastian Edathy abgeflossen sind, blieb Spekulation.
Bereits vor dem Untersuchungsausschuss war bekannt,
dass das Bundeskriminalamt das Innenministerium sehr
frühzeitig über die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy
informiert hat . Es war auch bekannt, dass der ehemalige Innenminister Friedrich diese Information trotz Verpflichtung zur Geheimhaltung an Sigmar Gabriel weitergab . Die Frage für uns war: Welche Konsequenz hatte
dieser Geheimnisverrat?
Fakt ist: Sebastian Edathy wurde ganz eindeutig vor
laufenden Ermittlungen gewarnt; da sind wir uns alle einig . Daran ließ auch die Situation am Durchsuchungsort
keinerlei Zweifel zu . Fakt ist auch: Die zeitlichen Abläufe der Handlungen von Sebastian Edathy und seinem
Anwalt sind nur mit fortlaufenden Informationen logisch
erklärbar . Sebastian Edathy hat in seiner Aussage den
Abgeordneten Michael Hartmann als seine Informationsquelle identifiziert. Dieser wiederum soll seine Informationen über den Ermittlungsstand direkt von der
BKA-Spitze erhalten haben . An dieser Aussage kommen wir nicht vorbei . Im Ergebnis sieht die Linke diese
Aussage von Sebastian Edathy bestätigt . Es gibt keinen
anderen Rückschluss, als dass Michael Hartmann die Informationsquelle für Sebastian Edathy war .
Nicht abschließend beantworten konnte der Untersuchungsausschuss die Frage, von wem Michael Hartmann
die Informationen hatte und welche Motivation ihn zu
seinem Handeln trieb . Dazu wäre eine ehrliche, von
Aufklärungswillen geprägte Aussage des Abgeordneten
Michael Hartmann erforderlich . Er wollte es nicht . Er
nahm dafür Ermittlungen wegen Falschaussage in Kauf,
und auch hier fragen wir nach dem Motiv . Also: Wen
deckt Michael Hartmann?
Doch zunächst zu den Informationen . Die Linke stellt
fest, dass es eine bemerkenswerte, fast lückenlose Deckungsgleichheit des Informationsstandes im Bundeskriminalamt mit den Informationen von Sebastian Edathy
gab, die dessen Handlungen in diesem Zeitraum sehr wesentlich geprägt haben . Erst als es im BKA eine Führungsinformation gab, dass es wahrscheinlich zu Maßnahmen
gegen Sebastian Edathy kommt, gab dieser zum Beispiel
sein Mandat ab . Ob, wie von Edathy behauptet wird, der
BKA-Chef Ziercke die Quelle von Michael Hartmann
war, das wiederum könnte nur Michael Hartmann selber
aussagen .
({1})
Aber, wie gesagt, der verweigert die Zusammenarbeit .
Die Linke konnte im Verlauf des Untersuchungsausschusses allerdings kein Eigenmotiv des Abgeordneten
Michael Hartmann feststellen . Eher Konkurrenz statt
Freundschaft verband ihn mit Sebastian Edathy .
Für die SPD-Fraktion stand jedoch das Motiv der
Schadensminimierung bei einem befürchteten Skandal
im Vordergrund . Wie stark dieses Bedürfnis der Schadensminimierung ist, bewies die SPD-Fraktion leider
während des gesamten Untersuchungsausschusses; das
muss man einmal so feststellen . Gedächtnislücken bei
den Zeugen aus der SPD-Fraktion und eine sehr einseitige Befragung, zum Beispiel der Zeugen Hartmann und
Edathy, waren ein klares Mauern und hatten aber auch
gar nichts mit Aufklärungswillen zu tun . Die Linke sieht
es nach Abschluss der Untersuchungen als erwiesen an,
dass es eine Kommunikation zum Fall Edathy von der
SPD-Fraktionsspitze über Michael Hartmann bis hin
zu Sebastian Edathy gegeben haben muss . Schon allein
der Umstand, dass Sebastian Edathy ganz offensichtlich
wusste, dass die SPD-Fraktionsspitze informiert war, belegt diesen Fakt - eindeutig sogar .
Meine Damen und Herren, wir müssen abschließend
feststellen, dass der Geheimnisverrat des Innenministers Friedrich doch sehr ernsthafte Konsequenzen hatte .
In letzter Konsequenz wurde Sebastian Edathy vor den
Ermittlungen auf diesem Weg gewarnt, und wir werden
nie feststellen können, ob und wie viele Beweise dadurch
vernichtet werden konnten . Die Linke wird deswegen
Vorschläge unterbreiten, wie neu geregelt werden soll,
ob, wann und in welchem Umfang die Politik über Ermittlungen gegen einen Politiker informiert werden darf .
Wir haben viel, aber auch nicht alles herausgefunden .
Trotz aller Unterschiede, was die eigene Rolle angeht,
was wir übrigens - an die Kollegen der SPD-Fraktion wussten und auch versucht haben zu respektieren, hat der
Untersuchungsausschuss sehr gut zusammengearbeitet .
Auch wir möchten uns für die Zusammenarbeit bedanken . Wir hoffen, dass der Bundestag einen solchen Untersuchungsausschuss nie wieder einberufen wird . Ganz
besonders der SPD-Fraktion wünsche ich, dass es einen
solchen Untersuchungsausschuss nie wieder geben muss .
({2})
Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich knüpfe nahtlos an, wie Frank Tempel aufgehört hat: Dieser Untersuchungsausschuss wird nicht
in die Geschichte eingehen als einer, der nur sehr viele
Gesetzesänderungen nach sich zieht, der in irgendeiner
Form parlamentarisch produktiv war . Die Auftritte einiger, vor allen Dingen parlamentarisch erfahrener Zeugen
waren wahrlich keine Sternstunden des Parlamentarismus . Der Ausschuss hat wohl wie kein zweiter Einblicke
in die Seelen und auch menschlichen Schwächen von
zahlreichen Beteiligten gewährt . Ich ganz persönlich hätte das nicht gebraucht . Deswegen bin ich dankbar, dass
wir diesen Ausschuss einmal nicht bis zum Ende der Legislaturperiode führen, ich glaube, das Untersuchungsausschusssekretariat auch . Trotzdem herzlichen Dank für
die starke Leistung! Ich finde es ein tolles Zeichen, dass
ihr da oben sitzt .
({0})
Aber, meine Damen und Herren, wir haben den Ausschuss nicht auf die leichte Schulter genommen . Wir
haben gewissenhaft gearbeitet . Die Union hat alles darangesetzt, die Fragenkomplexe, die im Untersuchungsauftrag vorgesehen waren, aufzuklären . Das kann ich in
vier zentrale Erkenntnisse zusammenfassen .
Erstens . Wir haben mit diesem Untersuchungsauftrag
einen wertvollen Beitrag geleistet, dass etwa zur gleichen Zeit, Anfang 2015, das Sexualstrafrecht verschärft
wurde . Um es kurz zu sagen: Der Fall Edathy und viele
andere gleichgelagerte Fälle würden heute nicht mehr so
glimpflich ausgehen, nachdem wir den Gesetzentwurf
von Herrn Maas hier so angenommen haben . Dieses Verhalten wäre heute eindeutig strafbar, und das ist auch gut
so .
Zweitens . Die erschütternden Fallschilderungen vieler
Experten - ich lasse die Beispiele jetzt lieber weg - haben wertvolle Erkenntnisse geliefert, warum die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der Kinderpornografie unerlässlich ist.
({1})
Die eindeutigen Voten aller Experten konnte man nicht
überhören, und wir haben sie nicht überhört . Wir haben
den Einstieg in die Mindestspeicherfristen gemacht . Dafür war dieser Ausschuss unglaublich wichtig .
({2})
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die mediale
Aufmerksamkeit ganz anderen Themen gewidmet ist . Ich
komme zu dem zentralen Punkt dieses Ausschusses, den
wir nicht unterschätzen dürfen . Wir haben ganz sicher
dazu beigetragen, dass es für die Täter in diesem Land
wieder schwerer geworden ist, mit dem Leid von Kindern Geschäfte zu machen . Das ist für mich das Ergebnis,
das diesen Ausschuss auf Dauer überstrahlen wird .
({3})
Drittens . Zur Untersuchungsausschussfrage, ob das
BKA den Fall einwandfrei behandelt hat, können wir
zweifelsfrei feststellen: Die Ermittlungen während des
gesamten Verfahrens waren professionell, engagiert,
strukturiert und wurden so schnell wie möglich und ohne
Ansehen der Person abgearbeitet . Ich glaube, Sie stimmen mir zu, dieses Deliktsfeld ist eines der schwersten,
in die man als Ermittler geschickt werden kann . Deshalb
verdienen die BKA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
ganz besonders unsere persönliche Hochachtung, aber
nicht, liebe Kollegen von den Linken und den Grünen,
dieses oberlehrerhafte Verhalten, wie das in den Innenausschusssitzungen der Fall war .
({4})
Ich spreche das deshalb an, weil Sie es nicht lassen konnten, bei Ihrer Kleinen Anfrage wieder auf den Punkt einzugehen, ob sie auch Zeitung lesen, damit sie ja Edathy
erkennen . Ich glaube, Sie haben jetzt auch im Untersuchungsausschuss gemerkt, wie viele Menschen Edathy
nicht kannten .
({5})
Wir von der Union nehmen uns nicht so wichtig . Wir
haben es nicht seltsam gefunden, dass eine Oberkommissarin des BKA Herrn Edathy nicht kannte . Akzeptieren
Sie es, und seien Sie nicht so kleinkrämerisch . Vielleicht
nehmen Sie sich auch zu wichtig .
