Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz .
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zum Tagesordnungspunkt 1 dieser Woche:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes und Verordnung zum
Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.
Dazu hätten im Übrigen, wenn ich mir das erlauben
darf, ruhig ein paar mehr Kollegen anwesend sein können, insbesondere in Anbetracht des Ausmaßes der Debatten innerhalb und außerhalb des Parlaments zu diesem
Thema; dies steht aber einer gründlichen Befassung mit
dem Thema nicht im Wege .
({0})
- Frau Kollegin, wenn Sie die Zahl der Anwesenden in
Relation zur Sollstärke Ihrer Fraktion setzen, werden Sie
meine Eingangsbemerkung nicht für völlig deplatziert
halten können .
({1})
- Ja, gut . Diesen virtuellen Wettbewerb können wir ja
auch einmal ausschreiben .
Ich erlaube mir die Anregung, dass mir die PGFs signalisieren, wenn es bereits erkennbare Fragewünsche
gibt . Dann können wir das vorab ein bisschen sortieren .
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
zum soeben genannten Thema hat der Bundesminister
des Innern, Herr Dr . Thomas de Maizière .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Bundeskabinett hat gestern ein umfangreiches Gesetzespaket beschlossen . Wir werden morgen dazu die erste
Lesung haben und in dem Rahmen natürlich noch einmal
ausführlich debattieren . Das Gesetzespaket ist Teil der
Umsetzung der Maßnahmen, die die neue Lage erforderlich macht, und Ergebnis des sogenannten Flüchtlingsgipfels am Donnerstag, dem 24 . September 2015 . Zu
diesem Thema gehören natürlich sehr viele Aspekte, die
sicher gleich Gegenstand der Fragen und auch Gegenstand der morgigen Debatte sein werden .
Ich will mich zur Einführung auf die wesentlichen
Elemente dieses Gesetzgebungspakets beschränken . Dieses Gesetzgebungspaket besteht aus mehreren wichtigen
Teilen:
Erstens . Durch Standarderleichterungen im Bauplanungsrecht, im Emissionsschutzrecht sowie in anderen
Rechtsgebieten ermöglichen wir es den Ländern und
Kommunen, die Aufnahme und Unterbringung von
Flüchtlingen zügig durchzuführen, insbesondere in Anbetracht des kommenden Winters . Nicht geregelt sind die
Bereiche, die zum Landesrecht gehören, also das Bauordnungsrecht, das Brandschutzrecht oder das Denkmalschutzrecht; hier können wir nichts regeln . Aber das, was
wir regeln konnten, haben wir geregelt . Das war ein besonderer Wunsch der Länder . Ich halte es für sehr wichtig, in dieser Phase zu helfen . Viele dieser Regeln sind
befristet . Ich glaube aber, es ist wichtig, in dieser Notlage
schnell menschenwürdige, winterfeste, adäquate Unterkünfte bauen zu können .
Der zweite Schwerpunkt bezieht sich auf Maßnahmen
zur Beschleunigung des Verfahrens, und zwar in vielerlei Hinsicht . Ich möchte hier nur einen Aspekt nennen:
Die Betroffenen sind nach diesem Gesetz verpflichtet,
bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung
zu bleiben; bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten
gilt dies bis zum Abschluss des Verfahrens . Das ist eine
Verpflichtung, die sich an die Ausländer richtet, und keine Rechtsverpflichtung, die sich an die Länder richtet.
Gleichwohl haben wir uns durch die Schaffung von Erstaufnahmeeinrichtungen gemeinsam vorgenommen, die
Verfahren zu beschleunigen; das ist dort leichter möglich
als bei einer sehr frühen dezentralen Unterbringung .
Drittens . Es gibt viele Maßnahmen zur Verbesserung
der Versorgung von Asylbewerbern: Impfungen, psychische Betreuung, auch die Option für die Länder, auf
der Basis eines Bundesgesetzes, das Teil dieses Paketes
ist, eine Gesundheitskarte einzuführen . Die Leistungen
dieser Gesundheitskarte werden aber von Beginn an auf
dem abgesenkten Niveau des Asylbewerberleistungsgesetzes erfolgen .
Viertens . Wir wollen mit diesem Gesetz Fehlanreize
beseitigen, die dazu führen, dass viele Menschen nach
Deutschland kommen und sich falsche Hoffnungen machen . Außerdem gelingt es uns mit diesem Gesetz besser, zu erreichen, dass diejenigen, die längst negativ abgeschlossene Verfahren haben und trotzdem unser Land
nicht verlassen, ausreisen . Im Gesetzentwurf enthalten
sind auch Leistungskürzungen für vollziehbar Ausreisepflichtige. Ebenso enthalten ist das Thema „Sachleistungen statt Taschengeld“ in einer abgestuften Form
zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und sonstiger Unterbringung. Daneben findet sich in dem Gesetzentwurf ein
Beschäftigungsverbot bei offensichtlich unbegründetem
Asylantrag . Wir wollen auch die Strafbarkeit für Schleuser verschärfen und die Gegenstände, mit denen sie Menschen nach Deutschland schleppen und durch die sie kriminelle Verdienste haben, einziehen können .
Fünftens . Wir wollen diejenigen, von denen wir wissen, dass sie bleiben, früh, rechtzeitig und gut integrieren .
Dazu gehören der Zugang zu Sprachkursen, der Zugang
zu Berufsförderungskursen sowie eine bessere Vernetzung zwischen Integrationskursen und berufsbezogenen
Sprachkursen . Dazu gehören viele Dinge, mit denen wir
ermöglichen, dass die Integration nicht durch lange Verfahren in Erstaufnahmeeinrichtungen oder anderswo verzögert oder für später erschwert wird .
Wir regeln, dass alle Staaten des westlichen Balkans
sichere Herkunftsstaaten werden . Das ist ein Wunsch
dieser Länder . Das wird auch durch die entsprechende
Anerkennungsquote reflektiert. Es ist auch die übereinstimmende Position aller Staaten der Europäischen
Union . Gleichzeitig werden für Bürger der Westbalkanstaaten legale Migrationsmöglichkeiten geschaffen, ohne
einen Korridor . Wenn sie von einem dieser Staaten nach
Deutschland wollen, können sie, wenn sie einen Arbeitsvertrag haben und ein Beschäftigungsverhältnis nachweisen können, unter der Voraussetzung der Vorrangprüfung, die schnell abgearbeitet werden soll, legal nach
Deutschland migrieren .
Der letzte Punkt, der Teil dieses Gesetzentwurfes ist,
ist eine Finanzierungsregelung . Der Bund hat selbst gewaltige zusätzliche Aufgaben im Zusammenhang mit
dem Thema Flüchtlinge . Es entstehen Kosten in den Herkunftsländern und den Transitländern . Es wird mehr Geld
für die Ernährung und Versorgung in Flüchtlingslagern
bereitgestellt, damit sich nicht noch mehr Menschen aufmachen. Wir werden höhere Hartz-IV-Leistungen finanzieren müssen . Wir brauchen mehr Mittel für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, auch für zusätzliche
Stellen . Wir brauchen mehr Geld für Integrationskurse .
Wir brauchen mehr Geld für die Bundespolizei . Ich sage
das deswegen, damit deutlich wird, dass nicht nur Länder
und Kommunen zusätzliche Bedarfe und Kosten haben,
sondern auch der Bund . Das wird teilweise schon im
Nachtragshaushalt geregelt; überwiegend wird das aber
Teil der Beratungen zum Bundeshaushalt 2016 sein .
Bezüglich der Finanzhilfen für die Länder haben wir
uns, was sich auch in diesem Gesetzentwurf widerspiegelt, auf ein Finanzierungsmodell verständigt, das, bezogen auf eine bestimmte zu erwartende Anzahl von Asylantragstellern, bezogen auf die Dauer der Verfahren und
bezogen auf jeden einzelnen Asylbewerber - ein atmendes, strukturelles, dynamisches Finanzierungsmodell -,
sicherstellt, dass wir uns - das haben wir uns jedenfalls
vorgenommen - zwischen Bund und Ländern in Zukunft
nicht mehr darüber streiten .
Herr Minister, denken Sie ein bisschen an die Zeit .
Ich bin sofort fertig . - Dazu kommen 350 Millionen
Euro zur Finanzierung unbegleiteter Minderjähriger und
500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau, nicht
nur für Flüchtlinge, sondern für alle, die den sozialen
Wohnungsbau benötigen .
Das ist, Herr Präsident, in groben Zügen der Inhalt des
Gesetzentwurfs .
Vielen Dank . - Die erste Nachfrage hat der Kollege
Wunderlich .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, ein Bundessozialrichter hat bereits öffentlich erklärt, dass Kürzungen des Existenzminimums mit migrationspolitischer
Begründung verfassungswidrig und ein offener Verstoß
gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem
Jahre 2012 sind . Da sind sich eigentlich alle Fachleute
einig . Wenn man jetzt schaut, welche Begründung für die
Kürzung im Gesetzentwurf steht, dann findet man nichts.
Deswegen frage ich mich: Wie kann es sein, dass sich die
Bundesregierung mit diesem maßgeblichen Urteil zu den
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht
einmal auseinandersetzt? Und deswegen muss ich Sie
heute hier fragen: Wie begründen Sie diesen offenen Verstoß gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Existenzminimum aus migrationspolitischen
Gründen zu kürzen?
Ich halte das nicht für einen Verstoß gegen die Verfassung und auch nicht für einen Verstoß gegen dieses
Urteil,
({0})
wobei man sagen muss, dass dieses Urteil natürlich auf
einem anderen Sachverhalt beruht und wir jetzt ganz andere Dimensionen des Problems haben .
Es ist so, dass das Existenzminimum für ein legales
Leben in Deutschland vorgesehen ist .
({1})
Wenn aber jemand dieses Land verlassen muss - nach
Vorliegen aller Voraussetzungen wie Entscheidung der
Härtefallkommission oder in einem Gerichtsverfahren
sowie Fristsetzung usw . -, dann ist nicht einzusehen, dass
er finanziell in gleicher Weise behandelt wird wie derjenige, der legal in unserem Land lebt .
({2})
Das ist die erste Begründung .
Das Zweite ist: Der Vergleichsmaßstab bezieht sich
nicht nur auf die bisherigen Leistungen, sondern auch
auf andere Gruppen . Zum Beispiel ist es so, dass mitnichten alle EU-Bürger, die in unserem Land leben und
es nicht verlassen wollen, ein Existenzminimum nach
Asylbewerberleistungsgesetz oder etwas Vergleichbares
gewährt bekommen; sie erhalten zum Teil keine Leistungen . Insbesondere vor dem Hintergrund eines Vergleichs
mit den EU-Bürgern, die keine Leistungen erhalten - obwohl für EU-Bürger legaler Aufenthalt, Freizügigkeit
und all das gilt -, sehe ich einer Auseinandersetzung vor
dem Bundesverfassungsgericht mit Zuversicht entgegen .
({3})
Frau Keul .
Vielen Dank . - Mir war ganz neu, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von einer zahlenmäßigen Dimension abhängig gemacht werden kann .
Meine Frage zielt in eine ähnliche Richtung . Was die
vollziehbar Ausreisepflichtigen betrifft, habe ich mal
nachgefragt: Allein in Niedersachsen sind von 14 000
Ausreisepflichtigen etwa 10 000 geduldet. So bleiben immer noch 4 000 Menschen, die schon jetzt bei uns leben .
Sind die dann jetzt auch unmittelbar mit Inkrafttreten des
Gesetzes von der Kürzung der ihnen bewilligten Leistungen betroffen?
Ich will, Frau Keul, zunächst etwas zu Ihrer Vorbemerkung sagen . Bezogen auf seine Rechtsprechung
zum Familienbegriff sagt das Bundesverfassungsgericht
selbst, dass sich die Rechtsprechung im Lichte der Lebenssachverhalte, die sich in Deutschland entwickeln,
verändert . Das ist so bei Verfassungsrechtsprechung, und
auch hier wird es so sein .
Jetzt zur Frage der vollziehbar Ausreisepflichtigen. Es
geht natürlich nicht um alle hier Geduldeten, sondern es
geht um diejenigen, denen eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder bei denen diese abgelaufen ist . Einer,
der hier geduldet ist, der ist hier eben geduldet und nicht
vollziehbar ausreisepflichtig.
({0})
Es gab da wohl ein Missverständnis: Die Frage bezog
sich insbesondere auf die nicht Geduldeten .
Wenn sie vollziehbar ausreisepflichtig sind, gilt es für
sie selbstverständlich auch .
Herr Brunner .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Minister, meine
Frage bezieht sich auf den Problemkreis der Erweiterung
der Liste der sicheren Herkunftsstaaten . Ich halte es für
richtig und notwendig, angesichts der hohen Zahl der
Flüchtlinge in diesem Bereich keine zusätzlichen Anreize zu schaffen . Zweifelsohne: Bezogen auf die Staaten
des Westbalkans ist es die richtige Entscheidung, sie in
die Liste aufzunehmen . In vielen Staaten sind die Bürgerinnen und Bürger nicht einer politischen Verfolgung
ausgesetzt . Nichtsdestotrotz möchte ich Sie fragen: Wie
wird beim Bundesamt und bei den entsprechenden Behörden sichergestellt, dass der Personenkreis, der in den
entsprechenden Staaten nicht politisch, sondern wegen seiner ethnischen Herkunft oder seiner sexuellen
Orientierung verfolgt wird und deswegen Zuflucht in
der Bundesrepublik Deutschland sucht, ein entsprechendes ordnungsgemäßes Verfahren in der Bundesrepublik
Deutschland erhält, politisches Asyl bekommt und nicht
in die Heimatstaaten abgeschoben wird?
Herr Abgeordneter, wir haben hinsichtlich der Einstufung als sicheres Herkunftsland eine geltende Regelung
zur Rechtsfolge . Danach bleibt es bei einer individuellen
Prüfung, die allerdings schneller und einfacher erfolgt .
Das zeigt sich auch daran, dass die Anerkennungsquote
nicht null ist, aber eben sehr, sehr niedrig, in einer Größenordnung von 1 bis 2 Prozent . Damit ist Ihre Frage
schon positiv beantwortet .
Ich will aber gerne noch hinzufügen, dass wir auf
dem Flüchtlingsgipfel ebenfalls festgehalten haben - das
muss jetzt aber nicht Teil des Gesetzes sein -, dass wir
mit und in den Westbalkanstaaten Hilfsmaßnahmen ergreifen wollen, damit die besonders schlechte Situation
etwa der Roma dort besser wird .
Frau Jelpke .
Vielen Dank . - Herr Minister, heute Morgen im Morgenmagazin hat Ihr Kollege Hermann aus Bayern angekündigt, direkt an den Grenzen Asylverfahren durchführen zu wollen . Er hat darüber hinaus angekündigt
bzw . angedroht, die Flüchtlinge jetzt nach Berlin durchzuleiten, damit Berlin einmal sehe, in welcher schwierigen Lage Bayern sei . Ich möchte Sie fragen, wie Sie zu
diesem Verhalten stehen. Steht hier eine „Orbanisierung“
durch das Land Bayern bevor, bzw . wie ist das verfassungsrechtlich zu bewerten, wenn bereits an den Grenzen
Schnellverfahren und Abweisungen stattfinden? Nach
meiner Information ist es schon jetzt so, dass in Bayern
JVAs in Abschiebegefängnisse umgewidmet werden .
Welche Auffassung vertreten Sie dazu, auch vor dem
Hintergrund des Gesetzesverfahrens?
Ich möchte zu beiden Punkten etwas sagen .
Zum ersten Punkt . Eine Regelung über ein sogenanntes Landgrenzenverfahren wäre nach der jetzigen deutschen Rechtslage nicht möglich. Wir sind aber verpflichtet, zwei EU-Richtlinien umzusetzen: eine sogenannte
Aufnahmerichtlinie und eine Asylverfahrensrichtlinie .
In der zweiten ist eine Ermächtigung aller europäischen Staaten vorgesehen, ein solches Landgrenzenverfahren - wenn sie das für richtig halten - einzuführen .
Wir haben ein solches Verfahren an den Flughäfen . Wir
müssen politisch darüber diskutieren, ob wir das auch
in Deutschland wollen . Meine persönliche Meinung
dazu kennen Sie . Aber da ich hier die Bundesregierung
im Ganzen vertrete, sage ich Ihnen, dass dazu der Meinungsbildungsprozess in der Bundesregierung noch nicht
abgeschlossen ist .
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich klar Folgendes sagen: Wenn es ein Bundesland gibt, das sich in besonderer
Weise solidarisch verhält, das in besonderer Weise die
Lasten der Aufnahme zu tragen hat und auch trägt, und
zwar weit über den Königsteiner Schlüssel hinaus, dann
ist es der Freistaat Bayern - das muss man wirklich einmal deutlich sagen - mit einer erstklassigen Verwaltung
und vielen Ehrenamtlichen .
({0})
Wir haben ja jetzt einen genauen Einblick in die Verteilung . Es ist ziemlich oft so, dass sich manche Länder
weigern oder sich nicht imstande sehen, eine bestimmte,
sehr große Anzahl von Flüchtlingen, die mit Zügen oder
Bussen zu uns kommen, aufzunehmen . Bayern hat sich
bereit erklärt, auch diese noch aufzunehmen - obwohl
sie bereits mehr aufnehmen, als nach dem Königsteiner
Schlüssel vorgesehen -, in der Hoffnung, dass sie ein,
zwei Tage später verteilt werden . Wenn dann der bayerische Innenminister darauf hinweist, dass das nicht ewig
so weitergehen kann, dann ist das verständlich und nicht
tadelnswert . Dass alle ihre Verteillast nach dem Königsteiner Schlüssel zu tragen haben, ist eigentlich nur
selbstverständlich .
Darf ich noch einmal an die Redezeit erinnern: jeweils
eine Minute für die Fragen und Antworten . - Nächste
Frage: Frau Pothmer .
Herr Minister, im Gesetzentwurf steht, dass nur die
Menschen Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Sprachkursen und Integrationskursen haben, die
eine sogenannte sichere Bleibeperspektive haben . Jetzt
frage ich mich: Wer stellt das eigentlich fest, dass die
Menschen eine sichere Bleibeperspektive haben? Welche
Kriterien werden zugrunde gelegt, um diese Feststellung
zu treffen?
Die Grundentscheidung ist: Wir wollen gerne sehr
früh mit Integration bei denjenigen beginnen, von denen
wir wissen bzw . ahnen, dass sie hierbleiben . Eine hohe
Anerkennungsquote ist dafür ein Indiz . Wir wollen aber
nicht Geld ausgeben für diejenigen und auch keine Illusionen wecken bei denjenigen, bei denen so gut wie
klar ist, dass sie unser Land verlassen müssen . Das ist
ein Pull-Effekt . Wie gesagt, das weckt nur Illusionen und
frustriert auch die Helfer, die sich darum kümmern . Deswegen gehören sicher diejenigen dazu, die aus sicheren
Herkunftsländern stammen .
({0})
- Das müssen wir noch sehen .
Frau Höger .
Vielen Dank . - Ich kann nur anschließen . Sie wollen
ja nicht nur im Vorhinein festlegen, wer eine Chance auf
das Grundrecht auf Asyl hat, um entsprechend auszusortieren, sondern Sie wollen die Flüchtlinge auch länger in
Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen . Diejenigen,
die eine eindeutige Chance auf einen Aufenthaltsstatus
haben, sollen sich dort drei Monate aufhalten, die anderen sechs Monate . Das bedeutet aber erst einmal für alle
eine sehr viel längere Zeit in großen Lagern - es sind
eher kasernierte Unterbringungen -, was die Möglichkeiten der Integration für die Dauer dieses Aufenthalts
völlig verhindert .
Meine Frage zielt vor allen Dingen auf etwas anderes .
Schon jetzt sind diese Einrichtungen völlig überfüllt . Die
Flüchtlinge werden sehr schnell weiterverteilt, weil der
Platz in den Erstaufnahmeeinrichtungen einfach nicht
reicht . Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Plätze in
Zukunft überhaupt da sind? Wie ist das mit beschleunigten Integrationsverfahren vereinbar?
Das haben wir nicht in diesen Gesetzentwurf geschrieben, weil man es da nicht hineinschreiben muss . Aber
wir, Bund und Länder, haben gewisse Ausbaupläne für
Erstaufnahmeeinrichtungen verabredet .
Wir wissen, dass jetzt aufgrund der großen Zahl - in
den letzten Tagen sind jeweils knapp 10 000 Menschen
gekommen; am gestrigen Tag waren es etwas weniger alle Mühe haben, den Menschen ein Dach über dem Kopf
zu bieten; das ist so . Ich kann vor all denen, die diese
Aufgabe stemmen, nur den Hut ziehen . Aber das Ziel ist
dergleichen natürlich nicht .
Ziel ist vielmehr, dass wir Erstaufnahmeeinrichtungen haben, die ein schnelles Verfahren erlauben, die eine
schnelle Unterscheidung zwischen den Schutzbedürftigen und den nicht Schutzbedürftigen erlauben . Gerade
die Kommunen sagen uns, dass sie die Flüchtlinge erst
dann aufnehmen wollen - das ist die gemeinsame Auffassung von Städtetag, Landkreistag und Städte- und
Gemeindebund -, wenn klar ist, dass sie bleiben dürfen .
Genau so wollen wir vorgehen .
Volker Beck .
Herr de Maizière, ich möchte Sie etwas zum Thema
„sichere Herkunftsstaaten“ fragen. Da gibt es ja zwei
Vorschläge: einmal den Gesetzentwurf aus Ihrem Haus
mit den acht sicheren Herkunftsstaaten, Westbalkan plus
Senegal und Ghana, und es gibt zum anderen den Vorschlag der EU-Kommission, die Westbalkanstaaten plus
die Türkei zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären . In
diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen, wie Sie
das angesichts der Situation der Roma vor dem Hintergrund der Anerkennungsrichtlinie für den Westbalkan
rechtfertigen . In Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Qualifikationsrichtlinie der EU heißt es, dass eine kumulative Verletzung von Menschenrechten eine Verfolgung im
Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist .
Ich war in den letzten Jahren wiederholt in Serbien
und habe mir dort Roma-Flüchtlingslager angeschaut .
Dort halten sich die sogenannten unsichtbaren Roma auf:
Das sind Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo, also Kosovo-Roma . Oft waren sie in Deutschland, wurden von dort
in den Kosovo abgeschoben, und sie sind nach Serbien
geflohen, weil ihre Herkunftsdörfer und -städte, in die sie
zurückgeschoben wurden, einfach nicht mehr existieren .
Diese Menschen fühlen sich im Kosovo nicht sicher . Inwiefern verträgt sich diese Einstufung der sicheren Herkunftsstaaten mit der EU-Qualifikationsrichtlinie?
Was Senegal und Ghana angeht, wissen Sie, dass nach
Artikel 10 der EU-Qualifikationsrichtlinie die Verfolgung
von sexueller Orientierung ein Flüchtlingsanerkennungsgrund sein kann . In Senegal und Ghana wird Homosexualität nach dem Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt .
Das Auswärtige Amt führt in seinen Reisehinweisen auf,
dass man als Homosexueller besser nicht in eines dieser Länder fahren sollte, weil dort Verfolgung droht . Wie
sieht die Überprüfung dieser sicheren Herkunftsstaaten sie sind schon lange im Gesetz benannt - aus, wenn nach
der Verfahrensrichtlinie alle zwei Jahre überprüft werden
soll? Hat diese Überprüfung bei Senegal und Ghana vor
der Erstellung des Gesetzentwurfs Ihres Hauses stattgefunden?
Zu Ihrer ersten Frage, Herr Abgeordneter Beck: Die
Lage der Roma ist in den entsprechenden Staaten nicht
gut . Sie entspricht aber nicht politischer Verfolgung,
auch nicht in der Kumulation .
({0})
Das ist die gemeinsame Auffassung des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge und der Gerichte .
({1})
Die Tatsache, dass das kein Tatbestand politischer Verfolgung ist, ist gemeinsame Auffassung aller europäischen
Länder, sodass Sie vielleicht einmal überlegen sollten, ob
und wie lange Sie diese Position noch aufrechterhalten,
zumal vermutlich auch nicht unerhebliche rot-grün regierte Länder dem im Bundesrat zustimmen werden, wie
sie erklärt haben .
({2})
Jetzt zur zweiten Frage . Ihre Frage zu Senegal und
Ghana kann ich aus dem Stand nicht beantworten . Die
Antwort reiche ich Ihnen gerne schriftlich nach . Ich will
Ihnen aber sagen, dass es auch auf Wunsch der Grünen
Teil des Kompromisses ist, dass die Einstufung der sicheren Herkunftsstaaten alle zwei Jahre überprüft wird .
({3})
Dabei spielt die menschenrechtliche Lage in den Staaten
natürlich eine entscheidende Rolle .
Frau Hänsel .
Danke schön . - Herr de Maizière, die Rückkehr zum
Prinzip „Sachleistungen statt Geldleistungen“ für diejenigen, bei denen abzusehen ist, dass sie kein Bleiberecht
erhalten, lässt die Einrichtungen vor Ort stöhnen . Das ist
eigentlich eine weltfremde Entscheidung . In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg, die ich besucht habe, war man heilfroh darüber, dass Sie das Geldleistungsprinzip umgesetzt haben, weil man dadurch den
bürokratischen Aufwand enorm verringern konnte . Ich
finde, es ist ein Unding, dass Sie die Einrichtungen, die
es jetzt ohnehin mit viel mehr Menschen zu tun haben in Meßstetten und Ellwangen haben wir eine drei- bis
vierfache Belegung -, jetzt zwingen, zum Prinzip der
Sachleistungen zurückzukehren . Das ist wirklich aberwitzig . Außerdem kostet das viel mehr . Ich würde gerne
von Ihnen wissen: Wie hoch schätzen Sie den durch die
Rückkehr zum Sachleistungsprinzip bedingten personellen und finanziellen Mehraufwand? Das ist Verschleuderung von Steuergeldern und wirklich eine Zumutung
für die Betroffenen, die mit dem Geld vielleicht gerne
ein Buch oder sonst etwas gekauft hätten . Sie sind, bei
dem bisschen Geld, das sie an Unterstützung bekommen,
fremdbestimmt .
Frau Abgeordnete, natürlich ist die Auszahlung von
Geld unbürokratisch und effektiv . Das ist nur nicht das
alleinige Kriterium. Es gibt einen Zielkonflikt: Einerseits
sind Geldleistungen unbürokratisch und effektiv; andererseits sind sie ein Anreiz, weil genau dieses Geld dem
Schlepper gezahlt werden kann, weil dieses Geld in das
Heimatland geschickt werden kann oder für Dinge ausgegeben werden kann, für die es nicht vorgesehen ist . Wir
diskutieren streitig über den Pull-Effekt des Taschengeldes . Ich kann nur sagen, dass der serbische Ministerpräsident uns dringend sagt, dass ein Taschengeld für drei,
vier Personen von 500 bis 600 Euro für die serbische Bevölkerung einen Pull-Effekt darstellt .
Deswegen haben wir einen Kompromiss geschlossen - auch mit dem Ministerpräsidenten des Landes
Baden-Württemberg -, der Folgendes vorsieht: In Erstaufnahmeeinrichtungen soll, soweit verwaltungsmäßig
vertretbar - so ist, glaube ich, in etwa die Formulierung -,
das Taschengeld in Form von Sachleistungen oder Wertgutscheinen vergeben werden . In den Gemeinschaftseinkünften kann so verfahren werden . Das ist also eine
Sollregelung - mit einer Abwägungsmöglichkeit in Bezug auf den verwaltungsmäßigen Aufwand - bzw . eine
Kannregelung. Ich finde, das ist eine klare Botschaft, und
so wird es den Ländern trotzdem ermöglicht, die Regelung mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand anzuwenden .
Darf ich uns zwischendurch einmal im Interesse der
Verständlichkeit für die interessierte Öffentlichkeit empfehlen, dass wir statt von „Pull-Effekten“, Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern:
Sogeffekte .
- „Push-Effekten“ und „Hotspots“ von den Sachverhalten reden, die wir damit meinen?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Das nehme ich gerne an .
Die Kollegin Klein-Schmeink stellt die nächste Frage .
Herr Minister, viele Asylsuchende leiden unter den
Erfahrungen, die sie im Bürgerkrieg oder während der
Flucht gemacht haben . Viele erlitten dadurch Traumata
und sehr schwerwiegende psychische Störungen . Für die
Gruppe der Asylsuchenden, die länger als 15 Monate in
Deutschland sind, sehen Sie jetzt dankenswerterweise
die Möglichkeit einer besseren psychologischen Betreuung vor . Für mich stellt sich die Frage: Warum nur für
diesen Personenkreis? Alle wissen, dass es ohne Behandlung zu Chronifizierungen, also zu dauerhaften Schäden,
kommen kann . Ferner wissen wir, dass die Integration
dadurch beeinträchtigt wird und diese schwerwiegenden
Erkrankungen durch den Aufenthalt in großen Einrichtungen massiv verstärkt werden können . Auch wissen
wir, dass der Aufenthalt in solchen Einrichtungen ein
Auslöser für die Krankheit sein kann . Was schlagen Sie
vor, um der Gruppe derjenigen, die noch keine 15 Monate in Deutschland sind, eine wirksame Hilfe zuteilwerden
zu lassen?
Ich habe mich gerade rückversichert, weil ich in der
Frage fachlich nicht so fit bin; dafür bitte ich um Verständnis . Deswegen kann ich Ihnen die Frage nicht abschließend beantworten .
Jedenfalls haben wir eine deutliche Verbesserung der
gesundheitlichen Versorgung, weil wir erstmalig auch
die Behandlung solcher Traumata in den Leistungskatalog aufnehmen . Eine Verbesserung gibt es auch beim
Impfschutz .
Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir die Fähigkeiten
von Asylbewerbern, etwa aus Syrien, gerade im medizinischen Bereich auch zur Betreuung der Asylbewerber
selbst nutzen . Dabei gibt es Anerkennungsprobleme und
vieles andere mehr, aber ich halte das für ein wichtiges
Element . Ich weise auch darauf hin, dass von den unbegleiteten Minderjährigen besonders viele unter Traumata
leiden . Das ist insgesamt ein sehr schwieriges Thema .
Die Antwort auf die Frage nach der Differenzierung
„bis 15 Monate“ bzw. „nach 15 Monaten“ würde ich gerne schriftlich nachreichen .
Ich würde gern, Herr Präsident, Ihre Anregung aufgreifen und erklären: Pull-Effekt heißt Sogeffekt . Wenn
man Maßnahmen ergreift, die ein Land besonders attraktiv machen, dann löst allein diese Attraktivität einen
Sog aus, in dieses Land zu kommen . Das nennt man neudeutsch Pull-Effekt .
Das Schöne an dieser Klarstellung ist, dass es die
tröstliche Gewissheit vermittelt, dass im Deutschen
Sachverhalte ähnlich kurz und präzise beschrieben werden können wie im Englischen auch, sodass die Notwendigkeit gar nicht besteht, sich an dieser Stelle anderswo
zu bedienen .
({0})
Wohl war .
Frau Binder .
Herr Minister, mir will eines nicht in den Kopf . Mir
ist nicht klar, was uns daran hindert, Flüchtlingen aus
Ländern wie Syrien, Irak oder Eritrea, bei denen die Anerkennungsquote bei 99 bis 100 Prozent liegt, die Möglichkeit zu eröffnen, beispielsweise bei Bekannten oder
Verwandten, die bereits in Deutschland sind, zu wohnen
oder tatsächlich eine eigene Wohnung anzumieten, um
die Gemeinden, die Anwohnerinnen und Anwohner, die
im Umfeld einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, und
auch die Beschäftigten in diesen Einrichtungen zu entlasten . Ich denke, es wäre für viele Menschen eine Erleichterung, wenn sie sich selbst eine Unterkunft suchen
könnten . Das wäre gleichzeitig auch eine Entlastung für
die Menschen, die im Umfeld einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, die dadurch, dass dort Hunderte oder
Tausende von Menschen auf einen Schlag in einer Massenunterkunft zusammengepfercht werden, auch einer
extremen Belastung ausgesetzt sind . Was hindert uns daran, hierbei eine andere Vorgehensweise zu wählen?
Frau Abgeordnete, das hört sich nur auf den ersten
Blick überzeugend an . Ich habe darüber auch mit Pro
Asyl schon viel diskutiert .
Erstens müssen wir feststellen, ob es sich um einen
Syrer handelt . Das hört sich einfach an, ist aber nicht immer einfach, weil zum Teil keine Dokumente vorliegen
und etliche behaupten, Syrer zu sein, ohne es tatsächlich
zu sein .
Das zweite Argument ist: Wir müssen die großen Lasten, die mit einer solch großen Zahl von Asylbewerbern
verbunden sind, fair zwischen den Bundesländern aufteilen . Die syrischen Gemeinden - jetzt hätte ich fast
gesagt, Herr Präsident: die syrischen Communitys -, in
denen es viele Syrer gibt, haben natürlich eine größere
Anziehungskraft als Gemeinden, in denen es keine Syrer gibt. Würden wir aber sagen: „Da dürfen alle sofort
hin“, dann hätten wir eine derartige Sonderbelastung der
Ballungsgebiete, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen
und anderswo,
({0})
dass das mit einer fairen Lastenverteilung in Deutschland - insbesondere während des Asylverfahrens - meines Erachtens nicht vereinbar ist .
({1})
Frau Haßelmann .
Danke, Herr Präsident . - Herr Minister, zum einen
habe ich Ihre Ausführungen zum Sachleistungsprinzip
im Gesetz so nicht gefunden . Ich wäre daran interessiert,
dass Sie mir die Fundstelle nennen .
Meine eigentliche Frage bezieht sich auf Ihre Formulierung hinsichtlich des „atmenden Finanzierungssystems“ .
Ja .
Kann man das so verstehen, dass Sie sagen, die Finanzierungsvereinbarung beläuft sich am Ende klar auf eine
Spitzabrechnung?
Ich habe gerade in meinen Unterlagen geblättert, kann
das jetzt jedoch nicht gleichzeitig machen . Das klären
wir, wenn Sie einverstanden sind, bilateral .
Ich habe das politische Dokument zitiert: „Soll, soweit verwaltungsmäßig vertretbar“, oder so ähnlich, und
„kann“ bei den anderen.
({0})
Zur zweiten Frage: Es ist in der Tat eine Spitzabrechnung vorgesehen . Der Mechanismus ist, dass die Länder
Abschläge bekommen und im Folgejahr spitz abgerechnet wird . Wenn es im Laufe des Jahres erhebliche Differenzen gibt, dann kann man darüber reden . Es ist besprochen worden, dass man zwischendurch Abschläge
verringert oder erhöht oder einen Ausgleich vornimmt .
Aber die Spitzabrechnung war ein besonderer Wunsch
der Länder .
Herr Präsident, Spitzabrechnung ist auch ein Ausdruck, den ich vielleicht erklären sollte . Das bedeutet:
Es gibt Geld pro Asylbewerber, und zwar in einem bestimmten Land; denn in einem Bundesland dauern die
Verfahren wegen des BAMF oder der unterschiedlichen
Herkunftsstaaten der Asylbewerber länger als in einem
anderen Land . Das soll nicht mit einem Durchschnitt
nivelliert werden, sondern es gibt im Nachhinein eine
Spitzabrechnung pro Asylbewerber pro Bundesland .
Frau Keul .
Erlauben Sie eine kurze Vorbemerkung zu dem eingangs zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts .
Herr de Maizière, Sie als Verfassungsminister wissen genauso wie ich, dass dieses Urteil auf Artikel 1 Grundgesetz beruht und dass es sich mit Artikel 1 genauso verhält
wie mit Artikel 16 . Beide kennen keine Obergrenzen . Ich
verweise nur auf das Zitat der Kanzlerin .
({0})
Meine eigentliche Frage knüpft an die Frage der Kollegin Pothmer an . Wir lesen ja in der Begründung - im
Gesetz leider nicht, weil Sie da auf eine Verordnung verweisen -, dass die Integrationsleistungen denen zur Verfügung stehen sollen, deren Antrag auf Asyl voraussichtlich Erfolg haben wird . Ich frage mich: Wie wollen Sie
diese Erfolgsaussichten feststellen? In einem gesonderten Verfahren? Wir haben doch im Augenblick schon genug zu tun, überhaupt das Asylverfahren voranzutreiben .
Jetzt muss dann quasi im Vorverfahren des Asylverfahrens geprüft werden, ob das Asylverfahren gute Aussichten auf Erfolg hat, oder wie muss ich mir das praktisch
vorstellen?
Nein, das wird man sicherlich an die Nationalität
knüpfen, an die Anerkennungsquoten und die Erfahrung,
die man gemacht hat . Ein zusätzliches Verfahren ist nicht
beabsichtigt .
Frau Höger .
Meine Frage bezieht sich erneut darauf, dass Sie in
Ihrem ganzen Gesetzesvorhaben besonderen Wert darauf
legen, Flüchtlinge vom Westbalkan abzuschrecken, damit sie gar nicht erst kommen . Jetzt zeigt aber die aktuelle Anzahl von Asylanträgen, dass die Asylanträge dieser
Flüchtlinge höchstens 10 Prozent ausmachen . Dadurch,
dass Sie dieses ganze bürokratische Verfahren einführen,
haben Sie weniger Zeit und Geld für die anderen Flüchtlinge, die wirklich unsere Hilfe brauchen . Obwohl es sich
um einen ganz kleinen Teil der Flüchtlinge handelt, legen
Sie so großen Wert auf Abschreckung und Diskriminierung . Ist das nicht völlig an der Realität vorbei?
Nein . Erstens ist es so, dass die Relation, der Anteil
derer, die aus den Westbalkanstaaten kommen, geringer
geworden ist . Das stimmt . Die absolute Zahl ist aber immer noch so, dass wir von ein paar Tausend pro Woche
reden . Versetzen wir uns einmal in das Frühjahr: Wären
damals ein paar Tausend Albaner pro Woche gekommen,
würden wir hier ganz anders diskutieren .
Zweitens kommt hinzu, dass wir noch aus dem ersten Halbjahr sehr viele Verfahren und abgelehnte Asylbewerber, also Entscheide des BAMF, haben, wo es noch
keinen Vollzug gibt . Es geht dabei um etwa 60 000 oder
mehr . Wenn wir das nicht ändern, lösen wir möglicherweise wieder einen Sogeffekt aus, weil dann viele sagen:
Na ja, wenn die nicht zurückkommen, dann kann ich
vielleicht trotzdem noch dorthin gehen . - Von daher ist
das eine Maßnahme zur Umsetzung der Verfahren, die
wir haben, aber auch eine präventive Maßnahme für die
Zukunft .
Volker Beck .
Wir sind uns ja bei allen Differenzen über konkrete
Punkte in diesem Gesetz einig, dass wir schnellere Asylverfahren brauchen, um schneller zu entscheiden, wer
bleiben darf und wer am Ende gehen muss . Mich wundert, dass in Ihrem Gesetzentwurf nichts Substanzielles
zu einer Beschleunigung der Verfahren enthalten ist, zum
Beispiel Vorschläge zur Behandlung von Asylanträgen
von Menschen aus Staaten mit hoher Anerkennungsquote - man könnte Gruppenverfahren machen - oder
eine Finalisierungsregelung zur Lösung von Altfällen,
bei denen wir ewig lange Verfahren haben und wissen,
dass wir die Leute am Ende des Verfahrens sowieso nicht
wegschicken werden . Warum gibt es da keine Verfahrensvereinfachung, die dem Bundesamt die Möglichkeit
gibt, bei den schwierigeren Fällen mit der notwendigen
Sorgfalt und rechtsstaatlichen Qualität zu prüfen?
Mir ist angesichts der hohen Zahl nicht klar, wie man
Flüchtlingen aus Ländern gerecht werden will, in denen
die Menschenrechtslage hoch volatil ist, zum Beispiel
Kongo, Äthiopien, Nigeria .
Lieber Herr Beck, schauen Sie einmal auf die Zeit .
Dort sind schwierige Sachverhalte wie die kumulative
Verfolgung, die nicht so einfach festzustellen ist, zu prüfen . - Punkt, Herr Präsident .
Schön .
({0})
Herr Beck, natürlich gibt es in dem Gesetz verfahrensmäßige Beschleunigungen . Ich halte zum Beispiel die
Verpflichtung, sich, wenn die Kapazität zur Verfügung
steht, für eine gewisse Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufzuhalten, für eine verfahrensbeschleunigende
Maßnahme .
({0})
Im Übrigen gilt der alte Grundsatz: Man soll nicht etwas ins Gesetz schreiben, wenn es nicht nötig ist, etwas
ins Gesetz zu schreiben . Wir ergreifen viele verfahrensbeschleunigende Maßnahmen, aber wir tun dies untergesetzlich . So haben wir etwa entschieden, bei syrischen
Antragstellern praktisch nur noch ein schriftliches Verfahren durchzuführen . Ich muss allerdings Wert darauf
legen, dass die Identitätsfeststellung präzise erfolgen
muss, auch aus Sicherheitsgründen . - Ich freue mich,
dass Sie da nicken; denn das ist ein wichtiger Punkt, der
manchmal, ehrlich gesagt, etwas Zeit kostet .
Wir haben außerdem vier Entscheidungszentren gegründet, in denen einfach gelagerte Fälle schnell entschieden werden . Zur Beschleunigung der Verfahren
wird es beim BAMF, beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge, zusätzliche Stellen geben; wir werden sie
im Rahmen des Haushaltsverfahrens schaffen, sie aber
nicht in dieses Gesetz hineinschreiben . Ein weiteres Beispiel ist das neue IT-Verfahren; dazu finden Sie etwas im
Nachtragshaushalt .
Es gibt also eine ganze Reihe von beschleunigenden
Maßnahmen, von denen wir einige ins Gesetz aufgenommen haben . Manche haben wir aber nicht im Gesetz erwähnt, vor allen Dingen deshalb nicht, weil wir sie gar
nicht in ein Gesetz hinschreiben müssen, sondern diese
Aufgaben durch gutes Verwaltungshandeln erledigen .
Wir haben jetzt das Ende der vorgesehenen Gesamtdiskussionszeit erreicht . Ich habe mir noch Wortmeldungen von Frau Stamm-Fibich, Frau Klein-Schmeink,
Stephan Mayer und Herrn Wendt notiert, die ich noch
aufrufe . Können wir damit dann die Wortmeldeliste zu
diesem Themenkomplex schließen? - Ich bedanke mich .
Frau Stamm-Fibich .
Herr Minister, wir als SPD-Bundestagsfraktion begrüßen außerordentlich, dass eine Rahmenvereinbarung geschaffen wurde, um den Asylbewerbern die elektronische
Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen . Ich möchte
Ihnen dazu eine Frage stellen . In der Bevölkerung ist
nämlich aufgrund einiger Äußerungen ein bisschen Unsicherheit aufgekommen . Wenn sich ein Bundesland
entscheidet, diese Karte auszugeben, erfolgen die entsprechenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und es sind nicht, wie irrtümlich kundgetan
wird, normale Leistungen der Versichertenkarte . Können
Sie das so bestätigen, bitte?
Ja, Frau Kollegin, das möchte ich ausdrücklich bestätigen - ich will das gerne auch öffentlich hervorheben -: Die Gesundheitskarte soll eine Erleichterung für
die Länder sein, die sie nutzen; sie bedeutet aber keine
Leistungsverbesserung . Nach jetziger Rechtslage ist es
so, dass bei Asylbewerbern im Vergleich zu anderen das
Niveau der Gesundheitsversorgung geringer ist . Das ist
übrigens insbesondere beim Zahnersatz ein wichtiges
Thema .
Viele sagen oder befürchten - öffentlich oder halböffentlich -, dass es möglich ist, dass jemand, der etwa
aus einem Westbalkanstaat kommt, das Verfahren verzögert, die vollen Gesundheitsleistungen ausnutzt, vor
der Ablehnung zurückgeht und vielleicht ein halbes Jahr
später wiederkommt; dies wiederum hätte einen Sogeffekt . Wir allerdings wollen in den Ländern, die diese
Karte nutzen, für bürokratische Erleichterungen sorgen .
Deswegen ist im Gesetz vorgesehen, dafür Vorsorge zu
treffen, dass auch bei Nutzung einer solchen optionalen
Gesundheitskarte das Leistungsniveau demselben abgesenkten Niveau wie bisher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entspricht . Das heißt, es ist geringer als
bei den normalen Versicherten im gesetzlichen Versicherungssystem .
Frau Klein-Schmeink .
Ich würde da gerne anknüpfen und Sie etwas fragen .
In einigen Bundesländern wird die Gesundheitskarte für
Flüchtlinge ja schon genutzt . Auch in Bremen, Hamburg
und NRW gibt es eine solche Vereinbarung . Haben diese
Vereinbarungen Bestand?
In der Tat haben wir darüber diskutiert: Warum brauchen wir eigentlich eine Bundesregelung, wenn die Länder es auch jetzt schon so machen können? Alle waren
sich aber einig: Es soll ein bundesgesetzlicher Boden
für diese Rahmenvereinbarung bereitet werden . Meine
Antwort lautet: Wenn die bisherigen Vereinbarungen
dem Boden, den das Bundesgesetz schafft, entsprechen,
muss man sie nicht ändern . Anderenfalls muss eine entsprechende Vereinbarung in einem Land an die bundesgesetzliche Regelung angepasst werden .
Stephan Mayer .
Sehr geehrter Herr Minister, die Bundesregierung
legt mit diesem Gesetzentwurf ein sehr umfangreiches
Paket vor: Standardabweichungen werden geregelt, das
Asylbewerberleistungsgesetz und das Asylverfahrensgesetz werden novelliert, und außerdem wird die zukünfBundesminister Dr. Thomas de Maizière
tige umfangreiche finanzielle Unterstützung der Länder
durch den Bund geregelt .
Herr Minister, mich würde interessieren, welche Erwartungshaltung die Bundesregierung gegenüber den
Ländern hat, ihrerseits auf landesgesetzlicher Ebene
Veränderungen vorzunehmen, zum Beispiel in puncto
Standardabweichungen und darüber hinaus - ich denke
hier an Stellenmehrungen bei den Ausländerbehörden
und den Verwaltungsgerichten - im personellen Bereich?
Außerdem geht es mir um das Verhalten einiger Länder .
Ich spreche hier ganz bewusst die Praxis in SchleswigHolstein und Thüringen an, die im Winter letzten Jahres
auf Abschiebungen verzichtet haben .
Herr Abgeordneter, zunächst gibt es ja im Bundesgesetz einige Regelungen, durch die das, was Sie angesprochen haben, in Zukunft verhindert wird . So darf etwa
die Aussetzung der Abschiebung nicht länger als für drei
Monate erfolgen . In den Sitzungen hat ein Ministerpräsident gesagt, es solle in Zukunft keinen Winterabschiebeerlass mehr geben . Wir werden dann sehen, wie sich das
umsetzen lässt .
Das politische Papier vom letzten Donnerstag - nicht
der Gesetzentwurf - enthält aber auch Verpflichtungen
der Länder . Es sind also keine rechtsverbindlichen, aber
politische Verpflichtungen. Es geht darum, die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte so mit Personal auszustatten, dass etwa schnellere Verfahren des
BAMF möglich sind . Das hat ja auch Folgen für die Ausländerbehörden und andere - bei negativen Entscheidungen auch für die Gerichte . Das muss dann entsprechend
umgesetzt werden, und ich habe die sichere Zuversicht,
dass die Länder ihre Verpflichtungen insoweit einhalten.
Es gibt dann noch einen sehr interessanten Punkt:
Auch in Bezug auf die Verwaltungsgerichte haben wir in
dem Gesetzentwurf das eine oder andere geregelt . Darüber hinaus enthält auch das politische Papier noch einen
Prüfauftrag . Es gilt zu prüfen, ob nicht auch durch bessere Verfahren bei den Verwaltungsgerichten ein denkbares Nadelöhr im Anschluss an schnellere Verfahren
beim BAMF besser geschlossen werden kann . Ich setze
darauf, dass die Länder das schnell umsetzen .
Kollege Wendt .
Herr Minister, das Gesetz heißt „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ . Am Ende eines Asylverfahrens
steht die Entscheidung, ob die entsprechende Person
hierbleiben darf oder das Land zu verlassen hat .
Für den Fall einer Abschiebung habe ich folgende
Fragen: Vielleicht können Sie noch einmal aufführen,
welche konkreten Maßnahmen jetzt anstehen, um die
Abschiebungen zu beschleunigen . Was halten Sie von
dem Gedanken einiger Länder, zum Beispiel Thüringens,
die Verantwortung für die Abschiebung auf die Landkreise zu delegieren? Demgegenüber sind wir der Meinung,
dass eine bundeseinheitliche Koordination besser ist . Vor
allen Dingen: Wie soll sich künftig die Kooperation mit
den Ländern gestalten, die die Flüchtlinge wieder zurücknehmen sollen?
Herr Abgeordneter, es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die ich jetzt aus Zeitgründen gar nicht erwähnen
kann .
Die Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern
sollen möglichst bis zum Schluss der Verfahren in den
Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, von wo aus sie
dann in ihr Land zurückkehren können oder abgeschoben
werden . Wir haben auch erklärt, dass die Bundespolizei
dabei engagiert hilft .
Das Nächste ist, dass keine Abschiebung länger als
für drei Monate ausgesetzt werden darf . Außerdem wird
die bisherige sehr weitgehende Ankündigung von Abschiebungen eingeschränkt . Darüber hinaus erfolgt gegebenenfalls eine Konzentration im Rechtsschutz; darüber
habe ich eben schon gesprochen .
Schließlich ist das Thema Passersatzbeschaffung zu
nennen . Wir wollen mit dem EU-Laissez-Passer-Verfahren - das steht nicht in diesem Papier; dafür weiß ich jetzt
auch keine schöne Übersetzung - die Möglichkeit eröffnen, auch ohne einen Pass ausreisen zu können, und zwar
mit einem EU-Dokument . - So kurz ist die Übersetzung
jetzt nicht, aber so ist es vielleicht verständlich .
Beispielsweise Erlaubnisverfahren .
Ja, das ist zu 80 Prozent richtig beschrieben . - Ein solches Verfahren erübrigt die mühsame Passersatzbeschaffung . Das wollen wir mit den entsprechenden Ländern
vereinbaren .
Es gibt hier also eine ganze Reihe von Maßnahmen .
Man muss auch nicht immer nur abschieben . Ich halte
auch sehr viel von einer freiwilligen Rückkehr und von
Hilfen zur freiwilligen Rückkehr, wenn es nicht übertrieben ist . Bezogen auf die sicheren Herkunftsländer haben
wir zum Beispiel gesagt: Derjenige, der in diesem Jahr
gekommen ist und jetzt geht, der kann auch von der legalen Migration Gebrauch machen, wenn er die Voraussetzungen erfüllt . Ich glaube, das ist auch ein wichtiger
Anreiz .
Vielen Dank, Herr Minister . - Ich frage Sie, ob es
noch Fragen zu anderen Themen der gestrigen Kabinettssitzung gibt? - Das ist nicht der Fall . Gibt es sonstige
Fragen an die Bundesregierung? - Dazu sehe ich jedenfalls im Augenblick auch keine Wortmeldung . Dann beende ich damit die Regierungsbefragung .
Stephan Mayer ({0})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/6136
Die Fragen werden in der Ihnen bekanntgegebenen
Reihenfolge der Ressorts aufgerufen .
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Hier
steht der Kollege Norbert Barthle, Parlamentarischer
Staatssekretär im zuständigen Ministerium, für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung .
Wir kommen zur Frage 1 des Kollegen Alexander
Neu . - Er ist gar nicht da?
({1})
- Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen . Damit entfällt die Antwort . Herr Staatssekretär,
dann kommen Sie vergleichsweise leicht weg .
Die Frage 2 der Kollegin Tabea Rößner wird ohnehin
schriftlich beantwortet .
Wir kommen zu den Fragen 3 und 4 des Kollegen
Matthias Gastel . - Auch er ist nicht da . Es wird verfahren
wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Herbert
Behrens:
Welche Auswirkungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung als Vertreterin des Gesellschafters Bund in der
Gesellschafterversammlung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH ({2}) und vertreten im Aufsichtsrat durch zwei
Staatssekretäre der derzeit verhängte Baustopp am Flughafen
Berlin Brandenburg auf den geplanten Eröffnungstermin im
Jahr 2017, und mit welchen Mehrkosten ({3}) ist angesichts der festgestellten Statikprobleme zu rechnen?
Sehr verehrter Kollege Behrens, die Vorhabenträgerin
FBB hat angegeben, bis Mitte Oktober 2015 eine endständige Lösung für die mit dem derzeitigen Baustopp
verbundenen vorhandenen Fragen zu erarbeiten . Vorher
können die zeitlichen und kostenmäßigen Auswirkungen
aus Sicht der Bundesregierung nicht zuverlässig eingeschätzt werden .
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, wir haben uns ja zu einem früheren Zeitpunkt über die Folgekosten des Stillstands am
BER unterhalten . Ich weiß nicht, ob das vor Ihrer Zeit
gewesen ist: Es standen Zahlen zwischen 10 und 50 Millionen Euro, die pro Monat Bauverzögerung an Kosten
anfallen, im Raum . Es gibt relativ gesicherte Aussagen,
dass zumindest mit 25 Millionen Euro pro Monat als Folgen eines Stillstands am Bau gerechnet werden muss .
Können Sie diese Zahlen bestätigen? Würde das aus
Ihrer Sicht nicht dazu führen, dass diese Bauverzögerungen unter Umständen der EU gemeldet werden müssten,
die sich derzeit im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens mit dieser Frage beschäftigt?
Ihre letzte Frage stimmt mit der Frage 6 überein . Wir können derzeit noch nicht sagen, wann das Notifizierungsverfahren der EU abgeschlossen sein wird . Das
ist nicht abzusehen, da es aufgrund der Zusammenhänge,
die Sie darstellen, nicht auszuschließen ist, dass die EUKommission mit weiteren Fragen auf uns zukommt .
In der Unterrichtung im Haushaltsausschusses heute
früh, in der auch ein Vertreter des Flughafens und Staatssekretär Bomba anwesend waren, wurde nochmals versichert, dass keine zusätzlichen Zeitverzögerungen über
die hinaus, die bereits eingepreist sind, auftreten werden,
sodass man nach wie vor von einem Eröffnungstermin
im zweiten Quartal 2017 ausgeht .
Weitere Zusatzfrage?
Ja . - Können Sie denn die Zahl bestätigen, dass die
Bauverzögerung 25 Millionen Euro pro Monat an Kosten
nach sich zieht?
Diese Zahl liegt mir so nicht vor . Wir wissen über die
Nachfinanzierungsthemen Bescheid, aber diese Zahl ist
mir so nicht präsent .
Hat sich die Frage 6 erledigt, Herr Behrens, oder soll
ich sie aufrufen?
Bitte aufrufen .
Ja, okay .
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Herbert Behrens auf:
Wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung das laufende Notifizierungsverfahren bezüglich weiterer Gesellschafterzuschüsse an die FBB beendet sein, und welchen Einfluss
haben die bekanntgewordenen Statikprobleme auf dieses Notifizierungsverfahren?
Herr Staatssekretär .
Nochmals die Antwort auf Frage 6: Wann das Notifizierungsverfahren abgeschlossen sein wird, lässt sich
derzeit nicht absehen . Es ist nicht auszuschließen, dass
die Europäische Kommission aufgrund der bekanntgePräsident Dr. Norbert Lammert
wordenen Statikprobleme zusätzliche Fragen an die Bundesregierung richten wird .
Zusatzfrage?
Ja, noch eine Zusatzfrage . - Die Bürgerinitiativen haben in einer gemeinsamen Presseerklärung zum BER darauf hingewiesen, dass es im Notifizierungsverfahren in
Brüssel zurzeit um 2,6 Milliarden Euro geht . Können Sie
diese Zahl bestätigen?
Mir sind Erhöhungen der Kosten in der Größenordnung von - ich habe die Unterlagen nicht dabei 1,107 Milliarden Euro bekannt, aber nicht die von Ihnen
genannte Zahl .
Weitere Frage?
Weil Sie eben angedeutet haben, dass es unter Umständen noch Nachfragen seitens der EU geben könnte:
Kann es in einem solchen Fall, wenn es keine endgültige
Entscheidung über die Freigabe entsprechender EU-Mittel gibt, nicht auch zu weiteren Bauverzögerungen kommen?
Davon gehe ich nicht aus, da die Flughafengesellschaft sagt, dass mit den Nachforderungen Liquidität gegeben ist .
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Stephan Kühn auf:
Wo sind die Sanktionen nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung ({0}) Nummer 715/2007 über die Typgenehmigung
von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen im deutschen Recht verankert, und welche Maßnahmen zu ihrer Anwendung wurden getroffen?
Sehr geehrter Herr Kollege Kühn, die Verordnung
Nummer 715/2007 ist für bestimmte Kraftfahrzeuge bei
der Typgenehmigung nach der Rahmenrichtlinie 207/46/
EG obligatorisch anzuwenden . Die Erteilung der Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt
unter Berücksichtigung dessen nach der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung . Hieraus ergeben sich auch
die Möglichkeiten der staatlichen Reaktion auf Verstöße
gegen die Typgenehmigungsvorschriften . Es gelten die
§§ 7, 25, 27 und 37 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung . Insbesondere sind danach spezielle Verwaltungsmaßnahmen vorgesehen, die beispielsweise von
einem teilweisen Widerruf der Typgenehmigung bis zu
deren Erlöschen reichen . Darüber hinaus bestehen die
allgemeinen verwaltungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten .
Zusatzfrage?
Vielen Dank . - Erste Zusatzfrage - Sie haben Verwaltungsmaßnahmen angesprochen -: Können Sie uns konkret sagen, in welcher Höhe und in welchem Umfang bei
Verstößen gegen die Verordnung zur Euro-5- und Euro6-Norm Sanktionen möglich sind? In welchem Umfang
und in welcher Höhe können die Verstöße sanktioniert
werden, und wo findet sich konkret im nationalen Recht
die Grundlage dafür, solche Sanktionen zu verhängen?
Herr Kollege Kühn, wie Ihnen mein Minister schon in
der vergangenen Woche erklärt hat, kann man über Verstöße und Sanktionen erst dann reden und nachdenken,
wenn die Sachverhalte geklärt sind, wenn man also weiß,
welche Verstöße überhaupt vorliegen . Wir sind derzeit
mitten in der Klärung .
Mit dem geltenden deutschen Recht, das die
EU-Verordnung Nummer 715/2007 umsetzt, ist der
Rechtsrahmen für Sanktionen abgesteckt . Ich frage Sie:
Wie sieht das geltende Recht konkret aus, und in welchem Umfang können theoretisch - unabhängig von
dem konkreten Fall, um den es gerade geht - Sanktionen
verhängt werden? Wenn das rechtlich geregelt ist - ich
gehe davon aus, dass die Verordnung umgesetzt und in
das deutsche Recht implementiert wurde -, dann gibt es
einen Rechtsrahmen, der ein bestimmtes Volumen und
bestimmte maximale bzw. minimale Sanktionen definiert.
Danach frage ich . Das ist unabhängig von der Frage des
VW-Skandals im Einzelfall . Wie sieht der Rechtsrahmen
aus, und in welchem Umfang und in welcher Höhe sind
dort Sanktionen vorgesehen?
Es handelt sich um den Rechtsrahmen der Typzulassung . Dabei ist, wie gesagt, die weitestgehende Sanktion
der Entzug der Typzulassung . Davor können selbstverständlich Auflagen erteilt werden.
Kollege Behrens .
Herr Staatssekretär, es ist ein bisschen schwierig, auf
die Frage eine klare Antwort von Ihnen zu bekommen .
Wir wissen, dass die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden ist und seit 2009 Gültigkeit hat . Dann
muss es doch klar sein, wo man das, was Sie gerade erwähnt haben, nämlich dass es bestimmte Sanktionsmöglichkeiten gibt, findet.
Ich sage nochmals: Wenn man weiß, um welche Verstöße es sich handelt, dann kann man auch sagen, was an
möglichen Sanktionen eintreten könnte . Aber da wir darüber keine Klarheit haben, kann ich keine präzise Auskunft geben .
Ich habe gerade den Vorsitz übernommen und grüße
Sie . Schönen Nachmittag von meiner Seite aus, auch
unseren Gästen auf der Besuchertribüne!
Eine Zusatzfrage hat die Kollegin Keul .
Auch mich interessieren die Sanktionen . Unter anderem wurden nun strafrechtliche Ermittlungen gegen
einzelne Manager eingeleitet . Ich möchte fragen, ob die
zuständigen Behörden zugleich auch entsprechende Verfahren gegen die juristische Person VW nach §§ 30 und
130 Ordnungswidrigkeitengesetz einleiten .
Frau Kollegin Keul, auch für diese Frage gilt: Wir haben eine Kommission eingesetzt, die die Vorgänge untersucht . Von dieser Kommission liegen noch keine Ergebnisse und auch noch kein Zwischenbericht vor . Bevor wir
darüber keine Klarheit haben, können wir keine präziseren Antworten auf Ihre Fragen geben .
Danke, Herr Barthle . - Dann hat der Kollege Krischer
eine Zusatzfrage .
Herr Staatssekretär, ich kann, ehrlich gesagt, Ihre
Nichtantwort an dieser Stelle nicht verstehen; denn im
Raume steht die Manipulation einer Software, um bestimmte Abgaswerte unter Prüfbedingungen zu erreichen . Ich möchte an dieser Stelle die Frage des Kollegen
Kühn präzisieren: Können Sie uns den Rechtsrahmen,
also die Paragrafen, in denen die Straf- und Sanktionsbewehrung für so etwas geregelt ist, nennen, sowohl für
die juristische Person, also für das handelnde bzw . nicht
handelnde Unternehmen, als auch in zweiter Linie für
die Personen, die entsprechende Manipulationen durchgeführt haben? Welche Rechtsgrundlage ist hier also einschlägig? Dass Sie nicht sagen können, wie das im Detail
aussieht, ist mir völlig klar . Aber Sie müssen doch hier
eine einschlägige Rechtsgrundlage nennen können .
Herr Kollege Krischer, Sie wissen ganz genau, dass
es sich um einen Verstoß, also um Regelwidrigkeiten
bei Dieselfahrzeugen auf dem amerikanischen Markt
handelt . Darüber hinaus kennen wir die präziseren Umstände nicht . Wir wissen beispielsweise nicht, wie dies
für den europäischen oder gar für den deutschen Markt
zu bewerten ist . Über das amerikanische Rechtssystem
müssen Sie sich in Amerika kundig machen .
Danke, Herr Staatssekretär . - Die nächste Frage hat
die Kollegin Wilms .
Vielen Dank . - Herr Staatssekretär, ich komme auf
Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Kühn zurück .
Kollege Kühn hat ja nach dem Rechtsrahmen gefragt,
also danach, was in Deutschland geltendes Recht ist,
nicht nach dem amerikanischen Recht und auch nicht
nach dem konkreten Fall, der nun im Raum steht . Ich will
da jetzt ganz gezielt nachfragen: Gibt es im geltenden
deutschen Rechtsrahmen - egal ob die Grundlage nun
ein deutsches Gesetz oder eine europäische Verordnung
ist - bei solchen Verstößen gegen die Zulassungsbestimmungen über die Möglichkeit, die Betriebserlaubnis zu
entziehen, wie Sie es eben gesagt haben, hinaus weitere
Möglichkeiten, beispielsweise Geldstrafen wegen begangener Ordnungswidrigkeiten zu verhängen? Was sieht da
der Rechtsrahmen, der hier gültig ist, vor, und gegen wen
richten sich diese Strafen? - Danke .
Frau Kollegin, Sie sprechen ganz bewusst von „solchen Verstößen“ . Das ist ein semantisch ausgesprochen
unscharfer Begriff . Diesen können weder Sie noch ich
präzisieren . Deshalb kann ich Ihre Frage auch nicht beantworten .
({0})
Die nächste Frage stellt die Kollegin Paus .
({0})
Welche Verstöße sind es? Können Sie es präzisieren?
Moment! Jetzt ist die Kollegin Paus dran . Dann gebe
ich Ihnen ausführlich die Möglichkeit, zu antworten,
Herr Staatssekretär .
Frau Paus .
Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Unter welchen Bedingungen kann die Typgenehmigung entzogen werden?
Unter welchen Bedingungen kann man die Zulassungsbescheinigung verlieren?
Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen . Sie
wissen genauso gut wie ich, dass die Kfz-Steuer inzwischen eine CO
-Komponente enthält . Der zulässige Wert
bei dieser Komponente ergibt sich aus der Zulassungsbescheinigung . Sollte sich herausstellen, dass der dort
angegebene Wert betreffend den CO
-Ausstoß falsch ist:
Inwieweit werden damit Kfz-Steuerbescheide rechtsunwirksam?
Für die Typgenehmigungen gibt es klare Regeln; es
müssen bestimmte Werte eingehalten werden . Diese werden gemessen und teilweise auch nachgemessen .
({0})
Deshalb kann bei Verstoß gegen diese Regeln die Typzulassung entzogen werden . Die Zulassung orientiert sich
ja nicht an den Verbrauchswerten, die angegeben werden,
sondern an den Grenzwerten der Schadstoffe .
Die Kollegin Keul hat die nächste Frage .
Ich muss an der gleichen Stelle nachfragen . Wenn
Westernstiefel tragende Leute aus der Tuner-Szene irgendwie an ihren mit Fuchsschwänzen behängten Maschinen rumschrauben, um die Maschinen irgendwie
lauter und dreckiger zu machen, und damit die Abgaswerte ändern, dann ist die Konsequenz relativ klar: Dann
erlischt die Betriebserlaubnis, und zwar sofort .
(Zuruf der Abg . Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
- Ich wollte hier keine weiteren Automarken nennen,
Kollegin Haßelmann . - Deswegen frage ich jetzt noch
einmal: Warum gilt dann nicht für die möglicherweise
Tausende oder Zehntausende von deutschen Autos, um
die es jetzt geht, dass in kürzester Zeit die Betriebserlaubnis erlöschen könnte und die Leute ihre Fahrzeuge
dann nicht mehr auf der Straße bewegen können?
Frau Kollegin Keul, ich muss nochmals darauf hinweisen: Wir wissen noch nicht, um welche Sachzusammenhänge es sich handelt . Wenn Sie das genauer sagen
können, dann tun Sie das vor versammelter Öffentlichkeit;
({0})
ich kann es nicht, und deshalb ist diese Frage nicht relevant .
Dann hat die nächste Frage der Kollege Wunderlich .
Ich möchte eine ganz konkrete Frage stellen und erwarte auch eine ganz konkrete Antwort . Es geht um die
in Artikel 13 genannten Sanktionen der EU-Richtlinie
von 2007 . Ist die Richtlinie in dieser Hinsicht in bundesdeutsches Recht umgesetzt worden, und wenn ja, wann
und wo finden sich die entsprechenden Sanktionen?
({0})
Da hilft das iPad nicht weiter, Herr Staatssekretär .
Doch! - Nochmals: Über Sanktionen kann man dann
reden, wenn man Sachverhalte genau kennt . Der Bundesregierung sind keine Sachverhalte bekannt, und ihr
waren auch zu früheren Zeiten, vor diesem Wochenende,
entsprechende Sachverhalte nicht bekannt . Wir sind mitten in der Aufklärung der Sachverhalte . Erst wenn das
geschehen ist, kann ich Ihnen nähere Auskunft geben .
({0})
Es gibt weitere Fragen zu der Frage 7, und zwar zunächst vom Kollegen Krischer .
Herr Staatssekretär, ich kann Ihre Antwort jetzt nur so
verstehen, dass Sie uns hier nicht sagen können, in welcher Form die entsprechende EU-Richtlinie in deutsches
Recht umgesetzt worden ist . Anders ist Ihre Antwort
nicht zu interpretieren . Es geht nicht um einen konkreten
Fall . Wir fragen jetzt ganz allgemein . Das war die Frage des Kollegen Kühn; der Kollege Wunderlich hat das
noch einmal genau so gefragt . Sie können also die Antwort darauf, wo Sanktionsmöglichkeiten in Deutschland
existieren, nicht liefern .
Deshalb meine konkrete Nachfrage: In den USA führt
das, was wir an Softwaremanipulationen zur Veränderung von Abgaswerten zur Kenntnis bekommen haben,
zu strafrechtlichen Ermittlungen . Da scheint das sogar
ein Straftatbestand zu sein, wenn ich das richtig interpretiere . Kann es sein, dass die gleiche Handlung am
gleichen Motor - da werden ja ähnliche Motoren verwendet - in Deutschland überhaupt keine Ordnungswidrigkeit, Straftat oder irgendein Verstoß gegen Recht ist?
Herr Krischer, Sie stellen wiederholt eine spekulative Frage, ordentlicherweise auch mit „Kann es sein ...?“
eingeleitet . Ich kann zu spekulativen Fragen nur spekulative Antworten geben, aber spekulative Antworten gibt
die Bundesregierung nicht .
({0})
Dann hat die nächste Frage Frau Haßelmann .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär,
wir sind jetzt in der neunten oder zehnten Runde, und
zwar immer noch zur ersten Frage zum Bereich „Abgasskandal VW“ . Merken Sie eigentlich nicht, wie lächerlich Sie sich mit der Nichtbeantwortung dieser Fragen
machen?
({0})
Man bekommt ja den Eindruck, als wollten Sie auf der
Regierungsbank das Ganze aussitzen . Letzte Woche
noch der Chefaufklärer, und jetzt einfach dem Parlament
jede Art von Antwort und Information nicht geben! Dabei sind Sie verpflichtet, vollständig und wahrheitsgemäß
zu antworten .
({1})
Frau Kollegin, wir sind mitten in der Aufklärung eines
sehr schwierigen Sachverhalts,
({0})
der sehr große Auswirkungen nicht nur auf die deutsche
Wirtschaft, sondern auch auf unser gesamtes Staatswesen haben kann . In einer solch hochkomplexen Angelegenheit von größter Bedeutung ist aufzuklären, auch
Transparenz herzustellen,
({1})
aber immer auf dem Boden der Tatsachen; und über die
Tatsachen können wir dann informieren, wenn sie uns
vorliegen, und nicht zuvor .
({2})
Danke, Herr Staatssekretär . - Dann hat die nächste
Frage Dr . Hofreiter .
Herr Staatssekretär, ich kann ja verstehen, dass Sie angesichts des Zustandes Ihres Ministeriums nicht in der
Lage sind, uns Antworten auf Fragen im Zusammenhang
mit dem VW-Skandal zu geben .
({0})
Aber worauf wir eine Antwort erwarten können, ist die
Frage: Haben Sie die EU-Richtlinie auf nationaler Ebene
umgesetzt, wie haben Sie sie umgesetzt, und wo - in welchem Gesetz oder in welcher Verordnung - finden wir
diese Umsetzung? Diese Frage können Sie beantworten .
Sie hätten sie eigentlich schon vor zwei Jahren beantworten müssen; denn die Richtlinie müsste schon längst umgesetzt sein .
Die Frage ist also nicht, was Sie über den VW-Skandal
wissen - da erwarten wir nicht viel von Ihnen -, sondern:
Wo haben Sie die Richtlinie umgesetzt, wo stehen die
Sanktionsmöglichkeiten, und bis zu welcher Höhe bestehen Sanktionsmöglichkeiten?
({1})
Das müssen Sie beantworten können; denn das ist eine
rechtliche Frage, die unabhängig vom aktuellen Skandal
ist .
({2})
Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, dass im Falle eines
erkennbaren Verstoßes gegen diese Richtlinie die höchstmögliche Sanktion der Entzug der Typgenehmigung ist .
Das finden Sie auch in unseren Unterlagen. Alles andere
ist dahingestellt .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . - Ich möchte den
Kolleginnen Keul, Wilms und Paus mitteilen, dass ich ihnen in der Fragerunde zur Frage 7 nicht noch ein weiteres
Mal das Wort erteilen kann, da sie schon Fragen gestellt
haben .
({0})
- Ja, das ist laut unserer Geschäftsordnung so .
Wir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Stephan
Kühn:
Wann hat das Kraftfahrt-Bundesamt ({1}) von der im April 2015 von der Volkswagen AG ({2}) in den USA begonnenen Rückrufaktion von Dieselfahrzeugen mit 2-Liter-Motoren
der Baujahre 2010 bis 2014 Kenntnis erlangt, und hat das KBA
diese Rückrufaktion zum Anlass genommen, sich mit der USUmweltbehörde EPA ins Benehmen zu setzen?
Herr Staatssekretär, bitte .
Herr Kollege, das Kraftfahrt-Bundesamt hat von der
genannten Rückrufaktion in den USA erstmalig durch
öffentliche Medienberichte erfahren . Nachdem das KBA
über die Untersuchungsberichte in Kenntnis gesetzt wurde, hat ein Gespräch mit der US-Umweltbehörde EPA
stattgefunden .
Herr Kühn .
Sie wollen also allen Ernstes behaupten, dass eine
Rückrufaktion in den USA, die eine halbe Million Fahrzeuge des größten deutschen Autoherstellers betrifft, in
Deutschland nicht bekannt geworden ist. Das finde ich
bemerkenswert .
Aber die Studie des ICCT, die das Eingreifen der amerikanischen Umweltbehörde erst bewirkt hat, müsste bekannt sein . Die Untersuchungsergebnisse dieser Studie
sind im vergangenen Herbst in Deutschland veröffentlicht worden, nämlich dass gravierende Abweichungen
gegenüber den erlaubten Abgaswerten festgestellt wurden . Ich frage Sie daher: Welche Schlussfolgerungen hat
das Verkehrsministerium nach Bekanntwerden bzw . Veröffentlichung dieser ICCT-Studie im Herbst letzten Jahres, also 2014, gezogen, und was hat es unternommen?
Herr Kollege Kühn, wie wir in der Antwort auf die
Kleine Anfrage der Grünen vom Juli schon schriftlich
ausgeführt haben, lagen der Bundesregierung bis zum
fraglichen Wochenende keine Erkenntnisse über diese
Abschalteinrichtung vor .
Herr Kühn .
Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach einer Abschalteinrichtung gefragt; denn die Autoren der ICCT-Studie
kannten die Ursache für das Überschreiten der Grenzwerte bei den Abgasemissionen, die sie gemessen hatten,
ja nicht . Die Studie hat nur belegt, dass es gravierende
Differenzen zwischen den Abgasen, die tatsächlich aus
dem Auspuff herauskommen, und den Messwerten auf
dem Prüfstand gibt . Diese Abweichungen haben die amerikanische Umweltschutzbehörde dazu bewegt, Untersuchungen durchzuführen und sich mit VW in Verbindung
zu setzen . Das heißt, das ICCT kannte die Ursache für
die Abweichungen überhaupt nicht, konnte sie sich auch
nicht erklären und hat nur die festgestellten Messergebnisse veröffentlicht .
Meines Erachtens wird auch im Bundesverkehrsministerium Zeitung gelesen . Zumindest wissen Sie immer
sehr genau, was ich in der Zeitung erkläre oder was dort
von den Grünen berichtet wird . Ich frage Sie: Welche
Schlussfolgerungen bzw . Konsequenzen haben Sie aus
den vor einem Jahr veröffentlichten Ergebnissen des
ICCT im vergangenen Jahr gezogen?
Herr Kollege, Sie bringen wieder zwei Dinge durcheinander .
({0})
Sie vergleichen die Abgaswerte, die offensichtlich durch
Manipulation bei einigen VW-Motoren erreicht wurden,
mit den Abgasen, die während des Fahrbetriebs aus dem
Auspuff herauskommen . Was hinten herauskommt, ist
abhängig vom Verbrauch . Dass die angegebenen Verbrauchswerte nur in wenigen Fällen dem tatsächlichen
Verbrauch entsprechen, wissen wir schon lange . Das
weiß man auch in der Europäischen Union . Deshalb versuchen wir seit 2011, dieses Problem in den Griff zu bekommen . Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu
tun . Deshalb muss man dafür Sorge tragen, dass dies
auch in der Öffentlichkeit nicht ständig vermengt wird,
so wie es die Grünen permanent versuchen .
({1})
Die nächste Frage hat die Kollegin Dr . Wilms .
Herr Staatssekretär, ich komme doch noch einmal auf
eine ganz, ganz einfache Sache zurück: Hat die Bundesregierung die EU-Verordnung Nummer 715/2007 in nationales Recht umgesetzt, und wenn ja, wo finden wir die
Sanktionen? Welche sind da drin? Eine klare, einfache
Frage .
({0})
Ich darf darauf hinweisen, dass sich das nicht auf die
Frage 8 vom Kollegen Kühn bezieht, sondern noch einVizepräsidentin Claudia Roth
mal auf die Frage 7 . Daher kann ich die Frage leider nicht
zulassen .
({0})
Kollege Krischer .
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade geantwortet,
dass Sie von einer Rückrufaktion des VW-Konzerns in
der Größenordnung von einer halben Million Fahrzeugen nichts mitbekommen haben . Okay, das muss ich zur
Kenntnis nehmen . Da kann sich dann jeder ein Bild über
Ihre Arbeit machen .
Die ICCT-Studie hat Ihnen vorgelegen bzw . liegt Ihnen vor . Mich würde, da diese Studie sehr deutlich nachweist, dass es erhebliche Überschreitungen bei Stickoxidemissionen nicht nur bei VW, sondern bei vielen
Fahrzeugherstellern gibt, einfach konkret interessieren:
Welche konkrete Konsequenz hat diese Studie in Ihrem
Haus gehabt? Zu welcher politischen Aktivität hat das
geführt?
({0})
Die Bundesregierung respektive der Bundesverkehrsminister gehört zu den wenigen, die auf europäischer
Ebene mit Nachdruck einfordern, dass eine Veränderung
der Messsystematik vorgenommen wird hin zu Erkenntnissen und Messwerten, die sich näher am tatsächlichen
Verbrauch von Fahrzeugen und damit auch am tatsächlichen Ausstoß von entsprechenden Schadstoffen orientieren . Wir gehen davon aus, dass wir hoffentlich bald eine
Einigung auf EU-Ebene erzielen können, um zu diesem
sogenannten näher am Betrieb orientierten Messverfahren auch mit mobilen Messeinrichtungen übergehen zu
können, damit realistische Werte erfasst werden und auch
entsprechend kommuniziert werden können .
({0})
Wir gehören also zu den Ländern auf europäischer
Ebene, die da mit Nachdruck vorangehen . Das machen
nicht alle; aber wir tun es . Deshalb, glaube ich, sind Sie
da bei uns in guten Händen .
({1})
Frau Höhn .
Herr Staatssekretär, Sie haben eben auf die Frage von
Stephan Kühn gesagt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt
von den Vorgängen in den USA keine Kenntnis hatte . Ich
frage Sie jetzt sehr konkret: Können Sie ausschließen,
dass irgendein Mitarbeiter oder irgendeine Mitarbeiterin
des Verkehrsministeriums oder des Kraftfahrt-Bundesamts von den Vorgängen in den USA Kenntnis hatte?
Frau Kollegin Höhn, ich kann Ihnen versichern, dass
die Bundesregierung davon keine Kenntnis hatte .
({0})
Die nächste Frage zum Fragekomplex der Frage 8 hat
der Kollege Behrens .
Herr Staatssekretär, wir wissen zwar jetzt, dass Sie
nicht wissen, ob die EU-Richtlinie umgesetzt worden
ist . Wir haben auch von Ihnen erfahren, dass Sie nicht
mehr darüber wissen, als in der Presse stand, als es 2015
eine Rückrufaktion in den USA gegeben hat . Können Sie
denn zumindest das Datum dieser Presseberichterstattung nennen, auf die Sie verweisen? Seit wann hat also
die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass es 2015, in
diesem Jahr, in Kalifornien eine Rückrufaktion gegeben
hat mit der Begründung, es müsse eine neue Software
aufgespielt werden?
Das Datum der Pressemitteilung liegt mir momentan
nicht vor . Ansonsten distanziere ich mich von den von
Ihnen präsupponierten Mitbehauptungen .
({0})
Die Kollegin Paus .
Herr Staatssekretär, da Sie eben noch einmal betont
haben, dass sich Herr Dobrindt auf europäischer Ebene
nachdrücklich dafür einsetzt, dass man zu neuen Messmethoden zur Feststellung des Schadstoffausstoßes
kommt, möchte ich gern Folgendes wissen: Ist es denn
so, dass der Verkehrsminister die weiteren Konsequenzen genauso engagiert verfolgt und in Bezug auf die Anpassung der Bemessungsgrundlage für die Kfz-Steuer im
Gespräch mit dem Bundesfinanzministerium steht? Gibt
es dazu Gespräche? Können Sie mir darüber berichten?
Dazu gibt es keine Gespräche, und es gibt auch keine
Bestrebungen seitens der Bundesregierung, die Kfz-Besteuerung zu verändern .
Vizepräsidentin Claudia Roth
Dann kommen wir jetzt zur Frage 9 des Kollegen
Krischer:
Unterstützt die Bundesregierung eine Transparenzoffensive der Automobilbranche, wie von Bündnis 90/Die Grünen
({0}) vorgeschlagen, die die Offenlegung sämtlicher Informationen
zum Stickoxidausstoß aller in Deutschland zugelassenen Dieselmodelle, deren Testergebnisse mögliche Abweichungen
zwischen Laborergebnissen und auf Prüfstrecken ermittelten
Werten sowie Informationen über Abschalteinrichtungen beinhaltet, und falls ja, wie sieht der konkrete Umsetzungsfahrplan diesbezüglich aus?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Krischer, unserer Ansicht nach ist es
jetzt das Allerwichtigste, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen . Die Bundesregierung erwartet daher
eine vollumfängliche Aufklärung und absolute Transparenz aller Vorgänge .
Herr Krischer .
Ihre Antworten hier machen mich fast sprachlos .
({0})
Er sagte „fast“. Keine Vorfreude!
Es ist unglaublich, dass der größte deutsche und europäische Automobilkonzern in Schwierigkeiten kommt,
die Schwierigkeiten selber zu verantworten hat und die
Bundesregierung hier in einer derart lapidaren Art und
Weise damit umgeht .
({0})
Ich erwarte von einer Bundesregierung, dass sie jetzt
ihren Teil dazu leistet und zum Beispiel die Ergebnisse von Messungen, die durchgeführt wurden, öffentlich
macht .
({1})
An der Stelle möchte ich ganz konkret bei Ihnen nachfragen: Wie oft hat das Kraftfahrt-Bundesamt in der Vergangenheit bei einer Typzulassung eigentlich konkret
nachgemessen? Wie oft ist in der Vergangenheit bei Typzulassungen nachgemessen worden?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Krischer, auch bei Ihnen gilt mein Satz,
dass ich mich von Ihren wertenden Äußerungen distanziere . Der Bundesverkehrsminister war derjenige, der
nach Bekanntwerden des Skandals in Amerika sofort sofort! - das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen hat,
Untersuchungen vorzunehmen . Er war derjenige, der
sofort noch am Montag eine Kommission eingerichtet
hat, die den Dingen nachgeht . Diese Kommission war
auch schon bei VW und arbeitet eng mit VW zusammen .
Diese Kommission ist aus Experten zusammengesetzt
und wird den Dingen nachhaltig auf den Grund gehen .
Der Bundesverkehrsminister war derjenige, der sofort
das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen hat, nicht nur
bestimmte Pkw eines bestimmten Herstellers zu untersuchen, sondern alle auf dem europäischen Markt befindlichen Diesel-Pkw nachzuuntersuchen .
({0})
Der Bundesverkehrsminister war also derjenige, der sofort aktiv die Dinge in die Hand genommen hat und für
Aufklärung und Transparenz sorgt . Deshalb verstehe ich
Ihre Wertung nicht .
({1})
Herr Krischer, Nachfrage .
Herr Staatssekretär, meine Frage war, wie oft es zu
Nachmessungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt bei
Typzulassungen gekommen ist . Ihre Nichtantwort interpretiere ich so, dass die Antwort in Zahlen null ist, dass
eine Kontrolle nicht stattgefunden hat und dass die Bundesregierung durch ihr Nichthandeln an der Stelle insofern zumindest die Mitverantwortung trägt, da sie nicht
überprüft hat . Das möchte ich hier einfach feststellen .
Diese Wertung möchte ich hier machen .
({0})
Die Anzahl der Nachprüfungen kann ich Ihnen ad hoc
nicht nennen .
({0})
Trotzdem kann er darauf antworten .
({0})
Die Anzahl von eventuellen Nachprüfungen kann ich
Ihnen ad hoc nicht mitteilen . Sie können sich aber gerne
schriftlich an uns wenden .
({0})
Dann werden wir Ihnen die Ergebnisse nach den erforderlichen Nachforschungen auch liefern können .
({1})
Gut . - Die nächste ({0})
Gut . - Sind Sie einverstanden - die Zeit war noch
nicht abgelaufen -, dass er die Frage jetzt noch stellen
kann in seiner zweiten Rückfrage, Herr Staatssekretär? Dann bitte .
Mich würde konkret interessieren, welche Institutionen Sie jetzt mit der Nachprüfung der vorhandenen auf
der Straße fahrenden Dieselfahrzeuge, die die Grenzwerte nach bisherigen Messungen nicht einhalten, beauftragen . Welche Institutionen werden damit beauftragt? Wie
soll das Ganze organisiert werden?
Herr Staatssekretär .
Das Kraftfahrt-Bundesamt wird die erforderlichen
Maßnahmen einleiten, um Nachprüfungen durchführen
zu können, und zwar mithilfe von denjenigen Institutionen, die die entsprechende Expertise und die entsprechenden Vorrichtungen haben .
({0})
- Das kann ich Ihnen abschließend auch nicht sagen . Es
kommen aber zunächst einmal natürlich der TÜV und die
DEKRA infrage und vielleicht auch noch andere .
({1})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . - Nächste Fragestellerin Frau Höhn, und dann Herr Straubinger .
Herr Staatssekretär, seit Sommer dieses Jahres gibt
es vonseiten der EU ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte . Die
Hauptverursacher dieser Stickoxidbelastung in den Städten sind Dieselmotoren . Hat es durch dieses Vertragsverletzungsverfahren Überlegungen im Verkehrsministerium gegeben, den Ausstoß von Dieselfahrzeugen stärker
zu kontrollieren und damit den Anlass für das Vertragsverletzungsverfahren abzustellen?
Herr Staatssekretär .
Dieses Vertragsverletzungsverfahren existiert . Das ist
richtig . Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass wir auf europäischer Ebene intensiv daran arbeiten, die Messmethoden zu verändern, um damit näher an die realistischen
Verbräuche und Ausstöße von Schadstoffen heranzukommen . Wir arbeiten mit Nachdruck daran .
Herr Straubinger .
Herr Staatssekretär, es wurde jetzt ja sehr häufig gefragt, wie schnell die Aufklärung erfolgt . Ich möchte hier
ausdrücklich die Bundesregierung loben, dass sie großen
Druck ausübt,
({0})
damit bis zum 9 . Oktober entsprechende Ergebnisse vorliegen . Wäre es nicht hilfreich, wenn der Anteilseigner,
das Land Niedersachsen, noch stärkeren Druck ausüben
würde und von der rot-grünen Landesregierung auch ein
stärkerer Beitrag geleistet würde?
({1})
Danke, Herr Kollege Straubinger . - Das ist sicherlich
richtig . VW ist der einzige Hersteller, bei dem im Aufsichtsrat eine Landesregierung sitzt . Wir haben allerdings
über die Landesregierung keinerlei Informationen über
die Vorgänge bei VW bekommen .
({0})
Danke, Herr Staatssekretär . - Nächster Fragesteller ist
Herr Kühn .
Was schnelles Handeln bedeutet, haben wir beim BER
gemerkt . Auch da wurde eine Taskforce gegründet . Wir
fragen mal lieber nicht, wie die Ergebnisse waren .
({0})
Ich möchte, Herr Staatssekretär, noch einmal zu den
Nachprüfungen kommen . Können Sie mir zusichern,
dass alle Ergebnisse der Nachprüfungen der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden und beim KBA kostenlos abrufbar sein werden? - Sie haben ja eine Transparenzoffensive angekündigt . Ich wollte Sie nur daran
erinnern .
Herr Staatssekretär .
Ich erlaube mir, für mein Haus die Aussage zu machen, dass wir die Ergebnisse dieser Nachprüfungen
selbstverständlich öffentlich machen .
Danke schön . - Dann hat Frau Haßelmann das Wort .
Danke, Frau Präsidentin . - Der Vergleich von Stephan
Kühn mit der Taskforce BER verheißt nichts Gutes . Das
Thema an sich ist aber viel zu ernst, als dass man darüber
einen Witz macht .
Zunächst einmal, Herr Staatssekretär, möchte ich Sie
darauf hinweisen, dass der Kollege Krischer die Frage
nicht noch einmal schriftlich Ihrem Ministerium einreichen muss, weil wir davon ausgehen, dass Sie die Antwort auf die Frage, die Sie nicht beantworten konnten,
nämlich wie oft es zu Nachmessungen gekommen ist,
ihm von sich aus geben werden .
Nun meine eigentliche Frage: Wie muss ich mir das
beim Kraftfahrt-Bundesamt eigentlich vorstellen? Wie
arbeitet es? Es ist ja eine Ihnen nachgeordnete Behörde .
Messen die regelmäßig? Messen die auf Verdacht? Messen die überhaupt nicht und akzeptieren einfach das, was
ihnen von den Autoherstellern als Grenzwert überreicht
wird? Wie funktioniert das?
Das Kraftfahrt-Bundesamt beauftragt die Institutionen, die über entsprechende Einrichtungen verfügen .
Man braucht ja Prüfstände und für die Messungen entsprechende Kompetenz . So wird das durchgeführt .
({0})
- Das wird stichprobenartig gemacht .
Dann habe ich Frau Lühmann als nächste Fragestellerin .
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass Informationen, die irgendein Anteilseigner aus einer Aufsichtsratssitzung erlangt, nicht weitergegeben werden
dürfen? Stimmen Sie mir weiterhin zu, dass das Land
Niedersachsen und sein Ministerpräsident mehrfach öffentlich und auch in den Kontakten mit Ihrem Haus die
Ermittlungen vorangetrieben haben und die Zusammenarbeit - das hat auch Ihr Minister bestätigt - in diesem
Punkt hervorragend ist?
Seit Bekanntwerden dieses Skandals ist die Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen sehr gut, und der
Ministerpräsident unterstützt uns in unserem Vorgehen .
Da stimme ich Ihnen vollumfänglich zu .
({0})
Dann ist das geklärt . - Frau Wilms, bitte .
Vielen Dank . - Herr Staatssekretär, ich komme noch
mal auf das zu sprechen, was Kollegin Haßelmann eben
schon angesprochen hat: die ganz präzise Frage, wie viel
Mal tatsächlich die Ergebnisse, die von den Herstellern
vorgelegt worden sind, vom KBA durch Messungen im
Rahmen des Zulassungsverfahrens nachgeprüft worden
sind . Da geht es um eine Zahl, und die wollen wir wissen .
Ich schätze - Sie sind doch gut vorbereitet -, dass Sie sie
uns jetzt auch liefern können .
Herr Staatssekretär .
Ich habe bereits zugesagt, dass wir die Frage der
Nachmessungen schriftlich beantworten .
Dann kommen wir jetzt zur Frage 10 des Kollegen
Krischer:
Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass alle Dieselfahrzeuge in Deutschland, bei deren Typzulassung manipulierte Software zum Einsatz gekommen sein könnte, zurückgerufen und so umgerüstet werden, dass die Stickoxidgrenzwerte
eingehalten werden, und wenn ja, welche Maßnahmen wird
die Bundesregierung dazu konkret ergreifen ({0})?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Krischer, Volkswagen hat ohne Verzögerungen sicherzustellen, dass eine Rechtskonformität aller
betroffenen Fahrzeuge hergestellt wird . Dementsprechend wurde Volkswagen am 25 . September 2015 vom
Kraftfahrt-Bundesamt mit Fristsetzung zum 7 . Oktober
2015 dazu aufgefordert, einen verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplan vorzulegen .
Herr Krischer, bitte .
Herr Kollege Barthle, da würde mich interessieren:
Auf welcher Rechtsgrundlage werden dann die weiteren
Messungen bei den betroffenen Fahrzeugen durchgeführt? Sie haben eben gesagt, dass Messungen erfolgen
sollen . Welche Rechtsgrundlage gibt es da? Vor allen
Dingen: Wer finanziert diese Messungen? Mich interessiert auch Folgendes: Auf welcher Rechtsgrundlage wird
die Kommission bei VW tätig? Wie findet das Ganze
statt? Öffnet VW freiwillig alle Türen, alle Bücher und
den Zugang zu allen Rechnern, oder wie läuft das Ganze
dort ab? Das würde mich interessieren . Ich bitte Sie, das
hier einmal darzustellen .
Der Kommission wurde von VW zugesichert, dass
sie vollen Einblick in die Zusammenhänge bekommt,
dass Transparenz hergestellt wird . Die Zusammenarbeit
verläuft bisher sehr gut . Die Kommission war schon in
Wolfsburg und lässt sich die einzelnen Dinge erklären
und vorführen und versucht, dadurch Klarheit in die Zusammenhänge zu bekommen .
Herr Krischer, Ihre Rückfrage .
Meine weitere Frage ist: Wenn es bei den vorhandenen Fahrzeugen zu Nachrüstungen kommen müsste,
würde die Bundesregierung dann dafür sorgen, dass der
VW-Konzern und möglicherweise auch weitere Automobilunternehmen die vollen Kosten dafür übernehmen?
Wir haben zunächst einmal den VW-Konzern gebeten,
uns einen klaren Maßnahmen- und Zeitplan vorzulegen,
und dafür einen Termin genannt . Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass bei nachlaufenden Maßnahmen, die notwendig werden könnten, die Kosten nicht
zulasten der Verbraucher gehen .
Vielen Dank . - Eine Zusatzfrage des Kollegen Kühn .
Herr Staatssekretär, Sie hatten die Rolle des KBA
angesprochen . Es soll die Rechtskonformität bei der
Typzulassung prüfen . Sie haben gesagt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt, also die zuständige Behörde, über keine technischen Einrichtungen, sprich: über Prüfstände,
verfüge . Können Sie das bestätigen?
Herr Staatssekretär .
Das kann ich nicht präzise beantworten; denn es könnte sein, dass da noch irgendwo ein Prüfstand vorhanden
ist . Die Antwort muss ich nachliefern; ich will nichts Falsches sagen .
Gut, das liefern Sie schriftlich nach . - Frau Paus .
Die Zulassungsbescheinigung, aus der unter anderem
die Höhe des CO
-Ausstoßes hervorgeht, ist ja Grundlage für die Berechnung der Kfz-Steuerschuld . Daher
meine Nachfrage: Wenn die Zulassungsbescheinigung
erlischt: Hat das Verkehrsministerium geklärt, inwieweit
dann auch der Kfz-Steuerbescheid erlischt und neu erstellt werden muss?
Wenn kein Zulassungsbescheid vorhanden ist, dann
kann ein Pkw nicht zugelassen werden . Dann wird auch
keine Kfz-Steuer erhoben .
Das hat eine Logik .
({0})
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Christian Kühn auf:
Seit wann ist die Bundesregierung mit den US-Umweltbehörden zum Thema „Betrugsfälle von VW in den USA“ in
Kontakt, und welche Maßnahmen wurden im Hinblick auf Abschalteinrichtungen unternommen?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Kühn, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Volkswagen in den
USA einen Fachaustausch mit der zuständigen US-Behörde EPA aufgenommen . Die Maßnahmen der Bundesregierung betreffen nicht die in den USA auf dem Markt
befindlichen Fahrzeuge.
Herr Kühn .
Gestatten Sie mir kurz die Anmerkung, dass das nicht
die Antwort auf meine Frage war . Ich habe gefragt, wann
die Bundesregierung mit den US-Behörden zum Thema
„Betrugsfälle von VW in den USA“ Kontakt hatte, und
nicht, wie das in Zukunft sein wird .
Ich habe Ihnen auf Ihre Frage geantwortet, dass wir
unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen
Volkswagen in den USA einen Fachaustausch mit der zuständigen Behörde vorgenommen haben .
Hatten Sie bzw . die Bundesregierung dann also vor
Bekanntwerden der Vorfälle keinen Kontakt mit US-Behörden in Bezug auf diesen Vorfall, also weder Ihr Ministerium noch die untergeordneten Behörden Ihres Ministeriums?
Ich wiederhole das, was wir gegenüber den Grünen
schon etwa 20- oder 50-mal gesagt haben:
({0})
Zuvor lagen der Bundesregierung keine Kenntnisse über
solche Vorgänge vor .
Meine zweite Nachfrage . Sie haben vorher gesagt,
dass nach der Rückrufaktion im April 2015 ein Gespräch
des Kraftfahrt-Bundesamtes - das haben Sie vorhin einleitend auf die Frage von Stephan Kühn gesagt - mit der
US-Umweltbehörde EPA stattgefunden hat . Das muss ja
vor dem 18 . September gewesen sein . Ich frage noch einmal: Wann hat dieses Gespräch stattgefunden?
Sie unterstellen mir gerade eine Aussage, die ich nicht
getätigt habe . Ich habe gesagt, dass wir nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Volkswagen in den USA
Kontakt aufgenommen haben, nicht zuvor .
Herr Krischer, bitte .
Herr Staatssekretär, Herr Minister Dobrindt hat an
dieser Stelle in der vergangenen Woche auf die Frage,
ob Kontakte in die USA aufgenommen worden seien, geantwortet, dass die Kommission, die er jetzt eingesetzt
hat - die derzeit in Wolfsburg tätig ist -, Kontakt mit den
USA aufnehmen wird . Das heißt, das muss jetzt innerhalb der letzten sieben Tage passiert sein . Vorher scheint
es - jedenfalls war die Antwort des Ministers nicht anders zu verstehen - keinerlei Kontakt in Richtung USA
gegeben zu haben . Mich interessiert natürlich: Welche
Erkenntnisse hat dieser Kontakt gebracht - das ist ja eine
entscheidende Frage, wenn man im VW-Konzern unterwegs ist und versucht, Fragen zu klären -, und was heißt
das für europäische Autofahrerinnen und Autofahrer?
Zunächst wieder eine Richtigstellung . Sie präsupponieren bei jeder Frage etwas, das so nicht stimmt . Selbstverständlich hat es Kontakte mit den amerikanischen Behörden gegeben, aber nicht zu diesen Vorfällen; das ist
das eine .
Zum Zweiten - was die Kontakte nach den Vorwürfen
anbelangt -: Ich kann Ihnen noch keine Auskunft über
Details und Inhalte geben, weil wir abwarten, bis uns der
Bericht der Kommission vorliegt . Den haben wir noch
nicht . Insofern muss man warten, bis Erkenntnisse ausgewertet und zusammengefasst sind und uns vorgelegt
werden können .
Vielen Dank . - Ich rufe die Frage 12 der Kollegin
Dr . Wilms auf:
Inwiefern werden auch weitere Fahrzeughersteller neben
VW daraufhin untersucht, ob sie Abschalteinrichtungen in
ihren Fahrzeugen verbaut haben, und aus welchen Gründen
erfolgt dies gegebenenfalls nicht?
Herr Staatssekretär .
Frau Kollegin Wilms, das Kraftfahrt-Bundesamt ist
angewiesen, seine Nachprüfungen auf Fahrzeugtypen
in- sowie ausländischer Hersteller zu erstrecken . Ich
habe in einer vorangegangenen Antwort bereits erklärt,
dass die Anweisung, dass alle ausländischen Hersteller
nachgeprüft werden, am Mittwoch nach dem fraglichen
Wochenende erfolgt ist .
Vizepräsidentin Claudia Roth
Frau Wilms .
Herr Staatssekretär, vielen Dank . - Dann wollen wir
das noch präzisieren, um noch ein bisschen Übung in
das ganze System hineinzubekommen: Werden im Rahmen dieser Nachprüfungen bei den Herstellern, die Sie
jetzt angekündigt haben und die auch die ausländischen
Hersteller und auch andere deutsche Hersteller betreffen,
die Inhaber der Typgenehmigung aufgefordert, die Fahrzeugsoftware gegenüber dem KBA komplett offenzulegen?
Frau Kollegin Wilms, diese Nachprüfungen beziehen
sich auf diesen Abschaltmechanismus . Das ist der Ausgangspunkt der Vorwürfe . Daraufhin werden diese Fahrzeuge geprüft .
Frau Wilms, eine zweite Nachfrage .
Wenn ich das richtig sehe, wollen Sie sich da nur wieder auf irgendwelche Grenzwerte beziehen . Wenn ich es
richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, wollen Sie
aber nicht wirklich herausfinden, ob in der Software noch
weitere Probleme schlummern . Sie wollen keine Softwareprüfung vornehmen . Sie wollen sich nur Ergebnisse
anschauen .
Herr Staatssekretär .
Die Nachprüfungen beziehen sich auf den Vorwurf,
dass illegale Abschaltmechanismen mit einer bestimmten
Software verwandt wurden . Das ist der fragliche Punkt .
Der wird aufgeklärt . Es kann nicht Aufgabe des Staates
sein, die Software eines bestimmten Fahrzeugherstellers
vollumfänglich auszuwerten; denn dann befände man
sich tief in betrieblichen Informationen, die nicht öffentlich werden dürfen .
Frau Haßelmann .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Eine kurze Nachfrage, Herr Staatssekretär . Sie haben gerade die Anweisung
an das Kraftfahrt-Bundesamt hinsichtlich der Prüfung
der inländischen und ausländischen Fahrzeughersteller
zitiert, zumindest hatte ich Sie so verstanden . Vorhin haben Sie einmal erläutert, dass das normalerweise stichprobenartig erfolgt . Ist nach dem jetzt bekanntgewordenen Skandal um die Abgasmanipulation immer noch die
Regel, dass das KraftfahrtBundesamt nur stichprobenartig vorgeht? Oder ist Ihre Anweisung so zu verstehen,
dass diese Behörde jetzt so sensibel ist, dass sie durchprüft und nicht mehr nur stichprobenartig vorgeht? Ich
weiß ja nicht, was „stichprobenartig“ heißt. Wird jedes
20 ., jedes 30 . oder jedes 100 . Fahrzeug überprüft? Das
würde mich interessieren .
Herr Staatssekretär, bitte .
Frau Kollegin, da kommen jetzt wieder mehrere Dinge durcheinander .
({0})
Die Nachprüfungen beziehen sich auf die Frage, ob solche illegalen Abschaltmechanismen eingebaut sind . Die
Nachprüfungen beziehen sich nicht darauf, ob die Verbrauchswerte stimmen . Ich weiß nicht, welche Nachprüfungen Sie im Kopf haben . Die Nachprüfungen, von
denen ich rede, beziehen sich auf den illegalen Einsatz
einer Software, die die sogenannte Abschaltautomatik
auslöst .
Herr Kühn, eine Nachfrage .
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin in Bezug auf die
Nachprüfungen gesagt, dass die höchstmögliche Sanktion sein könnte, dass die Typgenehmigung, also die
Zulassung, erlischt . Was könnte denn nach dem Rechtsrahmen, den Sie nicht näher erläutern konnten, die geringstmögliche sein?
({0})
Herr Staatssekretär .
Ich schlage vor, da treten wir in einen Fachdisput miteinander ein .
({0})
Gut, dann können Sie das ja fachdisputmäßig vielleicht in der nächsten Ausschusssitzung klären . Ein Fachdisput ist nicht unmittelbar der Frage zuzuordnen .
Nächster Fragesteller: Herr Krischer .
Herr Staatssekretär, mir ist jetzt, ehrlich gesagt, gar
nicht mehr klar - auch nicht nach der Frage der Kollegin
Haßelmann und Ihrer Antwort darauf -, was Sie genau
machen: Prüfen Sie nur die Abschalteinrichtung? Schauen Sie sich die Technik nur dahin gehend an, was die Abschaltvorrichtung und die dahinterstehende Software ist,
oder schauen Sie sich auch die gesamten Abgaswerte des
Fahrzeugs an? Gesetzt den Fall, Sie finden ein Fahrzeug,
das eine immense Überschreitung der zulässigen Abgaswerte aufweist, obwohl die Abschaltvorrichtung im konkreten Fall völlig korrekt und nicht beanstandenswert ist,
machen Sie nichts; so habe ich Sie jetzt verstanden . Ist
das so?
Von welchem Prüfvorgang sprechen Sie, Herr Kollege
Krischer?
Ich spreche von den Dingen, von denen Sie gerade
sprechen .
Ich spreche von den Nachprüfungen, die wir vornehmen. Die habe ich genau definiert.
({0})
Sie versuchen erneut, Verbrauchswerte und die damit
natürlich zusammenhängenden Abgaswerte zu vermischen .
({1})
- Die hängen natürlich auch vom Verbrauch ab . - Sie
versuchen erneut, etwas zu vermischen, was nicht zusammengehört . Ich ersuche Sie erneut, dieses Vorgehen,
nämlich Abgasmengen und Bestandteile mit den Verbrauchswerten von Fahrzeugen zu verknüpfen, zu unterlassen . Die Verbrauchswerte können im alltäglichen Gebrauch erheblich höher sein als die Werte, die von den
Fahrzeugherstellern angegeben werden, weil diese Verbrauchswerte in einer Laborsituation gemessen werden .
Wir messen jetzt nicht jeden Verbrauchswert der
Fahrzeuge nach - das kann nicht unsere Aufgabe sein -,
sondern wir versuchen, eine andere Messmethode einzuführen . Aber auch diese Messmethode muss unter Laborbedingungen angewendet werden, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse herstellen zu können . Da Sie von
Überschreitungen gesprochen haben, sage ich Ihnen: Es
kommt immer darauf an, unter welchen Fahrbedingungen diese Überschreitungen eintreten, ob die Fahrbedingungen vergleichbar sind .
({2})
Ich kann mein Fahrzeug auf ein und derselben Strecke so
fahren, dass es 7 Liter verbraucht, oder so, dass es 10 Liter verbraucht . Das hängt von mir ab . Also: Von welchen
Messmethoden sprechen Sie?
Vielen Dank . - Jetzt hat Herr Behrens die nächste Frage .
Herr Staatssekretär, als niedersächsischer Abgeordneter wird mir bei Ihren Antworten ein bisschen angst und
bange, da ich weiß, dass, wenn VW niest, ganz Niedersachsen Schnupfen hat . Da VW über 100 000 Beschäftigte hat, halte ich es für erforderlich, dass seitens der
Bundesregierung klare Ansagen an den VW-Konzern
gemacht werden . Schließlich führt das Verhalten des
Vorstands zur Gefährdung von Zehntausenden Arbeitsplätzen, wenn sich die Situation nicht schnellstmöglich
aufklären lässt .
Insofern möchte ich Sie noch einmal darum bitten,
uns Folgendes zu erläutern: Mit welchem Auftrag ist
Ihre Kommission unterwegs? Auf die Frage der Kollegin
Wilms haben Sie gesagt, dass die Probleme mit der Software nicht direkt und nachprüfbar aufgedeckt werden
müssen, damit man selber feststellen kann, ob die Ansage überhaupt richtig ist . Sind Sie der Meinung, dass es
ausreicht, wenn VW Ihnen sagt: „Wir werden umfassend
aufklären“?
({0})
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege Behrens, ich wiederhole es nochmals:
Wir haben dem VW-Konzern mitgeteilt, dass wir erwarten, dass bis zum 7 . Oktober 2015 ein klarer Fahr- und
Zeitplan vorgelegt wird, wie die Dinge aufgeklärt werden
sollen . Wir haben ein großes Interesse daran, dass diese
Vorfälle möglichst schnell und möglichst transparent aufgeklärt werden, damit das Vertrauen der Menschen, der
Verbraucher, der Käufer zurückkehrt .
Wir sehen sehr wohl, dass es große Sorgen gibt, auch
im Land Niedersachsen und bei den Beschäftigten . Wir
haben ein großes Interesse daran, diese Sorgen möglichst schnell auszuräumen . Dafür muss man sauber und
korrekt vorgehen und die Dinge aufklären, die es aufzuklären gilt . Dabei müssen die Sachverhalte sauber voneinander getrennt werden, und es dürfen nicht Dinge
hineingemischt werden, die damit nichts zu tun haben,
weil das zu einer weiteren Skandalisierung dieses Sachverhalts führen kann . Teilen der Linken und der Grünen
muss ich vorwerfen, dass sie permanent Sachverhalte
miteinander vermischen und damit dazu beitragen, dass
das von ihnen Befürchtete eintreten kann .
({0})
Eine Zusatzfrage von Kollegin Paus .
Auch ich möchte fragen, was genau der Untersuchungsgegenstand ist . Ich versuche einmal, das zu interpretieren . Haben Sie den Untersuchungsgegenstand eng
definiert, in diesem Sinne: „Untersuchungsgegenstand
ist, ob die von der Firma Bosch - folgende Typennummer - verwendete Abschaltvorrichtung sich in weiteren
außer den von VW, Audi und Skoda genannten Fahrzeugen befindet, und darüber hinaus wird nicht geprüft“,
oder gibt es einen weiteren Prüfauftrag? Bezüglich des
engen Prüfauftrags würde mich interessieren, ob dann
auch geprüft wird, inwieweit diese Abschaltvorrichtung
an- oder ausgeschaltet worden ist, ob Sie das überprüfen
können .
Ansonsten will ich noch Folgendes fragen: Sind Sie
mit mir der Auffassung, dass es bei den modernen Softwarelösungen unter Laborbedingungen neben An und
Aus noch weitere Möglichkeiten gibt, zu manipulieren?
Sind Sie nicht wie ich der Auffassung, dass es sich lohnen würde, den Untersuchungsauftrag entsprechend auszuweiten?
Herr Staatssekretär, bitte .
Frau Kollegin, ich habe Ihnen erklärt, dass wir diese
Kommission eingesetzt und mit entsprechenden Experten besetzt haben, die allen relevanten Fragen nachgehen .
Ich schließe mich Ihren Vermutungen nicht an . Uns liegen keine genaueren Erkenntnisse über die Zusammenhänge vor .
Frau Höhn .
Herr Staatssekretär, ich frage Sie eindeutig und klar:
Prüfen Sie bei Fahrzeugen auch überhöhte Werte von
zum Beispiel NOx oder Feinstaub im realen Verkehr?
Prüfen Sie das? Ist das Teil Ihres Untersuchungsauftrags?
Frau Höhn, ich appelliere nochmals an die gesamte
Fraktion der Linken und auch an Sie persönlich - ({0})
Die Grünenfraktion .
Entschuldigung, ich meinte die Fraktion der Grünen . Ich appelliere an Sie: Vermischen Sie nicht ständig
verschiedene Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun
haben . Sie erwecken damit in der Öffentlichkeit einen
falschen Eindruck .
Dass sich die Verbrauchswerte und damit auch Abgaswerte wie die Stickoxide
({0})
bei anderen Verbräuchen, bei anderen Fahrzyklen anders
darstellen, das ist relativ logisch . Aber das hat mit den
jetzt zur Untersuchung anstehenden Dingen nichts zu
tun .
({1})
Danke schön . - Jetzt kommen wir zur Frage 13 der
Kollegin Lisa Paus:
Wird sich die Untersuchungskommission, die die Manipulationen bei Abgasmessungen an Dieselautos untersuchen soll,
nur mit dem Hersteller VW beschäftigen ({0}),
oder werden die Untersuchungen auch auf mögliche Manipulationen bei Abgasmessungen durch weitere deutsche Automobilhersteller ausgeweitet?
Herr Staatssekretär .
Wenn Sie erlauben, werde ich die Frage 14 auch gleich
mit beantworten . Denn die Fragen stehen in einem engen
Sachzusammenhang .
Dann rufe ich jetzt die Frage 14 auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, nach denen
sie ausschließen kann, dass neben VW auch andere deutsche
Automobilhersteller Manipulationen bei Abgasmessungen,
wie VW sie für einen Teil seiner Fahrzeuge zugegeben hat,
durchführen oder durchgeführt haben?
Das Kraftfahrt-Bundesamt ist angewiesen, seine
Nachprüfungen auf Fahrzeugtypen in- und ausländischer
Hersteller zu erstrecken .
Frau Paus, Sie haben jetzt, wenn Sie möchten, viermal
die Möglichkeit, nachzufragen .
Ich habe immer noch nicht genau verstanden, wie
dieser Prüfauftrag ausschaut . Vielleicht können Sie mir
noch einmal erläutern, wie dieser Prüfauftrag formuliert
ist . Ist darin formuliert, dass geprüft wird, ob sich die genau definierte Abschaltvorrichtung von der Firma Bosch,
die sich in VW-, Audi- und Skoda-Motoren befindet,
auch in anderen Fahrzeugen befindet? Wie ist der Prüfauftrag formuliert?
Der Prüfauftrag an das KBA ist so formuliert, dass
nicht nur inländische Dieselmotoren untersucht werden nach unserer Kenntnis der 2-Liter-, der 1,6-Liter- und der
1,2-Liter-Motor - , vielmehr sollen auch weitere auf dem
europäischen Markt befindliche Fahrzeuge anderer Hersteller untersucht werden, und zwar bezüglich der Frage,
ob eine widerrechtlich eingebaute Abschaltvorrichtung
vorzufinden ist.
Frau Paus .
Können Sie mir noch erläutern, warum der Prüfauftrag sich auf die Abschaltvorrichtung beschränkt, warum
nicht grundsätzlich geprüft wird, inwieweit manipulierte
Software verwendet worden ist?
Frau Kollegin Paus, wie soll das gehen? Wie soll man
irgendeine Manipulation in irgendeiner Software untersuchen? Sie müssen mir einmal erklären, wie das gehen
soll .
Die Frage kann ich so nicht beantworten, weil sie so
unscharf ist, dass es darauf keine genaue Antwort geben
kann .
Frau Paus ist jetzt an der Reihe zur dritten Rückfrage .
Als IT-Laiin meine ich mich so weit auszukennen,
dass es bei einem Computerprogramm sehr wohl möglich ist, für bestimmte Situationen bestimmte Ablaufprogramme zu schalten . Ich kann mir also vorstellen, dass
es bei einem Labortest nicht nur die Möglichkeit gibt, in
die Software, in das Programm ein einsprechendes Modul einzufügen: Schalte dieses Tool an oder aus . Es ist
sehr wohl auch möglich, eine Software so zu programmieren, dass unter bestimmten Bedingungen - man kann
die Laborbedingungen auch allgemeiner definieren - ein
Programm abzulaufen hat, das dazu führt, dass bestimmte Emissionen gedrosselt werden . Das ist durchaus möglich . Sie können sich gern noch einmal mit Softwarespezialisten unterhalten .
Prüft die Bundesregierung zusammen mit entsprechenden Experten, was die Software angeht, breitere
Manipulationsmöglichkeiten im Rahmen der Überprüfung der Motoren von inländischen und ausländischen
Fahrzeugherstellern?
Ich habe den Prüfauftrag bereits formuliert . Sie können das gerne im Protokoll nachlesen . Ich muss den Satz,
der den Prüfauftrag beschreibt, nicht zehnmal wiederholen. Nebenbei bemerkt: In modernen Pkw befindet sich
Software mit einem Datenumfang, der etwa dem eines
Spaceshuttles entspricht . Insofern müssen Sie uns schon
etwas genauer, etwas präziser fragen, was denn überprüft
werden soll .
Frau Paus, die vierte Nachfrage? - Nicht mehr . Gut . Dann Herr Krischer .
Herr Staatssekretär, ich habe Sie jetzt so verstanden:
Sie haben das Kraftfahrt-Bundesamt beauftragt, nur zu
überprüfen, ob die Fahrzeuge eine solche nicht zulässige Abschaltvorrichtung besitzen . Sie haben uns eben erklärt, dass man nicht in die Software schaut . Daher würde
mich natürlich interessieren - diese Abschaltvorrichtung
ist eine Software -, wie man das herausfinden will, ohne
in die Software zu schauen . Das ist mir ein Rätsel . Aber
Sie werden das sicherlich verstanden haben .
Ich darf also feststellen, dass Sie das eigentliche Problem, nämlich die Überschreitungen der Stickoxidgrenzwerte - das ist ja auch das Problem in den USA -, hier
überhaupt nicht untersuchen, dass Sie keine Nachprüfungen unternehmen und dass Sie hier keine Messungen
vornehmen . Deshalb würde ich Sie bitten - Sie haben
jetzt mehrfach vom Auftrag an das Kraftfahrt-Bundesamt gesprochen; offenbar liegt er Ihnen vor -, uns diesen
Auftrag hier für das Protokoll wörtlich vorzulesen .
Herr Staatssekretär .
Den Auftrag kann ich Ihnen nicht wörtlich vorlesen;
ich habe ihn auch nicht schriftlich bei mir . Ich wiederhole
noch einmal: Es geht um die Frage, ob bei bestimmten
Dieselmotoren durch eine illegale Software ein Mechanismus in Gang gesetzt wird, der falsche NOX-Werte ergibt . Das wird überprüft, und zwar auch in anderen Fahrzeugen .
Frau Höhn, bitte .
Herr Staatssekretär, in den USA hat man ja diese
Tricksereien und den Betrug herausbekommen, weil man
festgestellt hat, dass diese Autos im normalen Verkehr
zu hohe Abgaswerte hatten . Dem ist man nachgegangen,
und dann ist man darauf gekommen: Aha, die haben diese
Abschaltvorrichtung . Wenn Sie jetzt die Software nicht
überprüfen und die hohen Abgaswerte nicht überprüfen,
wie wollen Sie dann überhaupt herausfinden, dass da eine
Abschaltvorrichtung vorhanden ist?
Ich habe Herrn Krischer schon gesagt - ich sage es
auch Ihnen -, dass wir selbstverständlich in die Software
hineinschauen müssen .
({0})
- Ich habe doch nie etwas anderes behauptet .
({1})
- Nein, ich habe nie etwas anderes behauptet . Ich habe
hier nur gesagt: Wir können nicht sämtliche Software
überprüfen .
({2})
Ich habe nie etwas anderes behauptet . Sie unterstellen
mir permanent Dinge, die ich nicht gesagt habe bzw . angeblich gesagt habe .
({3})
Dagegen verwahre ich mich mit aller Entschiedenheit .
Frau Kollegin Höhn, wie war Ihre Frage? Sie ist mir
jetzt entfallen . Entschuldigung .
({4})
Ich habe gefragt: Wenn Sie nicht die hohen Abgaswerte und auch nicht die Software überprüfen, wie bekommen Sie dann überhaupt heraus, dass da eine Abschalttechnik verwendet worden ist?
Da sind wir wieder beim Selben . Wir müssen selbstverständlich in die Software schauen, um zu sehen, ob
diese manipulativen Vorgänge dort gespeichert sind, ob
sie aktiv sind und ob man sie außer Kraft setzen kann usw .
usf . Diese Dinge werden von der Kommission überprüft .
Ich bitte Sie: Lassen Sie der Kommission den nötigen
Freiraum, um diese Dinge jetzt ordentlich aufzuklären .
Stellen Sie im Vorfeld nicht irgendwelche Vermutungen
an, und machen Sie nicht irgendwelche Vorwürfe, bevor
wir überhaupt Fakten auf dem Tisch haben .
Eine Nachfrage von Stephan Kühn .
Herr Staatssekretär, Sie haben ja den Vorwurf an uns
gerichtet, dass wir nicht auseinanderhalten können, welche Abgaswerte im Labor geprüft werden und welche im
realen Straßenverkehr gemessen werden . Sie haben gesagt, wir würden das durcheinanderwerfen . Nun ist es so,
dass die Bundesregierung - auch das haben Sie gesagt sich dafür einsetzt, dass es das sogenannte RDE-Verfahren gibt, bei dem man die Abgaswerte im realen Verkehr
messen kann . Wir wissen, dass Laborsituation und realer
Verkehr zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind; denn
die Werte im realen Verkehr haben auch etwas mit dem
Fahrverhalten zu tun . Entsprechend sind die Emissionen
im Vergleich zur Laborsituation unterschiedlich . Deshalb
soll es bei RDE einen Umrechnungsfaktor geben, also:
Laborwert mal Komma x ergibt sozusagen den maximal
zulässigen im realen Verkehr emittierten NOX-Ausstoß .
Mich würde interessieren: Für welchen Umrechnungsfaktor setzt sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen für die Implementierung von RDE ein?
Herr Staatssekretär .
Herr Kollege, ich habe Ihnen nicht vorgeworfen,
dass Sie die Laborsituation nicht von der Praxissituation
unterscheiden können; ich nehme sehr wohl an, dass Sie
das unterscheiden können .
({0})
Darum geht es aber bei dieser Frage nicht . Vielmehr
ist das erneut der Versuch, einen Sachverhalt, nämlich
unterschiedliche Verbrauchs- und Emissionswerte bei
standardisierten Laboruntersuchungen und realen Fahrsituationen, als Aufhänger zu benutzen .
({1})
Das ist aber nicht der Ausgangspunkt des VW-Skandals .
Der Ausgangspunkt des VW-Skandals ist ein anderer
Sachverhalt . Beide Sachverhalte vermischen Sie ständig .
Ich lehne es ab, zu dem anderen Sachverhalt konkretere
Aussagen zu machen, weil er mit dem einen Sachverhalt
nichts zu tun hat .
({2})
Dass wir daran arbeiten, das RDE-Verfahren auf europäischer Ebene einzuführen, habe ich schon mehrmals
erwähnt . Es ist aber noch nicht da, und es ist noch nicht
konkret abzusehen, wie es aussehen wird . Das wird auf
europäischer Ebene verhandelt .
({3})
Jetzt habe ich noch eine Nachfrage vom Kollegen
Chris Kühn .
Herr Staatssekretär, noch eine Nachfrage zum Schluss:
Wann gibt es denn Ergebnisse der Kommission hinsichtlich der Fahrzeugtypen von VW und anderer Fahrzeughersteller in Deutschland? Wann kann die Öffentlichkeit
also mit Ergebnissen rechnen? Inwieweit fließen in diese
Ergebnisse auch Erkenntnisse der US-Bundesbehörden
und der US-Umweltbehörde mit ein?
Wann Ergebnisse vorliegen, kann man naturgemäß zu
Beginn der Arbeit einer solchen Kommission schlecht
vorhersagen . Dass, nachdem es Kontakt gegeben hat,
auch Ergebnisse aus den USA bewertet werden, davon
gehe ich aus .
Frau Dr . Wilms .
Herr Staatssekretär, wir haben ganz gezielt gefragt,
wie es bei der Umrechnung der Werte der derzeitigen
Labormessungen auf RDE mit dem Umrechnungsfaktor
aussieht . Sie haben uns eben, wenn ich es richtig verstanden habe, mitgeteilt - es kann ja sein, dass bei mir
Aussetzer auf der Platte sind; das will ich nicht hundertprozentig ausschließen,
({0})
aber bislang funktioniert alles noch einigermaßen gut -,
dass sich die Bundesregierung damit noch nicht beschäftigt hat . Ich sehe aber - das kann ich auch den Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen, entnehmen -, dass in
Brüssel schon längst darüber verhandelt wird . Also: Welchen Umrechnungsfaktor schlägt die Bundesregierung
vor? Da gibt es ja zwei Werte, die im Gespräch sind: 1,5
und 2,5 . Was schlägt die Bundesregierung vor?
Herr Staatssekretär .
Über diese Frage wird auf europäischer Ebene intensiv verhandelt . Es wäre aus Sicht der Bundesregierung schlecht, sich da auf einen Wert festzulegen . Das
schränkt die Verhandlungsmöglichkeiten ein . Ich kann
Ihnen nochmals versichern: Wir sind intensiv dabei, das
RDE-Verfahren baldmöglichst einzuführen .
Danke schön, Herr Staatssekretär . - Weil wir zwei
Fragen zusammengefasst haben, ist noch einmal Kollege
Krischer mit einer Nachfrage zu Frage 14 dran .
Herr Staatssekretär, ganz einfache Frage: Prüfen Sie Sie haben eben auch mehrfach gesagt, die Kommission
prüft; ich habe gar nicht genau verstanden, wer prüft,
aber ich sage jetzt einfach einmal „Sie“ - oder prüft das
Kraftfahrt-Bundesamt jetzt fabrikneue Fahrzeuge, die
vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden, oder werden Fahrzeuge überprüft, die schon auf der Straße fahren,
die also schon im Betrieb befindlich sind?
Herr Staatssekretär .
Die Kommission überprüft die Vorgänge bei VW und
versucht, zu ergründen, wie dieser ganze Mechanismus
überhaupt funktioniert hat, was da getan wurde .
({0})
- Ihre Frage war: „Wer prüft?“, und ich beantworte sie
gerade .
({1})
Die Nachprüfungen des Kraftfahrt-Bundesamtes beziehen sich auf die im Markt befindlichen Fahrzeuge
europäischer und nichteuropäischer, deutscher und nichtdeutscher Hersteller .
({2})
- Die im Markt sind .
({3})
Ja, die Frage war: fabrikneu oder nicht? Herr Staatssekretär, vielleicht noch einmal?
({0})
Herr Krischer, da lege ich mich jetzt nicht fest . Sagen
Sie mir einmal, was „fabrikneu“ ist. Auch da haben die
Hersteller unterschiedliche Auffassungen .
({0})
So, jetzt haben wir noch eine Nachfrage von Herrn
Wunderlich .
Wahrscheinlich ein vergeblicher Versuch . - Herr
Staatssekretär, eine ganz konkrete Frage an Sie als zuständigen Staatsminister im zuständigen Ministerium,
dem das Kraftfahrt-Bundesamt nachgeordnet ist: Wissen
Sie, wie die Prüfverfahren beim Kraftfahrt-Bundesamt
ablaufen, wie viele Fahrzeuge geprüft werden, bis es
eine Genehmigung gibt, und wie diese Fahrzeuge geprüft
werden? Wissen Sie dies konkret?
Der Staatssekretär antwortet jetzt .
Sehr geehrter Herr Kollege, wir haben diesen Prüfauftrag erst vor wenigen Tagen an das KBA gegeben . Ich
glaube, deshalb ist relativ leicht nachvollziehbar, dass
wir jetzt - nach wenigen Tagen - noch nicht über sämtliche Details, wie diese Prüfvorgänge ablaufen und wie
viel wann und wo geprüft wird, Bescheid geben können .
({0})
Das muss ja erarbeitet werden, und dafür braucht man
etwas Zeit .
Lassen Sie uns also die notwendige Zeit, um diese
Frage dann präzise zu beantworten .
({1})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . Sie sind jetzt mit
Ihren Antworten durch . Aber Sie haben ja eine gute Kondition .
({0})
- Einige Fragen an Sie werden schriftlich beantwortet . - Vielen herzlichen Dank .
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Herzlich willkommen, Florian Pronold .
Er wird sich jetzt nicht an die Beantwortung der Frage 15 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl machen die wird schriftlich beantwortet -,
sondern an die Beantwortung der Frage 16 der Kollegin
Bärbel Höhn:
Stammt die Sulfatbelastung der Spree nach Kenntnis der
Bundesregierung hauptsächlich aus aktiven oder stillgelegten
Braunkohletagebauen, und von welchen möglichen Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung entlang der Spree
geht die Bundesregierung in den nächsten Jahren in diesem
Zusammenhang aus?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Gutachten und Erkenntnisse vor . Die Geschäftsführung der
Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH als Projektträger und Unternehmen des
Bundes für die Sanierung der stillgelegten Tagebau- und
Veredelungsanlagen in den neuen Bundesländern hat eine
Studie dazu veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Einschätzung des Anteils des Sanierungsbergbaus der LMBV an
der Sulfatbelastung der Spree“ .
Dieser Studie kann man Folgendes entnehmen: Im Ergebnis ist es so, dass der aktive Tagebau gegenwärtig zu
etwa 51 Prozent, der stillgelegte Tagebau der Lausitzer
und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft
zu etwa 28 Prozent sowie die in der Lausitz natürlich vorhandenen geologischen Bodenschichten zu etwa 21 Prozent die Sulfatfrachten in die Spree eintragen . Die Studie
ist auf der Webseite der Lausitzer und Mitteldeutschen
Bergbau-Verwaltungsgesellschaft einsehbar .
Frau Höhn .
Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung nach
dieser Studie davon aus, dass es steigende Sulfatwerte
geben wird, wenn die Erweiterung des Braunkohletagebaus Welzow-Süd in der Lausitz abgeschlossen ist?
Die Bundesregierung geht auf Basis dieses vorliegenden Gutachtens davon aus, dass zukünftig kein signifikanter Anstieg der Gesamtsulfatbelastung in der Spree zu
erwarten ist .
Herr Staatssekretär, Sie haben ja eben aus diesem Gutachten vorgelesen und gesagt, dass der aktive Tagebau
zu etwa 51 Prozent und der stillgelegte Tagebau zu etwa
28 Prozent zu den Belastungen beitragen . Geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Verockerung der
Spree trotz einer Erweiterung des Tagesbaus nicht verändert?
Noch einmal: Wir können uns nur beziehen auf die
Erkenntnisse, die wir haben . Die Erkenntnisse sind das
vorliegende Gutachten, das auch öffentlich ist und das zu
dem Ergebnis kommt, dass es keinen signifikanten Anstieg geben wird .
Wenn sich die Grundlagen ändern, ist selbstverständlich eine Neubewertung vorzunehmen . Das ist ja logisch .
Wenn wir eine tatsächliche Ausweitung des Tagebaus
hätten, dann müsste man auch prüfen, ob die Maßnahmen, die wir mit dieser Gesellschaft ergriffen haben - wo
wir jetzt über 20 Millionen Euro investiert haben, um die
Sulfatbelastung nicht weiter zu erhöhen -, dazu führen,
dass es keinen weiteren - so wie das Gutachten sagt Anstieg der Sulfatbelastung gibt . .
Wenn es eine signifikante Änderung gibt, muss man
eine Neubewertung vornehmen .
Uns liegen derzeit aber keine Erkenntnisse vor, dass es
dadurch zu einem signifikanten Anstieg käme.
Vielen Dank .
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung .
Die Frage 17 des Abgeordneten Kai Gehring und
die Frage 18 des Abgeordneten Dieter Janecek werden
schriftlich beantwortet .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung .
Die Frage 19 des Abgeordneten Uwe Kekeritz wird
schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes .
Die Frage 20 der Abgeordneten Tabea Rößner und
die Frage 21 des Abgeordneten Dr . André Hahn werden
schriftlich beantwortet .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie .
Die Frage 22 des Abgeordneten Dr . André Hahn, die
Frage 23 der Abgeordneten Britta Haßelmann, die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Katharina Dröge und
die Frage 26 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet .
Da der Fragesteller der Frage 27, Hubertus Zdebel,
nicht da ist, entfällt die Beantwortung . Es wird verfahren,
wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Frage 28 des Kollegen Uwe Kekeritz wird schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes .
Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Inge Höger sollen schriftlich beantwortet werden . Die Fragen 31 und 32
der Kollegin Heike Hänsel sollen schriftlich beantwortet
werden. Die Frage 33 der Kollegin Dağdelen soll schriftlich beantwortet werden . Frage 34 wird nicht beantwortet, da Frau Dağdelen nicht da ist. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Kunert werden schriftlich beantwortet . Die Frage 37 des Kollegen
Volker Beck wird schriftlich beantwortet .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeministeriums des Innern .
Die Frage 38 des Kollegen Volker Beck wird schriftlich beantwortet . Die Frage 39 der Kollegin Schauws soll
ebenfalls schriftlich beantwortet werden . Die Frage 40
des Kollegen Neu wird nicht beantwortet, weil er nicht
anwesend ist . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Fragen 41 und 42 der Kollegin Steinbach werden schriftlich beantwortet . Die Frage 43 des Kollegen
Janecek sowie die Fragen 44 und 45 der Kollegin Ulla
Jelpke werden schriftlich beantwortet . - Liebe Leute,
meldet es dann halt ab! - Die Fragen 46 und 47 des Kollegen Ströbele werden nicht beantwortet, da er nicht da
ist . Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen .
Die Fragen 48 und 49 des Kollegen Hunko sollen
schriftlich beantwortet werden .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen . Auch die Frage 50 der Kollegin
Höhn soll schriftlich beantwortet werden . - Wie ich sehe,
kommt gerade der Kollege Zdebel in den Saal . Dann können wir seine Frage noch aufrufen . Wir haben ja noch ein
bisschen Zeit . Ist der für die Antwort zuständige Staatssekretär noch da?
({0})
- Gut . - Wir kommen noch einmal zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie .
Ich rufe die Frage 27 von Herrn Zdebel auf:
In welcher Weise besteht aus Sicht der Bundesregierung
ein Zusammenhang zwischen dem geplanten Gesetz zur Haftungssicherung für die Atomkonzerne in Sachen Atomrückstellungen und den Ergebnissen des laufenden Stresstests über
die Verfügbarkeit und Höhe der Entsorgungsrückstellungen,
und gibt es aus Sicht der Bundesregierung Umstände, die dazu
führen könnten, dass ein solches Gesetz zur Haftungssicherung möglicherweise nicht erforderlich wäre?
Frau Präsidentin! Ich beantworte die Frage von Herrn
Zdebel wie folgt: Die geplante Regelung zur Nachhaftung verfolgt einen anderen Zweck als der Stresstest . Ziel
des Gesetzentwurfes ist es, eine langfristige Nachhaftung
jedes Unternehmens, das als Betreibergesellschaft von
Kernkraftwerken gilt, für die Kosten der Stilllegung und
des Rückbaus dieser Kernkraftwerke und der Entsorgung
der radioaktiven Abfälle zu gewährleisten und somit die
Risiken für die öffentlichen Haushalte zu reduzieren .
Mit der vom BMWi in Auftrag gegebenen Überprüfung der Kernenergierückstellungen - Klammer auf: der
sogenannte Stresstest - soll hingegen geklärt werden, ob
die Rückstellungen dieser Unternehmen ordnungsgemäß
gebildet sind, und soll ihre Eignung für die Finanzierung
der Atomverpflichtungen bewertet werden. Der Regelungsvorschlag zur Nachhaftung ist daher von den Ergebnissen des laufenden Stresstests nicht abhängig .
Vielen Dank . - Herr Kollege .
Danke, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär, auch
Ihnen herzlichen Dank für die Antwort . Ich habe dann
doch noch einmal eine konkrete Nachfrage dazu . Durch
die Medien sind in diesem Zusammenhang schon Zahlen
gegangen, etwa dass den Energiekonzernen nach einer
vorab bekanntgewordenen Berechnung eventuell bis zu
30 Milliarden Euro fehlen . Könnten Sie das möglicherweise bestätigen? Könnten Sie mir Auskunft darüber geben, wie der Stand der Erkenntnisse der Bundesregierung
dazu ist, ob diese Berechnungen eventuell zutreffen?
Herr Abgeordneter, das, was Sie mit Ihrer Frage gerade anfangen, ist eine sehr kursrelevante Debatte . Diese
Zahl kann ich ausdrücklich nicht bestätigen .
Weitere Frage?
Das habe ich eigentlich auch nicht anders erwartet .
Warum stellen Sie dann die Frage?
Sie hatten letzte Woche schon davon gesprochen, dass
Sie Fragen zum Stresstest zum jetzigen Zeitpunkt sehr
ungerne beantworten .
Trotzdem frage ich zu einem anderen Punkt nach, der
in gewisser Weise damit in direktem Zusammenhang
steht, nämlich die von Minister Gabriel angekündigte
Atommüllrückstellungsbewertungskommission, um es
so vereinfacht zu sagen . Können Sie mir bestätigen, dass
der Kollege Bundestagsabgeordneter Jürgen Trittin als
Vorsitzender dieser Kommission im Gespräch ist?
Das interessiert mich jetzt auch .
({0})
Herr Abgeordneter, ich beantworte gerne Ihre Fragen
wie folgt: Erstens, wir machen den Stresstest, um die öffentliche Hand vor irgendwelchen Beeinträchtigungen
bzw. finanziellen Verpflichtungen zu bewahren. Wir prüfen nach, ob die Atomkonzerne in der Lage sind, ihren
Verpflichtungen nachzukommen. Das sind Grundlage
und Absicht des Stresstests, und das ist ganz plausibel
und vernünftig aus Sicht jedes deutschen Steuerzahlers .
Das Zweite ist, dass Herr Bundesminister Gabriel eine
solche Kommission angekündigt hat, deren Besetzung
aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht .
Vielen Dank . - Eine Rückfrage des Kollegen Krischer .
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen . - Sie widersprechen etwas den Ausführungen
Ihrer Kollegin Zypries in der Fragestunde der letzten
Woche . Da hat sie uns nämlich zu meiner Verwunderung
und auch zur Verwunderung von Kollegen erläutert, dass
das Konzernhaftungsgesetz und die Stresstests in einem
inhaltlichen Zusammenhang stehen, und das mit als Begründung angeführt, warum das Konzernhaftungsgesetz,
das eigentlich schon in der letzten Sitzungswoche im Kabinett verabschiedet werden sollte - so war jedenfalls die
öffentliche Ankündigung -, sich weiter verzögern würde:
weil die Ergebnisse der Stresstests nicht vorliegen .
Ich habe Sie so verstanden, dass das in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht und dass die Verlängerung der Konzernhaftung unabhängig vom Ergebnis
der Stresstests erfolgt, weil sie sowieso vorgenommen
werden muss . Dazu bitte ich Sie um Klarstellung und
um einen Hinweis - da das Konzernhaftungsgesetz öffentlich angekündigt war -, wann die Kabinettsbefassung
geplant ist und wann wir mit der Vorlage des Gesetzentwurfs rechnen können .
Zur Klarheit der Gedanken, Herr Kollege Krischer:
Das eine ist das Überprüfen, ob die Konzerne mit den
Rückstellungen, die sie über Jahrzehnte gebildet haben,
in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen,
und das Zweite ist, dass wir mit dem Entwurf des RückVizepräsidentin Claudia Roth
bau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes dafür
Sorge tragen wollen, dass uns, ganz simpel gesprochen,
niemand entwischt, auch wenn er seinen Konzern umbaut .
Insofern handelt es sich zwar um die gleiche Thematik, aber durchaus um unterschiedliche Sachverhalte, die
nebeneinanderstehen .
Sie haben nach dem Termin gefragt . Nach meinem
Kenntnisstand ist als Kabinettstermin derzeit der 7 . Oktober vorgesehen .
Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär . - Dann
sind wir jetzt am Ende unserer Fragestunde angekommen . Die Fragen 51 und 52 des Kollegen Ebner aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft werden schriftlich beantwortet .
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 .35 Uhr . Genießen
Sie Ihren Kaffee oder was auch immer, und um 15 .35 Uhr
treffen wir uns pünktlich wieder zur Aktuellen Stunde .
({0})
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe
Gäste auf der Tribüne, herzlich willkommen! Ich rufe
den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE
Haltung der Bundesregierung zur Stationierung von 20 modernisierten Atombomben in
Rheinland-Pfalz
Ich begrüße den Vertreter von Rheinland-Pfalz auf der
Bundesratsbank und ebenso die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung .
Ich eröffne die Aussprache mit Alexander Ulrich für
die Linke .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
Deutschland, auf deutschem Boden soll ganz offensichtlich atomar aufgerüstet werden . Das lehnen wir als Linke
entschieden ab .
({0})
Die Bundesregierung muss jetzt Farbe bekennen und
die Öffentlichkeit darüber informieren, was gerade passiert, was von US-Seite geplant ist . Sie muss erklären,
warum sie still und heimlich akzeptiert, dass neue Atomwaffen auf dem Fliegerhorst in Büchel in RheinlandPfalz stationiert werden sollen,
({1})
obwohl der Bundestag im Jahr 2010 das genaue Gegenteil beschlossen hat . Der Bundestag beschloss 2010, sich
für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen und sich bei
den Verbündeten mit Nachdruck dafür einzusetzen, die
verbliebenen Atomwaffen in Rheinland-Pfalz abzuziehen . Diesem Antrag hatte übrigens auch die CDU/CSU
zugestimmt, und er deckte sich sogar mit dem damals
gültigen Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung .
({2})
Jetzt passiert genau das Gegenteil . Wie wir auch, aber
nicht nur durch Frontal 21 wissen, plant die US-Regierung, bis 2020 in Europa lagernde Nuklearwaffen zu
modernisieren . In Büchel sollen dann 20 neue Nuklearwaffen stationiert werden, die zusammen die Sprengkraft
von 80 Hiroshima-Bomben haben . Mit diesen neuen
Waffensystemen wird der Atomwaffensperrvertrag bewusst unterlaufen . Die atomare Aufrüstung wird so weiter vorangetrieben . Zudem bedeutet diese Modernisierung eine gefährliche Provokation gegenüber Russland,
weil sie neue Angriffsoptionen bietet . Die USA heizen so
die Dynamik für einen neuen Kalten Krieg weiter an, und
die Bundesregierung macht munter mit . Wann wird man
auf dieser Regierungsbank endlich verstehen, dass man
Frieden in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland
ermöglichen kann?
Unsere US-hörige Bundesregierung schweigt bzw .
nickt sämtliche Pläne der Vereinigten Staaten heimlich
ab . Und: So wichtig es war, die Atomgespräche mit dem
Iran zum Abschluss zu bringen, so sehr versagen die
Atommächte und auch die Bundesregierung bei der eigenen Abrüstung . Man kann nicht glaubwürdig von anderen den Verzicht auf Atomwaffen fordern, ohne selbst zu
verzichten . Kein Land der Welt hat das Recht, Massenvernichtungswaffen zu besitzen .
({3})
Deutschland muss gerade vor dem Hintergrund seiner
Geschichte auf nukleare Teilhabe in der NATO verzichten . Deutschland besitzt zwar formal keine Atomwaffen;
aber die Bundeswehr ist in US-Planspiele für Atomkriege eingebunden . In Büchel stehen deutsche Piloten
mit Kampfjets der Bundeswehr für Einsätze bereit . Mit
dieser Beteiligung bricht die Bundesregierung ihre völkerrechtlichen Pflichten auf eine Art, die sie bei NichtNATO-Staaten zu Recht nie akzeptieren würde . Übrigens
geht es auch innerhalb der NATO anders . So sind Griechenland und Kanada schon vor Jahren aus der nuklearen
Teilhabe ausgestiegen .
Wir sagen: Die Modernisierung von Atomwaffen in
Büchel muss gestoppt werden . Sonst wird ein fatales Zeichen gesetzt, dass das Wettrüsten weitergeht .
({4})
Oder andersherum: Wenn die Bundesregierung hier und
jetzt aussteigt, wäre das ein starkes, glaubwürdiges Signal für globale atomare Abrüstung und ein ehrliches
Engagement für eine atomwaffenfreie Welt . Gerade in
dieser aufgeheizten Zeit mit der angespannten Lage in
der Ukraine und den Massen an Kriegsflüchtlingen wäre
ein solches Zeichen unglaublich wichtig .
Wir fordern die Bundesregierung auf, den Abzug
sämtlicher Atomwaffen aus Deutschland endlich durchzusetzen
({5})
und auf jegliche Art der nuklearen Teilhabe vollumfänglich zu verzichten . Ganz nebenbei könnte auf diese Weise in Büchel ein dreistelliger Millionenbetrag eingespart
werden; denn wir wissen, dass der Fliegerhorst ebenfalls modernisiert werden soll und wir schon jetzt mit
120 Millionen Euro dabei sind . Ähnlich ist es beim USHospital in Ramstein, wo wir mit 130 Millionen dabei
sind . Dieses Geld könnte sinnvoller eingesetzt werden,
und zwar für Arbeitsplätze, für die Zukunft einer Region,
die es dringend nötig hat, als für Kriegsspiele mit Atomwaffen .
Die Linke streitet weiter für eine atomwaffenfreie
Welt und für ein atomwaffenfreies Deutschland . Beenden
Sie endlich Ihre Hörigkeit gegenüber den USA! Machen
Sie damit endlich Schluss!
Ich bin froh, dass auch die Grünen meiner Rede zum
Teil durch Applaus zugestimmt haben .
({6})
Aber auch von der rheinland-pfälzischen Landesregierung erwarte ich deutlich mehr; denn die rheinland-pfälzische Landesregierung aus SPD und Grünen ist mir viel
zu ruhig . Man hat sich wohl mit den Plänen der Amerikaner in Büchel abgefunden . Liebe grüne Bundestagsfraktion, sagen Sie Ihren Kollegen im Mainzer Landtag und
Ihrer zuständigen Ministerin dort, dass sie endlich handeln sollen, damit nicht nur die Bundesregierung Druck
macht, sondern auch die Landesregierung in RheinlandPfalz .
Vielen Dank .
({7})
Vielen Dank, Herr Kollege Ulrich . - Der nächste Redner ist der Kollege Roderich Kiesewetter für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Wir sind eben leider Zeuge
einer Rede geworden, in der der Wunsch vor die Wirklichkeit gestellt wurde . Es ist schon absolut bedauerlich,
dass die Ukraine als Beispiel für nukleare Abrüstung angeführt wird . Es war doch gerade die Ukraine, die 1994
um den Preis ihrer Unabhängigkeit die Nuklearwaffen an
Russland übergeben und 20 Jahre später ihre Souveränität verloren hat . Ich glaube, wäre die Ukraine Nuklearmacht geblieben, müssten wir den hybriden Krieg, den
wir dort gerade erleben, nicht erleben .
Mir geht es aber um Sachlichkeit in der Diskussion .
Ich möchte deutlich hervorheben, dass gegenseitige
Rückversicherung und Abrüstung an sich kein Selbstzweck sind . Ziel unserer Außenpolitik ist, dass wir auf
der einen Seite Verlässlichkeit im Bündnis bieten und auf
der anderen Seite sowohl Sicherheit nach innen als auch
Sicherheit im Bündnis nach außen leisten können . Das
können wir durch eine Bundeswehr im Bündnis .
({0})
Das machen wir durch sehr stark orientierte Entwicklungszusammenarbeit und einen vernetzten Ansatz, der
in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht hat .
({1})
Ich möchte herausstellen, dass uns Russland zurzeit in
drei Bereichen nuklear bedroht:
Erstens . Russland macht Volltruppenübungen und
übt die Verlegung von Kurzstreckenraketen, von sogenannten Iskander-Raketen; davon hat Russland mehr als
4 000 Stück . Solche Übungen gab es auf deutschem Boden letztmals in der 80er-Jahren . Heute, 30 Jahre danach,
wird dies auf russischem Boden wieder praktiziert .
Zweitens . Russische strategische Bomber verletzen
den Luftraum der Europäischen Union . Wir wissen nicht,
was sie transportieren . Sie sind aber nuklearfähig . Das
findet umgekehrt nicht statt.
Drittens . Russland übt derzeit mit etwa 50 000 bis
60 000 Soldaten die schnelle Verlegung über weite Strecken und dabei auch die Anwendung von Nuklearwaffen .
Auch das gab es zuletzt in den 80er-Jahren und wird heute nicht mehr gemacht .
Wir müssen also schon die Kirche im Dorf lassen und
sehr deutlich sagen, dass die nukleare Bedrohung von
Russland ausgeht .
({2})
Für uns Deutsche ist die nukleare Teilhabe ein Thema,
auf das ich gerne noch etwas Zeit verwenden möchte .
Wir haben es im Jahr 2010 fast parteienübergreifend geschafft - Agnieszka Brugger war seinerzeit dabei -, einen
Antrag auf nukleare Abrüstung im Bundestag durchzusetzen . Damals war aber nicht von einem einseitigen Abzug von Nuklearwaffen die Rede, sondern davon, dass
wir im strategischen Konzept der NATO eindeutige Hinweise auf einen Abbau der Bedeutung von Nuklearwaffen verankert haben wollten . Das ist uns gelungen; das
ging von diesem Bundestag aus . Wir können heute noch
froh darüber sein, dass wir das geschafft haben . Die Entwicklung seit 2010 ist aber eine andere; die Bedrohung
unserer östlichen Grenze - insbesondere der souveränen
Ukraine - ist sehr sichtbar .
Der zweite Punkt ist: Wir wollen das strategische
Konzept der NATO weiterhin mit beeinflussen. Das geht
nicht, indem wir einseitig sagen: „Wir verzichten auf nukleare Teilhabe“, sondern das geht, indem wir konzeptionell mitarbeiten und an den politischen Dokumenten
der NATO mitwirken . Das ist eine Besonderheit . Die
Bundesrepublik Deutschland ist neben Frankreich, Großbritannien und den USA einer von vier Staaten, die daran mitwirken . Wir haben hier also eine ganz besondere
Rolle .
Der dritte Punkt ist - er sollte dem Kollegen von der
Linken etwas mehr zu Herzen gehen; da waren Sie sehr
oberflächlich, Herr Kollege Ulrich -:
({3})
Dadurch, dass wir als Bundesrepublik Deutschland an
der nuklearen Teilhabe festhalten, verhindern wir, dass
die Staaten in Osteuropa die NATO-Russland-Grundakte aufkündigen . In der NATO-Russland-Grundakte
von 1997 ist eindeutig festgehalten: keine Stationierung
von Nuklearwaffen in diesen Staaten . - Warum wollen
wir das? Wir wollen keine Zone neuer Unsicherheit
schaffen, sondern wir wollen, dass die Verlässlichkeit des
amerikanischen Nuklearschirms konstant bleibt und wir
nicht durch einen einseitigen Verzicht eine Diskussion
innerhalb der NATO entfachen, wer dann in Europa die
deutsche, die belgische, die niederländische, die italienische oder die türkische Rolle übernimmt . Ich glaube, hier
muss uns sehr stark an Stabilität gelegen sein .
({4})
Ein letzter Punkt: Es handelt sich um eine Modernisierung . Wie uns Parlamentariern es über die Medien
zugänglich gemacht worden ist, haben die vorhandenen
Nuklearwaffen ein bestimmtes Alter . Wer setzt denn auf
Abschreckung oder auf verlässliche Rückversicherung,
wenn die Waffen veraltet sind und dadurch möglicherweise sogar eine schädliche Wirkung in ihrem Umfeld
entfalten? Das bedeutet, die Modernisierung stärkt die
transatlantische Zusammenarbeit und unsere eigene Verlässlichkeit im Rahmen der nuklearen Teilhabe .
Ich möchte bewusst sehr sachlich unterstreichen - und
dafür habe ich eine Reihe von Argumenten genannt, auf
denen man aufbauen kann -: Mittelfristig halten wir alle
am Ziel einer abnehmenden Bedeutung von Nuklearwaffen fest . Aber Russland belehrt uns zurzeit eines Besseren .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({5})
Vielen Dank, Herr Kollege Kiesewetter . - Nächste
Rednerin in der Debatte: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges sind immer noch USamerikanische Atomwaffen im Rahmen der nuklearen
Teilhabe in der NATO in Büchel, in Rheinland-Pfalz,
stationiert, und die Bundeswehr hält Trägermittel - Tornados - bereit, um diese Waffen im Ernstfall abzuwerfen .
Wir sagen als Grüne nicht erst seit heute: Es ist höchste
Zeit, dass diese Waffen abgezogen werden .
({0})
Lieber Kollege Ulrich, wir sind Ihnen sehr dankbar,
dass Sie als Linksfraktion das heute zum Thema machen .
Wir Grüne haben in den letzten Jahren auch schon zahlreiche Anträge dazu gestellt . Bei Ihrer Rede haben wir
nur teilweise geklatscht, weil nicht alles richtig war . Ich
möchte Sie explizit darauf hinweisen, dass sich unsere
grüne stellvertretende Ministerpräsidentin in RheinlandPfalz, Eveline Lemke, in dieser Frage sehr klar und deutlich positioniert hat .
({1})
Meine Damen und Herren, das Thema ist sehr aktuell .
Vor Jahren hat Obama entschieden, dass das amerikanische Nuklearwaffenarsenal modernisiert werden soll,
und die Anzeichen mehren sich, dass das jetzt in die Tat
umgesetzt wird . Hinter dem netten und verharmlosenden
Begriff „Lebensdauerverlängerung“, der in diesem Zusammenhang gebraucht wird, verbirgt sich ein milliardenschweres Aufrüstungsprogramm, von dem auch die
in Büchel gelagerten Waffen betroffen sind . Das bedeutet
in der Konsequenz, dass aus der Bombe B61 die noch
präzisiere und gefährlichere Variante B61-12 wird . Infolge dessen müssen auch die Flugzeuge, die Tornados,
für Millionen Euro umgerüstet werden . Sie werden länger in Betrieb gehalten, als es ursprünglich geplant war .
Auch das kostet ordentlich Geld . Gleichzeitig sagen alle
Experten - Herr Kiesewetter, hier werden Sie nicht widersprechen -, dass diese Waffen keinen militärischen
Nutzen mehr haben .
({2})
Es ist doch naiv, zu glauben, dass, wenn diese Waffen
für Unsummen modernisiert werden und die Trägermittel ebenfalls, es zu einem baldigen Abzug dieser Waffen
kommen wird . Deshalb können wir die Bundesregierung
nur auffordern: Ziehen Sie endlich die Notbremse!
({3})
Ich zitiere aus der Bundestagsdrucksache 17/11323 sie ist aus der letzten Legislaturperiode -, die den Titel
trägt: „Keine Modernisierung der US-Nuklearwaffen
in Europa und Deutschland - Abrüstungschancen nicht
ungenutzt lassen“ . Die antragstellende Fraktion fordert
darin die Bundesregierung auf, „deutlich klarzustellen,
dass die Bundesregierung gegen die Stationierung modernisierter B61 in Deutschland und Europa ist“ und „auf
eine Modernisierung, Anpassung und Lebensdauerverlängerung des deutschen Trägersystems für substrategiRoderich Kiesewetter
sche Nuklearwaffen zu verzichten und hierfür auch keine
Haushaltsmittel einzuplanen“ .
({4})
Sie denken wahrscheinlich, dieser Antrag stamme von
den Grünen oder den Linken; aber er stammt aus der
Feder der SPD . Als Antragsteller wird oben namentlich
genannt der aktuelle Außenminister Frank-Walter Steinmeier .
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich
kann Sie nur an das erinnern, was Sie vor nicht allzu langer Zeit gefordert haben . Jetzt, wo Sie Regierungsverantwortung tragen und den Außenminister stellen, haben Sie
die Gelegenheit, es in die Realität umzusetzen . Stoppen
Sie diesen finanziellen und sicherheitspolitischen Irrsinn!
({6})
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung betont immer auf dem internationalen Parkett, dass sie sich
für eine Welt frei von Atomwaffen einsetzt und die nukleare Abrüstung voranbringen will . Das predigen Sie auf
der einen Seite; auf der anderen Seite aber lassen Sie de
facto die Aufrüstung dieser Massenvernichtungswaffen
im eigenen Land zu . Das ist völlig unglaubwürdig .
({7})
Ich sage Ihnen, was ich ebenso inakzeptabel finde:
Wenn wir die Bundesregierung zu diesen Plänen befragen, versteckt sie sich seit Jahren hinter der Geheimhaltung im Rahmen der NATO . Ich muss Ihnen sagen:
Man kann, wenn man denn möchte, die entsprechenden
Informationen aus den USA nutzen . Man kann die Dokumente der dortigen Regierung lesen, die dortigen Plenardebatten mitverfolgen und nachlesen und sich in Blogs
und Zeitschriften die Meinungen der dortigen Experten
anschauen. Da steht alles drin. Ich finde, die Bundesregierung ist an dieser Stelle in der Pflicht, die Fragen der
Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu beantworten
und hier auch gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien Transparenz herzustellen .
({8})
Der gute Antrag aus der letzten Wahlperiode, in dem
wir uns gemeinsam über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg darauf geeinigt haben, den Abzug der nuklearen Waffen zu fordern, ist schon von den Kollegen
Ulrich und Kiesewetter angesprochen worden . Es ist ja
nicht alltäglich, dass wir alle einer Meinung sind . Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich kann
Sie nur auffordern: Rücken Sie davon nicht ab! Lassen
Sie uns an diesem guten Konsens festhalten!
Auch in den Niederlanden sind Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationiert . Die Freundinnen
und Freunde im niederländischen Parlament haben sich
getraut, ein klares Zeichen zu setzen, und beschlossen,
den Modernisierungsplänen, die die Waffen im eigenen
Land betreffen, eine klare Absage zu erteilen . Ebenso
haben sie beschlossen, dass die niederländischen Kampfflugzeuge in Zukunft keine Atomwaffen mehr tragen dürfen .
({9})
Insofern würde ich meine Rede gerne mit einem versöhnlichen Appell und einem Angebot insbesondere an
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
schließen: Lassen Sie uns doch einen ähnlichen Beschluss fassen und einen mutigen Schritt in Richtung
eines atomwaffenfreien Deutschlands gehen .
({10})
Am Ende ist es eigentlich ganz einfach: Atomwaffen machen die Welt nie, unter keinen Umständen sicherer .
({11})
Nur Abrüstung bedeutet am Ende mehr Frieden und Sicherheit für alle .
Vielen Dank .
({12})
Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger . - Nächster Redner ist Niels Annen für die SPD .
({0})
Vielen Dank, liebe Frau Präsidentin . - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Brugger, es ist nett, dass Sie
uns an diesen guten Antrag erinnern . Das wäre nicht nötig gewesen,
({0})
weil sich unsere Haltung gar nicht verändert hat . Unsere Fraktion und auch die Große Koalition sprechen sich
weiterhin eindeutig für das Ziel der nuklearen Abrüstung
aus .
({1})
Wir haben uns in den letzten Jahren in diesem Haus immer darauf verständigt; das war auch gemeinsame Position der letzten Bundesregierungen . Ich bin froh, dass wir
uns bei all der Rhetorik, die man zu solch einer Gelegenheit gerne vortragen kann - das ist ja in Ordnung -, auch
heute über dieses Ziel einig sind .
({2})
Herr Kollege Ulrich, ich habe mir einiges aus Ihrer
Rede aufgeschrieben, weil ich glaube, dass man sich bei
dieser Debatte nicht nur Teile der Diskussion herauspicken sollte, zumindest dann nicht, wenn man eine ehrliche und angemessene Debatte führen will . Sie haben
gesagt, „still und heimlich“ würden wir jetzt neue Atomraketen stationieren . Das entspricht natürlich nicht der
Wahrheit . Wir haben hier eine Situation, die etwas komplexer ist, als es manchmal von diesem Podium aus dargestellt wird . Ich darf Sie daran erinnern, dass auch Ihre
Fraktion es sehr begrüßt hat, dass wir in der Amtszeit von
Präsident Obama einen wichtigen Abrüstungsschritt gemacht haben - das haben wir alle hier miteinander begrüßt -, das sogenannte New-START-Abkommen . Man
muss sich auch noch einmal anschauen, wie die Debatte
in den USA abgelaufen ist. „Still und heimlich“ haben
Sie gesagt . In der sogenannten Nuclear Posture Review
von 2010 - das ist eine Überprüfung, die die Amerikaner
regelmäßig durchführen ({3})
ist ebendieses Modernisierungsprogramm enthalten . Insofern kann man das nachlesen . Das ist weder still noch
heimlich passiert .
({4})
Man muss dieses Modernisierungsprogramm nicht
gut finden;
({5})
das ist überhaupt nicht meine These . Mir fallen viele schöne Dinge ein, die man mit 10 Milliarden Dollar
machen kann . Nur: Über diese 10 Milliarden Dollar entscheidet nicht der Deutsche Bundestag; darüber entscheidet der amerikanische Kongress . Wenn Sie die Debatten
verfolgt haben, dann werden Sie mir zustimmen, dass es
eine Verbindung gab zwischen der Zustimmung des Kongresses, der Nuclear Posture Review und dem Modernisierungsprogramm .
({6})
Noch einmal: Man muss das nicht gut finden; aber das ist
der Zusammenhang .
({7})
Und das war der wichtigste Schritt in Richtung Abrüstung, den wir in den letzten Jahren gegangen sind . Die
Komplexität dieses Themas muss man von diesem Pult
aus vortragen dürfen .
({8})
Ich will noch einen Hinweis geben . Ich habe überhaupt nichts dagegen, denselben Antrag noch einmal zu
beschließen .
({9})
Ich bin mir nicht sicher, ob unser geschätzter Koalitionspartner das machen würde; aber nehmen wir einmal an,
wir würden das gemeinsam machen . Das können wir gerne jederzeit tun. Ich darf nur mit aller Höflichkeit an die
Erfahrungen aus der letzten Legislaturperiode erinnern .
Der damalige Außenminister ist mit großem Brimborium
nach Washington gereist und hat gefordert, jetzt müsse
etwas passieren, um dem Ziel einer Welt ohne Atomwaffen näherzukommen; das hat mir übrigens emotional
durchaus gutgetan, weil das meiner Haltung entspricht .
({10})
Aber ich frage Sie: Welches Ergebnis hat das gehabt? Gar kein Ergebnis!
({11})
Ich glaube, es ist eine kluge Politik, dass wir uns in
der Großen Koalition auf einen - das gebe ich gerne
zu - mühsameren Weg verständigt haben . Dieser Weg
setzt auf Überzeugung - glücklicherweise nicht in diesem Parlament; denn hier sind wir uns einig, und das ist
sehr wertvoll . Wir haben begonnen, unsere eigenen Verbündeten davon zu überzeugen, dass es der richtige Weg
ist, in der NATO, unserem wichtigsten Bündnis, in dem
wir Mitglied sind, dafür zu sorgen, dass die nuklearen
Waffen abgezogen werden . Das ist die Position meiner
Fraktion, und dabei bleiben wir auch . Wir sprechen uns
darüber hinaus natürlich weiterhin für eine globale Nulllösung im Bereich der nuklearen Waffen aus; auch das
darf hier deutlich gesagt werden . Deswegen begleiten
wir diesen wichtigen und schwierigen Prozess .
Ich hoffe und bin da ganz optimistisch, dass wir
vonseiten der Bundesregierung in den nächsten Monaten vielleicht die eine oder andere Möglichkeit haben
werden, darauf hinzuwirken . Wir haben hier mehrfach
darüber diskutiert, dass es gerade angesichts der angespannten weltpolitischen Situation eine Chance ist, dass
wir den OSZE-Vorsitz übernehmen werden . Wenn Sie
unseren Koalitionsvertrag sorgfältig lesen - ich nehme
an, dass Sie das beide getan haben, geschätzte Kollegen
und Kolleginnen von der Opposition -, dann werden Sie
darin nicht nur das Bekenntnis zur nuklearen Abrüstung
finden, sondern auch ein Bekenntnis zu einer neuen Initiative im Bereich der konventionellen Abrüstung . Das
ist der Schritt, den wir gehen . Dafür wird sich unser
Außenminister engagieren .
Natürlich kann man keine Versprechungen machen .
Aber die Erfahrung ist doch: Wenn wir uns auf kleine
Schritte konzentrieren, die wir in schwierigen Verhandlungen möglicherweise erreichen, weil das Umfeld nun
einmal so ist, wie es ist - das haben wir alle miteinander
bedauert -, dann ist das vielleicht auch eine Chance, im
Bereich der substrategischen Waffen einen Schritt voranzukommen. Ich finde schon, Herr Kollege Ulrich, dass es
angemessen wäre, Ihre Fraktion würde eine solche Debatte anmelden, wenn die russische Seite ihre taktischen
Nuklearwaffen modernisiert . Davon habe ich nichts gehört . Deswegen ist das, was Sie gesagt haben, ein wenig
unglaubwürdig .
({12})
Ich danke für die Aufmerksamkeit .
({13})
Vielen Dank, Kollege Annen . - Nächster Redner in
der Aktuellen Stunde ist Thorsten Frei für die CDU/
CSU-Fraktion .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch 70 Jahre nach dem nuklearen Urknall, nämlich dem
Einsatz von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki mit
200 000 Toten,
({0})
ist uns dieser Vorfall heute noch Mahnung genug . Wenn
die Doomsday Clock auf drei vor zwölf gestellt wird und
damit die atomare Bedrohung in der Welt so hoch eingeschätzt wird, wie in den letzten 30 Jahren nicht, dann
ist das in der Tat ein Zeichen dafür, dass wir alles dafür
tun müssen, den Weg hin zu einer atomwaffenfreien Welt
konsequent weiterzugehen .
Zu reden ist das eine, Anträge aus der Mottenkiste zu
ziehen ebenfalls, zu handeln und aktiv etwas dafür zu
tun, dass Atomwaffen in der Welt weniger werden, das
ist das andere . Die Bundesregierung tut genau dies: Da
muss man nur einmal einen Blick in den Jahresabrüstungsbericht werfen . Da muss man sich nur die erfolgreichen Bemühungen im Bereich des Nichtverbreitungsvertrages anschauen . Da muss man nur einmal schauen, wo
Deutschland wichtiger Geber ist, beispielsweise bei Organisationen, die sich mit der Überwachung des Verbots
von Nuklearwaffentests beschäftigen . Und da muss man
sich nur die jüngsten Erfolge anschauen, die die deutsche
Regierung etwa im E3+3-Format im Zusammenhang mit
der Einigung mit dem Iran gefunden hat .
Ich glaube, dass Deutschland eine erfolgreiche und
eine gute Rolle gespielt hat und dass wir deshalb durchaus auch gemeinsam mit dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI davon ausgehen können, dass
wir auf einem guten Weg sind, dass wir allerdings einen
langen Atem und kluge Diplomatie brauchen, um erfolgreich fortzuschreiten .
({1})
Es ist aber auch wahr, dass es die Aufgabe eines Staates und seiner Regierung ist, für Sicherheit und Souveränität des Staates und seiner Einwohner zu sorgen . Das
ist die Aufgabe, die die Bundesregierung hat . Da genügt
eigentlich schon ein Blick auf die Realität, die sich uns
zeigt, um daraus klare Schlüsse zu ziehen .
Erwähnt wurde die völkerrechtswidrige Annexion der
Krim, erwähnt wurde der Bruch des Budapester Memorandums von 1994, was natürlich ein fatales Zeichen für
alle Atommächte und für all diejenigen, die das gerne
werden möchten, war, weil es eben gezeigt hat, dass offensichtlich nur ein atomarer Schutzschirm Sicherheit für
regionale und territoriale Integrität bietet .
Nächster Punkt ist die Militärdoktrin Russlands, die
dergestalt geändert wurde, dass man die NATO und die
USA zu Gegnern erklärt hat, und die beispielsweise ausdrücklich auch präemptive Nuklearschläge ermöglicht
hat . Das sind die Realitäten, mit denen wir uns natürlich
auseinandersetzen müssen .
Ich verweise auch - um an Niels Annen anzuschließen - auf die Beschaffung von 40 Interkontinentalraketen in Russland, die auch die modernsten und effektivsten
Abwehrsysteme überwinden sollen . Erwähnenswert ist
auch die Tatsache, dass man mit Kurz- und Mittelstreckenraketen Übungen unmittelbar an NATO-Grenzländern durchführt . All das sind Realitäten, mit denen wir
konfrontiert sind und auf die wir auch eine angemessene
Antwort finden müssen.
({2})
Die NATO hat sich ganz klar dazu bekannt, die Bedingungen für eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen .
Aber wer einseitig auf Atomwaffen verzichtet, solange
es Atomwaffen in der Welt gibt, der ist dumm und der ist
naiv; das wollen wir nicht sein .
({3})
Schauen Sie nicht nur nach Russland . Ich glaube,
wir alle sollten darauf schauen, wie komplex die Welt
insgesamt ist . Schauen Sie nach China . Auch China ist
eine Atommacht . China hat in den vergangenen Jahren
jährlich seine Militärausgaben im zweistelligen Prozentbereich erhöht und gibt derzeit jedes Jahr 125 Milliarden Euro für Militär, Verteidigung und Sicherheit aus .
Schauen Sie sich das atomare Wettrüsten beispielsweise
zwischen Pakistan und Indien an . In den nächsten 10 bis
15 Jahren wird das Potenzial dort um das Doppelte oder
das Dreifache erhöht werden . Dabei geht es immer um
Raketen, die auch Nordamerika und Amerika erreichen
können .
({4})
Deshalb ist es klar, dass wir darauf eine Antwort finden müssen . Diese Antwort ist in der Tat keine militärische, weil weder 180 Sprengköpfe in Europa noch
mutmaßlich 20 Sprengköpfe in Deutschland eine echte
militärische Bedeutung haben; allerdings haben sie eine
politisch-psychologische und eine strategische . Da geht
es eben auch um eine wirksame Abschreckung . Da geht
es um die Verhinderung von Proliferation . Darauf bedarf
es einer glaubwürdigen Antwort . Diese Antwort ist die
NATO, und diese Antwort sind auch nukleare Voraussetzungen in diesem Bündnis, die wir so lange brauchen, bis
wir das Ziel einer atomwaffenfreien Welt erreicht haben .
({5})
Das ist die Wahrheit .
Herr Kollege .
Deswegen ist es auch eine friedenspolitische Botschaft, wenn man ein Stück weit über den Tag hinaus
denkt . Damit bin ich am Ende .
Herzlichen Dank .
({0})
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Katrin Werner, Fraktion Die Linke .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren! Herr Frei, vielleicht schauen wir einfach einmal
auf Deutschland: Rheinland-Pfalz ist ein Zentrum des
amerikanischen Militärs in Europa. Dort befinden sich
mehrere US-Luftwaffenstützpunkte; immer mehr Einheiten werden in die Region verlegt . Ich möchte meine Rede
daher, anschließend an Ihren Beitrag, mit einer kleinen,
gewiss unvollständigen Aufzählung einiger wichtiger Ereignisse in Rheinland-Pfalz beginnen .
Erstens . Auf der US-Airbase in Spangdahlem, unweit
vom Wahlkreis Trier entfernt, wurden in diesem Jahr
zusätzliche Kampfjets, Tankflugzeuge und Helikopter
stationiert . Nicht nur, dass damit eine erheblich größere
Lärmbelästigung für die Anwohnerinnen und Anwohner
einhergeht, die zusätzlichen Militärflugzeuge stellen vor
allem ein großes Risiko für die Bevölkerung und für die
Umwelt dar . In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach zu Unfällen bei Flugmanövern . Es ist nur eine Frage
der Zeit bis zum nächsten Unglück .
Zweitens . Im April berichtete der Spiegel, dass die
US-Airbase in Ramstein als Zentrum des amerikanischen
Kampfdrohnenkrieges dient . Das ging aus den amerikanischen Geheimdienstdokumenten hervor . Demnach ist
der Standort Ramstein unverzichtbar für die amerikanischen Kampfdrohneneinsätze im Nahen Osten . Wir
müssen davon ausgehen, dass völkerrechtswidrige gezielte Tötungen von Ramstein aus mitgesteuert wurden
und weiterhin werden . Bis heute hat die Bundesregierung
keine Anstrengungen unternommen, das aufzuklären
oder gar zu unterbinden .
Drittens . In der vergangenen Woche haben wir erfahren, dass in Büchel, ebenfalls unweit von Trier, rund
20 neue, hochmoderne und lenkbare amerikanische
Atomwaffen stationiert werden sollen . Diese Atomwaffen sollen zusammen eine Sprengkraft von 80 Hiroshima-Bomben haben . Ihre höhere Zielgenauigkeit wird vor
allem einen Effekt haben: Sie senkt die Hemmschwelle
für einen Einsatz .
Meine Damen und Herren, diese Meldungen stammen
alle, wirklich alle, aus dem Jahr 2015 . Das macht eines
sehr klar: Rheinland-Pfalz wird zu einem gefährlichen
militärischen Pulverfass . Die Bundesregierung hat aus all
dem keine, wirklich keine Konsequenzen gezogen . Das
ist eine Schande; denn sie gefährdet dadurch die Bevölkerung in der Region und trägt damit zu einer massiven
Umweltverschmutzung bei, und sie wird Teil einer aggressiven Außenpolitik .
({0})
Was wir gerade hier erleben, ist eine Hochrüstung
des amerikanischen Militärs mitten in Europa . Das kann
schnell zu einer Rüstungsspirale wie im Kalten Krieg
führen . Das ist eine Machtdemonstration in Richtung
Russland . Die klare politische Botschaft dabei ist: Osteuropa wird bewacht . - Glauben Sie mir, das sind nicht
Worte der Linken, sondern das kann man in der Presse
lesen .
Das Schweigen der Bundesregierung zu all diesen Angelegenheiten spricht Bände . Es ist eine stillschweigende
Zustimmung zu der weiteren Militarisierung in Deutschland, vor allen Dingen in Rheinland-Pfalz, zu der Mitsteuerung von Kampfdrohneneinsätzen von deutschem
Territorium aus und zu der weiteren atomaren Aufrüstung der Welt .
Die Bundeswehr ist sogar beteiligt; denn sie ist es, die
die Atombomben abwerfen soll .
({1})
Dafür wird sie trainiert. Deutschland ist damit verpflichtet, sich an den atomaren Kriegen zu beteiligen, und das
ist, ganz ehrlich gesagt, ein unfassbarer Umstand .
({2})
Das steht klar im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag . Diese Zusammenarbeit in der sogenannten nuklearen Teilhabe muss sofort beendet werden .
({3})
Sehr geehrte Regierungsmitglieder, vor vier Tagen,
am 26. September 2015, war der erste „Internationale
Tag für die vollständige Abschaffung von Atomwaffen“ .
2015 jähren sich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima
zum 70 . Mal . Sehr geehrte Regierungsmitglieder, das ist
der richtige Zeitpunkt: Stoppen Sie die Aufrüstungsspirale! Setzen Sie den Bundestagsbeschluss von 2010 endlich um! Sorgen Sie für den Abzug der Atombomben aus
Büchel! Verhindern Sie die Stationierung weiterer Atomwaffen in Deutschland! Unterbinden Sie die Kampfdrohneneinsätze, die von Ramstein ausgehen! Sorgen Sie für
eine zivile Konversion der US-Luftwaffenstützpunkte in
Ramstein und Spangdahlem .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({4})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Dr . Karl-Heinz Brunner, SPD-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und
Kollegen! Gestatten Sie mir, Kollegin Werner und Kollegen von den Linken, zunächst eine Bemerkung vorweg .
Verantwortung tragen verträgt keine Skandalisierung,
keine Verschwörungstheorien und schon gar nicht das
Schüren von Ängsten . Das ist es nämlich, was Sie tun .
Sie arbeiten mit Andeutungen, mit Unterstellungen, und
das alles unter der Prämisse: Auf den Wahrheitsgehalt
kommt es nicht so sehr an, irgendetwas, die Angst, wird
schon hängen bleiben . Aber ich stelle heute fest: Es verfängt nicht .
({0})
Wenn ich die Resonanz hier sehe, dann stelle ich fest:
Das verfängt nicht .
Denn eines ist doch unstrittig: Parteiübergreifend und
Beschlusslage dieses Hohen Hauses seit 2010 ist die
langfristige Vision einer atomwaffenfreien Welt . Unsere Position ist da recht klar . Die Bundesrepublik zählt
zu den Unterzeichnern des Kernwaffensperrvertrags, in
dessen Rahmen als sogenannte nukleare Teilhabe auch
Einheiten der Bundeswehr mit nuklearen Nuklearsprengköpfen ausgestattet werden können, die sich in Deutschland befinden. Dieses trifft heute nur noch auf Büchel zu.
Ich sage, das ist ein Relikt aus einer Zeit, in der allein
die Vereinigten Staaten zeitweise 5 000 Nuklearwaffen
in Deutschland stationierten .
Die politischen Entwicklungen in den USA und Russland veranlassen uns jedoch, genau hinzuschauen - hinzuschauen, einzugreifen und unseren Einfluss als Bundesrepublik dort geltend zu machen, wo das Ziel der
atomaren Abrüstung aus dem Blickfeld zu geraten droht .
({1})
Dass Deutschland dies zu leisten imstande ist, haben wir
im Fall der Atomverhandlungen mit dem Iran, den E3+3Verhandlungen, unter Beweis gestellt . Unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat Hervorragendes geleistet . Auch der ununterbrochene Einsatz Deutschlands
für die Lösung im Ukraine-Konflikt zielt letztlich auf
Abrüstung und die Verhinderung neuer Aufrüstung . Und
doch, meine Kolleginnen und Kollegen, mussten wir sehen, dass West und Ost allzu schnell in überwunden geglaubte Muskelspiele zurückgefallen sind . Muskelspiele,
Abschreckung, Angst, Misstrauen - es kann kein stärkeres Gift für die Abrüstung geben . Deshalb warne ich davor, verbal ständig aufzurüsten .
({2})
Wenn wir heute über Atomwaffen debattieren, dann
muss doch vor allem der Vision einer atomwaffenfreien
Welt das Leben eingehaucht werden
({3})
und in praktische Politik und konkretes Handeln übersetzt werden . Dazu gehören, so wie es die Koalition vereinbart hat, erstens die nachdrückliche und wiederholte
Forderung an alle Kernwaffenstaaten, die Bestrebungen
zur nuklearen Abrüstung voranzutreiben und zu verstärken, zweitens die Intensivierung der Gespräche über weitere kernwaffenfreie Zonen und drittens - dies als letzten
Schritt - der endgültige Abzug aller Atomwaffen dann
auch aus Deutschland .
Vergessen wir jedoch nicht: Genauso wichtig wie die
Abrüstung von Atomwaffen ist die der Kleinwaffen, der
Streumunition, der vollautomatisierten Waffensysteme,
um nur einige zu nennen . Die Liste der weltweit geächteten Waffen und Waffensysteme muss noch länger werden, wenn wir ihren zerstörerischen Einfluss auf Frieden
und Stabilität reduzieren wollen .
Visionen und Ideen zu Abrüstung und einer atomwaffenfreien Welt sind nicht neu . Immer wieder setzten sie Politiker weltweit auf die Agenda, wie Barack
Obama 2009 in Prag, frisch ins Amt gewählt . Mindestens genauso oft erfahren diese Ideen herbe Rückschläge .
Das Wiederaufbrechen alter Ressentiments wie im Zuge
der Ukraine-Krise gehört als Negativbeispiel sicherlich
dazu . Dennoch dürfen wir nicht den Fehler machen, aus
wertvollen und mächtigen Ideen unerreichbare Utopien
zu machen, indem wir uns scheinbar realpolitische Denkverbote erteilen . Genauso wenig macht es Sinn, die Modernisierung der Waffen in Büchel über Gebühr zu skandalisieren und eine Abkehr vom Abrüstungsversprechen
der deutschen Politik zu behaupten .
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, die SPD war und ist bereit, wie
sie es über mehrere Legislaturperioden gezeigt hat, diese
oft kleinteilige, diese mühselige - unser früherer Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hätte gesagt: graue,
schwere und mühsame - politische und diplomatische
Arbeit zu leisten und mitzutragen, die die Abrüstung und
die Ächtung bestimmter Kriegsmittel begünstigt und voranbringt . Denn es gibt zur Abrüstung keine Alternative .
Vielen Dank .
({5})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage
der nuklearen Abrüstung ist für meine Partei stets konstitutiv gewesen, und zwar nicht nur als eine Frage der
Schnittmenge zwischen der Friedensbewegung und der
Antiatombewegung in Deutschland, sondern schlicht als
eine Frage des Überlebens der Menschheit .
({0})
Es ist gut, dass wir heute darüber diskutieren . Ich
danke Ihnen, Kollege Ulrich und Frau Kollegin Werner .
Aber Sie haben anscheinend nicht hingeschaut, worüber
am letzten Donnerstag im Landtag in Mainz diskutiert
wurde . Da war genau dies das Thema . Da gab es eine
sehr klare Position der Landesregierung, der Sozialdemokratie und der Grünen .
({1})
Es gab nur ein Problem, nämlich das, dass sich die Landesregierung bitterböse darüber beschwert, dass sie von
der Bundesregierung nicht ausreichend Informationen
bekommt . Natürlich will auch die Landesregierung, dass
die Atomwaffen dort wegkommen . Natürlich kennt sie
das Risiko . Aber es funktioniert nicht, wenn sie die Informationen, die sie bräuchte, damit sie damit arbeiten
kann, von der Bundesregierung nicht erhält . Das ist eine
Hausaufgabe, die dieselbe Partei, die dort die Ministerpräsidentin stellt, hier als Hausaufgabe annehmen sollte .
({2})
Wir hatten 2009 die große Rede von Barack Obama in
Prag, eine großartige visionäre Rede über eine Welt ohne
Atomwaffen in Europa, in Nordamerika und in Ostasien .
Dann gab es auch im Koalitionsvertrag der damaligen
Regierung Passagen, die Hoffnung gemacht haben . Dabei ging es um die Überprüfung des Abzuges der taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland .
Dann kam das strategische Konzept der NATO . Die
Bundesregierung hat ihm zugestimmt . Darin stand das
Gegenteil . Darin stand der Satz, den Kollege Frei gerade
nahezu eins zu eins angenommen hat: Solange es Atomwaffen auf der Welt gibt, wird die NATO eine nukleare
Allianz bleiben . - Herr Kollege, Sie haben aber etwas
vergessen zu erwähnen . Sie haben gesagt: Wer keine
Atomwaffen hat oder anstrebt, ist naiv und dumm . Nach dieser Lesart sind 190 Staaten auf der Welt naiv
und dumm, inklusive der Bundesrepublik Deutschland,
die offiziell keine Atomwaffen besitzt und auch inoffiziell zumindest über die Kontrolle von Atomwaffen nicht
verfügt . Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz .
({3})
Dazu gehört auch, dass die CDU am Donnerstag im
rheinland-pfälzischen Landtag die Debatte für überflüssig erklärt hat mit der Argumentation, es gebe ja offiziell
keine Bestätigung, dass die Atomwaffen in Büchel stationiert werden . Sie haben vorhin völlig zu Recht gesagt:
Man muss sich die Realität anschauen . Das sollten Sie
vielleicht Ihren Kolleginnen und Kollegen in Mainz einfach mitgeben .
({4})
Zur Realität gehört auch, dass nach einer Modernisierung, wenn die B61-Bomben kommen, die Tornados, die
sie heute fliegen, nicht mehr werden fliegen können. Das
heißt, sie müssen zumindest nachgerüstet werden, wenn
nicht ein anderes Waffensystem gekauft wird . Das werden nicht die Amerikaner entscheiden, das werden auch
nicht die Amerikaner bezahlen, das ist dann Sache des
Haushalts . Ich habe den Kollegen Annen so verstanden,
dass das mit der SPD nicht zu machen sein wird . Da reden wir glasklar über das ganz konkrete Einstellen von
Mitteln in den Haushalt . Da werden wir Sie selbstverständlich beim Wort nehmen . Wir freuen uns, dass auch
Sie die Chance sehen, die Anwendung dieser Atombomben und die Übungen tatsächlich zu verhindern .
({5})
Dafür gibt es auch eine sehr gute Rechtsgrundlage .
Schauen Sie sich die alte Taschenkarte der Soldatinnen
und Soldaten bei ISAF an . Dort steht eindeutig, dass die
Verwendung von Atombomben und auch das Üben mit
Atomwaffen untersagt sind . Es geht bei diesem Beispiel
zwar um Afghanistan, aber das zeigt, dass es für die Bundeswehr keine Rechtsgrundlage dafür gibt . Das heißt, die
Bundeswehr darf grundsätzlich nicht die Übungen vollziehen, von denen wir wissen, dass es sie gibt .
Herr Kollege Frei, Sie haben ein sehr präzises Bild der
Sicherheitslage gezeichnet .
({6})
Da bin ich sehr bei Ihnen . Das ist alles richtig . Wir haben eine sehr schwierige Lage in Europa . Wir haben
die russische Aggression in der Ukraine . Wir haben den
Bruch des Budapester Memorandums; dies hat natürlich
auch auf die globalen Abrüstungsinitiativen, die es auf
der Welt gibt, immense Auswirkungen . Es gibt ein riesiges Misstrauen . 71 Prozent der Menschen in Russland
sagen laut Umfragen - ob sie unabhängig sind, weiß ich
nicht -, dass die USA ein Feind sind . Über die Hälfte der
Menschen in den USA sagen, dass Russland eine Gefahr
ist . Das alles ist richtig . Ostasien: China rüstet immens
auf, auch nuklear . Japan und Südkorea schauen sich das
mit großer Angst an . Natürlich gibt es das Riesenproblem
mit Nordkorea . Ja, die Situation im Nahen Osten ist dramatisch . Ja, gerade in Pakistan wird die Rhetorik immer
schärfer . Es ist offenkundig, dass auch in Indien, also in
einem Land, das weltweit die meisten Importe von Rüstungsgütern hat, die Rhetorik natürlich alles andere als
weich ist . Ja, wir haben im März dieses Jahres die Situation gehabt, dass ein russischer General Dänemark mit
einem Atomschlag gedroht hat . Das ist alles bekannt .
Nur, die Geschichte der Abrüstung der letzten 50,
60 Jahre zeigt zweierlei: Erstens . Gerade in den schwierigsten Zeiten ist Abrüstung bei genug politischem Willen möglich . Zweitens - das ist entscheidend -: Es hat
noch nie Abrüstung ohne Vertrauensvorschuss gegeben .
Genau diesen Vertrauensvorschuss darf man nicht durch
die Modernisierung der Atomwaffen unterminieren . Genau dieser Vertrauensvorschuss ist es, der das Atomabkommen mit dem Iran möglich gemacht hat . Genau dieser Vertrauensvorschuss ist notwendig, damit wir nicht
wieder mit Siebenmeilenstiefeln in eine nukleare Spirale
rennen, die die gesamte Menschheit bedroht . Die Nuclear
Threat Initiative hat am Montag veröffentlicht, dass die
Gefahr eines nuklearen Krieges heute so groß ist wie seit
25 Jahren nicht mehr; die Gefahr steigt .
Wir haben eine Vorbildfunktion . Wir sollten nicht die
falschen Vorbilder für die Länder auf der Welt sein, die
sich überlegen, ob eine Atombombe die einzige Schutzvariante für sie ist . Wir sind der festen Überzeugung, der
wichtigste, der einzige Schutz vor der Atombombe, den
wir Menschen auf der Welt haben, ist, dass wir mit Vertrauensvorschuss vorangehen .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({7})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Alois Karl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Tagesordnung richtig gelesen habe,
befassen wir uns mit der „Haltung der Bundesregierung
zur Stationierung von 20 modernisierten Atombomben
in Rheinland-Pfalz“ . Nun hat bis jetzt kein Mitglied der
Bundesregierung gesprochen, und all diejenigen, die gesprochen haben, können für die Bundesregierung nicht
zuverlässig und kompetent Antwort geben . Ich habe mich
schon sehr gewundert, dass Sie die Haltung der Bundesregierung erfragen, aber keine Anfrage an die Bundesregierung stellen .
({0})
Ich meine, dass all das, was hier gesagt wird, eine politische Diskussion des Parlaments, der frei gewählten Abgeordneten wie Ihnen ist . Wir sollen unsere Meinung hier
kundtun . Dann sagen Sie das doch auch, und halten Sie
mir Ihrer eigentlichen Absicht nicht hinter dem Berg .
Sie müssten wissen, was Sie von der Bundesregierung
zu hören bekommen, nämlich das, was in den letzten
Wochen und Monaten auf entsprechende, fast identische
Anfragen immer wieder geantwortet worden ist: dass die
Informationspolitik zu Nuklearstreitkräften der NATO
aus Sicherheitsgründen der Gemeinhaltung des Bündnisses unterliegt . Da gibt es auch dann keine Änderung,
wenn die Zahl, die Beschaffenheit, die Lagerorte und der
Umgang mit Nuklearwaffen erfragt werden .
({1})
Sie selber, die Abgeordnete Höger und andere Abgeordnete der Linken, haben ja vor wenigen Wochen eine
Kleine Anfrage gestellt . Auch Sie müssten wissen, weil
die Anfrage ja erst im August dieses Jahres beantwortet
worden ist, dass die Informationspolitik zu Nuklearstreitkräften der NATO aus Sicherheitsgründen den verpflichtenden Geheimhaltungsregeln des Bündnisses unterliegt
und die Bundesregierung daher, wie alle anderen Bundesregierungen vorher, keine Angaben zu Lagerorten,
dem Umgang mit und den Spezifika der Nuklearwaffen
sowie ihrer Trägersysteme usw . machen kann . Es scheint
mir so zu sein, dass es Ihnen eher um die Fragestellung
selber als um die Antwort geht .
({2})
Weil wir gerade beim Reden sind: In der Tat kann man
auf den Zusammenhang, den Sie herstellen wollen, eingehen . Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind
auf der Welt in der Tat in einer Gemengelage . Auch wir
sehen natürlich die Ankündigungen des russischen Präsidenten Putin, der vor nicht langer Zeit, im Juni dieses
Jahres, gesagt hat, dass der Bestand seiner Atomstreitkräfte um mehr als 40 neue ballistische Interkontinentalraketen aufgerüstet werden soll . Sie erinnern sich vielleicht auch, dass er vor wenigen Jahren, 2012, gesagt hat,
dass es die Absicht Russlands ist, bis zum Jahr 2022 400
neue ballistische Atomraketen aufzustellen . Wenn Sie da
immer noch meinen, Herr Nouripour, wir sollten einen
Vertrauensvorschuss geben und Verhandlungen von
vornherein dadurch desavouieren, dass wir unsere Verhandlungsposition schmälern, dann, meine ich, ist das
völlig verkehrt .
({3})
Nein, ich glaube, wir haben eine wechselseitige Beziehung, die darin gipfeln muss, dass wir am Ende zu einem
weiteren Vertrag über Abrüstungsverhandlungen und zu
guten Ergebnissen kommen .
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten
Jahren und Jahrzehnten unendlich viel Positives und Gutes gemacht, um eine Welt ohne Atomwaffen, eine Welt
mit weniger Waffen zu schaffen .
Bedenken Sie, dass wir es seit der deutschen Wiedervereinigung vor 25 Jahren geschafft haben, dass
die 5 000 Atomraketen aus Amerika, die es früher in
Deutschland gab, auf 200 reduziert wurden .
({4})
Das bedeutet eine Minderung um 96 Prozent . Ich muss
sagen: Wenn jemand bemängelt, dass nichts erreicht worden ist, dann verschließt er die Augen vor der Realität,
und zwar ganz gewaltig .
({5})
Wir haben die Truppenstärken in Deutschland in den
letzten 25 Jahren insgesamt dramatisch reduziert . In wenigen Tagen werden wir den 25 . Jahrestag der deutschen
Wiedervereinigung begehen . Vor 25 Jahren waren in
Deutschland noch etwa 1,5 Millionen Soldaten stationiert . Heute sind es weniger als 250 000 . Auch das ist das
Ergebnis einer hervorragenden, nachhaltigen Politik, die
wir, die CDU/CSU, mit der SPD und der FDP betrieben
haben . Die Kollegen von den Grünen waren daran nicht
beteiligt - und die der Linken schon gar nicht .
Meine Damen und Herren, eines möchte ich zum
Abschluss noch sagen: dass wir in diesen Jahren eine
hervorragende Politik betrieben haben, was Abrüstung
in Deutschland und in Europa betrifft . Wir leben in
Deutschland seit 70 Jahren in Frieden und Freiheit . Das
haben wir auch den Amerikanern zu verdanken . Ich meine, gerade weil in anderen Teilen der Welt Aufrüstung
betrieben wird, ist es nicht unkorrekt, wenn wir den Status unserer Waffenareale behalten und nicht voreilig und
vorfristig einen Schritt gehen, um anderen entgegenzukommen .
Am Ende muss das Ziel einer atomwaffenfreien Welt
stehen, das wir propagieren und auf das wir hinarbeiten .
Vielen herzlichen Dank .
({6})
Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Abgeordnete Thomas Hitschler, SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Zu Beginn vor allem: Liebe Kolleginnen und
Kollegen der Linken! Den Enthusiasmus, den Sie heute
vorzuspielen versuchen, hätte ich mir ein Stück weit damals gewünscht, als wir darüber diskutiert haben, syrische Chemiewaffen zu vernichten .
({0})
Falls ich mich richtig erinnere, haben Sie damals dagegengestimmt, und heute spielen Sie sich so auf, als
ob Sie die größten Abrüster wären . Ein Stück weit Ehrlichkeit in der politischen Debatte wäre hier schon nicht
schlecht .
({1})
Kolleginnen und Kollegen, vor knapp sechs Wochen
jährten sich die Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki . Vor 70 Jahren
wurden die beiden einzigen Kriegseinsätze dieser Waffen befohlen . Die beiden Bomben, als Indiz einer Zeit, in
der Krieg und Gewalt alltäglich waren, wurden mit den
Codenamen „Little Boy“ und „Fat Man“ versehen. Der
Krieg im Pazifik endete wenige Tage nach dem Abwurf
über Nagasaki, nachdem er für fast vier Jahrzehnte in der
Region gewütet hatte . Die beiden Atombomben lösten
zwei parallele Entwicklungen aus, deren Gegensätzlichkeit so wohl nur in der Absurdität des Kalten Krieges
existieren konnte .
Zum einen rüsteten beide Blöcke atomar massiv auf bis zu einem Punkt Ende der 80er-Jahre, als die Arsenale
von Ost und West zusammen über 60 000 Sprengköpfe
angehäuft hatten . Es existierten genug Atomwaffen, um
die Menschheit als Spezies auszulöschen .
({2})
- Mehrfach! - Zum anderen etablierte sich auf beiden
Seiten des Eisernen Vorhangs die Angst vor den Langzeitfolgen eines atomaren Angriffs . Atomwaffen zerstören nämlich noch lange, nachdem die Asche aus dem
Himmel geregnet ist und die Trümmer weggeräumt
sind - schleichend, grausam und tödlich . Diese Angst
führte zu Rüstungsbegrenzungen und schließlich zu Abrüstungsabkommen . Heute existiert weltweit nur noch
ein Bruchteil der Nuklearwaffen von damals . Aber selbst
das ist noch viel zu viel .
({3})
Meine Damen und Herren, es besteht weltweit wohl
nur bei wenigen Themen ein derart breiter Konsens wie
bei dem Schrecken von Atomwaffen . Die aktuelle Regierungskoalition hat sich, wie im Übrigen auch Ihre Vorgängerin, dem Ziel der weltweiten atomaren Abrüstung
verschrieben . Bereits 2010 hat sich die Mehrheit des
Bundestages in einem Beschluss für weltweite atomare
Abrüstung und einen Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaffen ausgesprochen . Diese Aussage hat
weiterhin Gültigkeit . Sie wurde im Übrigen von Koalitions- und Oppositionsfraktionen gemeinsam getragen .
In dieser Legislaturperiode haben wir im gemeinsamen Koalitionsvertrag vereinbart, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen wird, entsprechende Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu unterstützen;
denn so groß die Fortschritte im Bereich der Abrüstung
auch sein mögen, so benötigen sie doch stets Gegenseitigkeit, um nachhaltig zu sein . Bei aller Absurdität des
Kalten Krieges war es doch auch das Gleichgewicht des
Schreckens, das den Einsatz von Nuklearwaffen verhindert hat . Aber, Kolleginnen und Kollegen, ich will dahin
nicht wieder zurück . Niemals wieder!
Einseitige Kritik hilft an dieser Stelle nicht weiter . Nukleare Abrüstung muss immer globale Abrüstung bedeuten: in den USA, in Europa, Russland, China, Pakistan,
Israel, Nordkorea und Indien . Das muss auch das Ziel
dieser Bundesregierung sein - immer und jederzeit . Investitionen in einen Bundeswehrstandort bewusst falsch
zu verstehen und als Aufhänger für Kritik an den USA
zu nutzen, ist der Bedeutung dieses Themas allerdings
unwürdig .
({4})
Ich bin Bundestagsabgeordneter aus Rheinland-Pfalz,
und ich bin Verteidigungspolitiker . In dieser Doppelfunktion war ich in Büchel, dem Luftwaffenstandort,
um den sich derzeit viele Gerüchte ranken . Dort habe
ich unser Taktisches Luftwaffengeschwader 33 besucht
und gesehen, wie groß der Investitionsbedarf in Büchel
tatsächlich ist . In den letzten fünf Jahren wurden bereits
19 Millionen Euro in dringend notwendige Baumaßnahmen investiert . Der anstehende Investitionsbedarf in
Höhe von 112 Millionen Euro betrifft neben dem bereits
Geschehenen diverse Neubauten, Unterkunftsgebäude,
Wartungshallen, Büros und, und, und .
({5})
Jedem sollte klar sein, dass Flugzeuge schlaglochfreie
Pisten brauchen, um starten und landen zu können .
({6})
Die Start- und Landebahn ist dabei nur ein Teil . Sie
befindet sich durch die letzte Winterperiode in einem
sehr schlechten Zustand .
({7})
Deshalb wurde bereits im April mit Sofortmaßnahmen
begonnen, um den sicheren Flugbetrieb bis zur Grundinstandsetzung in voraussichtlich drei Jahren sicherzustellen . In drei Jahren, Kolleginnen und Kollegen! Selbst
dem verschwörerischsten Verschwörungstheoretiker
sollte klar sein, dass wir von langfristigen Planungen
sprechen, die mit aktuellen Modernisierungsdebatten
wenig zu tun haben .
Meine Damen und Herren, wir tragen Verantwortung
gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten . Wir müssen dafür sorgen, dass sie gut untergebracht sind und
ordentlich arbeiten können . Das sind wir ihnen als Arbeitgeber nämlich schuldig . In den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir uns deshalb dafür einsetzen,
dass gerade dem Bereich Infrastruktur und Sanierung die
Aufmerksamkeit geschenkt wird, die dieser Bereich verdient .
({8})
Kolleginnen und Kollegen, so unterschiedlich wir einzelnen Mitglieder des Bundestages auch sind, so denke
ich doch, dass niemand unter uns das Prinzip der nuklearen Abrüstung infrage stellt .
({9})
Bundestag und Bundesregierung haben bei vielen Gelegenheiten deutlich gemacht, dass sie eine Welt ohne
Nuklearwaffen anstreben . Hinter jedem Betonmischer an
einem Bundeswehrstandort aber eine einseitige Aufrüstung zu vermuten, ist nicht zielführend .
Vielen Dank .
({10})
Die Aktuelle Stunde ist beendet .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015,
9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen .