Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/25/2015

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich . Wir setzen unsere Haushaltsberatungen - Ta- gesordnungspunkt I - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 ({0}) Drucksachen 18/5500, 18/5502 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 Bevor ich den Einzelplan 04 aufrufe, möchte ich eine Delegation der Nationalversammlung der Republik Korea begrüßen, die auf der Ehrentribüne Platz genommen hat . ({2}) Ich begrüße Sie herzlich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Bundestages, von denen Sie einige bereits gestern in Gesprächen kennengelernt haben . Wir freuen uns über Ihren Besuch in Berlin . Sie wissen, dass wir der Zusammenarbeit mit Ihrem Land, insbesondere der Zusammenarbeit zwischen unseren Parlamenten, besondere Bedeutung beimessen . Alles Gute für Ihren Aufenthalt in Deutschland und für die weitere Zusammenarbeit! Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I .9 auf: Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Drucksachen 18/6124, 18/6125 Berichterstatter sind die Abgeordneten Rüdiger Kruse, Bernhard Schulte-Drüggelte, Johannes Kahrs, Gesine Lötzsch, Tobias Lindner und Anja Hajduk . Über den Einzelplan 04 werden wir nach Abschluss der Debatte namentlich abstimmen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 224 Minuten vorgesehen . Die Stoppuhr läuft . Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke . ({3})

Dr. Dietmar Bartsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003034, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle stehen unter dem Eindruck der Attentate von Paris . Sie haben uns alle schockiert . Die Attentäter haben wahllos getötet, egal ob Christen, Juden, Muslime, Ungläubige, Franzosen, US-Amerikaner, Deutsche, Künstler, Arbeitslose oder Studierende . Wir alle sind verletzbar . Wir alle verurteilen diese barbarischen Terroranschläge . ({0}) Diese Mörder haben kein staatliches Symbol angegriffen, sondern den Alltag . Es wurden junge Menschen getroffen, die in Stadtteilen lebten, die für Weltoffenheit, Toleranz und Lebensfreude stehen . Unsere Trauer und unser Mitgefühl gelten den Opfern . In das Entsetzen über die Anschläge mischt sich aber auch Hoffnung . Viele Menschen, darunter ganz viele Jugendliche, haben Blumen vor Botschaften niedergelegt und Kerzen aufgestellt . Ich habe das hier in Berlin gesehen; auch in Paris waren das sehr viele . Diese Tausende jungen Menschen stellen die Hoffnung für Europa dar . Sie wollen und werden sich ihren Alltag, ihre Freude in den Fußballstadien und bei Musik und Tanz nicht kaputtmachen lassen . Das ist die Hoffnung für Europa und die Welt . ({1}) Diese jungen Menschen finden wir auch hier, in allen Fraktionen . Deshalb muss unsere Antwort sein: mehr Offenheit und mehr Demokratie, mehr Leben und mehr Freiheit . ({2}) Die Feinde der offenen Gesellschaft kann man nur mit mehr Offenheit erfolgreich bekämpfen . Wir brauchen mehr Menschlichkeit, mehr Integration und Teilhabe . Wir alle spüren, dass wir uns an einem Punkt befinden, wo es sich entscheidet, wie es in Deutschland, Europa und der Welt weitergeht . Gestern das Attentat in Tunis, die Anschläge in Bamako und in Beirut und auf das russische Flugzeug über dem Sinai - die Tränen, die für alle Opfer vergossen werden, sind gleich . Mit dem Anschlag in Paris ist der Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ ein weiteres Mal vor unserer Haustür angekommen . Es ist menschlich nachvollziehbar, wenn angesichts der Toten und der schrecklichen Ereignisse Gefühle von Ohnmacht, Wut, Verzweiflung aufkommen. Und ja, Überlegungen sind nötig, wie man den für diesen Terror Verantwortlichen konsequent das Handwerk legen kann . Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Bomben auf Rakka sind keine Strategie . Terror bekämpft man nicht mit Krieg . Es gibt keine militärische Lösung für den Kampf gegen den Terror . Die Spirale der Gewalt liefert den Terroristen immer neue Attentäter . Jeder im Bombenhagel getötete Zivilist bringt gegebenenfalls zehn neue Selbstmordattentäter hervor . Deshalb sage ich Ihnen, Frau Merkel: Wenn Sie heute zu Herrn Hollande fahren, gilt: Solidarität ja, aber keine Tornados . Das ist nicht der Weg . ({3}) Haben Sie eigentlich nichts aus Afghanistan gelernt? Auch dort wird es keinen militärischen Sieg über die Taliban und über den Terrorismus geben . Über 50 deutsche Bundeswehrsoldaten sind gestorben, viele Milliarden wurden dort versenkt, Tausende tote Zivilistinnen und Zivilisten sind zu beklagen - und jetzt wollen Sie den Einsatz verlängern und das Kontingent noch einmal aufstocken? Es ist doch völlig irre, wenn das Auswärtige Amt auf der einen Seite eine Reisewarnung für Afghanistan herausgibt und die Regierung auf der anderen Seite zur gleichen Zeit wegen der Sicherheitslage die Anzahl der Soldaten aufstocken will und überlegt, Teile Afghanistans zu einem sicheren Herkunftsland zu erklären . Das ist doch absurd . Keiner weiß doch, wohin die Waffen gehen . ({4}) Wir müssen doch aus Afghanistan Schlussfolgerungen für unser heutiges Agieren ziehen . Im Angesicht des Terrors muss die Politik natürlich einen kühlen Kopf bewahren, besonnen und entschlossen handeln . Es ist der Kampf mittelalterlicher Barbarei gegen Menschlichkeit, gegen die Zivilisation, gegen die Werte der Aufklärung, gegen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit . Ja, Antworten müssen wir alle geben . Da kann ein Gedanke von Nietzsche vielleicht hilfreich sein: Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird . Vielleich kann Norwegen für uns ein Beispiel sein . Die Norweger haben nach dem Wahnsinn des Herrn Breivik mit mehr Offenheit und mehr Liberalität agiert . ({5}) Natürlich müssen wir die Frage stellen: Warum ist die Lage so? Die Versuche der NATO-Partner, unliebsame Regierungen im Irak und in Libyen aus dem Weg zu räumen, haben zur politischen Destabilisierung in den betroffenen Ländern beigetragen und einen fruchtbaren Boden für die Entstehung terroristischer Strukturen geschaffen . Noch vor wenigen Jahren war der „Islamische Staat“ doch vergleichsweise schwach . Er ist ein direktes Ergebnis des Irakkriegs der Vereinigten Staaten . ({6}) Jetzt ist der IS die mächtigste und reichste Terrororganisation der Welt . Was ist zu tun? Erstens muss man natürlich auf Diplomatie setzen, nicht bezogen auf den IS . Aber die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder dürfen nicht gegeneinander agieren, sondern müssen trotz aller sonst unterschiedlichen Sichtweisen miteinander agieren . Der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien muss in grundsätzlicher Art und Weise angegangen werden . Und natürlich brauchen wir auch ein Perspektivkonzept: Was soll mit Syrien werden? Was soll mit Irak werden? Was soll mit den Kurdinnen und Kurden werden? ({7}) Zweitens . Wir brauchen dringend ein konsequentes Waffenembargo für die Krisenregion, vor allen Dingen gegen die Unterstützerländer des IS, gegen Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate . Keiner weiß doch, wohin die Waffen gehe . ({8}) Es ist doch völliger Irrsinn, wenn an dem Tag, an dem die Verschärfung des Asylrechts in Deutschland beschlossen wird, Kampfpanzer Leopard 2 nach Katar exportiert werden . Das ist doch wirklich Irrsinn . Die Schiffe, die Sie dort hinschicken, können Sie gleich da lassen, um Flüchtlinge einzusammeln; denn das wird neue Flüchtlingsströme produzieren . Das ist Irrsinn . ({9}) Wir können doch nicht zusehen, wenn damit Geld verdient wird . Wenn Vertragsstrafen anfallen, dann fallen sie eben an . Das muss uns der Frieden wert sein . ({10}) Drittens . Der Kampf gegen den Terror kann nur gelingen, wenn die Finanzierungs- und Einnahmequellen des IS trockengelegt werden . Die Ölquellen und die Ölschmuggelwege sind doch eine der Grundlagen des IS . Täglich zieht er 2 Millionen Dollar aus dem Ölhandel . Das läuft vor allen Dingen über die Türkei . Auch die internationalen Finanzströme müssen gekappt werden, und die Konten müssen gesperrt werden . ({11}) Ein Wort zur Türkei: Die Türkei wird mit Sicherheit bei der Lösung der Flüchtlingsfrage gebraucht; aber sie war auch über Jahre ein Transitland des Terrorismus . Erdogan agiert in seinem Land undemokratisch . Die Kurden kämpfen gegen den IS, und die Türkei bombardiert die Kurden . Wir müssten den Kurden für ihren Kampf gegen den IS dankbar sein . Das wäre die richtige Haltung . Da muss Druck auf Herrn Erdogan ausgeübt werden . ({12}) Der Abschuss des Flugzeuges kann die Spannungen in dieser Region natürlich nur erhöhen . Zum Thema Flüchtlinge: Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 war eine Antwort der Völker auf die verheerenden Folgen und das millionenfache menschliche Leid im Ergebnis des von Hitler-Deutschland vom Zaune gebrochenen Zweiten Weltkrieges . Wir Deutschen haben auch 70 Jahre nach dem Ende des Krieges gegenüber flüchtenden Menschen eine besondere Verantwortung . Flüchtlinge sind die Botschaft der Kriege und des Elends dieser Welt . Deswegen kann unsere Botschaft nur lauten: Wir helfen . - Hören Sie doch alle auf die Botschaften der Kirchen in Deutschland . Die sollten für uns Maßstab sein . ({13}) - Ja, Union, da müssen Sie durch . Dass ich Ihnen das sagen muss, zeigt, wie es um Sie steht . ({14}) Ich will einmal aus dem Matthäusevangelium zitieren, Herr Kauder: Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; . . . ({15}) Das ist menschlich . - Im Übrigen heißt das heute übersetzt: Wir schaffen das . ({16}) Ich füge hinzu: weil wir es können . Zugleich ist es natürlich überfällig, dass die Bundesregierung endlich einmal sagt, wie sie es schaffen will . Die Herausforderungen sind lösbar . Das kostet Anstrengungen, Geld und Geduld . Aber Sie mit Ihrem Chaosbild werden es nicht schaffen . Dieses Fahren auf Sicht ist in dieser Situation eben nicht die richtige Strategie . Wir brauchen zuallererst eine Haltung zu der Flüchtlingsfrage . Diese ist Ihnen offensichtlich abhandengekommen . ({17}) Verantwortliche in den Ländern und in den Kommunen, viele Hilfsorganisationen, die Bundespolizei, das THW und Zigtausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer kümmern sich um die Flüchtlinge, leben eine überzeugende Willkommenskultur . Das hat im praktischen Leben übrigens überhaupt nichts mit Parteizugehörigkeit zu tun . Mitglieder aller hier im Bundestag vertretenen Parteien engagieren sich dort . Ich will im Übrigen auch feststellen - das sollte klar ausgesprochen werden -: Die meisten Flüchtlinge kommen in Bayern in Deutschland an . Dort sind die Herausforderungen besonders groß . Von der Bevölkerung und auch von den Behörden in Bayern wird Großartiges geleistet . Allen, die sich in dieser Weise engagieren, gebührt ausdrücklich der Dank dieses Hauses und allerhöchste Würdigung . Aber in völlig inakzeptablem Gegensatz dazu steht das unverantwortliche Agieren von Politikern der CSU . ({18}) Ich zitiere einmal Horst Seehofer - ich könnte den Rest meiner Redezeit mit CSU-Zitaten füllen -: Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren - bis zur letzten Patrone . Er nimmt auch gerne einmal den NPD-Spruch in den Mund: „Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt .“ Herr Söder hat den wahnsinnigen Satz gesagt: „Seit heute Morgen um 9 Uhr wird geklagt .“ Meine Damen und Herren, wo leben wir eigentlich, wenn so etwas möglich ist? ({19}) Wenn ich mir anschaue, wie auf dem CSU-Parteitag mit der Kanzlerin umgegangen worden ist, ({20}) muss ich sagen: Sie haben da jegliche bürgerliche Anstandsform verletzt . ({21}) Ich habe mir das mit jungen Leuten angesehen . Die haben gesagt: Was hat denn der Seehofer eingeworfen? Das kann doch nicht wahr sein! - Was ist eigentlich die politisch-moralische Geschäftsgrundlage dieser Koalition, meine Damen und Herren? ({22}) Es muss Schluss sein mit den verantwortungslosen Gedankenspielen und den verbalen Entgleisungen von Seehofer und Söder! ({23}) Es ist doch niederträchtig, Flüchtlinge in die Nähe von Mörderbanden zu stellen . ({24}) Die verbalen Entgleisungen befördern Rechtspopulismus und Rechtsextremismus . Es stimmt einfach: Das Umfragehoch der AfD ist ohne Söder und Seehofer nicht erklärbar . ({25}) Nötig ist entschlossenes Handeln aller politisch Verantwortlichen, aller Demokraten gegen Rechtsextremismus . Aber es ist kein Brandanschlag endaufgeklärt . Es ist kein Täter zur Verantwortung gezogen worden . Ich will an den Mordanschlag auf Henriette Reker erinnern . Sie steht für die vielen, die dem rechten Alltagsterror trotzen und jeden Tag Mitmenschlichkeit zeigen . ({26}) Es ist nicht hinnehmbar, dass Rechtsextremisten, alte und neue Nazis, im Internet und auf Demos ausländerfeindliche Parolen verbreiten, zu Mord - ob nun mit Galgen oder Guillotine - aufrufen können und keiner zur Verantwortung gezogen wird . Ja, das Tempo und die Effizienz bei der Bearbeitung der Flüchtlingsfrage sind unzureichend . Ich will Sie an Ihren Koalitionsvertrag erinnern . Da steht: drei Monate Bearbeitungszeit . - Aktuell sind es fünfeinhalb . In einigen Ländern dauert die Bearbeitung über ein Jahr . In keinem einzigen europäischen Land dauert das so lange . Wir haben in unserer Fraktion unlängst mit Kommunalpolitikern, mit Oberbürgermeistern und Landräten aus West und Ost, geredet . Sie alle haben klar gesagt: Ja, wir können das hinbekommen . Aber wir brauchen geordnete Verfahren: bei der Registrierung der Flüchtlinge, bei der Bearbeitung der Anträge und bei unverzüglichen Maßnahmen zur Integration . - Wer hat denn all die Jahre zum Beispiel die Bundespolizei so heruntergespart? Wer hat denn den unglaublichen Abbau im öffentlichen Dienst zu verantworten? Wer hat so lange gezögert, beim BAMF die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen? ({27}) Das waren immer Sie von der Union! Sie waren immer in der Regierungsverantwortung! ({28}) Wir brauchen ein Flüchtlingsaufnahmegesetz, das bundesweit einheitliche Standards und Verfahren festlegt . Ein Element muss die Übernahme aller Unterbringungs- und Versorgungskosten durch den Bund für die Dauer des Asylverfahrens und eine Übergangszeit sein . Das, was Sie gemacht haben, die Anrechnung von Kosten für Sprach- und Integrationskurse auf das Existenzminimum, ist ein verheerendes Signal . ({29}) Asylsuchenden muss schneller Zugang zu Sprachkursen verschafft werden . Die gezielte Eingliederung in Arbeit wird die Zukunftsaufgabe für eine erfolgreiche Integration . Ich meine, auch die Attentäter von Paris sind doch Ergebnis gescheiterter Integration und gescheiterter Politik; auch das müssen wir aussprechen . Natürlich kann die Flüchtlingsfrage nur europäisch beantwortet werden . Europa versagt in der Flüchtlingsfrage . Es mangelt an europäischer Einigung, es mangelt an europäischer Solidarität . Ich bin im Übrigen der Überzeugung: Die Zukunft Europas entscheidet sich daran, wie Europa die Herausforderungen durch die Flüchtlinge meistert; das ist die Zukunftsfrage . Europa muss modernisiert und auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt werden . Da sollte Deutschland Führung zeigen, Führung in Menschlichkeit . Wenn ich mir anschaue, wie Sie im Haushalt zum Beispiel mit dem Thema Entwicklungspolitik umgehen, stelle ich aber fest: Seit Jahrzehnten haben wir das Ziel 0,7 Prozent . Sie machen viel zu wenig . Wir liegen immer noch bei 0,4 Prozent . Die Steigerung im Verteidigungsetat ist größer als die in der Entwicklungspolitik . Was ist denn das für eine Politik, meine Damen und Herren? ({30}) Deutschland befindet sich an einem Punkt, an dem sich entscheidet, wie es in unserem Land weitergeht, welche Perspektiven wir haben . Diese Große Koalition allerdings hat kein Konzept, wie Deutschlands Zukunft zu gestalten ist. Sie agieren hilflos, planlos und ziellos. Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben . Vor allen Dingen versuchen Sie jetzt - das stört uns besonders -, die Schwächsten gegen die Schwachen auszuspielen . Frau Merkel, beenden Sie endlich die unsägliche Diskussion, ob es neue Ausnahmen beim Mindestlohn geben sollte! ({31}) Nein, wir müssen die bisherigen Ausnahmen einschränken; sonst ist das das Einfallstor für prekäre Beschäftigung . Neben der Tatsache, dass der Mindestlohn wichtig ist: Es gibt auch 2 Millionen Solo-Selbstständige, von denen viele in der Land- und Forstwirtschaft und im Kommunikations- und Informationsgewerbe tätig sind . Sie brauchen ebenfalls ein auskömmliches Einkommen . Vielleicht ist ein Mindesthonorar der richtige Weg dorthin . ({32}) Seit Jahren driftet unsere Gesellschaft auseinander . Die Ungleichheit wächst; den wirtschaftlichen und politischen Eliten ist der Wertekompass abhandengekommen . Ich will nur drei Kürzel nennen: DFB, VW, BND . ({33}) Diese Kürzel sind Synonyme für windige Geschäfte, Manipulation und offenen Betrug . Das alles ist doch gar nicht denkbar gewesen . Wer hätte denn vor Jahren geglaubt, dass das bei einem Staatskonzern wie VW möglich ist? Zur selben Zeit, als die Kanzlerin sagte, unter Freunden spioniere man nicht, hat der BND Freunde ohne Ende ausspioniert . Was beim DFB passiert ist, ist genauso ein Skandal . Im Übrigen: Herr Winterkorn bekommt jetzt von VW 100 000 Euro Rente im Monat . Das ist doch absurd . Wo sind denn die Werte in diesem Land hingeraten? ({34}) Ein Land, in dem die Kinderarmut wächst, während den Reichsten erlaubt wird, ihr Geld in Steueroasen zu bunkern, wird die aktuellen Herausforderungen nicht bewältigen . Diese Regierung erweist sich als unfähig, die aktuellen Probleme anzupacken und das Land sozial zu modernisieren . Deutschland ist ein so reiches Land; aber Sie fahren das Land seit Jahren auf Verschleiß . Ihr manisches Verhältnis zur schwarzen Null ist einer der Gründe, warum wir die Herausforderungen nur mühsam anpacken . Mit der schwarzen Null machen Sie Schulden bei den nächsten Generationen . Es ist politisches Versagen, dass in diesem Land Kinder in Armut leben müssen ({35}) und dass die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, die in Grundsicherung leben, weiterhin steigt . Ist Ihnen eigentlich nicht aufgefallen, wie viele alte Menschen hier in Berlin in Mülltonnen nach leeren Flaschen suchen? Ich könnte die Liste der Schäbigkeiten unendlich fortsetzen . Deswegen brauchen wir ein Investitionsprogramm für unser Land . Deswegen sollten wir die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik von 3,9 Milliarden Euro auf 5,6 Milliarden Euro aufstocken . Die Integration in den Arbeitsmarkt ist eine Zukunftsfrage . ({36}) Daneben müssen wir ab sofort mindestens 200 000 Sozialwohnungen jährlich bauen . Das Deutsche Studentenwerk hat dazu aktuell eine entsprechende Forderung gestellt . Wir sollten die Länder mit 1,5 Milliarden Euro dabei unterstützen . Wenn Sie sagen, das alles sei nicht finanzierbar, dann kann ich nur sagen: Das ist ein irrer Vorwurf . Die Schere zwischen Arm und Reich ist in nahezu keinem Land Europas so groß wie in unserem Land . Die 500 reichsten Familien verfügen über ein Vermögen von 615 Milliarden Euro . ({37}) Das ist zweimal ein Bundeshaushalt . Für diesen Irrsinn gibt es vor allen Dingen einen Grund: Wie der Teufel das Weihwasser fürchtet, sträuben Sie sich dagegen, den Reichtum dieses Landes gerechter zu verteilen . Mit einer gerechten Steuerpolitik könnten wir jährlich Milliarden einnehmen . ({38}) Das geht allerdings nicht ohne eine Umverteilung von oben nach unten . Wir fordern eine wirkliche Reform der Erbschaftsteuer . Ihr komisches Reförmchen reicht hier nicht . In Großbritannien müssen die Superreichen sechsmal so viel berappen wie in Deutschland . In Kanada und in den USA ist es das Fünffache . Alle diese Länder sind nicht verdächtig, den demokratischen Sozialismus einführen zu wollen . Hier wird deutlich, welche Privilegierung von sehr Reichen wir uns leisten . Angesichts der gesellschaftlichen Handlungsbedarfe lässt sich das überhaupt nicht rechtfertigen . ({39}) Von 2015 bis 2024 werden in Deutschland insgesamt 3,1 Billionen Euro vererbt; aber in dieser Koalition kommt niemand auf die Idee, dort irgendetwas zur Finanzierung des Gemeinwohls abzuholen . Ich sage Ihnen: Niemand von der Linken will Unternehmen gefährden; das ist überhaupt nicht der Punkt . Es geht um Privatvermögen . Auch eine Vermögensabgabe in Form der Millionärssteuer auf Privatvermögen wäre eine richtige Maßnahme . Es ist längst an der Zeit, die Milliardäre und die Millionäre in Deutschland stärker zur Finanzierung der Aufgaben des Gemeinwohls heranzuziehen . ({40}) In aller Klarheit: ({41}) Die teuersten Flüchtlinge in Deutschland sind die Steuerflüchtlinge, ({42}) die Konzerne und die Superreichen, die mit unendlich vielen Tricks und von Finanzämtern selten kontrolliert die öffentliche Hand in Deutschland jedes Jahr um bis zu 100 Milliarden Euro prellen . Meine Damen und Herren, da sollten Sie ran! Da müssen Sie etwas tun . Es ist in unserem Land genügend Geld da, um die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen . ({43}) Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben: „Deutschlands Zukunft gestalten“ . In der Realität steht die Große Koalition immer mehr für ein schwarzes Loch . Sie gestalten nicht, Sie verwalten nur noch . Sie sind vor allen Dingen mit sich selbst beschäftigt . Damit es den Menschen in unserem Land besser geht, braucht es einen sozialen Aufbruch . Dazu brauchen wir Mut; da bedarf es einer Haltung . Das sehe ich bei Ihnen leider nicht . Herzlichen Dank . ({44})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Bundeskanzlerin, Frau Dr . Angela Merkel . ({0})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen, am 13 . November, mussten Menschen in Paris einen Albtraum von Gewalt, Terror und Angst durchleiden . Unzählige Familien trauern um ihre Liebsten . Deutschland teilt mit ihnen den Schmerz . Wir alle haben sofort verstanden: Dieser unmenschliche Angriff meint uns alle, und er trifft uns alle . Es ist ein Anschlag auf unser aller Freiheit, auf unsere Werte und Überzeugungen, ein Angriff auf all das, was uns wichtig ist und wofür Generationen vor uns in Europa gestritten und gekämpft haben: Demokratie und Menschenrechte, Gleichberechtigung und eine offene, freundliche und tolerante Zivilgesellschaft . Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs in der Trauer um die Opfer . Wir stehen solidarisch an der Seite Frankreichs im Kampf gegen den Terror . ({0}) Wir gedenken aller Opfer des Terrors . Ich denke an die Opfer des russischen Flugzeugabsturzes, an die Opfer in Bamako genauso wie an die Opfer gestern in Tunesien . Frankreich hat erstmals in der Geschichte die EU-Beistandsklausel des Artikels 42 Absatz 7 im Lissabon-Vertrag in Anspruch genommen . Alle EU-Staaten haben Frankreich einhellig Solidarität und vor allem auch Beistand zugesichert . Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin hat bereits letzten Dienstag erstmals mit ihrem französischen Amtskollegen über die Frage gesprochen, wie diese Solidarität mit Leben erfüllt werden kann . Wir sind mit unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und helfen bei der Bekämpfung des Terrors: im Irak den Peschmerga, in Mali, indem wir unser Engagement verstärken, und in Afghanistan, indem wir unser Engagement verlängern . Heute Abend werde ich mit dem französischen Präsidenten François Hollande über die Fragen sprechen, die uns gemeinsam bewegen . Der Geist dieses Gesprächs wird davon bestimmt sein, dass wir gemeinsam mit unseren Freunden handeln werden . Wenn zusätzliches Engagement notwendig ist, dann werden wir das nicht von vornherein ausschließen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, Polizei und Nachrichtendienste arbeiten in Deutschland mit Hochdruck an der Aufklärung der grausamen Anschläge und der Aufdeckung ihrer terroristischen Strukturen . Auch in Deutschland ist die Bedrohungslage hoch . Wir gehen allen Hinweisen nach und müssen natürlich - das haben wir letzte Woche Dienstag gesehen - immer wieder eine schwierige Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit treffen . Ich will hier ausdrücklich - auch im Namen der ganzen Bundesregierung - sagen: Wir haben Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden, dass sie mit Augenmaß handeln . Sie brauchen unsere politische Unterstützung, und die haben sie auch . Denn anders können Sicherheitsbehörden nicht handeln . ({1}) Zwei Dinge sind mir sehr wichtig: Erstens . Wir müssen - da möchte ich mich auch bei der Mehrheit des Deutschen Bundestags bedanken wachsam und wehrhaft sein . Deshalb war es richtig das geschah schon vor den Anschlägen -, dass wir eine personelle und technische Verstärkung unserer Sicherheitsbehörden beschlossen haben . Es gibt im Jahr 2016 1 000 neue Planstellen für die Bundespolizei . Insgesamt sind bis 2018 3 000 zusätzliche Stellen vorgesehen . Bei der Bundespolizei werden sogenannte robuste Einheiten aufgebaut, die so ausgebildet und ausgestattet sein werden, dass sie terroristischen Lagen begegnen können und damit unsere Möglichkeiten in solchen Fällen deutlich - über das hinaus, was die Landespolizeien und die GSG 9 heute schon können - erweitern . Wir stärken unsere Nachrichtendienste, investieren unter anderem in die Modernisierung ihrer technischen Ausstattung . Und wir verstärken das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst personell . Zweitens . Die stärkste Antwort - und das ist ebenso wichtig - an Terroristen ist, unser Leben und unsere Werte weiter so zu leben wie bisher, selbstbewusst und frei, mitmenschlich und engagiert . ({2}) Wir Europäer werden zeigen: Unser freies Leben ist stärker als jeder Terror . Ein starkes Zeichen der Einigkeit im Kampf gegen den Terrorismus ging auch vom G-20-Gipfel in Antalya unmittelbar nach den Anschlägen von Paris aus . Für mich besonders wichtig war das hier abgegebene klare Bekenntnis der Regierungschefs muslimischer Staaten, die genauso wie wir dem Terrorismus ganz klar den Kampf angesagt haben . Deshalb werden wir - so haben wir es in Antalya beschlossen - trotz ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Strukturen die Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung verstärken: bei der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, bei der Überwachung der Internetkommunikation von terroristischen Netzwerken und das ist ganz wichtig - bei der Kappung der Geldflüsse der Terroristen, soweit dies möglich ist. Diese Geldflüsse müssen Schritt für Schritt trockengelegt werden . Das ist eine der vornehmsten Aufgaben . ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Es ist ebendieser Terror, es sind ebensolche Krisen, vor denen Menschen in großer Zahl nach Europa - und ganz besonders auch nach Deutschland - fliehen. Sie suchen Schutz und Aufnahme. Wir haben weltweit die größte Zahl von Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg . Deshalb ist die Frage, wie wir mit dieser Sachlage umgehen, natürlich nicht nur eine nationale oder eine europäische, sondern eine globale, internationale Frage . Deutschland hat in den letzten Monaten gezeigt, wie menschlich, leistungsfähig und flexibel wir auf allen Ebenen - vom Bund über die Länder bis hin zu den Kommunen, von der Polizei über das BAMF bis hin zu den Jugendämtern - sind . Verantwortliche sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen täglich über sich hinaus . Sie machen unzählige Überstunden, Nacht- und Sonderschichten . Und es gibt durchgearbeitete Wochenenden . Es geht dabei nicht nur um die vielen Stunden, sondern auch um das Engagement, die Bereitschaft und das Herz, das sie investieren . Deshalb möchte ich mich bei ihnen allen ganz herzlich bedanken . ({4}) Das gilt in gleicher Weise für die unzähligen ehrenamtlichen und freiwilligen Helferinnen und Helfer . Ich weiß nicht, ob es schon jemals ein derartig großes, schnell aufgebautes und gut organisiertes Netz an privaten Helfern in Deutschland gegeben hat . Auch ihnen sage ich ein genauso herzliches Dankeschön . ({5}) Sie haben einen klaren Anspruch darauf, zu wissen, nach welcher Agenda, nach welchem Plan die Bundesregierung an der Bekämpfung der Fluchtursachen, an den europäischen und den nationalen Maßnahmen arbeitet . Beginnen müssen wir bei der Bekämpfung der Fluchtursachen . Es herrscht in vielen Regionen Krieg und Terror . Staaten zerfallen . Viele Jahre haben wir es gelesen . Wir haben es gehört . Wir haben es im Fernsehen gesehen . Aber wir haben damals noch nicht ausreichend verstanden, dass das, was in Aleppo und Mossul passiert, für Essen oder Stuttgart relevant sein kann . Damit müssen wir umgehen, und das wird Veränderungen in unserer Politik mit sich bringen, zugunsten der Außenpolitik und zugunsten der Entwicklungspolitik, weil wir uns immer fragen müssen: Was bedeutet welche Maßnahme für uns hier zu Hause? ({6}) Ich glaube, es ist klar, dass wir dazu einen langen Atem und Geduld brauchen . Wir brauchen vor allen Dingen auch Partner . Ich will mit dem Syrien-Konflikt beginnen. Es ist vollkommen klar, dass die eigentliche, wirkliche Lösung nur in einer politischen Lösung liegen kann . Natürlich hat sich gestern durch den Abschuss eines russischen Flugzeuges durch die Türkei die Lage noch einmal verschärft, und wir müssen jetzt alles dafür tun, eine Eskalation zu vermeiden . Natürlich hat jedes Land das Recht, sein Territorium zu sichern . Aber auf der anderen Seite wissen wir, wie angespannt die Situation im Augenblick ist, in Syrien und seiner Umgebung . Ich habe gestern mit dem türkischen Ministerpräsidenten gesprochen und darum gebeten, alles zu tun, um die Situation zu deeskalieren . ({7}) Ich möchte unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier danken . Ich glaube, es war bei der Einbringung des Haushalts, als Ihre Reisen in den Iran und nach Saudi-Arabien bevorstanden . Ich glaube, wir haben alle gar nicht zu hoffen gewagt, dass es so schnell geht, dass jetzt Akteure an einem Tisch sitzen, die wichtig und abdingbar sind für die Lösung des Syrien-Konflikts: Russland, die USA, die Europäer, die arabischen Staaten, der Iran und die Türkei . Es gibt durchaus hoffnungsvolle Entwicklungen, die jetzt hoffentlich nicht zu weit zurückgeworfen werden durch das, was gestern passiert ist . Es gibt Ideen für einen politischen Übergangsprozess . Ich weiß, wie schwierig es ist, vor allen Dingen die Akteure in Syrien an einen Tisch zu bekommen . Aber es gibt keinen anderen Weg, der uns einer dauerhaften Lösung näherbringt . Deshalb wünsche ich weiterhin allen Teilnehmern dieser Verhandlungen allen Erfolg; wir werden sie mit aller Kraft unterstützen . ({8}) Nur so wird es möglich sein, sich auch darauf zu konzentrieren, was nach meiner Auffassung im Augenblick nicht anders als militärisch zu lösen ist . Das ist der Kampf gegen den IS . Es muss ein gemeinsamer Kampf der Weltgemeinschaft sein, um deutlich zu machen: Wir erteilen dem Terrorismus und der Brutalität solcher Organisationen eine klare Absage . ({9}) Mit der Bekämpfung der Fluchtursachen hat sich auch der EU-Afrika-Gipfel, der Sondergipfel, am 12 . November in Valletta befasst . Wir haben einen Aktionsplan mit den afrikanischen Staaten verabschiedet, bei dem es auf der einen Seite um bessere wirtschaftliche Perspektiven afrikanischer Länder und auch um bessere Möglichkeiten legaler Migration geht . Wir zum Beispiel werden im Bereich der Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen, Stipendienplätzen und anderen mehr tun . Auf der anderen Seite hat es aber auch deutliche Diskussionen darüber gegeben, dass die Zivilgesellschaften in Afrika durch ihre politischen Führungen mehr TransBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel parenz und mehr Klarheit bekommen müssen . In Zeiten des Smartphones kann man nicht mehr so regieren, wie das früher geschehen ist . Das gilt auch für Afrika, meine Damen und Herren . ({10}) Denn eines ist klar: Je mehr in Herkunftsländern dafür Sorge getragen werden kann, dass Menschen sich nicht auf den gefährlichen Weg aus ihrer Heimat machen, umso besser wird es gelingen, Fluchtursachen zu bekämpfen, sodass Flüchtlinge gar nicht mehr den Weg antreten . Wir haben zusätzlich zu unserer Entwicklungshilfe, die wir leisten - das sind etwa 20 Milliarden Euro seitens der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union -, einen Treuhandfonds von 1,8 Milliarden Euro aufgelegt, um genau diese Aufgaben zu erfüllen . Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird seinen gesamten Etataufwuchs von über 850 Millionen Euro auf die akute Fluchtursachenbekämpfung konzentrieren . Die gesamte Entwicklungszusammenarbeit mit einem Etat von 7,4 Milliarden Euro im Haushaltsentwurf 2016 arbeitet genau am Erhalt von Lebensgrundlagen und an der Schaffung von Zukunftsperspektiven . Die Bekämpfung von Fluchtursachen war auch Thema auf dem G-20-Gipfel in Antalya . Hier ist vor allen Dingen noch einmal über das humanitäre Engagement gesprochen worden . Noch haben wir es nicht geschafft, dass der UNHCR und das Welternährungsprogramm im Jahr 2016 auf einen Haushalt blicken können, der ausreicht, um die notwendigen Aufgaben zu erfüllen . Wir alle haben wieder die Warnrufe des UNHCR in diesen Tagen erlebt . Ich will deutlich machen: Die Bundesregierung hat ihre Pflicht getan. Wir haben unsere Ansätze gesteigert . Wir werden weiterhin bereit sein, das Notwendige zu tun . Europa hat sich bewegt . Aber wir werden nicht nachlassen, hier die ganze Welt in die Verantwortung zu nehmen . Es ist wirklich nicht nur eine europäische Angelegenheit, sondern die ganze Welt ist hier verantwortlich . ({11}) Deshalb werde ich am 4 . Februar 2016 gemeinsam mit David Cameron, der norwegischen Premierministerin Erna Solberg und dem Emir von Kuwait eine Konferenz in London durchführen, wo es genau um die humanitäre Unterstützung geht, damit wir am Ende des Jahres 2016 nicht wieder so dastehen wie am Ende des Jahres 2015 . Wenn wir über internationale Anstrengungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sprechen, ist die Türkei ein Schlüsselpartner für die Europäische Union . Die Türkei ist unser Nachbar . Sie liegt an der anderen Seite unserer Außengrenze . Schauen wir uns einmal die Nachbarn der Türkei an . Das sind der Iran, der Irak und Syrien . Das sind Länder, die wir entweder dringend benötigen für die Lösung des Konflikts in Syrien oder in denen der IS bereits Teile des Landes beherrscht . Aus diesem Grund hat die Türkei mit mehr als 2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien und Irak eine große Aufgabe zu bewältigen . Ich will an dieser Stelle allerdings Jordanien und den Libanon nicht vergessen . Was diese Länder leisten, ist bemerkenswert und sollte uns ab und zu nachdenklich stimmen . ({12}) Ich glaube aber, gerade am Beispiel der Türkei wird klar, dass es in unserem ureigenen Interesse liegt, dass die Türkei die Bewältigung der Aufgabe, die Flüchtlinge zu beherbergen, meistern kann . Wenn wir wieder zu geordneten und rechtlichen Verhältnissen an den Außengrenzen der Europäischen Union kommen wollen, dann bedarf es einer Kooperation mit der Türkei . Donald Tusk hat zu einem EU-Türkei-Gipfel am Sonntag eingeladen . Wir arbeiten an einer gemeinsamen Agenda, die aufbaut auf dem Gedanken guter nachbarschaftlicher Beziehungen . Da spielt natürlich die Öffnung von Kapiteln im Zusammenhang mit dem Beitrittsprozess eine Rolle . Da spielt auch das Thema Visaliberalisierung eine Rolle . Für uns spielt es eine Rolle, dass wir ein Rückführungsabkommen wollen, das nicht nur zum Ziel hat, dass türkische Bürger in die Türkei zurückgenommen werden, sondern uns auch in die Lage versetzt, Bürger von Drittstaaten in die Türkei zurückzuschicken . Aber wir haben hier eine gemeinsame Verantwortung . Ich möchte daran erinnern: Gestern hat der NATO-Rat getagt angesichts des Abschusses des russischen Flugzeuges . Die Türkei und Griechenland sind NATO-Mitgliedstaaten . Aber im Verhältnis zwischen diesen beiden Partnern innerhalb der NATO herrscht im Augenblick Illegalität auf der Ägäis . Es kann uns alle nicht kaltlassen, dass die falschen Leute aus dem Elend und dem Leid der Flüchtlinge noch ein Geschäft machen . Deshalb müssen wir Illegalität durch Legalität ersetzen . Das liegt in unserem Interesse und im Interesse der Türkei . ({13}) Das heißt wirksamer Schutz in Kooperation mit der Türkei an der Außengrenze, Bekämpfung der Schleuserkriminalität und Verbesserung der Perspektiven der Flüchtlinge in der Türkei, was ihre Lebenssituation angeht . Das erfordert von uns Unterstützung auf materielle Art und Weise, auch durch Geld . Die Türkei hat bereits 7 Milliarden bis 8 Milliarden Euro ausgegeben . Sie hat 700 Millionen Euro als internationale Unterstützung bekommen . Die Türkei hat gesagt: Ihr als unsere Nachbarn müsst uns bei der Bewältigung dieser Aufgabe auch helfen . - Ich finde das ist richtig. Deshalb wird das Teil der EU-Türkei-Migrationsagenda sein . Zweitens - auch das gehört dazu - wird es darum gehen, wie wir auch durch legale Kontingente einen Beitrag dazu leisten können, dass die Türkei entlastet wird . Deshalb sind solche europaweit zu vereinbarende Kontingente ein Weg, aus Illegalität Legalität zu machen, aber auch die Prozesse besser zu ordnen und zu steuern und in Kombination mit der Bekämpfung der Fluchtursachen dann auch die Zahl der bei uns ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren . Auch das ist unser Ziel . ({14}) Diese Aufgabe, wie ich sie jetzt dargestellt habe, erfordert natürlich Kraft, sie erfordert auch ein Stück Geduld, und sie erfordert Nachdruck . Das ist aber nach meiner festen Auffassung der Weg, den wir beschreiten müssen, um die Probleme zu lösen; denn die simple Abschottung wird nicht unser Problem lösen . Dazu brauchen wir die Europäische Union als Ganzes . Die Erscheinung Europas ist im Augenblick verbesserungsmöglich, sage ich einmal . ({15}) Wir wissen, dass man in Europa oft einen langen Atem braucht, wir wissen, dass man oft dicke Bretter bohren muss, aber wir alle spüren: Wir stehen hier schon an einer entscheidenden Stelle . Wir haben die internationale Finanzkrise bewältigt, ({16}) wir haben die Euro-Krise in großen Teilen gelöst . Wir sind noch nicht ganz am Ende; die Lehren haben wir noch nicht daraus gezogen . Jetzt ist sozusagen der zweite Pfeiler der europäischen Integration in einer sehr schwierigen Situation . Es geht um die Frage, wie wir mit den innereuropäischen Freiheiten umgehen . Dafür steht der Schengen-Raum, dafür steht, dass wir vor Jahren im Vertrauen aufeinander die eigentlichen Grenzkontrollen an die Außengrenzen der Europäischen Union abgegeben haben . Ähnlich wie bei der Wirtschafts- und Währungsunion ist man auch bei diesem Schritt, der Schaffung des Schengen-Raums, im Grunde nicht ganz bis zum Ende dessen gegangen, was man hätte politisch lösen müssen . Bei der Wirtschafts- und Währungsunion hat man zwar den Stabilitäts- und Wachstumspakt gemacht, aber wir haben uns nicht ausreichend darüber verständigt, in welche Richtung sich unsere Volkswirtschaften wirklich entwickeln wollen und welche Befugnisse die Europäische Kommission hat, wenn das in die falsche Richtung läuft . Bei der Schaffung des Schengen-Raums und der Verlagerung der Kontrollen auf die Außengrenzen hat man den letzten Schritt, nämlich sich darüber Gedanken zu machen, wie denn bei einem Bewährungsdruck, einem großen Druck auf die Außengrenzen, die Solidarität innerhalb der Europäischen Union aussieht, wie denn die Mandate aussehen, wie denn die Verteilung aussieht, nicht getan . Darüber hat man sich nicht geeinigt . Genauso wie wir für die nachhaltige Erhaltung des Euros die letzten Schritte gehen müssen, müssen wir jetzt auch hier die nächsten Schritte gehen, weil sich erwiesen hat, dass das derzeitige System allein nicht ausreicht . Deshalb ist eine solidarische Verteilung von Flüchtlingen je nach Wirtschaftskraft und Gegebenheiten, wobei die Bereitschaft zu einem permanenten Verteilungsmechanismus gegeben sein muss, nicht irgendeine Petitesse, sondern sie berührt die Frage, ob der Schengen-Raum auf Dauer aufrechterhalten werden kann . ({17}) Nun frage ich aber auch: Was ist unsere, die deutsche Rolle? Ist die deutsche Rolle die, als Erster zu sagen: „Das geht nicht“? Oder ist die deutsche Rolle, als größte Volkswirtschaft in der Mitte Europas zu sagen: „Wir probieren es immer wieder und wieder“? Wir erleben die Flüchtlingsbewegung in dieser Dramatik noch nicht einmal ein halbes Jahr . Wenn wir eines Tages gefragt werden: „Habt ihr einen EU-Türkei-Gipfel versucht, habt ihr versucht, eure Außengrenzen zu schützen, habt ihr versucht, in Libyen eine Interimsregierung aufzubauen, habt ihr versucht, Hotspots aufzubauen“, und wir antworten: „Ein halbes Jahr hatten wir nicht die Kraft, ein halbes Jahr lang war uns zu lang, wir haben das nicht gemacht“, dann würde ich sagen, dass wir einen Riesenfehler gemacht haben . Das ist das, was nicht geht . ({18}) Immerhin haben wir kleine Erfolge, auf denen wir aufbauen können . 160 000 Flüchtlinge, schutzbedürftige Flüchtlinge, sollen aus den Hotspots verteilt werden . Der Aufbau der Hotspots gestaltet sich schwierig, aber es wäre nicht richtig, zu sagen, es geschehe gar nichts . Wir werden von deutscher Seite, von österreichischer Seite, von schwedischer Seite hier auch noch einmal Druck machen . Wir sind im ständigen Gespräch mit der griechischen Regierung . Dafür will ich werben . Ich glaube, wir brauchen die Hotspots; ich bin überzeugt, wir brauchen sie . Sie sind inbegriffen in den Schutz der Außengrenzen . Aber wer sagt: „Ihr baut jetzt für 50 000 oder vielleicht noch mehr Menschen Unterkünfte; ihr müsst nicht nur registrieren, sondern ihr müsst von dort aus auch die Rückführung vornehmen, wenn die Bleibewahrscheinlichkeit klein ist, und ihr müsst die Verteilung durchführen“ - obwohl Griechenland nicht genau weiß, mit welcher Begeisterung die anderen europäischen Mitgliedstaaten Griechenland die Flüchtlinge abnehmen -, muss bedenken: Nur wenn die innereuropäische Solidarität wirklich sicher ist, wird man mit Engagement und Leidenschaft solche Hotspots in seinem eigenen Land aufbauen . So hängen die Dinge eben sehr eng zusammen, und trotzdem gibt es aus meiner Sicht dazu keine vernünftige Alternative . Deshalb werden wir mit Hochdruck daran arbeiten . Natürlich haben wir nationale Aufgaben . Auch da muss man im Übrigen feststellen, dass wir vieles in ziemlich kurzer Zeit zustande gebracht haben . Was leitet uns dabei? Dabei leitet uns der Grundsatz, dass die, die bei uns Schutz bekommen müssen - nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die allerwenigsten ja nach dem Asylrecht, oder nach dem subsidiären Schutz -, von uns eine Bleibeperspektive bekommen, und zwar je schnelBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ler, umso besser, um dann auch die notwendigen Integrationsschritte einleiten zu können . ({19}) Aber die Bürgerinnen und Bürger sagen mit Recht auch: Wenn wir ein Rechtsstaat sind, wenn wir ein großzügiges Asylrecht haben, wenn wir die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten wollen, wenn wir subsidiären Schutz geben, wenn wir auch noch viele Duldungen ermöglichen, dann erwarten wir aber auch, dass diejenigen, die in einem ebenso rechtsstaatlichen Verfahren als Bewerber auf einen Schutzstatus abgelehnt wurden, das Land wieder verlassen müssen, damit die, die Schutz brauchen, diesen Schutz von uns bekommen . ({20}) Darum drehen sich viele unserer Maßnahmen . Denn die Menschen werden sagen: Okay, wenn schon bestimmte rechtliche Vorschriften an der Außengrenze nicht eingehalten werden können, dann erwarten wir doch wenigstens, dass in Deutschland das, was zur Ordnung und Steuerung getan werden kann, getan wird . Deshalb war der Schritt richtig, dafür zu sorgen, dass Herr Weise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit leitet . Das ist nicht nur deshalb richtig, weil die Bearbeitungsprozesse jetzt beschleunigt werden können, da die Bundesagentur für Arbeit aus der Zeit von 5 Millionen Arbeitslosen über große Fähigkeiten und auch Erfahrungen verfügt, wie man mit einer großen Zahl von Menschen solche Prozesse vernünftig organisiert, sondern auch, weil wir damit sicherstellen, dass der Weg für die, die einen Schutzstatus haben, in die Integration in den Arbeitsmarkt sehr gut funktionieren kann, weil wir hier keine Doppelarbeit mehr machen . Ich bin sowohl Thomas de Maizière als auch Andrea Nahles sehr dankbar, dass sie ohne die üblichen Fragen „Was ist meins, was ist deins, und was könnte mir verloren gehen?“ diesem Schritt zugestimmt haben . Das war ein Beispiel für tolle, schnelle und wirklich effiziente Politik. ({21}) Alle unsere Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben und die wir noch umsetzen werden, haben im Grunde das Ziel, eine schnellere Abarbeitung der Asylanträge zu ermöglichen . Sie haben das Ziel, Kommunen, Bund und Ländern eine Verantwortungsgemeinschaft zu geben, so wie wir es jetzt mit der Übernahme von Kosten bei der Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes gemacht haben . Damit ist der Bund in einer völlig neuen Verantwortung, wie er sie im Zusammenhang mit Asylbewerbern nie hatte . Wir haben materielle Anreize verringert, die dazu beitragen könnten, dass Flüchtlinge hierbleiben und versuchen, immer wieder Gründe dafür zu finden, dass sie nicht ausreisen müssen . Wir haben deutliche Erfolge bei der Rückführung der Flüchtlinge des westlichen Balkans . Wir haben jetzt die ersten Rückführungen auf der Grundlage des Laissez-Passer-Verfahrens vorgenommen . Das heißt, auch wenn Pässe nicht da sind, kann eine Rückführung erfolgen . Die Balkanstaaten haben ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklärt . Wir haben als Bund die Verantwortung übernommen und haben gesagt: Bei den Rückführungen der abgelehnten Asylbewerber wird der Bund die Passangelegenheiten regeln, weil es für die Länder zum Teil natürlich schwer ist, jeweils Pässe von Ländern wie Burkina Faso oder Bangladesch zu besorgen . All das sind notwendige Maßnahmen, genauso wie die Beschleunigung der Asylverfahren notwendig sind . Ich denke, nachdem Bundestag und Bundesrat das Asylpaket I in einem ziemlich guten Tempo beschlossen haben, werden wir uns in den nächsten Tagen auch auf das Asylpaket II, dem wir noch einige Maßnahmen hinzufügen werden, einigen können; denn auch hiermit werden wichtige Dinge geregelt . Wir müssen schon über diese Fragen sprechen . Es ist ein Unterschied, ob man 30 000 Asylbewerber hat oder 800 000 . Es muss geklärt werden: Wer braucht den Schutz, und wer muss unser Land wieder verlassen? Meine Damen und Herren, deshalb ist noch etwas ganz wichtig: Es wäre ein geradezu tolles Beispiel föderaler Zusammenarbeit, wenn es gelingen würde, einen einheitlichen Flüchtlingsausweis zu haben, den der Flüchtling immer wieder vorzeigen kann - beim Antrag in der Kommune, bei Landesangelegenheiten und bei Fragen des BAMF, bei den Gerichten und bei der Bundesagentur für Arbeit -, sodass nicht doppelt, dreifach, vierfach und fünffach Registrierungen erfolgen . ({22}) Das wäre vernünftig . Dass wir erst eine Flüchtlingskrise brauchen, um so etwas zu schaffen, gehört auch zu den Besonderheiten Deutschlands . Da sieht man: In Krisen können auch Chancen liegen . Das, glaube ich, wird uns auch später noch bewusst werden . Natürlich ist da noch das Thema der Integration . Wenn in Syrien einmal Frieden wäre, dann würden viele derer, die heute einen Aufenthaltsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben, auch wieder zurück in ihre Heimat gehen . ({23}) Ich plädiere auch dafür, dass wir ihnen nicht einreden, dass sie das nicht tun sollten; ({24}) denn die Idee, dass man auf der Welt nur in Deutschland gut leben kann, wird von den 7 Milliarden Weltenbürgern nicht geteilt . Das geht von ganz einfachen Fragen des Klimas bis hin zu Ausbildung, Verwandtschaft, Bekanntschaft und Freunden - niemand verlässt leichtfertig sein Land . Wenn die Bedingungen, in dieses Land zurückzukehren, wieder gegeben sind, dann haben wir und die Flüchtlinge einen Riesenerfolg gemeinsam erreicht . Deshalb gilt der Aufenthaltsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention auch erst einmal nur für drei Jahre . Aber wir wissen nicht, wie die Zukunft ist, und deshalb plädiere ich dringend dafür, schnell mit der Integration zu beginnen; denn alles, was man hier lernt, kann man in jedem Leben nutzen - sowohl bei uns als auch in Syrien . ({25}) Ich sage ganz ausdrücklich: Wir machen Angebote zur Integration . Gemessen an dem, was sonst auf der Welt bezüglich der Integration von Flüchtlingen passiert, können wir, würde ich mal sagen, stolz auf das sein, was wir anbieten: Integrationskurse, Sprachkurse, Einarbeitung in die Arbeitswelt, Praktika und vieles andere mehr . Ich bedanke mich auch bei der deutschen Wirtschaft, dass sie ihre Bereitschaft, sich diesem Thema zu öffnen, von Anfang an ganz offen gezeigt hat . Aber wir müssen auch sagen: Wir erwarten von den Menschen, die zu uns kommen, die bei uns Schutz bekommen, dass sie - das steht im Übrigen schon in der Genfer Flüchtlingskonvention - unsere Werteordnung, unsere gesetzliche Ordnung akzeptieren und dass sie auch ihren aktiven Beitrag dazu leisten, sich im Land zu integrieren . Die Sprache hat dabei einen zentralen Wert . Diese Erwartung müssen und dürfen wir auch klar aussprechen . ({26}) Dass wir die Flüchtlingsaufgabe stemmen können, hängt auch damit zusammen, dass wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben . Dass es trotz einer solchen Aufgabe, trotz völlig neuer Aufgaben des Bundes möglich ist, jetzt hier im November einen Haushalt für 2016 zu beschließen, der weiterhin ein ausgeglichener Haushalt ist, das spricht für unsere wirtschaftliche Stärke, und das spricht dafür, dass man gut wirtschaften soll, um nicht voraussehbare oder nicht vorhergesehene Aufgaben meistern zu können . Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat gestern gesagt: Wir werden im nächsten Jahr natürlich ein Stück auf Sicht fahren . - Aber das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts, im Übrigen keine Eintagsfliege, sondern jetzt zum dritten Mal hintereinander geschafft, ist etwas, was wir nicht aufgeben sollten . Das sage ich ganz klar . ({27}) Wenn es sachliche Gründe gibt, darf man sich nie einmauern, aber man darf jetzt auch nicht so tun, als ob die Flüchtlingsaufgabe ein guter Grund ist, von allen Grundsätzen von früher abzuweichen . Das wird sicherlich noch manche Diskussion erfordern . Wir haben eine Rekordbeschäftigung von 43,4 Millionen . Wir haben einen Rekord bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Wir haben ihn - das sage ich auch mit Blick auf meine eigenen Befürchtungen; daraus mache ich gar keinen Hehl - trotz des Mindestlohns, und das ist eine gute Bilanz . Dass wir die geringste Zahl von jugendlichen Arbeitslosen haben, ist auch gut . Trotzdem dürfen wir auch angesichts der Tatsache der Flüchtlinge die 2,79 Millionen Arbeitslosen in Deutschland nicht vergessen, und das kann uns nicht ruhen lassen . Gerade den vielen, die unter 30 oder auch unter 35 sind, können wir nicht sagen: Passt mal auf, die einzige Möglichkeit, die wir für euch noch im Blick haben, sind viele Jahre Hartz IV . - Deshalb unterstütze ich alle Bemühungen, auch das nicht aus dem Blick zu nehmen und immer wieder zu schauen, wie wir Menschen helfen können, in den Arbeitsprozess zu kommen, die schon lange bei uns leben . ({28}) Wir müssen jetzt natürlich auch aufpassen - das haben wir oft besprochen -, dass wir nicht Konkurrenzen zwischen denen bekommen, die den Weg in den Arbeitsmarkt bei uns über Jahre nicht gefunden haben, und denen, die Flüchtlinge sind . Das ist auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden . Deshalb müssen die Anstrengungen bei denen, die schon viele Jahre bei uns sind, im Grunde genauso verstärkt werden, wie die Anstrengungen bei der Integration der Flüchtlinge . ({29}) Angesichts der großen Aufgaben, die wir haben und die uns täglich beschäftigen, geraten Dinge, die sonst geradezu revolutionär gewesen wären, etwas in den Hintergrund . Ich will an dieser Stelle nur an all die Maßnahmen erinnern, die wir im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung unternommen haben: die beiden Gesetze, den neuen Pflegebegriff - ein jahrelanges Projekt -, die Frage der Verbesserung der Palliativmedizin - nach der neulich sehr beeindruckenden Diskussion natürlich auch im Zusammenhang mit Sterbehilfe - und natürlich auch die Maßnahmen, die wir im Bereich des Krankenhauses unternommen haben; also alles Dinge, die unsere soziale Absicherung noch einmal zukunftsfester machen und die auf die Aufgaben aufgrund des demografischen Wandels eingehen . Erinnern will ich auch an die Beschlüsse - darüber haben wir neulich gerade mit Herrn Gabriel im Kabinett gesprochen -, die wir zur Energie- und Klimawende gefasst haben . Über all diese Energiebeschlüsse hätten wir sicherlich kontrovers diskutiert . Aber sie wären sozusagen ein ganz anderes Thema gewesen, weil wir hier in der Tat die Wende zu einer neuen Energiepolitik, aber auch die Annäherung an marktwirtschaftliche Mechanismen im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien sehr stetig, sehr beständig vollziehen . Wir werden ja im nächsten Jahr noch einmal einen schönen Kraftakt haben, wenn es um die nächste Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und um die Ausschreibung der zukünftigen Volumina geht . Das wird sicherlich noch eine harte Aufgabe werden . Wir haben eine anspruchsvolle digitale Agenda, bei der wir vorangekommen sind . Wir haben - allen Augurenrufen zum Trotz - die Frequenzen versteigert . Das war gar nicht so einfach, und es war nicht absehbar, ob das so schnell gelingt . Wir haben damit Fördermittel für den Ausbau der Breitbandanbindung . Wenn man vor ein, anderthalb Jahren noch gefragt hat: „Wird Alexander Dobrindt es schaffen, dass wir unser Ziel, 50 MBit pro Sekunde bis 2018, wirklich erreichen?“, so redet man heute darüber, dass wir mehr brauchen . ({30}) Okay . Aber keiner fragt mehr, ob wir das schaffen, und das ist doch auch einmal eine gute Botschaft . ({31}) Wir haben unser Wort gehalten bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung . Wir liegen mit 14,5 Milliarden Euro in 2015 in der Spitzengruppe der Europäischen Union . Jeder spürt ja, dass die Entwicklung eines verlässlichen Deutschlands in der gesamten Forschungslandschaft viele Forscher aus dem Ausland wieder zu uns gebracht hat, sowohl im außeruniversitären Bereich als auch im universitären Bereich . An der Stelle will ich dann doch noch sagen - Eckhardt Rehberg hat es bei der gestrigen Debatte über den Finanzhaushalt sehr ausführlich gemacht -: Unser Beitrag dort, wo es notwendig ist und wo unsere Bundesziele betroffen sind, dass zum Beispiel universitäre Forschung nicht absackt gegenüber außeruniversitärer Forschung, indem wir dann das BAföG übernommen haben, unsere Beiträge zur Unterstützung von Kommunen und Ländern sind so groß wie bei keiner Bundesregierung zuvor . Da ich weiß, dass es ja immer weitere Forderungen geben wird, will ich sagen: Wir können erst einmal stolz sein auf das, was wir machen, und sollten uns da wirklich den Schneid nicht abkaufen lassen . Es ist unglaublich, was da ging . ({32}) Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder eine Rückkehr zu einem globalen Thema . Am Montag beginnt in Paris die Klimakonferenz . Die Frage, wie wir mit dem Klimawandel umgehen, wie wir ihn bewältigen, inwieweit wir eine Hoffnung haben auf die Einhaltung des Ziels, dass die Erderwärmung nicht größer als 2 Grad ist, wird für zukünftige Generationen viel zum Umgang mit der Frage von Flucht und Fluchtursachen beitragen . Wir haben eine Konferenz in Paris, die gut vorbereitet ist, besser als die in Kopenhagen . Ich möchte Frau Hendricks und ihrem Team danken . Wenn ich mit dem französischen Präsidenten spreche, wird immer wieder auch gesagt, wie gut wir hier deutsch-französische Zusammenarbeit ganz praktisch zeigen . Ich möchte auch dem Entwicklungsminister für seine Beiträge im Zusammenhang mit dem Klimaschutz danken . So wird jetzt auf dieser Pariser Konferenz 14 Tage lang sehr intensiv darüber gesprochen, ob es einen Pfad gibt, den wir dort einschlagen können und der uns glaubwürdig hin zur Erreichung des 2-Grad-Zieles führt . Wir haben Abstriche machen müssen, wenn man das Kioto-Protokoll als durchgehend völkerrechtlich verbindlichen Plan mit verbindlichen Reduktionszielen sieht . Im Gegenzug haben wir aber doch bemerkenswerte Verpflichtungen von etwa 130 Ländern - ich kenne die im Moment aktuelle Zahl nicht -, die jetzt ihren Beitrag zum Klimaschutz der Öffentlichkeit präsentieren . Der bemerkenswerteste dabei ist vielleicht der chinesische: Das erste Schwellenland macht hier deutlich, dass es bereit ist, seine CO2-Emissionen zu reduzieren . Das zielt auf das Jahr 2030; das ist noch lange hin . Aber immerhin - ich denke nur einmal an die Diskussionen vor zehn Jahren, als es noch einen unglaublichen Gegensatz zwischen Industrie- und Schwellenländern gab -, sehen wir da Fortschritte . Jetzt müssen wir es schaffen, völkerrechtlich verbindlich einen Überprüfungsmechanismus zu verabreden, damit glaubwürdig vermittelt werden kann, dass dieses Jahrhundert ein Jahrhundert der schrittweisen Dekarbonisierung ist . ({33}) Deutschland wird sich hier intensiv einbringen . Ich hoffe auf einen Erfolg dieser Klimakonferenz . Sie könnte auch ein wunderbares Signal gegen Terror, gegen Krieg und zur Bekämpfung der Fluchtursachen sein . ({34}) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, selten haben wir so hautnah erlebt, wie unser eigenes deutsches Handeln und Tun in eine globale Welt eingebettet ist . Dieses Jahr hat uns in umfänglicher Weise bewusst gemacht: Wir leben in einer gemeinsamen Welt . Wir können, wenn jeder seinen Beitrag leistet, in Zusammenarbeit die Probleme bewältigen . - Ich bin davon überzeugt, oder andersherum: Wir schaffen das . Aber es wird vieler Anstrengungen bedürfen und auch eines hohen Maßes an neuem Denken . Herzlichen Dank . ({35})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

So, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiterer Beifall geht auf Kosten der Debattenzeit . ({0}) Deswegen erteile ich jetzt dem Kollegen Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind tief erschüttert von den Pariser Terroranschlägen . Wir sind fassungslos über die Brutalität und die Grausamkeit, mit der so viele Menschen ermordet wurden . Ich schließe mich meinen Vorrednern an, und auch ich sage für meine Fraktion: Wir stehen zu den Menschen in Paris . Wir stehen auch zu den Menschen in Beirut und Bamako . Wir stehen zu den Menschen in Tunis . Und wir gedenken auch der Opfer der abgeschossenen russischen ZivilmaBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel schine . All jene, die in den letzten Tagen durch Terroristen ermordet wurden, sind unschuldige Menschen . ({0}) Wieder einmal müssen wir uns fragen: „Wie antworten wir auf den Terror?“ - eine Frage, die wir uns in den letzten Jahren zu oft stellen mussten: nach dem 11 . September, nach den Anschlägen von Madrid und London . Diese Serie ließe sich fortsetzen . Was wir in diesen Tagen in Brüssel sehen, ist bedrückend . Wenn es den Terroristen gelingt, die westlichen Metropolen dauerhaft in Angst und Schrecken zu versetzen, in Misstrauen und gegenseitigen Hass, dann haben sie eines ihrer zentralen Ziele erreicht und haben fast gewonnen . Der Ausnahmezustand von Paris und Brüssel darf daher nicht zum Normalfall werden . Wir dürfen uns von den Terroristen nicht einschüchtern lassen! Wir dürfen uns unsere Freiheit und unser Leben nicht wegnehmen lassen! ({1}) Auch wenn es sicher schwerfällt: Wir müssen besonnen, durchdacht und mit kühlem Kopf handeln, statt hysterisch und reflexhaft. Leider ein trauriges Musterbeispiel für eine dumme und falsche Reaktion hat wieder einmal die CSU geliefert . Herrn Söder fällt keine 24 Stunden nach dem Terroranschlag ein, man solle jetzt sofort die Grenzen schließen für die Menschen, die vor genau dieser Art von Terror fliehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, so etwas ist beschämend, und Sie sollten sich ganz schnell einmal überlegen, wie Sie diesem Herrn Anstand beibringen können . ({2}) Viele haben in den Tagen nach dem Anschlag in Paris von Krieg gesprochen . Es ist sicher verständlich, wenn man auf diesen Begriff kommt . Aber wir sollten uns fragen, ob die Rhetorik des Krieges angemessen und klug ist . Wer bei Terror von Krieg redet, gerät in eine Logik, die mehr vernebelt als klärt . Die Kriegslogik führt zu falschen Fronten . ISIS führt sicher Krieg, aber dieser Krieg findet in Syrien und im Irak statt. Die Hauptleidtragenden des islamistischen Terrors sind die Menschen in diesen Ländern . Zehntausende von ihnen sind ihm zum Opfer gefallen . Auch ihnen sind wir Solidarität und Hilfe schuldig . ({3}) Der Kriegslogik folgt der sogenannte War on Terror seit 14 Jahren . Klar: ISIS muss auch militärisch bekämpft werden . Aber: Was ist denn die Bilanz des sogenannten War on Terror seit 14 Jahren? Wenn ich auf die Bilanz dieser 14 Jahre Terrorbekämpfung schaue, dann ist diese Bilanz wirklich ernüchternd . Die Lage ist in den vergangenen 14 Jahren doch nicht besser geworden . Al-Qaida ist in Teilen geschwächt, aber dafür sind andere terroristische Organisationen wie IS und Boko Haram deutlich gestärkt . Tausende junger Menschen sind aus Europa nach Syrien und in den Irak gegangen, um dort als Terroristen zu kämpfen und zu morden . Es herrscht in mehr Ländern Krieg und Bürgerkrieg . Wir haben doch die Begrenztheit militärischer Mittel in Afghanistan erlebt . Wir haben ihre ungewollten und katastrophalen Konsequenzen im Irak gesehen . Wir sehen, wenn man an den Drohnenkrieg denkt, die destabilisierende Wirkung des Drohnenkrieges in Pakistan . Deshalb: Besonnenheit, kühler Kopf und kluge Analyse sind das Gebot der Stunde und nicht, die alten Fehler seit 14 Jahren zu wiederholen . ({4}) Es braucht eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung des IS . Es ist richtig, dass gegen IS militärisch gekämpft werden muss . Aber es ist auch klar, dass er am Ende nur politisch besiegt werden kann . Der Abschuss des russischen Kampfflugzeuges durch türkische Kampfflugzeuge hat diesen Bemühungen einen schweren Rückschlag zugefügt . Aber wir müssen uns bemühen und dafür sorgen und alles daransetzen, dass es bei den Gesprächen in Wien zu einer internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS kommt: zwischen den regionalen und den internationalen Kräften, zwischen Iran und der Türkei, zwischen den USA und Russland . Wir müssen auch dafür sorgen, dass es gelingt, dass ein Waffenstillstand erzielt wird zwischen den Überresten des Baath-Regimes, den Überresten der gemäßigten Rebellen und der syrischen Kurden, damit eine Chance besteht, dass dieser Kampf auch erfolgreich ist . Den Terror und ISIS zu bekämpfen, ist die eine Sache; aber sie erfolgreich zu bekämpfen, ist die andere Sache . Dafür braucht es eine politische Einigung . Dafür braucht es auch eine Lösung für das Problem Assad . Eines sollten wir auch nie vergessen: Assad ist die Quelle der Ursache . Ein Großteil der in Syrien ermordeten Menschen ist von Assad ermordet worden . Deshalb müssen wir uns überlegen: Wie kann es gelingen, Assad da herauszunehmen, eine Regierung der nationalen Einheit in Syrien zu schaffen und dann, nach der politischen Einigung, einen gemeinsamen, von der UN getragenen Kampf gegen ISIS zu organisieren, damit man nicht nur militärisch agiert, sondern auch erfolgreich? ({5}) Besonnenheit und kluge Analyse bedeuten natürlich nicht Untätigkeit . „Krieg“ ist für das, was wir in Europa haben, in meinen Augen der falscheste Begriff . Es geht darum, den Terror zu bekämpfen . Wir müssen natürlich für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger sorgen . Aber auch hier heißt das, nach klarer Analyse vorzugehen . Nach dem 11 . September wurde schon einmal im Namen des Krieges die Freiheit unverhältnismäßig eingeschränkt . Mit welchem Ergebnis? Überall in Europa entfalteten die Geheimdienste ein Eigenleben . Wir konnDr. Anton Hofreiter ten erleben, wie Geheimdienste aus Europa die US-amerikanischen Geheimdienste bei Entführungen, bei Folter unterstützt haben . Guantánamo und Abu Ghuraib sind die symbolhaften Namen für diese Fehlentwicklung . Aber es gab nicht nur schwere Menschenrechtsverletzungen, sondern es war auch noch massiv kontraproduktiv . Die Bilder von Abu Ghuraib haben mehr Terroristen produziert als viele andere Maßnahmen . Deshalb dürfen wir diese Fehler nicht wiederholen, erstens wegen der Menschenrechte und zweitens wegen der kontraproduktiven Wirkung . ({6}) Beim Kampf gegen den Terror brauchen wir echte Politik, brauchen wir Maßnahmen, die wirken, und nicht reine Symbolpolitik . Wir brauchen deshalb eine gut ausgestattete Polizei, die ausreichend Personal und Mittel hat. Wir brauchen nicht wieder den reflexhaften Ruf nach einem Einsatz der Bundeswehr im Innern . ({7}) Die Bundeswehr kann vieles gut, aber sie ist nicht dafür ausgebildet, Terror im Innern zu bekämpfen . ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen natürlich eine Überwachung der Terrorverdächtigen . Wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit der Polizei über die Grenzen hinweg . Aber die totale Überwachung durch die Geheimdienste kann doch nicht die Antwort sein . Ich kann nicht erkennen, dass das irgendein Beitrag zur Terrorbekämpfung ist, wenn der BND den französischen Außenminister oder die europäischen Botschaften überwacht . ({9}) Wenn wir unserem Inlandsgeheimdienst gestatten, alle hier im Saal, alle Bürger zu überwachen, dann bekommen wir sicherlich einen gigantischen Datenwust, mit dem am Ende nicht mehr viel anzufangen ist; aber es ist ganz sicher kein Beitrag zur Bekämpfung des Terrors . Man muss fokussieren und die Polizei so ausstatten, dass sie in der Lage ist, die Terrorverdächtigen zu überwachen - nicht uns alle hier im Saal oder alle Bürger in diesem Land . ({10}) Was wir im Kampf gegen den Terror allerdings vor allem brauchen, ist die Prävention . Wie kann es sein, dass junge Menschen, die hier bei uns aufgewachsen sind, sich solchen menschenverachtenden Ideologien anschließen und in den Dschihad ziehen? Darauf gibt es sicherlich keine einfache und keine schnelle Antwort . Integrationsarbeit, Bildungsarbeit, Jugendarbeit, Sozialarbeit bilden den wichtigsten Teil der Prävention von Terror . Wir müssen unseren jungen Menschen Chancen bieten . Natürlich müssen wir auch den radikalen Hasspredigern das Handwerk legen . Da haben wir auch in Deutschland einen massiven Nachholbedarf . Selbst der BKA-Präsident sagt uns: Die wichtigste Maßnahme im Kampf gegen den Terror ist, dafür zu sorgen, dass sich junge Menschen deradikalisieren bzw . erst gar nicht radikalisieren; denn wenn die Zahl der Gefährder so hoch bleibt, dann können wir gar nicht genug Polizisten einstellen, um sie alle zu überwachen . Deshalb ist gute Sozialpolitik harte, echte und wichtige Sicherheitspolitik . ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen keine Scheinpolitik und keine Symbolpolitik, sondern Politik mit Weitsicht . Eine Politik, die vorsagt, die über den Tag hinaus denkt - das wäre heute notwendig . Aber wenn ich mir anschaue, was Sie machen, wie Sie mit der fundamentalen Klimakrise, den großen Flucht- und Migrationsbewegungen, der großen Investitionslücke, die wir schließen müssen, damit unsere Gesellschaft eine Zukunft hat, und mit der Zunahme rechtspopulistischer Umtriebe umgehen, dann stelle ich mir die Frage: Was macht eigentlich diese Regierung? Wir wissen doch: Wenn eine Regierung handlungsunfähig und zerstritten wirkt, dann erhalten rechtsextreme und rechtspopulistische Organisationen Zulauf . ({12}) Ich nehme an, Sie wissen das auch, Herr Kauder ({13}) und Herr Oppermann, Herr de Maizière und Herr Altmaier, Herr Gabriel und Frau Merkel . Aber was für ein Schauspiel bietet uns die Große Koalition? ({14}) Da ignoriert der Innenminister de Maizière, was die Bundeskanzlerin und der Kanzleramtsminister Altmaier vorgeben, und arbeitet auf eigene Rechnung . Da redet der CSU-Vorsitzende von Notwehr gegenüber der eigenen Bundesregierung . Da vergleicht ein Finanzminister schutzsuchende Menschen mit Naturkatastrophen und denunziert die Kanzlerin als die Auslöserin des Ganzen . Da taumelt ein Vizekanzler auf der Suche nach Schlagzeilen zwischen Pegida-Besuch und „Pack“-Beschimpfung, zwischen Menschenrechten und Abschottung, bis den SPD-Beobachtern nur noch das Grausen kommt . Da stellt sich ein Ministerpräsident von der CSU hin und maßregelt die Bundeskanzlerin auf offener Bühne, als wenn sie ein Schulmädchen wäre, und dann hat er noch nicht einmal die Größe, sich bei ihr zu entschuldigen . ({15}) Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun könnte man sich als Opposition darüber freuen, dass man es mit so einer zerstrittenen, so einer armseligen und so einer handlungsunfähigen Regierung zu tun hat . Aber dafür sind die Probleme wirklich zu ernst . ({16}) Die Probleme sind wirklich zu groß, als dass wir uns eine zerstrittene Regierung leisten können . Deshalb: Reißen Sie sich endlich zusammen! Machen Sie Schluss mit diesem Theater! ({17}) Unser Land hat wirklich große Aufgaben vor sich . Wir müssen die vielen Schutzsuchenden bei uns integrieren, und wir müssen unverzüglich damit anfangen . Ja, Frau Merkel, wir schaffen das . Aber es muss auch geklärt werden, wie wir das schaffen, und dazu braucht es nicht nur Anregungen der Opposition, sondern dazu braucht es auch Beschlüsse der Bundesregierung . Deshalb kann ich nur sagen: Stimmen Sie unseren Anträgen zum Haushalt zu . Wie wäre es denn mit 600 Millionen Euro mehr für Integrationskurse, wie wir sie beantragen und gegenfinanzieren? ({18}) Wie wäre es denn mit 350 Millionen Euro mehr für die Jobcenter, wie wir sie beantragen und gegenfinanzieren? ({19}) Oder wie wäre es mit einem 2-Milliarden-Paket für den sozialen Wohnungsbau - der sowieso dringend notwendig ist -, wie wir es beantragen und gegenfinanzieren? ({20}) Sie haben doch selbst gesagt: Die Randbedingungen sind gut, die Zinsen sind so niedrig wie nie, und unsere Steuereinnahmen sind entsprechend gut . - Ja, darüber kann man sich freuen, aber man muss auch etwas daraus machen . Man darf keinen Haushalt vorlegen, der keinen Mut hat, kein Herz und keinen Plan . Machen Sie endlich was, und reden Sie nicht bloß! ({21}) Frau Merkel, ich gebe gerne zu: Ich freue mich wirklich - und wir werden oft dafür getadelt, dass wir Frau Merkel zu sehr loben -, dass Sie dem Sperrfeuer aus Ihren eigenen Reihen bisher standgehalten haben . ({22}) Aber wenn Sie es zulassen, dass die jüngsten Planungen für ein neues Asylgesetz umgesetzt werden - geplant sind Schnellverfahren, die quasi jeden Flüchtling treffen können, eine Aussetzung des Familiennachzugs, Abschiebung auch schwerkranker Flüchtlinge -, dann, Frau Merkel, zeigt Deutschland leider kein freundliches Gesicht mehr, sondern dann zeigt es eine hässliche Fratze . Überlegen Sie sich das also noch einmal gut, und verhindern Sie das . ({23}) Überlegen wir uns doch einmal, was das Aussetzen des Familiennachzugs perspektivisch bedeutet: ({24}) Das Aussetzen des Familiennachzugs bedeutet perspektivisch, dass sich Frauen und Kinder auf den gefährlichen Weg machen, vielleicht über das Mittelmeer, und ein Teil von ihnen unter Umständen ertrinkt . Wollen wir das verantworten? Ich will das nicht verantworten . Ich glaube, das kann man auch nicht verantworten . ({25}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie behaupten doch immer, dass Ihnen die Familie wichtig ist . Das kann doch nicht nur für deutsche Familien gelten . Artikel 6 Grundgesetz gilt für alle Familien . Geben Sie sich einen Ruck, seien Sie anständig, und sorgen Sie dafür, dass Frauen und Kinder nicht auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer gezwungen werden . Das kann nicht deutsche Politik sein . Das darf nicht deutsche Politik sein . ({26}) Während die Regierung gelähmt zu sein scheint, der Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator auf der einen Seite und der Innenminister auf der anderen Seite gegeneinander arbeiten, schuften draußen im Lande Unmengen Menschen . Ich muss sagen: Ich bin den Ehrenamtlichen wirklich sehr dankbar für all das, was sie leisten, ({27}) und ich bin auch den Hauptamtlichen sehr dankbar für all das, was sie leisten; denn sie beweisen jeden Tag all denen, die das Kippen der Stimmung herbeireden wollen, die herbeireden wollen, dass wir das nicht schaffen: Doch, wir schaffen das; wir können das, und wir packen das . ({28}) Es ist häufig von der Bekämpfung von Fluchtursachen die Rede. Es fliehen Menschen aus vielen Ländern. Wir haben Probleme mit dem islamistischen Terror in vielen Ländern und Bürgerkriege in vielen Ländern . Schauen wir uns Mali an, wo die Bundeswehr bereits im Einsatz ist . Man muss klar sagen: Die Bundeswehr gibt sich sehr viel Mühe . Wir unterstützen diese Einsätze . Ich danke den Soldaten dafür, dass sie diese schwierige und zum Teil auch sehr gefährliche Aufgabe wahrnehmen . Es gibt auch eine ganze Reihe ziviler und ehrenamtlicher Helfer, die diesem Land auf die Beine helfen wollen . Ich war vor kurzem in Mali und habe mir das angeschaut . In Mali läuft vieles richtig . Was in Mali aber nicht in Gang kommt, ist die einheimische Wirtschaft . Eines der Hauptprodukte von Mali ist Baumwolle . Des Weiteren werden dort andere landwirtschaftliche Produkte produziert . Jetzt ist es so, dass die Baumwolle und die landwirtschaftlichen Produkte Malis nicht konkurrenzfähig sind . Warum sind sie nicht konkurrenzfähig? Dafür, dass die Baumwolle Malis nicht konkurrenzfähig ist, sind nicht wir verantwortlich . Dafür ist nicht Europa verantwortlich, sondern dafür sind die USA verantwortlich . Die USA haben in den vergangenen 20 Jahren 30 Milliarden US-Dollar an ihre Baumwollfarmer bezahlt . Dass die anderen landwirtschaftlichen Produkte Malis nicht konkurrenzfähig sind, das liegt an uns, an Europa . Wir zahlen 50 Milliarden Euro Subventionen, und mit unseren subventionierten Lebensmitteln, wovon ein erheblicher Anteil exportiert wird, machen wir die Wirtschaft in Ländern wie Mali kaputt . ({29}) Wenn wir in vielleicht 10 oder 15 Jahren hier stehen und darüber sprechen, warum der Einsatz in Mali schiefgegangen ist - das kann hoffentlich verhindert werden -, warum es nicht gelungen ist, dieses Land zu stabilisieren und zu wirtschaftlichem Wohlstand zu führen, obwohl wir doch einen Bundeswehreinsatz hatten, obwohl wir diesen Bundeswehreinsatz ausgeweitet haben, obwohl wir viel Entwicklungshilfe gezahlt haben, obwohl wir uns doch alle Mühe gegeben haben, dann könnte man bei folgender Ursache landen: Weil man sich nicht an die Subventionen für die industrielle Landwirtschaft bei uns und in den USA herangetraut hat . - Das ist schlichtweg ein Problem . Man muss die Probleme halt an den Ursachen anpacken . ({30}) Wenn es in einem Land keine ökonomische Entwicklung gibt, dann kann das daran liegen, dass wir die ökonomische Entwicklung in diesem Land mit subventionierten Produkten kaputtmachen . Da können Sie von der CSU lachen und schreien; das macht es nicht besser . Es sollte doch in unserem Interesse sein, dass es diesem Land besser geht . ({31}) Schauen Sie sich doch einfach einmal die Tatsachen an . Dass Sie dieses Problem nicht angehen, ist aus Ihrer Sicht ja zu verstehen: Da muss man sich mit Lobbyisten anlegen, und es wird kurzfristig ökonomische Auseinandersetzungen geben . ({32}) Das mag alles lästig und schwierig sein; aber man muss doch dafür sorgen, dass die Probleme an der Wurzel angepackt werden . Wir sollten nicht nur dafür sorgen, dass es einen ordentlichen Bundeswehreinsatz in Mali gibt, sondern auch dafür, dass die einheimische Wirtschaft von Mali die Chance hat, zu funktionieren . Deswegen sollten wir aufhören, diese einheimische Wirtschaft mit subventionierten Produkten aus Europa, aus Deutschland und aus den USA kaputtzumachen . ({33}) Ein weiteres Beispiel . Schauen wir uns den Umgang mit Saudi-Arabien an . Navid Kermani hat uns darauf hingewiesen, dass das Lehrmaterial, das in Saudi-Arabien verwendet wird, und das Lehrmaterial, das bei ISIS verwendet wird - die haben sogar Schulen -, zu 95 Prozent identisch sind . In Saudi-Arabien wurden dieses Jahr schon mehr Menschen geköpft als im Territorium des sogenannten „Islamischen Staats“, den man, glaube ich, besser Da‘isch nennen sollte . ({34}) Saudi-Arabien ist das Zentrum des Wahhabismus, einer islamistischen Ideologie, die von der Ideologie der Terroristen kaum zu unterscheiden ist . Aus Saudi-Arabien wird nach allem, was man erkennen kann, ISIS finanziert . In Saudi-Arabien haben Frauen fast keine Rechte . In Saudi-Arabien ist das Ausüben anderer Religionen bei schwerster Strafe verboten . Menschenrechtler wie Badawi werden ausgepeitscht und zu barbarischen Strafen verurteilt . Saudi-Arabien exportiert diese fundamentalistische Ideologie in viele Länder . Saudi-Arabien führt im Jemen einen barbarischen Krieg mit vielen zivilen Toten . Wenn man sich das anschaut - das ist einfach nur eine nüchterne Aufzählung -, dann müsste man doch denken: Das ist ein Land, auf das die Bundesregierung, auf das der demokratische Westen massiv Druck ausüben sollte, sein Verhalten zu ändern . - Aber was ist der Fall? Die Bundesregierung behandelt Saudi-Arabien als engsten Verbündeten, liefert dorthin Waffen und kauft dort billiges Öl . Wenn wir diese Politik nicht verändern, die nach diesem ganz alten und schlechten Muster „He may be a bastard, but he is our bastard“ funktioniert, dann werden wir nie in der Lage sein, die Probleme wirklich anzupacken . ({35}) Als allerletzten Punkt schaue ich mir an, wie Sie Klimapolitik machen . Ja, Sie sprechen davon, dass wir das 2-Grad-Ziel einhalten müssen . Ja, wir wissen, dass wir das 2-Grad-Ziel einhalten müssen, dass wir es dringend einhalten müssen, weil sonst unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstört werden . Das sagt uns die gesamte Wissenschaft . Sie sagen es ja selbst, Frau Merkel . Wenn ich mir die Politik in der Bundesrepublik Deutschland anschaue, muss ich sagen: Es passiert viel zu wenig im Kampf gegen den Klimawandel in Deutschland . Wir geben jetzt 1,6 Milliarden Euro als Subventionen für die Braunkohle . Im Bereich des Verkehrs und der Mobilität passiert überhaupt nichts; das wundert einen vielleicht nicht bei diesem Minister . Im Bereich der Wärmedämmung kommen wir nicht voran . Sie werden Ihre Ziele, die Sie sich in Ihrer ersten Koalition selbst gesetzt haben, ganz massiv verfehlen . Das alles geschieht in der Bundesrepublik Deutschland, der viertgrößten Industrienation . Es hilft doch nichts, wenn Sie auf den großen Konferenzen immer nur nett lächeln, sich feiern lassen, sich als Klimakanzlerin darstellen, und dann, wenn Sie nach Hause kommen, von Dekarbonisierung und Klimaschutz nichts mehr wissen wollen . Klimaschutz ist konkret . Klimaschutz fängt in den einzelnen Ländern an . Handeln Sie endlich! Sorgen Sie dafür, dass wir zu einer anderen Mobilität kommen, dass wir zu einer anderen Energieversorgung kommen und dass es endlich mit der Wärmedämmung vorangeht . Vielen Dank . ({36})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Oppermann das Wort . ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Terrorangriffe der letzten Tage und Wochen, gestern in Tunesien, davor in Mali, in Frankreich, auf der Sinai-Halbinsel, haben die Menschen weltweit verunsichert und ein großes Mitgefühl ausgelöst . Insbesondere die Terroranschläge in Paris vor zehn Tagen haben die französische Gesellschaft schwer getroffen . Deshalb möchte ich gleich am Anfang meiner Rede der Bundeskanzlerin, aber auch dem Vizekanzler meinen Dank aussprechen . Sie haben sofort unmissverständlich klargemacht: Wir stehen an der Seite von Frankreich . Wir haben eine tief empfundene Freundschaft und Solidarität mit Frankreich . Präsident Hollande hat uns um unseren Beistand gebeten . Es ist völlig klar, dass wir unseren Beitrag dazu leisten werden . ({0}) Ich finde, es war eine besonnene Entscheidung des französischen Präsidenten, sich nicht auf den Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages zu berufen, sondern auf die Beistandsklausel nach dem EU-Vertrag; denn das Bündnis gegen den IS muss breiter angelegt werden als die NATO . Dieser Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn auch Russland, wenn auch Regionalmächte wie Iran und Saudi-Arabien eingebunden werden, es also eine breite Allianz der internationalen Staatengemeinschaft gibt . Diese Allianz droht jetzt durch den Abschuss eines Kampfflugzeuges an der syrisch-türkischen Grenze gefährdet zu werden . Frank-Walter Steinmeier hat nach dem Terroranschlag von Paris an den Wiener Verhandlungen teilgenommen und gesagt: Nach diesem Terroranschlag ist die Welt ein bisschen näher zusammengerückt . - Die Allianz gegen den IS-Terror schien in greifbarer Nähe zu sein . Jetzt darf die Welt aber nicht wieder auseinanderrücken . Auch wenn es für uns alle schwer verständlich ist, wie es in einer solch angespannten Lage dazu kommen konnte, dass trotz wiederholter Grenzverletzungen ein Flugzeug abgeschossen wird, muss doch klar sein: Der Stellvertreterkrieg auf syrischem Boden kann doch nur beendet werden, wenn es jetzt nicht zu einer Ausweitung des Konfliktes kommt, indem sich die Stellvertreter selbst gegenseitig attackieren . ({1}) Deshalb muss alles für eine Deeskalation dieses Konfliktes getan werden . Das ist eine Chance, die auf keinen Fall vertan werden darf . ({2}) Diese Art der Terroranschläge - mit Selbstmordattentätern - gibt es schon lange . Aber das ist für uns in Europa eine neue Erfahrung . Den Terroristen der RAF ging es darum, die Repräsentanten des Staates zu treffen . Als al-Qaida das Attentat gegen das World Trade Center durchführte, ging es auch darum, ein Symbol des internationalen Finanzkapitalismus zu treffen . Als der Terroranschlag gegen Charlie Hebdo durchgeführt wurde, ging es auch darum, die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit zu treffen . Aber bei den Anschlägen vom 13 . November dieses Jahres ging es nicht mehr um Symbole oder Institutionen . Es ging darum, die Menschen direkt in ihrem Alltag zu treffen: in Cafés und Restaurants, beim Fußballspiel oder bei Konzertveranstaltungen . Das war ein direkter Angriff auf unsere Gesellschaft . Ich kann verstehen, wenn jetzt auch Menschen bei uns Angst haben und unsicher sind . Aber das darf nicht dazu führen, dass wir jetzt kopflos agieren; denn genau das wollen die Terroristen . Sie wollen Angst verbreiten . Das dürfen und werden wir nicht zulassen . ({3}) Die Bilder, die uns vom vergangenen Wochenende aus Paris erreicht haben, machen auch Mut . Die Berliner Schaubühne hatte in den letzten Tagen ein Gastspiel in Paris . Die Befürchtung, dass viele Theaterkarten zurückgegeben werden, traf nicht ein . Im Gegenteil: Die Anrufer wollen nicht stornieren, sondern mit ihrem Besuch ganz bewusst ein Zeichen des Widerstandes gegen den Terror setzen . Unser stärkstes Argument gegen den Terror ist es, keine Angst zu haben, hat Barack Obama gesagt . Das ist richtig . Wir müssen entschlossen handeln . Aber vor allem müssen wir besonnen bleiben . Deshalb möchte ich Ihnen, Herr de Maizière, ausdrücklich für das danken, was Sie letzte Woche bei der BKA-Tagung gesagt haben - ich zitiere sinngemäß -: Welches Extrem in der Sicherheitspolitik gerade überwiegt, hängt von der gefühlten Bedrohungslage ab, oft auch von dem Bedürfnis nach Stimmungsmache . Ich warne allerdings davor, von einem Extrem in das andere zu fallen . Egal aus welcher Richtung der Wind weht: Wir müssen Kurs halten, mit Maß und Mitte . - Herr de Maizière, ich kann mich Ihren Worten nur anschließen . Wir werden unsere freiheitliche Gesellschaft entschlossen, aber mit Maß und Mitte verteidigen . ({4}) „Besonnen handeln“ heißt für mich: Wir dürfen die Debatte über die innere Sicherheit nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge austragen . Natürlich kann niemand ausschließen, dass sich auch ein Terrorist oder Kriminelle unter die Flüchtlinge mischen . Es gab ja auch den Verdacht . Offenkundig hat es sich aber um eine gelegte Spur gehandelt . All das rechtfertigt in keinem Fall einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge . Wir dürfen die Opfer, die vor dem Terror zu uns fliehen, nicht zu Tätern machen. ({5}) Ein Ziel der Terroristen ist es auch, die moderaten und gemäßigten Muslime in Misskredit zu bringen . Deshalb ist es richtig, dass Navid Kermani sagt: Dagegen müssen sich auch die Muslime zur Wehr setzen . - Er hat sie aufgefordert, dagegen aufzubegehren, dass Terroristen im Namen ihrer Religion handeln, und das tun auch die meisten gemäßigten Muslime in diesem Lande . Im Übrigen müssen wir der Tatsache ins Auge schauen: Der islamistische Terror ist in vielen Bereichen ein hausgemachtes, ein europäisches Problem . Die Drahtzieher der Anschläge von Paris sind in Europa geboren und aufgewachsen . 750 Deutsche sind nach Syrien gereist, um für den IS zu kämpfen . Nicht 750 Syrer sind nach Deutschland gereist, um hier Terroranschläge auszuüben, sondern umgekehrt: 750 Deutsche sind nach Syrien gegangen . Über 420 hochgefährliche, gewaltbereite Islamisten leben in Deutschland . Manche von ihnen müssen die Sicherheitsbehörden rund um die Uhr im Auge haben . Das alles erfordert ein hohes Maß an Wachsamkeit . Dies ist ein Kraftakt für unsere Polizei . Wir können froh sein, dass sie es mit großem Einsatz, mit Geschick und auch mit ein bisschen Glück geschafft hat, uns bisher vor schweren Terroranschlägen zu bewahren . Dafür möchte ich allen Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden ganz ausdrücklich danken . ({6}) Auch deshalb ist es richtig, dass wir jetzt 3 000 neue Stellen für die Bundespolizei schaffen. Ich finde es gut und bin froh, dass die Zeit, in der die Finanzminister von Bund und Ländern bei der Polizei Stellen abbauen konnten, endgültig der Vergangenheit angehört . Zur Besonnenheit gehört für mich aber auch, dass nicht nach jedem Terroranschlag eine Grundsatzdebatte über die exakt definierte Rolle der Bundeswehr in unserem Grundgesetz geführt wird . ({7}) Wir wollen und wir brauchen keine Militarisierung der inneren Sicherheit . Soldaten werden für ganz andere Sachen ausgebildet als die Polizei . Deshalb bleibt es dabei: Die Polizei ist zuständig für die innere, die Bundeswehr ist zuständig für die äußere Sicherheit . ({8}) Was wir in diesen Zeiten neben einer guten Polizei dringend brauchen, sind funktionierende Nachrichtendienste, die sich mit ihren Partnern austauschen und Fundamentalisten und potenzielle Gewalttäter im Blick haben . Dass wir starke Nachrichtendienste wollen, kann man daran sehen, dass wir im Haushalt erhebliche Mittel für zusätzliches Personal bereitstellen . Was wir aber nicht brauchen, ist ein Bundesnachrichtendienst, der den französischen Außenminister Laurent Fabius abhört, meine Damen und Herren . Was ist das für ein grotesker Vorgang! ({9}) Einmal abgesehen davon, dass sich so etwas unter Freunden nicht gehört: Wer so etwas macht, ist ganz offenkundig nicht auf die eigentlichen Gefahren fokussiert, die unserem Gemeinwesen im Augenblick drohen . Es gibt sehr viele Mitarbeiter beim BND, die unter schwierigen Bedingungen hervorragend arbeiten und denen ich dafür danken möchte . Es ist aber auch im Interesse dieser Mitarbeiter, wenn ich sage: Es muss bei diesem Nachrichtendienst einiges anders werden . Ich kann die Kritik der Opposition verstehen, aber wir können den BND nicht komplett neu aufbauen . Wir müssen die Reformen im laufenden Betrieb vornehmen . Ich bin froh, dass wir darüber eine Einigung in der Koalition haben . Die Fachleute haben sich geeinigt . Es ist klar: In einem demokratischen Staat haben Nachrichtendienste kein Recht auf ein Eigenleben . Sie dürfen nur das tun, was demokratisch legitimiert ist . Deshalb muss der BND-Präsident wissen, ob es in seiner Behörde Eigenmächtigkeiten gibt, und er muss sie abstellen, wenn es sie gibt . Für den Präsidenten muss es eine Aufsicht geben, die sicherstellt, dass er das auch tut . ({10}) Meine Damen und Herren, die größte Gefahr für unsere innere Sicherheit sind ganz sicher nicht die Flüchtlinge, die ins Land kommen, sondern die eigentliche Gefahr droht, wenn wir es versäumen, diese Flüchtlinge gut zu integrieren . Was nicht passieren darf, ist, dass jetzt weitere Parallelgesellschaften entstehen, die zu sozialen Brennpunkten werden . Ein Molenbeek darf es in Deutschland nicht geben . Wo es das im Kleinen schon gibt, müssen wir gezielt etwas dagegen unternehmen . Gut integrierte Flüchtlinge sind am besten gegen Salafisten und Hassprediger immunisiert . ({11}) Integration ist die große innenpolitische Herausforderung für ein ganzes Jahrzehnt . Sprache, Kita, Schule, Ausbildung, Arbeit, Wohnung, aber auch Werte und Regeln, das ist das ABC der Integration . Dieses ABC muss auf jeder Stufe durchbuchstabiert werden . Wir sagen ganz klar: Da dürfen wir nicht kleckern, sondern da müssen wir klotzen . Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt . Was wir heute investieren, wird sich schon in zehn Jahren doppelt auszahlen . Was wir heute versäumen, das lässt sich nicht mehr nachholen . Deshalb: Ran an die Sache! ({12}) Wir müssen auch mehr Anreize schaffen, damit sich Integration lohnt. Kriegsflüchtlinge haben hier eine Schutzzeit von zunächst drei Jahren . Wir müssen ganz klar sagen: Wer es in drei Jahren schafft, unsere Sprache zu lernen, wer es schafft, eine Ausbildung zu machen, wer es schafft, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der muss eine dauerhafte Perspektive, unabhängig von seinem Flüchtlingsstatus, bekommen . Aber diejenigen, die das nicht schaffen oder auch nicht wollen, müssen sich darauf einstellen, dass sie gegebenenfalls in ihre Länder zurückkehren müssen, wenn dort wieder sichere Lebensverhältnisse herrschen. Ich finde, wir brauchen auch in der Integrationspolitik klare Maximen: fördern und fordern . Alle müssen wissen, woran sie sind . Jeder hat hier eine Chance . Das sollten wir beherzigen und es nicht wieder so machen wie beim letzten Mal . ({13}) Die Antwort auf die Frage, ob wir Flüchtlinge mit Bleiberecht gut integrieren können, hängt auch davon ab, ob es uns gelingt, von den hohen Zahlen an Flüchtlingen herunterzukommen . Im November dieses Jahres sind 180 000 Flüchtlinge gekommen . Das ist fast so viel wie im ganzen letzten Jahr . Wir müssen die Geschwindigkeit des Zuzugs deutlich verringern . ({14}) Viele europäische Länder, ja fast alle europäischen Länder wollen sich nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen; die Bundeskanzlerin hat darauf hingewiesen . Wir müssen weiter darum kämpfen, dass es zu einer fairen Verteilung der Flüchtlinge, aber auch der Verantwortung dafür in Europa kommt . Die Länder, die bisher aufnahmebereit waren, wie Schweden, erklären inzwischen, dass ihre Kapazität erschöpft ist . So kann es im nächsten Jahr nicht weitergehen . Deshalb müssen wir uns auf drei Dinge konzentrieren, die uns helfen können, das Problem an der Wurzel zu packen . Erstens: die Befriedung des syrischen Bürgerkrieges durch die Verhandlungen in Wien . Daran muss natürlich weiter gearbeitet werden, trotz des Rückschlages, den wir gestern erlebt haben . Zweitens: die Verbesserung der Lage von Flüchtlingen in der Krisenregion, in den Flüchtlingslagern, wo sich im Augenblick die meisten Flüchtlinge aufhalten . Drittens: die Sicherung der EU-Außengrenzen, unter anderem mithilfe der Türkei . ({15}) Zur Sicherung der Außengrenzen . In der Tat spielt die Türkei dabei eine Schlüsselrolle . Im Augenblick kommen über 80 Prozent der Flüchtlinge über die Türkei und den Balkan nach Europa . Die türkisch-griechische Grenze ist praktisch offen . Die Schleuser haben dort allein das Heft in der Hand . Das kann so nicht bleiben . Das müssen wir zwischen zwei NATO-Partnern in der Tat ändern; denn nur mit sicheren Außengrenzen können wir verhindern, dass es zu einer Renationalisierung der Grenzen in Europa kommt . Schengen können wir nur verteidigen, Reisefreiheit wird es in Zukunft nur geben, wenn wir es schaffen, zu sicheren Außengrenzen zu kommen . ({16}) Wenn uns die Türkei jetzt hilft, die Außengrenzen zu sichern, dann würden die Flüchtlinge zunächst in der Türkei bleiben . Dort sind sie zwar vor Bürgerkrieg geschützt und sicher; aber natürlich kann die Türkei allein nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, nur um die anderen Länder in Europa zu verschonen . Die Türkei hat schon jetzt mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen Länder in Europa zusammen . Das muss man - bei all der Kritik, die immer wieder an der Türkei geäußert wird auch einmal anerkennen . Das ist eine große Leistung, die Respekt verdient . ({17}) Wenn also die Türkei uns hilft, die europäischen Außengrenzen zu sichern, dann müssen wir der Türkei im Gegenzug auch helfen, und zwar nicht nur finanziell, sondern auch, indem wir ihr einen Teil der Flüchtlinge abnehmen . Das können wir in der Tat über Kontingente nach dem Resettlement-Verfahren laufen lassen . Damit können wir mehrere Probleme auf einmal lösen: Erstens . Wir würden die Kontrolle über die Außengrenzen zurückgewinnen . Zweitens . Die chaotische Einwanderung von Flüchtlingen würde in ein geordnetes Verfahren unter Beteiligung des UNHCR überführt oder dadurch ersetzt . Drittens . Die Schleuserkriminalität würde ausgeschaltet . Viertens . Bei diesem Verfahren haben nicht nur kräftige junge Männer, sondern auch Frauen und Kinder eine faire Chance, als Flüchtlinge in Europa aufgenommen zu werden . Diesen Weg sollten wir verfolgen . Der könnte funktionieren . Die Debatte über abstrakte Obergrenzen führt überhaupt nicht weiter . Sie führt insbesondere nicht dazu, dass ein einziger Flüchtling weniger nach Europa kommt . ({18}) Meine Damen und Herren, wir stellen in diesem Haushalt 8 Milliarden Euro für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zur Verfügung . Zusätzlich werden 400 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und 800 Millionen Euro für wirtschaftliche Zusammenarbeit bereitgestellt . Wir haben zusätzliche Milliarden für Investitionen in die Infrastruktur - insbesondere für den Ausbau von schnellen Netzen sowie für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt . Damit kümmern wir uns darum, dass dieses Land auch in Zukunft stark bleiben kann . Aber wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als ob wir damit die Probleme in Deutschland schon gelöst hätten . Was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, daran halten wir auch fest . Wir wollen, dass für Frauen und Männer gilt: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, und werden entsprechende Maßnahmen ergreifen . ({19}) Wir wollen die Teilhabe behinderter Menschen . Wir wollen das überkommene Fürsorgesystem abschaffen und die Teilhabe behinderter Menschen in diesem Land verbessern . Damit wollen wir auch die UN-Konvention zum Schutz der Behinderten umsetzen, meine Damen und Herren . ({20}) Wir werden auch Leiharbeit und Werkverträge vernünftig regulieren . ({21}) Natürlich sind Werkverträge ein unverzichtbares Instrument in unserem Wirtschaftsleben . Wir wollen sie deshalb nicht abschaffen; aber wir müssen dem Missbrauch eindeutige Grenzen setzen . Insbesondere in der Fleischindustrie wie auch in einigen anderen Branchen werden Werkverträge benutzt, um die Schutzmechanismen unseres Arbeitsrechtes praktisch auszuhebeln . Wenn am Ende ganze Belegschaften nicht mehr auf der Basis von Arbeitsverträgen, sondern von Werkverträgen arbeiten, dann ist das mit dem eigentlichen Zweck eines Werkvertrages nicht mehr vereinbar . Es hat damit nichts, aber auch gar nichts zu tun . Diese Werkvertragsunternehmer sind in Wirklichkeit Scheinselbstständige . Das ist ein so offenkundiger Missbrauch in unserer sozialen Marktwirtschaft, dass wir den sofort stoppen müssen . ({22}) Auch bei der Leiharbeit gibt es Unternehmen, die über viele Jahre hinweg ganze Teile ihrer Produktion über Leiharbeit fertigen . Dabei geht es nicht mehr um die Abfederung von Auftragsspitzen - dafür ist die Leiharbeit einst eingeführt worden -, sondern nur noch darum, Löhne zu drücken und Festanstellungen zu vermeiden . Ich finde, Andrea Nahles hat hier sehr vernünftige Vorschläge gemacht, die genügend Flexibilität für Unternehmer vorsehen, mit denen wir aber in der Lage sind, die schwarzen Schafe zu stoppen . ({23}) Meine Damen und Herren, wir werden die Flüchtlingskrise nur dann gut bewältigen, wenn wir uns jetzt auch um die Menschen in Deutschland kümmern . Sie dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass sie wegen der Flüchtlingskrise zurückstecken müssen . Sie dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass die Lösung ihrer Probleme auf die lange Bank geschoben wird . Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten . Vielen Dank . ({24})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat Volker Kauder von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Volker Kauder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001074, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich mit dem Haushalt und den Auswirkungen für unser Land beschäftige, möchte ich dem Kollegen Bartsch noch einen Hinweis mitgeben . Es ist sehr gut und freut mich, dass Sie offensichtlich mehr in die Bibel als in das Kapital von Karl Marx schauen . Das ist durchaus richtig . ({0}) Aber Sie müssen schon noch ein bisschen mehr machen . Ich bin bereit, Ihnen dabei zu helfen . ({1}) Denn als Sie einige Zitate gebracht haben, haben Sie ein ganz wichtiges vergessen, und zwar Matthäus 7,3: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“ Das ist der entscheidende Punkt, Herr Kollege Bartsch . ({2}) - Herr Hofreiter, auch für Sie habe ich einiges parat . Das sage ich Ihnen dann . ({3}) Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir führen heute die Debatte über den Bundeshaushalt, und zwar die Generaldebatte über die wesentlichen und wichtigen Festlegungen in diesem Haushalt . Ich möchte zunächst einmal dem Finanzminister und unseren Haushaltspolitikern dafür danken, dass sie es trotz der großen Herausforderungen, die mit diesem Haushalt verbunden sind, geschafft haben, an dem ausgeglichenen Haushalt festzuhalten und dieses Ziel auch nicht aus den Augen zu verlieren . Lieber Thomas Oppermann, es ist völlig richtig, wenn wir sagen: Es gibt die große Aufgabe, die Flüchtlingskrise zu bewältigen . Aber daneben steht das Land nicht still, sondern es findet auch eine ganze Reihe anderer Dinge statt . Vor diesem Hintergrund ist eine wichtige Botschaft - das ist ein zentrales Thema, das auch mit den Zukunftsperspektiven der jungen Generation zu tun hat -: Wir halten daran fest, dass wir alles daransetzen wollen, diesen ausgeglichenen Haushalt auch in den nächsten Jahren zu erreichen . ({4}) Das ist zunächst einmal unser Ziel . Ob es dann irgendwann einmal, wenn es zu Naturkatastrophen oder anderen großen Herausforderungen kommen sollte, eine andere Situation geben kann, ist das eine . Aber an dem großen Ziel festzuhalten, ist das andere . Bei unserem Ziel, mit unserem Haushalt auch die Politik in diesem Land zu gestalten, wird deutlich, wo die Schwerpunkte liegen . So sind Forschung und Wissenschaft ein zentrales Thema . Aber auch die Infrastruktur ist ein zentrales Thema . Ja, wir haben Mittel - das hat keiner für möglich gehalten - für den Straßenbau zur Verfügung gestellt . Nun wünsche ich mir, dass die Mittel dort auch eingesetzt werden . Ich kenne eine ganze Reihe rot-grün oder grün-rot regierter Bundesländer, die trotz der vielen Mittel bisher noch keinen einzigen Spatenstich hinbekommen haben . Dies ist natürlich nicht in Ordnung . ({5}) Wenn wir Mittel zur Verfügung stellen, müssen wir auch dafür sorgen, dass sie innerhalb der Struktur des Föderalismus dort ankommen, wo sie ankommen sollen . Wir wollen ein anderes großes Ziel erreichen, obwohl uns viele nicht zutrauen, dass uns das gelingt . Ich spreche von der digitalen Infrastruktur . Ich bin zuversichtlich, dass es Alexander Dobrindt gelingt, das Ziel, das wir vorgegeben haben, zu erreichen, bis 2018 bzw . bis 2017 in jeden Haushalt das schnelle Internet zu bringen . Das muss jetzt vor allen Dingen angepackt werden . ({6}) - Da brauchen Sie gar nicht hineinzurufen . Auch hier brauchen wir die Landesregierungen . Diese müssen ein bisschen schneller als bisher in die Pötte kommen . ({7}) Es bleibt natürlich auch dabei, dass wir in der Wirtschafts- und der Sozialpolitik die Dinge machen, die notwendig sind und die wir vereinbart haben . Gerade wenn man über den Haushalt und seine großen Herausforderungen spricht - auf das Thema Flüchtlinge komme ich gleich noch zu sprechen -, muss doch jedem klar sein: Ob wir noch 2016 und 2017 diese Aufgabe auch unter finanziellen Gesichtspunkten meistern können, hängt auch damit zusammen, dass wir gute Steuereinnahmen haben . Deswegen kann ich nur jeden davor warnen, zu glauben, dass dies ein Selbstläufer ist und dass das irgendwo festgeschrieben ist . Wir haben alles dafür zu tun, dass die Wirtschaft auch in Zukunft so gut läuft, dass Arbeitsplätze erhalten werden und die Steuereinnahmen weiterhin fließen. Ich rate dringend davon ab, zu glauben, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, die Wirtschaft ein bisschen mehr zu testen, weil es uns jetzt gut geht . Das führt nicht zum Erfolg . Das wollen wir auch nicht, und das werden wir auch nicht mitmachen . ({8}) Damit bin ich bei einem Thema, das bereits Thomas Oppermann angesprochen hat . Ja, wir haben in den Koalitionsverhandlungen erkannt, dass bei Werkverträgen und Leiharbeit Handlungsbedarf besteht . Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung dazu getroffen . Wir haben schon im Koalitionsvertrag sehr konkrete Regelungen bei der Leiharbeit gefunden, die in ihrer Dichte fast schon ausreichen, um einen Gesetzentwurf vorzulegen . Dazu kann ich nur sagen: Wir werden uns natürlich an den Koalitionsvertrag halten . Wir sind treu im Einhalten des Koalitionsvertrages . Aber eines sage ich auch: So treu wir im Einhalten des Koalitionsvertrages sind, so hart werden wir sein, wenn jemand glaubt, darüber hinausgehen zu können . Das darf auf keinen Fall geschehen . ({9}) Ich sage klipp und klar: Gesetzentwürfe, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, haben in dieser Koalition keine Chance . ({10}) Natürlich stehen das Flüchtlingsthema und die Fragen, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen und welche Sorgen und Nöte die Menschen haben, im Vordergrund . Wir alle sind betroffen von den Terrorattacken, die in unseren europäischen Nachbarländern, aber auch in anderen Regionen der Welt, vor allem in Nahen Osten, stattfinden . Wir müssen uns die Frage stellen, wie das beendet werden kann; dies ist das eine große Thema . Die andere entscheidende Frage lautet: Wie gehen wir mit den Herausforderungen durch die hohe Zahl der Flüchtlinge um? Wir werden zunächst einmal das Ziel, den Zuzug zu reduzieren, nicht erreichen, wenn es nicht gelingt, die Terror- und Bombenattacken in den Gebieten zu verringern, aus denen Flüchtlinge kommen . Deswegen ist es zwingend notwendig, dass wir in Syrien jetzt zu Ergebnissen kommen . Es ist auch notwendig, dass dies schnell geschieht . Ich weiß, wie schwer das ist . Trotzdem muss man sich das vornehmen; denn die Menschen werden nicht Monate darauf warten, dass sie nicht mehr mit Fassbomben beworfen werden . Wenn das nicht aufhört, dann werden alle ins Laufen kommen . Mir haben die Bischöfe von Aleppo gesagt: Wir wollen, dass unsere syrisch-orthodoxen Christen in Syrien bleiben . Wir wollen keine christenfreien Zonen im Orient . Aber wenn es so weitergeht, dass Aleppo von beiden Seiten beschossen wird, einmal von den Truppen, die Fassbomben werfen, auf der anderen Seite vom IS, dann kann doch niemand glauben, dass die Menschen in dieser Stadt bleiben . ({11}) Deswegen muss sich daran etwas ändern . Wenn von der Linken Zwischenrufe kommen, dann kann ich nur sagen: Es wäre mir hundertmal lieber gewesen, die Russen hätten mit uns gemeinsam eine Aktion gemacht und nicht alleine losgeschlagen, was den Flüchtlingsstrom aus Aleppo noch einmal hat größer werden lassen . ({12}) Deswegen rate ich dringend dazu, dass keiner glauben möge, dass westliche oder östliche Mächte allein, auf eigene Faust und in Verfolgung eigener Interessen dort zu einem Erfolg kommen . Es ist notwendig - ich bin dem Außenminister für seine Bemühungen dankbar -, dass wir hier zu gemeinsamen Aktionen kommen . Wir haben immer wieder auf einen Umstand - die Situation in den Flüchtlingslagern - hingewiesen . Trotzdem sind wir in dieser Hinsicht nicht so erfolgreich wie nötig . Frau Bundeskanzlerin, ich bitte darum, wenn man jetzt wieder auf internationaler Ebene zusammenkommt, dies mit noch größerem Nachdruck zu formulieren . Einer unserer Kollegen, Tobias Zech, war mehrfach im Libanon unterwegs . Er hat darüber einen Bericht abgeliefert . Er schreibt aus seinen Erfahrungen: All das zeigt eines: Es sind nicht irgendwelche Tweets oder Aussagen, die in Deutschland abgesetzt werden, die die Flüchtlinge zu uns bringen . Es ist die pure Not, die sie in verzweifelte Aktionen wie die Flucht auf Schlepperbooten über das Mittelmeer treibt . Viele der Flüchtlinge sind schon einige Jahre im Libanon . Ihre Rücklagen sind aufgebraucht, und sie sehen keine Möglichkeit mehr, sich dort durchzubringen . Sie würden - wenn dort ein lebenswürdiges Leben möglich wäre - gern bleiben und auf ein Ende der Auseinandersetzungen in Syrien warten, um wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können . Aber so, wie es momentan aussieht, haben sie keine Hoffnung . Und die Flucht in Richtung Europa ist ihr letzter Strohhalm . Da kann ich nur sagen: Genau dies muss geändert werden . Es darf nicht bei der Schlussfolgerung bleiben, von der Tobias Zech spricht, sondern es muss den Menschen in den Flüchtlingslagern eine Perspektive gegeben werden, schneller als es bisher geschehen ist . Sonst werden alle kommen wollen, um sich in Sicherheit zu bringen . ({13}) Die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Lösung natürlich an den europäischen Außengrenzen liegt und dass die Türkei dabei eine Schlüsselrolle spielt . Viele haben gar nicht geglaubt, dass man auf diesem Weg zu einem Erfolg kommen kann . Ich würde schon darum bitten, dass wir bei allem, was wir machen, uns immer auch ein bisschen Zeit geben . Wir haben das Asylpaket I verabschiedet . Kaum war es verabschiedet, hat jeder gesagt, es sei noch gar nichts passiert . Auch der Kölner Dom ist nicht an einem Tag oder in einem Jahr erbaut worden . Wir stellen manchmal zeitliche Anforderungen, die beim besten Willen nicht einzuhalten sind . Aber jetzt, wenn wir uns die Zahl der Flüchtlinge aus dem Westbalkan anschauen, sehen wir, dass das Asylpaket I wirkt: 16 Flüchtlinge aus dieser Region kamen im letzten Monat, während es in den Monaten zuvor Tausende waren . Da können wir der Bevölkerung doch auch einmal sagen - ganz im Gegensatz zu dem, was Herr Hofreiter gesagt hat -: Wir handeln, und wir sind handlungsfähig . - Unser Handeln zeigt auch Erfolge, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({14}) Das sehen wir an der Zahl der Flüchtlinge aus dem Westbalkan . Was das Asylpaket II angeht, hoffe ich doch, Herr SPD-Parteivorsitzender, dass die Parteivorsitzenden das auch umsetzen, was sie miteinander vereinbart haben . ({15}) Thomas Oppermann und ich haben gesagt: Wenn jemand unser beider Hilfe braucht, sind wir gerne bereit, mitzuhelfen, damit auch das Asylpaket II auf den Weg kommt und erfolgreich wird . Aber natürlich liegt der Schlüssel in der Türkei . Ich bin sehr froh, Frau Bundeskanzlerin, wenn man darauf hinweist, dass am Sonntag der EU-Türkei-Gipfel stattfinden soll . Gerade eben lief über die Ticker, dass Erdogan gesagt hat, er werde seinen Beitrag dafür leisten, dass keine neuen Ströme über die Türkei nach Europa kommen, er werde seinen Beitrag dazu leisten, die Außengrenze zu sichern . Na also, das ist doch endlich einmal ein Wort, und ich hoffe, dass diesem Wort auch Taten folgen werden . ({16}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundeskanzlerin hat in ihrem Beitrag auf die Aufgaben Europas hingewiesen . Ich habe an diesem Pult mehrfach über den Zustand geklagt, nicht über den, in dem sich Europa befindet, sondern über den, in dem sich Europa durch das Verhalten der Nationalstaaten befindet. ({17}) Nun muss auch in den Nationalstaaten deutlich werden: Solidarität kann es nicht nur geben, wenn es um das Geld geht, wenn man Geld von Europa haben will, sondern Solidarität ist auch dann notwendig, wenn man einen eigenen Beitrag dazu leisten muss . ({18}) Auch das muss man einmal klar und deutlich formulieren . Man muss sich jetzt sehr schnell darüber einig werden: Wie kann die Außengrenze überhaupt gesichert werden? Wer soll dies tun? Darüber muss sich Europa Gedanken machen . Es steht mehr auf dem Spiel, als man allgemein in der Diskussion in unseren Wahlkreisen hört . Es steht nämlich tatsächlich die Zukunftsfähigkeit Europas auf dem Spiel . Wenn ich Töne höre wie „Um jedes europäische Land machen wir einen Zaun“, dann ist dieses Europa, das wir uns gewünscht haben, wirklich am Ende . ({19}) Deswegen muss die europäische Außengrenze gesichert werden; nicht die Nationalstaaten müssen ihre Grenzen sichern . Da muss jetzt eine ganze Reihe von Dingen schnell passieren . Warum sollen wir nicht darüber nachdenken, ob wir in Europa eine eigenständige Lösung brauchen? Günther Oettinger hat Vorschläge dazu gemacht, wie die EU-Außengrenzen gemeinsam besser geschützt werden können - zum Beispiel durch eine Grenzsicherungsagentur -; denn offenkundig kann Griechenland seine EU-Außengrenze nicht allein sichern . ({20}) Ich kann nur noch einmal sagen: Europa muss sich mit ganzer Kraft den großen und nicht den kleinen Herausforderungen widmen . Wenn es nicht so ernst wäre, müsste man lachen, richtig laut lachen: Während wir uns darum bemühen, das große Thema Flüchtlinge zu bearbeiten, kommt die Europäische Kommission rechtzeitig zu Weihnachten auf die Idee, sich darüber Gedanken zu machen, wie hoch die Flamme einer Kerze sein darf, und will dies regulieren . Dazu kann ich nur sagen: Da tickt es da oben bei einigen wohl nicht mehr richtig . ({21}) Insofern ist es schon richtig, wenn die Bundeskanzlerin sagt: Wir müssen in diesen Fragen in Europa vorankommen . Da wünsche ich viel Erfolg . Wenn dieses Europa diese Aufgaben nicht lösen kann und damit das Signal in die Welt sendet: „Auf Europa braucht ihr nicht mehr zu setzen; denn die kriegen nichts hin“, dann sind Fragen der wirtschaftlichen Zukunft für unser Land ganz neu zu beurteilen . Europa ist nämlich nicht nur Friedenssicherung, sondern Europa ist vor allem für uns und die zukünftigen Generationen auch die Sicherung des ökonomischen Wohlstands . Auch Deutschland mit seiner Größe und mit seiner Stärke wird allein den Wettbewerb mit China und anderen asiatischen Ländern nicht bestehen . Deswegen rede ich so leidenschaftlich dafür: Gefährden wir Europa nicht! Aber Europa muss auch wissen, dass es jetzt eine große Aufgabe hat . Es geht um die Existenz dieses Europas . Dafür wollen wir kämpfen, und wir wollen alles dafür tun, dass dies gelingt . Frau Bundeskanzlerin, viel Kraft und Erfolg dabei, dass die Nationalstaaten endlich kapieren, dass Europa nicht nur die Summe von Einzelinteressen, von Egoismen der Nationalstaaten ist, sondern ein bisschen mehr . Herzlichen Dank . ({22})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Roland Claus von der Fraktion Die Linke spricht als nächster Redner . ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, eine beachtliche Zahl Ihrer Aussagen hat heute auch die Zustimmung meiner Fraktion erhalten . ({0}) Aber Ihre Positionen werden doch abgewertet, wenn namhafte Vertreter der CDU genau das Gegenteil erzählen - so wie gestern Günther Oettinger, der eine Einschränkung des Asylrechts per Grundgesetzänderung gefordert hat . Frau Merkel, wir müssen Sie fragen: Was gilt denn nun? ({1}) Auf einen Makel in der Rede von Frau Bundeskanzlerin will ich auch noch hinweisen . Sie hat es nämlich völlig vergessen, die vielen guten Vorschläge der Fraktion Die Linke in den Haushaltsberatungen zu loben . ({2}) Deshalb muss ich auf unsere Vorschläge eingehen, aber auch auf einige Einlassungen in der Haushaltsdebatte zu Positionen der Linken . Da muss ich natürlich mit dem Kollegen Volker Kauder anfangen, der gestern überaus lautstark immer und immer wieder - ich weiß gar nicht, wie oft - den DDR-Vergleich bemüht hat . Was es eben sollte, den ausgestreckten Zeigefinger auf meine Fraktion zu richten, wenn man Russland kritisiert, das war auch nicht ganz zu verstehen . ({3}) Ich glaube, Sie leiden da ein bisschen unter einem Phantomschmerz, Herr Kauder . Die Linke wird nie verleugnen, dass ein Teil ihrer Wurzeln in der DDR liegt . Aber die DDR gibt es seit mehr als 25 Jahren nicht mehr . Herr Kauder, ohne die DDR hätten Sie vermutlich Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch nicht kennengelernt . Aber ohne die DDR hätten Sie vermutlich auch Angela Merkel und Joachim Gauck nicht kennengelernt . ({4}) Sie würden also, Herr Kauder, ohne die DDR völlig ohne Freund- und Feindbild dastehen . Deshalb ein bisschen mehr Demut! ({5}) Die Linke hat zahlreiche Vorschläge in diese Beratung eingebracht, und es sind alle Vorschläge von dieser Welt . Vielleicht denken Sie, es sei leicht, in der Linksfraktion Haushaltsbalance zu wahren . ({6}) Ich kann Ihnen sagen: Dem ist nicht so . ({7}) Deshalb ärgern wir uns, wenn plumpe Unterstellungen zu unseren Vorschlägen gemacht werden . Es muss doch möglich sein, den enormen Reichtum in den Händen weniger gerechter zu besteuern, als dies bisher der Fall ist . ({8}) Wir haben ein Zukunftsprogramm zur Integration der hier Benachteiligten und der zu uns Geflüchteten vorgeschlagen . Wir wollen damit die soziale Spaltung der Gesellschaft überwinden und unsere humanistische Verantwortung wahrnehmen . Ja, wir wollen erreichen, dass „Armut trotz Arbeit“ überwunden wird . Ja, wir wollen, dass Kinder kein Armutsrisiko bleiben, dass Bildungsgerechtigkeit einzieht - durch eine große BAföG-Reform -, dass kleine und mittelständische Unternehmen faire Chancen im wirtschaftlichen Wettbewerb bekommen, dass endlich auskömmliche Renten in Ost und West gezahlt werden und dass Kriege und Rüstungsexporte abgeschafft werden, meine Damen und Herren . ({9}) Dabei ist das Markenzeichen linker Haushaltspolitik nicht etwa, neue Schulden zu machen, sondern gerechte Steuern einzuführen . Das wäre an der Zeit . ({10}) Wir sagen - und weisen dies nach -, es wäre in der Tat möglich, die Einnahmen des Bundes um mehr als 50 Milliarden zu erhöhen und diese für soziale Gerechtigkeit, für Bildungsaufgaben und für Friedfertigkeit einzusetzen . ({11}) Ich wiederhole hier: Die teuersten Flüchtlinge in Deutschland sind in der Tat die Steuerflüchtlinge. ({12}) Die Linke macht hier in den Beratungen viele Vorschläge, mit deren Umsetzung der Einstieg in einen Politikwechsel möglich wäre . Wir maßen uns nicht an, als Einzige zu wissen, wo es langgeht . Aber wenn Sie Deutschlands Zukunft gestalten wollen, kommen Sie an einer sozialen Modernisierung der Gesellschaft und auch an diesen Vorschlägen nicht vorbei . Nur Mut, Sie könnten das schaffen . ({13})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner hat Johannes Kahrs von der SPD-Fraktion das Wort . ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind ja hier in der Haushaltsdebatte . Wir haben einen Haushalt vorliegen . Ich glaube, wenn man sich diesen Haushalt anguckt, dann wird jeder bemerken, dass er solide und vernünftig aufgestellt ist . In Kleinarbeit haben sich die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss noch einmal über den Entwurf der Bundesregierung gebeugt und haben ihn an der einen oder anderen Stelle noch einmal kampfwertgesteigert . Am Ende, glaube ich, kann sich das, was sie hier vorgelegt haben, sehen lassen . Eckhardt Rehberg, dir und deiner Arbeitsgruppe, meinen Kollegen in der SPD noch einmal ganz herzlichen Dank . Ich glaube, es ist auf der Arbeitsebene ein ruhiges, solides und vernünftiges Arbeiten jenseits der Irrungen und Wirrungen, die es sonst manchmal geben mag, und das ist diesem Haushalt ganz gut bekommen . Die gute und enge Zusammenarbeit mit den Fraktionen und deren Vorsitzenden hat da ebenfalls nicht geschadet . Ich glaube, wenn wir uns diesen Haushalt angucken, dann merkt man, dass er den Anforderungen, die wir zurzeit haben, gerecht wird . Das ist hier heute auch schon einmal sowohl von der Frau Bundeskanzlerin als auch von den Fraktionsvorsitzenden ausgeführt worden . Eine Anmerkung möchte ich allerdings machen . Es gibt, insbesondere wenn es um die Herausforderungen geht, die durch die Flüchtlinge vor uns stehen, den ein oder anderen seltsamen Vorschlag, oder es gibt merkwürdige Vorstellungen, wie man denn diese Aufgabe finanzieren sollte . Um es gleich vorweg zu sagen: Diese etwas überflüssigen und unsoliden Vorschläge kommen aus allen Fraktionen und aus allen Ecken . Am Ende nutzen sie allerdings nur denjenigen, die rechtsaußen oder links außen politisch irrlichtern und uns alle nicht wirklich weiterbringen . Was zum Beispiel den Vorschlag angeht, dass man im Zusammenhang mit den Flüchtlingen die Steuern erhöhen sollte, so sollte man sich einmal fragen, was das für Auswirkungen auf die politische Diskussion hat . Wenn man über einen Flüchtlingssoli redet, dann führt das auch nicht zu Begeisterungsstürmen in der Bevölkerung . Und eine Aufhebung des Mindestlohns für Flüchtlinge oder ein halber Mindestlohn für Flüchtlinge führt nur dazu, dass die Deutschen, die dann keinen Job zum Mindestlohn oder keinen Minijob mehr bekommen, nicht wirklich begeistert sein werden . All diese Diskussionen gehen gar nicht; vielmehr geht es darum, handwerklich sauber, vernünftig und solide zu diskutieren und diesen Haushalt hinzubekommen . Es ist so, dass wir in den letzten Jahren Vorkehrungen getroffen haben . Die eben genannten Lösungen sind nicht nur falsch, sondern sie sind auch gefährlich . ({0}) Deswegen sollten wir aufpassen, dass wir alles tun, um diesen ausgeglichenen Haushalt nicht zu gefährden . Frau Bundeskanzlerin hat das ja angesprochen . Ich glaube, dass alles, was wir tun können, dazugehört . Wir müssen allerdings auch aufpassen, dass das auf Dauer gelingt; denn sicher ist das alles nicht . Wir haben zurzeit eine positive Situation; das ist schon vielfach ausgeführt worden . Wir haben in der Ära Schröder unter Rot-Grün hervorragend gewirtschaftet . Wir haben reformiert, die Reformen wirken . Deswegen geht es uns gut . Wir haben ein niedriges Euro-Wechselkursverhältnis . Wir haben niedrige Zinsen; das ist - das muss man auch sagen - für den Bund gut, für die Menschen nicht unbedingt . Gleichzeitig ist es so, dass wir in den letzten Jahren in Deutschland auch vernünftig gewirtschaftet haben . Wir werden Überschüsse aus diesem Jahr in das nächste Jahr schieben . Und das führt dazu, dass wir trotz der Belastungen, die wir zu schultern haben, auch das nächste Jahr laut Haushaltsentwurf ohne neue Schulden abschließen . Ich glaube, das ist wichtig . ({1}) Genauso wichtig ist es aber auch, dass in diesem Land nicht die Debattenlage entsteht, dass wir wegen der Flüchtlinge hier andere Bevölkerungsgruppen vernachlässigen, dass wir uns nicht um Obdachlose kümmern, dass wir uns nicht um den sozialen Wohnungsbau kümmern, ({2}) dass wir uns nicht um behinderte Menschen kümmern . Es geht einfach nicht an, dass wir uns zwar um die Flüchtlinge kümmern, aber zugleich gesagt wird: Bei uns in den Schulen sieht es immer noch grottig aus . - Alle diejenigen, die das sagen, sollten sich anschauen, was in den letzten Jahren von dieser Großen Koalition geleistet worden ist . Wir haben 23 Milliarden Euro gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags investiert . Wir haben nachträglich noch einmal 10 Milliarden Euro in ein Sonderinvestitionsprogramm gegeben, mit dem wir insbesondere Verkehrswege und Infrastruktur finanzieren . Wir haben noch einmal 5 Milliarden Euro an die Kommunen gegeben, damit sie in die Lage versetzt werden, auch direkt vor Ort etwas zu tun . ({3}) Für die Bewältigung der Flüchtlingskrise investieren wir jetzt noch einmal 8 Milliarden Euro . Das alles kommt noch obendrauf . Schließlich haben wir in der letzten Großen Koalition und, wie gesagt, auch in dieser Ländern und Kommunen dauerhaft geholfen . Das wird dazu führen, dass Landesund Kommunalhaushalte in der Zukunft deutlich besser dastehen werden als der Bundeshaushalt . Der Bund erwartet nämlich in den nächsten Jahren relativ eher rückläufige Einnahmen, während diese bei den Ländern und Kommunen steigen . Das liegt an den Maßnahmen, die wir alle hier beschlossen haben . Das heißt, man muss aufpassen, was man zukünftig macht . Mir geht es einfach darum, dass wir in der Flüchtlingsfrage zusammenstehen . Es reicht nämlich nicht, nur zu sagen, dass wir es schaffen, sondern man muss auch sagen, wie es gehen soll . Dieser Haushalt zeigt auf, wie es gehen soll . Wir haben viel Geld investiert, insbesondere im Bereich Unterstützung und Koordinierung von Ehrenamtlichen . Wir haben viel Geld für die Helfer ausgegeben, deren Arbeit zurzeit unentbehrlich ist . Wir haben viel Geld in die Bundespolizei investiert und in das Technische Hilfswerk, das mit seinen Ehrenamtlichen unterwegs ist . ({4}) Ich glaube, wenn man den Helfern hilft, dann hat man schon viel getan . Das ist eben auch ein Teil des Plans . Ich glaube, das kann man verteidigen und das sollte man immer wieder so sagen . ({5}) Angesichts mancher Diskussionen über Transitzonen, Obergrenzen und anderer Debattenpunkte habe ich allerdings ein Problem; denn es geht doch darum, dass wir hier Lösungen finden müssen, die langfristig wirken. Wir werden zu Lösungen kommen müssen . Wir werden die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten Jahren deutlich senken müssen . 2016 darf nicht so laufen wie die zweite Hälfte von 2015 . Wir würden sonst richtige Probleme in diesem Land bekommen . Das heißt, in 2016 und in 2017 müssen die Zahlen der Flüchtlinge deutlich sinken; dafür braucht es keine Scheindebatten und keine Debatten, bei denen man sagt, der eine sollte mehr von diesem und der andere mehr von jenem tun . Am Ende wird es nicht reichen; wir haben es heute gehört . Am Ende wird es wichtig sein, dass wir wieder mit Dublin II und III die Probleme bewältigen, dass wir zusehen, dass die Außengrenzen wieder funktionieren . Selbstkritisch muss man sagen: Nicht nur Europa ist das Problem, auch wir waren nicht in jeder Frage immer hilfreich . Deswegen ist es wichtig, dass wir nicht nur geordnete Verhältnisse an den Außengrenzen bekommen, sondern dass wir auch wieder geordnete Verhältnisse in Deutschland bekommen . Auch hierfür haben wir in diesem Etat vieles getan . Ich glaube, das ist wichtig und das kann man gar nicht häufig genug sagen. Am Ende ist es wichtig, dass Hilfe in den Kommunen ankommt, dass die Menschen, die vor Ort sind und helfen, dass die Bürgermeister und Landräte die Unterstützung bekommen, die sie brauchen . Ich sehe das in Hamburg: Wir beschlagnahmen inzwischen Bürogebäude, leerstehende Baumärkte . Das kann die Lösung mal für einen Winter sein, aber das ist keine dauerhafte Lösung . Die Menschen, die hierbleiben, müssen untergebracht werden . Das heißt aber im Ergebnis auch, dass wir Wohnungen bauen müssen . Uns wurde vorgeworfen, dass wir kein 2-Milliarden-Euro-Programm auflegen, um Wohnungen zu bauen . Wir machen aber viel mehr . Wir geben ohnehin 500 Millionen Euro für den Bau von Sozialwohnungen aus, und wir haben noch einmal 500 Millionen Euro draufgelegt . Das wird die nächsten vier Jahre laufen . Wir investieren insgesamt 4 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau . Das dauert; das ist so . Man braucht B-Pläne, man muss Planungen durchführen . Aber am Ende ist es doch so, dass wir mit diesem Geld zu Ergebnissen kommen werden . Es wird aber dauern . Deswegen muss man auch die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten zwei Jahren deutlich senken; denn wenn das so weitergeht, kommen wir mit den WohnungsbauprogramJohannes Kahrs men, die jetzt laufen, nicht weiter, und dann kommen die Kommunen in ganz andere Schwierigkeiten . Deswegen ist es gut, dass wir auf die Krise reagiert haben . Deswegen ist dieser Haushalt solide . Wir haben auch im laufenden Jahr - Eckhardt Rehberg, du weißt es - in Nachtragshaushalten schnell reagiert . Ich würde mir wünschen, dass wir es im kommenden Jahr nicht müssen . Wir sind dazu aber bereit, wenn die Situation es erfordert . Wir haben Geld investiert und werden auch weiterhin Geld investieren, damit vor Ort vieles richtig gemacht werden kann . Gönnen Sie mir noch eine letzte Anmerkung . Wir werden auch weiterhin Dinge bewältigen müssen, die nicht preiswert sind . Von meinem Fraktionsvorsitzenden ist vorhin schon das Bundesteilhabegesetz angesprochen worden . Es gibt viele Aufgaben, die weiterhin bewältigt werden müssen, wenn mit Blick auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise in diesem Land Akzeptanz erreicht werden soll . Denn nur dann, wenn sich die Politik nicht ständig um ein einziges Problem kümmert, sondern die Menschen das Gefühl haben, dass wir uns weiterhin um sie alle kümmern, gibt es Akzeptanz und Unterstützung . Wir brauchen die Unterstützung der Menschen in Deutschland . Aber wir brauchen auch die Unterstützung in Europa - genauso, wie wir die Türkei brauchen . Die Sicherung der Außengrenzen wird nicht über Griechenland funktionieren; sie wird nur über die Türkei funktionieren . Die Türkei wird nicht nur Geld fordern; sie wird auch politische Forderungen haben . Dazu werden die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union gehören . Dann wird es um den Status eines sicheren Drittstaates gehen . Es wird um Visafreiheit gehen . Am Ende werden wir die Türkei brauchen . Man muss sich in CDU, CSU und SPD darüber im Klaren sein, dass es nichts umsonst gibt . ({6}) Vielen Dank . ({7})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Gerda Hasselfeldt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken in diesen Tagen auf zehn Jahre unionsgeführte Bundesregierung zurück: ({0}) zehn Jahre Bundeskanzlerin Angela Merkel, zehn erfolgreiche, gute Jahre für die Menschen in Deutschland, ({1}) und das trotz vieler internationaler Krisen, die jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode nicht vorhersehbar waren . Deshalb war es gut und richtig, dass immer wieder eine solide Haushaltspolitik gemacht wurde, eine Haushaltspolitik mit Puffern für schwierige Zeiten . Genau das bewährt sich auch in dieser Phase wieder: dass Haushaltspuffer vorhanden sind, um schwierige, nicht vorhersehbare Herausforderungen finanziell und politisch zu meistern . ({2}) Deshalb möchte ich bei dieser Gelegenheit dem Bundesfinanzminister und allen Haushältern der Koalitionsfraktionen herzlich dafür danken, dass sie gerade auch bei diesem Haushalt große Anstrengungen unternommen haben, um den Weg der soliden Haushaltspolitik weiter zu begleiten, nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in der mittelfristigen Finanzplanung . Meine Damen und Herren, es ist schon mehrfach angesprochen worden: In der aktuellen Situation - nicht nur in Frankreich, aber da ist sie uns nach den letzten Wochen noch besonders im Blick - offenbart sich eine neue Dimension des Terrors in Europa, die uns gemeinsam ganz besonders herausfordert . Für uns ist klar: Wir stehen an der Seite Frankreichs . Unser Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen . Es ist aber auch klar, dass die Menschen dann Fragen stellen, dass sie uns und sich fragen: Tun wir alles für die Sicherheit der Bürger? Ich denke, diese Frage ist berechtigt . Es sind auch Fragen berechtigt, die in die Richtung gehen: Was können wir tun, damit Menschen sich nicht radikalisieren? Was können wir in der Prävention tun? Was müssen wir tun, wenn es um die Ausstattung der Sicherheitsbehörden und Sicherheitsdienste geht? Wie steht es um die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste in Deutschland und in Europa? Tun wir alles in Bezug auf Ausbildung und Qualifizierung der Sicherheitskräfte? All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Fragen, die wir uns stellen müssen und auf die wir auch eine ehrliche Antwort geben müssen - keine Schnellschüsse . Aber es darf auch keine Denkverbote geben, wenn wir darüber nachdenken, wie wir unsere Bürger schützen und ihre Sicherheit gewährleisten können . Das ist nämlich die oberste Aufgabe jedes Staates . ({3}) Deshalb war es auch richtig und notwendig, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Speicherung von Verbindungsdaten endlich eingebracht wurde . Deshalb war und ist es auch richtig, dass wir mit diesem Haushalt erneut unter Beweis stellen: Wir lassen unsere Sicherheitsdienste nicht alleine . Ein deutlicher Aufwuchs sowohl im personellen Bereich als auch bei der sachlichen Ausstattung der Sicherheitsdienste - Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst - wird mit diesem Haushalt auf den Weg gebracht . Das ist die richtige Antwort auf das, was wir zu leisten haben . ({4}) Ich würde mir allerdings auch wünschen, dass die Länder in ihrer Kompetenz, nämlich bei der personellen und sachlichen Ausstattung der Polizei, dasselbe machen . Bayern ist auch hier wieder Vorbild, die gestrige Entscheidung des Kabinetts ist allen noch im Bewusstsein: Verbesserung der sachlichen und der personellen Ausstattung, Aufstockung des Personals, das in der Schleierfahndung tätig ist . Meine Damen und Herren, eine solche Antwort der Länder ist notwendig . Ich würde mir wünschen, dass andere Länder nachziehen und so vorgehen, wie Bayern es vorgemacht hat . ({5}) Ich möchte bei der Gelegenheit meinen persönlichen Dank und meine Anerkennung gegenüber denjenigen Frauen und Männern zum Ausdruck bringen, die tagtäglich die Arbeit für unsere Sicherheit tun, die für unsere Sicherheit ihre Gesundheit, ja teilweise ihr Leben aufs Spiel setzen und sich für die Sicherheit von uns allen, der Menschen in unserem Land, voll einbringen . Dafür herzlichen Dank! ({6}) Deutschland - das spüren wir in der Heimat und auch dann, wenn wir gelegentlich im Ausland sind - ist ein starkes Land, ökonomisch stark, politisch stark, stark im sozialpolitischen Bereich . Es ist ein Land mit hohem Ansehen, mit einem großartigen Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger, mit einer funktionierenden Verwaltung und hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . Das sehen und spüren wir insbesondere bei der zweiten Herausforderung, die heute schon mehrfach angesprochen wurde, nämlich der Aufnahme der vielen Flüchtlinge . In Bayern spüren wir das in ganz besonderer Weise, noch stärker als in allen anderen Regionen des Landes: Nach wie vor kommen dort täglich zwischen 5 000 und 10 000 Flüchtlinge an, die versorgt werden müssen, untergebracht werden müssen, teilweise weitergeleitet oder begleitet werden müssen . All das wird erledigt von vielen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunen, der Behörden, der Polizei und der Sicherheitsdienste, aber auch von vielen ehrenamtlichen Helfern . Ihnen gebühren unser Dank und unsere Anerkennung . Ohne die Leistung der Hauptamtlichen, ohne die Leistung der Kommunen und ohne die Leistung der Ehrenamtlichen und deren Organisationen würden wir diese große Herausforderung nicht schultern können . ({7}) Wir spüren bei den vielen Gesprächen, die wir alle mit den vor Ort Tätigen führen, auch, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, ja manchmal überschritten sind . Wir spüren, dass die Aufnahmekapazität und die Integrationskraft der Bevölkerung an Grenzen stoßen, ja die Grenze überschritten ist . ({8}) - Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, Frau Kollegin .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Frau Deligöz, Sie haben das Wort .

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank . - Frau Hasselfeldt, dass es einen inhaltlichen Dissens gibt, das gehört zur Politik dazu . Aber dennoch pflegen wir gewisse Umgangsformen, deren Grenzen allerdings manchmal überschritten werden . Das hat am Wochenende das Beispiel aus Bayern gezeigt . Sind Sie nicht der Meinung, dass sich Herr Seehofer bei der Kanzlerin für sein Verhalten entschuldigen müsste? ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ach, wissen Sie, Frau Kollegin: Wie sich jeder Einzelne von uns verhält, das ist seine persönliche Entscheidung . ({0}) Sie können davon ausgehen, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt und das Verhältnis zwischen der Bundeskanzlerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten ein sehr gutes, ein sehr offenes ist, ({1}) ein Verhältnis, ({2}) das dem Lande dient . Das wird auch durch das Austragen unterschiedlicher Meinungen nicht getrübt . ({3}) Angesichts der Belastungsgrenzen ist es notwendig, dass wir uns über einige Dinge im Klaren sind . Das Erste ist: Wir müssen klar unterscheiden zwischen den Schutzbedürftigen und denen, die aus anderen Gründen zu uns kommen . Wir müssen unsere Hilfe auf die wirklich Schutz- und Hilfebedürftigen konzentrieren . Das Zweite ist: Um dieses zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass die Zahl der Flüchtlinge reduziert wird und dass wir eine Begrenzung bekommen . Das ist die zweite Botschaft . ({4}) Das Dritte ist: Wir müssen wissen, wer zu uns kommt, wo sich die Menschen in unserem Land aufhalten, wer durchreist oder wer einreist . Das heißt, die Registrierung muss konsequent durchgeführt und unter den jeweiligen Behörden abgestimmt werden . Ein Viertes, das meines Erachtens wichtig ist: Wir müssen wieder dahin zurückkommen, dass der Antrag auf Asyl dort gestellt wird, wo die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten . ({5}) An all diesen Punkten müssen wir gemeinsam arbeiten . Wir müssen um die richtige Entscheidung ringen . Es ist doch ganz normal, dass die einen jenen Weg und die anderen einen anderen Weg als zielführender betrachten . Wir ringen und wir haben gerungen, und ich sage Ihnen ganz offen: Wir unterstützen die Bundeskanzlerin bei allem, was sie auf europäischer und internationaler Ebene unternimmt, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren . Wir unterstützen genauso den Bundesentwicklungshilfeminister bei seinen Bemühungen, die Fluchtursachen zu bekämpfen . Er hat in seinem Haushalt die entsprechenden Schwerpunkte gesetzt . Er hat den Aufwuchs in seinem Haushalt auf die Bekämpfung der Fluchtursachen konzentriert . Dafür sind wir sehr dankbar . ({6}) Wir wissen aber auch, dass die Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene nicht schnell, nicht sofort die gewünschten Ergebnisse bringen werden . Es geht um die Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern . Das ist wahrscheinlich noch am schnellsten zu realisieren . Es geht aber auch um die Sicherung der Außengrenzen - das ist schon mehrfach angesprochen worden - und nicht zuletzt um die Einrichtung der sogenannten Hotspots, die nicht nur für die Registrierung, sondern auch für die Rückführung und für die Verteilung in Europa zuständig sein sollten . Auch darum geht es . Ich weiß, dass das dicke Bretter sind, die zu bohren sind, und ich bin dankbar, dass die Bundeskanzlerin mit ihrer Regierung diese Bretter bohrt . Wir wünschen ihr dabei viel Erfolg . ({7}) Wir wissen, dass daneben auch nationale Maßnahmen notwendig sind . Wir haben das Asylpaket I verabschiedet, in dem es um die Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten ging . Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört: Wir hätten Hunderttausende von Flüchtlingen weniger im Land, wenn es uns gelungen wäre, diese Einstufung als sichere Herkunftsstaaten schon früher zu realisieren, und zwar damals, als wir das gefordert haben . ({8}) Zur Wahrheit gehört, dass dies durch eine monatelange, fast ein Jahr lang andauernde Diskussion im Bundesrat verzögert wurde, weil wir dazu auch die Zustimmung der Grünen gebraucht haben, und diese ließ lange auf sich warten . Zu diesem Asylpaket gehört auch die Reduzierung von Fehlanreizen, zum Beispiel dadurch, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht länger Geld-, ({9}) sondern vorrangig Sachleistungen gewährt werden sollen . Dazu gehört, dass konsequent zurückgeführt wird, dass konsequent abgeschoben wird, und zwar ohne Ankündigung . Ich erwarte, dass die Länder das, was sie selbst mitentschieden haben, alle miteinander - nicht nur Bayern - so vollziehen, wie es beschlossen wurde . ({10}) Jetzt sind wir beim Asylpaket II . Ich darf, ähnlich wie Volker Kauder, meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das, was die drei Parteivorsitzenden beschlossen haben, was intensiv vorbereitet wurde und gut durchdacht ist - besondere Aufnahmeeinrichtungen, Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre bei subsidiär Schutzbedürftigen -, als Gesetzentwurf so eingebracht wird, wie es unter den Parteivorsitzenden verabredet ist . Da sind vielleicht noch einige Gespräche notwendig, aber ich bin zuversichtlich, dass dies erreicht wird . Mit der Herausforderung, die die Aufnahme von Flüchtlingen darstellt, ist eine doppelte Verantwortung verbunden: Wir haben die Verantwortung, denjenigen, die unsere Hilfe und unseren Schutz brauchen, wirklich zu helfen . Wir haben aber auch eine Verantwortung gegenüber der heimischen Bevölkerung . Beides müssen wir im Auge behalten . Deshalb ist es uns so wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Aufnahmekapazität, dass die Integrationskraft des Landes nicht unbegrenzt ist, sondern ihre Grenzen hat, und diese müssen wir erkennen . ({11}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt setzt Prioritäten . Er setzt Prioritäten bei der neuen Herausforderung, die ich gerade angesprochen habe, aber auch im Bereich der notwendigen Investitionen . Wir setzen das fort, was wir schon in den vergangenen Jahren gemacht haben: Wir legen einen deutlichen Schwerpunkt auf den Bereich Bildung und Forschung, und wir legen einen deutlichen Schwerpunkt auf die Investitionen in den Bereichen Verkehr und Breitbandausbau . Bei beidem Verkehr und Breitbandausbau - hat der Bundesverkehrsminister vieles nachzuholen, was in den vergangenen Jahrzehnten liegen geblieben ist, und manches aufzuarbeiten, was in den Ländern an entsprechender Planungsarbeit nicht geleistet wurde . Auch hier war Bayern übrigens wieder vorbildlich . Er hat aber gleichzeitig auch den Blick nach vorne zu richten . Denn das, was für die weitere gute Entwicklung unserer Wirtschaft notwendig ist, nämlich eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur und Breitbandinfrastruktur, darf nicht einfach hintanstehen . Es ist eine wichtige Zukunftsaufgabe für die weitere positive Entwicklung unseres Landes . ({12}) Wir vergessen bei alldem aber nicht diejenigen, die unsere Hilfe brauchen: die Pflegebedürftigen, die Kranken . Die Bundeskanzlerin hat es angesprochen . Das, was wir in den vergangenen Wochen an Verbesserungen in der Pflegeversicherung, in der Krankenhausversorgung und in der Palliativmedizin beschlossen haben, darf nicht untergehen . Auch das ist Politik dieser Bundesregierung, von diesen Koalitionsfraktionen für die Menschen im Land . ({13}) So sind die Markenzeichen dieser Regierung in meinen Augen erstens Solidität, zweitens Solidarität, drittens Stabilität und viertens Sicherheit . Das sind die Markenzeichen dieser Regierung . Diese Markenzeichen tun dem Land und seinen Menschen gut . ({14})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächste Rednerin spricht die Staatsministerin Aydan Özoğuz für die Bundesregierung. ({0})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der französische Journalist Nicolas Hénin wurde zehn Monate lang von den Terroristen des IS in Syrien gefangen gehalten, vom Sommer 2013 bis April 2014 . Einer seiner Bewacher war Dschihadi John, der kürzlich bei einem Drohnenangriff getötet wurde . Viele Mitgefangene Hénins leben nicht mehr . Kürzlich hat Hénin in einem Artikel für den Guardian geschrieben, was die IS-Kämpfer mit einem Anschlag wie in Paris bezwecken und was sie darüber denken . Zitat: Ich kenne sie . Was sie erwarten, sind Bomben . Was sie fürchten, ist Einheit . - Er schreibt: Die Bilder aus Deutschland, wo die Menschen Migranten willkommen geheißen haben, werden sie gequält haben . Toleranz und Zusammenhalt, das wollen sie nicht sehen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir können sehr stolz darauf sein, dass die Menschen in unserem Land zeigen: Wir lassen uns nicht einschüchtern, und wir stehen für etwas anderes . Wir stehen für Mitmenschlichkeit . Wir stehen für Brüderlichkeit . Genau das beweist die Bevölkerung in Deutschland, beweisen die Menschen mit ihrem unglaublichen ehrenamtlichen Engagement . Dafür möchte ich noch einmal Danke sagen . ({0}) Deshalb ist es folgerichtig, dass dieser Bundeshaushalt von dieser großen aktuellen Aufgabe geprägt ist: von der Aufnahme und Versorgung Hunderttausender in unserem Land, die Schutz suchen vor Terror, Krieg und Gewalt . Wer wünschte sich nicht, wenn ich das einmal in Bezug auf die Vorredner sagen darf, dass es keine Flüchtlingsströme gäbe? Ich glaube, die Flüchtlinge selbst wären die Ersten, die ihre Hand heben und sagen würden: Wir wollen gar nicht flüchten. Gern würden wir weiter in unserem Land, in unseren Häusern und Wohnungen leben und nicht all die Tausenden von Kilometern zu euch kommen müssen in der Hoffnung, dass wir überhaupt durchkommen . - Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die allermeisten einmal ein halbwegs normales friedliches Leben führen konnten . Viele, gerade aus Syrien, würden, wenn es auch nur den Hauch einer Friedensbotschaft gäbe, sicherlich gern in ihre Heimat zurückkehren . Wir sind ein wohlhabendes Land . Wir sind ein starkes Land . Die Arbeitslosigkeit ist niedrig . Die Wirtschaft ist robust . Das alles ist hier schon mehrfach gesagt worden . Wir sehen die Versorgung von Flüchtlingen als eine nationale Aufgabe an, die Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam bewältigen können . Johannes Kahrs hat es gestern und auch heute noch einmal betont: Natürlich muss auch der Bund bei allen Hilfen und bei aller Unterstützung, die er den Ländern zukommen lässt - und die diese dann hoffentlich an die Kommunen weitergeben -, immer darauf achten, dass er handlungsfähig bleibt, dass er heute und in der Zukunft handlungsfähig bleibt . Deswegen haben wir mit dem Haushalt am Ende wirklich gute Ergebnisse erzielt . ({1}) Nach vielen Gesprächen und auch Verhandlungsrunden, beispielsweise mit den Ministerpräsidenten, zeigen wir mit 8 Milliarden Euro im Bundeshaushalt zur Versorgung von Flüchtlingen - diesen Betrag sollte man einmal deutlich nennen; das sind ungefähr 2,5 Prozent des Gesamthaushaltes -, was wir eigentlich tun . 3 Milliarden Euro dienen zur Entlastung der Länder und Kommunen . Etwas ganz Besonderes ist Folgendes - auch das muss einmal erwähnt werden; das, was wir hier geändert haben, ist nämlich etwas Historisches -: Der Bund verpflichtet sich, pro Kopf 670 Euro pro Monat und Asylbewerber zu zahlen, bis eine Entscheidung da ist . Das war vorher nicht so . Bisher haben wir immer gesagt: Die Länder müssen unterbringen und versorgen, und irgendwann wird der Bund entscheiden . Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass wir eine Entscheidung über Asylanträge innerhalb von drei Monaten anstreben . Würden wir in jedem Fall eine Entscheidung innerhalb von fünf Monaten schaffen, wäre auch das schon ein Riesenerfolg . Langsam geht es aber in die richtige Richtung . Gleichzeitig verdoppeln wir nun die Mittel für den sozialen Wohnungsbau . Das BAMF bekommt 4 000 neue Stellen; auch bei der Bundespolizei und beim Technischen Hilfswerk wird aufgestockt . Alle werden jetzt ein Stück weit gerüstet . Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Aspekt - daran müssen wir heute schon denken, auch wenn wir in Wahrheit noch gar nicht damit begonnen haben -: die Mittel für die Integrationskurse . Man halte sich einmal vor Augen, welche Debatten wir in der Vergangenheit schon geführt haben . Die Diskussionen, in denen es um ein paar Millionen Euro mehr oder weniger bei den Integrationskursen ging, waren hitzig . Jetzt verdoppeln wir die Mittel . Es geht um 559 Millionen Euro . Das ist eine unglaubliche Zahl, die zeigt: Wir wollen, dass die Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, schnell Deutsch lernen, schnell zu unseren Nachbarn werden, schnell eine Arbeit aufnehmen können; das ist ein riesiges Zeichen . Gleichzeitig wollen wir die Eingliederung in Arbeit vorantreiben . Nicht zu vergessen sind natürlich auch die berufsbezogenen Deutschkurse, für die 179 Millionen Euro bereitgestellt werden . Dieses Paket soll heute und in die Zukunft wirken . So etwas haben wir in diesem Hause noch nie gleichzeitig geschafft . ({2}) Als Beauftragte habe ich traditionell das kleinste Budget; ich erwähne das immer wieder . Für Bundespolitiker ist es extrem überschaubar . Deswegen muss ich mit meinem kleinen, aber sehr feinen Arbeitsstab sehr genau suchen, welche Lücken sich ergeben . Wir müssen ganz genau hinschauen und uns fragen: Was ist möglicherweise noch nicht ganz abgedeckt? Dank der Haushälter konnten wir in diesem Jahr schon Zehntausenden von Ehrenamtlichen helfen, die, wie wir wissen, langsam an ihre Grenzen stoßen . ({3}) Wir haben nun gemeinsam mit den freien Wohlfahrtsverbänden Strukturen schaffen können, die gewährleisten, dass auch Ehrenamtliche geschult werden können, dass sie Ansprechpartner finden, dass Ehrenamt auf Hauptamt stößt und es damit auch ein Stück weit koordiniert wird . Unsere Partner sind AWO, Caritas, Diakonie, Paritätischer und Rotes Kreuz . Ich glaube, diese Partner sind genau die richtigen; sie haben bereits angefangen übrigens überall in Deutschland, in allen Bundesländern -, den Ehrenamtlichen zu helfen . ({4}) Aber es gibt viele Ehrenamtliche - da komme ich Ihnen jetzt wahrscheinlich entgegen -, die nicht in Kontakt mit diesen Wohlfahrtsverbänden stehen . Auch sie brauchen Unterstützung und gute Strukturen, die ihnen dabei helfen, ihre Arbeit geregelter zu erledigen, statt dabei immer nur aufgerieben zu werden . Wir wollen auf keinen Fall riskieren, dass Ehrenamt am Ende mit Enttäuschung endet; das müssen wir verhindern . Deswegen sage ich immer wieder: Ehrenamtliche sind natürlich Menschen, die helfen . Aber sie sind gleichzeitig noch etwas viel Wichtigeres: Sie sind in meinen Augen der Garant dafür, dass das Klima gegenüber Flüchtlingen positiv bleibt . Sie sind der Garant dafür, dass wir die Geschichten der Geflüchteten hören, dass die Geflüchteten in der gesamten Gesellschaft, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft wieder zu Menschen und zu echten Geschichten werden . Deswegen müssen wir sie noch viel stärker unterstützen . Ich bin den Haushältern - das ist jetzt dreimal unterstrichen - extrem dankbar, dass sie auch für meinen Etat, also den der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, eine deutliche Mittelerhöhung eingeplant haben . ({5}) Es ist wirklich deutlich zu sehen, dass die Aufgaben nicht nur groß sind, sondern dass wir sie auch angehen wollen . Vor 60 Jahren wurden in Deutschland die ersten Gastarbeiter angeworben . Diesen Jahrestag werden wir in den nächsten Wochen im Kanzleramt auch noch begehen . Ich bin Hermann Gröhe sehr dankbar, dass wir auf dem Integrationsgipfel jetzt auch zum Thema Gesundheit getagt haben; denn das betrifft sehr viele Rentner, die häufig von dem normalen System gar nicht richtig profitieren können. Ich habe mir drei Schwerpunkte gesetzt, die ich jetzt nur erwähnen möchte, aber nicht, ohne gesagt zu haben, dass die normalen Aufgaben ja weiterhin bestehen, was man wirklich nicht vergessen darf: Erstens . Wir wollen das Ehrenamt weiter stärken . Das habe ich ja schon benannt . Zweitens . Wir wollen vor allen Dingen einen Fokus auf die Situation geflüchteter Frauen legen; denn sie sind häufig das schwächste Glied - gerade wenn sie alleine oder mit ihren Kindern geflüchtet sind. Das ist nicht nur bei uns in den Unterkünften so, sondern schon den ganzen Weg über ist es natürlich furchtbar gefährlich für sie . Das, was sie erlebt haben, ist teilweise schrecklich . Wir müssen uns intensiv um die Frauen kümmern, wenn sie schwanger und traumatisiert sind . Ich glaube, hier ist noch einiges zu tun, und ich bin sehr glücklich, dass uns das Frauenministerium hier eine ganz enge Zusammenarbeit angeboten hat, damit wir genau diesen Schwerpunkt gemeinsam setzen können . ({6}) Drittens . Daneben brauchen wir auch eine stärkere Einbindung von sogenannten - ich nenne sie immer so - Kulturdolmetschern . Wir haben sehr viele Menschen in unserem Land, die die Sprachen beherrschen, die wir jetzt brauchen . Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer sagte mir, dass kein Dolmetscher mehr zur Verfügung steht, der Arabisch spricht . Erstens haben sie nicht so viele, und zweitens sind die wenigen, die Arabisch sprechen, komplett ausgebucht . Das heißt, wir müssen auf unsere Bevölkerung zugehen und die Menschen finden, die die entsprechenden Kulturen und Sprachen kennen . Daneben müssen wir natürlich auch in die Moscheen gehen . Wir müssen wissen, was sich dort tut, wer dort helfen möchte und wer dort teilweise schon längst Flüchtlinge unterbringt . Ich kann aus Hamburg berichten, dass in der Al-Nour-Moschee - sie ist bei uns sehr bekannt - 500 Flüchtlinge untergebracht wurden, als woanders plötzlich keine Betten mehr verfügbar waren . Sie wurden dort versorgt, und ihnen wurde ein Dach über dem Kopf und Wärme gegeben . - Ich glaube also, wir müssen noch mehr in die Moscheen hineingehen und uns die Arbeit der Gemeinden anschauen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen sagen: Lassen Sie es uns auch nicht zu einfach machen . Wenn wir Hasspredigten und salafistische Umtriebe wirklich bekämpfen wollen, dann brauchen wir Nähe, Dialog und Vertrauen zu den Moscheen und ihren Besuchern; denn sie wissen als Erste, wer dort falsche Dinge erzählt oder wer vielleicht an irgendeiner anderen Stelle versucht hat, junge Leute in einer Art und Weise anzusprechen, wie es nicht sein soll . Es muss uns in DeutschStaatsministerin Aydan Özoğuz land nach so vielen Jahrzehnten wirklich gelingen, dieses Vertrauen herzustellen . ({7}) Eine letzte Botschaft . Ich bin froh, dass Angela Merkel deutlich gemacht hat, wie wichtig dieses ständige Bohren dicker Bretter auf europäischer Bühne ist . Jeder von uns erlebt das wahrscheinlich in seinem Wahlkreis: Man möchte gerne griffige Antworten haben, etwas, was schneller umsetzbar scheint . Meist ist es aber nicht so . Gerade wenn man auf die europäische Bühne kommt, wird es etwas schwerfällig . Man darf aber nicht nachlassen, auch wenn es noch so mühselig ist . In meinen Augen ist es die Bewährungsprobe der heutigen Zeit - das wurde vorhin ja schon richtig gesagt; ich glaube, von Herrn Kauder -, nicht in Einzelegoismen der Nationalstaaten zu verfallen . Wir brauchen ein funktionierendes Europa - auch wenn es um Asyl- und Flüchtlingsfragen geht . Darüber sind wir uns doch einig . ({8}) Herr Kauder, mein Schlusssatz bezieht sich auf den Advent; das passt auch wieder zu Ihnen . Ich werde aber nicht aus der Bibel zitieren . Aber ich möchte, natürlich auf eine nette Art, wie ich das meistens mache, einen Appell an Sie richten . Zum Advent werden viele Menschen die Kisten von ihren Dachböden und aus ihren Kellern holen und die Krippen aufbauen und vielleicht auch die heilige Familie aufstellen. Auch ich finde das sehr schön, das ist wunderbar . Vielleicht sollten uns jetzt, einen Monat vor Weihnachten, die vertrauten Verse des Lukasevangeliums, die ich nicht zitieren werde, nachdenklich machen . ({9}) - Nein . - Eines wissen wir doch: Die heilige Familie hatte es damals schwer; ({10}) sie war ohne Bleibe und ohne Unterkunft, aber sie war zusammen . Das sollte uns in unseren Debatten leiten . ({11})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner spricht Rüdiger Kruse von der CDU/CSU .

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, auch wenn wir wissen, dass sich diese Geschichte von vor 2 000 Jahren nicht wiederholen wird, so muss man doch sagen: Wir als Deutsche waren bereit, Hunderttausende Familien aufzunehmen, die in Not waren . Ich glaube, es ist gut, dass wir das gemacht haben . Das zeigt, wie sich unser Land entwickelt hat . Es hätte wohl keiner vermutet, dass gerade die Deutschen das als Erste tun würden . Man fragt sich manchmal, warum andere Nationen in Europa zögerlicher sind . Ich glaube, wir sind mit solchen Aufgaben etwas vertrauter, weil wir in den letzten Jahrzehnten mehrfach große Aufgaben bewältigen mussten . Da war die Wiedervereinigung, an die viele schon nicht mehr geglaubt hatten . Als sie dann kam, gab es die Idee, sie mit Drei-, Fünf- oder Zehn-Punkte-Plänen zu bewältigen . Dann haben lange Zeit viele gesagt: Das schaffen wir nicht . - Als es dann darum ging, die Wiedervereinigung nach 20 bzw . 25 Jahren zu feiern, war allen bewusst: Das war doch klar, dass wir das schaffen . - So ist das eben . So ähnlich ist das auch mit der Energiewende . Wenn die Energiewende abgeschlossen ist, dann werden wir zusammen mit der restlichen Welt sagen: Das war doch klar, dass die Deutschen das schaffen . Dann haben wir die Wirtschaftskrise gehabt, die uns stark herausgefordert hat und in der viele gesagt haben: Das ist nun endgültig das Ende der deutschen Wohlfühlsozialpolitik . - Es war nicht das Ende . Wir haben unser Sozialsystem erhalten . Wir stehen heute, wie es die Kanzlerin versprochen hat, besser da als vorher . - Das spricht dafür, dass wir etwas sind, was wir gar nicht vermuten: eine dynamische Nation; eine Nation, die in der Lage ist, Probleme zu bewältigen, auch wenn sie an dem Tag, an dem das Problem auftaucht, keinen kompletten Lösungsweg vorlegen kann . Politik funktioniert nicht wie eine Fahrt auf verlegten Eisenbahnschienen . Sie ist eher ein bisschen wie Segeln: Sie wissen, wohin Sie wollen . Sie sollten wissen, wo Norden ist . Sie können aber den Wind nicht vorherbestimmen . Was Sie tun können, ist, die Segel richtig zu setzen . Aber Sie werden keinen völlig geradlinigen Kurs fahren, von dem man sagen kann: Genau das ist der Weg . - Das Entscheidende ist, dass Sie dort ankommen, wo Sie es wollen . Das Faszinierende an der Politik unserer Bundeskanzlerin ist, dass der von ihr eingeschlagene Weg zum Ziel der beste Kurs ist, was man aber nicht zu jeder Zeit sieht . Ich habe mich in dieser Debatte über zwei Beiträge es gab viele gute Beiträge - besonders gefreut . Der eine Beitrag war von unserer Bundeskanzlerin, in dem sie sich klar hinter die schwarze Null gestellt hat . Der Architekt der schwarzen Null ist der Bundesfinanzminister. Nun kann man sagen: Na ja, wenn sich nicht einmal der Finanzminister hinter die schwarze Null stellt, wer dann? In der heutigen Zeit könnten viele sagen: Man kann doch jetzt eine Ausnahme machen und das Ziel der schwarzen Null aufgeben, weil das aktuelle Problem so groß ist . - Ralph Brinkhaus hat gestern gesagt: Natürlich stehen wir vor einem großen Problem . Aber wir können nicht garantieren, dass die nächste Generation nicht auch sehr große Probleme haben wird . Das heißt, wir dürfen deren Ressourcen nicht verbrauchen . Der Vorteil von dem, was hier - sowohl positiv als auch negativ - als „Auf-Sicht-Fahren“ bezeichnet worden ist, ist, dass man dadurch so fährt, dass man genug Möglichkeiten hat, den Kurs noch zu ändern, und dass man sich auf diese Weise nicht seiner Möglichkeiten beraubt, weil man glaubt: Die Schwierigkeiten, die man sieht, sind die einzigen, die man bewältigen muss . Wir hier im Parlament sind dabei, ganz normal und unaufgeregt einen Haushalt zu diskutieren, obwohl draußen Terror, Flucht und Vertreibung herrschen . Terror ist erschreckend; er steht aber für keine Werte . Das Böse ist banal; ihm wohnt keine Tiefe inne . Das heißt, die Auseinandersetzung, die wir führen, ist gar nicht gegen ein anderes Wertesystem gerichtet . Das wäre auch für die Länder bzw . Kulturen beleidigend, aus denen einzelne Täter kommen . Vielmehr kämpfen wir einfach nur gegen die Banalität des Bösen . Das galt für die RAF, und es gilt für den NSU und den IS . Mörder sind Mörder . Die Antwort gibt der Rechtsstaat . Wir behandeln die Täter so wie Mörder - nicht besser und nicht schlechter . Deswegen ist der Kurs, den wir hier fahren, vollkommen richtig . Es ist auch richtig, nicht Hunderttausende Menschen irgendwie in Kollektivhaft zu nehmen; denn das Böse und das Banale treffen wir überall an . Gleichzeitig ist es richtig, dass wir uns mit aller Kraft schützen . Das bildet dieser Bundeshaushalt auch ab . Der zweite Beitrag, der mich sehr gefreut hat, kam von meinem Fraktionsvorsitzenden . Er hat gesagt, worum es wirklich geht . Es geht darum, dass in einer Krise eben nicht jedes Land in Europa für sich national und egoistisch reagieren darf, sondern dass wir dieses Problem gemeinschaftlich angehen und damit auch die Stärke Europas zeigen . Und es geht darum, dass Europa gegenüber jedem System, jeder Macht und jedem Einzeltäter, der sich nicht gemäß einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verhält, eine klare Grenze zieht . Diese Grenze muss deshalb gezogen werden, damit wir innerhalb Europas, also innerhalb unseres Wertesystems, frei leben und jedem anderen auch diese Freiheit zugestehen können . Das ist das Ziel . Es ist das, was uns eint . Genau das ist der Kurs, den wir steuern . Die Staatsministerin hat ja auch erwähnt, dass ihr kleiner Haushalt - bei kleinen Haushalten ist es ganz leicht, ihn bedeutend zu steigern - erhöht worden ist . Auch der Kulturetat ist gesteigert worden . Früher habe ich an dieser Stelle immer gesagt: Kultur ist unsere beste Außenwerbung . - Darauf verzichte ich jetzt einmal . Selbstverständlich waren es nicht die Selfies der Kanzlerin, sondern es war ausschließlich der Neubau des Museums der Moderne in Berlin, der Hunderttausende angezogen hat . Eigentlich wäre es schön, wenn Menschen aus einer sehr alten Kulturnation oder Kulturregion wie Syrien ausschließlich deswegen zu uns kämen, weil sie einmal sehen wollen, was wir hier so machen . Diese Menschen sind - das ist klar - aus anderen Gründen gekommen; aber sie werden genau beobachten, was wir hier machen . Zum überwiegenden Teil werden sie wieder nach Hause gehen . Das sagen Ihnen auch junge Leute, die ein Jahr lang in Australien, Amerika oder Asien waren . Natürlich kommen sie verändert wieder zurück . Obwohl sie ihrer Herkunft treu geblieben sind, bringen sie etwas Neues mit . So gern ich auch im Saarland oder in Italien bin, ich freue mich immer, wenn ich zurück nach Hamburg komme . So geht es diesen Menschen, die zu uns kommen, auch . Gleichzeitig aber sind sie Botschafter ihres Gastlandes und für uns natürlich auch eine große Chance . Die meisten Dinge in der eigenen Stadt lernt man dadurch richtig kennen, wenn man sie Fremden zeigen muss . Wir tun das jetzt in einem sehr großen Umfang . Wir tun es auch, indem wir das Ehrenamt - im Ministerium heißt das jetzt „Integrationslotsen“ - stärken und zum Beispiel die sehr vielen Menschen, die in Chören und Theatergruppen sowie in der bildenden Kunst aktiv sind, darin bestärken, gemeinsam mit deutschen Jugendlichen und Jugendlichen, die als Migranten erst seit kurzem hier sind - anders als es bei mir der Fall ist, dessen Familie vor 200 Jahren aus Köln hierhergekommen ist -, etwas zu unternehmen . Es besteht, glaube ich, eine gute Chance, diese Möglichkeiten in unserem Land zu nutzen und gemeinsam Spaß daran zu haben, die eigene und die fremde Kultur zu erleben . Wenn die Menschen am Ende nach zwei oder drei Jahren zurückkehren, weil wir es gemeinsam mit den westlichen Alliierten geschafft haben, in ihren Ländern wieder Frieden herzustellen, dann werden sie ein sehr positives Deutschland- und Europabild haben . Wenn wir unsere Art und Weise, zu leben, auch in der Zukunft erhalten wollen, wird das nur auf europäische Art und Weise gehen . Wir können das nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern machen . Wir sollten uns nicht von solchen Leuten beeindrucken lassen, die aus einer anderen Welt kommen, aber noch nicht einmal für ihre eigenen Kulturwerte stehen . Denn wenn jemand aus Syrien kommt - viele kommen ja gar nicht von dort und hier Terror verbreitet, dann kann er in seiner eigenen Landesgeschichte dafür keine Begründung finden. Die gibt es nicht . Es gibt keine Begründung dafür, dass man wahllos Menschen tötet . Es mag immer nachvollziehbare Gründe geben, dass der eine oder andere sich so entwickelt und sich verführen lassen hat - es ist auch interessant, dem nachzuspüren -; das ist aber keine Begründung dafür . Es ist so: Tiefe wohnt nicht dem Bösen, sondern nur dem Schönen inne. Dem sind wir auch verpflichtet, und ich glaube, dass wir das in einer sehr guten und ruhigen Art abbilden, auch in unserem Haushalt . Herzlichen Dank . ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Sonja Steffen von der SPD-Fraktion spricht als nächste Rednerin . ({0})

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Langjährige Haushälter haben mir als noch neue Haushälterin bestätigt, dass die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschuss für den Etat 2016 eine der längsten war, die sie jemals erlebt haben . Dies ist auch kein Wunder; denn wir hatten in diesem Jahr besonders wichtige und dringende Aufgaben zu erfüllen . Ein Gesamtetat in Höhe von 316,9 Milliarden Euro ist auf die einzelnen Ressorts verteilt worden . Dabei hatten wir von der Regierungskoalition drei besonders wichtige, ambitionierte Ziele, die unter anderem mein Kollege Johannes Kahrs und auch Carsten Schneider in seiner Rede gestern schon aufgeführt haben . Eines unserer Ziele war eine nachhaltige und sozial gerechte Finanzpolitik . Diese ist uns mit dem vorliegenden Haushalt gelungen . Wir haben erneut einen Haushalt ohne neue Schulden beschlossen, und das trotz der großen finanziellen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen . Dabei helfen uns natürlich die solide Finanzpolitik der vergangenen Jahre sowie die gegenwärtige gute wirtschaftliche Situation in Deutschland . Wir sind es den Nachfolgegenerationen schuldig Herr Kruse hat vorhin ebenso wie Herr Brinkhaus gestern schon darauf hingewiesen -, dass wir ihnen keine Schuldenberge hinterlassen . Wir stehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor immensen Herausforderungen, sei es der Kampf gegen die Armut und den Hunger in der Welt oder der Kampf gegen den Klimawandel . Auch andere globale Aufgaben sind nur zu schaffen, wenn nachhaltig gewirtschaftet wird . Wir können es nicht unseren Kindern und Enkelkindern überlassen, diese Aufgaben zu meistern . Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, keine neuen Schulden zu machen . Deshalb teile ich das Ziel, das auch die Bundeskanzlerin in ihrer Rede genannt hat: Wir dürfen den ausgeglichenen Haushalt nicht aus den Augen verlieren . ({0}) Der Haushalt 2016 beweist aber auch, dass wir die anstehenden Aufgaben offensiv angehen . Insgesamt haben wir 7,5 Milliarden Euro für Ausgaben im Zusammenhang mit Flüchtlingen bereitgestellt, 3,3 Milliarden Euro allein für die Länder und Kommunen . Wir haben die Stärkung der Mittel beim BMAS, beim BMI und beim Familienministerium beschlossen . Wir haben 8 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln für die Länder vorgesehen . An dieser Stelle darf ich als Ostabgeordnete - ich teile mir den Wahlkreis mit der Bundeskanzlerin, die leider gerade nicht anwesend ist - darauf hinweisen: Die ostdeutschen Bundesländer sind besonders auf die Regionalisierungsmittel angewiesen . Deshalb ist meine dringende Bitte an alle Anwesenden: Sorgen Sie dafür, dass es bei einem gerechten Verteilungsschlüssel bleibt, damit wir unsere Regionalbahnen im Osten nicht verlieren! Denn in den ländlichen Räumen sind wir extrem darauf angewiesen . ({1}) Ich habe mich übrigens auch besonders gefreut, als ich heute Morgen in den Nachrichten hörte, dass die 10 000 neuen Stellen für den Bundesfreiwilligendienst schon zum 1 . Dezember dieses Jahres, also in ein paar Tagen, bereitstehen und die sogenannten Bufdis ihren Dienst beginnen können . Da soll uns noch einmal jemand vorwerfen, dass wir nicht flexibel und schnell auf die gegenwärtigen Probleme reagieren . ({2}) Meine Damen und Herren, die Krisen, vor denen die Menschen zu uns fliehen, haben eindeutige Ursachen. Wenn wir diese nicht beseitigen und Lösungen anbieten, dann werden wir den Menschen hier wie dort nicht langfristig helfen können . Ein überragend wichtiges Ziel - auch darauf hat die Kanzlerin in ihrer Rede hingewiesen - ist es, dass wir mit unserer Hilfe dazu beitragen, dass die Menschen sich nicht auf den Weg machen . Man geht davon aus, dass gegenwärtig 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind . Dabei geht es nicht nur um Flucht vor Krieg, sondern auch um Flucht vor ethnischer Verfolgung sowie Flucht vor Hunger und Seuchen . Niemand - ich will das betonen: niemand - verlässt freiwillig sein Land . Ich danke Herrn Kauder, dass er einen Kollegen, der im Libanon unterwegs war, als Beispiel nannte . Sie haben gesagt: Es kommt niemand wegen Twittermeldungen vom schönen Leben hierher . - Stimmt, das ist nicht der Fall . Die Menschen wollen nicht ihre Familie, ihre Freunde, ihr manchmal besser empfundenes Klima und ihren Lebensmittelpunkt verlassen . Sie kommen wirklich, weil sie keinen anderen Ausweg mehr haben . Zur Bekämpfung der Fluchtursachen haben wir in diesem Etat eine ganze Menge Geld in die Hand genommen . Allein der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist im kommenden Jahr mit 7,4 Milliarden Euro der höchste in der bisherigen Geschichte des Ministeriums . Herr Bartsch, ich gebe Ihnen recht: Möglicherweise muss man darüber nachdenken, ob dieser Etat ausreicht . Es ist schwierig, ihn mit anderen Etats zu vergleichen . Sie haben ihn mit dem Etat des Verteidigungsministeriums verglichen . Ich finde, dass jeder Etat für sich steht und dass Vergleiche in diesem Fall sehr schwierig sind . Aber ich freue mich und bin stolz darauf, dass wir den Etat 2016 um 860 Millionen Euro erhöht haben . Die Unterstützung von Flüchtlingen und die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern haben derzeit höchste Priorität . Genau diese Priorität haben wir im Haushaltsausschuss noch einmal konkretisiert . Ich sehe gerade Volkmar Klein, meinen Kollegen von der Union . Wir haben den Entwurf mit viel Kreativität verändert, um ihm einen neuen Fokus zu geben und insbesondere die beiden Titel im Einzelplan 23, aus denen direkt Mittel in die internationale Flüchtlingshilfe fließen, noch einmal zu stärken . Das betrifft besonders die Bereiche Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur sowie die Bereiche „Fluchtursachen bekämpfen“ und „Flüchtlinge integrieren“ . Diese zusätzlichen Mittel werden genau in die Regionen fließen, die am stärksten von Krisen und Kriegen betroffen sind . Die Hauptaufnahmeländer für Flüchtlinge wie der Libanon, Jordanien, der Irak und die Türkei - dazu wurde heute schon viel gesagt - müssen dringend stärker unterstützt werden . Ich will noch einmal darauf hinweisen: Allein im Libanon ist mittlerweile jeder vierte Bewohner aus Syrien . Wir müsSonja Steffen sen dafür sorgen, dass die Menschen in den Aufnahmeländern Perspektiven haben und sich nach Kriegsende in ihrer Heimat am Wiederaufbau beteiligen können . ({3}) Die allermeisten Flüchtlinge - das hört man immer wieder in Gesprächen - wollen dies auch . Hin und wieder müssen wir uns in unseren Wahlkreisen Diskussionen aussetzen, in denen es darum geht, ob die Entwicklungshilfe und die Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich so hilfreich sind und wohin das Geld eigentlich geht . Ich habe mich vor ein paar Wochen auf einer Reise mit der GIZ in den Südsudan davon überzeugen können, wie gut angelegt das Geld ist, das wir in die Entwicklungszusammenarbeit investieren . Ich möchte den Rest meiner Redezeit nutzen, um allen Entwicklungshelfern ein ausdrückliches Dankeschön auszusprechen, die im Moment in der ganzen Welt unterwegs sind, die unter gefährlichen und widrigsten Umständen leben und gleichzeitig Botschafter für die demokratischen Strukturen sind . Vielen Dank an dieser Stelle . Herzlichen Dank für das Zuhören . ({4})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner spricht Harald Petzold von der Fraktion Die Linke . ({0})

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Es ist seit vielen Jahren eine gute Tradition, dass im Rahmen der Generaldebatte über den Haushalt der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes auch der Haushalt der Beauftragten für Kultur und Medien behandelt wird . Zu diesem Teil des Haushalts möchte ich nun sprechen . Auch ich möchte meine Rede mit Frankreich beginnen, zum einen um meine Abscheu für dieses Attentat zum Ausdruck zu bringen, das den Kulturbereich in Frankreich in erheblichem Maße getroffen hat, und zum anderen um Frankreich - der Kollege Bartsch hat heute früh von Hoffnung geredet - als gutes Beispiel für Deutschland mit Blick auf die Filmförderung und die Bewahrung des Filmerbes zu nennen . Denn in Frankreich wird Film gern als siebente Kultur bezeichnet . Die Filmgeschichte ist Teil des Unterrichts an französischen Schulen . Daran sieht man, dass die Bewahrung des Filmerbes bei unserem Nachbarn sowohl eine gesellschaftliche als auch eine staatliche Aufgabe ist . Ich denke, daran sollte man sich orientieren, zumal wir in dieser Hinsicht um Lichtjahre von Frankreich entfernt sind . Wie ist die Situation in Deutschland? Vor fast genau zwei Jahren, am 26 . November 2013, ist von über 5 000 Personen aus der hiesigen Film- und Kulturszene ein Aufruf zur Sicherung des deutschen Filmerbes vorgelegt worden . In diesem Aufruf sind wir mit der Tatsache konfrontiert worden, dass es darum geht, über 31 000 lange Filme, also richtige Spielfilme, und über 137 500 Kurzfilme zu bewahren, und dass es um Gesamtkosten in Höhe von 473,9 Millionen Euro geht . Dann gab es ein Gutachten, das die Gesamtkosten auf wenigstens 100 Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre, beziffert hat . Dann wurde uns der Haushaltsentwurf vorgelegt, und darin stand eine Null . Es ist der Bereinigungssitzung und damit den Haushälterinnen und Haushältern zu verdanken, dass jetzt wenigstens 1 Million Euro im Haushalt auftauchen sollen . Dazu kann ich nur sagen: Vielen Dank dafür, aber mehr als ein symbolischer Betrag ist das natürlich nicht . ({0}) Nun hat die Staatsministerin im August dieses Jahres vorgeschlagen, einen - ich zitiere - „nachhaltigen Fahrplan für die Digitalisierung des nationalen Filmerbes zu erarbeiten …“ . Darin sollen die Bundesländer einbezogen werden . Auch das wird natürlich unsere Unterstützung finden. Aber es kann doch nicht sein, dass sich die Staatsministerin jetzt darauf beschränkt, 16 Flöhe in einen einzigen Sack locken zu wollen . Es muss endlich gehandelt werden . Es müssen endlich Mittel zur Verfügung gestellt werden . Wir sagen: Es sollte wenigstens dieses Gutachten umgesetzt werden, und es sollten mindestens 10 Millionen Euro pro Jahr für einen Digitalisierungsprozess zur Rettung und Bewahrung des Filmerbes eingestellt werden . ({1}) Das Jahr 2016 wird darüber hinaus noch aus einem anderen Grund ein wichtiges Jahr für den deutschen Film werden . Es soll nämlich das Filmfördergesetz novelliert werden . Die Linke hat bereits im September eine Fachtagung dazu in Potsdam durchgeführt, auf der wir gemeinsam mit Spitzenvertretern der Filmwirtschaft über die Frage beraten haben, was tatsächlich an dem Gesetz verändert werden muss und wo Nachholbedarf besteht . In der vorigen Woche hat die Staatsministerin mit einem zweitätigen Hearing, ebenfalls in Potsdam, nachgezogen . Es sind aus unserer Sicht drei wichtige Bereiche genannt worden: Der erste Bereich umfasst die Gesamtausstattung der Filmförderung, die mindestens 70 Millionen Euro pro Jahr betragen sollte . Deswegen sagen wir: Der Stillstand in der Filmförderung muss endlich beendet werden . Wir brauchen diese 20 Millionen Euro zusätzlich, wie die Linke in ihrem Antrag zur nachträglichen Beschlussfassung fordert, zumal Sie selbst festgestellt haben, dass Sie im nächsten Jahr mindestens 11,6 Millionen Euro zusätzlich an Verpflichtungsermächtigungen benötigen. Legen Sie nach, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, was die Ausstattung anbelangt . Der zweite Schwerpunkt betrifft die Frage, wie mit Frauen in der Filmwirtschaft umgegangen wird . Es ist sowohl auf unserer Fachtagung als auch bei der Anhörung der Staatsministerin in Potsdam deutlich geworden, dass nur 10 Prozent der Fördermittel tatsächlich Projekten zugutekommen, in denen Frauen als Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen sowie Produzentinnen beschäftigt sind oder die sich ansonsten besonderen Fraueninhalten widmen . Andersherum gesagt: 90 Prozent der Mittel gehen nur an Männer . Das ist ein Missverhältnis, das nicht länger hingenommen werden kann . ({2}) Da ich befürchte, dass sich niemand mit den Männern in der Filmwirtschaft wird anlegen wollen, sage ich: 20 Millionen Euro zusätzlich wären gut angelegtes Geld, weil dann wenigstens 30 Prozent der Projekte, die von Frauen gemacht werden, gefördert werden könnten . Das fordern wir nachdrücklich . Der letzte Schwerpunkt - damit komme ich zum Ende, Frau Präsidentin - betrifft die Frage der Prekarisierung, die im Bereich der Kultur- und Filmschaffenden eingesetzt hat . Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kauder, hat heute Vormittag den Balken beklagt, den Herr Bartsch angeblich in seinem Auge nicht sehen würde . Ich kann das Kompliment zurückgeben . Herr Kollege, Sie haben doch genauso wie ich ganz viel Kontakt mit Filmschaffenden und Kulturschaffenden . Sie müssten wissen, welche Verhältnisse dort im Bereich der Entlohnung inzwischen herrschen . Für die Betroffenen passen die Fördermechanismen inzwischen nicht mehr . Auch das, was im Bereich der sozialen Sicherung stattfindet, passt für die Kultur- und Filmförderung nicht mehr . Dieses Sich-von-Projekt-zu-Projekt-Hangeln ist nicht kompatibel mit den Mechanismen, die wir haben . Wir brauchen hier endlich neue Lösungen, weil für die Betroffenen die gegenwärtige Praxis im Grunde genommen ein Absterben auf Raten bedeutet . Das wollen wir nicht länger hinnehmen . Letzter Gedanke . Filme sind sicherlich ein Wirtschaftsgut; aber sie sind in erster Linie ein Kulturgut, und als solches sollten wir sie behandeln . Deswegen sollten wir die Filmwirtschaft besser ausstatten . Vielen Dank . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner spricht Marco Wanderwitz von der CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal können wir heute festhalten, dass der Teil der Generaldebatte, der sich dem Haushalt der BKM, dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, widmet, ein Anlass zur Freude ist . Wir haben es fast mit einem Automatismus zu tun - es ist kein wirklicher Automatismus -, dass es mittlerweile Jahr für Jahr, genau genommen seit 2005 - seit die Union den Kulturstaatsminister stellt -, zu Steigerungen im Haushalt kommt . Diese Steigerungen sind sowohl im Regierungsentwurf als auch in dem Haushaltsentwurf zu finden, der nach den parlamentarischen Beratungen verabschiedet wird . ({0}) Schon im Regierungsentwurf war eine Steigerung, liebe Monika Grütters, um 4,55 Prozent vorgesehen . In der Summe sind das stattliche 56 Millionen Euro, was sich sehen lassen kann. Ich möchte unserem Bundesfinanzminister ausdrücklich dafür danken, dass er auch in Zeiten, in denen wir richtigerweise die schwarze Null erreichen wollen, ein Augenmerk auf die Kultur legt . Deswegen sind wir umso dankbarer, dass der Bund im Bereich Kultur und Medien nicht spart, sondern drauflegt. ({1}) - Ja, auf euch Haushälter komme ich auch noch zu sprechen . Ich bleibe aber erst einmal beim Regierungsentwurf; er stammt vom März . Der Regierungsentwurf enthält schon einige wichtige Punkte, etwa die Steigerung um besagte 56 Millionen Euro . Der größte Block davon, 38 Millionen Euro, fließt in die Deckung der gestiegenen Personalkosten . Davon wiederum gehen 12 Millionen Euro an die Deutsche Welle . Das war wichtig, das war richtig; das war auch ein Stück weit überfällig . Aber es war eben nicht selbstverständlich . Deswegen freuen wir uns, dass das für den Haushalt der BKM erreicht worden ist . Das trägt nämlich auch für die nächsten Jahre . Es gibt einen weiteren Punkt aus dem Koalitionsvertrag, den wir abarbeiten konnten, wir haben nämlich eine Lücke in der Förderung der Fonds geschlossen: In der Umsetzung befindet sich die Etablierung des im Koalitionsvertrag angesprochenen neuen Musikfonds, der sich der Förderung zeitgenössischer Musik widmen soll . Dafür stehen 1,1 Millionen Euro zur Verfügung . Wir haben bei dieser Gelegenheit die Fonds, die an sich schon eine große Erfolgsgeschichte sind, aus der Kulturstiftung des Bundes in ein Stück mehr Selbstständigkeit überführt . Auch das war eine gute und richtige Entscheidung . Im Regierungsentwurf waren Investitionsmittel für das Bauhaus-Jubiläum angelegt, und es wurde auch der Martin-Gropius-Bau hier in Berlin, in dem so viel Tolles stattfindet, in die institutionelle Förderung übernommen. Also: Schon der Regierungsentwurf kann sich mehr als sehen lassen . Nun zu den Haushältern, die mehr als 100 Millionen Euro draufgelegt haben, sodass der Haushalt nun Mittel von rund 1,4 Milliarden Euro umfasst . Wir als Fachpolitiker sind froh und dankbar - da spreche ich auch in deinem Namen, lieber Martin Dörmann -, ({2}) dass unsere Haushälter dies erreicht haben . ({3}) Zum einen ist die bereitstehende Summe ordentlich und stattlich . Zum anderen gilt dies für den kollegialen UmHarald Petzold ({4}) gang und das Verfahren, mit dem wir gemeinsam die richtigen Schwerpunkte setzen . ({5}) Lieber Johannes Kahrs, lieber Ecki Rehberg, lieber Rüdiger Kruse, herzlichen Dank! Ich möchte natürlich auch meinem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder danken, der hier eben vom Kollegen Petzold adressiert worden ist . Wie sich Haushalte entwickeln, hat immer viel damit zu tun, ob die Fraktionsvorsitzenden einen Schwerpunkt in diesem Bereich sehen oder nicht . Volker Kauder ist ein Mann, der im Bereich von Kultur und Medien engagiert ist, und deshalb passt es auch . ({6}) Wenn es in unserem Land Probleme im Bereich der Kultur gibt, wenn es beispielsweise eine Rote Liste des Deutschen Kulturrates gibt, auf der steht, was alles nicht funktioniert, dann will ich an dieser Stelle klar und deutlich sagen: Es liegt nicht am Bund . Wir machen unsere Hausaufgaben seit vielen Jahren . Wir tun mittlerweile eine ganze Menge in der Fläche, obwohl wir dies nicht unbedingt müssten; trotzdem finden wir Wege, dies zu tun . Ich will nur beispielsweise das erfolgreiche Denkmalschutz-Sonderprogramm nennen . Aber die Länder müssen unserem Subsidiaritätsprinzip entsprechend ihrer Aufgabe nachkommen und im Bereich von Kultur mehr tun als bisher . Sie sind vorrangig zuständig . Dass Nordrhein-Westfalen wieder auf Platz eins der Roten Liste des Kulturrats ist, das gilt es zum einen festzuhalten . Zum anderen sind die Länder, die dort Probleme haben, gefragt, mehr zu tun . ({7}) Ich will auch auf den Bereich Film eingehen, der schon angesprochen worden ist, weil das einer der Schwerpunkte der Arbeit ist, vor allen Dingen, weil die Novelle des Filmförderungsgesetzes ansteht . Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass dieser Haushalt - das hat natürlich viel mit dem Schwerpunkt zu tun, den die Haushälter gesetzt haben - die dritte Säule der Filmförderung auf das Niveau der beiden anderen Säulen gehoben hat . Neben der Förderung über die Filmförderungsanstalt und über den steuermittelfinanzierten Deutschen Filmförderfonds steht jetzt die kulturelle Filmförderung mit 20 Millionen Euro; das ist eine Vervierfachung . Wir werden damit dem gerecht, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat, nämlich Film als Wirtschaftsgut auf der einen Seite und als Kulturgut auf der anderen Seite zu sehen . Deswegen bin ich sehr froh, dass dort 15 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Kollege Wanderwitz, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage .

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Grundsätzlich sage ich immer Ja . Ich habe noch nicht gesehen, wer sie stellen möchte .

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Herr Liebich .

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön .

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Kollege Wanderwitz, dass Sie diese Frage zulassen . - In meinem Wahlkreis in Pankow befindet sich die Robert-Havemann-Gesellschaft, die in diesem Jahr ihren 25 . Geburtstag gefeiert hat und die bei der Aufbewahrung der Bestände der DDR-Opposition eine sehr verdienstvolle Arbeit leistet . Von unserer Fraktion wurde im Haushaltsausschuss der Antrag gestellt, endlich eine institutionelle Förderung für die Robert-Havemann-Gesellschaft zu schaffen . Den gleichen Antrag haben wir im Abgeordnetenhaus von Berlin mit rot-schwarzer Mehrheit gestellt . In beiden Fällen wurde das abgelehnt . Mich würde interessieren, was Ihr Plan für die institutionelle Absicherung der Robert-Havemann-Gesellschaft ist . ({0})

Marco Wanderwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003655, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin nicht ganz undankbar für die Frage, weil sie mir die Zeit gibt, das anzusprechen . - Es ist so, dass diese sehr verdienstvolle Arbeit im Koalitionsvertrag erwähnt ist . An der Stelle soll mehr passieren . Es gibt intensive Gespräche, insbesondere mit dem Land Berlin; denn klar ist natürlich eines: Das ist eine klassische Einrichtung von der Art, die nicht der Bund allein finanzieren kann. Hier brauchen wir das Sitzland . Das muss mittun . In diesem Sinne ist unsere Staatsministerin unterwegs . Klar ist aber auch: Eine institutionelle Förderung müssen wir im Haushaltsentwurf abbilden . Das könnten die Haushälter, selbst wenn sie es wollten, nicht hineinschreiben . ({0}) Ich bin guten Mutes, dass uns das im nächsten Jahr gelingt . Wir haben schon eine ganze Menge im Bereich der Havemann-Gesellschaft auf den Weg gebracht . Zum Beispiel hat es für die wiederaufgebaute Dauerausstellung Projektmittel gegeben . Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen, und ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen . ({1}) Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, weil er mir am Herzen liegt und weil wir hier natürlich nicht nur über Kultur, sondern auch über Medien sprechen, und das ist die Deutsche Welle . Die Deutsche Welle, der größte Ausgabenposten im BKM-Haushalt, ist auf dem Weg, noch ein Stück weit mehr als bisher, zu einer Erfolgsgeschichte . Der neue englischsprachige TV-Kanal, der in der neuen Aufgabenplanung, die wir mehrheitlich auf den Weg gebracht haben, angelegt ist, etabliert sich sehr gut . Es gibt gute Quoten . Es gibt sehr viel Lob . Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich sagen: Mich hat die Berichterstattung der Deutschen Welle zu den furchtbaren Terroranschlägen in Paris, sowohl was die Aktualität als auch was die Sensibilität betrifft, sehr überzeugt . Das hat nicht bei jedem so hundertprozentig funktioniert; bei der Deutschen Welle jedenfalls hat es funktioniert . ({2}) Die neue Deutsche-Welle-App ist bereits über 800 000-mal downgeloadet worden . In 22 Ländern ist sie in den Top Ten der jeweiligen App Stores . Die Zahl der wöchentlichen Nutzerkontakte ist von 101 Millionen vor zwei Jahren auf 118 Millionen angestiegen . Vor allen Dingen gibt es Aufwüchse im Bereich der Onlineangebote der Deutschen Welle . Deswegen bin ich froh und dankbar, dass es uns gelungen ist, beispielsweise im Bereich des arabischsprachigen Programms, beispielsweise im Konfliktfeld des russischen und des ukrainischen Programms das, was wir dort in den letzten Jahren geschaffen haben, fortzuführen und die Deutsche Welle so auszustatten, dass sie in der Lage ist, den Aufgaben gerecht zu werden, deren Erfüllung wir uns wünschen . Da haben wir in den nächsten Jahren noch ein bisschen mehr zu tun . Aber wir können erst einmal festhalten: Wir haben schon viel erreicht . Hier und da diskutieren wir ja darüber: Brauchen wir so etwas wie einen öffentlich-rechtlichen Flüchtlingskanal? Ich glaube, der Hinweis, dass an der Stelle Bedarf besteht, ist richtig . Aber es ist bei der Deutschen Welle nicht sehr viel Ausbau an dieser Stelle erforderlich; damit haben wir unseren öffentlich-rechtlichen Flüchtlingskanal, der vor allen Dingen auch in den Herkunftsländern ein realistisches Bild von der Situation in Deutschland vermittelt . Das ist ebenfalls sehr wichtig . Ansonsten, glaube ich, tun wir gut daran, uns an so einem Tag wie heute einfach zu freuen, dass der Haushalt der BKM so ist, wie er ist, dass er wieder gelungen ist, und wir arbeiten im nächsten Jahr weiter daran . ({3})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächste Rednerin hat Tabea Rößner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort . ({0})

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Harald Petzold und liebe Frau Staatsministerin Grütters! Nach all den Verweisen auf die Bibel in der heutigen Debatte ist man ja als Kulturpolitikerin fast geneigt, die Ode an die Freude anzustimmen; ({0}) denn der Bundestag hat in der Tat gute Arbeit für den Film geleistet . Auch auf Forderung von uns Grünen hin wurde die kulturelle Filmförderung deutlich aufgestockt, und der DFFF muss nicht mit einem Minus ins neue Jahr starten . Das ist eine gute Nachricht - angesichts des monatelangen Gezerres sozusagen in letzter Sekunde . ({1}) Etwas mehr Planungssicherheit für 2016 - das haben die Filmschaffenden tatsächlich verdient . Wir täten gut daran, sie für ihre eigensinnigen, kritischen, bereichernden Filme besser auszustatten, ({2}) und zwar nicht nur mit Geld und Anerkennung, sondern vor allen Dingen mit der wichtigsten Währung überhaupt, nämlich mit Unabhängigkeit und Freiheit; ({3}) denn Filmschaffende sind dann am besten, wenn wir ihnen nicht vorschreiben, wie ihre Filme zu sein haben . Das geschieht leider viel zu oft, weil bei der Filmförderung viel zu viele mitreden, noch bevor die erste Klappe fällt . Liebe Kolleginnen und Kollegen, das deutsche Kino ist außer Puste . Filmschaffende rennen gegen so viele Wände an, dass sie ihren eigenen Ansprüchen kaum gerecht werden können . Wir brauchen ein System, das künstlerische Freiheit fördert und ermöglicht und nicht verhindert . ({4}) Dafür braucht es Mut und Risiko . Das gilt im Übrigen auch für die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien . Ich verstehe Sie ja . In der Filmbranche gibt es etliche Akteure, die um alles ein Geheimnis machen . Wenn man ein System will, das künstlerische Freiheit befördert, dann besteht natürlich auch die Gefahr des Missbrauchs . Aber: Statt alle unter Generalverdacht zu stellen, verordnen Sie der Branche doch einfach mal Transparenz . Dann kann sich Vertrauen auch tatsächlich entwickeln . Probieren Sie es mal mit einer echten Auskunftspflicht im Filmförderungsgesetz . Wie es mit Verträgen, Arbeitsbedingungen, Erfolgen und Rückflüssen aussieht, geht ja nicht nur die Buchhalter der Filmförderungsanstalt etwas an . Es geht hier schließlich um Gelder, die die Zuschauer zahlen . Deshalb hat auch die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran, wie diese Gelder verwendet werden . Gehen Sie also mit gutem Beispiel voran! Und: Her mit den Zahlen! Dann müsste vielleicht auch das Fragerecht der Abgeordneten nicht so oft bemüht werden . ({5}) Also: Schenken Sie den Kreativen Vertrauen . Dann wird es schon bald eine ganz andere Antragslage geben, und Frauen würden per Gesetz nicht nur in Gremien sitzen, sondern vermehrt auch als Regisseurinnen arbeiten . Ich habe Sie immer so verstanden, Frau Grütters, dass das auch ein wichtiges Anliegen von Ihrer Seite ist . Ja, dann tun Sie auch was dafür! ({6}) Überhaupt: Es wird Zeit, dass Sie sich mehr der Öffentlichkeit stellen, zum Beispiel auch bei der ominösen Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz, die seit Monaten über die zukünftige Medienordnung berät, allerdings wieder in den Hinterzimmern . Fünf Arbeitsgruppen beraten über zentrale Themen der Zukunft, über Vielfaltssicherung, über Plattformregulierung, über Intermediäre . Aber was da diskutiert wird, welche Sachverständigen eingeladen oder welche Vorschläge gemacht wurden - das alles scheint eine Verschlusssache zu sein . Bisher keine Antwort aus dem Kanzleramt . ({7}) Es geht dabei um einen wesentlichen Pfeiler unserer Demokratie, und das Parlament bleibt außen vor . Alle reden davon, Google, Facebook und Co . an die Kandare zu nehmen . Aber wo bleiben die Vorschläge, wie das erfolgen soll? Wir brauchen dringend eine öffentliche Debatte zu diesen Themen . Und da müssen Sie mutig nach draußen gehen . ({8}) Auch an anderer Stelle erwarte ich eine klare Ansage: Wie setzt sich die Bundesregierung eigentlich für Pressefreiheit ein? In Deutschland geraten immer mehr Journalisten unter Druck, gewalttätige Übergriffe mehren sich . Das macht mir große Sorge . Doch von der Kulturstaatsministerin hört man: ({9}) nichts . ({10}) Dabei müssen wir doch dieser Gewalt und diesem Hass von rechts entgegentreten . Journalisten müssen geschützt werden . ({11}) Wenn Medien aus Angst vor Gewalt nicht mehr berichten, dann laufen wir Gefahr, eine tragende Säule unserer Demokratie zu verlieren . ({12}) Es stellt sich auch die Frage, ob Journalisten bei Verdächtigungen auf Landesverrat nicht besser geschützt werden müssen . Justizminister Maas hat angekündigt, das rechtlich zu prüfen . Schau‘n wir mal! In der ganzen Affäre um netzpolitik .org hat man jedenfalls von der Staatsministerin für Kultur und Medien nichts gehört . ({13}) Auch auf rechtlicher Seite tun Sie nichts für Journalisten . Wer als Journalist beim BND oder bei den Bundesministerien recherchieren möchte, dem wird weiterhin die Tür vor der Nase zugeschlagen . Darum brauchen wir ein Presseauskunftsgesetz auch auf Bundesebene . ({14}) Frau Grütters, Sie haben noch knapp zwei Jahre . Zeit genug, mehr Mut und mehr Risikobereitschaft zu beweisen . Vielen Dank . ({15})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als nächster Redner spricht Martin Dörmann von der SPD-Fraktion . ({0})

Martin Dörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003517, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Generaldebatte heute hat gezeigt: Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der jüngsten Terroranschläge von Paris . Sie und der Anschlag auf Charlie Hebdo richten sich ganz gezielt gegen unsere kulturellen Werte, gegen unser demokratisches Verständnis einer offenen Gesellschaft und gegen die Freiheit von Medien und Meinungen . Uns alle eint: Europa muss sich auf seine freiheitliche Kultur und auf seine gemeinsamen Werte besinnen und solidarisch handeln . Unser Signal an die Terroristen ist deshalb eindeutig: Wir werden uns von Fanatikern und Mördern nicht einschüchtern lassen, sondern stehen an der Seite unserer französischen Freunde . ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Kultur und Medien stärkt, stärkt die Freiheit . Auch deshalb bin ich sehr froh über das Ergebnis der Haushaltsberatungen . Es ist uns in dieser Wahlperiode bereits zum dritten Mal in Folge gelungen, den Etatansatz der Beauftragten für Kultur und Medien noch einmal deutlich zu steigern . Ich will hier ausdrücklich die zuständigen Haushälter der Koalition nennen und mich bei den Kollegen Johannes Kahrs und Rüdiger Kruse sehr herzlich bedanken . Erneut unterstützen sie uns dabei, wichtige kultur- und medienpolitische Vorhaben des Koalitionsvertrages umzusetzen . ({1}) Insgesamt werden nämlich in den kommenden Jahren zusätzlich zum Regierungsentwurf weitere 740 Millionen Euro für Kultur und Medien zur Verfügung stehen, davon allein knapp 120 Millionen Euro im nächsten Jahr, sodass der Etat der BKM auf stattliche 1,4 Milliarden Euro steigt . Das ist ein klares Bekenntnis für eine langfristig angelegte Kulturpolitik des Bundes . Neben zentralen Vorhaben der Hauptstadtkultur werden auch in anderen Teilen Deutschlands und spartenübergreifend viele wichtige Projekte und Institutionen unterstützt . ({2}) Sie alle tragen zum Erhalt der kulturellen Vielfalt unseres Landes und damit zu einer bunten und offenen Gesellschaft bei - übrigens nicht in Konkurrenz zur Kulturpolitik von Ländern und Kommunen, sondern in einem wohlverstandenen, gegenseitig unterstützenden Kulturföderalismus . Gerade ist das Stichwort „NRW“ gefallen, leider in einem völlig schiefen Zusammenhang . ({3}) Ansonsten stimme ich dem Kollegen Marco Wanderwitz in allen Punkten zu . Aber da ist er aus meiner Sicht in der Pointierung ein bisschen danebengetreten . Ich will daran erinnern, dass es die NRW-Landesregierung war, die das erste Kulturfördergesetz in dieser Bundesrepublik auf den Weg gebracht hat . Ich bin ganz zuversichtlich, dass die neue Kultusministerin in NRW, Christina Kampmann, unsere frühere Kollegin, dieses sehr positiv weiterführen wird . ({4}) An NRW können sich manche ein Beispiel nehmen . Zu unserem Haushalt zurück . Wir haben ihn gestärkt . Dazu gehören beispielsweise mehr Geld für den Tanz durch die Finanzierung eines Bündnisses internationaler Produktionshäuser ({5}) ebenso wie zusätzliche Gelder für die kulturelle Filmförderung und das mit 20 Millionen Euro wieder aufgelegte Denkmalschutz-Sonderprogramm . Besonders erwähnt seien auch der Ausbau des Künstlerarchivs in Brauweiler sowie der Umbau des Schauspielhauses Wuppertal zu einem „Internationalen Tanzzentrum Pina Bausch“ . All das sind Projekte, die die kulturelle Vielfalt unseres Landes belegen; sie gilt es zu pflegen und zu stärken. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, „stärken“ ist ein wichtiges Stichwort, das auch für den medienpolitischen Teil der Beschlüsse zum Bundeshaushalt gilt, namentlich für die Deutsche Welle . Unser Auslandssender prägt die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt . Wir alle spüren es täglich: Die Bedeutung globaler Kommunikation für politische Entwicklungen steigt . Zudem haben internationale Krisen zunehmend direkte Auswirkungen auf deutsche und europäische Politik . Das haben zuletzt der Ukraine-Konflikt, der Syrien-Krieg und auch die derzeitige Flüchtlingskrise nachdrücklich belegt . Heute haben in der Debatte die Bundeskanzlerin, aber auch Thomas Oppermann darauf in besonderer Weise hingewiesen . Zwei Trends kommen noch hinzu: zum einen die gewachsene internationale Verantwortung Deutschlands als eines sehr wichtigen europäischen Partners und zum anderen der verstärkte globale Wettbewerb um Informationen und mediale Aufmerksamkeit in einer zunehmend vernetzten Welt . Vor diesem Hintergrund ist es wichtiger denn je, unseren Auslandssender Deutsche Welle zu stärken und aufgabengerecht zu finanzieren. Darauf haben wir uns übrigens im Koalitionsvertrag verständigt, und das werden wir jetzt Schritt für Schritt umsetzen . ({7}) Das ist keine Zukunftsmusik, sondern wir haben schon geliefert . Wir haben die parlamentarischen Haushaltsberatungen der letzten zwei Jahre dazu genutzt, die Finanzierung der Deutschen Welle auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen . Kollege Wanderwitz hat darauf bereits hingewiesen . Wir werden es in diesem Haushalt schaffen, dass wir zusätzlich zur Erhöhung des Plafonds, die wir dauerhaft sichern müssen, 15,9 Millionen Euro für Investitionen in zusätzliche Programme, insbesondere für die Sonderberichterstattung in den Krisenregionen, bereitstellen . ({8}) Diesen Weg gilt es in den kommenden Jahren fortzusetzen und, wenn möglich, noch auszubauen . Zum Schluss dieser Debatte noch ein Wunsch, nachdem wir sehr viel Positives gehört haben - aber: nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt -: Wir brauchen für die Deutsche Welle eine noch stärkere Planungssicherheit . Es darf nicht nur von den Bereinigungssitzungen abhängig sein, wie hoch der Etat ist . Es muss geplant werden . Es sind Arbeitsverträge geschlossen worden . Deshalb - mit Blick auf Frau Staatsministerin -: Liebe Monika Grütters, wir sind auch im Gespräch . Es wäre schön, wenn wir schon im Haushaltsansatz der Bundesregierung für 2017 die Beträge für die Deutsche Welle abbilden könnten, die auch tatsächlich notwendig sind . Ich glaube, darin sind wir mit den Haushältern einig, auch mit den Kollegen der Union . Wir sind im Gespräch, und wir arbeiten daran . ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, in der Kultur- und Medienpolitik schreiben wir weiter an einer Erfolgsgeschichte in dieser Koalition; denn mit dem vorliegenden Haushalt setzen wir erneut ein deutliches Zeichen für Vielfalt und für Freiheit . Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort des Dankes aussprechen; denn Kultur und Medien können immer nur so stark und so frei sein wie die Menschen, die dafür Verantwortung tragen . Das sind in erster Linie die Kulturschaffenden und die Medienvertreter . Die Kulturschaffenden leisten oft unter schwierigen ökonomischen Verhältnissen ihren Beitrag, leben ihre Kreativität aus . Damit sie das können, müssen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen . Ich danke auch den Journalistinnen und Journalisten, die unter erschwerten Bedingungen, sowohl national als auch international, arbeiten . International werden Journalisten von Mord und Folter bedroht . National - wir haben gerade eine Diskussion mit dem ARD-Vorsitzenden und beispielsweise Anne Will geführt - ist es so, dass Journalisten und Journalistinnen mittlerweile bei Pegida-Demonstrationen und anderen Gelegenheiten tätlich angegriffen werden . Ich glaube, es ist ganz klar, dass wir nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland dafür sorgen müssen, dass Medien frei sind, dass die kulturelle Vielfalt gewahrt wird . Insofern geht von diesem Haushalt eine sehr positive Botschaft aus . Danke an alle, die daran mitgewirkt haben! Vielen Dank . ({10})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Ulle Schauws von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort . Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, wirklich jetzt die Gespräche für vier Minuten einzustellen . Das schafft jeder . ({0}) Dann können nämlich alle die Kollegin verstehen . Danach geht es zur namentlichen Abstimmung . - Sie haben das Wort .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Kultur braucht eine solide finanzielle Grundlage. 1,4 Milliarden Euro für das kommende Jahr - das klingt zunächst gut, aber das Geld allein macht eben noch keine gute Kulturpolitik aus . ({0}) Frau Kulturstaatsministerin, in Ihrer letzten Haushaltsrede haben Sie das Thema Flucht selbst in den Mittelpunkt gestellt: Kultur sei Brückenbauerin und Türöffnerin, die aktuelle Situation sei nicht nur eine politische, sondern vor allen Dingen auch eine kulturpolitische Herausforderung . - So weit, so gut . Einverstanden! Umso unverständlicher ist es aber, dass Sie unsere Initiativen für wichtige Projekte und Maßnahmen zur kulturellen Teilhabe von Geflüchteten abgelehnt haben. Notwendige zusätzliche Mittel für kurz- und langfristige Projekte sind so auf der Strecke geblieben . Vor allem fehlen auch Antworten auf die Frage: Wie ermöglichen wir, nachdem die erste Nothilfe geleistet ist, eine nachhaltige kulturelle Teilhabe für alle Geflüchteten, ({1}) und zwar nicht nur für diejenigen, die aktuell zu uns kommen, sondern für alle, die viele Jahre oder sogar Jahrzehnte bei uns leben? Frau Grütters, hier fehlen mir entsprechende Konzepte und außerdem ausreichende Mittel aus Ihrem Haus . Hier reichen die zur Verfügung stehenden Mittel für die Kulturförderfonds allein nicht aus . Es braucht statt vieler schöner Worte vorausschauende Konzepte . ({2}) Die von uns geforderte und längst überfällige finanzielle Stärkung der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren geht zwar in die richtige Richtung . Das ist aber nur ein erster, kleiner Schritt . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Liste der fehlenden Taten und Antworten ist noch nicht zu Ende . Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hat bereits seit einem Jahr keine Direktorin bzw . keinen Direktor mehr . Aus dem Kreis der wissenschaftlichen Berater hagelt es Rücktritte . Anfang November erreichte uns die Nachricht, dass Professor Winfrid Halder nun doch nicht mehr für diesen Posten zur Verfügung steht . Ich sage Ihnen: Gerade angesichts der aktuellen weltweiten Krisen und der Flüchtlingssituation - vor allem derjenigen, die nach Europa flüchten - ist es umso wichtiger, die Stiftung als Chance zu verstehen und die Aktualität ihres Themas zu erkennen . Gerade jetzt könnte die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ein wichtiger Ort des Dialogs und der Aufklärung sein . ({3}) Dafür darf sie allerdings keine nationale Nabelschau betreiben, sondern muss Flucht und Vertreibung als universelles Phänomen verstehen . Erinnerung kann ein Schlüssel zu Empathie sein . Dafür braucht es allerdings eine ernstgemeinte konzeptionelle Aufstellung und keine Besetzungsquerelen, die Ihnen und Ihrem Haus wiederholt aus dem Ruder laufen, Frau Grütters . ({4}) Zu TTIP und dem wichtigen Schutz der kulturellen Vielfalt nur so viel: Wenn Sie schon zusammen mit Minister Gabriel ein Positionspapier zu TTIP verfassen, dann packen Sie es nicht mit Versprechungen voll, die nicht untermauert sind . Wir können erwarten, dass Sie sich mit Kommissarin Malmström abstimmen und uns hier keine Placebos vorsetzen . Hier brauchen wir endlich ein ernstgemeintes Handeln der gesamten Bundesregierung . ({5}) Zu guter Letzt haben Sie das Ende der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ verkündet, Frau Grütters; aber aufgeklärt ist noch längst nicht alles . Nur zwei Gemälde aus der umstrittenen Kunstsammlung konnten bislang ihren rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern zurückgegeben werden . In Hunderten Fällen ist die Recherche noch nicht abgeschlossen . Noch immer liegen der Taskforce zahlreiche Ansprüche von möglichen Besitzerinnen und Besitzern vor . Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine verantwortungsvolle und vorausschauende Bundeskulturpolitik sieht anders aus . Viel verkünden, aber wenig planen - das müssen Sie ändern . Vielen Dank . ({6})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000305

Vielen Dank . - Damit schließe ich die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 04 - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt - in der Ausschussfassung . Wir stimmen über den Einzel- plan 04 namentlich ab . Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Die Plätze sind besetzt . Ich eröffne die Abstimmung . Ist ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete im Raum, der seine bzw . die ihre Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Es gibt hier auch Urnen ohne Warteschlange . - Ich sehe, dass jetzt alle Stimmkarten eingeworfen sind . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- nen . Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben .1) Ich bitte alle Mitglieder des Hauses, der Regierung und auch die Präsidenten, die Plätze einzunehmen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .10 auf: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/6105, 18/6124 1) Ergebnis Seite 13646 D Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Doris Barnett, Alois Karl, Michael Leutert und Dr . Tobias Lindner . Zu dem Einzelplan 05 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke . ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! So viel Geld wie nächstes Jahr hat das Auswärtige Amt noch nie zur Verfügung gehabt - 4,8 Milliarden Euro -, und in den Haushaltsverhandlungen sind noch einmal 400 Millionen Euro obendrauf gekommen . Ein Grund zur Freude ist das allerdings nicht, wenn man sich einmal anschaut, wofür das Geld ausgegeben wird bzw . ausgegeben werden muss: Fast 2 Milliarden Euro fließen in die humanitäre Hilfe, die Konfliktbewältigung oder in UN-Friedenseinsätze. ({0}) Könnten wir dieses Geld für Auslandsschulen, für Partnerschaftsprogramme oder für das Goethe-Institut ausgeben, hätten wir einen Anlass zur Freude . So aber nicht . ({1}) Aufgrund der vielfältigen Konflikte, mit denen wir konfrontiert sind, von Afghanistan über Irak, Syrien und Libyen bis Mali, sind wir gezwungen, das Geld in diese Bereiche zu lenken. Seitdem die Konflikte direkt bei uns angenommen sind - zum einen durch die vielen Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten, zum anderen durch die Terroristen, die ihren Terror jetzt auch in die europäischen Städte tragen, und zwar den Terror, vor dem diese vielen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, geflohen sind -, spätestens seitdem sprechen alle davon, Fluchtursachen zu bekämpfen . Neuerdings gibt es natürlich noch ein paar ganz Schlaue, die der Meinung sind, man könne die Grenzen einfach dichtmachen, und damit hätte sich das Problem erledigt . Das wird derzeit auch unter dem Deckmantel der Obergrenzen diskutiert . Leute, die so argumentieren, denken, man könnte Deutschland verwalten wie ein Hotel: Wir sind überbucht, rufen Sie bitte nächstes Jahr noch einmal an . - Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist Traumtänzerei . ({2}) Wer dabei denkt, er könne am rechten Wählerrand fischen und der AfD Wähler streitig machen, der irrt sich gewaltig . Sie werden mit dieser Argumentation der AfD die Wähler in die Arme treiben . Sie helfen den extrem Rechten damit nur ins Parlament . ({3}) Besser wäre es, sich ernsthaft mit den Fluchtursachen zu beschäftigen . Zur Bekämpfung von Fluchtursachen braucht man nicht immer viel Geld . Viel kann man auch mit Diplomatie erreichen . Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, Konflikte zu entschärfen. Nun ist die Koalition ja auf die Idee gekommen, dass die Türkei bei der Lösung der sogenannten Flüchtlingskrise ein Schlüsselland sein könnte . Um die Türkei dafür zu gewinnen, hat man ihren EU-Beitritt wieder ins Gespräch gebracht . Um diesbezüglich voranzukommen, muss allerdings der türkisch-kurdische Konflikt gelöst werden. Dieser Konflikt wiederum ist ein Puzzlestück des Dramas, welches sich mit dem IS in Syrien und im Irak abspielt . Solange aber die Türkei die Kurdinnen und Kurden politisch und militärisch bekämpft, solange die Türkei nicht willens ist, diesen Konflikt friedlich zu lösen, so lange werden wir in der Region eine Situation haben, die dazu führt, dass Menschen von dort fliehen. Das dürfen wir nicht hinnehmen . ({4}) Schauen Sie sich bitte einmal die Wahlergebnisse der letzten Parlamentswahlen in der Türkei an . Dort hat die HDP, also die kurdische Partei, durchgängig 50 bis 85 Prozent errungen . Das sind Wahlergebnisse, von denen selbst die CSU in Bayern träumt . ({5}) Dann schauen Sie sich bitte das Wahlsystem der Türkei an . Dort gibt es eine 10-Prozent-Hürde . Wer weniger als 10 Prozent erreicht, sitzt nicht im Parlament . Nun stellen Sie sich das einmal auf Deutschland übertragen vor . Wie wäre das, wenn wir hier eine 10-Prozent-Hürde hätten? Dann wäre die CSU nicht mehr im Bundestag vertreten . ({6}) Das würde vielleicht kurzfristig einige Probleme lösen, insbesondere die Kanzlerin hätte wieder mehr Freude am Tag; aber langfristig wäre dies, glaube ich, nicht vernünftig . Ich weiß nicht, wie sich die Bayern fühlen würden, wenn sie nicht im Bundestag vertreten wären, ({7}) wenn sie nicht über ihre Schulen, über ihre Universitäten und über die Polizei selber entscheiden dürften, wenn all das hier in Berlin ohne sie entschieden würde und dann ihrem Aufbegehren auch noch mit Polizei, Geheimdienst und Militär begegnet würde . Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass dies kein sinnvoller Weg wäre . Aus diesem Grund würde ich es für sinnvoll halten, wenn Sie, Herr Außenminister, Vertreter der Türkei und die Kurdinnen und Kurden nach Deutschland einladen, vielleicht nach Berlin oder nach München, um mit ihnen gemeinsam einen friedlichen Ausweg zu finden. ({8}) Ganz klar ist: Auch die PKK muss mit am Tisch sitzen . Aber das dürfte derzeit kein Problem sein, nachdem nun die Amerikaner mit dem PKK-Ableger in Syrien militärisch kooperieren . Das wäre ein konkreter Schritt zur Bekämpfung von Fluchtursachen, der nicht einmal viel Geld kosten würde . Alle anderen derzeit im Zusammenhang mit der Türkei diskutierten Maßnahmen, zum Beispiel eine gemeinsame Grenzsicherung oder finanzielle Unterstützung der momentanen Struktur in der Türkei, sind keine Beiträge, um Fluchtursachen zu bekämpfen . ({9}) Dadurch wird das Problem nur verschoben, und zwar zulasten der Menschen, die vor Terror und Krieg fliehen. Das lehnen wir ab . Sie können von uns keine Zustimmung zu diesem Haushalt erhalten, ({10}) auch wenn Sie viel Geld für humanitäre Hilfe ausgeben . Entscheidend sind die Konzepte, mit denen Sie die Ursachen bekämpfen wollen . Mit diesen sind wir nicht einverstanden . Einen Vorschlag, wie es anders gemacht werden könnte, habe ich Ihnen hier präsentiert . ({11})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts bekanntgeben: abgegebene Stimmen 584 . Mit Ja haben gestimmt 472, mit Nein haben gestimmt 112 . Der Einzelplan 04 ist damit angenommen . Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 581; davon ja: 469 nein: 112 enthalten: 0 Ja CDU/CSU Stephan Albani Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens ({0}) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr . Andre Berghegger Dr . Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr . Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr . Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr . Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr . Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr . Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer ({1}) Axel E . Fischer ({2}) Dr . Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr . Astrid Freudenstein Dr . Hans-Peter Friedrich ({3}) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr . Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Fritz Güntzler Christian Haase Dr . Stephan Harbarth Jürgen Hardt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr . Stefan Heck Dr . Matthias Heider Mechthild Heil Frank Heinrich ({4}) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr . Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann ({5}) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr . Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M . Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Sylvia Jörrißen Dr . Franz Josef Jung Andreas Jung Xaver Jung Dr . Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr . Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr . Georg Kippels Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr . Günter Krings Bettina Kudla Dr . Roy Kühne Günter Lach Dr . Karl A . Lamers Dr . Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Paul Lehrieder Dr . Katja Leikert Dr . Philipp Lengsfeld Dr . Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr . Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr . Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr . Claudia Lücking-Michel Dr . Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr . Thomas de Maizière Gisela Manderla Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({6}) Reiner Meier Dr . Michael Meister Dr . Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr . h .c . Hans Michelbach Dr . Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr . Gerd Müller Carsten Müller ({7}) Stefan Müller ({8}) Dr . Philipp Murmann Dr . Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr . Tim Ostermann Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr . Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr . Joachim Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr . Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr . Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr . Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer ({9}) Dr . Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt ({10}) Gabriele Schmidt ({11}) Ronja Schmitt Nadine Schön ({12}) Dr . Ole Schröder Dr . Kristina Schröder ({13}) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr . Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster ({14}) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr . Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr . Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Christian Frhr . von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl ({15}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr . Sabine Sütterlin-Waack Dr . Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr . Hans-Peter Uhl Dr . Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel ({16}) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr . Johann Wadephul Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg ({17}) Dr . Anja Weisgerber Peter Weiß ({18}) Sabine Weiss ({19}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({20}) Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Oliver Wittke Dagmar G . Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr . Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr . Katarina Barley Dr . Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding ({21}) Burkhard Blienert Willi Brase Marco Bülow Martin Burkert Dr . Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr . Daniela De Ridder Dr . Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr . h .c . Gernot Erler Saskia Esken Dr . Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr . Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr . Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann ({22}) Dirk Heidenblut Hubertus Heil ({23}) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr . Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({24}) Thomas Hitschler Dr . Eva Högl Matthias Ilgen Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr . Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange ({25}) Dr . Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr . Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Hilde Mattheis Dr . Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr . Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir ({26}) Markus Paschke Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post ({27}) Dr . Wilhelm Priesmeier Dr . Sascha Raabe Dr . Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr . Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr . Martin Rosemann René Röspel Dr . Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({28}) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr . Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer ({29}) Dr . Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr . Dorothee Schlegel Ulla Schmidt ({30}) Matthias Schmidt ({31}) Dagmar Schmidt ({32}) Carsten Schneider ({33}) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz ({34}) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Peer Steinbrück Dr . Frank-Walter Steinmeier Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr . Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Dirk Vöpel Dirk Wiese Waltraud Wolff ({35}) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr . Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein DIE LINKE Jan van Aken Dr . Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W . Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Sevim Dağdelen Dr . Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr . Andre Hahn Dr . Rosemarie Hein Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr . Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Norbert Müller ({36}) Dr . Alexander S . Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold ({37}) Richard Pitterle Martina Renner Dr . Petra Sitte Kersten Steinke Dr . Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr . Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr . Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann ({38}) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck ({39}) Agnieszka Brugger Katharina Dröge Harald Ebner Dr . Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Dr . Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Katja Keul Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn ({40}) Christian Kühn ({41}) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr . Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr . Konstantin von Notz Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth ({42}) Corinna Rüffer Ulle Schauws Dr . Gerhard Schick Dr . Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr . Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr . Harald Terpe Markus Tressel Dr . Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr . Valerie Wilms Als Nächstes hat für die SPD-Fraktion die Kollegin Doris Barnett das Wort . ({43})

Doris Barnett (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002621, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Leutert, die Welt ist nun einmal nicht so, wie wir sie uns wünschen . ({0}) Aber ich denke, wir gehen den richtigen Weg . Unser Land übernimmt Verantwortung . Wir reagieren auf das Weltgeschehen, das Millionen Menschen zu Flüchtlingen macht . Natürlich versuchen wir, die Terrorregime vor Ort zu bekämpfen . Aber das alleine reicht nicht; das wissen wir alle . Hunderttausende, ja Millionen Menschen rennen um ihr nacktes Leben . Wer hier jetzt Hilfe versagt, der hat nicht nur kein Herz, sondern auch keinen Verstand und erst recht kein Geschichtsbewusstsein und kann nur beten, dass er nie in eine solche Lage kommt . Ich möchte zunächst einmal Ihnen, meinen lieben Kollegen Mitberichterstattern, danken, dass wir es geschafft haben, dem Auswärtigen Amt mit genügend Geld zu helfen, vor Ort wirksam handeln zu können . Ich danke auch unseren Mitarbeitern, die hier mit eine Hauptlast tragen und dafür sorgen, dass wir vernünftig arbeiten können . Ich danke dem Ministerium und vor allem dem Minister, der sich nicht zu schade war, auf Betteltour zu gehen, um dem Flüchtlingshochkommissar und der Welthungerhilfe das Geld zu besorgen, das gebraucht wird, um den auf der Flucht befindlichen Menschen ausreichend Hilfe zu geben, damit sie durch den Winter und ins nächste Jahr kommen . ({1}) Mit unserem Haushalt, der immerhin 4,8 Milliarden Euro umfasst, legen wir viel Geld auf den Tisch, um den Flüchtlingen vor Ort nahe ihrer Heimat zu helfen . Um nahezu 400 Millionen Euro werden die Mittel für humanitäre Hilfe und Krisenprävention erhöht, also auf insgesamt fast 1 Milliarde Euro . Damit helfen wir sicherlich auch, die Fluchtursachen zu bekämpfen . Wenn wir die Menschen vor Ort vernünftig versorgen und ihnen eine Perspektive bieten, dann müssen sie sich nicht auf den langen Marsch nach Norden, nach Europa, begeben, und sie können in der Nähe ihrer Heimat bleiben . Perspektiven bieten auch unsere Bildungseinrichtungen im Ausland, die wir mit über 40 Millionen Euro zusätzlich ausstatten; die Mittel hierfür halten wir mit insgesamt rund 863 Millionen Euro auf hohem Niveau . Dazu gehören Auslandsschulen, Partnerschulen, Goethe-Institute, der DAAD, Deutsches Archäologisches Institut und die AvH . Auch sie leisten humanitäre Hilfe, wenn auch in einer etwas anderen Art; denn mit ihnen zusammen machen wir Bildung zu unserer Waffe und unserer Gegenwehr . Bildung ist hochgefährlich für all diejenigen, die ihre Autorität auf der Unwissenheit ihrer Anhänger aufbauen wie der IS, Boko Haram und wie sie alle heißen; denn Bildung ist Freiheit, Freiheit im Denken, Freiheit in der Entscheidung zu einem selbstbestimmten Leben . An dieser Stelle auch ein Dankeschön an all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bildungseinrichtungen und internationalen Hilfsorganisationen, die insbesondere jetzt helfen, den Menschen über das Lernen, also über Bildung, wieder eine Perspektive zu geben . ({2}) Wir - damit meine ich meinen lieben Kollegen Alois Karl und mich - haben uns einmal angesehen, wie die Hilfsgelder, die wir in erheblichem Umfang über unsere UN-Beiträge leisten, ausgegeben werden, und zwar im Lager Saatari in Jordanien . Das war schon beachtlich: 80 000 Menschen leben dort in einem Camp, das weit außerhalb von Amman zunächst ohne jede Infrastruktur - einfach so auf dem platten Boden - errichtet worden ist . Auch mit Unterstützung der KfW konnten wir dort die Wasserversorgung gewährleisten . Die Menschen in dem Lager haben einen täglichen Bedarf von 3,5 Millionen Litern Wasser, und das kommt ja nicht von ungefähr . Wer einmal dort war, der weiß, dass das Leben in diesem Camp nichts mit der Romantik eines Campingurlaubs zu tun hat . Es geht dort ums nackte Überleben, wenn auch nahe der Heimat . Es glaube hier bloß keiner, dass die hohen Flüchtlingszahlen nicht auch in diesen Ländern eine Belastung für die einheimische Bevölkerung darstellten! Ein Problem in den Lagern ist natürlich - wie hier -: Es gibt keine Arbeitsmöglichkeiten . Auch dort kommt es vor, dass die Menschen gar keine Arbeitserlaubnis haben . Also gehen sie in die Illegalität und bieten sich dann billiger an als die Einheimischen, die arbeiten . Dort gibt es also ein ähnliches Problem mit dem Mindestlohn wie hier, nur auf einem etwas niedrigeren Niveau . Beschäftigung ist für den Menschen wichtig . Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass ich mit dem Berufsbildungswerk in Rheinland-Pfalz sprechen konnte . Dort könnte man sich sogar vorstellen, in diese Lager zu gehen, um den Menschen in Sachen Bildung und Ausbildung zu helfen, damit sie etwas haben, was sie nach der Rückkehr in ihre Heimat nutzen können . Allerdings müssen wir uns im Klaren sein: Wenn der Krieg in Syrien morgen zu Ende wäre - nehmen wir einmal an, er wäre morgen zu Ende -, dann würde es mit Sicherheit noch sechs bis sieben Jahre dauern, bis die Menschen tatsächlich von einem Leben zu Hause reden könnten; denn dort ist alles zerbombt . Die ganze Infrastruktur ist kaputt . Natürlich müssten auch die Minen aufgeräumt werden eine, wie wir aus Jugoslawien wissen, sehr gefährliche Aufgabe . In diesen Zeiten liegt das Hauptaugenmerk des Auswärtigen Amtes auf den Unruheherden der Welt, den humanitären Katastrophen und den daraus resultierenden Herausforderungen . Aber daneben gibt es noch andere wichtige Aufgaben und Krisenherde, die nicht vergessen werden dürfen, zum Beispiel die Ukraine-Krise . Auch wenn die Waffen in der Ostukraine derzeit schweigen, kann von Normalität nach wie vor nicht die Rede sein . Zurzeit erleben wir wieder, dass sich auf der Krim etwas Neues entwickeln könnte: im Zusammenhang mit dem Kappen der Stromleitungen, mit der Nichtversorgung der Krim mit Nahrungsmitteln und - im umgekehrten Fall natürlich auch mit dem Zudrehen des Gashahns; auch das ist nicht gerade ungefährlich . Deshalb unterstützen wir die Zivilgesellschaft im Kampf gegen Korruption und für demokratische Strukturen auch weiterhin mit insgesamt 14 Millionen Euro, und das ist gut so . Ich weiß, dass der Offene Kanal in meinem Wahlkreis mit einer Universität in Kiew zusammenarbeitet, um dort einen Bürgerkanal aufzubauen . Sie hoffen natürlich inständig, dass sie die Arbeit fortsetzen können . Nach dem Mauerfall schien sich die Landschaft hinter dem Eisernen Vorhang in unsere Richtung zu bewegen, weshalb wir nicht mehr das notwendige Augenmerk auf die Osteuropa-Forschung legten . Das war keine gute Idee, wie sich heute herausstellt; denn sonst hätten wir wahrscheinlich viel früher manche Befindlichkeiten erkannt, die zu nicht erwarteten Reaktionen führten . Diesen Umstand werden wir jetzt schnellstens ändern . Wir werden uns mit dem Osteuropa-Institut wieder eine eigene Expertise aufbauen . Die dafür notwendigen institutionellen Mittel von 3,6 Millionen Euro stehen bereit . Im kommenden Jahr werden wir den OSZE-Vorsitz innehaben, was eine große Herausforderung für unser Land ist, da die Erwartungen von Ländern wie Aserbaidschan, Armenien usw . riesig sind, wenn es darum geht, was wir für sie alles richten sollen . Dafür wurden zunächst einmal Mittel in Höhe von 20 Millionen Euro bereitgestellt . Ich hoffe, dass wir damit entsprechende Gespräche, Seminare und Veranstaltungen durchführen können . In diesem Zusammenhang setzen wir auch zusätzliche Mittel ein, um dem wiedererstarkten Antisemitismus im OSZE-Raum zu begegnen . Zusammen mit ODIHR wollen wir mit dem Auswärtigen Amt im OSZE-Jahr ein Programm mit dem Titel „Taten statt Worte“ beginnen, das seine Arbeit aber nicht auf den Antisemitismus beschränken sollte, sondern wegen der aktuellen Lage auch Islamophobie und christenfeindliches Verhalten untersuchen und entsprechende Bildungsveranstaltungen anbieten sollte . Dafür stellen wir im kommenden Jahr 2 Millionen Euro bereit . In enger Abstimmung mit dem Bundesverteidigungsministerium unterstützt das Auswärtige Amt Friedensmissionen der Technischen Beratergruppe der BundesDoris Barnett wehr . Wir Berichterstatter für diesen Einzelplan konnten uns vor Ort überzeugen, was mit den Materialien, die das Auswärtige Amt finanziert, passiert. Bei der Ausstattungshilfe geht es um Ausbildung, um dringend benötigte Fähigkeiten und um Ausrüstung für Peacekeeping-Missionen und humanitäre Hilfseinsätze . Dieses Programm wird das Auswärtige Amt zusammen mit dem Bundesinnenministerium um ein polizeiliches Ausbildungs- und Ausstattungshilfeprogramm erweitern . Aber auch in Demokratisierungs- und Menschenrechtsprojekte können wir im kommenden Jahr mehr investieren . Für all das stehen jetzt zusätzliche 6 Millionen Euro bereit . Der Schutz von Menschen und Menschenrechten zieht sich wie ein roter Faden durch den Einzelplan 05 . Dazu gehören für mich neben dem reinen Überleben auch Bildung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit . Gerade die Demokratisierungshilfe hat für das Auswärtige Amt eine große Bedeutung . Ein wichtiges Instrument dieser Hilfe ist die Wahlhilfe, also Materialhilfe, Wählerbildung, Ausbildung von Wahlhelfern usw . Daneben gewinnt auch die Wahlbeobachtung, also die Entsendung von Wahlbeobachtern in internationale Wahlbeobachtungsmissionen, zunehmend an Bedeutung. Hier qualifiziertes Fachpersonal zu finden und zu schulen, es in die Einsätze zu schicken und Analysen zu fertigen, ist die Aufgabe des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze - kurz ZIF genannt -, das wir mit jetzt 10 Millionen Euro so ausstatten, dass es die wachsenden Anforderungen auch erfüllen kann . Dank unserer guten Haushaltslage, der stabilen Wirtschaft in unserem Land und der guten Zahlungsmoral seiner Bürger, die ihren Beitrag zugegebenermaßen nicht immer freiwillig leisten, können wir es uns erlauben, viele wichtige große und auch kleine Projekte besser zu fördern und sie entsprechend finanziell zu unterstützen, wie zum Beispiel das deutschsprachige Schulwesen in Rumänien, wofür wir die Mittel jetzt auf 1 Million Euro aufstocken . Dort wird hervorragende Arbeit geleistet . Deutsch sprechende Schüler arbeiten bei unseren Unternehmen vor Ort, also in Rumänien . Sie machen dort eine Berufsausbildung und sichern damit Arbeit und Einkommen . Das ist eine der berühmten Win-win-Situationen, bei denen der rumänische Staat, die deutschen Unternehmen, aber auch die Menschen vor Ort viel zu gewinnen haben . Dass nebenbei die deutsche Sprache weiter gepflegt wird, ist auch nicht ganz unbeabsichtigt. ({3}) Das Auswärtige Amt hat neben den vielen Projekten, die es unterstützt, auch noch die Aufgabe, unser Land in der Welt zu vertreten . Dazu braucht es motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter . Ich bin froh, dass wir hier einen großen Schatz haben, der für unser gutes Ansehen in der Welt sorgt . Dass unsere Leute gegen Gefahren zu schützen sind, versteht sich eigentlich von selbst . Aber wir brauchen die notwendigen Mittel, um die Botschaften zu sichern und ihnen eine vernünftige IT-Struktur zur Verfügung zu stellen . Auch dafür haben wir Geld bereitgestellt . So ausgestattet, werden wir weiterhin unser Land in der Welt nicht nur gut vertreten wissen, sondern wir tun auch sehr viel, um der Welt zu helfen, sie etwas besser zu machen . Vielen Dank . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als Nächstes hat der Kollege Omid Nouripour für Bündnis 90/Die Grünen das Wort .

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mit dem aktuellen Vorfall an der türkisch-syrischen Grenze zu beginnen . Die Rhetorik sowohl aus Ankara als auch aus Moskau nach diesem tragischen Vorfall ist sehr erschreckend . Es ist richtig - ich glaube, da spreche ich in unser aller Namen -, an die Besonnenheit beider Seiten zu appellieren . Das Letzte, was nicht nur Syrien und die gesamte Region, sondern auch die Welt zurzeit braucht, ist eine internationale Eskalation des Konfliktes in Syrien. ({0}) Ich bin sehr dankbar, dass der Herr Außenminister das gestern so klar ausgesprochen hat . Vielleicht kann man anbieten, bei der Aufklärung zu helfen, um zu einer gemeinsamen Aufklärung zu kommen und dazu, dass die technischen Daten so ausgewertet werden, wie sie sind und nicht wie es der jeweilige politische Wille der beiden Hauptstädte in lauten und schrillen Tönen vorgibt . Wenn die Meldungen, die ich gerade gelesen habe, stimmen, dass in diesem Augenblick die türkische Botschaft in Moskau von Demonstranten angegriffen wird und dort Scheiben eingeworfen werden, dann kann man nur Angst haben und hoffen, dass sich dieses Vorgehen nicht in Ankara wiederholt . Zu diesem Aufruf zur Besonnenheit gehört aber nicht, dass gestern ein Sprecher des Pentagons sehr früh sagte: Die türkische Version ist richtig . - Präsident Obama hat diese Aussage gestern Abend noch relativiert . Genauso wenig darf es aber sein, dass ein deutscher Vizekanzler sagt: Man muss das verstehen . Es gibt nun einmal einen unkalkulierbaren Spieler in der Region . Das ist die Türkei, die Russen sind es nicht . - Das ist nicht nur in der Sache falsch, sondern das ist zum jetzigen Zeitpunkt die falsche Positionierung . Man muss versuchen, zu vermitteln, und darf nicht mit Schuldzuweisungen arbeiten, wie es Herr Gabriel gemacht hat . Das ist kein Beitrag zur Deeskalation der Situation . ({1}) Meine Damen und Herren, diese Regierung ist angetreten, um mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen; das haben wir immer begrüßt . Mehr Verantwortung hieße auch, frühzeitiger, substanzieller und entschiedener einzugreifen und eine entsprechende Politik zu betreiben . Wenn man sich einmal die Krisen in der Welt anschaut, dann sieht man nirgendwo so deutlich wie in Syrien: Ihr Handeln ist nicht frühzeitig, sondern reaktiv, nicht substanziell, sondern kurzsichtig, nicht entschieden, sondern teilweise opportunistisch . Es ist zu begrüßen, dass im vorliegenden Haushalt mehr Geld für die Hilfsorganisationen ausgegeben werden soll, die in den Lagern um Syrien herum tätig sind . Das ist sehr gut und freut uns ungemein . Es war immer eine Schande, zu erleben, dass das Welternährungsprogramm bereits im Sommer ankündigte, Ende des Jahres die Essensrationen für Kinder kürzen zu müssen, was sie auch jedes Jahr machen mussten, weil ihnen das Geld ausgegangen ist . Es ist gut, dass hier ein bisschen Abhilfe geschaffen werden soll . Aber wenn man sich anschaut, mit welchem Engagement wir uns alle um Syrien bemühen, dann stellt sich, ehrlich gesagt, erstens die Frage: Wo war eigentlich die deutsche Außenpolitik in den letzten fünf Jahren? Zweitens stellt sich die Frage, wie man den Menschen, die von dort geflohen sind, unter die Augen treten will, wenn man ihnen sagt: Nicht die 250 000 Toten, nicht die Ruinen eurer Städte und nicht die Fassbomben sind der Grund, warum wir uns jetzt um Syrien kümmern, sondern ISIS und die vielen Tausend sehr erschöpften Flüchtlinge, die zu uns nach Deutschland kommen . - Das ist reaktiv und bedeutet ganz sicher nicht, sich frühzeitig um einen Konflikt zu kümmern. Auch was in Wien passiert, ist kurzsichtig . In Wien sind endlich die beiden Player zusammengekommen, die an einen Tisch gehören, die Iraner und die Saudis; das begrüßen wir . Ich weiß, dass der deutsche Außenminister sehr viel dafür getan hat . Dafür sind wir sehr dankbar . Bei diesen Verhandlungen sitzt Assad faktisch mit am Tisch, und zwar über die Russen und die Iraner . Die andere Seite aber, die Opposition, sitzt nicht mit am Tisch . ({2}) In Gesprächen mit Oppositionellen muss man feststellen, dass sie sich mehr oder minder verraten fühlen . Die zentrale Frage ist, was es mit den Menschen macht, deren Familien von Assad umgebracht worden sind, wenn ihnen jetzt gesagt wird: Es tut uns leid, wir wollten Assad nicht an der Regierung lassen . Aber jetzt müssen wir uns mit ihm fraternisieren, weil wir zusammen ISIS bekämpfen wollen . Herr Außenminister, Sie haben gesagt, alle Kräfte in Syrien sollten sich zusammentun, um gegen Assad zu kämpfen . Dieser Rat ist vielleicht gut gemeint . Aber es ist eine vollkommen falsche Wahrnehmung der Situation in Syrien und treibt am Ende des Tages diejenigen, die gegen Assad auf die Straße gegangen sind und deren Kinder nach drei Wochen Gefangenschaft ohne Fingernägel nach Hause gekommen sind, in die falschen Arme, im schlechtesten Falle in die Arme von ISIS . Wenn man sich wirklich um ISIS kümmern will, muss man sehen, dass ISIS im Kern eindeutig eine irakische Organisation ist . Es gibt im Irak eine Regierung, die seit Jahren darum fleht, dass man ihr politisch hilft, damit sie die Reintegration der Sunniten hinbekommen kann . Dort gibt es jetzt eine Staatlichkeit, und es gibt eine klare Front gegen ISIS . Ich glaube, dass Irak die zentrale Baustelle zu sein hat . Das muss man aber aussprechen . Und man muss auch bereit sein, etwas zu tun . Die Amerikaner sind nicht diejenigen, die jetzt im Irak noch etwas tun können, weil ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich zerstört ist . Ich komme zu Afghanistan . Wir reden jetzt - auch wegen der Zahl der Flüchtlinge, die gestiegen ist - wieder über Afghanistan . Es ist schon bedauerlich, dass wir wegen der Blockade in der politischen Landschaft, die seit 14 Monaten besteht, jetzt dort nicht mehr tun . Ich kann nur darum bitten, dass, wenn Präsident Ghani nächste Woche in Berlin sein wird, klare Worte gesprochen werden . Wir erwarten, dass die beiden führenden Personen in der Regierung endlich anfangen, miteinander zu arbeiten . Es kann doch nicht sein, dass das Land 16 Monate nach der Wahl nicht einmal einen Verteidigungsminister hat .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Kollege Nouripour, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hänsel?

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Nouripour, ich möchte noch einmal nachfragen . Sie haben gerade so ein bisschen verklausuliert gesagt, Assad sitze indirekt am Tisch, die Opposition aber nicht . Was ist denn jetzt eigentlich die Position der Grünen, um in Syrien zu einer politischen Lösung zu kommen? Jahrelang haben die Grünen gesagt: Mit Assad gibt es keine Lösung . Alle anderen Gruppen sollen unterstützt werden . - Jetzt sehen wir aber, dass es zu einer Katastrophe gekommen ist . Dieses Land ist weitgehend zerstört . Also muss man doch zu einer politischen Lösung kommen . Es gibt aber auch andere Stimmen dazu . Tom Koenigs hat zum Beispiel gesagt, man dürfe sich nicht von der Opposition erpressen lassen, was dazu führen würde, dass es gar keine Verhandlungen an einem Tisch gäbe . Deshalb möchte ich jetzt gerne einmal wissen: Was ist die Position der Grünen? Wenn man versucht, alle an den Verhandlungstisch zu bekommen, während sich die Opposition weigert, dann können Sie doch nicht so hin und her manövrieren . Sind Sie dafür, dass man unter Einbeziehung aller - auch von Assad - verhandelt, um eine Lösung zu finden? Ist es denn nicht das vorrangige Ziel, diesen Krieg endlich zu beenden? ({0})

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin, herzlichen Dank, dass Sie mir mehr Redezeit geschenkt haben . Die Frage ist sehr komplex . Ich wusste gar nicht, dass ich so viel Redezeit bekommen würde . Ich will sie gerne nutzen . Selbstverständlich müssen alle - das ist überhaupt keine Frage - einbezogen werden . Wenn darüber gesprochen wurde, ob man mit Assad reden solle oder nicht, dann handelte es sich immer um eine rhetorische Figur . Natürlich ist mit Assad in Genf gesprochen worden . Bei Genf I und Genf II saß sein Außenminister mit am Tisch . Jetzt sitzt er mit am Tisch, ({0}) die anderen aber nicht . Wenn wir beide uns einig sind, dass alle mit am Tisch sitzen müssen, muss man darüber nachdenken, welche Formate entwickelt werden müssen, innerhalb derer das auch passieren kann . Was passiert in Wien? Noch einmal: Es ist richtig, dass man die Saudis und die Iraner an einen Tisch bekommen hat . Wir sind dafür sehr dankbar . Jetzt passiert in Wien aber Folgendes: Die einen sitzen de facto mit am Tisch, die anderen aber nicht . ({1}) Jetzt ist die zentrale Frage, wie man Wege, Möglichkeiten, Foren und Plattformen schafft, mit denen man alle tatsächlich an den Tisch bringt . Was ich hier sage, geht darüber aber hinaus . Selbstverständlich wird es so sein, dass man mit Assad redet . Man muss auch mit ihm reden . Das passiert durchgehend und nicht erst seit Wien . Selbstverständlich ist es so, dass auch er und seine Leute Teil einer Übergangsregierung sein müssen, die im Übrigen in Wien in den Abschlussdokumenten nicht mehr erwähnt wird . Darin steht nicht mehr „Government“, sondern „Governance“ . Das kann auch nur Assad alleine sein . Das ist es, was die Opposition so verstört . Das verstehe ich . Im Übrigen ist jetzt auch herausgestrichen worden, dass man nach einer Wahl möglicherweise noch daran arbeiten soll, Menschen, die Verbrechen begangen haben, tatsächlich zur Rechenschaft zu ziehen . Auch das steht nicht mehr in den Dokumenten. Das muss man, finde ich, auch gemeinsam kritisieren . Am Ende des Tages aber wird es so sein, dass, wenn Assad weiterhin Präsident des Landes sein wird, er auch weiterhin die Symbolfigur für die Ruinen der Städte, die Ermordung der Kinder in diesem Land, die Fassbomben und den Einsatz von Chemiewaffen sein wird . Von daher ist es nicht wirklich möglich, der großen Mehrheit im Lande - nämlich der sunnitischen Bevölkerung, die so unglaublich hart unterdrückt worden ist - klarzumachen, dass es zu einer nationalen Aussöhnung kommen kann . Ich glaube, dass die Wiener Gespräche richtig und notwendig sind . Man darf aber Folgendes nicht machen: Man darf nicht durch kurzfristige Lösungen heute die langfristige Lösung, die ohne nationale Aussöhnung nicht möglich sein wird, verschenken oder zerstören . Das ist das, wovor ich zurzeit Angst habe . ({2})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ihre Restredezeit hat sich jetzt aber nicht entsprechend verlängert, Herr Nouripour .

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Davon ging ich aus, Frau Präsidentin . Herzlichen Dank . Ich will noch zwei letzte Punkte ansprechen . Das eine ist: Es kann nicht sein, dass wir aus Gründen, die erst einmal naheliegend erscheinen, sagen: „Wir wollen unbedingt Stabilität“, wobei wir Stabilität nach der Definition aus der Zeit vor dem Arabischen Frühling buchstabieren, dass aber dann dem ägyptischen Präsidenten el-Sisi der rote Teppich ausgerollt wird . Das ist ein Riesenskandal . Es geht um ein Land, in dem die politischen Stiftungen nicht mehr arbeiten dürfen . Stattdessen werden ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Haftstrafen verurteilt . Das geht niemandem in den Kopf . Das Zweite ist: Wir müssen höllisch aufpassen, ob wir uns die richtigen Partner auswählen . Es gibt viele Gründe, warum man gegen eine strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien sein sollte, ({0}) unter anderem die Finanzierung der Salafisten in unseren Fußgängerzonen, die unsere Kinder verführen, um am Ende bei ISIS zu landen . ({1}) Zentral ist aber, dass man wenigstens dann laut die Stimme erhebt, wenn Saudi-Arabien, wie es seit März dieses Jahres der Fall ist, Jemen in die Steinzeit bombt, in einem unfassbaren Krieg, wie ihn die Menschheit noch nicht gesehen hat . ({2}) Ich bitte darum, dass wenigstens einmal klar die Stimme erhoben und benannt wird, was dort passiert . ({3}) Dort passieren Tag für Tag Kriegsverbrechen, und das muss man deutlich sagen . Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner für die CDU/ CSU-Fraktion ist der Kollege Alois Karl . ({0})

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages! Ich bin der Kollegin von der Linken dankbar, dass sie nicht noch eine Nachfrage gestellt hat, Herr Nouripour . Wir hätten wahrscheinlich heute Abend die Tagesthemen versäumt, so lange wie Sie durchaus noch hätten antworten können . ({0}) Ich möchte einen herzlichen Dank an den Anfang meiner Rede stellen, und zwar an Sie, Herr Außenminister Steinmeier, an Frau Professorin Böhmer, Herrn Staatsminister Roth, Herrn Staatssekretär Steinlein, Herrn Kindsgrab und all die guten Leute, mit denen wir in den letzten Monaten so tüchtig zusammengearbeitet haben, um an diesem Schnittpunkt der deutschen Haushaltspolitik und Außenpolitik gute Ergebnisse zu erzielen . Die Kollegen sind schon aufgezählt worden: Frau Barnett, Herr Leutert und Herr Dr . Lindner . Wir haben, glaube ich, wie die Bürstenbinder gefeilscht und sind nach drei Monaten zu guten Ergebnissen gekommen . Man könnte das unter der Überschrift „Ende gut, alles gut“ zusammenfassen . In der Tat: Die Haushaltszahlen sind gut . Während der Bundeshaushalt insgesamt um 10 Milliarden Euro erhöht worden ist, und zwar von 306,9 Milliarden auf 316,9 Milliarden Euro und damit um 3,2 Prozent, erfährt der Haushalt des Bundesaußenministers eine ganz andere Steigung, nämlich um 26,5 Prozent . Lieber Herr Steinmeier, das ist die höchste Steigerung aller Einzeletats im Bundeshaushalt und auch die höchste Summe, die der Außenminister jemals zur Verfügung hatte . Mit diesem Pfunde werden wir wuchern müssen, wie es in der Bibel heißt . Gegenüber dem ersten Entwurf der Regierung sind das 410 Millionen Euro zusätzlich . In der letzten Nachtsitzung, nach der 15 . Verhandlungsstunde - Sie erinnern sich sicher, liebe Doris Barnett -, haben die anderen offensichtlich schon Konditionsschwierigkeiten bekommen . Wir waren noch hellwach und haben noch 46 Millionen Euro zusätzlich für den Bundesaußenminister herausgehandelt . ({1}) Ich danke all denen, die mitgewirkt haben . Der Bundesaußenminister hat zwar nicht das Lied von Dietrich Bonhoeffer angestimmt und „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ gesungen ({2}) - ich habe versucht, es anzustimmen -, trotzdem sind manche seiner Wünsche erfüllt worden . Insbesondere für die Auswärtige Kultur- und Bildungsarbeit und für unsere deutschen Schulen im Ausland konnten wir viel erreichen . Herzlichen Dank in diesem Zusammenhang auch den jeweiligen Vorsitzenden unseres Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungsarbeit, lieber Bernd Fabritius und deinem Vorgänger Peter Gauweiler - beide von der CSU; wie sollte es anders sein -, dass ihr euch in ganz besonderer Weise weltweit für die Kultur einsetzt . ({3}) - Sie sind auch Bayerin, also eigentlich Schwäbin, aber das gilt gerade noch; eine rote Grüne . - Wir setzen uns in der Tat für die deutschen Schulen in besonderer Weise ein, weil wir wissen, dass dies hohe Renditen erbringt . Wenn wir uns im kulturellen Bereich auf diese Art und Weise nobel darstellen können, dann ernten wir viel Renommee, das sich sicherlich nicht immer in Soll und Haben ausdrücken lässt .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Karl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dehm?

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dehm? - Ja . Sie habe ich schon vermisst, Herr Dehm . Schön, dass Sie da sind . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön, Herr Dehm .

Dr. Jörg Diether Dehm-Desoi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000365, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es wird Sie sicherlich verwundern, aber Herbert Wehner hat einst gesagt: „Ihr Lob trifft mich in keiner Weise .“ Dem Dank an Herrn Fabritius und Herrn Dr . Gauweiler schließe ich mich in dem von Ihnen genannten Zusammenhang ausdrücklich an . Ich möchte Ihnen eine Frage zu den Gepflogenheiten Ihrer Fraktion im Auswärtigen Ausschuss stellen . Ich bin stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“, den Sie gerade angesprochen haben . Wir haben dort - das ist nicht üblich - zu allen Anträgen von der Koalition aus CDU/ CSU und SPD - teilweise sind die Grünen beigetreten einstimmige Beschlüsse . Dann haben wir im Unterausschuss erwogen, dass diese einstimmig beschlossenen Anträge auch von der Linken mitgetragen werden sollen, weil es um mehr Kultur in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geht . Dann kommt par ordre du mufti aus Ihrer Fraktionsspitze der Hinweis: Mit den Linken macht man keine gemeinsamen Anträge! ({0}) - Ich würde gern sehen, wer gerade Beifall geklatscht hat . Das war aber nur vereinzelt . Das führte zu der grotesken Situation, dass wir im Unterausschuss über sämtliche wortgetreuen und inhaltsgleichen Anträge aller Fraktionen - in diesem Fall auch der Linken - einstimmig beschlossen haben . Das hat Sie wiederum dazu bewogen, alle Anträge, die die Linke eingebracht hat, im Auswärtigen Ausschuss auszusondern und abzulehnen . Nun lautet meine Frage an Sie: Wann hat diese Groteske, sich gemeinsam in diesem Haus für Kultur einzusetzen - das haben Sie zu Recht gelobt, und ich habe Ihnen darin beigepflichtet -, ohne die Linke einzubeziehen, ein Ende, und wann versuchen wir endlich, mit gemeinsamen Kräften die Kultur zu stärken und gemeinsame AnAlois Karl träge, selbst diejenigen, die die Linke gestellt hat, hier im Hohen Hause einzubringen? ({1})

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Dehm, das kann ich Ihnen genau sagen . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Dehm, Sie sind jetzt nicht mehr dran . Das Wort hat jetzt Herr Karl .

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt muss er aufpassen . - Herr Dehm, es gibt entsprechende Beschlüsse von der Fraktionsführung vom Anfang der Legislaturperiode . Ich glaube, dass sich die Dinge in der nächsten Legislaturperiode ({0}) - Sie werden das noch erleben, sofern Sie diesem Hohen Hause dann wieder angehören - möglicherweise verändern können . Bis dahin ist für Sie Langmut angesagt . Sie werden hinnehmen müssen, dass die CDU/CSU und die anderen Fraktionen mit der Linken keine gemeinsamen Anträge stellen . ({1}) Herr Dehm, darf ich noch eine persönliche Bemerkung machen, da ich Sie gerade sehe und fast vermisst habe? ({2}) Ich habe neulich einen Film im Fernsehen gesehen, in dem ein ausgesprochen unsympathischer Schauspieler vorkam . Er hat Ihnen sehr ähnlich gesehen . ({3}) Aber zu meinem Erschrecken habe ich hinterher feststellen müssen, dass er Karl hieß . Die Physiognomie des Schauspielers entsprach jedenfalls Ihrer . Das hat mich durchaus etwas aus der Bahn geworfen . - Ich glaube, ich habe Ihre Frage hinreichend beantwortet . Kommen wir zurück auf die deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik . Unsere mehr als 1 500 Partnerschaften auf der Welt und unsere 140 Auslandsschulen sind außerordentlich gute Botschafter . Diese sind im Rahmen des erwähnten Nachschlags mit mehr als 20 Millionen Euro zusätzlich gut weggekommen, sodass sie in der Lage sind, die deutschen Interessen so gut wie früher wahrzunehmen . Wir freuen uns, dass wir die deutsche Sprache in Rumänien zusätzlich fördern und in Amerika den German Marshall Fund mit 2 Millionen Euro unterstützen können . Das ist ein Fonds, der auf Initiative von Willy Brandt in Erinnerung an den Marshallplan, der Ende der 40er-Jahre Deutschland unendlich viel geholfen hat, eingerichtet worden ist . Wir danken herzlich, dass wir den Vorschlag - ich glaube, er kam von Ihnen, Herr Steinmeier - aufgreifen konnten, das Institut für Osteuropaforschung einzurichten . Fast über Jahrzehnte hinweg haben wir uns keine eigene Osteuropaexpertise leisten können, weil uns die Fachleute nicht unterstützungswürdig erschienen . Jetzt werden wir ein eigenes Institut aufbauen und es mit 2,5 Millionen Euro im Jahr ausstatten . Wir danken gemeinsam auch ganz herzlich den Mittlern unseres Kulturguts im Ausland, dem Goethe-Institut mit Herrn Professor Lehmann, der vorgestern als Präsident wiedergewählt worden ist, dem DAAD und der Humboldt-Stiftung für die segensreiche Arbeit, die wir mit etwa 440 Millionen Euro unterstützen . Erst gestern gab es im Auswärtigen Amt eine Veranstaltung mit dem DAAD . Es waren 271 Stipendiaten aus Syrien zu dem Thema „Keine verlorene Generation in Syrien“ eingeladen . Herr Steinmeier und ich waren die einzigen anwesenden Abgeordneten, aber damit waren die wichtigsten da, möchte ich fast sagen . ({4}) Die Veranstaltung hätte es verdient gehabt, dass viele von unseren Kollegen dabei gewesen wären . Dann hätten sie gesehen, mit welchem Eifer und mit welchem Einsatz junge Syrer die Chance in Deutschland wahrnehmen, Stipendien zu bekommen, sich zu bilden und hoffentlich später in ihren Heimatländern ihre Kenntnisse anzuwenden . Der Wert der deutschen Außenpolitik ist gestiegen . Wir haben eine größere Verantwortung in der Welt . Das ist gar keine Frage . Wenn die Außenpolitik Hochkonjunktur hat, dann bedeutet das zunächst einmal nichts Gutes . Das ist ein Ausspruch von Ihnen, Herr Steinmeier . Warum bedeutet das nichts Gutes? Weil es viele Konflikte in der Welt gibt, mit denen wir uns befassen müssen . Tatsächlich hat die Außenpolitik in Deutschland über Jahre hinweg ein Nischendasein gefristet, aber das hat sich jetzt doch geändert . Wir sehen, dass der Russland-Ukraine-Konflikt durch das auch vom deutschen Außenminister vermittelte Minsker Abkommen entschärft worden ist . Wir sehen, dass die deutsche Außenpolitik in den Verhandlungen zwischen den Westmächten, Russland und dem Iran beteiligt war . Und wir sehen, dass die deutsche Außenpolitik an dem Prozess in Wien beteiligt ist, an dem alle maßgeblichen Player mitwirken, um den Konflikt in Syrien zu befrieden. All das ist eine Auszeichnung für die deutsche Außenpolitik . Ich glaube, dass es uns wert ist, diese Außenpolitik mit den hohen Summen auszustatten . ({5}) Über die Flüchtlingspolitik ist heute schon sehr viel gesprochen worden . Ich möchte es deshalb sehr kurz machen . Mir scheint es allerdings schon so zu sein, dass die Solidarität in Europa, die auch die Frau Bundeskanzlerin heute angesprochen hat, nicht ausreicht, um die Flüchtlingsfrage zu lösen . Sie ist für die Verteilung der Flüchtlinge wichtig, aber zuerst kommen für uns die Bemühungen, die Konflikte vor Ort zu lösen, damit sich nicht so viele auf die Flucht machen müssen . Viele europäische Länder und Völker scheinen über den Schritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht hinausgekommen zu sein . Wir haben die Europäische Gemeinschaft vor fast 60 Jahren als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet . Heute sind wir eine Wertegemeinschaft . Diesen Schritt hin zu einer Wertegemeinschaft, der auch beinhaltet, dass man in schwierigen Zeiten Lasten zu tragen hat, haben viele Länder noch nicht getan . Großbritannien, Polen, Ungarn oder auch die Tschechische Republik seien nur wenige Beispiele dafür . Die kurzfristigen Lösungen, die wir jetzt anbieten, müssen um langfristige Lösungen ergänzt werden . Ich bin vor wenigen Wochen mit Frau Barnett zusammen in der Bekaa-Ebene im Libanon gewesen. Dort findet man eine unübersehbare Anzahl von Flüchtlingslagern . Wir waren in Jordanien im Lager Saatari, das mit 80 000 Flüchtlingen das zweitgrößte Lager der Welt ist . Es ist unendlich bedrückend, das Elend dort zu sehen, welches eine sofortige Hilfe notwendig macht . Sie wissen, dass aus Syrien 6 Millionen Menschen ins Ausland geflohen sind. 6 Millionen Syrer sind Binnenflüchtlinge. Die größte Last an syrischen Auslandsflüchtlingen tragen augenblicklich die Türkei mit mehr als 2 Millionen Flüchtlingen und der Libanon, der 4 Millionen Einwohner hat, mit augenblicklich 1 Million Flüchtlingen . Wir haben bemerkt, dass die Flüchtlingslager eigentlich gut organisiert sind. Eine sechsköpfige Familie bekommt pro Monat einen Wertgutschein von 180 Dollar . Das entspricht pro Kopf am Tag 1 Dollar . Davon kann man gerade so überleben . Die Gemeinschaft der Geber hat ihre Beiträge in den Sommermonaten dramatisch reduziert . Viele mussten von nur noch 50 Cent am Tag leben . Gnade uns Gott, wenn sich auch all die noch auf den Weg machen, um nach Deutschland zu kommen . Man wird 75 Millionen Euro brauchen, bloß um über den Winter zu kommen . Die humanitäre Hilfe ist für uns in der Tat - man kann es nicht anders sagen - eine Hilfe, die man einfach gewähren muss . Wir werden für die humanitäre Hilfe in Syrien, im Libanon, in Jordanien viel Geld ausgeben müssen . Wenn wir dieses viele Geld nicht ausgeben, dann werden wir in Deutschland für dieselben Menschen viel mehr Geld ausgeben müssen . Man spricht von einem Verhältnis von 1 : 27 . 1 Dollar, den wir für humanitäre Hilfe dort ausgeben, müssten wir mit 27 multiplizieren, um die Höhe der Mittel für die humanitäre Hilfe bei uns in Deutschland zu ermitteln .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Denken Sie bitte an die Zeit, Herr Kollege Karl .

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Ihr Signal gesehen, aber Herr Dehm hat mich aus der Fassung gebracht .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Die Beantwortung seiner Zwischenfrage wurde auf Ihre Redezeit nicht angerechnet . Sie hatten genügend Redezeit .

