Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, von Ihren Plätzen erhoben zu
bleiben .
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Noch am Abend unseres letzten Sitzungstages
wurde Paris von einer brutalen Serie von Terroranschlägen heimgesucht - zum zweiten Mal in diesem Jahr . Noch
immer kämpfen Menschen, die feiernd ins Wochenende
starten wollten, um ihr Leben . Der Deutsche Bundestag
trauert mit allen Franzosen um die vielen Opfer dieser
mörderischen Attacke auf ihre Hauptstadt . Unseren Kolleginnen und Kollegen in der Nationalversammlung habe
ich bereits am Morgen nach den Anschlägen unser Mitgefühl übermittelt .
Seit diesen Ereignissen haben sich manche politische
Prioritäten verschoben, nicht nur in Frankreich, sondern
auch in unserem Land . Der Terror betrifft uns alle, und
er kennt keine Grenzen . Wir denken nicht nur an die Opfer in Paris, sondern ebenso an die über 200 russischen
Passagiere, die auf dem Rückflug von ihrem Urlaubsort
Ägypten waren, an die Hotelgäste in Bamako und Mogadischu, an die Menschen in Sarajevo, in Bagdad und
Beirut, die alle in den vergangenen drei Wochen bei Terroranschlägen jäh aus ihrem Leben gerissen wurden .
Die Zahl unschuldiger Opfer fanatischer Terroristen
hat weltweit einen erschreckenden Höchststand erreicht:
Im Verlauf des letzten Jahres hat es über 32 000 Opfer
gegeben . Weit über die Hälfte aller Terrorangriffe und
fast 80 Prozent aller Todesfälle konzentrierten sich dabei
auf fünf Länder: Afghanistan, Irak, Nigeria, Pakistan und
Syrien . Zehn der elf am stärksten vom Terrorismus betroffenen Länder weisen auch die höchsten Flüchtlingszahlen auf .
Der Terror ist uns sehr nahe gerückt, seine Bedrohung
ist real . Ihre blutigste Spur ziehen die Islamisten vor
allem in den Staaten, in denen die meisten ihrer Glaubensbrüder leben - dort, wo vielerorts Krieg herrscht,
der dem Terrorismus wiederum als Nährboden dient und
dem Menschen entfliehen wollen, die zu uns strömen, um
unseren Schutz zu suchen .
Wir bekennen uns - auch und gerade unter dem Eindruck menschenverachtender, brutaler Mordanschläge zur Humanität als Leitlinie politischen Handelns . Aber
wir werden Humanität nicht mit Naivität verwechseln .
Wir werden Muslimen wie Christen und Juden mit Respekt begegnen - und religiösen Fanatikern mit der gebotenen Härte .
Es gibt nichts, was die terroristische Barbarei rechtfertigen könnte - keine politische Idee, kein Glaube und
keine Religion . Weil dies im Namen Allahs trotzdem geschieht, wiederhole ich, was ich im Januar dieses Jahres
hier im Bundestag gesagt habe:
Unser Gegner ist nicht der Islam, sondern der Fanatismus, nicht Religion, sondern Fundamentalismus .
Aber es reicht eben auch nicht, zu sagen, dass die Gewalt nichts mit dem Islam zu tun habe . Zitat: „In dem Augenblick, da sich Terroristen auf den Islam berufen, hat
der Terror auch etwas mit dem Islam zu tun“, hat Navid
Kermani im Januar in Köln gesagt, und er hat alle Muslime dazu aufgerufen - Zitat -, „die Fratze abzureißen, die
das Gesicht unserer Religion entstellt“ .
Im Selbstverständnis einer jeden freien Gesellschaft
begründet sich auch unsere Pflicht, diese Freiheit vor denen zu schützen, die sie angreifen . Wir wissen um die
Verwundbarkeit der Freiheit: Das Spannungsverhältnis
zwischen Freiheit und Sicherheit ist nicht kostenlos aufzulösen . Wir stehen immer wieder vor schwierigen Abwägungsprozessen - und wir werden Entscheidungen
treffen müssen, damit wir auch unter den gegenwärtigen
Bedingungen größtmögliche Freiheit und Sicherheit gewährleisten können .
Helmut Schmidt, den wir gestern in Hamburg zu Grabe
getragen haben, hat am Ende des sogenannten Deutschen
Herbstes, im Oktober 1977, über politisches Handeln im
Zeichen des Terrorismus hier im Bundestag gesagt:
Wer weiß, daß er so oder so, trotz allen Bemühens,
mit Versäumnis und Schuld belastet sein wird, wie
immer er handelt, der wird von sich selbst nicht sagen wollen, er habe alles getan und alles sei richtig
gewesen . Er wird nicht versuchen, Schuld und Versäumnis den anderen zuzuschieben; denn er weiß:
Die anderen stehen vor der gleichen unausweichlichen Verstrickung . Wohl aber wird er sagen dürfen: Dieses und dieses haben wir entschieden, jenes
und jenes haben wir aus diesen oder jenen Gründen
unterlassen . Alles dies haben wir zu verantworten .
. . . Zu dieser Verantwortung stehen wir auch in Zukunft .
Zu dieser Verantwortung wollen auch wir stehen,
wenn wir im Anschluss in unserer Haushaltsdebatte mit
den dort vorgenommenen Prioritäten für unsere politischen Aktivitäten eintreten .
Ausdrücklich danken will ich zuvor aber allen Sicherheitskräften und -behörden, die seit den Anschlägen von
Paris in erhöhter Alarmbereitschaft ihren Dienst leisten .
Die Notwendigkeit und die Bedeutung ihrer Arbeit - das
haben uns die letzten Tage gezeigt - sind nicht hoch genug einzuschätzen .
Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Angehörigen der Getöteten und den vielen Verletzten .
Ich danke Ihnen .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe die Tages-
ordnungspunkte I a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2016 ({1})
Drucksachen 18/5500, 18/5502
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019
Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Ausspra-
che vorgesehen ist .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
Drucksachen 18/6124, 18/6125
Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz .
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01
in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser
Einzelplan einstimmig angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
Drucksachen 18/6102, 18/6124
Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen
Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland
Claus und Anja Hajduk .
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02
in der Ausschussfassung . Wer stimmt dieser Beschluss-
empfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist auch dieser Einzelplan einstimmig an-
genommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
Drucksachen 18/6124, 18/6125
Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Heidrun Bluhm und Tobias Lindner .
Über den Einzelplan 03 stimmen wir jetzt in der
Ausschussfassung ab . Wer stimmt dieser Beschluss-
empfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist auch der Einzelplan des Bundesrates
einstimmig angenommen .
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt I .4 auf:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
Drucksachen 18/6108, 18/6124
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
Drucksachen 18/6124, 18/6125
Berichterstatter zum Einzelplan 08 sind die Abgeordneten André Berghegger, Hans-Ulrich Krüger, Gesine
Lötzsch und Tobias Lindner .
Berichterstatter zum Einzelplan 20 sind Michael
Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias
Lindner .
Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke .
({3})
Vielen Dank . - Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Nach den eindringlichen Worten des
Präsidenten zu Beginn unserer Sitzung fragt man sich natürlich: Wird diese Bundesregierung ihren Aufgaben gerecht? Wir als Linke müssen diese Frage leider mit Nein
beantworten . Diese Bundesregierung wird ihren Aufgaben überhaupt nicht gerecht .
({0})
Präsident Dr. Norbert Lammert
Die Bundesregierung und die Koalition aus Union und
SPD stellen sich in der Öffentlichkeit als Panikorchester
dar .
({1})
Die Dirigentin Merkel wird vom Orchester ignoriert,
und der CSU-Vorsitzende Seehofer gibt unaufgefordert
ein schräges Solo nach dem anderen . Finanzminister
Schäuble hat den Taktstock schon fest in der Hand und
gibt den Schattenkanzler . Es vergeht keine Woche, Herr
Schäuble, in der Sie nicht mit boshaften Formulierungen
die Stimmung gegen die Flüchtlinge anheizen . Sie haben
von „Lawinen“ gesprochen, als es um Flüchtlinge, also
Menschen, ging. Ich finde, das ist mit einem christlichen
Menschenbild nicht vereinbar, meine Damen und Herren .
({2})
Sie, Herr Schäuble, haben verfassungswidrige Vorschläge unterbreitet; zum Beispiel haben Sie den Einsatz
der Bundeswehr im Innern gefordert . Mindestens einmal
in der Woche ruft Herr Seehofer den Notstand aus und
sieht die Belastungsgrenze erreicht . Meine Damen und
Herren, ich bitte Sie, ich fordere Sie auf: Reden Sie lieber über die Ursachen der Flucht! Reden Sie über Krieg,
über Elend, und lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es in dieser Welt keinen Krieg mehr gibt .
({3})
Wer nun den Haushalt liest, muss relativ unaufgeregt
feststellen, dass im Haushalt von Notstand keine Rede
sein kann . Die Unterbringung und die Versorgung von
Flüchtlingen führen nicht dazu, dass der Finanzminister
neue Schulden aufnehmen muss .
({4})
Er kann das alles aus den laufenden Einnahmen finanzieren .
({5})
Das sah 2008, in der Finanzkrise, ganz anders aus:
Innerhalb einer Woche wurden 480 Milliarden Euro zur
Rettung von maroden Banken bereitgestellt . Die Steuerzahler wurden für die Kasinokosten der Banken zur
Kasse gebeten, und die Staatsverschuldung schoss in die
Höhe . Das war ein echter Notstand;
({6})
aber damals haben weder Seehofer noch Schäuble dieses
Wort in den Mund genommen, und sie waren nicht der
Meinung, dass bei 480 Milliarden Euro eine Belastungsgrenze erreicht sei . Damals hätte man von einem Notstand sprechen müssen!
({7})
Die Koalitionsfraktionen sagen nun, dass sie für 2016
circa 7,5 bis 8 Milliarden Euro für die Flüchtlinge bereitgestellt hätten . Ich sage Ihnen: Das ist nicht ganz richtig;
denn die neuen Stellen für die Bundespolizei zum Beispiel sind ja nicht in erster Linie für die psychologische
Betreuung der Flüchtlinge gedacht . Die Bundespolizisten
sollen auch dafür sorgen, dass Flüchtlinge abgeschoben
und die Grenzen dichtgemacht werden. Ich finde, das ist
nicht die richtige Priorität . Die richtigen Prioritäten für
mehr Sicherheit in unserem Land sind Integration und
die Beendigung einer nicht friedlichen Außenpolitik .
({8})
Besonders die Auseinandersetzung um die Sprachkurse für Flüchtlinge finde ich sehr bezeichnend. Finanzminister Schäuble meinte, dass die Flüchtlinge nicht
nur 1,39 Euro pro Monat für die Sprachkurse zahlen
sollen, sondern 36 Euro . Die Begründung, die aus dem
Finanzministerium zu hören war, hieß - ich zitiere -: Der
Sprach erwerb schaffe erst „die elementare Voraussetzung dafür . . . im späteren Verlauf auch andere Angebote
in Anspruch zu nehmen“ . Was ist denn das für eine Begründung?
Herr Schäuble, ich frage Sie: Wie viel Geld haben Sie
von den Bankvorständen zurückgefordert, als wir die
schlimmste Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten? Wenn es um Hartz IV, Kindergeld, Flüchtlinge
und Alleinerziehende geht, werden Sie zum Pfennigfuchser . Wenn es aber um Ihre CDU-Klientel geht, die Vermögenden, dann kennt Ihre Großzügigkeit keine Grenzen .
Wann wollen wir endlich für eine gerechte Besteuerung
der Vermögenden in unserem Land sorgen? Ich finde, das
ist die Aufgabe der Stunde .
({9})
Die von der SPD eingeführte Abgeltungsteuer war
ein Geschenk an die, die hohe Kapitaleinkünfte haben .
Allein die Dividendenkönigin des Jahres 2015, Frau
Schaeffler und ihre Familie, haben nach Berechnungen
der Wirtschaftswoche 549 Millionen Euro an Ausschüttungen eingestrichen .
({10})
Es ist doch nicht gerecht, dass Kapitaleinkünfte steuerlich besser behandelt werden als Arbeitseinkünfte . Wir
als Linke fordern die sofortige Abschaffung der Abgeltungsteuer . Dann hätten wir wesentlich mehr Geld in der
Kasse .
({11})
Mit dem Bundeshaushalt versucht die Bundesregierung nur die allernötigsten Aufgaben abzusichern . Doch
es wäre jetzt an der Zeit, einen Haushalt zu beschließen,
der unsere Zukunft absichert . Die Linke hat deshalb ein
Investitionsprogramm für die Zukunft vorgeschlagen .
Ein solches Programm würde die Erfüllung von zwei
Aufgaben gleichzeitig möglich machen: Modernisierung
unserer Gesellschaft und Integration von Flüchtlingen .
Sie alle wissen: Wir haben in Deutschland einen riesigen Investitionsstau . Investitionen in Wohnungen,
Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Theater und
Schwimmhallen sind für alle gut . Sie schaffen Arbeitsplätze für die Menschen, die schon hier sind, und für die,
die als Flüchtlinge zu uns kommen . Für solch ein Programm - das kann ich nur noch einmal unterstreichen müsste man keine neuen Schulden aufnehmen, wenn
man Vermögen gerecht besteuern würde .
({12})
Ihre Angst, meine Damen und Herren, insbesondere
von der Union, vor der Macht der Vermögenden setzt die
Zukunft unserer Gesellschaft aufs Spiel . Gerechtigkeit
geht anders .
Vielen Dank .
({13})
Das Wort erhält nun der Kollege Eckhardt Rehberg für
die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kommen wir zum Bundeshaushalt, zu in Zahlen gegossener Politik .
({0})
Frau Lötzsch, wir als Regierungsfraktionen nehmen
gerne das Lob entgegen, dass wir die Herausforderungen
des Jahres 2016 und der nächsten Jahre ohne neue Schulden meistern . Das ist Politik, die CDU, CSU und SPD
am 12 . und 13 . November gemeinsam im Haushaltsausschuss beschlossen haben . Wir haben in wichtigen Politikbereichen die Grundlage der Bundesregierung durch
Aufschläge verstärkt .
Wir werden im Jahr 2016 8 Milliarden Euro für das
Thema „Herausforderung Flüchtlinge/Asylbewerber“
ausgeben . Davon geht fast die Hälfte an Länder und
Kommunen . Hier ist die Herausforderung nicht mehr die
Höhe der Mittel, die der Bund bereitstellt, sondern die
Herausforderung ist in vielen Ländern - nicht in Bayern,
nicht im Saarland und nicht in Mecklenburg-Vorpommern -, dass das Geld, das wir als Bund an die Länder
ausreichen, auch bei den Kommunen ankommt . Das sehe
ich als gemeinsame große Herausforderung an .
({1})
Wir geben mehr als jeden zweiten Euro des Bundeshaushalts für Soziales aus . Im Jahr 2015 sind es 153 Milliarden Euro . Dieser Betrag wird im Jahr 2019 auf
172 Milliarden Euro aufwachsen . Gleichzeitig, Frau Kollegin Lötzsch, investieren wir in die Zukunft . Ich mache
das nur an zwei Beispielen klar: Im Bereich Bildung und
Forschung steigern wir die Ausgaben des Jahres 2014 bis
zum nächsten Jahr von 14 Milliarden Euro auf 16,4 Milliarden Euro - plus 2,4 Milliarden Euro -, und im Verkehrsbereich erhöhen wir die Mittel von 10,2 Milliarden
Euro auf 12,3 Milliarden Euro . Das heißt, in den letzten
drei Jahren wurden keine neuen Schulden aufgenommen,
sondern es wurden Investitionen in Wachstum und Beschäftigung, Bildung und Forschung und in die Verkehrsinfrastruktur getätigt . Wir haben, liebe Frau Lötzsch,
überhaupt keinen Nachholbedarf - weder die CDU noch
die CSU noch die SPD -, wenn es um die Sicherstellung
der Zukunft in Deutschland geht .
({2})
Ja, wir meistern die Herausforderungen . Schon im
Jahr 2015, in diesem Jahr, geben wir 5 Milliarden Euro
mehr aus . Es werden 2 Milliarden Euro für Flüchtlinge und zusätzliche Mittel für den Energie- und Klimafonds bereitgestellt . Wir entlasten Familien - Stichworte:
Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag - dieses Jahr um
750 Millionen Euro . Im nächsten Jahr wird die Entlastung der Familien gesamtstaatlich 5,5 Milliarden Euro
kosten, den Bund 2,5 Milliarden Euro . Da kann man
nun wahrlich nicht davon reden, dass sich die Regierungsfraktionen nicht den Herausforderungen stellen,
sondern - ganz im Gegenteil - das ist Ausgewogenheit:
zwischen investieren, Wachstum und Beschäftigung generieren und dabei die soziale Balance nicht aus den Augen verlieren .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor wenigen Tagen
jährte sich die Kanzlerschaft von Angela Merkel zum
zehnten Mal . In der Zeit der Regierung Merkel - das gilt
sowohl für die Große Koalition von 2005 bis 2009 als
auch für die Koalition von 2009 bis 2013 und für diese
Große Koalition - hat der Bund Länder und Kommunen
mehr unterstützt als je zuvor, und das bei Aufgaben, für
die der Bund eigentlich nicht zuständig ist; der Bundesrechnungshof kritisiert uns dafür .
({4})
Trotz der Herausforderung durch die Flüchtlinge werden wir das Zugesagte in den Jahren 2015 bis 2018 einhalten . Das heißt, wir werden an Länder und Kommunen insgesamt Mittel in Höhe von 13 Milliarden Euro
überweisen . Das kommunale Investitionsprogramm hat
ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro . Zusätzlich werden
den Ländern - ungebunden über die Verteilung der Umsatzsteuerpunkte - weitere Mittel in Höhe von 9,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt .
Hinzu kommen 18,5 Milliarden Euro im Rahmen der
Zuweisungen . Dabei geht es um Leistungen der Grundsicherung im Alter, Entflechtungsmittel, BAföG usw.
usf . Auch hier wieder ein Appell an uns alle - über alle
Fraktionsgrenzen hinweg -: Achten wir in den Ländern dort, wo wir Verantwortung tragen, aber auch dort, wo
wir in der Opposition sind - darauf, dass diese Mittel
wirklich dort ankommen, wo sie hingehören! Von diesen
18,5 Milliarden Euro gehören nämlich 11,5 Milliarden
Euro eigentlich den Kommunen . Dieses Geld darf nicht
zur Sanierung von Länderhaushalten zweckentfremdet
werden .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das, glaube ich,
muss einmal gesagt werden: Für die Jahre 2014 bis 2020
wird ein Aufwuchs der Steuereinnahmen um 152 Milliarden Euro prognostiziert . Davon entfallen 64 Milliarden Euro auf den Bund, gute 60 Milliarden Euro auf die
Länder und 21,4 Milliarden Euro auf die Kommunen .
Das heißt, von 1 Euro Steuermehreinnahmen bekommt
der Bund 44 Cent, Länder und Kommunen aber 56 Cent .
Wenn jetzt schon wieder neue Forderungen von den Ländern an den Bund herangetragen werden - Stichwort:
Unterbringung von Asylbewerbern -, muss klar und
deutlich gesagt werden: Wahr ist, dass der Bund in seinen Liegenschaften 125 000 Flüchtlinge untergebracht
hat, und auch die Herrichtungskosten für diese Liegenschaften hat der Bund getragen . Das führt bei der BImA
zu Mindereinnahmen von rund 315 Millionen Euro . Deswegen: Wenn die Länder die Herausforderung der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge als nationale
Aufgabe betrachten - so haben sie sie ja bezeichnet -,
dann erwarte ich von den Ländern, dass sie auch ihren
Beitrag zur Erfüllung dieser nationalen Aufgabe leisten
und nicht immer auf den Bund zeigen . Hier ist auch ein
Stückchen Eigenverantwortung gefragt .
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der
Koalition gemeinsam vereinbart - das war 36 Stunden
vor den Terroranschlägen in Paris -, dass wir die Nachrichtendienste personell und materiell massiv unterstützen werden . Ich glaube, das war ein guter, wichtiger und
richtiger Schritt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
und zur Bekämpfung des Islamismus, wofür zusätzliches
Personal und zusätzliche Technik eingesetzt werden sollen . Ich will jetzt aber nicht näher darauf eingehen . Ich
glaube, hier hat die Koalition vorausschauend gehandelt,
ohne einen situationsbezogenen Anlass gehabt zu haben .
Frau Lötzsch, Sie werden den Terrorismus nicht mit
irgendwelchen Friedensstiftungen bekämpfen können .
({7})
Wir werden die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt massiv weiter aufbauen . Deshalb stellen wir im
Einzelplan des Innenministeriums fast 1 Milliarde Euro
zusätzlich für die innere Sicherheit zur Verfügung . Ich
glaube, auch hier haben wir vorausschauend gehandelt,
ohne dass es dafür einen Anlass gegeben hat .
Ich denke, dass dies nicht nur deutlich macht, wie
wichtig der Regierungskoalition die innere Sicherheit ist,
sondern das ist auch eine Wertschätzung unserer Sicherheitsbehörden .
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich an
dieser Stelle wirklich ganz herzlich beim Koalitionspartner bedanken. Ich glaube, Johannes Kahrs, jeder findet
sich in dem, was wir am 13 . November gemeinsam beschlossen haben, wieder .
Ich will nur einige wenige Punkte nennen, die für die
Unionsfraktion wichtig waren . Ich glaube, es war ein
wichtiges Zeichen, dass wir die schwierige Situation der
Landwirte etwas abmildern . Wir werden 78 Millionen
Euro an zusätzlichen Mitteln für die landwirtschaftliche
Unfallversicherung bereitstellen . Das ist nicht nur, wie
manche suggerieren, eine Hilfe für die Landwirte in Bayern, sondern das ist eine Hilfe von Kap Arkona bis nach
Garmisch-Partenkirchen . Zusätzlich werden wir 30 Millionen Euro für ein Programm für die ländlichen Räume
bereitstellen . Ich glaube, gerade mit Blick auf die ländlichen Räume, auf die strukturschwachen Räume ist dies
eine gute Hilfe, um auch dem demografischen Wandel
entgegenzutreten .
({9})
Lassen Sie mich ein Letztes sagen, was nicht nur mir
persönlich, sondern auch vielen Kolleginnen und Kollegen in der Unionsfraktion seit vielen Jahren ein Anliegen
ist: Ich stehe dazu - und das gilt auch für unsere Fraktion -, dass wir 70 Jahre nach Kriegsende eine symbolische Anerkennung für sowjetische Kriegsgefangene im
Bundeshaushalt festgelegt haben . Ich glaube aber, genauso richtig ist es, dass wir auch den zivilen deutschen
Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkrieges und danach zwangsverschleppt worden sind - egal
wohin -, eine symbolische Anerkennung zuteilwerden
lassen . Ich glaube, 70 Jahre nach Kriegsende ist beides
richtig gewesen: eine symbolische Anerkennung für
sow jetische Kriegsgefangene und eine symbolische Anerkennung für das Leiden der zivilen deutschen Zwangsarbeiter .
Herzlichen Dank .
({10})
Anja Hajduk ist die nächste Rednerin für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen für den Haushalt 2016 waren sicherlich ganz besondere Haushaltsberatungen . Sie standen
von der ersten Lesung im September an bis heute unter
dem Megathema und der Herausforderung der großen
Flüchtlingsbewegungen und fanden unter den Gesichtspunkten der daraus folgenden Aufnahmebereitschaft unseres Landes und der Integration statt .
Ich will hier sagen: Die Bundesregierung und die Große Koalition haben hier, anders als in den Vorjahren - das
darf man leider nicht vergessen -, endlich reagiert: Im
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden deutlich mehr Stellen - es sind mehrere Tausend - bereitgestellt, und Integrationsmaßnahmen werden in einem
deutlich erhöhten Ausmaß finanziert. Viele verschiedene
Projekte sind bereits angepackt worden . Das heißt, Sie
haben sich bewegt . Sie haben sich auch dahin gehend bewegt, Länder und Kommunen strukturell zu unterstützen .
Aber - das muss man ebenfalls ganz nüchtern sehen -:
Sie kommen nicht aus dem Modus heraus, nur auf Sicht
zu fahren . Da Sie nur auf Sicht fahren, werden wir, wenn
es so weitergeht, die Aufgaben nicht lösen . Auf Sicht fahren, das führt zum Scheitern .
({0})
Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen .
Im Einzelplan 06 des Innenministeriums finden sich Mittel für Integration und Sprachkurse . Sie sagen: Wir machen da eine ganze Menge . Wir erhöhen die Mittel um
250 Millionen Euro und landen damit bei über 550 Millionen Euro . - Aber man muss ganz nüchtern sehen: Der
Innenminister selber hat uns dargelegt, sein eigentlicher
Bedarf liege bei zusätzlich 570 Millionen Euro . Sie wissen selber, dass Sie nur die Hälfte von dem einstellen,
was nötig ist. Dieses Auf-Sicht-Fahren ist ein Blindflug.
Hier brauchen wir eine ehrliche Weitsicht .
({1})
Ein anderes Beispiel . Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau werden erhöht . Das ist eine richtige Maßnahme und auch ein wichtiges Thema mit Blick auf die Akzeptanz in der Gesellschaft . Wir schaffen Wohnraum für
Flüchtlinge, aber auch für die Menschen in der Gesellschaft, die Unterstützung brauchen . Sie stellen dafür zusätzlich 500 Millionen Euro ein . Damit kommen wir auf
einen Betrag von 1 Milliarde Euro . Wir wissen aber: Wir
brauchen im kommunalen Wohnungsbau ein Programm,
das 2 Milliarden Euro umfasst . Auch dies ist wieder ein
Beispiel dafür, dass Sie auf Sicht fahren . Dieser Betrag
wird nicht reichen .
({2})
Das dritte Beispiel, das ich hier nennen muss, ist der
Bereich Kita und Bildung . Auch hier brauchen wir ein
besser ausgestattetes Programm . Ich sage Ihnen: Wir
Grünen legen Ihnen zu diesem Haushalt ein Paket in
Höhe von 5,2 Milliarden Euro vor, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit Flucht und Integration zu
bewältigen, aber auch um die gesellschaftliche Akzeptanz im Bereich Wohnungsbau und Bildung zu schaffen .
So ein Programm kann man solide gegenfinanzieren. Wir
wollen, dass Sie uns hier folgen .
({3})
Ein anderer Punkt . Es wird viel über Fluchtursachen
diskutiert . Da muss ich Sie fragen, Herr Schäuble: Wann,
wenn nicht jetzt, da wir über Fluchtursachen und internationale Verantwortung reden, wäre es Zeit für eine ambitionierte Klimapolitik und eine glaubwürdige globale
Entwicklungszusammenarbeit? Das würde für Deutschland bedeuten, einen Aufholplan zu entwerfen, bis 2020
das ODA-Ziel von 0,7 Prozent zu erreichen und einige
Tage vor Paris gleichzeitig das Versprechen einzulösen,
die internationale Finanzierung des Klimaschutzes durch
einen Beitrag der Geberländer in Höhe von 100 Milliarden Euro zu verstetigen .
({4})
Wir Grünen legen Ihnen einen Plan vor, wie wir bis
2020 die ODA-Quote von 0,7 Prozent und einen deutschen Beitrag von 7 bis 8 Milliarden Euro für den Klimaschutz erreichen können . Das ist alles mit unserem
Haushalt finanzierbar. Die Zahlen in Ihrem Haushalt
stagnieren aber . Sie bleiben bei einer ODA-Quote von
0,4 Prozent . Sie brechen dieses wichtige internationale
Versprechen .
Ich sage Ihnen: Sie wissen doch, wir müssen die anderen Geberländer mitnehmen . Wir mussten zur Kenntnis nehmen - darüber haben wir gesprochen -, dass die
nötige Finanzierung der Flüchtlingscamps in den Nachbarländern der von Flucht betroffenen Regionen, also
im Libanon und in Jordanien, durch den internationalen
Geberkreis nicht geleistet wird . Deswegen spreche ich
diesen Punkt an . Deutschland muss hier glaubwürdig vorangehen und die anderen Länder mitnehmen . Wir können das .
({5})
Wir dürfen darüber aber nicht nur reden, sondern das
muss sich im Haushalt 2016 und im Finanzplan abbilden .
Noch ein weiterer Blick auf den Haushalt . Wir müssen
doch die Frage stellen, ob diese Haushaltspolitik die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft ist .
Herr Rehberg, Sie haben gesagt: Hier haben wir keinen
Nachholbedarf .
({6})
Das kann nur daran liegen, dass Sie die dem Haushalt
zugrunde liegende Situation nicht wirklich ehrlich analysieren . Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen - das
wissen wir -: Die Beschäftigungslage ist wegen der demografischen Situation gut. Die Zinsen sind niedrig. Das
aktuelle Wachstum beschert uns hohe Steuereinnahmen .
Aber richtig ist auch, dass wir seit über 20 Jahren auf
Kosten unserer Substanz leben . Von 1992 bis 2012 hat
sich das private Nettovermögen auf mehr als 10 Billionen Euro verdoppelt . Gleichzeitig ist das staatliche Nettovermögen um 800 Milliarden Euro auf nahezu null geschrumpft . Das liegt daran, dass wir zu wenig investieren
und zu wenig analysieren, welch ständigen Wertverzehr
es im Haushalt gibt .
({7})
Wir brauchen mit Blick auf den Haushalt endlich eine
ehrliche Vermögensbilanz . Zusätzlich zur Schuldenbremse brauchen wir eine Investitionsregel, die das Abschmelzen des öffentlichen Vermögens verbietet .
({8})
Einen entsprechenden Antrag legen wir Ihnen ebenfalls
vor . Und wir brauchen eine wirkliche Investitionsoffensive in Deutschland .
Mein Fazit ist: Sie haben keinen verlässlichen Plan in
der Integrationspolitik . Sie haben kein Herz für die globale internationale Zusammenarbeit, und Sie haben überhaupt keinen Mut für die notwendige Investitionsoffensive, die unser Land braucht . So wird das nichts! Schauen
Sie auf unsere Anträge . Die können Sie bis Freitag noch
beschließen . Dann würde es nach vorne gehen .
Schönen Dank .
({9})
Das Wort erhält jetzt der Kollege Johannes Kahrs für
die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben jetzt von zwei Oppositionsrednern
gehört, was man sich alles wünschen kann .
({0})
- Ganz entspannt bleiben! - Kollege Rehberg hat gesagt,
was geht . Was die Opposition hier aufgezeigt hat, hat,
so finde ich, weder Perspektive, noch ist es finanzierbar
oder mit eigenem Handeln unterlegt . Deswegen sage ich:
Nett gesprochen, wenig Substanz .
Wir Sozialdemokraten zeichnen uns in dieser Koalition mit der CDU/CSU dadurch aus, dass wir hier substanzielle Vorschläge vorlegen und diese dann so finanzieren,
dass am Ende keine neuen Schulden dabei herauskommen .
({1})
Ich glaube, mehr kann man kaum machen . Dem Kollegen Rehberg möchte ich für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit danken . Gleichzeitig glaube ich, dass das,
was wir vorgelegt haben, ein guter Haushalt ist . Es ist ein
Haushalt, der die Realitäten und nicht jedes „Wünschdir-was“ abbildet .
({2})
Es weiß doch ein jeder, dass wir nur mit den vorhandenen Zahlen planen und rechnen können . Das heißt zum
Beispiel, dass wir von 800 000 Flüchtlingen ausgehen .
Dafür haben wir entsprechende Vorkehrungen getroffen .
Wir werden uns vornehmen, die Zahl der Flüchtlinge im
nächsten Jahr deutlich zu senken . Es ist, glaube ich, jedermann klar, dass es in den Jahren 2016 und 2017 nicht
so weitergehen kann wie in diesem Jahr . Auch ist jedem
klar, dass wir dafür gemeinschaftlich arbeiten müssen .
Wir wissen aber gleichzeitig, dass wir den Menschen,
die eine Bleibeperspektive haben, Integrationsmaßnahmen bieten müssen, damit sie hier ankommen und wir
mit ihnen nicht die Probleme bekommen, die es in anderen Ländern gibt . Dazu ist es wichtig, dass sie eine Perspektive haben und sich hier wohlfühlen .
Wir müssen beides tun: Auf der einen Seite muss die
Zahl der Flüchtlinge deutlich gesenkt werden, und auf
der anderen Seite müssen wir denjenigen, die hierbleiben, eine Integrationsperspektive bieten . Das ist gute
Politik . Das ist die Aufgabe in den nächsten Monaten .
Wenn wir das nicht schaffen, werden wir - übrigens auch
mit diesem Haushalt; das muss man ehrlich sagen - ein
deutliches Problem haben . Deswegen hoffen wir, dass
die Bundesregierung das, was sie plant, vernünftig hinbekommt . Dazu müssen die Vorschläge aber auch ausgewogen und umsetzbar sein . Nur wenn das funktioniert,
steht dieser Haushalt .
Wir haben im letzten Jahr gezeigt, dass wir flexibel
sind und entsprechend reagieren können . Im Notfall können wir über Nachtragshaushalte nachsteuern . Deswegen muss man jetzt kein Kaffeesatzlesen betreiben . Man
muss auch nicht darüber reden, was vielleicht noch alles
kommen könnte und was man vorausschauend machen
könnte . Jeder weiß doch, dass das nicht zielführend ist .
Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit heißt, dass
wir hier Zahlen vorlegen, von denen wir glauben, dass
sie auch noch im nächsten Jahr richtig sind . Wenn es anders kommen sollte, werden wir reagieren . Nichts ist in
Bronze gegossen, und nichts fällt einfach vom Himmel .
Vielmehr geht es hier darum, praktische Politik zu machen, die auch finanzierbar ist. Wir müssen im Großen
helfen, und zwar ganz konkret, und gleichzeitig die versprochenen Maßnahmen umsetzen .
Eine solide Finanzpolitik - das haben wir ja gesehen zahlt sich aus . Von den beiden Rednern der Opposition
haben wir gehört, dass die Umstände gut sind . Sie sind
aber nur deshalb gut, weil wir etwas dafür getan haben .
Die erfolgreiche Arbeit von Rot-Grün unter Gerhard
Schröder ist eine der Grundlagen, von denen wir heute
noch zehren . Aber auch andere positive Entwicklungen
haben zu den jetzigen Haushaltszahlen geführt .
({3})
Gleichzeitig müssen wir aber im Blick behalten, dass
die Gelder, die wir investieren, auch an der richtigen
Stelle ankommen . Deshalb reagieren wir, wo nötig, mit
Nachtragshaushalten . Das haben wir 2015 gezeigt . Wir
haben die Länder und die Kommunen entlastet . Der Kollege Rehberg hat recht: Das, was wir den Ländern und
Kommunen geben, muss aber am Ende auch da ankommen, wo es nach unser aller Überzeugung ankommen
muss . Das muss man sich dann im Ergebnis ganz genau
ansehen .
({4})
Anfang nächsten Jahres werden wir darüber diskutieren müssen, wie sich die Maßnahmen der letzten Koalitionsregierungen in Bezug auf die Unterstützung von Ländern und Kommunen strategisch und grundsätzlich auf
den Bundeshaushalt auswirken . Die Prognosen zeigen
nämlich, dass die Steuereinnahmen steigen, zumindest
bei den Ländern . Auch bei den Kommunen steigen sie
leicht . Beim Bund sinken sie . Das heißt, in Zukunft wird
es auch darum gehen, den Bundeshaushalt zu stärken,
statt davon auszugehen, dass der Bund nur zur Finanzierung von Ländern und Kommunen da ist .
({5})
Auch das ist nämlich ein Teil der Wahrheit . Der Bund ist
nicht unbegrenzt belastbar, und wir müssen dafür sorgen,
dass der Bundeshaushalt weiter solide bleibt . Auch das
gehört zu einer vernünftigen Finanzplanung .
Der Kollege Rehberg und ich haben uns in dieser Großen Koalition vorgenommen, dass wir das Anfang nächsten Jahres mit dem Bundesfinanzminister einmal durchdeklinieren, um zu sehen, wie groß der Spielraum des
Bundes in den nächsten Jahren überhaupt noch ist, und
das bei diesen guten Voraussetzungen . Wenn die Voraussetzungen sich verschlechtern, weil vielleicht die Zinsen
und der Ölpreis wieder steigen und die wirtschaftliche
Entwicklung in eine andere Richtung geht, dann wird
man vielleicht zu ganz anderen Maßnahmen kommen
müssen .
Auch das gehört zur Wahrheit: Wir können nicht wie
die Opposition einfach sagen: „Wir verteilen auf ewig,
und es wird schon weiterhin so gut bleiben“, sondern wir
müssen in guten wie in schlechten Zeiten entsprechend
reagieren . Wir müssen einen Haushalt vorlegen, der beidem gerecht wird .
Ein Blick in den Haushalt zeigt, dass wir zum Beispiel
im Etat des Bundesaußenministers 400 Millionen Euro
zusätzlich zur Bekämpfung der Fluchtursachen vorgesehen haben . Ich halte das für vernünftig, und ich möchte
mich insbesondere bei den Berichterstattern für den Etat
für wirtschaftliche Zusammenarbeit bedanken . Es sind
viele Hundert Millionen Euro für die Bekämpfung der
Fluchtursachen umgeschichtet worden .
Das heißt, wir haben Schwerpunkte gesetzt und das
Geld konzentriert und vernünftig eingesetzt . Ich glaube,
dass das eine gute Sache ist, die uns gemeinschaftlich
gelungen ist . In allen Haushalten ist es notwendig, darauf zu achten, dass das Geld gezielt dort eingesetzt wird,
wo es gebraucht wird . Vielleicht kann man auch die eine
oder andere liebgewonnene Ausgabe darauf überprüfen,
ob sie weiterhin sinnvoll und zeitgemäß ist .
Gleichzeitig haben wir alles dafür getan, damit insbesondere diejenigen in diesem Land, die helfen und Arbeit
leisten, unterstützt werden . Wir haben viel dafür getan,
dass die Arbeit von Freiwilligen und Ehrenamtlichen
koordiniert und unterstützt wird . Ich möchte mich ganz
herzlich dafür bedanken, dass wir das mit allen Fraktionen so vernünftig und im Konsens hinbekommen haben .
({6})
Ich glaube aber auch, dass es wirklich wichtig ist, dass
wir etwas für die Bundespolizei getan haben . Die Bundespolizei ist bei Einsätzen vor Ort ständig gefordert:
vom Fußballspiel am Wochenende bis hin zu irgendwelchen Demonstrationen . Teilweise werden die Polizisten
in Hundertschaften durch die ganze Republik gefahren .
Weil wir der Meinung sind, dass in diesem Bereich etwas
getan werden muss, wollen wir hier investieren, insbesondere in die Anschaffung von drei neuen Schiffen für
die Bundespolizei . Dem Kollegen Rehberg und der Kollegin Hagedorn sei Dank . Ich halte das als Zeichen der
Anerkennung für notwendig .
Gleichzeitig haben wir auch das THW unterstützt . Wir
haben 200 neue Stellen für das THW und eine Erhöhung
der Selbstbewirtschaftungsmittel um 8 Millionen Euro
für dieses Jahr und die nächsten beiden Jahre vorgesehen .
({7})
Wir haben gleichzeitig die Erstattung der Verdienstausfälle der ehrenamtlichen Helfer vorgesehen . Ich glaube,
dass diese Hilfe bei denjenigen, die vor Ort helfen, ankommt. Das ist doch praktische Politik. Diese Politik findet sich im Haushalt wieder .
Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst mit 10 000
neuen Stellen ausbauen . Ich glaube, dass man das gar
nicht hoch genug einschätzen kann, weil man dadurch
flexibel reagieren kann. Wir hoffen, dass das auch entsprechend ankommt . Wir haben aber auch für den sozialen Wohnungsbau und für viele andere Dinge Geld vorgesehen .
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir müssen aber
aufpassen, dass auch die Dinge, die wir uns außerdem
vorgenommen haben, wie die Neuordnung des Arbeitsmarkts oder die Einführung des Bundesteilhabegesetzes,
umgesetzt werden . Die Menschen in diesem Land würden es nicht verstehen, wenn wir uns nur um Flüchtlinge
und Integration kümmerten, aber die wesentlichen anderen Aufgaben in diesem Land liegen blieben .
Vielen Dank .
({8})
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Axel
Troost das Wort .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Flüchtlingsströme haben vieles, aber nicht alles verändert . Wir haben nach wie vor viele alte Probleme, die sich
jetzt aber dramatisch zuspitzen .
Wir haben seit Jahren kaputtgesparte Verwaltungen,
die nun mit der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen erst
recht überfordert sind . Wir haben ausgeblutete Kommunen, die schon seit Jahren ihre Infrastruktur vernachlässigen und jetzt vor einer Fülle neuer Bedarfe stehen .
({0})
Wir haben uns nicht nur um die Flüchtlinge zu kümmern,
die ab dem nächsten Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen,
sondern wir müssen uns auch um die Millionen Langzeitarbeitslosen und Niedriglöhner kümmern, weil diese
Menschen es erstens verdient haben und weil wir zweitens keine zunehmende Anzahl an Rechtsradikalen auf
unseren Straßen und in unseren Parlamenten haben wollen .
({1})
Für Soforthilfen an die Kommunen, für sozialen
Wohnungsbau, für Bildung, Berufsqualifikation und ArJohannes Kahrs
beitsmarktprogramme brauchen wir kurzfristig Gelder,
und zwar wesentlich mehr als bisher vorgesehen . Die
staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, hat
einen wunderbaren Bericht fertiggestellt, in dem sie die
Bedarfe im Einzelnen beschreibt . Es ist faktisch notwendig, diese Gelder wahrscheinlich ab dem nächsten Jahr
über Kredite zu finanzieren. Ob dabei die schwarze Null
eingehalten wird oder nicht, ist aus unserer Sicht völlig
uninteressant .
({2})
Denn diese Investitionen werden sich, wenn sie halbwegs
vernünftig durchgeführt werden, politisch und finanziell
auszahlen . Wenn wir jetzt anfangen, keine Ausgaben zu
tätigen, um die sinnlose Symbolpolitik der schwarzen
Null zu verteidigen, wird sich das bitter rächen .
({3})
Noch mehr zur Finanzierung: Die Flüchtlingsfrage ist
eine gesamtdeutsche Aufgabe, für welche der Bund in
der Pflicht ist. Wir haben für diese Aufgabe ein aus unserer Sicht optimales Finanzierungsinstrument, nämlich
den Solidaritätszuschlag . Angesichts der neuen und der
alten Aufgaben wäre es aus unserer Sicht grundlegend
falsch, den Soli abzuschaffen oder auslaufen zu lassen .
Wir haben auch den grundgesetzlichen Auftrag zu erfüllen, die wirtschaftliche Abkopplung strukturschwacher
Gebiete in Ost und West zu verhindern .
({4})
Wir haben einige Kommunen, denen es einigermaßen
gut geht. Aber die Mehrzahl der Kommunen ist finanziell
wirklich schlecht dran . Schon seit 14 Jahren leben unsere
Kommunen bei Schulen, Straßen, Turnhallen und vielem
anderen aus Finanznot auf Verschleiß, sind Abschreibungen auf kommunaler Ebene größer als die Investitionen .
Deswegen brauchen wir zusätzliche Gelder .
Damit bin ich bei der Steuerpolitik . Unser Steuersystem ist in den letzten 20 Jahren immer ungerechter und
defizitärer geworden. Das bringt mich zur Erbschaftsteuer; denn hier erwarten wir in den nächsten Monaten entsprechende Veränderungen . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, insbesondere lieber Kollege Kahrs,
euer Parteivorsitzender Sigmar Gabriel
({5})
hat im Bundeskabinett dem Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der Erbschaftsteuer zugestimmt . Weil dieser
Entwurf schlecht gemacht ist, wird er jetzt im parlamentarischen Verfahren neu aufgerollt . Er ist aber nicht nur
handwerklich, sondern auch politisch schlecht gemacht .
({6})
Seit der Reform unter Peer Steinbrück ist die Erbschaftsteuer für wirklich Reiche zu einer „Dummensteuer“
verkommen . Nur wer einen schlechten Steuerberater hat,
muss überhaupt noch zahlen .
({7})
Ab zweistelligen Millionenbeträgen sind Erbschaften
und Schenkungen nahezu steuerfrei, weil sie als Betriebsvermögen fast immer verschont werden . Ihr Gesetzentwurf wird daran nichts ändern .
({8})
- Das können wir gerne einmal ausdiskutieren, Kollegen .
({9})
Über 99 Prozent der Erbschaften mit Betriebsvermögen wären quasi automatisch steuerbefreit . Wenn das
nicht automatisch geht, dann ist das mit einem kreativen
Anwalt durchaus so gestaltbar . Damit können weiter wie
bisher gigantische Vermögen steuerfrei in die nächste
Generation übertragen werden - Kollege Kauder, auch
Ihre Aufregung wird an den Fakten nichts ändern -, um
dann zur Erwirtschaftung von Renditen und damit zur
weiteren Vermögenskonzentration genutzt zu werden .
Im Ergebnis wird die Schere zwischen Arm und Reich
immer weiter aufgehen . Der Gesetzentwurf, der bisher
vorliegt, ist daher völliger Murks .
({10})
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
SPD: Wenn ihr jetzt nicht versucht, ein Gesetz mit einer
linken Handschrift zu machen - was wollt ihr denn dann
überhaupt in der Regierung? Es geht nicht nur darum,
dass mit diesem Gesetzentwurf Milliarden Euro an Steuereinnahmen für die Länder verschenkt werden,
({11})
es geht darum, dass ihr an der ungleichen Vermögensverteilung nichts verändert und der weiteren Konzentration
von Reichtum sogar noch Vorschub leistet .
({12})
Ein kleiner Geldadel von 1 Prozent der Bevölkerung
besitzt schon jetzt mehr als ein Drittel des gesamten Vermögens in der Bundesrepublik .
({13})
Ein Gesetzentwurf, der dieses Problem jetzt nicht angeht,
ist eine Kapitulation . Deswegen, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, gerade in dieser Frage: Wenn ihr
kämpft, dann könnt ihr verlieren, aber wenn ihr nicht
kämpft, dann habt ihr schon verloren, und das geht zulasten der Länder und Kommunen .
({14})
Wir müssen versuchen, eine wirkliche Veränderung
bei der Erbschaftsteuer herbeizuführen . All denen, die
hier so herumschreien, sage ich: Es hat in der letzten
Woche - unter anderem vom DIW und dem Wirtschaftsdienst organisiert - einen Kongress zur Frage der Reichtumsentwicklung und der Reichtumsbesteuerung hier in
Berlin gegeben . Leider war von Ihnen keiner anwesend .
Sonst hätten Sie Fakten bekommen, die belegen, dass die
Schere zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik
Deutschland immer weiter auseinandergeht .
({15})
Danke schön .
({16})
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Bemerkungen des Kollegen Troost veranlassen mich,
zunächst einen Hinweis darauf zu geben, dass wir in einem nicht einfachen weltwirtschaftlichen Umfeld sind
und dass die grundlegende Herausforderung, vor der wir
bei allen politischen Entscheidungen stehen, ist, dass wir
unter den Bedingungen dieser immer enger werdenden
weltweiten Verflechtung, die wir Globalisierung nennen,
eine solide, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten müssen . Wir müssen dafür sorgen, dass unsere wirtschaftliche und finanzpolitische Linie so ist, dass
wir uns die soziale Absicherung, den sozialen Standard
und unser Lebenshaltungsniveau erwirtschaften können .
Das ist unter den Bedingungen der Globalisierung außergewöhnlich anspruchsvoll und kompliziert .
Wir stehen im Wettbewerb um nahezu jeden Arbeitsplatz, auch auf globaler Ebene . Die Globalisierung ist
eine große Herausforderung an unsere Wettbewerbsfähigkeit . Darum geht es auch in innereuropäischen Debatten . Deswegen ist es auch so kompliziert, bei der Frage
der Besteuerung von Substanz nationale Regelungen zu
treffen; denn diese können dazu führen, dass das Steuersubstrat nicht mehr vollständig im Inland ist, die Arbeitsplätze verlagert werden und die Wirtschaftsleistung nicht
mehr hier erbracht wird . Wir sind daher bei der Substanzbesteuerung auf die Regeln der Klugheit angewiesen, denen zu folgen auch sonst gar nicht falsch ist . Was Sie gesagt haben, würde vielleicht zu mehr Gleichheit führen,
aber auf der Grundlage, dass alle gleich arm sind . Das ist
nicht die Politik, mit der wir unsere Herausforderungen
bewältigen können .
({0})
Sie haben vielleicht heute Morgen, um ein aktuelles
Beispiel zu nennen, von den Überlegungen eines großen
amerikanischen pharmazeutischen Unternehmens gelesen, ein anderes pharmazeutisches Unternehmen für einen Milliardenbetrag - da wird auch den Linken schummerig - zu übernehmen und gleichzeitig den Firmensitz
nach Irland zu verlegen, aus Gründen, die absehbar sind .
Das zeigt, wie unendlich wichtig und zugleich schwierig
es ist, in den globalen Bemühungen nicht nachzulassen .
Wir haben im Rahmen der OECD und beim G-20-Gipfel
in Antalya mit der Verabschiedung der BEPS-Grundsätze
wichtige Ergebnisse erreicht . Aber wir sind erst am Anfang . Wir müssen darauf achten, dass unsere Steuerbasis
nicht erodiert und dass unsere wirtschaftliche Leistungskraft, die die Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere
Aufgaben bewältigen können, nicht nachlässt .
({1})
Das müssen wir bei der Erbschaftsteuer wie bei allen
steuerlichen Fragen berücksichtigen .
Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, ist:
Das weltwirtschaftliche Umfeld ist nicht ganz so schön .
Ja, Frau Hajduk, wir sind noch in einer ganz guten Lage .
Es ist übrigens eigentlich nicht so schlecht, dass die Globalisierung gerade angesichts dieser außergewöhnlichen
Herausforderung, die wir vor ein paar Monaten in dieser Geschwindigkeit, in diesem Ausmaß nicht vorhergesehen haben, in einem solchen Maße konkret wird . Die
Geschwindigkeit haben wir alle miteinander noch vor ein
paar Monaten nicht vorhergesehen . Die Kritik, dass wir
doch den finanzpolitischen Handlungsspielraum hätten,
darauf zu reagieren, akzeptiere ich gern. Ich finde noch
immer, es ist gar nicht schlecht, dass wir dazu in der Lage
sind .
Wir können übrigens im kommenden Jahr diese Aufgabe ohne neue Schulden erfüllen; das habe ich schon bei
der Einbringung des Bundeshaushaltes Anfang September - damals habe ich von „wenn möglich“ gesprochen gesagt . Ich habe Anfang September ebenfalls gesagt - ich
will es wiederholen -, dass ich nach wie vor der Meinung
bin - ich glaube, ich bin darin mit den Kolleginnen und
Kollegen der Koalitionsfraktionen völlig einig -, dass
die Frage, was zur Bewältigung dieser Herausforderung
notwendig ist, erste Priorität hat und dass die Frage, ob
wir das nur mit Schulden oder ohne schaffen, die zweite
Priorität hat . Das heißt aber nicht, dass wir uns in allen
anderen Bereichen ebenfalls alles leisten können . So sind
Prioritäten nicht zu verstehen . Das spiegelt dieser Haushalt wider, und deswegen ist es ein guter Haushalt .
Ich verweise auf die Überschüsse, die wir in diesem
Jahr durch die von Ihnen beschriebene Entwicklung haben . Lassen Sie mich mit allem Respekt, kurz bevor die
Kommunen und die Länder völlig verarmt sind, darauf
hinweisen: Wenn die Steuereinnahmen für den Bund
sprudeln, müssen sie denknotwendig - die Prozentrechnung ist so - in paralleler Weise auch für Länder und Gemeinden steigen . Wer das bestreitet, hat wenig Ahnung .
({2})
Wenn wir es im kommenden Jahr ohne ein neues Defizit schaffen, dann schaffen wir dies nur - auch das muss
klar sein -, weil wir die Überschüsse aus diesem Jahr
im Bundeshaushalt des kommenden Jahres verwenden .
Dass unsere Handlungsspielräume deswegen nicht größer werden, ist richtig . Insofern ist es gut, dass wir in
diesem Haushalt rund 8 Milliarden Euro zusätzlich für
die Bewältigung dieser großen Herausforderung einsetzen . Die Hälfte dieser Summe geht an die Länder . Sie
erhalten als Vorabzahlung 3,637 Milliarden Euro . Spitz
abgerechnet wird am Ende des Jahres . Die endgültige
Summe hängt von der Antragsdauer und vom Umfang
des weiteren Zugangs ab, den keiner kennt . Wir hoffen,
dass er zurückgeht, Herr Kahrs; aber noch wissen wir es
nicht .
Auch deswegen müssen wir ein bisschen auf Sicht
fahren . Daran ist nichts Schlechtes . Diejenigen, die sagen: „Egal was passiert: Wir haben unseren Plan“, sind
in der Geschichte immer gescheitert . Diejenigen, die auf
Sicht fahren, haben der Menschheit sehr viel mehr Gutes
ermöglicht .
({3})
Auch daran muss man gelegentlich erinnern . Daher hat
mich Ihr Vorwurf, Frau Hajduk, dass wir auf Sicht fahren, wirklich überrascht. Ich finde, es ist eher ein Kompliment . Wir sind in der Lage, auf die Realität zu reagieren, und sagen nicht: Was kümmert uns die Realität? Wir
haben doch unseren Plan . - Das ist lange versucht worden, mit desaströsen Ergebnissen . So zu handeln, dazu
rate ich nicht .
({4})
Herr Minister, darf Frau Hajduk Ihnen eine Zwischenfrage stellen?
Aber bitte . Natürlich .
Herr Minister, nachdem Sie dankenswerterweise auf
eine meiner Bemerkungen eingegangen sind, möchte ich
sie erläutern . Mein Vorwurf ist so zu verstehen, dass Sie
vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Analyse, die uns zum
Beispiel der Innenminister vorgelegt hat, auf Sicht fahren, obwohl Sie andere Erwartungen haben . Sie haben,
bezogen auf das Anwachsen der Flüchtlingszahl, die Erwartung eines ganz anderen Integrationsbedarfes . Diesen
Bedarf habe ich auch mit knapp 600 Millionen Euro beziffert . Sie haben in diesem Haushalt aber nur die Hälfte
dieser Summe veranschlagt . Ich glaube, dass diese Art
des Auf-Sicht-Fahrens, mit der Sie innerhalb eines Jahres
hinter dem Bedarf zurückbleiben, falsche und mangelhafte Vorbereitungen auslöst . Wir haben es beim BAMF
erlebt: Wir waren zu spät dran, sind deswegen zu langsam und haben in Teilen große Probleme . Das habe ich
jetzt ein bisschen vereinfacht beschrieben .
Das Risiko, nicht angemessen zu reagieren, ergibt
sich, wenn man hinter dem Bedarf, der sich für ein Jahr
abzeichnet - ich behaupte nicht, dass ich weiß, was in
fünf Jahren ist -, zurückbleibt . Daher halte ich Ihr AufSicht-Fahren für verantwortungslos, für etwas, was Frust
produzieren und auch dazu führen kann, dass man der
Aufgabe nicht gerecht wird .
({0})
Erstens, Frau Kollegin Hajduk, ich finde, es ist eigentlich das Wesen parlamentarischer Debatten, dass man auf
Argumente eingeht und antwortet . Es soll ja Rede und
Gegenrede sein . Der Präsident ermahnt uns gelegentlich
dazu .
Zweitens glaube ich, dass auch Sie nicht wissen, so
wenig wie ich und so wenig wie der Kollege Kahrs, wie
viele Zugänge an Migranten wir im kommenden Jahr haben werden . Sie wissen, dass auch die Berechnung im
Hinblick auf die Länder auf der Annahme beruht, dass es
eine bestimmte Verfahrensdauer beim BAMF und eine
bestimmte Zahl gibt . Wir haben gesagt: Wir werden am
Ende des Jahres sehen, wie viele es denn werden . Davon
hängt übrigens auch ab, wie viele Mittel wir für Integrationskurse brauchen .
Wenn Sie mir auch die Bemerkung noch erlauben: Ich
glaube, die Frage, warum die Verfahren bei uns so lange
dauern, hat wenig mit Geldausstattung zu tun und viel
mit der Komplexität unserer rechtlichen Regelung . Wir
haben uns endlich darangemacht, das ein Stück weit so
zu beschleunigen, dass die Verfahren nicht viel perfektionistischer und komplizierter sind als in allen anderen
Ländern Europas und der Welt; das ist doch der entscheidende Punkt .
({0})
Da haben Sie als Partei der Grünen noch ein bisschen
Gelegenheit, auf Sicht zu fahren .
Weil wir den Haushalt insgesamt oder jetzt den Einzelplan des Bundesfinanzministeriums bereden, würde ich gern noch eine Bemerkung machen - neben den
Themen der Migration, der inneren Sicherheit und den
vielen Stellen, die die Polizei und die Sicherheitsdienste dringend brauchen und die sie auch in einem hohen
Maße bekommen -: Das Problem werden auch da, wie
beim BAMF, nicht die Stellen sein - das habe ich immer
gesagt -, sondern die Menschen, die die Stellen besetzen;
denn die müssen erst dafür ausgebildet werden . Deswegen haben wir beispielsweise mit Blick auf die Kontrolle
der Schwarzarbeit gesagt: Wir müssen die Geschwindigkeit des weiteren Ausbaus reduzieren . Wir haben die
Zöllner gebeten, auf freiwilliger Basis zum BAMF zu
gehen . - Die haben das auch in einem hohen Maß und in
flexibler Weise getan. Wir brauchen also nicht nur Stellen
und Geld; wir brauchen auch die Leute, und wir brauchen
solche Vorschriften, dass man effizient arbeiten kann. Da
haben wir Spielraum .
Ich will aber noch darauf hinweisen, dass wir an
unserem Kurs, den wir zu Beginn des Jahres schon
eingeschlagen haben, nämlich Investitionen in die Infrastruktur, in die Verkehrsinfrastruktur, in die digitale
Infrastruktur, zu verstärken, konsequent festhalten, dass
wir das Programm zur Förderung von Investitionen in
finanzschwächeren Kommunen konsequent fortsetzen,
dass das 10-Milliarden-Zukunftsinvestitionsprogramm
konsequent fortgeführt wird . Darüber hinaus haben wir
im Zuge dessen jetzt auch noch die Mittel für den sozialen Wohnungsbau - eine Aufgabe, die nach dem Grundgesetz den Ländern zusteht - von 500 Millionen Euro
auf 1 Milliarde Euro jährlich erhöht . Darüber hinaus sind
wir seit der letzten Besprechung der Bundeskanzlerin mit
den Ministerpräsidenten mit den Ländern im Gespräch,
ob wir für den Mietwohnungsbau auch noch Steueranreize setzen . Bisher hat der Bundesrat immer gesagt,
er sei nicht bereit, irgendeiner Steuermaßnahme, die zu
einer Minderung der Einnahmen führt, zuzustimmen .
Nachdem diese Position aufgegeben worden ist, haben
wir vereinbart: Wir führen jetzt zwischen Bund und Ländern Gespräche, ob wir auch noch begrenzte steuerliche
Anreize zur Förderung des Mietwohnungsbaus setzen
können . - Das heißt, wir arbeiten an allen Stellen daran,
auch die Investitionstätigkeit zu verstärken . Es geht darum, dass wir bei begrenzten Mitteln - damit hat es die
Haushaltspolitik immer zu tun - unsere Aufgaben erfüllen können .
Im Übrigen will ich daran erinnern, dass wir bei der
Aufstellung des Bundeshaushalts, schon bei den Eckwerten im Frühjahr, und bei der mittelfristigen Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt durch das Kabinett beschlossen wird, die Mittel für
die Entwicklungszusammenarbeit in einem Maße erhöht
haben, das alle Beteiligten überrascht hat . Wir erhöhen
diese Mittel konsequent . Das war in den abschließenden
Beratungen nicht mehr der zentrale Schwerpunkt, weil
das vorher schon enthalten war .
Was die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen
angeht: Zur Vorbereitung auf den Pariser Gipfel haben
wir gerade in Antalya und zuvor in Peru beraten . Wir haben einen Bericht bekommen, der zeigt, dass wir, was
die Einhaltung der Zusage dieser 100 Milliarden Euro ab
2020 betrifft, auf einem guten Weg sind, dass die Bundesrepublik bei dieser Entwicklung Vorreiter ist und dass
der Anteil der öffentlichen Mittel dabei besonders hoch
ist . Natürlich haben wir begrenzte Mittel, aber wir setzen
sie zielgerichtet ein, und wir handeln konsequent .
Dann will ich eine Bemerkung machen - wir fahren
insofern auf Sicht, ich habe das im Haushaltsausschuss
schon erwähnt, als mein Einzelplan dort abschließend beraten worden ist -: Ich weiß gar nicht, ob die Mittel, die
im EU-Haushalt für 2016, der ja erfreulicherweise vergangene Woche zum ersten Mal einstimmig verabschiedet worden ist, für die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und mit den Ländern aus der Region, aus der
die Flüchtlinge kommen, zur Verfügung gestellt worden
sind, ausreichend sind; ich habe da meine Zweifel . Aber
auch da muss ich auf Sicht fahren . Es kann sein, dass der
europäische Haushalt im kommenden Jahr zusätzliche
Mittel braucht, die - das habe ich im Haushaltausschuss
erläutert - nicht aus dem mittelfristigen Finanzrahmen
der EU erwirtschaftet werden können . Das kann dann bedeuten, dass wir auch dafür zusätzliche Mittel in unserer
nationalen Finanzpolitik unterbringen müssen .
Dass wir die Mittel für den UNHCR enorm aufgestockt haben, dient ja genau dem Ziel, dass wir in einer
globalen Zusammenarbeit - das kann Europa nur gemeinsam meistern - in einer besseren Lage sind, mit den
Migrations-, den Wanderungsbewegungen weltweit so
umzugehen - man muss ja vorsichtig formulieren -, dass
daraus nicht andauernde und sich vergrößernde Stabilitätsrisiken entstehen . Das ist die eigentliche Herausforderung . Dem dient unsere Politik, und dem dient auch
unsere Finanzpolitik .
Dazu will ich dann doch die Bemerkung machen: Voraussetzung dafür ist, dass wir wirtschaftlich leistungsfähig sind, dass wir die finanziellen Voraussetzungen haben
und die Instrumente bewahren, um auch in der Zukunft
handlungsfähig zu sein, und dass wir diese Politik auch
wieder und wieder in Europa durchsetzen; denn wenn
Europa insgesamt nicht mehr Solidarität, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Leistungsstärke entwickelt,
dann wird Europa angesichts dieser globalen Herausforderungen seine Aufgabe nicht erfüllen können . Die Bundesregierung tut alles, um Europa zu stärken . Wir zeigen
europäische Solidarität . Aber wir fordern sie auch von
anderen ein .
({1})
Wir müssen es bei der Umsetzung der Regeln zum
internationalen Steuerrecht - BEPS habe ich erwähnt machen . Wir müssen es genauso machen bei der Finanzmarktregulierung; wir müssen darauf achten, dass die
Finanzmarktregulierung weitergeht .
Aber wir müssen auch darauf achten, dass jedes Mitgliedsland in Europa seine Verpflichtungen erfüllt. Das
neue Beispiel haben wir jetzt mit dem Thema Einlagensicherung . Wenn wir über das Thema Bankenunion reden,
dann muss klar sein, dass die europäischen Systeme so
gemacht werden, dass die Mitgliedstaaten in ihrer Entschlossenheit, das umzusetzen, wozu sie sich verpflichtet haben, nicht geschwächt werden . Sonst schafft man
ordnungspolitisch die falschen Anreize . Was geschieht,
wenn man Ländern die Möglichkeit bietet, sich auf das
Risiko anderer zu verschulden, das haben wir in der Euro-Krise zu lange erlebt .
Im Übrigen haben wir gerade am Montag die nächste
Tranche für Griechenland in Höhe von - wenn Sie es zusammenrechnen - 12 Milliarden Euro freigegeben . Also:
Der Kampf für ein leistungsfähiges Europa, das in dieser
globalen Herausforderung unsere Aufgaben mit leisten
kann, bleibt eine Herausforderung . Wir leisten mit unserer Finanzpolitik dazu einen wesentlichen Beitrag . Auch
dafür bitte ich das Hohe Haus weiterhin um Unterstützung .
Herzlichen Dank .
({2})
Das Wort erhält nun der Kollege Tobias Lindner für
die Fraktion der Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vor gut zehn Wochen,
Anfang September, diese Haushaltsberatungen mit der
ersten Lesung hier im Hohen Hause begonnen . Viele von
uns standen damals noch unter dem Eindruck der Bilder, die wir unter anderem aus München gesehen haben,
wo an einem Wochenende mehr als 10 000 Menschen
in unserem Land Zuflucht gesucht haben und freundlich empfangen worden sind . Am 9 . September hat die
Bundeskanzlerin hier an diesem Platz gesagt - ich zitiere
wörtlich -:
Ich bin überzeugt, dass wir es nicht nur können, sondern dass wir, wenn wir es gut machen, wenn wir es
mutig angehen, wenn wir nicht verzagt sind, sondern Ideen suchen, wenn wir kreativ sind, letztlich
nur gewinnen können .
Meine Damen und Herren, ich stimme der Bundeskanzlerin an dieser Stelle zu .
({0})
Wenn wir dann an diesen Haushaltsplan, den wir heute
beraten, diesen von Ihnen selbst gewählten Anspruch legen, wenn wir uns diesen Haushaltsplan anschauen, dann
müssen wir leider feststellen:
({1})
Sie sind nicht mutig gewesen,
({2})
Sie waren nicht vorausschauend,
({3})
Sie waren verzagt, und Sie treten auf der Stelle .
({4})
Dieser Haushalt, meine Damen und Herren, ist ein Haushalt der verpassten Chancen, und ich sage: Es ist leider
ein Haushalt der verpassten Chancen .
({5})
Lieber Johannes Kahrs, du hast ja über Nachtragshaushalte gesprochen und meintest: Na ja, wenn dann
etwas anfällt bei dem Auf-Sicht-Fahren, dann korrigieren wir das . - Das hat aber nicht nur nichts mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu tun, sondern das
nimmt den vielen Ehrenamtlichen in diesem Land, das
nimmt den Hilfsorganisationen, die Fluchtursachen bekämpfen sollen, das nimmt den Ländern und Kommunen
die Planungssicherheit, die sie jetzt bräuchten angesichts
der großen mittel- und langfristigen Aufgabe, die Integration in unserem Land erfolgreich zu bewältigen .
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, bevor Sie sich jetzt hier gegenseitig irgendetwas
zurufen müssen:
({7})
Wir geben ja durchaus zu, dass Sie nicht nichts gemacht
haben . 3 Milliarden obendrauf zum Entwurf - das ist
nicht nichts . Aber Sie haben die Arbeit eingestellt, wenn
es darum geht, zu bedenken: Was kommt denn nach der
Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung? Was
heißt denn erfolgreiche Integration, Spracherwerb, Bildung, Integration in den Arbeitsmarkt?
({8})
Da können Sie eben heute schon sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die vorgesehenen Mittel nicht
ausreichen werden . Unter anderem deshalb schlagen wir
ein Programm für sozialen Wohnungsbau in einem Umfang von 2 Milliarden Euro vor, weil wir wissen, dass wir
heute das Geld in die Hand nehmen müssen, damit wir
morgen und übermorgen die Wohnungen haben, die wir
in diesem Land brauchen .
({9})
Sie investieren in diesem Haushalt, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Großen Koalition, nicht nur zu wenig, nein, Sie investieren leider auch falsch . Sie hecheln
der schwarzen Null hinterher und fahren dabei dieses
Land auf Verschleiß, und Sie geben das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dabei nicht gut aus . Ja,
es ist richtig: Sie haben die humanitäre Hilfe erhöht; das
erkennen wir an . Aber wenn Sie wahrnehmen, wie groß
die Herausforderung ist, wenn Sie wahrnehmen, dass
weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht
sind - so viel wie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht
mehr -, wenn Sie wahrnehmen, dass Deutschland in der
Vergangenheit immer etwa 9 bis 10 Prozent der humanitären Hilfe gestemmt hat, und wenn Sie dann den Bedarf
sehen, der weltweit besteht, dann ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist eben nicht genug, was Sie in
diesen Haushaltsplan einstellen . Und wenn wir über den
UNHCR reden: 25 oder 30 US-Dollar, die ein Flüchtling
im Nahen Osten im Monat für die Lebensmittelversorgung hat, werden niemanden davon abhalten, sein Land
zu verlassen und sich auf den Weg nach Europa zu machen . Das ist ein Versagen vor den Herausforderungen
unserer Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({10})
Jetzt reden wir einmal darüber, was es heißt, Geld der
Bürgerinnen und Bürger gut auszugeben . Herr Schäuble,
der Bundesrechnungshof hat Ihnen letzte Woche mit seinen Bemerkungen eine ganze Menge ins Stammbuch geschrieben . Er hat nicht nur festgestellt, dass der Bund bei
der Besteuerung von Körperschaften jährlich auf mehr
als 600 Millionen Euro an Steuereinnahmen verzichtet,
die ihm eigentlich zustehen, nein, er hat auch festgestellt,
dass Sie überhaupt kein Konzept haben, wenn es um Onlineeinkäufe bei ausländischen Unternehmen geht .
An dieser Stelle sollten vielleicht auch Sie, Herr
Dobrindt, Ihre Ohren spitzen . Ihrem Haus wirft er unter
anderem vor, dass Sie Neubauprojekte beginnen, obwohl
es keine abgeschlossenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gibt . Statt das Geld in die Hand zu nehmen und
unsere öffentliche Infrastruktur zu erhalten, statt Schienenstrecken zu reparieren, statt Schlaglöcher zu stopfen,
beginnen Sie Bauprojekte, von denen Sie noch nicht einmal wissen, ob sie wirtschaftlich sind . Nein, so geht man
nicht ordentlich mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler um, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({11})
Wir Grüne haben Ihnen in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, wie ein Haushalt aussehen würde, der vorausschauend und gerecht ist . Wir haben über 400 Änderungsanträge zu diesem Haushalt gestellt . Wir wollten,
dass umweltschädliche Subventionen gestrichen und
neue Prioritäten gesetzt werden . Auch wir wären dabei
ohne Schulden ausgekommen und hätten die Weichen in
diesem Haushalt Richtung Zukunft gestellt .
Sie haben uns heute einen Haushalt der verpassten
Chancen vorgelegt . Wir werden Ihnen in dieser Woche
zeigen, wie ein Haushalt, der vorausschauend, gerecht,
mutig und zukunftsorientiert ist, aussehen könnte .
Ich danke Ihnen .
({12})
Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege
Carsten Schneider .
({0})
- Herr Kahrs, Sie wollten doch damit nicht andeuten,
dass Ihre nicht in diesen Kreis gehört?
({1})
Bitte schön .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
wir im September mit den Haushaltsberatungen begonnen haben, hatten wir drei Ziele: erstens, die nachhaltige
Finanzpolitik fortzusetzen und die Herausforderungen,
die vor uns liegen, möglichst ohne neue Schulden zu bewältigen; zweitens, die humanitären Katastrophen, die
dazu geführt haben, dass sich viele Flüchtlinge zu uns auf
den Weg gemacht haben, zu bewältigen, ihnen Obdach zu
geben und vor allen Dingen sie - langfristig - nicht nur
unterzubringen, sondern auch zu integrieren; drittens, der
Investitionsschwäche des Staates, die von Frau Hajduk
angesprochen wurde, zu begegnen . Ich stelle fest: Mit
dem Vorschlag, den wir Ihnen hier präsentieren können,
werden wir all diesen drei Punkten gerecht .
Ich will mich bei den Kolleginnen und Kollegen des
Haushaltsausschusses ganz herzlich bedanken . Es war
schwere und harte Arbeit, aber sie ist gelungen . Ich sage
der Koalition, aber auch der Opposition: Es ist in so
schwierigen Zeiten, wo man sich auch in einer Koalition
das eine oder andere Mal streitet - in manchen Parteifamilien etwas intensiver -, gut gewesen, dass ihr solide
wart und einen Haushalt vorgelegt habt, dem man unbedingt zustimmen kann .
Wir haben - Kollege Rehberg ist darauf eingegangen noch einen vierten Punkt eingearbeitet, und das war vor
den Anschlägen in Paris . Uns war klar, dass 1 Million
Flüchtlinge in diesem Land eine besondere Stresssituation für die Bevölkerung und damit auch für die Frage der
gesellschaftlichen Sicherheit darstellen . Wir haben aus
diesem Grund Mittel sowohl für Maßnahmen der Repression als auch für solche der Prävention verstärkt, sowohl
bei den Nachrichtendiensten als auch bei den Programmen, die auf Demokratie und Toleranz zielen . Ich glaube,
dass das kluge Entscheidungen in einer nicht einfachen
Situation waren .
Wir haben die Investitionen noch einmal deutlich verstärkt . Das können wir nur, weil wir in einer sehr guten
wirtschaftlichen Lage sind . Ich habe mir heute die Zahlen
des Statistischen Bundesamtes noch einmal angesehen .
Woher kommt das Wachstum eigentlich? Es ist zum ganz
großen Teil binnenmarktgetrieben . Die Binnennachfrage
steigt: der private Konsum um 0,6 Prozent, der staatliche Konsum um 1,3 Prozent . Die Ursachen hierfür liegen
in höheren Tarifabschlüssen und in der Einführung des
Mindestlohns, den wir Sozialdemokraten durchgesetzt
haben . Ich warne alle davor, die Frage des Mindestlohns
mit der Frage der Flüchtlinge zu verknüpfen;
({0})
das wäre ein Spaltpilz für die Gesellschaft . Das Wachstum hat ferner damit zu tun, dass wir die Steuern dort, wo
es zu zusätzlichen Belastungen durch die kalte Progression kam, gesenkt haben und dass wir die steuerlichen
Freibeträge erhöht haben . Wir haben insbesondere auch
die Freibeträge für die Alleinerziehenden, die seit 2004
nicht mehr angepasst worden waren, auf über 1 800 Euro
deutlich erhöht. Auch hier finden sich die Leitlinien der
Sozialdemokraten wieder .
({1})
Wir werden in diesem Jahr eine Rentenerhöhung von
4 bis 5 Prozent haben; auch sie ist dank der guten wirtschaftlichen Lage möglich . Das sind im Schnitt monatlich 60 Euro mehr, die bei den Rentnerinnen und Rentnern ankommen .
Natürlich werden wir in den nächsten Jahren vor finanziellen Belastungen stehen . Es gibt Kollegen, die zu
mir kommen und sagen: Die fetten Jahre sind vorbei . Das mag sein . Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir
das Geld, die finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die Flüchtlinge zu integrieren und zu befähigen, nicht Leistungsempfänger, sondern
Leistungsträger zu werden . Dann haben wir eine Rendite,
die nicht nur humanitär, sondern auch gesellschaftspolitisch sinnvoll ist .
({2})
Da gibt es natürlich immer die Frage: Wo kommt das
Geld eigentlich her? Kollege Troost hat die Frage der
gerechten Verteilung angesprochen . Das ist natürlich für
Sozialdemokraten immer zentral: Wer zahlt hier eigentlich wie viel? Es gibt da auch Unterschiede in der Koalition; das ist ganz klar . Aber wir haben zwei wahnsinnig
große Schritte gemacht, die ich mir nicht hätte träumen
lassen .
Der erste Schritt ist der automatische Informationsaustausch über Banknoten und Vermögen . Da will ich
mich bei Bundesfinanzminister Schäuble ausdrücklich
bedanken . Der automatische Informationsaustausch führt
dazu, dass Privatvermögen nicht mehr versteckt werden
kann . Über 90 Länder auf der Welt haben das Abkommen unterzeichnet . Es gab in Deutschland prominente
Fälle, in denen die Betreffenden ihr Geld in der Schweiz
geparkt haben und auf die Zinsen keine Steuern zahlen
wollten . Wenn man so viel Geld hat, dass man Zinsen
erhält, und dann nicht mal hier die Steuern zahlt, ist das
asozial . Dem haben wir jetzt einen Riegel vorgeschoben;
dieses Geld muss künftig versteuert werden .
Jetzt sind wir bei der Frage des Steuersatzes . Ich sage
Ihnen für die Sozialdemokraten ganz klar: Die Abgeltungsteuer bringt - anders, als Frau Lötzsch es gesagt
hat - nicht bei den Dividenden einen Vorteil, aber bei den
Zinserträgen, weil ein Steuersatz von nur 25 Prozent vorgesehen ist, während die Einkommensteuer im Zweifel
höher sein kann . Das müssen wir so schnell wie möglich
beseitigen .
({3})
Wir wollen, dass die Einkommen aus Zinsen und Kapitalerträgen genauso besteuert werden wie die Einkommen
aus Arbeit .
({4})
- Frau Kollegin Andreae, wir sind da ja sofort dabei .
Die Frage ist: Wieso ist es eigentlich dazu gekommen?
Der erste Grund war eine Initiative der oftmals von vielen Leuten geschmähten Vereinigten Staaten von Amerika . Sie haben mit dem FATCA-Abkommen sehr hart
dafür gesorgt, dass die Banken ihre Bücher offenlegen;
auch andere Länder haben dann zugestimmt .
Der zweite Grund war eine politische Entscheidung in
Deutschland .
({5})
Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen hätten wir den Ablasshandel für ewig festgeschrieben, und
es hätte niemals einen automatischen Informationsaustausch gegeben .
({6})
Ich will auch sagen: Da war Norbert Walter-Borjans
als Finanzminister von NRW derjenige, der am meisten
getrieben hat . Ich bin froh, dass er sich an dieser Stelle
durchgesetzt hat und wir dieses Abkommen verhindert
haben . Damit haben wir jetzt bei allen Einkommen die
gleiche Grundlage der Besteuerung und keine Verstecke
mehr .
Der zweite Meilenstein, den wir erreichen werden, betrifft BEPS. Wir hatten Schlupflöcher bei den privaten
Vermögen, und wir haben sie immer noch bei internationalen Konzernen, die ihre Steuerlast mehr oder weniger
in die Länder schieben, in denen die geringsten Steuersätze gelten . Es ist erstens asozial gegenüber der Gesellschaft - ich sage das ganz klar -, wenn Unternehmen die
legale Möglichkeit nutzen, Absprachen mit Staaten zu
treffen, um ihre Steuerlast auf 1 oder 2 Prozent zu reduzieren .
({7})
Es führt zweitens zu einer Wettbewerbsverzerrung .
Nehmen wir nur Amazon . Es ist nicht nur ein Buchhändler, aber wir nehmen mal das Beispiel Bücher . Mein
Buchhändler in Erfurt oder in Weimar zahlt vor Ort nicht
nur Miete für die Räume in Innenstadtlage - das ist nicht
billig -, sondern auch den vollen Satz der Körperschaftsteuer . Er zahlt den vollen Satz, weil er keine Absprachen
mit dem Finanzminister oder den Beamten in Luxemburg
darüber treffen kann, wie viel Steuern er zu zahlen hat .
Amazon kann das, Amazon konnte das .
Ich bin dem Europäischen Parlament sehr dankbar,
dass es das Thema der legalen Steuergestaltung innerhalb
der Europäischen Union ganz oben auf die Agenda gesetzt hat, es transparent gemacht hat . Wir brauchen jetzt
die politischen Mehrheiten im Europäischen Parlament,
aber auch im Bundestag, um es internationalen Konzernen so schwer wie möglich zu machen, ihre Steuerlast in
Niedrigsteuerländer zu verschieben . Dieses Steuerdumping werden wir Sozialdemokraten immer bekämpfen .
Ich hoffe, wir haben den Bundestag da auch an unserer
Seite .
({8})
Ich erteile dem Kollegen Ralph Brinkhaus für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem
die Haushaltsdebatte irgendwie zur Steuerdebatte mutiert
ist,
({0})
muss man vielleicht mal eines klarstellen: Es hat keine
Bundesregierung, kein Finanzminister so viel gegen internationale Steuerhinterziehung und -verkürzung getan
wie unser Finanzminister Wolfgang Schäuble . Das gehört auch zur Wahrheit dazu, meine Damen und Herren .
({1})
Ich würde gerne über den Haushalt reden und möchte
meine Ausführungen unter drei Überschriften subsumieCarsten Schneider ({2})
ren . Die erste Überschrift ist „Lob und Dank“, dann kommen „Vorsicht“ und „Zuversicht“ .
Fangen wir mit Lob und Dank an . Wir nehmen es mittlerweile als Selbstverständlichkeit hin, dass wir wieder
einmal trotz aller Fährnisse und Gefahren einen Haushaltsplan mit einer schwarzen Null vorgelegt haben . Das
haben Generationen unserer Vorgänger nicht hingekriegt .
Das ist etwas Besonderes . Dass etwas Besonderes gelungen ist, liegt nicht nur an der guten Wirtschaftsleistung,
die wir in diesem Land haben, liegt nicht nur an den niedrigen Zinsen, sondern liegt auch an der vorausschauenden und guten Haushaltspolitik .
Wenn man sich überlegt, welche Rucksäcke wir uns
dabei noch aufgeladen haben: Wir haben diese schwarze
Null nämlich geschafft ohne Steuererhöhung, ohne neue
Steuern, und - Sie haben darauf hingewiesen - wir haben
die Steuern durch den Abbau der kalten Progression und
durch die Erhöhung der Freibeträge sogar gesenkt . Wir
haben sehr viel Geld an die Kommunen und Länder gegeben; Kollege Rehberg hat darauf hingewiesen . Wir haben
die Investitionen erhöht, auch für die Kommunen . Wir
geben mehr Geld für Bildung und Forschung aus . Und
wir tragen als einziges Land in Europa, vielleicht neben
Schweden, eine unglaubliche Last infolge der Menschen,
die zu uns kommen . Allein im nächsten Jahr wird die Zusatzbelastung des Bundeshaushaltes - je nachdem, wie
man es rechnet - 8 bis 9 Milliarden Euro betragen .
Für all das gilt allen Beteiligten mein großes Dankeschön; denn das war nicht einfach . Unsere Haushälter
mussten kurzfristig improvisieren, sie mussten priorisieren, sie mussten umschichten . Sie mussten vor allen
Dingen ganz viel Nein sagen . Das muss man den Haushältern hoch anrechnen; denn die Kunst, Nein zu sagen,
ist nicht ganz einfach . Dafür braucht man ein dickes Fell
und einen breiten Rücken, und beides haben sie . Dafür
ganz herzlichen Dank .
({3})
Die zweite Überschrift lautet „Vorsicht“ . Wir müssen in der Tat vorsichtig sein, weil in diesem Haushalt
natürlich Risiken enthalten sind, und zwar nicht nur auf
der Ausgabenseite - Thema Migration, Thema innere Sicherheit, Thema äußere Sicherheit -, sondern auch auf
der Einnahmenseite . Es ist nicht selbstverständlich, dass
die Steuereinnahmen so gut sind . Deswegen müssen wir
viel Kraft darauf verwenden, dass das so bleibt und dass
wir unseren Wirtschaftsstandort stärken .
({4})
Wir müssen aber auch vorsichtig sein, dass wir uns
insgesamt nicht übernehmen . Ich hatte in den letzten Wochen ein Gespräch mit einem ausländischen Kollegen . Er
fragte mich: Was packt ihr Deutschen euch eigentlich
alles in euren Rucksack hinein? Im weiteren Verlauf dieses Gespräches wurde klar, was er meinte: Wir sind der
größte Nettozahler innerhalb der Europäischen Union,
wir stabilisieren mit unseren Garantien maßgeblich die
Euro-Zone, wir haben eine sehr ehrgeizige Energiewende, die viel kostet, auf den Weg gebracht, und wir haben umfangreiche Sozialpakete in den Bereichen Rente,
Krankenhaus und Pflege auf den Weg gebracht. Wir sind
nicht nur dabei, der Einwanderungsströme in irgendeiner Art und Weise, auch mit finanziellen Mitteln, Herr
zu werden und eine vernünftige Finanzausstattung zu
gewährleisten, sondern wir investieren auch in innere
Sicherheit .
Da stellt sich schon die Frage: Was können wir eigentlich noch tragen? Was kann man noch draufpacken? Der
ausländische Kollege hat mir dann gesagt: Das könnt
ihr so lange stemmen, solange eure Wirtschaftsleistung
gut ist . Aber was macht ihr eigentlich, wenn es mit der
Wirtschaft bergab geht? Und er sagte noch etwas - und
das ist ganz entscheidend -: Das ist dann nicht nur euer
Problem, sondern das ist auch unser Problem, weil ihr
mit eurer Wirtschaft die Lokomotive in Europa seid . Ihr
zieht den Karren in Europa . Wir im Rest von Europa
sind darauf angewiesen, dass eure Wirtschaft und euer
Land funktionieren . - Das sollten wir immer beachten,
wenn wir uns wieder etwas Neues in unseren Rucksack
hi neinpacken .
({5})
Wir müssen auch vorsichtig sein, weil die ersten
Stimmen laut werden, die fordern, dass die nationale
Schuldenbremse oder die europäische Schuldenbremse,
der Fiskalpakt, wegen der Migration, wegen der inneren Sicherheit und wegen der äußeren Sicherheit gelockert oder ausgesetzt werden sollen . Meine Damen und
Herren, es ist die Entscheidung dieser Generation, zu
sagen: Wir nehmen in unserem Land Einwanderer und
Flüchtlinge auf . Es ist die Herausforderung dieser Generation, dass wir Probleme mit der inneren und äußeren
Sicherheit haben . Andere Generationen treffen neue Entscheidungen . Sie werden vor neuen Herausforderungen
stehen: Klimawandel, Rohstoffknappheit und was sonst
noch kommen mag . Deswegen ist es meines Erachtens
nicht legitim, die Belastungen, die wir heute haben, auf
die nächste Generation zu verschieben . Wir sollten daher
nicht darüber nachdenken, an der Schuldenbremse oder
am Fiskalpakt zu rütteln .
({6})
Wir müssen aber auch vorsichtig sein, weil - der Bundesrechnungshof hat es uns schriftlich gegeben - mittlerweile eine große Unwucht bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen entstanden ist .
({7})
Worum geht es? Wir geben sehr viel Geld aus - Eckhardt
Rehberg hat es ausgerechnet: von 2010 bis 2018 mehr als
125 Milliarden Euro -, um Länder und die Kommunen
seitens des Bundes zu unterstützen . Bei den Regionalisierungsmitteln, also den Mitteln für den öffentlichen
Schienenpersonennahverkehr, haben wir noch einmal
kräftig etwas draufgelegt . Meine Damen und Herren, das
kann nicht so weitergehen . Wir müssen da wieder Klarheit reinbringen . Wir müssen klare Verhältnisse schaffen .
Deswegen müssen wir die Bund-Länder-FinanzbezieRalph Brinkhaus
hungen neu ordnen . Das ist auch im Sinne unseres Bundeshaushaltes eine ganz wichtige Aufgabe .
Wir müssen vorsichtig sein, weil es in der Politik eine
ungünstige Entwicklung gibt . Natürlich ist es wichtig,
dass wir im Moment sehr viel über Migration reden . Wir
haben aber die Tendenz - das gilt auch für die Medien -,
eine serielle Ein-Thema-Politik zu betreiben . Im August
haben wir nur über Griechenland gesprochen, jetzt sprechen wir nur über Migration und demnächst vielleicht leider - nur über innere Sicherheit . Wir dürfen bei all
den Herausforderungen nicht vergessen, das Ganze im
Blick zu behalten - nicht nur die Haushaltskonsolidierung, sondern auch die anderen großen Projekte -: die
Euro-Stabilisierung, die geplante Energiewende, die soziale Gerechtigkeit in diesem Land . Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, dass wir diesen Wirtschaftsstandort
zukunftsfähig halten . Deswegen müssen wir über den
Tellerrand hinausschauen .
Die dritte Überschrift lautet „Zuversicht“ . Wir können
eigentlich zuversichtlich sein, weil wir auch in diesem
Haushalt noch Reserven haben . Damit meine ich nicht,
dass wir irgendwo kürzen sollten, sondern ich meine,
dass wir anfangen sollten, jeden Euro effektiver und effizienter auszugeben, damit wir für jeden Euro mehr Autobahn bekommen, damit wir für jeden Euro, den wir in das
System stecken, eine bessere Integration der Langzeitarbeitslosen bekommen, damit wir mit jedem Euro, den
wir investieren, mehr gegen den Klimawandel und für
die Energiewende tun und, und, und . Ich glaube, das sind
große Aufgaben . Da haben wir noch einiges zu erledigen .
({8})
Ich bin auch deswegen zuversichtlich, weil ich an unsere starke Wirtschaft glaube . Wir haben eine gesunde
Wirtschaft, bestehend aus familiengeführten mittelständischen Unternehmen, großen Unternehmen, kapitalmarktorientierten Unternehmen . Das Thema Erbschaftsteuer
ist schon angesprochen worden, lieber Axel Troost . Wir
müssen aufpassen, dass wir diese Struktur nicht kaputtmachen; denn diese Struktur ist die Basis für unseren
wirtschaftlichen Erfolg, für hohe Steuereinnahmen und
für gute Haushaltsergebnisse .
({9})
Ich bin zuversichtlich, dass wir im Bereich Migration
gute Entscheidungen treffen werden . In den vergangenen fast 70 Jahren haben wir es immer geschafft, gute
Entscheidungen zu treffen . Ich bin davon überzeugt,
dass wir die Balance finden werden zwischen unserem
berechtigten Anspruch auf Menschlichkeit, Humanität
und Nächstenliebe auf der einen Seite und dem genauso berechtigten Anspruch darauf, das Ganze zu ordnen,
zu steuern, zu reduzieren und zu begrenzen . Das ist eine
große Aufgabe, der wir uns im nächsten Jahr stellen müssen .
Letztlich bin ich zuversichtlich, wenn ich mir anschaue, was dieses Land in den letzten sieben Jahren
geleistet hat: Wir hatten 2008 eine Bankenkrise, danach
eine Wirtschaftskrise, danach eine Euro-Krise und eine
Staatsverschuldungskrise . Das, was Angela Merkel in
ihren Regierungserklärungen immer wieder gesagt hat,
ist richtig: Wir gehen aus diesen Krisen stärker hervor,
als wir hineingegangen sind . Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung der Menschen in diesem Land .
Erst recht stolz bin ich auf das, was wir in den letzten
sieben Monaten geleistet haben, in denen viele Menschen
sich aus ganz unterschiedlichen Gründen entschieden haben, zu uns zu kommen . Wann hat es das in der Weltgeschichte schon einmal gegeben, dass binnen eines halben
Jahres fast 1 Million Menschen aufgenommen wurden,
die noch dazu nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft
kommen - sie kommen nicht aus Holland, Frankreich
oder so -, sondern aus anderen Erdteilen mit einer anderen Kultur, mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen? Wir
alle zusammen, die Politiker, die Hauptamtlichen und die
Ehrenamtlichen, haben es geschafft, dass jeder von ihnen
ein Dach über dem Kopf hat, dass er genug zu essen hat,
dass er Bekleidung und eine medizinische Versorgung
hat . Ich glaube, das ist etwas, worauf wir stolz sein können . Das sollten wir nicht immer wieder kleinreden .
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir
diese Zuversicht bei aller Vorsicht und allen berechtigten
Zweifeln bezüglich dessen, was in den nächsten Jahren
passieren wird, mit in das kommende Haushaltsjahr nehmen; denn Zuversicht ist das, was wir am dringendsten
brauchen .
({10})
Das Wort erhält jetzt der Kollege Hans-Ulrich Krüger
für die SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das dritte Jahr in Folge wird ein Bundeshaushaltsplan - für das Jahr 2016 ist ein Etat von 317 Milliarden
Euro vorgesehen - ohne neue Schulden vorgelegt . Stetig
wachsende Steuereinnahmen, ein guter, hoffnungsvoller
Arbeitsmarkt, aber auch die niedrigen Zinsen sind eine
wesentliche Grundlage für die von uns zum dritten Mal
zu Recht selbstbewusst zu feiernde schwarze Null . Mir
ist dabei allerdings auch bewusst - Kollege Kahrs sprach
es schon an -: Die Herausforderungen für den Bund werden nicht weniger, sondern mehr werden . Die Kosten für
die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge als
fundamentale Aufgabe sind hier zu nennen . Es ist richtig,
wenn der Bund die Länder und Kommunen in Milliardenhöhe bei der Aufnahme und Unterbringung kostendeckend unterstützt . Es ist ebenso richtig und wichtig, dass
diese Mittel vollständig bei denen ankommen, für die wir
sie aus dem Bundeshaushalt bereitstellen, nämlich bei
den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vor Ort .
({0})
Darüber hinaus gibt es allerdings auch ambitionierte Herausforderungen im Rahmen unserer demografischen Entwicklung . So werden beispielsweise die Leistungen des
Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung von derRalph Brinkhaus
zeit 84 Milliarden Euro auf 98 Milliarden Euro im Jahr
2019 steigen . Sie sehen also: Die schwarze Null ist auch
vor diesem Hintergrund eine beeindruckende Leistung .
Lassen Sie mich nun noch einige Ergebnisse vortragen, die wir in den abschließenden Haushaltsausschusssitzungen erzielt haben .
Besonders gefreut hat mich, dass wir uns auf zusätzliche 10 000 Stellen beim Bundesfreiwilligendienst verständigt haben .
({1})
Hierfür sind 50 Millionen Euro bereitgestellt worden .
Das Angebot an Frauen und Männer, sich außerhalb von
Beruf und Schule für die Allgemeinheit zu engagieren,
lohnt sich. Junge Menschen, häufig vor Beruf und Studium, sammeln praktische Erfahrungen und Kenntnisse .
Eine weitere Erfolgsstory ist das Elterngeld . Die Geburtenrate in unserem Land geht wieder nach oben .
({2})
Das ist sicherlich auch ein Erfolg des Elterngeldes, dessen Bedarf wir mittlerweile - auch das ist Teil unseres
Haushalts - mit 6 Milliarden Euro prognostizieren .
Lassen Sie mich noch ein Wort über das Technische
Hilfswerk verlieren . Mit über 80 000 ehrenamtlichen
Helfern hat uns diese Organisation in den letzten Wochen und Monaten effektiv unter die Arme gegriffen .
Kaum eine Hilfsorganisation hat sich derart große Verdienste erworben . Das ist eine herausragende Leistung .
Wir konnten dafür sorgen, dass die 668 Ortsverbände
des THW über die bloße Aufwandsentschädigung hinaus
8 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für ihre Arbeit
vor Ort erhalten .
({3})
Ferner konnten 208 neue Planstellen geschaffen werden;
denn eine solche Struktur kann nicht nur ehrenamtlich
geführt werden . In diesem Sinne gebührt unser großer
Dank dem THW mit seiner beeindruckenden Leistung .
({4})
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch erwähnen, dass wir weitere 5 Millionen Euro für den Erwerb
von Feuerwehrfahrzeugen für Zwecke des Zivilschutzes
bereitgestellt und im Haushalt verankert haben .
Nun noch ein Wort zum Personal . Das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, erhält 4 000
neue Stellen . Diese gibt es zusätzlich zu den 3 000 neuen
Stellen bei der Bundespolizei und zusätzlich zu den 300
neuen Stellen beim BKA . Das alles ist richtig und gut .
Jetzt geht es nur um eine einzige Frage - das ist natürlich
auch eine Frage der Administration -: Wie schaffen wir
es - bildlich gesprochen -, diese PS, die wir im Bundeshaushalt bereitstellen, auf die Straße zu bringen? Wie
können wir dies umsetzen, damit die Bürgerinnen und
Bürger vor Ort sehr schnell sehen, dass sich das, was der
Bundestag hier verabschiedet, in diesem und jenem bemerkbar macht?
Es ist in den Haushaltsberatungen mehrfach angesprochen worden: Sprache ist ein Schlüssel zur erfolgreichen
Integration . Das ist richtig . Wie man kleinreden kann,
dass wir die Mittel für Sprach- und Integrationskurse um
250 Millionen Euro auf insgesamt 559 Millionen Euro
erhöhen, erschließt sich mir nicht; denn all diese Maßnahmen - auch die 559 Millionen Euro - dienen dazu,
eine entsprechende Antwort auf die aktuelle Situation zu
geben .
Lassen Sie mich zum Abschluss noch kurz zwei Dinge erwähnen, die unmittelbar im Haushalt des Bundesfinanzministers angesiedelt sind .
Zum einen wurde in diesem Haushalt 2016 nach vielen Bundesratsinitiativen vermerkt: Der Bund nimmt
sich bei der Mitfinanzierung der Beseitigung alliierter
Weltkriegsmunition selbst in die Pflicht. - Bisher war es
so, dass der Bund lediglich die Kosten der sogenannten
reichseigenen Munition zu tragen hatte . Das ändern wir .
Insgesamt stehen 60 Millionen Euro für die Jahre 2016
bis 2019 zur Verfügung, 60 Millionen Euro, die gerade
Ländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo noch viele Bombenblindgänger festgestellt bzw . vermutet werden, zugutekommen werden .
({5})
Zum anderen haben wir in den Haushaltsberatungen
2016 Haushaltsvermerke fortgeschrieben - der Kollege
Rehberg erwähnte die entsprechende Zahl ganz kurz -,
deren Grundlage wir schon im Nachtrag 2015 gelegt hatten, und zwar bezüglich der Änderung der BImA-Richtlinie zum verbilligten Erwerb von Liegenschaften . Mittlerweile ist es so: Kommunen können von der BImA
verbilligt, also mit bestimmten Abschlägen, Konversionsflächen kaufen. Der Abschlag beträgt 350 000 Euro
pro Vertrag . Sofern dort Flüchtlinge untergebracht werden, kommen weitere 150 000 Euro hinzu . Eine Kommune, die sich der Herausforderung der Aufnahme von
Flüchtlingen stellt bzw . stellen muss, hat diese Möglichkeit . Alternativ hat sie die Möglichkeit, die entsprechenden Objekte nach Herrichtung durch die BImA mietzinsfrei anzumieten . Last, not least kann sie im Falle von
Geschosswohnungsbau einen Zuschuss von 25 000 Euro
pro neu geschaffener Wohnung erhalten, wenn sie sich
dieser Aufgabe, dieser zusätzlichen Aufgabe, widmet .
Herr Kollege .
Insgesamt entspricht das allein für das kommende
Haushaltsjahr einer Entlastung in Höhe von 315 Millionen Euro . Ich denke, das kann sich sehen lassen .
Ich danke Ihnen .
({0})
Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
meinem Beitrag in der ersten Lesung dieses Bundeshaushalts habe ich unter anderem ausgeführt, dass der
Wohlstand in Europa ganz wesentlich davon abhängt,
ob Europa zusammenhält, ob die europäischen Länder zusammenhalten . In den letzten Wochen kam es zu
Ereignissen, die noch sehr viel deutlicher machen, wie
notwendig es ist, dass die Europäische Union und die europäischen Länder in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten, dass allen Tendenzen des Auseinanderdriftens
entgegengewirkt werden muss und Europa noch enger
zusammenrücken muss .
Leider haben wir in der Frage der Bewältigung der
Flüchtlingskrise noch längst keine Einigkeit in Europa .
Hier werden wir noch stärker darauf angewiesen sein,
dass sich Europa als Solidargemeinschaft versteht . Solidarität ist nun einmal keine Einbahnstraße, sondern hat
zwei Richtungen . Alle stehen gemeinsam in der Verantwortung, und alle sollten sich dessen bewusst sein .
({0})
Auch wir in Deutschland sehen uns auf Bundesebene
in der Verantwortung, auch gegenüber den Ländern und
Gemeinden, nicht nur mit Blick auf die Interessen des
Bundes . Deswegen haben wir im Bundeshaushalt dafür
Sorge getragen - es ist schon erwähnt worden -, dass die
Länder und Gemeinden bei der Bewältigung der enormen Flüchtlingsströme unterstützt werden . Wir treffen
auch Vorsorge dafür, dass wir die Herausforderungen,
die sich sowohl für den Bundeshaushalt als auch für die
Haushalte von Ländern und Gemeinden ergeben, auch
im kommenden Haushaltsjahr, im Haushaltsjahr 2016,
bewältigen können .
Wir stehen zweifellos vor großen Herausforderungen .
Wir unterstützen, wie gesagt, die Länder und Gemeinden . Wir leisten gleichzeitig auch eine verstärkte humanitäre Hilfe . Ich bin sehr froh darüber, dass wir die
notwendigen Entscheidungen - der Kollege Rehberg hat
das ausgeführt - unabhängig von den zwischenzeitlich
eingetretenen Ereignissen in Frankreich und rechtzeitig
getroffen haben . Sie geben unseren Sicherheitsdiensten
mehr Möglichkeiten und sorgen letztlich dafür, dass für
die Bürger mehr Sicherheit gewährleistet werden kann .
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
im Bundeshaushalt Vorsorge getroffen, sowohl finanziell als auch von der Stellenausstattung her, dass den
Notwendigkeiten, die es beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge, bei der Bundespolizei und beim THW Kollege Krüger hat gerade darüber gesprochen - gibt,
entsprochen und für die erforderlichen Ausstattungen,
auch in personeller Hinsicht, gesorgt werden kann . Wir
tun mehr für die Integration und auch mehr für die soziale Absicherung .
Dieser Bundeshaushalt ist aber nicht nur durch die hohen Flüchtlings- und Zuwanderungszahlen gekennzeichnet . Es soll nicht übersehen werden, dass dieser Haushalt
auch ein Investitionshaushalt ist und dass er zum Ausdruck bringt, wie sehr die Regierungskoalition den Familien und den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft gerecht wird . Das haben wir auch dadurch erreicht, dass im
Sommer ein großes Paket familienpolitischer Leistungen
und steuerlicher Entlastungen beschlossen wurde, das
jetzt natürlich umzusetzen ist .
Aus unserer wirtschaftsfreundlichen Haushaltspolitik
hat sich ergeben, dass wir heute insgesamt gut dastehen .
Wir haben so viele versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie nie zuvor in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland .
({2})
Über 43 Millionen Menschen erwirtschaften bei uns im
Lande das Bruttoinlandsprodukt . Sie garantieren damit
Wohlstand und soziale Sicherheit und sorgen selbst für
sich und ihre Angehörigen .
({3})
Demzufolge haben auch alle öffentlichen Kassen eine
gute Einnahmesituation . Das hängt ja eng und unmittelbar damit zusammen .
Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang einmal
sagen: Diese guten Ergebnisse sind auch ein Ergebnis
der hervorragenden und erfolgreichen Kanzlerschaft von
Angela Merkel in den letzten zehn Jahren . Das dürfen
wir voller Dank und Anerkennung sagen .
({4})
Es ist ja nicht die erste große Herausforderung, vor der
wir stehen . Auch in der ersten Großen Koalition gab es
enorme Herausforderungen und Ereignisse, die sozusagen über Nacht auf uns hereingestürzt sind . Ich denke
dabei zum Beispiel an die Bankenkrise und an die Finanzkrise .
Ich habe vorhin davon gesprochen, dass es sich bei
diesem Bundeshaushalt um einen Investitionshaushalt
handelt . Wir haben das 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm aufgelegt und werden die Umsetzung konsequent fortführen . Das sind wichtige Voraussetzungen
dafür, dass sich unsere wirtschaftliche Situation auch in
den nächsten Jahren gut darstellen wird . Wir waren beispielsweise auch in der Lage, die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zu erhöhen . Es war
uns sehr wichtig, der Landwirtschaft in einer schwierigen Zeit unter die Arme zu greifen, wie wir das für andere Branchen in anderen Zeiten und anderen Situationen
ebenfalls getan haben . Das ist gelungen, und darüber
freuen wir uns .
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen
zuwanderungsbedingten Akzenten, die zu setzen waren,
wollen wir natürlich weiterhin sicherstellen, dass sich
unsere Wirtschaft gut entwickeln kann . Deswegen muss
ich den Steuerplänen, die Herr Troost zum Ausdruck gebracht hat, natürlich eine klare Absage erteilen .
({6})
Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute, die bei uns arbeiten und bei uns etwas unternehmen, es in Deutschland
so gut finden, dass sie sagen: Hier ist es gut. Hier wollen
wir unsere Fähigkeiten entwickeln . Hier wollen wir auch
zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen .
Wenn uns gelingt, was wir in den letzten Jahren zustande gebracht haben - ein Haushalt ohne neue Schulden, ohne Steuererhöhungen -, dann setzen wir für die
Zukunft ein richtiges und gutes Zeichen .
Herzlichen Dank .
({7})
Das Wort erhält nun der Kollege Lothar Binding für
die SPD-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr
viel über die Aufstellung des Haushalts und die geplanten Ausgaben gehört . Für 2016, denke ich, ist das auch
sehr gut gelungen . Dafür kann man der Arbeitsgruppe für
Haushalt der SPD und der Arbeitsgruppe der CDU/CSU
nur danken .
Ich spreche hier über die Einnahmen . Dafür brauchen
wir eine langfristige Strukturpolitik . Ihr habt im Rahmen
der Möglichkeiten gute Arbeit gemacht . Unsere Aufgabe
ist aber, diese Möglichkeiten zu erweitern . Steuerpolitik
ist eben die unverzichtbare Grundlage für einen soliden
Haushalt .
({0})
Wir sind allen Bürgerinnen und Bürgern und auch den
Unternehmen dankbar, die sich an der finanziellen
Grundlage mit fast 300 Milliarden Euro beteiligen; denn
sie erbringen die eigentliche Leistung . Wir kümmern uns
dann nur noch um eine faire Verteilung .
Kurzfristig sind wir in einer wirklich sehr guten Lage .
Die Frage ist aber, ob wir langfristig auf der Einnahmeseite strukturell gut aufgestellt sind . Dahinter muss man
doch ein paar Fragezeichen setzen . Meine Kollegen haben schon darauf hingewiesen, welche Bedeutung der
niedrige Ölpreis für unsere Entwicklung, der Euro für
den Export, die niedrigen Zinsen und die hohe Beschäftigungsquote haben . Wir sehen: Vieles stabilisiert unseren
Haushalt für das kommende Jahr . Aber es gibt hohe Zukunftsrisiken, auf die es zu achten gilt .
Wenn man die Leute fragt, was den größten Anteil an
den Steuereinnahmen ausmacht, dann ist manchen gar
nicht klar, dass das die Lohn- und Einkommensteuer und
die Mehrwertsteuer sind . Man muss aber einmal schauen,
wer den größten Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer trägt . Das sind jedenfalls
nicht die ganz Reichen .
({1})
Insofern gibt es auf der Einnahmeseite verschiedene Dinge, um die wir uns besonders kümmern .
Eine Sache ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung; dazu haben wir schon viel gehört . Carsten Schneider hat vorhin die Bekämpfung von
BEPS, Base Erosion and Profit Shifting, angesprochen.
Das ist sicherlich ein ganz großes Problem . Er hat auch
vom automatischen Austausch von Informationen über
Finanzkonten gesprochen . Auch dadurch wird Steuerhinterziehung bekämpft . Wir haben auch schon Erfolge bei
der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs .
Wir wollen die Finanztransaktionsteuer einführen .
Hier sind wir dem Bundesminister dankbar, der auf einem guten Weg ist, die Einführung dieser Steuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit den Europäern
zu erreichen . Ein Wermutstropfen dabei: Aktien werden
möglicherweise nur mit 80 Prozent, Derivate nur mit
90 Prozent, und Anleihen nur mit null Prozent berücksichtigt . Daran müssen wir arbeiten .
({2})
Trotzdem ist mein Dank ernst gemeint; denn wir wissen,
wie schwer die Verhandlungen in Europa sind .
({3})
Insgesamt meinen wir, dass es ein Fehler ist, den Steuertopf zu durchlöchern . Ich will einige Beispiele nennen,
die zeigen, dass einzelne Branchen durchaus Sonderregelungen in Anspruch nehmen und viele Begehrlichkeiten
entwickeln, die mir nicht so gut gefallen . Auch die Süddeutsche Zeitung hat mich nach ein paar sehr merkwürdigen Regelungen gefragt .
Stellen wir uns einmal vor, dieser Pappbecher wäre
der Steuertopf . Er ist noch leer für das nächste Jahr . Das
ist verständlich; denn die Steuereinnahmen kommen ja
erst im Laufe des nächsten Jahres hinein . Wenn das Geld
dann hineinkommt und der Steuertopf gefüllt ist, haben
die Haushälter eine gute Chance, ihre Ausgaben zu realisieren . Jetzt kommen aber Leute, die in diesen Steuertopf
ein Loch machen, so wie ich jetzt mit diesem Schraubenzieher .
({4})
Nehmen wir einmal die maritime Wirtschaft . Die Vertreter der maritimen Wirtschaft hatten die Idee, zu sagen:
Die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer wird an den Arbeitgeber gezahlt .
Herr Kollege, ich hoffe, Sie haben keinen kompletten
Werkzeugkoffer dabei, sonst müsste ich aus Sicherheitsgründen eingreifen .
({0})
Nein, nein . Das hätte man ja gesehen . Ich habe zwar
einen blauen Werkzeugkoffer; aber das hier ist nur ein
Schraubenzieher, der mir hilft, in diesen Becher Steuerschlupflöcher zu machen.
({0})
Also: Ein Arbeitgeber muss ja Lohnsteuer für seinen Arbeitnehmer abführen . An wen? Natürlich an den
Fiskus, also konkret an den Kämmerer bzw . an Herrn
Schäuble im Bund . Bei der maritimen Wirtschaft ist es
aber so: Die Lohnsteuer, die ein Arbeitnehmer zu zahlen
hat, bekommt nicht Herr Schäuble, sondern der Arbeitgeber . Das ist ein total verrücktes System . Die Frage ist
jetzt nicht, ob die Arbeitgeber das Geld auch bekommen .
Die Antwort habe ich ja schon gegeben: Sie bekommen
es . Die Frage ist: Warum bekommen das eigentlich die
Bäcker, die Klempner und die Arbeitgeber in anderen
Branchen nicht? Das interessiert mich; denn da spielt das
Moment der Gerechtigkeit eine große Rolle . Ja, ich weiß,
dem maritimen Kollegen gefällt das nicht . Aber ich glaube, darüber müssen wir reden .
({1})
Ich komme zur Tourismusbranche .
({2})
Nachdem für die Hotels bereits die Mehrwertsteuer gesenkt wurde, gibt es dort nun die Idee, auch noch die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer entfallen zu lassen .
Das würde zulasten der Kommunen gehen .
Ich will das Problem einmal beschreiben: Ein Tourismusunternehmen, das eine Pauschalreise für 1 000 Euro
anbietet, muss eine Zusatzlast von 17,50 Euro aushalten .
Natürlich ist klar, dass die komplette Tourismusbranche
in Konkurs geraten würde und Deutschland deshalb verlassen muss . Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht jeder
Bürger mit einer fairen Besteuerung - das wären bei einer 1 000-Euro-Reise 17,50 Euro mehr - einverstanden
wäre . Ich glaube, das wäre kein Problem . Auch dieses
Schlupfloch ist nicht gut.
Sie merken, was ich damit sagen will: Der Steuertopf
wird gefüllt, indem Unternehmen und Bürger ihre Steuern zahlen; aber unten läuft das Geld durch die Schlupflöcher wieder heraus . Dann kann der Haushaltsausschuss
seine Aufgaben nicht mehr so erledigen, wie er es tun
müsste .
({3})
Insofern bin ich dafür, Steuerschlupflöcher zu stopfen.
Es gibt andere Ideen, zum Beispiel im Hinblick auf
die Kfz-Besteuerung für landwirtschaftliche Fahrzeuge,
die für die Pflege von Streuobstwiesen eingesetzt werden . Ich frage mich: Braucht man da wirklich eine Entlastung? Oder schaffen wir die Pflege der Wiesen nicht
auch, wenn für diese landwirtschaftlichen Maschinen ein
wenig Kfz-Steuer gezahlt wird?
Es gibt noch viele andere Ideen, zum Beispiel hinsichtlich der Mitarbeiterkapitalbeteiligung .
Die können Sie jetzt aber leider nicht mehr alle vortragen .
Nur noch ganz kurz . - Da wollen die Unternehmen
den Arbeitnehmern etwas schenken, sind dabei aber nicht
so ganz ehrlich . Sie wollen nämlich, dass wir uns an diesen Geschenken beteiligen .
Ich bin der Meinung: Die Steuerschlupflöcher müssen
abgeschafft werden . Bei der Erhebung von Steuern muss
es fair zugehen .
({0})
Dann wird der Haushaltsausschuss seine Arbeit wirklich
gut machen, nicht nur was die Ausgabenseite angeht,
sondern auch was die Einnahmeseite anbelangt .
Schönen Dank .
({1})
Kollege Binding, wenn Sie sich nach Rückkehr ins
Büro einen verdienten Becher Kaffee einschenken lassen, denken Sie bitte daran, dass Sie in diesen ein Loch
gebohrt haben .
({0})
Nun hat der Kollege Carsten Körber für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Werkzeugkoffer habe ich leider nicht hier vorne .
({0})
Ich hatte auch nicht vor, meine handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen,
({1})
was in der Tat so besser ist .
Der Haushalt 2016 steht . Die Zahlen und Fakten wurden in dieser Debatte bereits mehrfach und ausführlich
genannt . Sie zeigen eines: Wir sind für das Haushaltsjahr 2016 gut gewappnet . Das sage ich auch und gerade
vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage in
Deutschland und Europa. Wir befinden uns in einer Situation, wie wir sie in ihrer Dramatik seit Jahren nicht erleben mussten . Hunderttausende von Flüchtlingen kommen
in unser Land . Diese Menschen zeigen uns, dass Frieden,
Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich sind . Die
Flüchtlinge kommen zu uns, weil sie all das, was für uns
selbstverständlich ist, hier zu finden hoffen und weil es
Frieden, Freiheit und Sicherheit in ihren Heimatländern
nicht gibt . Auch wenn nach notwendiger und sorgfältiger Prüfung nicht jeder Flüchtling wird bei uns bleiben
können, so stellt uns diese Situation doch vor gewaltige
Herausforderungen; denn solange diese Menschen bei
uns zu Gast sind, tragen wir für sie Verantwortung . Dieser Verantwortung kommen wir nach . Die notwendigen
Mittel stehen bereit .
Die Asyl- und Flüchtlingskrise war in den Haushaltsberatungen der vergangenen Wochen stets Thema . Weil
aber die Bundesregierungen unter Führung der Union in
den letzten zehn Jahren solide und klug gewirtschaftet
haben, hat diese Krise unsere Beratungen nicht dominiert .
({2})
So halten wir an unserem Ziel fest, die schwarze Null
auch 2016 beizubehalten . Dem Mann, der dafür ganz
maßgeblich Verantwortung trägt, nämlich unser Finanzminister Wolfgang Schäuble, möchte ich von dieser Stelle aus einmal herzlich Dank sagen .
({3})
Deutschland ist finanziell und wirtschaftlich solide
aufgestellt . Wir stehen so gut da, dass viele andere froh
wären, wenn sie unsere Probleme hätten . Diese solide
Basis versetzt uns in die Lage, auf die Flüchtlinge, die
aus Syrien, Nahost und Afrika zu uns kommen, anders zu
reagieren, als die meisten unserer Nachbarn es tun . Wir
lassen diese Menschen in ihrer Not nicht vor einem Zaun
an der Grenze stehen . Wir helfen, und darauf können wir
stolz sein .
Aber auch wir, das wohlhabende und reiche Deutschland, haben keine unbegrenzten Möglichkeiten und Kapazitäten .
({4})
Wir werden auf Dauer nicht umhinkommen, die Masse
der Flüchtlinge in bestimmte Bahnen zu lenken . Denn
kein Staat der Welt kann auf Dauer 10 000 Flüchtlinge
pro Tag aufnehmen .
({5})
Und ja, wir haben bereits reagiert . In einem ersten Schritt
haben wir neulich mit dem Asylpaket nichts weniger als
die größte Reform des Asylrechts seit den 90er-Jahren
auf den Weg gebracht - ein Erfolg, der noch im Sommer
dieses Jahres undenkbar erschien .
Doch warum wollen so viele Menschen ausgerechnet
nach Deutschland? Sicher nicht, weil es sich in unserem
Land so schlecht leben lässt oder weil es hier so ungerecht zugeht . Diesen Eindruck versucht die Opposition in
ihren Beiträgen regelmäßig zu erwecken .
({6})
Nein, dieses Land mit seinem Grundgesetz, seiner sozialen Marktwirtschaft und seiner offenen und freiheitlichen Gesellschaft ist für viele in der Welt zum Vorbild
geworden .
Wir haben im Haushalt 2016 klare Prioritäten gesetzt .
Auch in turbulenten Zeiten hat die Koalition angemessen
reagiert und für die aktuelle Flüchtlingskrise Vorsorge
getroffen .
({7})
Ja, meine Damen und Herren, und dass wir das können,
ist das Ergebnis unserer wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik . Wir haben in guten Zeiten das Geld nicht
zum Fenster hinausgeworfen, wie andere es getan haben .
Wir haben Maß gehalten und gespart . Und wir haben unsere Haushalte in Ordnung gebracht . Das war nicht immer leicht, aber es zahlt sich aus .
Die Gastfreundschaft gegenüber Bedürftigen sollte
im Europa des 21 . Jahrhunderts selbstverständlich sein .
Aber man muss auch der Realität ins Auge sehen . So
nachvollziehbar der Wunsch nach einem besseren Leben
ist, so richtig ist auch, dass Armut kein Asylgrund ist und
dies auch nicht sein kann. Wirtschaftsflüchtlinge werden
wieder gehen müssen .
Auch so werden nicht wenige bleiben . Auch wenn
nicht jedes Land in der Lage ist, kurzfristig Hunderttausende aufzunehmen: Deutschland kann das, und das ist
nicht selbstverständlich .
({8})
Aber manche unserer Landsleute blicken gerade mit
Angst und Sorge in die Zukunft . Wir dürfen nicht den
Fehler machen, all diese Menschen vorschnell als Extremisten, Querulanten und rechte Spinner abzutun . Wir
müssen diese Sorgen ernst nehmen . Und allen Extremisten, die hieraus für sich Kapital schlagen wollen, gilt es,
harte Kante zu zeigen .
({9})
Vielen Dank .
({10})
Damit schließe ich die Aussprache .
Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, darf ich
eine Delegation von Parlamentariern aus Usbekistan
unter Vorsitz von Herrn Shadmanov herzlich begrüßen .
Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag!
({0})
Jetzt kommen wir zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 des Bundesministeriums
der Finanzen in der Ausschussfassung . Hierzu liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6764 vor . Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? Ich bitte um ein Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist
damit abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 08 in der Ausschussfassung ab . Wer stimmt dafür? Den bitte ich um
das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die
Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? Den bitte ich um das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Einzelplan 20 ist mit den Stimmen des gesamten Hauses
angenommen .
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I .5 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
Drucksachen 18/6115, 18/6124
Die Berichterstatter sind die Kollegen Steffen-Claudio
Lemme, Christian Hirte, Josef Rief, die Kollegin Heidrun
Bluhm und der Kollege Sven-Christian Kindler .
Zum Einzelplan 16 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Des Weiteren liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke
vor, über die wir nicht heute, sondern am Freitag nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Widerspruch
erhebt sich keiner . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die
Linke das Wort .
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Bereits in der ersten Lesung zum Einzelplan 16 am 11 . September dieses Jahres war viel davon
die Rede, welche Chancen die Zusammenlegung des
Umwelt- und des Bauressorts eröffnet . Leider sind diese
Chancen aus unserer Sicht ungenutzt geblieben . Ich sage:
Wenn man sich die Haushaltsansätze des Einzelplans 16
ansieht, dann stellt man fest, dass sie auch in Zukunft
ungenutzt bleiben . Das will ich Ihnen am Etat für Bauen
und Wohnen einmal erklären .
Die Bundesregierung hält an ihren Klimaschutzzielen
im Gebäudebereich fest . Das ist gut, aber ohne weitere
haushalterische Untersetzung bleiben diese Ziele leider
romantische Wünsche .
({0})
Mittlerweile brauchen wir eine Sanierungsquote von
3 Prozent jährlich, um dem selbst verordneten CO2-Einsparungsziel näherzukommen . Derzeit liegen wir bei
knapp 1 Prozent . Aber das fällt wahrscheinlich unter uns
Fachpolitikern fast keinem mehr auf, weil die Aufgabe
zusammen mit dem EKF mittlerweile in das Ressort des
Vizekanzlers fällt und so aus dem Blickfeld der Fachpolitiker - zumindest aus dem Blickfeld der Fachpolitiker
der Koalition - verschwunden ist . Diese Mittel gehören
zurück in den Einzelplan 16, damit man sich damit im
fachpolitischen Zusammenhang befassen kann .
({1})
Verglichen mit der wohnungspolitischen Agonie vergangener Regierungen waren die letzten Wochen dieser
Regierung geradezu atemberaubend in ihrem Aktionismus: Ausschussberatungen, mehrere Expertengespräche,
das Bündnis für bezahlbares Wohnen, die Baukostensenkungskommission und vieles mehr . Alle Experten
in diesen Fachgesprächen waren sich darin einig, dass
alle unsere Probleme hausgemacht sind und auch ohne
die Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern
lange vorhanden waren . Es gab wohnungspolitische
Vereinbarungen der Bundeskanzlerin mit den Ländern .
Eine Bauministerkonferenz hat zwischenzeitlich stattgefunden . Schließlich hat uns das Bauministerium ein
Thesenpapier, ein Zukunftspapier, eine neue wohnungspolitische Agenda mit dem vielversprechenden Titel
„Neues Zusammenleben in der Stadt“ vorgelegt . Was
darin einleitend gesagt wird, könnte ich fast alles sofort
unterschreiben . Die Linke hat vieles davon schon in ihre
parlamentarischen Anträge geschrieben . Deshalb kommt
uns zum Beispiel bekannt vor - ich zitiere -:
Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stellt
uns vor neue Herausforderungen in der Stadtentwicklung .
Das ist richtig . Dann heißt es:
Neben den Wanderungsbewegungen innerhalb des
Landes kommen in diesen Monaten viele Menschen
zu uns, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt ein
friedliches Leben suchen . Wir wollen und können
diesen Menschen eine neue Heimat bieten .
Auch das ist sehr begrüßenswert . Weiter heißt es:
Für alle Menschen . . . muss Wohnraum geschaffen
werden . . . . Unsere Städte müssen in jeder Hinsicht
durchmischt sein: in den Nutzungen, in den sozialen
Milieus und in der städtebaulichen Struktur .
Beifall . All das könnte auch von der Linken sein .
({2})
Vizepräsident Johannes Singhammer
Dann kommt der Satz:
Für die Städte haben wir jetzt die Gelegenheit, das
Leitbild der kompakten, integrierten und umweltfreundlichen Stadt schrittweise in die Realität umzusetzen:
Jetzt kommt der Lackmustest . Wenn man diesen Satz
mit dem Haushalt 2016 abgleicht, bleibt einem nichts
anderes übrig, als zu sagen: Die Gelegenheit haben Sie
verpasst, wieder einmal; denn dieser, wenn auch aufgestockte Haushalt ist kein Haushalt eines Aufbruchs zu
einer wohnungspolitischen Offensive . Ich sage Ihnen:
Damit gibt es keinen Neustart des sozialen Wohnungsbaus . Es gibt kaum Impulse für den Erhalt gemischter
Quartiere etwa durch ein bedarfsgerechtes dynamisiertes
Wohngeld, keine Offensive für die energetische Gebäudesanierung . Es gibt nur ein Weiter-so mit leicht nach
oben gesetzten Haushaltsansätzen . Meine Damen und
Herren, es ist hier schon mehrfach heute gesagt worden:
Sie fahren auf Sicht .
Ja, die Kompensationszahlungen an die Länder für
die soziale Wohnraumförderung werden fast verdoppelt .
Viel ist auch nicht mehr von den einmal vorhandenen
5 Millionen Sozialwohnungen übrig geblieben, die es
vor der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit in
Deutschland gab . 4 Millionen davon sind inzwischen
aus der Sozialbindung herausgefallen . Aber es gibt heute
schon wieder mindestens 7 Millionen Mieterhaushalte,
die Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten . Es fehlen
in Deutschland rund 2 Millionen altersgerechte Wohnungen, und es herrscht geradezu Notstand bei der Versorgung von Studierenden mit Wohnheimplätzen und bezahlbaren Studentenwohnungen .
({3})
Von den vielen Zuwanderern, die auch wohnen müssen und wohnen sollen, rede ich hier noch gar nicht .
Was unternimmt die Bundesregierung? Das Statistische
Bundesamt zählt seit 2003 weniger als 10 000 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr in ganz Deutschland .
Mit der Aufstockung um 500 Millionen Euro hofft Frau
Hendricks nun, die Zahl neu gebauter Sozialwohnungen
jährlich auf 60 000 erhöhen zu können .
({4})
Damit hätten wir es in 100 Jahren fast geschafft,
({5})
den heutigen Bedarf zu decken, aber das Programm, das
Sie aufgelegt haben, läuft nur bis 2019 . Also, wer rechnen kann, ist klar im Vorteil .
({6})
Auf Initiativen aus der Privatwirtschaft für den sozialen Wohnungsbau würde ich auch nicht setzen . Die hat
nämlich andere Prioritäten, zum Beispiel steuerliche Anreize durch höhere Abschreibungen . Klar, das kann man
machen, auch die Linke verweigert sich da grundsätzlich
nicht . Aber die greifen erst, wenn die Wohnungen gebaut sind, und sie würden den Steuerzahler nach seriösen
Schätzungen, zum Beispiel von Pestel, circa 3,5 Milliarden Euro kosten . Sie gelten darüber hinaus für alle Wohnungen, auch für Luxuswohnungen . Also, je teurer wir
bauen, desto mehr kann abgeschrieben werden . Wenn
schon, warum nicht gleich dieses Steuergeld direkt in die
soziale Wohnraumförderung stecken, anstatt öffentliche
Gelder in die privaten Taschen in der vagen Hoffnung
umzuleiten, dass dabei auch soziale oder wohnungspolitische Effekte entstehen?
({7})
Diese als Steuervergünstigung gedachten 3,5 Milliarden Euro, dazu die von uns in unserem Haushaltsantrag
geforderten 1,5 Milliarden Euro und die von den Ländern
eins zu eins kofinanzierten Mittel, dann wären wir schon
bei 6,5 Milliarden Euro . Das wären ein echter Neustart
und vielleicht auch ein Ansatz für die Haushaltsdebatte
im Jahr 2017 .
({8})
Und das wäre eine planbare Ansage für die Bau- und
Wohnungswirtschaft, die sich dann verlässlich darauf
einrichten kann .
Sie sagen jetzt: Das überfordert den Bundeshaushalt . - Da lachen unsere Nachbarn in Österreich oder in
den Niederlanden . Die geben nämlich pro Jahr 1 Prozent
ihres Bruttoinlandsproduktes für den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau aus . Rechnen wir das auf bundesdeutsche Verhältnisse um, dann wären das bei uns
im Jahr 40 Milliarden Euro - nur für den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau . Wir aber geben gerade einmal 0,3 Prozent unseres Bundeshaushalts für die soziale
Wohnraumförderung aus, und zwar einschließlich der
Erhöhung um 500 Millionen Euro, die Frau Hendricks
jetzt durchgeboxt hat .
Wir fordern bescheidene 1,5 Milliarden Euro für die
soziale Wohnraumförderung im Haushalt 2016 . Wir befinden uns damit in Übereinstimmung mit den Bauministern der Bundesländer, die genau das auf ihrer Konferenz
im Oktober in Dresden vorgetragen haben . Aber auch das
wäre nur ein Zeichen, eine Problemlösung ist das noch
nicht . Das wissen wir; denn ein wirklicher Neustart im
sozialen Wohnungsbau kann nur gelingen, wenn öffentliches Geld dauerhaft der öffentlichen Daseinsvorsorge
zugutekommt .
({9})
Was wir als Korrektiv zum maroden Marktliberalismus wirklich brauchen, ist eine starke, an den Wohnungsbedürfnissen der Menschen orientierte, neue gemeinnützige Wohnungswirtschaft .
Danke schön .
({10})
Für die SPD hat jetzt das Wort der Kollege
Steffen-Claudio Lemme .
({0})
Vielen Dank . - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wie wir alle wissen, stand in diesen Haushaltsberatungen natürlich das Flüchtlingsthema im Mittelpunkt unserer Debatten . Angesichts der großen Herausforderungen, die wir aktuell und in den kommenden
Jahren vor uns haben, um unseren neuen Mitbürgern Integration und Aufnahme zu gewährleisten, ist das auch
normal .
Wir müssen unser Augenmerk aber nicht nur auf die
Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen richten,
sondern auch auf die Bekämpfung von Fluchtursachen .
Allein im Etat des Auswärtigen Amtes haben wir deshalb
450 Millionen Euro für humanitäre Hilfen in Flüchtlingslagern und als Krisenprävention im Ausland eingestellt .
An dieser Stelle möchte ich den Bogen zum Bundesumwelt- und -bauministerium spannen . Denken wir nämlich
an die Bekämpfung von Fluchtursachen, dürfen wir den
Klimaschutz nicht aus dem Auge verlieren .
({0})
Denn wenn der Klimawandel nicht bekämpft wird, werden sogenannte Klimaflüchtlinge eines Tages das beherrschende Thema sein . Klimawandel ist ein Sicherheitsrisiko des 21 . Jahrhunderts .
In sechs Tagen startet in Paris der Klimagipfel . Erst
kürzlich ging ein Foto um die Welt; ich zeige es Ihnen .
Auf diesem Foto der Fotografin Kerstin Langenberger
ist ein Eisbär in der Arktis zu sehen, dürr, mit schmutzigem Fell. Die Fotografin schrieb dazu, besonders
weibliche Eisbären hätten es immer schwerer, Futter zu
finden. Wenn sie keine ausreichend großen Eisschollen
mehr vorfänden, auf denen sie ihre Jungen unterbringen könnten, hätten sie praktisch keine Chancen mehr,
zu überleben . Binnen Tagen war dieses Bild über soziale Netzwerke einmal um den Globus gereist und wurde
zum Sinnbild des Klimawandels; denn der Bestand an
Eisbären könnte in den nächsten 40 Jahren um rund ein
Drittel schrumpfen .
Die Eisbären sind aber nur eines von vielen Beispielen,
die die Notwendigkeit unterstreichen, in Paris ein globales Klimaabkommen zur Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze zu verabschieden . Wir haben im Bundeshaushalt
2016 2,4 Milliarden Euro für die internationale Klimaschutzfinanzierung eingestellt. Darunter befinden sich
400 Millionen Euro im Haushalt des Bundesumweltministeriums . Ab 2020 soll diese Summe auf insgesamt
4 Milliarden Euro nahezu verdoppelt werden .
Insgesamt möchte Deutschland jährlich rund 10 Prozent der Entwicklungs- und Schwellenländern zugesagten 100 Milliarden US-Dollar tragen . Mit diesem fairen
Anteil wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht .
({1})
Ich danke hier vor allem unserer Bundesumweltministerin, die in zähen Verhandlungen im Vorfeld des Treffens
in Paris zu einem großen Durchbruch beitragen wird,
sodass die Klimaverhandlungen zu einem guten Erfolg
geführt werden .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als zweiten Punkt
möchte ich darauf eingehen, welche Erfolge wir in diesen Haushaltsberatungen im Bereich der Wohnungsbaupolitik erzielen konnten . Wir wissen: Wir brauchen mehr
bezahlbaren Wohnraum für alle . Dem folgen wir mit einer Aufstockung der sozialen Wohnraumförderung um
500 Millionen Euro jährlich, und das im Zeitraum 2016
bis 2019, wie es bereits der Bund-Länder-Gipfel am
24 . September 2015 beschlossen hat . Vor allem in den
Ballungszentren wird der Bedarf an sozialem Wohnraum
gewaltig sein . Mindestens 350 000 neue Wohnungen
werden jährlich vor allem im preisgünstigen Segment benötigt . Wichtig ist, dass wir nicht speziell für Flüchtlinge
neu bauen wollen; dies würde dem Integrationsgedanken zuwiderlaufen . Nein, wir benötigen in angespannten
Wohnungsmärkten generell preisgünstigen Wohnraum
für Familien mit geringem Einkommen, für Alleinerziehende, aber auch für Rentnerinnen und Rentner sowie natürlich für Flüchtlinge, von denen sich viele in Deutschland eine neue Heimat aufbauen werden .
Nicht nur für die Beseitigung des Mangels an Wohnraum, sondern auch mit Blick auf die Auswirkungen
des demografischen Wandels auf dem Wohnungsmarkt
bringt der Haushalt 2016 mehr Geld auf . Im Jahr 2016
stehen nun 50 Millionen Euro für Maßnahmen zum altersgerechten und behindertengerechten Umbau zur Verfügung . Bislang standen hierfür 27 Millionen Euro zur
Verfügung . Wir haben gerade für den altersgerechten
Umbau die Summe um 23 Millionen Euro aufgestockt,
und das ist gutangelegtes Geld .
({3})
Wir setzen uns dafür ein, dass ältere Menschen möglichst lange und selbstbestimmt in ihrem Zuhause bleiben
können . Deshalb ist die Erhöhung der Mittel ein großer
Erfolg, meine Damen und Herren . Wir brauchen mehr
sozialen und altersgerechten Wohnraum sowie bezahlbaren Wohnraum für alle . Hierfür macht sich die SPD stark .
Sie kann in dieser Wahlperiode im Vergleich zur Vorgängerregierung ersichtliche Erfolge vorweisen .
({4})
Wir haben in dieser Hinsicht bereits vieles angepackt und
umgesetzt . Darauf können wir stolz sein, und das sind
wir auch .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Woche ging
zu unser aller Freude endlich das neue Investitionsprogramm des Bundes zum Einbruchschutz, für das 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, an den Start .
Das Interesse an dem Programm hat alle unsere Erwartungen übertroffen . Das Bedürfnis der Bürgerinnen und
Bürger, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, ist sehr
hoch . Grund dafür ist der starke Anstieg der Zahl der
Wohnungseinbrüche in den letzten Jahren . Im Jahr 2014
verzeichneten wir bundesweit 150 000 Einbrüche dieser
Art und damit den höchsten Wert seit 16 Jahren . Meine
Fraktion hat daher an einer Fördermöglichkeit gearbeitet,
die möglichst vielen Menschen zugutekommt . Es geht
darum, bereits durch geringe Investitionen, zum Beispiel
Nachrüstungen bei Fenstern und Türen, das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu steigern .
Mein Fazit: Mit diesen Haushaltsberatungen haben
wir einen guten und sehr soliden Weg beschritten . Wir
haben die Bedarfe der gesamten Gesellschaft in den
Blick genommen und nicht nur einzelne herausgegriffen .
Ich glaube, der Haushalt für das Jahr 2016 im Bereich der
Umwelt- und Baupolitik unseres Landes kann als sehr
vernünftig und gelungen bezeichnet werden .
Herzlichen Dank .
({6})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Lemme hat eben schon darauf hingewiesen: In wenigen Tagen startet die Klimakonferenz . - Auf dieser Klimakonferenz wird es darum gehen, dass wir einen Vertrag schließen, der dafür sorgt, dass auch unsere Kinder
und Enkelkinder noch auf diesem Planeten leben können .
Dass wir ihnen die Lebensgrundlage bewahren, darum
geht es bei diesem Vertrag .
({0})
Wenn wir das nicht machen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass zum Beispiel die Menschen im Tschad, wo die
Temperaturen schon jetzt 50 Grad betragen, nicht noch
mehr in Probleme kommen, wenn wir nicht dafür sorgen,
dass die Menschen auf den Philippinen nicht noch mehr
mit Überschwemmungen konfrontiert werden, dann werden diese Menschen zu uns kommen . Was das bedeutet,
haben uns die Flüchtlinge, die in den letzten Monaten gekommen sind, deutlich gemacht . Das heißt, es geht hier
auch um vorbeugende Politik . Es geht darum, dass wir
hier in Deutschland Klimaschutz machen . Es geht darum,
dass wir auf dieser Erde dieses Problem gemeinsam angehen . Wir dürfen nicht sagen: Die anderen sollen mehr
tun als wir .
({1})
Dass wir als Delegation des Deutschen Bundestages
zu dieser Klimakonferenz fahren und dort auch mit den
anderen Kollegen diskutieren können - es ist übrigens
Tradition bei den Klimapolitikern, die Ziele, die wir in
Deutschland beschlossen haben, etwa den Ausstieg aus
der Atomkraft, die Energiewende, CO2-Reduktion um
40 Prozent bis 2020, gemeinsam, in großer Geschlossenheit auf den Klimakonferenzen zu vertreten -, haben
wir nicht dem Parlament zu verdanken, nicht dem Bundestagspräsidenten, sondern der Umweltministerin . Sie
nimmt uns mit in ihrer Delegation . Dafür bedanke ich
mich gerade auch als Ausschussvorsitzende sehr herzlich; denn ich glaube, dass wir für Deutschland damit
einiges erreichen können .
({2})
Nun ist Politik immer auch Symbolpolitik . Symbole
sind ein ganz wichtiger Teil der Politik . Deshalb hat mich
eines geärgert, nämlich: Wir haben als Umweltausschuss
in der Gemeinsamkeit, die ich beschrieben habe, im Rahmen der Großen Koalition von 2005 vorgeschlagen, dass
die Flugreisen und die Fahrten mit dem Fuhrpark, die
wir machen, CO2-kompensiert werden . Das ist damals
geschehen, und das war eine gute Sache . Schwarz-Gelb
hat die Kompensation abgeschafft, deshalb haben wir
vor anderthalb Jahren erneut einen Vorstoß gemacht . Die
Umweltministerin hat ihn umgesetzt . Die Bundesregierung wird - das ist der Ansatz in diesem Haushalt - ihre
Flugreisen und Fahrten kompensieren . Die Haushälter
der Großen Koalition haben das ihren Klimapolitikern jedoch versagt . In diesem Jahr wie im letzten Jahr werden
wir die absurde Situation haben, dass wir beschließen:
Die Bundesregierung darf kompensieren, aber die Abgeordneten dürfen es nicht. Das finde ich wirklich kleinlich,
peinlich und auch sehr provinziell .
({3})
Warum sage ich das? Weil das aus meiner Sicht das
schlechte Ende eines verlorenen Jahres für den Klimaschutz ist . Im letzten Jahr ist hier von der Umweltministerin ein Plan vorgestellt worden,
({4})
CO2 zu reduzieren . Jeder muss seinen Beitrag erbringen,
auch die Energiewirtschaft, die 40 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht . Und was ist passiert? Am Ende gab
es keine Abgabe für Braunkohlenkraftwerke, weil gerade
CDUler sich an die Spitze der Bewegung für die Braunkohle gestellt haben . Das war wirklich peinlich, meine
Damen und Herren . Jetzt haben wir eine Subvention für
Braunkohle und eine Blockade bei der Photovoltaik .
({5})
Das ist wirklich das Gegenteil von Klimaschutz .
Gehen wir doch einmal andere Bereiche durch . Wir
waren in der Vergangenheit nicht nur Vorreiter beim Klimaschutz, sondern wir waren es auch im Umweltbereich .
Betrachten wir einmal die Sustainable Development
Goals, bei denen wir in der Gesamtheit als Deutsche gar
nicht so schlecht dastehen . In den Umweltpunkten stehen
wir mittlerweile aber ganz weit hinten . Da sind wir unter
den letzten 15 Prozent der OECD-Länder, gleichauf mit
Ungarn . Herzlichen Glückwunsch!
({6}): Was soll denn
das heißen?)
Wo sind die Defizite? Sie zeigen sich bei der Luftqualität in den Städten . Sie zeigen sich beim Verlust von Artenvielfalt . Sie zeigen sich bei der schlechten Qualität des
Wassers, bei der Lebensmittelverschwendung und beim
Abfall . In diesen Punkten werden die Umweltziele gerissen . Und woran liegt das im Wesentlichen? Es liegt daran, dass diese Bundesregierung zwei wesentliche Fehler
macht . Sie macht eine falsche Landwirtschaftspolitik,
und sie macht eine falsche Verkehrspolitik, und das muss
sich ändern .
({7})
Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren bei
der Nitrat-Richtlinie . Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren beim Feinstaub, bei NO2 und auch bei
der FFH-Richtlinie . NO2 ist ja jetzt gerade durch den
VW-Skandal wirklich in den Mittelpunkt gerückt:
7 000 Tote allein durch den Ausstoß von NO2 im Diesel 7 000 Tote! -, das leisten wir uns mal . Umweltschutz ist
Gesundheitsschutz, meine Damen und Herren . Auch aus
diesem Grund müssen wir mehr Umweltschutz machen .
({8})
Aber auch, was den Klimaschutz angeht, ist der Verkehrsbereich weit hintendran . Mittlerweile ist das auch
Verbrauchertäuschung . Wenn ein Auto, das man sich
heute neu kauft, 40 Prozent mehr Sprit verbraucht, als
auf dem Papier steht, dann ist das Verbrauchertäuschung,
und dann ist das auch gegen den Klimaschutz . Das geht
so nicht weiter .
({9})
In den letzten fünf Jahren hat es bei den Neuwagen
keine Reduktion von CO2 und keine Steigerung der Energieeffizienz mehr gegeben. Es kann nicht sein, dass die
Kreativität der Ingenieure mittlerweile darauf gerichtet
ist, legal und illegal zu schummeln, und nicht mehr darauf, die Energieeffizienz zu verbessern. Das darf in einem Autoland wie Deutschland nicht sein .
({10})
Ansonsten gefährden Sie nämlich die Arbeitsplätze in
genau dieser Branche .
Ihre eigenen Experten haben Ihnen übrigens in diesem
Jahr bescheinigt, dass die Erreichung des Ziels, bis 2020
den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, erheblich
gefährdet ist . Das tun also nicht nur wir, sondern mittlerweile auch Ihre eigenen Experten . Sie unternehmen hier
einfach zu wenig .
Das gilt auch für den Gebäudebereich . Wir könnten endlich loslegen bei der Gebäudesanierung, indem
wir nicht nur die Hülle oder die Dämmung betrachten,
sondern reingehen mit erneuerbaren Energien und mit
Kraft-Wärme-Kopplung und gemeinsame Konzepte für
die Quartiere entwickeln . Und da wird viel zu wenig getan . Da muss die Große Koalition ran . Es muss auch in
diesem Bereich endlich etwas für den Klimaschutz getan
werden .
({11})
Wir sehen, dass es zunehmend wieder eine Zuwendung zu fossilen Energien gibt . Wir sehen, dass damit die
Zukunft der Arbeitsplätze gerade auch im Bereich der
Erneuerbaren gefährdet wird . Wir sagen auch deshalb:
Wir sehen bei der Großen Koalition keinen Mut, sich für
die Zukunft zu entscheiden . Wir sehen keinen Plan, wie
man es schaffen kann, wirklich CO2 zu reduzieren und
die Ziele zu erreichen, die man sich vorgenommen hat .
Wir sehen auch kein Herz für die Menschen zum Beispiel in Bangladesch, in Afrika und auf den Philippinen,
die jetzt schon Opfer des Klimawandels sind und deren
Leben und Existenz durch Dürren und Überschwemmungen gefährdet sind . Haben Sie also mehr Mut, mehr
Plan und mehr Herz!
Vielen Dank .
({12})
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Josef Rief .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf auch einmal die
Schriftführer und Stenografen begrüßen .
({0})
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der
Tribüne! Wir müssen, wie ich glaube, wieder zum wichtigen Thema des heutigen Tages und der ganzen Woche
kommen, und das ist der Haushalt für 2016 . Der Haushalt
für 2016 steht . Wir haben es geschafft, ohne Steuererhöhungen und ohne neue Steuern die schwarze Null zu
halten, und dies trotz der großen Herausforderungen, vor
die uns der Flüchtlingsstrom zusätzlich stellt .
Keine Neuverschuldung, meine sehr geehrten Damen
und Herren, ist kein Selbstzweck . Nur ohne neue Schulden sind wir gut aufgestellt für die Zukunft und leisten
unseren dringend notwendigen Beitrag auch für die Stabilität in Europa und in der Welt . Es ist wichtig, dass wir
auch in den nächsten Jahren handlungsfähig bleiben .
Es ist allen klar, dass die öffentlichen Haushalte auch
in den kommenden Jahren bei der Bewältigung der Aufgaben, die die Flüchtlingskrise mit sich bringen wird,
viel zu stemmen haben werden . Ich begrüße es daher
sehr, dass wir jetzt Maßnahmen umsetzen, um den Zustrom und den Familiennachzug zu begrenzen, und auch
nachhaltig mit der Zurückführung von Menschen ohne
Bleibeperspektive begonnen haben . Zuwanderung in die
Perspektivlosigkeit löst keine Probleme, sondern verstärkt Probleme!
In meinem Heimatland Baden-Württemberg läuft
die Rückführung nur sehr schleppend . Man kann die
grün-rote Landesregierung nur immer wieder auffordern,
sich in Sachen Rückführung ein Beispiel etwa am Saarland zu nehmen .
({1})
In meinem Wahlkreis wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres trotz eines hohen Anteils von Flüchtlingen aus dem Balkan gerade einmal 14 Abschiebungen
durchgeführt . Das ist einfach nicht akzeptabel .
({2})
Der Platz wird für die nach dem Asylrecht hilfebedürftigen Bürgerkriegsflüchtlinge gebraucht.
({3})
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit, speziell der Baubereich,
trägt einen ordentlichen Anteil der Bemühungen, mit der
Flüchtlingsunterbringung fertigzuwerden . Wir investieren über 1 Milliarde Euro in den sozialen Wohnungsbau .
Wir verdoppeln einfach einmal die Summe, die wir den
Bundesländern dafür geben .
({4})
Wir müssen damit einerseits Unterstützung leisten bei
der Unterbringung der Menschen, die zu uns kommen,
aber auch dafür sorgen - das wurde vorhin schon angesprochen -, dass unsere Bevölkerung weiter bezahlbaren
Wohnraum findet, und zwar dort, wo sie ihn wünscht.
Ansonsten vervielfältigen sich unsere Probleme .
Ein wichtiger Punkt bei den Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau ist aber die Verwendung der Mittel
durch die Länder . Ich hatte es schon in meiner Rede zu
Beginn dieser Haushaltsberatungen gesagt: Was wir als
Bund an die Länder sozusagen zweckgebunden überweisen, muss auch für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt
werden und darf nicht in anderen Projekten oder im allgemeinen Haushalt der Länder versickern . Da haben wir
in der Vergangenheit schon öfter klebrige Finger erlebt .
({5})
In dieser Situation aber wird für den sozialen Wohnungsbau, wie ich glaube, jeder Euro gebraucht .
Meine Damen und Herren, der Druck auf den Wohnungsmarkt in beliebten Gebieten ist da . Ich hätte mir
gewünscht, dass wir auch wieder mehr für Bürgerinnen
und Bürger tun, die sich mit ihrer Familie eigenen Wohnraum schaffen wollen . Wir sollten in der Zukunft über
eine Förderung für Erwerber von Eigentumswohnungen
und Häuslebauer mit Kindern nachdenken .
({6})
Das würde auch zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen und würde den Familien in unserem
Land helfen, die Unterstützung dringend nötig haben .
Der Baubereich des Einzelplans 16 wird im kommenden Jahr eine deutliche Erhöhung erfahren . Insgesamt
werden wir hier etwas mehr als 2,8 Milliarden Euro
ausgeben . Neben der genannten Erhöhung der Kompensationszahlungen an die Länder für den sozialen Wohnungsbau ist auch die Wohngeldreform einer der Gründe
für die deutliche Erhöhung des Budgets . 2016 werden
wir immerhin - Kollege Lemme hat es schon gesagt 730 Millionen Euro für das Wohngeld ausgeben . Wir
haben im Koalitionsvertrag die Reform des Wohngeldes
beschlossen . Wir haben Wort gehalten und stellen jetzt
die entsprechenden Mittel zur Verfügung . Wir wollen damit für eine wirtschaftliche Absicherung von angemessenem, familiengerechtem und besserem Wohnen sorgen,
gerade auch für Menschen mit geringerem Einkommen .
Aber auch der Programmhaushalt erfährt einen deutlichen Aufwuchs . Beim Bundesförderprogramm „Altersgerecht umbauen“ haben wir wegen der starken Nachfrage die Mittel für dieses und die kommenden Jahre um
23,5 Millionen Euro auf insgesamt 37,5 Millionen Euro
erhöht . Altersgerechter Wohnraum gewinnt in Anbetracht unserer derzeitigen demografischen Entwicklung
immer mehr an Bedeutung . Wir sollten es unterstützen,
dass Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden
ermöglicht wird, solange es geht . Heimat geben und erhalten ist für das Wohlfühlen gerade älterer Menschen
wichtig .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem
gerade gestarteten Programm zur Kriminalitätsbekämpfung durch Einbruchschutz wollen wir dem gestiegenen
Bedarf am Schutz vor Einbrüchen Rechnung tragen . Dafür haben wir für die Jahre 2015, 2016 und 2017 jeweils
10 Millionen Euro bereitgestellt . Die 30 Millionen Euro,
die Eigentümern und Mietern zur Verfügung stehen, werden einen vernünftigen Beitrag leisten, bestehende Gebäude sicherer zu machen, wobei - das darf ich mir herausnehmen - ich mir eine noch detailliertere Förderung
gewünscht hätte . Ich hoffe, die Förderung kommt bei den
Menschen an . Ich erbitte rechtzeitig einen Bericht über
das Antragsaufkommen, damit wir gegebenenfalls nachsteuern können .
Auch 2016 fördern wir wieder Städtebauprojekte mit
besonderer nationaler Wahrnehmbarkeit und Qualität .
Dabei nehmen wir uns in der Fläche viele Projekte vor,
die einerseits durch ihre Bedeutung oder andererseits
durch ihr überdurchschnittliches Investitionsvolumen
und hohes Innovationspotenzial auffallen .
Beim Berliner Stadtschloss hält die Koalition Wort
und wird weiter den vereinbarten Beitrag leisten . Im
kommenden Jahr werden 91 Millionen Euro des Bundesanteils verplant, damit die Baustelle weiter so gut
im Zeitplan vorankommt und es bei den veranschlagten
Baukosten bleibt .
({7})
Wir alle wissen: Es ist in Berlin und Umgebung nicht
immer so, dass man bei den Baukosten und Zeitplänen
bleibt .
({8})
Neben den genannten Programmen gibt es viele weitere Titel zur Städtebauförderung, die ich nicht im Einzelnen aufzählen will . Auch mit diesem Haushalt bleibt
der Städtebau einer der bedeutendsten Eckpfeiler unserer
Stadtentwicklungspolitik . Städtebauförderung ist immer
auch ein kleines Konjunkturprogramm für Handwerk und
Dienstleistung vor Ort . Sie wirkt sich in jeder Gemeinde,
in jeder Stadt und in jedem Landkreis aus . Ohne sie wären so manche Vorhaben nicht zu realisieren . Ich glaube,
das ist eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben,
die wir als Bund in Zukunft leisten können und leisten
müssen . Darum heißt es für die Koalition, weiter in diesem Bereich zu investieren, um das Leben und Wohnen
in Deutschland noch bedarfsgerechter, umweltfreundlicher, ja noch schöner werden zu lassen . Dem trägt dieser
Haushalt Rechnung .
Zum Schluss möchte ich mich noch bei sehr vielen bedanken: erst einmal bei Ihnen, Frau Ministerin Hendricks,
und Ihrem Haus für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Bearbeitung dieses Einzelplans, ebenfalls bei den Berichterstattern aller Fraktionen, auch bei
den Mitarbeitern der Fraktionen und des Haushaltsausschusses dafür, dass sie die schnelle Abarbeitung in den
langen Sitzungen erst möglich gemacht haben,
({9})
nicht zuletzt aber auch beim Bundesfinanzministerium,
bei Minister Wolfgang Schäuble und den Staatssekretären Jens Spahn und Michael Meister, für ihre Arbeit .
Nun steht das Gemeinschaftswerk - mit einer schwarzen Null, ohne neue Steuern, ohne neue Schulden und mit
vielen Maßnahmen, die unser Land nach vorne bringen .
Herzlichen Dank .
({10})
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Bundesministerin Dr . Barbara Hendricks .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir über den Bundeshaushalt sprechen, dann geht
es natürlich um Geld; aber es geht eben auch nicht ausschließlich um Geld . Nach den unmenschlichen Terrorakten in Paris wissen wir umso mehr, dass es auch um
den Schutz unserer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft geht . Es geht um die Sicherheit, den Schutz und
die Würde der Menschen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in wenigen Tagen
werden die Delegationen aus buchstäblich allen Ländern der Welt zur Weltklimakonferenz nach Paris fahren .
Für mich ist das, gerade nach den Anschlägen, aus zwei
Gründen ein ganz besonderes Ereignis: erstens, weil wir
mit der ganzen Solidarität der Staatengemeinschaft nach
Frankreich kommen werden: Wir werden zeigen, dass
wir nicht gewillt sind, wegen des Terrors zurückzuweichen und auf diese wichtige internationale Konferenz zu
verzichten .
({0})
Zweitens wird die Konferenz zeigen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen ist, den Klimawandel zu begrenzen und unsere Welt als einen lebenswerten Ort für
künftige Generationen zu gestalten . Ja, Klimapolitik ist
Friedenspolitik . Sie, Frau Kollegin Höhn, haben ganz
zu Recht darauf hingewiesen, welche Dimension die
Klimapolitik über den engeren naturwissenschaftlichen
Ansatz hinaus hat .
Das muss also die Botschaft sein, die von der Klimakonferenz ausgeht, und es ist noch ein Grund mehr,
warum wir erfolgreich sein müssen . Ich werde mit der
deutschen Delegation am Samstag mit dem Zug nach Paris fahren, und in der kommenden Woche habe ich dann
die Freude und Ehre, dem Deutschen Bundestag in einer
Regierungserklärung die Position der Bundesregierung
ausführlich darzulegen .
Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund jetzt zu dem
anderen Schwerpunkt der Verantwortlichkeiten meines
Hauses kommen . Die auffälligste Veränderung im Einzelplan 16 für die Bereiche Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit sind die zusätzlichen 500 Millionen Euro, die der Bund den Ländern für die soziale
Wohnraumförderung zur Verfügung stellt . Praktisch ist
das der Wiedereinstieg des Bundes in den sozialen Wohnungsbau . Nach vielen Jahren, in denen das Engagement
und die Finanzmittel zurückgefahren wurden, ist diese
Verdopplung der sogenannten Kompensationsmittel der
erste große Schritt hin zu einer Trendwende .
({1})
Es gab in der Vergangenheit sicherlich durchaus Gründe dafür, dass der Wohnungsbau in Deutschland an Bedeutung verloren hatte. Die demografische Entwicklung
und der in manchen Regionen erhebliche Leerstand sind
nur zwei dieser Gründe . Daraus hat die Föderalismuskommission 2006 die Konsequenz gezogen, die Zuständigkeit für den Wohnungsbau vollständig auf die Länder
zu übertragen . Das ist die Rechtslage, mit der wir es auch
heute noch zu tun haben .
({2})
Der Bund hat sich damals für eine Übergangszeit zu
Kompensationszahlungen verpflichtet.
Nicht einmal zehn Jahre nach dieser Entscheidung
zeigt sich, wie wir sehen, ein völlig anderes Bild: Die
Großstädte, Universitätsstädte und Ballungsräume erleben einen boomenden Zuzug . Forscher sprechen von
Schwarmstädten, die mit ihrer Attraktivität viele Menschen anziehen, obgleich dort der Wohnraum knapp ist .
Gleichzeitig steigt der Pro-Kopf-Anspruch an die Wohnfläche. Die Folgen sind rasant steigende Mieten und Preise .
Die demografische Entwicklung wirkt auch, aber auf
andere Weise als erwartet: Sie steigert die Nachfrage
nach altersgerechten, barrierefreien Wohnungen . Davon
gibt es noch eindeutig zu wenig . Es ist in den vergangenen Jahren ein massiver Nachholbedarf entstanden, insbesondere im sozialen, bezahlbaren Wohnungsbau . Diese
Wohnungslücke ist nicht auf einzelne Städte oder Regionen beschränkt, sondern sie ist bundesweit sichtbar . Deshalb besteht für den Bund hier Handlungsbedarf . Dieser
wird in den kommenden Jahren noch weiter anwachsen,
wenn neben vielen anderen eine bezahlbare Wohnung
Suchenden auch viele Flüchtlinge und Asylbewerber mit
Bleiberecht eine Wohnung suchen werden .
Nach den aktuellen Prognosen benötigen wir deutschlandweit jährlich insgesamt mindestens 350 000 neue
Wohnungen . Hier sind auch jene Wohnungen miteingerechnet, die sich Menschen als Eigenheime oder Eigentumswohnungen errichten . Die Aufstockung der Kompensationsmittel kann deshalb nur ein erster Schritt sein .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will deutlich machen, dass der Bund nicht nur mehr für den Wohnungsbau
tun muss, sondern auch tun will . Die Bundesregierung
und das Bundesbauministerium haben in dieser Legislaturperiode bereits viele Initiativen zur Stärkung des
Wohnungsbaus unternommen . Ich habe das Bündnis für
bezahlbares Wohnen und Bauen initiiert, das neben den
vielen Bündnissen auf Länder- und kommunaler Ebene
einen entsprechenden Beitrag leistet . Am Freitag dieser
Woche findet ein sogenanntes Spitzengespräch im Rahmen dieses Bündnisses statt, bei dem wir die Ergebnisse
der Kommission und den Abschlussbericht beraten .
Allein die Baukostensenkungskommission hat über
60 Vorschläge für kostengünstiges Bauen erarbeitet .
Denn auch das ist wichtig: Wir müssen nicht nur mehr
bauen, sondern auch darüber entscheiden, in welcher
Qualität und zu welchen Kosten gebaut werden soll . Dafür hat das Bündnis eine ganz wichtige Arbeit geleistet .
Bund, Länder und Kommunen müssen prüfen, welche
Anforderungen vereinheitlicht werden können und ob
vielleicht die eine oder andere Vorschrift auch verzichtbar ist .
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Claus?
Ja, gern .
Frau Ministerin, da Sie gerade auf die vielen Veränderungen in Ihrem Etat hinweisen, die wir im Haushaltsausschuss weitgehend unterstützt haben: Haben Sie eine
Erklärung dafür, warum die Spitze des Finanzministeriums dieser Debatte gegenwärtig nicht folgt?
({0})
Herr Kollege, ich bin zuversichtlich, dass die Spitze
des Finanzministeriums multitaskingfähig ist, also im
Büro sitzt und zugleich Fernsehen guckt .
({0})
Im Zusammenhang mit der Errichtung von Erst- und
Notunterkünften für Flüchtlinge haben wir im Baurecht
bereits viele Erleichterungen geschaffen und damit
Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wohnungsbau
in Deutschland ist in Bewegung gekommen . Wir lassen
die Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, nicht allein . Mein Ziel ist, dass genügend
Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann . Wir haben mit Mietpreisbremse und Wohngelderhöhung bereits
wichtige flankierende Maßnahmen umgesetzt. Der Wohnungsbau ist wieder zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema geworden .
({1})
Mit den gesellschaftlichen Veränderungen verändern
sich natürlich auch unsere Städte . Wir investieren mit
den Programmen der Städtebauförderung in benachteiligte Quartiere und in deren bauliche Infrastruktur . Mit
der deutlichen Aufstockung der Mittel für die Städtebauförderung und das Programm „Soziale Stadt“ in dieser Legislaturperiode unterstützen wir den sozialen Zusammenhalt, die Nachbarschaften und die Integration in
den Quartieren, und zwar für alle dort Lebenden .
Mit dem Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im
Quartier“, BIWAQ, haben wir bereits ein Programm, das
den sozialen Zusammenhalt und die Integration in den
„Soziale Stadt“-Gebieten fördert . Wir sind damit auf die
wachsenden Integrationsaufgaben infolge des Flüchtlingszuzugs eingestellt; freilich ohne heute schon sagen
zu können, ob die Mittel langfristig dafür ausreichen
werden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klimakonferenz
in Paris und der Wohnungsbau sind Themen, die derzeit
zu Recht große Aufmerksamkeit erfahren . Dieser aktuelle Fokus soll den Stellenwert der vielen anderen Themen
des Einzelplans 16 aber nicht schmälern . Ein Beispiel
sind die zusätzlichen Mittel für das Bundesprogramm
Biologische Vielfalt . Ich habe vor wenigen Wochen mit
der Naturschutz-Offensive 2020 ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem Deutschland seine Ziele beim
Schutz der biologischen Vielfalt noch erreichen kann;
denn wenn die bisherige Entwicklung anhielte, würden
wir unsere Ziele verfehlen .
Von Professor Michael Succow, den wir kürzlich als
einen der „Väter“ des DDR-Nationalparkprogramms ehren konnten, stammt der Befund - ich zitiere -:
„Tag für Tag verliert diese unsere Erde ein Stück ihrer
Schönheit, ein Stück ihrer Mannigfaltigkeit . Tag für Tag
verliert sie aber auch ein Stück ihrer Tragfähigkeit für
uns Menschen .“ Zitat Ende .
Mit der Naturschutz-Offensive 2020 stemmen wir uns
aktiv gegen den weiteren Verlust .
({2})
Ich habe in diesem Zusammenhang die Abschaffung der
Agrarsubventionen in ihrer bisherigen Form gefordert .
Sie stehen einem erfolgreichen Naturschutz in Deutschland und in Europa im Weg .
({3})
Stattdessen sollten wir den Landwirten die Leistungen
vergüten, die sie für die Natur, für den Naturschutz und
für die Kulturlandschaft erbringen .
({4})
- Werben wird schon helfen .
({5})
Wir werden das in Europa sowieso frühestens nach 2020
grundlegend ändern können .
({6})
Aber wir werden den Anpassungsmechanismus im
Jahr 2016 nutzen, um Finanzmittel von der ersten Säule
in die zweite Säule zu verschieben .
({7})
Ich bitte schon jetzt alle Kolleginnen und Kollegen dafür
um Unterstützung .
({8})
- Europa wird den Rahmen in der Tat erst nach 2020
grundsätzlich ändern . Das kann ich leider nicht verhindern .
Wir haben bekanntlich nur diese eine Erde . Deshalb
müssen wir uns auf ihren Erhalt und ihren Schutz konzentrieren . Das ist natürlich kein Schritt zurück, sondern ein Schritt nach vorne . Viele Umwelttechnologien
und Innovationen kommen aus unserem Land . Mit dem
Haushalt 2016 wollen wir zum Beispiel eine neue Exportinitiative starten, um grüne und nachhaltige Infrastrukturen besser zu verbreiten . Das ist gut für die Einsatzorte
und gut für unsere Wirtschaft . In jedem Fall sind Ökonomie und Ökologie - das haben wir längst nachgewiesen keine Gegensätze, sondern sie können nur zusammen erfolgreich sein .
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte
mich bei allen Mitgliedern des Ausschusses und bei den
Berichterstatterinnen und Berichterstattern bedanken .
Der Einzelplan 16 wird seinem Anspruch, zum Wohl aller Menschen in Deutschland beizutragen, gerecht .
Herzlichen Dank .
({9})
Als Nächster spricht der Kollege Hubertus Zdebel von
der Fraktion Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau
Ministerin Hendricks, Sie haben in einer langen Rede
zwei Themen meines Erachtens überhaupt nicht erwähnt .
Zum einen haben Sie das ganze Thema Fracking-Gesetzgebung, das aus der öffentlichen Wahrnehmung fast verschwunden ist, nicht angesprochen . Es hat mich verwundert, dass Sie darauf jetzt überhaupt nicht eingegangen
sind . Das zweite Thema, das ich schmerzhaft vermisst
habe, ist die Atompolitik . Insbesondere verwundert es
mich, dass Sie die Auseinandersetzungen über die sogenannten Atomrückstellungen, die uns alle sehr stark bewegen, nicht angesprochen haben .
Jahrzehntelang wurde der Atomstrom als Billigstrom
angepriesen . Das war damals schon eine Lüge . Heute
blickt man auf die wachsenden Atommüllberge und die
enormen Risiken für Mensch und Umwelt, die für 1 Million Jahre mit dieser größenwahnsinnigen Technologie
verbunden sind . Einst nutzte die Atomindustrie die Grube Asse im Südosten Niedersachsens als billige Müllkippe . Die dort vor Jahrzehnten eingelagerten rund 126 000
Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll rosten
in der einsturzgefährdeten Anlage vor sich hin . Weil der
Salzstock Asse zudem mit Wasser vollzulaufen droht,
wird seit einigen Jahren versucht, den Atommüll zu bergen . Ob das gelingt, weiß im Moment niemand .
Allein die Asse und die ebenfalls marode Müllkippe
Morsleben bei Magdeburg kosten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nach derzeitiger Schätzung rund
7,5 Milliarden Euro .
({0})
Dieser Betrag wird derzeit auch für das Atommülllager
Schacht Konrad eingeplant, ein Lager, bei dem fraglich
ist, ob es je in Betrieb gehen wird . Ich war vor einigen
Wochen in Salzgitter und habe mich dort mit dem Oberbürgermeister der Stadt, Herrn Klingebiel von der CDU,
unterhalten . Er würde sich sicherlich sehr freuen, wenn
auch Angehörige der anderen Fraktionen in diesem Hause, insbesondere der CDU/CSU-Fraktion, einmal nach
Salzgitter fahren würden, um sich mit ihm darüber zu unterhalten, was genau mit Schacht Konrad los ist .
({1})
Für den ebenfalls völlig ungeeigneten und verbrannten Standort Gorleben waren einmal rund 7,7 Milliarden
Euro geplant . Bis ein Ersatzstandort gefunden ist, wird
man für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle sicher
bei mindestens 10 Milliarden Euro angekommen sein .
Die Linke fordert, die schwer konflikt- und mängelbelasteten Projekte Schacht Konrad und Gorleben endlich
aufzugeben und die Mittel für diese Projekte sowie für
den Salzgitter-Fonds ersatzlos zu streichen .
({2})
Die Endlagersuche für Atommüll läuft, wie Sie wissen, im Moment in der Endlagersuchkommission . Die
Linke fordert eine finanzielle Stärkung des Standortauswahlverfahrens für die dauerhafte Lagerung des Atommülls .
38 Milliarden Euro sollen die Atomkonzerne für Rückbau und Lagerung von Atommüll zurückgestellt haben .
Selbst die Gutachter der Bundesregierung warnen aber,
dass keinesfalls sicher ist, dass dieses Geld tatsächlich
zur Verfügung steht . Selbst wenn es zur Verfügung stünde, würde es wohl nicht ausreichen . Die Kosten werden ja
schon heute auf 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt . Die
Atomkonzerne, die lange Jahre fette Gewinne gemacht
haben, versuchen mit allen Tricks, sich aus der Kostenverantwortung für ihre strahlenden Hinterlassenschaften
zu verabschieden. Wir wollen die Schlupflöcher schließen, mit denen sich die Konzerne durch Abspaltungen
oder Bad-Bank-Ausgliederungen vor der Finanzierung
der Atommüllkosten drücken wollen .
({3})
Deshalb fordern wir, dass noch in diesem Jahr der von
der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes verabschiedet wird .
({4})
Danach sieht es aber im Moment nicht aus . Das könnte
für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch richtig
teuer werden .
Gestern fand im Wirtschaftsausschuss die Anhörung
zum Gesetzentwurf der Bundesregierung statt . Was dort
ablief, war schon sehr skurril . Ich hatte die ganze Zeit
den Eindruck, die Opposition, also Linke und Grüne,
verteidigt den Gesetzentwurf der Bundesregierung mehr,
als es insbesondere die CDU/CSU gestern getan hat .
({5})
Ich hatte den Eindruck, Sie wollen dieses Gesetz dieses
Jahr nicht mehr verabschieden, obwohl die Bundesregierung ausdrücklich vor den Risiken gewarnt hat, die damit
Hand in Hand gehen . Wir fordern Sie auf, hier endlich
einmal klar Stellung zu der Frage zu beziehen, ob das
wirklich so ist . Wir sind der Meinung: Der Gesetzentwurf muss noch dieses Jahr verabschiedet werden, um
die Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
zu minimieren .
({6})
Ich sage bewusst „minimieren“; denn die Bundesregierung hat immer wieder demonstriert, dass sie den
Stromkonzernen zum Schaden der Umwelt und der
Bürgerinnen und Bürger unter die Arme greift, wenn es
eng wird . Wir haben das ja auch gerade im Bereich der
Braunkohle erlebt. Für klimaschädliche und überflüssige
Uraltkraftwerke bekommen die Konzerne auf Kosten der
privaten Stromkunden eine Abwrackprämie in Höhe von
1,6 Milliarden Euro . Das ist in unseren Augen eine unerlaubte Subvention .
Ähnlich kreative Modelle der Kostenverlagerung werden wir dann vermutlich im Frühjahr hier zu behandeln
haben, wenn die neue Kommission zur Überprüfung der
Finanzierung des Kernenergieausstiegs ihren Bericht
vorlegen wird . Dass die Bundesregierung diese Kommission, in der die Linke nicht einmal vertreten ist, eingesetzt hat, spottet jedes Demokratieverständnisses und
ist kein Zufall . Mit uns ist eine Verlagerung der Kosten
für den Atommüll auf die Bürgerinnen und Bürger nicht
zu machen .
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
({7})
Für die CDU/CSU spricht jetzt Kollege Dr . Georg
Nüßlein .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe
Kollegen! Sie erwarten jetzt wahrscheinlich, dass ich
zunächst etwas zu dem sage, was die Bundesumweltministerin hinsichtlich der Agrarsubventionen angeregt hat .
({0})
Frau Ministerin, das ist ein diskutabler Ansatz . Auch wir
wollen, dass unsere Landwirte für das, was sie im BeHubertus Zdebel
reich des Natur- und Umweltschutzes leisten, zusätzlich
vergütet werden .
({1})
Das ist ein entscheidendes Thema, das wir gemeinsam so
verfolgen werden . Das darf aber nicht zulasten unserer
Landwirtschaft gehen .
({2})
Vielmehr müssen wir den Landwirten die Möglichkeit
geben, sinnvoll und kostenorientiert Lebensmittel zu produzieren, die wir alle benötigen .
({3})
- Seien Sie doch ganz friedlich .
Ich komme kurz zu dem, was Herr Zdebel gesagt hat .
Ich hätte ja nicht gedacht, Herr Kollege, dass Sie angesichts dessen, was die Bundesregierung in dem Bereich
alles macht, hier versuchen, eine Debatte über Kernenergie aufzumachen . Sie sind genau informiert - jedenfalls
vermute ich das angesichts Ihrer Ausführungen -, welche
Kommissionen momentan eingesetzt sind, nämlich sowohl eine Endlagersuchkommission als auch eine Kommission, die Sorge dafür tragen soll, dass die Kosten, die
für die Endlagerung entstehen, am Ende auch von den
Konzernen getragen werden . Darum geht es . Das wird
diese Kommission vorbereiten . Die Kommission muss
man ernst nehmen, meine Damen und Herren .
({4})
Deshalb kann man auch das Ergebnis, das im Übrigen
bereits im Februar nächsten Jahres vorliegen wird, wenn
alles glattläuft, abwarten .
Ansonsten war diese Debatte bis jetzt sehr stark an
dem Thema Wohnungsbau orientiert . Ich halte das für
richtig . Das ist ein aktuelles, ein wichtiges Thema, das
uns alle umtreibt, auch, aber nicht nur angesichts der
Flüchtlingsthematik . Wir werden an der Wohnungsproblematik relativ schnell erkennen, wo bei der Zuwanderung die Grenzen des Machbaren sind . Wir werden erleben, wo an dieser Stelle die Obergrenze liegt .
Es muss uns gelingen, zusätzlichen Wohnraum zu
schaffen, nicht nur, wie ich gesagt habe, wegen der
Flüchtlinge, sondern auch deshalb, weil Wohnraum
an sich in diesem Land schon knapp ist . Einen neuen
Schwung beim Wohnungsneubau wünsche ich mir in der
Tat . Es geht um eine Belebung des Neubaus, nicht nur
bei Mietwohnungen - da möchte ich dem Kollegen Rief
ausdrücklich recht geben -, sondern es geht auch darum,
Eigentum zu schaffen . Wir sind da in Deutschland ganz
weit hintendran, meine Damen und Herren .
({5})
Es muss uns gelingen, den Menschen wieder die Möglichkeit zu verschaffen, eigenen Wohnraum zu besitzen .
Im Übrigen geht es darum, bezahlbaren Wohnraum zu
schaffen . Ich weiß, dass der Spagat im Umweltministerium da ein großer sein muss, weil man auf der einen
Seite die Umweltthemen - Flächenverbrauch, Energie,
Klimaschutz - im Auge haben muss und auf der anderen
Seite natürlich den Anspruch hat, so zu bauen, dass es
auch rentabel ist . Das ist eine schwierige Aufgabe . Ich
glaube aber, wie die Ministerin, dass wir diese Dinge zusammenbringen .
Ich will ausdrücklich sagen: Es geht eben nicht nur um
sozialen Wohnungsbau, aber auch . Dafür hat der Bund
das Notwendige getan . Jetzt sind die Länder am Zug . Ich
erwarte und hoffe, dass sie mit dem Geld diesmal nicht
wieder ihre Haushalte ausgleichen, sondern tatsächlich
Wohnraum schaffen .
({6})
- Die Bayerische Staatsregierung hat das Ihre getan,
Herr Kollege Bartol . Sie wissen ganz präzise, dass Sie
an dieser Stelle gerade die Falschen angreifen . Ich wollte
es nicht explizit sagen, weil es nicht nur zu Verzückung
führt, wenn man als Bayer die Bayern lobt; das ist ja etwas Eigenlob .
({7})
Aber es ist nicht notwendig, hier auf die Bayern einzuschlagen . Die sind es nicht gewesen, die bisher das Geld
für andere Dinge veruntreut haben .
({8})
Wenn man schon über die Kosten und die Länder diskutiert, meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal die Liste der Länder an, die in letzter Zeit die Grunderwerbsteuer erhöht haben .
({9})
Die sollen nicht zu uns kommen und sagen, sie möchten,
dass der Bund einen Beitrag dazu leistet, dass kostengünstig gebaut werden kann .
({10})
Sie sollen selber schauen, wo sie die Kosten dramatisch
erhöht haben, beispielsweise bei der Grunderwerbsteuer .
Auch da sind nicht die Bayern und auch nicht die Sachsen gemeint, sondern alle die Länder, die das in dieser
Ausprägung getan haben .
Ich habe mich gefreut, dass der Finanzminister heute
Morgen in der Debatte über die Möglichkeiten der steuerlichen Förderung von Wohnungsbau gesprochen und
deutlich gemacht hat, dass er im Dialog ist, auch mit den
Ländern . Auch da sind sie aufgerufen, ihren Beitrag zu
leisten . Ich sage Ihnen ganz offen: Uns geht es nicht daDr. Georg Nüßlein
rum, nur in Brennpunkten etwas zu tun . Ich halte das für
einen falschen Ansatz .
Wir haben in der Tat die Situation - die Ministerin
hat sie vorhin beschrieben -, dass sich die Verdichtung
in den Ballungsräumen abspielt, dass wir Schwarmstädte
und Zuzug bekommen . Das sind ganz schwierige Situationen . Ich glaube, es ist an der Politik, diese Entwicklung durch politische Beschlüsse nicht noch zu verstärken . Vielmehr sollten wir uns vor Augen halten, dass die
Abschreibung in diesem Bereich derzeitig nicht wirklich
kostenadäquat ist . Der Wertverlust eines Gebäudes, das
heute viel techniklastiger ist als früher, geht dramatisch
schneller vonstatten, als es noch vor 30, 40 Jahren der
Fall war . Deshalb muss man die Abschreibungssätze aus
meiner Sicht der wirtschaftlichen Realität anpassen und
dabei auch darauf setzen, dass die Investoren am Schluss
wissen, wo es Sinn macht, Wohnungen zu bauen .
({11})
Ich gehe davon aus, dass das mehrfach angesprochene
Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen in seinem
Abschlussbericht zu ähnlichen Empfehlungen kommen
wird und es uns gelingen wird, die Baukosten in den
Griff zu bekommen . Aber auch hier ist nicht nur der Staat
gefordert . Auch die Bauherren und Architekten müssen
sich einmal gemeinsam Gedanken darüber machen, wie
man ein bisschen preiswerter bauen kann . Es geht hier
eben nicht nur um unsere Auflagen.
Ich sage Ihnen auch: Ich habe jetzt verstanden, dass
wir das Baurecht mit Blick auf die Flüchtlingssituation
ändern mussten . Das sind aber Ausnahmeregeln . Ich
wäre sehr skeptisch - auch als Umweltpolitiker -, wenn
wir das zum Generalprinzip erheben würden .
Auch ein qualitativ guter und ein etwas exklusiverer
Wohnungsbau schafft am Ende Wohnraum im unteren
Bereich, weil die Menschen natürlich umziehen und dadurch andere Wohnungen frei werden, wodurch man eine
gewisse Öffnung erzielt . Ich glaube, das sollten wir beachten, und wir sollten jetzt nicht von dem einen Extrem,
alles zu regeln, was typisch deutsch ist, in das andere Extrem verfallen und sagen: Jetzt wird alles offen, die energetische Sanierung und der Klimaschutz spielen plötzlich keine Rolle mehr . - Das würde ich für fatal halten .
({12})
Ich habe es angesprochen: Es geht nicht nur um den
Mietwohnungsbau, sondern auch um das Thema Eigentum - Stichwort: Wohnungsbauprämie . Ich bin ganz offen für eine Diskussion darüber, ob die Uraltwerte, die
hierfür bei der Einkommensgrenze nach wie vor gelten,
noch angemessen sind .
({13})
Diese wurden im Jahr 1996, also noch im letzten Jahrtausend, festgelegt . Auch darüber sollte und wird man
diskutieren .
Das, was wir im Bereich des altersgerechten Bauens
gemacht haben, halte ich für einen guten Ansatz . Es ist
ganz wichtig, hier zu Umstrukturierungen zu kommen .
Das passt in der Tat auch in das Gesamtkonzept dieser
Bundesregierung . Schauen Sie sich an, was im Gesundheitsbereich gemacht wurde . Dort gab es eine große
Reform der Pflegeversicherung, bei der der Grundsatz
„Ambulant vor stationär“ nach ganz vorne gestellt wurde . Nach diesem Ansatz sollen die Leute möglichst lange
selbstständig in ihren Wohnungen leben können, auch
wenn sie etwas beeinträchtigt sind . Dabei ist natürlich
die Frage, wie man eine solche Wohnung altersgerecht
umbauen kann, ganz entscheidend . Ich glaube, dies ist eines der besten Programme, die wir auf der Seite der KfW
verankert haben . Es ist richtig, lieber Herr Bartol, dass
wir dieses Programm deutlich, nämlich um 23,5 Millionen Euro, aufgestockt haben .
({14})
Lassen Sie mich etwas zum Thema Klimaschutz sagen, das vor der UN-Klimakonferenz in Paris natürlich
eine entscheidende Rolle spielt: Ich will ganz klar sagen,
dass aus Sicht unserer Fraktion der internationale Klimaschutz entscheidend ist . Die Frage, ob es hier zu einem
Erfolg oder zu einem Misserfolg kommt, wird international und nicht national, Frau Höhn, und schon gar nicht
durch Symbolpolitik entschieden .
({15})
Wir müssen jetzt endlich einmal haltbare, transparente,
umsetzbare und wirklich robuste Regeln bekommen, an
die sich am Schluss alle halten . Das halte ich für ganz
entscheidend .
({16})
Ich würde mich freuen, wenn Sie das auch so sagen würden .
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, setzen jedenfalls auf die
Wirksamkeit der Instrumente auf der einen Seite und auf
die Kosteneffizienz auf der anderen Seite. Es geht am
Schluss nämlich auch darum, zu zeigen, dass sich Klimaschutz und Wirtschaft nicht widersprechen müssen, sondern dass beides geht, ökologischer und ökonomischer
Erfolg, wenn man es richtig macht und nicht so, wie es
die Grünen gerne hätten .
({17})
Natürlich komme ich jetzt auch auf den Zusammenhang zwischen den beiden Themen Bauen und Klima das haben Sie erwartet - und auf die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung zu sprechen .
Das ist ein altes Ziel, das immer wieder hart umkämpft
und leider Gottes nie erreicht wurde, was in der Tat am
Widerstand der Länder liegt . Sie haben nur Reden, aber
kein Geld für dieses Thema übrig . Das halte ich für
falsch .
({18})
- Ich habe Sie nicht verstanden, aber ich weiß wahrscheinlich, was Sie zugerufen haben, nämlich „Bayern“ .
Wir haben uns damals dagegen eingesetzt,
({19})
als ein Tauschgeschäft gemacht werden sollte .
({20})
Es wurde nämlich gesagt: Wir fördern die energetische
Gebäudesanierung, nehmen dafür aber dem Handwerk
beim Handwerksbonus gegen Schwarzarbeit etwas
weg . - Diesen hatten wir vorher sinnvollerweise eingeführt . Er ist präzise berechnet . Hier kann man nichts kürzen . Das ist ein intelligenter Ansatz, über den man nachdenken muss . Das ist ein bisschen komplizierter .
({21})
Wir sagen: Wir machen die Dinge absetzbar, und zwar
in dem Ausmaß, dass es keinen Sinn macht und nichts
bringt, dem Kunden die Mehrwertsteuer zu schenken und
dafür keine Rechnung zu schreiben . Dieser Bonus ist präzise berechnet . Deshalb kann man dieses Tauschgeschäft
nicht machen .
Wir wollen kein solches Tauschgeschäft, sondern wir
wollen, dass sich die Länder zu ihrer Verantwortung bekennen, nicht nur verbal, sondern auch finanziell.
({22})
Man muss auch einmal etwas auf den Tisch legen, wenn
einem das Thema sehr wichtig ist, statt zu sagen, man
habe dafür außer guten Worten nichts übrig . Meine Damen und Herren, das ist erheblich zu wenig .
({23})
Anstatt hier so einen Radau zu machen, liebe Damen und
Herren von den Grünen,
({24})
wäre es sinnvoll, mit den Vertretern der Länder zu reden,
in denen Sie Regierungsverantwortung tragen - leider
Gottes sind das ein paar -, und denen mitteilen,
({25})
dass sie uns bei der Erreichung unserer Klimaschutzziele in Schwierigkeiten bringen, wenn sie bei einem der
wichtigsten Projekte - ich bleibe dabei: von der Größenordnung her ist die energetische Gebäudesanierung eines
der wichtigsten Projekte - einfach Nein sagen . Das halte
ich für falsch .
Vielen Dank fürs Zuhören .
({26})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die
Kollegin Steffi Lemke das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Nüßlein, ich freue mich immer, wenn Sie
in einer Umweltdebatte reden . Dabei wird nämlich klar,
dass es Ihnen nicht um Umweltpolitik oder gar Klimaschutz geht, sondern um ein paar billige Schenkelklopfer .
Das sei Ihnen gegönnt . Aber das ist nicht unser Ansatz
einer seriösen und verantwortlichen Politik .
({0})
Ich will mit einem Lob an die Bundesministerin anfangen; das geht relativ schnell .
({1})
Zum einen ist es gut, dass zum zweiten Mal in Folge
3 Millionen Euro für die Bekämpfung von Wilderei in
den Umwelthaushalt eingestellt worden sind . Das geht
auf eine grüne Initiative bzw . auf einen interfraktionellen Antrag zurück . Dafür möchte ich mich ausdrücklich
bedanken .
Zum anderen - ich glaube, das ist strategisch wichtiger - ist es gut, dass die Bundesregierung und die
Bundesumweltministerin gegenüber dem Ansinnen der
Kommission in Brüssel klare Kante gezeigt haben, die
Naturschutz- und Umweltgesetzgebung in einem sogenannten Fitness-Check an Wirtschaftsinteressen anzupassen . Für die klaren Worte Ihrer Kollegin aus dem
Umweltministerium am vergangenen Freitag möchte ich
mich bedanken . Ich möchte aber gleichzeitig einfordern,
dass Sie diese Linie stringent fortsetzen, weil ich nicht
glaube, dass in dieser Angelegenheit abschließend entschieden ist und die Naturschutzrichtlinien der EU unangetastet bleiben sollen . - Das war das Lob .
Ich will zu den großen Herausforderungen oder auch
Krisen kommen: erstens die Klimakrise, zweitens das
Artensterben und drittens das Thema Fluchtursachen .
Wir haben aus ausreichend vielen Studien Belege dafür,
dass vier von neun planetaren Grenzen bereits überschritten worden sind . Der erste Punkt ist die Klimakrise . In
Paris werden wir über das 2-Grad-Ziel verhandeln .
Ich finde es gut, dass es heute Morgen für diese Klimaverhandlungen ein sehr positives Zeichen gegeben
hat . Hier wird in die Tat umgesetzt, was Herr Nüßlein
nur verbal einfordert: Die Allianz-Versicherung hat erklärt, dass sie sich aus dem Kohleinvestment zurückziehen wird .
({2})
Das ist zwar nicht ganz die reine Lehre, aber immerhin .
Damit geht die Allianz-Versicherung weit über das hinaus, was die Bundesregierung an ökologischem und
ökonomischem Sachverstand an den Tag legt . Die Bundesregierung schafft es nicht einmal, bei der KfW-Finanzierung wenigstens etwas Ähnliches zu beschließen .
({3})
Ich will mich zunächst auf die zweite große Krise
konzentrieren, von der ich finde, dass die Naturschutzministerin sie wirklich unterbeleuchtet, nämlich das
Artensterben . Wir wissen auch wiederum aus vielen
Studien Ihres Hauses, vom Bundesamt für Naturschutz
und vom Umweltbundesamt, dass ein Drittel unserer Arten gefährdet oder bereits ausgestorben ist . Ein Drittel!
Etwa 30 Prozent der Arten sind weg oder fast weg . Frau
Hendricks, Ihre Antwort auf diese riesengroße Aufgabe
ist eine Naturschutzoffensive in Form einer Hochglanzbroschüre . Sie ist zwar auf Ökopapier gedruckt; das ist
gut . Aber es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie sich
hierhinstellen und sagen: Werbung wird schon helfen . Das ist hanebüchen .
({4})
Wir erwarten von Ihnen klare Maßnahmen und nicht
nur ein Versprechen für die Zeit nach Ihrer Amtszeit . Sie
schlagen für die nächsten Verhandlungen für die Gemeinsame Agrarpolitik vor, die Agrarsubventionen zu reduzieren . Das ist lange nach 2020 . Ihre Aufgabe ist es, die
Biodiversitätsstrategie, die unter Herrn Gabriel beschlossen worden ist, umzusetzen . Das heißt, das Artensterben
bis 2020 zu stoppen . Dafür haben Sie noch genau zwei
Jahre Zeit, bis die Legislaturperiode zu Ende ist . Dann
werden die Karten, wie bekannt, neu gemischt . Mit einer
Broschüre werden Sie da definitiv nicht weiterkommen
Der WDR hat heute Morgen berichtet, dass die
EU-Kommission ein neues Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
einleiten will, weil viel zu viel Nitratdünger auf unsere Felder kommt, was dazu führt, dass zu viel Nitrat in
unserem Wasser ist . Dadurch wird die Natur vernichtet
bzw . das Artensterben massiv befördert . Bei der Düngegesetzgebung jedoch haben Sie nichts, aber auch gar
nichts erreicht . Darum wird die Broschüre schlicht und
einfach nicht helfen, sondern nur eine traurige Bilanz
hinterlassen .
({5})
Ich komme zum zweiten Punkt beim Naturschutz,
zum Abbau umweltschädlicher Subventionen . Wiederum
Ihr eigenes Haus, das Umweltbundesamt, beziffert die
umweltschädlichen Investitionen in Deutschland auf bis
zu 50 Milliarden Euro . Sie aber haben alle unsere Anträge während der Haushaltsberatungen - in ihnen ging
es darum, mit einem ersten Schritt wenigstens einen Teil
der Subventionen zu kürzen - schlichtweg abgelehnt,
obwohl Sie durch das CBD-Übereinkommen völkerrechtlich dazu verpflichtet sind. Dabei geht es nicht nur
um das grüne Parteiprogramm; auch was darin steht, ist
wichtig und würde ausreichen . Die Bundesregierung hat
sich aber völkerrechtlich auch dazu verpflichtet, umweltschädliche Subventionen abzubauen . Dazu ist wieder
eine Fehlanzeige in Ihren Haushaltsberatungen zu vermelden .
({6})
Sie laufen im Bereich „Naturschutz und Stoppen des
Artensterbens“ unter der Messlatte hindurch, die Sigmar
Gabriel aufgelegt hat . Wenn Sie, Frau Hendricks, damit
wirklich aus dem Amt scheiden wollten, fände ich das
extrem schade . Sie haben jedenfalls unsere volle Unterstützung, wenn Sie daran noch etwas ändern wollen .
({7})
Das zweite große Thema haben Sie selbst mit der Aussage „Deutschland wird in Zukunft Klimaflüchtlinge aufnehmen müssen“ in die öffentliche Debatte eingespeist .
Das ist erst einmal richtig . Sie sind aber jetzt schon mit
der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen - mit
den jetzt zu uns kommenden Flüchtlingen; das betrifft
Kommunen, Länder und den Bund - beschäftigt und
gefordert . Wenn Sie nun den nächsten großen Problemreigen im Hinblick auf Flüchtlinge eröffnen, erwarten
wir von Ihnen - das wäre das Allermindeste -, dass Sie
jetzt energisch in den sozialen Wohnungsbau investieren .
Auch da bleiben Sie mit den 500 Millionen Euro, die Sie
in den Haushalt eingestellt haben, weit hinter allen Herausforderungen bzw . Notwendigkeiten zurück .
({8})
Sie wissen das, Frau Hendricks . In Ihrer Rede haben sie
an zwei Stellen durchblicken lassen, dass Ihnen absolut
klar ist, dass das Geld nicht ausreichen wird . Deshalb
ist zu fragen, warum Sie jetzt, da in den Kommunen die
Probleme auch mit Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit kumulieren, nicht aufstocken . Das spielt
sich nicht hier im Deutschen Bundestag, sondern in den
Städten und Gemeinden ab . Wenn Sie denen jetzt nicht
ein klares Signal geben, indem Sie sagen „Ihr bekommt
ausreichend Geld für Investitionen in den sozialen Wohnungsbau“, haben Sie eine Mitverantwortung für die Probleme auf kommunaler Ebene .
({9})
Ein guter Haushalt muss vorausschauend sein . Mit
ihm muss über den Tellerrand hinausgeblickt werden .
Er muss gerecht sein . All dies wird auch im Bereich des
Umwelthaushaltes in eklatanter Weise nicht berücksichtigt . Sie bleiben die Antworten auf die großen Herausforderungen - sei es die Klimakrise, das Artensterben oder
das Bewältigen der Aufgaben im Zusammenhang mit den
Flüchtlingen, die im Moment zu uns kommen - schuldig .
Dieser Haushalt hat - auch für den Umweltbereich keinen Plan . Das müssen Sie dringend ändern .
Danke schön .
({10})
Als Nächster spricht der Kollege Carsten Träger für
die SPD .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Natürlich fokussieren sich die Beratungen des
Haushalts des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in diesen Zeiten zunächst auf den Baubereich, auf den sozialen Wohnungsbau . Gleichwohl halte ich es für sehr wichtig, dass wir
uns auch um den zweiten Bereich, den Umweltbereich,
kümmern . Deswegen möchte ich mich auf zwei Themen
konzentrieren: auf das Bundesprogramm Biologische
Vielfalt und - das hat die Frau Kollegin gerade auch
schon angesprochen - auf die Bekämpfung der Wilderei .
Dafür werden jeweils 3 Millionen Euro ausgegeben . Das
sind Zahlen, die, wie ich zugebe, manchen im Vergleich
zu den Summen, über die wir sonst debattieren, gering
vorkommen mögen . Das Thema ist aber ganz sicher nicht
von geringer Bedeutung .
Auch wenn wir Artenschützer in den Schlagzeilen
nicht ganz oben stehen, darf der Naturschutz nicht zu
kurz kommen . Dafür sorgt unsere Umweltministerin, und
dafür danke ich ihr .
({0})
Es gibt einen Aufwuchs um 20 Prozent für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt, und ich unterstütze ausdrücklich die Ministerin in ihrer Forderung, diese Mittel
bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln . Das ist wichtig, und
es ist auch notwendig . Denn der Indikatorenbericht zu
dem Programm hat gezeigt, dass es beim Erhalt der Artenvielfalt zwar einerseits schöne Erfolge in Deutschland
gibt - wir freuen uns zum Beispiel über die Rückkehr des
Wolfs -; anderseits ist aber die Trendwende noch nicht
geschafft . Deswegen müssen wir dringend etwas tun .
Frau Lemke, ich begrüße ausdrücklich die Naturschutz-Offensive 2020 . Darin sind zehn Handlungsfelder
definiert und 40 Maßnahmen genannt, und eine zentrale
Botschaft ist - die Frau Ministerin hat es angesprochen der Umbau der Agrarsubventionen . Das ist der Hebel, bei
dem wir ansetzen müssen: öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen für den Naturschutz .
({1})
Herr Krischer, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in dem Bundesprogramm wird eine Vielzahl wirklich guter Projekte gefördert: für den Erhalt der Wildkatze, für den Gewässerschutz oder auch für Maßnahmen,
die das Bewusstsein für die Biodiversität stärken . Ich bin
stolz darauf, dass wir hier eine Aufstockung erreicht haben und künftig noch mehr wertvolle Projekte fördern
können .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der zweite Punkt,
über den ich reden möchte, ist der Kampf gegen die Wilderei und den illegalen Wildtierhandel . Die Wilderei auf
Elefanten und Nashörner hat in Afrika dramatische Ausmaße erreicht . Ihre Bekämpfung stellt derzeit eine der
größten Herausforderungen für den internationalen Naturschutz dar . Allein 2014 wurden in Afrika 20 000 Elefanten illegal abgeschlachtet . Das ist nicht nur ein Tierschutzproblem .
({2})
Die Wilderei gehört zu den einträglichsten Sparten der
organisierten Kriminalität . Sie steht auf einer Stufe mit
Waffen-, Drogen- und Menschenhandel und ist eine Finanzierungsbasis für Terrororganisationen in Afrika . Es
geht um sehr, sehr viel Geld .
Wie werden wir die 3 Millionen Euro einsetzen? Ich
freue mich sehr, dass es gelungen ist, die Mittel zu verstetigen . Einerseits ist es notwendig, darauf zu zielen,
die Nachfrage in den Nachfragestaaten zu reduzieren,
die vor allem in Asien liegen . Andererseits müssen wir
die Herkunftsländer bei der Entwicklung und Umsetzung
von Strategien zur Bekämpfung der Wilderei, aber auch
des Handels, der in diesem Zusammenhang betrieben
wird, unterstützen . Dafür gibt es vor Ort sogenannte nationale Elfenbein-Aktionspläne, die wir mit diesen Mitteln
weiter unterstützen wollen .
Deutschland ist bei der Bekämpfung der Wilderei international führend . Ich freue mich, dass wir das mit den
Haushaltsmitteln, die wir beschließen wollen, verstetigen können . Ich danke auch dem Umweltministerium für
sein Engagement an dieser Stelle .
Vielen Dank .
({3})
Nächster Redner ist der Kollege Christian Hirte für die
CDU/CSU .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Kaum ein anderes Thema beherrscht die Debatten dieser Tage so sehr wie die aktuelle Flüchtlingskrise und die damit im Zusammenhang stehende Politik .
Kaum ein anderes Thema wird auch außerhalb der Politik so stark und auch kontrovers diskutiert wie dieses,
sei es bei Bürgerversammlungen, sei es am Stammtisch
oder im Verein und selbst im Freundeskreis und in der
Familie .
({0})
Dabei erlebt die Debattenkultur ein Niveau, das, freundlich formuliert, gelegentlich verbesserungswürdig ist .
Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen steht natürlich auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Größe der Herausforderungen und der Schwere der Aufgabe .
Deswegen komme auch ich heute nicht umhin, den Etat
des BMUB wenigstens ein Stück weit in diesen epochalen Gesamtzusammenhang mit diesem Thema zu stellen .
Dass die deutsche Politik mit ihren begrenzten Ressourcen dabei auf vielen Kontinenten ansetzen muss, zeigt
allein der Blick auf die Statistik der Herkunftsländer der
Asylbewerber in Deutschland . Zur Stärkung und Stabilisierung der Regionen haben wir seit 2012 mehr als 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt . Weitere 400 MillioCarsten Träger
nen Euro sind allein für 2016 zur Krisenbewältigung und
-prävention in den Haushalt des Auswärtigen Amtes aufgenommen worden . Frau Höhn, es ist also nicht so, dass
sich der Bund nicht engagieren würde . Im Gegenteil: Wir
sind intensiv engagiert .
Nicht nur die Flucht aus politischen und religiösen
Gründen oder vor Bürgerkriegen ist weltweit ein Grund
für anschwellende Flüchtlingsströme . Vielmehr haben
Naturkatastrophen im vergangenen Jahr über 20 Millionen Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen .
So wichtig die Auseinandersetzung mit dem Terror und
den Konfliktherden der Welt ist, so wichtig bleibt auch
die Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels . Paris im Jahre 2015 darf daher nicht allein zum Synonym für einen barbarischen Akt des Terrors werden,
sondern Paris muss auch ein klares Bekenntnis der Weltgemeinschaft sein, das 2-Grad-Ziel zu erreichen .
({1})
Eine Studie von Bloomberg hat gerade festgestellt,
dass die Entwicklungsländer aktuell mehr Geld für saubere Energie ausgeben als die reichen entwickelten Länder .
({2})
An der Spitze dieser Entwicklung marschiert zurzeit
China . Auch Indien will sich auf einen ähnlichen Weg
begeben . Die Bloomberg-Studie geht davon aus, dass bis
2040 die Entwicklungsländer doppelt so viel sauberen
Strom erzeugen wie die reichen OECD-Länder . Das ist
gut, wenn man die Entwicklungsländer sieht, und zugleich erschreckend, wenn man die OECD-Länder sieht .
({3})
Nach dieser Studie, Frau Höhn und Frau Lemke, sticht
allein Deutschland bei den OECD-Ländern - auch in der
Perspektive 2040 - positiv heraus .
({4})
Dafür haben wir nicht nur im Bereich der erneuerbaren
Energien einiges getan .
({5})
Im Haushalt von Frau Hendricks erhöhen wir 2016 die
Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Rahmen unserer Internationalen Klimaschutzinitiative um über 75 Millionen Euro auf dann rund
340 Millionen Euro . Insgesamt wird Deutschland seine
internationale Klimaschutzfinanzierung - wir haben das
gerade gehört - bis 2020 verdoppeln . Andere müssen unserem Beispiel noch folgen .
({6})
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass alle bisher angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen, selbst wenn sie realisiert werden
sollten . Trotzdem entbindet dies kein Land, schon gar
nicht uns Verantwortungsträger in Deutschland, den Weg
in die richtige Richtung einzuschlagen und auch dafür
zu werben . Auch in Deutschland sind die Folgen des
Klimawandels für Mensch und Umwelt spürbar . Leid
bringt der Klimawandel aber vor allem jenen Ländern,
in denen ohnehin die Ärmsten der Armen wohnen . Wer
will es diesen Menschen schon übel nehmen, dass sie ihr
Schicksal selbst in die Hand nehmen und ihr Glück woanders - eventuell auch bei uns in Europa - suchen? Es
ist deshalb nicht nur für den globalen Klimaschutz Zeit,
den Klimawandel abzubremsen, sondern liegt auch und
gerade in unserem eigenen nationalen, durchaus innenpolitischen Interesse . Deutschland muss sich dabei nicht
verstecken, Frau Höhn . Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm haben wir die Mittel für die Nationale Klimaschutzinitiative um 450 Millionen Euro aufgestockt .
Die Mittel werden überwiegend zur Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und zur Erreichung
der deutschen Klimaschutzziele eingesetzt . Konkret geht
es dabei vor allem darum, Kommunen bei Investitionen
in Klimaschutzprojekte zu unterstützen . Auch die Förderung von Klimaschutz in Unternehmen, im Mittelstand
und im Handwerk wird ausgebaut .
Der zweite Schwerpunkt sind - mein Kollege Rief hat
schon darauf hingewiesen, ebenso der Kollege Nüßlein Investitionen in die Stadtentwicklung und das Thema
„bezahlbares Wohnen“ . Mit rund 300 Millionen Tonnen
Kohlendioxid verursacht der Gebäudesektor rund ein
Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen . Wahrscheinlich gibt es hier im Haus sogar einen Konsens, dass
wir die Quote bei der energetischen Gebäudesanierung
erhöhen müssen . Einigkeit besteht wahrscheinlich auch
noch, dass wir dazu zusätzliche Anreize für die Baubranche und die Hauseigentümer benötigen . Ich persönlich
meine - auch aufgrund meiner Erfahrung als Anwalt für
Steuerrecht -, dass steuerliche Anreize die größte Lenkungswirkung entfalten . Deswegen bin ich den Vorrednern für den Hinweis dankbar, dass wir über die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung und auch
ganz allgemein über die AfA diskutieren müssen .
({7})
Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Kühn?
Sehr gerne .
({0})
Herr Kollege Hirte, ich frage Sie jetzt in Ihrer Eigenschaft als Fachanwalt für Steuerrecht: Glauben Sie nicht
auch, dass es für diejenigen, die sich jetzt überlegen, ob
sie ihr Gebäude oder ihre Wohnung modernisieren und
ob sie investieren sollen - es kann sich auch um eine
Wohnungseigentümergemeinschaft handeln -, unerträglich ist, nicht zu wissen, ob eine Steuerförderung kommt
oder ob sie nicht kommt? Jetzt ist die Steuerförderung im
Januar gescheitert, und die Union treibt in dieser Debatte die, ich sage einmal, Sau Steuerförderung weiterhin
durchs Dorf und verunsichert Investoren in Deutschland .
Sie macht ihnen Hoffnung, dass diese Steuerförderung
noch kommt .
Ich finde das unerträglich, weil Sie damit dazu beitragen, dass jetzt Investoren sagen: Ich halte mich erst einmal zurück und warte, bis die Steuerförderung kommt . Ich frage Sie ganz ernsthaft: Halten Sie es nicht für
unverantwortlich, eine solche Politik zu machen?
Die zweite Frage, die ich habe, ist: Wann bringen Sie
als Koalitionsfraktion hier einen Antrag auf Steuerförderung ein? Dann können wir alle ihm gemeinsam zustimmen; denn hier gibt es eine breite Mehrheit dafür, das zu
machen .
Herr Kollege Kühn, ich glaube, Sie haben einen
Umstand noch nicht ganz zur Kenntnis genommen und
vielleicht auch nicht verstanden, nämlich dass wir in der
Wohnungsbauwirtschaft momentan eine sehr erfolgreiche Entwicklung haben, unabhängig davon, ob wir momentan darüber diskutieren, ob eine weitere steuerliche
Förderung kommt .
({0})
Frau Ministerin Hendricks hat in ihrer Rede ausgeführt, dass wir jährlich etwa 350 000 zusätzliche Wohnungen benötigen . Das heißt, über den momentan sich
gut entwickelnden Wohnungsbau hinaus brauchen wir
ein weiteres Programm, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen .
({1})
Deswegen ist es notwendig, dass wir über Maßnahmen
nicht nur im staatlichen Bereich nachdenken, sondern
zum Beispiel auch über Maßnahmen zur steuerlichen
Förderung, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen .
({2})
Wenn Sie nachfragen, wie wir dafür Sorge tragen können, ein solches Programm zur steuerlichen Förderung
auf den Weg zu bringen, dann ist diese Frage durchaus
berechtigterweise an die CDU, an die SPD und an die
Bundesregierung gerichtet, sie ist aber mindestens genauso berechtigt den Bundesländern zu stellen, die natürlich ihren Anteil an den steuerlichen Ausfällen, die sich
in der Folge ergeben, mittragen müssen .
({3})
Das heißt, Sie können sich durchaus in den Bundesländern engagieren, in denen Sie Mitverantwortung tragen .
({4})
So können wir gemeinsam, nämlich die Koalition in Berlin und die Bundesländer, das auf den Weg bringen . Dazu
sind Sie herzlich eingeladen .
({5})
Ich wünsche unserer Kanzlerin Angela Merkel und
Frau Umweltministerin Barbara Hendricks jedenfalls
viel Erfolg und Verhandlungsgeschick, um in Paris zu
dem Erfolg zu kommen, den wir alle gemeinsam nötiger
denn je brauchen .
Dazu gehört ganz selbstverständlich auch, dass wir
den Klimaschutzgedanken ganz konkret mit wirtschaftlicher Prosperität verbinden. Umwelt- und Effizienztechnologien sind Treiber für wirtschaftliches Wachstum und
für neue Arbeitsplätze .
({6})
Dabei sind sie nicht nur national wichtige Wachstumstreiber, sondern sie sind auch international von enormer
Bedeutung . Das globale Marktvolumen solcher Technologien betrug im Jahr 2013 etwa 2,5 Billionen Euro, und
es wird erwartet, dass sich das Marktvolumen bis 2025
auf mehr als 5 Billionen Euro entwickeln wird . Das sind
Wachstumsraten von durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr .
Der Weltmarktanteil von Greentech made in Germany
beträgt derzeit rund 14 Prozent . Um diesen Technologien
zu einem besseren Durchbruch auch in anderen Ländern
zu verhelfen, hat das Bundesministerium nun eine Export initiative gestartet und mit 5 Millionen Euro hinterlegt . Zusammen mit der im Einzelplan des Wirtschaftsressorts laufenden Exportinitiative, die dort mit mehr
als 80 Millionen Euro veranschlagt ist, sind wir gut aufgestellt, diesen für Deutschland wichtigen Exportmarkt
sinnvoll zu erschließen .
({7})
Ich sage das vor allem deswegen, weil man daran
sieht, dass die aktuelle Koalition Wert darauf legt, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen und gemeinsam zu entwickeln . Wenn wir mit diesem besonderen Titel in Höhe von 5 Millionen Euro im Umweltetat
dazu beitragen können, Deutschlands Rolle als führende
Nation im Bereich der Umwelttechnologien zu stärken,
nutzt dies nicht nur uns im eigenen Land, sondern es trägt
auch dazu bei, vor allem anderen Nationen unsere Technologien stärker als bislang zugänglich zu machen .
Noch ein Wort zum Endlagerbereich:
Erstens . Wir haben die Ansätze für die Asse und für
Morsleben geringfügig abgesenkt, weil wir mit den freiwerdenden Mitteln das Bundesprogramm Biologische
Vielfalt stärken wollten. Da der Mittelabfluss bei den
Projekten jetzt mehr und mehr in Schwung kommt, wäre
es zu einem Antragsstau etwa Mitte nächsten Jahres gekommen . Das wollten wir verhindern . Es stellt sich aber
für den Haushalt 2017 das Problem, dass wir den Aufwuchs natürlich finanziell verstetigen wollen. Ich bin
mir ziemlich sicher, dass wir, die Berichterstatter und die
Leitung des Hauses, zu einer sinnvollen Lösung kommen
werden .
Zweitens . Wir stehen bei der Frage der Endlagerung
gewissermaßen vor einer Richtungsentscheidung, wie
die Endlagerungen künftig organisiert werden sollen .
Gemäß EU-Richtlinie 2011/70/Euratom ist Deutschland
verpflichtet, die vorhandene Behördenstruktur zu verändern . Die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe hat hierzu bereits Vorschläge gemacht . Dabei
soll dem internationalen Grundsatz der Trennung von
Aufsicht und Betrieb gefolgt werden . Die Neuordnung
der Behörden sieht daher neben der Schaffung eines zentralen Regulators in Form des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung auch die Errichtung einer Bundesgesellschaft für kerntechnische Entsorgung vor .
({8})
Die Streichung von 30 Stellen haben wir deswegen
ausgebracht, weil derzeit noch nicht völlig klar ist, wie
die Organisationsstruktur künftig aussehen soll . Ich sage
aber ganz deutlich: Wir werden die Stellenentsperrung
zügig vornehmen, sobald klar ist, wie die künftige Organisation aussieht .
Vielen Dank für die bisherige konstruktive Zusammenarbeit . Ich bin optimistisch, dass sie uns auch in Zukunft voranbringen wird .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({9})
Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol, SPD .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Dieser Haushalt macht zwei Dinge deutlich:
Wir setzen den Koalitionsvertrag Schritt für Schritt
um . Und: Wir nehmen auch neue Herausforderungen
an . Unser Motto „Gesagt . Getan . Gerecht .“ hat uns in
der Stadt- und Wohnungspolitik bei vielen Maßnahmen
und Entscheidungen geleitet . Die Mietpreisbremse, seit
dem 1 . Januar 2015 in Kraft, ist für die Bevölkerung
eine Frage der Gerechtigkeit . Bezahlbares Wohnen ist
ein gesamtgesellschaftliches Ziel, und deshalb ist neben
der Mietpreisbremse auch die Erhöhung des Wohngeldes
zum 1 . Januar 2016 ein wichtiges Signal . Wir haben dafür zusätzlich 200 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung gestellt . Erfreulich ist: Beide Instrumente wirken .
Auch die Maßnahmen, die wir im zweiten Mietrechtspaket verhandeln, werden für mehr Gerechtigkeit
sorgen . Damit versuchen wir zu verhindern, dass Miete
arm macht, und wir wollen die Auswirkungen von Wohnungsknappheit mildern . Ursache zu hoher Mieten ist
aber am Ende der fehlende Wohnraum .
Auf die damit verbundenen Fragen gibt dieser Haushalt eine Antwort: bauen . Wir haben es geschafft, dass
die Kompensationsmittel für die soziale Wohnraumförderung verdoppelt werden und dass den Ländern in
2016 gut 1 Milliarde Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen . Das ist so wichtig, weil
es nicht bei den durch den Bund zur Verfügung gestellten
Mitteln bleibt. Die Länder haben sich verpflichtet, diese
dem Zweck entsprechend zu verwenden . Es ist natürlich
noch Luft nach oben, wenn im letzten Jahr sieben Länder
die Kompensationsmittel nicht bzw . nicht vollständig in
die Wohnraumförderung investiert haben . Trotzdem sind
diese Mittel ungemein wichtig, weil die Länder die vom
Bund eingesetzten Kompensationsmittel im letzten Jahr
auch durch eigene Wohnraumförderung vervierfacht haben . Auch wegen dieser Hebelwirkung ist dies sicherlich
einer der größten Erfolge im Baubereich . Wir gehen damit weit über den Koalitionsvertrag hinaus .
({0})
Es geht aktuell aber nicht nur darum, den grundsätzlichen Bedarf an Wohnungen, sondern insbesondere
auch den zusätzlichen Bedarf, bedingt durch den Zuzug
von Flüchtlingen, zu decken . Dabei sollten wir unseren
Blick auch dahin wenden, wo Leerstand herrscht . Für
viele Flüchtlingsfamilien dürfte auch das Wohnen auf
dem Land eine attraktive Option sein . Wohnraum ist dort
schneller verfügbar . Schrumpfende Regionen könnten
vom Zuzug durch Flüchtlinge profitieren. Damit daraus
am Ende eine Win-win-Situation wird, müssen örtliche
Wirtschaft und Kommunalpolitik auch kreativ sein und
die richtigen Anreize setzen .
Die notwendigen Diskussionen darüber müssen noch
geführt werden . Für uns ging es jetzt zunächst in einem
ersten Schritt darum, möglichst schnell bauen zu können,
was wir auch mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ermöglicht haben .
Doch mit diesem Haushalt sind wir bereits beim zweiten Schritt . Es geht nicht nur darum, schnell Wohnungen
für Flüchtlinge zu bauen, sondern auch darum, mehr für
alle zu bauen . Wir wünschen uns deshalb nicht nur, dass
Wohnungsgenossenschaften und städtische Wohnungsbaugesellschaften über die Bestandssicherung hinaus
stärker an Neubau denken, sondern auch, dass private
Investoren in den Mietwohnungsbau stärker einsteigen
als bisher .
({1})
Auch dazu haben der Koalitionsausschuss und der
Flüchtlingsgipfel Bund und Ländern einen klaren Auftrag erteilt: Es soll geprüft werden, wie mittels geeigneter
Anreizinstrumente der Neubau von preiswertem Wohnraum gefördert werden kann . Lieber Kollege Nüßlein,
ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzminister
das nicht nur erklärt, sondern auch einen konkreten Vorschlag unterbreitet .
({2})
Häufig mangelt es auch schlichtweg an Flächen für
den Wohnungsneubau . Hierbei können wir nur bedingt
weiterhelfen . Deswegen haben wir die BImA, die unsere
Liegenschaften verwaltet, ermächtigt, weitere bundeseigene Flächen verbilligt abzugeben, wenn auf diesen Flächen Sozialwohnungen gebaut werden . Wir Fachpolitiker sind aber - das will ich unumwunden zugeben - mit
der konkreten Ausgestaltung nicht zufrieden .
({3})
Der Verkehrswert bzw . die hohen Bodenpreise werden
ausgerechnet in den Städten, in denen auch noch Wohnungsknappheit herrscht und in die aktuell noch mehr
Menschen strömen, einfach nicht genug berücksichtigt .
Bei alldem darf eines nicht aus dem Blick geraten:
Wenn wir bauen, dann nicht nur, wie bei der Erstunterbringung, schnell und für kurze Zeit! Deshalb muss unsere Devise sein, zwar schnell, aber nicht schlicht zu bauen .
Dafür braucht es neue Ideen und Initiativen, beispielsweise serielles und modulares Bauen . Deshalb werden im
Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms 120 Millionen Euro für Modellvorhaben zum nachhaltigen Wohnen
für Studierende und Azubis zur Verfügung gestellt . Mit
diesen sogenannten Variowohnungen gerät modulares
und nachhaltiges Bauen in den Blick . Der Projektaufruf
ist auf den Weg gebracht . Nun sind wir gespannt auf innovative Ansätze, die sich insbesondere in Gebieten mit
Wohnungsknappheit kostengünstig umsetzen lassen .
Ein weiterer Anreiz für die Schaffung von bedarfsgerechtem Wohnraum ist das Programm „Altersgerecht
Umbauen“ . Mit der Aufstockung auf immerhin 50 Millionen Euro tragen wir der Tatsache Rechnung, dass im
Moment die Anträge nur so hereinströmen . Was wollen
wir damit erreichen? Es geht um Integration, darum,
dass die, die nur in barrierefreien oder barrierearmen
Wohnungen in ihrem Lebensumfeld bleiben können, die
Chance dazu haben . Es geht darum, dass wir Ausgrenzung entgegenwirken sowie Integration und friedliches
Zusammenleben ermöglichen . Wir reden hier nicht über
irgendein Wirtschaftsgut; wir reden über die Wohnung,
wir reden über das Lebensumfeld von Menschen, und wir
reden am Ende über Heimat .
Das bringt mich zu einer weiteren Herausforderung,
vor der wir stehen . Die neugebauten Wohnungen und
die neuen Wohnsiedlungen werden auch Heimat derer
sein, die zu uns kommen, die bei uns Sicherheit, aber
auch Glück suchen . Die, die bereits in diesen Vierteln
wohnen, sowie die, die hinzuziehen, müssen ein Umfeld vorfinden, das das Zusammenleben gelingen lässt.
Mich stimmt optimistisch, dass wir hier nicht bei null
anfangen . Insbesondere das Programm „Soziale Stadt“
setzt seit Jahren mit unterstützender Quartiersarbeit genau dort an . Deshalb ist es bereits im Haushalt 2014 gestärkt worden . Hier können Probleme früh erkannt und
Lösungsstrategien entwickelt werden . Wir wissen - auch
das ist gerade schon erwähnt worden -, dass jeder Euro
in die Städtebauförderung Folgeinvestitionen von bis zu
7 Euro nach sich zieht . Viel wichtiger ist jedoch, dass
wir mit diesem Programm nicht nur in Beton investieren,
sondern in Stadtentwicklung, in aktive Stadtteile - ein
wesentlicherer Gewinn aus meiner Sicht .
({4})
Es geht aktuell sowohl darum, schnell zu bauen, damit
keine akute Wohnungsnot entsteht, als auch darum, nicht
aus dem Blick zu verlieren, dass wir morgen so leben,
wie wir heute bauen .
Vielen Dank .
({5})
Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Christian Haase, CDU/CSU .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir zeigen mit dem vorliegenden Haushalt 2016 wieder einmal, dass ein konsequenter Konsolidierungskurs, wie ihn die unionsgeführten Bundesregierungen leben, Spielräume für
Wachstumsimpulse und Rückstellungen schafft . Das
sehen wir auch beim Etat des Bundesministeriums für
Umwelt, Bau, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den
wir für 2016 um 5 Prozent erhöhen .
In meiner Rede während der Haushaltswoche zur
ersten Beratung sprach ich die angespannte Personalsituation im BMUB an . Im Ministerium und den nachgeordneten Bundesämtern sollten laut Regierungsentwurf
zwar knapp 100 Stellen verstetigt werden; angesichts der
Vielzahl an Aufgaben herrscht dennoch Personalbedarf .
Daher freue ich mich sehr, dass die Stellenzahl bei den
parlamentarischen Beratungen noch einmal deutlich aufgestockt werden konnte . Ich bedanke mich insbesondere
bei den Haushaltspolitikern, die sich dafür eingesetzt haben .
({0})
Es ist wichtig, dass die Bundesbehörden in der Lage
sind, ihre originären Aufgaben selbst zu erledigen, anstatt auf externe Dienstleister oder befristet Beschäftigte
angewiesen zu sein, und das haben wir nun ermöglicht .
Auch für neue Aufgaben wurden noch einmal zusätzliche Stellen bereitgestellt, etwa zur Bewältigung der
Flüchtlingskrise . Das ist ein wichtiges Signal, damit das
BMUB in der Flüchtlingskrise noch mehr in Erscheinung
treten kann .
Auch bei der Umsetzung des Nagoya-Protokolls hatte
ich mich an dieser Stelle dafür eingesetzt, einen etwaigen Mehrbedarf an Personal zu prüfen . Immerhin zwei
zusätzliche Stellen wurden nun realisiert, damit wir die
Verpflichtungen aus diesem internationalen Abkommen
auch erfüllen können . Hier hat die Anhörung im Ausschuss Wirkung gezeigt .
({1})
Im Programmhaushalt 2016 kommt es im Vergleich
zum Vorjahr zu einer deutlichen Steigerung um 6 Prozent . Investitionen zum Schutz des Klimas und zur Städtebauförderung nehmen bei den Mehrausgaben einen
wesentlichen Teil ein . Damit wird der Weg der Zukunftsinvestitionen, den wir mit dem ersten Nachtragshaushalt 2015 eingeschlagen haben, konsequent fortgesetzt .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bezug auf die Zukunft nimmt gerade das BMUB eine Schlüsselrolle ein:
In diesem Ressort kümmern wir uns um Herausforderungen, die auch noch unzählige Generationen nach uns
beschäftigen werden . Die Fragen der Atomendlager und
des Klimaschutzes beispielsweise werden wir nicht auf
die Schnelle lösen können . Aber mit der Klimakonferenz
in Paris und der Umsetzung des Standortauswahlgesetzes
stellen wir in diesen Fragen jetzt entscheidende Weichen
für die Zukunft . Das ist eine gewaltige Verantwortung,
die wir für die nachfolgenden Generationen tragen . Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen, und mit dem
vorliegenden Haushaltsgesetz werden wir dieser Verantwortung gerecht . Dafür spreche ich Frau Ministerin
Hendricks und dem Haushaltsausschuss meinen Dank
aus .
({2})
Die erste wegweisende Entscheidung beginnt in der
nächsten Woche mit dem UN-Klimagipfel in Paris . Trotz
der schrecklichen Terrorangriffe dürfen wir die Konferenz nicht infrage stellen . In diesem Jahr müssen wir ein
Protokoll mit verbindlichen Zusagen erreichen . Alles andere wäre eine große Enttäuschung .
Deutschland nimmt beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle ein . In diesem Moment ist es besonders wichtig,
dass wir diese Rolle annehmen und auch mit unserem
nationalen Haushalt beim Klimaschutz vorangehen . Das
tun wir auch . Das zeigt sich unter anderem bei den Forschungsschwerpunkten, die wir im Haushalt 2016 setzen .
Die Forschungsausgaben im BMUB steigen um 8 Millionen auf knapp 100 Millionen Euro . Auch im Bundesministerium für Bildung und Forschung werden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf den Gebieten
der Nachhaltigkeit, des Klimas und der Energie für 2016
deutlich, nämlich um 57 Millionen Euro, angehoben .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimawandel ist
eine globale Herausforderung . Daher halte ich die Internationalisierung deutscher Klimaschutzprogramme für
den richtigen Ansatz . Die internationale Klimaschutzinitiative wird für 2016 um 75 Millionen auf 338 Millionen Euro aufgestockt .
In den letzten Wochen habe ich mit zwei Kollegen in
Äthiopien verschiedene Projekte besucht, die von uns
gefördert werden . Dazu gehören Projekte des NABU
zur Stärkung des nachhaltigen Tourismus und der Aktivierung der Ursprungsregionen des Wildkaffees . Dieses
setzt sich für die Erhaltung der letzten Wildkaffeewälder
in Äthiopien, der Heimat des Arabica-Kaffees, ein . Damit verbinden die Projekte den Klimaschutz mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt in einem der artenreichsten
Länder der Welt . Konkrete Maßnahmen sind die Wiederaufforstung, nachhaltige Waldnutzung und Herstellung
von energiesparenden Öfen . Gleichzeitig werden neue
Maßnahmen zum Schutz der einzigartigen Artenvielfalt,
zur Stärkung von partizipativem Gemeindemanagement
und zur Regionalentwicklung eingeführt . So sollen Entwicklungsprogramme für Handwerk, Ökotourismus und
Regionalprodukte die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Region fördern . Rund um den Tanasee,
im neuen Biosphärenreservat, klappt das - davon konnten wir uns überzeugen - auch praktisch schon ganz gut .
Meine Damen und Herren, wir gehen voran beim
Klimaschutz, auch dank vieler deutscher Unternehmen,
die Pioniere im Bereich der Umwelttechnologien sind .
Dieses Potenzial wollen wir nutzen . Im Haushalt 2016
bringen wir einen neuen Titel zur Exportförderung grüner Technologien mit einem Volumen von 5 Millionen
Euro aus . Damit wollen wir insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Internationalisierung
ihrer Angebote unterstützen; denn die weltweite Nachfrage nach Umwelt- und Effizienztechnologien steigt.
Kleine Unternehmen haben aber oft Schwierigkeiten,
im Ausland wahrgenommen zu werden . Mit unserer Exportinitiative verbessern wir die Informationsangebote .
Wir fördern Investitionen in Vorzeigeprojekte deutscher
Unternehmen im Ausland . Mit dem Ausbau des Portals
„GreenTech made in Germany“ stärken wir die internationale Vernetzung, und nicht zuletzt ist die Durchführung
eines Wettbewerbs zu „Smart City“ geplant, dessen Ergebnisse wir international kommunizieren werden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir demonstrieren
mit diesem Haushalt und unserem Antrag zum Klimagipfel, dass wir im Bereich Klimaschutz gut aufgestellt sind .
Jetzt brauchen wir auch aus Paris ein starkes Signal .
({3})
Aber, meine Damen und Herren, wir vergessen auch
den nationalen Umwelt- und Naturschutz nicht . Ein dramatisches Problem ist der Rückgang der Biodiversität in
Deutschland . Die TEEB-Studie zeigt uns, dass dies auch
erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat .
({4})
Wir müssen also unsere Anstrengungen erhöhen, wenn
wir unser mittel- und langfristiges Ziel erreichen wollen,
die Biodiversität in Deutschland nicht nur zu erhalten,
sondern wieder zu erhöhen . Mit dem Bundesprogramm
Biologische Vielfalt steht uns bereits jetzt der richtige
Ansatz zur Verfügung, den wir weiter ausbauen wollen .
Das Bundesamt für Naturschutz hat bis Ende 2014
95 Projekte bewilligt, die einen besonderen Beitrag zum
Erhalt unserer Biodiversität leisten . 2015 werden die
Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro erstmals komplett
abfließen, und in den folgenden Jahren wird der Bedarf
weiter wachsen . Wir haben uns daher in den parlamentarischen Beratungen erfolgreich für eine Aufstockung
der Mittel um 3 Millionen Euro für das kommende Jahr
eingesetzt, damit zusätzliche Projekte ermöglicht werden
können .
({5})
Zuletzt möchte ich noch die Liegenschaftspolitik des
Bundes, umgesetzt durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, lobend erwähnen . Wie wir alle wissen,
stehen die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen vor riesigen Herausforderungen . Die BImA leistet
hier mit den von ihr verwalteten Liegenschaften einen
wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und entlastet die Kommunen bei der Standortsuche .
Gerade die Kommunen sind es ja, die mit vielen ehrenamtlichen Helfern die größte Last tragen . Dafür unseren
Dank!
({6})
Meine Damen und Herren, bis Anfang des Monats hat
der Bund den Kommunen bereits 125 000 Unterkunftsplätze zur Verfügung gestellt .
Für die Unterbringung von Asylbewerbern und den
sozialen Wohnungsbau hat der Bund die guten Konditionen in diesem Jahr weiter verbessert . So werden die Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung nicht nur
mietzinsfrei überlassen, sondern auch kostenfrei hergerichtet . Mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2015 wurde
der Haushaltsvermerk entsprechend angepasst . Die Herrichtungskosten werden nun zum 1 . Januar rückwirkend
übernommen .
Zudem wurde in diesem Jahr auch der verbilligte Verkauf von Grundstücken an Kommunen im Rahmen des
Erstzugriffs ausgeweitet . Seit Mai ist die Richtlinie der
BImA in Kraft, die den Verkauf von Konversionsliegenschaften zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus und
der Flüchtlingsunterbringung regelt . Mit dem zweiten
Nachtragshaushalt wurde die verbilligte Abgabe auf alle
entbehrlichen Grundstücke ausgeweitet . Bisher haben die
Kommunen aber von der Option des verbilligten Erwerbs
noch nicht ausreichend Gebrauch gemacht . Die BImA
berichtet uns, dass bis Ende Oktober erst vier Verkaufsfälle vorliegen, davon nur einer zur Unterbringung von
Flüchtlingen und Asylbewerbern . Daher wollen wir nun
den Kaufpreisabschlag noch einmal signifikant erhöhen.
Damit reagieren wir auf ein drängendes Problem:
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum beschäftigt uns
schon seit längerer Zeit und wird durch die hohe Zahl
an Flüchtlingen weiter verschärft . Günstiges Bauland zu
bekommen ist ein Problem, das wir dabei lösen müssen .
Daher ist es sehr zu begrüßen, dass wir das, was uns direkt zur Verfügung steht, nämlich Bundesliegenschaften,
zum Bau von Sozialwohnungen und Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung zu stellen . Ich weise aber darauf
hin, dass es nötig ist, bei der Nutzungsverpflichtung eine
gewisse Flexibilität zu gewähren . Wir wollen natürlich
einen hohen Anteil an Sozialwohnungen . Wir müssen
aber auch darauf achten, dass wir dadurch keine neuen
Problemviertel schaffen . Bei den Planungen sollten wir
die Kommunen deshalb unterstützen .
Und noch ein Punkt liegt mir abschließend am Herzen .
Immer wieder lese ich Aussagen von Landesministern,
der Bund tue zu wenig, er stelle nicht genügend Plätze
für die Unterbringung zur Verfügung .
({7})
Und das zum Beispiel auch aus einem Land, das 80 Prozent seiner Landesplätze bei den Kommunen im Wege
der Amtshilfe akquiriert . Meine Damen und Herren, hören wir endlich mit dem Klein-Klein und den Schuldzuweisungen auf! Solche Aussagen sind ein Schlag in das
Gesicht der Ehrenamtlichen und der Kommunen, die oft
am Ende ihrer Möglichkeiten stehen .
({8})
Die Herausforderungen der Flüchtlingskrise werden wir
nur gemeinsam lösen: Bund, Länder, Kommunen und die
gesamte Gesellschaft . Da müssen wir an einem Strang
ziehen .
Schönen Dank .
({9})
Damit schließe ich die Aussprache .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit - in der Ausschussfassung .
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag auf
Drucksache 18/6765 ab . Wer für diesen Änderungsantrag
stimmt, den bitte ich um das Handzeichen . - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? ({0})
Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stim-
men von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke .
Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag auf Druck-
sache 18/6766 . Wer für diesen Änderungsantrag stimmt,
den bitte ich um das Handzeichen . - Wer stimmt da-
gegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist
damit ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die
Grünen und der Fraktion Die Linke .
Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Aus-
schussfassung ab . Wer dafür stimmt, den bitte ich um
das Handzeichen . - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Einzelplan 16 ist damit angenommen mit den
Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen .
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I .6 auf:
a) Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
Drucksachen 18/6106, 18/6124
b) Einzelplan 21
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit
Drucksachen 18/6119, 18/6124
Berichterstatter sind die Kollegen Dr . Reinhard
Brandl, Martin Gerster, Roland Claus sowie die Kollegin Anja Hajduk für den Einzelplan 06 und die Kollegen
Martin Gerster, Carsten Körber, Roland Claus sowie die
Kollegin Anja Hajduk für den Einzelplan 21 .
Zu dem Einzelplan 06 liegt ein Entschließungsantrag
der Fraktion Die Linke vor, über den wir nicht jetzt, sondern am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen
werden .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Widerspruch
gibt es keinen . Dann ist das somit beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Roland Claus für die Fraktion Die Linke .
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
Bundesinnenminister ist bekanntlich mehreres in einer
Person . Er ist der Sicherheitsminister, der Integrationsminister - zugegeben mit etlichen Aufsehern -, der Kommunalminister und auch der Sportminister . Diese Sachbereiche will ich behandeln .
Dieser Etat ist auf allen Gebieten mit neuen Herausforderungen konfrontiert . Es hat im Laufe der Haushaltsberatungen im Vergleich zum Regierungsentwurf eine
Vielzahl von Veränderungen gegeben, und ich lege Wert
darauf, zu sagen, dass die Opposition - zum Beispiel bei
der Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Bundespolizei - dies durchaus mitgetragen hat .
({0})
Daraus könnten die Neinsager in den Koalitionsfraktionen bei den Änderungsanträgen lernen .
({1})
Ich wende mich an den Minister für öffentliche Sicherheit . Der früher von der CDU/CSU gern gebrauchte Begriff von der „inneren Sicherheit“ ist von den Realitäten
gründlich außer Kraft gesetzt worden . Wir sagen Ihnen
an dieser Stelle: Die Chance, die es nach dem Terror in
Paris und anderswo auch gibt, lautet, dass wir endlich aus
den Fehlern lernen könnten, die nach dem 11 . September
2001 gemacht worden sind . Die Fehler nach 9/11 waren,
den Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik zu etablieren .
Wir sagen Ihnen: Wenn wir die richtigen Lehren ziehen,
wenn wir Krieg nicht als Antwort auf den Terror sehen
wollen, dann muss mit beiden Dingen Schluss sein . Dann
müssen wir umkehren und zu einer anderen Sicherheitspolitik kommen, meine Damen und Herren .
({2})
Ich sage Ihnen auch, Herr Minister: Wer den Ausnahmezustand propagiert und für die Beschränkung von
Freiheitsrechten eintritt, bringt die Terroristen näher an
ihr Ziel, als diese es alleine schaffen würden .
({3})
Die Polizei braucht auch keine Hilfspolizisten im olivgrünen Dress der Bundeswehr, sondern mehr Personal .
({4})
Mein Kollege Frank Tempel wird Ihnen diese Facette
näher erläutern . Nur so viel: Ihre sogenannte Schuldenbremse ist heute faktisch eine Bremse für die öffentliche
Sicherheit vor allem in den Bundesländern geworden .
Ich wende mich an den Integrationsminister de
Maizière und weise darauf hin: Die Linke schlägt Ihnen
ein Zukunftsprogramm vor, das zur gesellschaftlichen
Integration von Benachteiligten in Deutschland und zu
uns Geflüchteten gleichermaßen beiträgt. Die Linke fordert bessere Integrationskurse, mehr Geld für einen guten
Zweck . Wir fordern auch - an anderer Stelle im Etat -, die
Integration in Arbeit und Ausbildung zu verbessern . Wir
sind der festen Überzeugung: Das geht, aber nur dann,
wenn man sich auch darum kümmert, mehr Einnahmen
für Bund, Länder und Kommunen zu akquirieren .
({5})
Auch dazu machen wir Ihnen Vorschläge .
Nun hat bekanntlich das Wort „Obergrenze“ bei CDU
und CSU Konjunktur . Eine Obergrenze würde ja praktisch bedeuten, dass ein Flüchtling mit einer bestimmten Registrierungsnummer - nehmen wir die Nummer
600 000 - akzeptiert würde und ein Flüchtling mit der
Registrierungsnummer 600 001 nicht . Meine Damen und
Herren, es ist doch einfach absurd, so vorzugehen .
({6})
Nun hat das Innenministerium bekanntlich ein eigenes Bundesamt namens Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge . Es bekommt mehr Geld, mehr Stellen, mehr
Technik, auch mit Zustimmung der Opposition . Das Problem dieses Amtes ist doch aber, dass es bislang eher eine
Behörde der staatlich verordneten Zuwanderungsverhinderung gewesen ist .
({7})
Vizepräsident Johannes Singhammer
Wie soll denn da so einfach der Schalter umgelegt werden, meine Damen und Herren?
({8})
Ich wende mich an den Kommunalminister . Ich bin
mir ganz sicher, Sie werden in Ihrer Rede den Bürgermeistern, Landräten, Kommunalbediensteten und deren
ehrenamtlichen Helfern danken . Das macht die Linke
auch, und zwar von ganzem Herzen . Wir wissen, was
dort geleistet wird .
({9})
Aber der Dank reicht natürlich nicht . Wir brauchen in
der Tat mehr Geld für die Lösung der anstehenden Aufgaben und den Abbau bürokratischer Hürden . Der Bundesfinanzminister hat einmal geschätzt, dass der Bund
etwa 40 Prozent der gesamten Flüchtlingsbetreuungskosten übernommen hat . Die Länderminister sagen, es seien
nur etwas mehr als 20 Prozent . Dieses Geld ist jetzt zwar
bei der allgemeinen Finanzverwaltung eingestellt, gehört
aber zur Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung, die hier zu
lösen ist . Insofern fordert die Linke in diesen Beratungen 2 Milliarden Euro mehr für direkte Zuweisungen an
Kommunen . Das ist nötig . Auch das geht natürlich nur
mit mehr Einnahmen . Aber es geht auch nicht ohne die
Umsetzung dieser Forderung .
({10})
Darauf haben uns gerade Kommunalpolitikerinnen und
Kommunalpolitiker bei unserer jüngsten Fraktionsklausur sehr anschaulich hingewiesen .
Schließlich will ich mich an den Sportminister wenden und darauf verweisen, dass wir Linke im Zukunftsprogramm auch einen Posten für den Breitensport vorschlagen, für die Sanierung von Sportstätten . Das wäre
jetzt wichtig . Das würde den Kommunen helfen, Probleme zu lösen . Wir könnten doch an die guten Erfahrungen
anknüpfen, die wir seinerzeit mit der Sportstättensanierung im Rahmen des Goldenen Plans Ost gemacht haben .
Jetzt sollten wir diese Erfahrungen bundesweit nutzen .
({11})
Erstmals verhandeln wir hier den Etat der Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit .
Trotz einiger Bedenken meiner Fraktion, beispielsweise
hinsichtlich des Amtssitzes in Bonn, wird meine Fraktion
diesem Einzelplan zustimmen .
({12})
Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutschland wieder mehr Geld und Ideen für die Verbesserung
der sozialen und kulturellen Infrastruktur, um eine humane Integration der hier Benachteiligten und der zu uns
Geflüchteten zu schaffen. Es wäre jetzt die Gelegenheit
für die Unionsfraktion, mir zuzurufen: Wir schaffen das .
({13})
Als nächster Redner hat Dr . Reinhard Brandl von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die diesjährigen Haushaltsberatungen über den
Etat des Bundesinnenministers waren keine einfachen
und keine üblichen Beratungen . Als wir im September
im Kreis der Berichterstatter zusammensaßen, um über
den Entwurf vom Juli zu debattieren, war uns allen klar,
dass dieser Entwurf bereits überholt war .
Der starke Anstieg der Flüchtlingszahlen im August
und in den Folgemonaten hat, auch mit Blick auf den
Haushalt, alle Prognosen über den Haufen geworfen . Uns
ist es gemeinsam in den letzten Wochen der Beratungen
gelungen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie wir
mit den gegenwärtigen Herausforderungen umgehen . In
den parlamentarischen Beratungen der letzten Wochen
haben wir beschlossen, allein den Einzelplan des Bundesministers des Innern um etwa 1 Milliarde Euro aufzustocken . Er wächst damit auf 7,8 Milliarden Euro an .
Herr Minister, Ihren Behörden stehen im nächsten Jahr
5 500 Mitarbeiter zusätzlich zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung, davon alleine 3 000 Mitarbeiter für
das BAMF, plus weitere 1 000 befristet Beschäftigte . Das
heißt, allein beim BAMF können 4 000 neue Mitarbeiter
eingestellt werden . Das Ganze war nur möglich in einem
sehr guten und konstruktiven Miteinander von Minister
bzw . Ministerium und den Berichterstattern, und das
in einer zugegebenermaßen schwierigen Zeit . Ich darf
mich bedanken bei Martin Gerster, Anja Hajduk und
bei Dietmar Bartsch, der aufgrund seiner Verdienste im
Haushaltsausschuss jetzt Karriere gemacht hat .
({0})
Ich begrüße in unserer Runde Roland Claus und wünsche
ihm das Gleiche . Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit .
({1})
Meine Damen und Herren, wir dürfen uns aber keiner Illusion hingeben: Mit mehr Geld und mehr Stellen
lösen wir das eigentliche Problem nicht, wir können
es nur besser verwalten . Das Kernproblem liegt in den
Herkunftsregionen . Darauf will ich allerdings nicht näher eingehen; vielmehr will ich mich auf die Situation in
Deutschland konzentrieren .
In Deutschland haben wir kein Problem des guten
Willens - weder in der Politik
({2})
noch in weiten Teilen der Bevölkerung -, in Deutschland
haben wir vor allem ein Zeitproblem . Wenn wir die AufRoland Claus
gabe, die vor uns liegt, gut machen wollen, das heißt, den
Menschen, die zu uns kommen, nicht nur ein Dach über
dem Kopf, sondern auch eine Perspektive in unserem
Land geben wollen, dann brauchen wir mehr Zeit . Wir
können nicht jeden Tag 5 000 bis 10 000 neue Flüchtlinge aufnehmen und diese Herausforderung bewältigen .
({3})
Ob wir die Zuwanderung „begrenzen“ oder ob wir sie
„reduzieren“, ist letztlich egal . Wichtig ist, dass die Zahl
der Flüchtlinge weniger wird, und das möglichst schnell .
Das ist die größte politische Aufgabe in dieser Zeit .
({4})
Dazu gehört, dass wir auch in der Verwaltung besser
werden . Hier sind zu nennen: schnellere Asylverfahren,
vor allem der Abbau des großen Bergs an aufgelaufenen
unbearbeiteten Anträgen, durchgängige Registrierung
und Kontrolle derer, die zu uns kommen, schnellere
Abschiebung derer, die keine Perspektive in unserem
Land haben, und umgehende Integrationsmaßnahmen
für diejenigen, die auf absehbare Zeit bei uns bleiben
werden . Allein für den Bereich der Integrationsmaßnahmen stellen wir in diesem Haushalt im Vergleich zu
2015 326 Millionen Euro mehr zur Verfügung . Das unterstreicht, dass wir die Aufgabe der Integration gerade
in der ersten Zeit, wenn die Menschen zu uns kommen,
sehr ernst nehmen .
({5})
Herr Minister, es war eine strategisch kluge Entscheidung, Herrn Weise mit der Leitung des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge zu beauftragen . Denn es
geht nicht nur darum, die Asylverfahren zu beschleunigen, sondern es geht auch darum, die Bundesagentur für
Arbeit auf das vorzubereiten, was im nächsten Jahr oder
in zwei Jahren auf sie zukommt, nämlich die Menschen,
sobald ihr Asylverfahren bearbeitet ist und sie einen Status haben, in den Arbeitsmarkt zu integrieren . An dieser
Stelle möchte ich mich bei Herrn Weise dafür bedanken,
dass er die Mammutaufgabe, zwei Behörden in der Größenordnung des BAMF und der BA gleichzeitig zu leiten, in dieser schwierigen Zeit übernommen hat .
Meine Damen und Herren, beim Haushalt des Bundesinnenministeriums geht es aber nicht nur um Flüchtlinge, sondern vor allem auch um Sicherheit . Auch unter diesem Aspekt werde ich diese Beratungen nicht so
schnell vergessen . Wir haben die Haushaltsberatungen
am vorletzten Donnerstag abgeschlossen .
({6})
- Freitagmorgen, 5 Uhr morgens, Frau Vorsitzende, war
der Haken dran .
({7})
Bis dahin haben wir von einer abstrakt hohen terroristischen Gefahr in Deutschland gesprochen . Zwölf Stunden
später war diese Gefahr nicht mehr abstrakt . Die terroristischen Anschläge in Frankreich haben uns gezeigt, zu
was fanatisierte Islamisten fähig sind . Wir haben als Koalition diese abstrakte Bedrohung während der Beratungen sehr, sehr ernst genommen . Ich bin froh, dass es uns
in den Beratungen gelungen ist, alle Sicherheitsbehörden
substanziell zu verstärken, vor allem unter dem Aspekt
Terrorismusabwehr/Terrorismusbekämpfung .
({8})
Allein unter dieser Überschrift erhält das BKA 200 neue
Stellen und die Bundespolizei 350 neue Stellen . Dazu
kommen in den nächsten drei Jahren weitere 3 000 Stellen für die Bundespolizei zur besseren Bewältigung ihrer
Aufgaben, zum Beispiel an der Grenze . Herr Minister,
ich habe lange gesucht, in der jüngeren Vergangenheit
habe ich aber kein Jahr ausfindig machen können, in
dem die Haushalte der Sicherheitsbehörden so stark aufgewachsen sind . Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus
ganz herzlich zu diesem Erfolg gratulieren .
({9})
Meine Damen und Herren, Schutz und Sicherheit
gehen aber nicht nur von Sicherheitsbehörden oder der
Polizei aus . Schutz und Sicherheit gehen auch von Rettungsorganisationen und Katastrophenschutzorganisationen aus . Das THW liegt uns besonders am Herzen . Was
das THW zur Bewältigung dieser Flüchtlingssituation
leistet, ist gigantisch . Ich möchte dem THW von dieser
Stelle aus ganz herzlich für seinen Einsatz danken .
({10})
Es ist absehbar, dass wir das THW in Zukunft noch
stärker brauchen werden, sowohl im Inland als auch im
Ausland, zum Beispiel mit Blick auf die Flüchtlingslage . Wir haben uns deswegen im Haushaltsausschuss
dazu entschieden, das THW auch personell substanziell
zu verstärken, damit die Ehrenamtlichen sich auf ihren
Einsatz konzentrieren können und von Routineaufgaben
durch Hauptamtliche entlastet werden . Das THW erhält
deswegen im nächsten Jahr 208 neue Stellen plus zusätzliche Personal- und Sachmittel, darunter 8 Millionen
Euro als Selbstbewirtschaftungsmittel der Ortsverbände .
Dieses Geld kommt bei jedem Ortsverband an und ist
Ausdruck einer besonderen Verbundenheit, Ausdruck der
Wertschätzung, die wir dem THW und seinem Einsatz
entgegenbringen .
({11})
Zu den Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden
gehören auch die Feuerwehren und die anderen Rettungsorganisationen . Auch hier erhöhen wir die Mittel für den
Bereich, für den der Bund zuständig ist, um 5 Millionen
Euro; die Hauptverantwortung für diese Behörden liegt
ja bei den Kommunen .
Zuletzt möchte ich noch einen anderen Aspekt anführen . Es geht um die IT-Sicherheit . Wir haben das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik . Um
diese Behörde werden wir in der ganzen Welt beneidet .
Wir haben diese Behörde, das BSI, im Sommer mit dem
IT-Sicherheitsgesetz in seiner Verantwortung gestärkt .
Mit diesem Haushalt werden wir auch eine personelle
Stärkung des BSI vornehmen, damit das BSI seinen Aufgaben gerecht werden kann . Es erhält ab dem kommenden Jahr 81 neue Stellen . Ich möchte auch dem scheidenden Präsidenten Hange für seine lange Zeit und Arbeit
als Vizepräsident und als Präsident des BSI ganz herzlich
danken .
({12})
Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und die Wahrung der äußeren und inneren Sicherheit unseres Landes
sind die wesentlichen Fragen und Herausforderungen unserer Zeit . Es gibt nicht die eine Antwort, aber mit dem
Haushalt des Bundesinnenministeriums für 2016 geben
wir eine wichtige Antwort .
Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit, für
die Aufmerksamkeit und bitte Sie alle um Zustimmung .
Herzlichen Dank .
({13})
Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Anja Hajduk
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! In der Tat: Die Beratungen über den Haushalt
des Innenministers waren gekennzeichnet von ganz viel
Veränderung . Das ist vor dem Hintergrund der Geschehnisse der letzten Wochen nicht verwunderlich . Wir haben
hier Mittelaufstockungen um 15 Prozent . Das ist schon
erheblich .
Wir sprechen hier über den Etat des Innenministers,
und das Thema Sicherheit steht ganz besonders im Zentrum der Aufmerksamkeit, nicht nur bei uns Politikern
und Politikerinnen, sondern auch bei den Bürgerinnen
und Bürgern . Herr Minister - das möchte ich gerne erwähnen -, ich fand es und wir fanden es sehr begrüßenswert, dass Sie nach den Vorkommnissen in Paris sehr klar
kommuniziert haben, dass man diese zu verurteilenden
Terroranschläge nicht mit der Herausforderung bezüglich der Flüchtlinge vermengen darf . Es war wichtig, das
in dieser Klarheit zu sagen .
({0})
Die Flüchtlinge sind doch Menschen, die selbst Opfer
von Terror sind und diesem Terror und diesen Situationen entfliehen. Deswegen brauchen sie unseren Schutz.
Vor dem Hintergrund dieser Anschläge und der Bedrohung ist es richtig, dass wir in diesen Wochen darauf geachtet haben und weiterhin darauf achten, unsere Sicherheitsbehörden zu stärken . Wir haben das - das hat auch
Kollege Claus schon erwähnt - bei den Personalmitteln
und den Sachmitteln aus Überzeugung mitgetragen . Die
Aufstockung der Bundespolizei um 3 000 Stellen in den
nächsten drei Jahren ist erheblich. Wir finden das richtig,
und wir finden auch die Aufstockung bei den Sachmitteln
richtig . Auch die Stärkung des Bundeskriminalamts mit
zusätzlich 300 Stellen ist in diesem Zusammenhang zu
erwähnen .
Wir weisen aber auch darauf hin, dass eine Diskussion
über die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr im
Innern nicht die richtige Lösung ist . Da scheint es Irritationen in der Union zu geben .
({1})
Darauf können wir - das sage ich klipp und klar - verzichten, da wir das andere richtig anpacken .
Wir als Opposition haben auch hinsichtlich einer Modernisierung im IuK-Bereich zugestimmt . Da hat das
Innenministerium eine Federführung . Das werden wir
weiterhin konstruktiv begleiten .
In dem Großteil meiner Rede geht es jetzt um das Thema Integration . Auch in diesem Bereich wurde durchaus
einiges angepackt, Herr Brandl . Aber ich muss jetzt auch
einmal auf das zu sprechen kommen, wo wir, glaube ich,
noch nicht auf dem richtigen Weg sind . Die Stellenaufstockungen beim BAMF sind richtig und nötig . Wir wünschen, dass es hoffentlich zügig gelingt, Personal zu finden . Auch die Erhöhung der Zahl der Stellen beim THW
ist richtig .
Bei den Integrationskursen hat der Innenminister selber einen Bedarf auf Grundlage der Flüchtlingszahlen
errechnet - und diese Prognose wird im Zweifel ja eher
getoppt . Da haben Sie selber gesagt: Wir glauben, wir
brauchen zusätzlich 570 Millionen Euro, aber wir stellen
jetzt mal nur zusätzlich 250 Millionen Euro in den Haushalt ein . - Das kann man machen, aber ich sagen Ihnen
jetzt einmal, welche Sorge ich habe: Es geht hier nicht
nur um die richtigen Zahlen, sondern diese Zahlen legen
auch die Grundlage dafür, dass wir den Bedarf richtig
einschätzen . Ich spreche jetzt auch über den Bedarf des
Personals, der Sprachlehrer, der Ausbilderinnen und
Ausbilder in den Sprachkursen . Da habe ich die große
Sorge: Wenn wir jetzt anfangen, das wieder ein bisschen
kleinzurechnen, dann können wir bei einem ähnlichen
Engpass landen wie dem, den wir schon einmal beim
BAMF hatten: zu wenig Personal, zu langsame Verfahren bei Registrierung und Erstaufnahme . Wir können es
uns nicht leisten, auch bei der Integration in solche Engpässe zu laufen .
({2})
Deswegen: Lassen Sie uns das anders steuern! Es ist
sowieso nicht einfach, dieses Personal zu finden. Aber
Sie in der Großen Koalition tragen auch Verantwortung
dafür, ob wir das nach unseren Erkenntnissen richtig ausrichten oder nur halb ausrichten . Ich hielte Letzteres für
einen Fehler .
Ich möchte dazusagen: Das hat auch einen erheblichen Einfluss darauf, wie schnell Flüchtlinge Zugang
zu Integrationskursen bekommen . Da bedaure ich sehr,
dass das BAMF und Sie das integrationspolitische Versprechen, möglichst alle Asylsuchenden, die eine gute
Bleibeperspektive haben, in Sprachkurse aufzunehmen,
nicht einhalten . Sie machen nämlich Folgendes: Sie
rechnen mit einer Art Trick Flüchtlinge aus Ländern wie
Afghanistan heraus . Diese bekommen dann trotz guter
Bleibeperspektive am Ende nicht den Zugang zu einem
Sprachkurs . Das ist vollkommen kontraproduktiv . Wir
dürfen keine Lücken entstehen lassen . Wir sorgen uns
darum, dass vielleicht Salafisten oder andere Einfluss
auf Flüchtlinge bekommen . Wenn man die Schutzquote
bereinigt, stellt man fest: Bei Afghanen und Somaliern
haben wir Schutzquoten von über 70 Prozent . Gerade sie
sollen aber keinen Zugang zu Sprachkursen bekommen .
Das ist doch Unsinn!
({3})
Das kann man doch nicht machen, und das kann man so
auch nicht verantworten . Deswegen: Überlegen Sie nicht
nur quantitativ, sondern auch qualitativ! Ihre Integrationspolitik; da müssen wir nachbessern .
Wir Grünen schlagen Ihnen ein Maßnahmenpaket mit
einem Volumen von 5,2 Milliarden Euro vor - hälftig
für Integrationsmaßnahmen im engeren Sinne, aber auch
für die allgemeine soziale Infrastruktur, die der gesamten Gesellschaft, insbesondere im Bereich Bildung und
Wohnen, zugutekommt . Wir müssen unsere Aufgabe so
verstehen, dass unsere Leistung darin bestehen wird, aus
der Willkommenskultur eine Willkommensinfrastruktur
zu bauen und diese herzustellen .
Da muss ich Ihnen sagen: Sie von der Großen Koalition vermitteln den Eindruck, als wenn Sie keinen klaren
Plan haben, manchmal auch kein Herz und nicht genug
Mut . Wir brauchen eine wirklich einheitliche Grundausrichtung für eine weitsichtige Politik . Liebe Damen und
Herren von der Union, wir brauchen dafür auch eine einheitliche Haltung; das erwartet die Gesellschaft .
({4})
Daran müssen insbesondere Sie von der Union noch heftig arbeiten .
Danke schön .
({5})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Martin Gerster
von der SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als wir am Freitag vorvergangener Woche die Beratungen und die Abstimmung im Haushaltsausschuss frühmorgens um 5 Uhr beendet hatten, konnte noch niemand
ahnen, was wenige Stunden später in Paris und in den
darauffolgenden Tagen auch andernorts passierte . Deswegen möchte ich als erster Redner meiner Fraktion bei
diesen Haushaltsberatungen zum Geschäftsbereich des
Bundesinnenministeriums im Namen meiner Fraktion
allen Opfern und Angehörigen dieser hinterhältigen Anschläge unser Mitgefühl aussprechen und nochmals unsere Solidarität mit unseren französischen Freunden zum
Ausdruck bringen .
({0})
Ich will aber gleichzeitig auch davor warnen, völlig
falsche Zusammenhänge herzustellen, wie es letzte Woche jemand getan hat, der mich angesprochen hat . Der
Tenor: Die Anschläge von Paris würden zeigen, dass wir
in Deutschland allein in diesem Jahr 800 000 Terroristen
ins Land gelassen hätten . - In aller Deutlichkeit ist dazu
zu sagen: Das ist eine ganz schlimme und völlig falsche
Schlussfolgerung . Im Gegenteil, die Anschläge zeigen
doch gerade, weshalb sich so viele Menschen auf der
Flucht befinden: weil die Brutalität, die Hinterhältigkeit,
die Gewalt derart neue Formen und Dimensionen angenommen haben, dass den Betroffenen nur ein Ausweg
bleibt, nämlich die Flucht .
({1})
Ich finde, es ist unsere Aufgabe, dies in Deutschland zu
erklären . Falsche Zusammenhänge müssen wir als Unfug
oder gar rechtsextremistische Propaganda entlarven . Das
ist unsere Aufgabe - auch als Mitglieder des Deutschen
Bundestages .
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Haushalte sind in
Zahlen geronnene Politik . Dieser Ansatz gilt immer, in
diesem Fall aber in besonderem Ausmaß .
Schon für das laufende Jahr haben wir zwei Nachtragshaushalte beschlossen, um den aktuellen politischen
Entwicklungen gerecht werden zu können . Die Ergebnisse des überarbeiteten Regierungsentwurfs und des
parlamentarischen Verfahrens für den Haushalt 2016
tragen den aktuellen Entwicklungen, der Dynamik des
Weltgeschehens, Rechnung: einer Dynamik, die massiv
Menschen auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben in unser Land geführt hat und auch weiterhin
führen wird, einer Dynamik, die jedenfalls in dieser Dimension niemand, denke ich, vorhergesehen hat und der
wir dennoch insgesamt gewachsen sein müssen und, wie
ich meine, auch gewachsen sind .
Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung .
Wir bieten Schutz für die Menschen hier und auch für die
Menschen, die meinen, noch zu uns kommen zu müssen .
Ich bin überzeugt: Wenn wir es jetzt richtig machen,
dann gehen wir auch langfristig gestärkt aus dieser Entwicklung hervor - als ein Land, das eine Kultur der - ich
will es so sagen - Weltoffenheit lebt, ein Land, das für
starke und freundschaftliche Bande zwischen Kulturen
und Religionen steht . Dazu gehört aber auch - das will
ich deutlich sagen -: Wir müssen alles tun, um die feigen Täter von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, von
denen wir allein in diesem Jahr schon über 600 zählen
mussten, zu ermitteln und mit all unseren rechtsstaatlichen Mitteln konsequent zur Rechenschaft zu ziehen .
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums wächst - der Kollege Reinhard Brandl hat es erwähnt um mehr als 1 Milliarde Euro an . Wir haben viel Zeit
und Mühe investiert, hier die richtigen Entscheidungen
auf den Weg zu bringen . Ich möchte mich bei unserem
Hauptberichterstatter Reinhard Brandl, aber auch bei den
Kollegen Dietmar Bartsch bzw . Roland Claus und Anja
Hajduk, beim Bundesinnenministerium, beim Finanzministerium, bei unseren Fraktionsmitarbeiterinnen und
-mitarbeitern und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses ausdrücklich bedanken . Das war
eine riesige Arbeit und eine ganz besonders große Herausforderung . Deswegen, glaube ich, steht es uns gut an,
auch an dieser Stelle einmal Danke zu sagen .
({4})
Allein 900 Millionen Euro haben wir zusätzlich mobilisiert, um Beschlüsse des Asyl- und Flüchtlingsgipfels
vom September umzusetzen . Die SPD hat dort durchgesetzt, dass 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen werden - 1 000 davon schon im nächsten
Jahr und die gleiche Anzahl jeweils in den Folgejahren .
Ich glaube, das war notwendig, um die oft bis über die
Belastungsgrenzen hinaus arbeitenden Polizistinnen und
Polizisten zu entlasten .
({5})
Wie schon beim laufenden Hebungspaket, achten wir
auch bei den neuen Stellen darauf, dass sie mit attraktiven Beförderungsoptionen für die Beamtinnen und Beamten der verschiedenen Laufbahnen verbunden sind .
Das ist auch ein Anliegen der Gewerkschaft der Polizei
gewesen, und wir haben das entsprechend verankert .
Hinzu kommen 45 Hebungen im höheren Dienst . Was
uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders wichtig ist: Wir tun auch etwas für die Beschäftigten im einfachen Dienst, indem wir mit zusätzlichen
1 000 Hebungen von E 3 auf E 5 2016 im unteren Verdienstsegment dafür sorgen, dass die Bundespolizei insgesamt als Arbeitgeber noch attraktiver wird .
Auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stocken wir personell gewaltig auf . 300 neue Stellen
waren im Regierungsentwurf vorgesehen . Wir gehen mit
2 700 Stellen über diesen Ansatz hinaus und erhöhen die
Mittel für weitere 1 000 befristet Beschäftigte . Daneben
stehen wir zu unserem Ziel, die Asylverfahren zu verkürzen . Mit zusätzlichen 97 Stellen helfen wir deswegen
auch dem Bundeskriminalamt, damit die Identifizierung
von Flüchtlingen schneller geleistet werden kann .
Die Mittel für Integrationskurse erhöhen wir um
250 Millionen Euro auf insgesamt über eine halbe Milliarde Euro. Davon profitieren - das ist mir an dieser Stelle auch wichtig, liebe Kollegin Anja Hajduk - nicht nur
diejenigen, die wir so gut und so schnell wie möglich
in unsere Gesellschaft integrieren wollen, sondern auch
die Anbieter und die Träger der Kurse . Hier ist mir ein
Punkt besonders wichtig: Ich denke, wir müssen auch
darauf achten, Herr Minister de Maizière, dass es für diese Kurse weiterhin Personal gibt . Wir haben in unseren
Gesprächen dafür gekämpft; denn das war der SPD ein
wichtiger Punkt .
Am Samstag habe ich in der FAZ gelesen, dass ein
Papier in der Unionsfraktion kursiert, wonach die Pauschale auf mindestens 4,40 Euro pro Unterrichtseinheit
und Teilnehmer erhöht werden soll, um die gewünschte
angemessene Vergütung der Lehrkräfte zu gewährleisten .
Herr Minister de Maizière, wir erwarten schon, dass sich
in diesem Bereich etwas tut . Ich meine, Ihren zuletzt getätigten Ausführungen entnommen zu haben, dass hier in
der Tat etwas passieren wird . Wir jedenfalls möchten Sie
ermutigen, dieses Thema anzupacken; denn wir brauchen
Leute, die diese Kurse geben können .
({6})
Ausgaben für Integration sind kein reiner Ausgabeposten, sondern vor allem Investitionen in die Zukunft . Je
schneller wir es schaffen, Zugewanderte in den Arbeitsmarkt zu bringen, desto besser für uns alle . Deswegen haben wir für Integrationsprojekte zusätzlich 17 Millionen
Euro bereitgestellt und den Migrationsdienst für erwachsene Zuwanderer nochmals mit zusätzlich 10,5 Millionen Euro ausgestattet . An dieser Stelle möchte ich allen
danken, die sich für Flüchtlinge engagieren und dafür,
dass Integration in unserem Land gut gelingt .
({7})
Integration und Sicherheit waren in den Haushaltsberatungen Schwerpunkte . Aber wir haben noch an andere wichtige Bereiche in unserer Gesellschaft gedacht
und entsprechende Veränderungen vorgenommen . Ich
will den Sport erwähnen . Hier gibt es 3 Millionen Euro
zusätzlich für die Spitzensportförderung . Der Dopingopfer-Hilfsfonds wird zwei Jahre lang mit jeweils 5 Millionen Euro unterstützt . Wir stärken außerdem die NADA .
Das Technische Hilfswerk erhält zusätzlich 19 Millionen Euro als Kompensation für Aufwendungen beim
Aufbau von Flüchtlingsunterkünften . Damit aber nicht
genug: 8 Millionen Euro zusätzlich an Selbstbewirtschaftungsmitteln erhalten die 80 000 Freiwilligen in den
über 600 THW-Ortsverbänden . Ich glaube, das ist richtig
gut angelegtes Geld und hier auch Anlass, unseren Hilfsorganisationen einmal Dankeschön für das Riesenengagement zu sagen .
({8})
Mit 208 zusätzlichen Stellen im Hauptamt für das
THW sollen die Ehrenamtlichen entlastet werden, beispielsweise von der lästigen Überprüfung von GerätMartin Gerster
schaften . Ich glaube, auch das ist gut . Wir haben beim
BBK zusätzlich 5 Millionen Euro bereitgestellt, damit
die Feuerwehren in den Ländern zusätzliche Fahrzeuge anschaffen können . Wir haben noch einmal 6,5 Millionen Euro für die Bereitschaftspolizeien der Länder
zur Verfügung gestellt, damit auch dort entsprechende
Mehrinvestitionen getätigt werden können .
Wir haben die politischen Stiftungen, die Entschädigungen für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter, das Statistische Bundesamt und die Förderung der Minderheiten
auf dem Schirm . Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erhält 21,5 zusätzliche Stellen . Ich denke, das kann sich sehen lassen .
({9})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will an
dieser Stelle hervorheben, dass es in Zeiten von Hassparolen, in Zeiten, in denen Menschen auf Flüchtlinge
schimpfen und dies als besonders mutig empfinden,
richtig war, dass wir die Bundeszentrale für politische
Bildung mit 15 zusätzlichen Stellen und einem Betrag
von mehr als 10 Millionen Euro ausgestattet haben . Ich
glaube, in Zeiten wie diesen ist es wichtig, gegen Parolen
argumentieren zu können . Dafür stellt die Bundeszentrale für politische Bildung wichtiges Material bereit . An
dieser Stelle: Herzlichen Dank für dieses Engagement!
({10})
Fazit: Es sind gute Beratungen gewesen . Wir haben
im Ausschuss gute Beschlüsse gefasst . Insgesamt, denke
ich, können wir damit sehr zufrieden sein .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({11})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat der Bundesminister Dr . Thomas de Maizière für die Bundesregierung das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Einsatzleiter der französischen Polizei berichtete
seine ersten Eindrücke vom Tatort im Theater Bataclan ich zitiere -:
Als das Attentat im Theater Bataclan beendet war,
gab es einen Moment der Stille . Polizisten und Rettungskräfte schauten durch die Räume, in denen die
Täter ihre Morde begangen hatten . Dann klingelten
Handys . 50, 60 oder 80 Stück . Immer wieder . Es
waren die Telefone der Opfer . Anrufe von Freunden,
Familien und Angehörigen . Anrufe, die niemals beantwortet werden .
Das war ein Bericht, der mich in den letzten Tagen besonders bewegt hat .
Ein zweites Dokument, das mich bewegte, war der
Brief von Antoine Leiris - viele werden ihn gelesen haben -, der bei der Terrorserie in Paris seine Frau verlor . Er
hat sich in einem emotionalen Brief an den IS gewandt .
Auch daraus will ich zitieren:
Meinen Hass bekommt ihr nicht . . . . Euren Hass mit
Wut zu beantworten, würde bedeuten, sich der gleichen Ignoranz wie der euren hinzugeben . Ihr wollt,
dass ich Angst habe, dass ich meinen Mitbürgern
misstraue, dass ich meine Freiheit für Sicherheit opfere . . . . Ich werde so weitermachen wie zuvor .
Was für starke Worte!
({0})
Ob ich einen solchen Brief schreiben könnte, weiß ich
nicht . Diese Worte zeigen: Stärke entsteht auch durch uns
selbst . Wir sollten zeigen, dass wir uns die freiheitlichen
Werte unserer Demokratie nicht nehmen lassen . Der Terror trifft uns alle . Aber der Terror wird nie stärker sein als
die Freiheit .
({1})
Wir sind im Angesicht des Terrors aber auch nicht
leichtsinnig, sondern entschlossen . Wir ziehen dort Konsequenzen, wo sie nötig sind - in Deutschland und in Europa . Unsere Sicherheitsbehörden gehen allen Hinweisen
nach . Es gibt keine Garantie gegen Terroranschläge, aber
unser Land ist wachsam und wehrhaft . Unsere Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern sind auf die
terroristische Bedrohung eingestellt .
Nach den Anschlägen von Paris haben wir sofort weitere Maßnahmen für die Sicherheit in Deutschland ergriffen . Das beginnt bei dem engen Austausch mit unseren
französischen Partnern, auch was mögliche Bezüge nach
Deutschland betrifft . Es gibt eine erhöhte Polizeipräsenz
an Flughäfen und Bahnhöfen sowie verstärkte Grenzkontrollen . Die islamistischen Gefährder und ihre Sympathisanten sind „unter Wind“ . Am Freitag haben wir im Kreis
der europäischen Amtskollegen wichtige Beschlüsse gefasst . Sie betreffen verstärkte Grenzkontrollen an den
EU-Außengrenzen, endlich eine Einigung über das europäische Fluggastdatenabkommen, über das Jahre verhandelt wurde, sowie Standards für den Gebrauch und die
Kennzeichnung von Schusswaffen . All das ist gut .
Sicherheit in Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit .
Das spüren wir in diesen Tagen . Sicherheit ist auch das
Ergebnis ständiger Wachsamkeit und des Einsatzes der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden und der Polizeien von Bund und Ländern - Tag
und Nacht . Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle ganz
ausdrücklich danken .
({2})
Meine Damen und Herren, wir haben am letzten
Dienstag schweren Herzens das Fußballländerspiel
Deutschland gegen die Niederlande in Hannover abgesagt . Es gab sich verdichtende Hinweise auf eine große
Gefährdung . Ob diese Hinweise tatsächlich zutrafen,
wissen wir bisher nicht . Aber manchmal muss man eine
solche Entscheidung ohne die Gewissheit treffen, ob eine
derartige Lage zutrifft . Der Maßstab für eine solche Entscheidung lautet dann: Wir dürfen nicht voreilig jedem
Hinweis glauben, sonst begeben wir uns in die Hände
von solchen Hinweisgebern . Aber wenn nach gründlicher
Prüfung eine Gefährdung wahrscheinlich sein kann, dann
haben im Zweifel die Sicherheit und der Schutz von Leben und Gesundheit Vorrang . Und das muss der Maßstab
auch für die Zukunft sein .
({3})
Diese Regierung hat nicht erst seit dem Anschlag von
Paris Konsequenzen gezogen . Wir haben bereits mit dem
Haushaltsentwurf 2016 im Kabinett ein Sicherheitspaket
verabredet . Das war nach dem Anschlag im Januar . Der
Haushaltsausschuss - die Berichterstatter haben es erwähnt - hat noch einmal draufgelegt . Die Sicherheitsbehörden werden durch diesen Haushalt deutlich gestärkt .
Insgesamt - nicht nur für den Kampf gegen den Terrorismus - bekommen die Sicherheitsbehörden knapp
4 000 Stellen zusätzlich . Die Bundespolizei erhält neue,
robuste Einheiten, zusätzliche Schutzausrüstung und
Einsatzmittel . Die erste Einheit ist Ende dieses Jahres
einsatzbereit . Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz wird im Bereich Extremismus- und Terrorismusbekämpfung erheblich gestärkt .
Mit dem beschlossenen Sicherheitspaket schaffen wir
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen
und Bürger in unserem Land sicherer leben können .
({4})
- Nicht scheinbar, sondern wir tun alles dafür, dass sie
sicherer leben können als zuvor . Eine Garantie gegen Anschläge gibt es nicht . Ich wiederhole das .
Nun wird - Herr Gerster hat darauf hingewiesen in diesen Tagen oft gefragt, und zwar manchmal arglos
und manchmal arglistig: Kommen mit den Flüchtlingen
auch Terroristen in unser Land? Ich möchte noch einmal
betonen - Frau Hajduk hat auch darauf hingewiesen -,
was ich in den letzten Tagen und auch schon am Samstag
mehrfach gesagt habe: Niemand schlage bitte vorschnell
einen Bogen von den Ereignissen in Paris zur Flüchtlingsdebatte . Der Kampf gegen Terror braucht Gemeinsamkeit, nicht den sonst üblichen Streit .
({5})
Deutschland nimmt viele, sehr viele Flüchtlinge auf,
die selbst vor der brutalen Gewalt des sogenannten „Islamischen Staates“ geflohen sind. Bisher gibt es keinen Nachweis für ein systematisches Einschleusen von
IS-Kämpfern, getarnt als Flüchtlinge . Aber wir gehen
jedem Hinweis nach und werden das auch in Zukunft tun .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen uns unserer humanitären Verantwortung . Wer in Deutschland berechtigt Schutz erbittet, der wird Schutz bekommen . Wir
müssen dazu genau hinschauen und prüfen, wer zu uns
kommt und warum . Das ist der Grund, warum für mich
ein geordnetes Verfahren bei der Prüfung der Identität
aller Asylbewerber und Flüchtlinge so wichtig ist . Nur
durch eine geordnete Erfassung aller Flüchtlinge können
wir feststellen, wer woher zu uns kommt, wer welchen
Schutzstatus braucht und wie wir die Lasten in unserem
Land gerecht verteilen .
Deshalb arbeiten wir auch mit Hochdruck an einem
Ankunftsausweis . Nur wer diesen Ausweis am richtigen
Ort erhält, bekommt zukünftig Leistungen und ein Asylverfahren . Das bringt Ordnung ins Verfahren . Das haben
wir in der Koalition verabredet . Insgesamt arbeiten wir
daran, die Zahl der Flüchtlinge zu steuern, zu ordnen und
zu reduzieren .
Ich freue mich, dass wir mit diesem Haushalt neben
dem Sicherheitspakt auch ein großes Asylpaket bekommen werden . Das Bundesministerium des Innern und
seine betroffenen Geschäftsbereichsbehörden erhalten
im Rahmen dieses Pakets 900 Millionen Euro mehr . Das
BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
kann nun - davon war schon die Rede - 4 000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen .
In den letzten Wochen haben wir viel bei der Beschleunigung der Verfahren erreicht . Das erste Asylpaket wurde erarbeitet, beraten, beschlossen und ist in Kraft . Die
Anzahl der im BAMF getroffenen Entscheidungen ist in
den ersten beiden Wochen im November um 60 Prozent
gegenüber September auf durchschnittlich 1 600 pro Tag
erhöht worden . Und das ist erst der Anfang .
Meine Aufforderung an die Länder ist: Wenn die Anträge von Asylbewerbern abgelehnt werden - und es wird
noch sehr viele abgelehnte Asylanträge geben; das wissen alle Beteiligten - , dann müssen diese Personen unser
Land auch wirklich verlassen, möglichst freiwillig oder
sonst durch Abschiebung . Mit weiteren 150 Stellen für
die Bundespolizei und anderen Maßnahmen werden wir
die Länder bei ihren Rückführungsaufgaben gerne unterstützen .
Das THW erhält über 200 zusätzliche Stellen und
Sachmittel für die Ortsverbände . Die großartige Arbeit
des Technischen Hilfswerks und der anderen großen
Hilfswerke wie die des Roten Kreuzes bei der Versorgung von Flüchtlingen wird damit ausdrücklich gewürdigt . Herzlichen Dank dafür!
({6})
Nun führen wir in allen Parteien - auch bei den Grünen; Frau Hajduk hat es zum Schluss ihrer Rede kurz angedeutet - eine Debatte über die Frage: Wie viele Flüchtlinge kann und soll Deutschland aufnehmen?
({7})
- Manche Kommunalpolitiker bei Ihnen diskutieren das,
ehrlich gesagt, auch . Aber egal . - Und wir stellen die Frage, die eigentlich genauso wichtig ist: Wie setzt man das
um, wenn eine bestimmte Größenordnung, auf die man
sich zuvor verständigt hat, überschritten ist?
Ich habe dazu im September vorgeschlagen und wiederhole es hier: Europa sollte großzügige, abschließende
Flüchtlingskontingente aufnehmen und fair in Europa
verteilen . Ein solches Kontingent soll dann die Zahl der
Flüchtlinge, die in Europa aufgenommen werden, zugleich begrenzen . Über Einzelheiten muss man reden .
Ich freue mich aber, dass dieser Vorschlag nach und nach
parteiübergreifend Zustimmung bekommt . Ich denke,
wir sollten daran weiterhin gemeinsam arbeiten .
Wir müssen den Blick weiter nach vorne richten und
Antworten auf die Frage geben, was die Aufnahme von
Flüchtlingen langfristig für unsere Gesellschaft bedeutet .
Viele werden länger bei uns bleiben . Es ist daher eine der
wichtigsten Aufgaben, den Menschen, die bleiben, eine
Perspektive zu geben . Perspektiven eröffnen sich über
die Sprache . Im Haushalt 2016 werden für Integrationsmaßnahmen, also für Kurse und andere Maßnahmen, die
Herr Gerster erwähnt hat, 326 Millionen Euro zusätzlich
bereitgestellt . Wir werden damit denjenigen mit Bleibeperspektive schnell eine Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben ermöglichen, mit Sprache, mit Arbeit und mit gesellschaftlichem Engagement . Wir erwarten dann aber
auch, dass die Betreffenden mitmachen, sich anstrengen,
Geduld haben, neugierig sind, unsere Gesetze achten und
unsere Werte anerkennen, ja sie leben .
Erfolgreiche Integration ist wichtig für dauerhafte Akzeptanz und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt .
Für mich als Bundesinnenminister ist sie ein Kernanliegen . Wir sind dabei, unsere Integrationsangebote auszuweiten und sie ressortübergreifend besser zu verzahnen .
Ich werde den Bereich der Integration auch in meinem
Haus stärker ausbauen . Was wir an Prävention und Integration versäumen, werden wir später viel teurer bezahlen, und zwar in jeder Weise .
({8})
Mangelnde Integration legt den Grundstein auch für Ablehnung, Hass und Gewalt . Wir schaffen auch mehr Sicherheit durch Prävention und Integration .
Die momentane Lage löst bei vielen Menschen Sorge,
ja Ängste aus . Wir müssen über diese Ängste, die vielen
Sorgen und Fragen offen diskutieren . Wir dürfen sie aber
nicht verstärken, sondern müssen sie durch Arbeit entkräften .
({9})
Das setzt voraus, dass wir die Lage ehrlich und ungeschönt analysieren sowie die Probleme zügig und mit
Nachdruck angehen .
Alle wissen, dass das Zeit braucht . Alle wissen, dass es
nicht die eine Lösung und nicht den einen Schalter gibt,
den man umlegt . Wir müssen deshalb verhindern, dass
Rechtsextremisten Sorgen und Ängste der Menschen instrumentalisieren . Offenbar sind bei einigen - auch über
den engen Kreis der Rechtsextremisten hinaus - offene
Hetze bis hin zu Aufrufen zu Gewalt gegen Flüchtlinge
salonfähig geworden . Ich sage: Wer in diesem Land seine
Freiheit lebt, von dem erwarten wir, dass er oder sie auf
dem Boden des Grundgesetzes steht . Patrioten lieben ihr
Land und hassen nicht Fremde .
({10})
Der Haushalt meines Ministeriums bzw . meines Geschäftsbereichs wächst in einem Jahr um 1,5 Milliarden
Euro . Einen solchen Zuwachs hat es noch nie gegeben .
Das entspricht einem Zuwachs des Einzelplans des BMI
um rund ein Viertel . Ich danke den Haushältern sehr für
diese großartige Hilfe und Unterstützung . Das ist ein
starkes Bekenntnis für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, für die Integration und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land . Das wäre
Grund genug, dass alle Fraktionen diesem Haushalt zustimmten .
Vielen Dank .
({11})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Frank Tempel
von der Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Mit Tausenden Geflüchteten, die in Deutschland Schutz suchen, mit Terroranschlägen in Paris und
den Terrorwarnungen im eigenen Land steht momentan
besonders die Innenpolitik im Fokus unserer Bevölkerung . Aber wer ist für die Bewältigung dieser Aufgaben
tatsächlich zuständig?
Niemand von uns registriert Flüchtlinge oder bearbeitet Asylanträge . Der Bundestag ist auch nicht vor
Ort, um Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen .
Niemand von uns muss sich Flüchtlingen persönlich als
Helfer oder Partner zur Verfügung stellen, niemand von
uns muss sich Terroristen persönlich entgegenstellen . Für
alle diese Aufgaben sollte der Bundesrepublik ein starker
öffentlicher Dienst zur Verfügung stehen . Wir, die Legislative, haben den öffentlichen Dienst mit Gesetzen, Personal, Logistik und Finanzen so auszustatten, dass er als
Exekutive ausreichend für diese Aufgaben aufgestellt ist .
Fakt ist: In Bund, Ländern und Kommunen wurden
von 1991 bis 2013 2,1 Millionen Stellen abgebaut . Einsparungen waren bisher das Maß aller Dinge . Aber eine
Frage haben Sie offensichtlich vergessen: Was muss der
öffentliche Dienst leisten können, und was braucht er, um
auch in Belastungssituationen, wie wir sie jetzt haben,
diese Aufgaben erfüllen zu können? Hier haben Sie bisher versagt .
({0})
Alle Warnungen über fehlende Stellen, zum Beispiel
bei der Polizei, haben Sie in den Wind geschlagen . Die
bewusste Ignoranz zahlen Beamtinnen und Beamte übrigens momentan mit zahlreichen Überstunden . Vom
13 . September bis zum 16 . Oktober dieses Jahres kaBundesminister Dr. Thomas de Maizière
men allein in der Bundespolizei 500 000 Überstunden
zustande . Jetzt haben Sie dafür zumindest zusätzliche
Stellen geschaffen . Aber in anderen Bereichen verstehen
Sie immer noch nicht, dass es 2016 nicht auf die heilige
schwarze Null im Haushalt ankommt, sondern ganz einfach auf die Bewältigung von Aufgaben . Um diese erfüllen zu können, müssen wir die Hebel da ansetzen, wo sie
die bestmögliche Wirkung entfalten .
Deswegen Schluss mit dem nutzlosen Gerede von Belastungsgrenzen und Obergrenzen . Erhöhen Sie stattdessen die Belastbarkeit der Kommunen . Diese bleiben nach
wie vor auf einem Großteil ihrer Ausgaben sitzen und
kommen deswegen mit ihren Aufgaben dort, wo direkt
Personen betroffen sind, nur schleppend voran .
Noch ein Punkt: Eine Frage von Menschlichkeit, aber
auch Vernunft ist eine sehr viel stärkere Investition in
Integration und Bildung für Geflüchtete. Das frühzeitige
Gewähren von Sprachkursen ist doch keine Sozialhilfe,
wie man bei Herrn Schäuble zu hören vermeint, sondern
eine Investition in Chancen und Zukunft in durchaus beiderseitigem Interesse .
Beim Umgang mit Flüchtlingen in unserem Land sehe
ich einen weiteren Aspekt . Wir senden in die Welt ein
Signal von Menschlichkeit und Solidarität . Terrorismus
wird sich nicht durch die Aufgabe von Freiheitsrechten
und durch Gegengewalt bekämpfen lassen . Die Spirale
von Hass und Gewalt muss gebremst, gestoppt und zurückgedreht werden .
({1})
Wir müssen über die Ursachen von Terrorismus reden;
denn nur wer die Ursachen kennt, sich damit beschäftigt und da ansetzt, bekämpft damit auch den Terrorismus selbst . Terroristen - das muss man leider auch hier
im Haus immer wieder wiederholen; ich erinnere an die
Pressemitteilungen - kommen nicht mit den Flüchtlingen ins Land. Diese fliehen gerade vor dem Terror. Jeder,
der zu Recht über die Ereignisse in Paris erschrocken ist,
sollte erahnen können, warum diese Menschen aus Syrien, dem Irak oder aus Afghanistan fliehen. Da kann ich
dem Kollegen Gerster nur recht geben .
Eine ernstzunehmende Gefahr besteht aber durch
Menschen, die sich hier bei uns radikalisieren . Wie
kommt es zu dieser Radikalisierung? Warum reisen
junge Menschen aus, gehen in Terrorausbildungscamps
und lassen sich dort zu tödlichen Werkzeugen ausbilden?
Wir reden mittlerweile in Deutschland von rund 750 zum
Teil sehr jungen Menschen . Bis heute haben wir eindeutig zu wenig in zivile Strukturen investiert, um einer
solchen Radikalisierung frühzeitig entgegenzuwirken .
Die Linke fordert deswegen deutlich mehr Anstrengungen, um einer solchen Radikalisierung rechtzeitig durch
soziale Strukturen mit einer klaren Präventionsstrategie
entgegenzuwirken . Auch hier braucht es den öffentlichen
Dienst und nicht schöne Worte .
Frankreich musste bitter erfahren, dass Maßnahmen
wie die Vorratsdatenspeicherung und Überwachung, wie
sie der Herr Innenminister gerade stark in den Fokus
rückt, nicht mehr Sicherheit bringen, sondern dass gerade
fehlende Investitionen in Sozial- und Präventionsstrukturen Gräben in einer Gesellschaft vertiefen .
Wenn ich über Maßnahmen zur präventiven Bekämpfung von Extremismus und Terror rede, also über Sicherheit, dann meine ich auch die Sicherheit von Flüchtlingen .
Wir sehen in unserem Land brennende Flüchtlingsunterkünfte, sehen Angriffe auf Flüchtlinge, Angriffe auf
Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, Angriffe
auf Parteibüros . Der Rechtsextremismus in Deutschland
nimmt immer gefährlichere Formen an . Doch darüber
habe ich in der Haushaltsdebatte bisher nichts gehört .
Die Gefahr ist groß, dass sich erneut Strukturen wie beim
NSU entwickeln oder bereits entwickelt haben . Haben
wir das Entsetzen darüber bereits vergessen?
Herr Minister, wenn ein Innenminister seine Mitschuld
am Stellenabbau und den heute daraus entstandenen
strukturellen Überlastungen nicht bekennt, sondern sich
lieber zur Ablenkung über maßlose Flüchtlinge öffentlich äußert oder meint, afghanische Asylsuchende mögen
doch besser in ihrem eigenen Land bleiben, weil wir bereits genug für sie getan hätten, dann gießt er Wasser auf
die Mühlen von Rechtspopulisten und Rassisten - egal ob
er das damit will oder nicht -, die genau solche pauschalen Diffamierungen von flüchtenden Menschen für ihre
Parolen nutzen . Die Terrorgefahr in unserem Land geht
von rechts aus . Schauen Sie auf die rasant angestiegenen
Zahlen . BKA und Verfassungsschutz warnen bereits .
Ich nehme an, zumindest den Sozialdemokraten in der
SPD-Fraktion
({2})
- das hoffe ich ja - dürfte diese Union mit ihren Forderungen nach Asylgesetzverschärfungen, Obergrenzen
und Transitzonen als Partner zunehmend peinlich werden . Vielleicht ist es doch an der Zeit, einmal über andere Mehrheiten im Land nachzudenken . Mit der Linken
wären eine präventive Sicherheitspolitik und damit eine
andere Sicherheitspolitik in diesem Land möglich .
({3})
Vielen Dank . - Als nächste Rednerin hat Dr . Eva Högl
von der SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Am Freitag, dem
13 . November, erlebte Paris eine Nacht des Grauens .
Mehrere Attentäter richteten nahezu zeitgleich an mehreren Orten ein Blutbad an, das 130 Menschen das Leben
kostete und Hunderte zum Teil schwer verletzte . Viele
von ihnen kämpfen noch immer um ihr Leben .
Die Opfer der Terroranschläge waren Menschen aus
aller Welt, Menschen, die ihr Leben in Paris ausgelassen
und frei leben wollten . Das Ziel des Terrors war nicht
Paris allein, das waren auch nicht allein die FranzösinFrank Tempel
nen und Franzosen, sondern die Terroranschläge galten
uns allen . Sie waren ein Anschlag auf unsere freiheitliche
Demokratie .
Diese Terroranschläge haben uns noch einmal erschreckend vor Augen geführt, dass eine freiheitliche Gesellschaft, wie wir sie sind und wie wir sie in Europa haben,
verwundbar ist und verwundbar bleibt . Hundertprozentige Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es
in einer rechtsstaatlichen Demokratie niemals geben . Im
Übrigen gibt es auch keine hundertprozentige Sicherheit
in Diktaturen oder totalitären Systemen .
Umso wichtiger ist es, dass wir in Europa und in der
ganzen Welt zusammenstehen und eine Botschaft an die
Terroristinnen und Terroristen senden - das haben Sie,
Herr Bundesminister, schon gesagt - : Wir werden unsere Lebensweise nicht ändern, und die Terroristinnen und
Terroristen werden uns nicht besiegen .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden auf
das Grauen des Terrors antworten müssen . Es ist ganz
wichtig, dass wir dies mit Besonnenheit tun . Sie hatten,
Herr de Maizière, am 17 . November mit der Absage des
Fußballländerspiels eine schwere Entscheidung zu treffen; Sie haben es ja eben schon gesagt . Das war natürlich
schmerzhaft für uns alle, besonders für die Fußballfans,
und es war auch deshalb schmerzhaft, weil wir den Terroristinnen und Terroristen keinen Platz machen wollen,
sondern weil wir unser Leben weiterleben wollen . Trotzdem sage ich hier ganz deutlich: Es war eine richtige Entscheidung, das Fußballspiel abzusagen, weil offensichtlich konkrete Terrorhinweise vorlagen . Da hat der Schutz
der Bürgerinnen und Bürger immer Vorrang . Deswegen
danke ich Ihnen noch einmal für dieses wohlüberlegte
Vorgehen .
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Kritik daran
meiner Meinung nach überhaupt nicht berechtigt war . Sie
haben solch schwere Entscheidungen zu treffen . Wir alle
müssen, auch wenn es manchmal unbefriedigend ist, akzeptieren, dass Sie, um die Ermittlungen nicht zu behindern und um am Ende eine Entscheidung treffen zu können, nicht alles sagen können, was Sie wissen . An dieser
Stelle also ein großes Dankeschön . Genauso müssen die
Entscheidungen getroffen werden .
({1})
Die Vorgänge in Hannover haben uns gezeigt, dass
unsere Sicherheitsbehörden eine hervorragende Arbeit
leisten. Ich finde, auch das muss hier gesagt werden:
dass Anschläge hoffentlich verhindert werden konnten,
verhindert werden können und dass wir alle aber auch
sehr wachsam sein müssen . Denn die Gefahr des Terrorismus wird weiter bestehen . Deswegen müssen wir
alles dafür tun, unsere Sicherheitsbehörden ausreichend
gut auszustatten . Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber,
die richtigen Rahmenbedingungen durch entsprechende
Sicherheitsgesetze, aber auch durch eine ausreichende
Ausstattung zu schaffen .
Wir haben schon einiges gegen Terrorismus auf den
Weg gebracht: Wir haben die Reiseaktivitäten und die
Finanzierung terroristischer Taten unter Strafe gestellt .
Wir haben unsere nach dem 11 . September 2001 eingeführten Regelungen zur Terrorismusbekämpfung erneut
verlängert . Ja, das ist zwar immer umstritten, aber das
war eine richtige Entscheidung . Wir arbeiten natürlich
daran, dass wir den IS und andere Terrorgruppen intensiv
bekämpfen .
Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen: Der Ruf nach weiteren gesetzlichen Verschärfungen ist keine Antwort auf
den Terrorismus .
({2})
Deswegen habe ich mich auch einigermaßen geärgert,
als wieder - das hat mittlerweile einen Bart, ist ein alter
Hut - die Forderung nach Einsatz der Bundeswehr im
Landesinnern kam . Ich sage für die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar: Für uns ist die bestehende Trennung
zwischen Polizei und Bundeswehr eine richtige Trennung, an der wir nichts ändern wollen .
({3})
Terroristen müssen bekämpft werden - mit polizeilichen
Mitteln und selbstverständlich auch mit den Mitteln des
Verfassungsschutzes -, aber einen Einsatz der Bundeswehr lehnen wir entschieden ab . Wir halten die Aufgabenteilung, die wir bisher haben, für ausreichend und für
sinnvoll .
Was ich auch nicht verstehen kann - das will ich ebenfalls ganz deutlich sagen -, ist der Ruf nach Grenzschließungen und nach weiteren Grenzkontrollen . Das Schließen der Grenzen und weitere Grenzkontrollen, die über
das in dieser Situation Notwendige hinausgehen, sind gerade das Gegenteil von einem Beharren und einem Bestehen auf unserer Freiheit, sind vielmehr ein Kniefall vor
den Terroristinnen und Terroristen und widersprechen
dem europäischen Freiheitsgedanken . Deswegen ist auch
das die falsche Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({4})
Ich bin der Auffassung: Weitere Verschärfungen führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern schränken die Freiheit über Gebühr ein . Deswegen von hier aus der Appell,
die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden und
auf diesem Weg den Terrorismus wirksam zu bekämpfen .
Wir müssen die Sicherheitsbehörden ausreichend gut
ausstatten . Dafür legen wir in diesem Bundeshaushalt die
richtigen Grundlagen . Ich bin auch sehr dankbar dafür,
dass es gelungen ist, bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz und beim BND
aufzustocken . Ich will auch ganz deutlich sagen, dass
wir den Verfassungsschutz und natürlich auch die Polizei, Bundespolizei, Bundeskriminalamt - je nach ihrer
Zuständigkeit -, dass wir die Sicherheitsbehörden jetzt
ganz dringend brauchen . Ich möchte, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei den Salafisten, dass der Verfassungsschutz ganz genau hinschaut bei dem, was dort
passiert, was dort geplant wird . Ich möchte im Übrigen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei dem, was am rechten und rechtsextDr. Eva Högl
remen Rand vor sich geht, dass er hinschaut, was bei den
Pegida-Demonstrationen für Parolen gerufen werden,
und auch die AfD in den Blick nimmt .
({5})
- Deswegen sage ich ja, dass ich es für sinnvoll halte, in
diese Richtung zu schauen .
({6})
Ich bin auch der Auffassung, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass wir die Sicherheitspolitik und die Sicherheitsbehörden auf der europäischen Ebene stärken
sollten . Herr Schuster hat diese Woche dazu etwas gesagt, was ich ausdrücklich unterstütze. Auch ich finde es
richtig, Europol auszubauen, Europol zu stärken und die
europäischen Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, Terrorismus wirksam zu bekämpfen . Ich sagte es ja
schon: Es betrifft uns alle, nicht nur einzelne Länder und
einzelne Städte .
Wir stärken mit diesem Bundeshaushalt - das möchte
ich ebenfalls noch einmal hervorheben - auch den Gesichtspunkt der Prävention . Es ist ein ganz wichtiger Ansatzpunkt, dass wir auf der einen Seite mit Repression
und mit den Sicherheitsbehörden auf Terrorismus reagieren; aber auf der anderen Seite ist es doch auch wichtig,
dass wir am Anfang, ganz zu Beginn, wenn junge Leute
oder auch ältere auf die Idee kommen, sich Rechtsextremen oder Salafisten oder anderen anzuschließen, wenn
sie in die Gefahr geraten, Terroristen zu werden, ganz intensiv dagegenarbeiten . Deswegen müssen wir - das machen wir auch - Projekte, Programme, Träger, Initiativen
besser ausstatten . Das Programm „Demokratie leben!“
bekommt zusätzlich Geld - das ist genau die richtige
Entscheidung -, und - das finde ich auch sehr wichtig die Bundeszentrale für politische Bildung wird gestärkt .
Auch diesen Weg müssen wir weitergehen .
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein letzter Punkt .
Auch das ist schon erwähnt worden, aber ich will es noch
einmal bekräftigen: Wer eine Verbindung zwischen Terrorismus, Flüchtlingen, Islam oder in unserem Land lebenden Muslimen zieht, der handelt verantwortungslos .
Wer so argumentiert, stellt Flüchtlinge unter Generalverdacht, schürt Ängste und spielt rechten Hetzern in die
Hände . Da sagen wir ganz klar: Nein,
({8})
Flüchtlinge sind keine Gefahr für unsere innere Sicherheit . Aber selbstverständlich müssen wir Flüchtlinge
rechtzeitig und wirksam registrieren . Wir müssen das
Verfahren besser führen . Wir müssen das Verfahren ordnen und brauchen mehr Steuerung . In diese Richtung
wollen wir auch weiter gemeinsam diskutieren . Jedenfalls: Der zu beschließende Haushalt stellt hierfür die
richtigen Weichen .
Herzlichen Dank .
({9})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Volker Beck
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir gedenken in diesen Tagen und Wochen der Opfer von Terroranschlägen in Paris, Beirut, Mali, Tel Aviv und Jerusalem . Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister, für Ihre Worte
der Entschlossenheit im Hinblick darauf, dass wir in diesen Tagen und Stunden gemeinsam unsere Freiheitsrechte verteidigen wollen . Da dürfen wir Demokratinnen und
Demokraten uns nicht auseinanderdividieren lassen .
({0})
Wir haben vielleicht zuweilen einen Streit über die
Methoden, wie wir unsere Freiheit verteidigen wollen,
wie wir die Flüchtlingsaufnahme humanitär gestalten
können . Aber wir sollten hier gerade angesichts der Herausforderungen des Terrorismus klarmachen, dass wir
die Freiheit verteidigen wollen und dass uns der Schrecken und das Grauen nicht übermannen . Dass wir hier
im Rahmen des demokratischen Diskurses weiter über
Methoden streiten, das darf in diesen Tagen nicht zurücktreten . Aber es muss klar sein, dass dies auch Teil der
Wahrnehmung unserer Freiheit ist, die wir gemeinsam
gegen den Terror verteidigen wollen .
({1})
Deshalb haben Sie uns, Herr Minister, auch immer
an Ihrer Seite - Frau Hajduk hat es schon angesprochen;
die Haushälter haben es unter Beweis gestellt -: Wenn es
darum geht, angemessene und erforderliche Maßnahmen
der inneren Sicherheit zu ergreifen, gerade vor neuen und
zunehmenden Herausforderungen, dann werden wir das
Notwendige politisch immer mittragen .
Aber ich sage auch: Nach solchen Terroranschlägen
erschrecke ich mich immer ein bisschen, wenn ich Stunden später schon die ersten Pressemitteilungen von Agenturen lese, wo Leute genau wissen, welche Maßnahmen
jetzt unbedingt folgen müssen: Fluggastdaten, Bundeswehr im Innern, Burka-Verbot . Die Pressemitteilungen
scheinen schon im Stehsatz zu stehen, bevor irgendetwas
passiert ist . Das bringt den Bürgern kein Gefühl der Sicherheit, wenn wir so unseriös handeln .
({2})
Wir müssen uns genau anschauen: Was waren das für
Täter? Was haben die für biografische Hintergründe?
Was können wir daraus für Präventionsstrategien lernen?
Was waren womöglich Sicherheitslücken oder Fehler bei
der Verarbeitung von Informationen, die ja durchaus da
waren? Wenn wir das sorgfältig tun, können wir für die
praktische Sicherheitsarbeit enorm viel lernen und daran
arbeiten, unser Land und das unserer Nachbarn sicherer
zu machen . Das gelingt nur durch gemeinsame Arbeit,
aber nicht durch Hallodri-Parolen in den Agenturtickern .
Meine Damen und Herren, wir mussten Sie letztes
Jahr bei den Haushaltsberatungen bei den Präventionsprojekten gegen Radikalisierung und Terrorismus zum
Jagen tragen . Ich bin froh, dass Sie es mittlerweile eingesehen haben und da mit uns gemeinsam in diesem
Haushalt weitere Schritte gehen . Natürlich ist Prävention
etwas Nachhaltiges . Das wirkt nicht von heute auf morgen . Aber es ist die Methode, durch die man Sicherheit
dauerhaft schafft . In der Zwischenzeit muss man natürlich mit Gefahrenabwehr versuchen, das Schlimmste zu
verhindern . Aber wir wissen: In einem demokratischen
freien Land gibt es keine absolute Sicherheit, und in einem nichtdemokratischen und unfreien Land gibt es absolute Unsicherheit .
({3})
Meine Damen und Herren, der Terror und Bürgerkrieg
in Syrien haben ja zwei Konsequenzen: Sie bedrohen einerseits die innere Sicherheit, wie wir in Paris gesehen
haben, und sie entwurzeln viele Menschen, die Schutz
suchen vor diesen Terroristen und vor diesem Bürgerkrieg . Deshalb ist die humanitäre Gestaltung der Flüchtlingsaufnahme einerseits eine humanitäre Verpflichtung
für uns . Sie ist andererseits eine gesellschaftspolitische
Antwort auf die Ideologie des Islamismus, indem wir
sagen: Ja, wir schauen nicht, woher jemand kommt .
Bei uns finden Menschen Schutz vor Verfolgung. Das
macht unsere Humanität aus, und das unterscheidet uns
so grundsätzlich von der Menschenverachtung von IS,
Da‘isch und anderen islamistischen Projekten .
({4})
Deshalb sollten wir auch nicht über Obergrenzen reden . Bei der Grundrechtswahrnehmung - sowohl beim
Recht auf Asyl als auch beim Recht auf Schutz nach
der Genfer Flüchtlingskonvention geht es im Kern um
Grund- und Menschenrechte - kann es niemals eine zahlenmäßige Begrenzung durch Obergrenzen geben . Aber
wir können natürlich gestalten, wie wir die Flüchtlingsaufnahme bewältigen . Da ist von zentraler Bedeutung,
dass wir diese Aufgabe wieder europäisch-solidarisch
anpacken .
Es gehört aber zur Wahrheit auch dazu, zu sagen, dass
wir in der Vergangenheit die Profiteure von Dublin waren
und dass wir uns als Deutsche nicht um eine solidarische
Verteilung der Flüchtlinge, die in Malta, Griechenland,
Spanien, Italien und Portugal ankamen, gekümmert haben . Jahrelang war uns das egal . Wir waren ja fein umzingelt von sicheren Drittstaaten . Das hat nicht mehr
funktioniert . Jetzt gilt es, eine neue Solidarität herzustellen mit einer neuen Verteilung, und das nicht nur wegen
unserer Belastungen, sondern weil wir nur gemeinsam in
Europa mehr leisten können .
Herr Minister, ich bin durchaus bei Ihnen, wenn Sie
sagen: Wir wollen gemeinsam Flüchtlingskontingente
aufnehmen . - Wenn das nicht heißt, dass wir gleichzeitig
die Aufnahme der Menschen, die zu uns kommen, begrenzen, bin ich da einverstanden . Lassen Sie uns das mit
Resettlement-Programmen der Vereinten Nationen ausbauen und legale Zugangswege für die Flüchtlinge schaffen, damit sie sich nicht mehr in Schaluppen setzen, um
das Mittelmeer zu überqueren, und ihr Leben gefährden .
Zu einer solchen Politik passen aber überhaupt nicht
Diskussionen, wie Sie sie leider angefangen haben, nämlich zu sagen: Wir wollen die Möglichkeit zum Familienzuzug für die Flüchtlinge, die da sind, einfach kappen .
({5})
Das steht zwar nicht in Ihrem Gesetzentwurf, aber in
Interviews haben Sie das so gesagt . Was sagt das denn
den Menschen, die in den Flüchtlingscamps sitzen, deren
Sohn, Mann oder Bruder vielleicht hier in Deutschland,
in Frankreich oder in einem anderen europäischen Land
ist? Sie sagen ihnen: Ihr braucht nicht auf den Familiennachzug warten . Macht euch schon einmal auf, setzt
euch in die Schaluppen! - Das ist ein Schleuserankurbelungsprogramm . Das dürfen wir aus humanitären Gründen nicht machen, und das dürfen wir auch nicht machen,
weil wir so die Situation auch nicht wirklich in den Griff
bekommen .
({6})
Lassen Sie die Finger auch von Ihrem Asylpaket! Sie
haben ja nach dem „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ jetzt kurioserweise ein „Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ vorgelegt . Lassen Sie auch
die Finger davon, die Rechtsfristen für Menschen aus
sicheren Herkunftsstaaten zu verkürzen .
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen .
Ein Satz noch dazu, wo auch die Finger vom Asylpaket gelassen werden sollten . - Bei Integrationskursen
eine Eigenbeteiligung der Flüchtlinge zu verlangen - wir
reden da vielleicht über 3 oder 5 Euro im Monat, und dafür bauen wir eine riesige Bürokratie auf -, ist schikanös .
Das bringt nichts für die Integration . Solche Sachen können wir uns in diesen Zeiten, wo es um große Aufgaben
geht, einfach nicht leisten .
({0})
Als nächster Redner hat Stephan Mayer von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Volker Beck ({1})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Der Haushalt des Bundesinnenministeriums für das kommende Jahr ist klar
und eindeutig im Lichte von zwei großen, vielleicht sogar epochalen Herausforderungen zu sehen: einerseits
der Flüchtlingskrise, andererseits der Bedrohung durch
den islamistischen Terrorismus .
Natürlich ist es vollkommen zynisch, verwerflich und
menschenverachtend, wenn man Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt, wenn man eine unmittelbare Kausalität zwischen diesen beiden Herausforderungen herstellt .
Die Flüchtlinge sind nicht Täter, sie sind Opfer . Viele der
Flüchtlinge, die zu uns kommen, insbesondere aus dem
syrischen Bürgerkrieg, fliehen ja gerade vor den schrecklichen Gräueltaten des sogenannten „Islamischen Staates“ oder des Assad-Regimes .
Aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass zwei der Attentäter von Paris zumindest als Flüchtlinge getarnt über
Griechenland nach Europa eingereist sind, dann zeigt uns
dies doch, dass die Flüchtlinge zwar nicht Täter sind natürlich nicht -, aber offenbar diese Flüchtlingskrise
vom sogenannten „Islamischen Staat“ instrumentalisiert
wird, um vereinzelt auch Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staates“ nach Deutschland und nach Europa zu
bringen . Das zeigt uns, wie ich glaube, schon ganz deutlich: Wir müssen unsere EU-Außengrenze noch besser
sichern . Es darf nicht weiter zugestanden werden, dass
unkontrolliert und unregistriert Personen nach Europa
einreisen. Diese vorläufigen Erkenntnisse der schrecklichen Attentate von Paris müssen uns hier auch eine ganz
klare Mahnung sein .
({0})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die barbarischen Angriffe und Attentate von Paris haben Frankreich gegolten, aber gemeint war die gesamte westliche
Welt . Der islamistische Terror hat Westeuropa erreicht .
Das waren Angriffe nicht nur auf Menschen, sondern das
waren Angriffe auf unsere westlichen Werte und unsere
westliche Lebensweise . Und deshalb gilt, auch eines hier
klar zu sagen: Wir dürfen uns vom sogenannten „Islamischen Staat“ nicht in die Knie zwingen lassen .
Es gibt auch aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund
zu Panik oder Hysterie . Unsere Sicherheitsbehörden sind
gut aufgestellt . Wir haben insbesondere in den letzten
Monaten sowohl die personelle als auch die finanzielle
Ausstattung der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene
deutlich verbessert . Wir haben aber auch gesetzgeberisch
an der einen oder anderen Stelle die notwendigen Nachbesserungen und Intensivierungen vorgenommen .
Wir haben, meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen, in den letzten Jahren unsere Gesetzgebung immer wieder der Bedrohungslage und den Anforderungen
der Sicherheitsbehörden angepasst . Wenn ich nur daran
erinnern darf: Wir haben in den letzten Monaten die Mindestspeicherfristen in Deutschland wieder maßvoll eingeführt . Wir haben das Terrorismusbekämpfungsgesetz
wieder verlängert . Wir haben auch im Strafrecht zwar
maßvolle, aber aus meiner Sicht sehr effektive Verbesserungen vorgenommen, indem wir beispielsweise die Terrorfinanzierung jetzt verstärkt unter Strafe stellen, indem
wir die geplante Ausreise von Dschihadisten in den Krieg
nach Syrien verstärkt unter Strafe stellen . Wir haben das
Personalausweisgesetz geändert, indem wir analog zum
Passgesetz die Möglichkeit geschaffen haben, ausreisewilligen Dschihadisten den Personalausweis rechtzeitig
zu entziehen, um damit die Ausreise zu verhindern . Das
waren aus meiner Sicht sehr maßvolle, sehr verantwortungsbewusste, aber sehr effektive gesetzliche Änderungen, sodass überhaupt kein Grund besteht, jetzt in gesetzgeberischen Aktionismus zu verfallen .
({1})
Aber - das sage ich auch dazu -: Wir müssen mit Sicherheit im Lichte der Erkenntnisse der Ermittlungen
nach den Anschlägen von Paris uns auch ansehen, ob
nicht an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen erforderlich sind . Wichtig ist mir persönlich, dass wir deutlich mehr Stellen bei den Bundessicherheitsbehörden geschaffen haben . Es werden auch im Haushalt 2016 1 000
zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen,
über 300 Stellen zusätzlich beim Bundeskriminalamt . Es
gibt - das kann man an dieser Stelle auch offen sagen deutlich mehr Stellen sowohl für das Bundesamt für
Verfassungsschutz als auch für den Bundesnachrichtendienst . Damit kommen wir den Erfordernissen in dieser
gesteigerten und intensivierten Bedrohungssituation in
vollem Umfang nach und werden ihnen gerecht .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, insgesamt erfährt der Haushalt des Bundesinnenministeriums einen Aufwuchs von 1,5 Milliarden Euro . 5 500
zusätzliche Stellen werden geschaffen . Das ist ein klares Signal, insbesondere was die zweite große Herausforderung anbelangt: die Flüchtlingskrise . Ich sage hier
eines ganz offen: Monatliche Zuzugszahlen von derzeit
180 000 oder 200 000 oder vielleicht sogar mehr sind auf
Dauer in Deutschland nicht verkraftbar .
({2})
Deshalb kommt es aus meiner Sicht auf eine Quadriga
an, auf vier Punkte:
Wir brauchen erstens eine bessere Ordnung und eine
bessere Struktur, vor allem auch schnellere Verfahren .
Wir sind hier entsprechend tätig geworden . Wir haben
innerhalb von nur zwei Jahren die Belegschaft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verdoppelt . Man
muss sich dies auch einmal vorstellen . Das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge ist die mit weitem Abstand
am schnellsten wachsende Bundesbehörde . Auch im
Haushalt 2016 setzen wir ein klares Signal, indem noch
einmal zusätzlich 4 000 Stellen beim BAMF geschaffen
werden . Schon heute sind über 1 000 sogenannte Entscheider im BAMF tätig, um die Verfahren deutlich zu
beschleunigen . Wir sind hier auf einem sehr guten Weg .
Es geht erstens also um eine bessere Struktur und Ordnung, um eine lückenlose Registrierung und Kontrolle all
derjenigen, die zu uns kommen .
Es geht zweitens um eine schnellere und bessere Integration derer, die langfristig bei uns bleiben werden .
Auch hier haben wir mit dem neuen Haushalt 2016 klare
Signale gesetzt, indem 250 Millionen Euro zusätzlich für
Integrationskurse zur Verfügung stehen, insgesamt über
eine halbe Milliarde Euro: 560 Millionen Euro allein für
Integrationskurse, 45 Millionen Euro für die Migrationsberatung für Erwachsene und 40 Millionen Euro für Integrationsprogramme und für das Programm „Integration
durch Sport“ . Wir kommen unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung in vollem Umfang nach .
Es geht drittens um die konsequente Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, die
abgelehnt sind . Auch hier ist noch mehr zu tun, insbesondere seitens der Länder . Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir als Bund haben unsere Hausaufgaben dadurch
gemacht, dass wir mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz deutlich gemacht haben, dass Dinge in
Zukunft nicht mehr gehen, die von manchen Ländern in
der Vergangenheit sehr extensiv angewandt wurden, wie
beispielsweise in Niedersachsen: Dort musste der Abschiebetermin zweimal im Vorfeld angekündigt werden .
Im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist klar vorgesehen, dass in Zukunft Abschiebetermine nicht mehr im
Vorfeld angekündigt werden dürfen . Wir erwarten jetzt
auch von den Ländern, dass sie die neue Bundesgesetzgebung entsprechend umsetzen .
({3})
Der dritte Punkt ist, ganz klar, die Reduzierung der
Zuzugszahlen . Ich habe die Hoffnung, dass insbesondere
die Gespräche mit der türkischen Regierung, vor allem
mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, am kommenden Wochenende dazu führen, dass wir hier wirklich zu
tragfähigen Ergebnissen kommen . Die Hoffnung liegt
ganz klar darauf, dass wir durch eine bessere Verständigung insbesondere mit der Türkei - die Türkei ist in
diesem Zusammenhang ein Schlüsselland - zu einem
effektiveren und konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen kommen, damit die Zahl der Zuzüge nach
Europa zurückgeht . Sollte dies nicht gelingen, müssten
wir als Nationalstaat mit Sicherheit überlegen, was wir
an unseren Außengrenzen verstärkt tun können, um die
Flüchtlingszahlen effektiv und schnellstmöglich deutlich
zu reduzieren .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der
Haushalt des BMI trägt auch in anderweitiger Hinsicht
die klare Handschrift insbesondere der CDU/CSU . Es
war uns ein großes Anliegen, das Technische Hilfswerk
deutlich zu stärken . Ich bin insbesondere den Haushältern sehr dankbar, dass es gelungen ist, einen Aufwuchs
der Mittel für das Technische Hilfswerk um insgesamt
43 Millionen Euro zu erreichen - das sind 208 zusätzliche Stellen .
Ich sage einmal ganz konkret, wozu das führt: Es führt
zu einer Entlastung des Ehrenamtes . Die zusätzlichen
Stellen werden nicht in der Stabsstelle in Bonn, sondern
in den Regionen, in den 66 Geschäftsstellen, geschaffen;
die Zahl der Mitarbeiter wird jeweils von jetzt sieben auf
neun ausgebaut, vor allem mit technischen Mitarbeitern,
die in der Lage sind, vor allem Wartungs- und Reparaturleistungen für das Ehrenamt zu übernehmen . Das bedeutet eine ganz konkrete Entlastung des Ehrenamtes . Dafür
ist das Technische Hilfswerk sehr dankbar; das darf ich
in meiner Funktion als Präsident der THW-Bundesvereinigung sagen . Es ist darüber hinaus ein klares Signal, das
die Koalition hier für die deutliche Stärkung des ehrenamtlichen Engagements setzt .
({4})
Wir stärken darüber hinaus auch die Bundesdatenschutzbeauftragte . Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist
ab dem 1 . Januar kommenden Jahres eine unabhängige
und eigenständige Oberste Bundesbehörde . Es werden
7,5 zusätzliche Stellen geschaffen und eine halbe Million
Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt .
Darüber hinaus - auch das ist ein wichtiges Zeichen,
das von diesem Haushalt ausgeht - stärken wir den Sport
in Deutschland . Die 15 Millionen Euro, die in diesem
Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen, werden im kommenden Jahr verstetigt . Wir stellen 10 Millionen Euro
zusätzlich für die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024 zur Verfügung - in der Hoffnung, dass der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag
positiv ausgehen möge . Wir stellen auch 10 Millionen
Euro für die Entschädigung der DDR-Dopingopfer zur
Verfügung - ein wichtiges Signal .
Ich komme zum Schluss . Ein letzter Punkt, der mir
aber auch besonders am Herzen liegt, betrifft ein Anliegen, das insbesondere der Bund der Vertriebenen schon
lange vorbringt; jetzt wird es endlich umgesetzt . Es wird
eine finanzielle Grundlage geschaffen, um ehemalige
deutsche Zwangsarbeiter zu entschädigen . 50 Millionen
Euro stehen hier in den kommenden Jahren zur Verfügung . Dafür sind all diejenigen dankbar, die seit Jahren,
teilweise seit Jahrzehnten, auf eine angemessene Entschädigung gewartet haben . Aber es geht nicht nur um
die finanzielle Entschädigung, sondern auch um das klare
Signal, das von dieser Haushaltsentscheidung ausgeht .
Auch dafür ein herzliches Dankeschön!
({5})
Ich glaube, man kann sagen: Wir befinden uns in
schwierigen Zeiten, aber der Haushalt des Bundesinnenministeriums für 2016 trägt den gestiegenen Anforderungen Rechnung .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({6})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Dr . Lars
Castellucci von der SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Die Große Koalition beweist im Bereich des Innern
Handlungsfähigkeit . Es ist eindrucksvoll: Aufwuchs der
Stephan Mayer ({0})
Mittel in diesem Haushalt um 1 Milliarde Euro . Das ist
angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen,
genau das richtige Signal . Hier wird geklotzt und nicht
gekleckert . Das ist die eine gute Nachricht .
Besonders freut mich, dass wir das ohne neue Schulden schaffen . Denn die Diskussion „Steuererhöhungen
für Flüchtlinge“ ist eine dieser absonderlichen Diskussionen, die manchmal draußen geführt werden . Wir schaffen es, wie gesagt, ohne neue Schulden . Das ist allerdings
nicht uns zu verdanken, sondern das ist der Leistung der
Menschen in unserem Land zu verdanken, die das erwirtschaftet haben .
({1})
Das ist die zweite gute Nachricht .
Zu den Verfahren . Wir verdoppeln die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und auch bei der Bundespolizei
gibt es mehr Ressourcen . Damit muss es gelingen, das
teilweise entstandene Chaos zu beenden . Ich will, dass
binnen Jahresfrist registriert wird, und zwar schnell und
einmal und nicht keinmal oder mehrfach, wie das derzeit
der Fall ist .
({2})
Ich will, dass wir binnen Jahresfrist erreichen, dass die
Verfahren drei Monate dauern - wie Herr Weise uns das
zugesagt hat - und wir hierbei alles einrechnen und nicht
sagen: Es gibt eine Zeit vor dem BAMF und eine Zeit
nach dem BAMF . - Außerdem muss es uns innerhalb
des nächsten Jahres gelingen, die Zahl der aufgelaufenen Verfahren abzubauen . Seit 2008 steigt die Zahl der
Verfahren, die nicht abgearbeitet werden, Jahr um Jahr .
Daher ist eine Änderung dringend notwendig; denn so
kann es nicht mehr weitergehen .
Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir arbeiten dran .
Offen gestanden: Wenn ich meinen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sage: „Ich brauche etwas“ und diese mir darauf antworten: „Wir arbeiten dran“, dann läuten bei mir
ein bisschen die Alarmglocken . Wir brauchen jetzt kein
„Wir arbeiten dran“; vielmehr müssen wir die Ergebnisse
im nächsten Jahr mit aller Ernsthaftigkeit und mit allem
Nachdruck erreichen wollen .
({3})
Der wichtigere Punkt ist die Integration oder - weil
das Wort nicht besonders gut ist - das Zusammenleben in
Deutschland. Die finanziellen Ressourcen für die Integrationskurse werden verdoppelt; das macht ein Viertel der
Milliarde aus, die neu in den Haushalt eingestellt wird .
Ich will aber auch sagen: Es geht an dieser Stelle nicht
nur um Geld, sondern wir müssen auch darauf achten,
dass das gut umgesetzt wird und dass die Flüchtlinge, die
zu uns kommen, die Maßnahmen und Angebote erhalten,
die sie brauchen . Die einen sind Analphabeten, die Alphabetisierungskurse brauchen, andere brauchen andere
Angebote . Ob da das Management und die Systematik
im Konzert der Angebote, die auch die Bundesländer unterbreiten, schon so gut funktionieren, das wage ich zu
bezweifeln . Es geht also nicht nur darum, Geld bereitzustellen, sondern man muss auch genau hinschauen, was
mit dem Geld passiert .
({4})
Weil wir die Diskussion nicht nur über die Medien
führen sollen, sondern auch dort, wo sie hingehört, nämlich hier, möchte ich etwas zum Thema Familiennachzug sagen . Wenn wir schon Integration anstreben, weil
uns das wichtig ist und weil es entscheidend darauf ankommt, dann müssen wir Maßnahmen, die der Integration zuwiderlaufen, unterlassen . Zu sagen: „Ihr seid hier
und sollt euch integrieren, aber eure Familien lassen wir
mal in den Kriegsgebieten“, das ist integrationsfeindlich .
Deswegen ist das auch eine falsche Ansage .
({5})
Befremdlich fand ich auch die Äußerungen vom
Wochenende, was die unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlinge angeht . Der Familiennachzug müsse ausgeschlossen werden, weil die Jugendlichen - Zitat - „vorgeschickt“ werden . Meine sehr verehrten Damen und
Herren, da werden keine Jugendlichen vorgeschickt,
({6})
sondern da legen Eltern und Großeltern, Tanten und Onkel zusammen, damit wenigstens einer ein besseres Leben haben kann oder sein Leben sogar sichern kann . Das
ist doch die Wahrheit . Das würde jeder von uns in einer
solchen Situation ganz genauso machen .
({7})
Wir dürfen beim Thema Sprache aber nicht stehenbleiben - die Sprache ist die Basis für Integration -, sondern wir müssen auch an diejenigen denken, die schon
in Deutschland sind . Wir müssen uns überlegen: Wie
gestalten wir das Zusammenleben derjenigen, die schon
da sind, mit denjenigen, die zu uns kommen? Wie kann
das gut funktionieren? Dazu brauchen wir Plattformen,
Raum für Begegnungen .
Ich habe dieser Tage eine Nachricht aus meinem
Wahlkreis erhalten . Dort wird seit vielen Jahren ein
durch Spenden finanziertes interkulturelles Café betrieben . Mit dem vorliegenden Haushalt wollen wir Ordnung
herstellen . Spätestens mit dem nächsten Haushalt müssen wir Zusammenleben gestalten . Wir brauchen Strukturförderung für solche Angebote, wo sich die Menschen
begegnen und sich kennenlernen können; denn das ist
das Beste, um Vorurteile und Ängste abzubauen .
({8})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht alle, die
kommen, werden bleiben können, und nicht alle, die
kommen, werden bleiben wollen - das kann man an dieser Stelle auch einmal sagen -, aber für beide Gruppen
gilt: Wir haben die Chance, ihnen unsere Werte vorzuleben und ein positives Deutschlandbild zu vermitteln . So
gewinnen wir, wenn sich beide Seiten anstrengen, Freunde, Nachbarn und Kollegen in der Welt und bei uns .
Vielen Dank .
({9})
Vielen Dank . - Als nächster Redner hat Armin
Schuster von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten hat ein Haushalt des Innenressorts so in die Zeit gepasst wie dieser . Dieser Haushalt
ist keine Reaktion auf Paris - damit haben die Haushälter
recht -; darauf dürfen wir stolz sein .
Für die Unions-Innenpolitiker möchte ich sagen: Seit
Beginn dieser Legislaturperiode setzen wir uns unter
Führung von Stephan Mayer dafür ein, dass im Bereich
der inneren Sicherheit neue und deutliche Akzente gesetzt
werden . Erstmals erreicht wurde dies im Haushalt 2015,
und jetzt schaffen wir das mit einem richtigen Aufschlag
im Haushaltsplan 2016 . Dafür brauchten wir keine Terroranschläge; dafür reichte unsere Überzeugung . Ich bin
meiner eigenen Mannschaft dafür dankbar, dass wir das
hinbekommen haben, aber natürlich auch den Haushältern Dr . Reinhard Brandl und Dr . André Berghegger .
Dr . Berghegger ist bei diesen Fragen unser Lotse in der
AG Innen; denn wir kennen nicht alle Untiefen . Wenn
wir zu Ihnen kommen, Herr Brandl, wissen wir schon
von Dr . Berghegger, was wir machen müssen . Natürlich
danke ich auch dem Bundesinnenministerium, dem ganzen Team der Minister, insbesondere dem südbadischen
Finanzminister - den braucht es auch -, und ich danke
dem haushaltspolitischen Sprecher, der sehr sicherheitsaffin ist. Herzlichen Dank, Herr Rehberg.
({0})
Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundespolizei, BSI, BAMF und THW mit den richtigen Ressourcen auszustatten, ist das eine . In unsicheren Zeiten ist es
aber auch wichtig, dass die Menschen Vertrauen haben
in die Arbeit unserer Behörden . Bezogen auf Hannover
habe ich mich ein bisschen erschreckt, was für eine Welle durch die Öffentlichkeit ging, auch durch die sozialen
Netzwerke . Meine Damen und Herren, für und in Hannover wurde aus meiner Sicht in der vergangenen Woche
absolut richtig entschieden .
({1})
Es wäre für alle Bürger, für unsere Sicherheitsexperten
und für die im islamistischen Milieu hochgefährdeten
V-Leute ein großer Vorteil, wenn die Öffentlichkeit auch
dann unseren Behörden vertraut, wenn wir nicht alle
Erkenntnisse zu Markte tragen können, wenn wir - das
sage ich an die Adresse der Medien - nicht alle zu Markte
tragen müssen . Ich bin der Überzeugung, dass Vertrauen das Wichtigste ist, was wir in dieser Lage brauchen,
um dem Terror standzuhalten . Dafür gibt es für mich drei
Grundbedingungen:
Grundbedingung eins: Haushalt und Gesetzeslage
müssen in Ordnung sein . Für den Haushalt haben wir
dieses Mal viel getan . Herzlichen Dank! Man kann in der
Koalition über viele Themen streiten; aber mit euch von
der SPD - das muss ich sagen - im Bereich der inneren
Sicherheit Haushaltspolitik zu machen, das macht mir
Spaß . Das gefällt mir .
({2})
Deswegen haben wir jetzt auch 1 Milliarde Euro mehr,
als im Regierungsentwurf vorgesehen war . Herr Gerster,
vielen Dank . Wir müssen jetzt nicht in gesetzgeberischen
Aktionismus verfallen - das ist wichtig; Frau Dr . Högl,
darüber sind wir uns einig, auch wenn es Punkte gibt, bei
denen wir uns nicht einig sind -, weil wir unser Pulver
im Trockenen haben;
({3})
ich darf das vielleicht so ein bisschen martialisch formulieren . Flüchtlingslage, Terrorbekämpfung, Rechtsextremismus, Cyberfähigkeit - überall haben wir den
Haushalt und die Rechtsvorschriften angepasst . Wir haben Reisen in ISIS-Gebiete längst unter Strafe gestellt,
wir können Ausreisen verhindern, und wir können Pässe
und Personalausweise entziehen . Wir haben uns die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zum Ziel gesetzt.
Wir haben die Vorratsdatenspeicherung eingeführt und
die Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbekämpfungsgesetzen verlängert . Meine Damen und
Herren, besser kann man nicht beweisen, dass die Innenpolitik in diesem Land gut vorbereitet ist . Ich brauche im
Moment nicht mehr Gesetze .
Zweitens . Das Vertrauen in der Bevölkerung ist dann
besonders groß, wenn wir uns an unsere Rechtsvorschriften halten - die sind gut - und sie ohne Wenn und Aber
umsetzen . Das erwarten die Menschen gerade in unsicheren Zeiten . Deshalb müssen wir Dublin und Schengen
schnellstens reanimieren . Deshalb bin ich dem Bundesinnenminister für seine vielen klaren Haltungen in den
vergangenen Wochen sehr dankbar. Das flößt Vertrauen
ein, auch bei der Bevölkerung . Das spürt man .
({4})
Wer in diesen Tagen allerdings nur auf die Sicherung
der Schengen-Außengrenze fokussiert - und das machen
ja ganze Heerscharen -, der hat den Schengener Grenzkodex noch nicht verstanden .
({5})
Außengrenzensicherung war noch nie das einzige Mittel der Wahl . Das haben wir uns Mitte der 90er-Jahre
so nicht gedacht . Binnengrenzschleierfahndung, SchenDr. Lars Castellucci
gener Informationssystem, gemeinsame internationale Ermittlungsgruppen, automatisierter Datenabgleich,
Infoaustausch zu Fingerabdrücken, Kfz-Kennzeichen,
DNA-Spuren usw . usf . - das alles ist Schengener Grenzkodex und Prümer Vertrag . Ich bedauere, dass wir in diesen Tagen sehr wenig Klartext darüber sprechen, dass all
das in Europa schlampigst umgesetzt ist .
({6})
Die Schleierfahndung ist faktisch ausgestorben . Es
gibt Fahndungsdateien bei Europol, in die nur fünf Länder von ganz Schengen-Europa Daten eingeben . Wie
wollen wir so Terroranschläge verhindern? Wie wollen
wir präventiv dafür sorgen, dass Europa ein Raum der
Freiheit, des Rechts und der Sicherheit ist? Wenn wir uns
nicht jetzt in den Schengener Binnengrenzräumen um
Fahndungs- und Ermittlungsdruck kümmern, wann denn
dann?
({7})
Die Attentäter der vergangenen Anschläge haben alle
zusammen eine verwundbare Stelle: ihre grenzüberschreitende Reisetätigkeit . Sie alle haben es getan, auf
allen Verkehrswegen, und man hätte sie erkennen können . Aber dafür braucht man konsequente Grenzüberwachung - auch in Deutschland - im Rahmen einer Schleierfahndung oder auch mehr .
Die Haltung, dass das alleinige Aufgabe der Schengen-Außengrenzenländer sein soll und nicht unsere, finde
ich völlig unplausibel . Warum sollen die es können und
wir nicht? Ich empfehle jedem, der damit hausieren geht:
Fahren Sie doch einmal zur Bundespolizei oder zur bayerischen Polizei; ich empfehle die Polizeiinspektionen
Fahndung in Traunstein und in Rosenheim . Die erklären
sehr gerne, wie hochwirksam Binnengrenzfahndung ist .
Ich erinnere an den Aufgriff des Montenegriners, der einen ganzen Kofferraum voll schwerster Waffen hatte . Ob
wir aktuell Grenzüberwachung wollen oder nicht, müssen wir politisch entscheiden; aber man sollte bitte nicht
behaupten, wir könnten es nicht .
({8})
Die Bundeszollverwaltung und die Bundespolizei tun
das seit Jahrzehnten, egal in welcher Lage die Bundesrepublik Deutschland sich befunden hat . Die können das .
Diese öffentlichen Unwerturteile finde ich nicht in Ordnung .
Es gibt einen Zusammenhang - auch das traue ich
mich zu sagen; ich weiß, das ist heikel - zwischen
Flüchtlingslage und Terrorbedrohung . Ein Innenpolitiker
muss so etwas ansprechen, weil wir uns als Fachleute
bezeichnen . Wir können nicht ausschließen, dass ISIS
mit seiner perfiden Hinterhältigkeit versuchen wird, die
Flüchtlingsströme zu nutzen, um in unserer Gesellschaft
durch Vorkommnisse zu polarisieren und zu spalten, uns
gegeneinander auszuspielen . Deshalb müssen wir zum
Schutz aller, der Flüchtlinge und der Deutschen, genauer
hinschauen, wer auf welchem Weg warum in dieses Land
möchte. Das flößt Vertrauen ein.
({9})
Kollege Schuster, lassen Sie eine Zwischenfrage von
Herrn Tempel zu?
Von Herrn Tempel? Natürlich .
Bitte .
Herr Schuster, lassen wir einmal ganz kurz unsere
unterschiedlichen politischen Positionen, ob eine Schließung der Grenzen und stationäre Grenzkontrollen richtig
sind oder nicht, außen vor . Nehmen wir einmal an, dass
das gemeinsam politisch gewollt wäre, was es natürlich
nicht ist . Sie haben mit Ihrer Fraktion seit Jahren den
permanenten Personalabbau mitgetragen . Genau wie Sie
besuche ich regelmäßig Delegiertenkonferenzen bei Gewerkschaftsversammlungen der Bundespolizei und auch
Polizeidienststellen, mehrere allein in diesem Jahr . Dort
wird von den Kollegen einheitlich gefragt: Wie sollen
wir diesen Forderungen, die von Teilen der Politik kommen, überhaupt nachkommen?
Ich habe gerade gesagt: innerhalb von nur einem Monat 500 000 Überstunden bei der Polizei . Sie haben von
neuen Stellen gesprochen . Die Leute müssen erst einmal
ausgebildet werden; sie werden in den nächsten zwei
Jahren überhaupt nicht zur Verfügung stehen . Sie legen
Ihre Forderungen hier in blumigen Worten dar; aber mit
der Umsetzung ist langfristig überhaupt nicht zu rechnen .
Sie tragen mit die Verantwortung dafür, dass das Personal, die Infrastruktur und die Logistik für die Erfüllung
dieser Forderungen überhaupt nicht zur Verfügung stehen . Wie möchten Sie das umsetzen? Wann möchten Sie
das umsetzen? Das sollten Sie hier schon ein bisschen
genauer sagen .
Erstens . Ich kann mit Ihnen jetzt keinen Grundkurs
zum Thema Grenzpolizei machen .
({0})
Aber es wäre schön, wenn Sie unterscheiden würden zwischen der Forderung, die Grenzen dichtzumachen - das
hat nur ein Teil Deutschlands einmal versucht; ich finde,
das ist eine ziemlich unsinnige Idee, die kein vernünftiger Grenzpolizist hat -, und konsequenter polizeilicher
Grenzüberwachung, dass man also sagt: Wir betreiben
Grenzübergangsstellen, weil das aus Sicherheitsgründen
notwendig ist, und wir überwachen die grüne Grenze . Das bedeutet aber nicht, dass man dort alle Menschen
aufgreift und zurückschickt . So dumm ist kein Grenzpolizist und auch kein Politiker. Dafür gäbe es ein flexibles
System; da bin ich ganz sicher .
({1})
Armin Schuster ({2})
Wenn es heißt, dass wir das nicht leisten könnten,
muss ich sagen: In einer kleinen Privataudienz könnte ich
Ihnen ganz locker erklären, wie wir es mit 10 000 Zöllnern, 42 000 Bundespolizisten und etlichen Landespolizei-Bereitschaftsabteilungen, die nur auf den Marschbefehl warten, binnen weniger Tage hinbekommen würden,
in diesem Land einen solchen Einsatz zu fahren .
({3})
Da würde übrigens genauso wenig geschossen - ich
danke Ihnen sehr für den Zwischenruf - wie bei 1 .-MaiDemos in Berlin, da gäbe es keine S-Draht-Rollen, da
gäbe es keine Haftanstalten . Das Vermögen, in diesem
Land polizeilich sauber zu arbeiten, können Sie seit Jahrzehnten beobachten, egal bei welcher polizeilichen Lage .
Wir würden auch das hinbekommen .
Letzter Punkt - das wäre als dritter Punkt sowieso
gekommen; jetzt geht das auf Ihre Zeit -: Ich bin nicht
damit einverstanden, dass diese Sonderlage noch unendlich lange andauert . Dass da 1 000 bis 1 500 Bundespolizisten quasi eine Außenstelle des BAMF betreiben, stört
mich sehr; denn sie fehlen uns genau bei der Aufgabe,
für die Sie gerade plädiert haben . Mir wäre es sehr recht,
wenn wir die Flüchtlingszahlen so reduzieren, sodass das
BAMF seine eigentliche Aufgabe allein und selbstständig erledigen kann und die Bundespolizei zur Wahrnehmung ihrer originären Aufgabe, nämlich der Grenzfahndung, zurückkehrt .
Das dürfte Ihnen als kleiner Input reichen . Den Rest
machen wir dann privat . Vielen Dank .
({4})
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen . Wenn ständig
2 000 Polizisten das BAMF verstärken, ist das ja kein
„Wir schaffen das“ . Das ist nur eine Notlösung . Ich bin
damit einverstanden, dass die Bundespolizei das jetzt
macht . Aber das ist eine Sonderlage, und Sonderlagen
enden irgendwann . Insofern bin ich der SPD dankbar .
Wenn ich Herrn Steinmeier und Herrn Gabriel richtig
verstehe, wollen sie einen Neustart in der Flüchtlingspolitik . Auch ich glaube, dass das notwendig ist, zumindest
bei der Frage: Wie viele kommen zu uns?
Mein letzter Punkt: zum Thema Vertrauen . In den
deutschen Sicherheitsbehörden, bei Polizei und Verfassungsschutz, arbeiten Zehntausende von Frauen und
Männern . Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren erlebe ich
hier, vornehmlich aus den Reihen der Opposition, immer
wieder den Versuch, unsere Sicherheitsbehörden öffentlich zu diskreditieren .
({5})
Die Rede ist dann von mutmaßlichen Übergriffen bei Polizeieinsätzen, davon, dass die Rechte der Bürger massenhaft untergraben werden, etc . etc . Ich bleibe jetzt ganz
ruhig; aber ich möchte in diesen angespannten Tagen den
Appell loswerden: Damit schneiden wir im deutschen
Parlament Vertrauen ab .
({6})
Mit solchen Kommentaren stellt man permanent die
Leistung derer, die sich Tag für Tag für unseren Schutz
und unsere Freiheit einsetzen, auf den Kopf .
({7})
Ich finde, auch eine Opposition - mag die Verlockung
der Kameras auch noch so groß sein - hat in diesen angespannten Tagen eine parlamentarische Verantwortung .
({8})
Bei der Union gehört Vertrauen in Sicherheitsbehörden
zur Grund-DNA . Wir müssen diesbezüglich nicht belehrt werden . Wir wissen, was die Frauen und Männer da
draußen leisten . Wir sind ihnen dankbar . Heute haben wir
hier im Parlament sozusagen einen Doppelpass gespielt:
Wir bringen einen Haushalt auf den Weg, der diese Leistungen angemessen honoriert .
Ich danke Ihnen .
({9})
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Susanne
Mittag von der SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum
Schluss ist das zwar immer ein bisschen schwierig; aber
ich versuche noch einmal, das Publikum zu fesseln .
Im Innenausschuss ist das Thema Flüchtlinge vorherrschend und auch ordentlich behandelt worden . Das kann
man gut nachvollziehen, weil dieses Thema auch hier
fast über die gesamte Zeit in aller Eindringlichkeit angesprochen wurde . Vereinbarungen über ein umfassendes
Finanzpaket waren dringend notwendig, und das ist ja
auch gelungen . Im Haushaltsausschuss wurde eine ganze
Bandbreite von Themen angesprochen . Ich möchte mich
auf ein Thema im Bereich Inneres konzentrieren, das seit
Jahren leider nachrangig betrachtet wird, nämlich die organisierte Kriminalität .
({0})
- Da sind wir uns jetzt einig .
({1})
Die organisierte Kriminalität umfasst nicht nur das,
was man üblicherweise aus der Vorstellung von Jahresstatistiken kennt oder in Filmen sieht, sondern hat bezoArmin Schuster ({2})
gen auf den Vermögensschaden und die Bandbreite der
Delikte mittlerweile ein erhebliches Ausmaß angenommen, und das steigert sich immer weiter . Dazu gehören - eine kleine Aufzählung - die nicht sehr auffälligen
Deliktbereiche Umsatzsteuerkarussell, Geldwäsche und
Drogenhandel - das bekommt ja nicht jeder mit -, aber
auch massive Delikte wie Menschenhandel, Förderung
der Prostitution, Kfz-Diebstahl und -verschiebung und
auch - das ist ein bisschen öffentlichkeitsträchtiger Einbrüche in Wohnungen und Straftaten gegen hochaltrige Menschen, also gegen Menschen ab 80 Jahren . Zur
organisierten Kriminalität gehören aber auch eher neuartige Taten wie Erpressung im Internet, Datendiebstahl
und -hehlerei . Darunter fallen auch Randbereiche, die
man zuerst gar nicht mit der organisierten Kriminalität
in Verbindung bringt, wie zum Beispiel das Handeln mit
illegalen Kulturgütern nach Raubgrabungen oder Markenpiraterie . Der wirtschaftliche Schaden ist beträchtlich und trägt zur Verunsicherung der Menschen bei .
Organisierte Kriminalität wird in einigen Bereichen, um
zum Ausgangsthema zurückzukommen, auch zur Terrorismusfinanzierung genutzt. Diese Tatsachen zeigen,
dass wir bei all den wichtigen Themen, die sonst gerade
diskutiert werden, noch mehr Augenmerk auf die organisierte Kriminalität legen müssen .
Um dem Bedürfnis aller nach Sicherheit entsprechen
zu können, müssen wir die zuständigen Behörden so ausstatten, dass sie diese Sicherheit leisten können .
({3})
- Das verwirrt mich jetzt etwas . - Gerade wenn es um die
Bekämpfung der organisierten Kriminalität ging, hat es
in den zurückliegenden Jahren - jetzt wird es nicht mehr
ganz so gut - Sparmaßnahmen oder einen Verzicht auf
das Aufstocken im Haushalt gegeben .
({4})
Das war im letzten Jahr nicht der Renner . In diesem Jahr
ist das im Haushalt zum Glück anders .
({5})
Das war nicht immer so; deswegen sind wir heute ganz
froh darüber .
({6})
- Können wir jetzt weitermachen?
({7})
Ich will nur noch einmal einwerfen: Das BKA erhält
für seine wichtige Arbeit insgesamt 310 neue Stellen und
zusätzliche Mittel für die Ausstattung . Das gehört auch
dazu und ist schon einmal sehr gut . Nach den letzten
Haushaltsverhandlungen war ich ziemlich betrübt; aber
diesmal bin ich - das muss ich sagen - sehr zufrieden .
Das ist ein guter Einstieg .
({8})
Hinzu kommen noch 97 Stellen für Daktyloskopie, also,
falls das nicht geläufig ist, für das Fingerabdruckverfahren . Das ist eine echte Verbesserung mit Blick auf die
Auswertung von Fingerabdrücken und die Identifizierung von Flüchtlingen - aber nicht nur; es gibt auch noch
andere Fingerabdrücke zu erkennen .
Mit zusätzlichen Stellen für das BKA kann unter anderem die „Koordinierungsstelle Organisierte Kriminalität“ endlich richtig ausgestattet werden und ihre Arbeit in
vollem Umfang aufgenommen werden,
({9})
um in Zusammenarbeit mit Ländern innerhalb und außerhalb der EU, aber auch mit den Bundesländern, der
Bundespolizei, dem Zoll und weiteren Institutionen die
Kriminalität etwas mehr aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld
zu heben .
({10})
Auch bei der Bundespolizei wurde die Personaldecke jahrelang dünner und dünner, während die Aufgaben
wuchsen - jetzt natürlich besonders im Bereich Flüchtlinge . Neben den sichernden Aufgaben sind aber auch viele Ermittlungsbereiche bei der Bundespolizei, wie zum
Beispiel Menschenschmuggel, bundesweite Diebstähle
in Bahnhofsbereichen oder im Güterverkehr, im Bereich
der organisierten Kriminalität anzusiedeln . Daher sind
die auf drei Jahre aufgeteilten 3 000 zusätzlichen Stellen - sie sind ja schon mehrfach erwähnt worden - ein
ebenfalls sehr guter Anfang nach jahrelanger Sparerei .
Über eine Festlegung im Haushalt freue ich mich ganz
besonders - Martin Gerster hat es schon gesagt -, und
zwar über die zu den Tarifgruppen bei der Bundespolizei . Nun ist ein kleiner Aufstieg von der sehr niedrigen
Tarifgruppe E 3 in die Tarifgruppe E 5 möglich . Es wird
nämlich leicht vergessen, dass es für die Arbeit nicht nur
einigermaßen gut bezahlte Beamte geben muss, sondern
auch Tarifangestellte - das sind meistens Frauen -,
({11})
ohne die der ganze Apparat überhaupt nicht funktioniert .
Darauf haben die Tarifmitarbeiter - die Gewerkschafter haben darauf hingewiesen - Jahre gewartet . Endlich
ist der Einstieg geschafft . Das fördert das Engagement,
bringt ein bisschen mehr Gerechtigkeit, motiviert die
Nachwuchskräfte und hält erfahrene Kräfte, die sonst
wegen der miesen Bezahlung gehen würden .
({12})
Es ist nur ein kleiner Teilbereich aus dem Ministerium
des Innern, aber doch ein großer und wichtiger Bereich
für unsere Sicherheit .
Wir haben die Verpflichtung, den Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten Sicherheit zu gewähren, und
das setzen wir jetzt um . Ich bin mir sicher: Die Kollegen,
die dann endlich über mehr Personal und Material verfügen, bekommen das schon hin .
Herzlichen Dank .
({13})
Vielen Dank . - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
schließe die Aussprache .
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu-
nächst zur Abstimmung über den Einzelplan 06 - Bun-
desministerium des Innern - in der Ausschussfassung .
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist der Einzelplan 06 mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men worden .
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 21 - Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit -, ebenfalls in der Ausschuss-
fassung . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? -
Enthält sich jemand? - Der Einzelplan 21 ist einstimmig
angenommen worden .
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I .7 auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz
Drucksachen 18/6107,18/6124
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
Drucksachen 18/6124, 18/6125
Zum Einzelplan 07 haben die Berichterstattung die
Abgeordneten Dr . Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler,
Dennis Rohde und Roland Claus . Zum Einzelplan 19
haben die Berichterstattung die Abgeordneten Carsten
Körber, Dennis Rohde, Roland Claus und Manuel
Sarrazin .
Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin hat
Caren Lay von der Fraktion Die Linke das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Maas, bei Ihrem Amtsantritt als neuer Justiz- und Verbraucherminister wollten Sie noch eine ganze
Menge bewegen . Ihre erste Rede hier hatte auch mir gut
gefallen .
({0})
Sie versprachen mehr Rechte für Frauen, für Lesben und
Schwule, für die Schwachen in der Gesellschaft und den
Schutz der persönlichen Daten . „Prima“, habe ich gedacht . Das klingt fast nach einem linken Regierungsprogramm .
({1})
Heute will ich einmal fragen: Was ist daraus geworden?
Die CDU/CSU kann sich beruhigt zurücklehnen . Die
Halbzeitbilanz der Koalition sieht nämlich leider ernüchternd aus .
({2})
Was wurde denn alles versprochen? Beispielsweise
wurde versprochen, die Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare einzuführen . Daraus ist leider nichts geworden .
Doch spätestens seit dem erfolgreichen Volksentscheid
im konservativen Irland wäre es höchste Zeit, auch in
Deutschland die Ehe für alle endlich einzuführen .
({3})
Sie haben versprochen, den Anteil von Frauen in den
Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung wesentlich - ich betone: wesentlich - zu erhöhen . Herausgekommen ist ein klitzekleines Frauenquötchen . Davon
profitieren - ich betone: bundesweit - ganze 200 Frauen
in Aufsichtsräten . Ja, wie viele Frauen sitzen denn schon
in Aufsichtsräten? Hinzu kamen noch Verschlechterungen im öffentlichen Dienst . Ich sage: Eine wirkungsvolle
Gleichstellungspolitik sieht wirklich anders aus .
({4})
Sie versprachen - vom Frauenquötchen zum Mietpreisbremschen -, eine „wirksame Mietpreisbremse“
einzuführen . Da wurde zunächst lange herumgedoktert .
Am Ende wurde ein Gesetzentwurf beschlossen, mit dem
schon bei der Beschlussfassung viel zu viele Zugeständnisse an die Vermieterlobby gemacht wurden .
({5})
Jetzt bewahrheiten sich - leider, muss ich sagen - die Befürchtungen der Opposition, dass diese Mietpreisbremse
am Ende fast nirgendwo wirken wird, weil die Grundlage, nämlich ein ordentlicher Mietspiegel, fast nirgendwo
vorhanden ist . Eine Mietpreisbremse, die wirkt, habe ich
mir wirklich anders vorgestellt .
({6})
Das stärkste Stück stellte aber Ihr Versprechen dar,
dass es eine Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht nicht geben wird . Das hat natürlich gerade bei der
Opposition große Erwartungen geweckt . Allerdings haben Sie wenige Monate später einen Gesetzentwurf zur
sogenannten Vorratsdatenspeicherung vorgelegt . Dazu
wurden Sie zwar gezwungen durch Ihren Parteichef . Ich
frage mich aber: Warum mussten Sie diesen Unsinn am
Ende auch noch verteidigen?
({7})
Sie wollten die Schwachen im Recht stärken . Nehmen
wir beispielsweise die anhaltende Abzocke von schwachen Verbraucherinnen und Verbrauchern bei den Dispozinsen durch die Banken . Da sollen wir jetzt im Grunde eine Art Ausweisungspflicht auf den Homepages der
Banken beschließen statt einer gesetzlichen Deckelung .
So wird das wirklich nichts .
({8})
Auch haben Sie mehr Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher versprochen, die diese tatsächlich
durchsetzen können . Rechtsdurchsetzung, das wäre
wirklich gut gewesen . Nehmen wir beispielsweise den
VW-Skandal . Die geschädigten Autokäufer müssen jetzt
selber sehen, wo sie bleiben, das heißt, individuell den
Rechtsweg beschreiten . Hätten wir die Möglichkeit von
Gruppenklagen, könnten die Verbraucherverbände für
alle Betroffenen klagen . Sie aber haben bis heute nichts
vorgelegt . Im Gegenteil; Die Koalition hat einen Gesetzentwurf der Grünenfraktion abgelehnt . Das stärkste
Stück aber ist, dass die Koalition mit den Stimmen von
der Union und der SPD jetzt schon zum fünften Mal
hintereinander abgelehnt hat, im Verbraucherausschuss
überhaupt über dieses Thema zu sprechen . Meine Damen
und Herren, dafür fehlt mir wirklich jedes Verständnis .
({9})
Apropos VW: Es gibt schon Themen, bei denen ich
mich manchmal frage, ob wir überhaupt noch einen Verbraucherminister haben . Im Fall VW hat es lange gedauert, bis von ihm etwas zu hören war . Dann kamen vorsichtige Appelle in Richtung Konzernleitung . Ansonsten
war in der Debatte von Ihnen wenig zu hören. Ich finde,
angesichts von 2,5 Millionen geschädigten Autokäufern
ist das keine überzeugende Leistung .
({10})
Sie schweigen meistens auch zu TTIP und CETA, also
den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA bzw . Kanada, und verstecken sich hinter dem breiten Kreuz des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel . Dabei hätten die Verbraucherinnen
und Verbraucher - die, wie ich finde, zu Recht fürchten,
dass sie jetzt noch mehr von Konzernen über den Tisch
gezogen werden - an dieser Stelle wirklich einen starken
Verbraucherminister verdient .
({11})
Das gilt auch für den Haushalt . Das Geld, welches
die Bundesregierung für die Verbraucherarbeit ausgibt,
ist, gemessen an anderen Haushalten und gemessen auch
am Gesamtvolumen des Bundeshaushalts, wirklich sehr
gering . Es handelt sich um 36 Millionen Euro . Ich nenne einmal einen Vergleichsmaßstab: Allein für die „Erschließung von Auslandsmarken“, also für die von Steuergeldern finanzierte bezahlte Werbung für Firmen im
Ausland, gibt die Bundesregierung dreimal so viel Geld
aus. Ich finde, das steht wirklich in keinem Verhältnis
zum Schutz von 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern in diesem Land .
({12})
Die Verbraucherpolitik fristet auch bei dieser Bundesregierung unterm Strich leider immer noch ein Schattendasein . Es wird wenig überraschen, dass wir als Linke
mehr Geld für die Verbraucherpolitik gefordert haben .
Sie werden natürlich, wie immer, fragen: Woher soll das
Geld denn kommen? Da greife ich doch gerne eine Forderung der ehemaligen Verbraucherministerin Ilse Aigner
von der CSU auf . Sie hatte nämlich einmal den klugen
Vorschlag gemacht, man solle doch die Einnahmen aus
Kartellstrafen für die Verbraucherarbeit zur Verfügung
stellen . Kartellstrafen müssen Unternehmen zahlen,
wenn ihnen zum Beispiel illegale Preisabsprachen zulasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern nachgewiesen werden . Mir ist es wirklich unverständlich, dass das
Geld, was hier eingenommen wird - eine halbe Milliarde
Euro -, komplett in den Wirtschaftshaushalt fließt anstatt
wenigstens teilweise in den Verbraucherhaushalt, damit
wir hier nicht jedes Jahr wieder um eine Million mehr
oder weniger streiten müssen . Damit hätten wir eine ausreichende Finanzierung der Verbraucherarbeit .
({13})
Wenn wir nur 20 Prozent dieses Geldes umschichten
würden, dann hätten wir 100 Millionen Euro mehr für die
Verbraucherarbeit . Das wäre eine Verdreifachung dieses
Haushaltspostens, und das würde den Verbraucherinnen
und Verbrauchern gefallen .
Ich komme zu meinem letzten Punkt . Wir stecken immer noch in den Nachwehen der Finanzmarktkrise . Deswegen fordern wir eine gute Anschubfinanzierung für die
bundesweite Finanz- und Schuldnerberatung und einen
Finanz-TÜV . Damit wäre das Geld für die Verbraucherinnen und Verbraucher gut angelegt .
({14})
Meine Damen und Herren, die Halbzeitbilanz der Koalition im Bereich der Verbraucherpolitik ist ernüchternd .
Ich weiß, Herr Maas: Sie haben einen schwierigen Koalitionspartner .
({15})
Sie haben einen Parteivorsitzenden, der sich gerne als
Genosse der Bosse profiliert und Ihnen reingrätscht. So
ist es zu erklären, dass Sie lieber twittern, als gute Gesetzentwürfe vorzulegen . Aber die Verbraucherinnen und
Verbraucher haben am Ende des Tages leider wenig davon .
({16})
Als nächster Redner hat Dennis Rohde von der
SPD-Fraktion das Wort .
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Vor uns liegt der Einzelplan des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz . Das konnte
man bei meiner Vorrednerin in zwei Dritteln der Rede
nicht erkennen, weil es in ihrer Rede nicht wirklich um
den Haushalt ging .
({0})
Als Sie dann die Kurve zum Haushalt genommen haben, haben Sie, fand ich, auch noch verblüffend offen
dargelegt, dass Sie die Haushaltssystematik nicht verstanden haben . Wenn Sie fordern, das Geld aus den Kartellstrafen für die Verbraucherpolitik einzusetzen, dann
müssen Sie aber auch sagen, wo Sie das Geld an anderer
Stelle wegnehmen wollen .
({1})
Natürlich ist dieses Geld schon im Bundeshaushalt verplant . Das, was Sie wollen, ist: mehr Geld ausgeben und
neue Schulden machen . Das machen wir nicht mit, liebe
Kolleginnen und Kollegen .
({2})
Der Einzelplan 07 zeichnet sich durch viele kleine das ist richtig -, aber durchaus wichtige Punkte aus . Eine
Rede zum Einzelplan 07 läuft daher immer Gefahr, sehr
kleinteilig zu sein . Ich möchte mich deshalb auf drei große Überschriften beschränken .
Ehe Sie das tun, Herr Kollege Rohde, frage ich Sie:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lay?
({0})
Herzlich gern .
Bitte schön .
Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege, dass Sie die
Zwischenfrage zulassen . Ich möchte nicht, dass falsche
Dinge im Raum stehen bleiben . Deswegen möchte ich
Sie fragen: Haben Sie mich richtig verstanden, dass wir
keine zusätzlichen Einnahmen aus Kartellstrafen vorsehen? Wir wollen, dass, statt das Geld wie bisher komplett
für den Wirtschaftshaushalt zu verwenden, 20 Prozent
davon in den Verbraucherhaushalt fließen sollen. Haben
Sie mich da richtig verstanden?
({0})
Frau Kollegin Lay, ich habe Sie richtig verstanden .
({0})
Ich frage mich, ob Sie mich richtig verstanden haben .
({1})
Wenn Sie das Geld aus dem Wirtschaftshaushalt herausnehmen wollen, dann müssen Sie auch sagen, an welcher
Stelle Sie es einsparen wollen bzw . ob Sie dort den Haushaltsansatz absenken wollen .
({2})
Jeder Euro im Bundeshaushalt kann nur einmal ausgegeben werden, und das gilt leider auch für die Einnahmen
aus Kartellstrafen, liebe Kolleginnen und Kollegen .
({3})
Wir haben als Koalition in den Haushaltsverhandlungen drei Schwerpunkte gesetzt . Der erste Schwerpunkt an ihm kommt man, glaube ich, bei keinem Haushalt
vorbei - ist der Bereich Flüchtlinge und Terrorismus .
Wir wollen das Ministerium als das stärken, was es auch
ist, nämlich als Verfassungsministerium, das die Verfassungsmäßigkeit von Vorhaben zu überprüfen hat . Das ist
in der heutigen Zeit wahrlich keine leichte Aufgabe . Denn
dabei müssen Sie, Herr Minister, zwischen Terrorismusbekämpfung, also dem Schutz von Bürgerinnen und Bürgern, auf der einen Seite und den Freiheitsrechten, wie
dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und
dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die
nicht minder wichtig sind, auf der anderen Seite abwägen . Diese Abwägung haben Sie in Ihrem Hause zu treffen . Damit Sie das auch vernünftig tun können, stocken
wir den Personalhaushalt des Ministeriums auf . Ich glaube, das ist gerade in der heutigen Zeit ganz wichtig .
({4})
Aus demselben Grund haben wir beim Generalbundesanwalt und beim Bundesgerichtshof Bedarf gesehen .
Denn wir alle wissen - das geht derzeit immer wieder
durch die Presse -: Gewaltbereite Dschihadisten kommen zu uns zurück . Sie müssen verfolgt werden . Dafür
sind der Generalbundesanwalt und der Bundesgerichtshof mit seinen Ermittlungsrichterinnen und Ermittlungsrichtern zuständig . Damit diese Verfahren nicht länger
dauern als unbedingt notwendig, haben wir in diesem
Bereich noch einmal deutlich den Personalhaushalt aufCaren Lay
gestockt, damit verantwortungsvoll mit dieser Aufgabe
umgegangen werden kann .
({5})
Auch beim Verbraucherschutz sehen wir eine ganz besondere Herausforderung, die sich aus der aktuellen Situation ergibt; denn die Menschen, die zu uns kommen,
stammen nicht nur aus fremden Kulturen, sondern auch
aus teilweise ganz fremden Rechtssystemen, die mit unserem Rechtssystem des Vertragsabschlusses bzw . der Vertragsdurchführung nicht einmal ansatzweise vergleichbar
sind . So weiß ein Teil dieser Menschen nicht, dass ein
Dauerschuldverhältnis bei einem Handyvertrag, der auf
zwei Jahre abgeschlossen ist, tatsächlich zwei Jahre dauert und nicht mittendrin gekündigt werden kann . Damit
sich hier nicht irgendwelche windigen Geschäftsleute ein
neues Feld erschließen und solche Wissenslücken gezielt
ausnutzen, stellen wir dem Justizministerium zusätzliche
finanzielle Mittel zur Verfügung, um hier Aufklärungsarbeit zu leisten . Gerade in der heutigen Zeit ist das ein
wichtiger Beitrag .
({6})
Nun komme ich zu meiner zweiten großen Überschrift, zum Verbraucherschutz . Wahrscheinlich muss
man als Opposition immer mehr fordern .
({7})
Aber ich finde, dass wir uns konkret anschauen sollten,
was in den letzten zwei Jahren, seitdem die SPD wieder
in der Regierung ist, passiert ist . Wir haben den Verbraucherschutzetat um gut 50 Prozent angehoben . In diesem
Land wurde - auch das gehört zur Wahrheit - noch nie
so viel Geld für den wirtschaftlichen und den finanziellen
Verbraucherschutz ausgegeben; das lassen wir uns nicht
kleinreden . Darauf sind wir als Große Koalition stolz .
({8})
Wir haben das Geld für ganz unterschiedliche Dinge
ausgegeben, für Maßnahmen im Ministerium, wie zum
Beispiel für die Initiative für die Flüchtlinge, über die
ich gerade gesprochen habe . Wir stärken die Verbraucherzentrale Bundesverband, indem wir dieses Mal - wir
haben bereits im letzten Haushalt die institutionelle Förderung angehoben - die Mittel für das Personal deutlich
aufstocken . So kommen die Marktwächter mit einer vernünftigen personellen und finanziellen Ausstattung über
die Runden . Die Marktwächter sind ein gutes Projekt,
das wir als Haushälter vernünftig begleiten müssen .
Wir leiten einen Paradigmenwechsel bei der Stiftung
Warentest ein, die bisher jedes Jahr eine institutionelle
Förderung aus dem Bundeshaushalt bekommt . Wir wollen diese Stiftung nun unabhängig vom Bundeshaushalt
machen . In den nächsten Jahren wird diese Stiftung eine
massive Aufstockung bekommen, um dann aus den Zinserträgen ihren Haushalt selbst bestreiten zu können .
({9})
Das ist ein vernünftiger Paradigmenwechsel . Die Stiftung Warentest ist und bleibt eines der wichtigen Instrumentarien, wenn es für Verbraucherinnen und Verbraucher darum geht, sich nachhaltig zu informieren . Diese
Stärkung geschieht an der richtigen Stelle .
({10})
Wir haben des Weiteren einen sehr guten Forschungsauftrag im Hinblick auf Schutz vor Überschuldung und
Umgang mit Überschuldung erteilt . Man kann dafür natürlich eine bestimmte Summe in den Bundeshaushalt
einstellen und den Schuldnerberatungsstellen sagen:
Macht mal! - Aber die Schuldnerberatungsstellen sind
an uns herangetreten und haben uns gebeten, gemeinsam
eine Studie in Auftrag zu geben, um herauszufinden, welches die Herausforderungen sind, vor denen überschuldete Menschen stehen, und welche Dinge Menschen in
Überschuldung treiben . Wir wollen die Ursachen bekämpfen . Für dieses Projekt haben wir das nötige Geld
in den Haushalt eingestellt . Ich verspreche mir sehr viel
davon und bin sehr gespannt auf die Ergebnisse .
({11})
Meine dritte Überschrift betrifft wieder viele kleine
Sachen, die in der täglichen Arbeit des Justizministeriums anfallen und - teilweise für uns sehr überraschend finanziell hinterlegt werden müssen. So haben wir vor
der Sommerpause das Gesetz zur Verbesserung der
Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes
verabschiedet . Innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens
wurde relativ kurzfristig noch eine Änderung im Bundeszentralregistergesetz vorgenommen, die für das Bundesamt für Justiz sehr weitreichende Folgen hat . Ich spreche
vom sogenannten Ähnlichenservice . Das bedeutet: Wenn
ich eine Abfrage zu meinem Namen im Bundeszentralregister vornehme, dann würde nur entsprechend der
Schreibweise meines Namens Rohde gesucht werden .
Mein Nachname lässt sich aber auch Rhode oder Rode
schreiben . Die anderen beiden Schreibweisen müssten
zusätzlich eingegeben werden .
({12})
- Stimmt, es gibt wahrscheinlich noch mehr Schreibweisen . - Bei meinem Nachnamen, Frau Kollegin Künast,
ist es noch relativ leicht . Beim Namen Eckhardt wird es
richtig kompliziert . Er ließe sich mit „ck“, „kk“ oder nur
mit „k“, mit „a“ oder „e“, mit oder ohne „h“ und am Ende
mit „d“, „dt“ oder „tt“ schreiben .
({13})
Wenn Sie all diese Schreibweisen abdecken wollen, dann
haben Sie mehrere Dutzend Aufgaben zu bewältigen .
Dafür braucht man eine vernünftige EDV .
({14})
Diese muss in den nächsten drei Jahren aufgebaut werden . Das kam für uns überraschend . Wir haben es nun
aber gemanagt .
({15})
Das wird insbesondere denjenigen, die das momentan
per Hand machen müssen, eine Menge Arbeit ersparen .
({16})
Dann haben wir noch einen zweiten Punkt, der haushaltsrelevant ist . Das ist die Umsetzung der Richtlinie
zur alternativen Streitbeilegung, die wahrscheinlich in
der nächsten Woche in zweiter und dritter Lesung hier
verabschiedet wird . Dabei geht es um die Universalschlichtung .
Frau Präsidentin, ich habe noch fünf Sekunden Redezeit, aber es blinkt schon .
Ich wollte nur, dass Sie sich darauf einstellen, dass Sie
nur noch fünf Sekunden haben .
({0})
Wenn die Frau Präsidentin mich schon so nett bittet,
zum Ende zu kommen, dann möchte ich noch ausführen:
Herr Minister, ich glaube, mit dem vorgelegten Haushalt
können und werden Sie vernünftig arbeiten . Wir sollten
es gemeinsam anpacken . Wir hatten sehr harmonische
Haushaltsverhandlungen, auch mit der Opposition .
({0})
Ich denke, das wird auch in den kommenden Redebeiträgen, Kollege Lindner, deutlich werden .
Vielen Dank .
({1})
Vielen Dank . - Nächster Redner ist Dr . Tobias Lindner,
Bündnis 90/Die Grünen .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Stichwort
„Harmonie“ ist gefallen . Auch wenn ich die Grenzen
zwischen Koalition und Opposition in diesem Haus nicht
verwischen möchte, so will ich dennoch sagen: Natürlich
ist der Einzelplan 07 des Bundeshaushalts ein besonderer
Einzelplan, und zwar aus zweierlei Gründen: Es ist der
Einzelplan, bei dem wir - ich würde fast sagen: alle zumindest die Zielsetzung teilen, nämlich dass wir einen
starken, einen funktionsfähigen Rechtsstaat benötigen;
zweitens liegen uns allen das Wohl, die Rechte und der
Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher am Herzen .
Schauen wir uns die dritte Säule der Gewaltenteilung an . Die Rechtsprechung ist mit 736 Millionen Euro
nichts, was sonderlich teuer ist . Im Gegenteil: Sie ist sehr
effizient.
({0})
Man kann diese Debatte genauso wenig wie die Debatte über den Innenetat heute nicht führen, ohne die Ereignisse von Paris im Kopf zu haben . Wir haben diese
Haushaltsberatungen vor den schrecklichen Ereignissen
geführt . Ich warne ausdrücklich vor Schnellschüssen und
davor, die Besonnenheit ad acta zu legen . Vor manchen
Forderungen, die ich gehört habe, beispielsweise nach
einer Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung oder nach
dem Einsatz der Bundeswehr im Innern oder zur Grenzsicherung, kann ich nur warnen . Legen Sie diese beiseite .
Sie gehören in das Reich des Absurden .
({1})
Aber die Bedrohung durch Terrorismus, auch die
Bedrohung durch deutsche Staatsbürger, die beispielsweise nach Syrien ausreisen, und die Bedrohung durch
Rechtsterrorismus - wir werden morgen einen weiteren
Untersuchungsausschuss konstituieren - ist nichts, was
es erst seit den Ereignissen von Paris gibt . Deswegen
ist es richtig und notwendig, dass nicht nur bei der Bundespolizei in diesem Jahr Stellen aufgestockt werden,
sondern deswegen haben wir Grüne es auch unterstützt Herr Kollege Rohde ist darauf eingegangen -, dass beim
Generalbundesanwalt und beim Bundesgerichtshof Stellen ausgeweitet werden, damit die Justiz gut ausgestattet
Ermittlungsverfahren gegen Menschen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden, führen kann . Dafür haben Sie unsere Unterstützung .
({2})
Um aber etwas Wasser in den Wein zu gießen: Wir
müssen natürlich auch, wenn wir über eine gut ausgestattete, attraktive Justiz in Deutschland reden, daran
denken, dass bei neuen Anforderungen und einem enger
werdenden Arbeitsmarkt Stellen attraktiv bleiben . Da
geht es nicht nur um Gehalt, sondern es geht auch um
die ganz praktischen Arbeitsbedingungen . Deswegen ist
es bedauerlich, dass die Große Koalition unserem Vorschlag in der Bereinigungssitzung, Mittel speziell für
Teilzeitstellen an den obersten Bundesgerichten für den
Fall bereitzuhalten, dass Richterinnen und Richter Teilzeit in Anspruch nehmen wollen, nicht hat folgen können .
({3})
Wir reden in diesen Tagen gerne darüber, Fluchtursachen zu bekämpfen und zu beseitigen . Hier, lieber Herr
Maas, gibt es in Ihrem Ministerium Ressourcen und WisDennis Rohde
sen, die leider aus meiner Sicht viel zu wenig genutzt
werden . Ich rede über den Bereich der Rechtsstaatsförderung . Wir haben mit der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit ein gutes Instrument .
Wir haben gerade als Bundesrepublik Deutschland, der
es vor 25 Jahren gelungen ist, die DDR in einen modernen und effizienten Rechtsstaat zu transformieren, eine
Menge an Erfahrungswissen, das wir weitergeben können .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir darüber
reden, Rechtsstaatlichkeit in Krisenstaaten zu festigen
und auszubauen, dann geht es eben nicht nur um das Gewaltmonopol des Staates, sondern auch um eine moderne, um eine gute Rechtsordnung . Hier könnten wir viel
mehr tun . Wir Grüne haben in den Haushaltsberatungen
beantragt, diese Mittel weiter aufzustocken . Auch hier ist
es schade, dass sich die Große Koalition nicht hat dazu
durchringen können, unseren Vorschlägen zu folgen .
({4})
Es gibt aber noch einen weiteren Begriff, der an Ihrem
Türschild steht, Herr Maas - ich greife das auf, weil der
Kollege Rohde hier seine Buchstabierkenntnisse vorgeführt hat; es geht ja nicht nur um Justiz, sondern auch
um Verbraucherschutz -: Ich habe den Eindruck, dass Sie
den Begriff „Verbraucherschutz“, auch wenn die Mittel
für diesen Bereich angewachsen sind, was ich durchaus
anerkenne, immer noch nicht richtig buchstabieren können . Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern:
Sie bauen das Instrument Marktwächter aus . Das ist
richtig; das ist gut . Dennoch sage ich: Die Mittel dafür
wachsen viel zu langsam an . Es dauert viel zu lange, bis
dieses Instrument voll einsatzfähig ist . Wir sollten auch
darüber nachdenken, Marktwächter institutionell zu fördern und sie nicht nur über eine Projektförderung zu finanzieren . Das schafft nämlich keine Planungssicherheit .
Wenn wir jetzt die verbleibenden Mittel betrachten,
die für andere Verbraucherschutzthemen zur Verfügung
stehen, dann stellen wir fest: Sie sind nicht mehr geworden, und das trotz neuer Herausforderungen im Verbraucherschutzbereich . Ich rede in diesem Zusammenhang
von nachhaltigem Konsum . Ich rede von sogenannten
Gesundheits-Apps, etwa von einer Uhr am Handgelenk,
die Gesundheitsdaten misst . Es braucht natürlich eine
Regulierung, wer Zugriff auf diese Daten hat und was
mit diesen Daten geschieht . Ich rede von neuen Wirtschaftsmodellen, von sogenannten Prosumern, also von
einer Mischung aus Produzenten und Konsumenten, die
beispielsweise im Internet Dienstleistungen und Waren
anbieten . Es gibt ganz viele neue Herausforderungen im
Bereich der Verbraucherschutzpolitik . Diesen Herausforderungen kann dieser Haushalt nicht gerecht werden,
wenn ein Großteil der Mittel in den Bereich Marktwächter fließt.
({5})
Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen eine
Menge Vorschläge unterbreitet, was man anders machen
kann, wie man wirklich zu einer mutigen und nicht zu
einer zaghaften Verbraucherschutzpolitik kommt . Sie
konnten sich diesen Vorschlägen nicht anschließen . Jetzt
kommen Sie bitte nicht mit dem Argument der Finanzierbarkeit . An anderer Stelle, in anderen Etats haben wir
Einsparmaßnahmen vorgenommen . Ich denke nicht, dass
man, wenn es um eine halbe Million Euro, um 1 Million Euro oder um 2 Millionen geht, herumkritteln sollte,
wenn man richtigerweise 10 Millionen Euro für die Stiftung Warentest zur Verfügung stellt .
({6})
Ich danke Ihnen .
({7})
Vielen Dank . - Als Nächstes hat der Kollege
Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Herr Bundesminister, was ist uns der Rechtsstaat
wert? Was ist uns die Durchsetzung des Rechts wert?
Diese Fragen, die wir uns gerade in diesen aufgeregten
Zeiten immer öfter stellen, sind zumindest aus Sicht eines Haushälters für diesen Einzelplan relativ leicht zu
beantworten: In 2016 ist uns das auf jeden Fall mehr als
in 2015 wert, und in 2015 war es uns bereits mehr wert
als in 2014 .
Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen darstellen . Der Kollege Dennis Rohde ist schon zu Recht auf
die zusätzlichen Stellen für den Generalbundesanwalt
und auf die zusätzlichen Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingegangen . Mit dieser
Maßnahme werden wir dafür sorgen, dass wir gegen die
Bedrohung durch den islamistischen Terror effektiv und
rechtssicher vorgehen können . Dieser Stellenaufwuchs
bei der Bundesjustiz erfolgt parallel zur Verstärkung der
Sicherheitsbehörden, über die ja gerade bei der Beratung
des Einzelplans des Innenministeriums gesprochen worden ist . Beides gehört aus meiner Sicht zusammen, und
beides dient der Sicherheit unseres Landes und unserer
Bevölkerung .
Die rechtsstaatliche Verfolgung von deutschen Teilnehmern an Terror- oder Gewalthandlungen, sei es im
Nahen Osten oder in anderen Regionen, wird nicht an
einer zu geringen personellen Ausstattung beim Bundesanwalt oder beim BGH scheitern . Ich sage auch mit Blick
auf künftige Entwicklungen: Wenn der Generalbundesanwalt oder der Bundesgerichtshof durch die zunehmende Zahl an Verfahren mit terroristischem Hintergrund in
den kommenden Jahren nachweisbar überlastet ist, dann
wird sich die CDU/CSU-Fraktion aktiv für eine zusätzliche Ausstattung einsetzen . Das ist es uns wert; denn jeder
Terrorist und jeder Unterstützer oder Sympathisant von
Terrororganisationen soll wissen, dass wir alles dafür tun
werden, dass er nach einem rechtsstaatlichen Verfahren
einer gerechten Strafe zugeführt wird .
({0})
Durch den Bundeshaushalt 2016 wird aber auch die
Zahl der Zivilrichter beim Bundesgerichtshof erhöht, weil
die Verfahrenszahlen angestiegen sind . Als Haushaltsgesetzgeber, meine ich, haben wir die Pflicht, die Rechtsgewährung für die Bürgerinnen und Bürger so auszugestalten, dass in angemessener Zeit eine letzt in stanzliche
Entscheidung ergeht . Diesem Auftrag kommen wir somit
nach . Wenn wir zu Recht so stolz auf unser Grundgesetz
sind, dann müssen wir auch alles dafür tun, dass die Verfassung eingehalten wird . Konkret bedeutet das, dass der
Rechtsweg für den Bürger funktionieren muss und dass
seine Rechtsmittel durch die Verfahrensdauer nicht ins
Leere laufen dürfen .
An dieser Stelle will ich auch einmal einen Appell
an die Bundesländer richten . Die staatliche Garantie der
Rechtsgewährung benötigt auch in den Instanzen, für die
der Bund nicht zuständig ist, eine vernünftige personelle
und sächliche Ausstattung . Ich sage das auch mit Blick
auf die Zunahme der Zahl von Verwaltungsgerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Ablehnung von Asylanträgen . Die Aufenthaltsbeendigung für Menschen, die
keinen Asyl- oder Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen
können, darf nicht an der personellen Unterbesetzung der
Gerichte scheitern . Wenn wir uns als Bund vorgenommen haben, die Verfahren zu entschlacken, effektiv zu
machen und zu beschleunigen, dann habe ich an die Länder die Erwartungshaltung, dass auch sie ihren Beitrag
zur Verwaltungsgerichtsbarkeit leisten .
({1})
Wir werden uns in diesem Land, meine Damen und
Herren, nicht hinstellen und zu den Mitbürgerinnen und
Mitbürgern sagen können: Liebe Leute, Zehntausende,
die sich noch im Land befinden und eigentlich kein Aufenthaltsrecht bekommen haben, sind hier, weil unsere
Gerichte überlastet sind . - Diese Blöße werden wir uns
nicht geben dürfen . Wir werden genauso wenig sagen
können, dass wir nicht in der Lage sind, Abschiebungen
durchzuführen, weil die personellen Kapazitäten nicht
ausreichen . Zum Rechtsstaat, meine Damen und Herren,
gehört auch Gerechtigkeit, und die gebietet, jene, die ein
Recht haben, gegenüber denen, die kein Recht haben,
anders zu behandeln . Insofern müssen wir ganz klar unterscheiden .
({2})
Zum Thema Flüchtlingssituation passt auch das
Thema Bekämpfung der Fluchtursachen . Der Kollege Dr . Lindner hat schon ein ganz klein wenig darauf
hingewiesen . Ich will das noch ein bisschen verstärkter
tun, weil ich glaube, dass dieses Instrument im Haushalt
durchaus schon und besser, als er es dargestellt hat, zur
Anwendung kommt .
Jeder Euro, den wir ausgeben, um Fluchtursachen zu
bekämpfen, erspart es Menschen, überhaupt erst auf die
Flucht zu gehen, und erspart uns viele weitere Ausgaben
für die Unterbringung in unserem Land . Im Einzelplan
des Justizministers findet sich ein derartiges Mittel der
Fluchtursachenbekämpfung, dem wir uns in Zukunft
vielleicht sogar intensiver widmen sollten . Ich spreche
vom Zuschuss an die Deutsche Stiftung für internationale
rechtliche Zusammenarbeit, kurz: IRZ . Durch zusätzliche Mittel wächst in 2016 der Beitrag aus dem Justizetat
auf fast 5,5 Millionen Euro auf .
Mit dem Transfer von juristischem Know-how unterstützt die IRZ zahlreiche Länder, unter anderem in Südund Osteuropa sowie in Nordafrika . So berät die IRZ
die Ukraine bei der Bekämpfung der Korruption . Gestern Abend traf ich den Bürgermeister von Kiew, Vitali
Klitschko, in meinem Wahlkreis . Er bestätigte mir ganz
deutlich: Die Bekämpfung von Korruption ist für die
Ukraine eine Frage der Erhöhung der Lebensqualität der
Menschen, aber auch der zukünftigen wirtschaftlichen
Entwicklung . Er bestätigte mir ausdrücklich: Jede Hilfe
Deutschlands bei der Bekämpfung der Korruption in der
Ukraine ist für dieses Land wichtig . - Insofern, glaube
ich, ist dieses Geld sowohl aus unserer Sicht als auch aus
ukrainischer Sicht gut angelegt .
Aber auch zahlreiche andere Maßnahmen der IRZ
sind die richtigen Antworten auf wichtige Herausforderungen . Das geht von der Unterstützung des jordanischen
Verfassungsgerichts und der marokkanischen Strafjustiz
über die Beratung Tunesiens bei der Bildung eines Verfassungsgerichts und der Reform des Verwaltungs- und
Strafvollzugsrechts bis hin zur Hilfe für die juristische
Fakultät der Universität Pristina im Kosovo oder bei
der Durchführung der Konferenz über rechtliche Möglichkeiten der Verringerung der Kinderarmut in Mostar
in Bosnien-Herzegowina . Alles das sind Aktivitäten, die
die IRZ entfaltet und finanziert hat. Teilweise mit ganz
wenigen Tausend Euro hat sie viel erreichen können . Sie
hat Bausteine geschaffen, um die Rechtsstaatlichkeit in
anderen Ländern zu entwickeln und zu festigen . Ich glaube, wir tun gut daran - insofern, Herr Lindner, sind wir
gar nicht so furchtbar weit auseinander -, wenn wir die
IRZ auch 2017 weiter fördern und in 2017 den Beitrag
vielleicht noch einmal erhöhen .
Aber auch an der Stelle will ich einen Appell an die
Bundesländer richten . Die IRZ hat uns das letzte Mal
sehr deutlich gesagt, sie könne diesen Wissenstransfer
nur durchführen, wenn sie neben dem Geld auch das juristische Fachpersonal hat . Das juristische Fachpersonal
muss freigestellt werden, insbesondere von den Bundesländern . Insofern geht eine entsprechende herzliche Aufforderung von mir hier an die Bundesländer . Diese juristische Entwicklungshilfe kann nur funktionieren, wenn
auch das Personal zur Verfügung steht . Hier hakt es, und
dem muss abgeholfen werden .
Neben der Bewältigung der Flüchtlingskrise gibt
es aber andere Herausforderungen, die wir im Haushalt 2016 meistern müssen . Ich freue mich, dass es erneut
gelungen ist, das Deutsche Patent- und Markenamt personell zu verstärken . Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutschland, weil Erfinder und Entwickler nun
schnelleren Schutz für das Ergebnis ihrer Arbeit erhalten
können . Beim Patentamt ist es nämlich wie bei den Gerichten: Der Staat hat das Monopol, und er muss seinen
Bürgerinnen und Bürgern effektiv zu ihrem Recht verhelfen, ohne dass sie Jahre auf eine Entscheidung warten
müssen . Diesen Anspruch haben die Menschen; ob er erfüllt wird, hängt davon ab, ob die Menschen den Staat,
in dem sie leben, für effektiv und leistungsfähig halten .
Dabei spielt es eine Rolle, ob sie jahrelang auf eine Entscheidung warten müssen oder erkennen können, dass es
in wichtigen Dingen vorangeht und ein Ergebnis erzielt
wird .
({3})
Lassen Sie mich aber zur anderen großen Säule des
Einzelplans 07 kommen; denn das Ministerium heißt ja
nun seit zwei Jahren „der Justiz und für Verbraucherschutz“ . Immerhin 17 Millionen Euro sind im Etat 2016
für Verbraucherinformationen eingeplant, 11 Millionen
Euro als Zuschuss an die Verbraucherzentrale Bundesverband, was der Opposition immer noch nicht genug
ist - aber okay .
In diesem Zusammenhang will ich Ihren Blick auf die
Stiftung Warentest, die vielleicht bekannteste deutsche
Stiftung, lenken . Sie bekommt im nächsten Jahr auf Initiative der Unionsfraktion und ganz besonders, weil unser
Fraktionsvorsitzender gesagt hat: „Nehmt euch mal dieses Themas an“,
({4})
einen Zuschuss von 10 Millionen Euro für das Stiftungsvermögen und von weiteren 90 Millionen Euro in den
kommenden Haushaltsjahren - und das neben dem eigentlichen Bundeszuschuss . Mit dieser Maßnahme wollen wir die hervorragende Arbeit der Stiftung Warentest,
die ja quasi die Mutter allen Verbraucherschutzes in
Deutschland ist, stärken, und wir wollen sie vom jährlichen Bundeszuschuss unabhängiger machen .
1962 hat der damalige Bundeskanzler Konrad
Adenauer die Gründung der Stiftung Warentest gegenüber dem Bundestag angekündigt . Vor fast 51 Jahren
ist sie aus der Taufe gehoben worden . Anfangs war ihre
Arbeit nicht von Erfolg gekrönt, aber inzwischen ist sie
ein nicht mehr wegzudenkender Partner und Berater des
Verbrauchers und ein kritischer Kontrolleur des Handels
und der Produzenten . 5 500 Testreihen für 94 000 Produkte und 2 500 Dienstleistungen hat Stiftung Warentest
in den letzten 50 Jahren durchgeführt und veröffentlicht
und den mündigen Konsumenten damit wichtige Entscheidungshilfen geliefert .
({5})
Diese Arbeit zu verstetigen und die Unabhängigkeit
der Stiftung zu gewährleisten, ist Ziel der Erhöhung des
Stiftungskapitals, damit sie auch in den kommenden
Jahrzehnten erfolgreich weiter für uns alle testen kann .
Gern möchte ich an der Stelle - der Kollege Lindner
hat es vielleicht übersehen - noch auf den Titel „Forschung/Untersuchungen“ eingehen .
({6})
Das ist zwar jetzt durchaus kleinteilig . Aber Herr
Lindner hatte doch vorhin hier kritisiert, dass das Bundesministerium zum Beispiel die Frage, wie man denn
mit Daten von Verbrauchern umgeht, nicht richtig darstellt . Wir haben den Ansatz bei diesem Titel im Zuge der
Haushaltsberatungen um 50 Prozent angehoben . Das ist
vielleicht zu so später Stunde, irgendwann um zwei Uhr
im Haushaltsausschuss am Kollegen vorbeigegangen .
({7})
Wir versetzen das Ministerium damit in die Lage,
Gutachten in Auftrag zu geben, um zu schauen, wie die
Verwendung und Weitergabe von Nutzerdaten oder der
digitalen Überwachung von Versicherungsnehmern gestaltet werden muss .
({8})
Wir haben auch ein Gutachten für das Ministerium
auf den Weg gebracht, um die Frage der zivilrechtlichen
Haftung für Schäden selbstfahrender Autos zu klären . Ich
glaube, das sind wichtige juristische Fragen . Sie mögen
zwar jetzt vielleicht noch ein Stück weit in weiterer Ferne sein . Aber mit diesen Forschungsvorhaben sorgen wir
dafür, dass auf die aktuellen Herausforderungen vernünftige juristische Antworten gegeben werden .
Erlauben Sie mir, in der letzten Minute noch - etwas
abschweifend vom Einzelplan - einen lokalpatriotischen
Dank . Es gibt ja nicht so viele Berliner im Haushaltsausschuss . Deshalb übernehme ich einmal den Part . Ich
will mich ganz herzlich bedanken, dass an das Land Berlin durch den Bundeshaushalt 2016 wieder viele, viele
Millionen fließen, einerseits für die Sanierung und Neuaufstellung des Neptunbrunnens,
({9})
andererseits für die Schaffung einer Besucherterrasse auf
dem Stadtschloss .
({10})
Daneben werden in den kommenden Jahren auch
200 Millionen Euro für die Stiftung Schlösser und Gärten bereitgestellt .
Liebe Frau Kollegin Künast, Sie stammen doch auch
aus Berlin .
({11})
Ich denke, wir Berliner sollten dem Bund vielleicht auch
einmal ein ganz klein wenig dankbar dafür sein,
({12})
dass er im 25 . Jahr der Bundeshauptstadtrolle Berlins
seine Verantwortung an der Stelle wahrnimmt . Da sage
ich ein herzliches Dankeschön an die beiden Hamburger
Jungs Rüdiger Krause und Johannes Kahrs . Sie haben
Berlin an der Stelle nicht vergessen, und das finde ich
sehr gut .
Ich finde, dieser Bundeshaushalt, insbesondere der
Einzelplan des Bundesministeriums der Justiz, ist so gut,
dass auch die Opposition dem gleich zustimmen kann .
Herzlichen Dank .
({13})
Vielen Dank . - Für die Bundesregierung erhält jetzt
Bundesminister Heiko Maas das Wort .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich will gleich zum Verbraucherschutz kommen und möchte Sie an einen Artikel erinnern,
der am Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stand . Er war überschrieben mit den Worten
„Verschenkte Millionen“, und der Untertitel lautete: Der
Verbraucherschutz in Deutschland bekommt immer mehr
Geld . - Das, was ich jetzt hier zum Verbraucherschutz
gehört habe, lässt vor diesem Hintergrund wirklich nur
auf eine sehr eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit derer schließen, die das hier so gesagt haben .
Deshalb will ich noch einmal - zumindest in aller
Kürze - in Erinnerung rufen, was im Verbraucherschutz
sowohl in den letzten Haushalten als auch in diesem
Haushalt auf den Weg gebracht worden ist .
Es gibt in Deutschland nicht mehr nur einen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung . Es gibt mittlerweile auch einen
Sachverständigenrat für Verbraucherfragen . Der Finanzmarktwächter und der Marktwächter Digitale Welt haben
nicht nur ihre Arbeit aufgenommen, sondern sie arbeiten
und funktionieren hervorragend . Das wird die Architektur des Verbraucherschutzes in diesen beiden Bereichen
ganz wesentlich verändern .
({0})
Wir haben nicht nur das Kleinanlegerschutzgesetz als
Reaktion auf die Prokon-Pleite gemacht, sondern wir haben es auch geschafft, den Verbraucherschutz als Aufgabe und Ziel bei der BaFin hereinzuschreiben . Auch das
ist eine strukturelle Veränderung . Wir wissen, dass bei
den Finanzdienstleistungen der Verbraucherschutz in den
kommenden Jahren immer wichtiger werden wird .
Wir wollen - das steht unmittelbar bevor, wie ich hoffe - ein Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen
einführen, damit auch da die Rechtsdurchsetzung verbessert wird .
({1})
Wir haben die Mietpreisbremse eingeführt und das
Bestellerprinzip im Maklerrecht . Das war zwar schon
früher im Justizministerium ressortiert, aber ist doch
nichts anders als auch eine Maßnahme für Verbraucherinnen und Verbraucher .
Und wir haben, wie schon erwähnt - Herr Kauder, ich
bitte Sie, da vielleicht die Kollegen aus der Opposition
noch einmal ins Bild zu setzen -, für die Stiftung Warentest 10 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen und noch
einmal 90 Millionen im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung,
({2})
um das Stiftungskapital zu erhöhen
({3})
und damit dafür zu sorgen, dass die Arbeit in der Stiftung
Warentest auch in Zukunft, und zwar sehr eigenständig,
fortgeführt werden kann .
({4})
Wir haben also, liebe Frau Künast, nicht nur viel getan, sondern wir haben auch die Strukturen im Verbraucherschutz weiterentwickelt .
Im Übrigen wird auch dem wirtschaftlichen Verbraucherschutz - der Hinweis sei erlaubt - in diesem Haushalt mehr Geld zur Verfügung gestellt, und zwar inflationsbereinigt mehr, als er unter Rot-Grün je bekommen
hat . Ich glaube, da wird doch durchaus deutlich, wie ernst
wir den Verbraucherschutz nehmen .
({5})
Meine Damen und Herren, zur Rechtspolitik . Da komme ich nicht umhin, auch noch einmal auf die Ereignisse
zurückzukommen, die eben auch im Innenressort schon
eine große Rolle gespielt haben: Die furchtbaren Terroranschläge in Paris - in den letzten Tagen und Wochen
allerdings nicht nur in Paris, sondern auch an vielen
anderen Stellen unserer Welt - haben uns nicht nur erschüttert, sondern sie bewegen auch die Rechtspolitik .
Ich kann Ihnen sagen: Justiz und Sicherheitsbehörden
arbeiten derzeit - und nicht erst aktuell - eng zusammen
mit dem Ziel, Anschläge zu verhindern, Verdächtige zu
fassen . Dies gilt national, aber dies gilt auch international
vor allen Dingen zurzeit mit den Partnern in Frankreich
und mittlerweile auch in Belgien . Allein der Generalbundesanwalt führt im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg
in Syrien bereits 120 Ermittlungsverfahren gegen fast
200 Beschuldigte, die sogenannten Dschihadisten - Tendenz stark steigend .
Meine Damen und Herren, wir wissen gerade in solchen Situationen, dass Freiheit und Sicherheit kein Gegensatz sind, sondern zwei Seiten einer Medaille . Nur
wer sicher ist, kann auch frei und selbstbestimmt leben .
({6})
Und deshalb, meine Damen und Herren, will ich aufgrund
der Diskussionen, die es gibt, und mit Blick auf den Terror in Paris und an anderen Orten dieser Welt ganz klar
sagen: Ja, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, aber
wir müssen dort, wo es notwendig ist, überlegt handeln .
Es gibt Dinge, die wir tun sollten, und es gibt Dinge, die
wir nicht tun sollten .
Das hat zunächst einmal etwas damit zu tun, wie wir
auf das reagieren, was dort geschehen ist . Ich bin sehr
froh darüber, dass auch in der öffentlichen Debatte sehr
verantwortlich mit der Diskussion umgegangen wird .
Es geht darum, die Werte, die diese Gesellschaft zusammenhalten, auch zu bewahren, sich nicht zu Hass und zu
Angst verleiten zu lassen . Das heißt dann auch - das will
ich an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit sagen - für unsere Gesellschaft und für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft: Wir dürfen jetzt auf keinen
Fall alle Muslime unter Generalverdacht stellen . In unserer Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien werden wir nicht
nachlassen - in dem Bewusstsein, dass diese Menschen
auch Opfer sind. Sie fliehen vor dem gleichen Terror, der
in Paris gemordet hat . Auch das muss in dieser Diskussion immer wieder deutlich gemacht werden .
({7})
Meine Damen und Herren, Hass und Hetze finden
in diesem Zusammenhang in Deutschland in vielfacher
Hinsicht statt, in der Vergangenheit immer stärker auch
in den sozialen Medien . Deshalb haben wir uns vor einigen Wochen zur Aufgabe gemacht, hier zu deutlichen
Verbesserungen zu kommen . Wie Sie wissen, arbeiten
wir mit Twitter, Facebook und Google in einer Taskforce
zusammen . Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass
Face book heute bekannt gegeben hat, dass es in der Praxis seiner Plattform etwas verändern will . In Zusammenarbeit mit dem Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter hat der Konzern heute bekannt
gegeben, dass Posts, die die Androhung von physischer
Gewalt enthalten, künftig grundsätzlich als glaubhafte
Drohung eingeschätzt werden und deshalb alle von Facebook aus dem Netz entfernt werden . Eigentlich ist das
eine Selbstverständlichkeit .
({8})
Trotzdem bin in froh, dass der Druck, den wir alle gemacht haben, jetzt wirkt und sich Facebook endlich zu
dieser überfälligen Maßnahme entschlossen hat .
({9})
Es gilt, auch weiterhin keine Angst zu haben und die
Werte in einer freien Gesellschaft so zu leben, wie wir
es in der Vergangenheit gemacht haben: im ganz alltäglichen Leben, in Restaurants, in Konzerten und in Fußballstadien . Wir dürfen auch nicht der Rhetorik der Terroristen auf den Leim gehen . Lasst sie doch vom Krieg
reden, vom Kampf der Kulturen und der Religionen . Wir
wissen es besser . Es gibt keinen Krieg zwischen dem
Christentum und dem Islam, keinen Krieg zwischen Okzident und Orient . Die Terroristen morden überall - in
Paris und in Beirut -, und sie töten Muslime genauso, wie
sie Christen und Juden töten .
Diese Attentäter sind keine Soldaten, schon gar keine
Gotteskrieger, sondern sie sind nichts anderes als Mörder .
({10})
Gegen Kriminelle führen wir keinen Krieg, sondern wir
bekämpfen das Verbrechen .
Ja, auch ich bin der Auffassung, dass man mit Rufen
nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern vorsichtig
sein sollte . Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klar
entschieden, dies würde Ereignisse von katastrophischem
Ausmaß und die völlige Überforderung von Polizei und
Sicherheitsbehörden voraussetzen. Ich finde, wir sollten mit solchen Diskussionen im Moment gerade nicht
solche Signale geben, dass Ereignisse katastrophischen
Ausmaßes bevorstehen oder unsere Sicherheitsbehörden
überfordert sind . Das sind sie nicht . Wir sorgen mit diesem Haushalt dafür, dass sie das auch in Zukunft nicht
sein werden .
({11})
Wir haben in den vergangenen Monaten rechtlich vieles
auf den Weg gebracht, was eigentlich nur konsequent
angewandt werden muss . Wir sind in der internationalen
Staatengemeinschaft eines der ersten Länder gewesen,
die die UN-Resolution zu den Foreign Fighters umgesetzt hat . Wir haben die Ausreise für Leute unter Strafe
gestellt, die sich von hier aus in Gebiete begeben wollen,
in denen Terrorcamps sind, oder die sich an Kampfhandlungen des sogenannten „Islamischen Staates“ beteiligen wollen. Ich finde, das ist sehr verantwortlich; denn
es gab auch im politischen Raum Stimmen, die sagten:
Lasst sie doch ziehen, dann sind sie weg . - Nein, das
können wir nicht zulassen; denn wir wissen, dass ein
nicht unerheblicher Teil zurückkommt und dann noch
stärker radikalisiert ist, als es schon vorher der Fall war .
Erst dann werden die Dschihadisten zu einer konkreten
Gefahr . Deshalb haben wir das Strafrecht an der Stelle
bereits geändert .
({12})
Wir haben einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung eingeführt. Denn in den unterschiedlichsten Behörden ist eine wichtige Aufgabe bei der
Bekämpfung des Terrorismus in der Vergangenheit nicht
nur bei uns etwas zu kurz gekommen, nämlich die Finanzquellen trockenzulegen, die es ermöglichen, bei uns
Anschläge zu begehen . Auch das haben wir getan .
Auch das will ich gar nicht verschweigen, sondern in
aller Deutlichkeit sagen: Ja, wir haben auch das Gesetz
zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten beschlossen .
({13})
Wir alle wissen, dass dieses Gesetz kein Allheilmittel ist
und nicht jeden Anschlag verhindern kann . Aber wir haben in Frankreich auch gesehen, dass es mit den Mitteln,
die dort zur Verfügung stehen, möglich ist, Personen, die
sogenannte Resonanzstraftaten begehen könnten, sehr
schnell aufzuspüren,
({14})
sie festzusetzen und damit möglicherweise einen Anschlag zu verhindern . Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Ich bin froh, dass wir diesen Beschluss schon
gefasst haben; denn ich finde es allemal besser, über ein
so kritisches Thema nicht unter dem unmittelbaren Eindruck eines Anschlages zu diskutieren . Ich bin mir nicht
sicher, was dann in diesem Gesetz gestanden hätte .
({15})
Auch deshalb war es gut, dass wir das sehr sachlich und
rational besprochen und beschlossen haben .
Insofern sind wir, meine Damen und Herren, sowohl
auf der rechtlichen Ebene als auch, was die Ausstattung
unserer Behörden angeht, gut für das aufgestellt, was uns
noch lange beschäftigen wird und uns dort noch bevorsteht . Auch beim Generalbundesanwalt haben wir aufgrund der erhöhten Anzahl der Verfahren mit diesem und
dem letzten Haushalt dafür gesorgt, dass Mittel für fast
20 Prozent mehr Personal in Karlsruhe zur Verfügung
gestellt werden . Ich glaube, dass dieser Haushalt allen
Anforderungen, denen wir im Moment ausgesetzt sind,
in vollem Umfang gerecht wird .
Schönen Dank .
({16})
Vielen Dank . - Für die Linke spricht jetzt Harald
Petzold .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf
den Tribünen! Wenn wir über den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für
das Jahr 2016 reden, dann reden wir selbstverständlich
über viele Zahlen, über Einnahmen, über Ausgaben, über
Verpflichtungsermächtigungen - das ist eine Art Bürgschaft für Ausgaben, die in der Zukunft anfallen -, über
Kredite, über Neuverschuldung oder keine Neuverschuldung sowie über Zinsen . Ich bin der Meinung, wir sollten
in einem solchen Moment viel mehr darüber sprechen,
was die Bundesrepublik Deutschland alles tut, damit
Menschen zu ihrem Recht kommen .
({0})
Meine Kollegin Caren Lay hat hier für den Bereich des
Verbraucherschutzes schon einiges gesagt . Ich kann ihr
nur zustimmen: Die Große Koalition tut zu wenig für
Verbraucherschutz . Die Linke ist damit nicht einverstanden .
Ich bin der Meinung, wir sollten darüber hinaus auch
darüber sprechen, welche Sprache unser Recht hat . Denn
viele Menschen verstehen schon aufgrund dieser Sprache
gar nicht, was eigentlich ihr Recht ist, und kommen damit nicht zu ihrem Recht .
Wir sollten darüber sprechen, was diese Bundesrepublik dafür tut, dass sich Menschen ermutigt fühlen, von
ihrem Recht Gebrauch zu machen . Auch da passiert viel
zu wenig . Wir haben Verfahren, die Menschen offensichtlich davon abhalten, einen Rechtsstreit zu führen,
um zu ihrem Recht zu kommen . Ich kann Sie alle nur einladen, in meine Sprechstunden zu kommen . Dort würden
Sie Schicksale im Zusammenhang mit der Rechtspolitik
kennenlernen, bei denen es einem kalt über den Rücken
läuft .
Wir sollten auch darüber sprechen, was die Bundesrepublik Deutschland tun müsste, damit in der Geschichte
begangenes Unrecht aufgearbeitet wird und Menschen,
die von diesem Unrecht betroffen waren oder sind, endlich zu ihrem Recht kommen .
({1})
Um es vorwegzunehmen: Auch bei der Aufarbeitung
und Beseitigung von Unrecht und von Menschenrechtsverletzungen tut die Große Koalition, tut diese Bundesregierung eindeutig zu wenig . Damit ist meine Fraktion
absolut nicht einverstanden .
({2})
Ich will das am Beispiel der Bundesstiftung Magnus
Hirschfeld deutlich machen . Ich habe bereits in den Ausschusssitzungen darauf hingewiesen: Diese Stiftung basiert auf einem historischen Erbe, das Deutschland und
insbesondere seine Hauptstadt Berlin einmal groß gemacht hat, nämlich auf der Tätigkeit, der Forschung und
den Arbeiten des Berliner Arztes und Sexualforschers
Magnus Hirschfeld, der 1918 eine Stiftung mit seinem
Namen und 1919 das weltweit erste wissenschaftliche
Zentrum für Sexualforschung errichtet hat und dessen
Werk, dessen Forschungsergebnisse und dessen Leben
von den Nazis zerstört worden sind . Sie zertrümmerten
1933 nicht nur sein Institut, sondern sie verbrannten auch
seine Bücher und versuchten, sein Lebenswerk auszulöschen .
Sie verschärften 1933 den unsäglichen Strafrechtsparagrafen 175, der männliche Homosexualität unter Strafe
stellte, und verhafteten, kerkerten ein und ermordeten
Tausende von schwulen Männern, an die vor allen Dingen Lesben und Schwule in unserem Land alljährlich
erinnern . Leider fand das Leid der Homosexuellen auch
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kein Ende . Die
junge Bundesrepublik setzte diesen Paragrafen unverändert fort, und auch in der DDR wurde er - zwar in abgemilderter Form, aber immerhin - fortgesetzt und gesamtdeutsch erst 1994 außer Kraft gesetzt .
Dem Unrecht, das auf dem Paragrafen 175 basierte,
widmet sich die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die
im Jahr 2011 neu gegründet worden ist . Deren Arbeit
besteht nicht nur in der Aufarbeitung des Unrechts und
in der Wiedergutmachung, sondern auch darin, dass Homophobie aus unserer Gesellschaft verbannt wird . Ich
könnte eine Liste von Projekten nennen, aber ich will
exemplarisch das Projekt „Fußball für Vielfalt“ nennen,
mit dem die Stiftung maßgeblich versucht, das Klima in
unserem Land zu verändern und Homophobie zu beseitigen .
Ich kann dem Bundesjustizminister nur zustimmen,
wenn er in seinem Grußwort für den Tätigkeitsbericht 2014 der Bundesstiftung schreibt:
Die Bundesstiftung trägt mit ihrer engagierten und
vielfältigen Bildungs- und Forschungsarbeit entscheidend dazu bei, an die Diskriminierung von
Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, transund intergeschlechtlichen Menschen in der Vergangenheit zu erinnern und aktuelle Benachteiligungen
zu bekämpfen .
Aber was um alles in der Welt, Herr Justizminister,
hält Sie dann davon ab, sich wenigstens Überlegungen zu
öffnen, dass die Arbeit dieser Stiftung auf eine verlässlichere finanzielle Basis gestellt wird?
({3})
Wer die Arbeit einer solchen Stiftung von den schwankenden Erträgen des Finanzmarktes abhängig macht,
dem kann ich nur sagen: Ihm fehlt der politische Wille, die Arbeit der Stiftung auf eine verlässliche Basis zu
stellen . Damit wird sich die Linke nicht einverstanden
erklären . Wir fordern erneut die institutionelle Förderung
der Stiftung .
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit .
({4})
Vielen Dank . - Nächster Redner ist Thomas Strobl,
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Heute kommen wir zur Halbzeit dieser Legislatur zusammen . Wir können auf die Zwischenbilanz der Rechts- und
Verbraucherschutzpolitik stolz sein; denn hinter viele
Projekte, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden,
können wir inzwischen ein Häkchen machen .
Jetzt kommt es darauf an, die Marschroute für die
zweite Hälfte der Legislaturperiode festzuzurren . Und
es ist schon wahr: Diese Überlegungen stehen bei uns
allen ganz unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse von Paris . Auch nach zehn Tagen sitzt der Schock
noch tief; denn wie schon bei Anschlägen, die es zuvor
gegeben hat, wissen wir - das ist klar in unser Bewusstsein eingedrungen -: Das ist kein Anschlag gegen Paris
oder gegen Frankreich, sondern das ist ein Anschlag gegen die Art, wie wir leben, gegen unseren freiheitlichen
Rechtsstaat, gegen unsere Werte und gegen alle Menschen, die für Demokratie, für Menschenwürde und für
Menschlichkeit stehen . Dass wir in Deutschland noch
keinen solchen Anschlag beklagen mussten, ist auf die
erstklassige Arbeit unserer Sicherheitsbehörden zurückzuführen . Aber wir haben natürlich auch verdammt viel
Glück gehabt . Auf das Glück allein dürfen wir es aber
nicht ankommen lassen .
Die Dschihadisten, der IS, die selbsternannten Gotteskrieger sollten sich nicht täuschen . Wir sind ein liberales Land, wir sind ein tolerantes Land, aber wer sich mit
unserem freiheitlichen Staat anlegt, dem sagen wir klar:
Wenn ihr uns bekämpft, dann werden wir uns wehren,
dann treten wir euch mit aller Härte und mit aller Schärfe
entgegen; wir sind eine wehrhafte Demokratie .
({0})
Wir haben in dieser Legislaturperiode schon viel erreicht . Ich wiederhole das, was der Bundesjustizminister
soeben gesagt hat: Wir haben schon vor den Attentaten
von Paris das beschlossen, was für die Sicherheit unserer
Bürgerinnen und Bürger wichtig ist . Wir haben bereits
den Versuch der Ausreise in Kampfgebiete mit terroristischer Absicht unter Strafe gestellt . Damit haben wir
schon sehr früh die Möglichkeit, Ausreisen in Kriegsgebiete zu unterbinden . Aktuell werden im Übrigen viele
Ermittlungsverfahren wegen genau solcher Straftaten
geführt .
Außerdem haben wir einen eigenen Straftatbestand
der Terrorismusfinanzierung eingeführt und den Anwendungsbereich erweitert . Wir müssen den Terrorgruppen,
so gut es geht, den Geldhahn zudrehen, ihnen den finanziellen Nährboden entziehen . Nicht zuletzt haben wir
auch die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt . Die
Ermittler bei unseren Sicherheitsbehörden brauchen geeignete Instrumente, um die Täter zu fassen und gegen
Terror vorzugehen . Damit haben wir einiges auf den Weg
gebracht .
Wahr ist aber leider auch: Einen Terroranschlag kann
man auch dadurch nicht gänzlich ausschließen . Gleichwohl sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die uns
das Strafrecht bietet, wenn es darum geht, gegen terroristische Vereinigungen vorzugehen, und - ich sage es an
dieser Stelle noch einmal - wenn es darum geht, ihnen
den geistigen Nährboden zu entziehen . In meinen Augen
sind wir es auch den Opfern schuldig, unsere Instrumente
zur Bekämpfung von Terror immer wieder zu überprüfen
und, wenn es sein muss, neu zu justieren - nicht ohne
Maß und nicht ohne Plan, aber gewissenhaft, gründlich,
mit Verantwortung .
({1})
- Schön, dass Sie alle auch zu dieser etwas fortgerückten
Stunde noch wach und aufmerksam sind .
Für mich gilt: Terrorwerbung ist kein Grundrecht . Wer
für Terrorvereinigungen wie die Terrormiliz „Islamischer
Staat“ Sympathie äußert und für sie wirbt, der muss bestraft werden können .
({2})
Harald Petzold ({3})
Um potenzielle neue Anhänger gerade auch in unserem
Land anzusprechen, sind Terrororganisationen zunehmend auch auf den Plattformen Twitter, Facebook und
Instagram unterwegs . Dies gilt im Übrigen nicht nur für
islamistische Terrorgruppen, sondern in starkem Maße
auch für rechtsextreme Gruppen, die auch über das Internet Werbung für ihre kruden Positionen machen .
({4})
Die Terrorwerbung ist der geistige Nährboden für
terroristische Gewalt. Insbesondere onlineaffine junge
Männer werden so direkt und in einer wirklich furchterregenden Art und Weise angesprochen . Sympathiewerbung
für terroristische - islamistische wie rechtsextremistische - Vereinigungen ist nichts anderes als Werbung für
Terror und Gewalt . Deswegen reicht es, jedenfalls nach
meiner Auffassung, nicht aus, auf Vereins- oder Betätigungsverbote nach dem Vereinsgesetz durch den jeweiligen Innenminister zu warten . Es ist unzweifelhaft richtig,
dass das vom Innenminister im September 2014 gegen
die Terrormiliz „Islamischer Staat“ ausgesprochene vereinsrechtliche Betätigungsverbot eine Grundlage bietet das war eine völlig richtige Entscheidung des Innenministers -; die Werbung für eine solche Organisation ist
jedoch mit unserer Werteordnung so absolut unvereinbar,
dass sie auch aus sich heraus strafbar sein sollte, auch
ohne ein vereinsrechtliches Verbot . Es darf doch keinen
Unterschied machen, ob man für den „Islamischen Staat“
Werbung macht - das ist strafbar - oder für al-Qaida;
das ist nicht strafbar, weil es hier kein Betätigungsverbot gibt . Wer unseren freiheitlichen Staat bekämpft, dem
müssen wir so früh wie möglich wehrhaft entgegentreten . Dazu gehört, dass Werbung für terroristische Vereinigungen unter Strafe gestellt wird . Denn damit können
wir früh ansetzen und auch dem geistigen Nährboden,
der täglich rasend schnell über das Internet verbreitet
wird, die Grundlage entziehen .
({5})
Einen Bereich dürfen wir hierbei ebenfalls keinesfalls
aus den Augen verlieren: Je mehr Islamisten wir verhaften können, umso größer wird die Herausforderung in unseren Haftanstalten . Klar ist: Wir dürfen diese Menschen
nicht einfach nur einsperren und sich selbst überlassen .
Damit bleiben sie eine Gefahr für sich selbst und für viele
andere . Zudem besteht die Gefahr, dass sie Mithäftlinge
in ihre kruden Gedankenwelten mit hineinziehen .
Radikalisierungsprozessen müssen wir dort entgegenwirken, wo sie entstehen . Dies ist in den Haftanstalten in
starkem Maße der Fall . Hier sind natürlich die Bundesländer in erhöhtem Maße gefragt . Es liegt seit längerem
auf der Hand, dass hier sehr große Probleme auf uns zurollen . Denn irgendwann werden die Extremisten wieder
aus den Gefängnissen entlassen . Möglicherweise sind
sie dann noch mehr radikalisiert, möglicherweise ist es
ihnen gelungen, andere, die vorher gar nicht radikal waren, zu radikalisieren . Das ist natürlich eine gefährliche
Entwicklung .
Deshalb brauchen wir ein umfassendes Konzept sowohl für Prävention als auch gerade für die Arbeit mit
radikalen Islamisten in der Haft, um weitere Radikalisierung zu verhindern und Menschen zu schützen . Experten
sagen uns: Gerade in der Haft entstehen häufig salafistische Netzwerke, die später genutzt werden . Manche
Bundesländer wie etwa Hessen und Bayern haben das
frühzeitig erkannt und ein Konzept entwickelt, wie sie
damit umgehen .
Aus meiner Sicht - darum möchte ich uns alle bitten - sollten wir einen Antiterrorpakt oder eine Allianz
gegen den Terror auch im Präventions- und Deradikalisierungsbereich bilden . Herr Bundesminister Maas, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in diesem
Bereich beispielsweise eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe
einsetzen . Lassen Sie uns gemeinsam mit den Ländern
den außerordentlichen Herausforderungen des extremistischen Islamismus in unseren Gefängnissen tatkräftig
und schnell begegnen . Wir brauchen auch hier dringend
eine bessere Vernetzung, ein gesamtheitliches Konzept
und einen Austausch von gewonnenen Informationen
zwischen Bund und Ländern, etwa Informationen aus
den beiden genannten Ländern, die hier seit einiger Zeit
über Erfahrungen verfügen . Ein erster richtiger Schritt
ist hierbei sicherlich die Einrichtung einer neuen Anti-Salafismus-Koordinierungsstelle im Hause von Frau
Schwesig .
Einen Aspekt möchte ich noch anbringen, nämlich ein
Lob für unsere Polizei, für unsere Dienste und für alle,
die gerade in diesen Zeiten an vorderster Front für die
Sicherheit und die Freiheit in Deutschland stehen . Wir in
der Großen Koalition sind es unseren Polizistinnen und
Polizisten schuldig, dass wir ihren Einsatz honorieren
und ihnen zeigen: Wir stehen hinter euch . Wir wissen,
was ihr gerade in dieser Zeit jeden Tag leistet . Wir danken euch herzlich für eure Arbeit, die ihr tagein und tagaus macht .
({6})
Im Koalitionsvertrag haben wir im Übrigen noch stehen, dass wir den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften verbessern wollen .
({7})
Niemals war das nötiger als jetzt, sowohl was die Ausbildung und Ausrüstung als auch was den strafrechtlichen Schutz angeht . Wir sollten das zwingend auf unsere
To-do-Liste für die zweite Hälfte der Legislaturperiode
schreiben und schnell weiter an diesem Thema arbeiten .
({8})
Noch ein Gedanke zum Abschluss . Nach Paris und zuletzt auch Mali bin ich noch verärgerter darüber, welch
absurde Diskussionen, die jeden Bezug zur Realität
verloren haben, in unserem Land in letzter Zeit geführt
werden . Unsere Freiheit ist in allererster Linie durch den
Terror bedroht und durch nichts anderes . Bedenken der
Opposition gegen die Vorratsdatenspeicherung und ihre
Kritik an der Arbeit der Geheimdienste sind mir über
Thomas Strobl ({9})
weite Strecken gerade in dieser Zeit gänzlich unverständlich .
({10})
Wer so argumentiert, hat den Schutz der Bürgerinnen und
Bürger aus den Augen verloren . Ich jedenfalls möchte,
dass jede Bürgerin und jeder Bürger auch in diesem Jahr
ohne Angst auf einen Weihnachtsmarkt gehen kann . Dafür müssen wir unsere Sicherheitsbehörden tatsächlich
und rechtlich so ausstatten, dass sie uns schützen können .
Herr Kollege Strobl, Sie denken an die Zeit, ja?
({0})
Das ist keine Scharfmacherei, sondern eine Selbstverständlichkeit in einem freiheitlichen Land .
Abschließend: Wir werden die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger so gut, wie es nur irgendwie möglich ist, konsequent schützen und verteidigen . Die Freiheit wird den Terror am Ende des Tages besiegen .
Schönen Dank fürs Zuhören .
({0})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Renate Künast,
Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich will am Anfang auf
das eingehen, worüber auch Herr Strobl gerade geredet
hat . Heute ist ja der erste Plenartag nach den Anschlägen
in Paris und nach der Verhängung des Ausnahmezustandes dort und in Belgien . Weil ich hier gar nicht die breite Palette der Maßnahmen durchdiskutieren kann - das
ist vorhin schon in der Debatte über den Haushalt des
Innenministeriums geschehen -, will ich mit einer Bitte an Herrn Maas, den Bundesjustizminister, beginnen:
Begeben Sie sich in die Rolle, den sicherheitspolitischen
Falken in der Bundesregierung Kontra zu geben!
({0})
Es ist in Deutschland schon lange eine gute Tradition,
dass das Justizministerium die sicherheitspolitischen oder vermeintlich sicherheitspolitischen - Wünsche der
Innenpolitiker rechtsstaatlich einhegt .
({1})
Ja, Herr Strobl, ich bin schon der Meinung, dass ein Bundesjustizministerium dazu da ist . Das ist gar keine direkte Kritik am Innenministerium; vielleicht ist das auch aus
der Aufgabe heraus so gewachsen . Aber das Justizministerium muss sagen, wo die roten Linien gezogen werden
und welche Grenzen es gibt, die auch in Zeiten großer
Not nicht zu überschreiten sind .
({2})
Ich hätte mir das schon bei der Vorratsdatenspeicherung gewünscht, meine Damen und Herren . Ich würde
mir das auch nach dem Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs wünschen . Denn ich frage mich, mit
was für einem Mandat Herr Juncker und Frau Jurová eigentlich nach Washington reisen, was sie da eigentlich
wie verhandeln - außer den Leitsätzen der Gerichtsentscheidung .
({3})
Wenn Sie in die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung als Begründung gegenüber Brüssel schreiben,
man dürfe das alles nur hier speichern, weil es überall
sonst nicht sicher sei, dann müssten Sie bei den Safe-Harbor-Verhandlungen jetzt aber auch sagen: „Es wird alles
nur hier gespeichert und nicht woanders“, wenn Sie sich
nicht selber unglaubwürdig machen wollen .
({4})
Wir brauchen schon eine Leitlinie, und wir brauchen ein
solches liberales Justizministerium .
Ich hoffe, dass Sie bei der Frage: „Wird in Zukunft
zielgerichtet gehandelt, oder schaffen wir einfach einen
immer größer werdenden europäischen Datenpool und
tauschen international aus?“, stark bleiben und ein liberales Justizministerium auflegen. Das gilt auch bei der
Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Innern; dazu haben Sie, Herr Maas, sich gerade schon geäußert . Es geht
also um feste Grenzlinien des rechtsstaatlich Möglichen .
Das sage ich auch an Herrn Strobl . Herr Strobl, wir
brauchen nicht einfach mehr vom Alten und vom Gleichen . Die ganze Situation im Hinblick auf den Terrorismus hat sich verändert, Herr Strobl . Die haben ein Kalifat ausgerufen . Es gibt keine hierarchischen Strukturen,
sondern die schlagen zu, wo sie mögen . An dieser Stelle
brauchen wir eine gute Analyse, statt einfach zu sagen:
Mehr vom Alten, mehr von den alten Ideen!
({5})
Wir brauchen eine Analyse, wie die Begehungsweisen
sind, welche sinnvolle Antwort wir darauf geben können und welche Antwort auch mit Blick auf Polizei und
Staatsanwaltschaft Sinn macht .
({6})
Ich möchte nicht, dass wir gemäß der alten Idee von
Carl Schmitt quasi sagen: „Souverän ist, wer über den
Ausnahmezustand entscheidet .“ Damit hat er die Weimarer Republik damals ja quasi in den Nationalsozialismus
hineinargumentiert . Nein, ich will nicht, dass wir uns immer weiter in einen Ausnahmezustand begeben, sondern
Thomas Strobl ({7})
dass wir rational analysieren, effiziente Maßnahmen ergreifen und - das ist hier schon einmal gesagt worden wirklich gezielt für Integration und Prävention sorgen .
Ich glaube, niemand von uns hat schon die richtige
Lösung dafür, wie es geht . Was ist eigentlich die richtige
Antwort für junge Frauen und Männer, die in der Pubertät ihre Bezugsgruppe suchen, damit sie nicht nach Syrien gehen, sondern hierbleiben? Niemand hat das richtige
Werkzeug komplett in der Hand, aber wir alle haben die
Aufgabe und die Verantwortung gegenüber diesem Land,
an dieser Stelle weiter nachzudenken, etwas zu entwickeln und sie nicht alleinzulassen .
({8})
Herr Maas, ich wünsche mir aber nicht nur das, sondern ich wünsche mir auch, dass wir uns hier nicht nur
erzählen, wie viel Kleingedrucktes geschrieben wurde
und wie viele Gesetze gemacht worden sind . Das sage
ich auch zu Herrn Rohde mit „h“, wo immer das „h“ auch
stehen mag, Herr Kollege . Es geht nämlich nicht nur um
die Anzahl der Gesetze, sondern auch um die Fragen:
Was steht im Gesetz? Sind diese Gesetze praktikabel?
Manches Gesetz ist hier nachgebessert worden . Beim
Kleinanlegerschutz und anderen Dingen war der Otto
Normalverbraucher mit seinen Anlagemöglichkeiten
zum Beispiel ein bisschen an den Rand gedrängt worden .
Gleichwohl sage ich: Die BaFin hat ein Verbrauchermandat; andere Behörden bräuchten das auch, und ich sehe,
dass hier jetzt mehr Geld ausgegeben wurde . Das ist
schön, muss sich aber von Jahr zu Jahr weiterentwickeln .
Viel von diesem Geld ist jedoch in die Öffentlichkeitsarbeit und nicht in Gutachten investiert worden .
Ich will aber auch sagen, dass es Gesetze gibt, bei
denen wir noch nicht wissen, ob sie wirken . Ich denke
zum Beispiel an die sogenannte Mietpreisbremse . Ich
habe erhebliche Zweifel, ob sie wirklich funktioniert und
ob die erlassenen Rechtsverordnungen der gerichtlichen
Überprüfung standhalten und mit höherrangigem Recht
vereinbar sind - schauen Sie sich das einmal an -, weil
die Daten nicht erhoben worden sind, Herr Rohde .
Ich wünsche mir ein richtiges Engagement für die
Verbraucherinnen und Verbraucher - bei TTIP, Herr Minister, und zum Beispiel auch im Bereich Textilien . Im
Bereich Textilien geht es nicht nur um Entwicklungshilfe
und um freiwillige Regeln, sondern es müsste wirklich
europaweit für alle Verbraucher klar sein, wie diese Produkte hergestellt worden sind . Eines Tages müssen wir
zu Transparenzrichtlinien auf europäischer Ebene kommen, damit wir wissen, ob zum Beispiel die ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten wurden . Zu diesen Herausforderungen sehe ich noch gar keine Vorlage .
({9})
Lassen Sie mich zum Schluss einen Gedanken zu VW
sagen: Die Vorgänge bei VW nehmen langsam putzige
Formen an .
({10})
Wir haben einen Bundesverkehrsminister, der eine Kommission gebildet hat und in einer Art vorkonstitutioneller
Anmutung nicht einmal sagt, wer darin ist . Das ist kurios .
Daneben gibt es täglich - auch heute wieder - neue Meldungen . Ich wünsche mir einen Bundesminister für Verbraucherschutz, der jetzt, nach zwei Monaten, wirklich
die Stimme erhebt und nicht nur sagt, dass alle gleichbehandelt werden . Nein, es muss klar sein, dass VW alle
Kundinnen und Kunden so stellt, dass sie keinerlei finanzielle Nachteile erleiden .
Frau Kollegin Künast .
Mein letzter Satz . - Ein vollständiger Ausgleich der
Finanzen muss her . Sie müssen dabei an alle Kunden
denken, das heißt, nicht nur an die Kunden in den Vertragswerkstätten, sondern auch an die Kunden in den
freien Werkstätten . Bei uns mehren sich zum Beispiel die
Fragen von denen, die verschiedene Autotypen - darunter auch VWs - verkaufen .
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss .
Ja . - Diese lassen Sie alleine .
Also: Zur Stärkung des Marktteilnehmers Verbraucher
ist noch viel zu tun . Der Erfolg misst sich nicht an der
Anzahl der Gesetze, sondern daran, ob sich Ihre Gesetze
und ihr engagierter Einsatz im Alltag beweisen .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie wirklich darum, Ihre Redezeiten einzuhalten und dass jetzt
nicht bei jedem der „letzte Satz“ mindestens zwei Seiten
lang ist .
({0})
Wir sind ohnehin schon weit über unsere vereinbarte Redezeit hinaus .
Frau Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion, bitte schön .
({1})
Frau Präsidentin, das wird immer bei denen gesagt,
die von ihrer Redezeit ohnehin schon etwas streichen
müssen . - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die SPD, sind 2013 in den
Wahlkampf gezogen, um die Verbraucherpolitik als einen wesentlichen Baustein in einer gerechten und solidarischen Gesellschaftspolitik zu stärken .
In den Koalitionsverhandlungen hat sich die SPD
dann auch mit sehr wichtigen Forderungen durchgesetzt,
nämlich zum Beispiel mit dem Ausbau der Verbraucherforschung, der Einsetzung eines Sachverständigenrates
und dem Ausbau der Verbraucherzentralen durch Marktwächter für die Bereiche Finanzen und digitale Welt .
Dieser Haushalt zeigt, so finde ich, wie wichtig uns die
Verbraucherpolitik ist .
({0})
Bereits im Entwurf zum Haushalt 2016 waren für
diesen Bereich im Einzelplan 07 35,8 Millionen Euro
angesetzt . Seitdem Heiko Maas Verbraucherminister ist,
haben wir den Bereich Verbraucherpolitik im Bundeshaushalt eindrucksvoll ausgebaut. Ich finde, da kann so
mancher in der Opposition neidisch werden .
({1})
Wir schaffen mit diesem Haushalt die Voraussetzung, damit viele gute Ideen und Projekte umgesetzt werden . Sie
wollen Beispiele? Die Beispiele sind von Herrn Minister
Maas wie auch von den Kollegen schon mehrfach genannt worden . Ich spreche von den Marktwächtern, aber
auch von dem Sachverständigenrat .
Starke und unabhängige Verbraucherorganisationen auch das ist schon angesprochen worden - sind ein wichtiges Ziel unserer Verbraucherpolitik . Nachdem wir im
vergangenen Jahr die Vertretung der deutschen Verbraucherinteressen in Brüssel dauerhaft eingerichtet haben,
wird jetzt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband
in diesem Jahr mit rund 15 neuen Stellen ausgestattet .
Das ist seit seiner Gründung der größte Stellenausbau
beim vzbv . Diese Stellen sind dringend erforderlich . So
kann beispielsweise ein eigenständiges Team Energie
eingerichtet und die Rechtsdurchsetzung - auch davon
war schon die Rede - bei zweifelhaften Abmahnungen
und Klagen gegen unseriöse Anbieter verstärkt werden .
Die Stiftung Warentest erhält von uns zusätzliches Stiftungskapital: 10 Millionen Euro 2016, weitere Millionen
in den Folgejahren; auch das haben Sie schon mehrfach
gehört .
Mir ist sehr wichtig - das hatte ich bereits bei der ersten Lesung zu unserem Haushalt betont -, dass in Zeiten
starker Zuwanderung neue Projekte und Ideen vonnöten
sind, um den Start für Flüchtlinge, für Zugewanderte in
den deutschen Alltag zu erleichtern . Die Entscheidung,
500 000 Euro für Verbraucherinformationen für Flüchtlinge zusätzlich zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus die Stellenausstattung beim BMJV zu verbessern,
halte ich für sehr gut . Auch wenn diese fünf zusätzlichen
Stellen für zwei Jahre befristet eingerichtet werden, glaube ich doch, dass das ein sehr guter Start ist .
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, woran sieht
man, dass ein Sozialdemokrat Verbraucherminister ist?
An diesem Haushalt!
Vielen Dank .
({2})
Vielen Dank, Frau Kollegin . Das war jetzt vorbildlich .
({0})
Nächste Rednerin ist Elisabeth Winkelmeier-Becker,
CDU/CSU-Fraktion .
({1})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist allgemein bekannt, dass unser Haushalt der
kleinste im gesamten Haushalt ist und den höchsten Deckungsgrad aufweist . Wir haben gehört, dass er um etwa
8 Prozent gewachsen ist . All das sind zunächst einmal
sehr gute Ausgangsdaten . Ansonsten gibt es nicht so richtig viel Dynamik in diesem Haushalt .
Die 10 Millionen Euro on top für die Stiftung Warentest fallen auf . Dass die Stiftung unter dem besonderen
Schutz unseres Fraktionsvorsitzenden steht, haben wir
gehört . Ich freue mich, dass wir im Bereich Verbraucherschutz auf unseren Vorschlag hin wichtige Gutachten
durchgesetzt haben und finanzieren können: eine rechtsvergleichende Studie zum Kaufrecht in Europa, eine Studie zum Datenschutz im Bereich Produktsicherheit, ein
Gutachten zur Haftungsverantwortung bei Fahrassistenzsystemen und ein weiteres zur Bedeutung der persönlichen Daten im Zusammenhang mit Versicherungsrecht;
wirklich Themen, die für die Zukunft des Verbraucherschutzes eine Rolle spielen . Damit wird der rechtliche
Aspekt im Verbraucherschutz wieder zurück ins Ministerium gebracht . Das war der Grund, weshalb wir das
Thema Verbraucherschutz ins Justizministerium geholt
haben: Wir wollten vor allem diese Themen wieder besonders in den Blick nehmen und zur Grundlage einer
guten Verbraucherpolitik machen .
In der Rechtspolitik gibt es ansonsten wenig Spektakuläres, vom Etat für Öffentlichkeitsarbeit einmal abgesehen, der sich gegenüber dem ursprünglichen Ansatz bei
Amtsübernahme verfünffacht hat .
({0})
Daraus dürfen aber heute keine Rückschlüsse auf die
Bedeutung der Rechtspolitik gezogen werden . Vielmehr
haben wir einen anderen Politikansatz . Für uns geht es
eben nicht darum, Geld zu verteilen, sondern darum,
gute Gesetze zu machen bzw . gute Regeln auf den Weg
zu bringen und dann für die Durchsetzung die passenden
Verfahren bereitzustellen .
Die Haushaltsdebatte - die Kollegen haben es auch
gemacht - bietet eine gute Gelegenheit, einmal über den
Tellerrand der Tagespolitik hinauszuschauen . Wenn wir
den Blick auf die Rechtspolitik richten, dann ist aus meiner Sicht der Befund, dass wir sehr gute Gesetze und Regeln haben, aber häufig noch an den letzten zwei bis drei
Prozent arbeiten, um die Dinge zu optimieren . Zugleich
ist aber zu beobachten, dass Akzeptanz und Durchsetzung des Rechts häufig zu wünschen übrig lassen. Das
können Sie auf allen Ebenen erkennen, angefangen beim
Völkerrecht . Sowohl in der Ukraine als auch im Nahen
Osten ist da einiges in Unordnung geraten . Das Recht
wird nicht mehr automatisch eingehalten . Das geht bis
hin zur Ebene der Europäischen Union, wo sich viele Länder nicht mehr an Verträge und Vereinbarungen
halten und Solidarität als Einbahnstraße betrachten . Es
sind dazu auch einige Beispiele im nationalen Recht zu
nennen: wenn Abgasteste nicht mehr ordentlich durchgeführt werden oder aus gutem Grund geheim gehaltene
Beratungsunterlagen über den Haushalt veröffentlicht
werden . Wir müssen an der Akzeptanz, aber auch an der
Durchsetzung des Rechts durch den Staat arbeiten .
Es wurde schon auf das Bezug genommen, was wir
derzeit in Paris und Brüssel erleben . Wir sehen ganz
klar: Der Terrorismus zielt auf unser aller Freiheit . Das
ist nicht nur ein Thema der Innenpolitik, sondern dabei
handelt es sich auch um einen Angriff auf Grundwerte
und Grundrechte bzw . auf unseren Rechtsstaat und unser
Leben . Dem muss mit Mitteln des Rechtsstaates begegnet werden .
Sicherheit und Freiheit, die manchmal in einen Gegensatz gebracht oder als Zielkonflikt betrachtet werden,
sind tatsächlich keine Gegensätze, sondern bedingen sich
gegenseitig . Wo keine Sicherheit gegeben ist, hat man
nämlich nichts von der Freiheit, weil man sie nicht ausüben kann . Selbst derjenige, der um sich keine Angst hat,
hat aber Angst um die Menschen, für die er Verantwortung trägt und für die er sorgen muss .
Das zeigt uns noch einmal ganz deutlich, von wem die
Bedrohung ausgeht und wer für den Schutz verantwortlich ist und für ihn sorgt . Auch zeigt es noch einmal, mit
welcher Zielrichtung der Staat Ermittlungen auch im Bereich der Internetkommunikation führen muss . Da geht
es um Terrorismus und schwere Kriminalität und nicht
um ein paar Netzaktivisten, die alles immer auf sich beziehen und denken, sie seien das Ziel und das Maß der
Dinge . Nein, da müssen wir jetzt einmal ganz tapfer sein:
Es geht um etwas wirklich Ernstes, um etwas, das uns
wirklich bedroht, und nicht um irgendwelche Quisquilien .
({1})
Es ist der Staat, der die Legitimation und auch die
Aufgabe hat, seine Bürger zu schützen . Er muss dafür
eben auch das Personal und die Ausstattung sowie die
passenden Befugnisse haben . Er muss sich dabei sicher
im Rahmen der Gesetze bewegen und auch effektiv kontrolliert werden; er muss aber auch in die Lage versetzt
werden, das zu tun, was seine Aufgabe ist . Der Staat
muss mit dem Gewaltmonopol des Staates agieren und
seine Bürger schützen . Deshalb bin ich froh, dass wir das
Thema Vorratsdatenspeicherung unter Dach und Fach
haben und es jetzt nicht unter dem Eindruck der akuten
Anschläge diskutieren müssen .
Auch ist es wichtig, dass wir im Strafrecht bereits wesentliche Dinge durchgeführt haben . Wir haben die Terrorismusfinanzierung und die Ausreise in Ausbildungscamps unter Strafe gestellt . Damit sind wir schon ganz
gut gerüstet . Eine sinnvolle Ergänzung, die tatsächlich
noch fehlt, ist die Strafbarkeit der Sympathiewerbung für
Terroristen . Hier sollten wir jede Form der Sympathiewerbung unter Strafe stellen . Das würde auch das Vorgehen gegen die Hassprediger erleichtern . Man müsste dann
nicht mehr immer den Straftatbestand der Volksverhetzung - das ist eine deutlich höhere Hürde - nachweisen,
sondern es würde dann reichen, wenn im Gesamtkontext
einer Rede oder einer Schrift eine Sympathiewerbung zu
erkennen ist . Ich weiß wirklich nicht, warum wir hier die
Falschen schützen . Das müssen wir mit dem Strafrecht
angehen und entsprechende Sanktionen vorschreiben .
({2})
Ich möchte ein Thema ansprechen, an dem im Moment
keiner vorbeikommt, und dies nicht nur deshalb, weil wir
im Bereich Verbraucherschutz 500 000 Euro für diese
Zielgruppe vorgesehen haben . Es geht um die Menschen,
die als Flüchtlinge aus anderen Ländern zu uns kommen
und häufig ganz andere Erfahrungen mit ihrem Staat,
ihrem Gesellschaftssystem und ihrem Rechtssystem gemacht haben . Ich erlebe eine sehr große Bereitschaft,
Menschen in Not zu helfen und ihnen die Integration zu
ermöglichen . Ich habe in der letzten Wahlkreiswoche einige ermutigende Beispiele erlebt . Es gibt auch viele, die
die Chancen sehen, die darin für unser Land liegen .
Trotzdem kommt auch immer wieder die Sorge zur
Sprache, wie unser Rechtsstaat mit seinen Grundrechten
und Gesetzen damit umgehen und sich dabei behaupten
kann . Diese Sorge steht bei unseren Bürgern noch mehr
im Vordergrund als die Frage nach dem Geld . Letzteres
wird nur ganz selten thematisiert .
Ich bin mir sicher, dass es für viele Flüchtlinge überhaupt kein Thema ist: Sie möchten sich an die Gesetze
des Gastlandes halten und tun das auch sehr gern, weil
das ein Teil der Integration ist . Bei all denen, die mit anderen Vorstellungen kommen, müssen wir aber ganz klar
darauf bestehen, dass sie sich an unser Recht halten und
unser Rechtssystem akzeptieren . Sonst kann eine Integration nicht gelingen .
({3})
Das beginnt bei dem sogenannten Urgrundrecht der
Religionsfreiheit, wie Georg Jellinek es einst nannte, und
gilt auch für andere Freiheitsrechte und vor allem für das
Gleichheitsgrundrecht, der Gleichbehandlung von Mann
und Frau . Daraus ergeben sich auch für die Rechtspolitik
etliche Aufgaben .
Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Wie können wir
es verhindern, dass Parallelgesellschaften entstehen, in
denen eigenes Recht zur Anwendung kommt, das kein
Recht in unserem Sinne ist? Wie gehen wir damit um?
Wie schaffen wir es, dass gleiche Maßstäbe und unsere
Vorstellungen und Werte gelten? Wie gehen wir damit
um, wenn wir Burkas im Straßenbild sehen oder wenn
es dadurch zu einer offenen Missachtung von Frauen
kommt, dass man sich weigert, einer Frau die Hand zu
geben? Ich denke, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen .
({4})
Zur Durchsetzung des Rechts gehört für mich auch,
dass es bei der Entscheidung über ein Bleiberecht auch
darauf ankommen kann, ob man das Verfahren nach
Kräften unterstützt oder ob man schon mit falschen Papieren kommt und als Erstes die Behörden und Gerichte
belügt, mit denen man es hier zu tun hat .
Die Akzeptanz des Rechts setzt Durchsetzungsstärke des Staates voraus . In diesem Sinne, auf dieser Linie
werden wir uns noch einmal die StPO in einigen Punkten genauer anschauen . Wir wollen sie praxistauglicher
machen . Es kann nicht angehen, dass zum Beispiel für
das Verfahren in Hamburg zu dem Piratenüberfall auf ein
Schiff am Horn von Afrika 106 Verhandlungstage gebraucht werden und 4,5 Millionen Euro für die Kosten
aufgewendet werden müssen, während ein vergleichbarer Fall in einem französischen Gericht in einer dreiwöchigen Hauptverhandlung abgeschlossen werden kann .
Es ist nicht akzeptabel, wenn Täter aus der U-Haft
entlassen werden müssen und Verjährung eintritt, weil
die Gerichte nicht rechtzeitig dazu kommen, sich um die
Fälle zu kümmern, obwohl wir in Deutschland weltweit
die höchste Richterdichte haben . Das ist keine Frage von
zu wenig Personal, sondern das sind selbstgemachte Probleme im Verfahren . Das müssen wir angehen, mit dem
klaren Ziel, den Aufwand zu verringern und zu praktikableren Ergebnissen zu kommen .
({5})
Wir müssen die Gewinnabschöpfung verbessern . Ausreden und Vermögensverschiebungen dürfen nicht mehr
dazu führen, dass Täter in den Genuss ihres schlimmen
Tuns kommen und das Geld behalten können . Auch das
werden wir in Kürze angehen .
Dem Anliegen der Justiz und damit der Durchsetzung
des Rechts dienen auch fünf weitere Bundesrichterstellen
beim Bundesgerichtshof entsprechend der Wunschliste
der BGH-Präsidentin . Zwar wäre aus meiner Sicht die
Ausgestaltung einer der zusätzlichen Stellen als Vorsitzendenstelle und die Einrichtung eines neuen Senats ratsam gewesen; denn nur mit zusätzlichen Beisitzern wird
der Arbeitsstau auf der Vorsitzendenebene nicht weniger .
Aber das war nicht gewünscht, und dann gilt eben der
Grundsatz „ne ultra petita“ . Damit sollte die Zusatzbelastung durch die Nichtzulassungsbeschwerden aufzuarbeiten sein . Weitere Entlastungen durch Einschränkungen
des Rechtsschutzes sind da nicht mehr angezeigt .
Ich möchte unter der Überschrift „Akzeptanz des
Rechts“ noch ganz kurz auf einen weiteren Punkt eingehen .
Aber wirklich kurz, Frau Kollegin Winkelmeier-Becker .
Bei den Syndikusanwälten sind wir mit einer Rechtsprechung konfrontiert, die keine Akzeptanz gefunden
hat . Aber gerade durch die Arbeit der Syndikusanwälte
werden die Akzeptanz des Rechts und seine Durchsetzung gestärkt . Hier hakt es noch an einer Stelle . Wir wollen dafür sorgen - das ist ganz klar unsere Position -,
dass die ursprüngliche Syndikusarbeit wie bisher nicht
einer Haftungs- und einer Versicherungspflicht unterliegt .
({0})
Soweit aus dem Kreis der Betroffenen gesagt wird, dass
das sein müsse, ist klar - wenn man das hinterfragt -,
dass es um einen Wettbewerbsvorteil geht und nicht um
ungedeckte Haftungsrisiken . Da werden unrichtige Argumente vorgeschoben . Wir werden an dieser Stelle am
Ende eine gute Lösung bekommen .
({1})
Jetzt kommen Sie aber bitte zum Schluss . Sonst geht
es zulasten des Kollegen Frieser .
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
({0})
Nächster Redner ist Metin Hakverdi, SPD-Fraktion .
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Lieber Kollege
Strobl, gleich zu Ihnen, und zwar durchaus freundschaftlich und kollegial . Wir wissen, dass ein Ort der Radikalisierung die Gefängnisse sind . Wir müssen sicherlich noch
mehr tun, um straffällig gewordene junge Menschen zurückzugewinnen . Wir lassen aber die Länder dabei nicht
allein; Ihr Punkt ist absolut richtig . Noch in dieser Woche
wird es ein Treffen zwischen den Fachleuten innerhalb
des Justizministeriums geben . Mir war es wert, das Ihnen
noch mit auf den Weg zu geben . Sie haben vollkommen
recht, dass wir das nicht allein dem Ländervollzug überlassen dürfen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die zweite und dritte Lesung bietet traditionell eine gute Gelegenheit, den Menschen zu danken, die
an diesem Haushaltsentwurf mitgearbeitet haben . Einige sind heute schon genannt worden . Ich schließe mich
diesen Danksagungen an . Gestatten Sie es mir an dieser
Stelle, mich noch einmal besonders bei Dennis Rohde zu
bedanken . Vielen Dank, Dennis!
({0})
Der Einzelplan 07, der Haushalt des Justizministeriums, stellt, gemessen an der Gesamtsumme aller Bundesministerien, den kleinsten Einzeletat dar . Von den
insgesamt 316 Milliarden Euro entfällt weniger als
1 Milliarde Euro auf diese Position . Das macht die Aufgaben, die mit diesem Etat erledigt werden, nicht weniger wichtig . Auch in einem solch kleinen Etat kann man
durchaus Schwerpunkte setzen . Ein Schwerpunkt ist der
Verbraucherschutz . Zur Halbzeit dieser Legislaturperiode lassen Sie mich feststellen: Mit Heiko Maas haben wir
endlich einen Minister, der die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich stärken will . Vielen
Dank, Herr Minister!
({1})
Die Mittel für den Verbraucherschutz steigen auf
35 Millionen Euro . Seit 2014 bedeutet das einen Anstieg
von über 40 Prozent . Knapp die Hälfte der Mittel soll
in die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher fließen. Die Komplexität der Rechtsverhältnisse,
mit denen es die Menschen heute zu tun haben, hat deutlich zugenommen . Ich bin überzeugt, dass der Staat in
der Pflicht ist, die Verbraucherinnen und Verbraucher auf
dem Markt zu schützen . Wir haben mit den Marktwächtern für Digitales und Finanzen ein wichtiges und richtiges Instrument geschaffen . Das Informieren der Verbraucherinnen und Verbraucher ist ebenfalls sehr wichtig .
Für diesen Bereich Geld auszugeben, ist gut angelegtes
Geld . Der Ausbau des Verbraucherschutzes muss aber
weitergehen . Die Ausweitung des Anwendungsbereichs
des Unterlassungsklagegesetzes stellt aus meiner Sicht
einen wichtigen Baustein dar . Deshalb will ich meinen
Appell an die Kolleginnen und Kollegen von der Union
hier erneuern: Bitte geben Sie sich einen Ruck, damit wir
in diesem Punkt endlich zu einem Gesetz kommen . - Ein
weiteres wichtiges Gesetzesvorhaben stellt aus meiner
Sicht die Musterfeststellungsklage dar .
({2})
Wir haben über diese bereits gesprochen . Wir freuen uns
auf den Entwurf des Ministeriums .
({3})
Der zweite Schwerpunkt, der in diesem Etat gesetzt
wird, betrifft aus meiner Sicht die Stärkung des Rechtsstaates . Unsere höchsten Gerichte werden personell gestärkt . Am Bundesgerichtshof werden Stellen für zwei
Ermittlungsrichter bzw . -richterinnen geschaffen . Ferner
findet weiterer Personalaufwuchs bei der Bundesanwaltschaft statt . Wir stärken unsere Justizorgane für eine
wirksame Bekämpfung der Gefahren, die vom islamistischen Terrorismus und von Rechtsradikalen ausgehen . Es
ist der Rechtsstaat, der auch in Zukunft eine ausgewogene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit garantieren
muss . Unsere Antwort auf die gewachsene Bedrohung
durch Rechtsradikale und durch islamistischen Terrorismus muss deshalb lauten: mehr Rechtsstaat . Genau das
tun wir, wenn wir unsere Gerichte und Ermittlungsapparate stärken .
Die Debatte über den Justizhaushalt ist aber auch eine
gute Gelegenheit, um Anliegen hinsichtlich bevorstehender Gesetzesvorhaben anzusprechen . Mein persönliches
Anliegen ist das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ . Es geht um die Forderung, dass bei gleicher Arbeit kein Lohnunterschied zwischen Leiharbeitern und
Stammbelegschaft gemacht werden darf . Wir werden
uns dieser Aufgabe stellen müssen . Es ist unmöglich,
den Menschen in diesem Land zu erklären, warum der
Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht gelten soll .
({4})
Wir werden hier gesetzlich handeln müssen, um Gerechtigkeit herzustellen . Die Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände wettert nun gegen diese Absicht. Es finde ein Angriff auf die Tarifautonomie
statt . Liebe BDA, warum sind Sie gegen dieses Prinzip?
Warum sind Sie mit uns Sozialdemokraten nicht einer
Meinung, dass dieser Zustand ungerecht ist und deshalb
abgeschafft gehört?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns
nichts vor: Der Verweis auf die Tarifautonomie wird von
der BDA vorgeschoben, um an dieser ungerechten Praxis festzuhalten . All denen, die den Wirtschaftsstandort
Deutschland gefährdet sehen, sage ich: Unser Land ist
zur wirtschaftlichen Prosperität nicht durch Leiharbeit
gelangt .
({5})
Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt
derzeit ebenfalls nicht zwischen den Geschlechtern . Warum Frauen bei gleicher Arbeit und Leistung weniger als
ihre männlichen Kollegen verdienen, ist nicht erklärbar .
Offensichtlich ist der Arbeitsmarkt nicht in der Lage, diese Ungerechtigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen . Auch
diese Ungerechtigkeit gehört abgeschafft .
Vielen Dank .
({6})
Vielen Dank . - Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Die Debatte über einen Haushalt nach zwei Jahren ist
immer eine Zwischenbilanz; Kollege Strobl hat darauf
hingewiesen . Jetzt haben wir aber die Grenzen dieser
Zwischenbilanz über die Rechtspolitik schon sehr weit
ausgedehnt . Der letzte Beitrag, Herr Kollege, war schon
sehr weit vom Justizhaushalt entfernt . Aber auch das gehört dazu; denn das zeigt die Tragkraft und die Auswirkungen, die von der Rechtspolitik ausgehen .
Wenn es schon sonst keiner in diesem Haus tut, dann
machen wir es eben: Wir loben die Koalition dafür, was
sie alles von ihrem Koalitionsvertrag abgearbeitet hat .
Das kann sich - so möchte ich die Debatte abschließen wirklich sehen lassen . Der Koalitionsvertrag ist ein interessantes Programm . Wir sind weit über das hinausgegangen, was sich manche Vorgängerregierungen auf ihr
Panier geschrieben haben, und haben unser Programm
trotzdem geschafft . Ich glaube, das kann sich wirklich
sehen lassen .
({0})
Es wird Sie nicht wundern, dass auch ich mit dem
Thema Terror anfangen muss . Wir haben es oftmals gehört: Wir haben unsere Hausaufgaben zumindest zum
Teil erledigt . Wenn es um die Reisetätigkeit von Gefährdern geht, wenn es um die Frage der Höchstspeicherfristen geht, dann darf man allerdings auch darauf hinweisen, dass sich die Tauglichkeit unserer Instrumente beim
Kampf gegen den Terror erst noch erweisen muss . Wir
werden daran gemessen werden, ob sich diese einschneidenden Maßnahmen, die sich der Rechtsstaat nach langen Diskussionen regelrecht herauspresst, letztlich so abschleifen, dass sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr
erreichen können .
Wir haben beim Thema der Terrorismusfinanzierung
ein gutes Stück unserer Vorhaben erledigt . Wir hören
allerdings, dass im Augenblick erst um die 5 000 Euro
tatsächlich eingefroren worden sind . Auch hier geht es
also darum, dass wir bei der Frage der Vermögensabschöpfung im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung ein gutes Stück weiterkommen .
Ja, als medienaffine Politiker haben wir gelernt, dass
man bestimmte Aussagen mindestens fünfmal machen
muss, damit sie überhaupt draußen ankommen . Deshalb
sage ich: Sympathiewerbung ist und bleibt ein Dauerbrenner .
({1})
Wir haben uns ein bisschen um das Thema herumgemogelt . Jetzt kann ich als Bayer - ich bin zwar ein Franke,
aber ein Bayer - mit Stolz sagen: Das Netzwerk gegen
Salafismus, das ein Zusammenschluss vieler verschiedener Ressorts in Bayern ist, zeigt, dass es ganz wichtig ist,
bei der Frage der Werbung und der Öffentlichkeitsarbeit
anzufangen . Wir müssen deutlich machen: Wer Werbung
für eine solche Art von Krieg und für Terror macht, der
muss den Rechtsstaat spüren .
({2})
Ganz ehrlich, da ist mir keine Koalition zu fies. Wenn
Anonymus tatsächlich der Meinung ist, diese Seiten
lahmlegen zu können: Her damit; dann zeigt einmal,
was ihr könnt . Vielleicht funktioniert das tatsächlich .
Dadurch sollen ungewöhnliche Maßnahmen nicht außen
vor gelassen werden können .
Ich sage auch: Wir in diesem Haus haben einen rechtsstaatlichen Auftrag zu erfüllen . Artikel 26 des Grundgesetzes gibt uns den Auftrag - brandaktuell, obwohl aus
den Gründungstagen dieser Republik stammend -, denjenigen, der etwas unternimmt, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, denjenigen, der einen
Angriffskrieg mit vorbereitet, mit Strafe zu bedrohen .
Da hinken wir ein gutes Stück hinterher . Genau in diese
Kerbe schlägt die Aussage: Wenn wir das friedliche Zusammenleben auf dieser Welt als wichtig erachten, dann
müssen wir die, die dies von diesem Land aus gefährden,
mit Strafe bedrohen .
Thema Asylverfahren - da will ich schon ein Lob loswerden -: Natürlich unterliegt dies eigentlich der Kompetenz des Innenressorts . Natürlich tun die Innenpolitiker
alles, um in dieser Frage voranzukommen . Aber gerade
die Rechtspolitik mit der Kreativität der Juristen ist aufgefordert, da Beihilfe zu leisten und tatsächlich deutlich
zu machen, an welchen Stellen wir agieren müssen .
({3})
Das haben wir auch wirklich weidlich getan . Glaubwürdigkeit bei den Bürgern gewinnen wir nur dann, wenn
wir deutlich machen, dass die Rechtspolitik geeignet ist,
einen entscheidenden Beitrag zu leisten, wenn es um die
Frage der Asylverfahrensvereinfachung und der Asylverfahrensbeschleunigung geht .
Der Stellenaufwuchs im Justizministerium ist dazu
geeignet . Es reicht nicht, die Anzahl der Stellen im
BAMF zu erhöhen . Wir haben es schon gehört: Es geht
um die Richterstellen . Das Ganze geht hinunter bis in
die Kommunen, wo die Anzahl der Stellen dieser Herausforderung angepasst werden muss . Deswegen muss
man deutlich sagen: Es ist gut und wichtig, dass in der
Rechtspolitik findige, kreative Juristen am Werk sind, die
hier ihren Beitrag leisten können .
Ich will noch zwei Themen kurz und sachlich ansprechen, bei denen sich der ursprüngliche und der jetzt vorliegende Haushaltsentwurf etwas unterscheiden .
Ganz wichtig ist uns das Thema Onlineverträge, gerade im Lichte - ich fasse es etwas zusammen - der Fortschreibung des europäischen Kaufrechtes . Ich wiederhole: Das ist ein ganz entscheidender Punkt . Wir wissen,
dass wir beim Umgang mit digitalem Nachlass, beim
Weiterkauf von Software wirklich einiges aufholen müssen . Wir wissen, dass unser im BGB und im AGB-Recht
verankertes Regelwerk gerade in diesen Angelegenheiten
nicht unbedingt passgenau ist . Wer eine CD-Sammlung
weitergibt oder vererbt, hat keine Probleme . Aber beim
Weiterverkauf oder bei der Weitergabe von Mediatheken
wird es ganz besonders schwierig . Das passt nicht ganz
zusammen . Da sind wir sicherlich aufgerufen, noch etwas zu ändern .
Ähnliches gilt beim Urheberrecht . Da geht es nicht
nur um die Umsetzung der jetzigen Richtlinie, sondern
auch darum, die Kreativität nicht zu ersticken, den Erfindergeist nicht abzutöten, ihn nicht der Marktmacht preiszugeben und dennoch den Bedürfnissen der Informationsgesellschaft zu genügen . An der Bewältigung dieser
Herausforderung arbeiten wir schon Jahre . Die Rechtspolitik muss beweisen, dass sie in der Lage ist, dem auch
Folge zu leisten .
Insofern kann ich guten Gewissens sagen: Ja, die Arbeit dieser Koalition kann sich zur Halbzeit dieser Legislaturperiode sehen lassen . Der Haushalt des JustizMichael Frieser
ministeriums, Herr Minister, und aller anderen Ressorts
versetzt nicht nur in die Lage, eine leistungsfähige Justiz zu haben, sondern auch dazu, eine lösungsorientierte
Rechtspolitik zu betreiben . Daher wäre es angebracht,
dass nicht nur die Koalition, sondern auch andere in diesem Haus diesem Haushalt zustimmen . Aber ich gebe
mich nicht der irrigen Annahme hin, dass das Abstimmungsverhalten durch diese Debatte wesentlich geändert
wird . Zumindest die Koalition kann sehr stolz sein, und
sie kann durchaus sagen, dass dieser Justizhaushalt auf
jeden Fall in der Lage ist, für die nächsten beiden Jahre
eine tragfähige Grundlage zu schaffen .
Vielen Dank .
({4})
Vielen Dank . - Damit sind wir am Ende der Aussprache .
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung .
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen . Wer stimmt
für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/6767? Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion
und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen abgelehnt .
Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung ab . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 07 ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Opposition angenommen .
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Einzelplan 19 ist einstimmig
angenommen .
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt I .8 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Drucksachen 18/6124, 18/6125
Die Berichterstattung zu diesem Geschäftsbereich haben die Abgeordneten Swen Schulz ({0}), Anette
Hübinger, Roland Claus und Ekin Deligöz .
Zu dem Einzelplan 30 liegt ein Entschließungsantrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir
am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . - Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen, und das Wort
hat jetzt der Kollege Roland Claus, Fraktion Die Linke .
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bildung
und Forschung sind für das Parlament von zentralem Interesse; hier wird schließlich über Zukunftsthemen entschieden, und deshalb haben wir bei der Beratung dieses
Etats im Haushaltsausschuss und in anderen Ausschüssen die Einzelposten besonders gründlich überprüft . Diese Methode werden wir auch nach Beschlussfassung über
den Etat fortsetzen . Das will ich hier schon mal kundtun,
weil die Ministerin sich von uns zuweilen überkontrolliert fühlt; aber das ist nun mal unsere Aufgabe .
({0})
Frau Bundesministerin Wanka wird nachher gewiss
verkünden, wie viel mehr Geld sie zur Verfügung hat .
Ich glaube, da sagt sie nichts Falsches . Ich muss Sie aber
daran erinnern, Frau Ministerin, dass Sie die Kritik des
Bundesrechnungshofs wegen mangelnder Erfolgskontrolle in Ihrem Etat nicht schlicht und einfach aussitzen
können . Wir haben dazu in der ersten Lesung eine Reihe
von Beispielen vorgetragen . Ich will die gar nicht wiederholen; dafür ist die Liste der Kritik auch viel zu lang .
Nur ein Beispiel aus dem Bericht des Rechnungshofs will
ich bringen . Dort heißt es: Nahezu grotesk erscheint die
Tatsache, dass das Ministerium Erfolgskontrollen bei der
Projektförderung daran scheitern lässt, dass deren Ziele
nicht ausreichend definiert werden. - Das heißt, es gibt
Zuwendungen ohne Kriterien . Etwas vereinfacht heißt
es im Volksmund: Man bildet sich eine Philosophie nach
der Art: Die Karte ist richtig, nur die Gegend ist falsch . So geht es aber nicht, meine Damen und Herren .
({1})
Wir werden dieser Kritik des Hofes und der Kritik aus
der Opposition weiter nachgehen, und wir werden auch
nicht müde werden, hier eine ganze Reihe von Veränderungsvorschlägen einzubringen; dazu kommen wir dann
noch im Einzelnen .
Nun hat das Bundesministerium sich kreativerweise
ein eigenes Gutachten zur Evaluierung der Hightech-Strategie bestellt . Es wurde von einer Expertenkommission
Forschung und Innovation erstellt, die als Abkürzung den
schönen Namen EFI trägt . Man höre und staune: Diese
Expertenkommission bescheinigt dem Bundesministerium gute Arbeit .
Daran haben namhafte Professoren mitgewirkt, deren
Kompetenz ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen will .
Nur das eine ist verwunderlich: Bis auf zwei Kolleginnen
und Kollegen aus Zürich handelt es sich um Professores von Zuwendungsempfängern des Ministeriums - von
Zuwendungsempfängern! Das macht uns dann schon
stutzig, Frau Ministerin . Das lassen wir so auch nicht
durchgehen .
({2})
Zunehmend müssen wir im Haushaltsausschuss, auch
wenn es um die Verflechtung von mehreren Einzelplänen geht, recht dubiose Praktiken der Förderung durch
verschiedene Bundesministerien feststellen . Es gibt zum
Teil auch Projekte mit hohen militärischen Anteilen, die
aus mehreren Häusern gefördert werden .
Ein Beispiel: TanDEM-X soll ein dreidimensionales
Satelliten-Beobachtungssystem werden, das von einem
namhaften Flugzeugbauer und dem Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt entwickelt wurde . So weit plausibel . Das Kuriose aber ist nun: Das Bundesministerium
der Verteidigung kauft von dem Flugzeugbauer und dem
Zentrum ein Produkt, das zuvor vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Bildungs- und Forschungsministerium subventioniert wurde . Ja - muss man fragen -, geht
das noch? Das kann doch so nicht hingenommen werden .
({3})
Die Linke hat in die Haushaltsberatungen unter anderem einen Vorschlag zur Unterstützung von Fachhochschulen - ich sage einmal - in förderbedürftigen Regionen eingebracht; das klingt ein bisschen netter als „in
strukturschwachen Regionen“ . Die Fachhochschulen
bekommen natürlich von dem großen Kuchen dieses Ministeriums recht viel ab . Aber wir haben festgestellt, auch
vergleichsweise kleine Hochschulen können in solchen
strukturschwachen Regionen als Impulsgeber enorm
wichtige Aufgaben lösen .
({4})
Ich nehme nur einmal zwei Standorte . Das ist die
Hochschule in Mittweida in Sachsen, und das ist die
Hochschule in Köthen in Sachsen-Anhalt . Nun wissen
wir, dass deren Grundfinanzierung bekanntlich Sache
der Länder ist. Aber Anschubfinanzierung im Sinne von
wichtigen Zukunftsinvestitionen wäre ein interessanter
Weg . Wir werden Ihnen dazu in Kürze einen Antrag vorlegen .
Nach wie vor nicht gelöst ist das Problem der befristeten Arbeitsverträge von Akademikerinnen und Akademikern . Wir halten das nach wie vor für einen Skandal .
({5})
Es ist im Verlauf der Beratungen heute schon gefeiert
worden, dass die Zahl der geschlossenen Arbeitsverträge
noch nie so hoch war . Aber, meine Damen und Herren,
was hilft es einem 40-jährigen Forscher, wenn er in fünf
Jahren vier solcher Arbeitsverträge hat? Das ist doch
keine vernünftige Politik, um Zukunftsfähigkeit sicherzustellen .
({6})
Nun wurde auf diesen Vorwurf in der ersten Beratung
des Haushalts hier vonseiten der Koalition reagiert . Mir
wurde vorgeworfen, ich hätte quasi den Schuss nicht
gehört . Mit dem wunderbaren Konstrukt des Wissenschaftszeitvertragsänderungsgesetzes würde dieses Problem jetzt gelöst . Mit diesem Gesetz, so wie es jetzt ist,
wird das Problem zwar beschrieben, aber gelöst wird leider nichts .
({7})
- Ich habe im Moment keinen Mangel an Anhörungen;
das kann ich Ihnen versprechen, und wir kommen auch
mit den Themen hinterher .
({8})
Der Bildungszustand der Nation ist insgesamt unbefriedigend . Das hat mit dem Kooperationsverbot von
Bund und Ländern in der Bildung zu tun . Wir haben es
mit einer chronischen Unterfinanzierung der Schulbildung in den Ländern zu tun . Auch das müssten wir ändern .
Nehmen Sie unseren Vorschlag an, eine Vermögensteuer einzuführen . Das ist eine Steuer, die im Wesentlichen den Bundesländern zugutekommt . Dann könnten
wir wieder eine vernünftige Schulbildung machen . Das
wäre in dieser Republik nötig .
({9})
Vielen Dank . - Nächste Rednerin ist Anette Hübinger,
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In
politisch schwierigen und die Gesellschaft sehr fordernden Zeiten ist es uns wieder gelungen, einen Haushalt
ohne Neuverschuldung aufzustellen . Gelungen ist uns
das insbesondere, weil wir aus dem Haushaltsjahr 2015
gut 6 Milliarden Euro in das Jahr 2016 übertragen können, wodurch uns die Möglichkeit eingeräumt ist, den
gebotenen Aufgaben Rechnung zu tragen .
Seit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs sind fast
sechs Monate vergangen . In diesen Monaten - bis heute - haben sehr viele Menschen bei uns Zuflucht vor
Terror und Gewalt in ihren Ländern gesucht . Diesen und
anderen Herausforderungen Rechnung tragend, haben
wir den Haushalt 2016 im Haushaltsverfahren angepasst
und - wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist - die
Priorität für Bildung und Forschung weiter gestärkt .
({0})
Dem Ministerium für Bildung und Forschung räumen wir die notwendigen Handlungsoptionen ein, den
neuen bildungspolitischen Aufgaben gegenüber den jungen Menschen, die zu uns kommen, gerecht zu werden,
ohne dabei eine solide Gegenfinanzierung aus dem Auge
zu verlieren . In der Bereinigungssitzung hat der Haushaltsausschuss den vorgelegten Regierungsentwurf des
Einzelplans 30 mit einer Rekordsumme von 16,4 Milliarden Euro nochmals um rund 500 Millionen bei den
Programmmitteln erhöht .
({1})
Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Weichenstellung für zukünftige Generationen in einem Deutschland, das sich vor gesellschaftlichen Herausforderungen
und Veränderungen in einer globalisierten Welt nicht verstecken kann und auch nicht verstecken will .
Für die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen für
Flüchtlinge verwendet das Ministerium für Bildung und
Forschung zum einen Ausgabereste, zum anderen werden Mittel in Höhe von 27 Millionen Euro umgeschichtet
und zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt .
Das Ministerium knüpft neben Sprachkursen in der
Projektausgestaltung an Bewährtes wie zum Beispiel Potenzialanalyse, Lernbegleiter, Bildungsketten, das Programm „Kultur macht stark“ an und macht all das jungen
Flüchtlingen zugänglich .
Des Weiteren wird ein Schwerpunkt auf die berufliche Bildung von Flüchtlingen im Alter zwischen 18 und
25 Jahre gelegt . In Kooperation mit den überbetrieblichen Bildungsstätten und den Handwerkskammern soll
ein Zugang zur Ausbildung geschaffen werden .
Die akademische Ausbildung wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst
gestärkt . Wir stärken zum Beispiel die Studienberatung
und bauen die zur Verfügung stehenden Plätze in den
Studienkollegs weiter aus .
Wir würden aber unseren Aufgaben nicht gerecht,
wenn wir den Bildungs- und Forschungshaushalt nur
an den gesellschaftlich wichtigen Aufgaben der Bildung
und Ausbildung von Flüchtlingen ausrichten würden .
Vielmehr ist es erforderlich, dass wir die neuen und die
bereits vorhandenen Angebote im Bereich Bildung, die
sich an alle jungen Menschen in Deutschland richten,
miteinander verzahnen, um so zu einer besseren Integration beizutragen .
({2})
Daher fördern wir in der frühkindlichen Bildung im
MINT-Bereich die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“
mit weiteren 550 000 Euro und heben bei der Alphabetisierung den Titelansatz noch einmal um 3 Millionen Euro
an .
({3})
Ein klarer Schwerpunkt dieses Haushaltes ist die Stärkung der dualen Berufsausbildung . Das spiegelt sich in
der Förderung der beruflichen Aufstiegsförderung, die
wir um 14 Millionen Euro anheben, wider .
({4})
Damit tragen wir dem politischen Willen der Koalition
Rechnung, beim Meister-BAföG den Basisunterhaltsbeitrag, den Maßnahmebeitrag und den sogenannten Erfolgsbonus zu erhöhen, und entlasten damit zukünftige
Meister finanziell erheblich. Das ist ein klares Signal dafür, dass uns die für Deutschland so wichtigen typischen
Handwerksberufe sehr am Herzen liegen und wir Karrierewege fördern wollen .
({5})
Aber auch bei der akademischen Ausbildung haben
wir im Haushaltsverfahren nachgesteuert . Ein wichtiges
Zeichen setzen wir durch die Anhebung des Titels für
die Begabtenförderungswerke um 4,5 Millionen Euro .
Mit dieser Anhebung werden diese in die Lage versetzt,
ihre Promotionsstipendien auf das finanzielle Niveau der
Stipendien von außeruniversitären Einrichtungen anzuheben . Wir wertschätzen damit die engagierte Arbeit der
Begabtenförderungswerke wie auch das gesellschaftliche Engagement der hervorragenden Stipendiatinnen
und Stipendiaten, das Voraussetzung zur Erlangung eines
Stipendiums ist .
({6})
Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt, aber auch im Privatbereich kommen in rasantem
Tempo immer neue Möglichkeiten, aber auch Risiken
auf uns zu . Hier hat das Ministerium für Bildung und
Forschung wichtige Steuerungsfunktionen übernommen,
deren Umsetzung wir unter anderem mit neuen Personalstellen stützen . Zudem werden der Fraunhofer-Gesellschaft für die Ausbildung von IT-Sicherheitsexperten an
Fachhochschulen 6 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt .
Deutschlands Erfolge und wirtschaftliches Fortkommen sind eng verbunden mit exzellenter Forschung und
deren Vernetzung weltweit . Diese Netzwerke müssen
früh geknüpft und gepflegt werden. Ein Garant hierfür
sind der Deutsche Akademische Austauschdienst und die
von-Humboldt-Stiftungen . Daher stellen wir ihnen für
diese wichtigen Aufgaben zusätzliche Mittel zur Verfügung und stärken darüber hinaus im Bereich des europäischen Forschungsraums mit weiteren 2,5 Millionen Euro
die Stellung Deutschlands .
({7})
Die Innovationsförderung in den neuen Ländern erfährt einen Aufwuchs von 10 Millionen Euro . Diesen
Aufwuchs verknüpfen wir mit einer Weiterentwicklung
und Durchführung von Pilotmaßnahmen im Bereich
„Unternehmen Region“ zu einem deutschlandweiten
Innovationskonzept Strukturwandel. Somit profitieren
strukturschwache Regionen in ganz Deutschland - das
sage ich als Saarländerin: auch das Saarland - künftig
von den bereits gewonnenen Erkenntnissen in den neuen
Bundesländern und zugleich von dem neuen Innovationsförderungskonzept .
({8})
Besonders freut mich, dass die Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsforschung mit besonderem Augenmerk auf Produktentwicklungspartnerschaften, die der
Bekämpfung von vernachlässigten armutsassoziierten
Krankheiten dienen, gestärkt wurden .
({9})
Die Ausschreibung für eine zweite Förderrunde wurde
im Oktober eröffnet mit einer Verdoppelung der Mittel
auf circa 50 Millionen Euro über die gesamte Förderperiode . Zum anderen wurden die thematischen Einschränkungen der ersten Förderperiode aufgehoben . Deutschland geht hier einen weiteren Schritt nach vorne in der
Übernahme seiner Verantwortung für die weltweite Gesundheit .
Trotz der umfassenden Aufgabenfelder, die im Bildungs- und Forschungshaushalt gebündelt sind, und trotz
der Priorität für Bildung und Forschung leistet dieser
Bereich seinen finanziellen Beitrag zur Bewältigung der
derzeitigen großen gesellschaftlichen Herausforderungen . Die globale Minderausgabe wurde um 50 Millionen
Euro erhöht . Das heißt, im Haushaltsjahr muss dieser
Betrag erwirtschaftet werden . Unserer Meinung nach ist
das bei einer Gesamtsumme von 16,4 Milliarden Euro
verkraftbar, zumal die globale Minderausgabe im kommenden Haushalt fast 200 Millionen Euro unter der dieses Jahres liegt .
Alles in allem gehen wir im Bereich Bildung und
Forschung gut aufgestellt in das neue Jahr . Daran haben
viele mitgewirkt . Ich bedanke mich bei Ministerin Wanka, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, des Ausschusses und unserer Arbeitsgruppen, bei
meinen Kollegen und Kolleginnen Mitberichterstatter
für die gute Zusammenarbeit und natürlich besonders bei
unserem Hauptberichterstatter Swen Schulz für die gute
Koordination unserer Arbeit .
Herzlichen Dank für das Zuhören .
({10})
Vielen Dank . - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht
jetzt Ekin Deligöz .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin, dem Dank an die Berichterstatter schließe ich mich natürlich an . Es war tatsächlich ein sehr gutes und intensives Zusammenarbeiten .
Der Etat für Bildung und Forschung steigt . Aber auch
die Anforderungen an diesen Etat steigen . Mein Kollege
Roland Claus hat es bereits gesagt: Die Ausgaben in diesem Ressort sind für die Aufgaben auf dem Weg in die
Zukunft . Deshalb haben sie auch diese Bedeutung . Umso
wichtiger ist es auch, dass das Geld an der richtigen Stelle eingesetzt wird .
({0})
Frau Ministerin, ich will Ihnen in meiner Rede einige
Beispiele nennen, wo ich in Ihrem Etat Handlungsbedarf
sehe, wo das sehr deutlich wird und wo ich am Ende etwas enttäuscht bin .
Erstes Thema: Flüchtlinge . Menschen kommen momentan nach Deutschland, sie fliehen vor Krieg und Terror. Sie finden den Weg zu uns, und sie werden bleiben.
Ja, es ist eine große Herausforderung, sie zu integrieren .
Bildung bildet hier eine absolute Schlüsselfunktion .
Anhand von guten Bildungs-, Fortbildungs- und Qualifizierungsstrukturen wird es sich entscheiden, ob diese
Menschen einen Job finden, ob sie einen Platz in der Gesellschaft finden, ob sie ihre Existenz sichern können, ob
sie eine Perspektive haben, ob ihre Kinder auf der Strecke bleiben oder eine Chance bekommen . Bildung ist der
Schlüssel .
({1})
Mit Verlaub, eine Lese-App für Kinder und für Ehrenamtliche mag eine gute Sache sein . Aber sie ersetzt
keine Lehrerin, keinen Lehrer, keinen Sozialpädagogen,
keinen Erzieher .
({2})
Das ist zu wenig .
Ich hätte gern gesehen, dass Sie für eine Bildungsoffensive in diesem Land kämpfen . Das fordern wir von Ihnen: zehn Jahre lang Investitionen von 1 Milliarde Euro
jährlich in die Schulen, in die Kindergärten, in die Ausbildung von Erzieherinnen und Sozialpädagogen . Diese
Investitionen hätten dazu beigetragen, die Integration
und das Erlernen der Sprache voranzubringen . Das wäre
eine echte Investition in die Menschen .
({3})
Ich halte es in diesem Zusammenhang für falsch, dass
Sie ausgerechnet beim Hochschulpakt 13 Millionen Euro
kürzen .
({4})
Wir fordern hier 370 Millionen Euro mehr . Sie sollten
zur Kenntnis nehmen, dass es in diesem Land mehr Studierende geben wird . Es reicht auch nicht, lieber Swen,
wenn du sagst: „Das sind Ausgabenreste!“ Die Universitäten brauchen diese Mittel, weil die Zahl der Studierenden steigt . Wir sollten das Geld im System lassen und
nicht aus dem System herausnehmen .
({5})
Es ist gut - und da freuen wir uns, dass Sie auf unseren
Vorschlag eingegangen sind -, dass Sie die Mittel für den
Studenten- und Wissenschaftleraustausch beim DAAD
und bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhöhen .
Ich nenne auch die Zahl: Es werden 7 Millionen Euro
mehr sein . Das dient der Völkerverständigung . Davon
brauchen wir mehr . Wenn es um die Förderung dieser
guten Instrumente geht, werden Sie immer unsere Unterstützung haben; darauf können Sie bauen .
Kommen wir zu einem anderen Thema: Chancengerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung . Es gibt mehr
Abiturientinnen, es gibt mehr Studentinnen, es gibt mehr
Absolventinnen; aber bis zur Spitze von Forschung und
Wissenschaft wird die Zahl der Frauen immer geringer .
Es ist eben nicht so, dass es mehr Frauen an der Spitze
gibt, und deshalb fordern wir, dass die Förderlinie „Frauen an die Spitze“ fortgesetzt wird .
Das stark nachgefragte Professorinnenprogramm
muss ausgeweitet werden . Die Warteliste ist lang; aber
was fehlt, ist die Zuversicht . Das, was Sie zum Bereich
MINT sagen, das, was Sie dort unternehmen, ist zwar
gut und richtig; aber die MINT-Förderung ist nicht die
einzige Antwort auf die Herausforderung der Frauenförderung . Wir brauchen mehr Frauenförderung auch mit
Blick auf die Spitze unserer Universitäten und unserer
Wissenschaft .
({6})
Nächstes Thema: Rückbau der nuklearen Forschungsanlagen . Auch im Jahr 2016 werden mehr als 328 Millionen Euro als Forschungsmittel deklariert, aber dazu
genutzt, die Beseitigung von Altlasten bei den Forschungsanlagen zu finanzieren. Diese Kosten werden
steigen; sie werden explodieren . Weil wir das voraussehen, fordern wir Grüne: Diese Mittel müssen raus aus
Ihrem Etat . Im Moment ist die Arbeitsaufteilung so: Sie
finanzieren, aber die Verantwortung liegt beim BMF. Wir
müssen die Verantwortung und die Gestaltung bündeln,
damit das Geld verantwortlich eingesetzt und nicht verschwendet wird . Das sage übrigens nicht nur ich; das sagt
der Bundesrechnungshof . Sie sollten sich daran halten .
Das ist nämlich in Ihrem ureigenen Interesse .
({7})
Zumindest sollten Sie im Sinne der Haushaltsklarheit
und -wahrheit dem Haushaltsausschuss einmal im Jahr
einen Bericht vorlegen . Sie würden am meisten davon
profitieren, wenn Sie die Übersicht darüber bewahrten.
Nächstes Thema: Investitionen in die Klimaforschung . Wir stehen vor der UN-Klimakonferenz in Paris .
Da gibt es auch Erwartungen an Deutschland . Und was
machen Sie? Sie kürzen die Mittel im Bereich der Klimaforschung um 20 Millionen Euro . Ich weiß, warum Sie
die Mittel kürzen; ich weiß auch, wo Sie sie kürzen . Aber
ich sage Ihnen: Schiffe sind nicht das Einzige, mit dem
wir uns im Bereich der Klimaforschung beschäftigen .
Die Bandbreite ist da sehr groß . Politisch verstehe ich
dieses Signal, ehrlich gesagt, nicht . Ich halte es absolut
für einen Fehler .
({8})
Unser Auftrag sollte sein, eine führende Rolle in der Klimaforschung zu übernehmen,
({9})
in Europa und weltweit . Dafür müssen wir etwas überzeugender investieren .
Frau Ministerin, die Zusammenfassung des Haushalts
2016 lautet: kein Herz, keinen Plan, keinen Mut .
({10})
Nehmen Sie die Herausforderungen ernst; denn Ihr Themengebiet ist zu wichtig, um es so nachlässig zu behandeln .
({11})
Vielen Dank, Frau Kollegin Deligöz . - Schönen guten Abend Ihnen allen, auch den fünf Gästen auf der
Tribüne! - Der nächste Redner ist Swen Schulz für die
SPD-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren - gewissermaßen einzeln angesprochen - auf der Tribüne! Liebe Ekin
Deligöz, dass aus der Sicht der Opposition einiges zu kritisieren ist, kann ich natürlich nachvollziehen .
({0})
Aber eine Nummer kleiner hätte es auch getan . Das wäre
auch ein Stück weit glaubwürdiger gewesen;
({1})
denn dieser Regierungsentwurf für den Haushalt 2016 ist
tatsächlich gut gelungen .
({2})
Wir haben das in der ersten Lesung hier im Bundestag gebührend betont, und darum bestätigen wir auch den größten Teil des Entwurfes . Denken Sie nur an das steigende
BAföG, den Hochschulpakt 2020 für mehr Studienplätze, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt für Forschung und
Innovation, die Exzellenzinitiative für Forschung an den
Hochschulen, die Projektförderung usw . usf .
Wir haben uns vorgenommen, einige Themen genauer
anzuschauen . Das haben wir in den parlamentarischen
Beratungen auch gemacht, und nach intensiven Gesprächen, auch mit der Bundesregierung, haben wir uns auf
einige wichtige Änderungen geeinigt .
Um es in Zahlen zusammenzufassen: Wir steigern
den Haushalt für Bildung und Forschung noch einmal
um über 16 Millionen Euro - bis 2018 werden es sogar
über 100 Millionen Euro sein -, wir mobilisieren rund
55 Millionen an Ausgaberesten aus EU-Programmen bis 2018 sind es dann etwa 130 Millionen Euro -, und
wir verteilen rund 90 Millionen Euro neu und setzen damit Akzente in der Bildungs- und Forschungspolitik für
Deutschland .
({3})
Nun ist das für einen Haushälter wie mich immer so
eine Sache; denn über die fachliche Expertise verfügt
schließlich in erster Linie der Ausschuss für Bildung und
Forschung .
({4})
Wir im Haushaltsausschuss verstehen uns als Dienstleister
({5})
und erfüllen nach Kräften die Wünsche des Fachausschusses, manchmal sogar seine geheimen Wünsche, die
er gar nicht ausformuliert hat .
({6})
Was also haben wir im Haushaltsausschuss im Einzelnen beschlossen und legen es hier dem Deutschen Bundestag in Gänze vor?
Erstes Thema: Alphabetisierung . Wir wissen um die
fehlende Grundbildung von vielen Menschen in Deutschland, ganz und gar nicht nur bei Migranten . Die Alphabetisierung ist ein Schwerpunkt dieser Koalition . Wir
haben darum 3 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung
gestellt, weil Lesen, Schreiben und Rechnen Grundvoraussetzungen für Teilhabe in der Gesellschaft sind und
wir die Menschen unterstützen und stärken wollen .
({7})
Zweites Thema: Berufliche Bildung. Die ist uns genauso wichtig wie die akademische Bildung . Darum
wollen wir im nächsten Jahr nicht nur das BAföG für
Schüler und Studierende anheben, sondern auch das
Meister-BAföG .
({8})
In dem Regierungsentwurf wurden dafür bereits 11 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen, aber wir legen noch
einmal weitere 14 Millionen Euro drauf . In voller Jahreswirkung ab 2017 werden es dann insgesamt 70 Millionen
Euro mehr sein . Das ist ein starkes Bekenntnis zur beruflichen Bildung .
({9})
Drittes Thema: Akademische Bildung . Natürlich haben wir uns auch darum gekümmert . Der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhalten 7 Millionen Euro mehr, als im
Regierungsentwurf vorgesehen .
({10})
Wir haben ein klares Zeichen für die Begabtenförderung gesetzt . Die Förderwerke erhalten 4,5 Millionen
Euro zusätzlich für die Erhöhung der Promotionsförderung . Ab 2017, wenn wieder volle Jahreswirkung erzielt
wird, sind das dann sogar 13 Millionen Euro mehr . Das
ist ein großer Fortschritt für die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses .
({11})
Viertes Thema: Wissenschaft . Wir haben den Titel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“ um 10 Millionen Euro gestärkt .
({12})
Wir wollen ganz bewusst schauen, was wir aus diesem
im Osten erfolgreichen Programm in strukturschwache
Gebiete in Westdeutschland transferieren können . Das ist
ein guter und wichtiger Ansatz .
Wir haben einen Schwerpunkt bei den Geistes- und
Sozialwissenschaften gelegt mit ebenfalls 10 Millionen Euro mehr . Die zusätzlichen Mittel sehen wir vor
für die Migrations- und Integrationsforschung, für die
sogenannten kleinen Fächer, für die Friedens- und Konfliktforschung
({13})
und für die Digitalisierung . - Ich wusste, wen das freuen
wird . - Uns sind die Geistes- und Sozialwissenschaften
wichtig . Wir wissen zwar, dass die Ingenieurs- und Naturwissenschaften von großer Bedeutung sind;
({14})
aber es ist eben auch klar, dass wir die gesellschaftlichen
Probleme nur lösen können, wenn wir die Menschen und
die Gesellschaft in den Blick nehmen . Technologie alleine genügt nicht .
({15})
Wir geben den Geistes- und Sozialwissenschaften einen
ordentlichen Schub . Ich glaube, das ist eine wirklich gute
Nachricht für die Wissenschaftslandschaft insgesamt .
({16})
Wir haben noch einige weitere Veränderungen vorgenommen, auf die ich aus Zeitgründen hier nicht näher
Swen Schulz ({17})
eingehen kann; die Kollegin Hübinger hat schon einiges
dazu gesagt .
Ich möchte auf mein fünftes Thema zu sprechen kommen: Maßnahmen für Geflüchtete. Darüber haben wir
selbstverständlich schon in der ersten Lesung hier im
Deutschen Bundestag gesprochen, und auch in den parlamentarischen Haushaltsberatungen haben wir uns intensiv damit befasst . Im Ergebnis stellen wir über 100 Millionen Euro für die Bildung von Geflüchteten bereit. Dabei
handelt es sich um einen ganzen Strauß von Maßnahmen:
Alphabetisierung, kulturelle Bildung, berufliche Bildung, Übergang in den Beruf, bessere Koordination der
Bildungsangebote, Qualifizierung von Lernbegleitern,
studentische Maßnahmen, Feststellung der Studierfähigkeit, Studienkollegs und anderes mehr .
Nun wird immer wieder gesagt, dass so viel für die
Geflüchteten gemacht werde und so wenig für diejenigen, die bereits hier sind .
({18})
Das ist nicht der Fall . Denn erstens unternehmen wir zwar
erhebliche Anstrengungen für Geflüchtete; gemessen an
den Gesamtausgaben ist der Anteil aber eher gering, und
auch bei den vorgenommenen Änderungen des Haushaltsentwurfs hatten wir nicht nur Geflüchtete, sondern
die ganze Breite der Bildung und Forschung im Blick,
von der Alphabetisierung bis zur Innovationsförderung;
ich habe das schon ausgeführt . Zweitens ist es doch gerade Aufgabe der Bildungspolitik, allen Menschen, die
hier sind, gute Angebote zu machen . Denn was wäre die
Alternative? Den Geflüchteten zu sagen: „Ihr bekommt
keine Bildung“? Was wäre die Folge? Die Geflüchteten
müssten länger von der Gemeinschaft finanziert werden,
könnten keinen eigenen Beitrag leisten . Die Kinder und
ihre Eltern würden abgehängt, anstatt befähigt, sich hier
einzubringen . - Nein, das ist für uns keine Option . Diejenigen, die hier in Deutschland ankommen, müssen und
sollen ein gutes Bildungs- und Integrationsangebot bekommen - in ihrem Interesse und in unser aller Interesse .
({19})
Wir müssen ehrlicherweise dazusagen: Ob das, was
wir in den Haushaltsplan geschrieben haben, ausreicht,
werden wir im Laufe des Jahres 2016 sehen .
({20})
Gegebenenfalls müssen wir nachsteuern; aber dazu sind
wir in der Lage und auch bereit .
({21})
Bei allen Änderungen haben wir den Haushalt insgesamt im Gleichgewicht gehalten, indem wir erstens Mittel, die nicht benötigt werden, klug umgeschichtet haben .
Das betrifft das Forschungsschiff „Polarstern“, Ekin;
denn mindestens 20 Millionen Euro der im Regierungsentwurf vorgesehenen Mittel können nicht abgerufen
werden . Zweitens nutzen wir Ausgabereste aus EU-Mitteln und von der Programmpauschale des Hochschulpaktes . Das geht nicht zulasten geplanter Maßnahmen und
auch nicht zulasten Studierender, Ekin; ich erkläre dir
das gerne im Nachgang noch einmal .
({22})
- Es war nachgerade unfair und unredlich, wie du das
hier dargestellt hast; als ob wir Studienplätze kürzen
würden . Das ist nicht der Fall .
({23})
Kritik sollte sachlich vorgetragen werden, auch von der
Opposition . - Drittens haben wir die globale Minderausgabe maßvoll erhöht . Sie liegt immer noch mehr als
170 Millionen Euro unter dem Ansatz von 2015 . Viertens
haben wir über 16 Millionen Euro draufgepackt .
Abschließend will ich nicht verhehlen, dass in dieser
Koalition unterschiedliche Ideen vertreten werden .
({24})
Wir sind eben unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen, und das ist ja auch gut so .
({25})
Wir von der SPD haben noch sehr viel weitreichendere
Pläne, die wir gerne im Rahmen einer nationalen Bildungsallianz realisieren würden . Wir wollen die Aufhebung des Kooperationsverbotes und ein neues Ganztagsschulprogramm mit erheblich mehr Schulsozialarbeit,
um nur einige Stichworte zu nennen .
({26})
Aber in einer Koalition geht es gerade in den Haushaltsberatungen immer nur so weit, wie es gemeinsam geht .
Im gegebenen Rahmen haben wir einen guten Haushalt
zur Abstimmung vorgelegt .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
mich zum Abschluss als Hauptberichterstatter ganz herzlich bedanken bei meinen Mitberichterstattern, bei den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und
der gesamten Bundesregierung, bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten, des Bundestages und der Fraktionen . Es war eine sehr intensive,
sehr interessante und am Ende sehr erfolgreiche Haushaltsberatung .
Herzlichen Dank .
({27})
Swen Schulz ({28})
Vielen Dank, Swen Schulz . - Nächste Rednerin in der
Debatte: Ministerin Dr . Johanna Wanka für die Bundesregierung .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir hatten heute früh eine Pressekonferenz zu
dem Thema, das jedes Jahr einmal kommt: der OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick“ . Ich kann mich genau erinnern, was uns 2005 - damals war ich KMK-Präsidentin
und Frau Bulmahn war Bundesbildungsministerin, und
ich weiß noch, wie wir beide da saßen - ins Stammbuch geschrieben wurde und was wir uns damals an zum
Teil auch wirklich berechtigter Kritik anhören mussten .
Das war ein großer Unterschied zu dem, was heute im
OECD-Bericht steht . Im aktuellen OECD-Bericht hat unser Land wirklich hervorragende Ergebnisse . Es ist nicht
einfach, diese Standards zu halten .
Ich will nur zwei, drei Dinge nennen . Zum einen belegen wir im Tertiärbereich, also bei den höheren Qualifikationen, einen Spitzenplatz . Dabei geht es nicht nur um
Studierende, sondern auch um Meister, Erzieherinnen
etc . Beim Bereich Ingenieure, MINT haben wir jahrelang
geklagt . Jetzt kommt bei uns ein Drittel aller Absolventen im Hochschulbereich aus einem entsprechenden Studiengang . Wie ist es im OECD-Durchschnitt? Da sind es
23 Prozent . Bei uns sind es also etwa 10 Prozent mehr .
Das betrifft nicht nur die Absolventen . Auch wenn man
sich die Anfängerquoten anschaut, sieht man, dass wir
dort deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegen . Im
OECD-Durchschnitt fängt jeder Vierte in solch einem
Fach an, bei uns sind es fast 40 Prozent . Das heißt, wir
sind stabil und haben in den letzten Jahren etwas erreicht,
was für die Zukunft Deutschlands, für Industrie 4 .0 und
anderes außerordentlich wichtig ist .
({0})
Ich glaube, man muss hier gar nicht ausführen, wie
es um die Jugendarbeitslosigkeit steht . Wir sehen, wie
das in Ländern mit einem hohen Akademikeranteil ist,
in denen alle studieren wollen, zum Beispiel in Spanien .
Die Zahlen kennen Sie . Sie wissen auch, wie es bei uns
ist . Das heißt, das, was wir jahrelang nicht nur gepredigt,
sondern auch getan haben - duale Ausbildung und akademische Ausbildung -, trägt jetzt Früchte und wird auch
im Vergleich mit Ländern wie Japan und allen anderen
anerkannt und akzeptiert .
Ein Punkt, dessen Entwicklung ich selbst vor sieben oder acht Jahren nicht geglaubt hätte, betrifft die
frühkindliche Bildung . Wir wussten schon im letzten
Jahr, dass bei uns wesentlich mehr Drei- und Vierjährige in Kindereinrichtungen gehen als in den anderen
OECD-Staaten . Jetzt ist dies erstmals für die Zweijährigen erhoben worden . Die sind ja wirklich noch sehr klein .
Raten Sie einmal, wie viele Zweijährige in Deutschland
in Kindereinrichtungen gehen! Es sind 59 Prozent .
({1})
Diese Dinge haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert .
Natürlich betrifft das auch die Bildungsausgaben . Jetzt
werden Sie vielleicht morgen in der Zeitung lesen, dass
die Bildungsausgaben in Deutschland unter dem OECDSchnitt liegen . Das bezieht sich aber nur auf die Gesamtmenge, nicht auf die Ausgaben pro Schüler, pro Kitakind,
pro Person im Tertiärbereich, in der Berufsschule oder an
der Hochschule . Immer wenn es um die Personen geht,
also wie viel wir für ein Kind in der vierten Klasse ausgeben, wie viel wir für einen Studenten ausgeben, liegen
wir konsequent über dem OECD-Durchschnitt . Wir sind
da wesentlich besser, zum Teil erheblich besser . Die Zahlen für die Kinder im Elementarbereich liegen bei uns
pro Kind im Schnitt bei 9 400 Euro, Dollar; ist ja egal .
({2})
- Das ist eigentlich nicht egal, aber hier geht es ja um die
Vergleichszahlen . - Das sind 2 300 Dollar mehr als in
allen anderen Ländern; die Größenordnungen sind also
erheblich .
({3})
Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass das
natürlich Dinge sind, die Länder, Bund und Kommunen
betreffen: Schulbildung, Kitabildung . Aber wenn man
sich die Ausgaben anschaut, dann sieht man, dass es die
Milliarden sind, die der Bund in den letzten Jahren zusätzlich in das System als frisches Geld hineingegeben
hat, die den Unterschied bewirken .
({4})
Frau Deligöz, Sie sagen: Für zehn Jahre 1 Milliarde
Euro pro Jahr, dann kann man endlich etwas machen . Wir haben in dieser Großen Koalition beschlossen, auf
unbeschränkte Zeit jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro in die
Bundesländer zu geben . Das Geld muss nur eingesetzt
werden .
({5})
Ich habe bei der Einbringung des Haushalts im September die Summen genannt . Jetzt sind wir bei 16,4 Milliarden Euro . Ich habe erklärt, was mir als zentrales Thema wichtig ist: Chancen für alle, Bildungsgerechtigkeit .
Dies habe ich anhand verschiedener Themen ausgeführt .
Das will ich heute nicht wiederholen; man kann es ja
nachlesen . Nur zu einem Thema: Bezüglich der Mittel
für Alphabetisierung, Herr Schulz, bin ich froh . Denn
Anfang dieses Jahrtausends gab es Jahre, in denen die
Mittel für Alphabetisierung weniger als 100 000 Euro in
einem ganzen Jahr betrugen . Jetzt stellen wir über zehn
Jahre 180 Millionen Euro zur Verfügung und 3 Millionen
Euro mehr im nächsten Jahr . Auch das ist okay .
({6})
Was wir aber brauchen, ist, dass andere mitziehen,
dass die Länder mitziehen und nicht nur der Bund hier
180 Millionen Euro investiert .
({7})
Frau Dr . Wanka, erlauben Sie eine Zwischenfrage
oder -bemerkung?
Nein, ich würde gern erst einmal meine Rede zu Ende
halten .
Alles klar, gut .
Was wir brauchen, ist ein verbesserter Übergang von
der Schule in den Beruf, auch wenn die OECD heute
mitgeteilt hat, dass er in Deutschland bereits exzellent
ist . Wir haben eine individuelle und eine präventive
Bildungsberatung, weil wir noch längst nicht zufrieden
sind . Das haben wir - so viel zum Thema Gerechtigkeit auch gegenüber den Bundesländern als Grund angegeben, warum wir dafür Geld zur Verfügung stellen . Wir
wollen nämlich, dass Bildungsberatung auch an Gymnasien erfolgt . Die ersten Verträge - mit Hessen und mit
Hamburg - sind fertig; sie liegen bereits auf dem Tisch .
Alle anderen Länder reden darüber . Das ist ein wichtiger Schritt, der uns in Deutschland bei der Lösung des
Matching-Problems langfristig enorm helfen wird .
({0})
Diese Maßnahme wird auch den jungen Flüchtlingen
zugutekommen . Sie können diese etablierten Instrumente nutzen . Wenn sie in die Schule gehen, erhalten sie ganz
automatisch eine Bildungsberatung . Wir wollen mit den
20 Millionen Euro - ich bin sehr dankbar, dass sie draufgelegt werden, und zwar den Plafond erhöhend - im Rahmen eines Programms zielgenau mehrere Maßnahmen
ergreifen, die dazu führen sollen, dass junge Flüchtlinge
wirklich eine Chance in Deutschland haben .
Es geht uns aber nicht nur um die jungen Flüchtlinge,
sondern auch um schwer vermittelbare Jugendliche, die
bereits hier leben . Außerdem wollen wir die Wirtschaft,
vor allen Dingen die kleinen und kleinsten Betriebe, die
in den letzten Jahren nie die Chance hatten, Lehrlinge zu
bekommen, entlasten . Das, glaube ich, ist wegweisend
dafür, wie man sinnvoll vorgeht . Es geht nicht nur darum,
zu sagen: Wir brauchen die oder die Summen . - Allerdings sind die Summen, die wir für den Flüchtlingsbereich ausgeben - Herr Schulz hat das dankenswerterweise gesagt -, wirklich beachtlich . Dieses Thema haben wir
sofort aufgegriffen und im Haushalt eindeutige Prioritäten gesetzt .
({1})
Ich möchte jetzt nicht alle Aspekte im Zusammenhang mit Bildungsgerechtigkeit im Einzelnen deklinieren . Dazu gehören zum Beispiel BAföG, Anerkennungsgesetz, Deutschlandstipendium und Begabtenförderung .
Manches davon wurde schon angesprochen .
Zum Hochschulpakt . Frau Deligöz, Sie sprachen die
13 Millionen Euro an . Sie wissen es aber besser . In den
Hochschulpakt fließen jetzt 370 Millionen Euro mehr.
Auch die genannten 13 Millionen Euro stehen zur Verfügung . Wie viel Geld haben Sie denn in Ihrer Regierungszeit für mehr Studienplätze ausgegeben? 0 Euro! Und
dann gehen Sie so mit Millionen um!
({2})
Ich möchte heute etwas zur Forschungsförderung sagen - das Thema Bildungsgerechtigkeit hatten wir schon;
jetzt geht es also um die Forschungsförderung -: Es gibt
die EFI, Herr Claus . Das ist die Expertenkommission
Forschung und Innovation . Dieser Bundestag hat beschlossen, dass es eine solche Kommission geben und
diese jährlich begutachten soll: Wie ist die Situation in
Deutschland insgesamt?
({3})
Schwerpunkt war in diesem Jahr die Hightech-Strategie .
Natürlich werden viele Punkte evaluiert, nicht nur
von der EFI . Im Bereich der Landwirtschaft kann man
vielleicht sagen: Es geht um die und die Hektarerträge . Evaluation im Forschungsbereich heißt aber, dass man
eben nicht vorher sagt: Ihr müsst das und das herausbekommen . - Wenn wir hier keine Freiheit zulassen, dann
sind wir die Allerletzten . Wenn wir in einem bestimmten
Themenbereich Forschungsförderung betreiben, dann
dürfen wir das Ergebnis nicht vorwegnehmen . Wir müssen die Ziele nennen, also sagen, was wir wollen, und
wir müssen einkalkulieren, dass es auch einmal einen
Misserfolg geben kann; das ist völlig klar . Ich glaube, es
gibt kein Ressort, das so viele Evaluationen durch Dritte,
durch internationale Wissenschaftler durchführen lässt,
wie das in unserem Bereich der Fall ist . Auch der Bundesrechnungshof sieht das zum Teil so .
({4})
Zur Klimaforschung . Wir kürzen in diesem Bereich
0 Euro, also überhaupt nicht . Beim Schiff „Polarstern“
verzögert sich die Planung; das betrifft die 20 Millionen
Euro im Investitionsteil . Ich will jetzt nicht wieder auf
Ihrer Regierungszeit herumhacken .
({5})
Aber ich glaube, im Hinblick auf den Klimaschutz bzw .
für das, was wir im Pazifik und andernorts erforschen, ist
es ganz zentral, die Forschungsflotte zu erneuern.
({6})
Kein Wort wird über die Kopernikus-Projekte verloren . Diese Initiative ist auf zehn Jahre angelegt . Es geht
dabei um Energieforschung in vier großen Themenbereichen, mit klarer Prioritätensetzung und mit einem
Volumen von Hunderten von Millionen Euro . Das ist
natürlich auch Klimaforschung . Sie können Erneuerbare
hoch- und runterdeklinieren . Aber keiner weiß, wie ein
Energienetz in Deutschland aussehen kann, wenn 80 Prozent der Energie aus Erneuerbaren kommen . Dafür brauchen wir Forschung, und wir haben sie angestoßen . Das
ist perspektivisch ganz entscheidend, und dafür wollen
wir auch einmal gelobt werden .
({7})
Letzte Woche fand der IT-Gipfel statt . Zentrales Thema
war natürlich die Cybersicherheit, also die Sicherheit im
Netz, die Sicherheit vor Angriffen . Die drei Kompetenzzentren zur IT-Sicherheitsforschung in Darmstadt, Saarbrücken und Karlsruhe, die vom Bund initiiert wurden,
sind gerade international evaluiert worden, Frau Deligöz .
Sie sind im EU-Bereich, also international, ausgezeichnet worden und so gut, dass wir sagen konnten: Das wird
in den nächsten Jahren fortgesetzt . - Die in den Haushalt
dafür eingestellte Summe wird nicht nur verdoppelt . Fast
40 Millionen Euro stellen wir jetzt für diesen Bereich zur
Verfügung . Danach können wir entscheiden, ob wir gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes handeln oder anders
vorgehen und das langfristig machen .
Die Software zum Beispiel, die in Darmstadt entwickelt wird, bietet Lösungen, die auf der ganzen Welt von
Interesse sind . Ich denke zum Beispiel an die Beseitigung
von Trojanern oder anderen Viren auf Smartphones . Hier
gibt es handfeste Lösungen, die sofort zur Verfügung stehen .
Ich komme zu Industrie 4 .0 . Ich glaube, dass unser
Ressort hier der Treiber ist .
({8})
Wir konzentrieren uns dabei keinesfalls nur auf die technologische Forschung . Diese gibt es aber natürlich . Ich
denke zum Beispiel an die Interaktion von Mensch und
Maschine . Dieses und andere Themen werden bearbeitet,
aber es muss auch um Maßnahmen gehen, die sehr stark
am Mittelstand orientiert sind .
Das Wirtschaftsministerium hat jetzt fünf Mittelstand-4 .0-Kompetenzzentren gestartet . Wir möchten,
dass die Mittelständler, wenn sie eine Idee haben und
sich trauen, diese auch umzusetzen, keine Investitionen
in ihre eigene Firma realisieren müssen, sondern die
Möglichkeit haben, das, was sie sich vorstellen, an vorhandenen Testplätzen zu testen .
Deswegen haben wir ein neues Programm gestartet .
Wir geben dem Mittelständler Geld, und er kann entscheiden, wo er seine Innovation testen lassen will - bei
einer Forschungsinstitution, bei einem Fraunhofer-Institut, bei Siemens, Bosch oder woanders -, um Innovationen in der Breite anzuregen und die Schwellenangst zu
nehmen . Das muss uns in Deutschland gelingen .
Ich glaube, Industrie 4 .0, also „Ergebnisse auf den
Hallenboden bringen“, „Arbeitswelt von morgen“ usw .,
das sind Zukunftsthemen . Das ist das, was unser Land
braucht, was unser Land ausmacht .
({9})
Ein letzter Punkt aus dem breiten Förderstrauß, den
wir in diesem Ministerium verantworten, ist das Förderkonzept Medizininformatik . Auf der einen Seite haben
wir riesige Datenmengen in der Krankenversorgung, auf
der anderen Seite gibt es Forschungsprojekte . Die Daten
kommen aber nicht zusammen . Dieses Förderkonzept
Medizininformatik, das erst einmal mit 100 Millionen
Euro ausgestattet wurde, orientiert sich sehr stark an den
Unikliniken, die aber andere mit ins Boot nehmen . Hier
sind Versorgung und Forschung ja sozusagen in einer
Hand . Durch dieses Konzept besteht die Möglichkeit,
wirklich wichtige Erkenntnisse für die einzelnen Patienten zu gewinnen .
Der nächste Schritt wäre dann natürlich, dass man
es, wenn es funktioniert - eine Voraussetzung dafür ist
die Vergleichbarkeit der einzelnen Datensysteme -, auf
das gesamte Bundesgebiet ausweitet . Das ist nicht mit
100 Millionen Euro zu bewältigen und dann auch keine
Aufgabe, die dieses Ressort alleine zu bewältigen hat,
sondern hier müssen die Krankenversorger und andere
mitziehen .
Ich habe es selten erlebt, dass Forscher mit einem
Konzept sehr zufrieden sind - sie haben immer noch
Wünsche -, aber hier wurde unisono von allen, die ich
im Medizin- und im Hightechbereich kenne - und ich
kenne eine Menge -, gesagt: Das ist ein Programm, das
punktgenau gebraucht wird . Die Idee dazu wurde gerade auch auf Drängen unserer Fraktion geboren, und die
Entwicklung dieses Konzepts war auch die Leistung der
Mitarbeiter meines Hauses .
Ich glaube, wir können aufgrund all dieser Punkte sagen, dass es uns nicht nur mit den Haushalten der letzten
Jahre, sondern auch mit diesem Haushalt gelungen ist,
im Bereich Bildung und Forschung Zeichen zu setzen .
Damit haben wir ein Fundament für das gesellschaftliche und soziale Miteinander in diesem Land und auch für
sozialen Wohlstand gelegt, sodass wir auch in der Lage
sind, Flüchtlinge gut aufzunehmen und zu versorgen . Mit
dem Haushalt des BMBF geben wir für diesen Aufgabenbereich ehrliche und sehr tragfähige Antworten .
Danke schön .
({10})
Vielen Dank, Dr . Wanka . - Nächster Redner in der
Debatte: Ralph Lenkert für die Linke .
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die positiven Mittelsteigerungen im
Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung
wurden bereits umfassend gewürdigt . Mehr Geld für
Bildung, Hochschulen und Forschung ist auch zwingend
notwendig .
Wir kennen doch die Realität in Deutschland: Schulgebäude sind so mies wie die Kommunalhaushalte,
Hochschulen sind überfüllt, und deren Ausstattung hängt
von Drittmitteln oder dem Glück bei Exzellenzinitiativen
ab .
({0})
Junge Wissenschaftler und Forscher müssen sich wegen
der mangelhaften Grundfinanzierung unserer Hochschulen
({1})
und aufgrund der fehlenden Stellen in Stellenplänen dem
Befristungswahnsinn nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz unterwerfen .
Im Grundgesetz werden vergleichbare Lebensverhältnisse in der gesamten Republik gefordert, auch in der
Bildung .
({2})
Aber die Ausstattung der Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen hängt an Landeshaushalten
({3})
oder an der Finanzkraft der Kommunen . Was kann ein
Student für seine Herkunft, was kann ein Kind für seinen
Wohnort? Nichts . Aber an Herkunft und Wohnort hängen die Bildungschancen und hängt die Zukunft eines
Kindes . Ihre Exzellenzinitiativen verschärfen die Unterschiede zwischen armen und reichen Bundesländern . Das
ist grundgesetzwidrig .
({4})
Freilich ist in diesem Haushalt für die Hochschulen
mehr Geld vorgesehen . Reicht jedoch Ihr Ansatz aus?
Leider nein . Die Studentenzahlen wachsen schneller als
die Mittel für die Hochschulen . Die Mittel je Student sinken mit diesem Haushalt erneut . Das ist falsch .
({5})
Das Verhältnis von Professorinnen und Professoren zu
Studentinnen und Studenten sackt in den Keller .
Die Hochschulen ersetzen festangestellte Dozenten
durch Lehrbeauftragte, die nur 500 Euro pro Lehrveranstaltung im Semester erhalten .
({6})
Ein Lehrbeauftragter, der sechs Veranstaltungen inklusive Vor- und Nachbereitung schafft, ist echt spitze und
bekommt dafür 3 000 Euro - im Halbjahr .
({7})
Das ist Hartz-IV-Niveau . Diese Zustände sind menschengemacht und kein Naturgesetz . Also nehmen Sie die zusätzlich eingestellten Mittel in Höhe von 1,7 Milliarden
Euro für den Hochschulpakt in die Hand: für zusätzliche
Dauerstellen in Lehre und Forschung, für bessere materielle Ausstattung und für eine bessere Grundfinanzierung
an den Hochschulen .
({8})
Zu erfolgreichen Abschlüssen braucht es auch eine
materielle Mindestabsicherung für Auszubildende und
Studierende . Gerade für Kinder aus einkommensschwachen Familien bestehen in diesem Bereich riesige Hürden . Viele Abiturientinnen und Abiturienten verzichten
wegen des akuten Geldbedarfs ihrer Familien auf ein
Studium oder können die Zusatzkosten einfach nicht
aufbringen . Ein Fünftel der Studienabbrüche beruht auf
Problemen mit der Finanzierung . Ohne Ausbildung, ohne
Studium sieht die Zukunft junger Menschen schlecht aus .
Die entscheidenden Rohstoffe unseres Landes sind
Wissen und Bildung . So wie man im Bergbau in beste
Anlagen investiert, so müssen wir in beste Bildung investieren .
({9})
Gehen wir es an und investieren weitere 5,4 Milliarden
Euro in unsere Jugend, in ein echtes BAföG-Programm
und in ein Sonderprogramm Ausbildung . Natürlich
braucht es dafür Mehreinnahmen beim Bund . Höhere
Spitzensteuersätze, Wiedereinführung der Vermögensteuer,
({10})
Einführung der Finanztransaktionsteuer und eine höhere Körperschaftsteuer auf Helmut-Kohl-Niveau schaffen
die finanziellen Spielräume.
({11})
Übrigens finden sich auch in Ihrem Haushaltsentwurf
Potenziale zur Umschichtung .
({12})
48 Millionen Euro planen Sie für das Deutschlandstipendium ein . Fast ein Viertel des Geldes geht für die Bürokratie drauf . Lassen Sie das Deutschlandstipendium
auslaufen, und stecken Sie das Geld lieber in das BAföG!
({13})
Oder warum zahlen Sie 73 Millionen Euro für die Erforschung der Auswirkungen der umstrittenen Fracking-Technologie? Fracking ist politisch tot und ein
Irrweg für die Umwelt .
({14})
Lenken Sie das Geld zur Unterstützung der Hochschulen
in strukturschwachen Regionen um .
({15})
Im Haushalt 2016 stecken erneut Risiken für Bildung
und Forschung . Im Bildungsetat sind über 250 Millionen Euro als globale Minderausgabe vorgesehen . Diese
Millionen haben also einen Sperrvermerk . Bei den Sperrungen der letzten Jahre waren die Klimaforschung, die
Projektverbundforschung von Fachhochschulen mit Forschungseinrichtungen und die Ausbildung besonders hart
betroffen . Wiederholen Sie diesen Fehler nicht!
({16})
Wer im Bildungs- und Forschungshaushalt spart, ist wie
ein Bauer, der minderwertiges Saatgut einsetzt . Er freut
sich über das eingesparte Geld bis zur Ernte, die dann
mager ausfällt .
Lassen Sie uns mehr für die Bildung investieren, wie
es die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen macht,
({17})
welche für Thüringer Schulen, Berufsschulen und Hochschulen 2016 190 Millionen Euro mehr einsetzt als die
unionsgeführte Vorgängerregierung 2014 .
({18})
Von der Wichtigkeit von Bildung und Forschung wurde hier genug geredet . Handeln Sie endlich! Geben Sie
zusätzliche Milliarden Euro für Bildung und Forschung!
Dann bekommt die Koalition sogar unsere Zustimmung .
({19})
Vielen Dank, Kollege Lenkert . - Nächster Redner ist
Dr . Ernst Dieter Rossmann für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Lenkert, es ist manchmal nicht so gut, wenn man
sowohl bei der ersten wie bei der zweiten Lesung spricht .
Ich lasse Sie heute einfach einmal links liegen
({0})
und wende mich dem zu, was wir in der Großen Koalition zusammen erarbeitet haben und was nicht nur eine
Vorgeschichte im Ministerium, sondern auch im Haushaltsausschuss hat .
Ich danke dem Ministerium und den Mitgliedern des
Haushaltsausschusses, dass sie diesen Haushalt noch
so verfeinert bzw . weiter optimiert haben . Wir haben ja
als Koalitionsfraktionen einen ersten Aufschlag im Parlament gemacht . Mit dem haben wir uns nicht umsonst
der beruflichen Bildung und der Gleichwertigkeit von
beruflicher und akademischer Bildung gewidmet. Wenn
das ernst gemeint war, müsste es eigentlich durch jedes
Haushaltsjahr hindurch tragen .
Ich will dieses Ziel noch einmal in folgenden Zusammenhang stellen: Natürlich entspricht es unserer Gesamtphilosophie, wenn sowohl die Unterstützung der High
Potentials im akademischen Bereich im Rahmen des
Promotionsstipendiums als auch die Unterstützung der
High Potentials im beruflichen Bereich im Rahmen des
Meister-BAföG verstärkt werden .
({1})
Diese Gleichgewichtigkeit macht immer eine Erzählung aus, nämlich die Erzählung, dass wir auch weiterdenken müssen und wir uns fragen müssen, was denn
daraus folgt, wenn wir hervorragende Promovierende
haben, die sich ohne materielle Sorgen noch mehr auf
den Gegenstand von Wissenschaft konzentrieren können .
Damit münden wir in ein Zehn-Jahres-Programm ein, das
dem wissenschaftlichen Nachwuchs gewidmet ist - mit
all den Wirkungen, die sich dann hoffentlich auch noch
im Hinblick auf eine Qualifizierung an den Hochschulen
ergeben werden . Denn, Frau Ministerin, auch wenn uns
die OECD bestätigt hat, dass manches gut ist: Die Verringerung der Abbruchquoten an den Hochschulen ist natürlich eine gemeinsame Aufgabe . Sie sollten zumindest
nicht so hoch bleiben . Es sollte da eine Angleichung an
das Niveau der Abschlussquoten in der beruflichen Bildung geben .
Ich will, dass wir unsere Anstrengungen fortsetzen .
Deshalb fördern wir die Aufstiegsfortbildung für die
170 000 Betroffenen, die sich jetzt darin befinden. Leider sind das in der Mehrzahl keine Handwerksmeister,
sondern Techniker und Fachwirte . Wenn wir aber auch
noch in höherem Maße die Handwerksmeister gewinnen
könnten, würden wir auch dort eine zukunftsweisende
Linie aufzeigen; denn es ist absehbar, dass 200 000 Betriebsnachfolger im handwerklichen Mittelstand gesucht
werden. Ohne eine qualifizierte Ausbildung verlieren wir
dort das Potenzial, aus dem dann wieder Lehrstellen - ich
denke dabei an die duale Ausbildung sowie auch an die
Qualifizierung im beruflichen Bereich - mit erwachsen
können .
({2})
Die Erzählung soll also sein, dass in geschickter Weise an
wichtigen strategischen Punkten so angesetzt wird, dass
es eine nachhaltige Wirkung gibt .
Um auf ein zweites Thema einzugehen: Wir brauchen
diese nachhaltige Wirkung auch, wenn wir verstärkt die
große Chance - das ist eine Chance und keine Bedrohung - nutzen wollen, diejenigen, die zu uns geflohen
sind - Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene -, über unser Bildungssystem als gute deutsche
Staatsbürger in die Gesellschaft und in die Wirtschaft zu
integrieren . Dieses setzt aber auch entsprechende Bildungsinvestitionen voraus .
Auch dazu kann wiederum gesagt werden, dass es
hier eine Gleichgewichtigkeit geben muss . Schauen Sie
auf die Veränderungen, die es im Haushalt gibt . Sie sehen dann, dass im Bereich der beruflichen Bildung von
Potenzialanalysen bis KAUSA rund 20 Millionen Euro
draufgepackt wurden . Bei der akademischen Bildung
sieht es genauso aus . Es wurden an der Stelle auch wichtige strategische Entscheidungen mit vorbereitet .
Frau Deligöz, ich muss jetzt auf Ihre Ausführungen
noch einmal eingehen . Man kann ja viel kritisieren . Aber
es ist doch gut, dass jetzt 13 Millionen Euro von den
2,5 Milliarden Euro, die für den Hochschulpakt vorgesehen sind, umgeschichtet worden sind; denn die DFG
konnte nicht genügend Projekte an den Hochschulen
platzieren, sodass dort die zweite Säule des Hochschulpaktes, die Forschungspauschale, nicht gegriffen hat . Insofern ist es doch erst einmal gut, wenn Haushälter das
merken . Und zum Zweiten ist es gut, wenn das übrig gebliebene Geld in ganz präzise funktionierende Projekte
übertragen wird . Natürlich war dies das Beste, was gemacht werden konnte . Mit dem Geld in gleicher Höhe,
ungefähr 15 Millionen Euro, wurde ein Projekt beim
DAAD - ich nenne das Stichwort „Humboldt“ - entsprechend verstärkt . Was haben Sie da eigentlich zu kritisieren? Das ist doch wunderbar .
({3})
Es ist doch wunderbar, dass diese 13 Millionen Euro aus
den 2,5 Milliarden Euro für den Hochschulpakt zielgerichtet eingesetzt wurden .
Ich könnte noch etwas anderes anführen . Auch die
Frau Ministerin hat schon an anderer Stelle mit angesprochen, dass es eine großartige Bewegung an den Hochschulen ist, wenn sich Studierende für Studenten, die zu
uns geflohen sind, einsetzen. Auch das findet sich in den
Haushaltsanträgen wieder . Es sind 4 Millionen Euro für
Refugee-Unterstützung an den Hochschulen vorgesehen .
Ich meine, dass wir eine Integrationserzählung brauchen . Wir brauchen eine Integrationserzählung, die besagt: Wenn wir wirklich eine Bildungsrepublik sind, gibt
es jetzt auch die Chance, das aktive Engagement vieler
Bürger in der Bildungsförderung im Hinblick auf die Zuwendung für Zugewanderte ehrenamtlich aufzunehmen,
({4})
indem Bildung nicht an Profis delegiert wird, sondern indem sich diese Bürger selber bemühen und sich zu in der
Bildungsintegration engagierten Persönlichkeiten entwickeln . Auch dies nimmt das Ministerium mit auf, indem
dort ehrenamtliche Helfer, Lernbegleiter und andere gefördert werden sollen .
Macht es eine Bildungsrepublik nicht erst aus, dass
es ein Engagement gibt, und zwar nicht nur, weil man
selbst ein Elternteil ist oder weil man dafür bezahlt wird,
sondern weil man die Bildung als Zentrum einer demokratisch-integrativen Kultur begreift und sich deshalb
dafür engagiert? Eine Bildungsrepublik setzt auch ehrenamtliches Engagement voraus, und die Chance in der
Flüchtlingsintegration besteht jetzt darin, dass es dann
auch ausstrahlt und dass es bleibt . Das auch haushalterisch mit unterstützt zu haben, ist genauso gut wie die
Tatsache, dass es sich im Gesamthaushalt und in der gesamten Politik dieser Bundesregierung abzeichnet, dass
Bildungsfragen nicht allein an das Bildungsressort delegiert werden .
Wenn es um das wichtige Element der Sprachförderung geht, dann finden Sie Maßnahmen im Familienministerium, durch die denjenigen, die das Sprachniveau C1 erreichen wollen, eine entsprechende Förderung
zuteilwird. Sie finden das im Sozialministerium, in dem
180 Millionen Euro für berufsbezogene Sprachförderung
bereitgestellt worden sind. Sie finden das beim Innenministerium, wo der Ansatz verdoppelt worden ist, um über
die Integrationskurse Sprachinklusion betreiben zu können. Und Sie finden das auch im Bildungsministerium.
Damit ist die Sprachförderung eine Querschnittsaufgabe bzw . die Aufgabe des gesamten Kabinetts und der
gesamten Regierung . Wer will das schelten? Es ist doch
wunderbar, dass dies langsam und schrittweise begriffen
wird und dass sich auch weitere Perspektiven abzeichnen . Wir wissen nämlich, dass wir bei diesem Bildungsund Integrationsprogramm des Jahres 2016 nicht stehen
bleiben können . Die Ministerin hat es schon angedeutet .
Wir werden zusätzlich etwas in Bezug auf berufliche Bildung und auf Schulbegleitung tun müssen . Wenn es um
die beiden Lernorte Schule und Ausbildungsbetrieb geht,
sollte es neben dem Bildungsassistenten vielleicht auch
Einstiegsassistenten oder Integrationsassistenten geben .
Wir werben jedenfalls darum .
Letzen Endes soll es um das gute Ergebnis gehen . Ob
das unter dem Stichwort „Aufhebung des Kooperationsverbotes“, „Nationale Bildungsallianz“ oder „Gemeinschaftsaufgabe Bildung“ läuft oder als Fachprogramm,
wie es jetzt von der CDU/CSU und ihrer Arbeitsgruppe
vorgelegt worden ist, kann am Ende wichtig sein, aber es
ist nicht die entscheidende aktuelle Frage . Die entscheidende aktuelle Frage ist, ob wir im Haushalt 2017 und
2018 eine nachhaltige Fortsetzung des Integrationsaufbruchs finden, die durch diesen Haushalt vorgezeichnet
ist . Darum werben wir .
Danke schön .
({5})
Vielen Dank, Dr . Rossmann . - Der nächste Redner ist
Özcan Mutlu für Bündnis 90/Die Grünen .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kollege Rossmann, Bildungsrepublik schön und
gut, aber so etwas muss sich auch in einem Haushalt des
Bundes abbilden .
({0})
Wenn man sich Ihren Haushaltsentwurf anschaut, dann
wird sehr schnell klar, dass Sie selbst hinter den von
Ihnen formulierten bildungspolitischen Ansprüchen zurückbleiben .
Wenn man sich vor Augen führt, vor welchen Herausforderungen unsere Bildungseinrichtungen stehen und
welche Aufgaben sich dadurch ergeben, dass mehr als
500 000 geflüchtete Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen und ausbildungsnahen Alter in Deutschland
angekommen sind, dann ist Ihr Haushalt nicht mehr als
ein Tropfen auf den heißen Stein .
({1})
An dieser Stelle möchte ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau
Präsidentin, unseren Bundespräsidenten zur Bildung der
Geflüchteten zitieren:
Die Aufgabe und die Verpflichtung, Chancengerechtigkeit in unserem Land sicherzustellen, werden
uns schon deshalb dauerhaft begleiten, weil wir als
Einwanderungsgesellschaft noch mehr … gefordert
sein werden .
Ich bin nicht immer einer Meinung mit Herrn Gauck .
Aber hierin stimme ich ihm ausdrücklich zu .
Ihr Haushaltsentwurf wird weder diesem Anspruch
noch den Herausforderungen der Bildung im 21 . Jahrhundert gerecht .
({2})
Denn neben der dringenden Aufgabe, unsere Bildungsinstitutionen fit für die Einwanderungsgesellschaft zu machen, müssen digitale Bildung, Inklusion und Schulsozialarbeit weiter vorankommen . Hier darf sich der Bund
keinen schlanken Fuß erlauben .
({3})
- Das tun Sie . - Auch für den Bund muss Aufstieg durch
Bildung und damit soziale Gerechtigkeit eine zentrale
Aufgabe sein .
Wir dürfen unsere Bildungseinrichtungen bei den
zahlreichen wichtigen Herausforderungen nicht im Stich
lassen . Aber das tun Sie . Deshalb sagen wir als Grüne:
Wir brauchen viel mehr Investitionen in die Bildung . Vor
allem bedarf es einer stärkeren Kooperation zwischen
Bund und Ländern . Auch das Kooperationsverbot - hier
schaue ich in die Reihen der SPD - muss thematisiert
werden .
Zusätzliche finanzielle Mittel für die Bildung, um das
nötige pädagogische Personal und die Schulplätze bereitstellen zu können, müssen jetzt oberste Priorität haben .
Mehr Sprachbildung, mehr psychologische Unterstützung, mehr Inklusion und mehr Chancengleichheit, darauf kommt es an, auch wenn einige in den Reihen der
Union nun sagen, das sei Blabla . Für uns ist das kein
Blabla .
({4})
Unser Bildungssystem ist im OECD-Vergleich unterfinanziert und steht bei der Bildungsgerechtigkeit trotz
Verbesserungen - diese will ich gar nicht verhehlen weltweit ganz unten . Wir sind weiterhin Weltmeister in
Bildungsungerechtigkeit . Auch das ist ein Ergebnis der
heute vorgestellten Studie „Bildung auf einen Blick“ .
({5})
Sehr geehrte Frau Wanka, Sie sind vielleicht mit Mittelmaß zufrieden . Wir als Grüne sind es jedenfalls nicht .
Unser Land als eines der reichsten Länder der Welt muss
auch Spitzenreiter bei den Investitionen in Bildung sein .
({6})
Zum Schluss . Kein Herz, kein Plan und kein Mut, so
kann man Ihren Haushaltsentwurf in der Tat zusammenfassen . Das reicht uns nicht .
({7})
Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu . - Nächster Redner
in der Debatte: Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt noch genau fünf Besucher auf
der Zuschauertribüne und vielleicht den einen oder anderen Zuhörer zu Hause .
Henry Ford sagte einmal: „Die Wettbewerbsfähigkeit
eines Landes beginnt nicht in der Fabrikhalle oder im
Forschungslabor . Sie beginnt im Klassenzimmer .“
({0})
Für diese Aussage gibt es viele Belege . Die Wissenschaft
würde die Aussage Fords insofern als eine gültige Hypothese anerkennen . Deshalb ist es wirtschaftlich sinnvoll
und politisch allemal klug, dass wir die Investitionen in
die Bildungs- und Forschungslandschaft Deutschlands
für 2016 auf ein neues Rekordniveau heben . Seit Beginn
unserer Regierungsverantwortung erhöhten wir diese
von 7,6 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf nunmehr rund
16,4 Milliarden Euro im Jahr 2016 . Das ist aus meiner
Sicht alles andere als Mittelmaß .
({1})
Auch die Wissenschaft, vertreten durch das Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, bestätigt dies .
Seit 2007 ist in Deutschland eine deutliche Steigerung
der Forschungsaktivitäten festzustellen . Dies hält bis
heute an . Anders als früher beteiligt sich heute der Bund
deutlich stärker an den Forschungsinvestitionen . Dies bezeichnet das DIW als den Politikwechsel, der wesentlich
dazu beigetragen hat, dass es Deutschland heute so gut
geht .
({2})
In diesem Sinne habe ich mit meinen Kolleginnen und
Kollegen aus dem Ressort auch für das kommende Haushaltsjahr für einen weiteren Mittelaufwuchs gekämpft,
und zwar mit Erfolg . Der Haushaltsausschuss beschloss
in der vergangenen Sitzungswoche einen Etat, der die
Regierungsvorlage nochmals um 50 Millionen Euro
übersteigt . Damit investieren wir weiter in Wirtschaftswachstum, Forschungs- und Entwicklungsleistung und
damit auch in den kontinuierlichen Aufschwung auf dem
Arbeitsmarkt .
Um hier im Plenum noch einmal deutlich zu machen,
wo die Akzente gesetzt werden, nenne ich unter anderem
die zusätzlichen 20 Millionen Euro für Innovationen und
Strukturentwicklungen in der beruflichen Bildung sowie
die Verbesserungen beim Meister-BAföG mit 14 Millionen Euro . Das zeigt, dass ein Schwerpunkt auf der beruflichen Bildung liegt .
({3})
Des Weiteren haben die Förderung einer Initiative zur
Ausbildung von IT-Sicherheitsexperten am Fraunhofer-Institut und die Zuschüsse an deutsche Begabtenförderwerke einen Zuwachs um 6 Millionen bzw . 4,5 Millionen Euro erfahren .
Was mich besonders freut, sind die zusätzlichen Mittel
für die Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten .
({4})
Dafür haben wir uns im vergangenen Sommer starkgemacht . Ich möchte vor dem Hintergrund der Ereignisse
in den letzten Wochen und Monaten hierauf noch einmal
besonders eingehen . Unser Ansatz in der Bekämpfung
der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten
ist die Förderung der zugehörigen Gesundheitsforschung
mit besonderem Augenmerk auf die Produktentwicklungspartnerschaften, auf Englisch: PDPs . Nach dem
Auslaufen der ersten Förderrunde in diesem Jahr wird es
nun eine zweite Förderrunde für die PDPs in den kommenden fünf Jahren geben, in denen der Mitteleinsatz auf
nunmehr insgesamt 50 Millionen Euro verdoppelt wird .
({5})
Hier danke ich ganz besonders dem Kollegen Röspel,
dass wir das gut zusammen auf den Weg gebracht haben,
auch mit der Unterstützung von Anette Hübinger . Da die
Ministerin eben in meine Richtung gezeigt hat, als sie
vom Drängen der Fachpolitiker sprach, möchte ich mich
explizit an dieser Stelle dafür bedanken, dass diesem
Drängen auch nachgegeben wurde .
({6})
Die Forschung ist insgesamt auf einem guten Weg,
und es gibt bereits vielversprechende Kandidaten für zukünftige Impfstoffe und Heilmittel . So stieg die Zahl der
aussichtsreichen Medikamente von 350 in 2012 auf 500
in 2015 . Auf diesen Lorbeeren darf man sich aber nicht
ausruhen . Auch darf man den begonnenen Kampf gegen
die vernachlässigten Krankheiten nicht eindimensional
sehen . Primär geht es um die Verbesserung des Lebens in
den ärmsten Regionen dieser Welt . Wir wollen den Menschen in ihrer Heimat eine gute Gesundheitsversorgung
ermöglichen und ihnen damit auch eine Perspektive in
ihrem eigenen Land bieten . Entsprechend ein gutes Leben zu fördern, das ist unser Ziel .
({7})
Davon profitiert aber auch die Gesundheit der Menschen hierzulande maßgeblich . In der globalisierten Welt
kehren einige längst überwunden geglaubte Krankheiten
zurück und können aufgrund fehlender diagnostischer
Mittel und Ausbildung nicht sofort erkannt werden . Zunehmend entwickeln die Erreger von Infektionskrankheiten Resistenzen gegen einen oder mehrere Antibiotikawirkstoffe . Resistenzen heißt an dieser Stelle, dass
wir die Patienten auch hier vor Ort nicht mehr adäquat
behandeln können . Hiergegen müssen wir uns mit klar
angelegter Forschung in den Gesundheitsbereichen dort wird eine Viertelmilliarde Euro investiert - für die
Zukunft wappnen .
({8})
Ich betone daher bei jeder Gelegenheit, dass wir endlich verstehen müssen, dass die Ansteckungsgefahr nicht
an Landesgrenzen endet . Die Weltgesundheit ist unser
gemeinsames Gut . Wenn sie sich verschlechtert, betrifft
dies jeden von uns - hier und überall . Daher ist es uns
ein besonderes Anliegen, die Gesundheitsforschung
in Deutschland weiter zu unterstützen und zu fördern;
denn - Zitat -:
Was nützet mir der Erde Geld? Kein kranker Mensch
genießt die Welt!
So hat schon Goethe pointiert gesagt . Dieser Erkenntnis trug auch der G-7-Gipfel der Gesundheits- und Forschungsminister Rechnung . Wir haben nun die Aufgabe,
die entsprechenden Beschlüsse voranzutreiben, in Programme umzusetzen und konkrete Aktionspläne zu vereinbaren .
Unsere Politik kann und muss also wichtige Impulse
setzen . Wir können das, wie wir es mit der Schwerpunktsetzung in diesem Haushalt erneut gezeigt haben . Wir
brauchen in Deutschland Wissenschaft und Forschung
auf höchstem Niveau . Das ist wichtig, was die Spitze angeht, aber auch, was die Wirkung in der Breite angeht .
Genau deshalb haben wir gemeinsam mit der Bundesregierung die Gesundheitsforschung nicht nur in den
zurückliegenden Jahren weiter gestärkt . Dies ist nicht
zuletzt ein wichtiges Signal für unsere Gesundheitswirtschaft, die zusammen mit dem Gesundheitssystem in
Deutschland einen erheblichen Wirtschaftsfaktor ausmacht . Mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
werden dort erwirtschaftet . Für diese notwendigen Innovationen in der Gesundheitswirtschaft haben die Akteure
aus Wissenschaft und Wirtschaft bereits intensive Anstrengungen unternommen . Seite an Seite mit der öffentlichen Hand können sie die Zukunftsfähigkeit unseres
Systems sichern .
In Anbetracht dieser Herausforderungen haben wir
den Auftrag, weiterhin konsequent einen integrierten
Politikansatz zu verfolgen . Hier gibt es aus meiner Sicht
noch einiges zu tun; denn die Innovationen brauchen
durchschnittlich 14 Jahre, bis sie beim Patienten ankommen . Hier muss Forschung noch deutlich mehr leisten .
Wir müssen in der Lage sein, dieses zu beschleunigen .
Stellen Sie sich einen Patienten vor, der in einem
Wissenschaftsmagazin liest, dass wir im Bereich der
Forschung Mittel und Methoden, Medikamente und
Therapien gegen seine Erkrankung entwickelt haben . Er
schöpft Hoffnung und muss dann erfahren, dass es nun
noch 10 bis 20 Jahre dauert, bis er von dieser Entwicklung profitiert. Das muss sich ändern.
({9})
Unsere Investitionen in die Gesundheit der Menschen
müssen schneller Früchte tragen . Wir investieren in medizinische Forschung und brauchen einen schnelleren
Transfer zum Nutzen der Patienten .
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Bereitstellung weiterer Gelder wollen wir im kommenden
Jahr die Digitalisierung und den damit verbundenen digitalen Wandel fördern . Auch dies ist ein wichtiger Impuls, nicht nur für die großen Unternehmen und einzelne
Branchen, sondern gerade für den Mittelstand und annähernd jeden Sektor unserer Volkswirtschaft . Wie wir mit
der Digitalisierung unserer Gesellschaft umgehen, wird
über die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands - hiermit begann ich - in der Zukunft wesentlich
entscheiden .
Mit dem erneuten Aufwuchs der Mittel für Bildung
und Forschung in Deutschland haben wir deutlich gemacht, dass wir mit unserer Politik diese Zukunftsfragen
anpacken . 16,4 Milliarden Euro - dies ist alles andere
als Mittelmaß, Herr Mutlu -, investiert in Bildung, in
Forschung, in die Köpfe der Menschen, in die Ideen von
morgen, das ermöglicht Zukunftschancen pur . Diesen
Weg beschreiten wir, und diesen Weg werden wir auch
konsequent weitergehen .
Herzlichen Dank .
({10})
Vielen Dank, Herr Kollege . - Nächste Rednerin:
Beate Walter-Rosenheimer für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste und Zuhörerinnen und
Zuhörer! Es gibt im aktuellen Haushalt der Bundesregierung so viele Versäumnisse, dass meine knappe Redezeit
nicht ausreicht, sie alle namentlich zu nennen . Deshalb
möchte ich mich auf einen sehr aktuellen und wichtigen
Aspekt in der Flüchtlingspolitik beschränken . Er steht
exemplarisch dafür, dass in dieser Regierungskoalition
Selbstdarstellung manchmal offenbar mehr zählt als politischer Gestaltungswille .
Wir alle wissen, dass der Zugang zu Bildung der zentrale Schlüssel zur Teilhabe von Flüchtlingen ist . Ich bin
mir sogar ziemlich sicher, dass Sie mir alle zustimmen,
dass gerade die berufliche Bildung dabei ganz entscheidend ist . Deshalb war ich sehr überrascht, als Sie, Frau
Ministerin, vor einigen Wochen stolz Ihren neuesten
Coup zum Nachtragshaushalt verkündeten: 130 Millionen Euro möchten Sie für die Ausbildung und Bildung
von jungen Flüchtlingen in den nächsten Jahren investieren . Das ist angesichts von Hunderttausenden jungen
Flüchtlingen, die allein dieses Jahr zu uns kommen, doch
irgendwie ein schlechter Scherz .
Quer durch die Republik sind sich Bildungsexpertinnen und Bildungsexperten, Politikerinnen und Politiker,
Gewerkschafter und Arbeitgeber einig, dass der so dringend notwendige Ausbau von Sprachkursen, die Aufstockung von Lehrkräften und zusätzliche sozialpädagogische und psychologische Betreuung viele Milliarden
Euro kosten werden . Entweder irrt die ganze Republik,
oder aber diese Republik hat eine Bildungsministerin,
die - verzeihen Sie bitte - in ihrem Elfenbeinturm tatsächlich glaubt, mit ein paar Millionen sei schon ein Bildungsstaat zu machen .
({0})
Nein, jeder Euro, den wir heute in die Chancen von
jungen Menschen investieren, ist eine gute Investition in
die Zukunft . Ich fordere Sie deshalb auf: Lassen Sie uns
nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, Stichwort „Gastarbeiter“ . Integration durch Bildung kann es
nicht zum Nulltarif geben . Haben Sie den Mut, eine echte
Bildungsoffensive für Flüchtlinge zu starten .
Wer von Bildung und Integration spricht, der muss
auch mit Mut und Verstand über notwendige Investitionen in Milliardenhöhe sprechen . Trauen Sie sich doch
einfach, das zu sagen . Das gilt übrigens auch für die
Große Koalition . Ein Blick auf Ihren Änderungsantrag
zum Titel „Innovationen und Strukturentwicklungen in
der beruflichen Bildung“ zeigt leider, dass Innovation
nicht Ihre Stärke ist . Mit zusätzlich 20 Millionen Euro
sollen die Potenzialanalysen und die Beratungsstellen
für Flüchtlinge ausgebaut werden . Das ist wichtig, ja .
Aber glauben Sie ernsthaft, dass das ausreicht, um junge
Flüchtlinge auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten?
({1})
Dass Innovation für Sie ein Fremdwort ist, zeigt
schließlich auch die fehlende Ausbildungsgarantie, auf
die wir immer noch vergeblich warten . Stattdessen pumpen Sie lieber Jahr für Jahr über 4 Milliarden Euro in
einen ineffizienten Übergangsdschungel, aus dem kaum
ein junger Mensch mit anerkanntem Berufsabschluss herausgeht. Haben Sie doch den Mut, die berufliche Bildung in Deutschland vom Kopf auf die Füße zu stellen .
Das hilft allen, vor allem auch den jungen Flüchtlingen,
die hier eine Perspektive haben wollen . Sie brauchen Taten und nicht nur warme Worte .
Danke schön .
({2})
Vielen Dank, Kollegin Walter-Rosenheimer . - Die
nächste Rednerin ist Saskia Esken für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Bildung“, so
sagte schon Aristoteles, „ist der beste Reiseproviant für
die Reise zum hohen Alter .“ Dieser Bundeshaushalt für
Bildung und Forschung erhält wichtige Signale dafür,
dass wir die Menschen in diesem Land mit einem gut
gepackten Rucksack in die Zukunft schicken wollen . Es
ist uns wieder gelungen, mehr in Bildung und Forschung,
mehr in die Köpfe der Menschen und damit auch mehr in
die Zukunft unseres Landes zu investieren . Wir knüpfen
damit nahtlos an eine Politik an, die die SPD in Regierungszeiten immer vorangetrieben hat . Ich will sehr gerne dem SPD-Haushälter für Bildung und Forschung, dem
Kollegen Swen Schulz, sozusagen stellvertretend für alle
anderen Haushälter und für weitere Beteiligte meinen
herzlichen Dank aussprechen .
({0})
Mit welchen Bildern beschäftigen wir uns derzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren? Es sind Bilder von
Flüchtlingen, die auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg
und Terror am Ende einer gefährlichen Odyssee bei uns
ankommen . Die Ankunft dieser Menschen in Deutschland lässt auch die Bildungspolitik nicht unberührt . Wir
alle wissen, dass die Integration der Menschen, die mit
fremder Muttersprache und aus einer anderen Kultur zu
uns kommen, in unsere Gesellschaft eine große Aufgabe
ist; aber wir machen das schon .
Wie überall müssen wir jetzt auch im Bildungsbereich Wege finden, um die Integration zu unterstützen,
und zwar am besten ohne viel Bürokratie und ohne es zu
kompliziert zu machen . Ohne Geld aber - da sind wir uns
sicher einig - geht es nicht . Der aktuelle Haushalt sichert
deshalb als einen ersten Schritt die Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Integration von Geflüchteten
finanziell ab. Insgesamt fast 130 Millionen Euro - wir
haben es schon gehört - werden hier bereitgestellt .
Mit rund 100 Millionen Euro wollen wir die Grundbildung und die kulturelle Bildung unterstützen . Die
mobilen Endgeräte wie Smartphones, die die meisten
Flüchtlinge besitzen, bieten hierbei die große Chance,
viele Anwender zu erreichen . Dazu müssen aber Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter ausgebildet werden, die
vor Ort unterstützen . Das sind hoch sinnvolle Investitionen, wie ich meine .
Bei dem Vorhaben, eine neue Deutsch-Lern-App zu
entwickeln, bin ich mir da nicht ganz so sicher . Nach meiner Information gibt es bereits eine ganze Anzahl solcher
Angebote, seien es die Deutschkurse des Goethe-Instituts oder anderer Anbieter, seien es die YouTube-Videos,
mit denen Professor Jürgen Handke von der Universität
Marburg Menschen mit Arabisch als Erstsprache beim
Lernen der deutschen Aussprache unterstützt . Solche
Angebote sind mit viel linguistischem und didaktischem
Sachverstand und Fachwissen entwickelt worden . Deshalb müssen wir das Rad nicht neu erfinden.
Weitere 27 Millionen Euro investieren wir in die Eingliederung von Geflüchteten ins akademische Bildungssystem; denn nicht wenige von ihnen bringen die Befähigung zum Studium prinzipiell mit . Wir investieren in die
Feststellung der Studierfähigkeit, aber natürlich auch in
die Vermittlung von Sprachkenntnissen und in zusätzliche Vorbereitungskurse .
Damit unser Bildungssystem jungen Flüchtlingen und
anderen bildungsbenachteiligten jungen Menschen, also
allen, die besondere Förderung brauchen, besser gerecht
werden kann, hat die SPD-Fraktion den Vorschlag einer
nationalen Bildungsallianz ausgearbeitet . Dieser Vorschlag enthält ganz konkrete Ziele und Maßnahmen, die
unser Bildungssystem für die vor ihm liegenden Aufgaben stark machen . Wir machen darin aber auch eines ganz
deutlich: Wenn der Bund in der anstehenden Dekade der
Integration das Bildungssystem erfolgreich unterstützen
soll, dann muss das sogenannte Kooperationsverbot aufgehoben werden .
({1})
Neben der Dekade der Integration, die auch eine Dekade für mehr Bildungsgerechtigkeit sein muss, meine sehr
verehrten Damen und Herren, steht eine weitere große
politische Gestaltungsaufgabe auf der Agenda, und das
ist die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft .
Vergangene Woche hat Wirtschaftsminister Gabriel bei
der Eröffnung des Nationalen IT-Gipfels den Vorschlag
von Ministerin Wanka aufgegriffen, die digitale Bildung
zum Leitthema des IT-Gipfels 2016 zu machen . Ich freue
mich sehr über die Unterstützung dieses wichtigen Themas . Sowohl der Koalitionsvertrag als auch die Digitale
Agenda der Bundesregierung formulieren das Vorhaben,
gemeinsam mit den Bundesländern und anderen Akteuren des Bildungssystems eine gemeinsame Strategie „Digitales Lernen“ zu entwickeln und umzusetzen . - So weit
ein Zitat .
Die Bundestagsfraktionen von SPD und Union haben dieses Vorhaben, wie Sie alle wissen, durch einen
gemeinsamen Antrag nochmals bestärkt und konkretisiert . Das Parlament hat dies am 2 . Juli dieses Jahres
auch so beschlossen . Deshalb freue ich mich, wie der
Wirtschaftsminister es formuliert hat, darauf, wenn im
IT-Gipfel-Jahr, das nun begonnen hat, bei diesem Vorhaben konkrete Fortschritte erreicht werden, die wir im
Herbst 2016 beim nächsten Nationalen IT-Gipfel vorstellen können .
Im Zusammenhang mit dem genannten Beschluss des
Bundestags hatte meine Fraktion die Forderung formuliert, die Mittel für die digitale Bildung im Bundeshaushalt auf 60 Millionen Euro aufzustocken . Es ist sehr, sehr
bedauerlich, dass es uns für das kommende Haushaltsjahr nicht gelungen ist, diese Forderung durchzusetzen .
Deutschland hat immer gut daran getan, in die Köpfe
der Menschen zu investieren . Wie wir aus verschiedenen
Studien leider erfahren müssen, sind deutsche Schülerinnen und Schüler bei digitalen Kompetenzen im internationalen Vergleich eher unteres Mittelfeld . Ich halte es
deshalb geradezu für fahrlässig, bei der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft womöglich
den Anschluss zu verpassen, indem wir die Bildung vernachlässigen .
Natürlich ist es mit Investitionen auf Bundesebene
nicht getan . Auch die Länder müssen ihre Hausaufgaben
erledigen . Gerade bei einer so wichtigen Zukunftsaufgabe braucht es aber eine gemeinsame Strategie . Bund,
Länder und Kommunen, aber auch die weiteren Akteure müssen die digitale Bildung deshalb als gemeinsame
Aufgabe anerkennen und die Strategie „Digitales Lernen“ jetzt endlich gemeinsam angehen .
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, eine der wichtigsten Aufgaben der Politik
besteht darin, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren,
wie wir es ja beim vorliegenden Haushalt mit der Flüchtlingsthematik gemacht haben . Besonders im Hinblick auf
die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche ist
es auch im Bereich der digitalen Bildung unser Auftrag,
auf neue Herausforderungen die richtigen politischen
Antworten zu geben .
Ich danke Ihnen .
({2})
Vielen Dank, Frau Kollegin Esken . - Nächster Redner: Dr. Wolfgang Stefinger für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Schon wieder ein Rekordhaushalt im Bereich
Bildung und Forschung: 16,4 Milliarden Euro, ein Aufwuchs von 1,1 Milliarden Euro gegenüber dem laufenden Jahr. Das ist ein, wie ich finde, wichtiges Signal der
Koalition, ein wichtiges Signal für die Zukunft Deutschlands, für die Investitionen in unser Land, und das trotz
aktueller Herausforderungen durch die Flüchtlingskrise .
({0})
Was bisher noch nicht gesagt wurde: Wir machen dies
möglich auch ohne neue Schulden .
Nie zuvor ist so viel Geld in Bildung und Forschung
investiert worden . Das Geld wird nicht nur ausgegeben,
sondern eben auch klug in Zukunftsthemen investiert,
wie es von der OECD - die Frau Ministerin hat es angesprochen - oder auch vom EFI-Gutachten bestätigt wird .
Es ist ja heute die Verantwortung der Länder angesprochen worden . Das ist richtig . Ich wollte das Thema
Flüchtlinge eigentlich nicht ansprechen, aber ich möchte
das jetzt doch kurz tun, weil auch hier ein Blick auf Bayern, auf mein Heimatbundesland, helfen kann .
({1})
Wir schaffen über 1 000 neue Lehrerstellen, gerade was
den Bereich Flüchtlinge angeht .
({2})
Das muss man auch einmal erwähnen, vor allem, nachdem Thüringen angesprochen wurde . Wenn ich richtig
informiert bin, gibt es dort 500 neue Lehrerstellen; das
ist richtig . Aber 800 Lehrer gehen in Pension . Das macht
nach meiner Rechnung dann ein Minus . Das muss man
auch festhalten dürfen .
({3})
Herr Kollege, erlauben Sie eine spontane Rückfrage?
Nein .
({0})
Ich darf bitte in meiner Rede fortfahren und möchte
den Blick jetzt vor allem auf unseren Koalitionsvertrag
richten; denn ich möchte festhalten, dass wir Wort halten und alle Vorhaben des Koalitionsvertrags Schritt für
Schritt umsetzen. Die berufliche Bildung ist schon angesprochen worden; das Meister-BAföG ist bereits angesprochen worden . Wir wollen weiterhin die Ausbildungsordnungen modernisieren und eventuell, wenn es
notwendig ist, auch neue Ausbildungsberufe schaffen .
Reduzieren wollen wir im Übrigen die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss durch Förderung und intensive
Berufsorientierung und -beratung .
Wir halten Wort bei der Exzellenzinitiative . Bis 2017
trägt der Bund rund 2 Milliarden Euro der insgesamt
2,7 Milliarden Euro . Wir halten Wort bei den Aufwüchsen für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen .
Die Zuwendungen steigen im Jahr 2016 um 3 Prozent .
Ich darf daran erinnern, dass diesen Aufwuchs der Bund
alleine schultert .
({1})
Das ist wiederum eine Entlastung der Länder um
1,2 Milliarden Euro . Wir halten Wort und fördern weiter konsequent die Grundlagenforschung und schaffen
finanzielle Planungssicherheit bei den Forschungseinrichtungen .
Die Forschungsorganisationen verpflichten sich im
Übrigen, dafür dann forschungspolitische Ziele umzusetzen, unter anderem die Nachwuchsförderung, den Transfer, die Gleichstellung und den Ausbau von Vernetzung
und Kooperationen, was dann im Monitoringbericht dargelegt und überprüft wird .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Digitalisierung ist schon angesprochen worden . Wir hatten in der
letzten Sitzungswoche einen Antrag zum Thema Industrie 4 .0 . Wir wissen alle: Die Digitalisierung unserer Produktion, unseres Wirtschaftens ist ein bedeutendes Zukunftsprojekt . Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, eine
Aufgabe von Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und Gesellschaft . Die Digitalisierung wird die kommenden Jahre
noch mehr prägen . Wir wollen diese Entwicklung aktiv
mitgestalten, weil sie von herausragender Bedeutung ist .
Ein wichtiger Baustein hierfür ist die Datensicherheit .
Wir haben im Frühjahr 2015 das Forschungsrahmenprogramm zur IT-Sicherheit mit zahlreichen Förderaktivitäten im Bereich der Sicherheitsforschung beschlossen,
ein Programm, das mit 180 Millionen Euro aus dem Etat
des Bundesbildungs- und -forschungsministeriums gefördert wird .
Fraunhofer leitet das Projekt zum Industrial Data
Space . Ziel ist, einen branchenübergreifenden, sicheren,
vernetzten Datenraum zu schaffen . Gerade diese Initiative, meine sehr geehrten Damen und Herren, findet
international große Beachtung . Wir sind eben hier nicht
das Schlusslicht, sondern wir sind ganz vorne mit dabei .
Wir wollen Standards setzen . Deswegen sind in diesem
Haushalt auch 5 Millionen Euro für diesen Bereich vorgesehen .
({2})
Außerdem investieren wir 6 Millionen Euro bei
Fraunhofer für die Ausbildung zum Fachexperten für
IT-Sicherheit; denn Deutschland steht aufgrund seiner
Innovations- und Wirtschaftskraft, deren Grundlage wiederum auch im Bildungs- und Forschungsbereich liegt,
bei Cyberkriminellen weit oben auf der Liste, und hier
entstehen jährlich Schäden in Milliardenhöhe . Deswegen
ist Forschung auf dem Gebiet der IT- und Datensicherheit wichtig, aber eben auch die Ausbildung von Anwendungsexperten. Beides findet sich jetzt in diesem Haushalt . Dafür vielen Dank!
({3})
Wir alle wollen die Wettbewerbsfähigkeit, unsere
Innovationskraft und unseren Wohlstand sichern . Wir
wollen, dass Deutschland Leitanbieter im Bereich Industrie 4 .0 ist und dass Deutschland weiterhin der Fabrikausrüster der Welt bleibt . Das heißt, Chancen nutzen,
Herausforderungen angehen und den Prozess beschleunigen . Ich bin sehr dankbar - ich habe das in der letzten
Sitzungswoche schon gesagt -, dass sich die Plattform
Industrie 4 .0 so dynamisch entwickelt, seitdem auch das
Bildungs- und Forschungsministerium mit an Bord ist .
Dafür vielen Dank an Sie, Frau Ministerin, und an Ihr
Haus .
({4})
Wir investieren aber auch im Bereich Weiterbildung .
Das Thema Digitalisierung bringt natürlich auch Veränderungen mit sich . Mancher Arbeitsplatz, manche Tätigkeitsbeschreibung werden sich verändern . Das Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung
und Arbeit von morgen“ wird bis 2020 mit 1 Milliarde
Euro gefördert . Hier stehen vor allem die Erforschung
von technischen Entwicklungen in der Arbeitsorganisation und in Arbeitsprozessen, die Forschung zur Kompetenzentwicklung sowie zu Bedingungen für eine gute Beschäftigungsentwicklung und Arbeitsqualität sowie die
Gesundheit am Arbeitsplatz im Fokus . Wir stärken mit
diesem Haushalt auch die überbetrieblichen Bildungsstätten sowie den Bereich Weiterbildung und lebenslanges Lernen .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt
festzuhalten: Im Bildungs- und Forschungsbereich wird
kräftig investiert - im frühkindlichen Bereich, wenn ich
an das Haus der kleinen Forscher denke, über die Studien- und Berufsförderung, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die Förderung im Bereich „Mensch-Technik-Interaktion“, die Spitzencluster, die Sensorik bis hin zum
Gesundheitsbereich, dem Hochschulpakt und dem Pakt
für Forschung und Innovation, um nur einige zu nennen . Das alles ist gut, das ist richtig und für die Zukunft
unseres Landes entscheidend . Von daher sage ich einen
herzlichen Dank allen Haushältern, meinen Kollegen im
Ausschuss, auf die die Haushälter gehört haben,
({5})
aber auch Ihnen, liebe Frau Ministerin, Ihren Staatssekretären und Ihrem ganzen Haus . Auf weiterhin gute Zusammenarbeit!
Vielen Dank .
({6})
Vielen Dank, Dr. Stefinger. - Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Ralph Lenkert .
({0})
Herr Kollege Stefinger, so ist das mit Zahlen, die man
nicht vollständig kennt .
Nach 24 Jahren CDU-geführter Landesregierung ist
unser Lehrkörper in Thüringen hoffnungslos überaltert .
Im Gegensatz zu Bayern sind die Lehrer oftmals nicht
pensioniert . Und aus dem aktiven Dienst scheiden weniger als 500 Lehrerinnen und Lehrer jährlich aus . Der
Rest ist schon unter der unionsgeführten Regierung in
den Ruhestand getreten, und die Union hatte während ihrer Regierungszeit keinen Ersatz vorgesehen . Das heißt,
hätten wir die Pläne der Union fortgesetzt, dann hätten
wir jetzt nicht diese 500 zusätzlichen Stellen . Zu diesen
Stellen hinzu kommt eine Vertretungsreserve . Das heißt,
wir korrigieren jetzt die Fehler, die von den Regierungen
davor gemacht wurden . Um Ihnen das mit Zahlen zu belegen: Im Haushalt der letzten unionsgeführten Landesregierung standen für allgemeinbildende und berufliche
Schulen 1,46 Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung .
({0})
Im nächsten Jahr wird die rot-rot-grüne Thüringer Landesregierung 1,57 Milliarden Euro ausgeben . Das sind
fast 10 Prozent mehr .
({1})
Das sind höhere Steigerungsraten als im Bundeshaushalt .
Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen . Das ist Politik
für Bildung und Zukunft .
Vielen Dank .
({2})
Herr Stefinger, wenn Sie mögen.
Herr Kollege, ich danke für den Hinweis, habe aber
Ihrer Antwort nicht entnehmen können, was speziell für
den Bereich Flüchtlinge vorgesehen ist .
Letzter Redner in der Debatte ist René Röspel für die
SPD-Fraktion .
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!
({0})
Es ist schon merkwürdig, wie sauber bei Regierung und
Opposition zwischen Kritik und Lob getrennt wird . Ich
finde, manchmal gehört auch ein bisschen Selbstkritik
zum Lob dazu . Wenn man vier Sitzungswochen und
dazwischen eine sitzungsfreie Woche hat, ist ein Praxisoder Realitätscheck angebracht . Dann kann man sehen,
was die Menschen im Wahlkreis von dem wahrnehmen,
was wir im Bereich Bildung und Forschung machen . Ich
habe fünf Beispiele aus der letzten Woche mitgenommen, die unseren Zustand aufzeigen .
Das erste Beispiel . Ich war am Sonntag beim Tag der
offenen Tür des Max-Planck-Institutes für molekulare
Physiologie in Dortmund . Keine Angst, es ist nicht mein
Wahlkreis, und es ist auch der falsche Fußballverein .
({1})
Ich kenne das Institut seit Mitte der 90er-Jahre . Damals
herrschte verhaltener Optimismus; es gab gute Chemiker
und Physiker - sie hatten interessanterweise damals keine Chance auf dem Arbeitsmarkt . Die wissenschaftliche
Reputation, das Engagement waren eher verhalten . Am
Sonntag war es ganz anders: neues Gebäude, 500 Mitarbeiter, man platzt aus den Nähten . Ich habe viele junge
engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler getroffen, die begeistert Forschung machen, Topforschung;
der neueste ERC Grant ist gerade eingeworben . Es ist
eine ganz andere Stimmung als noch vor 20 Jahren . Ich
finde, man wird auch in Jena und vielen anderen Universitäten und Hochschulen des Landes feststellen, dass sich
vieles getan hat .
({2})
Ich will auch deutlich sagen: nicht erst seit 2005 . Es
war gar nicht so einfach; denn es war eine rot-grüne Koalition, die unter Bundesministerin Bulmahn den Pakt
für Forschung und Innovation auf den Weg gebracht
hat . Seitdem gibt es verlässlich mehr für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen; manchmal 3, manchmal
5 Prozent . Genau das war es, was sie gebraucht haben .
Alle Fraktionen, jedenfalls bis zu dieser Stelle, von rechts
aus gesehen, haben in den letzten Jahren ihren Beitrag
geleistet . Wir alle können ein bisschen stolz darauf sein,
dass Deutschland im wissenschaftlichen Bereich recht
gut dasteht .
({3})
Zweites Beispiel . Ähnlich war es im Bereich der
Fachhochschulen . Als wir uns 1998/99 den ersten Haushalt angesehen haben, handelte es sich um 10 Millionen
D-Mark für die Fachhochschulen . Im Ministerium hatte
man den Eindruck: Das ist ein Bereich, der sich totlaufen
wird und für den sich keiner interessiert . Das war mühsame Arbeit . Auch da haben alle in den letzten Jahren
mitgewirkt, dass wir mittlerweile einen Etatansatz von
48 Millionen Euro für die Forschung an Fachhochschulen haben . Das ist ganz wichtig und ein Motivationsschub . Damit können wir Verlässlichkeit hineinbringen .
Auch hier haben viele ihren Anteil beigetragen .
({4})
Letzte Woche hatte ich einen Termin zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit Fachhochschulen und
Universitäten . Dabei handelt es sich eigentlich um einen Arbeitsrechtsvertrag . Es ist ein richtiger Schritt in
die richtige Richtung . Aber am Ende kamen wir zu dem
grundsätzlichen Problem, dass die Hochschulen in dieRalph Lenkert
sem Land immer noch zu schlecht grundfinanziert sind
und dass der Mittelbau wegbricht .
({5})
Das kann nur eine gemeinsame Aufgabe über den Hochschulpakt und über 2020 hinaus sein . Die BAföG-Mittel - das sind die Mittel für den Eurofighter 1990; wer
sich daran erinnert . Das Geld haben wir verbraucht; das
ist schon längst ausgegeben .
({6})
- Stellen Sie eine Zwischenfrage, Herr Rupprecht . Darauf würde ich gerne antworten . Aber so viel Zeit habe
ich jetzt nicht .
({7})
Ich finde, es bleibt eine gemeinsame Aufgabe. Wir
können die Hochschulen nicht alleinelassen, die Länder
und Kommunen auch nicht .
Drittes Beispiel . Ich habe mir im Wahlkreis das Projekt „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ angesehen,
das drei Städte zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt
machen . Hier geht es darum, jugendliche Schulabsenten, also Schulverweigerer, sozusagen von der Straße zu
holen und dahin zu führen, dass sie wieder zur Schule
gehen, und darum, sie dafür zu begeistern . Dieses Projekt wird übrigens vom Umweltministerium und vom
Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
gefördert, nicht vom Bildungsministerium . Ich habe die
Engagierten gefragt: Was braucht ihr, und was seht ihr
als zentralen Punkt, um zu verhindern, dass Jugendliche
in die Situation kommen, in der sie nicht mehr zur Schule
gehen wollen und keinen Bock mehr haben? Da haben
sie gesagt: Macht Schulsozialarbeit!
({8})
Ihr vom Bund habt mal ein Programm zur Schulsozialarbeit gemacht . Am besten ist es, damit in den Grundschulen anzufangen . Warum macht das der Bund nicht
mehr? Es gibt doch ein Bundesbildungsministerium . Da musste ich erklären, dass das Ministerium in der
Regel mit beruflicher Bildung befasst ist, auch wenn es
manchmal Pressemitteilungen zu Lesestart und anderen
Bildungsmaßnahmen veröffentlicht, und dass es schwierig war, in den Koalitionsverhandlungen einen entsprechenden Beschluss mit dem Koalitionspartner hinzubekommen . Da müssen wir selbstkritisch sein und an uns
selber appellieren: Wir müssen in diesem Bereich aktiv
werden, wenn wir nicht wollen, dass wir Kinder und Jugendliche verlieren, die wir dann nur über Programme
einfangen können, die schwierig aufzustellen sind, weil
sie von zwei Ministerien finanziert werden müssen.
Das vierte Beispiel . Die Bundesagentur für Arbeit in
Hagen hat einen Arbeitnehmertag durchgeführt, Stichwort: Arbeit 4 .0 . Da habe ich mich sehr gefreut, sagen
zu können: Wir haben schon im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir Arbeitsforschung betreiben . - Ich will
ausdrücklich sagen: Die Mittel in Höhe von 89 Millionen
Euro in den Etats von 2015 und 2016 können ausgebaut
werden; da müssen wir besser werden . - Das war aber
ein Punkt, bei dem man gut zeigen konnte: Die Politik
ist nicht hintendran, sondern hat das Thema auf dem
Schirm . Wir müssen nämlich wissen, wie wir zukünftig
arbeiten werden und was wir anbieten können .
Das fünfte Beispiel war mir eigentlich das liebste . Viele von Ihnen waren wahrscheinlich auch am Internationalen Tag der Kinderrechte in der letzten Woche an Schulen
unterwegs . Ich war in einer dritten und vierten Klasse der
Grundschule Pestalozzi in Gevelsberg und einer siebten
Klasse des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Hagen . Dort
bin ich auf tolle Kinder gestoßen, die von ihren Lehrern
gut vorbereitet waren und ganz viele Fragen hatten . Als
ich sie gefragt habe: „Was meint ihr, was für euch wichtige Rechte sind?“, haben sie geantwortet: Nicht geschlagen zu werden, keinen Krieg zu erleben, mit den Eltern
zusammen zu sein . - Das fand ich spannend .
Es gab ganz viele spannende Fragen der Kinder . Eine
Frage war, was wir denn machen, um Fluchtursachen
zu bekämpfen . Da konnte ich sagen, dass wir im Forschungsbereich ein Programm haben, mit dem wir bekämpfen, dass Krankheiten in der Dritten Welt ganze
Länder lahmlegen, so wie es bei Ebola der Fall war . Ich
konnte also ein positives Beispiel dafür nennen, was wir
hier tun . Da müssen wir aber noch zulegen .
Die zweite Frage: Wie kann man eigentlich Konflikte
und Krisen verhindern, und was kann man tun, wenn sie
ausgebrochen sind? Da konnte ich darauf verweisen danke an die Haushälter -, dass wir mehr Geld für Friedens- und Konfliktforschung ausgeben,
({9})
weil es ganz wichtig ist, zu wissen, wie Kriege entstehen
und wie man sie möglicherweise verhindern oder wieder
eindämmen kann .
Ein letzter Punkt, der mich sehr beeindruckt hat - Väter und Mütter kennen das -: die Angst der Kinder, von
ihren Eltern getrennt zu sein . Diese Angst habe ich sehr
häufig wahrgenommen; die Kinder meinten das ganz
ernst . Auf eine entsprechende Frage hin habe ich gesagt:
Ich halte es für unmenschlich, wenn man Kinder von ihren Eltern trennt . - Jetzt hat die CSU, liebe Kollegen, am
Samstag die Forderung beschlossen, den Familiennachzug größtmöglich einzuschränken . Da bin ich gespannt,
was Sie eigentlich diesen Kindern antworten würden .
({10})
Vielen Dank, Herr Kollege Röspel . - Sie haben am
Anfang gesagt, dass der BVB der falsche Verein ist . Als
Fußballfan bin ich jetzt natürlich interessiert, zu wissen,
was denn der richtige Verein ist .
({0})
- Kein Kommentar .
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung - in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Einzelplan 30 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und
SPD bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und
der Linken angenommen .
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung für morgen, Mittwoch,
den 25 . November, 9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen noch
einen schönen Abend .