Der Sinn einer Kleinen Anfrage, Frau Mihalic, erschließt sich mir sowieso nicht . Sie hätten all diese Fragen im Ausschuss stellen können . Ich weiß nicht, warum
Sie da jetzt nachkarten . Das ist seltsam .
({6})
Viertens . Zentrales Ziel des Untersuchungsausschusses war es, die Frage zu klären: War Edathy gewarnt?
Diesen Auftrag sehen wir als erfüllt an . Für uns steht fest,
dass er gewarnt war . Es spricht vieles dafür, unter anderem die Auffindesituation seiner Wohnung. Von wem er
diese Information bekam, konnten wir nicht aufklären .
Dafür gibt es vier zentrale Gründe .
Erstens . Es mangelte sehr am Erinnerungsvermögen
einiger Zeugen . Die Widersprüchlichkeit mancher Aussagen und die eingeschränkte bis offenkundige Verweigerungshaltung einiger Zeugen vor dem Ausschuss waren manchmal schon unerträglich .
Zweitens . Ob Niedersachsen eine entscheidende Rolle
im Fall Edathy spielt, bleibt offen . Widerspenstig hat man
uns 138 Namen geliefert, die in Niedersachsen Kenntnis
von dem Fall hatten, bevor er öffentlich wurde . 138 Personen konnten wir nicht vorladen . Das hätte den Rahmen
des Untersuchungsausschusses gesprengt . Da stellt sich
die Frage: Braucht Niedersachsen einen solchen Ausschuss, wo ein Innenminister und ein Polizeipräsident
als Einzige von 138 sich nicht erinnern können, wann
sie über den Fall gesprochen haben wollen, und wo große Teile der Polizei darüber gesprochen haben, aber die
Staatssekretäre, Abteilungsleiter Polizei im Innenministerium nicht informiert waren? Das LKA kannte übrigens
den Namen Edathy auch nicht . Der LKA-Präsident war
Wochen später informiert . Das Justizministerium war ein
Stück Geschichte für sich in diesem Ausschuss .
({7})
Vier Wochen hat es gedauert, bis der zuständige Staatsanwalt überhaupt erst einmal zusätzliche Akten aus dem
BKA anfordert . Monate hat es gedauert, bis auf der Hand
liegende Vollstreckungsmaßnahmen endlich vollzogen
werden .
({8})
Währenddessen war der Anwalt Edathys Dauergast dieser Staatsanwaltschaft .
Meine Damen und Herren, die niedersächsische Justiz
bis hin zur Ministerin hat im Ausschuss insgesamt einen
ziemlich bedenklichen Eindruck hinterlassen .
({9})
Das Verhältnis zwischen Ministerium, Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft kann man eigentlich
nur als zerrüttet bezeichnen, so wie sie aufgetreten sind .
Wir wissen bis heute nicht, ob die Leitungsebene des Ministeriums früh oder spät informiert war, weil sich Generalstaatsanwalt und Ministerium komplett widersprechen . Und so weiter und so fort .
({10})
Die Akte Niedersachsen sollte man nicht schließen .
Die Schlüsselrolle, warum wir nicht aufklären konnten, wer Edathy gewarnt hat, spielt wirklich der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann . Ich wünschte, er
wäre der Empfehlung seines Parteichefs Sigmar Gabriel
gefolgt und hätte umfassend ausgesagt . Wir wären dann
nicht nur der Aufklärung ein großes Stück näher gekommen . Mir wäre dann auch der Satz erspart geblieben, den
ich jetzt sagen muss: dass er von einigen glaubhaft aufgetretenen Zeugen erheblich belastet wird, tatsächlich der
gut informierte Tippgeber für Edathy gewesen sein zu
können . Diese Aussage-gegen-Aussage-Situation kann
nur Michael Hartmann auflösen, tut er aber nicht.
({11})
Dieses Verhalten ist zwar enttäuschend, aber juristisch
absolut einwandfrei; das muss man auch einmal sagen .
Er hat dieses Recht und darf es in Anspruch nehmen; aber
wir kommen deshalb an dieser Stelle auch nicht weiter .
Die fehlende Mitwirkung einiger Zeugen, das Halbdunkel in Niedersachsen, Widersprüchlichkeiten und
Aussageverweigerungen hinterlassen genügend Raum
für Spekulationen - der eigentliche Grund, warum Sie
beide, Linke und Grüne, ein abweichendes Votum abgeben -, die sich in erster Linie auf eine mögliche Beteiligung der SPD-Spitze im Fall Edathy beziehen,
({12})
Armin Schuster ({13})
also der Herren Gabriel, Steinmeier und Oppermann .
({14})
Meine Damen und Herren, hier unterscheiden wir uns .
In Beweisaufnahmesitzungen darf man, muss man spekulieren, um Hypothesen zu bilden .
({15})
In einer Abschlussdebatte und in einem Abschlussbericht
geht es nicht mehr um Spekulationen . Vielmehr müssen
wir zusammentragen, was wir an Tatsachen belegen können .
({16})
Genau das haben wir gemacht . Tatsache ist, dass Edathy
gewarnt war . Die Klarheit, durch wen, wurde durch
Schweigen und Erinnerungslücken vernebelt . Nebel ist
allerdings ein flüchtiger Zustand.
Deshalb schließe ich mit der ersten Strophe eines
evangelischen Kirchenliedes von Johann Sebastian Bach
({17})
- zuhören, Leute, jetzt könnt ihr etwas lernen! -:
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Leben!
({18})
Wie ein Nebel bald entstehet
und auch wieder bald vergehet,
so ist unser Leben, sehet!
({19})
Ich danke Ihnen .
({20})
Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Ja, der Fall Edathy hat gleich zu Beginn
dieser Wahlperiode für eine handfeste Koalitionskrise
gesorgt . Ein Minister musste zurücktreten . Wir haben im
Innenausschuss vier Sitzungen zu diesem Thema gehabt,
und wir hatten am Ende, nach vier Sitzungen, vier verschiedene Versionen ein und derselben Geschichte, mehr
Fragen als Antworten . Deshalb war es gut, dass wir diesen Untersuchungsausschuss eingesetzt haben .
({0})
Denn heute wissen wir zum Beispiel über die Arbeitsweise des Bundeskriminalamts deutlich mehr .
Auch ich will an dieser Stelle sagen, dass gerade die
Mitarbeiter des Bundeskriminalamts hier wirklich insgesamt eine sehr gute Arbeit geleistet haben . Das ist bei
der Masse der zu untersuchenden Datensätze wirklich
bemerkenswert . Es gab auch Mängel in der Struktur, bei
den Abläufen - auch das haben wir herausgearbeitet -,
aber sie wurden zum Teil schon beseitigt, auch als Konsequenz aus diesem Untersuchungsausschuss .
Wir wissen außerdem deutlich mehr über den Geheimnisverrat des damaligen Innenministers Friedrich an die
SPD-Spitze, dass Sebastian Edathy auf der sogenannten
Kundenliste stand . Wir konnten zusätzlich herausarbeiten, dass der damalige Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche, nicht nur vom Geheimnisverrat gewusst hat; er hat Friedrich sogar dazu geraten, den
SPD-Vorsitzenden zu informieren, und das, obwohl dieser noch nicht einmal Mitglied der Bundesregierung war .
({1})
Das ist nach meiner Auffassung schon ein sehr seltsames
Rechtsverständnis;
({2})
denn nicht einmal die Bundeskanzlerin hat die Informationen bekommen, die Herrn Gabriel mal so eben anvertraut wurden .
Unterm Strich: Der Bundesregierung hätte deutlich
mehr Verschwiegenheit an dieser Stelle sehr gut getan .
({3})
Im Gegensatz dazu hätte die BKA-Spitze an einem Punkt
etwas gesprächiger sein können und sogar müssen .
Jetzt komme ich auf Niedersachsen zu sprechen;
denn in dem Moment, als der BKA-Chef Jörg Ziercke
in diesem berühmt gewordenen Telefonat mit Herrn
Oppermann erfahren hat, dass bereits die gesamte
SPD-Spitze vom Verdacht gegen Edathy weiß, hätte er
sein nächstes Telefonat mit der niedersächsischen Staatsanwaltschaft führen müssen .
({4})
Denn die Staatsanwaltschaft hätte die Information,
dass der Fall Edathy in der SPD schon lange die Runde
macht, dringend gebraucht . Dann wären im Fall Edathy
sicherlich auch schneller Maßnahmen ergriffen worden .
Das Schweigen von Ziercke hat die Ermittlungen gegen
Armin Schuster ({5})
Edathy ganz klar behindert . Das war ein klarer Rechtsbruch, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Auch die Frage aller Fragen, ob und von wem Edathy
über mögliche Ermittlungen gegen ihn informiert wurde, konnten wir in der Ausschussarbeit klären . Deswegen verstehe ich Ihre Reden an dieser Stelle nicht . Heute
wissen wir, dass Edathy spätestens auf dem SPD-Parteitag am 15 . November 2013 von Michael Hartmann von
den Ermittlungen erfahren hat - das haben uns insgesamt
sechs Zeugen bestätigt; hier steht also nicht Aussage gegen Aussage -; nur einer bestreitet das, und zwar Michael
Hartmann selbst . Selbst Sie, Frau Högl, haben in einem
Interview im Deutschlandfunk Anfang des Jahres zugestanden, dass man nach den sechs Zeugenaussagen die
Aussage von Michael Hartmann neu bewerten muss .
Herr Schuster, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei
den Statements, insbesondere nach den Beweisaufnahmesitzungen, haben Sie damals völlig zu Recht festgestellt: Hartmann muss die Information an Edathy weitergegeben haben . - Mir bleibt es ein Rätsel, warum Sie
diese simple Erkenntnis nicht in Ihren Abschlussbericht
hineinretten konnten .
({7})
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft . Vielleicht klärt
sich dabei auch noch, von wem Michael Hartmann seine Informationen hatte . Da sind wir als Untersuchungsausschuss leider auf der Stelle getreten . Wir konnten es
nicht beweisen . Zwei Thesen stehen aber weiterhin im
Raum: Die Information an Hartmann kam entweder aus
der SPD-Spitze, oder sie kam direkt aus dem Bundeskriminalamt . Also Oppermann oder Ziercke, das war leider
nicht mehr aufzuklären .
({8})
Wir kommen insgesamt zu einem sehr klaren Ergebnis: Die Bundesregierung hat die SPD-Spitze illegal über
den Fall Edathy informiert . Die Information gelangte
an den Abgeordneten Michael Hartmann, der wiederum
Edathy informierte . Die BKA-Spitze hat der Staatsanwaltschaft nichts von dieser Informationsweitergabe von
der Bundesregierung an die SPD erzählt . Dadurch wurden die Ermittlungen erheblich behindert . Das ist die Bilanz . Die Untersuchungsarbeit ist damit abgeschlossen .
({9})
Jetzt müssen wir beraten, wie wir in Zukunft einen
solchen Umgang mit sensiblen Informationen verhindern
können . Frau Högl, Sie haben das Thema eben auch noch
einmal angesprochen . Es geht um den Umgang mit vertraulichen Informationen innerhalb der Politik, innerhalb
der Regierung . Die Bundesregierung hat dazu weder eine
gute Idee noch sieht sie irgendeinen Handlungsbedarf .
Das ist die traurige Antwort auf unsere Kleine Anfrage,
Herr Schuster, die wir Grüne dazu gestellt haben. Ich finde das ziemlich bedenklich; denn alles, was wir in der
Politik machen, basiert auf dem Vertrauen der Bevölkerung . Deshalb sollten wir auch alles tun, um uns dieses
Vertrauen nachhaltig zu erarbeiten .
Ganz herzlichen Dank .
({10})
Der Kollege Uli Grötsch hat für die SPD-Fraktion das
Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ganz am Ende dieses Untersuchungsausschusses, gegen Ende dieser Debatte, darf
ich sagen: Es gehört zur Wahrheit des 2 . Untersuchungsausschusses dazu, dass wir die zentrale Frage: „Wer hat
Sebastian Edathy vor den gegen ihn laufenden Ermittlungen wegen des Besitzes von Kinderpornografie oder vor
den daraus resultierenden Durchsuchungen gewarnt?“,
nicht klären konnten .
({0})
Vermutungen gab es viele, manche davon wurden geradezu gebetsmühlenartig vorgetragen, bis sie für manche
Mitglieder des Ausschusses zu ihrer ganz persönlichen
Wahrheit wurden .
Am Anfang des Untersuchungsausschusses haben wir
die Ermittlungsmethoden des Bundeskriminalamtes untersucht . Wir haben Zeugen aus der Abteilung SO 12 des
Bundeskriminalamtes erlebt, die in ihrer täglichen Arbeit
dem Grauen förmlich in die Augen sehen müssen . Ich
bin froh und dankbar, dass die Mitarbeiter der Abteilung
SO 12 im Bundeskriminalamt und die Staatsanwälte der
Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in
Gießen diese Arbeit für unsere Gesellschaft machen .
Ich glaube, dass wir uns in einer Sache einig sind: Die
Skandalisierung der Arbeitsweise des BKA durch Teile
der Opposition im Innenausschuss ist ins Leere gelaufen .
Bei SO 12 wird höchst professionell an einem abscheulichen Thema gearbeitet, im Allgemeinen und im Speziellen bei der von uns beleuchteten OP „Selm“ . Hier,
wie auch an manchen anderen Stellen, hat der Ausschuss
festgestellt, dass eben doch alles mit rechten Dingen zugegangen ist .
({1})
Es begann mit dem allgemeinen und schnell widerlegten Vorwurf, der Fall Edathy sei im BKA vertuscht
und verschleppt worden, weil sein Name den zuständigen Sachbearbeiterinnen nicht frühzeitig aufgefallen ist .
Jetzt fordert die Opposition in ihrem MinderheitenvoIrene Mihalic
tum eine verpflichtende tägliche Zeitungslektüre für alle
BKA-Mitarbeiter .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wirklich so
schlimm, wenn eine Polizistin den Namen eines Bundestagsabgeordneten nicht kennt? Ich glaube, dass es uns
allen gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir uns selbst
nicht immer ganz so wichtig nehmen würden .
({3})
Ebenso verpuffte der Versuch, den Umgang mit dem
BKA-Beamten, der in Kanada Bilder und Filme bestellt
hatte, zu skandalisieren . Auch hier ging wohl der Jagdeifer mit den Kollegen durch, als sie beispielsweise kritisierten, dass das BKA nicht sofort das Büro seines Mitarbeiters durchsucht hat, was ohne richterlichen Beschluss
im Übrigen rechtswidrig gewesen wäre .
Immer noch sieht sich die Opposition auf der Spur von
mehreren Informationsskandalen, wie sie das nennt . Ich
teile diese Ansicht nicht . Ich kann nichts Falsches daran
erkennen, dass das BKA das Bundesinnenministerium
als seine Fach- und Dienstaufsicht über den sensiblen
Fall eines des Erwerbs von Kinderpornografie verdächtigen Bundestagsabgeordneten unterrichtet hat .
({4})
Ich halte es auch nicht für verwerflich, wenn der informierte Minister anschließend Maßnahmen ergreift, um
zu verhindern, dass eben dieser Abgeordnete in der neu
zu bildenden Koalition eine besondere Funktion erhält .
({5})
Auch das viel besungene kurze Telefonat zwischen
dem damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der
SPD-Bundestagsfraktion und dem BKA-Präsidenten ist
beiden letztendlich doch nicht vorzuwerfen .
Warum manche Abgeordnete hier auf Biegen und Brechen einen Skandal, gar eine Verschwörung entdecken
wollten und versucht haben, weitere Kontakte und Probleme im zeitlichen Ablauf herbeizureden - ich weiß es
nicht .
({6})
Es war jedenfalls sinnlos . Letztendlich hat sich sogar erwiesen, dass die Erinnerungen der Zeugen Gabriel und
Oppermann richtiger waren als die durch die Zeitumstellung auf die Winterzeit verfälschte Anrufprotokollierung
des Bundeskriminalamtes .
Ich halte also fest: Es ist faktisch nicht erwiesen, wer
Sebastian Edathy gewarnt hat . Wir konnten nicht einmal
feststellen, dass er besondere Kenntnisse über dieses Verfahren besaß . Edathy kann daher ebenso gut von einem
der sehr vielen Kenntnisträger bei Polizei oder Justiz gewarnt worden oder sogar nur durch Medienberichte auf
die Ermittlungen aufmerksam geworden sein .
({7})
Seine Behauptung, angeblich kontinuierlich, ja, sogar
wöchentlich über den Verfahrensgang unterrichtet worden zu sein, konnten wir jedenfalls anhand der Akten als
unsinnig widerlegen .
Was ich am Ende nicht unerwähnt lassen möchte:
Als beschämend habe ich die Art und Weise empfunden,
wie manche Mitglieder der Opposition mit dem Zeugen
Hartmann in seiner nächtlichen Vernehmung im Ausschuss und in späteren Medienäußerungen umgingen .
Hier wurden haltlose und unsachliche Vorwürfe erhoben,
bei denen es nicht mehr um Aufklärung, sondern um die
Zerstörung einer Person ging .
({8})
Ich hoffe sehr, dass wir in künftigen Untersuchungsausschüssen wieder zu einem menschlicheren Umgang miteinander zurückfinden.
Vielen Dank .
({9})
Der Kollege Michael Frieser hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Vielen Dank . - Frau Präsidentin! So mancher steht
enttäuscht und sieht betroffen den Vorhang zu und zumindest noch einige Fragen offen . - Das kann man am
Ende eines solchen Untersuchungsausschusses schon so
sehen . Ich sage es gleich am Anfang: So wie es im Augenblick die Wortgewalt der Opposition erscheinen lässt,
so war die Stimmung im Ausschuss nicht . Sie war sehr
viel kontemplativer, sie war sehr viel kollegialer, sie war
an der Sache orientiert, sie war sehr ernsthaft und diesem
Thema angemessen .
({0})
Dafür will ich insgesamt Dank sagen . Das schließt auch
die Kollegen aus der Opposition ein .
({1})
Die Kritik kommt gleich noch . Aber zumindest wollte
ich das am Anfang meiner Rede sagen . Ich glaube, dass
der Ausschuss es geschafft hat, diesen Themenkomplex,
um den sich wahrlich niemand gerissen hat, so auszuleuchten, dass man am Ende des Tages sagen kann: Wir
sind unserer Aufgabe tatsächlich gerecht geworden .
Ich will mit dem BKA anfangen und nur noch einen
Gedanken hinzufügen . Wir konnten uns ein Bild von der
Arbeit machen, die die Mitarbeiter dort dankenswerterweise für uns erledigen . Das ist eine Arbeit, die keiner
in diesem Haus gerne machen würde, nämlich Tausende
und Abertausende von Bildern der Kinderpornografie zu
durchforsten . Ja, man kann sagen, dass das Teil des Jobs
ist, aber am Ende des Tages muss man damit zurechtkommen . Dass es dabei einer Priorisierung bedarf, dass
es dabei einer Gewichtung bedarf, ist selbstverständlich, weil man dem Schrecknis dieser ganzen Welt - es
geht ja nicht nur um Deutschland, sondern um sehr, sehr
viele Bezugsorte - gerecht werden muss . Deshalb kann
ich am Ende mit einiger Dankbarkeit für die Arbeit des
BKA auch sagen: Wir konnten uns davon überzeugen,
dass diese Arbeit ordnungsgemäß und dem Sachverhalt
angemessen durchgeführt wurde . Das ist keine Petitesse . Denn das war immerhin der Ausgangspunkt für den
Untersuchungsgegenstand, mit dem wir uns beschäftigen
mussten .
Ja, eindeutig, es gab eine Warnung . Von wem, das
konnte der Ausschuss nicht mehr aufklären . Wir haben
genügend Zeugen befragt, die die These gestützt haben,
dass Michael Hartmann eine der entscheidenden Quellen hätte sein können . Nach unserer Begutachtung, Frau
Mihalic, war er das auch . Aber das, was wir glauben,
ist nicht das, was ein Untersuchungsausschuss belegen
kann . Deshalb ist es eine Frage der Interpretation . Ich
hätte mich gefreut, wenn Herr Hartmann heute dieser
Debatte hätte folgen können .
({2})
Er hätte vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch
etwas zur Aufklärung beitragen können . Wir freuen uns
alle ganz narrisch darüber, dass er an dem Tag, an dem
der Untersuchungsausschuss beendet war, wieder genesen ist . Wir wünschen ihm auf Dauer alles Gute . Ich
hoffe trotzdem, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, an
dieser Stelle auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens
seinen Beitrag zu leisten .
Mit einer Sache will ich dann doch noch einmal
aufräumen, nämlich mit der Aussage, dass eindeutig
bewiesen ist, dass der Ursprung dieses Untersuchungsausschusses ein Geheimnisverrat gewesen ist . Dass die
CSU durch den Verlust eines amtierenden Ministers einen politischen Preis zahlen musste, ist klar . Es ging hier
aber weder um einen Rachefeldzug noch um das Kühlen
irgendwelcher politischer Mütchen . Was nützt mir ein
Minister im Amt, wenn er nicht die entscheidende Frage
beantworten kann: Was tue ich, damit ich Schaden von
diesem Land abwenden kann? Was tue ich, damit eine
Person, über die Dinge bekannt sind, nicht in ein Amt
kommt, was tatsächlich diesem Land, dem Ansehen der
Bundesrepublik Deutschland schaden kann? Deshalb
halte ich das Verhalten von Hans-Peter Friedrich zur damaligen Zeit nach wie vor für absolut richtig .
({3})
Im Ergebnis stellt sich die Frage, wie nun der Gesprächspartner von Hans-Peter Friedrich als Inhaber dieses Geheimnisses damit umgegangen ist und wem alles er davon erzählt hat . Diese Frage darf man stellen .
Letztendlich schauen wir, wenn wir wissen, wie weit
das hinuntergegangen ist, vor allem in die Reihen der
SPD . Ja, das war nicht angenehm, keine Frage . Wir haben Sternstunden der Fragetechnik im Untersuchungsausschuss hinter uns . Manch SPD-Abgeordneter hat der
Bedeutung des Wortes „vage“ eine ganz neue Dimension
verliehen . Wir erlebten stundenlange Aussagen, in denen
tatsächlich nichts mehr übrig blieb . Am Ende half das alles nichts .
Wir konnten auch noch den Blick nach Niedersachsen
wenden . Wenn es um die entscheidende Frage geht, wie
Informationen behandelt werden sollten, wenn es um die
entscheidende Frage geht, wie man sein Haus im Griff
haben sollte, dann sind die Kollegen aus Niedersachsen
ein Hort der tollen Erkenntnis: So sollte man es nicht machen . Man sollte nicht so mit Informationen umgehen,
dass am Ende keiner mehr weiß, was die linke und was
die rechte Hand tut . Das war mit Sicherheit nicht das
beste Beispiel dafür, wie wir dieses Thema behandeln
sollten .
Ich will noch einen Punkt ansprechen, der die Menschen im Kontext dieses Untersuchungsausschusses
um Edathy wirklich verunsichert hat . Was wird in diesem Staat von der Justiz nicht alles aufgeklärt, und was
wird nicht alles angeklagt? Dass aber jemand, der als
Konsument Tausender und Abertausender kinderpornografischer Bilder angeklagt ist, das Verfahren am Ende
mit einer Geldauflage von 5 000 Euro - und sogar ohne
Schuldeingeständnis - hinter sich lassen kann, hat viele
Menschen zu Recht verunsichert . Da muss man schon
fragen, ob das gerade in Anbetracht des öffentlichen Interesses an diesem Verfahren noch angemessen war . Ich
bin keiner, der gerne Justizschelte betreibt . Aber die Antwort auf die Frage, ob das in Anbetracht des öffentlichen
Interesses an diesem Fall wirklich angemessen war, ist
uns die Justiz immer noch schuldig .
Letztendlich kann ich sagen: Wir müssen sehen - das
sage ich jetzt natürlich nur, damit auch die Grünen wissen, wo wir redetechnisch hingehören; ich meine es allerdings sehr ernst -, dass auch Höchstspeicherfristen ein
Thema sind; da schaue ich jetzt die Kollegin Mihalic an .
Wir haben, auch im Ausschuss, Fälle geschildert bekommen, in denen wirklich eindeutig war, dass dieses Instrument - nur dieses und sonst keines - der einzige Hebel
ist, um zeitgerecht, zeitgleich an Menschen heranzukommen . Das muss man gar nicht in Abrede stellen, und da
muss man gar keine Gutbeterei betreiben . Dass es aber
Fälle gibt, in denen ohne das Instrument der HöchstspeiMichael Frieser
cherfristen keine Rechtsverfolgung stattfinden kann, war
ein eindeutiges Ergebnis der Arbeit dieses Ausschusses .
({4})
Zur Präzisierung beim Thema Kinderpornografie in
den Anfangstagen und -wochen dieses Ausschusses muss
ich sagen: Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es uns
tatsächlich gelingt, dafür zu sorgen, dass wir in der Lage
sind, Vorgänge, die für uns damals noch grenzwertig und
schwierig zu beurteilen waren, heute mit den Behörden
zusammen eindeutig zu entscheiden .
Ich glaube, am Ende lässt sich sagen: Vielleicht sind
mit dem Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses
nicht alle zufrieden . Vielleicht konnten wir nicht alles
aufklären, was wir aufklären wollten . Ich bedanke mich
aber trotzdem - an dieser Stelle darf ich das auch einmal
als stellvertretender Vorsitzender tun - bei der Vorsitzenden, die als Mitglied einer doch stark betroffenen Fraktion in einer nicht besonders einfachen Situation war und
der es gelungen ist, dieses Schiff einigermaßen durch die
Wirrnis zu steuern . Auch den Kollegen herzlichen Dank
für die Zeit! Man hat sehr viel gelernt, auch wenn es
manchmal nächtelang gedauert hat . Ich glaube, dass wir
sagen können - auch wenn wir nicht bei allen Bewertungen übereinstimmen -: Der Ausschuss hat seine Arbeit
getan . Dafür herzlichen Dank!
({5})
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 2 . Untersuchungsausschusses auf
Drucksache 18/6700. Der Ausschuss empfiehlt, den
Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen .
Ich denke, dass wir alle auch den auf der Besucheroder Zuhörertribüne sitzenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats für die Begleitung
dieser Arbeit noch einmal danken .
({0})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Richard Pitterle, Dr . Gerhard Schick, Dr . Sahra
Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin
Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter, Jan van
Aken, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Drucksache 18/6839
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Dr . Gerhard Schick .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über zehn Jahre lang haben Millionäre und große Banken unsere öffentlichen Kassen geplündert . Über zehn
Jahre lang sind sie unbehelligt beim Finanzamt ein- und
ausgegangen und haben unter den Augen von Politik und
Verwaltung Geld abgezweigt . Diese haben leider zugesehen und den Betrügereien lange kein Ende gesetzt .
Weder haben die damaligen Bundesregierungen rechtzeitig und wirksam gehandelt, obwohl es Hinweise gab,
noch haben die Steuerverwaltungen der Länder oder die
Finanzaufsicht Alarm geschlagen . Öffentliche Banken,
Landesbanken, haben an diesem Skandal sogar mitgewirkt .
Viele fragen sich auch heute noch, was eigentlich
Cum-Ex-Geschäfte sind .
({0})
Diese Geschäfte beruhen auf einem Konstrukt, das dazu
führte, dass eine Steuer zweimal zurückerstattet wurde,
obwohl sie nur einmal gezahlt wurde . Dies ist so, als ob
Eltern für dasselbe Kind zweimal Kindergeld kassieren einmal die Mutter und einmal der Vater . Das ist natürlich
ungerecht und im Steuergesetz nicht vorgesehen .
({1})
Für unsere Aufgabe als Abgeordnete steht aber nicht
die Technik, also die Art, wie das im Einzelnen arrangiert wurde, im Mittelpunkt, sondern entscheidend ist,
was im Ergebnis passiert ist, nämlich ein Schaden für das
Gemeinwesen von geschätzt 12 Milliarden Euro . Das ist
absolut inakzeptabel . Diese 12 Milliarden Euro fehlten
für sinnvolle Ausgaben . Oder übersetzt: Banken und Millionäre konnten jedem einzelnen Bundesbürger 150 Euro
aus dem Geldbeutel klauen . So etwas darf sich nie wiederholen .
({2})
Genau deswegen wollen wir Aufklärung .
Obwohl der Schaden so groß ist, haben die Fraktionen der Großen Koalition es abgelehnt, aufzuklären, wie
das passieren konnte . Sie haben unseren Antrag auf einen
Sonderermittler abgelehnt und somit der Aufklärung leider eine Absage erteilt .
({3})
Wir haben auch Gespräche geführt, um andere Formen
der Aufklärung zu finden und auszuloten, ob wir gemeinsam aufklären können - leider ergebnislos . Für mich und
für unsere beiden Fraktionen ist das unverständlich .
({4})
Deswegen machen wir von unserem Minderheitenrecht Gebrauch und beantragen einen Untersuchungsausschuss zum Steuerbetrug an den Finanzmärkten mittels
Cum-Ex-Geschäften .
({5})
Es geht uns nicht darum, einzelne Personen an den Pranger zu stellen, und auch nicht um Parteipolitik,
({6})
sondern es geht darum, sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger nie wieder in diesem Ausmaß abgezockt werden, wie es hier vorgekommen ist .
Dafür müssen wir wissen, wieso staatliche Institutionen in Bund und Ländern jahrelang untätig blieben, statt
das Geld der Bürgerinnen und Bürger zu schützen . Wir
müssen wissen, ob heute dieselben Institutionen willens
und in der Lage sind, bei ähnlichen Fällen rechtzeitig mit
wirksamen Mitteln einzugreifen . Wir müssen wissen, wie
es passieren konnte, dass öffentliche Banken am Betrug
an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mitgewirkt
haben .
Wir sind nämlich schon längst in der nächsten Runde
im Hase-und-Igel-Spiel auf dem Finanzmarkt zulasten
der Bürger . Mit den sogenannten Cum-Cum-Geschäften
stehen erneut Milliarden auf dem Spiel . Auch hier wird
dem Treiben auf dem Finanzmarkt schon viel zu lange
zugesehen .
({7})
Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
laden Sie zu einer parteiübergreifenden sachlichen Arbeit
im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
ein . Bei einem Schaden dieser Größenordnung für das
Gemeinwesen dürfen Demokraten nicht zur Tagesordnung übergehen . Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, dass Staat und Bürger zum Spielzeug von Betrügern
auf dem Finanzmarkt werden, und wenn nicht sichtbar
wird, dass wir im Parlament alles tun, damit nicht wieder
Steuergeld in so großem Umfang von Betrügern auf dem
Finanzmarkt abgezweigt wird, dann verlieren die Menschen das Vertrauen in unsere Institutionen . Deswegen
müssen wir hier gemeinsam tätig werden .
({8})
Sie haben damals zwei Gegenargumente gegen den
Antrag auf einen Sonderermittler vorgebracht . Das eine
Gegenargument war: Es gibt für einen Sonderermittler
keine Rechtsgrundlage .
({9})
Das ist ein sehr merkwürdiges Argument, weil im Saarland unter der Leitung der CDU im Moment genau das
stattfindet, was wir hier gefordert haben. Aufgrund eines
kläglichen Versagens in der Steuerfahndung wird dort
eine externe Sonderermittlerin eingesetzt, um das aufzuklären und um diese Dinge für die Zukunft richtig aufzustellen . - Ihr Gegenargument trägt nicht .
({10})
Das zweite Gegenargument war: Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte sind doch im Moment mit der
Aufklärung dieser Fälle beschäftigt . - In der Tat: Zum
Glück gibt es da Aufarbeitung vor den Gerichten . Aber
diese klären, wer jetzt was zahlen muss und wer bei den
Investoren strafrechtlich Verantwortung trägt . Sie klären
nicht, was auf staatlicher Seite schiefgelaufen ist . Damit
können Sie nicht die Arbeit voranbringen, die unsere Arbeit ist, nämlich dafür zu sorgen, dass sich ein solcher
Skandal nie mehr wiederholen kann . Das können nur wir
hier tun .
({11})
Genau deswegen wollen wir jetzt wissen, was schiefgelaufen ist, und zwar nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit . Ich wiederhole es: Es geht darum, über die
Erkenntnisse der Vergangenheit sicherzustellen, dass es
in Zukunft nie wieder passieren kann, dass das Geld, das
die kleinen Leute in unserem Land mit ihrer Umsatzsteuer und mit ihrer Einkommensteuer zahlen, unkontrolliert
an Trickser und Betrüger am Finanzmarkt abfließt. Das
können wir den Menschen nicht zumuten . Deswegen
heute der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses .
({12})
Das Wort hat der Kollege Matthias Hauer für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die Cum-Ex-Geschäfte im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch einen Untersuchungsausschuss zu beleuchten .
Worum geht es dabei? Bei den Cum-Ex-Geschäften
haben vermeintlich findige Banken und Investoren Aktiengeschäfte allein mit dem Ziel getätigt, sich Kapitalertragsteuer zweimal erstatten zu lassen, die nur einmal
gezahlt wurde . Grundlage dieses kriminellen Geschäfts
war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin,
nämlich kurz davor Cum-Dividende und kurz danach
Ex-Dividende .
Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von
Fristen fielen der rechtliche und der wirtschaftliche Eigentümer der Aktie auseinander . Mit großer krimineller
Energie gelang es so, die Abführung der Kapitalertragsteuer doppelt bescheinigt zu bekommen . Das war damals noch möglich, weil es nicht dieselbe Stelle war, die
den Steuerabzug vornahm und die die Steuerbescheinigung ausstellte .
Die Grünen haben in ihrem Antrag zum gleichen Thema im Januar die Geschäfte als „zumindest illegitim“ bezeichnet . Im aktuellen Antrag sprechen Linke und Grüne
von „Steuergestaltung“ . Wieso so zurückhaltend? Nennen wir es doch gemeinsam beim Namen: Ein solches
Vorgehen ist nicht nur illegitim, sondern schlichtweg
rechtswidrig und kriminell .
({0})
Bei diesen Cum-Ex-Geschäften hat es sich nie um
ein Steuergestaltungsmodell gehandelt . Die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums ist unverändert:
Diese Gestaltung der Cum-Ex-Geschäfte war schon immer unzulässig . Einmal abgeführte Kapitalertragsteuer
darf nur einmal bescheinigt und auch nur einmal erstattet
werden .
({1})
Nachdem tatsächlich durchgeführte Cum-Ex-Geschäfte bekannt wurden, hat die Politik reagiert . Im Jahr 2007
hat der Gesetzgeber die Abwicklung der Geschäfte über
inländische Banken unterbunden . Das gelang, indem die
inländische Bank des Leerverkäufers zur Abführung der
Kapitalertragsteuer verpflichtet wurde. Dadurch wurde
sichergestellt, dass auch die Kompensationszahlungen
des Leerverkäufers unter Nutzung inländischer Abwicklungsbanken mit Kapitalertragsteuer belastet waren und
keine unberechtigte Steuerbescheinigung erstellt wurde .
Konkrete Hinweise auf die Abwicklung über ausländische Banken gab es dann im Jahr 2009 . Das Bundesfinanzministerium hat reagiert und besondere Erfordernisse an Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit
Leerverkäufen über ausländische Kreditinstitute formuliert . Es wurde geregelt, dass alle Steuerbescheinigungen, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag
erworben wurden, besonders gekennzeichnet werden
müssen . Diese Regelung wurde durch zwei Schreiben
des Bundesfinanzministeriums in den Jahren 2010 und
2011 ergänzt .
Ende 2010 erfolgte mit der OGAW-IV-Umsetzung
die vollständige Umstellung der Erhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen deutscher Aktien .
Durch die neue Systematik wird die Kapitalertragsteuer nunmehr durch das Kreditinstitut, das die Dividende
auszahlt, sowohl abgeführt als auch bescheinigt . Beides
liegt also in einer Hand; denn das Auseinanderfallen beider Stellen war die Basis der rechtswidrigen Geschäfte in
der Vergangenheit .
Seit Inkrafttreten 2012 werden die Cum-Ex-Geschäfte auch über ausländische Banken somit verhindert . Der
Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Minister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell
also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage entzogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich
unterbunden . Deshalb sind Cum-Ex-Geschäfte heute
zum Glück nicht mehr möglich .
({2})
Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle . Wer
solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft gezogen werden .
({3})
Unsere Gewaltenteilung legt eine solche strafrechtliche
Aufarbeitung aber nicht in die Hände des Parlaments und
auch nicht in die Hände eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses .
({4})
Hier sind vielmehr die Finanzverwaltung, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichtsbarkeit gefordert, und
mehrere Verfahren laufen bereits .
Sie haben gerade dazwischengerufen, es gehe um die
politische Aufarbeitung .
({5})
Sie haben auch letztens noch erklärt, es seien keine
Konsequenzen gezogen worden . Dass sehr wohl Konsequenzen gezogen wurden, habe ich gerade dargelegt . Die
Cum-Ex-Geschäfte sind mittlerweile unterbunden, und
dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe, ist
auch unzutreffend . Ich habe Ihnen gerade die Gesetzgebungsverfahren dargelegt . In all diese Verfahren war der
Gesetzgeber, waren alle Fraktionen, auch Bündnis 90/
Die Grünen und Linke, eingebunden . Darüber hinaus
hat das Bundesfinanzministerium detailliert und schriftlich die von Ihnen, von den Grünen und von den Linken,
gestellten Kleinen Anfragen der Opposition beantwortet
und die Erkenntnisse der Bundesregierung darin einfließen lassen .
Auch in diesem Jahr haben wir uns mit den
Cum-Ex-Geschäften in diesem Hause beschäftigt . Nach
Debatten im Januar und im September geschieht dies
heute zum dritten Mal in 2015 . Es trifft also nicht zu, dass
es keine politische Aufarbeitung gegeben habe .
({6})
- Sie schreien, deshalb komme ich jetzt direkt zu Ihnen .
Herr Dr . Schick, Sie stützen sich ja vor allem auf ein
Schreiben aus dem Jahr 2002 . Dazu hatten Sie sich in
Ihrer Rede im September noch empört - ich zitiere -:
Die Bundesregierung ignorierte dieses Schreiben
fünf Jahre lang . Warum? … sollte aus Gründen der
Finanzmarktförderung möglichst nicht gegengesteuert werden?
Dazu sage ich Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen: Anstatt mit dem Finger auf andere zu
zeigen, sollten Sie vor Ihrer eigenen Haustür kehren . Am
besten hätten Sie mit der Untersuchung in Ihren eigenen
Reihen angefangen . Immerhin waren Bündnis 90/Die
Grünen bis 2005 Teil der damaligen Bundesregierung,
und Sie stellten 2002 sogar den Vorsitz im Finanzausschuss .
({7})
Aber die Geschäfte waren eben auch für Sie nicht so
einfach zu erkennen, wie sie jetzt manchmal versuchen,
den Eindruck zu erwecken, weil sie hochkomplex waren .
Außerdem haben die beteiligten Banken, Berater und
Investoren erhebliche Anstrengungen unternommen, um
diese Handlungen zu verschleiern . Um die Beziehungen
zwischen den Vertragspartnern intransparent zu machen,
haben sie zusätzliche, oft im Ausland ansässige Marktteilnehmer dazwischengeschaltet . Unter anderem aus
diesem Grund wurden die Geschäfte leider nur zeitlich
verzögert bekannt .
Deshalb gab es in den ersten Jahren auch kein Gegensteuern, weder durch die damaligen Regierungen noch
durch die Fraktionen in den Parlamenten . Es ist gut,
dass durch das Einschreiten von Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble und des Gesetzgebers diese Geschäfte heute nicht mehr möglich sind .
({8})
Wir können daher im Augenblick nicht erkennen, warum
es dieses Untersuchungsausschusses bedarf, den Linke
und Grüne einsetzen wollen . Dennoch respektieren wir
natürlich die parlamentarischen Rechte der Opposition .
Wenn wir schon einen Untersuchungsausschuss einsetzen, dann - darauf können Sie sich verlassen - werden
wir auch konstruktiv darin mitarbeiten und die Thematik
noch einmal im Detail durchsprechen .
Der nun beantragte Untersuchungsausschuss wirft den
Blick vor allem zurück . Er bindet Ressourcen, um bereits
gelöste Probleme erneut zu beleuchten . Wir sollten stattdessen die heutigen Herausforderungen angehen, nämlich bestehende Regelungen verbessern und sie wetterfest für die Zukunft machen . Das werden wir, die Union,
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner auch tun .
Vielen Dank .
({9})
Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die
Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Stellen Sie sich einmal vor: Sie sind Kundin oder Kunde einer Bank und haben dort Ihr Geld im
Tresor liegen . Stellen Sie sich weiter vor: Bei der Leitung
der Bank geht aus gut informierten Kreisen die Warnung
ein, dass der Tresor nicht sicher sei und das dort liegende
Geld bald gestohlen werden könne . Was würden Sie sich
da wohl wünschen? Doch wohl sicherlich, dass die Bank
umgehend reagiert und zum Beispiel den Tresor überprüfen lässt oder den Sicherheitsdienst verstärkt . Was
aber, wenn die Bank einfach nichts macht und über zehn
Jahre lang Ihr Geld nach und nach gestohlen wird? Als
Kundinnen und Kunden würden Sie zu Recht im Karree
springen und nach Aufklärung verlangen .
Dieses Beispiel passt leider recht gut zum heutigen
Thema, nämlich zu der Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte . Die Bank aus meinem Beispiel ist die Bundesregierung, die diese Geschäfte zwischen 2002 und 2012,
zehn Jahre lang, nicht wirksam unterbunden hat . Die gelackmeierten Kundinnen und Kunden sind die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denen durch
die Cum-Ex-Geschäfte ein Schaden von schätzungsweise 12 Milliarden Euro entstanden ist . Der Linken und
Bündnis 90/Die Grünen fällt nun wieder einmal die Rolle
der Aufklärer zu, und diese Rolle nehmen wir gerne an .
({0})
„Cum“ und „Ex“ stehen für „mit Dividende“ und
„ohne Dividende“ bei Aktiengeschäften, die um den Dividendenstichtag herum stattfinden. Die Aktie wird in
kurzem Abstand einmal mit und einmal ohne Dividende weiterverkauft . Auf die Dividende muss Kapitalertragsteuer gezahlt werden, welche man sich anrechnen
oder erstatten lassen kann . Vereinfacht gesagt, waren die
Cum-Ex-Geschäfte so konstruiert, dass zwei der am Kauf
Beteiligten jeweils eine Bescheinigung für die gezahlte Kapitalertragsteuer erhielten, obwohl die Steuer tatsächlich nur einmal gezahlt worden war . Beide konnten
sich die Steuer dann mit der jeweiligen Bescheinigung
erstatten oder anrechnen lassen . Kurzum: Schwerreiche
Investoren bedienten sich zweimal aus der Staatskasse,
obwohl sie nur einmal eingezahlt hatten .
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben bereits
einen Sonderermittler gefordert, um zu klären, warum
Superreiche unbehelligt ein Jahrzehnt lang einen Riesenreibach auf Staatskosten machen konnten . Union und
SPD haben diesen Sonderermittler leider verhindert und
behauptet, es sei ja schon alles aufgeklärt . Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, das kann doch
wohl nicht Ihr Ernst sein!
({1})
2002 gab es einen ernsthaften Hinweis auf die Möglichkeit dieser krummen Geschäfte an das Bundesfinanzministerium . Aber erst 2012 wurden diese Geschäfte
durch eine Gesetzesänderung unterbunden . Da muss man
sich doch fragen, wer da im Bundesfinanzministerium
gepennt hat . Wieso ist da nichts passiert?
({2})
Als Ausrede für die Untätigkeit der Bundesregierung
kommt von Union und SPD auch gerne das Argument,
die Cum-Ex-Geschäfte seien von Anfang an wohl strafbar gewesen, und dementsprechend sei das alles Sache
der Gerichte und der Staatsanwaltschaften .
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie! Auch wenn
etwas strafbar ist, kann man sich doch nicht entspannt
zurücklehnen und abwarten . Im Gegenteil: Gerade dann
muss man bei entsprechenden Hinweisen doch dafür sorgen, dass Straftaten gar nicht erst begangen werden .
({4})
Bereits 2002 hätte es eine gesetzliche Regelung zur Verhinderung der Cum-Ex-Geschäfte geben müssen .
Für die Linke besteht hier jedenfalls sehr wohl Anlass
zur Aufklärung . Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
haben ein Recht darauf, zu erfahren, warum die Bundesregierung untätig geblieben ist und so ein Schaden von
12 Milliarden Euro entstehen konnte . Die Fehler der
Vergangenheit müssen dringend aufgearbeitet werden,
damit wir sicherstellen können, dass sich so etwas nicht
wiederholt .
({5})
Deswegen fordern wir gemeinsam mit Bündnis 90/Die
Grünen diesen Untersuchungsausschuss .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({6})
Der Kollege Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion
das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Damen und Herren! Ich will das Bild von
Richard Pitterle aufnehmen, aber etwas korrigieren . Da
ist ein Dieb, der die Bank bestiehlt . Daraufhin macht
die Bank ein Extraschloss an die Tür . Jetzt kommt der
Dieb durchs Fenster . Erst die Totalvergitterung der Bank
macht diese Bank diebstahlsicher . Aber immer war Diebstahl kriminell und gesetzeswidrig . Insofern ist also etwas passiert, aber solche kriminellen Handlungen kann
man möglicherweise nicht ausschließen, obwohl es eine
Vergitterung gibt, obwohl es eine gute Gesetzgebung gibt
und gab .
Wir sprechen über den größten bekannten Steuerbetrug seit Jahrzehnten - das stimmt; da stimmen wir zu -,
in einer Größenordnung, soweit wir das wissen, von
12 Milliarden Euro . Wir haben schon gehört, wie die
Cum-Ex-Geschäfte funktionieren . Cum-Ex-Geschäfte
klingt schon kompliziert . Man kann sagen, dass es ohne
die Hilfe von Banken diese Geschäfte gar nicht gegeben
hätte . Man kann sagen: Die Banken haben den Dieben
dabei geholfen, einzubrechen, aber natürlich nicht bei
sich selbst, sondern bei den Steuerzahlern . Das ist verwerflich. Deshalb ist es gut, dass wir uns heute darum
kümmern .
Gestern Abend erst hat die ARD berichtet, dass die
HypoVereinsbank eine Buße von immerhin 10 Millionen Euro zu akzeptieren hatte . Das Amtsgericht Köln hat
diese Buße verhängt . Man kann also schon sehen, dass
im Moment zumindest unsere Strafverfolgung an dieser
Stelle ganz gut funktioniert . Nun hören wir noch von
vielen anderen Banken, die das gemacht haben . Deshalb
wird es spannend sein, sich darum zu kümmern .
Grundlage der Geschäfte - das haben Sie schön ausgeführt - waren Leerverkäufe rund um den Dividendenstichtag und die Tatsache, dass die Stelle, die die Kapitalertragsteuer abgeführt hat, und die Stelle, die den
Kapitalertrag bescheinigte, auseinanderfielen. Durch dieses Auseinanderfallen gab es die Möglichkeit, sich zweimal etwas erstatten zu lassen, was man aber nur einmal
bezahlt hat .
Schon allein an diesem Punkt - sich zweimal etwas
erstatten zu lassen, was man nur einmal bezahlt hat - erkennt man die kriminelle Energie; denn es versteht sich
von selbst, egal nach welcher Gesetzgebung, dass das
wohl nicht richtig sein kann, zumal schon die Erstattung
ein Entgegenkommen gegenüber dem Steuerzahler ist .
Man räumt einen Grund für die Erstattung ein, und plötzlich will einer die Erstattung doppelt haben . Ich würde
sogar auf jeglichen Verweis auf die Gesetzgebung verzichten und sagen, dass es sich von selbst versteht, dass
man das nicht macht . Das ist unanständig und kriminell .
({0})
- Wenn sich das für Sie nicht von selbst versteht, dann
finde ich auch das verwerflich. Gewisse moralische
Grundsätze gelten auch für die Grünen .
Da wir und auch das BMF offensichtlich die Komplexität eine gewisse Zeit unterschätzt haben - ich zumindest; vielleicht haben manche hier das rechtzeitig gesehen -, waren unsere ersten Regelungen unzureichend .
Auch das wurde schon erwähnt . Wir haben nämlich nur
die Inlandsfälle geregelt . Die Lücken waren dann dicht,
wunderbar . Aber die freundlichen Herren haben sich
dann grenzüberschreitende Modelle überlegt, die von
uns erst wieder ganz langsam entdeckt werden mussten .
Dazu muss man sagen: Es ist nicht so, dass wir im Parlament im Regelfall solche Gestaltungsmodelle und die
Vollzugsverwaltung in den Blick nehmen, sondern wir
machen Gesetze und gehen davon aus, dass sie eingehalten werden . Wenn nicht, dann ist das ein kriminelles
Verhalten, und die Strafverfolgungsbehörde kümmert
sich darum .
Kollege Binding, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Schick?
Probieren wir es einmal . - Also, eine Frage von
Gerhard Schick .
({0})
- Ja, klar . Danke .
Ich glaube, ich bin in der Lage, eine Frage zu stellen . - Es ist von Ihnen und von Kollegen Hauer dargelegt
worden, dass das von Anfang an als betrügerisch, also als
kriminell, zu bewerten gewesen ist . Vielleicht ist die Frage, die ich dazu stellen möchte, aus Ihrer Sicht schon zu
beantworten; aus meiner Sicht ist das noch offen . Wenn
klar war, dass es kriminell ist, warum hat dann die Finanzaufsichtsbehörde zehn Jahre lang zugelassen, dass
Banken in Deutschland in einem Milliardenumfang kriminelle Geschäfte machen, ohne einzuschreiten?
({0})
Ich bin mir gar nicht sicher, ob der BaFin das von Anfang an klar war .
({0})
Die Frage ist, ob man von Anfang an merken konnte, was
da eigentlich passiert; denn die Gesetzeslage war klar,
und auch die Erstattung war zunächst ganz klar . Dann
gab es eine zweite Erstattung . Die war zwar kriminell,
aber sie ist nicht aufgefallen, weil in diesem System die
beiden Stellen, von denen ich sprach, auseinanderfielen
und auf diese Weise nicht festgestellt werden konnte, was
passiert .
Ich glaube, dass die BaFin oder andere Aufsichtsbehörden, die sich darum vielleicht kümmern konnten,
zunächst gar nicht gemerkt haben, was passiert . Daraus,
dass jemand etwas übersehen hat, kann man sicherlich
einen Vorwurf ableiten. Deshalb finde ich es gut, dass wir
nach einer geraumen Zeit gesetzgeberisch aktiv wurden,
wie gesagt, nicht vollständig und nicht umfänglich, weil
nur die Inlandsfälle geregelt wurden . Daran erkennt man,
dass ganz viele Leute - übrigens auch Sie und ich - gar
nicht gemerkt haben, was da tatsächlich passiert .
Deshalb ist uns wichtig, sich nicht nur um die Vergangenheit zu kümmern, sondern auch um die Zukunft .
Denn wir wissen auch in dieser Sekunde nicht, was geschieht und ob nicht vielleicht kriminelle Dinge passieren . Es ist also wichtig, sich darum zu kümmern . Trotzdem darf man nicht vergessen, dass ein Parlament keine
Vollzugsverwaltung ist . Insofern sind wir auf Hinweise
angewiesen . Denen sollte man nachgehen . Ich glaube,
ein Versäumnis ist gewesen, dass man bestimmten Hinweisen nicht schnell genug nachgegangen ist . Darum
müssen wir uns auch im Untersuchungsausschuss darum
kümmern .
Was ich gerne vermeiden würde, ist, dass wir uns jetzt
vornehmlich und ausschließlich um die Exekutive kümmern, aber die Gauner und die Betrüger und die Diebe
und die Kriminellen aus dem Blick verlieren . Ich meine,
dass wir im Untersuchungsausschuss unseren Blick sehr
stark darauf lenken müssen, wer am Markt in welcher
Weise agiert, wie er sich verhält, mit welchem Ziel und
auf wessen Kosten er dies tut .
Auch das wurde schon gesagt: Der Steuerbetrüger betrügt ja nicht irgendwie den abstrakten Staat, sondern er
betrügt seinen Nachbarn, der seine Steuern ehrlich bezahlt, und das sind die meisten. Wie wir wissen, fließen
die höchsten Steuereinnahmen aus der Einkommen- und
Lohnsteuer sowie aus der Mehrwertsteuer . Insofern haben sich Menschen mit relativ gutem Einkommen an
jenen bereichert, die ein relativ schlechtes Einkommen
haben . Ich glaube, das ist eine Sache, die es sich zu untersuchen lohnt .
Wir wissen inzwischen, wie das Problem gelöst wurde, nämlich, was gar nicht einfach ist, durch einen vollständigen Systemwechsel . Wir mussten das alte System
verlassen . Ich bin froh, dass das BMF so eine gute Lösung gefunden hat; diese Lösung wurde ja nicht im Parlament entwickelt . Ich glaube, das Finanzministerium hat
eine sehr gute Arbeit geleistet .
Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir sagen: Es
herrscht auch kein Mangel an Transparenz . Die Fragen
der Opposition waren sehr gut . Auch die Linken haben
Fragen in dieser Richtung gestellt . Ich glaube, es gab sogar eine Kleine Anfrage, die sehr ausführlich beantwortet
worden ist .
Außerdem gibt es eine öffentliche Kontrolle, wofür
wir ebenfalls sehr dankbar sind . Klaus Ott, Journalist bei
der Süddeutschen Zeitung, hat sehr ausführlich recherchiert . Er kam zu dem Ergebnis: Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nötig . Er hat alle Akten, die ihm wichtig waren, einsehen können . Es war ihm möglich, sehr
weitgehend zu recherchieren . Er war mit hinreichenden
Erkenntnissen ausgestattet, um den Gesamtvorgang zu
beurteilen . In diesem Fall war der Journalismus wieder
ein gutes Stück voraus . Deshalb meinte er, ein Untersuchungsausschuss sei überflüssig. Aber wenn wir denken,
es wäre eine gute Sache, sich das Ganze noch einmal
anzuschauen, dann sollten wir das machen . Außerdem
ermitteln die Staatsanwaltschaften .
Was uns damals gestört hatte, war die Idee, einen Sonderermittler einzusetzen; denn der Sonderermittler ist
kein Instrument des Parlaments, sondern ein Instrument
Lothar Binding ({1})
der Regierung . Wir haben gemeint: Wenn sich jemand
darum kümmern sollte, dann wir .
({2})
- Ich hatte angeregt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen .
({3})
Aber die einfache Begründung dagegen war, dass seinerzeit Prozesse liefen, die wir abwarten sollten, auch
um mehr über die Geschäfte zu lernen . Das ist ja relativ
einfach, weil es um Betrug und nicht um falsche Gesetzgebung geht . Insofern ist die Interpretation der Gesetzgebung hinsichtlich der betrügerischen Absichten eigentlich eindeutig abgegrenzt . Dass das Gebaren rechtswidrig
ist, ist völlig klar .
Es ist gut, dass wir jetzt einen Untersuchungsausschuss einsetzen . Allerdings steht in der Antragsbegründung ein Wort, das mich ein bisschen irritiert hat; dort ist
nämlich von einem „Ermittlungsbeauftragten“ die Rede .
Meine Sorge ist, dass wir in dem Untersuchungsausschuss sehr viel beauftragen und sehr wenig selber tun .
Mein Anspruch an den Untersuchungsausschuss ist aber,
dass wir selbst Aktenstudium betreiben, um eigenständig
urteilsfähig zu werden .
({4})
Dass wir dabei neben der Exekutive die Betrüger nicht
vergessen, ist sicherlich eine wichtige Aufgabe des Parlaments . Gelingt uns das, haben wir eine Gesamtschau dessen, was auf dem Markt passiert ist; dann kommen wir sicher zu guten Ergebnissen, verbunden mit der Hoffnung,
dass wir daraus auch gesetzgeberische Konsequenzen für
die Zukunft ableiten können .
Schönen Dank .
({5})
Das Wort hat der Kollege Philipp Graf Lerchenfeld für
die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es freut mich, dass wir
heute bei diesem Antrag der Opposition feststellen können, dass die Opposition tatsächlich lernfähig ist .
({0})
Sie hat von Januar bis September immer gefordert, einen Sonderermittler einzusetzen, während wir Ihnen vernünftigerweise vorgegeben haben, einen Untersuchungsausschuss einzufordern .
({1})
Jetzt fordern Sie ihn ein, und damit ist eigentlich endlich etwas erfüllt worden, das wir schon lange gefordert
haben . Vielen herzlichen Dank, dass Sie so klug sind,
unseren Rat anzunehmen . Ich hoffe, dass das ein gutes
Beispiel für die Zukunft ist und dass Sie häufiger das tun,
was wir Ihnen raten .
({2})
Der Auftrag an den Untersuchungsausschuss ist mit
einem sehr umfangreichen Fragenkatalog versehen . Es
wird sicherlich nicht einfach sein, alle diese Fragen zu
beantworten . Sie sind teilweise sehr allgemein gefasst
und teilweise sehr detailliert . Aber letztendlich wird der
ganze komplexe Sachverhalt, der von dem Kollegen
schon beschrieben wurde, nicht vollumfänglich erfasst .
Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass diese Fälle komplexen Steuerbetrugs derzeit noch aufgeklärt
werden, dass noch nicht alle Fakten vorliegen, dass verschleiert wurde und noch nicht alles vollständig klar ist .
({3})
Kürzlich akzeptierte die HVB eine Geldbuße von fast
10 Millionen Euro, da sie in den Jahren 2005 bis 2008
entsprechende Geschäfte über ihre britische Tochter abgewickelt hat . Die Strafe für die Bank war deswegen so
gering, weil sie selber tatkräftig an der Aufklärung mitgearbeitet hat . Denn sonst wären diese komplizierten Sachverhalte nicht aufzuklären gewesen . Die Gesamtkosten
einschließlich der Steuernachzahlung für die Bank beliefen sich angabegemäß auf insgesamt circa 250 Millionen
Euro .
Die Aufklärung ist immer noch im Gange . Zahlreiche
Steuerfahnder und Staatsanwälte ermitteln weiterhin und
erhoffen sich, dass allein durch das Beispiel der HVB
vielleicht auch andere Banken sich jetzt dazu durchringen, endlich den Sachverhalt aufzudecken, damit das gesamte Ausmaß des Betrugs deutlich wird .
Das Beispiel der HVB zeigt aber auch, wie unglaublich kompliziert dieser Sachverhalt ist . Es wird schwierig und langwierig sein, eine vollständige Aufklärung zu
erreichen . Die ersten Hinweise auf diese Betrügereien
kamen vom Bankenverband bereits im Jahr 2002 . Allerdings waren sie nicht so konkret, dass sie zu entsprechenden Prüfungen geführt haben . Vor allem hatte man nicht
die heutigen Erkenntnisse . Die Modelle waren außerdem
mit größtmöglicher Verschleierung konstruiert . Damit ist
Lothar Binding ({4})
eine Entdeckung sehr, sehr schwierig geworden . Ich bin
sehr gespannt, ob es uns jetzt gelingen wird, in dem Untersuchungsausschuss Klarheit in die Sache zu bringen .
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, interessant finde ich Ihre Frage 3 im Antrag zur
Einsetzung des Untersuchungsausschusses . Sie fragen danach, „welche Stellen und welche Personen auf
der staatlichen Seite nicht rechtzeitig die notwendigen
Maßnahmen ergriffen haben, um Cum-Ex-Geschäfte zu
unterbinden, und damit für den entstandenen Schaden
einerseits formal und andererseits tatsächlich mitverantwortlich sind“ . Nun frage ich mich - und ich bin schon
sehr gespannt darauf -, ob Sie dann im Ausschuss den
früheren Bundeskanzler Schröder und den früheren Bundesfinanzminister Eichel als Zeugen benennen wollen.
Denn letztendlich geht das Ganze auf das Gesetz zur Unternehmensteuerreform von 1999 zurück, das unter diesen Herren geschaffen wurde . Dadurch wurde die Lücke
für Cum-Ex-Geschäfte erst geöffnet .
Oder werden Sie, wie vorhin der Kollege Hauer ganz
richtig gefragt hat, Frau Christine Scheel als ehemalige
Vorsitzende des Finanzausschusses im Untersuchungsausschuss befragen? Sie war von 1998 bis 2005 Vorsitzende des Finanzausschusses und hätte als solche auch
reagieren können .
Sie können nicht das Ganze uns in die Schuhe schieben; ein bisschen davon müssen Sie auch in Ihren eigenen Schuhen suchen .
Der Fragenkatalog beinhaltet auch Fragen zur Reduzierung des gesamten entstandenen Schadens, zu Vorkehrungen zur Vermeidung ähnlicher Gestaltungen und
dazu, ob Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Bund
und Ländern auf dem Gebiet des Vollzugs der Steuergesetze durch eine Gesetzesänderung oder sogar durch eine
Änderung des Grundgesetzes behoben werden müssen .
Das sind sehr umfangreiche Fragenkomplexe, die viel
Fachkenntnis und Expertenwissen erforderlich machen .
Ich bin gespannt, welche Antworten wir letztlich erhalten
werden und ob und vor allem auch wann wir angesichts
dieser komplexen Fragen mit einem befriedigenden Ergebnis des Untersuchungsausschusses rechnen können .
Wir werden im Untersuchungsausschuss konstruktiv
mitarbeiten,
({5})
und ich freue mich schon auf diese Arbeit .
Vielen Dank .
({6})
Der Kollege Dr . Jens Zimmermann hat für die
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
haben im Finanzausschuss schon die eine oder andere
Debatte über dieses Thema geführt . An dieser Stelle hat
gerade mein Kollege Lothar Binding immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Untersuchungsausschuss eigentlich das geeignete Instrument zur Aufklärung dieses
Themas ist. Deswegen finde ich es auch nur folgerichtig,
dass Sie Ihr Anliegen mit diesem Antrag auf Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses jetzt ins Parlament
bringen .
Wir - das kann ich für die SPD-Fraktion sagen werden die Arbeit unterstützen; denn auch wir haben
natürlich ein Erkenntnisinteresse . Man sollte aber nicht
verkennen: Wenn man mit das schärfste Schwert zieht,
das wir als Parlament haben - ein Untersuchungsausschuss -, dann ist das auch mit einer gewissen Verantwortung verbunden . Damit gehe ich auf die Begründung
zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses ein . Da
fällt ganz oft das Wort „Sonderermittler“ .
Es ist vollkommen richtig - darauf wurde schon hingewiesen -: Im PUAG ist dieses Instrument rechtlich
geregelt . Deswegen ist es vollkommen legitim, dass ein
Untersuchungsausschuss am Ende sich auch dessen bedient . Aber Sie sollten nicht glauben - das will ich für
unsere Fraktion schon an dieser Stelle klarmachen -, dass
es so geht: Wir als Parlament setzen jetzt einen Untersuchungsausschuss ein, dieser Untersuchungsausschuss
beauftragt dann jemanden, der die ganze Arbeit macht,
({0})
und die Parlamentarier treffen sich dann zwei- oder dreimal, um die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen .
Ich verbringe seit einem Jahr jeden Donnerstag einer
Sitzungswoche zwölf Stunden im NSA-Untersuchungsausschuss - auch mit Ihren Kollegen, mit Herrn Ströbele
und Herrn von Notz . Das ist Arbeit . Das macht viel Arbeit . Nur dann, wenn wir als Parlamentarier diesen Untersuchungsausschuss am Ende auch mit Leben füllen,
verdient er wirklich die Einsetzung .
({1})
Wir als SPD-Fraktion werden sehr genau darauf achten
und sehr darauf drängen, dass Sie dieser Arbeit im Untersuchungsausschuss nachkommen .
({2})
Einfach einen Sonderermittler einsetzen, und das war
es - das wird es mit uns nicht geben, meine Damen und
Herren .
({3})
Lassen Sie mich, wenn ich beim Entwurf des Einsetzungsbeschlusses bin, noch auf einen Punkt eingehen,
den ich doch sehr bemerkenswert finde. Unter Nummer 5
zielen Sie auf die öffentlich-rechtlichen Banken ab . Das
finde ich vollkommen in Ordnung; denn wir haben in
der Bankenkrise gesehen, dass dort in der Vergangenheit
Fehler gemacht wurden und nicht alles so gelaufen ist,
wie wir uns das vorstellen . Aber gerade heute Morgen ist
über die Ticker und durch die Medien gegangen: Die HypoVereinsbank hat jetzt eine Strafe gezahlt - genau zum
Thema der Cum-Ex-Geschäfte . Ich frage mich: Wollen
wir das überhaupt nicht aufklären? Wollen wir uns nicht
darüber unterhalten, was mit den privaten Banken ist?
Eine Sache bei einem Untersuchungsausschuss ist das habe ich in dem einen Jahr auch gelernt -, dass man
den Einsetzungsbeschluss präzise formuliert . Wenn wir
nicht hineinschreiben, dass wir uns zum Beispiel auch
um die privaten Banken kümmern wollen, dann wird das
am Ende im Untersuchungsausschuss auch nur schwer
möglich sein . Das sollten wir dann also noch tun, meine
Damen und Herren .
({4})
Zum Abschluss . Wir sollten eines nicht vergessen und
auch mit einer gewissen Demut an die ganze Sache herangehen . Es ist immer unglaublich leicht, zwölf Jahre
später zu fragen: Warum hat man damals nicht? Das ist
richtig . Es kann nicht das Interesse des Parlaments sein,
zu versuchen, Dinge, die vor vielen Jahren falsch gelaufen sind, irgendwie unter den Teppich zu kehren . Aber
ich glaube, wir müssen an dieser Stelle schon auch ein
bisschen schauen, wie das Umfeld damals war . Eines
haben wir doch in der Zeit seit 2008 gesehen: Wir sind
als Gesetzgeber nach der Finanzkrise unglaublich aktiv
geworden . Wir haben sehr viele Lücken geschlossen und
Probleme gelöst, die zuvor existiert haben .
Auch in den Banken hat ein Kulturwandel eingesetzt,
der uns aber bei weitem noch nicht weit genug und nicht
schnell genug geht . Wir sollten an dieser Stelle nicht vergessen, auch die Rolle der Banken ordentlich unter die
Lupe zu nehmen . Denn am Ende des Tages waren all diese Geschäfte vor allem deshalb möglich, weil es willige
Helferinnen und Helfer gab, und diese möchte ich auch
zur Verantwortung ziehen .
Vielen Dank und schönes Wochenende .
({5})
Ich schließe die Aussprache .
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/6839 an den Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen . Sind
Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall . Dann ist die
Überweisung so beschlossen .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16 . Dezember 2015, 13 Uhr, ein .
Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung
ist geschlossen .