Alois Karl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir geben unendlich viel Geld für die humanitäre Hilfe aus . Zusammen mit den Mitteln für die Krisenprävention ist dies etwa 1 Milliarde Euro . Das ist das Fünffache von dem, was im Haushalt 2012 veranschlagt war . Wir machen viel . Wir hoffen, unsere Arbeit zu leisten . Wir bieten weiterhin gute Zusammenarbeit an . Lieber Herr Bundesaußenminister, wir sind sicher, dass wir auch in den nächsten zwölf Monaten eine gute deutsche Außenpolitik machen, die auch gut finanziert ist. Vielen herzlichen Dank . ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die Bundesregierung hat jetzt Bundesminister Dr . Frank-Walter Steinmeier das Wort . ({0})

Dr. Frank Walter Steinmeier (Minister:in)

Politiker ID: 11004167

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es mitbekommen: Ich bin am Montag von einer mehrtägigen Reise aus Ostafrika zurückgekommen . Zu lesen war auch, dass der eine oder andere gefragt hat: Darf man in diesen Zeiten, darf man während der Syrien-Krise, der Irak-Krise, der Ukraine-Krise, während der Bedrohung durch terroristische Anschläge eigentlich nach Afrika fliegen? Meine Antwort ist ein klares Ja. Ich finde, das kann und das muss der Außenminister in diesen Tagen sogar . ({0}) Mein Verdacht ist, dass viele Probleme, die wir mit unserer südlichen Nachbarschaft, mit unserer Nachbarschaft zu Afrika haben, daher rühren, dass wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu oft nach Gründen gesucht haben, warum wir nicht nach Afrika fliegen. Vieles, das in Europa geschah, schien drängender zu sein als das, was sich in unserer südlichen Nachbarschaft ereignet hat . Eigentlich ist uns doch klar, dass die Zeit der Krisen weit weg von uns lange vorbei ist, dass auch die scheinbar fernen Krisen jedenfalls uns in Europa sehr nahegekommen sind, und das eben nicht nur in Gestalt von Flüchtlingen . Deshalb muss Außenpolitik helfen - wie eben in Mosambik und Uganda, wo ich unterwegs war -, Frieden zu konsolidieren, Perspektiven für die Menschen in ihren Heimatländern zu entwickeln oder eben auch, was mir ganz wichtig war, regionale Kooperationen zu fördern, wie wir es gerade mit den Staaten Ostafrikas tun, damit sie in Zukunft endlich einmal in der Lage sein werden, mit Krisen, die ja beherrschbar erscheinen, zum Beispiel die in Burundi, vor Ort fertigzuwerden . Daran, dass ich das an den Anfang meiner Rede stelle, merken Sie: Dies ist ausdrücklich kein Nebenaspekt von Außenpolitik . Genau deshalb begrüße ich den vorliegenden Haushaltsentwurf . Denn dieser Haushaltsentwurf, das Budget, das uns zur Verfügung stehen wird, stärkt den Instrumentenkasten der Außenpolitik insgesamt, von der akuten humanitären Nothilfe bis hin zur zivilen Krisenprävention und zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik . Dass wir das über die Wochen und Monate so im Einverständnis miteinander verhandeln konnten, mit dem Blick sowohl auf die akuten Krisen, über die zu reden ist, wie auch mit dem Blick auf die Krisenvorbeugung von morgen, dafür gilt diesem Hohen Hause und den Vertretern des Haushaltsausschusses vorab mein ganz herzlicher Dank . Herzlichen Dank Ihnen allen! ({1}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich lastet auf uns allen noch die Schreckensnachricht von Paris . Sie liegt uns auf der Seele . Wir erinnern uns an einen ganz normalen Nachmittag in Paris, einen fast fröhlichen Freitagabend - so begann er jedenfalls -: junge Menschen auf dem Weg in die Kneipe, Fußballfans auf dem Weg ins Stadion, Musikfans auf dem Weg in die Konzerthalle . Der Abend endete anders: mit 130 ermordeten Menschen, erschossen, zerbombt, und, nicht zu vergessen, mit 340 Menschen, die verletzt wurden, 90 von ihnen sehr schwer; viele von ihnen ringen bis heute noch um ihr Leben . Will sagen: Der Terror des sogenannten „Islamischen Staats“ ist in Europa angekommen . Aber die ganze Wahrheit ist: In Syrien, im Irak, in Libyen und in Nigeria wütet diese Barbarei schon sehr viel länger als bei uns, und dort wütet sie am brutalsten und täglich . Erst gestern wieder wütete sie auch in Tunesien . Viele der Menschen, die derzeit zu uns fliehen, suchen Zuflucht vor ebendiesem Terror, den der IS in ihrer Heimat verbreitet . Zum zweiten Mal ist es Frankreich, sind es die Menschen in Paris, die von diesem Terror heimgesucht werden, aber eben nicht nur sie; das sollte uns klar sein . Das ist ein Angriff auf alle, die in Freiheit und Frieden leben wollen, ob hier in Europa oder anderswo, ob Christen, Juden, Atheisten oder Muslime . Es ist ein Angriff auf eine offene Gesellschaft, die die Fanatiker nicht ertragen und die sie deshalb vernichten wollen: mit Bomben, mit Gewehrkugeln, mit der Verbreitung von Angst und Schrecken . Aber eine Gesellschaft in Angst, in der sich die Menschen zurückziehen, verliert genau das, was sie eigentlich lebenswert macht . Gerade deshalb müssen wir um sie kämpfen . Das ist die Botschaft an Tausenden Orten in Frankreich, wenn der Angst, dem Schrecken, der Verzweiflung, der Wut, wenn alldem trotzig die Marseillaise entgegengesungen wird . Das ist die Botschaft, die Regierung und Parlament hier in Berlin am Tag nach der Schreckensnacht unseren französischen Freunden gesandt haben: Ihr seid nicht allein . Wir lassen euch nicht allein . - Zu diesem Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen wir gemeinsam . ({2}) Was heißt das konkret? Was tun wir gegen den Terror? Natürlich bleibt richtig, was alle hier im Hause vermutlich gleichlautend sagen: Am Ende ist Terrorismus nicht militärisch zu besiegen . - Am Ende ist das richtig . Aber richtig ist auch: Der IS muss auch militärisch bekämpft werden, wenn von Syrien am Ende etwas übrig bleiben soll, was wir mit unseren Bemühungen befrieden und wo wir den Menschen eine neue Zukunft schaffen . Falsch wäre es, uns nur auf Militärisches zu beschränken . Aber naiv wäre es, zu glauben, es ginge ganz ohne . Wir werden beides brauchen, und ich werde dafür streiten, mit all meiner Kraft, dass das politische Handeln und der politische Prozess bei dem, was wir tun, im Vordergrund stehen werden, meine Damen und Herren . ({3}) Drei Dinge sind wichtig: Erstens . Zu dem militärischen Kampf gegen ISIS, der fortgeführt werden muss - das wird sicherlich auch noch eine Weile dauern -, werden auch Luftangriffe gehören; sie werden dazugehören . Aber, ich glaube, mehr denn je wird klar: Wir müssen vor allen Dingen diejenigen stärken, die am Boden kämpfen . - Das haben wir eigentlich früher gemacht als andere, als wir uns entschlossen haben, die Peschmerga im Irak mit Waffen und Ausbildung zu unterstützen . Wie richtig dieses Engagement war, bei allen Schwierigkeiten, die im Nordirak unter den Kurden bestehen, das sehen wir vielleicht daran, dass nicht nur der Vormarsch des IS im Nordirak aufgehalten worden ist, sondern dass jetzt sogar kleinere Geländegewinne erzielt worden sind . Das ist nicht die Blaupause dafür, dass das, was da gelungen ist, überall anders auch passiert . Aber das ist der Hintergrund dafür - ich glaube, Herr Nouripour hat es kritisiert -, dass ich gesagt habe: Wir sollten jedenfalls versuchen, ohne dass wir die Beteiligten zwingen können, möglichst viele von den syrischen Kräften zusammenzubringen, die gegen IS sind und die bereit sind, gegen IS zu kämpfen - nicht mehr und nicht weniger; aber richtig bleibt es wohl, meine Damen und Herren . ({4}) Leider sind eben nicht nur Syrien und Irak Themen, um die wir uns zu kümmern haben, sondern die Konflikte rund um den Erdball sind noch zahlreicher, und wir werden uns nicht um alles kümmern können . Aber wir werden uns in Arbeitsteilung mit anderen engagieren müssen . Dazu gehört auch Mali . Wir diskutieren gerade in diesen Tagen im Kabinett darüber und werden im Parlament später über Mali und die Verstärkung unseres Einsatzes bei MINUSMA diskutieren . Ich rufe in Erinnerung, dass es auch in Mali Frankreich zu verdanken ist, dass Mali nicht komplett in die Hände von Islamisten gefallen ist und nicht zerstört worden ist . Dass dort heute überhaupt Stabilisierungsarbeit möglich ist, hängt damit zusammen, dass Frankreich damals eingegriffen hat - mit all den Schwierigkeiten, die das in der Folge hat . Aber wir sollten es nicht vergessen . Ich sage das auch deshalb, weil ich mich bei den Angehörigen der VN-Mission und natürlich ausdrücklich auch bei den Soldaten der deutschen Bundeswehr dafür bedanken will, dass sie unter den nicht ungefährlichen Umständen in Mali ihren Dienst tun . Herzlichen Dank dafür! ({5}) Unterstützung der Peschmerga, Arbeitsteilung in Mali - beides ist wichtig . Ich glaube, wir brauchen uns mit dem, was wir tun, nicht zu verstecken . Wir brauchen uns mit unseren Beiträgen nicht zu verstecken . Aber wir müssen wissen - spätestens nach den Gesprächen, die der französische Präsident mit dem amerikanischen Präsidenten und mit Cameron geführt hat, und vor den Gesprächen, die er mit der Bundeskanzlerin und wenige Zeit danach mit Putin führen wird -: Frankreich will nach der Tragödie von Paris kein einfaches Weiter-so in Syrien, sondern sie bitten ausdrücklich um Unterstützung welche genau, das kann ich heute noch nicht sagen . Das wird sich vielleicht im Laufe des heutigen Abends und morgen klären . Ich will auch gerne hinzufügen: Wir müssen nur geben, was wir können und verantworten können . Aber das bedeutet auch: Grundlos verweigern dürfen wir uns nicht . Sonst ist unser Versprechen, das wir gegenüber unserem engsten Nachbarn gegeben haben, eben nicht viel wert . ({6}) Glaubwürdigkeit zu bewahren, gerade wenn es schwierig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind wir auch uns selbst schuldig; jedenfalls ist das meine Überzeugung . ({7}) Zu der zweiten Dimension, zu der ich kommen will, gehört natürlich jenseits des Militärischen auch die Stabilisierung des gesamten Krisenbogens von Libyen bis in den Mittleren Osten . Es ist völlig klar: Nur wenn es staatliche Institutionen gibt, wird Stabilisierung gelingen . Dann wird es gelingen, den Nährboden auszutrocknen, auf dem Extremismus und Terrorismus gedeihen, und nur dann wird es gelingen, wieder Lebensperspektiven für die Menschen zu entwickeln . Ich sage das deshalb, weil wir schon bei der Organisation des Auswärtigen Amtes genau darauf einen Schwerpunkt gesetzt haben . Ich will auch ausdrücklich sagen: Ich bin froh darüber, dass dieser Haushalt den Schwerpunkt Stabilisierungsarbeit, Krisenprävention mit Geld unterstützt, gerade auch Stabilisierung und humanitäre Hilfe . Zur Ehrlichkeit gehört allerdings: Wir können nicht jeden Euro umrechnen in ausbleibende Flüchtlinge oder gar in ausbleibende Terroranschläge . Außenpolitik gibt es eben leider nicht mit Festverzinsung, wenn ich das so sagen darf . Aber ich glaube schon, dass man zeigen kann, dass sich unser Engagement lohnt . So werden zum Beispiel 300 000 Menschen in Syrien durch unsere Investitionen in den Syria Recovery Trust Fund inzwischen wieder mit Strom versorgt, weil wir mit unseren Partnerorganisationen Strommasten wieder aufgerichtet haben, die zerstört waren . In Tikrit stellen wir Krankenhäuser, Schulen und die Wasserversorgung wieder her, sodass die Menschen in ihre Häuser zurückkehren . Ferner gibt es Alois Karl hat eben davon berichtet - fast 300 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die gestern im Auswärtigen Amt waren und die sich jetzt darauf vorbereiten, dass sie hoffentlich irgendwann in ihr Heimatland zurückkehren und dort beim Wiederaufbau ihres Landes helfen können . Letztlich und abschließend die dritte Dimension: die politischen Lösungsversuche, der politische Prozess, den wir dringend brauchen . Ich will nicht wiederholen, was andere gesagt haben . Ich bin froh darüber, dass es in Wien erstmals gelungen ist, alle an einen Tisch zu bekommen . Ich mache mir Sorgen - das habe ich gestern auch zum Ausdruck gebracht -, dass der gestrige Flugzeugabschuss an der syrisch-türkischen Grenze uns weit zurückwerfen könnte . Ich bin froh, dass es möglicherweise, wie wir gerade eben in Tickermeldungen lesen konnten, zwischen der türkischen und russischen Regierung Bemühungen gibt, doch wieder zueinanderzukommen . Ich hoffe, dass sich Gerüchte bestätigen, dass es zu einem Treffen des türkischen und des russischen Außenministers kommen soll . Dann bleibt jedenfalls den Bemühungen um politische Optionen, an denen wir an zwei Wochenenden in Wien mühsam gearbeitet haben, eine Chance . Alle drei Dimensionen, meine Damen und Herren, über die ich gesprochen habe, sind wichtig . Auch wenn wir heute noch fassungslos sind und voller Trauer über die Opfer von Paris - wir geben uns der Verzweiflung nicht hin, wir geben uns der Ohnmacht nicht hin . Deshalb ist eben das Reden über Haushalt mehr als ein Reden über Geld . Dieser Haushalt macht vielmehr in vielen Bereichen Politik erst möglich, eine Politik, deren Maxime nicht Abschottung, nicht Ohnmacht ist, sondern Handeln . Und Handeln ist nötig, wenn wir diese Welt ein bisschen friedlicher machen wollen, als sie ist . Vielen Dank . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke . - Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Sevim Dağdelen das Wort. ({0})

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Minister! Es ist natürlich begrüßenswert, dass Sie die Welt sicherer machen wollen . Es ist natürlich auch ein gutes Ziel, den IS zu bekämpfen . Aber da möchte ich Sie gerne einmal fragen, da der IS keine Waffenfabriken hat: Woher bekommt der „Islamische Staat“ seine Waffen? ({0}) Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt und beliefert Diktaturen am Golf wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder auch den Terrorförderer Türkei, von der man weiß, auch aus geheimdienstlichen Informationen, dass sie islamistische Terrormilizen in Syrien bewaffnet . Da frage ich mich: Warum bewaffnen wir weiterhin Terrorunterstützerstaaten wie diese am Golf? ({1}) Was ich Ihrer Rede auch entnehme, ist, dass Sie nichts an der falschen Außenpolitik ändern wollen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren gemacht hat . Was in diesen Tagen droht, ist eine massive Beteiligung Deutschlands an einem neuen Krieg gegen den Terror . Heute Morgen verkündete die Bundesregierung, bis zu 650 deutsche Bundeswehrsoldaten in den Krieg nach Mali schicken zu wollen . Und das Auswärtige Amt erwägt offenbar in militärischer Unterstützung Frankreichs weitere Militäreinsätze; genannt werden da vom Auswärtigen Amt Tunesien und Libyen . Ich frage Sie deshalb, ob man aus diesem furchtbaren Krieg gegen den Terror nach dem 11 . September, der gescheitert ist, nichts gelernt hat . Dieser sogenannte Krieg gegen den Terror hat aus einigen Hundert Terroristen hunderttausend Terroristen weltweit gemacht, meine Damen und Herren . ({2}) Deshalb, meine Damen und Herren, ist eine solche Politik falsch . Mord muss überall verurteilt werden, egal von wem und egal wo er stattfindet. Auch deshalb ist diese Politik falsch . NATO-Bombenangriffe auf Hochzeitsgesellschaften, Drohnenmorde im Nahen und Mittleren Osten züchten den Terror und haben den Terror regelrecht gemästet . Deshalb sage ich Ihnen: Erst wenn auch dieses Hohe Haus versteht, dass die Mütter in Pakistan, im Jemen, in Afghanistan oder im Irak genauso um ihre verlorenen Kinder trauern wie die Mütter in Paris und in Frankreich, werden Sie, meine Damen und Herren, verstehen, wie wir unsere Politik verändern müssen, um im Kampf gegen den weltweiten Terror etwas zu erreichen . ({3}) Das Auswärtige Amt hat in den letzten Jahren die Regime-Change-Politik der USA unterstützt . Im Irakkrieg 2003 war Deutschland mit dabei; nicht mit Soldaten . Aber Deutschland engagierte sich stärker im Krieg in Afghanistan, sodass US-Truppen für den Angriff freigesetzt wurden, und stellte die Stützpunkte in Deutschland zur Verfügung . Vor Ort in Bagdad half auch der Bundesnachrichtendienst kräftig mit . Beim NATO-Angriff auf Libyen beließ man die deutschen Soldaten in den NATO-Kommandostrukturen . Heute herrscht dort der „Islamische Staat“ über Hunderte Kilometer Mittelmeerküste . Ich frage mich: War dieser Bombenangriff, dieser Krieg in Libyen erfolgreich? War das wirklich von Erfolg gekrönt, wenn wir jetzt einen Staat haben, der völlig zerstört ist, völlig destabilisiert ist, und wo der IS Hunderte von Kilometern Mittelmeerküste kontrolliert? Ich glaube, Erfolg sieht anders aus, meine Damen und Herren . ({4}) In Syrien agierte man mit Saudi-Arabien, Katar und der Türkei, die den barbarischen „Islamischen Staat“ und auch die Al-Nusra-Front, also einen Ableger von alQaida, unterstützen . Man berichtet seitens der türkischen Regierung über Bewaffnungen islamistischer Terrormilizen. Ich finde, die verheerende Saat dieser falschen Regime-Change-Politik ist jetzt aufgegangen . Auch dadurch wurden natürlich Strukturen hervorgebracht, die den Terror in der Region mit befördern . Deshalb sagt die Linke: Hören Sie endlich mit dieser Politik auf, kehren Sie um . Das Völkerrecht muss die Richtschnur sein für das außenpolitische Handeln . Das heißt, weg von einer völkerrechtswidrigen Regime-Change-Politik . ({5}) Am Sonntag wird es mit dem türkischen Präsidenten Erdogan einen EU-Gipfel geben . Erdogan fordert jährlich 3 Milliarden Euro als Tribut, damit die Türkei Flüchtlinge im Land behält, sozusagen als Grenzwächter für die EU . Aus den Weisungen der Bundesregierung an ihre Brüsseler Beamten im Vorfeld des Gipfels lese ich heraus: Die Bundesregierung ist bereit, Herrn Erdogan jährlich eine Milliardenhilfe deutscher Steuergelder zu überweisen . - Wie wollen Sie das eigentlich vor der Bevölkerung in Deutschland rechtfertigen, dass Sie ihre Steuergelder künftig an jemanden zahlen, der Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, der faschistische Schlägertrupps in kritische Zeitungsredaktionen schickt und der jetzt ein russisches Kampfflugzeug abschießen lässt und en passant den Dritten Weltkrieg riskiert? Wir finden, das darf es nicht geben. Der Pakt mit Erdogan darf so nicht stattfinden. Das wäre nämlich eine moralische Bankrotterklärung . ({6}) Wir sagen auch, es ist nicht in Ordnung, über die militärische Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag, auf dessen Grundlage der neue Krieg gegen den Terror laufen soll, noch nicht einmal in Brüssel, geschweige denn im Bundestag abzustimmen . Alles lief auf Zuruf . Der Bundestag wurde nicht einmal informiert, geschweige denn gefragt . Jetzt will das Auswärtige Amt nicht einmal, wie bisher, über die Ratsarbeitsgruppen aus Brüssel informieren und damit das Grundgesetz und die Unterrichtungspflicht verletzen, um sich bei den Kriegsvorbereitungen nicht in die Karten schauen zu lassen . Diesen Angriff des Auswärtigen Amtes auf die Parlamentsrechte dürfen wir nicht hinnehmen . Deshalb mein Appell auch an die anderen Fraktionen im Hause: Lassen Sie sich nicht derart entmündigen, meine Damen und Herren! ({7}) Sagen Sie Nein zu diesem neuen Krieg gegen den Terror, der schon verloren ist, bevor er überhaupt angefangen hat . Danke . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Bevor ich dem Kollegen Dr . Franz Josef Jung das Wort gebe, möchte ich alle nachfolgenden Redner und Rednerinnen bitten, die vereinbarte Redezeit einzuhalten . Diejenigen, die ein großes Kontingent an Redezeit haben, sind meistens besonders großzügig, aber dann kommen die nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zu den vorgesehenen Zeiten zu ihren Debatten . Der Kollege Dr . Franz Josef Jung für die CDU/ CSU-Fraktion wird uns das jetzt vorbildlich vormachen . ({0})

Dr. Franz Josef Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003781, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Außenpolitik ist zurzeit in besonderer Art und Weise gefordert, wenn es um die Friedenssicherung oder die Beseitigung der Fluchtursachen geht . Es kommt hinzu das haben uns die menschenverachtenden Anschläge in Paris, aber auch der Abschuss der russischen Passagiermaschine auf dem Weg von Scharm al-Scheich und die gestrigen Anschläge in Ägypten und in Tunesien gezeigt -, dass die freie Welt in besonderer Art und Weise herausgefordert ist, dass wir gemeinsam gefordert sind, zu unseren Werten zu stehen und alle Möglichkeiten zu nutzen, um diesem Terrorismus entgegenzutreten, auch mit militärischen Mitteln . Denn ich glaube, dass die notwendige Beseitigung des Terrorismus im Irak und in Syrien nur so möglich ist . ({0}) Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, deutlich zu machen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, dass auch für uns der Satz des Staatsmanns Perikles gilt, der einmal formuliert hat: Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut . Insofern ist es richtig, wenn wir auch in dieser nicht einfachen Situation mutig zusammenstehen . Das bedeutet dann aber auch, dass die internationale Gemeinschaft gemeinsam ISIS entgegentreten muss . Deshalb sage ich im Hinblick auf die aktuelle Situation zwischen der Türkei und Russland: Es ist dringend notwendig, besonnen zu reagieren . Ich will jetzt hier keine Verantwortlichkeiten im Einzelnen erörtern . Es wäre aber klug, wenn auch die Türkei und Russland gemeinsam mit uns gegen ISIS einträten . Ich glaube, dort gibt es noch ein Stück weit Nachholbedarf . Dies wäre wichtig, auch mit Blick auf die Verhinderung von Terrorangriffen, die nachher die eigenen Länder betreffen könnten . ({1}) Meine Damen und Herren, ich will unterstreichen, was der Außenminister gesagt hat . Letztlich werden wir nur zum Erfolg kommen, wenn wir hier unter Einbeziehung politischer, diplomatischer und entwicklungspolitischer Mittel, aber auch militärischer Mittel, also mit einem vernetzten Ansatz, vorgehen . Der vernetzte Ansatz bedeutet: ohne Sicherheit keine Entwicklung, aber ohne Entwicklung auch keine Sicherheit . Insofern ist es richtig, dass wir beispielsweise die Peschmerga in Syrien unterstützen, dass hier 4 700 Kräfte ausgebildet worden sind, dass beispielsweise 400 Jesiden ausgebildet worden sind, damit sie sich verteidigen können . Wer den Film Háwar - Meine Reise in den Genozid gesehen hat, der konnte sehen, wie menschenverachtend ISIS gegen die Jesiden vorgeht . Insofern ist es richtig und gut, dass wir die Jesiden befähigen, sich vor Ort zu verteidigen und gegen den ISIS-Terrorismus vorzugehen . Ich glaube auch - da unterstreiche ich, was der Außenminister gesagt hat -, dass es richtig ist, die Angriffe aus der Luft zu unterstützen . Aber es muss auch der Kampf am Boden vorgenommen werden . Das ist notwendig . ({2}) Von daher teile ich die Auffassung, die der jordanische Außenminister gegenüber unserer Fraktion geäußert hat . Er formulierte: Wir Muslime müssen selbst diesen Kampf gegen ISIS führen, aber ihr müsst uns dabei unterstützen . - Insofern ist der Weg, den wir als Bundesrepublik Deutschland beschreiten, richtig . Im Hinblick auf die weitere Situation kann man festhalten, dass Erfolge feststellbar sind . Sindschar ist zurückerobert worden . Ich denke, es ist auch richtig - wir haben jetzt die notwendigen Mittel vorgesehen -, dass wir unser Kontingent in der Region verstärken . Derzeit sind dort 100 Soldaten im Rahmen der Ausbildung und Unterstützung tätig . Wir wollen die Zahl auf 150 erhöhen . Das ist ein richtiger, notwendiger Schritt, um dem ISIS-Terrorismus vor Ort wirkungsvoll entgegenzutreten, dort zu einer Befriedung der Situation beizutragen ({3}) und letztendlich dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder friedlich in ihrer Heimat miteinander leben können . ({4})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dehm?

Dr. Franz Josef Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003781, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Okay .

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön .

Dr. Jörg Diether Dehm-Desoi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000365, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Jung, ich finde auch, dass das Eintreten für Christen, für Jesiden - der Außenminister hat es auch angesprochen - sehr stark honoriert werden muss . Ich weiß nicht, ob Sie den Film gesehen haben - ich glaube, er lief auf Phoenix; ich weiß nicht, ob er auch in der ARD lief -, der zeigt, dass sich junge kurdische Frauen ausbilden lassen, um Jesiden, um Christen, also Andersgläubige, die nicht so denken wie sie, zu verteidigen . Aber das betrifft nicht nur die Peschmerga-Kämpfer, wovon dieser Film handelte, sondern auch die kurdische Arbeiterpartei und die PYD, die bei uns allerdings auf der Terrorliste stehen . Wann beziehen wir diese endlich in die große Allianz im Kampf gegen ISIS ein? Ist es nicht widersinnig, jene Kämpfer und Kämpferinnen, die von ISIS und Erdogan beschossen werden, auf der Terrorliste zu behalten, die sich so tapfer für Christen und Andersdenkende einsetzen? ({0})

Dr. Franz Josef Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003781, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dehm, ich habe den Film, den Sie erwähnen, nicht gesehen . Ich habe den Film Háwar gesehen, den ich gerade beschrieben habe, wo Ähnliches entsprechend angedeutet worden ist . Ich kann die Situation in der Türkei im Hinblick auf die PKK im Einzelnen nicht beurteilen . Auch da ging es um entsprechende Anschlagssituationen. Ich finde aber, dass wir, die internationale Gemeinschaft, gerade angesichts der Herausforderung, vor der wir durch die Anschläge stehen - ich sage es noch einmal: Paris, Passagiermaschine, Ägypten, Tunesien -, zusammenstehen müssen . Das bezieht auch die Türkei und Russland mit ein . Jetzt geht es nicht darum, dass sich die Türkei speziell mit der PKK auseinandersetzt oder wie Russland mit der einen oder anderen Rebellensituation umgeht . Vielmehr geht es jetzt darum, dass wir geschlossen gegen ISIS vorgehen . Das ist meines Erachtens die Aufgabe, und dazu sollten wir unseren Beitrag leisten . ({0}) Lassen Sie mich einen weiteren wichtigen Punkt hinzufügen . Ich habe gerade gesagt, dass wir die Anzahl der Soldaten in der Ausbildungsmission von 100 auf wahrscheinlich 150 Soldaten erhöhen werden . Ein Soldat, der immerhin schon in sieben Auslandseinsätzen war, hat gesagt: Er ist der Auffassung, dass dies einer der sinnvollsten Einsätze ist, den er bisher geleistet hat. - Ich finde, wir sollten unseren Soldatinnen und Soldaten herzlich danken für ihr Engagement im Einsatz, bei der Ausbildung, bei der Unterstützung und bei der Ertüchtigung der Kräfte vor Ort . Denn so kann ein wirkungsvolles Vorgehen gegen den Terrorismus von ISIS erfolgen . ({1})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Kollege Jung, gestatten Sie auch noch eine Zwischenfrage des Kollegen Sarrazin, ich meine, Nouripour? Entschuldigung .

Dr. Franz Josef Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003781, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Zwischenfrage des Kollegen Nouripour kann ich jetzt nicht ablehnen . - Bitte sehr .

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage . - Sie haben gerade gesagt, dass die Ausbildung richtig ist; ich teile das . Sie haben aber vorhin auch mit uns gelauscht, wie der Herr Außenminister gesagt hat, dass die Waffenlieferung an die Peschmerga richtig war . Haben Sie vor Ort einmal die Frage gestellt, mit welchen Waffen die Menschen zur Ausbildung kommen? Die Peschmerga sind ja nicht stationiert; sie kommen morgens zur Ausbildung, und abends sind sie wieder weg . Wir haben nicht nur MILAN geliefert, sondern auch 20 000 G3- und G36-Waffen . Die deutschen Ausbilder, die ich vor Ort getroffen habe, haben mir gesagt: Sie haben noch nie einen gesehen, der mit eben diesen Waffen zur Ausbildung kommt . Sie kommen im besten Falle mit Kalaschnikows aus den 50er-Jahren aus der Tschechoslowakei . Die Bundesregierung sagt - ich habe die Antwort schriftlich bekommen -, dass sie selbst keine physische Endverbleibskontrolle für die Waffen gewährleisten kann . Wir wissen nicht, wo die 20 000 Gewehre geblieben sind . Haben Sie schon einmal die Frage gestellt, wo die Waffen eigentlich hingekommen sind, wenn sie nicht aufbewahrt werden? Da wäre ja einer der weniger schlimmen Fälle, die mir einfallen würden; Proliferation wäre weit schlimmer . Werden die Waffen aufbewahrt für den Fall, dass eines Tages die Peschmerga der KDP von Herrn Barzani kämpfen wollen gegen die Peschmerga der PUK und andere oder gegen die PKK, wie es in Sindschar teilweise passiert ist? ({0})

Dr. Franz Josef Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003781, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will Folgendes dazu sagen: Ich kenne nicht die Antwort auf die Frage, die Sie angesprochen haben . Aber, lieber Herr Nouripour, natürlich brauchen die Kämpfer die Befähigung und Ertüchtigung, mit den Waffen entsprechend umzugehen . Wenn beispielsweise die Peschmerga bereits darüber nachdenken, ihre Kinder nach unserer Panzerabwehrrakete MILAN zu benennen, dann zeigt das, dass die Lieferung, die wir zur Ertüchtigung der Peschmerga vorgenommen haben, durchaus erfolgreich ist . ({0}) Ich glaube, das muss man in dem Zusammenhang sehen . ({1}) Ich glaube, es ist richtig, dass wir in der Art und Weise unterstützen, trotz all der Probleme, die Sie angesprochen haben . Lassen Sie mich noch einmal kurz auf Syrien zurückkommen . Ich möchte das, was der Außenminister zu der Konferenz in Wien gesagt hat, unterstreichen . Er hat gesagt, dass er dafür sorgt, dass die Dinge weitergehen . In Wien gab es, so will ich es einmal sagen, Zeichen der Hoffnung: Saudi-Arabien und Iran saßen mit am Tisch, und man hat einen Fahrplan für den Friedensprozess vereinbart . Nach diesem Fahrplan soll es eine Übergangsregierung geben; am Ende dieses Prozesses sollen Wahlen stehen; lokale Waffenruhen sollen zu einem landesweiten Waffenstillstand führen; der Einsatz von Fassbomben und die Raketenangriffe auf die Wohngebiete sollen das ist etwas, was ich für ganz wichtig erachte - gestoppt werden . Ich denke, wir sollten diesen Prozess, der in Wien eingeleitet worden ist, nachdrücklich unterstützen; denn Ziel muss es sein, dass der Bürgerkrieg in Syrien beendet wird, dass dort wieder Frieden herrscht . Wenn hier beantragt wird, Unterstützung im Rahmen einer UN-Mission zu leisten, dann sollten wir diese Unterstützung leisten . Das halte ich für richtig . Ich habe gehört, dass hier heute Morgen kritische Anmerkungen zu den Aufklärungstornados, zu den „Recce“-Tornados, gemacht worden sind . Ich kann nur sagen, dass ich in meiner Zeit sehr positive Erfahrungen mit dem Einsatz von Tornados zur Aufklärung in Afghanistan gemacht habe . Die Tornados können gegebenenfalls sicherstellen, wo welche Terrortruppen tätig sind . ({2}) Dann kann man entsprechend handeln . - Dies muss noch ausgehandelt werden . Was ich sagen will, ist: Wenn es zu einer derartigen Mission kommt, können wir nicht an der Seite stehen . Ich glaube, wir müssen diesen Friedensprozess aktiv unterstützen . ({3}) Ich glaube, das ist auch entscheidend, damit die Flüchtlingsbewegung, die in Gang gekommen ist, wieder reduziert werden kann . Die Menschen brauchen eine Perspektive, damit sie zurückkehren . Hinzufügen möchte ich: Ich halte es für richtig, dass die Mittel für die Flüchtlingscamps erheblich aufgestockt worden sind . Man kann - das muss man ehrlich sagen - eigentlich gar nicht nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, dass den Menschen in diesen Flüchtlingscamps nur 14 Dollar pro Monat zur Verfügung stehen . Da braucht man sich nicht zu wundern, dass sie die Flucht ergriffen haben . Deshalb ist es richtig und notwendig, jetzt Mittel in die Hand zu nehmen, um zu gewährleisten, dass die Menschen vor Ort ein menschenwürdiges Leben führen können . ({4}) Wenn man über die Beseitigung der Fluchtursachen bzw . eine Reduzierung der Flüchtlingsentwicklung spricht, muss man auch sagen, dass es wichtig ist, dass man zu einer Vereinbarung mit der Türkei kommt . Das Signal, das Präsident Erdogan ausgesandt hat, geht in die richtige Richtung . Ich kann nur hoffen und wünschen, dass es am Sonntag zu einer Vereinbarung kommt; denn es ist auch ein Akt der Humanität, dafür Sorge zu tragen, dass diese Menschen nicht mehr ihr Leben riskieren müssen, indem sie mit Schlauchbooten über das Mittelmeer kommen . Wir brauchen eine klare Regelung, nach der Menschen im Rahmen eines Kontingents nach Europa kommen können . Sie müssen sicher hierhergeführt werden können, und diejenigen, die kein Recht haben, hier zu sein, müssen zurückgeführt werden können . Das wäre nicht nur mit Blick auf die Begrenzung der Flüchtlingsströme wichtig . Es wäre auch ein Akt der Humanität, zu einer klaren Regelung mit der Türkei zu kommen . ({5}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der aktuellen Entwicklung in Afghanistan noch eine Bemerkung machen . Ich glaube, dass wir in Afghanistan viel erfolgreicher waren, als das bisher öffentlich dargestellt wurde . Aus meiner Sicht hat die Bundeswehr einen wichtigen und notwendigen Beitrag für eine stabile Entwicklung in Afghanistan geleistet . Viele Soldaten, auch solche, die heute in den Aufnahmelagern tätig sind, fragen, warum sie sich dort so engagiert haben, warum dort Kameraden gefallen sind, wenn jetzt trotzdem viele Afghanen den Weg nach Europa und nach Deutschland suchen . Hier muss man deutlich machen: Es gibt dort keine Bürgerkriegssituation . 80 Prozent des Gebiets im Norden von Afghanistan sind unstreitig . Wir wissen, wie die Situation dort ist . Das ist befriedetes Gebiet . Deshalb halte ich es für richtig, dass wir hier über Fluchtalternativen, über entsprechende Möglichkeiten für die Menschen, dort zu leben, sprechen . Wir müssen sie durch die Resolute Support Mission weiter unterstützen und innerstaatliche Fluchtalternativen schaffen . Es ist nicht sinnvoll und notwendig, dass eine erheblich große Anzahl Afghanen den Weg nach Europa suchen . ({6}) Ich füge hinzu: Wenn ich über die Vermeidung von Fluchtursachen spreche, gehört dazu natürlich der Blick nach Afrika . Ich halte es für richtig, dass wir nicht nur die „Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung“ umsetzen, sondern dass auch das, was auf dem EU-Afrika-Gipfel besprochen worden ist, entsprechend in die Realität umgesetzt wird; der Bundesaußenminister hat es gerade von diesem Pult aus gesagt . Wir müssen weiter Unterstützung leisten, und die Bemühungen, beispielsweise in Libyen wieder zu einer stabilen Entwicklung zu kommen, müssen weiter vorangehen, damit wir auch dort die Chance und die Möglichkeit haben, zu Vereinbarungen zu kommen, wie es jetzt beispielsweise zwischen Spanien und Marokko geschehen ist . Wir brauchen hier eine stabile Entwicklung, auch im Norden Afrikas . Deshalb ist es notwendig - das will ich im Hinblick auf die aktuelle Anschlagssituation in Tunesien sagen -, dass wir Tunesien unterstützen . ISIS greift Tunesien zurzeit natürlich bewusst in einer Art und Weise an, die eine demokratische, eine perspektivische Entwicklung im Norden Afrikas lähmt . Deshalb müssen wir auch dieses Land im Hinblick auf seine zukünftige Entwicklung und im Kampf gegen den ISIS-Terrorismus unterstützen . ({7}) Wenn ich über die Vermeidung von Fluchtursachen spreche, dann gehört natürlich auch dazu, dass ich einen Blick in die Ukraine werfe . Das ist richtig und notwendig . Der Bundesaußenminister ist hier in einer besonderen Art und Weise mit engagiert . Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um Minsk II umzusetzen . Es ist zwar wahr, dass die Waffen seit einer geraumen Zeit im Wesentlichen schweigen, aber die schweren Waffen sind immer noch nicht zurückgezogen worden . Der Reformprozess, der eigentlich unter Einbeziehung der Regionalvertreter vorangehen sollte, geht noch nicht in dieser Art und Weise voran . Deshalb ist es, glaube ich, notwendig, dass wir eine Perspektive für die Menschen dort schaffen, dass die Europäische Union hier noch stärker Reform- und Modernisierungsanstrengungen unternimmt, um die Ukraine in eine positive Entwicklung zu führen . Denn wenn die Menschen merken, dass es wirtschaftlich immer nur weiter abwärts geht, wenn es keine Perspektive gibt, dann besteht natürlich die Gefahr, dass sie nicht Binnenflüchtlinge bleiben, sondern das Land verlassen . Deshalb, glaube ich, sind wir besonders gefordert . Wir haben ein EU-Assoziierungsabkommen, um in der Ukraine unseren entsprechenden Akzent zu setzen . Meine Damen und Herren, eine wertorientierte und nachhaltige Außenpolitik im Rahmen des vernetzten Ansatzes ist die richtige Grundlage zur Friedenssicherung und zur Beseitigung von Fluchtursachen . Dieser Haushalt sichert hierzu die finanziellen Voraussetzungen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung . Besten Dank . ({8})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Jetzt kommt der Kollege Sarrazin zu Wort für Bündnis 90/Die Grünen .

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Es ist gar kein Problem, dass Sie den Kollegen Nouripour mit mir verwechselt haben . Zwei so brillante Kollegen kann man durchaus einmal miteinander verwechseln . Das verstehen wir natürlich alle gut . - Entschuldigen Sie bitte, ich muss nach der Rede des Kollegen Jung mit einer Redezeit von, ich glaube, 17 Minuten versuchen, mit irgendeinem billigen Witz Ihre Aufmerksamkeit wiederzugewinnen; denn ich finde, dass wir über mehr reden sollten als nur über die Zahlen im Haushalt . Dieser Etat beinhaltet ja auch das Europaministerium . Ich glaube, gerade die Situation, die sich an der syrisch-türkischen Grenze abgespielt hat - sie wurde schon benannt -, führt uns vor Augen, zu welch riskanten Situationen es führt, wenn auf der einen Seite ein geopolitisches Spiel gespielt wird, wenn gebombt wird, wenn Gewalt angewendet wird, nur um im Innern das Prestige zu erhöhen und in geopolitischer Hinsicht auf eine Bühne zu kommen, und wenn auf der anderen Seite schon seit vielen Jahren ganz unklar ist, wohin eigentlich die türkische Außenpolitik führt, wenn vielleicht sogar klar ist, dass sie nicht mehr als oberstes Ziel die Stabilität in der Region verfolgt . ({0}) Das sollte uns darin bestärken, dass der Werteansatz, Kollege Karl, also der Ansatz, dass die Europäische Union eine wertebasierte Außenpolitik macht, richtig ist und dass eine starke und geschlossene Stimme Deutschlands ganz entscheidend ist, wenn man vorangehen will . Was erleben wir jetzt? Was erleben wir in der aktuellen Lage, in der aktuellen Krise, in der es um Flucht, Vertreibung, Gewalt und schreckliche individuelle Schicksale geht? Wir erleben eine Bundesregierung und eine Koalition, die sich dermaßen zerlegt, dass sogar Partner, von denen man sonst nicht unbedingt denkt, dass sie das Vernünftigste sagen, danach rufen, dass sie Orientierung brauchen, in welche Richtung Europa und vor allem Berlin eigentlich gehen . Wir erleben eine Nebenaußenpolitik, die die Bemühungen von Herrn Steinmeier konterkariert . Herr Nouripour hat gerade schon ein Beispiel genannt . Es gibt noch weitere: Da gibt es diesen Parteivorsitzenden, der als Vizekanzler privat nach Moskau fährt und einen Auftritt hinlegt, den man sonst eigentlich nur Viktor Orban zutrauen würde, der einen eigenen Energie deal vorschlägt und zum Ausdruck bringt, die Sanktionen gegenüber Russland seien eigentlich blöd . Das ist doch kein Auftreten einer deutschen Bundesregierung in einer solch kritischen Lage, meine Damen und Herren! ({1}) Wir erleben auf der einen Seite, dass auch ein bayerischer Ministerpräsident Außenpolitik macht und die gesamte Union mittlerweile seit Wochen von der Schließung der Grenzen faselt . Auf der anderen Seite reden Sie darüber, Fluchtursachen zu bekämpfen . Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie die Grenzen Deutschlands dichtmachen würden und wenn auch Österreich, Slowenien und Kroatien die Grenzen dichtmachen würden, dann sage ich Ihnen, wo als Nächstes Fluchtursachen entstehen, weil der Bürgerkrieg dann vorprogrammiert ist, nämlich in den Erweiterungsstaaten des westlichen Balkans, die eigentlich schon viel weiter vorangekommen sind . Die Frage ist doch: Welche sind die Werte dieser Union? ({2}) Welche Zuversicht strahlt eine so zerstrittene Koalition in dieser schwierigen Lage aus, in der der wichtigste stabilisierende Faktor, der im Moment überhaupt infrage kommen könnte, doch die Europäische Union ist? Ein weiterer Aspekt der Nebenaußenpolitik: Welches Land grenzt eigentlich an diese Region an? Griechenland . Was haben wir im Juli dieses Jahres erlebt, als der Bundesfinanzminister - so halb abgesprochen - GrieDr. Franz Josef Jung chenland plötzlich entgegen allen deutschen Interessen aus dem Euro und damit faktisch auch aus der Europäischen Union herausschmeißen wollte? ({3}) War das denn etwas, was mit der jetzigen Lage überhaupt zu vereinbaren ist? Noch etwas . Dieser Außenminister macht etwas, was schon lange kein deutscher Außenminister mehr gemacht hat - dafür möchte ich ihn ausdrücklich loben -: Er engagiert sich persönlich im Rahmen der Friedensbemühungen auf Zypern . Sie waren dort, Herr Außenminister; auf Zypern ist das sehr gut angekommen . Wenn es uns gelingt, dort im nächsten Jahr eine Lösung hinzubekommen, dann wäre das doch ein Signal der Stabilität, das auch eine Ausstrahlung auf das Nachbarland, auf Syrien, haben könnte . Das könnte auch das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei, aber auch die Situation in der gesamten Region positiv beeinflussen. Das ist Außenpolitik, die man braucht . Man muss die Partner in Europa zusammenhalten und darf sie nicht gegeneinander ausspielen . ({4}) Meine Damen und Herren, ich glaube, Europa ist in dieser Situation gefordert . Uns ist ganz klar: Die Welt um uns herum wird gefährlicher . Ich bin der festen Überzeugung, dass mehrere Dinge notwendig sind, wenn wir mit unseren Werten durch die nächsten Jahre kommen wollen . Wir brauchen die klare Botschaft, dass man Europa nicht stärkt, wenn man ein Land herausdrängt, wenn es zu einer Spaltung kommt oder wenn neue Gremien gegründet werden, in denen manche Mitglied sind, manche nicht . Wir müssen gleichzeitig die Wirtschafts- und Währungsunion, also das wirtschaftliche Zutrauen in die Europäische Union, stärken und zeigen, dass wir auch in einer ökonomischen Krise handlungsfähig sind, dass junge Menschen Chancen in Europa haben . Wir sehen doch, dass die Jugend aus manchen unserer Nachbarländer flieht, weil sie dort keine Chancen hat. Es ist für die jungen Menschen auf dem Balkan, die vor Korruption, Hoffnungslosigkeit und einer grassierenden Arbeitslosigkeit nach Europa fliehen, keine Perspektive, wenn wir uns nicht auch um die wirtschaftlichen Probleme der Jugend im Süden Europas und in anderen Staaten kümmern . Wir wissen, dass wir alle zusammenhalten müssen alle 28 Staaten . Deshalb müssen wir auch klarmachen, dass man die Wertegrundlage der Europäischen Union nicht infrage stellen darf . Hier wird Deutschland gefordert sein, gegenüber unseren Partnern in Großbritannien klare Worte zu sprechen, dass wir gemeinsam weiterarbeiten wollen, aber die Werte der Europäischen Union nicht verhandelbar sind . ({5}) Meine Damen und Herren, gute deutsche Europapolitik ist verlässlich . Sie ist oftmals eine Politik der Mitte, die zwischen Ost und West und zwischen Süden und Norden ausgleicht . Das ist die Rolle, die Deutschland wieder einnehmen muss . Sie verhindert, dass Partner herausgedrängt werden, aber sie bringt Partner auch dazu, sich zu verändern . Diese Koalition kann nur dann dafür sorgen, dass Deutschland ein solcher Integrationsmotor in Europa ist, wenn sie zu Geschlossenheit findet und sich auf die Werte Europas besinnt . Dazu gehört gerade in der Flüchtlingsfrage das humanitäre, christliche, abendländische, humanistische, jüdische Wertefundament . Danke . ({6})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Nächster Redner ist Christian Petry, SPD-Fraktion . ({0})

Christian Petry (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004605, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Behandlung des Einzelplans 05 - Auswärtiges Amt - ist in der Haushaltsdebatte natürlich der außenpolitische Schlagabtausch schlechthin . Mein Dank gilt Frank-Walter Steinmeier und Michael Roth für ihren unermüdlichen Einsatz für die deutsche Außenpolitik mit klarer sozialdemokratischer Handschrift . ({0}) Ich möchte meinen Fokus nun auf die EU richten . Viele Themen wären hier aktuell . Wir könnten uns über die Zukunft Griechenlands, über die Krise in der Ukraine, über die Debatte, ob Großbritannien in der Europäischen Union bleibt oder nicht, über die Bankenunion, über die Kapitalmarktunion, über die Forderung nach mehr Beschäftigung und Wachstum - das ist ganz wichtig - und über die Ablösung der Austerität unterhalten . Diese Themen zeigen schon, dass wir ein vereintes Europa dringender brauchen denn je . Dabei müssen die europäischen Errungenschaften verteidigt werden: Freizügigkeit, offener Arbeitsmarkt, grenzüberschreitende Ausbildung . Auch die gemeinsame Währung gehört dazu . Wenn wir heute, an diesem Tage, über Europa sprechen, dann sprechen wir aber leider natürlich auch über den Terror - er darf in dieser Debatte natürlich nicht fehlen - und über die Anschläge in Paris . Dieser wiederholte Anschlag auf unsere französischen Nachbarn forderte viele Tote und Verletzte . Es war ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte und auf ganz Europa . Und natürlich sprechen wir hier auch über die Toten des Flugzeugabsturzes im Sinai und über die Toten von Tunis, Bamako, Beirut, Kabul und Bagdad . Sie alle sind Opfer des Terrors geworden . Als Saarländer möchte ich ein besonderes Wort an unsere französischen Freunde richten: Chers amis français, Nous allons faire face ensemble . Les terroristes ne vaincront pas . La justice vaincra . La solidarité vaincra . La liberté vaincra . La grande Nation française vaincra . Mes amis français, nous sommes avec vous dans le camp du monde libre . Merci bien . Europa ist das Bollwerk der Menschenrechte, der Freiheit und der Demokratie . Es steht für Toleranz, Gegenseitigkeit und Respekt sowie für das Recht eines jeden Bürgers, sein Glück zu suchen . Genau diese Werte wollen Terroristen zerstören . Unsere klare Antwort ist das Bekenntnis zu Europa . Flüchtlinge dürfen in dieser Situation nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden . Hierzu wäre normalerweise mehr zu sagen, aber ich appelliere nur insbesondere an die CSU in Bayern: Wir sollten unsere gemeinsamen Beschlüsse erst einmal umsetzen, bevor wir hier auf diese Art und Weise agieren . Das hilft nur dem rechten Rand und ist nicht gut für die politische Diskussion . Diese Art des Ausspielens untereinander sollte nicht weiter fortgeführt werden . ({1}) Zurück zu Europa: Frankreich hat mit Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages die Beistandsklausel aktiviert . Europa muss zusammenstehen . Es muss die Zusammenarbeit verbessern, für einen engeren Austausch sorgen, gemeinsame Standards bei den Polizeien und den Geheimdiensten einführen und den Datenaustausch zwischen den Behörden forcieren . Vieles ist zwar schon vereinbart worden, aber hier kann auch vieles noch besser werden . Ein gemeinsames politisches Handeln muss hier im Vordergrund stehen, und es ist natürlich sehr zu begrüßen, dass wir als Deutschland den französischen Freunden gegenüber unseren Beistand versichern . Zum Bundeswehreinsatz ist hier schon einiges gesagt worden . Diese Einsätze gibt es in vielfältiger Weise . Ich bin froh, dass dies mit dem Parlamentsvorbehalt versehen ist . Wir können in vielfältiger Weise helfen: Wir müssen die Zivilgesellschaften stärken . Wir müssen den Dialog und den Austausch stärken . Das stärkt auch die Sicherheit . Und: Wir müssen den Zusammenhalt in Europa weiter verbessern . Dazu gehört natürlich eine Vision, die wir in diesen Krisenzeiten nicht vergessen dürfen . Die Vision ist, dass Europa Reformen erfährt und dass wir Europa stärken müssen . Die Vorschläge von Sigmar Gabriel und Macron zur Flüchtlingsfrage sind da durchaus hilfreich . Wir brauchen eine Reform der Institutionen . Wir brauchen eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik . Diese könnte gegebenenfalls der Weg hin zu einem harmonisierten Asylrecht sein . Wir brauchen eine Koordination in der Wirtschaftspolitik . In diesem Zusammenhang sind eine stärkere Kapitalmarkt- und Bankenunion genannt worden . Auch die Steuerpolitik ist hier angesprochen worden . Eine Harmonisierung tut not . Natürlich brauchen wir zur Stärkung der Institutionen eine grundlegende Reform . Wir müssen den aufkeimenden Nationalismus wieder zurückdrängen . Dem aufkeimenden Nationalismus in Europa muss durch diese Maßnahmen ein starkes und solidarisches Europa entgegengesetzt werden . ({2}) In diesem Sinne möchte ich Frank-Walter Steinmeier, Michael Roth und alle Demokraten hier in diesem Land ermuntern, diesen Weg in der Außenpolitik und in der Europapolitik weiterzugehen . Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr eine Debatte unter besseren Vorzeichen führen können und dass etwas mehr Friede in der Welt herrscht . Mit diesem frommen Wunsch möchte ich schließen und danke für Ihre Aufmerksamkeit . - Glück auf! ({3})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt die Kollegin Erika Steinbach das Wort . ({0})

Erika Steinbach-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002808, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen, vor denen die deutsche und auch die europäische Außenpolitik gegenwärtig stehen, sind gewaltig - das haben alle in ihren Beiträgen heute deutlich gemacht -, ob in Afrika, insbesondere im Nahen Osten, oder auch hier in Europa selbst . Mit großer Sorge müssen wir feststellen, dass die multi ethnischen und multireligiösen Staaten Syrien und Irak in den letzten Jahren immer instabiler geworden sind . Wir konnten das im Menschenrechtsausschuss über die Jahre hinweg deutlich beobachten . Das ganze Problem ist nicht vom Himmel gefallen, sondern vieles war frühzeitig erkennbar . All das hat zum Erstarken der islamistischen Terroristen, wie des sogenannten „Islamischen Staates“, geführt . Der IS ist in den von ihm terrorisierten Teilen Syriens und des Iraks für zahlreiche schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, wie zum Beispiel Massenhinrichtungen, gezielte Angriffe auf Zivilisten und auf die zivile Infrastruktur . Ich weigere mich aber, all das, was der IS tut, als „Krieg“ zu bezeichnen; denn damit erhöht man den IS zu einem Staat . Das ist er nicht . Es sind Terroristen . ({0}) IS-Kämpfer rekrutieren Kinder und scheuen nicht davor zurück, Frauen und selbst Kinder systematisch zu vergewaltigen; das mag man sich überhaupt nicht vorstellen . Religiöse und ethnische Minderheiten wie Jesiden und Christen werden unterdrückt, vertrieben, ermordet . Auch die muslimischen Glaubensrichtungen selbst terrorisieren sich untereinander . Inzwischen ist eine regelrechte Entführungsindustrie zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen der Islamisten herangewachsen . Mit Entführungen wird viel Geld verdient . Das barbarische Vorgehen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ muss von der Staatengemeinschaft gezielt und mit planvollem Handeln endlich beendet werden können . Das ist eine schwierige Aufgabe . In der zweiten Zusammenkunft der Wiener Syrien-Konferenz konnten erste Schritte auf dem Weg zur Beendigung der Gewalt vereinbart werden . Herzlichen Dank, Herr Außenminister, dass Sie sich dafür so engagiert eingesetzt haben . Wir müssen versuchen, diesen Weg erfolgreich zu Ende zu gehen . Unser Ziel muss es sein, nach politischen Lösungen zu suchen, die befriedend wirken und damit Syrern am Ende wieder eine Perspektive in ihrer Heimat ermöglichen . Die zunehmende Instabilität auch in vielen anderen Ländern und Regionen der Erde trägt dazu bei, dass die Zahl der Flüchtlinge beständig steigt . Zurzeit sind beinahe 60 Millionen Menschen - diese Zahl wurde vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Mitte des Jahres ermittelt - weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten, Verfolgung und auch Not. Davon sind 38 Millionen Binnenflüchtlinge, also Flüchtlinge innerhalb ihres eigenen Landes . Nie zuvor hat es so viele Menschen gegeben, die aus den unterschiedlichsten Gründen unterwegs gewesen sind . Beobachter prognostizieren - auch ich bin davon fest überzeugt -, dass das, was wir jetzt erleben, erst der Anfang ist, wenn wir uns nicht klug und rechtzeitig insbesondere auch um den afrikanischen Kontinent kümmern - und kümmern müssen . ({1}) Wir müssen leider erkennen, dass die Staatengemeinschaft - insbesondere auch die Europäische Union - in den vergangenen Jahren bei der Hilfe für die Menschen vor Ort sträflich versagt hat. Es darf sich nicht wiederholen, dass das UNHCR derart unterfinanziert ist, dass die Essensrationen in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Syriens halbiert werden müssen . Alle Staaten sind dringend aufgefordert, die von ihnen eigentlich zugesagten finanziellen Beiträge auch zu erbringen. Deutschland hat schnell reagiert und die Mittel für das Welternährungsprogramm noch vor dem Wintereinbruch um 75 Millionen Euro erhöht . Dafür danke ich allen Haushaltskollegen - egal aus welcher Fraktion; natürlich, das muss ich hinzufügen, insbesondere den eigenen - ganz herzlich . ({2}) Neben der ersten so dringend notwendigen kurzfristigen menschenwürdigen heimatnahen Versorgung und Unterbringung durch humanitäre Hilfe bleibt aber vor allem die langfristig angelegte Bekämpfung der Fluchtursachen unsere zentrale politische Aufgabe . Nur dann wird es gelingen, die anschwellenden globalen Migrationsströme auch wirklich zu beeinflussen. Vor allem müssen wir die afrikanischen Staaten in der Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung bestärken . Diese müssen wir auch einfordern . Ich unterstütze ganz ausdrücklich, Herr Außenminister, dass Sie Ihren Weg nach Afrika gegangen sind, obwohl sich mancher fragte, warum Sie das getan haben . Das ist elementar nötig . Es muss angesichts nie gekannter Zahlen von Migranten, die nach Deutschland kommen oder sich in Deutschland befinden, das Ziel sein, vor allem in den Herkunftsund Transitländern die dringend benötigte Hilfe zu leisten . Denn eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiß doch jeder von Ihnen, der sich vor Ort mit den Menschen und den Vertretern von Hilfsorganisationen unterhält: Das Elend dieser Welt lässt sich in Deutschland nicht beheben . Dafür gibt es zu viel davon . Wir haben bereits jetzt mit der Aufnahme von nahezu 1 Million Migranten die Grenze dessen überschritten, was viele leisten können . Zudem ist leider erkennbar, dass damit auch die ethnischen und die religiösen Konflikte nach Deutschland importiert worden sind und unser Wertesystem auf eine Probe stellen werden . Davon müssen wir ausgehen . Unsere Städte und Gemeinden sowie die Landkreise ächzen unter der Last der Zuwanderungszahlen . Sie können nicht warten, bis EU-Lösungen oder internationale Lösungen gefunden worden sind . Dabei ist erkennbar, dass unsere europäischen Nachbarländer den deutschen Sonderweg nicht mitgehen wollen und nicht mitgehen werden . Das kann jeder prognostizieren, der die Verlautbarungen aus den Nachbarländern hört . ({3}) Deshalb ist es unabdingbar nötig, dass das vor Wochen spontan ausgesetzte Recht umgehend wieder angewendet wird . Das sind wir unserem Rechtsstaat und seinen Menschen schuldig . Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht leicht: Das Spannungsverhältnis zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik beschwert nicht wenige . Max Weber verlangte von uns Politikern, sich verantwortungsethisch zu verhalten . Gesinnungsethik, so Max Weber, sei etwas für die Heiligen . ({4}) Und das sind wir nicht . ({5})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank . - Als letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich hat jetzt der Kollege Matern von Marschall das Wort . ({0})

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank . Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gelegentlich angeklungen, man solle in der Haushaltsdebatte nicht überwiegend über Geld sprechen . Eigentlich ist im Wesentlichen nicht über Geld gesprochen worden . Deswegen möchte ich sagen, dass die Voraussetzung all unseres politischen Handelns ein ausgeglichener Haushalt ist, und den hat Wolfgang Schäuble vorgelegt . Herzlichen Dank dafür! ({0}) Wenn wir überdies in unserem nationalen Haushaltsplan neben den Ausgaben von 316 Milliarden Euro auch die Gesamteinnahmen sehen, die das Finanzministerium zurzeit auf 670 Milliarden Euro schätzt, dann ist allerdings auch klar, dass wir durchaus in der Lage sind, beachtliche Hilfe für die in dieses Land kommenden Flüchtlinge zu leisten . Darauf können wir stolz sein, und damit können wir auch in der Europäischen Union als Vorbild dienen . Deswegen halte ich es für dringend erforderlich lieber Kollege Petry, Sie haben von Austerität gesprochen -, dass wir das, was wir in Europa vereinbart haben, nämlich dass wir solide Haushalte sicherstellen wollen, auch in Zukunft machen und dass wir nicht unter dem Eindruck der Belastungen, die uns die Flüchtlingskrise, aber vielleicht auch die Bekämpfung des Terrorismus jetzt auferlegen, diese Disziplin in der Haushaltsführung aufgeben . Das, meine ich, ist eine ganz wesentliche europäische Aufgabe . Denn nur solide Haushalte ermöglichen uns, außenpolitisch und entwicklungspolitisch die Aufgaben zu bewältigen, die in Bezug auf die Bekämpfung der Fluchtursachen schon in beachtlichem Umfang hier ausgeführt worden sind . ({1}) Ich bin sehr dankbar, dass dieser Haushalt die kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben, die Deutschland hat und denen im Räumlichen lokale, nationale, europäische und globale Aufgaben entsprechen, sehr klar abbildet . Deswegen freue ich mich auch, dass die beiden zentralen europäischen Länder, nämlich Frankreich als Gastgeber und Deutschland ganz an der Seite Frankreichs, jetzt die Weltklimakonferenz in Paris ausrichten, übrigens gerade auch angesichts des Terrors als ein Zeichen der Solidarität mit Frankreich und als ein Zeichen politischer Arbeit, die der Bekämpfung der Fluchtursachen dient . Denn auch das ist schlussendlich globaler Klimaschutz . Das ist auch ein Element der globalen Nachhaltigkeitsstrategie, zu der sich Deutschland und auch Europa verpflichtet haben. Die sogenannten Sustainable Development Goals wurden erst vor wenigen Wochen von den Vereinten Nationen in New York angenommen . Mit anderen Worten - der Finanzminister hat es gestern mit Blick auf die Kontrolle der Finanzmärkte und auch auf die Möglichkeiten der Steuererhebung angesprochen -: Deutschland ist dabei, die „Bedingungen dieser immer enger werdenden weltweiten Verflechtung, die wir Globalisierung nennen“ - Zitat von Herrn Schäuble -, zu verstehen und in seiner Haushaltsführung bzw . in der Betonung dieser wichtigen internationalen Aufgaben entsprechend zu reflektieren. Das ist von großer Bedeutung . Ich freue mich, dass dies gelingt . Wenn wir über Terrorismus sprechen, und das ist angesichts der entsetzlichen und grausamen Anschläge in Paris unausweichlich - gleichwohl sie in Europa die schrecklichsten sind, haben die Anschläge in sehr vielen anderen Ländern, etwa in der ganzen Region von Afghanistan bis nach Syrien, noch entsetzlichere Ausmaße -, dann halte ich es im europäischen Kontext für ganz außerordentlich wichtig, dass wir die Kooperation unserer Nachrichtendienste stärken . Das sollte namentlich über Europol geschehen, und über Europol geschieht es auch jetzt schon . Es sind allerdings nur wenige Länder bereit, umfangreich Daten einzustellen, die aber für die Aufklärung etwa der Wege, die Terroristen in Europa nehmen, von großer Bedeutung sind . Wenn wir das rückblickend betrachten - etwa bei dem Gott sei Dank vereitelten Anschlag im Thalys-Zug -, konnte man a posteriori sehr gut die Wege nachvollziehen, und man konnte auch jetzt erkennen, wie vereinzelt Terroristen den Weg über die Balkan-Route gefunden haben . Hier bedarf es also nicht nur einer Stärkung ihrer Arbeit in den nationalen Haushalten, sondern auch einer außerordentlich engen Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, und das muss namentlich über Europol geschehen . ({2}) Mit Blick auf die Außengrenzen der Europäischen Union muss ich schon sagen - ich bin davon überzeugt -: Wenn es in Griechenland nicht möglich ist, mit nationalen Mitteln die Grenzen zu sichern, dann müssen wir und zwar auch kurzfristig - zu einer gemeinsamen europäischen Sicherung unserer Außengrenzen gelangen . Wenn wir nicht zu einer gemeinsamen Außengrenzsicherung gelangen, also zu einer von allen europäischen Nationen gemeinsam getragenen Grenzsicherung, dann wird natürlich der Druck steigen, eine isolierte nationale Lösung bei der Grenzsicherung zu finden. Das wollen wir vermeiden . Deswegen ist eine gemeinsame europäische Grenzsicherung ein Schwerpunkt der unmittelbaren Zukunft unserer Arbeit . ({3}) Ich komme als Berichterstatter für die Türkei auf dieses Land, über das bereits debattiert wurde, zu sprechen . Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Wenn man den Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission liest - dieser müsste eigentlich Rückschrittsbericht heißen -, dann stellt man fest, dass die Türkei mit Blick auf die Grundrechtskapitel in einer Lage ist, die als mehr als betrüblich, wenn nicht sogar als katastrophal zu bezeichnen ist . Hier sind leider keine Fortschritte, sondern Rückschritte festzustellen . ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege, die Kollegin Hänsel würde gerne eine Zwischenfrage stellen . Wollen Sie sie zulassen oder weitersprechen?

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde ausnahmsweise weitersprechen, um meinen Gedanken zu Ende zu führen . ({0}) Vielleicht kann die Frage nachfolgend gestellt werden . Ich möchte auf die Menschenrechtskapitel etwas näher eingehen . Der Kabinettschef von Herrn Hahn, den ich in der letzten Woche in Brüssel getroffen habe, hat mir klar signalisiert, dass es kein Junktim im Zusammenhang mit der Unterstützung, die dazu dient, die Türkei angesichts der Flüchtlingsbewegungen zu stabilisieren, geben wird und dass es zu keiner Aufweichung der klaren und strikten Vorgaben aus den Fortschrittsberichten, die sich an den Kapiteln orientieren, kommen wird . Diese Kapitel werden also nicht mit einem Deal verknüpft; das sollte ausdrücklich klar sein . Die Europäische Kommission plant, die Türkei mit 3 Milliarden Euro zu unterstützen . 500 Millionen Euro kommen aus dem Haushalt der Europäischen Union, ({1}) und 2,5 Milliarden Euro stammen aus den Haushalten der Mitgliedstaaten, allen voran aus dem Haushalt Deutschlands, das sich entsprechend dem in Europa üblichen Gross National Income mit 22 Prozent beteiligt . Wie wir sehen, will Deutschland die Türkei in die Lage versetzen, den Flüchtlingen in ihrem Land eine Perspektive zu geben . Das wird unterstützt durch unser BMZ, das mit Maßnahmen die mittel- und längerfristige Perspektive, etwa die schulische Bildung, stärkt . Wir machen das sowohl im europäischen als auch im nationalen Kontext; das ist wichtig . Wir werden aber eine Visa liberalisierung nur vornehmen, wenn die Türkei bereit ist, Flüchtlinge zurückzunehmen, die von der Türkei aus in andere Länder der Europäischen Union eingewandert sind . Das sollte deutlich gemacht werden, wenn wir der Türkei Hilfe leisten . Das ist auch in meinem Gespräch mit dem Kabinettschef von Herrn Hahn einvernehmlich so ausgedrückt worden . Frau Hänsel, Sie dürfen jetzt gerne Ihre Zwischenfrage stellen . Oder hat sie sich erledigt?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Hänsel hat eine Kurzintervention angemeldet . Sie können also entspannt zu Ende sprechen .

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann werde ich entspannt zu Ende sprechen . Ich will eines klarmachen: Wenn Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zwei Drittel der finanziellen Lasten des Pakets, das nun die Europäische Union schnürt, tragen, dann wird auch klar, dass diese Länder maßgeblich die Zukunft der europäischen Außenpolitik mitbestimmen müssen, solange wir keine wirkungsvolle gemeinsame Außenpolitik haben . Da ist Bundeskanzlerin Merkel die Beste, die das vorantreiben kann . Danke . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Abgeordneten Hänsel, Fraktion Die Linke .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident . - Ich möchte kurz nachfragen, da Sie fast beiläufig gesagt haben, dass wir die Sicherung der Außengrenzen von Griechenland gegenüber der Türkei übernehmen sollten . Aber wir kennen doch alle die dramatischen Bilder von Schlauchbooten, in denen Menschen, ganze Familien sitzen, die sich über die Türkei auf die griechischen Inseln retten . Ich selbst war wie etliche Kollegen im Sommer auf der griechischen Insel Lesbos, wo jeden Tag bis zu 10 000 Menschen ankommen . Wie wollen Sie konkret die Grenzen sichern, und was soll das für die Menschen bedeuten, die auf hoher See in diesen Schlauchbooten sitzen? Wollen Sie anweisen, dass sie zurückgeschickt werden, und in Kauf nehmen, dass damit noch mehr Menschen ertrinken? Der Bürgermeister von Mytilini auf Lesbos, Spiros Galinos, hat einen dramatischen Hilferuf an die internationale Gemeinschaft gerichtet und gesagt, dass die Gräber auf der griechischen Insel Lesbos aufgrund der ertrunkenen Menschen übervoll seien . Wollen wir so weitermachen, indem wir jetzt in einem Satz sagen: „Wir machen dort die Grenzsicherung“? Was bieten Sie diesen Menschen auf der Flucht an? Das ist eine Schande für Europa . In den Sätzen zuvor wird gesagt: Wir sind eine Hochburg der Werte . - Was sind denn die europäischen Werte, wenn sie nicht dazu führen, diesen Menschen zu helfen? Es kann nicht sein, dass wir in einem Satz sagen: Wir sichern dort die Grenzen und machen sie einfach zu . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Mögen Sie antworten? - Bitte schön .

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hänsel, ich hatte eben versucht - erstens -, klarzumachen, dass es unser Anliegen ist, die Türkei in die Lage zu versetzen, den Menschen eine Bleibeperspektive zu bieten, sodass sie sich gar nicht erst auf diesen gefährlichen Weg machen müssen . ({0}) Zweitens . Die europäische Außengrenzsicherung ist ein zentraler Aspekt der Souveränität der Europäischen Union . Wenn diese Außengrenzsicherung nicht gewährleistet ist - das hatte ich ausgeführt -, dann wird der Druck auf die nationalen Grenzen, nämlich die Sicherung im nationalen Alleingang vorzunehmen, weiter zunehmen . Das ist alles andere als wünschenswert . Kollege Sarrazin hat die Rückwärtsentwicklung einer solchen Flüchtlingswelle, die sich entlang der Balkan-Route entfalten würde, deutlich gemacht . Das ist unser Ansatz . Wir wollen ferner die Schlepperbanden bekämpfen, sodass die Möglichkeit, mit der Flucht der Menschen viel Geld zu verdienen und die Menschen in einer lebensgefährlichen Fahrt auf die Inseln zu bringen, unterbunden wird . Ich glaube, das ist ein gemeinschaftlicher europäischer Ansatz, der gleichzeitig auch den humanitären Prinzipien, denen diese Gemeinschaft verpflichtet ist, genügt. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich schließe die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - in der Ausschussfassung . Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen . Wer stimmt für den Änderungsantrag von Bündnis 90/ Die Grünen auf Drucksache 18/6799? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt . Wir stimmen nun über den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - in der Ausschussfassung ab . Wer stimmt für den Einzelplan 05 - in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen somit angenommen . Ich rufe Tagesordnungspunkt I .11 auf: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/6113, 18/6124 Berichterstatter sind die Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Karin Evers-Meyer, Michael Leutert und Dr . Tobias Lindner . Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Die Linke einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Abgeordneten Michael Leutert, Fraktion Die Linke, das Wort . ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Bei den derzeit täglich stattfindenden Ereignissen ist es nicht so einfach, nur über die Zahlen des Haushalts zu sprechen . Erst gestern hat die Türkei ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen . Danach gab es eine Krisensitzung der NATO . Das sind natürlich alles keine beruhigenden Nachrichten . Das türkische Verhalten ist ein Schritt zur weiteren Eskalation des Konfliktes, und dafür kann und darf es von uns keine Solidarität geben . ({0}) Die Türkei ist ein aktiver Teil der Auseinandersetzung in Syrien . Sie unterstützt einerseits alles und jeden, der gegen Assad kämpft, einschließlich des IS . Damit ist sie ein Gegenspieler Russlands, da Russland auf der Seite von Assad kämpft . Andererseits bekämpft die Türkei mit allen Mitteln, auch mit militärischen, die Kurdinnen und Kurden in Syrien, im Irak und im eigenen Land . Die Kurden wiederum werden aber von den USA und auch von Deutschland mit Waffen, Ausbildung und Informationen unterstützt. Mittendrin in diesem Konflikt sind Bundeswehrsoldaten in der Türkei und im Irak im Einsatz . Ich habe in meiner Rede im September schon einmal auf diese komplizierte Situation hingewiesen . Leider ist die Situation seitdem nicht einfacher geworden, ganz im Gegenteil . Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss der Abzug der Bundeswehrsoldaten aus der Türkei beschleunigt werden . ({1}) Vor zwölf Tagen erreichte uns eine andere schreckliche Nachricht . Wir wurden Zeugen der brutalen Terroranschläge des IS in Paris mit mehr als 130 Toten und noch viel mehr Verletzten . Nichts, aber auch gar nichts kann diese Taten rechtfertigen, und die Terroristen müssen verfolgt und bestraft werden . Frankreich und auch die Menschen in Frankreich verdienen unsere Solidarität . Aber unsere solidarischen Reaktionen müssen besonnen und weitsichtig sein . Wir dürfen mit unseren Folgehandlungen nicht dazu beitragen, dass wir in Zukunft noch größere Probleme haben . Forderungen nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren, wie sie auch von Kabinettsmitgliedern in der Öffentlichkeit kundgetan wurden, gehören definitiv nicht in die Kategorie „besonnen und weitsichtig“ . ({2}) Frau Ministerin, ich bitte Sie, hier und heute klar und deutlich zu erklären, dass es mit Ihnen auch in Zukunft keinen Bundeswehreinsatz im Inneren geben wird . ({3}) Ein militärischer Entlastungseinsatz der Bundeswehr in Mali gehört ebenfalls nicht in die Kategorie besonnener und weitsichtiger Reaktionen . Der Kern des innermalischen Konflikts ist doch die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ausgrenzung der Tuareg . Diese haben sich nun innerhalb der letzten 60 Jahre zum vierten Mal erhoben . Dieses Problem militärisch zu lösen, daran sind die Franzosen schon gescheitert, als sie noch Kolonialherren gewesen sind . Und nun soll die Bundeswehr es militärisch lösen? Es gibt dort nur den Ausweg der friedlichen politischen Lösung . Dazu muss natürlich auch die malische Regierung bereit sein . So und nicht anders können wir etwas zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen . Fluchtursachen bekämpfen ist derzeit fraktionsübergreifender Konsens; das kann man nur begrüßen . Umso ärgerlicher ist es allerdings, wenn in Ihrem Ministerium, Frau Ministerin, Maßnahmen finanziert werden, die diesem Ziel genau entgegenstehen . Ich meine damit das Projekt TanDEM-X . Was ist TanDEM-X? Deutschland verfügt über zwei Satelliten, die seit mehreren Jahren die Erdoberfläche in nie dagewesener Genauigkeit vermessen, Gesamtkosten bisher 400 Millionen Euro . Davon hat der Steuerzahler bisher 300 Millionen Euro gezahlt . Aus den gewonnenen Rohdaten kann man das genaueste Höhenmodell der Erde errechnen, welches es bisher gibt . Man hat dann sozusagen eine 3-D-Landkarte unseres Globus . Diese Karte ist so genau, dass mittlerweile alle möglichen Geheimdienste und Militärs daran Interesse haben . Mit gesundem Menschenverstand und mit der Logik eines Haushälters könnte man nun auf die Idee kommen: Wir berechnen das Höhenmodell selber und können die Ergebnisse an befreundete und zuverlässige Staaten verkaufen . Wir könnten also sozusagen noch Geld einnehmen . Aber nein, Sie wollen es genau umgekehrt machen: Wir kaufen unser eigenes, von unseren Steuergeldern bezahltes Produkt noch einmal für weitere 360 Millionen Euro und schenken es 35 anderen sogenannten Allianznationen . In dem Vertrag, der abgeschlossen wird, ist ausdrücklich festgehalten, dass diese Allianznationen das Recht haben, das Kartenmaterial mit anderen ausländischen Koalitionspartnern zur Verfolgung eines gemeinsamen sicherheitspolitischen Interesses zu teilen . Sie wollen also ein weltweit militärisch nutzbares Höhenmodell, welches die Bundeswehr „zeitnah für bestehende und geplante Aufklärungs-, Führungs-, Simulations-, Einsatz- und Waffensysteme benötigt“, an 35 andere Nationen verschenken und ihnen das Recht einräumen, dies wiederum mit anderen zu teilen . Unter den 35 Staaten befindet sich nicht nur die Türkei, die derzeit aktiver Teil militärischer Auseinandersetzungen im Irak und in Syrien ist, sondern man findet da auch die Vereinigten Arabischen Emirate . Die Emirate sind derzeit an den militärischen Auseinandersetzungen im Jemen beteiligt . Außerdem gehören die Emirate zum Golf-Kooperationsrat, welcher eine außen- und sicherheitspolitische und damit auch eine militärische Komponente hat . Alle Länder der Arabischen Halbinsel, also auch Saudi-Arabien, gehören diesem Zusammenschluss an - nur der Jemen nicht, und genau in diesem Land führen die Länder des Golf-Kooperationsrats einen erbitterten Krieg . Denen schenken wir jetzt noch die genaueste militärisch nutzbare 3-D-Weltkarte, damit sie ihre Militäroperationen noch besser planen und durchführen können . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir solchen Maßnahmen zustimmen und bereit sind, dafür auch noch 670 Millionen Euro zu bezahlen, dann können wir uns die 250 Millionen Euro zur Krisenprävention und Friedenserhaltung im Etat des Auswärtigen Amtes auch sparen . Ich kann Sie nur noch einmal auffordern, dieses Projekt sofort zu stoppen . Wir brauchen das Geld dringend an anderer Stelle . Außerdem bin ich der Auffassung, dass Sie gegen geltendes Recht verstoßen . Sie brauchen dafür nämlich eine Rüstungsexportgenehmigung . Die haben Sie aber nicht . Es wurde noch nicht mal ein Antrag gestellt . An dieser Stelle kann die SPD mal helfen . Minister Gabriel, zuständig für Exportgenehmigungen, könnte hier als SPD-Parteivorsitzender sein Versprechen, Rüstungsexporte zu minimieren, umsetzen . Ich hoffe, Sie tun das . Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Schaffung von Frieden . ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Für die Bundesregierung erteile ich das Wort der Bundesministerin Dr . Ursula von der Leyen . ({0})

Dr. Ursula Leyen (Minister:in)

Politiker ID: 11004092

Vielen Dank . - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen . Ich danke insbesondere den Berichterstattern für eine sehr vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit . Das war in diesem Jahr wie in den vergangenen Jahren ausgesprochen angenehm zu erleben . Ich möchte an dieser Stelle auch ganz herzlich den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, insbesondere dem Bundestagspräsidenten, danken, nämlich dafür, dass vor zwei Wochen der 60 . Geburtstag der Bundeswehr hier so klasse gefeiert worden ist . ({0}) Wir haben am 11 . November einen Großen Zapfenstreich vor dem Reichstag erlebt . Wir haben eine tolle Debatte am nächsten Tag hier im Hohen Hause gehabt . Das waren ganz besondere Momente, nämlich Momente des Innehaltens auch in dieser turbulenten Zeit, Momente der Aufmerksamkeit, Momente der Wertschätzung . Das hat den Menschen in der Bundeswehr richtig gutgetan . Das kann ich Ihnen nach dem sagen, was ich auch an Feedback bekommen habe . Ich glaube, das hatten sie auch verdient . Die Glückwünsche zu unserem 60 . Geburtstag waren kaum verklungen, und die Fackeln zum Großen Zapfenstreich waren kaum erloschen, da haben uns diese grauenhaften Bilder aus Paris erreicht: unschuldige Menschen, die von kaltblütigen Terroristen willkürlich hingerichtet werden: beim Konzert, im Café, auf der Straße, mitten im Alltag, mitten in Frankreich, mitten in Europa . Meine Damen und Herren, wir alle spüren in diesen Tagen - das zeigen auch die Debatten in diesem Hohen Hause -, dass diese niederträchtigen Anschläge nicht nur Frankreich gegolten haben, sondern insbesondere uns allen . Unsere offene Gesellschaft, unser Wertesystem und unsere Überzeugungen, das sollte im Kern getroffen werden . Deshalb sage ich auch ganz unmissverständlich: Wir stehen an der Seite Frankreichs, und zwar nicht nur in der Trauer um die Toten - die beweinen wir gemeinsam mit Frankreich -, sondern vor allem in der Entschlossenheit, den Terror zu bekämpfen . Das ist unsere ganz klare Botschaft . ({1}) Frankreich hat zum ersten Mal die Beistandsklausel des Artikels 42 Absatz 7 des Vertrags über die EU aktiviert, die alle Mitgliedstaaten dann, wenn ein Mitgliedstaat von außen angegriffen wird, zur Hilfe verpflichtet. Deshalb werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um unseren französischen Verbündeten und Freunden nach diesem Angriff unsere Unterstützung zuzusichern . Der Artikel 42 Absatz 7 ist ein ganz starkes politisches Signal . Er hat eine starke Bindungswirkung, so wie der Artikel 5 des NATO-Vertrags, aber er hat einen viel breiteren Instrumentenkasten, aus dem man sich bedienen kann . Das heißt, wir müssen auch darauf achten - das tun wir in diesen Tagen -, dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen im Kampf gegen den Terror nötig ist und dass insbesondere auch sämtliche Ressorts der Bundesregierung gefragt sind . Frankreich erwartet Hilfe im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ . Aber es erwartet auch Entlastung . Ich werde nicht vergessen, wie eindringlich mein Kollege Jean-Yves Le Drian im Ministerrat uns um Hilfe gebeten hat und wortwörtlich gesagt hat: Frankreich kann das alles nicht mehr alleine tragen . - Und wir wollen helfen . Ich glaube, es zeigt sich in diesen Tagen sehr deutlich, wie sinnvoll unsere Entscheidung vor etwas mehr als einem Jahr war, im Nordirak die Verantwortung zu übernehmen, die Peschmerga auszurüsten und auszubilden; denn es ist ihnen gelungen, den sogenannten „Islamischen Staat“ nicht nur zu stoppen, sondern ihn zurückzuschlagen . In diesen Tagen haben sie die Stadt Sindschar wiedererobert . Ja, es bedurfte natürlich des Mutes der Peschmerga und der Standfestigkeit und auch des Willens, ihre Heimat zu verteidigen . Aber es bedurfte eben auch unserer Ausrüstung und unserer Ausbildung . Das war ein wichtiger Etappensieg bis hierher, und wir müssen ganz beharrlich diesen Weg verlässlich mit den Kurden auch weitergehen . ({2}) Der sogenannte „Islamische Staat“ - ja, wir müssen ihn bekämpfen . Viele Rednerinnen und Redner haben dies gesagt . Wir müssen aber auch stabilisieren, und wir müssen vor allem diejenigen stark machen, die Beute des „Islamischen Staates“ geworden sind . Im Haushalt 2016 haben wir einen Ertüchtigungstitel über 100 Millionen Euro eingerichtet . Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt können wir ihn in Anspruch nehmen für Ausstattung, für Stabilisierung, für Staatsaufbau . Alleine für den Irak sind da rund 24 Millionen Euro geplant . Denn wir wissen, auch wenn militärische Mittel im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ unumgänglich sind, die wahre Bewährungsprobe kommt erst nach diesem Kampf . Die kommt nämlich in der Zeit, wenn Städte oder Gebiete zurückerobert worden sind . Dann müssen wir in die Stabilisierung dieser Regionen investieren . Dann müssen wir in den Aufbau und vor allen Dingen in die Versöhnung investieren . Wir haben ja in den vielen Lehren, die wir in den vergangenen Jahren auch in Afghanistan gezogen haben, gelernt, dass die Zeit nach dem Kampf die entscheidende ist für die Nachhaltigkeit des Erfolges und dass wir da die Wurzeln legen für ein friedliches Zusammenleben . Da hinein muss investiert werden . ({3}) Deshalb zieht sich dieser Krisenbogen nicht nur von Afghanistan über das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, sondern bis nach Westafrika hinein . Auch das ist in mehreren Beiträgen angeklungen . Wir werden deshalb auch unsere Präsenz in Afrika ausweiten . In Mali, einem Land, das noch stabil ist, das mit den Terroristen ringt, die alles tun, um die Stabilität des Landes zu erschüttern und es in seiner Gesamtheit zu zerstören, wird eine dauerhafte Befriedung nur wachsen, wenn die Aussöhnung zwischen den Tuareg, den Rebellen und der Regierung wenigstens denjenigen, die dem Friedensvertrag zugestimmt haben - tatsächlich eine Besserung für die Menschen in dem Land mit sich bringt und natürlich wenn die Sicherheitsstrukturen in Mali gefestigt werden . Für den Friedensprozess ist die VN-geführte Mission MINUSMA ein unverzichtbarer Rahmen, der aber - wir haben heute Morgen schon darüber gesprochen - so ausgestattet sein muss, dass MINUSMA seine Funktion des Begleitens des Friedensvertrages tatsächlich ausüben kann . Die Ausstattung der VN-geführten Mission ist in ganz vielen verschiedenen Beiträgen hier Dauerthema gewesen . Wir wollen substanziell zu MINUSMA beitragen, auch um unserer gewachsenen Verantwortung gerecht zu werden . Das ist auch der Leitgedanke für die Grundhaltung, aus der heraus wir in der letzten Woche im Kabinett die Verlängerung des Resolute-Support-Mandates in Afghanistan beschlossen haben . Wir müssen auch dem afghanischen Volk zeigen, dass wir an seiner Seite stehen; denn es ist ein langer beschwerlicher Weg, gerade für die af ghanische Regierung und die Sicherheitskräfte, bis sie die Sicherheit in Afghanistan tatsächlich selber tragen können . Kunduz hat mehr als deutlich gezeigt, wie schwer der Weg ist und wie sehr sie noch auf unseren Rat und unsere Unterstützung angewiesen sind, und wir müssen unsere Lehren aus Kunduz ziehen . Ich finde aber vor allem wichtig, dass wir nach diesen vergangenen anderthalb Jahren Resolute Support Mission wegkommen von dieser monatsweisen Betrachtung des Mandats und davon, ununterbrochen auf Rückzugspläne gepolt zu sein; vielmehr müssen wir unsere Haltung in Afghanistan ändern und viel stärker deutlich maBundesministerin Dr. Ursula von der Leyen chen, dass wir eher in Jahren der Präsenz in Afghanistan denken, damit wir aufbauen, damit wir nach vorne denken . Es geht also darum, dass wir dieses Mandat tatsächlich auch mit Leben erfüllen und nicht permanent über den Rückzug diskutieren . Denn damit, meine Damen und Herren, senden wir vor allem der afghanischen Bevölkerung das klare Signal, dass wir Zutrauen in die Zukunft Afghanistans haben, dass wir verlässlich sind und dass wir an ihrer Seite bleiben, bis Afghanistan es geschafft hat, selbst Stabilität herzustellen . Deswegen müssen wir länger dort bleiben . ({4}) Wir haben uns deshalb am Montag mit 21 Verbündeten und Partnern zusammengesetzt . Es war beeindruckend zu erleben, wie sehr unsere Partner im Norden Afghanistans mit uns in diesem Grundansatz übereinstimmen, über lange Fristen zu diskutieren und nicht monatsweise, und wie sehr sie uns ihre Unterstützung zugesichert haben . Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich hier Anfang September bei der ersten Lesung dieses Haushaltes vor Ihnen stand, da standen wir alle noch unter dem starken Eindruck des Flüchtlingsthemas, das im Augenblick noch genauso bedeutend ist, wie es damals war, aber heute überlagert wird von der Diskussion - auch diese ist wichtig - über die Bekämpfung des Terrors . Ich möchte hier nur berichten, dass uns als Bundeswehr diese Aufgabe nach wie vor enorm fordert, in der Amtshilfe und mittlerweile unverzichtbar . Wir haben inzwischen mit der Bundeswehr über 35 000 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge und Asylsuchende geschaffen . Das Verteidigungsministerium hat im Bundeskabinett die Verantwortung für das Thema Unterbringung übernommen . Und wir haben uns darauf eingerichtet, langfristig zu helfen: mit Personal und mit unserer geballten Erfahrung in Führung und Organisation . Das heißt, dass wir aktuell mit deutlich mehr als doppelt so vielen Soldatinnen und Soldaten, fast dreimal so vielen Soldatinnen und Soldaten, wie wir im Auslandseinsatz haben, per Amtshilfe in der Flüchtlingshilfe gebunden sind . Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde es beeindruckend, mit welchem Elan und mit wie viel Herz die Soldatinnen und Soldaten sich da engagieren . Und das wird wahrgenommen . Es wird wahrgenommen von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, von den Landesinnenministern, von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, Landräten, aber auch vom Deutschen Roten Kreuz, vom THW, von den Flüchtlingsinitiativen . Sie sind voll des Lobes über die Bundeswehr . ({5}) Ich höre das immer mit ganz großer Freude und mit Stolz . Ich glaube, wir können uns diesem großen Lob auch anschließen . ({6}) Das Bild, das ich eben gezeichnet habe, ist natürlich, der Kürze der Zeit geschuldet, noch unvollständig . Aber all das würdigt auch die Bevölkerung . Wir haben eine aktuelle repräsentative Umfrage in der Bevölkerung durch unser Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr - Sie kennen es; kurz ZMSBw -, durchgeführt, die zeigt, dass inzwischen jeder Zweite in Deutschland für steigende Verteidigungsausgaben ist: 51 Prozent . Das ist der höchste Wert, der je gemessen worden ist . Im letzten Jahr lag er noch bei 32 Prozent und im Jahr 2013 nur bei 19 Prozent . Was sagt uns das? Es sagt uns - bitter genug -, dass die Menschen inzwischen natürlich um den Ernst der Lage wissen . Es sagt uns zweitens aber auch, dass Vertrauen in die Bundeswehr herrscht und dass die Bundeswehr das vor allem durch ihre persönliche Leistung - ich betone: persönliche Leistung - rechtfertigt . Es zeigt aber auch, dass die Menschen wahrnehmen, dass die Truppe Aufholbedarf hat bei Material und Ausrüstung, dass in Sicherheit investiert werden muss, wenn man sie in Krisensituationen sicherstellen will . Dafür steht auch dieser Haushalt 2016 . Es ist ein guter Verteidigungshaushalt; denn er beschreibt die notwendige, so lang ersehnte Trendwende nach vielen Jahren der Schrumpfkur . Die 34,3 Milliarden Euro erlauben es uns, den Pfad der Modernisierung der Bundeswehr, den wir gemeinsam eingeschlagen haben, weiterzugehen . Deshalb bitte ich Sie dafür um Zustimmung . Vielen Dank . ({7})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr . Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Etat ist wenige Stunden vor den Ereignissen in Paris beraten worden . Man kann ihn - ich sage: glücklicherweise - auch nicht als Reaktion auf die Ereignisse in Paris sehen . Aber natürlich führen wir diese Debatte nicht nur im Lichte der Ereignisse in Paris, sondern auch im Lichte der Anschläge in Beirut und Bamako, im Lichte der anhaltenden Gewalt in Syrien . Wir stehen vor vielen Herausforderungen, auf die Politik Antwort geben soll . Ich will für meine Fraktion sagen: Am Ende wird die Antwort auf diese Herausforderungen nur eine politische sein können . Unser oberstes Ziel muss es sein, dass das Töten endlich ein Ende findet. Die Menschen in Syrien sollen in Frieden leben können . Wir dürfen diesen Krieg nicht weiter anheizen . Wir müssen unser gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen, damit die Waffen endlich zum Schweigen kommen, meine Damen und Herren . ({0}) Ich will in Reaktion auf die Anschläge in Paris ganz deutlich sagen: Für mich, für uns Grüne sind Besonnenheit und Entschlossenheit kein Begriffspaar, das sich gegenseitig ausschließt . Ich will deutlich sagen: Natürlich kann man mit dem IS - wir sollten es besser Da‘isch nennen - nicht politisch reden . Den IS, Da‘isch, kann man nur bekämpfen . Aber genauso müssen wir uns darüber einig sein, dass die Lösung am Ende nur in Syrien liegen und nur eine politische Lösung sein kann, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({1}) Frau Ministerin, Sie haben es schon angesprochen: Solange in Syrien, solange im Nahen Osten kein Frieden herrscht, so lange werden neue Flüchtlinge nach Deutschland kommen . Bei allem Streit in der Sache, vor allem über den Verteidigungsetat, den wir heute beraten, sage ich: Meine Fraktion erkennt den signifikanten Beitrag, den die Bundeswehr bei der Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge in Deutschland leistet, an . Wir möchten den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Helferinnen und Helfern für ihren Einsatz, den sie unentwegt leisten, an dieser Stelle danken . ({2}) Kommen wir zum Verteidigungsetat . Ich habe schon vom Streit gesprochen . Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, was den Zuwachs beim Einzelplan 14 angeht, über den Sie sich freuen und wo ich Ihnen durchaus gute Medienarbeit attestiere, wollen Sie der simplen Logik folgen: Viel hilft viel . Auf dem NATO-Gipfel in Wales hat sich die Bundesregierung noch zum 2-Prozent-Ziel bekannt . Wir müssen uns klarmachen, dass die Erfüllung dieses Ziels bei dem heutigen BIP bedeuten würde, dass sich der Etat des Verteidigungshaushalts um 28 Milliarden Euro erhöhen würde, auf ganze 62 Milliarden Euro . Das ist nicht nur überdimensioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist völlig unrealistisch, dieses Ziel überhaupt erreichen zu wollen . Und um ehrlich zu sein: 2 Prozent des BIP als politisches Ziel - nach dem Motto: Wofür das Geld ausgegeben wird, ist uns egal; wir wollen nur festlegen, wie viel es ist - zu definieren, ist eine ziemlich schlechte Zielmarke . Nein, das ist keine gute Verteidigungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen . ({3}) Sie selbst haben erklärt, dass Sie schon froh sind, dass der Verteidigungshaushalt auf 1,17 Prozent anwächst . Sie haben immer wieder ausgeführt, Sie wollen dieses Ziel halten . Wir haben bereits gestern in diesem Haus darüber gesprochen, dass es Deutschland gut geht, und haben uns alle darüber gefreut . Wenn man sich die aktuellen Konjunkturprognosen und Ihre aktuelle Finanzplanungslinie ansieht, dann würde die Verfolgung des 2-Prozent-Ziels zusätzliche Aufwüchse über die mittlere Finanzplanung bedeuten . Ich will ganz deutlich sagen: Abgesehen davon, dass ich das nicht für sinnvoll halte, glaube ich auch nicht, dass das bei den enger werdenden Spielräumen im Bundeshaushalt möglich sein wird . Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, Sie fordern einfach mehr Geld und wissen gar nicht, wofür . ({4}) Verabschieden Sie sich von diesem unrealistischen Ziel! Denn Sie führen dadurch eher die Bundeswehr nach Wolkenkuckucksheim, als dass das zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr oder zu einer besseren Verteidigungspolitik führen würde . ({5}) Weil der Kollege Otte gerade Angst vor Märchen hat: Schauen wir uns doch einmal den Verteidigungsetat im Detail an . ({6}) Wenn Sie, Kollege Otte, hineingeschaut hätten, hätten Sie erkannt, dass es dort eine sonderbare Gleichzeitigkeit von Überfluss und Mangel gibt. Das macht die Forderung noch absurder . Schauen wir uns die Personalmittel an . Ich muss Sie nicht darauf hinweisen, dass das eine gesetzliche Pflichtaufgabe ist . Wir haben wahrgenommen, dass in den letzten Jahren die Mittel für das Personal immer unterveranschlagt waren, und zwar nicht wegen Tarifsteigerungen, die den Soldatinnen und Soldaten zu Recht zustehen und die sie von Herrn Schäuble bekommen: Nein, sie waren systematisch zu niedrig veranschlagt . Damit werden Sie Ihrer Verantwortung gegenüber der Truppe nicht gerecht, Frau von der Leyen . An der Stelle haben wir einen Mangel . Wenn man in das Beschaffungskapitel, in den Bereich Rüstung, schaut, dann sieht man das absolute Gegenteil . 2013 ist über 1 Milliarde Euro liegen geblieben, 2014 waren es 763 Millionen Euro . Auch in diesem Jahr Stand: Ende August - gehen Sie von mehr als einer halben Milliarde Euro aus . ({7}) Da herrscht Überfluss. Sie brauchen diesen Überfluss sogar, um die Personalausgaben zu finanzieren. Wie absurd ist es denn, einen Haushalt aufzustellen, bei dem Sie schon heute hoffen müssen, dass Sie weitere Probleme im Rüstungsbereich haben werden, damit Sie die Soldatinnen und Soldaten am Ende des Monats finanzieren können? Das sorgt weder für Klarheit noch für Wahrheit im Haushalt, noch hat es irgendetwas mit einer vernünftigen Planung zu tun, Frau von der Leyen . ({8}) Jetzt schauen wir uns einmal den Beschaffungsbereich im Detail an . Da könnte ich als Überschrift wählen: viele Berichte, einige Ansätze, die wir durchaus anerkennen, aber vor allem wenig Verbesserung . - Auf meinem Schreibtisch liegen ganze fünf Berichte zur Beschaffung des G36 . ({9}) Vier weitere, nämlich die halbjährlich veröffentlichten Berichte zu Rüstungsangelegenheiten, gesellen sich hinzu . Das macht schon ein ganz nettes Türmchen von BMVg-Berichten . Sie haben hier in der ersten Lesung angekündigt, dass Sie die Rüstungsprojekte, die Sie selbst anstoßen, in eine neue Struktur bringen wollen; ich glaube, Sie haben es „Kapsel“ genannt . Das ist etwas, worüber man durchaus diskutieren kann . Aber dann will ich Ihnen schon zurufen: Sie müssen auch auf die Projekte schauen, die laufen und sich in einem schweren Fahrwasser befinden; ({10}) Sie müssen auf die Schmuddelkinder gucken, auf Projekte, die uns Geld kosten, die nicht in der vorgesehenen Zeit, in der vorgesehenen Qualität umgesetzt werden . Sie müssen sich also um den A400M, den Eurofighter und die Fregatte kümmern, anstatt weiterhin nur - um im Bild zu bleiben - mit den neuen Babys zu spielen und nur sie fürsorglich zu behandeln . Die Probleme im Rüstungsbereich, meine Damen und Herren, bestehen auch im dritten Jahr der Amtszeit der Ministerin von der Leyen fort . Nach all den Berichten und Ankündigungen braucht es endlich strukturelle Veränderungen bei den bestehenden Rüstungsprojekten . Frau von der Leyen, kümmern Sie sich nicht nur um Ihre Babys; Sie müssen auch mit den Schmuddelkindern spielen . ({11}) Bei all diesem Durcheinander führt jetzt die Große Koalition, die sonst immer von mehr Transparenz redet, die jährliche Übertragbarkeit der Mittel für einzeln veranschlagte Rüstungsprojekte ein . Das klingt sehr technisch; aber da geht es um die Projekte, die besonders teuer sind, besonders viel Ärger machen und unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen . Statt wie bisher, wenn Geld in einem Jahr liegen bleibt und Sie es im kommenden Jahr benötigen, darüber eine Debatte im Parlament und im Haushaltsausschuss führen zu müssen, sodass wir uns damit beschäftigen können, besteht nun die Möglichkeit, Mittel ohne Diskussion von einem Jahr auf das andere zu übertragen . Dies führt dazu, dass wir erst nach Ablauf von ein paar Monaten, wenn nicht gar erst am Ende eines Haushaltsjahres, erfahren werden, welches Projekt sich verzögert oder in einem schweren Fahrwasser ist . Sie hätten auch andere Möglichkeiten gehabt; sogar meine Fraktion hat sich vor einem Jahr, als es darum ging, Mittel von einem Jahr in das andere zu transferieren - ich erinnere an den Puma -, nicht verweigert . Diese Maßnahme hilft zum einen nicht dabei, die Projekte in den Griff zu kriegen . Zum anderen sorgt sie vor allem für weniger Transparenz. Ich finde, mit diesem Mechanismus werden Sie Ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht . Wir fordern Sie auf: Lassen Sie das mit der Übertragbarkeit der Mittel für große Rüstungsprojekte! Es schafft weniger Durchblick und nicht mehr, Frau Ministerin . ({12}) Jetzt ist es ja nicht so, dass es im Verteidigungshaushalt keine Spielräume gäbe, um Mittel umzuschichten . Braucht die Bundeswehr wirklich mehr Geld, oder haben Sie nicht vielleicht Spielräume in Ihrem Etat? Ich habe den Eindruck, Ihnen fehlt der Mut, sich diese zu erschließen . Sie halten bei der Bundeswehr an einer längst überholten Fähigkeit fest . Sie klammern sich fast sprichwörtlich an die Atombomben und die nukleare Teilhabe . Ich will sagen: Auch vor dem Hintergrund einer aggressiver werdenden Politik Russlands bleiben Szenarien, in denen deutsche Jagdbomber plötzlich taktische Atomwaffen auf gegnerische Panzerheere werfen, für mich nach wie vor ein Anachronismus des Kalten Krieges . Ich kann nicht verstehen, warum Sie an der negativen Utopie der 80er-Jahre, des Kalten Krieges, festhalten wollen und wertvolles Steuergeld in die Infrastruktur und in Doppelungen bei Düsenflugzeugen investieren wollen. Sie müssten es eigentlich besser wissen . Vor ein paar Monaten hat sich Ashton Carter, der amerikanische Verteidigungsminister, nur wenige Meter von hier dazu geäußert . Er hat deutlich gesagt: Auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21 . Jahrhunderts wird man nicht mit dem Drehbuch des Kalten Krieges reagieren können . Recht hat er! Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass Deutschland die nukleare Teilhabe endlich beendet! ({13}) Sie haben den Ertüchtigungstitel angesprochen . Er ist im Haushalt ganz schön verklausuliert als Titel „Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Verteidigung und Stabilisierung“ aufgeführt . Aus den Erläuterungen zum Haushaltsvermerk geht hervor, dass auch letale Waffen geliefert werden können sollen und die Bewirtschaftung durch Ihr Haus und das Auswärtige Amt erfolgt . Dabei stehen Ihnen als Bundesregierung bereits ganz andere Strukturen zur Verfügung, mit denen Sie wirklich nachhaltig zur Ertüchtigung und zur Stabilisierung beitragen könnten . Es gibt unter anderem den Ressortkreis Zivile Krisenprävention, an dem eben nicht nur das Auswärtige Amt und Ihr Haus teilnehmen; vielmehr liefern auch das Bundesinnenministerium für den Bereich der Polizeiarbeit und das BMZ wichtigen Input . Wir sehen auch die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit aus dem BMJV als einen wichtigen Partner . Die von Ihnen veranschlagten Mittel wären in der Ausstattung des Ressortkreises Zivile Krisenprävention besser angelegt gewesen . Wir haben das beantragt, aber Sie haben es abgelehnt . Ich muss sagen: Das ist eine verpasste Chance, Frau Ministerin . ({14}) Mir bleibt zum Verteidigungsetat 2016 nur festzustellen: Ihnen fehlt das Herz, um mit der Abschaffung der nuklearen Teilhabe wirklich Ernst zu machen . Ich kann keinen Plan erkennen, wie Sie im Verteidigungsbereich die großen offenen Baustellen angehen wollen . Ich glaube, am Ende des Tages fehlt Ihnen der Mut, schwierige und unbequeme Entscheidungen gerade auch gegenüber der Rüstungsindustrie zu treffen . Wir Grüne lehnen den vorliegenden Einzelplan ab . Wir haben Ihnen gezeigt, wie es besser gegangen wäre . ({15}) Schade drum! Jetzt sind Sie in der Verantwortung ({16}) für das, was in den kommenden Monaten passieren wird . Danke . ({17})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Karin Evers-Meyer, SPD-Fraktion . ({0})

Karin Evers-Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003523, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 14 Tagen haben wir auf dem Platz vor dem Reichstag 60 Jahre Bundeswehr gefeiert und den Soldaten gedankt, die in unserer Parlamentsarmee täglich ihren Dienst tun . ({0}) Wir haben Danke dafür gesagt, dass sie unter Einsatz ihres Lebens bereit sind, unser Land, uns und unsere Werte zu schützen . Natürlich haben wir auch für alles andere Danke gesagt, was Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr darüber hinaus bereit sind zu leisten, beispielsweise in der Fluthilfe oder aktuell bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation . Ich sage von hier aus auch heute noch einmal Danke, aus voller Überzeugung und natürlich auch im Namen meiner Fraktion . Die Koalition setzt mit dem vorliegenden Etat wichtige Zeichen . Zum einen: Es ist uns ernst mit unserem Dank und unserer Anerkennung für die Bundeswehr . Zum anderen: Wir sind bereit, das Notwendige zu tun . Lassen Sie mich dazu drei Punkte ausführen . Erstens . Die Rolle Deutschlands auf internationaler Ebene entwickelt sich weiter, auf ausdrücklichen Wunsch unserer Freunde und Partner auch militärisch . Unser Engagement in Afghanistan und Mali wurde bereits erwähnt . Zweitens . Die Einsparwut bei der Bundeswehr hat das Militär an vielen Stellen an den Rand der Arbeitsfähigkeit geführt . Drittens - auch das ist mir wichtig zu sagen -: Trotz der Krisen und trotz des sicherheitspolitischen Enthusiasmus, den man an vielen Orten im In- und Ausland derzeit spürt, lassen wir uns nicht in einen Wettlauf treiben, der bei genauerem Hinsehen strategisch auf eher unsicheren Füßen steht . Diese drei Dinge - die internationale Rolle Deutschlands, die Arbeitsfähigkeit der Bundeswehr und die notwendige Besonnenheit - bilden den Rahmen für einen Verteidigungsetat, der anpackt, der richtige Akzente setzt, ohne dabei Maß und Sachlichkeit zu vernachlässigen . Für dringend notwendige Investitionen in Material und Personal stellen wir der Bundeswehr im nächsten Jahr 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung . Diese Erhöhung gibt der Bundeswehr ein Stück Handlungsfähigkeit zurück . Beispielsweise ermöglicht dieser Etat zum ersten Mal, dass dem geltenden Personalstrukturmodell eine entsprechende Zahl an Planstellen gegenübersteht - über alle Besoldungsgruppen hinweg . Wir werden damit den Beförderungsstau innerhalb der Bundeswehr nicht auf einen Schlag beseitigen; aber er kann wirklich spürbar abgebaut werden, und das ist ein sehr wichtiges Signal an die Männer und Frauen in der Truppe . ({1}) Genau das meine ich, wenn ich sage: Wir meinen es ernst mit unserem Dank und unserer Anerkennung; denn bei allem, was in der Bundeswehr nicht schießt, nicht fliegt und nicht schwimmt - die wichtigste Investition bleibt die in unsere Soldaten und das zivile Personal . ({2}) Aus diesem Grund meinen wir es auch ernst mit der besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst . Ich danke meinen Kollegen in der Koalition, auch denen aus dem Verteidigungsausschuss, dafür, dass wir die Titel für Kinderbetreuungseinrichtungen und Telearbeitsplätze noch einmal um 5 Millionen Euro verstärken konnten . ({3}) Wir meinen es auch ernst mit der Hilfe für die unverschuldet in Not geratenen ehemaligen Angehörigen von Bundeswehr und NVA sowie deren Hinterbliebenen . Wir stellen noch einmal 1 Million Euro für die Härtefall-Stiftung zur Verfügung . Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns in der Koalition darüber einig, dass wieder mehr Geld in die Bundeswehr fließen muss. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns weiterhin auf die Einsatzfähigkeit und das Engagement der Truppe verlassen können . Dafür stehen wir, und dafür steht auch dieser Haushalt . Wenn ich die Ministerin richtig verstanden habe, dann sind wir uns auch über eine zweite Sache einig: Uns kommt es am Ende nicht nur darauf an, was für eine Zahl auf dem Papier steht, sondern auch darauf, was sich an Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft hinter dieser Zahl verbirgt: Was kann die Bundeswehr tatsächlich leisten? Was will und kann sie konkret einbringen, insbesondere im Rahmen internationaler Initiativen? Daher halte ich nicht viel von Zahlenspielen, egal ob es um einstellige Prozentzahlen oder neunstellige Euro-Beträge geht . Viel halte ich von Strategien und Konzepten für mehr Effizienz. Da gilt: Die effiziente Armee der Zukunft kann nur eine europäische sein . Deutschland muss sich hier noch mehr als bisher als Zugpferd engagieren . ({4}) Was in diesem Bereich auf dem Tisch liegt, ist gut und richtig, reicht aber immer noch nicht aus . Wir brauchen mehr gemeinsame Projekte, mehr Arbeitsteilung, mehr Abstimmung auf allen Ebenen, von der politischen Leitung über die militärischen Spitzen bis hinunter in die Ebenen der konkreten Beschaffungs- und Planungsprozesse . Alles, was in Zukunft angepackt wird, jedes Strategiepapier, jede Vorlage sollte sich daher in einem Abschnitt der Frage widmen: Welche europäische Perspektive gibt es in diesem ganz konkreten Fall? Das bedeutet viel Arbeit, nicht zuletzt, weil dieses Anliegen nicht überall in Europa auf gleichermaßen offene Ohren stößt . Es bedeutet auch viel mehr Arbeit, weil gerade mit Beschaffungsprojekten im europäischen Rahmen schon genug schlechte Erfahrungen gesammelt wurden . Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass wir auf die europäische Ausrichtung verzichten dürfen . Wir dürfen sie auch nicht aufschieben . Die Zusammenarbeit mit unseren Freunden und Partnern muss für uns Ansporn sein, es besser zu machen . Das gilt vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris mehr denn je, auch für das Militär . Sehr geehrte Frau Ministerin, die Koalition hat Vertrauen in die Bundeswehr, und sie hat auch ein großes Stück Vertrauen in die Leitung des Verteidigungsministeriums . Zumindest kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir Ihr ernsthaftes Bemühen darum, die Mängel in der Organisation und in den Prozessen anzupacken, anerkennen und Sie darin unterstützen . Mit der strukturierten Begleitung durch den halbjährlichen Rüstungsbericht, der Neupositionierung von drei wichtigen Großprojekten innerhalb des BAAINBw und der Konsolidierung des übrigen Beschaffungsapparates entsprechen Sie dem, was wir seit längerer Zeit fordern . Denn wir haben natürlich nicht vergessen, dass in der Vergangenheit Geld, das eigentlich da ist, nicht ausgegeben wurde . Soweit ich das überblicken kann, besteht zumindest die Möglichkeit, dass das auch in diesem Jahr wieder so ist . Damit das in Zukunft besser wird, brauchen wir Ihre Kärrnerarbeit in Sachen Organisation und Prozessoptimierung . Worin wir Sie nicht unterstützen - jedenfalls ich tue das nicht -, ist der verständliche Wunsch nach mehr Flexibilität in der Haushaltsführung . Sie wissen das . Wir haben uns dazu mehrfach ausgetauscht . Für mich als Haushälterin, deren Aufgabe es ist, bei diesem ohnehin schon in hohem Maße flexibilisierten Einzelplan den Überblick zu behalten und auf das Geld des Steuerzahlers aufzupassen, ist eine weitere Flexibilisierung des Einzelplans 14 jedenfalls zurzeit nicht vorstellbar . Es wäre ein falscher Weg und ein falsches Signal, auch an die Industrie, nach dem Motto: Wenn es bei euch nicht klappt, kein Problem, wir machen die Haushaltsregeln für euch passend . - Ich sage das ausdrücklich mit Blick auf die Situation heute . Es geht mir nicht um haushalterische Ideologie . Ich denke, das wissen Sie . Vielen Dank . ({5})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Henning Otte, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die diesjährige Haushaltdebatte steht unter dem besonderen Eindruck der sicherheitspolitischen Ereignisse und Rahmenbedingungen . Die Anschläge in Paris, in Bamako, in Beirut und gestern in Tunesien, die Explosion eines russischen Urlaubsfliegers über dem Sinai, die höchste Terrorwarnstufe in Brüssel - all diese Ereignisse stehen im direkten Zusammenhang mit dem furchtbaren IS-Terror, der das Ziel hat, die freiheitliche Grundordnung zerstören zu wollen . Wir erleben diese Tage in großer Sorge und Verunsicherung, aber auch in fester Verbundenheit mit unseren Partnern . Wir wissen um die Verantwortung für eine friedliche Zukunft und die Sicherheit unseres Landes . Deswegen stellen wir uns entschlossen dieser Herausforderung, auch mit militärischen Mitteln, fein abgewogen, eng mit unseren Partnern abgestimmt und entschlossen im Handeln . Die Anschläge von Paris galten genauso unserem Land . Die Angriffe des „Islamischen Staates“ richten sich gegen eine offene Gesellschaftsform, gegen eine freiheitliche Demokratie . Dem stellen wir uns entschlossen gemeinsam im Verbund mit unseren Partnern entgegen . ({0}) Es hat Frankreich nicht deswegen getroffen, weil es bereits im Kampf gegen den IS engagiert ist; das zeigt auch der Anschlag gestern Abend in Tunis . Vielmehr schlägt der IS überall dort in freien Gesellschaften zu, wo sich eine Gelegenheit dazu bietet . Dieser islamistische Terrorismus darf nicht gewinnen, und ich sage: Er wird nicht gewinnen . ({1}) Wir lassen uns weder in Deutschland noch in Europa und auch nicht anderswo in der friedlichen Welt die freiheitlichen Werte nehmen . Wir halten an diesen Werten für Demokratie, für Freiheit und für Offenheit fest . Das sagen wir selbstbewusst und mit Stolz . Die Generation, die Deutschland nach 1945 aufgebaut hat, hat diese Werte erstritten und gefestigt . Wir werden diese Werte und diese Freiheit für die nächsten Generationen bewahren und weiter stärken, und zwar aktiv . Passivität wird uns nicht schützen . Denn sicherheitspolitische Zurückhaltung wird uns nicht weniger zu einem Anschlagsziel machen, als wir es vielleicht jetzt schon sind . Insofern sollen die Anschläge von Paris auch eine Warnung für uns sein . Wir müssen den Urhebern des Terrors offensiv entgegentreten und alle entsprechenden Maßnahmen national und international entschlossen abstimmen . Vieles tun wir bereits . Mit der Ausbildung und den Materiallieferungen an die kurdischen Peschmerga und auch an die Jesiden tragen wir wesentlich zum Kampf gegen den IS bei . Auch in Afghanistan und zunehmend in Mali sind wir engagiert, um Fluchtursachen zu bekämpfen und den Extremismus zurückzudrängen . Meine Damen und Herren, Frankreich hat die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages aufgerufen, beizustehen . Wir wissen noch nicht genau, welche Unterstützung dies sein wird . Aber es ist selbstverständlich, dass wir unseren französischen Freunden in diesen schweren Zeiten beistehen . Nur, eines sollte uns klar sein: Was immer wir gegen den IS unternehmen, unternehmen wir auch, um Frankreich zu unterstützen . Wir tun dies aber in erster Linie deswegen, um die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit Deutschlands, zu stärken . ({2}) Wir tun dies auch, um den Menschen in den Regionen zu helfen, die am schlimmsten vom IS-Terror betroffen sind. Viele Menschen fliehen gerade vor diesem Terror und vor dieser Gewalt . Die Schwachen zu schützen, das ist unsere erste Aufgabe als Verteidigungspolitiker . Meine Damen und Herren, damit wir denen, die wirklich Hilfe brauchen, auch wirksam helfen können, ist es wichtig, auch in Deutschland einen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu leisten, alle verfügbaren Kräfte einzubinden und gleichzeitig die Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen . Das ist eine große Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft . Wenn die Bundeswehr helfen kann, dann soll sie helfen, und dann wird sie auch helfen . Sie ist bereits jetzt sehr aktiv im Einsatz, um die Situation der Flüchtlinge in Deutschland zu verbessern . Dafür danke ich allen Soldatinnen und Soldaten und allen Helferinnen und Helfern sowie einer sehr engagierten Bürgerschaft hier in Deutschland . ({3}) Aber die Bundeswehr könnte noch mehr tun, zum Beispiel bei der technischen Amtshilfe . Herr Leutert hat dieses Thema ja ganz prominent als erster Redner angesprochen und deutlich gemacht, dass er kein Vertrauen in die Bundeswehr hat . Ich sage: Es ist rechtlich möglich, beizustehen . Das hat die Absicherung des G-8-Gipfels in Heiligendamm 2007 gezeigt . ({4}) Auch hier hat die Bundeswehr ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis gestellt; Frau Buchholz kann sich sicherlich noch daran erinnern . Was in Heiligendamm ging, das müsste auch im Bayerischen Wald möglich sein . ({5}) Ich meine - unabhängig von den ideologischen Reflexen, die jetzt von den Grünen und den Linken kommen -, ({6}) in Anbetracht der sicherheitspolitischen Lage sollte man ideologische Reflexe vermeiden und in Ruhe und besonnen nachdenken, meine Damen und Herren . ({7}) Der Einsatz im Innern, verbunden mit der Übernahme hoheitlicher Aufgaben, ist davon natürlich klar zu trennen . Wir haben gesehen, dass in Frankreich in einer solch exponierten Situation alle Sicherheitskräfte schnell und unbürokratisch zusammenstehen . ({8}) Vielleicht sollten wir uns wirklich einmal in Ruhe darüber unterhalten, ob man unseren Soldatinnen und Soldaten nach 60 Jahren erfolgreicher, zuverlässiger Arbeit nicht mehr zutrauen sollte, damit sie einen weiteren Beitrag leisten können; denn die Sicherheit unseres Landes ist für alle von großer Bedeutung . Wir sollten diese Diskussion besser jetzt führen als dann, wenn es zu spät ist . Meine Damen und Herren, wenn wir den Blick weiten, dann stellen wir fest, dass sich die Sicherheitslage in den letzten zwei Jahren grundsätzlich verändert hat . Durch die offensive Außenpolitik Russlands rücken traditionelle Bedrohungen an der Ostgrenze der NATO wieder in den Fokus . Gleichzeitig werden durch den IS-Terror und das Vorgehen von Boko Haram im Nahen Osten und in Afrika ganze Regionen zerrüttet . Wir haben es jetzt mit einer neuen Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Bedrohungsprofile zu tun, die so früher nicht galten . Bis 1990 hatten wir noch eine Heimatverteidigungsarmee . Aufgrund der Anschläge von 2001 sind wir dann eher den Weg zur Infanterie gegangen, um auch in Afghanistan einen wesentlichen Beitrag zum Frieden zu leisten . Jetzt sind wir mit beiden Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert: Bündnisverteidigung einerseits und Krisenbewältigung andererseits . Diese neue Gleichzeitigkeit von zwei Herausforderungen wird die Anforderungen an die Streitkräfte erhöhen . Mit der Führung der NATO-Speerspitze VJTF leistet Deutschland einen notwendigen und wesentlichen Beitrag, der personalund materialintensiv ist . Auslandseinsätze wie in Afghanistan, im Kosovo oder jetzt verstärkt in Mali werden uns zukünftig voraussichtlich noch stärker in Anspruch nehmen als derzeit . Daneben leistet die Bundeswehr immer dann Unterstützung, wenn es darauf ankommt; genannt seien hier zum BeiHenning Otte spiel die Ebolakrise oder die Betreuung von Flüchtlingen . Aus angespannten Sicherheitslagen kann sich aber auch schnell mehr entwickeln, und es kann Unvorhergesehenes passieren . Deswegen müssen wir vorbereitet sein - egal ob im EU-Kontext, im Rahmen der NATO-Verpflichtung oder auch mit Blick auf die OSZE. In einer solchen Phase kommt zukünftig die EU-Arbeitszeitrichtlinie hinzu, auf die sich unsere Streitkräfte einstellen müssen . Das wird die Personallage bei der Bundeswehr noch angespannter erscheinen lassen . Vor dem Hintergrund der gestiegenen neuen Herausforderungen müssen wir prüfen, wie wir die Bundeswehr personell noch stärker, flexibler und durchhaltefähiger aufstellen können . Wir sind zwar sehr gut, aber man soll den Anspruch nicht aufgeben, immer noch besser werden zu können . Dazu zählt auch eine zuverlässige Ausrüstung . Zu Recht sind wir den Weg vom System des flexiblen Fähigkeitsmanagements hin zu einer vollen Ausstattung in den Bereichen gegangen, in denen es von besonderer Bedeutung ist . Jetzt kommt es darauf an, dass die Bundeswehr mit modernen Materialien in ausreichender Zahl ausgestattet wird . Das Beschaffungssystem ist reformiert worden, und ich kann mich nur dem uneingeschränkten Lob der SPD an unsere Ministerin Frau Dr . von der Leyen anschließen, das von Frau Evers-Meyer geäußert worden ist . Frau Ministerin, das ist ein ganz wichtiger Punkt . Herzlichen Dank dafür . ({9}) Warum ist dies so enorm wichtig? Weil diese Ausrüstung die stärkste und wichtigste Ressource schützt, die die Bundeswehr hat, nämlich die Soldatinnen und Soldaten . Unser Kernauftrag, der Kernauftrag der Politik, ist es, die zu schützen, die uns schützen . Das sind große Ziele . Dafür brauchen wir ausreichend Finanzmittel . Deswegen ist es gut, dass der Verteidigungshaushalt grundsätzlich gestärkt werden konnte und dass der Einzelplan 14 im Bundeshaushalt - ein Dank auch an die Berichterstatter - nun an zweiter Stelle steht . Ich nenne einige sehr konkrete Zahlen: Die Ausgaben im Personalbereich steigen um 4 Prozent, und der Ausrüstungsbereich hat eine Steigerung um 9 Prozent erfahren . In den nächsten vier Jahren sollen 8 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen . Das sollte auch die Fraktion der Grünen - und insbesondere Herr Dr . Lindner - zur Kenntnis nehmen . ({10}) - Ich glaube, Sie haben mit Ihren Anwürfen richtig an der Sache vorbeigezielt . Mir drängt sich wirklich der Eindruck auf, dass man Ihnen einen alten Haushaltsplan zum Lesen gegeben hat, den Sie in Ihre Rede einbezogen haben . ({11}) - Hineingucken allein reicht nicht, Frau Kollegin; man muss ihn auch verstehen . ({12}) Deswegen ist es gut, dass wir die notwendigen Entscheidungen treffen und unsere Bundeswehr so ausstatten, wie es notwendig ist . In der Bereinigungssitzung hat es aufgrund einer globalen Minderausgabe aber noch eine Kürzung gegeben . Ich sage ganz deutlich: Der Schlüssel für die Bewertungsgrundlage sollte die aktuelle Sicherheitslage sein . Deswegen müssen wir an dem Ziel festhalten, dass wir unsere Bundeswehr mit den notwendigen Mitteln ausstatten . Das ist unsere Aufgabe . Das ist gut investiertes Geld in die Sicherheit unseres Landes . Ohne Sicherheit ist alles nichts . Deswegen ist es unser gemeinsamer Auftrag, dies auch für die Sicherheit unseres Landes umzusetzen . Herzlichen Dank . ({13})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Leutert .

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Otte, Sie haben mich angesprochen und meinten, ich habe kein Vertrauen in die Bundeswehr und sei deshalb gegen den Einsatz der Bundeswehr im Innern . Ich glaube, da haben Sie etwas falsch verstanden . ({0}) Es geht nicht um mein Vertrauen, sondern es geht darum, dass sich hier eine strukturelle Frage stellt . Die Kompetenzverteilung ist zwar geklärt, aber wir müssen uns noch einmal darüber unterhalten . Es gibt historische Gründe, warum die Bundeswehr in Deutschland nicht im Innern eingesetzt werden darf . Ich finde, es ist richtig, an diesem Zustand festzuhalten, und ich halte es im Übrigen für absurd, dass die Bundespolizei in den letzten Jahren genauso Sparmaßnahmen unterlag wie andere Institutionen . Jetzt wird aber gesagt, sie könne bestimmte Aufgaben nicht mehr erfüllen . Deshalb wird nach der Bundeswehr gerufen . Das halte ich für falsch . Der richtige Weg wäre, die Bundespolizei in den Zustand zu versetzen, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen kann . Ich finde es schade, dass die Ministerin zu dieser Frage hier keine Stellung genommen hat, ({1}) da das nicht irgendeine Diskussion in der Öffentlichkeit gewesen ist, sondern weil diese Überlegungen von Kabinettskollegen eingebracht wurden . Ansonsten hätte ich diesen Punkt an dieser Stelle überhaupt nicht angesprochen . ({2})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Kollege Otte, wollen Sie darauf noch antworten? Bitte schön .

Henning Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003821, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gerne, Herr Präsident . - Ich verstehe nur bedingt die Aufregung von Herrn Leutert, weil er nämlich feststellt, dass sich die Parteiprogrammatik der Linken nicht mehr an der Realität orientiert . Wir haben ganz deutlich festgestellt, dass in die Sicherheitsinstitutionen maßgeblich investiert wird . Die Bundespolizei erhält eine personelle wie auch eine materielle Aufstockung . Aber es geht auch darum, dafür zu sorgen, dass sich die Sicherheitskräfte in Deutschland untereinander austauschen; denn uns als Union ist eines besonders wichtig: die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Christine Buchholz, Fraktion Die Linke . ({0})

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Terror lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen . ({0}) Wir Linke trauern mit den Angehörigen und Freunden der Opfer von Paris . Wir sind solidarisch mit den Menschen in Frankreich . Aber wir teilen nicht die Antwort der französischen Regierung, wenn sie meint, Terror auch mit Krieg bekämpfen zu können . Vorgestern hat das US-Außenministerium eine globale Reisewarnung herausgegeben: US-Bürger sollten in jedem Land dieser Erde größere Menschenansammlungen meiden . - Was für ein Eingeständnis des Scheiterns der militärischen Intervention . 14 Jahre nach Beginn des sogenannten Kriegs gegen den Terror erklärt Washington die ganze Welt für unsicher . Der sogenannte Antiterrorkrieg ist keine Lösung . Er ist Teil des Problems . ({1}) Wenn Sie mir nicht glauben, dann hören Sie auf das, was Nicolas Hénin schreibt . Der französische Journalist war 14 Monate lang Geisel des IS . Er lehnt die Bomben seiner eigenen Regierung auf Syrien ab . Er schrieb letzte Woche: Mehr Bomben sind genau das, was der IS will; denn das treibt ihm Anhänger zu . - Hénin sagt auch, was dem IS schadet, nämlich die „Bilder aus Deutschland von Menschen, die Migranten willkommen hießen“ . Das widerspricht dem Weltbild des IS, wonach Muslime und Nichtmuslime nicht zusammenleben können . Rassismus und Ausgrenzung hierzulande zu bekämpfen, die Finanzströme des IS auszutrocknen und Waffenlieferungen zu beenden: Das sind die richtigen Antworten auf den Terror des sogenannten „Islamischen Staats“ . ({2}) Die Bundesregierung will nun 650 deutsche Soldaten nach Mali schicken und auch das Mandat für Afghanistan verlängern . Ich bin schon sehr irritiert, Frau Ministerin . Sie sprechen davon, wir seien zu sehr auf Rückzug gepolt . Bitte sagen Sie das den Soldatinnen und Soldaten und auch der Bevölkerung ganz klar und deutlich . Das ist ja der Ausstieg aus dem Ausstieg, den wir jetzt erleben . Wir sollten aber Bilanz ziehen und gucken, welche Fehler in Afghanistan bereits gemacht wurden . In Afghanistan - das musste das Auswärtige Amt unlängst einräumen; es ist daher zynisch, wenn aus Reihen der Union von einem „sicheren Herkunftsland Afghanistan“ gesprochen wird - kontrollieren die Taliban heute mehr Gebiete als zu Beginn der Entsendung deutscher Soldaten im Jahr 2002 . Der Grund dafür liegt doch auf der Hand: Wer mit Partnern wie den US-Streitkräften agiert, die im Oktober in Kunduz mit voller Absicht ein funktionsfähiges Krankenhaus aus der Luft angegriffen und dabei 30 Patienten und Ärzte getötet haben, der sät Hass . Ob Afghanistan oder Mali: Der Einsatz fremder Truppen treibt den Aufständischen immer neue Anhänger zu, weil diese Truppen als Verbündete von korrupten Regierungen angesehen werden . An diesen Einsätzen darf sich Deutschland auf keinen Fall beteiligen . ({3}) Der Verteidigungshaushalt 2016, den der Bundestag heute beschließt, unterstreicht diese falsche Ausrichtung auf immer mehr Auslandseinsätze . Die Bundeswehr wird permanent aufgerüstet . Das Volumen des Verteidigungshaushalts steigt, besonders - das haben Sie eben ganz stolz gesagt, Herr Otte - die Ausgaben für militärische Beschaffungen . ({4}) 2016 soll der Militärhaushalt bei 34,3 Milliarden Euro liegen . Das sind schon fast 2 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant . Bis 2019 sieht der Finanzplan einen Anstieg auf 35 Milliarden Euro vor . ({5}) Hier ein konkretes Beispiel, wie das dann aussieht . Die Bundesregierung möchte neue Militärsatelliten beschaffen, um weltweit militärisch nutzbare InformatioMichael Leutert nen zu erlangen . Für das Spähprogramm SAR-Lupe hat der deutsche Steuerzahler im vergangenen Jahr bereits 430 Millionen Euro gezahlt . Für die Beschaffung weiterer Radar- und Militärsatelliten und für die Beteiligung an dem französischen Spähprogramm fallen 2016 rund 150 Millionen an . Das war aber noch nicht alles . Die geschätzten Gesamtkosten für diese drei Programme liegen bei rund 2 Milliarden Euro . Frau von der Leyen, Sie haben Ihre Motivation bereits im Februar beschrieben: Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ. Wir sagen: Frau von der Leyen, die Interessen, von denen Sie sprechen, sind nicht die Interessen von uns allen . ({6}) Es sind die Interessen der global agierenden Konzerne, für die in die Taschen der Bevölkerung gegriffen wird . ({7}) Wir lehnen diese Aufrüstung für die globale Einsatzarmee ab . ({8}) Aber nicht nur bei den deutschen Interessen sieht die Bundesregierung keine Grenzen, sondern offenbar auch bei den Kosten; denn viele der einzelnen Haushaltsposten werden weitere Kosten nach sich ziehen . Auch hierzu ein kleines Beispiel: Im vorliegenden Haushaltsplan sind allein für den A400M, der deutsche Soldaten in alle Welt transportieren soll, zwei neue Umrüstungsprogramme vorgesehen . Geschätzte Gesamtkosten: 450 Millionen Euro - wohlgemerkt zusätzlich zu den 9,5 Milliarden Euro, die uns das Projekt schon jetzt kostet . Das, meine Damen und Herren, ist inakzeptabel . ({9}) Nun wird ja auch Russland wieder als Feind angesehen . Das Heer wird wieder aufgerüstet . Und auch da kann man sehen: Im Haushaltsjahr 2016 schlagen beispielsweise die Beschaffung des Transportpanzers Boxer sowie die Produktverbesserung beim Spürpanzer Fuchs mit 127 Millionen Euro zu Buche . Es gibt aber auch noch einen neuen Titel . Dabei geht es um eine ergänzende Beschaffung von 84 Leopard-2-Panzern, die den Steuerzahler in Zukunft insgesamt 650 Millionen Euro kosten wird . Wir sagen: Ein Mehr an Sicherheit bringt das nicht, sondern nur neue Spannungen, und das Geld fehlt an anderer Stelle . ({10}) Zusammengefasst: Erstens . Die Bundesregierung ignoriert, dass 15 Jahre Antiterrorkrieg nur zu mehr Terror geführt haben, dass dieser Terror Tausende Menschen das Leben gekostet hat und nun auch Europa unsicherer macht . Zweitens . Diese Politik ist nicht nur falsch, sie ist auch teuer . Drittens . Die neue Erhöhung des Militäretats ist - so steht zu befürchten - nur der Anfang . Dieser Kurs muss gestoppt werden . Die Linke - das ist mein letzter Punkt - wird einem solchen Haushalt niemals zustimmen . Vielen Dank . ({11})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Rainer Arnold, SPD-Fraktion . ({0})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sicherheitspolitischen Herausforderungen sind seit der ersten Lesung des Haushalts sicherlich nicht einfacher geworden . Allerdings hat sich die Welt auch nicht fundamental neu sortiert . Die fürchterlichen Anschläge in Paris verändern, glaube ich, aber die Wahrnehmung der Menschen, auch von uns Politikern . Sie führen auch - das kann gar nicht anders sein - zu Emotionen . Die Kunst wird darin bestehen, auf der einen Seite die Emotionen so zu artikulieren, dass Frankreich sieht, dass uns das Leid der Menschen nahegeht . Auf der anderen Seite müssen wir so besonnen bleiben, dass wir über die notwendigen und richtigen Entscheidungen sorgfältig diskutieren, bevor wir sie treffen . Wir können die fragilen Staaten im Nahen und im Mittleren Osten sowie in Afrika - das gilt aber auch für Afghanistan - nicht ausblenden . Man kann auch nicht wegsehen in dieser kleiner gewordenen Welt . Wir reden heute über den Einzelplan 14, über den Verteidigungsetat . Wir Verteidigungspolitiker wissen natürlich, dass die sicherheitspolitischen Risiken dieser Welt nicht militärisch zu überwinden sind, sondern dass es dabei in erster Linie um eine große politische Herausforderung geht . Die Ministerin hat von den Beiträgen Deutschlands von Mali bis Afghanistan - gesprochen . Wir unterstützen, dass sich das Afghanistan-Mandat an der dortigen Wirklichkeit orientiert und dass nicht künstlich gesetzte Abzugstermine in die Welt gesetzt werden . Die führen im Übrigen auch dazu, dass die Taliban die Geschichte erzählen können, dass sie die fremden Soldaten aus dem Land getrieben hätten . Dies hätte tiefgreifende Wirkungen auf die afghanische Gesellschaft . Wir wissen gleichzeitig: Soldaten können in Afghanistan stabilisieren . Sie können aber aus Afghanistan nicht ein wirklich besseres Land machen . Das wird nur gelingen, wenn in solchen Ländern die Gesellschaften zusammenfinden und die Regierungen wieder das Vertrauen ihrer eigenen Bürger bekommen . All dies ist in Afghanistan derzeit nicht gegeben . Ich will damit deutlich machen: Wenn es in solchen Ländern schwierig ist, dann scheitern nicht die Soldaten, die man dort hinschickt, sondern es scheitern exakt dieser zivile, politische und diplomatische Prozess und letztendlich auch die Zivilgesellschaft in diesen Staaten . Die Debatte über die deutsche Verantwortung in der Welt, die vor zwei Jahren begonnen hat, ist angesichts der Ereignisse in den letzten Wochen endgültig abgeschlossen . Es ist sichtbar, welche Rolle Deutschland in der Welt spielt und welche Verantwortung es hat, insbesondere durch die Aktivitäten des Außenministers . Die Bürger - das zeigen neue Umfragen - sehen mit einer durchaus deutlichen Mehrheit, dass die Risiken der Welt von uns erfordern, dass wir eine leistungsfähige Bundeswehr haben und dass wir sie nach sorgfältigen parlamentarischen Debatten notfalls auch einsetzen müssen . Es ist trotzdem etwas neu: Natürlich ist die Aktivierung der Beistandspflicht gemäß Artikel 42 Absatz 7 EUV eine neue Ebene, mit der wir uns gegenwärtig auseinandersetzen, übrigens auch eine Chance für eine vertiefte europäische Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik . Ich wünsche mir auch für Frankreich eines Tages ein Weißbuch, in dem es ähnlich wie in unserem heißt: Frankreich wird nur noch gemeinsam mit den Partnern die Risiken der Welt bekämpfen . - Dann wird es nicht mehr den nationalstaatlichen Ansprüchen den Vorrang geben können . Darin liegen deshalb wirklich Chancen, wenn wir dies jetzt gut machen . Gut machen heißt auch, in Mali mehr Verantwortung zu übernehmen . Wer das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen ernst nimmt und stärken will und wer die vertiefte europäische Verteidigungspolitik will, der muss jetzt in Mali mehr tun, insbesondere auch, um unseren engen niederländischen Partnern ein Stück weit Unterstützung zu geben . ({0}) Lassen Sie mich auch über die schwierige Aufgabe in Syrien reden . Die Entwicklung in den letzten Jahren hat uns alle ein bisschen ratlos gemacht . Trotzdem freuen wir uns, dass es jetzt mit den Gesprächen in Wien einen Hoffnungsschimmer gibt, auch wenn es aktuell wieder Rückschläge gibt . Wir wissen eigentlich - und ich möchte nicht müde werden, darauf zu hoffen -: Eigentlich muss jeder, Russland wie die USA, die Ukraine und wir in Europa, kapieren, dass die Risiken und Bedrohungen, vor denen wir stehen, derzeit so groß sind, dass wir uns eigentlich den Konflikt zwischen Russland und uns überhaupt nicht leisten können . Wir sind aufeinander angewiesen . Deshalb werden wir nicht müde, uns zu bemühen, diplomatisch voranzukommen . Die Kanzlerin wird heute Abend mit dem französischen Staatspräsidenten auch über Syrien reden . Ich weiß nicht, was dabei herauskommt; als Verteidigungspolitiker habe ich aber ein paar Anmerkungen . Erstens . Wir wissen, dass Solidarität mehr ist als wärmende Worte und dass den Worten auch Taten folgen müssen . Zweitens . Wir werden als Verteidigungspolitiker immer ganz genau darauf achten, ob das, was man gemeinsam angeht, in diesem Bereich auch tatsächlich militärisch sinnvoll ist und ob es gerade dann, wenn Luftwaffe eingesetzt wird, auch unter einer einheitlichen und verantwortungsvollen Führung organisiert werden kann . Das sind alles Grundvoraussetzungen . Drittens. Wir sagen immer reflexhaft: Man kann die Probleme nicht aus der Luft bzw . durch einen Luftkampf überwinden . Ich weiß nicht, ob das stimmt . Man kann aus der Luft Terroristen verjagen, und man konnte auch schon Regimes stürzen . Das ist mit heutiger Technik machbar . Nicht machbar ist aber - das haben wir gelernt -, dass man anschließend von außen kommend eine Gesellschaft aufbauen und stabilisieren kann . Dies ist nur möglich, wenn die Staatsbürger in diesen Ländern das sehr viel stärker selbst in die Hand nehmen . Wir können beraten und zivile Aufbauhilfe leisten, nicht mehr, aber auch nicht weniger . In der heutigen Debatte wurde angesichts der Bedrohung auch wieder einmal über das Thema „Äußere und innere Sicherheit“ geredet . ({1}) Dabei schaue ich den Kollegen Henning Otte an . Es ist wohl wahr: Die Trennschärfe zwischen den Risiken bezogen auf die äußere und innere Sicherheit ist bereits seit 9/11 nicht mehr gegeben . Die Täter von Paris waren in Syrien und haben Informationen und vielleicht auch Geld aus Syrien und vom IS erhalten . Aber die Antwort darauf muss nicht zwangsläufig auch verschränkt sein. Wir sind doch mit unserer historisch gewachsenen Sicherheitsarchitektur gut gefahren, nachdem wir nach Artikel 35 Grundgesetz eine Bundeswehr haben, die helfen kann . Aber wir wollen keine Grauzone in diesem Bereich. Ich finde, dass die Ministerin vor einigen Tagen das völlig Richtige dazu gesagt hat . ({2}) Wir sind uns darüber im Klaren, dass Anschläge bei uns nicht durch ein paar Soldaten mit Maschinenpistolen in der Hand auf der Straße verhindert werden können, sondern nur durch gute und mehr Polizei - da sind wir auf dem Weg ({3}) sowie durch Geheim- und Nachrichtendienste, die sich nicht um alles Mögliche, sondern um das wirklich wichtige Geschäft kümmern . Das wirklich wichtige Geschäft betrifft ganz eindeutig die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland . Wenn wir über die Bundeswehr und den Etat reden, müssen wir mit Blick auf die Überwindung der Krisen zuerst über Ideologie sprechen . Ich glaube, wir brauchen eine verstärkte ideologische Auseinandersetzung mit fundamental-islamistischen Ideen . Im Innern gibt es gerade viele Diskussionen und keine einfachen Antworten . Aber ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass es immer besser ist, mit einem Staat zu reden, selbst wenn er ein schwieriger Partner ist . Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir auf diplomatischer Ebene mit den entsprechenden Staaten reden . Wenn wir aber sehen, dass Staaten, die den IS bekämpfen, in ihren Gesellschaften gleichzeitig viele Ideen und Rechtsauffassungen des IS verbreiten und seiner Vorgehensweise nacheifern sowie übelste MenschenRainer Arnold rechtsverletzungen begehen, dann muss Klarheit in der ideologischen Auseinandersetzung zu jeder Zeit und an jedem Ort - auch im Parlament - herrschen . Auch darum muss in den nächsten Jahren gerungen werden . Es geht darum, dass bestimmte Ideen nicht in die verwirrten Köpfe junger Menschen gelangen . Damit das alles gelingt, brauchen wir schließlich eine Bundeswehr, die gut ausgestattet und leistungsfähig ist . Die Bundeswehr zeigt ihre Leistungsfähigkeit im Ausland auf hervorragende Weise . Sie ist anerkannt . Das hat nicht nur etwas mit ihren militärischen Fähigkeiten zu tun, sondern auch mit der Art und Weise, wie die Soldaten im Ausland auftreten; das ist ganz wichtig . Deshalb bedanke ich mich besonders bei den mehr als 8 000 Soldaten, die bei der Versorgung der Menschen, die nun bei uns Schutz suchen, mithelfen . Das ist eine großartige Leistung . Wir dürfen nicht vergessen: Wir leisten dies alles mit einer Bundeswehr, die auf 170 000 Zeit- und Berufssoldaten zurückgeführt wurde . Das heißt, real sind nur 140 000 verfügbar . Dies müssen wir bei neuen Aufgabenstellungen beachten . Die Ministerin hat viel getan . Weniger Soldaten brauchen nicht weniger und schlechtere Ausstattung . Weniger Soldaten brauchen vielmehr eine bessere Ausstattung und insbesondere eine höhere Verlegefähigkeit . Die Veränderungen, die Sie bei den Rüstungsprozessen vorgenommen haben, sind wirklich gut und werden nachhaltig Wirkung zeigen .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie die Uhr mit Ihrem Redemanuskript verdeckt haben . Aber Ihre Redezeit ist schon länger vorbei .

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich komme zum Ende . - Ich sage nur noch einen Gedanken . Knappheit macht auch klug; darauf hoffen wir in den nächsten Jahren . Wenn wir 100 Prozent Befüllung erreichen wollen, also das Gerät, das wir eigentlich brauchen, tatsächlich haben wollen das ist keine Aufrüstung, Kollegen von den Grünen -, dann werden wir feststellen, dass das ziemlich viel Geld kostet . Dann werden wir in Europa eine Debatte über Priorisierung und Arbeitsteilung führen müssen . Ich bin ziemlich sicher, dass das die nächste Stufe einer Reform sein wird, die aber nicht alles neu macht und nicht alles über den Haufen wirft . Frau Ministerin, dabei haben Sie unsere Unterstützung . Aber entscheidend bleibt am Ende, dass Soldaten jeden Tag, wenn sie aus der Kaserne gehen, zufrieden mit ihrem Beruf sind

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Kann es sein, dass Sie meine Zwischenbemerkung vergessen haben? ({0})

Rainer Arnold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003029, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- es tut mir leid, Herr Präsident, ich bin sofort fertig und ihren Familien und Freunden sagen: Es ist ein guter, ein interessanter und ein staatsbürgerlich wichtiger Beruf . Ich kann dir, junger Mann oder junge Frau, nur empfehlen, ebenfalls diesen Beruf zu wählen . Das ist die richtige Antwort auf die Debatte über die Attraktivität der Bundeswehr . Solche Soldaten brauchen wir . Dazu hat diese Koalition wichtige Weichen gestellt . Herzlichen Dank . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Koalition hat eine Masse Redezeit; auch Sie hatten eine Menge . Daher wäre es schon gut, wenn die Gedanken, die man loswerden will, innerhalb dieser ausreichenden Redezeit auch untergebracht würden . Manche Redner haben die Neigung, das ganz Wichtige erst zu sagen, wenn die Uhr bereits abgelaufen ist . Es wäre doch fair und nett im Umgang untereinander, wenn wir auf die Einhaltung der Redezeit achten würden . - Herr Gädechens macht es jetzt einfach besser . ({0}) Ich gebe Ihnen das Wort . ({1})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Finale Beratungen eines Haushaltsplanes für das kommende Jahr, Einzelplan 14 - der Verteidigungsausschuss ist immer ein besonderer Ausschuss . In der bisherigen, sehr sachlichen Debatte ist vielleicht zu kurz gekommen, wie viel Mühsal, wie viel Arbeit im Vorfeld steckt . Das betrifft nicht nur die Fachpolitiker im Verteidigungsausschuss . Mein Dank geht auch an die Haushälter, nicht nur an die Berichterstatter der Koalition, Bartholomäus Kalb und Karin Evers-Meyer, sondern auch an Tobias Lindner und Michael Leutert . Da meine Vorredner auf die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses eingegangen sind, freue ich mich besonders, dass Eckhardt Rehberg der Beratung dieses wichtigen Einzelplans beiwohnt . Ihnen allen einen herzlichen Dank für Ihre Mühe, dass wir einen sanften Aufwuchs in diesem Einzelplan haben erreichen können . ({0}) Viele hier im Saal erinnern sich an Auseinandersetzungen über die Frage, wo und wie viel wir noch einsparen können und dürfen . Aber vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Krisen und wachsender kriegerischer und vor allem terroristischer Bedrohungen müssen wir uns von der Spardebatte endgültig verabschieden, und das haben wir auch getan . Heute geht es um ein Mehr, nicht nur um ein Mehr an Aufgaben, sondern auch um ein Besserwerden hinsichtlich der Instandsetzung, um ein Schnellerwerden bei der Auslieferung und ein Effektiverwerden bei der Ausbildung . Es geht darum, unsere Streitkräfte in die Lage zu versetzen, die hier in diesem Haus beschlossenen Mandate und Einsätze, soweit es geht, geschützt und schadlos zu bewältigen . Es geht darum, unsere Soldatinnen und Soldaten mit dem bestmöglichen Material auszustatten . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Selbstzweck, sondern das sind wir den Kräften, den Männern und Frauen, die unser Land im Bündnis schützen, schlicht und einfach schuldig . ({1}) Wie bereits erwähnt, verzeichnen wir einen sanften Aufwuchs beim Verteidigungsetat . Dieser ist aufgrund einer spürbar instabileren Sicherheitslage auch mehr als gerechtfertigt . Das mag dem einen oder anderen hier im Hause nicht gefallen . Wer sich allerdings der Realität stellt, wird dieser soliden Haushaltsplanung folgen . Ich vermute nicht nur, sondern ich prognostiziere, dass der Mittelansatz in den kommenden Jahren erheblich gesteigert werden muss, damit wir all das, was jetzt im Rahmen von Militär- und Materialhilfen, im Rahmen von Seenotrettung und vor allem im Rahmen der Amtshilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingsunterbringung anfällt, finanzieren können . Nicht erst seit den Anschlägen in Paris wissen wir, dass unsere Sicherheit tagtäglich durch fehlgeleitete Fanatiker und ihren Terror bedroht ist . Dieser Gefährdung unserer aller Sicherheit müssen wir entschlossen entgegentreten, nicht durch wohlfeile Worte, sondern durch Taten und einen auskömmlichen Finanzrahmen . Wir setzen heute hier im Bundestag ein Zeichen und dokumentieren, wie viel uns unsere innere und äußere Sicherheit wert ist . Wir müssen - das stimmt - zweifellos sehr viel Geld in die Hand nehmen, um diejenigen Organe zu stärken, die diese Sicherheit schützen . Dazu gehört die Polizei, dazu gehört der Verfassungsschutz, dazu gehören die Nachrichtendienste und selbstverständlich - darüber reden wir jetzt - unsere Bundeswehr . Nun wurde in dieser Debatte thematisiert, ob die Bundeswehr im Gefahrenfall auch im Innern eingesetzt werden kann und soll . Ich weiß - das merkte man eben auch an den Reaktionen -, dass diese Diskussion von manchem hier im Hause als überflüssig abgetan wird. Ich weiß aber auch - auch wenn die Ministerin vor wenigen Tagen zu diesem Thema etwas sehr Richtiges gesagt hat -, dass uns das nicht daran hindern darf, den Blick nach vorne zu richten und mit neuen Erkenntnissen auch zu neuen Beschlüssen zu kommen . Ich weiß, dass die CDU/ CSU-Fraktion hier eine pragmatische Meinung vertritt . Angesichts der aktuellen Bedrohungslagen möchte ich alle Skeptiker auffordern, erneut über die Möglichkeit eines begrenzten Einsatzes der Bundeswehr im Innern nachzudenken . ({2}) - Dann überlegen Sie noch einmal . Vielleicht kommen Sie dann ja zu besseren Erkenntnissen . Jedenfalls lassen das barbarische Vorgehen der IS-Kämpfer und die aktuelle latente Terrorgefahr, auch hier in Deutschland, die wir nicht verkennen sollten, ({3}) aus meiner Sicht keinen Raum für ideologische Scheindebatten . ({4}) - Ja . Viele hier im Saal wissen, auch ich, dass die Bundeswehr zusätzliche Aufgaben nur noch schwer verkraften kann und dass sie für gewisse Aufgaben im Innern auch nur begrenzt einsetzbar wäre . Aber anlässlich der heutigen Beratung zum Verteidigungsetat halte ich es für durchaus geboten, diese Frage erneut auf die Tagesordnung zu setzen . Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich halte es für abwegig, dass Soldaten der Bundeswehr künftig klassische Polizeiaufgaben übernehmen . Dafür sind unsere Soldaten nicht speziell ausgebildet und nicht anlassbezogen ausgerüstet . Der Schutz der inneren Sicherheit muss auch weiterhin von unserer Polizei wahrgenommen werden; aber unsere Soldaten der Bundeswehr können meines Erachtens durchaus begrenzt und in einem klar definierten Einsatzszenario zur Unterstützung eingesetzt werden . Was spricht dagegen, dass zum Schutz unserer Werte, unserer Demokratie und zur Sicherung unserer Art, in Freiheit zu leben, alle - alle - verfügbaren Sicherheitskräfte Hand in Hand arbeiten, wenn die Situation es erfordert? Meine Damen und Herren, solange die Bundespolizei und die Polizeien der Länder das alles allein bewältigen können, ist das kein Thema . Aber wie schnell Leistungsgrenzen erreicht werden, zeigen uns aktuelle Großlagen und die erhöhte Alarmbereitschaft in einer länger anhaltenden terroristischen Bedrohung . Als „helfende Hände“ wären unsere Soldatinnen und Soldaten in einer ernsten Bedrohung sicherlich eine wertvolle Hilfe . Ich benutze den Begriff „helfende Hände“ bewusst . Denn mir ist vollkommen unverständlich, warum es der Bundeswehr im Rahmen einer Amtshilfe gestattet ist, Zelte aufzubauen, Essen für Flüchtlinge auszugeben und deren medizinische Betreuung zu übernehmen, der bewaffnete Einsatz zum Schutz unserer Bevölkerung im Innern aber ausgeschlossen sein soll . ({5}) Das verstehe ich nicht wirklich . Auch historische Hintergründe müssen irgendwann einmal neu bewertet werden . ({6}) Meine Damen und Herren, unsere Bürgerinnen und Bürger beschäftigen sich in zunehmendem Maße mit der Frage nach ihrer eigenen Sicherheit . Dies spüre ich bei vielen Podiumsdiskussionen, an denen ich in den vergangenen Tagen und Wochen teilgenommen habe . Die breite Bevölkerungsmehrheit weiß, dass Sicherheit auch Geld kostet . Die breite Bevölkerungsmehrheit weiß - die Ministerin sprach von 51 Prozent -, dass die Erhöhung der Verteidigungsausgaben angesichts der zunehmenden Krisen notwendig und richtig ist . Wie bereits mehrfach dargestellt, ist der Verteidigungsetat ein besonderer . Denn wir entscheiden nicht nur darüber, wie viel uns unsere Sicherheit, sondern auch darüber, wie viel uns der Dienst der Soldatinnen und Soldaten wert ist . Deshalb haben wir einen ganzen Strauß an finanziellen Verbesserungen im Besoldungsänderungsgesetz festgelegt, welche nicht nur unseren Soldaten, sondern auch den zivilen Kräften in der Bundeswehr guttun . Viele haben schon gar nicht mehr geglaubt, dass derartige Leistungsverbesserungen möglich sind . Wir, die Mitglieder der Großen Koalition, danken also den Soldatinnen und Soldaten nicht nur in unseren Reden, sondern wir tun auch etwas für sie . In diesem Sinn wünsche ich den Angehörigen der Bundeswehr, egal ob in Uniform oder Zivil, weiterhin viel Kraft, Mut und Zuversicht bei der Erfüllung ihrer oftmals schweren und gefährlichen Aufgabe . Herr Präsident, da ich noch 30 Sekunden Redezeit habe, stelle ich fest: Ich habe Ihren Auftrag nicht nur verstanden, sondern ihn auch ausgeführt . Herzlichen Dank . ({7})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Das war auch die Erwartung des Hauses, lieber Herr Kollege . Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Gabi Weber, SPD-Fraktion . ({0})

Gabi Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004438, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Zu dem Diskussionsbeitrag vom Kollegen Gädechens komme ich gleich noch; ich will den Aufbau meiner Rede nicht über den Haufen werfen . Aber Sie können sich darauf verlassen: Es kommt eine Erwiderung . ({0}) Wir haben in den letzten Monaten erlebt: Deutschland hilft . Wir konnten Zeuge werden, dass die Menschen in unserem Land ein gutes Gespür dafür haben, wenn andere unsere Hilfe brauchen . Viele engagieren sich in der Arbeit für Geflüchtete. Ich möchte an dieser Stelle den Bundeswehrangehörigen, aber auch den anderen Menschen, allen, die in zivilen Organisationen, beim DRK, beim THW, bei der Caritas, bei der Diakonie, aber auch in vielen frei organisierten Gruppen, unterwegs sind, Flüchtlingshilfe zu leisten, meinen großen Dank aussprechen . ({1}) Und trotzdem: Wir könnten hier noch besser werden . Frau Ministerin, Sie haben einen Tagesbefehl zur Praxis der Freistellung von Bundeswehrangehörigen zur Unterstützung des BAMF und der Kommunen vor Ort ausgegeben . Das wird zurzeit allerdings relativ bürokratisch angepackt, und das führt dazu, dass Verantwortung hin und her geschoben wird und diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die das gern machen wollen, keine richtige Antwort bekommen . An dieser Stelle kann das noch ein Stück weit entbürokratisiert werden, besser und schneller gemacht werden, um die mögliche Unterstützung noch zielgerichteter und schneller an Mann und Frau zu bekommen . Ich habe die herzliche Bitte, noch mal genau darauf zu gucken . Wir als sozialdemokratische Verteidigungspolitiker haben zur Stärkung der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit bei der Bundeswehr ergänzend ein Positionspapier entworfen . Ich empfehle Ihnen, sich das einmal zu Gemüte zu führen . Wichtig ist an dieser Stelle das Stichwort „Attraktivität der Bundeswehr“ . Warum an dieser Stelle? Weil der aktuelle Leitspruch bei der Werbeoffensive der Bundeswehr lautet: „Mach, was wirklich zählt .“ Sehr geehrte Frau Ministerin, helfen Sie unseren Bundeswehrangehörigen, sich unbürokratisch zu engagieren . Dies zählt dann an dieser Stelle . ({2}) Jetzt zu dem ganzen Komplex: Was tut eigentlich die Bundeswehr, und wie ist es mit dem Bundeswehreinsatz im Innern? Nur zur Erinnerung: Im Moment macht die Bundeswehr im Rahmen der Hilfe für Geflüchtete viele Dinge, zum Beispiel sind zu nennen: vorzeitige Rückund Teilrückgabe nicht mehr benötigter Liegenschaften, temporäre Mitbenutzung von Liegenschaften - in sehr vielen Kasernen läuft das zurzeit -, weitere Unterstützungsleistungen wie Zelte, sanitätsdienstliche Versorgung, Personentransporte, organisatorische Unterstützung durch helfende Hände; damit sind zurzeit bis zu 4 000 Bundeswehrangehörige beschäftigt . ({3}) Darüber hinaus ist die Abstellung von 950 Angehörigen des Ministeriums direkt zum BAMF zu nennen . Da kann man doch feststellen, dass die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag im Innern leistet, um das zu bewältigen, was zu tun ist . Was sollte denn darüber hinaus die Bundeswehr im Innern jetzt noch machen? Für mich ist das ganz klar . Ich verwahre mich entschieden gegen den Versuch, den EinIngo Gädechens satz der Bundeswehr im Innern herbeizureden . Warum wird das eigentlich getan? Für was eigentlich? ({4}) Jenseits der skizzierten Amtshilfe und des nationalen Notstands ist das einfach nicht angezeigt . Wir haben für die Fragen der inneren Sicherheit eine grundgesetzlich garantierte Trennung der Aufgaben von Militär und Polizei . Ausnahmen sind die Katastrophenhilfe und der innere Notstand . ({5}) Beides ist zurzeit nicht angezeigt . ({6}) Wenn die Kapazitäten der Polizei nicht ausreichen, ist die Bundeswehr nicht einfach Reservepolizei, die man zur Unterstützung heranziehen kann . Hier muss man klar feststellen: Es gilt an dieser Stelle das Grundgesetz, das genau diesen Einsatz verbietet . ({7}) Wir haben viele große Rüstungsbeschaffungsprojekte . Wir dürfen dabei aber die kleinen nicht vergessen . Wir kennen den alten Spruch: Kleinvieh macht auch Mist . Nur haben wir die Situation, dass der Mittelabfluss bei den kleinen Projekten durchaus beschleunigungsfähig wäre . An dieser Stelle wäre es durchaus möglich, vernünftige Beschaffungen für die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten zu tätigen und es gleichzeitig hinzubekommen, dass kleine und mittlere Unternehmen, die wir bei uns haben wollen, Sicherheit bei ihrer Planung und gute Voraussetzungen haben, um weiterhin bei uns zu produzieren . Hier der Appell an Sie, Frau Ministerin, die personellen Voraussetzungen bei den Dienststellen zu schaffen, um die Verfahren wirklich beschleunigen zu können . Sie haben meinen großen Respekt für Ihre Entscheidung, Frau Suder seinerzeit zu uns geholt zu haben . Ich sage ganz bewusst „zu uns“; denn Frau Suder ist einfach diejenige, die mit Ihnen gemeinsam viele Prozesse zurzeit energisch vorantreibt . Mit Frau Suder bin ich, gerade was die mittelständischen Unternehmen angeht, in regem Austausch . Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns insgesamt an dieser Stelle noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass wir eine Mittelstandsbeauftragte brauchen, um den Finger wieder genauer auf diesen Punkt zu legen . Wir dürfen uns nicht nur auf die großen Dinge konzentrieren und dürfen die kleinen - auch Kleinvieh macht Mist nicht hinten herunterfallen lassen . Daher mein Appell; ich denke, eine Mittelstandsbeauftragte wäre an dieser Stelle wirklich gut . ({8}) Mir läuft die Zeit weg . - Eines will ich trotzdem noch sagen: Das Weißbuch 2016 ist heute noch nicht erwähnt worden . Der diskutierte Punkt wird eine große Rolle dabei spielen, was von diesem Weißbuch erwartet wird . Es sollte das letzte seiner Art sein; denn wir brauchen eigentlich eine Friedens- und sicherheitspolitische Strategie für ganz Deutschland . Der Koalitionsvertrag liefert an dieser Stelle viele und sehr gute Grundbausteine . Volker Kauder hat heute Vormittag bereits betont, wie wichtig für uns Koalitionäre dieser Koalitionsvertrag ist . Er könnte an dieser Stelle viel stärker genutzt werden . Das würde vieles verkürzen . ({9}) Meine letzten Worte ({10}) sind an dieser Stelle wie immer . Ich bin Entwicklungspolitikerin . Mein Appell geht noch einmal dahin, langfristig zu denken, wenn es um die Bekämpfung von Fluchtursachen geht, und nicht immer dieses kurzfristige Denken zu haben: Wir machen jetzt Fluchtursachenbekämpfung, indem wir in den Flüchtlingslagern etwas tun, indem wir den Ländern um Syrien und den Irak herum Unterstützung anbieten . Ein absolut notwendiger Teil der Fluchtursachenbekämpfung ist eine stetige Erhöhung der ODA-Quote . Dafür plädiere ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich . ({11}) Ich bitte aber auch darum - jetzt ist Herr Spahn leider nicht da -, dem Herrn Finanzminister auszurichten oder nahezubringen, die Finanztransaktionsteuer nicht zu vergessen . Auch das Geld brauchen wir dringend für Entwicklungszusammenarbeit und Fluchtursachenbekämpfung . ({12}) In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit . Sie merken, ich bin sehr dafür, diesen Verteidigungshaushalt zu beschließen, und freue mich über Ihre Zustimmung . ({13})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich das Wort dem Abgeordneten Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Außen- und Sicherheitspolitik und die außen- und sicherheitspolitische Lage in den letzten zwei Jahren haben sich dramatisch verändert . Wir erleben nicht nur die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Konflikten, sondern müssen auch auf Konflikte reagieren, die in ihrer Erscheinungsform nicht unterschiedlicher sein können . Die Ukraine-Krise und das neu zu definierende Verhältnis zu Russland stehen beispielhaft für eine Bedrohung, die wir aus vergangenen Tagen kennen . Deshalb ist Bündnisverteidigung heute erneut unser Kerngeschäft, ohne dass wir Out-of-Area-Einsätze vernachlässigen könnten . Diese Einsätze sind auch wichtig . Sie sind überlebenswichtig . Lieber Kollege Leutert, ich kann nur sagen: Wenn Sie fordern, dass wir die Unterstützung beispielsweise der Peschmerga-Kurden im Nordirak einstellen sollen, dann frage ich Sie: Was ist die Alternative? Wollen Sie die Kurden in diesem Gebiet einfach dem IS überlassen, oder haben Sie wirklich die naive Vorstellung, dass Sie in einer Art Stuhlkreis mit dem IS verhandeln können, dass sich dort ein friedliches Miteinander einstellt? Das können Sie vergessen . Das ist naiv . Deswegen ist es wichtig, dass wir in solchen Einsätzen sind wie beispielsweise bei der Ausbildungsmission im Nordirak . ({0}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, neben dem Erstarken der Mörderbanden des „Islamischen Staats“ sehen wir auch die Erosion von Staatlichkeit im Nahen Osten und in Nordafrika . Mit den Anschlägen von Paris, kaum zwei Wochen her, ist der Terror aus Syrien und aus dem Irak ganz massiv mitten in Europa gelandet . Das fordert unser bisheriges europäisches Sicherheitsverständnis neu heraus . Die Details des europäischen Beistands nach Artikel 42 des EU-Vertrags stehen noch nicht fest . Sicher ist allerdings, dass Solidarität für uns auch Verantwortung heißt . Es wird nicht reichen, dass wir uns die französische Trikolore umhängen und für unsere französischen Freunde, für die Opfer und ihre Familien beten . Wir müssen damit rechnen, dass auch auf die Bundeswehr weitere Aufgaben zukommen, und sei es, um unsere französischen Freunde in Afrika zu entlasten . Diese neuen Herausforderungen bedeuten in der Konsequenz auch eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben . Ganz sachlich brachte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg das auf den Punkt: Unsere Freiheit kommt nicht umsonst . Wir müssen in unsere Sicherheit investieren . Wir müssen also auf das sich verändernde Lagebild reagieren, und angesichts der aktuellen Bedrohungsszenarien war für uns die Erhöhung des Wehretats nicht mehr nur geboten, sie war eine Notwendigkeit . Bereits auf dem CSU-Parteitag 2014 hat die CSU gefordert, dass eine Erhöhung des Verteidigungsetats kein Tabu mehr sein dürfe . Es war unsere frühe Forderung, dass wir uns ganz klar von der Mangelwirtschaft und der Unterfinanzierung verabschieden ({1}) und uns für eine Investitionswende entscheiden . Die erfolgreiche Erhöhung der Verteidigungsausgaben in der mittelfristigen Finanzplanung um 8 Milliarden Euro bis 2019, aber auch die eingeleitete Diskussion über die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte sind erste Schritte in die richtige Richtung . Das ist sozusagen der Pfad der Modernisierung, den Sie, Frau Ministerin, angesprochen haben . Ich darf mich an der Stelle auch für Ihre tatkräftige und erfolgreiche Arbeit bedanken und dafür, dass Sie diesen Modernisierungsprozess tatsächlich angegangen sind . ({2}) Ich bin auch der Meinung, lieber Herr Lindner - ich verstehe ja, dass Sie kritisieren müssen -, dass Sie schon feststellen müssten, dass wir gerade im Bereich des Beschaffungswesens, beispielsweise mit der neuen Transparenz, die gerade auch dem Parlament gegenüber an den Tag gelegt wird, doch ganz neue Entwicklungen haben, die wir alle sehr begrüßen . ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Kollege?

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Moment nicht, danke . - Schauen Sie sich beispielsweise das Thema Mittelabfluss an - Sie haben es selbst beschrieben -: Während wir vor zwei Jahren noch über 1 Milliarde Euro nicht abgeflossener Mittel hatten, waren es letztes Jahr schon weniger, und dieses Jahr werden es noch weniger sein . Auch hier sind wir also auf dem richtigen Weg . Dafür wollen wir auch weiterhin zusammen mit Ihnen, Frau von der Leyen, kämpfen . Trotzdem bleiben natürlich auch Engpässe . Eine Vollausstattung der Armee lässt sich nicht von heute auf morgen erwirken . Auch gefährden Kürzungen im Bereich von Forschung und Technologie den Erhalt von technologischen Fähigkeiten und unserer technologischen Unabhängigkeit . Hier müssen wir aufpassen . In diese unruhigen sicherheitspolitischen Zeiten fällt auch die Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie . Ab dem 1 . Januar 2016 wird die 41-Stunden-Woche im Grundbetrieb gelten . Erstmals führen wir damit eine moderne Dienstzeitverordnung bei der Bundeswehr ein . Die Regelung ist ein klares Zeichen an die Truppe: Im Dienstalltag des Grundbetriebs gelten für Soldatinnen und Soldaten geregelte Arbeitszeiten wie für andere Arbeitnehmer auch . Trotzdem muss die Einsatzbereitschaft der Truppe weiterhin im Vordergrund stehen . Die Bundeswehr erfüllt in zahlreichen internationalen Einsätzen friedensschaffende und friedenswahrende Aufgaben . Daneben übersteigt der Einsatz im Inneren längst alle Dimensionen, die wir aus Katastrophenhilfen vergangener Tage kennen . 2 700 bei Auslandseinsätzen eingesetzten Soldatinnen und Soldaten stehen heute rund 7 600 Angehörige der Bundeswehr gegenüber, die bei der Unterstützung der Flüchtlinge eingebunden sind . Sehr geehrter Herr Leutert, Sie haben vorhin die Ministerin aufgefordert, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu unterlassen . Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll . Ich weiß gar nicht, wie Sie denn diese 7 600 Bundeswehrsoldaten ersetzen wollen . ({0}) Die Bundeswehr macht hier einen ganz wichtigen Job . Darauf können wir nicht verzichten . ({1}) Unabhängig davon gilt auch in anderen Bereichen, dass die komplexen Bedrohungen der Gegenwart nicht mehr allein der inneren oder äußeren Sicherheit zugerechnet werden können . Sie sind zunehmend voneinander abhängig . Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen: Zum einen: Die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger sollte immer oberste Priorität haben . Viele Bedrohungen finden heute an den Schnittstellen von innerer und äußerer Sicherheit statt . Wir sollten daher über die historisch gewachsene, aber aus meiner Sicht überlebte strikte Trennung von Militär und anderen Sicherheitsorganen nachdenken . Wir sollten den Einsatz der Bundeswehr im Inneren noch einmal in aller Ruhe prüfen . Es ist nämlich schon paradox, dass die Verteilung von Essen an Flüchtlinge erlaubt ist, der Schutz der Unterbringung aber nicht . Ein abgestimmtes Zusammenwirken aller Sicherheitskräfte kann die richtige Antwort auf die neuen Herausforderungen sein . Ein Grundmisstrauen gegenüber dem Einsatz unserer Parlamentsarmee im Inneren Deutschlands ist heute nicht mehr gerechtfertigt . ({2}) Wenn Sie noch andere Beispiele haben wollen, dann überlegen Sie sich einmal folgendes Szenario: Eine Ostseefähre wird von Terroristen gekapert . Wer hat überhaupt die Fähigkeiten, hier entsprechend einzugreifen, um die Menschen auf einer solchen Fähre zu schützen? Das hat nur die Bundeswehr . Jetzt können Sie sagen: In der Logik müsste es so sein, dass wir die Bundespolizei besser ausstatten, damit sie diese Fähigkeiten hat . Da kann ich nur sagen: Warum sollen wir hier doppelte Strukturen aufbauen? Das ist Geldverschwendung . Hier sollten die Sicherheitskräfte miteinander arbeiten können . Das macht Sinn . ({3}) Das Gleiche gilt im Übrigen auch für das Thema ABC-Schutz . Sie sollten sich einmal genau anschauen, wer welche Fähigkeiten hat und wer im Zweifel gebraucht wird . Funktionalität und Einsatzbereitschaft werden immer schwerer aufrechtzuerhalten sein . Die zunehmende Einsatzverpflichtung und die dafür notwendige Ausbildung werden - gerade mit Blick auf die langfristig angelegte Flüchtlingshilfe - mit dem jetzigen Personalstand schwer zu bewältigen sein . Die neue EU-Arbeitszeitrichtlinie wird weiteren Druck auf die Personalstruktur ausüben . Die sicherheitspolitische Lage hat sich seit 2011, dem Beginn der Neuausrichtung der Bundeswehr, maßgeblich geändert . Es ist daher wichtig, dafür zu sorgen, dass von den 185 000 Soldatinnen und Soldaten auch wirklich 185 000 einsatzfähig sind . Das erreichen wir im Moment bei weitem nicht . Sollte das nicht ausreichen, dürfen wir uns nicht davor scheuen, über eine flexible Personalobergrenze nachzudenken . Der Präsident gibt das entscheidende Signal . - Ich werde meine Rede verkürzen und ende mit dem Einwurf des verteidigungspolitischen Sprechers unserer Fraktion, der vorhin gesagt hat: Gut, dass wir an der Regierung sind . - Mit Blick auf den Haushalt und auf die Entwicklung bei der Bundeswehr kann ich das nur unterstreichen . Vielen Dank . ({4})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention Dr . Lindner, der vom Redner angesprochen wurde . - Bitte .

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Hahn, ich bin bei Ihrer Rede hellhörig geworden, als das Stichwort „CSU-Parteitag“ fiel. Damit meine ich nicht die aktuelle Entwicklung vom Wochenende . Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es gewesen wäre, wenn Frau von der Leyen damals zu Gast gewesen wäre . Sie haben dann ausgeführt, dass der besagte CSU-Parteitag bereits 2014, wenn ich mich richtig erinnere, eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben gefordert hat . Sie haben dann gemeint, Sie verstehen mich in vielen Teilen . Aber der Beschaffungsbereich sei jetzt in vielem besser . Ich erinnere mich an einen Verteidigungsminister, der einmal gesagt hat, dass der größte strategische Parameter, dem sich die Bundeswehr unterzuordnen habe, die Schuldenbremse sei . Er hat eine Reform mit einem Einsparvolumen von 8,3 Milliarden Euro begonnen, an dem sein Nachfolger, Herr de Maizière, festgehalten hat . Können Sie mir sagen, in welcher Partei Karl-Theodor zu Guttenberg Mitglied ist? ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Er kann, aber er muss nicht . - Mögen Sie antworten, Herr Hahn?

Florian Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege Lindner, Karl-Theodor zu Guttenberg ist meines Wissens immer noch Mitglied der CSU . ({0}) - Ich gehe auch davon aus . Karl-Theodor zu Guttenberg hat im Übrigen 2010 nicht gesagt, dass er wegen des ausgeglichenen Haushaltes die Bundeswehr reformieren will; vielmehr schien ihm die Bundeswehr insgesamt reformbedürftig . Ich glaube, darin waren wir uns alle einig . Die Situation 2015 mit der 2010, dem Beginn der Diskussion um eine Bundeswehrreform, zu vergleichen, hinkt . Sie sehen, dass sich die außen- und sicherheitspolitische Lage - ich habe das zu Beginn meiner Rede gesagt - dramatisch geändert hat . Wir müssen unsere Politik immer an die jeweilige Lage anpassen . Insofern gibt es hier keinen Dissens . ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Wir sind damit am Ende unserer Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung - in der Ausschussfassung . Wer stimmt für den Einzelplan 14 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Einzelplan 14 mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .12 auf: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 18/6120, 18/6124 Berichterstatter sind die Abgeordneten Volkmar Klein, Sonja Steffen, Michael Leutert und Anja Hajduk . Zu dem Einzelplan 23 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich sehe keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat der Abgeordnete Michael Leutert, Fraktion Die Linke, das Wort . ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, Anfang September haben Sie dem Parlament einen Entwurf Ihres Etats mit Ausgaben in Höhe von 7,4 Milliarden Euro übermittelt . Dieser Entwurf ist in einer Situation entstanden, in der uns allen schon bekannt war, mit welchen Problemen wir zu tun haben . Wir wussten, welche Zustände in Afghanistan herrschen, wir wussten, dass es Bürgerkrieg im Irak, in Syrien und in Libyen gibt, wir wussten um den IS, und wir wussten um die vielen Flüchtlinge, die nach Europa kommen . Heute, im November, drei Monate später, nach den Haushaltsverhandlungen, ist die Situation nicht viel besser . Die Situation hinsichtlich der Flüchtlinge ist - ganz im Gegenteil - noch dramatischer geworden . Der Winter steht vor der Tür . Wir haben Terroranschläge in Europa und in Syrien zu verzeichnen . Wie wir gestern leider wieder im Zusammenhang mit dem Abschuss des russischen Kampfflugzeuges gesehen haben, eskaliert die Situation weiter . Nach den Haushaltsberatungen umfasst Ihr Etat wiederum gut 7,4 Milliarden Euro - ein Minus von 17 Millionen Euro . Ganz im Gegenteil dazu wurde in den Verhandlungen über den Etat des Auswärtigen Amtes ein Aufwuchs von 400 Millionen Euro erreicht . Beim BMZ sind es, wie gesagt, 17 Millionen Euro weniger geworden . Ich frage mich, was da in den Haushaltsverhandlungen schiefgelaufen ist oder ob da irgendetwas in Ihrem Ministerium nicht angekommen ist . ({0}) Ich habe es schon gesagt: Die Situation ist dramatisch . Ich will nur auf eine Zahl, die hier schon oft zitiert wurde, hinweisen: Allein beim Flüchtlingsprogramm der UN, das die syrischen Flüchtlinge betrifft, gibt es derzeit ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro. Da habe ich noch nicht vom Welternährungsprogramm und vom UNHCR insgesamt gesprochen . Auch dort sehen die Zahlen nicht besser aus . Wie gesagt: Jetzt wird es noch schlimmer, da der Winter vor der Tür steht . Wir alle wissen: Wir brauchen mehr Geld . Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wann, wenn nicht jetzt, wäre der Zeitpunkt, endlich unser internationales Versprechen einzulösen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben? ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bräuchten dafür circa 8 Milliarden Euro mehr . Es klingt jetzt erst einmal so, als wäre das dramatisch viel . Ich möchte aber versuchen, kurz zu skizzieren, dass das so viel nicht ist . Wir alle wissen: Wenn sich der Bundestag in bestimmten Fragen einig ist, dann ist er in der Lage, Geld auch in dieser Größenordnung zu mobilisieren . Ich enttäusche Sie jetzt: Ich werde nicht mit Bankenrettung und Griechenland-Hilfe kommen, sondern möchte zwei Beispiele wählen, bei denen sich alle Fraktionen einig sind . Weil es uns wichtig war, wurde hier im Bundestag beschlossen, das Elterngeld einzuführen . Ich möchte die verschiedenen Maßnahmen nicht gegeneinander ausspielen, sondern bloß deutlich machen: Wenn wir uns über etwas einig sind, dann geht es . - Das Elterngeld kostet uns im Jahr 6 Milliarden Euro, Tendenz steigend . Eine andere Sache, bei der wir uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig sind, ist die Entscheidung, mehr Geld für Bildung und Forschung in die Hand zu nehmen . ({2}) Es wird das Ziel ausgegeben, 3 Prozent des BIP für Forschung und Bildung auszugeben . Aus diesem Grund ist der Etat des Bildungs- und Forschungsministeriums von 10 Milliarden Euro im Jahre 2009 auf jetzt 16,5 Milliarden Euro angewachsen . Es ist also möglich, insgesamt in den Jahren 6,5 Milliarden Euro mehr zu mobilisieren . Im Übrigen hat das BMBF mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung wie das BMZ . Herr Minister, Sie sagen selber - Sie werden nicht müde, das immer wieder zu betonen -, dass es sich lohnt, Geld in die Hand zu nehmen . 1 Euro, eingesetzt in den Ländern, in denen sich die Flüchtlinge derzeit aufhalten, ist so viel wert wie 30 Euro, die wir hier einsetzen bzw . im Notfall einsetzen müssen . In der Zielrichtung sind wir uns einig . Wir könnten entsprechende Maßnahmen angehen . Wenn wir es nicht schaffen, können wir immer noch einen Nachtragshaushalt verabschieden . Wir haben entsprechende Anträge vorgelegt . Ich bin sehr gespannt, wie Sie darauf reagieren . Nun ist bekannt, dass ich nicht jemand bin, der immer nur schreit, wir brauchten mehr Geld . Wir müssen vielmehr überlegen, wie wir das vorhandene Geld einsetzen, welche Maßnahmen wir auch ohne Geld verwirklichen können und welche Maßnahmen unseren Zielen eventuell entgegenstehen . Ich habe mir daher im Detail angeschaut, wie die Ressourcen verwendet werden, und muss schon sagen: Es ärgert mich enorm, dass die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, also unsere ureigene Durchführungsorganisation im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, etliche Programme finanziert, die in Saudi-Arabien umgesetzt werden . Wenn ich dann auch noch sehe, dass dort im Auftrag des Innenministeriums ein Grenzschutzprogramm umgesetzt wird, im Zuge dessen Polizisten im Übrigen auch an der Waffe ausgebildet werden, dann muss ich sagen: Lieber Minister, das konterkariert Ihre Bemühungen, Fluchtursachen zu bekämpfen . Aus diesem Grund sollten wir solche Programme jetzt beenden . ({3}) Im Übrigen - das kann man alles auf der Seite der GIZ nachlesen - ist die GIZ in allen Staaten des Golfkooperationsrates präsent . In all diesen Staaten werden Programme durchgeführt, so zu den Themen Wassersicherheit, Stadtplanung, Berufsausbildung, Verwaltungseffizienz usw. - alles wichtige Themen -; aber in keinem Land wird auch nur ein einziges Programm durchgeführt, bei dem es um Themen wie Menschenrechte, gute Regierungsführung oder Demokratisierung geht . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte das für falsch und auch für eine Verschwendung von Ressourcen . Das ist einfach Fakt . ({4}) - Es ist nicht falsch . Lesen Sie es bitte nach . Im Umfeld des Afrika-Gipfels, der vor kurzem stattgefunden hat, wurde eine Debatte geführt, bei der es auch um die Frage ging, ob man den Staaten, die nicht willens sind, Flüchtlinge zurückzunehmen, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit streicht . Das halte ich für absurd . ({5}) Wir sollten eher anfangen, darüber nachzudenken, Länder, die für Fluchtursachen sorgen - dazu gehört unter anderem Saudi-Arabien, das im Jemen Krieg führt -, nicht weiter zu hofieren und zu unterstützen, zumal sie ausreichend eigenes Geld haben, um entsprechende Projekte durchzuführen . Vielen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Leutert . - Schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zahlreichen Gäste auf der Tribüne seien auch herzlich willkommen . Der nächste Redner in der Debatte: Volkmar Klein für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Volkmar Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004071, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsplan besteht zunächst aus Zahlen, aus sehr vielen Zahlen sogar . Aber am Ende des Tages steht der Haushaltsplan für Politik . Ich glaube, dass der Einzelplan 23, der Haushaltsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, durchaus exemplarisch für den gesamten Haushaltsplan steht . Wir können ihn mit drei Begriffen charakterisieren: zugewandt, fokussiert und nachhaltig . Lassen Sie mich, bevor ich zu den drei Begriffen etwas sage, meinen ganz herzlichen Dank aussprechen . Als Hauptberichterstatter meiner Fraktion im Haushaltsausschuss möchte ich den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern danken, insbesondere Anja Hajduk und Michael Leutert, den Oppositionsberichterstattern, bei denen man schon ein bisschen den Eindruck hat, wenn sie nicht in der Opposition wären, würden sie den Einzelplan am Ende auch gut finden. ({0}) Noch viel mehr bedanke ich mich natürlich bei meiner Koalitionsberichterstatterin Sonja Steffen . Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass jetzt gute Zahlen auf dem Tisch liegen . ({1}) Also auch an dich noch einmal einen ganz herzlichen Dank . Ich bedanke mich aber auch für all die vielen Gespräche mit Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und ich bedanke mich bei den vielen Besuchern, die von außen kommen und uns mit Informationen versorgen . Ich bedanke mich ganz besonders, und zwar nicht nur für die gute Kooperation, sondern mehr für seine gute Arbeit, beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bei Gerd Müller . Er macht eine gute Arbeit . Ich bin sicher, dass er diese gute Arbeit in den nächsten Monaten genauso weiterführt . ({2}) Zugewandt - mein erster Begriff . Es geht um Menschen, und zwar nicht nur im Einzelplan 23, sondern im gesamten Bundeshaushalt: von der Bildung über die Gesundheit und die sozialen Fragen bis zur Wirtschaftsordnung . Am Ende ist unser christliches Menschenbild der Maßstab, wofür wir Geld ausgeben . Genau das ist die Basis unserer europäischen Werteordnung . Genau das lässt uns Verantwortung übernehmen für Menschen, auch für Menschen jenseits unserer Grenzen . Wir geben auch für Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, sehr viel Geld aus . Diese Beträge werden nicht im Einzelplan 23 etatisiert, über den wir jetzt reden . Sie sind aber zu einem ganz großen Teil ODA-Mittel . Insofern liegt die Koordinierung beim BMZ, beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . An dieser Stelle muss man, glaube ich, einmal sagen: Es ist eine Schande, dass die richtig reichen muslimischen Länder am Golf sich überhaupt nicht um diese Menschen kümmern und bisher keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben . Das ist nicht in Ordnung . ({3}) Das BMZ koordiniert natürlich nicht nur die ODA-Mittel . Im Einzelplan 23 ist auch ein wirklich stark gewachsener großer Brocken etatisiert . Der Einzelplan 23 steigt um rund 850 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2015; so stark ist er noch nie gestiegen . Er ist so stark gestiegen, weil wir uns den Menschen, die in den Lagern im Libanon oder im Nordirak sind, zuwenden müssen . Es geht darum, dort die Lebensmöglichkeiten zu sichern . Darum kümmert sich zunächst einmal, sofern es um Lebensmittel geht, das Auswärtige Amt . Aber sobald die Menschen länger dort sind, geht es auch darum, für eine entsprechende Infrastruktur zu sorgen . Dabei geht es nicht nur um Wasserleitungen, sondern eben auch um Bildung . Und dann ist es Aufgabe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Menschen zugewandt zu helfen . Wenn wir über das Stichwort „Fluchtursachen bekämpfen“ reden, geht es eigentlich um die gesamte Arbeit des Ministeriums; denn bei allem, was getan wird, geht es darum, Menschen in ihren Heimatländern bessere Chancen zu geben, und das führt automatisch dazu, dass Fluchtursachen wegfallen . Fokussiert - das ist mein zweiter Begriff . Auch wenn sich eigentlich die gesamte Arbeit des BMZ um die Bekämpfung von Fluchtursachen und um Entwicklung dreht, also um langfristiges Denken, ist es jetzt erst einmal richtig, dass wir deutlich umgeschichtet haben . Wir haben den Titel „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“, bei dem es um die Lager in diesen Ländern geht, ganz erheblich erhöht: 130 Millionen Euro standen für dieses Jahr im Haushaltsplan . Der Regierungsentwurf für 2016 umfasste bereits 220 Millionen Euro, und im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir diesen Titel auf 400 Millionen Euro aufgestockt . Das Gleiche gilt für den Titel „Sonderinitiative Fluchtursachen bekämpfen“: Für dieses Jahr standen 70 Millionen Euro im Haushaltsplan . Der Regierungsentwurf für 2016 umfasste 110 Millionen Euro; jetzt stehen an dieser Stelle 300 Millionen Euro im Haushaltsplan . Fokussieren auf die Lager, das ist ganz bestimmt richtig . Jeder von uns hat viele Berichte von Menschen gehört, die im Libanon oder im Nordirak gewesen sind . Es ist klar: Wir müssen mehr tun, damit die Menschen dort bleiben können und keinen Grund haben, zu uns nach Europa zu kommen . Ein Fokussieren auf diese Lager ist richtig . Es ist aber auch wichtig, auf mehr Chancen zu fokussieren . Ich glaube, wir brauchen da ein bisschen Umorientierung . Wir müssen uns in der Entwicklungszusammenarbeit mehr als bisher daran orientieren, ob Jobs entstehen können . Es ist ganz wichtig, für Gesundheit, für sauberes Wasser und für Bildung zu sorgen . Aber am Ende des Tages werden die dann gut ausgebildeten Leute zu Hause immer noch keine Chance haben, wenn nicht auch Arbeit da ist, wenn nicht auch Jobs da sind . Deswegen brauchen wir mehr Investitionen . Wir brauchen in den Ländern des Südens auch mehr private Investitionen, damit die Leute dort Jobs bekommen . Das wollen wir durch Umschichtungen in unserem Haushaltsplan erreichen . Das ist ein wichtiger Punkt, um die Chancen für Jobs und eine wirtschaftliche Entwicklung, die wirklich nachhaltig ist, zu erhöhen . Wir werden uns auch im Mai nächsten Jahres in Deutschland damit befassen; denn wir sind Gastgeber der Jahrestagung der Asiatischen Entwicklungsbank . Dort kommen viele Menschen zusammen, die auch private Investitionen für die Länder des Südens mobilisieren wollen . Auch eine gestärkte kommunale Kooperation kann helfen . Wir müssen unsere Erfahrung, dass Arbeitsplätze nicht durch staatliches Handeln, sondern durch private Initiativen und Investitionen entstehen, weitergeben . ({4}) Wir müssen helfen, indem wir unsere Erfahrung von Normalität in unserem Wirtschaftsablauf transportieren . Das ist, glaube ich, ein wichtiger Beitrag . Wir müssen uns fokussieren auf die Chancen, die Menschen haben . Ich würde auch sagen: Auch wenn wir eine Haushaltsdebatte führen, sollten wir nicht immer nur auf Geldbeträge schauen . Das wurde in der zurückliegenden Debatte hier und da schon deutlich . Wenn wir uns auf das schiere Ausgeben von Geld konzentrieren und das bereits für einen Erfolg halten, dann kommen wir nicht weiter . Wir müssen Chancen schaffen und dürfen nicht nur daran denken, wie viele ODA-Mittel ausgegeben worden sind . Das wird im nächsten Jahr besonders deutlich werden, wenn diejenigen, die immer nur dumpf vom 0,7-Prozent-Ziel geredet haben und nur diese Zahl im Kopf haben, im nächsten Jahr vor dem Problem stehen werden, weniger Geld fordern zu müssen . Ich bin nach dem, was uns vorliegt, nämlich durchaus davon überzeugt, dass wir im nächsten Jahr auf über 0,7 Prozent kommen werden, weil sämtliche Kosten, die im Inland für Flüchtlinge anfallen, für die ersten zwölf Monate mitgerechnet werden . ({5}) Ich rechne damit, dass unser Ziel übertroffen wird . Deswegen sage ich immer wieder: Nur auf diese Zahl zu fokussieren, ist einfach falsch . Wir werden deutlich über 0,7 Prozent liegen . Das bringt uns aber nicht weiter . ({6}) Mein letztes Stichwort ist die Nachhaltigkeit . Der entscheidende Beitrag zur Nachhaltigkeit ist ein insgesamt ausgeglichener Haushalt; denn das ist ein wirklich gutes Zeichen für Stabilität und Vertrauen . Dieses Signal ist notwendig, damit Private und Unternehmen in Deutschland weiterhin investieren und Deutschland wirtschaftlich stark bleibt . Genau das ist die Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft helfen können, und das wollen wir . Wir wollen nicht nur helfen, sondern wir haben uns im Haushalt sogar dazu verpflichtet. Wenn man all die Verpflichtungsermächtigungen im Einzelplan 23 zusammenzählt, sieht man, dass wir auch in Zukunft wirtschaftlich stark sein müssen, wenn wir auch zukünftig unsere Hilfe zusagen wollen . Deswegen: Der beste Beitrag für eine langfristig erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit seitens Deutschlands ist ein ausgeglichener Haushalt . ({7}) Wir müssen aber auch an mehr Nachhaltigkeit in Afrika denken und diese einfordern . In vielen Ländern ist doch nicht das eigentliche Problem, dass Geld fehlt . Das Problem ist, dass miserables Regierungshandeln die Chancen der Menschen zerstört . ({8}) Ich glaube, wir müssen einfach robuster als bisher einfordern, dass sich das verbessert . ({9}) Ich habe das in der letzten Debatte unter dem Stichwort „Troikas für Afrika“ zusammengefasst. Das finde ich weiterhin richtig . In Südeuropa fordern wir Konditionalität für Zusammenarbeit ein . Wir müssen unsere Mittel krasser und robuster einsetzen, um Korruption in Afrika abzubauen . Das Ziel, Frieden und Demokratie zu stärken, geht in die gleiche Richtung . Die Deutsche Afrika Stiftung hat in der letzten Woche den Deutschen Afrika-Preis an Houcine Abassi vergeben; das hat natürlich dadurch an Bedeutung gewonnen, dass er in zwei Wochen auch den Friedensnobelpreis bekommt . Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht nur auf Geld ankommt, sondern auch auf Menschen, die in der Lage sind, die Menschen zusammenzubringen und Konflikte zu moderieren. Deswegen an dieser Stelle einen ganz herzlichen Glückwunsch an Houcine Abassi zum Deutschen Afrika-Preis, aber auch zum Friedensnobelpreis! ({10}) Auf Menschen kommt es an . Deswegen ist es wichtig, solche Menschen zu haben . Genauso wichtig ist es aber, all die Deutschen zu haben, die in vielen Ländern arbeiten und helfen . Dass sie es auch im Zusammenhang mit Ebola gemacht haben, wissen wir in unserer schnelllebigen Zeit schon gar nicht mehr . Sie tun es aber auch heute in all diesen Lagern . Deswegen an dieser Stelle auch ein ganz herzliches Dankeschön an all diejenigen, die diese Arbeit tun! Im Grunde ist ja ein Dank die verschärfte Form der Bitte, das auch weiterhin zu tun . Das brauchen wir, wenn wir wollen, dass Deutschland in aller Welt ein gutes, erfolgreiches Bild abgibt und ein liebenswertes Gesicht hat . Wenn ich ganz zu Beginn unserem Minister gedankt habe, dann verfolge ich damit natürlich die gleiche Strategie . Auch das ist die verschärfte Bitte: Weitermachen! Wir brauchen ihn und seine Politik auch in den nächsten Monaten . Ich glaube, dass dieser Haushalt - den Menschen zugewandt, auf Probleme fokussierend, gleichzeitig aber nachhaltig im Sinne der Sicherung der eigenen Kapazitäten - gut ist und die Zustimmung von allen hier im Hause verdient hat . Herzlichen Dank . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Klein . - Nächste Rednerin: Anja Hajduk für Bündnis 90/Die Grünen .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei aller Kollegialität, lieber Volkmar Klein: Diesem Etat können wir so nicht zustimmen, insbesondere weil der Etat für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in den Haushaltsberatungen im Unterschied zu anderen Etats, die kräftig gewachsen sind, dreifach bestraft wurde . Das muss man bei nüchterner Betrachtung feststellen, und das muss man hier auch laut aussprechen . ({0}) Der Kollege Leutert hat schon gesagt: Es gibt keinen Aufwuchs, sondern eine Kürzung um 17 Millionen Euro . - Man könnte noch sagen, das sei, gemessen am Gesamtetat, vielleicht keine so hohe Summe . Aber es geht um die nüchterne Bilanz: Was ist eigentlich während der Haushaltsberatungen passiert, nachdem das Kabinett einen großen Aufwuchs beschlossen hat? Ich habe Minister Müller in unseren Beratungen so verstanden, dass er darum gebeten hat, der Haushaltsausschuss möge noch mehr tun, so wie dieser auch beim Etat des Innenministeriums und im Bereich der humanitären Hilfe dreistellige Millionenbeträge draufgelegt hat . Das haben Sie hier nicht getan . Sie haben sich dagegen entschieden . Ich halte das für falsch . Zu dem, was Sie umgeschichtet haben - Sie nennen das „Fokussierung“, Herr Klein -, muss ich feststellen: Ja, es ist wichtig, bei der Krisenbewältigung und bei der Infrastruktur etwas obendrauf zu legen . Das fordern auch wir; das fordern wir auch weiterhin . Aber es ist nicht richtig, gleichzeitig bei der Technischen Zusammenarbeit und der Finanziellen Zusammenarbeit entsprechend zu kürzen . Die Programme der KfW sind gerade sehr positiv öffentlich evaluiert worden . Da kann ich Ihnen nur sagen: So funktioniert das nicht . Ihr Nullsummenspiel geht in diesem Bereich nach hinten los . ({1}) Wir reden hier über einen Etat, bei dem es heute eine große Einigkeit gab; dazu hat sich auch die Kanzlerin geäußert . Es geht darum, Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen, Ausbildung zu fördern und Perspektiven vor Ort zu schaffen . Das tun wir insbesondere mit Projekten, die wir mit Mitteln dieses Etats fördern . Insofern ist es ein schlichter Widerspruch, dass Sie hier nichts tun . Es ist aber noch schlimmer . Wir haben in der Bereinigungssitzung - am frühen Morgen - die Entscheidung getroffen, dass die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen, also nicht die Barmittel für den Haushalt 2016, sondern das, was in Zukunft in der Finanzplanperiode verausgabt werden darf - gerade der Haushalt des BMZ lebt quasi von den Verpflichtungsermächtigungen -, um 7 Prozent zu kürzen sind . Davon gibt es Ausnahmen; das BMZ gehört aber nicht dazu . Wir haben beim Finanzministerium um eine Auflistung angefragt: Nur bezogen auf das BMZ bedeutet das eine Mittelkürzung um 500 Millionen Euro in der Finanzplanperiode . - Herr Klein, es tut mir leid: Nach dieser Analyse können wir nicht zustimmen . Die Haushaltsberatungen haben den Etat des Entwicklungsministers deutlich geschwächt . ({2}) Wir benötigen eine Stärkung der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen, deren Handlungsfähigkeit und internationale Solidarität . Es ist der Öffentlichkeit doch wirklich nicht vermittelbar, dass der UNO-Flüchtlingskommissar Guterres erwähnen muss, dass die Flüchtlingskrise durch den Mangel an Geldern für humanitäre Aufgaben ausgelöst wurde, weil die Lebensmittelrationen in Flüchtlingslagern in den Anrainerstaaten Syriens halbiert wurden . Die Menschen dort haben nicht nur keine Perspektive, sondern auch Angst vor Hunger . Wir wissen, dass Deutschland seine Zusagen an dieser Stelle erhöht und auch - wir haben das abgefragt - gehalten hat . ({3}) Wenn wir aber wollen, dass sich Deutschland bei den anderen Geberländern durchsetzen und sie dafür gewinnen kann, dass sie ihre Zusagen endlich auch erfüllen, dann wäre es doch folgerichtig, dass wir selber die VN-Organisationen dauerhaft und solide finanzieren. Deswegen schlagen wir vor, unseren Zuschuss zum Welternährungsprogramm gleich auf 100 Millionen Euro zu erhöhen und nicht erst tätig zu werden, wenn wir den Mangel feststellen . Daneben können wir auch gleich die Gesamtfinanzierung der VN - ich spreche nicht nur vom Welternährungsprogramm - um 150 Millionen Euro steigern . Hier hätte ich mir Ihre Fokussierung und Ihre Anträge dazu gewünscht . Die Kanzlerin hat heute Morgen selber darauf verwiesen, dass sie nicht will, dass wir bezogen auf diese Töpfe der Vereinten Nationen in einem Jahr wieder da stehen, wo wir uns heute befinden. Hier besteht wirklich riesiger Handlungsbedarf . ({4}) Ich komme zum nächsten Punkt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Pfeiffer?

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Pfeiffer, bitte .

Sibylle Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003609, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hajduk, Sie wissen genau wie ich, dass die UN-Organisationen über das Auswärtige Amt finanziert werden, und Sie wissen auch, dass wir die UN-Organisationen trotzdem auch über den BMZ-Haushalt unterstützen . - Das wollte ich Ihnen nur noch einmal sagen .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist richtig, dass die Mittel über das Auswärtige Amt - ({0}) - Bleiben Sie bitte stehen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nein, Frau Pfeiffer kann sich hinsetzen . Sie steht aber in Gedanken weiter . - Bitte .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn die Präsidentin das sagt! Es gilt ja immer das Wort der Präsidentin . - Es ist richtig, dass die Mittel über das Auswärtige Amt zur Verfügung gestellt werden; aber es gibt auch über das BMZ - das liegt mir ja vor - Mittel, die wir dort einzahlen . Es gibt hier einen Grundbeitrag, und diesen können wir erhöhen . Daneben haben wir ein Winterprogramm, dessen Mittel wir gerade erhöht haben . Deswegen ist es ein Irrtum der Großen Koalition, die humanitäre Hilfe nur über den Auswärtigen Ausschuss zu erhöhen . Es wäre genauso notwendig, auch die Mittel des BMZ zu erhöhen . Wenn ich Ihre Frage so verstehen darf, dass Sie noch einmal darüber nachdenken wollen, ({0}) dann wäre einiges gewonnen . Wir könnten unserem Entwicklungsminister an dieser Stelle mehr Mittel zur Verfügung stellen, und das ist auch notwendig . ({1}) Ich komme zu einem weiteren Punkt, der mir wichtig ist . Wir stehen kurz vor dem Gipfel in Paris . Wir brauchen ein starkes Signal der Bundesregierung, dass wir die Klimaziele nicht nur in Deutschland einhalten wollen, sondern dass wir auch zu den Zusagen stehen, die wir in Kopenhagen gegeben haben . Ich bin tief davon überzeugt, es wäre ein ganz starker Appell, wenn Deutschland sagen könnte: Wir legen einen Plan vor - wir Grüne haben einen solchen Aufholplan entworfen -, auf dessen Grundlage wir sowohl das 0,7-Prozent-Ziel bis 2020 erreichen als auch die Zusage verwirklichen können, 8 bis 9 Milliarden Euro für den internationalen Klimaschutz bereitzustellen . Ein solcher Aufholplan in Höhe von 1,2 Milliarden Euro plus 500 Millionen Euro für den Klimaschutz mit jährlichem Aufwuchs wäre jetzt genau das Signal, das die Themen Fluchtursachen und globale Verantwortung im internationalen Kontext beschreiben und unsere Rolle, die wir wahrnehmen wollen, glaubwürdig unterstreichen würde . ({2}) Ich kann nicht verstehen, Herr Klein, dass Sie vor diesem Hintergrund erklären, weil wir zwischenzeitlich bezogen auf die ODA-Quote besser liegen werden - es kann sein, dass wir nächstes Jahr bei 0,55 Prozent liegen, aber auch nur zwischenzeitlich, nicht langfristig -, sei die Erreichung der ODA-Quote nicht mehr unser Ziel . Das können Sie in diesen Zeiten doch nicht nach außen vertreten . ({3}) - Gut, dann hat er das nicht gesagt . - Aber dann sagen Sie doch, dass wir dieses Ziel erreichen wollen . Nur dann sind wir glaubwürdig . Das wäre ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft . Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie sich unseren Aufholplan für das 0,7-Prozent-Ziel zu eigen! Machen Sie sich unseren Klimaplan für 2020 zu eigen! ({4}) Zeigen Sie mehr Herz und mehr Mut!

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Und zeigen Sie, dass die Redezeit zu Ende ist .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss . - Die Kanzlerin hat heute Morgen gesagt: Wir können, wenn jeder seinen Beitrag leistet, in Zusammenarbeit die Probleme bewältigen . Das waren die Worte der Kanzlerin . Wir schaffen das . Aber es wird vieler Anstrengungen bedürfen und auch eines hohen Maßes an neuem Denken . Machen Sie sich das zu eigen! Machen Sie sich auf den Weg! Schönen Dank . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Frau Kollegin Hajduk . - Nächste Rednerin: Dr. Bärbel Kofler für die SPD. ({0})

Dr. Bärbel Kofler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach den Beiträgen der beiden Vorredner habe ich gedacht: Entweder ist im Haushalt gar nichts passiert, oder es ist ein Wunder passiert . Meistens liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte . Ich bin sehr froh - da bin ich bei Ihnen, Herr Klein -, dass dieser Haushalt im Vergleich zum Haushalt 2015 um mehr als 800 Millionen Euro aufgestockt wird . Die entscheidende Frage ist ja immer: Was ist die Vergleichsbasis? Wo ich bei Ihnen bin, Frau Hajduk: Auch ich bin enttäuscht - ich glaube, mit mir auch viele andere Entwicklungspolitiker -, dass es uns nach Vorlage des Regierungsentwurfs nicht gelungen ist, für die Entwicklungsarbeit noch einen Aufwuchs zu erreichen . Das wäre dringend nötig gewesen . ({0}) Wir Fachpolitiker der Koalition haben das gemeinsam beantragt, gefordert und, wie ich glaube, auch gut begründet . Wir haben alle unsere Forderungen mit der Fragestellung untermauert: Was ist für die Bekämpfung der Fluchtursachen relevant, aber auch zur Verbesserung der humanitären Situation in den Flüchtlingslagern und in deren Umgebung? Damit verbunden - auch das möchte ich an dieser Stelle sagen - war die Frage der Mediation zwischen Geflüchteten und Flüchtenden und somit das Thema ziviler Friedensdienst . Wir hatten ein sehr gut ausgewogenes Tableau . Ich sage ganz offen: Ich hätte mir sehr gewünscht, dass an dieser Stelle unserem Wunsch und - ich sehe den Minister nicken - auch dem Wunsch des Ministers Folge geleistet worden wäre . ({1}) Was ich positiv finde - das habe ich gesagt -, ist der Aufwuchs im Vergleich zum Haushalt 2015 . Das ist richtig, und das ist wichtig . Es gibt in diesem Etat viele vernünftige Umschichtungen, gerade im Bereich der akuten Hilfe für Flüchtlinge in den Flüchtlingscamps . Das ist gut, und das ist richtig . Was mir in der Gesamtbetrachtung ein bisschen zu kurz kommt, ist die Frage: Wohin bewegen wir uns langfristig? Wir alle kennen die mittelfristige Finanzplanung, nach der für diesen Haushalt in den nächsten Jahren kein Aufwuchs vorgesehen ist, sondern die gleichen Zahlen veranschlagt werden . Wir wissen aber auch, und zwar nicht erst seit der Konferenz in Addis Abeba: Wenn wir bei der Finanzierung der Nachhaltigkeitsziele vorankommen wollen, dann müssen wir - ich zitiere die Weltbank - „from Billions to Trillions“, wie es im Englischen heißt, also von Milliarden zu Billionen kommen . Das steht schon ein bisschen im Gegensatz zu der Auffassung, die auch der geschätzte Kollege Klein vertreten hat, dass es hier nur um einen 0,7-Prozent-Fetischismus oder sonst was - geht . Vielmehr geht es um die Frage, wie wir nicht nur mit offiziellen bzw. staatlichen ODA-Mitteln, sondern auch mit Steuern und anderen Dingen weltweit die Mittel einwerben, um Institutionsaufbau und Bekämpfung des Staatenverfalls - dabei geht es um das Thema der Fragilität - angehen zu können . Dabei geht es um Gesundheitsinstitutionen, Steuerbehörden, aber auch um Institutionen auf den Gebieten Menschenrechte und Arbeitsrecht . Diese Mittel sind erforderlich, um Kapazitäten in den entsprechenden Ländern aufzubauen . Ich glaube, wir müssen darauf ein ganz anderes Augenmerk richten . Das bedarf, mit Verlaub, auch entsprechender Mittel . Das kann - ich hoffe, ich habe Sie falsch verstanden - nicht dadurch kompensiert werden, dass man hier im Inland Geld für Flüchtlinge ausgibt - diese Ausgaben erfolgen zu Recht - und dann über die Frage ihrer ODA-Anrechnungsfähigkeit diskutiert . Damit werden Fluchtursachen nicht bekämpft . ({2}) Ich glaube, wir müssen uns noch einmal gemeinsam hinsetzen und wirklich darüber nachdenken, wie wir diese langfristige Entwicklungszusammenarbeit finanzieren können . Da hilft auch keine Schuldzuweisung . Man kann, glaube ich, bei jeder Fraktion etwas finden, zu dem man sagen kann: Da hätten wir schon besser sein können . Daran müssen wir also, glaube ich, wirklich gemeinsam arbeiten . Ich möchte die Themen des Institutionenaufbaus und der Fragilität noch einmal ansprechen . Wir haben uns vor eineinhalb Jahren um das Thema Ebola bemüht und haben alle festgestellt, um was es geht: Es fehlen Gesundheitsinstitutionen, die Menschen in einer Epidemiesituation in ihrer Not auffangen und Dienstleistungen anbieten können . Ist jetzt wirklich beim Institutionenaufbau in diesem Bereich etwas passiert? Ich behaupte einmal, dass viel zu wenig geschehen ist . Dabei handelt es sich um eine mittel- und langfristige Aufgabe auch der Entwicklungszusammenarbeit . Dafür brauchen wir mittelund langfristig auch zusätzliche Gelder . ({3}) Ähnlich ist es - ich möchte fast sagen, dass das ein Lieblingsthema von mir ist - mit dem Thema der Steuerpolitik. Ich finde es auch richtig, dass man mit der Addis Tax Initiative - davon bin ich eine große Anhängerin Mittel aufwendet, um Kapazitäten in Entwicklungsländern aufzubauen und um in den entsprechenden Ländern selbst Steuern generieren zu können . Dazu aber bedarf es einer ganzen Menge . Eine Verdoppelung der Mittel ist ein erster Schritt, den wir in dem Bereich machen . Wir gehen aber bisher von einer sehr geringen - wie heißt es bei den Steuerbehörden so schön? - Bemessungsgrundlage aus, also von einem sehr geringen Beitrag für diesen Bereich . Das heißt, wir müssen hier zu ganz anderen Summen kommen, um Menschen auszubilden, um Kapazitäten aufzubauen und um das Thema Steuergesetzgebung in diesen Ländern begleiten zu können . Ich habe gerade gestern mit dem Menschen gesprochen, der für die GIZ in Ghana das Thema Steuergesetzgebung begleitet . Das ist ein hochkomplexer Prozess, der über Jahre hinweg gehen wird . Wenn wir wirklich einen Beitrag dazu leisten wollen, dass diese Länder aus ihrem Rohstoffreichtum auch einen Reichtum der Staatskassen - und damit Mittel zur Armutsbekämpfung - generieren können, müssen wir hier wesentlich mehr als bisher tun . ({4}) Ich komme an dieser Stelle zu einigen Aspekten, die von Vorrednern bereits angesprochen worden sind . Es geht natürlich nicht nur um die Frage der Gelder, sondern auch um die Rahmenbedingungen . Ich denke schon, dass wir uns in diesem Zusammenhang auch um die Themen Steuerverschiebung, Steuervermeidung und illegale Steuerflüsse bemühen müssen. Daneben müssen wir uns auch um unsere Handels- und Wirtschaftsverträge kümmern, dabei geht es auch um das Thema der internationalen Steuervermeidung . Bei der Konferenz zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit in Addis Abeba war die Behandlung der sogenannten Illicit Flows, also der illegitim verschobenen Gelder, ein ganz spannendes Thema . Das ist nicht nur ein Thema für die Industrieländer, sondern das belastet auch die Haushalte der Entwicklungsländer enorm . Deshalb müssen wir da herangehen . Der Mbeki-Report der UN-Kommission für Wirtschaft in Afrika befasst sich mit der Steuervermeidung und illegalen Steuerverschiebung . Der Bericht geht davon aus, dass die Steuerausfälle in Afrika pro Jahr 50 bis 150 Milliarden Euro - es ist ja immer schwierig, Ausfälle zu beziffern - betragen . Dabei geht es nur darum, was durch transnationale Konzerne an Verlusten entsteht . Wenn wir an das Thema herangehen, hat das etwas mit guter Regierungsführung zu tun . Es hat aber auch durchaus etwas mit Justiz bzw . der Durchführung von Gesetzen, mit der Einnahmesituation der entsprechenden Länder, der Rahmensetzung für Zukunftsentwicklung und der langfristigen Bekämpfung von Armut zu tun . Das müssen wir angehen . Das ist ein Beispiel für die Rahmenbedingungen, bei denen wir ansetzen müssen . Ein weiteres Beispiel dafür - das möchte ich abschließend ansprechen - sind die Arbeitsplätze . Wir müssen nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern wir müssen gute Arbeitsplätze schaffen . In den Ländern muss Wertschöpfung möglich sein . Das hat viel mit Handelsverträgen zu tun . Die Arbeit, die auf diese Weise entsteht, muss die Menschen dazu befähigen, von ihrer Arbeit auch leben zu können . ({5}) Wenn die Zahlen der ILO aus diesem Frühjahr stimmen - und daran habe ich überhaupt keinen Zweifel -, die von weltweit knapp 900 Millionen Menschen ausgehen, die Vollzeit arbeiten und dabei weniger als 2 US-Dollar am Tag verdienen, dann haben wir auch Handlungsbedarf, was unser handelsvertragliches Agieren anbelangt . Das ist nicht nur eine Aufgabe der Entwicklungspolitik, sondern der Politik insgesamt in Deutschland, in der EU und allen voran in den OECD-Ländern . Herzlichen Dank . ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön, Frau Kollegin Kofler. - Jetzt kommt der Minister . Nächster Redner: Dr . Gerd Müller . ({0})

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen ein hohes Maß an neuem Denken: So formulierte es heute früh die Bundeskanzlerin in ihrer Haushaltsrede, und sie hat recht . Entwicklungszusammenarbeit in der heutigen Zeit stellt sich angesichts der Herausforderungen völlig neu dar: Sie ist Sicherheitspolitik . Sie ist Friedenspolitik, wie Frau Kofler eben dargestellt hat. Sie ist Wirtschaftspolitik . Sie schafft Arbeitsplätze . Sie sichert das Überleben und die Zukunft der Menschen in unseren Partnerländern . Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich bei den Haushältern, beim Finanzminister und bei Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen, für die Unterstützung meiner Politik bedanken . Auch wenn man darüber streiten kann: Ein Plus von 863 Millionen Euro ist ein ganz erheblicher Aufwuchs, wie wir ihn in den letzten 30 Jahren nicht hatten . Herzlichen Dank dafür! ({0}) Ich lasse mich auch nicht auf eine Diskussion ein . Das Auswärtige Amt hat für humanitäre Hilfe einen Zuschlag von 440 Millionen Euro bekommen . Rechnen wir zusammen - wir arbeiten auch prima zusammen -: Ein Plus von 1,3 Milliarden Euro kann sich sehen lassen, und zusammen mit Außenminister Steinmeier, mit dem ich glänzend zusammenarbeite, setzen wir das effektiv ein . ({1}) Alle in der deutschen Politik müssen verstehen: Wir müssen in den Krisenländern der Welt mehr tun . Wir können dort vieles effektiv tun, um zu vermeiden, dass die Menschen aufbrechen müssen, um zu uns zu kommen . Wir können und müssen unsere Maßnahmen gezielt weiter ausbauen . Wir tun das als BMZ ganz konsequent, und zwar nicht erst seit sechs Monaten, seit zwei Jahren oder seit ich im Amt bin, und nicht nur - das haben vielleicht auch bei den Haushaltsberatungen viele übersehen - durch die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen“, sondern als Querschnittsaufgabe im gesamten Haushalt . Im weiteren Sinne sind 50 Prozent des BMZ-Haushaltes Investitionen in Krisenländern und damit auch in die Menschen, in die Zukunft und in die Bekämpfung der Fluchtursachen . Im engeren Sinne haben wir in den letzten 18 Monaten - ich möchte an dieser Stelle meinem Haus, der GIZ und der KfW und Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zivilgesellschaft, die vor Ort mit uns arbeiten, herzlich danken - 180 Maßnahmen in vielen Ländern weltweit, insbesondere in den Spannungsgebieten, und zwar nicht nur in und um Syrien, in Jordanien, Libanon und der Türkei, sondern auch im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik und nicht zu vergessen in Kolumbien bzw . in Südamerika, Lateinamerika und auch in Asien auf den Weg gebracht . Entwicklungspolitik ist nicht nur kurzfristige Krisenpolitik . Auch das möchte ich heute klar sagen . Wir können auch in Zukunft nicht sozusagen der Haushalt sein, der für kurzfristige Krisen herangezogen und umgeschichtet wird . Wir müssen mittel- und langfristig unsere Strategien in der ganzen Welt mit unseren Partnerländern umsetzen . ({2}) Wir müssen Zukunfts- und Bleibeperspektiven für die Menschen schaffen . Diese schaffen wir durch Schulen für Kinder, Ausbildung für Jugendliche und Arbeit für Erwachsene . Das machen wir im Nordirak ganz konsequent genauso wie im Libanon, in Jordanien, in Afghanistan und in vielen anderen Ländern . Ich sage überall, wo ich gefragt werde: Mit mehr könnten wir viel mehr Bleibeperspektiven für die Menschen dort schaffen . Viele Hunderttausende brechen nun auf in Richtung Europa . Sie kommen nicht aus dem Granathagel Syriens, sondern aus Fluchtstrukturen, nicht unbedingt aus den Flüchtlingscamps, sondern aus Ziegenställen und anderen notdürftigen Unterkünften . Nach drei oder vier Jahren, wenn die Hilfe ausgeht und die Perspektive fehlt, sagen diese Menschen: Ihr helft uns nicht bei uns zu Hause . Also müssen wir zu euch kommen . - Das kostet uns ein Vielfaches von dem, was uns eine Verstärkung der Hilfe vor Ort kosten würde . ({3}) Ich denke dabei insbesondere an die vielen Kinder . UNICEF hat gestern einen Hilferuf veröffentlicht . 8,2 Millionen Kinder in und um Syrien brauchen Hilfe . Wir erhöhen die Mittel für die Zusammenarbeit mit UNICEF um 50 Prozent auf 250 Millionen Euro . Es ist aber wahr: Die Weltgemeinschaft tut entschieden zu wenig, um den Ursachen von Flucht und Vertreibung zu begegnen . ({4}) Frau Kofler, Sie haben zu Recht gesagt: Deutschland leistet seinen Beitrag . - Aber insgesamt sind die Zahlen beschämend . So weist das World Food Programme eine Finanzierungslücke von 4,4 Milliarden Euro auf . Von 8,6 Milliarden Euro, die zugesagt wurden, sind nur 4,2 Milliarden Euro finanziert. Das ist beschämend. ({5}) Wenn Sie vor Ort sind und mit Familien und Kindern sprechen - manche von uns haben diese Camps besucht -, dann sagen sie: Wenn ihr uns verhungern und erfrieren lasst, dann haben wir keine andere Chance, als zu euch zu flüchten. - Deshalb sage ich: Wir brauchen einen UN-Flüchtlingsfonds - das ist eine globale Aufgabe mit einem globalen Schlüssel, mit einer Art Königsteiner Schlüssel global für alle, für Amerikaner und Australier, die Arabische Liga und die Golfstaaten . Alle müssen sich gemäß Größe, wirtschaftlicher Stärke und Aufnahmebereitschaft beteiligen . ({6}) Die Europäische Union muss handlungsfähig werden . Dazu habe ich viele Vorschläge gemacht, die unter anderem einen europäischen Flüchtlingskommissar, ein europäisches Hilfswerk und ein 10-Milliarden-Euro-Sofortprogramm zur Stabilisierung der Krisenregionen vorsehen . Der europäische Haushalt wurde in diesen Tagen ebenfalls verabschiedet . 4 Milliarden Euro sind für diese historische Herausforderung eindeutig zu wenig . ({7}) Aber auch Deutschland kann und muss noch wesentlich mehr vor Ort leisten. Deshalb, verehrte Frau Kofler, begrüße ich außerordentlich den gestern unterbreiteten Vorschlag des deutschen Wirtschaftsministers und Vizekanzlers Sigmar Gabriel und seines französischen Kollegen, einen 10-Milliarden-Euro-Fonds für die Krisenregionen aufzulegen . Das wäre der Weg, die Infrastrukturen zu verbessern, Arbeitsplätze zu schaffen und Zukunftsperspektiven zu eröffnen . Ich möchte noch ein paar Sätze zum Klimagipfel sagen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau Hajduk?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Gerne .

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte nur etwas fragen . Sie haben gerade auf den Vorschlag von Herrn Gabriel und seinem französischen Kollegen hingewiesen . Bedeutet das, dass unser Haushalt noch einmal verändert werden soll, um sich an diesem 10-Milliarden-Euro-Programm zu beteiligen?

Dr. Gerd Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11002742

Der Bundeswirtschaftsminister hat den Vorschlag gemacht, einen 10-Milliarden-Euro-Fonds zusammen mit Frankreich aufzulegen, um in und um Syrien zu investieren, um Infrastruktur und Stabilität, Zukunft und Arbeitsplätze zu schaffen . Ich gehe davon aus, dass dies ein neuer qualitativer Vorschlag ist . Wir müssen auch einmal zwei, drei Jahre voraus denken . Wir hoffen und gehen davon aus, dass die Wiener Verhandlungen dazu führen, dass dieser Krieg ein Ende hat . Dann müssen wir in die Infrastruktur in dieser Region investieren . Deshalb liegt der Wirtschaftsminister richtig . Denn nur dann können die Menschen wieder zurück in ihre Heimat . Ich glaube, das ist der richtige Weg . Den Gedanken sollten wir aufgreifen . ({0}) Es gäbe noch viel zu sagen, aber ich möchte zum Schluss kommen . Wir blicken nach Paris . Vielen ist nicht klar, dass das BMZ auch das Klimaschutzfinanzierungsministerium ist . Wir haben die Mittel für den Klimaschutz verdoppelt, wir bringen ein großes Angebot mit nach Paris. Wir finanzieren auch den Kampf gegen Ebola und die Folgen dieser Krankheit sowie den Aufbau von Gesundheitsstrukturen . Wir schaffen eine Welt ohne Hunger und tätigen Investitionen in Ausbildung . Ich glaube, das ist wichtig . Wir sind ein Zukunftsministerium . Ich bedanke mich für die großartige Unterstützung, auch für das menschliche Miteinander aller Kolleginnen und Kollegen . Lassen Sie uns weiter vorangehen . An die Arbeit! Danke schön . ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, lieber Gerd Müller . - Der nächste Redner in der Debatte: Niema Movassat von den Linken . ({0})

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Tage sagen alle, auch die Bundeskanzlerin: Wir müssen Fluchtursachen bekämpfen . - Der Finger zeigt dabei oft auf die Entwicklungspolitik . Die Rechnung: mehr Entwicklungsgelder gleich weniger Flüchtlinge . Aber ist die Rechnung wirklich so einfach? Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie noch nie in der Geschichte der Menschheit - und das trotz jahrzehntelanger Entwicklungszusammenarbeit, trotz der Tatsache, dass weltweit 132 Milliarden US-Dollar für Entwicklungsprojekte ausgegeben werden . Die Entwicklungszusammenarbeit, wie sie heute gemacht und verstanden wird, wird die Hauptgründe von Flucht, nämlich Krieg und Armut, nicht beenden können . Entwicklungspolitik muss als Gesamtkonzept verstanden werden, als Ziel, menschliche Entwicklung massiv zu fördern und alles zu unterlassen, was ihr schadet . ({0}) Ein Beispiel: Es bringt nichts, Entwicklungsgelder für die Kleinbauernförderung in Ghana auszugeben, wenn die dortigen Märkte gleichzeitig mit billigem Milchpulver aus Europa überschwemmt werden; denn dies zerstört die Existenz der Bauern vor Ort, treibt sie in Armut und schafft einen Fluchtgrund . Das Beispiel zeigt, wie die eine Hand, die Entwicklungspolitik, versucht, etwas aufzubauen, was die andere Hand, die Wirtschaftspolitik, zerstört . Damit muss Schluss sein . ({1}) Immer mehr Krisen und Kriege, immer mehr Hungersnöte, immer mehr Opfer des Klimawandels - lange haben wir in Deutschland verdrängt, welche Tragödien sich vor unserer Haustür abspielen . So musste das Welternährungsprogramm seine Rationen für Flüchtende aus Syrien in den Flüchtlingslagern, in denen ohnehin schon Perspektivlosigkeit herrscht, auf 50 Cent pro Tag und Person kürzen . 50 Cent pro Tag zum Essen! Warum? Weil die Weltgemeinschaft und damit auch Deutschland nicht genug Mittel bereitstellt . Auch deshalb machen sich Menschen auf den Weg zu uns, weil sie in den Lagern schlichtweg verhungern . Die Anschläge von Paris zeigen auch dem Letzten, vor welchem Terror viele Flüchtlinge zu uns fliehen. Stellen Sie sich vor: jeden Tag Paris, jeden Tag Anschläge, Terror, Tod. Jeder, auch jeder von uns, würde davor fliehen. ({2}) Statt Symptome zu behandeln, müssen wir endlich grundsätzliche Fragen stellen . Ist es gerecht, dass 1 Prozent der Menschheit so viel besitzt wie die restlichen 99 Prozent zusammen? Wieso sind wir der viertgrößte Waffenexporteur, wenn wir wissen, dass diese Waffen riesiges Leid anrichten und Menschen zur Flucht zwingen? Wieso arbeiten wir mit Saudi-Arabien zusammen, das weltweit eine rückständige Auslegung des Islam mit Milliardengeldern fördert und Menschen öffentlich mit dem Krummsäbel hinrichtet? Halten Sie es für richtig, weiter auf den Krieg gegen den Terror zu setzen? Seit seinem Beginn vor 15 Jahren hat sich die Anzahl der Terroranschläge versechsfacht . Der Terror hat mehrere Staaten destabilisiert, er hat Hunderttausende von Unschuldigen in Afghanistan, dem Irak und anderen Staaten das Leben gekostet, und er hat Hunderttausende zur Flucht gezwungen . Wenn wir nicht endlich Frieden und globale Gerechtigkeit durchsetzen, dann werden diese Probleme noch drastischer werden . Deshalb brauchen wir dringend eine politische 180-Grad-Wende . ({3}) Die UN haben letzte Woche gewarnt: Bis Ende dieses Jahres werden 700 000 Kinder in der Sahelzone verhungert sein . Gleichzeitig wird bei uns über Obergrenzen für Flüchtlinge diskutiert . Aber wollen wir der Mutter, die flieht, um ihr Kind vor dem Verhungern zu retten, wirklich sagen: Sorry, wir haben keinen Platz . Bleib draußen und verhungere . - Diese Antwort ist zynisch . ({4}) Zynisch war auch der Gipfel in Valletta . Die Kernaussage der EU dort an die Länder Afrikas war: Haltet uns die Flüchtlinge vom Hals . Nehmt sie zurück . Dann bekommt ihr mehr Entwicklungsgelder . - Im Umkehrschluss läuft das darauf hinaus, dass, wer keine Flüchtlinge zurücknimmt, weniger Geld bekommt . Das widerspricht allen Ideen der Entwicklungspolitik, und es ist auch eine besonders widerliche Form der Erpressung . ({5}) Aber es wird noch schlimmer: Die EU und auch die Bundesregierung wollen bei der Flüchtlingsabwehr mit autoritären Regimen wie dem äthiopischen zusammenarbeiten, also mit Ländern, die Menschenrechte mit Füßen treten . Indem sie autoritäre Regime mit Geld zuschütten, ermöglichen sie diesen, mehr Sicherheitskräfte zu haben, die die Bevölkerung noch stärker unterdrücken . Den Menschen geht es dann noch schlechter . Es entstehen noch mehr Fluchtgründe . Der Beschluss von Valletta läuft darauf hinaus, Entwicklungsgelder auch an Diktaturen zu geben, wenn diese Flüchtlinge aufhalten . Sie bekämpfen so die Flüchtlinge und nicht die Fluchtursachen, und das ist einfach nur pervers . ({6}) Wenn Sie Fluchtgründe wirklich bekämpfen wollen, mache ich Ihnen vier Vorschläge, dies zu tun: Erstens: sofortiger Stopp von Waffenexporten, insbesondere in Krisenregionen . Denn wer Waffen sät, erntet Flüchtlinge . ({7}) Zweitens . Die Bundesregierung muss aufhören, das Wohl der deutschen Wirtschaft über das ärmerer Länder zu stellen, damit diese endlich eine Chance haben, sich zu entwickeln . Deshalb müssen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die EPAs, mit Afrika ausgesetzt werden . Diese zwingen Afrikas Länder zu massiven Marktöffnungen und werden die Wirtschaft dort ruinieren . ({8}) Drittens . Beenden Sie die außenpolitische Hörigkeit gegenüber den USA . Die USA sind verantwortlich für das Auseinanderbrechen des irakischen Staates, was ja den „Islamischen Staat“ erst ermöglicht hat . Zudem führen die USA ihre illegalen Drohnenkriege auch von deutschem Boden aus . Deutschland muss endlich aufhören, hier Beihilfe zu leisten, und aufhören, sich weltweit an Kriegen zu beteiligen . ({9}) Viertens . Orientieren Sie die Entwicklungszusammenarbeit an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort . Führen Sie Maßnahmen durch, die Kleinbauern statt Agrokonzerne unterstützen, die soziale Sicherungssysteme und Gesundheitssysteme aufbauen und die Bildung für alle Menschen ermöglichen . Über allen Maßnahmen muss ein Grundsatz stehen . Ich zitiere den ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Jean Ziegler . Er sagte: Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern, ihnen weniger zu stehlen . Danke für die Aufmerksamkeit . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Movassat . - Nächster Redner in der Debatte ist Axel Schäfer für die SPD . ({0})

Axel Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003624, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten war eine entwicklungspolitische Debatte um Haushaltsfragen so sehr von den drängenden Problemen bestimmt, die nicht mehr nur in irgendwelchen Ländern vorhanden sind, sondern auch zu hiesigen Problemen geworden sind . Diese Debatte ist zugleich Ausdruck der Ambivalenz, in der wir uns befinden. Ich glaube, wir können hier nur ehrlich und aufrichtig diskutieren, indem wir das mit einem Sowohl-als-auch unterlegen . Das Sowohl heißt - das muss auch von den lieben Kolleginnen und Kollegen der Opposition anerkannt werden -, dass die Etatmittel in diesem Bereich den größten Zuwachs seit Bestehen dieses Ministeriums erfahren . Das ist nicht irgendetwas . ({0}) Selbstverständlich ist das eine wichtige Leistung, die für etwas steht, was erarbeitet und durchgesetzt worden ist, und das ist auch gut so . Mein Dank geht natürlich auch an den Minister . Es ist gut, dass der 11 . Europäische Entwicklungsfonds, der bis 2020 läuft, über mehr als 30 Milliarden Euro verfügt . Dazu muss man nicht nur hier, sondern auch nach außen hin sagen: Ja, das ist ein wichtiger Fortschritt, für den wir gekämpft haben und der nicht von allein gekommen ist . Er ist neuen Erkenntnissen aus schlechten Erfahrungen geschuldet, die wir gemacht haben, aus denen wir aber gemeinsam die richtigen Schlüsse ziehen . Das ist die eine Seite, und die sollten wir hier in diesem Haus wirklich einmal als gemeinsamen Erfolg betonen . ({1}) Jetzt reden wir über das Als-auch, über die Schwierigkeiten . Der Herr Minister hat vieles gesagt; das alles kann ich unterstützen . Ich will es nur an einer Zahl noch einmal deutlich machen . Wenn dem UNHCR für dieses Jahr über 4,2 Milliarden Dollar zugesagt werden und wir, Stand Ende Oktober, erst 2 Milliarden Dollar haben fließen lassen, so heißt das ganz simpel zweierlei: Erstens . Viele Länder halten sich nicht an ihre Zusagen . Das ist unmoralisch und in Demokratien, wo immer sie sind, unakzeptabel . Zweitens . Die Konsequenz ist ganz klar: Wir schaffen uns bestimmte Probleme selbst, die wir vermeiden könnten . Viele Länder vermeiden sie nicht, bis sie schließlich bei uns anlanden . Das ist die Konsequenz, die man offen und vor allen Dingen auch öffentlich aussprechen muss . ({2}) Auch eine andere Konsequenz muss klar sein, wenn wir über den Zusammenhang von Problemen diskutieren, gerade wenn wir in Richtung „Klimagipfel in Paris“ blicken . Der Anstieg der Erderwärmung um 1 Grad mehr oder weniger, das ist für viele Menschen nur eine Zahl . Eine Zahl ist nicht so dramatisch . Die dramatische Zahl, die dahintersteht, lautet, dass zum Beispiel aus Bangladesch ganz konkret 15 Millionen mehr Menschen fliehen müssten, weil ihnen sozusagen die Lebensgrundlage unter den Füßen weggeschwemmt würde . Das Land wäre nicht mehr zu bewirtschaften . Da könnte man nicht mehr leben . Aber wir haben die Chance, dies mit einer Klimapolitik, gemeinsam in Europa, von Deutschland stark getragen, zu verändern . Wir haben die Chance, und die sollten wir in Paris auch nutzen . ({3}) Wenn es auch wichtige Übereinstimmungen in der Koalition gibt, so muss man doch auf ein paar Unterschiede hinweisen . Heute Morgen hat der Kollege Kauder gesagt: Die rot-grün regierten Länder haben das und das nicht gemacht . - Natürlich muss man über sein eigenes Land auch mal gut reden . Also: Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, lange rot-grün regiert, hat es seit 1985 da regierte die SPD allerdings noch allein - im Rahmen seines Programms „Eine-Welt-Initiative“ geschafft, dass bis heute 7 500 junge Menschen in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit für Frieden und vieles andere Gute mehr in über 50 Staaten gearbeitet haben . Auch das ist ein wichtiger Punkt, den wir gerade bei einer Bundestagsdebatte nennen sollten, nicht nur deshalb, weil es Nordrhein-Westfalen ist - das ist sowieso gut -, ({4}) sondern auch deshalb, weil es in fast allen Bundesländern, zumindest soweit ich weiß, diese Form der Zusammenarbeit im Rahmen eines solchen Projekts gibt; beNiema Movassat sonders berührend: Rheinland-Pfalz/Ruanda . Auch das gehört in den Bundestag . Wir sind ein Bundesstaat . Wir haben den Bund und die Länder . Die Länder machen da eine ganze Menge, und das ist gut so . Das sollten wir in diesem Hause auch einmal ausdrücklich würdigen . ({5}) Wir wollen nicht mit Goethe sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ . - Wir müssen dabei schon auch ein bisschen an die zukünftige Entwicklung denken, gerade was die Länder anbelangt . Wir wollen viel zur selben Zeit . Die Länder haben - wir haben das gemeinsam in entsprechenden Gesetzesänderungen beschlossen - eine Schuldenbremse ab 2019 . Seit der Finanzminister, der bekanntlich kein Sozialdemokrat ist, gesagt hat, die oberste Priorität sei - Klammer auf: nicht mehr die schwarze Null; Klammer zu -, die Probleme zu bekämpfen, die mit einer großen Zahl von Flüchtlingen, mit Wanderungsbewegungen zu tun haben, müssen wir über ganz bestimmte Fragen hier auch ein Stück weit anders diskutieren . Da ist natürlich immer das taktische Problem: Wer sagt was und wie? Ich habe mir gedacht, ich löse das heute einmal ganz elegant und nehme etwas Unverdächtiges: den Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung und Frau Höll; beide gehören sicherlich nicht zu den Linken in der SPD . Es geht um das Thema Flüchtlinge . Ich zitiere einige gute Anregungen: Es stimmt, die zusätzlichen Milliarden sind Kosten für uns alle . Für Schreckensszenarien aber besteht keinerlei Anlass . Im Gegenteil . Dieses Geld ist nicht nur eine notwendige, sondern auch eine gute Investition, die unsere Gesellschaft stärkt und damit die Stabilität unseres Landes . Was nützen uns Schuldenbremsen und schwarze Nullen, wenn der soziale Frieden auf die Probe gestellt wird? Weiter schreibt der Hauptkommentar in der Süddeutschen: Bleibt die Frage, wer das bezahlen soll? Die Kommunen, die sich in den letzten Jahren bemüht haben, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen, werden es nicht leisten können, jedenfalls dann nicht, wenn sie den Frieden vor Ort wahren wollen . Die Länder wären - übrigens auch ohne Wahrung der Schuldenbremse - überfordert . Bleibt also der Bund . Der hat noch ein paar Reserven, darf auch nur in begrenztem Maß neue Schulden aufnehmen . Da sind wir uns einig . Aber wenn die Merkels und Schäubles die strenge Etatdisziplin nicht aufgeben wollen, können sie auch die Steuern erhöhen . Die für Spitzenverdiener, wohlgemerkt . Zu der Kategorie gehören wahrscheinlich auch Bundestagsabgeordnete . - Das ist eine völlig richtige Aussage von der Süddeutschen Zeitung . ({6}) Ich glaube - das wird wichtig sein -, gerade wenn wir über Werte im Jahre 2015 diskutieren - dass Europa eine Wertegemeinschaft ist, ist heute zu Recht auch von meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Union immer wieder unterstrichen worden -, dann werden wir auch perspektivisch über die Preise reden . Ich sage ganz offen und ganz entspannt: Ich habe als Fraktionsvize, als Erster in bestimmter Verantwortung im September gesagt: Wir müssen die europäischen Außengrenzen so dicht wie möglich machen, das heißt, kontrollieren und sichern . - Sie können mir glauben, das hat nicht überall in der SPD nur Beifall gefunden . Ich halte das jedoch weiterhin für richtig . Heute, nach acht Wochen, sagen alle, dass das der richtige Weg ist . Ich bin mir deshalb auch sicher, dass wir über die Frage von Gerechtigkeit und Finanzen auch noch ein Stück anders diskutieren werden, und zwar ohne eine bestimmte Ideologie, ohne Dogmen, weil uns einfach die Probleme vor neue Herausforderungen stellen, die wir vor einem Jahr oder auch vor einem halben Jahr und auch bei Abschluss des Koalitionsvertrages noch nicht so gesehen haben . Das ist meine persönliche Meinung . Dazu gibt es keinen Fraktionsbeschluss . Ich glaube aber, das trifft relativ gut die Stimmung der Mitglieder meiner Partei . Vielen Dank . ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Axel Schäfer . - Nächster Redner: Peter Meiwald für Bündnis 90/Die Grünen .

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Minister Müller! Ja, Kollege Schäfer, der BMZ-Etat wurde deutlich aufgestockt . Doch machen wir uns nichts vor: Das ist am Ende doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein . Das wurde verschiedentlich auch schon gesagt . Der Aufwuchs reicht gerade einmal, um die ODA-Quote auf dem trostlosen Niveau von ungefähr 0,4 Prozent zu halten . Vergleichen Sie doch den Gesamtetat für das BMZ mit dem Wert der Rüstungsexporte aus Deutschland in Drittländer oder gar mit dem Verteidigungshaushalt . Ich glaube, dann wird deutlich, wo wir hier eigentlich stehen, und das angesichts der Herausforderungen . ({0}) Das ist doch ein Armutszeugnis angesichts der vielen öffentlichen Deklamationen zur Bedeutung von internationalem Klimaschutz, Fluchtursachenbekämpfung und dringend überfälliger Internationalisierung der Arbeit Axel Schäfer ({1}) an den Sustainable Development Goals . Der Gipfel in New York ist noch nicht lange her . Heute taucht das Wort überhaupt nicht mehr auf . Ist schon vergessen, was wir uns da eigentlich in der Welt vorgenommen haben? Es ist ein Armutszeugnis; das muss man einfach so festhalten . Auf den Gipfeln lächeln, beim Haushalt schwächeln - ist das die Devise, die am Ende des Tages dann doch von dieser Regierung ausgeht? Wo ist das weite Herz, mit dem der Minister und auch die Kanzlerin international so gern auftreten? Und, liebe Haushälterinnen und Haushälter der Koalition, genau das haben Sie ja im zuständigen Fachausschuss selber erkannt . Mit viel Tamtam wurden uns dort die Änderungsanträge mit einem Volumen in Höhe von 500 Millionen Euro vorgelegt . Doch außer Spesen nichts gewesen! Kommen wir nun zum Lieblingsschlagwort all derer, die glauben, man könne sich damit im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage freikaufen: Fluchtursachenbekämpfung . Das haben wir heute schon an verschiedener Stelle gehört . Es ist ein wichtiges Thema, und das nicht erst, seit 1 Million der weltweit etwa 60 Millionen Geflüchteten an unsere Tür klopfen. Erst jetzt kommt auch diese Bundesregierung darauf, dass Entwicklungspolitik hier eine Rolle spielt . Doch wie wird das jetzt diskutiert? Entwicklungshilfe als Belohnung für Länder, die Flüchtlinge - zum Teil mit Repression - zurückhalten oder zurücknehmen? Ausgerechnet mit autoritären Regimen, wie zum Beispiel Eritrea, über die Rücknahme von Flüchtlingen zu verhandeln, im Gegenzug dann zusätzliche Entwicklungsgelder anzubieten - da werden doch nicht Fluchtursachen bekämpft, sondern Flüchtlinge . ({2}) Oder: Entwicklungshilfe als kurzfristiges Stopfen von Löchern, damit Hungernde in Flüchtlingslagern weitab von Europa bleiben? Natürlich ist es richtig, das Welternährungsprogramm international endlich ausreichend auszustatten; das ist doch vollkommen klar . Aber das ist keine Fluchtursachenbekämpfung . Darüber müssen wir uns auch im Klaren sein . ({3}) Medienwirksam werden jetzt noch ad hoc Gelder zugesagt . Doch diese Zusagen bedeuten nur kostspieligere Hilfen, als wenn man diese Dinge langfristig angeht . Und, Kollege Klein, fokussieren auf die Lager reicht nicht, wenn wir wirklich an die Wurzeln herangehen wollen . Dagegen - die Kollegin Hajduk hat es gerade schon angesprochen -: Wo ist das Engagement für die längst überfällige Stärkung der VN-Strukturen, für eine vernünftige Ausstattung des World Food Programme, von UNDP, UNEP oder auch für eine Stärkung des Weltsicherheitsrates? Da ist Deutschland in der öffentlichen Debatte kaum wahrnehmbar . Sieht so die Übernahme internationaler Verantwortung aus, wenn nicht einmal innerhalb der Bundesregierung eine Person für die Angelegenheiten der Vereinten Nationen zuständig ist? Das ist weder nachhaltige noch verantwortungsvolle Politik . ({4}) Und was ist eigentlich die dahinterstehende Strategie der Fluchtursachenbekämpfung? Thomas de Maizière hat es doch auf den Punkt gebracht: Man könne doch bitte erwarten, dass die Afghanen im Land bleiben, weil schließlich so viele Entwicklungsgelder geflossen seien . - So viel Zynismus ist doch kaum zu überbieten und macht deutlich, dass diese Bundesregierung an diesem Punkt auf allen Ebenen versagt . Hören Sie endlich auf, mit immer neuen Asylrechtsverschärfungspaketen Flüchtlinge statt Fluchtursachen zu bekämpfen . Das kann nicht der Weg sein . ({5}) Eines hat diese Koalition ganz offenbar noch nicht verstanden: Entwicklungspolitik ist eben kein isoliertes Politikfeld, was man mal diesem oder jenem Zweck unterordnen kann, sondern Entwicklungspolitik muss internationale Strukturpolitik sein . Und dafür braucht es Kohärenz statt Konkurrenz zwischen den einzelnen Ministerien . ({6}) Erst wenn wir die Kohärenzfrage ehrlich angehen und unsere Rüstungs-, Handels-, Finanz-, Agrar- oder auch Rohstoffpolitik an menschenrechtlichen und sozialökologischen Kriterien ausrichten, ist nachhaltige Entwicklung weltweit möglich . Und dann kann man auch Fluchtursachen bekämpfen . Erst wenn wir keine Panzer mehr nach Saudi-Arabien und Katar schicken und wenn wir aufhören, mit subventionierten Agrarprodukten afrikanische Märkte zu zerstören oder mit europäischen Fischtrawlern afrikanische Küsten leerzufischen, ist friedvolle nachhaltige Entwicklung möglich . ({7}) Erst wenn diese Regierung in den Regierungsverhandlungen den Umstieg auf erneuerbare Energien und Effizienztechnologien vor die Exportinteressen deutscher Großkraftwerksbauer stellt, bekommen Klimaschutz und der Aufbau wirtschaftlicher Überlebensperspektiven in den Ländern des globalen Südens eine Chance . ({8}) Erst wenn die Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ nicht mehr davon geprägt ist, möglichst große Summen über möglichst wenige große Player umzusetzen, sondern die Menschen in den bäuerlichen und genossenschaftlichen Strukturen Afrikas und Asiens zum Subjekt ihrer Projekte macht, besteht die Chance, Hunger als Fluchtursache wirksam und ernsthaft zu bekämpfen . ({9}) Ein Letztes noch zum Thema Kohärenz: Erst wenn „Fairhandel statt Freihandel“ zur Maxime der Politik der ganzen Bundesregierung wird - und nicht nur zu der eines einzelnen Ministers, dessen Engagement wir ja zu schätzen wissen - und wenn wir uns von den unsinnigen und schädlichen Vertragsverhandlungen zu CETA, TTIP und anderen verabschieden, werden Fluchtursachen, die durch unfaire Handelsbeziehungen entstehen, ehrlich bekämpft . Für diese Bundesregierung aber - das ist der Eindruck, der sich jetzt aufdrängt - bleibt Kohärenz ein Fremdwort . Das zeigt auch der Gesamthaushalt mit seinen vielen Facetten . Haben Sie doch endlich den Mut, der Rüstungslobby wie der Agroindustrie entgegenzutreten! ({10}) Ich komme zum Schluss: Bisher müssen wir trotz des hier vorgelegten Haushaltsplanes 2016 klar zusammenfassen: kein Herz, kein Plan und vor allen Dingen kein Mut . Das Wissen ist ja da, das Bewusstsein, was getan werden müsste, scheint ja da zu sein - Kollegin Kofler hat vieles angesprochen, der Minister hat vieles angesprochen -, aber es fehlt der Mut . ({11}) Zum Schluss noch: Wir legen heute noch mal einen Antrag vor, der zeigt, wie sich solide Finanzpolitik, Klimaschutz und globale Gerechtigkeit verbinden lassen . Einem Aufwuchspfad, um bis 2020 das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen, könnten Sie sich doch heute einmal anschließen . Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie zu! Vielen Dank . ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Peter Meiwald . - Die nächste Rednerin: Sabine Weiss für die CDU/CSU-Fraktion . ({0})

Sabine Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004187, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie die meisten Vorredner ja bereits betont haben, steht auch der Haushalt des BMZ dieses Jahr ganz im Zeichen der aktuellen Flüchtlingsbewegung . Gerade weil dieses Thema so wichtig ist, gehe ich ebenfalls zentral darauf ein, aber ich versuche mal ein wenig, die guten Nachrichten zu verkünden, also das, was wir tatsächlich tun und auch noch tun werden . Wichtig ist erst einmal, dass mehr als jedes andere Ressort das BMZ in Entwicklungsländern die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessert, und zwar, um ihnen zunächst einmal in ihrer Heimat eine Zukunft zu bieten . Ich wage gar nicht, darüber nachzudenken, was in dieser Welt wäre, wenn es nicht schon seit über 50 Jahren diese Entwicklungszusammenarbeit gäbe . Das, was wir im BMZ tun, was im AwZ beschlossen wird, ist aus meiner Sicht das Bekämpfen von Fluchtursachen . ({0}) Herr Meiwald, das betrifft langfristig wirksame Maßnahmen in den Partnerländern - von der Grundbildung über die saubere Energieversorgung bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen -, und es betrifft derzeit natürlich auch sehr umfangreiche kurzfristige Bemühungen in Flüchtlingslagern, besonders in Jordanien und im Libanon . Das BMZ hilft dabei, diese Lager so auszubauen, dass die Flüchtlinge dort leben und überleben können; denn die meisten wollen nicht fern ihrer Heimat sein, sondern möglichst in der Nähe bleiben . Das erleichtert die Rückkehr, wenn es die Bedingungen dann erlauben . Das BMZ fördert allein 180 Projekte in der Region . Dass dies so schnell möglich war, ist auch den drei Sonderinitiativen „EINEWELT ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen - Flüchtlinge reintegrieren“ und „Stabilisierung und Entwicklung Nordafrika-Nahost“ zu verdanken . Das Lob dafür gebührt zunächst unserem Bundesminister Gerd Müller . Herzlichen Dank . ({1}) Er hat dafür nämlich frühzeitig - darüber hatten noch nicht viele nachgedacht - die Weichen gestellt und kann jetzt diesen so wirksamen Beitrag leisten, der Flüchtlingen in Jordanien zum Beispiel die Wasserversorgung gebracht hat und vielen Flüchtlingskindern im Libanon den Schulbesuch . Sein zweites Verdienst ist es, aus anderen Programmen über 140 Millionen Euro freigeschaufelt zu haben, um über das dafür angesetzte Haushaltsvolumen hinausgehen zu können . In diesem Zusammenhang ein dezenter Hinweis an die Haushälter, der erlaubt sein mag: Dies kann natürlich keine Dauerlösung sein . Für eine langfristig wirksame Entwicklungspolitik sind auch die Maßnahmen wichtig, die jetzt aktuell gekürzt werden müssen . Vernachlässigen wir diese nämlich, tragen wir eher - auch das ist heute schon erwähnt worden - zum Entstehen neuer Krisen bei, anstatt Flüchtlingsströmen vorzubeugen . ({2}) Die Entwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte ist in vielen Ländern erfolgreich; das muss auch einmal betont werden . Das sieht man zunächst einmal daran, dass die größten Flüchtlingsströme aus Kriegsländern wie Syrien, Irak und Afghanistan und aus Ländern mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie Eritrea kommen . Aus einigermaßen stabilen und friedlichen Ländern, die im Vergleich zu Deutschland allerdings noch arm sind, kommen gar nicht so viele, wie in den Medien behauptet und vielleicht am Stammtisch auch geglaubt wird . Aus dem Senegal zum Beispiel - immer wieder plakativ als Hauptherkunftsland genannt - kamen letztes Jahr 766 Asylbewerber nach Deutschland . Bei mehr als 14 Millionen Einwohnern ist das eben kein Zeichen einer völligen Perspektivlosigkeit oder einer gescheiterten Entwicklungspolitik in diesem Land . Nein, diese Menschen kommen tatsächlich - verständlicherweise -, weil sie in Deutschland deutlich mehr verdienen können . Das nutzt ihnen und ihren Familien, die zu Hause geblieben sind . Dabei müssen wir uns allerdings immer wieder klarmachen: Auch bei guter Entwicklung im Senegal wird es wie in vielen anderen Ländern noch lange große Lohnunterschiede zu Deutschland und Europa geben . Gerade die Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, dass diese großen Unterschiede immer kleiner werden . ({3}) Parallel müssen wir die Möglichkeiten für eine begrenzte legale Arbeitsmigration überprüfen und gegebenenfalls stärken . Beides zusammen kann dann vielleicht der illegalen Migration zumindest ein Stück den Nährboden entziehen und trägt sicherlich auch dazu bei, die unmenschlichen Flüchtlingsdramen im Mittelmeer zu verhindern . Ich begrüße deshalb die in diesem Sinne wegweisenden Beschlüsse zu einer verstärkten europäisch-afrikanischen Partnerschaft, die vor zwei Wochen beim Gipfeltreffen in Valletta getroffen wurden . Der Fahrplan für die globale Entwicklungspolitik Herr Meiwald, sie wurde eben nicht vergessen -, mit dem ein Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen geleistet werden soll, ist die gerade in New York beschlossene Agenda 2030 . Dass Deutschland gut aufgestellt ist, wenn es darum geht, einen signifikanten Beitrag zu ihrer Umsetzung zu leisten, hat die OECD nach der jüngsten Überprüfung der deutschen Entwicklungspolitik klar bestätigt . Auch deshalb ist es richtig, dass der Haushalt des BMZ 2016 den größten Zuwachs seiner Geschichte erfährt . Auch ich will es sagen: Es sind 863 Millionen Euro zusätzlich . Damit steigt der BMZ-Haushalt auf das Rekordniveau von 7,4 Milliarden Euro . Ich danke den Haushältern der Koalition dafür, dass sie dies möglich gemacht haben . Ich danke aber auch unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel . ({4}) Dank ihres Engagements wurde beschlossen, in den relevanten Ressorts bis 2019 mehr als 10 Milliarden Euro zusätzlich für die Entwicklungspolitik bereitzustellen . Das muss einmal gesagt werden . Dafür - das möchte ich betonen - gebührt ihnen unser aller Dank . Ich bin überzeugt, lieber Gerd Müller, dass du diese Mittel als Bundesminister zusammen mit deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sinnvoll einsetzen wirst, um die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zu fördern . Sie alle gemeinsam leisten damit einen Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen - das meistgebrauchte Wort in den politischen Debatten der letzten Wochen . Unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel geht Deutschland hier den richtigen Weg, die Mittel für Entwicklungspolitik anzuheben . Wohin fließt nun das zusätzliche Geld? Ich habe ein bisschen in den Haushalt geschaut und möchte einige Schlaglichter nennen . Die Ausgaben für Maßnahmen der drei fluchtrelevanten Sonderinitiativen verdreifachen sich fast; sie steigen von 200 Millionen auf 590 Millionen Euro . Die Mittel im Titel „Finanzielle Zusammenarbeit mit Regionen“ steigen zum Beispiel um 27 Millionen Euro auf insgesamt 87 Millionen Euro an . Der eine oder andere von Ihnen mag vielleicht gar nicht wissen, was sich dahinter verbirgt . Mit dem Geld werden kleine und mittlere Unternehmen zum Beispiel in Afrika und im Nahen Osten finanziert. Dadurch entstehen in hohem Maße und ganz konkret Arbeitsplätze . Ich bin der festen Überzeugung: Ein sicherer Arbeitsplatz, der es ermöglicht, die Familie zu ernähren, ist das beste Mittel gegen Flucht überhaupt . ({5}) Wenn die Mittel für solche Ansätze erhöht werden, dann beugt das der Flucht ganz konkret vor . Voraussetzung für einen nachhaltigen Arbeitsplatz mit gutem Einkommen - das ist ganz logisch - ist wiederum eine gute Berufsausbildung . Daher hat das BMZ die Bereitstellung von 40 Millionen Euro für die gerade in Valletta verkündete Ausbildungsinitiative für Afrikaner und Afrikanerinnen angekündigt . Auch das ist ein Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung . Dass die zivilgesellschaftlichen Träger durchweg mehr Mittel bekommen, halte ich für richtig und gut . Ich möchte die Gelegenheit nutzen, heute einen deutlichen Appell an all diese Träger zu richten: Überprüfen Sie bitte Ihr Portfolio auf die Relevanz für die Fluchtursachenbekämpfung, und richten Sie es vielleicht noch stärker als bisher darauf aus! ({6}) Ganz besonders freue ich mich - auch wenn es, relativ gesehen, nur ein kleiner Betrag ist -, dass die Mittel für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit in unserem Land von 25 Millionen auf 35 Millionen Euro ansteigen . Es ist höchste Zeit, kann ich da nur sagen . Viele ausländerfeindliche Parolen dieser Tage werden uns vielleicht zukünftig erspart bleiben, wenn das Wissen der Menschen hier vor Ort über die Zusammenhänge in der Welt und über andere Kulturen schlichtweg größer wäre . ({7}) Für den Bereich Klimaschutz - auch das wurde erwähnt - sind allein vom BMZ 1,4 Milliarden Euro für bilaterale Maßnahmen eingeplant . Hinzu kommen multilaterale Leistungen . Das ist vor der Klimakonferenz in Paris, die am Montag beginnt, ein überaus wichtiges Signal . Noch ein Hinweis - das wissen Sie wahrscheinlich, Sie sagen es nur nicht -: Die OECD lobt das besondere Engagement für den Klimaschutz . 28 Prozent der deutschen bilateralen ODA-Mittel werden dafür eingesetzt; das sind 12 Prozent mehr als der Durchschnitt der Sabine Weiss ({8}) OECD-Geberländer . Das muss man einmal betonen und darf nicht immer alles schlechtreden . ({9}) Das ist sowohl ein Markenzeichen deutscher Entwicklungspolitik als auch ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Das BMZ setzt 2016 1 Milliarde Euro für ländliche Entwicklung ein mit einem klaren regionalen Schwerpunkt auf Afrika . Erneut wird die Zusage der Bundeskanzlerin erfüllt, 500 Millionen Euro für den Schutz der Wälder und der Biodiversität einzusetzen usw . usf . Die Liste der Maßnahmen ist noch deutlich länger . Ich fasse zusammen: Der BMZ-Haushalt 2016 kombiniert in guter Weise die strukturelle, langfristige Entwicklungspolitik mit den kurzfristig notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung der Krisenregionen . Entscheidend für uns ist - ich weiß, das sagen alle Kolleginnen und Kollegen in der Entwicklungspolitik -: Im Mittelpunkt stehen immer die Menschen . Deren Lebensbedingungen wollen wir in ihrer Heimat oder wenigstens heimatnah deutlich verbessern . Herzlichen Dank . ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Sabine Weiss . - Nächster Redner: Dr . Sascha Raabe für die SPD . ({0})

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie wollen dem Haushalt dieses Jahr nicht zustimmen, weil der Aufwuchs Ihrer Meinung nach zu gering ist . Sie wissen, dass ich nicht zu denen gehöre, die einen Haushalt schönreden . Auch ich habe, obwohl ich Mitglied einer Regierungsfraktion bin, den letzten beiden Haushalten, auch dem Gesamthaushalt, nicht zugestimmt . Ich hatte Anfang der Legislaturperiode deutlich protestiert, weil im Koalitionsvertrag im Mittel lediglich ein Aufwuchs von 200 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen wurde . Jetzt wächst der Entwicklungshaushalt um knapp 900 Millionen Euro, und im Bereich des Auswärtigen Amtes ist ein Aufwuchs der ODA-Mittel von etwa 800 Millionen Euro zu verzeichnen . Wir kommen also auf über 1,6 Milliarden Euro mehr ODA-Mittel . Einen solchen Aufwuchs hätten wir uns vor ein paar Jahren nicht träumen lassen . Deswegen sage ich: Der Aufwuchs der ODA-Mittel ist gut . Ich stimme ihm zu . Ich glaube, das wird den Ärmsten der Armen helfen . ({0}) Es ist auch kein Geheimnis - der Minister weiß das -: Es wäre besser gewesen, wenn die entsprechenden Maßnahmen früher vereinbart worden wären . Es ist wirklich höchste Zeit; es ist vielleicht eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf, aber besser spät als nie . Ich erinnere daran: Bereits 2011 haben 372 Abgeordnete, also fast 60 Prozent des Hauses, parteiübergreifend hier im Bundestag einen entwicklungspolitischen Konsens beschlossen . Wir hatten vereinbart: Wir wollen pro Jahr 1,2 Milliarden Euro mehr an anrechnungsfähigen ODA-Mitteln zur Verfügung stellen, um bis zum Jahr 2015 auf eine Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu kommen . Das haben wir leider nicht geschafft . Weil wir es als Entwicklungspolitiker in den letzten Jahren oft nicht einfach hatten, in der Bevölkerung oder auch bei dem einen oder anderen Spitzenpolitiker Gehör zu finden, sage ich: Hätte man 2011, also vor vier, fünf Jahren, auf uns gehört, dann wären uns viele Probleme und viel Flüchtlingselend erspart geblieben . ({1}) Unsere Forderung war richtig . Wir werden nun zusehen, dass wir in Zukunft die 0,7 Prozent erreichen . ({2}) Um auf die 0,7 Prozent zu kommen, brauchen wir in der Tat einen konkreten Fahrplan für die nächsten Jahre; den vermisse ich noch . Aber man kann doch nicht einen Haushalt ablehnen, weil dieser ODA-Mittel in Höhe von „nur“ 1,6 Milliarden Euro enthält, wenn man selber früher nur 1,2 Milliarden Euro mehr ODA-Mittel pro Jahr gefordert hat . Das ist nicht in Ordnung . Der Kollege Klein hat gesagt, dass wir bald eine ODA-Quote von 0,7 Prozent erreichen, wenn wir jetzt die durch die Flüchtlingskrise entstandenen Kosten innerhalb der ersten zwölf Monate anrechnen . Theoretisch könnten übrigens sogar die Abschiebekosten angerechnet werden, was wir aber nicht machen . Ich warne davor, das überhaupt in Betracht zu ziehen, auch wenn man so etwas laut DAC-Kriterien machen könnte . Wenn man die Kosten des Bundesinnenministeriums und der anderen Ressorts für die Unterbringung von Flüchtlingen reinrechnet - das hat nichts mit den 1,6 Milliarden Euro zu tun, die ich lobe -, dann bläht man die ODA-Quote auf wie einen bunten Luftballon . Dann darf man sich nicht wundern, wenn der einem um die Ohren fliegt. Mit einer ODA-Quote, die nur auf dem Papier schön aussieht, macht man niemanden satt, bringt man kein Kind mehr in die Schule, baut man kein Krankenhaus, schafft man keine Arbeitsplätze und keine Perspektiven, beseitigt man keine Fluchtursachen . Wir brauchen echtes Geld, ({3}) mehr Mittel, einen ODA-Pfad bis 2020 oder 2030, damit wir spätestens 2030 bei 0,7 Prozent ankommen; je schneller, desto besser . ({4}) Wir haben heute schon viel über Fluchtursachen geredet . Das, was zu den syrischen Flüchtlingen gesagt wurde, will ich nicht noch einmal wiederholen . Ich möchte den Fokus auf einen anderen Aspekt richten: Schon Sabine Weiss ({5}) bevor in Syrien die große Krise ausgebrochen ist, sind aus Afrika viele Menschen zu uns gekommen und kommen auch immer noch viele Menschen zu uns . Die Bevölkerung dieses Kontinents wird in den nächsten 20, 30 Jahren von 1 Milliarde Menschen auf 2 Milliarden Menschen anwachsen . Deswegen ist das, was der Minister vorhin gesagt hat, richtig: Wir legen bei unserer Entwicklungszusammenarbeit den Fokus nicht nur auf die unmittelbare humanitäre Hilfe; das macht das Auswärtige Amt . Wir sind nicht der Feuerlöscher, sondern wir sind diejenigen, die präventiv, vorbeugend Strukturen schaffen müssen, die Perspektiven schaffen müssen, die Menschen aus Armut herausführen und eine wirkliche Zukunft für die Menschen in diesen Ländern schaffen müssen . Deswegen ist jeder Cent, den wir im Entwicklungshaushalt einsetzen, eine vorbeugende, präventive Maßnahme zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Dazu können wir selbstbewusst stehen . ({6}) Weil mir heute zu oft die Bekämpfung von Fluchtursachen als Motiv für die Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit angeführt wurde, sage ich: Im Peer Review des DAC wird zu Recht kritisiert, dass aus Deutschland in die Least Developed Countries, also die ärmsten Entwicklungsländer, immer noch zu wenig Geld fließt. Wir hatten dazu einen Briefwechsel, einen Austausch . In den Koalitionsvertrag haben wir geschrieben, dass wir für die ärmsten Staaten, für die fragilen Staaten mehr Geld ausgeben wollen . Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir können nicht weiter zulassen, dass 20 000 Menschen pro Tag an den Folgen von Hunger und Armut sterben, vor allem Kinder . Es ist egal, ob aus diesen Kindern später einmal ein Flüchtling wird oder nicht . Ich möchte dieses Sterben nicht länger zulassen . Dieses Sterben müssen wir verhindern . Jeder Mensch hat ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben, unabhängig von der Frage der Fluchtursachenbekämpfung . ({7}) Es hat in der Tat nicht nur etwas mit Geld zu tun, ob Menschen eine Zukunftsperspektive haben oder in Armut leben . Im Zusammenhang mit den Handelsbeziehungen haben wir in Brüssel jetzt zum Beispiel über das ganz heiße Thema der sogenannten Konfliktmineralien zu diskutieren. In jedem Smartphone sind Konfliktmineralien verarbeitet, auch in all denen, die Sie haben . Im Kongo wird damit ein blutiger Bürgerkrieg finanziert: Rebellengruppen werden ausgestattet, Kinder werden als Soldaten missbraucht oder müssen in Minen schuften . Wir wissen, dass viele Flüchtlinge aus dem Kongo in Uganda unterkommen . Es wurde schon zu Recht gesagt, dass 90 Prozent der Flüchtlinge aus Entwicklungsländern in benachbarten Ländern unterkommen . Wir müssen dafür sorgen, dass Konzerne nicht länger Geld mit diesen Konfliktmineralien verdienen. Nicht an unseren Händen, aber an unseren Handys klebt Blut . Deswegen sage ich: Wir wollen einen Wandel durch fairen Handel, und dieses Ziel müssen wir schnell erreichen . ({8}) Das gilt genauso für die angesprochenen Baumwollsubventionen der USA und für die Landwirtschaftssubventionen der Europäischen Union . Das gilt auch für die Schokolade, die wir so gerne essen . Wir müssen bedenken, dass auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und in Ghana 2,3 Millionen Kinder ab fünf Jahren gefährliche Arbeiten verrichten müssen . Dadurch, dass sie mit Pestiziden in Berührung kommen und mit Macheten hantieren, gefährden sie ihr eigenes Leben . Sie haben keine Chance, eine Bildung zu erhalten, die ihnen eine Perspektive bietet, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht . Wir haben schon oft über blutige T-Shirts aus Bangladesch geredet . Diesbezüglich sind wir mit dem Textilbündnis auf einem guten Weg . Ich sage es an dieser Stelle trotzdem noch einmal: Es kann nicht sein, dass eine Banane, die nicht die richtige Länge und Breite hat, nicht in die Europäische Union rein darf, aber T-Shirts und Handys, an denen Blut klebt, und Schokolade, die mit Kinderarbeit hergestellt wurde, in die Europäische Union rein dürfen . Das müssen wir ändern . ({9}) An dieser Stelle, Herr Minister, werden wir uns auch noch einmal über das Abkommen mit Westafrika unterhalten müssen . Denn in diesem sind gerade diese Kernarbeitsnormen, die Kinderarbeit verbieten und menschenunwürdige Arbeit verhindern sollen, nicht enthalten . Die Freihandelsabkommen der Europäischen Union müssen diese Dinge enthalten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Darüber reden wir heute aber nicht mehr .

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Genau .

Dr. Sascha Raabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lassen Sie uns die Welt ein Stück gerechter machen . Lassen Sie uns im nächsten Jahr weiter gemeinsam für die notwendigen Mittel sorgen, um Fluchtursachen zu bekämpfen . Dann, aber nur dann schaffen wir das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Sascha Raabe . - Nächster Redner: Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion .

Jürgen Klimke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003565, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen wurde die deutsche Entwicklungszusammenarbeit durch einen Prüfbericht der OECD untersucht, und ihr wurde ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt . Deutschland sei auf dem richtigen Wege, verkündete der Zusammenschluss der wichtigsten Industriestaaten . Der OECD-Bericht legt dar, dass wir es in den letzten Jahren, und zwar insbesondere im Jahr 2010, geschafft haben, durch die Evaluierung eine ganze Reihe von Verbesserungsmaßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf den Weg zu bringen . So wird hier insbesondere darauf hingewiesen, dass es eine verbesserte Steuerungsfähigkeit des zuständigen Ministeriums gegeben hat . Es sei eine starke Präsenz der Durchführungsorganisationen in den Partnerländern sichergestellt worden . Die Abstimmung mit den multilateralen Akteuren sei in einer sehr viel besseren Form erfolgt . In sämtlichen Bereichen zeigen sich also gute Erfolge . Das ist das Urteil der Prüfkommission . Das zeigt, dass die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren schrittweise erhöht worden ist, und das sehr konsequent . Dies geht auch - das muss man deutlich sagen - auf die Effektivierungsmaßnahmen zurück, die unter der letzten Bundesregierung auf den Weg gebracht worden sind . Unsere heutige Aussprache zum Etat des Ministeriums ist auch eine Fortschreibung dieses Erfolges . Es ist mehrfach gesagt worden: Im kommenden Jahr werden wir rund 7,4 Milliarden Euro für diesen Aufgabenbereich zur Verfügung stellen . Das sind 13,2 Prozent mehr als im laufenden Jahr . Zur historischen Einordnung: Es ist der höchste Etat des Ministeriums seit seinem Bestehen . 7,4 Milliarden Euro und kontinuierliche Verbesserungen im Wirkungsgrad deutscher Entwicklungszusammenarbeit: Das zusammen eröffnet einen sehr viel größeren Handlungsspielraum . Das ist gerade auch aufgrund der Problematik in der Flüchtlingssituation bitter notwendig . Es ist an dieser Stelle schon mehrfach angesprochen worden: Die weltweite Bekämpfung und Beseitigung von Fluchtursachen sehen Minister Müller und die Entwicklungspolitiker in der Koalition als das Thema der Stunde an . Entwicklungspolitik kann und muss ihren Beitrag leisten, um die große Zahl von Flüchtlingen in den kommenden Jahren zu reduzieren . Entwicklungspolitik ist unsere Hilfe, unser Werkzeug für die Arbeit vor Ort . Deswegen begrüße ich den Mittelzuwachs um 190 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro für die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen - Flüchtlinge reintegrieren“ ausdrücklich . ({0}) Machen wir uns noch einmal die Bandbreite bewusst, in der die deutsche Entwicklungspolitik ihre Wirkung entfaltet . Das Europäische Jahr für Entwicklung 2015 neigt sich dem Ende zu . Es war ein entscheidendes Jahr für die große globale Entwicklungsagenda . Deutschland hat diesen Prozess maßgeblich mitgestaltet . Auch hier möchte ich der Bundeskanzlerin noch einmal ausdrücklich Dank für ihren Einsatz im Dienste der Entwicklungspolitik aussprechen . Insbesondere auf dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau im Juni dieses Jahres hat sie entwicklungspolitische Themen propagiert, vorangebracht und ihnen auf diesem Gipfel eine Plattform gegeben . Das ist nicht selbstverständlich . Sie, Minister Müller, haben im Anschluss an dieses Treffen gesagt: So viel Entwicklungspolitik war noch nie . - Das ist völlig richtig . ({1}) Einen entwicklungspolitischen Meilenstein haben wir dieses Jahr auch mit der Verabschiedung der UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht . Die sogenannte Post-2015Agenda wird Deutschland und die Welt in der Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2030 begleiten . Im Rahmen zukünftiger Debatten über diesen Haushalt wird die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele natürlich auch nachhaltig auf der Agenda stehen . Denn eines muss deutlich kommuniziert werden: Mit den neuen Entwicklungszielen wird der Finanzierungsbedarf enorm steigen, vor allem für Infrastruktur und klimarelevante Investitionen . Im Juli dieses Jahres konnte ich Minister Müller auf die Financing-for-Development-Konferenz nach Addis Abeba begleiten . Aufbauend auf den Konferenzen in Monterrey und Doha wurde dort über die Grundlagen der internationalen Finanzarchitektur und vor allen Dingen über die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele diskutiert . Von dort konnte ich, konnten wir das Ergebnis mitnehmen, dass ein globaler Konsens darüber besteht, alle Möglichkeiten der Entwicklungs- und Klimafinanzierung zu nutzen und einheitlich zu erfassen, sowohl öffentliche als auch private Ressourcen . Die Klimakonferenz in Paris wird im Gipfelkalender 2015 nun den Abschluss bilden . Auch hier soll Wegweisendes verkündet und ein Nachfolgeabkommen für das Kioto-Protokoll beschlossen werden . Ich erinnere an dieser Stelle sehr gerne daran, dass das BMZ mit einer Haushaltszuständigkeit für 90 Prozent der globalen Klimamittel Deutschlands eine wachsende Verantwortung trägt; auch das muss hier deutlich gesagt werden . Die Mittel im Kampf gegen die globale Erderwärmung sollen um 250 Millionen Euro steigen . Denn die Folgen des Klimawandels sind vor allem für die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern spürbar - Bangladesch ist genannt worden -, und sie werden in absehbarer Zeit viele Tausende Klimaflüchtlinge verursachen, wenn wir nicht handeln, meine Damen und Herren . Aber auch in Deutschland sind wir einen guten Schritt weitergekommen; das darf ich in einer Bilanz, die im Zusammenhang mit dem Haushalt notwendig ist, deutlich sagen . Das von Minister Müller initiierte Bündnis für nachhaltige Textilien hat seine Mitgliederzahl ein Jahr nach seiner Gründung verfünffacht - eine gute Entwicklung, die uns Hoffnung gibt, dass das Bündnis auch sichtbare Erfolge für die Verbraucher erarbeitet . Meine Damen und Herren, wie schaffen wir es nun, in diesem breiten Aufgabenfeld mit den uns zur Verfügung stehenden Finanzmitteln möglichst viel zu erreichen? Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die von mir bereits angesprochene strategische Ausrichtung der Entwicklungspolitik eingehen . Jedem von uns investierten Euro, der in den betroffenen Ländern für die Bekämpfung von Fluchtursachen, für die Begrenzung des Klimawandels oder zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen in Entwicklungsländern eingesetzt wird, steht ein Mehrwert gegenüber, den wir nicht für die Folgen von Flucht, von Klimaschäden und zur Beseitigung von Ungleichheit aufbringen müssen . Das sind eben Investitionen in die Zukunft; das ist wichtig . ({2}) Minister Müller hat dies an einem Beispiel deutlich gemacht: 1 Euro, den wir im Libanon investieren, kann dort einen Nutzen von bis zu 30 Euro entfalten . Er nützt dort also 30-mal mehr; das müssen wir sehen . Doch nicht selten steht die Entwicklungspolitik in der Kritik . Ihr Nutzen wird nicht nur von Politikern, sondern auch von der Bevölkerung - wir alle wissen das - immer wieder hinterfragt . Von einem Fass ohne Boden ist die Rede . „Kommt das denn eigentlich auch unten an?“, ist die Frage . Die Entwicklungszusammenarbeit und wir als Entwicklungspolitiker, wenn wir an unseren Ständen auf den Märkten stehen, befinden uns in einer besonderen Rechtfertigungssituation und stehen unter einem besonderen Erfolgsdruck . Denn wir geben - oder schleudern; wie auch immer - die Steuergelder ins Ausland . Die gute Nachricht ist, meine Damen und Herren: Meines Erachtens hat sich in den vergangenen Monaten in der deutschen Öffentlichkeit auch hier eine positivere Einschätzung zur Notwendig von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit verbreitet . Aus diesem Grunde ist die Politik verpflichtet, mit größter Sorgfalt zu überprüfen, wie wir unsere entwicklungspolitischen Projekte zum größtmöglichen Erfolg führen können . Jeden Tag müssen wir aufs Neue auswerten, was gut läuft und wo Verbesserungen notwendig sind . Um dem Vertrauen in die Entwicklungspolitik ein solides Fundament zu geben, ist es meines Erachtens von großer Bedeutung, aus Erreichtem zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen . 2012 haben wir deshalb das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit gegründet und damit ein nützliches Instrument geschaffen . Es hat das Potenzial, uns auf unsere Fehler aufmerksam zu machen, unsere Erfolge zu bewerten und die Misserfolge deutlich und transparent zu machen und sachlich zu analysieren . Das DEval kann uns durch seine Evaluierungsempfehlungen eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit ermöglichen und uns helfen, zukünftige Projekte auf den richtigen Kurs zu bringen . Evaluierung erhöht den Druck auf uns, die Nachhaltigkeit von Projekten noch ernster zu nehmen . Doch leider spielt das DEval nicht immer die Rolle, die man ihm bei seiner Gründung zugedacht hat . Bisher ist lediglich eine überschaubare Anzahl an Evaluierungsberichten fertiggestellt worden . Wir nutzen dieses Potenzial des Institutes noch in einem zu geringen Umfang; das muss man auch selbstkritisch sagen . Neben dem DEval gibt es eine Reihe weiterer Organisationen, zum Beispiel die KfW, die eigenständig eine sehr breit angelegte Evaluation von entwicklungspolitischen Projekten durchführen . Wir brauchen eine stärkere Verzahnung zwischen dem DEval und diesen Organisationen . Wir müssen die Kräfte besser bündeln und koordinieren und einen Weg finden, aus dieser Vielzahl an Evaluationen und Erkenntnissen strategisch zu lernen und einen Mehrwert zu erzielen . Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch einige Sätze zur Flüchtlingsthematik sagen . Derzeit beschäftigen wir uns ja mit dem Thema Obergrenze und damit, wie viele Menschen zu uns kommen und welche Kosten entstehen werden . Das alles ist hier schon mehrfach gesagt worden . Diese Fragen beschäftigen die Menschen natürlich deutschlandweit, und wir müssen Antworten darauf geben . Vor allen Dingen müssen wir die Menschen auch vor Demagogen schützen und deutlich machen, dass sie nicht missbraucht werden dürfen . Beispiele dafür hat es in der jüngsten Zeit ja sehr viele gegeben . Nichtsdestotrotz darf unsere Unterstützung für diese Krisenregion nicht aus dem Fokus verschwinden . Deshalb müssen die Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit Gehör finden. Vergessen wir nicht: Staaten wie die Türkei, der Libanon oder Jordanien haben Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen . Deshalb geht mein Appell hier nochmals in Richtung Intensivierung der Entwicklungszusammenarbeit . Die politische Ressortabgrenzung in Deutschland gibt vor, dass das Auswärtige Amt für den gesamten Bereich der humanitären Hilfe verantwortlich ist . Der Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - zeigt: Für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland sind im kommenden Jahr rund 730 Millionen Euro veranschlagt . Diese Summe ist aufgrund der aktuellen Lage auch dringend notwendig . Wir müssen versuchen, das gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt effektiv umzusetzen und hier eine gute Synthese der beiden Ministerien zu erreichen . Zum Schluss möchte ich noch einmal die Gelegenheit nutzen, auf die historische Steigerung im Haushaltsentwurf hinzuweisen . Dieses Mehr an Entwicklungsmitteln brauchen wir auch dringend, um die maßgeblichen Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen in den Krisenregionen zu bewirken . Noch einmal: Sie leisten einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Beitrag dafür, Flucht und Vertreibung abzumildern . Herzlichen Dank . ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Klimke . - Letzte Rednerin in dieser Debatte: Sonja Steffen für die SPD . ({0})

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir kommt jetzt die ehrenvolle Aufgabe der Abschlussrede zu . Nachdem wir heute vieles gehört haben - der Etat ist sehr gelobt und auch sehr kritisiert worden -, kann ich abschließend vielleicht auch grafisch ein bisschen mehr Licht in den Etat - also nicht ins Dunkle - bringen . Ich zeige Ihnen jetzt einmal die Entwicklung unseres Etats seit 2005 . ({0}) Wenn Sie gute Augen haben, dann stellen Sie fest, dass wir im Jahr 2005 mit einem Etat von 3,9 Milliarden Euro gestartet sind . Dieser Etat ist bis zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2016 fast verdoppelt worden. Ich finde, das ist sehr gut . Darüber freuen wir uns alle sehr . ({1}) Auf der Grafik kann man übrigens auch die Niebel-Delle erkennen . ({2}) Sie sieht zwar 2013 relativ klein aus . Aber immerhin wurde der Etat um 100 Millionen Euro gekürzt . Was man auch sehr schön erkennen kann - ich nehme an, alle, die hier sitzen, werden sich erinnern -, ist der Zeitpunkt, als wir in der Großen Koalition gestartet sind . Die Fachpolitiker waren damals sehr enttäuscht darüber - mein Kollege Herr Raabe hat das vorhin vorgetragen -, dass damals der Finanzplan für unseren Haushalt recht traurig aussah. Auch das ist auf der Grafik zu erkennen . Der ursprüngliche Finanzplan sah so aus, dass man fast einen waagerechten Strich hätte ziehen können . Nun sieht man aber hier, 2015, wie diese Linie stark nach oben geht . Das zeigt uns, dass wir in diesem Jahr einen enormen Aufwuchs haben . Ich denke, wir alle haben uns über 860 Millionen Euro mehr in diesem Etat gefreut . Es ist auch schon gesagt worden: Wir haben fast 400 Millionen Euro Barmittel umverteilt . An dieser Stelle möchte ich mich übrigens beim Hauptberichterstatter Volkmar Klein bedanken, nicht nur für die Umverteilung, sondern auch für die gute Unterstützung und Organisation der gesamten Haushaltsdebatten, besonders der Berichterstattergespräche . Es ist richtig - Frau Hajduk hat es gesagt; ich glaube, auch Frau Weiss -: Wir haben bei den Umschichtungen die 400 Millionen Euro irgendwo wegnehmen müssen . Dieses Geld haben wir in der Tat bei der GIZ und der KfW gekürzt . Ich will einmal sagen: mit deren Einverständnis . Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig . ({3}) Aber wir wissen, dass das keine dauerhafte Lösung sein kann . Insofern bin ich ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen: Das ist keine Dauerlösung . Es kann sich nur um eine kurzzeitige Umschichtung handeln, die eben den besonderen Problemen geschuldet ist, die wir mithilfe dieses Etats - Stichwort: Fluchtursachen bekämpfen - lösen wollen . Langfristig kann also nur eine Erhöhung der Mittel erfolgen, damit wir auch an dieser Stelle weiterhin gute Arbeit leisten können . ({4}) Es ist schon gesagt worden, dass wir die Mittel aus zwei großen Titeln umgeschichtet haben . Das betrifft zum einen die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen“ und zum anderen den Titel „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“ . Hier ist es besonders wichtig, dass wir die Mittel bereitstellen, weil damit beispielsweise die Krisen in den Anrainerstaaten Syriens angegangen werden . Da ist unsere Hilfe unbedingt erforderlich . Ich möchte mich jetzt noch im Zusammenhang mit der Deutschen Welle an Sie wenden . Ich freue mich sehr, dass die Mittel für die Deutsche-Welle-Akademie auch in unserem Etat einen Aufwuchs erhalten haben . Ich halte das für sehr wichtig; denn aus Mitteln des BMZ fördert die Deutsche-Welle-Akademie in 25 Ländern die Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen durch Entwicklung freier und transparenter Mediensysteme . Ich denke, das ist eine sehr wichtige Aufgabe, die die Deutsche Welle weltweit erfüllt . ({5}) Erfreulich finde ich persönlich - der Minister weiß es -, dass auch die Mittel für GPEI erhöht werden konnten . GPEI ist die Organisation, die sich insbesondere um die Bekämpfung von Polio kümmert . Polio, also Kinderlähmung, ist eine Krankheit, die man fast im Griff hat und die weltweit sehr erfolgreich bekämpft wird . Aber sie ist in Pakistan wieder aufgetreten . Wir konnten es in diesem Etat ermöglichen, wieder Gelder für GPEI zur Bekämpfung von Polio in Pakistan zur Verfügung zu stellen . An Ihr Haus herzlichen Dank dafür, dass Sie das so schnell umgesetzt haben . ({6}) Nun muss ich aber ein bisschen Wasser in den Wein schütten . Was ich weniger erfreulich fand, ist, dass die Wiederauffüllungskonferenz des GFATM im nächsten Jahr nicht in Deutschland stattfinden wird. Vor allem wir von der SPD-Fraktion hatten uns davon versprochen, dass wir es auf diesem Wege vielleicht ermöglichen, den Titel für GFATM, also für die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, zu erhöhen . Das ist leider nicht der Fall gewesen . Aber vielleicht kommen wir auf einem anderen Weg dorthin . Sie hatten ja schon den Titel für das Welternährungsprogramm angesprochen, Herr Müller . Es hat mich sehr traurig gestimmt, dass Sie vorhin noch einmal gesagt haben, dass wir da eine Lücke von 4,4 Milliarden Euro haben . Sie haben auch noch UNICEF erwähnt . Die Fachpolitiker der Koalition und die der Opposition ohnehin haben sich dafür eingesetzt und Anträge geschrieben, um zu erreichen, dass die Mittel für das Welternährungsprogramm erhöht werden und auch für UNICEF erhöht werden . Leider konnten wir das in diesem Etat nicht verwirklichen . ({7}) Ich glaube aber, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist . Sie können sich also meiner Unterstützung sicher sein, wenn es darum geht, die Mittel zu erhöhen, was, denke ich, erforderlich ist . ({8}) Zum Abschluss will ich noch etwas zur ODA-Quote sagen; auch mein Kollege Sascha Raabe hat vorhin schon darauf hingewiesen . Wir haben im Haushaltsausschuss diesmal viel darüber diskutiert . Die ODA-Quote von 0,7 Prozent ist - das ist schon gesagt worden - nicht erreicht worden . Wir haben jetzt eine leichte Steigerung auf 0,41 Prozent erreicht . Auch im Haushaltsausschuss ging es unter anderem darum, was denn nun anrechnungsfähig ist . In der Tat ist es so: Es gibt viele Staaten, die auch inländisch verwandte Mittel auf die ODA-Quote anrechnen . Das muss diskutiert werden . Einerseits ist es vielleicht richtig, dass man sagt: Wir müssen die Mittel, die wir im ersten Jahr in Deutschland für Flüchtlinge aufwenden, auf die ODA-Quote anrechnen . Andererseits muss ich Ihnen sagen, dass ich es nicht richtig finde, dass man beispielsweise Rückführungsund Abschiebungskosten auch auf die ODA-Quote anrechnet . Da wird es nun auch ein Stück weit pervers . Ich habe gerade heute Nachmittag vor meiner Rede erfahren, dass in meinem Landkreis eine Albanerin mit acht Kindern - acht Kindern! - abgeschoben wurde . Der Ehemann ist noch da . Man weiß nicht, wie es in der Praxis dazu kommt; aber so etwas gibt es. Ich finde es schon besonders merkwürdig, wenn diese Kosten tatsächlich auf die ODA-Quote angerechnet werden könnten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kommen Sie bitte zum Schluss .

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich komme zum Schluss . - Ich denke, wir sollten uns alle dafür einsetzen, dass der Etat zukünftig weiterhin gestärkt wird . Sie können sich der Hilfe und der Unterstützung der SPD-Fraktion ganz gewiss sein, Herr Minister . Vielen Dank . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffen . - Damit schließe ich die Aussprache . Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - in der Ausschussfassung . Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen . Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/6805? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt . Zugestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke . Abgelehnt haben CDU/CSU und die SPD . Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung . Wer stimmt für den Einzelplan? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Niemand . Der Einzelplan 23 ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD . Dagegengestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke . Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, 9 Uhr, ein . Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend .