Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Fünfzehnten
Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Herr
Alexander Dobrindt . Bitte schön, Herr Minister .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben heute
im Kabinett das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des
Luftverkehrsgesetzes beschlossen, das zwei ganz wesentliche Elemente beinhaltet .
Eines dieser Elemente ist die ausdrückliche Klarstellung, dass die gesamten räumlichen Einwirkungen eines Flughafens, das heißt auch die Beeinträchtigungen,
die durch Flugverfahren entstehen können - Lärm und
Ähnliches -, in die Umweltverträglichkeitsprüfung miteinbezogen werden müssen . Mit dieser Regelung werden also auch die Bereiche erfasst, in denen An- und
Abflugverkehr zukünftig nicht ausgeschlossen werden
kann. Das wirkt sich auf Planfeststellungsverfahren aus;
denn im Zuge eines Planfeststellungsverfahrens müssen
Prognosen über die Lärmbetroffenheit erstellt werden .
Diese Prognosen dürfen sich zukünftig nicht mehr auf
repräsentative Flugrouten beschränken, sondern müssen
sich im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf
den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken. Dabei muss auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich Flugverfahren ändern können.
Insoweit muss in einem Planfeststellungsverfahren vorab
auf mögliche Konflikte hingewiesen werden, und diese
Konflikte, die durch abweichende Flugverfahren später
entstehen können, müssen dann auch im Planfeststellungsbeschluss bewältigt werden .
Die Regelungen werden also deutlich weitgreifender
gefasst, als wir es aus der Vergangenheit gekannt haben.
Das führt dazu, dass man sich schon zu Beginn eines
Planfeststellungverfahrens und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt über mögliche Varianten von Flugverfahren unterhalten muss, was die Transparenz im Hinblick
auf mögliche Belastungen deutlich erhöht .
Ein zweiter wesentlicher Punkt, der Teil der heute
beschlossenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes ist,
beschäftigt sich mit der Frage der Landestellen von Hubschraubern im Bereich von Krankenhäusern. Sie kennen
die Debatte aus der Vergangenheit: Es bestand Unsicherheit, ob Hubschrauber weiterhin auf den bisherigen Landeplätzen an Krankenhäusern starten und landen können.
Ich habe in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass wir die
Landestellen als „Landeplätze im öffentlichen Interesse“
ausgewiesen und damit quasi die Situation geschaffen
haben, dass sie weiterhin in Betrieb bleiben konnten. Das
ist allerdings keine langfristige Möglichkeit. Wir müssen
hier ein höheres Maß an Rechtssicherheit schaffen .
Grundsätzlich kann in Deutschland Luftverkehr nur
auf Flugplätzen stattfinden. Die Landestellen, wie wir sie
an Krankenhäusern kennen, sind eher Außenlandestellen und deswegen nicht einfach so als Flugplatz genehmigungsfähig . Wir brauchen sie aber trotzdem, um die
schnelle Versorgung sicherzustellen . Deswegen haben
wir mit dieser Gesetzesänderung dafür gesorgt, dass die
Flächen, um die es geht, auch zukünftig zur Verfügung
stehen, und zwar, indem sie als besondere Landestellen
ausgewiesen werden, die keiner Genehmigungspflicht als
Flugplatz mehr unterliegen. Somit können wir sicherstellen, dass in Deutschland die Landeplätze vorwiegend an
Krankenhäusern in ihrer bisherigen Form gesichert sind.
Ich glaube, das ist ein bedeutendes und wichtiges Signal gerade an diejenigen, die sich in der Vergangenheit
sehr engagiert haben und Gedanken machten, ob die bisherige Praxis der Landeplätze an den Krankenhäusern
weiter sichergestellt ist. Heute können wir sagen: Sie ist
sichergestellt .
Danke schön.
Herzlichen Dank. - Erster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan Kühn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .
Vielen Dank, Herr Minister, für die Vorstellung des
Gesetzentwurfs . - Wenn ich es richtig verstanden habe,
haben Sie bezüglich der Festlegung von Flugrouten oder
Flugverfahren einen Vorschlag gemacht, der sozusagen
auf das reagiert, was von EU-Seite seit 2013 angemahnt
wird, nämlich dass bei der Festlegung von Flugverfahren
eine UVP-Pflicht - sprich die Erfüllung von Umweltrecht
auf europäischer Ebene - umgesetzt wird. Vielleicht können Sie das noch einmal genauer darstellen .
Man stellt es sich, wenn man den Begriff „Flugrouten“ hört, ja so vor, als ob alle Flugzeuge auf einer Linie
fliegen. Die Realität ist aber nicht so; vielmehr gibt es
Einzelfreigaben . 80 Prozent der Flugrouten beruhen auf
Einzelfreigaben . Dafür fehlen Kriterien . Insofern wird
anders geflogen, als der Bürger denkt, wenn er Flugrouten vor Augen hat . Entsprechend sind dann auch andere
Menschen vom Fluglärm betroffen .
Insofern die Frage: Wollen Sie dieses Problem, zu
dem ja der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten im letzten Jahr Stellung genommen hat,
angehen? Das ist ja für die Frage der Betroffenheit von
Flugverkehr und der Festlegung von Flugverfahren entscheidend .
Herr Minister .
Ich habe, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden, auf was
die Frage abzielt. Vielleicht können Sie es auch noch einmal erläutern .
Tatsache ist jedenfalls, dass wir das Planfeststellungsverfahren gegenüber den bisherigen Planfeststellungsverfahren deutlich aufweiten . Im Planfeststellungsverfahren werden die Flugrouten, die vorgestellt werden, auf
ihre Auswirkungen bezüglich Lärm geprüft. Wir gehen
jetzt den Weg, dass wir sagen: Es muss davon ausgegangen werden, dass es auch Änderungen gegenüber diesen
Flugrouten gibt, und in einem Planfeststellungsverfahren
muss versucht werden, diese vorauszudenken. So entwickelt sich an einem Flughafen zum Beispiel durch Kapazitätserhöhungen oder andere auf die Flugrouten einwirkende Elemente die Situation der Flugrouten. Damit
gibt es andere Betroffenheiten . Wir wollen, dass diese
anderen Betroffenheiten schon im Vorhinein und nicht
erst später einkalkuliert, diskutiert und einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.
Noch einmal eine Nachfrage des Abgeordneten Kühn .
Danke für die Präzisierung. - Das heißt also, dass sich
Ihr Vorschlag rein auf die Festlegung von Flugrouten
bezieht, die im Zusammenhang mit Planfeststellungsverfahren festgelegt werden . Es stellt sich da natürlich die
Frage, da wir aktuell kaum Planungen für große Flughafenneubauten haben - ich wäre ja schon froh, wenn
der eine oder andere einmal fertiggestellt würde -: Mit
wie vielen Planfeststellungsverfahren aufgrund von Neuoder Ausbau von Flughafeninfrastruktur rechnen Sie
denn in der nächsten Zeit, bei denen dann diese Frage,
die Sie gerade beschrieben haben, relevant wird?
Meines Erachtens muss es um die Frage gehen, wie
bei der Festlegung von Flugrouten generell mit der Frage
der Umweltverträglichkeitsprüfung umgegangen wird.
Bezieht sich also Ihr Gesetzesvorschlag nur auf Planfeststellungsverfahren, von denen wir künftig wenige haben
werden, oder geht es auch um den Bestand der Flughafeninfrastruktur und die Frage der Flugrouten in diesem
Zusammenhang?
Wir reden über Planfeststellungsverfahren. Ich kann
keine Prognose darüber treffen, wie viele Planfeststellungsverfahren wir in der Zukunft haben werden; denn
das hängt davon ab, ob Planfeststellungen notwendig
werden, weil an Flughäfen Veränderungen anstehen . Immer dann, wenn zukünftig Planfeststellungen vorgenommen werden, erfassen sie auch die Bereiche, in denen zukünftige An- und Abflugverkehre nicht ausgeschlossen
werden können. Das bedeutet gegenüber dem bisherigen
Verfahren eine deutlich breitere Erfassung, auch geografisch gesehen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall . Gibt es sonstige Fragen
an die Bundesregierung? - Herr Abgeordneter Krischer,
dann Frau Höhn und Frau Künast . - Bitte, Herr Abgeordneter Krischer .
Herr Kollege Dobrindt, wir diskutieren im Moment
eine schwere Krise bei VW, die möglicherweise auch
eine Krise für die deutsche Automobilindustrie werden
kann.
({0})
Könnten Sie mir erläutern, seit wann genau Sie von Software wussten, die dazu benutzt wird, um Emissionsgrenzwerte in einem Prüfzyklus einzuhalten, durch die aber im
realen Betrieb entsprechende Vorrichtungen abgeschaltet
werden?
Und ist es zutreffend, wie Sie in einer Antwort auf
meine Kleine Anfrage erläutert haben, dass die Bundesregierung über diesen Themenkomplex des Einsatzes
solcher Abschaltvorrichtungen genau zu diesem Zweck
mit der EU-Kommission diskutiert hat?
Herr Minister .
Herr Krischer, wir haben ja gerade zu diesem Zusammenhang im Verkehrsausschuss zusammengesessen,
({0})
und ich habe da auch darauf hingewiesen, dass ich das
Verhalten, das ich bei Ihnen feststellen muss, zutiefst
missbillige . Ich habe dies gerade auch gegenüber der Öffentlichkeit gesagt.
({1})
Sie haben gestern in einem Interview der Bundesregierung vorgeworfen - wörtlich zitiert -:
({2})
Es ist … ganz offensichtlich so, dass man hingenommen hat, dass diese Manipulationen stattfinden.
Das werfen Sie der Bundesregierung vor .
({3})
Ich halte das nicht nur für falsch; ich halte Ihr Verhalten
für unanständig, Herr Krischer .
({4})
Lassen Sie das an dieser Stelle gesagt sein .
({5})
- Nicht dass mich das wundert, dass Sie so ein Verhalten
an den Tag legen . Aber anhören sollten Sie es sich vielleicht schon .
({6})
Sie haben eine Anfrage gestellt, auf die Sie sich beziehen . Im Juli wurde sie von uns beantwortet . In dieser
Kleinen Anfrage steht klar und unübersehbar auf Ihre
Frage nach dem Einsatz von Abschalteinrichtungen:
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor .
({7})
Von daher ist der Vorwurf, den Sie formulieren, falsch .
({8})
Ich habe von den Vorfällen - auch das habe ich im
Ausschuss gesagt - am Wochenende erfahren .
({9})
Ich habe die Initiative ergriffen, habe am Montag die ersten Gespräche mit Volkswagen geführt, habe nach dem
Gespräch angeordnet, dass es strenge spezifische Nachprüfungen von unabhängigen Gutachtern bei den Dieselfahrzeugen von Volkswagen geben muss - das wird vom
Kraftfahrt-Bundesamt auch so durchgeführt -, habe dann
gestern nach den Berichterstattungen und einem Gespräch mit Volkswagen eine Untersuchungskommission
eingesetzt .
({10})
Diese Untersuchungskommission ist jetzt schon aktiv.
Sie ist bereits heute in Wolfsburg, um Gespräche zu führen und um Einsicht in die Unterlagen zu bekommen.
Das ist die Art der notwendigen Aufklärung, die wir vornehmen, um festzustellen, ob und wie Fahrzeuge, die in
Deutschland und in Europa im Verkehr sind, betroffen
sind .
Volkswagen hat gestern darauf hingewiesen, dass
11 Millionen Fahrzeuge mit einem entsprechenden Chip
ausgestattet sind, aber dieser Chip - so die Auskunft uns
gegenüber - sei nicht aktiv. Das ist aber für uns Grund
genug, mittels einer Untersuchungskommission erstens
nachzuprüfen, was dieser Chip tut, und zweitens, wann er
aktiv ist oder nicht aktiv ist, was er kann und was er nicht
kann. Das ist die Art der Aufklärung, die wir betreiben.
Herzlichen Dank. - Wir haben jetzt eine ganze Reihe von spontanen Fragewünschen: Frau Höhn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Künast, BÜNDNIS 90/Die
Grünen, Herr Meiwald, BÜNDNIS 90/Die Grünen,
Herr Kühn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Pothmer,
BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Leidig, Die Linke, Frau
Lemke, BÜNDNIS 90/Die Grünen, und Herr Gastel,
BÜNDNIS 90/Die Grünen .
({0})
Frau Abgeordnete Höhn, bitte .
Herr Minister, die EU sieht in mehreren Rechtsetzungen vor, dass Mitglieder Sanktionen für den Fall in natiOliver Krischer
onales Recht umsetzen müssen, dass ein Autohersteller
mit Abschaltvorrichtungen etc . beim Schadstoffausstoß
schummelt . Mindestens seit 2012 gibt es den Hinweis,
eine entsprechende Verordnung umzusetzen . Ist hier in
Deutschland eine entsprechende Umsetzung erfolgt, und
wenn nein, warum nicht? Wenn Sie die Verordnung in
nationales Recht umgesetzt hätten, könnten wir jetzt,
ähnlich wie die EPA in den USA, VW mit einem Bußgeld belegen?
Herr Minister .
Frau Höhn, es gibt eine ganze Reihe von Sanktionsmöglichkeiten unterschiedlichster Art und unterschiedlichster Intensität, die allerdings erst ausgesprochen werden können und greifen können, wenn der Sachverhalt
ermittelt ist . Das ist Aufgabe der eingerichteten Untersuchungskommission und natürlich Ziel der strengen
Nachprüfungen, die ich angeordnet habe . Bevor die Frage, ob der deutsche bzw. der europäische Markt betroffen
ist, inhaltlich nicht geklärt ist, kann man auch nicht über
Sanktionen sprechen.
Wenn Sie die Ereignisse verfolgt haben, wissen Sie,
dass die amerikanische Umweltbehörde offensichtlich
länger damit beschäftigt war, dieses Thema zu bearbeiten. Jetzt ist sie zu einem Ergebnis gekommen, das aber
auch noch keine Sanktionen beinhaltet. Vielmehr finden
jetzt, meiner Kenntnis nach, entsprechende Dialoge mit
Volkswagen statt.
Wir sind am dem Punkt, dass wir aufgrund der Erkenntnisse, die in Amerika gewonnen worden sind, jetzt
entsprechende Nachprüfungen durchführen lassen . Wenn
diese abgeschlossen sind, kann man Ergebnisse präsentieren; vielleicht kann man auch Zwischenergebnisse
präsentieren . Aber das muss natürlich jetzt erst einmal
erledigt werden .
({0})
- In unserem Recht sind eine ganze Reihe von Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen.
({1})
Jeder darf alles fragen, und der Minister antwortet dann . - Nächste ist die Abgeordnete Frau Künast,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . Bitte schön .
Wenn Sie sagen, dass wir eine ganze Menge Sanktionsmöglichkeiten haben, obwohl das europäische Recht
nicht umgesetzt wurde, will ich Sie zu Ihrer Art der Aufklärung, die Sie mit der von Ihnen eingesetzten Untersuchungskommission betreiben wollen, wie Sie gerade
gesagt haben, nach etwas fragen, was ich dabei nicht verstehe: Ist es eigentlich State of the Art, für Sie, für das
Verkehrsministerium und für die anderen Ministerien,
erst dann eine Untersuchungskommission einzurichten,
wenn eine Krise hochkocht?
Spätestens seit 2012 gibt es ja laut EU-Recht die
Pflicht, entsprechende Tricksereien zu sanktionieren, und
seit Jahren haben wir Hinweise darauf, dass bei den Tests
andere Ergebnisse erzielt werden als in der Realität, also
unter Zugrundelegung des Fahrverhaltens von normalen
Autofahrerinnen und Autofahrern . Diese Differenz ist Ihnen doch nicht erst letztes Wochenende zugetragen worden, Herr Dobrindt, sondern es ist Allgemeinwissen in
der Bevölkerung, dass hier irgendwie getrickst wird. Deshalb ist meine konkrete Frage: Was haben Sie vor diesem
Wochenende unternommen? Seit dem Wochenende sind
weltweit alle Autobesitzer und alle Minister bösgläubig .
Vorher gab es aber Hinweise auf die Differenz zwischen
Angaben der Hersteller und realem Verbrauch .
Welche Maßnahmen haben also Sie und welche Maßnahmen hat das Bundesverkehrsministerium zum Beispiel in der Zeit seit 2012 konkret ergriffen? Welche
Gespräche sind geführt worden? Haben Sie selber eigenständige Tests initiiert? Haben Sie zum Beispiel initiiert,
dass der TÜV, statt nur das Testprogramm abzuziehen,
in dem er durch die dank Software erreichten falschen
Werte selber geleimt wird, tatsächlich die Werte hinten
am Auspuff kontrolliert? Also, ich möchte hören, welche
konkreten Maßnahmen Sie in den letzten Jahren ergriffen
haben .
({0})
Herr Minister, bitte .
Erstens, Frau Künast, wird unsere Kommission untersuchen, ob die betreffenden Fahrzeuge innerhalb der
bestehenden deutschen und europäischen Vorschriften
gebaut, in Verkehr gebracht und auch geprüft worden
sind und ob dies konform zu den Fahrzeugzulassungen
geschehen ist . Wir wissen, dass alle diese Fahrzeuge eine
Typenzulassung haben, und es stellt sich für uns auch die
Frage, ob diese Fahrzeuge konform zu den Typenzulassungen gebaut worden sind oder ob es Veränderungen
gegeben hat, die so nicht hätten stattfinden dürfen. Das
ist die konkrete Aufgabe auch der Kommission.
({0})
Ich glaube, wir alle hier haben ein Interesse daran, dass
wir auch diese Ergebnisse kennen.
Zweitens rate ich nicht dazu, zwei Dinge zu vermischen, was Sie sicherlich jetzt versehentlich getan haben,
nämlich auf der einen Seite die Tatsache, dass wir daran
arbeiten, die Tests, die Prüfmechanismen zu optimieren,
und auf der anderen Seite die Situation, dass widerrechtlich eine Veränderung an einem Motor vorgenommen
worden ist .
({1})
- Ich will ja nur, dass Sie verstehen, was ich Ihnen erkläre . Das ist doch in Ordnung .
({2})
- Da mein Mikrofon immer noch an ist, gehe ich davon
aus, dass ich dran bin, Herr Präsident . Frau Künast, ich
glaube, auch Sie hören leichter zu, wenn Sie aufhören,
zu sprechen . Aber ich weiß nicht, ob das für alle so gilt .
({3})
Ich möchte nur kurz sagen: Ich bitte um friedliche
gegenseitige Befassung . Der Minister ist ja noch dabei,
zu antworten . Bevor wir uns empören, dass die Antwort
nicht vollständig ist, sollten wir das Ende der Antwort
vielleicht erst einmal entspannt abwarten . - Bitte, Herr
Minister .
Wir haben zwischen den europäischen Ländern und
mit der Europäischen Kommission seit 2011 eine intensive Diskussion darüber, wie wir die Tests optimieren können . Wir wollen hin zum RDE-Test . Das heißt, wir wollen, dass zukünftig nicht die Verbrauchssituationen und
die Abgassituationen auf der Rolle, das heißt, auf dem
Laborfeld, sondern letztlich auf der Straße geprüft werden . Wir wollen mit unseren Tests näher ran an das echte
Fahrverhalten der Menschen . Das ist der Unterschied zu
dem, wie wir bisher diese Tests europaweit gestaltet haben . Wir haben uns Anfang dieses Jahres darauf geeinigt,
dass wir diese Tests auf der Straße gemeinschaftlich in
Europa durchführen wollen .
Zurzeit gibt es Verhandlungen zwischen den Verkehrsministern und der Kommission darüber, was diese Tests
beinhalten müssen .
({0})
Das heißt, wenn man mit diesem Test auf die Straße geht,
muss natürlich festgelegt sein, wie er ablaufen soll, damit
er standardisiert ist. Nur wenn er standardisiert ist, können die unterschiedlichen Fahrzeuge auch miteinander
verglichen werden . Wir arbeiten daran, ein Ergebnis zu
finden. Wenn eine Einigung erzielt werden kann, werden
wir diesen neuen Test nach einer Übergangszeit für alle
verbindlich entsprechend umsetzen .
({1})
Es ist unsere Einstellung, dass wir dadurch einen optimierten Test haben, der genauere Auskünfte über den
Verbrauch von Fahrzeugen bietet, als dies die bisherigen
Tests, die auch gemeinschaftlich in Europa durchgeführt
werden, leisten können.
Nächste Frage vom Abgeordneten Meiwald, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, wenn
Sie heute sagen, dass die EPA schon seit über einem Jahr
ermittelt, stellt sich ja die Frage, inwieweit auch an die
Bundesregierung, an das UBA, an das Kraftfahrt-Bundesamt Amtshilfeersuchen gerichtet worden sind, inwieweit um Unterstützung bei den Ermittlungen gebeten
worden ist . Deswegen muss ich die Frage des Kollegen
Krischer ein bisschen konkretisieren: Seit wann hatte die
Bundesregierung Kenntnis davon, dass Abschalteinrichtungen für SCR-Katalysatoren in der Automobilbranche
üblich sein könnten und möglicherweise auch angewendet werden, und was ist daraufhin seitens der Bundesregierung initiiert worden?
Des Weiteren: Da Sie Aufklärung angekündigt haben
und gesagt haben: „Wir tun da was, und Volkswagen wird
das alles schon gut machen“, möchte ich Sie fragen: Inwieweit sind die Hersteller, die Vertreiber, die Entwickler
der Software, die offensichtlich auf dem Markt erhältlich
ist, in diese Aufklärungsbemühungen einbezogen?
Vielen Dank.
Herr Minister .
Herr Meiwald, ich habe nicht gesagt, dass die amerikanische Umweltbehörde schon seit einem Jahr ermittelt,
sondern ich habe gesagt, dass sie, wie Sie in den Zeitungen wahrscheinlich lesen konnten, seit längerem mit
diesem Fall befasst ist . Das ist eine Kenntnis, die auch
ich der Zeitung entnommen habe. Ich habe keine andere
Erkenntnis und hatte auch früher keine andere Kenntnis
erlangt. Ich habe Ihnen das mitgeteilt. Ich kann es auch
noch einmal zitieren - ich weiß, dass Sie diesen Satz
nicht gerne hören, aber er steht nun einmal in der Antwort der Bundesregierung vom Juli auf die Kleine Anfrage der Grünen -:
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor .
Auch durch mehrmaliges Nachfragen kann dieser Satz
heute nicht mehr verändert werden . Ich bitte um Verständnis, und ich bitte darum, ihn zu verwenden und
nicht das Gegenteil zu behaupten,
({0})
was Sie in Ihrer Partei leider Gottes ganz offensiv tun .
Sie haben gefragt, inwieweit sich die Untersuchung
jetzt auch auf Software oder anderes erstreckt. Ich vermute, Sie meinen grundsätzlich Bauteile. Darüber können wir zurzeit keine weitere Auskunft geben, weil wir
mit der Kommission erst einmal in Erfahrung bringen
müssen, was für Teile betroffen sind und woher diese
Teile kommen. Im Zweifelsfall müssen wir auch fragen:
Wer hat wie und warum was programmiert?
Ich habe gegenüber dem Volkswagenkonzern zum
Ausdruck gebracht, dass wir natürlich nicht nur an der
rein technischen Frage Interesse haben, sondern auch an
der Frage des Prozesses, das heißt, daran, wann welche
Entscheidungen getroffen worden sind. Der Volkswagenkonzern hat uns volle Unterstützung zugesagt. Ich glaube, das zeigt, dass wir mit unserem Vorgehen - Nachprüfungen durch eine Kommission - auf dem richtigen
Wege sind . Es ist übrigens im Interesse aller, dass man
an dieser Stelle Vertrauen zurückgewinnt. Dazu sind in
erster Linie Aufklärung und Transparenz erforderlich.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan
Kühn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, danach die Abgeordnete Frau Pothmer, BÜNDNIS 90/Die Grünen .
Vielen Dank. - Herr Minister, ich wiederhole die Frage aus dem Ausschuss in der Hoffnung, dass sie diesmal
verstanden wird und auf die Frage vielleicht auch geantwortet wird . Die Bundesregierung wusste, dass Abgaswerte im realen Verkehr deutlich über den Grenzwerten
liegen . Das hat sie auch der EU-Kommission mitgeteilt .
So steht es auch in Ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage . Die Bundesregierung wusste auch, dass Hersteller
sogenannte Abschalteinrichtungen nutzen, um die Emissionswerte auf dem Rollenprüfstand sozusagen herunterzurechnen .
Die Angaben der Hersteller wurden trotzdem - ich
frage danach, wie das vor diesem Wochenende war -,
obwohl diese Umstände, die ich gerade genannt habe,
bekannt waren, kein einziges Mal in irgendeiner Form
kontrolliert. Warum gab es keine entsprechenden Nachprüfungen? Sie wären ja sinnvoll gewesen, zumal nachgeordnete Behörden diese Differenzen in mehreren
Studien bereits deutlich herausgearbeitet haben . Warum
haben entsprechende Nachprüfungen der Angaben der
Hersteller nie stattgefunden?
Herr Minister .
Ich kann es gerne noch einmal vorlesen:
({0})
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor .
Daran ändert sich nichts, egal wie oft Sie weiterhin etwas
Falsches behaupten .
Der andere Fall, den ich auch Frau Künast schon zu
erklären versucht habe, ist, dass wir seit 2011 auf europäischer Ebene dabei sind, die Testverfahren zu optimieren . Die Testverfahren zu optimieren, heißt auch, die
Testergebnisse, also den Verbrauch, der heute auf dem
Prüfstand ermittelt wird, an das reale Fahrverhalten der
Käufer anzunähern .
({1})
Deswegen wollen wir von dem Prüfstand herunter auf
die Straße . Das hat nichts, aber auch gar nichts damit
zu tun - Sie versuchen jetzt, es damit zu vermischen -,
dass es bewusste Eingriffe in beispielsweise das Motormanagement oder das Abgasmanagement gibt, die nicht
erlaubt sind . Ich halte es für unseriös, dass Sie jetzt versuchen, dies miteinander zu vermengen . Ich weiß natürlich, warum Sie es versuchen, aber unseriös bleibt es
trotzdem .
({2})
Zweitens . Sie haben nach der Kontrolle gefragt .
Selbstverständlich führt die Bundesregierung mit dem
Kraftfahrt-Bundesamt Kontrollen durch, und zwar wenn
eine Typzulassung stattfindet. Der Hersteller hat die
Nachweispflicht; er muss gegenüber dem KBA genau erklären, dass das Fahrzeug den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa entspricht . Das wird
an dieser Stelle geprüft. Zu späteren Zeitpunkten werden
Fahrzeuge stichprobenartig daraufhin untersucht, ob es in
der Laufzeit einer Typgenehmigung - eine Typgenehmigung führt dazu, dass man beliebig viele Fahrzeuge dieses Typs bauen darf -, das heißt, solange das identische
Fahrzeug gebaut wird, zu Veränderungen gekommen ist,
die nicht hätten sein dürfen oder die hätten angemeldet
werden müssen. Das ist das übliche und wirkungsvolle
Verfahren, wie es heute besteht .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Frau
Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen, danach die Abgeordnete Frau Leidig, Fraktion Die Linke. - Frau Pothmer,
bitte .
Sie haben hier gerade von Aufklärung und Transparenz gesprochen. Ihre Antworten, finde ich, spiegeln das
nicht unbedingt wider . Aber ich versuche es jetzt trotzdem noch einmal .
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung jetzt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen
ist, beabsichtigt, die in Rede stehenden VW-Modelle zu
überprüfen. Ich frage Sie jetzt: Warum konzentrieren Sie
sich in Ihrer Überprüfung ausschließlich auf VW, obwohl
doch hinlänglich bekannt ist, dass auch andere deutsche
Marken die Clean-Diesel-Kampagne fahren? Warum
prüfen Sie jetzt nicht auch diese Marken vorsorglich?
Herr Minister .
Die Kommission beschäftigt sich jetzt weniger mit der
Marke Volkswagen an sich, sondern mehr mit dem Motor,
der dahinter steht; denn der Eingriff auf den Motor ist ja
das auslösende Element . Das heißt, wir werden natürlich
auch die Fahrzeuge betrachten, die einen entsprechenden
Motor haben, aber einer anderen Marke angehören.
Des Weiteren sind wir natürlich in Gesprächen mit der
Automobilindustrie, übrigens auch mit der amerikanischen Umweltbehörde, um Kenntnis zu erlangen, ob es
weitere Sachverhalte gibt. Bisher liegen uns keine weiteren Erkenntnisse vor. Daher führen wir jetzt die Prüfungen durch, bei denen wir davon ausgehen, dass sie richtig
und notwendig sind .
Die Abgeordnete Frau Leidig, Fraktion Die Linke,
und danach die Abgeordnete Frau Lemke, Bündnis 90/
Die Grünen . - Frau Kollegin Leidig, bitte .
Ich würde gerne an diese Antwort anknüpfen und in
Erinnerung rufen, dass es tatsächlich nicht so ist, dass nur
VW künstlich oder bewusst Abgasnormen herunterreguliert oder Verbrauchswerte heruntermanipuliert, sondern
dass das die übliche Praxis vieler Automobilhersteller ist,
wie übrigens die Deutsche Umwelthilfe sehr dezidiert
nachgewiesen hat . Dazu gab es Seminare, an denen viele
Abgeordnete teilgenommen haben - leider nicht von allen Fraktionen.
Dass es sich jetzt nur um einen VW-Skandal handelt,
stimmt nicht; denn das ist ein Skandal, der tatsächlich die
ganze Automobilindustrie betrifft . Das Softwaremodul,
das da eingesetzt wird, stammt von Bosch . Die Firma
hat gestern offiziell mitgeteilt, dass dieses Modul, das
übrigens als „Förder- und Dosiermodul zur Abgasnachbehandlung“ bezeichnet wird, Industriestandard sei und
auch an viele andere Autohersteller geliefert wird .
Ich habe zwei konkrete Fragen an Sie, Herr Minister
Dobrindt:
Erstens . Es gab schon in der Vergangenheit die Forderung nach unabhängigen Kontrollen und einer unabhängigen Kontrollkommission, die vor allen Dingen mit Experten zu bestücken ist, die von den Umweltverbänden,
auch von der Deutschen Umwelthilfe, vorgeschlagen
werden. Jetzt ist eine Kontrollkommission eingesetzt.
Meine Frage lautet: Wer sitzt da drin, und wer hat diese
Experten vorgeschlagen?
Wenn es möglich ist, würde ich gerne zweitens noch
die Frage stellen, welche personellen Konsequenzen eigentlich zumindest im VW-Konzern thematisiert werden,
ob die Verantwortlichen auch individuell haftbar gemacht
werden oder ob der Schaden, der da angerichtet wurde,
wieder von den Beschäftigten alleine auszubaden ist .
Bitte schön, Herr Minister .
Frau Leidig, um es klar zu sagen: Das, was Sie hier
zu Beginn Ihres Beitrags an Verdächtigungen formuliert
haben,
({0})
kann ich nicht bestätigen, und ich habe davon auch keine
Kenntnis . Dass Sie diese Kenntnis haben, ist interessant .
({1})
Zumindest wir als Bundesregierung halten uns an dieser
Stelle an die Fakten.
({2})
Wir werden unsere Untersuchungen durchführen, uns
jetzt aber nicht an Verdächtigungen beteiligen, die möglicherweise - ich formuliere es einmal freundlich, Frau
Leidig - jeglicher Grundlage entbehren .
({3})
Ich finde, auch Sie sollten sich an der Aufklärung beteiligen, wenn Sie wollen . Ich berichte gerne über die Erkenntnisse, die wir haben. Aber es ist wenig hilfreich,
sich an Spekulationen zu beteiligen.
Die Kommission, die ich eingesetzt habe, besteht aus
Fachleuten des Bundesverkehrsministeriums und des
Kraftfahrt-Bundesamtes. Hinzu kommt eine wissenschaftliche Begleitung, die davon abhängig ist, welcher
technischen Expertise wir uns bedienen müssen . Das
liegt daran, dass es ja auch um IT- und Softwarefragen
geht . Da ist man, glaube ich, gut beraten, sich von weiteren Fachleuten - über die Frage der Motorentechnik und
der Abgasbewältigung hinaus - informieren und beraten
zu lassen .
Zu der Frage nach personellen Konsequenzen . Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir in Kenntnis
gesetzt werden: Welche Auswirkungen hat das Vorgehen, das wir hier sehen, auf den deutschen und den europäischen Markt? Welche Regelungen sind eingehalten
worden? Gibt es Normen, die nicht eingehalten worden
sind? - Es ist nicht meine Aufgabe, über weitere Fragen
zu spekulieren und zu diskutieren.
Ich mache jetzt einmal eine kurze Bemerkung, wie
wir weiter fortfahren. Nach Absprache mit der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen mache ich es jetzt so: Ich lasse
alle, die sich zum ersten Mal zu Wort gemeldet haben ich lese die Namen gleich vor -, noch zu Wort kommen.
Diejenigen, die sich zum zweiten oder dritten Mal gemeldet haben, streiche ich . Da die weiteren Fragesteller alle
vom Bündnis 90/Die Grünen sind, können Sie zündende
Gedanken ja noch an diese weitergeben. Aber sonst kommen wir nicht mehr durch .
Ich lasse jetzt auch keine weiteren Fragen mehr zu und
lese einmal vor, wer noch auf der Liste steht: Frau Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, Herr Abgeordneter Gastel, Bündnis 90/Die Grünen, Frau Hajduk,
Bündnis 90/Die Grünen, Herr Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, Frau Dr . Wilms, Bündnis 90/Die
Grünen, und, zu einer anderen Fragestellung, Herr Beck,
Bündnis 90/Die Grünen .
({0})
- Nein, das ist ein anderer Kühn . Es gibt beim Bündnis 90/Die Grünen zwei Kollegen mit dem Namen Kühn .
Insofern unterliegen diejenigen, die mich darauf hinweisen, dass er schon gesprochen haben soll, einem Irrtum
aufgrund der Namensgleichheit .
Das ist der Stand; ich lasse keine weiteren Fragen zu.
Ich hoffe, es sind alle damit einverstanden .
Als Nächstes hat die Abgeordnete Lemke das Wort,
und danach spricht der Abgeordnete Gastel, beide Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Minister, da ich davon ausgehe, dass Sie und
Ihr Ministerium sich in solch einer brisanten Situation,
in der wir uns gerade befinden und in der es um Hunderttausende Arbeitsplätze geht, äußerst sorgfältig und
präzise auf Ausschusssitzungen des deutschen Parlamentes vorbereiten, möchte ich Sie gerne Folgendes fragen:
Herr Ferlemann, Ihr Staatssekretär, hat heute Morgen
im Umweltausschuss erklärt, dass die Bundesregierung
Kenntnis von der Existenz dieser Abschalttechnik hatte,
Sie aber davon ausgegangen sind, dass diese nicht zum
Einsatz kommt.
({0})
Ich würde gerne wissen, wovon Sie ausgegangen sind,
wofür diese Abschalttechnik sonst entwickelt worden ist.
({1})
Herr Minister .
Ich war heute im Verkehrsausschuss und kann deswegen über die Diskussion im Umweltausschuss und Ihren
Bericht darüber jetzt nicht urteilen .
({0})
Ich kann Ihnen aber noch einmal den Hinweis geben:
Das, wonach Sie fragen, steht eindeutig in der Antwort,
die Sie im Juli auf Ihre Kleine Anfrage bekommen haben:
({1})
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor .
Die Frage „Wie definiert die Bundesregierung eine
‚Abschalteinrichtung‘ . . .“ wurde ebenfalls in dieser Antwort beantwortet, und zwar folgendermaßen:
Der Begriff „Abschalteinrichtung“ wird in . . . der
Verordnung ({2}) Nr. 715/2007 definiert.
({3})
Das heißt, die Definition findet sich im europäischen
Recht. In Artikel 5 Absatz 2 ist darüber hinaus klargestellt, welche Abschalteinrichtungen verboten sind
({4})
und welche Ausnahmen es an dieser Stelle gibt . Genau
darüber wird Sie Staatssekretär Ferlemann informiert haben .
({5})
Frau Kollegin, es gibt noch eine ganze Reihe von Kollegen aus Ihrer Fraktion, die Fragen stellen.
({0})
Nächster Fragesteller ist der Kollege Gastel, Bündnis 90/Die Grünen . Bitte schön .
Der VW-Skandal in den USA ist groß, aber leider nur
ein Teil des Gesamtskandals. 70 Prozent der Messstellen
in Deutschland weisen nämlich Schadstoffüberschreitungen auf, worunter viele Menschen gesundheitlich leiden .
Das ganze Problem geht also noch viel weiter .
Es gibt neuere Untersuchungen bezüglich NOx, die
besagen, dass der Grenzwert für Euro-6-Norm-Motoren
durch die Autos, die dieser Norm angeblich gerecht werden sollen, um den Faktor 1,6 bis 8,5 überschritten wird.
Dies ist überwiegend bei Dieselfahrzeugen ein Problem .
Deswegen habe ich folgende Frage an Sie, Herr Minister: Wie geht die Bundesregierung mit der Tatsache um,
dass Dieselkraftstoff steuerlich begünstigt ist? Ist hier
angesichts dieses Skandals und angesichts der Probleme
durch Luftschadstoffe seitens der Bundesregierung eine
Änderung geplant?
Herr Minister, bitte .
Herr Gastel, nein .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Frau
Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, ich möchte Sie vor dem Hintergrund
der Frage meiner Kollegin Steffi Lemke fragen, ob Sie
die Antwort Ihres Staatssekretärs Enak Ferlemann korrigieren wollen, dass die Bundesregierung Kenntnis von
der Existenz der Abschalttechniken hatte. Oder glauben
Sie, dass es lösungs- und zielorientiert ist, hier eine Auseinandersetzung über die Definition des Wortes „Abschalttechnik“ zu führen? Ich muss diese Frage anschließen; denn wir haben es mit der Krise eines sehr großen
Automobilkonzerns zu tun, und Sie müssen Ihre Rolle
beim Handeln dieser Krise wahrnehmen . Deswegen
möchte ich Sie bitten, darauf noch einmal einzugehen .
Gleichzeitig möchte ich Sie fragen, mit welchen rechtlichen Konsequenzen Sie für den VW-Konzern rechnen,
sollte sich herausstellen, dass VW auch in Europa vorsätzlich Abgasmessungen manipuliert hat . Ich gehe davon aus, dass Sie sich auch auf diesen Krisenfall vorbereiten und dazu Stellung nehmen können.
Herr Minister .
Sehr geehrte Frau Hajduk, ich habe auf das hingewiesen, was Teil der Fragestellung der Grünen in der Kleinen Anfrage war, nämlich: Wie definiert die Bundesregierung die Abschalteinrichtung? Darauf nehmen Sie ja
immer gerne Bezug . Ich habe darauf hingewiesen, dass
die Abschalteinrichtung in der EG-Verordnung 715/2007
definiert ist, und zwar in Artikel 3 Absatz 10, und dass in
Artikel 5 Absatz 2 der EG-Verordnung die Unzulässigkeit der Verwendung von Abschalteinrichtungen und die
Ausnahmen beschrieben werden . Dem ist nichts weiter
hinzuzufügen . Die Tatsache, dass diese EG-Verordnung
mit der Ziffer „2007“ versehen ist, sagt aus, dass sie wenn das für Sie noch von Interesse ist - von 2007 ist .
Zu den rechtlichen Konsequenzen, die Sie hinterfragen, kann ich Ihnen nur sagen: Es wäre hilfreich, erst
einmal den möglichen Schaden festzustellen . Dafür
haben wir gestern und vorgestern - mit der Einsetzung
der Kommission und der Einleitung der erforderlichen
Untersuchungen durch das KBA - die notwendigen Entscheidungen getroffen . Wenn man am Ende weiß, was
in Deutschland und in Europa passiert ist - über diese
Situation reden wir hier ja ganz offensichtlich; denn nur
in diesem Fall könnten wir rechtliche Konsequenzen ziehen -, werden wir uns über die anderen Fragen unterhalten können.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Christian
Kühn, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Dobrindt, meine Frage bezieht sich darauf, dass
Sie gesagt haben, Sie seien mit den US-Umweltbehörden
in Kontakt. Seit wann ist die Bundesregierung - Ihr Haus
und die nachgeordneten Behörden - mit der US-Administration zum Thema „Betrugsfälle von VW in den
USA“ in Kontakt, was sind die Themen, die Sie dort behandeln, und welche Maßnahmen haben Sie seit der Antwort auf unsere Kleine Anfrage - aus der Sie ja in dieser
Fragestunde sehr fleißig zitieren - vom Juli im Hinblick
auf Abschalteinrichtungen unternommen?
Herr Minister, bitte .
Herr Kühn, erstens ist es die Aufgabe meiner Kommission, mit den US-Behörden in Kontakt zu sein. Ich kann
Ihnen heute nicht sagen, wann und wie dies geschieht;
aber die Kommission wird, sobald dies stattfindet, dann
auch entsprechend berichten können.
Zweitens habe ich vorhin sehr ausführlich erklärt,
dass wir auf europäischer Ebene daran arbeiten, von
dem Rolltest, bei dem momentan der Verbrauch und die
Schadstoffe gemessen werden, zu einem Test auf der
Straße zu kommen. Die entsprechenden Verhandlungen
dauern stetig an - schon das ganze Jahr über bis zum heutigen Tag und darüber hinaus .
({0})
- Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: Es ist Aufgabe der
Kommission, die ich gestern eingesetzt habe, mit den
US-Behörden in Kontakt zu treten.
({1})
Sie sind aber jetzt leider nicht mehr dran, Herr Kollege .
Aber ich kann es ihm trotzdem noch einmal sagen,
wenn er es beim ersten Mal nicht verstanden hat . ({0})
Es ist Aufgabe der gestern eingesetzten Kommission,
({1})
mit den US-Behörden in Kontakt zu treten.
Jeder hat die Frage gehört, jeder hat die Antwort gehört . - Als nächste Fragestellerin: die Abgeordnete Frau
Dr . Wilms, Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Dobrindt, die
Antworten hier sind so ähnlich wie die im Verkehrsausschuss. Ich will den Blick ein bisschen weiten und eine
weiter gehende Frage stellen - vielleicht trauen Sie sich,
an dieser Stelle ein bisschen mehr zu sagen als bei dem
Einzelfall VW -: Welche Konsequenzen müsste die Bundesregierung ziehen, wenn sich jetzt herausstellen sollte,
dass bei der Überprüfung von Dieselfahrzeugen - beziehen wir das erst einmal nur auf VW-Dieselfahrzeuge neueren Typs, die nach der Euro-6-Norm homologisiert
sind, die Prüfbedingungen nicht eingehalten wurden?
Kann es dann passieren, dass die Bundesregierung die
Typgenehmigung zurückzieht?
Herr Minister .
Ich würde es für ausreichend und für ausgesprochen
hilfreich halten, wenn man sich aufgrund der Erkenntnis,
die man aus einer Prüfung gewinnt, über die Konsequenzen Gedanken macht, statt bereits heute den Versuch zu
unternehmen, ein Prüfergebnis vorwegzunehmen, das Ihnen vielleicht besonders recht wäre - ich weiß es nicht;
ich habe zumindest keine Vorstellung, warum Sie genau
danach fragen -, und statt schon vorher zu sagen, für welche Möglichkeit man sich aus der Vielzahl der Möglichkeiten entscheiden würde.
Nein, wir gehen seriös vor . Wir bleiben dabei: Wir
werden das Ergebnis der Untersuchung abwarten und
dann natürlich diskutieren, ob und welche Konsequenzen
notwendig sind .
Letzter Fragesteller in der Regierungsbefragung: der
Abgeordnete Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Am 18 . September war auf der Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu
lesen, dass als Nachfolger des Präsidenten Schmidt Herr
Weise Präsident des BAMF wird . Da gibt es ein Problem .
Nach SGB III ist es dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit verboten, ein weiteres besoldetes
Amt auszuüben . Laut Beamtenrecht ist es dem Präsidenten des BAMF wiederum verboten, auf seine Besoldung
ganz oder teilweise zu verzichten .
Vor diesem Hintergrund stelle ich einem Vertreter des
Bundesinnenministeriums die Frage: Wann wird wer als
Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge benannt, und wer hat dann die dienstrechtliche und
fachliche Leitung des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge?
Die Frage ist zugelassen . Aber wer antwortet, entscheidet die Bundesregierung . - Ich sehe, Herr Staatssekretär Dr. Schröder vom Bundesinnenministerium wird
antworten . Bitte schön .
Herr Kollege Beck, Sie haben die Vorschrift richtig zitiert. Darin ist klar geregelt, dass es dem Präsidenten des
Bundesamtes nicht möglich ist, ein weiteres besoldetes
Amt zu bekleiden.
({0})
Es ist so, dass Herr Weise keine zusätzliche Besoldung
erhält. Insofern ist dies dienstrechtlich kein Problem und
wird entsprechend geregelt .
({1})
Doch, er hat die Frage beantwortet .
({0})
- Herr Kollege Beck, ich darf Sie bitten, entspannt Platz
zu nehmen . Die Bundesregierung hat die Frage aus meiner Sicht beantwortet .
({1})
- Die Frage ist: Wer leitet die Sitzung? Das bin ich .
({2})
Will die Regierung doch noch etwas dazu sagen, um
den Frieden herzustellen? - Also noch einmal der Vertreter der Regierung . Bitte .
Ich habe die Frage bereits implizit beantwortet . Entscheidend ist ja, ob Herr Weise Präsident dieses Amtes
werden kann. Ich habe gesagt: Selbstverständlich ist das
nach den von Ihnen zitierten Vorschriften möglich, und
selbstverständlich leitet der Präsident des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge dann auch das Amt .
({0})
Damit sind wir am Ende der Regierungsbefragung .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/6019
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die
Fragen 1 und 2 des Kollegen Herbert Behrens und die
Frage 3 der Kollegin Tabea Rößner werden schriftlich
beantwortet .
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Auch die Frage 4 des Kollegen Christian
Kühn wird schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Oliver Krischer auf:
Was unternimmt die Bundesregierung gegen die nach meinen Informationen angestellten Überlegungen, die Förderung
der Atomkraft erstmals zu einem Teil der Klimainvestitionsstrategie der Europäischen Investitionsbank zu machen, und
wie wird die Bundesregierung sich in dem Board of Governors
Meeting am 22 . und 23 . September 2015 diesbezüglich, gegebenenfalls auch bei Abstimmungen, verhalten?
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit. - Frau Staatssekretärin, bitte.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Lieber Herr Kollege Krischer, der Verwaltungsrat der
Europäischen Investitionsbank hat gestern, am 22. September 2015, eine Klimaschutzstrategie für die Mobilisierung von Finanzierungsmitteln für den Übergang zu
einer CO
-armen klimaresilienten Wirtschaft angenommen. Darin macht die Europäische Investitionsbank klar,
dass sie dem Klimaschutz höchste Priorität einräumt . Sie
zählt im Bereich Klimaschutz bereits heute zu den führenden internationalen Finanzierungsinstitutionen .
Die Bundesregierung hat bereits während des Konsultationsprozesses ihre Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung von Kernenergieprojekten in das Portfolio der
Europäischen Investitionsbank deutlich gemacht, und sie
hat sich entschieden dafür eingesetzt, dass EU-Förderung
nur für Technologien gewährt wird, die aus ihrer Sicht sicher, nachhaltig und kohlenstoffarm sind. Im Energiebereich beinhaltet das vor allem den Ausbau erneuerbarer
Energien und Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz. Diese Position hat die Bundesregierung gestern
im Rahmen der Abstimmung im Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank erneut vorgetragen.
Die Förderkriterien der Europäischen Investitionsbank verfolgen einen technologieoffenen Ansatz, der
eine Förderung von Kernkraftwerken bislang nicht explizit ausschließt . Dies spiegelt die divergierenden energiepolitischen Interessen der Mitgliedstaaten wider .
Die Annahme der Klimaschutzstrategie lässt der Bundesregierung auch weiterhin die Möglichkeit offen, im
Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank im
Rahmen von einzelnen Projektbewilligungen gegen Projekte zu votieren, die die Förderung der Kernenergie beinhalten .
Jetzt muss ich erst einmal Guten Tag sagen . Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, meine Kolleginnen und
Kollegen, auch Ihnen auf der Regierungsbank, und auch
den Gästen . - Und sofort meldet sich Oliver Krischer für
eine Nachfrage .
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, darf ich Ihre Antwort dann so interpretieren,
dass gestern explizit beschlossen worden ist, dass die
Förderung von Kernenergieprojekten im Rahmen der
EIB möglich ist? Meine Frage dazu ist: Hat die Bundesregierung diesem Beschluss, der diese Möglichkeit der
Förderung beinhaltet, zugestimmt, oder hat sie das abgelehnt?
Vizepräsident Peter Hintze
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Sie haben gefragt, ob es explizit beschlossen worden ist . Explizit hat sie es nicht beschlossen, sondern es
wurde die Klimaschutzstrategie beschlossen, und diese
Strategie sieht vor, dass 25 Prozent der europäischen Investitionsfördergelder in Klimaschutzprojekte investiert
werden müssen . Die übrigen 75 Prozent der Fördergelder
unterliegen strikten Vorgaben, die im Einklang mit den
EU-Klimazielen stehen .
Natürlich hat die Bundesregierung aufgrund dessen,
dass Investitionen in Klimaschutzprojekte und erneuerbare Energien erfolgen sollen, nicht alles abgelehnt,
sondern die Bedenken vorgetragen. Sie wird sie, wie ich
gerade gesagt habe, bei Einzelprojekten, die bewilligt
werden müssen, erneut vortragen bzw . dagegen votieren .
Aber sie hat nicht alles abgelehnt, weil damit verbunden
gewesen wäre, dass man auch Investitionen in Klimaschutzprojekte abgelehnt hätte.
Noch eine Nachfrage von Herrn Krischer .
Herzlichen Dank für die Erläuterungen. Das heißt,
Sie haben trotz Bedenken betreffend die Förderung der
Atomkraft durch die EIB am Ende zugestimmt.
Ich konkretisiere meine Frage. Ich habe Vorentwürfe
des entsprechenden Programms gesehen . Dort wurde die
Atomkraft explizit erwähnt. Ist die Atomkraft in dem Beschluss erwähnt?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit:
Herr Krischer, ich habe Ihnen gerade versucht zu erklären, dass wir nicht explizit der Förderung der Kernenergie zugestimmt haben .
({0})
Sie sollten nicht versuchen, mir etwas anderes zu unterstellen . Sie wollen doch genauso wie die Bundesregierung in erneuerbare Energien investieren; das ist ein
wichtiger Punkt. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass das
quasi gesetzt ist. Es ist daher klar, dass die Bundesregierung trotz der Bedenken, die ich Ihnen gerade zum Ausdruck gebracht habe, für diese Strategie gestimmt hat.
Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Die Fragen 6
und 7 des Abgeordneten Kai Gehring werden schriftlich
beantwortet .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 8 der
Kollegin Tabea Rößner wird schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich begrüße die
Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries, die
zur Beantwortung der Fragen bereitsteht .
Wir beginnen mit Frage 9 der Kollegin Sylvia KottingUhl:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass nach den Regelungen des am 2 . September 2015 von ihr in die Länderund Verbändeanhörung gegebenen Referentenentwurfs eines
Gesetzes zur Konzernnachhaftung im Nuklearbereich die
vom Eon-Konzern geplante Unternehmensausgliederung namens Uniper im Sinne des Entwurfes nicht für den künftigen
Eon-Konzernbereich haften müsste ({0}), und inwiefern beugen die Regelungen des Entwurfs bereits vollständig einem Haftungsentzug
durch Auslagerung von Vermögenswerten vor oder nicht vor?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau
Abgeordnete, die Bundesregierung kann die von Eon
beabsichtigte Abspaltung von Geschäftsteilen mangels
genauerer Kenntnis nicht abschließend beurteilen . Eine
Entscheidung des Bundeskabinetts über das geplante
Nachhaftungsgesetz ist noch nicht erfolgt .
Das Ziel dieses Gesetzes ist allerdings, sicherzustellen, dass Energiekonzerne langfristig für die Verpflichtungen der von ihnen beherrschten Kraftwerksbetreibergesellschaften haften, und zwar sowohl für den Rückbau
der Kraftwerke als auch für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle . Wir wollen deshalb Änderungen der Unternehmensstruktur verhindern, die auf eine Verlagerung
der nuklearen Aktivitäten und der entsprechenden Haftung auf längerfristig nicht tragfähige, selbstständige
Gesellschaften hinauslaufen . Aber man muss natürlich
sehen, dass die Energiekonzerne genauso wie jedes andere Unternehmen frei in ihren Entscheidungen sind,
solange - das ist die Voraussetzung - eine Deckung der
Rückstellungen mit Vermögen sichergestellt ist.
Frau Kollegin Kotting-Uhl .
Danke schön. - Frau Staatssekretärin, habe ich Sie
richtig verstanden, dass sich Ihr Ministerium angesichts
der Tatsache, dass Eon seine Abspaltungs- und Umstrukturierungspläne geändert hat und die AKW-Sparte beim
Mutterkonzern Eon belassen und nicht wie geplant zu
Uniper auslagern will, noch kein klares Bild darüber gemacht hat, ob das geplante Gesetz noch wirksam ist?
Da haben Sie mich falsch verstanden . Das Ministerium hat den Gesetzentwurf in die Anhörung gegeben . Wir
werden ihn überprüfen . Dann wird sich das Kabinett mit
ihm befassen .
Eine weitere Nachfrage .
Noch einmal zur Klärung, weil das meine Frage nicht
beantwortet hat - wir haben vielleicht ein bisschen aneinander vorbeigeredet -: Es besteht die Möglichkeit, dass
der neue Konzern Uniper zwar kapitalkräftiger sein wird
als Eon selbst, nicht aber für den Mutterkonzern haftet.
Nach Ihrem Gesetzentwurf soll schließlich die Nachhaftung nur umgekehrt gelten. Das heißt, es besteht die
Gefahr, dass das im Mutterkonzern verbliebene Kapital
nicht ausreichend sein wird, um die anfallenden Kosten
für Rückbau und Entsorgung zu decken. Wie gedenkt das
Ministerium dieser Gefahr zu begegnen?
Ich wiederhole gerne den entsprechenden Teil meiner
Antwort . Das Gesetz hat das Ziel, Änderungen der Unternehmensstruktur zu verhindern, die auf eine Verlagerung der nuklearen Aktivitäten und der entsprechenden
Haftung auf längerfristig nicht tragfähige, selbstständige
Gesellschaften hinauslaufen . Wir wollen sicherstellen deswegen machen wir das alles -, dass Haftungskapital
in ausreichendem Maße vorhanden ist .
Ich sehe keine weiteren Nachfragen.
Wir kommen zu Frage 10 der Kollegin Sylvia KottingUhl:
Wann sollen nach aktuellem Stand der Bundesregierung
die Ergebnisse des von ihr beauftragten sogenannten Stresstests des Systems der Rückstellungsbildung ({0}) der atomkraftwerkebetreibenden Energiekonzerne vorliegen, und hält die Bundesregierung es noch für realistisch, dass die von ihr geplante Kommission zur Frage des
Reformbedarfs bei diesem System ihre Ergebnisse bis Ende
November 2015 vorlegen kann ({1})?
Ich fasse für unsere Gäste auf der Zuschauertribüne
einmal zusammen, worum es in dieser Frage geht: Es
geht um die Vorlage der Ergebnisse des Stresstests des
Systems der Rückstellungsbildung für den Rückbau der
Atomkraftwerke.
Frau Staatssekretärin, bitte.
Sehr freundlich, Frau Präsidentin . Ich weiß nur nicht,
ob das jemand verstanden hat .
({0})
Es geht darum, dass die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat; das nennen wir Stresstest. Mit
diesem Gutachten soll geklärt werden, ob genug Geld da
ist, um den Rückbau der Atomkraftwerke zu finanzieren.
Die Ergebnisse dieses sogenannten Stresstests erwarten
wir in den nächsten Wochen; ein genaues Datum dafür
haben wir nicht . Zwischenergebnisse sind nicht vorgesehen, sodass ich dazu auch keine weitere Auskunft geben
kann.
Außerdem haben Sie nach den Vereinbarungen der
Parteivorsitzenden gefragt . Die Parteivorsitzenden von
CDU, CSU und SPD haben am 1 . Juli dieses Jahres
„Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ beschlossen, und diese Eckpunkte sehen auch
vor, dass eine Kommission eingesetzt wird, die Empfehlungen erarbeiten soll, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Entsorgung der radioaktiven Abfälle so
ausgestaltet werden können, dass - jetzt kommen wir
wieder zum selben Thema - die Unternehmen langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen
aus dem Atombereich zu erfüllen . Eine Entscheidung des
Kabinetts zur Einsetzung dieser Kommission steht noch
aus. Deswegen kann ich Ihnen keine weiteren Angaben
zur Zeitplanung machen .
Frau Kotting-Uhl .
Danke, Frau Staatssekretärin. - Sie haben jetzt sozusagen schon im Vorhinein die Antworten auf alle möglichen Rückfragen mehr oder weniger ausgeschlossen.
Ich werde jetzt also nicht versuchen, darauf zu drängen .
Deshalb eine andere Frage .
Sie haben ursprünglich vorgesehen, heute im Kabinett
über diese Kommission zu entscheiden . Also gehe ich
einmal davon aus, dass bestimmte Vorbereitungen durchgeführt worden sind, auch wenn der Entschluss verschoben worden ist . Welche Kompetenzen sollen sich denn
der Planung nach in dieser Kommission wiederfinden?
Die Kommission soll eingesetzt werden, um Empfehlungen zu erarbeiten, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke
sowie die Entsorgung der radioaktiven Abfälle so ausgestaltet werden können, dass die Unternehmen langfristig
in der Lage sind, ihre wirtschaftlichen Verpflichtungen
aus dem Atombereich zu erfüllen . Das wird der Auftrag
der Kommission sein .
Eine weitere Zusatzfrage .
Frau Präsidentin, dank Ihrer Erlaubnis möchte ich eine
weitere Nachfrage stellen. - Frau Staatssekretärin, Ihre
Antwort auf meine erste Zusatzfrage, nimmt mir jetzt
die Möglichkeit, eine inhaltlich andere Zusatzfrage zu
stellen; denn ich muss auf Ihre Antwort auf meine erste
Zusatzfrage eingehen .
Ich hatte ja nicht nach der Aufgabe der Kommission
gefragt - die kenne ich auch schon -, sondern nach den
Kompetenzen, die darin vertreten sein sollen . Also, Juristen, Wirtschaftsprüfer, Ökonomen - welche Expertengruppen sollen darin vertreten sein?
Das war dann ein Missverständnis. - Dazu kann ich
Ihnen weiter nichts sagen . Die Parteivorsitzenden haben
vereinbart, dass die Besetzung der Kommission im Einvernehmen mit den Parteispitzen und den Fraktionen der
Regierungskoalition erfolgt. Ich kann Ihnen dazu im Moment keine weiteren Angaben machen.
Danke, Frau Kotting-Uhl. - Der Kollege Krischer hat
eine Nachfrage .
Frau Staatssekretärin, es soll eine Kommission geben.
Über diese Kommission wurde auch in der Presse schon
berichtet . Frau Kotting-Uhl hat ja zu Recht darauf hingewiesen: Es war sogar angekündigt, dass darüber heute im
Kabinett beschlossen werden soll .
Ich finde es jetzt schon ein bisschen erstaunlich, dass
Sie hier gar nichts über diese Kommission sagen können.
Kann ich daraus schließen, dass es in der Bundesregierung bisher kein entscheidungsreifes Konzept für diese
Kommission gibt?
Sie können daraus schließen, dass es manche Dinge
gibt, die von der Bundesregierung nicht nach außen gemeldet werden .
({0})
Ich sehe dazu keinen weiteren Nachfragewunsch. Ich bin gerade zu Recht darauf hingewiesen worden, dass
ich das Thema einer Frage nicht notwendigerweise nennen muss; man kann es nämlich auf den Medienwänden
rechts und links von mir ablesen.
Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Krischer auf:
Wie sieht der weitere Zeitplan zum Konzernhaftungsgesetz
und Stresstest aus ({0})?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
hat am 2 . September dieses Jahres die Länder- und Verbändeanhörung zum „Entwurf eines Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes“ - so ist die offizielle Kurzform dieses Gesetzentwurfes - eingeleitet . Eine
Kabinettsentscheidung über den Gesetzentwurf wird
nach Abschluss der Ressortanhörung und Ressortabstimmung erfolgen .
Wir hatten eben schon gesagt: Der Stresstest dauert
noch an . Wir rechnen mit Ergebnissen in einigen Wochen. Deswegen kann ich Ihnen keinen genauen Zeitplan
nennen, wann die Ergebnisse des Stresstests veröffentlicht werden sollen .
Herr Krischer .
Frau Staatssekretärin, danke für die Antwort. - Das
verstehe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht . Das Konzernhaftungsgesetz hat erst einmal nichts mit dem Stresstest zu
tun . Ich habe Herrn Bundesminister Gabriel und auch andere Mitglieder der Bundesregierung so verstanden, dass
die Verlängerung der Konzernhaftung überhaupt eine
Voraussetzung ist, um später Lösungen zu finden, wie
die Atomrückstellungen gesichert werden können und
wie ein Risiko des Steuerzahlers minimiert werden kann.
Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie, wenn das Konzernhaftungsgesetz jetzt in der Verbändeanhörung war Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie:
Ist!
- ist -, nicht sagen können, wie der weitere Fahrplan ist.
Vor allen Dingen erstaunt mich jetzt der Zusammenhang
mit dem Stresstest, den Sie an der Stelle herstellen . Können Sie mir diesen Zusammenhang erläutern?
Es erstaunt mich jetzt ein bisschen, dass Sie das erstaunt; denn eigentlich denke ich ja, dass Sie in diesen
Themen sehr sachkundig sind. Der Stresstest hat doch
die Aufgabe, festzustellen: Welche Werte sind angesetzt?
Was kann man in diese Werte hineinrechnen?
({0})
- Na ja, das hat natürlich schon etwas mit der Konzernhaftung zu tun. Es gibt den bekannten deutschen Spruch:
Haben Sie schon mal einem nackten Mann in die Tasche
gefasst? - Man kann natürlich zehnmal sagen: „Die Konzerne haften“, und man kann ein Gesetz dazu machen,
aber man braucht natürlich Vermögenswerte, mit denen
die Konzerne haften, und man muss sicherstellen, dass
man darauf Zugriff hat . Wenn sonst nichts mehr da ist,
dann ist natürlich auch keine Haftung mehr da.
Herr Krischer .
Frau Staatssekretärin, das verstehe ich jetzt noch weniger . Sie sagen mir also, dass die Konzernhaftung nur
dann relevant wird, wenn der Stresstest irgendwie das
Ergebnis erbringt, dass noch Geld da ist .
Nein, da verstehen Sie mich falsch .
Das haben Sie mir gerade erklärt.
Da verstehen Sie mich falsch . Der Stresstest hat die
Aufgabe, festzustellen, wie die Werte angesetzt sind,
({0})
ob sie richtig angesetzt sind . Das ist eine der Voraussetzungen .
({1})
- Na ja, das ist schon eine Voraussetzung dafür; denn
man muss sich entscheiden, wie man dieses Gesetz ausgestaltet .
({2})
Eine Nachfrage der Kollegin Kotting-Uhl .
Frau Staatssekretärin, ich muss mich dem Unverständnis meines Kollegen Krischer anschließen, zumal
Ihr Minister uns das auch anders dargestellt hat . Der Minister sagte ganz klar: Das Nachhaftungsgesetz ist der
erste Schritt, um klarzumachen, dass durch Umstrukturierungen usw. sich Mutterkonzerne nicht der Haftung
entziehen können.
Genau .
Der zweite Schritt ist dann: Wie gestalten wir es, dass
nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler am Ende
zahlen, sondern dass die Rückstellungen tatsächlich da
sind? Also: Stiftung, Bad Bank, öffentlich-rechtlicher
Fonds usw.; es schwirren ja viele Ideen durch die Gegend . Dafür muss der Stresstest gemacht werden . Das
hat also in der Tat mit dem Konzernhaftungsgesetz erst
einmal nichts zu tun .
Bei dem Konzernhaftungsgesetz ist Eile geboten;
denn Eon hat für den 1 . Januar 2016 die Abspaltung von
Uniper angekündigt. Vorher sollte dieses Gesetz greifen . Deshalb wiederhole ich die Frage vom Kollegen
Krischer: Wie sieht der Zeitplan dazu aus? Ist das einzuhalten?
Wir gehen davon aus, dass der Zeitplan eingehalten
werden kann. Wir haben das Gesetz in der Abstimmung,
und wir werden es rechtzeitig, in Kürze ins Kabinett bringen und werden auch in Kürze - „wenige Wochen“ ist „in
Kürze“ - die Ergebnisse des Stresstests haben, und wir
werden im Zusammenhang mit dem Nachhaftungsgesetz
auch über die Besetzung der Kommission entscheiden .
Vielen Dank. - Keine Nachfragen.
Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Hubertus Zdebel
werden schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zur Frage 14 des Kollegen HansChristian Ströbele:
Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass der Exportgrundsatz „Neu für Alt” ({0}) bei Waffenlieferungen tatsächlich angewandt wird, insbesondere vor dem Hintergrund
der aktuellen Berichterstattung, wonach bei Exporten von
G36-Gewehren und Maschinenpistolen der Firma Heckler &
Koch in den Jahren 2006 bis 2008 dieser Grundsatz umgangen
wurde und die Bundesregierung danach trotzdem weitere Ausfuhren von 7 700 G36-Sturmgewehren sowie 3 200 MP5-Maschinenpistolen mit der Begründung genehmigte, trotz fehlender Umsetzung des Grundsatzes NfA sei das besondere
außenpolitische Interesse an der Ausfuhr gerechtfertigt ({1}), und wie stellt sich die Bundesregierung dieser
Verantwortung - als genehmigende Instanz der Waffenexporte
nach Mexiko - mit Blick auf den am 26. September anstehenden Jahrestag des Massakers in Iguala und darauf, dass deutsche G10-Sturmgewehre bei diesem Angriff der Polizei auf
die Studenten benutzt wurden, etwa durch Unterstützung bei
der Aufklärung des Geschehens?
Frau Staatssekretärin.
Der „Neu für Alt“-Grundsatz wurde in dem Zeitraum,
den der Abgeordnete nachfragt, in der Weise umgesetzt,
dass der Antragsteller grundsätzlich aufgefordert wurde,
seine Lieferverträge so auszugestalten, dass die staatlichen Endempfänger sich verpflichten, Kleinwaffen, die
aufgrund von Neulieferungen ausgesondert werden, zu
vernichten . Die Bundesregierung ist fallweise über Waffenvernichtungsaktionen unterrichtet worden.
Wir haben jetzt neue Kleinwaffengrundsätze verabschiedet, wie Sie wissen, am 18 . März 2015 . Da haben wir
den „Neu für Alt“-Grundsatz auf eine neue Grundlage gestellt . Danach muss seit März 2015 der staatliche
Empfänger von kleinen und leichten Waffen grundsätzlich eine Verpflichtungserklärung dahin gehend abgeben,
dass die durch die Neubeschaffung zu ersetzenden kleinen und leichten Waffen vernichtet werden . Sofern diese
Neubeschaffung einen plausiblen Mehrbedarf deckt und
deshalb Altwaffen nicht vernichtet werden, wird ersatzweise grundsätzlich die Verpflichtung gefordert, die jetzt
zu liefernden neuen Waffen bei einer späteren Außerdienststellung zu vernichten . Das ist die Variante „Neu,
Vernichtung bei Aussonderung“ .
Die Bereitschaft zur Abgabe und Einhaltung einer
derartigen Erklärung ist entscheidungserheblich für die
Genehmigung der Ausfuhr . Die Bundesregierung trägt
dafür Sorge, dass die Umsetzung des Exportgrundsatzes
„Neu für Alt“ sowie die Variante „Neu, Vernichtung bei
Aussonderung“ überwacht wird . Dazu führt die Bundesregierung zeitnah eine Abstimmung herbei .
Zu dem anderen Aspekt: Die Bundesregierung unterstützt die Aufklärung der Entführung und anschließenden
Tötung der 43 Studenten im Bundesstaat Guerrero im
Rahmen des mexikanischen Ermittlungsverfahrens. Sie
wird die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft insbesondere mit einem vom Auswärtigen Amt finanzierten
Rechtsstaatsprojekt unterstützen, das unter anderem eine
Forensikkomponente vorsieht.
Herr Ströbele .
Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht, ob ich mich
angesichts der Tragödie, die sich derzeit in Mexiko abspielt, dafür bedanken soll.
Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Grundsatz
„Neu für Alt“, also dass alte Gewehre vernichtet werden, wenn neue geliefert werden sollen, in der Vergangenheit umgangen worden ist? Ist der Bundesregierung
bekannt - vielleicht lesen auch Sie die Bild-Zeitung, zum
Beispiel von heute -, dass das Bundeswirtschaftsministerium, also Ihr Ministerium, darauf hingewirkt haben soll,
das Genehmigungsverlangen der Firma Heckler & Koch
so zu manipulieren, dass erneut über 2 000 G36-Gewehre geliefert werden konnten, obwohl wir wissen, Frau
Staatssekretärin - das ist das Schreckliche daran -, dass
G36-Gewehre bei diesem Massaker - nächsten Samstag
jährt sich dieses furchtbare Ereignis - benutzt worden
sind? Der Mörder soll ein G36-Gewehr aus deutscher
Produktion gehabt haben. Warum liefert die Bundesregierung angesichts dieser Fakten weiter Gewehre in diesen Mörderstaat, in dem hunderttausend Menschen in
diesem Krieg ermordet worden sind? Ist Ihnen das die
2 Millionen Euro wert, die Heckler & Koch daran verdient?
Frau Zypries .
Herr Abgeordneter, Sie vermischen jetzt offenbar die
Zeiten . Die Bundesregierung hat Ende 2010 die Bearbeitung von Ausfuhrgenehmigungsanträgen für Kleinwaffen nach Mexiko ausgesetzt. Seither werden nach Mexiko keine Kleinwaffen mehr genehmigt.
Was den ersten Teil Ihrer Frage anbelangt: Es besteht
eine Verpflichtung, diese Waffen zu vernichten. Fallweise haben Vertreter beispielsweise der deutschen Botschaften solchen Vernichtungsaktionen beigewohnt.
Herr Ströbele .
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen ein Herr Claus W. bekannt - dessen Nachname ist hier nicht voll ausgeschrieben -, der Abteilungsleiter und Ministerialrat bei Ihnen
im Wirtschaftsministerium gewesen sein soll und der ich habe es nicht gesehen, aber so steht es in der Bild-Zeitung - in seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft
ausgesagt haben soll - ich zitiere wörtlich -:
Mit Heckler und Koch haben wir darauf hingewirkt,
dass die Anträge für die kritischen Bundesstaaten
zurückgezogen werden.
Anstelle dieser kritischen Staaten sind unkritische
Staaten eingetragen worden, obwohl alle wissen, dass in
der Vergangenheit die Ausnahmen für bestimmte Staaten
nicht eingehalten worden sind . Ist Ihnen ein solcher Ministerialrat bekannt? Ist Ihnen bekannt, dass er, also ein
Mitglied Ihres Hauses, mit dafür gesorgt haben soll, dass
trotz dieser Umstände G36-Gewehre weiter nach Mexiko
geliefert werden?
Herr Abgeordneter, wir reden von einem Zeitpunkt, an
dem ich noch nicht in diesem Hause gearbeitet habe . Ob
ich diesen Herrn kenne oder nicht, kann ich Ihnen nicht
sagen, weil ich nicht weiß, wer das sein könnte. Es mag
sein, dass ich ihn aus vorhergehenden Tätigkeiten kenne.
Es mag auch sein, dass ich ihn nicht kenne. Diese Frage
kann ich nicht beantworten.
Sie zitieren aus Unterlagen, die offenbar Gegenstand von
Anhörungen der Staatsanwaltschaft sind, wenn ich Sie
richtig verstanden haben . Dieses Zitat haben Sie der Zeitung entnommen. Ich kenne diese Unterlagen nicht im
Original . Ich habe diesen Anhörungen nicht beigewohnt .
Es handelt sich dabei um ein staatsanwaltschaftliches
Ermittlungsverfahren, und die Staatsanwaltschaft wird
ihres Amtes walten .
({0})
Vielen Dank. - Die nächste Nachfrage stellt Herr
Behrens . Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben eben erwähnt, dass die Geschäftsbeziehungen in Form von Lieferungen von Kleinwaffen nach Mexiko Ende 2010 eingestellt wurden. Nun wissen wir aber,
dass doch eine ganze Reihe von neuen G36-Gewehren
nach Mexiko geliefert worden ist. Sie haben den Grundsatz „Neu für Alt“ erwähnt . Können Sie denn, sollte es
diese Lieferung von über 10 000 neuen G36-Gewehren
an Mexiko gegeben haben, konkrete Angaben darüber
machen, wie viele alte Gewehre dafür vernichtet worden
sind?
Frau Zypries .
Herr Abgeordneter, ich habe Ihre Frage nicht richtig
verstanden . Wollen Sie, obwohl ich Ihnen gesagt habe,
dass die Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigung für
Kleinwaffen nach Mexiko Ende 2010 ausgesetzt hat, unterstellen, dass trotzdem Gewehre geliefert wurden? Ist
das die Frage?
Das war die Frage; ja.
Dann kann ich diese Frage nicht beantworten. Dazu
liegen mir keine Erkenntnisse vor.
Die nächste Nachfrage hat die Kollegin Hänsel .
Danke schön, Frau Präsidentin. - Sie haben sich darauf
berufen, dass die Waffenlieferungen im Jahr 2010 eingestellt worden sind. Das Massaker von Ayotzinapa liegt
jetzt ein Jahr zurück; das stimmt. Aber seit Jahrzehnten
haben wir in Mexiko einen blutigen Krieg und seit 2006
einen blutigen Drogenkrieg mit Hunderttausenden Toten.
Die Situation hat sich seit 2006 verschärft . Es herrscht
eine hundertprozentige Straflosigkeit. Und in genau dieser Zeit wurde die Lieferung von Tausenden Gewehren
genehmigt. Das ist doch die Problematik.
Es wurden Tricks angewandt. Man hat die Firmen
nämlich aktiv beraten, wie man trotz des blutigen Bürgerkrieges und der wahnsinnigen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen Waffen liefern kann. Das ist
doch der entscheidende Punkt. Da gab es Mithilfe aus
Ihrem Ministerium. Das wollen wir doch hier aufklären.
Es gab die Idee „Neu für Alt“, und es gab die Idee, nur
bestimmte Bundesstaaten aufzuführen . Das sind doch alles Hilfen .
Meine Rückfrage lautet ganz konkret: Was ist das außenpolitische Interesse der Bundesregierung, trotz dieser
Menschenrechtsverletzungen Waffenlieferungen zu genehmigen?
Frau Zypries .
Frau Abgeordnete, Sie stellen die Sache schon wieder
so dar, als würden wir heute noch Kleinwaffen genehmigen .
({0})
Diese Bundesregierung hat ganz im Gegenteil neue
Grundsätze für die Genehmigung von Kleinwaffen aufgestellt; diese habe ich eben referiert. Wir haben seit 2008
keine Anträge auf G36-Ausfuhren nach Mexiko und seit
2010 auch keine Anträge für den Export von sonstigen
Kleinwaffen mehr genehmigt .
Wenn es Beschuldigungen gibt, dass im Haus oder
aus dem Hause heraus - das hat eben auch der Kollege
Ströbele suggeriert - irgendwelche unzulässigen Dinge,
über die heute in den Medien zu lesen ist, geschehen sind,
dann kann ich Ihnen dazu jetzt und an dieser Stelle nichts
weiter sagen . Wir werden selbstverständlich den heute in
den Medien veröffentlichten Vorwürfen nachgehen; das
versteht sich von selbst. Aber ich kann dazu jetzt nichts
sagen . Wir müssen das erst überprüfen .
Danke, Frau Zypries. - Die nächste Nachfrage hat
Herr Liebich .
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich verstehe, dass es für die heutige Bundesregierung
kompliziert ist, das Agieren der vorherigen Bundesregierung zu bewerten . Es nützt aber nichts . Wir sind hier das
Parlament . Wir stellen hier die Fragen an die Bundesregierung - wer auch immer damals gerade im Amt war .
Das ist auch in Ordnung .
Meine Frage ist folgende: Es gibt Bilder, auf denen
zu sehen ist, dass nicht etwa G36-Gewehre, sondern uralte Kalaschnikow-Gewehre vernichtet und dafür neue
G36-Gewehre geliefert wurden . Kennen Sie diese Bilder? Ist Ihnen das bekannt? Können Sie ausschließen,
dass konfiszierte alte Gewehre der Drogenmafia vernichtet und im Gegenzug neue G36-Gewehre nach Mexiko
geliefert wurden?
Frau Zypries .
Nein, darüber weiß ich nichts. Ich kenne das Bild nicht
und weiß auch sonst nichts über solche Umstände . Aber
wenn Sie wollen, kann ich gerne im Haus nachfragen,
ob jemand etwas darüber weiß, und dann können wir es
gerne schriftlich nachliefern .
Eine weitere Nachfrage hat Frau Buchholz .
Vielen Dank. - Ich beziehe mich jetzt auch auf die
Vergangenheit . Der Kollege Liebich hat ja recht: Wir
müssen uns heute mit dem Fall beschäftigen, und wir
wollen, dass es in Zukunft anders wird.
Hat die Bundesregierung durch die Botschaft - zum
Beispiel durch Besuche vor Ort oder in Augenscheinnahme - kontrollieren lassen, ob in den zu beanstandenden
Bundesstaaten Sicherheitskräfte mit dem G36 ausgerüstet sind?
Frau Zypries .
In welcher Weise die Botschaft vor Ort tätig war, kann
ich nicht sagen . Ich weiß nur, dass im Jahre 2006 Vertreter der Botschaft in Mexiko bei der Vernichtung von
Kleinwaffen dabei waren .
Nachfrage, Kollegin Brugger .
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich beziehe mich einmal auf die heutige Zeit . Die
schreckliche Tragödie in Mexiko ist schon länger bekannt. Am Tag danach wurde klar, dass wahrscheinlich
deutsche G36-Gewehre bei diesem Massaker zum Einsatz gekommen sind.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass sich die Bundesregierung erst heute aufgrund der Presseveröffentlichung
auf den Weg begibt, nachzuforschen, wie es sein kann,
dass deutsche Gewehre in einer Provinz gelandet sind,
in der sie nicht hätten eingesetzt werden dürfen? Es sind
6 Menschen zu Tode gekommen und 43 verschwunden.
Frau Abgeordnete, die Lieferung dieser Gewehre ist
Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens .
({0})
Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, diese Sache aufzuklären. Solange staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren laufen, ist es deren Job, das zu machen .
Nachfrage des Kollegen van Aken.
Frau Zypries, bei aller Wertschätzung, Herr W ., der
hier schon zitiert wurde, arbeitet immer noch bei Ihnen
in der gleichen Position . Es hat sich in Ihrem Ministerium strukturell nichts geändert. Seit fünf Jahren, nicht erst
seit heute, wissen Sie, weiß das ganze Haus Bescheid,
dass bei den Waffenexporten nach Mexiko ganz viel
schiefgelaufen ist . Zu sagen: „Das muss die Staatsanwaltschaft machen, bis dahin machen wir beide Augen
zu; wir kümmern uns nicht darum, gucken nicht, was
strukturell schiefläuft“, geht gar nicht.
Sie haben gerade einiges falsch gesagt . Sie haben beispielsweise behauptet, es gebe eine Verpflichtung der
Mexikaner, die alten Waffen zu vernichten. Das haben
Sie gerade gesagt. Das ist falsch; das wissen Sie selber.
Da haben Sie sich versprochen. Diese Verpflichtung gab
es nie . Es gab schon letzte Woche die Bilder von der angeblichen Vernichtung, und es wurde die Zahl der Waffen
genannt, die vernichtet worden sind . Das sind nämlich
700. Das hätten Sie wissen können, wenn Sie, Ihr Minister oder irgendwer im Ministerium, sich darum gekümmert hätten. 700 wurden vernichtet, 10 097 wurden
geliefert . Was ist das für ein Grundsatz: „Neu für Alt“?
Sie kümmern sich nicht einmal darum.
Jetzt konkret meine Frage: Kennen Sie außer Mexiko
einen einzigen Fall irgendwo auf der Welt, wo „Neu für
Alt“ stattgefunden hat? Ich habe das mehrfach nachgefragt. Ich höre immer nur, dass keine Statistiken geführt
werden . Sie haben gerade gesagt, dass es das fallweise
gab . Nennen Sie mir bitte einen Fall .
Frau Zypries .
Ich kann Ihnen keinen Fall nennen, aber ich kann gerne im Hause nachfragen, ob es solche Fälle gab .
({0})
- Dann frage ich noch einmal, vielleicht kommen wir
dann weiter .
Frau Dröge hat noch eine Nachfrage .
Ganz herzlichen Dank. - Ich komme noch einmal auf
die Frage von Frau Brugger zurück, die Sie eben beantwortet haben . Frau Brugger hatte ja gesagt, dass nach
dem Massaker in Mexiko öffentlich geworden ist, dass
dort G36-Gewehre zum Einsatz gekommen sind. Frau
Brugger hat Sie gefragt: Was haben Sie im Haus intern,
nachdem es öffentlich gemacht worden ist, getan, um
diesen Vorfall aufzuklären? Sie haben nur auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verwiesen . Gehe ich
recht in der Annahme, dass Sie ansonsten nichts im Hause getan haben, um diesen Sachverhalt zusätzlich intern
aufzuklären?
Ich kann Ihnen nicht sagen, was das Haus intern gemacht hat, weil mir darüber keine Erkenntnisse vorliegen . Ich gehe davon aus, dass etwas getan wurde . Wenn
es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt, gehen diese
vor. Das wissen Sie. Wir können nicht anfangen, noch
einmal selber zu ermitteln . Das Haus wird im Zweifel
Umsetzungen vorgenommen haben. Das können wir Ihnen gerne schriftlich nachreichen .
Da ich die Hüterin der Geschäftsordnung bin, muss
ich leider Herrn van Aken und Frau Brugger darauf hinweisen, dass bei der Fragerunde nur eine Nachfrage möglich ist .
Deswegen kommen wir jetzt zur Frage 15 der Kollegin Heike Hänsel:
Weshalb stehen die im Jahr 2008 an Mexiko gelieferten
Gewehre nicht im Rüstungsexportbericht 2008 ({0}), und sind der Bundesregierung in diesem Zusammenhang weitere Waffenlieferungen
bekannt, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
genehmigt wurden und die nicht von den Rüstungsexportberichten der letzten zehn Jahre erfasst wurden?
Die im Jahr 2008 an Mexiko gelieferten Gewehre stehen nicht im Rüstungsexportbericht 2008, weil es sich
um eine Genehmigungserweiterung aus dem Jahre 2008
handelte, die nicht mehr in die statistische Erfassung für
2008 eingeflossen ist. Das war ein fehlerhaftes Handeln
der Behörde, des Bundesamtes . Durch diese fehlerhafte
Erfassung ist das nicht eingeflossen.
Zu der Frage, ob uns weitere entsprechende Waffenlieferungen bekannt sind, kann ich sagen: Nein, uns
sind keine weiteren Waffenlieferungen bekannt, die vom
BAFA genehmigt wurden und die nicht von den Rüstungsexportberichten der letzten zehn Jahre erfasst wurden .
Frau Hänsel .
Da möchte ich schon noch mal nachhaken; denn die
Gewehre tauchen im Bericht für das nächste Jahr auch
nicht auf . Der Fehler führte also nicht nur dazu, dass die
Gewehre nicht mehr im Bericht für das Jahr 2008 vorkamen, sondern sie tauchen überhaupt nicht auf. Ich finde es, ehrlich gesagt, schon sehr bedenklich, wenn eine
Lieferung von über 2 000 Gewehren einfach mal so aus
der Statistik verschwindet. Meine Fragen: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihre Berichte? Wieso ist
Ihnen das eigentlich überhaupt nicht aufgefallen? Warum
braucht es eigentlich immer Journalisten und Zivilgesellschaft, um die Bundesregierung darauf aufmerksam zu
machen, welche Waffen wo landen?
Das ist jetzt falsch . Es geht nur um die Frage der Notifizierung. Es handelt sich um 1 393 Gewehre und nicht
um 2 000 . Diese 1 393 Gewehre sind aufgrund einer verwaltungsmäßig - wie ich persönlich als Verwaltungsjuristin finde - fehlerhaften Bearbeitung auf den Verwaltungsakt von 2007 geschrieben worden, also er ist quasi
ergänzt worden . Dadurch sind die Gewehre ganz aus der
Statistik herausgefallen, weil sie 2008 nicht wahrgenommen wurden und in den Folgejahren natürlich auch nicht;
denn sie waren ja auf dem Bescheid von 2007 notifiziert.
Das ist ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln gewesen .
Das haben wir festgestellt . Es gab eine entsprechende Organisationsänderung. Inzwischen ist klar, dass man Verwaltungsakte dieser Form oder Bescheide dieser Form
nicht weiter ergänzen darf, sondern man immer einen
neuen Bescheid erstellen muss . Seither ist Entsprechendes auch nicht wieder vorgekommen.
Frau Hänsel, die zweite Nachfrage .
Weil Sie gerade selbst bestätigt haben, dass 2007 Waffen, Gewehre, nach Mexiko geliefert wurden und sie
dann im Bericht 2008 nicht auftauchten, sind wir wieder
bei der Frage, die ich vorhin gestellt habe und die sich
darauf bezog, dass bereits 2006 ein blutiger Krieg in Mexiko begonnen hatte - formal gegen die Drogenbanden,
aber verbunden mit massiven Menschenrechtsverletzungen und hundertprozentiger Straflosigkeit. In dieser Zeit
wurden also Gewehre nach Mexiko geliefert. Ich hätte
gerne eine Antwort darauf, wie die Bundesregierung
dazu kommt, in solch einer Situation Lieferungen von
Gewehren an die Polizei, die Bestandteil dieser Menschenrechtsverletzungen ist, zu genehmigen .
Frau Zypries .
Das Verfahren läuft so, dass solche Genehmigungen
vom Bundessicherheitsrat erteilt werden; der Bundessicherheitsrat entscheidet darüber . Die Verhandlungen des
Bundessicherheitsrates sind nicht öffentlich . Was den
damaligen Bundessicherheitsrat dazu bewogen hat, kann
ich Ihnen also nicht sagen .
Herr Kollege van Aken, Ihre Nachfrage.
Ich glaube, in diesem Fall war es nicht der Bundessicherheitsrat, sondern der vorbereitende Ausschuss; aber
das ist jetzt mal egal . - Ich habe zu diesem Export nach
Mexiko noch eine Frage. Es scheint ja so zu sein, dass
man, wenn man Gewehre irgendwohin liefert, zusätzlich
Ersatzteile im Umfang von 10 Prozent des Exportwertes
liefern darf . Das scheint die Standardregelung zu sein .
Jetzt sind in der letzten Woche Dokumente veröffentlicht
worden, die den Vorwurf belegen - den Vorwurf gibt
es nicht erst seit heute, er ist schon ein bisschen älter;
Sie hätten das im Ministerium also schon mal verfolgen
können -, dass auf einmal die 10-Prozent-Regelung für
Heckler & Koch auf 30 Prozent ausgeweitet worden ist.
Meine Fragen an Sie: Stimmt das? Wissen Sie davon?
Gilt die 30-Prozent-Regelung immer noch, und gilt sie
für Heckler & Koch nicht nur für Mexiko, sondern auch
für andere Länder?
Ich weiß nicht, ob das stimmt . Ich weiß nur - das
haben mir meine Mitarbeiter in der Vorbesprechung zu
dieser Fragestunde mitgeteilt -, dass im Hause derzeit
entsprechende Überprüfungen vorgenommen werden .
Danke schön. - Nächste Nachfrage, Kollegin
Agnieszka Brugger.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, im Zuge der Genehmigungen der Lieferungen der
G36-Gewehre nach Mexiko hat man bestimmte Provinzen, in denen die Menschenrechtslage noch schlimmer
war als im Rest des Landes, von den Lieferungen explizit
ausgeschlossen . Aber dort sind die Waffen anschließend
aufgetaucht . Ist ein solcher Ausschluss also überhaupt
möglich? Wie kontrolliert die Bundesregierung einen
solchen Ausschluss? Haben Sie die verlässliche Zusage
von mexikanischer Seite gehabt, dass diese Provinzen
nicht mit G36-Gewehren beliefert werden? Wie wollen
Sie in Zukunft solche Lieferungen kontrollieren? Ist es
überhaupt ein praktikabler Weg, den Verantwortlichen
eines Landes zu sagen: „Diese Stadt und diese Provinz
bitte nicht mit den von uns gesendeten Gewehren beliefern“?
Frau Zypries .
Normalerweise ist es so, Frau Abgeordnete, dass es
einen Adressaten gibt, also beispielsweise das Innenministerium eines Landes; das kann auch das Innenministerium eines Teilstaates sein . Wenn Sie unser föderalistisches System als Beispiel nehmen, dann könnte das
auch der Innenminister von Nordrhein-Westfalen sein;
das wäre theoretisch denkbar. Die Personen, an die geliefert wird, müssen dann dafür sorgen, dass der richtige
Adres sat die Waffen auch behält . Die Behauptung, die
seit kurzem in den Medien kursiert, dass angeblich geraten wurde, vier Provinzen nicht zu beliefern, wird derzeit
im Hause überprüft .
Danke schön. - Nächste Nachfrage, Kollege Ströbele.
Frau Staatssekretärin, Sie berufen sich immer auf das
laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das inzwischen fünfeinhalb Jahre andauert . Wenn das noch ein
paar Jahre andauert - man weiß ja nicht, wie das ausgeht -, heißt das dann, dass die Bundesregierung über die
Geschäfte so lange keine Auskünfte gibt mit Rücksicht
auf das laufende Strafverfahren? Oder ist die Bundesregierung bereit, auf die mehrfach gestellten Fragen endlich Auskünfte zu geben? Die Frage ist doch: Wenn die
Bundesregierung die Bedingungen stellt, zum Beispiel,
dass in bestimmte Staaten nicht geliefert werden soll,
wie garantiert dann die Bundesregierung, dass diese Bedingungen auch eingehalten werden? Wir wissen: Wenn
die USA solche Bestimmungen vertraglich vereinbaren,
dann wird die Einhaltung vor Ort in den Ländern kontrolliert . Die Bundesregierung tut das nicht .
Ich war selber in Mexiko und habe mich dort erkundigt. Die dortige Regierung hat erklärt, ihr seien solche
Bedingungen überhaupt nicht bekannt gewesen. Dann
kann sie natürlich auch nicht verhindern, dass diese Gewehre in bestimmte Staaten geliefert werden, in die sie
gar nicht geliefert werden sollten .
Frau Zypries .
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass die jetzige Bundesregierung mit einem entsprechenden Regelwerk die
Bedingungen weiter verschärft hat . Das eine sind die
auf Initiative von Bundesminister Gabriel beschlossenen
Kleinwaffengrundsätze, von denen eben schon die Rede
war. Mit diesen neuen Kleinwaffengrundsätzen können
wir über die früher schon übliche Reexportklausel hinaus die ausdrückliche Zusage der Einhaltung der Endverbleibserklärung einfordern,
({0})
und zwar derart, dass die genehmigten Waffen, wenn
nicht eine erneute Zustimmung der Bundesregierung
vorliegt, weder an andere Länder noch innerhalb des
Empfängerlandes an andere als die genehmigten Empfänger weitergegeben werden dürfen .
Das andere ist die sogenannte Post-Shipment-Kontrolle, die auch auf Initiative von Bundesminister Gabriel im
August 2015 beschlossen wurde . Mithilfe dieser Kontrollen können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib
der Waffen machen, vor Ort überprüft werden . Dadurch
können wir sicherstellen, dass die exportierten Waffen
am angegebenen Bestimmungsort ankommen und auch
verbleiben .
Vielen Dank. - Jetzt habe ich noch eine Nachfrage von
Frau Buchholz .
Vielen Dank. - Aus anderen Zusammenhängen wissen
wir, dass Heckler & Koch keine allzu schlechten Verbindungen zum Beispiel ins Verteidigungsministerium hat .
Ich habe daher eine Frage an Sie: Gibt es zum Beispiel
die Praxis, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Ministerium, die mit der Genehmigung von Rüstungsexporten betraut sind, regelmäßig auf andere Posten versetzt werden, damit Korruption vorgebeugt wird?
Gibt es so eine Praxis?
Die jetzige Leitung des Bundesministeriums legt Wert
darauf, dass genau so eine regelmäßige Umsetzung von
Referatsleitern, die mit solchen Themen befasst sind das bezieht sich jetzt nicht nur auf Kleinwaffenexporte,
sondern auch auf zahlreiche andere Gebiete -, stattfindet.
Ja, wir haben mit dieser Praxis begonnen .
({0})
Vielen Dank. - Eine Nachfrage von Frau Dröge.
Vielen Dank. - Sie haben ja gerade in der Antwort auf
die Frage von Herrn Ströbele auf die neuen Grundsätze
zur Endverbleibskontrolle hingewiesen. Ich habe Ihnen
ja auch heute Morgen schon im Ausschuss die Frage
gestellt, wie verbindlich denn so eine Endverbleibskontrolle funktionieren kann; denn Sie haben auf die Kleine
Anfrage meiner Kollegin Agnieszka Brugger geantwortet, dass so eine Endverbleibskontrolle im Endeffekt im
Goodwill des Empfängerlandes liegt . Wenn das nicht
zustimmt, dann wird eine Endverbleibskontrolle nicht
funktionieren. - Heute Morgen haben Sie mir gesagt,
es ist völkerrechtlich nicht anders möglich. Das ist dann
aber ein Problem, wenn Sie auf der anderen Seite gerade diese Endverbleibskontrolle als positive Neuerung so
nach vorne stellen . Deswegen einfach noch einmal die
Frage an Sie: Wie können Sie diese Endverbleibskontrolle wirklich durchsetzen?
Frau Zypries .
Ich habe es Ihnen ja eben gerade schon gesagt in der
Antwort auf die Frage von Herrn Ströbele . Zum einen
gibt es Verpflichtungserklärungen, die abgegeben werden müssen . Zum anderen ist es durch diese Post-Shipment-Kontrolle auch möglich, im Land tatsächlich zu
kontrollieren, ob die Waffen da sind, wo sie hinsollen.
Aber Sie wissen ja auch, wie die Welt ist. Wir können
jetzt nicht jemanden danebenstellen, der das dann die
ganze Zeit fortlaufend kontrolliert.
({0})
So, jetzt habe ich noch eine Nachfrage von Matthias
W. Birkwald.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir haben jetzt
zahlreiche Antwortversuche der Staatssekretärin gehört.
Wir sind mit den Antworten nicht zufrieden . Die Fragen
wurden aus unserer Sicht nicht hinreichend beantwortet .
Deswegen beantragen wir, jetzt eine Aktuelle Stunde zum
Thema „Rüstungsexporte nach Mexiko“ durchzuführen.
({0})
Ein Blick in die Geschäftsordnung: Die Fraktion hat
jetzt zur Antwort der Bundesregierung auf die Frage 15
eine Aktuelle Stunde verlangt. Die Bedingungen dafür
sind gegeben . Das entspricht der Nummer 1 b Anlage 5
der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aktuelle
Stunde findet im Anschluss an die Fragestunde, also um
15 .35 Uhr, statt .
({0})
Dann machen wir jetzt ganz regulär weiter und kommen zur Frage 16 der Abgeordneten Heike Hänsel:
Wird die Bundesregierung angesichts des Krieges und der
katastrophalen Lage für die Menschen im Jemen, wo bereits
80 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig sind und Saudi-Arabien weiterhin Hilfstransporte blockiert, die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und seine Bündnispartner Katar
und die Vereinigten Arabischen Emirate einstellen ({1})?
Frau Zypries .
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung beobachtet die Situation im Jemen mit Sorge und hat die Konfliktparteien wiederholt zu einer humanitären Feuerpause
sowie zur schnellstmöglichen Rückkehr zu Verhandlungen unter der VN-Ägide aufgerufen .
Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall
und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger
Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen . Grundlage hierfür sind die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus
dem Jahr 2000, der Gemeinsame Standpunkt des Rates
der Europäischen Union vom 8 . Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr
von Militärtechnologie und Militärgütern sowie der Vertrag über den Waffenhandel vom 2. April 2013. Aktuelle
Entwicklungen in den jeweiligen Ländern werden in die
Entscheidungsfindung selbstverständlich immer einbezogen. Für jeden Einzelfall findet eine differenzierte und
sorgfältige Einzelfallprüfung statt, insbesondere unter
außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten.
Vielen Dank, Frau Zypries. - Heike Hänsel.
Danke schön. - Frau Staatssekretärin, das war jetzt
aber keine Antwort. Es geht um eine Einzelfallprüfung.
Ich habe konkret gefragt, ob angesichts dieses Krieges,
ob angesichts der Bombardierungen im Jemen, die von
Saudi-Arabien bzw . den Golfstaaten durchgeführt werden, und der katastrophalen Situation der Bevölkerung
im Jemen, ob in diesem Einzelfall - Saudi-Arabien führt
Krieg - weiterhin Waffen an Saudi-Arabien geliefert
werden . Darum geht es jetzt .
Frau Zypries .
Frau Abgeordnete, ich habe Ihnen gesagt, dass die
Bundesregierung alles Mögliche unternimmt, um die
Rückkehr zu Verhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen möglichst schnell hinzubekommen.
Wir glauben, dass Saudi-Arabien mit seiner gewichtigen Stimme in der Arabischen Liga und im Golfkooperationsrat eine Schlüsselrolle für die Sicherheit der von
Krisen geprägten Region einnimmt . Mehr ist dem nicht
hinzuzufügen .
Frau Hänsel .
Das ist ja sehr aufschlussreich. Das heißt, ein kriegführender Staat wird weiterhin beliefert, weil er vielleicht eine Friedensrolle einnehmen könnte. Das ist eine
sehr interessante Argumentation der Bundesregierung .
Ich möchte zur Endverbleibskontrolle kommen. Sie
haben vorhin angekündigt, dass man mehr verbindliche Erklärungen einfordern will, bezogen auf das, was
mit den Waffen passiert . Aber das ist doch das generelle
Problem: Sie lassen sich alle möglichen Papiere unterschreiben. Die Endverbleibskontrollen bestehen aus Erklärungen, wo die Waffen hingehen oder auch nicht und
wofür sie eingesetzt werden oder auch nicht . Aber die
Waffen werden trotzdem zweckentfremdet eingesetzt.
Saudi-Arabien hat im Zusammenhang mit der Lizenzproduktion von Heckler-&-Koch-Gewehren unterschrieben,
dass sie nur im eigenen Land eingesetzt werden, und jetzt
werden sie im Jemen im Kampf gegen die Huthi-Rebellen eingesetzt . Was ist denn da mit Ihrer Kontrolle, und
wo bleiben die Konsequenzen? Diese Waffen werden
jetzt in diesem Krieg eingesetzt, obwohl sie von der Bundesregierung dafür nicht vorgesehen sind .
Frau Zypries .
Frau Abgeordnete, ich hatte schon mehrfach darauf
hingewiesen, dass wir auf Basis der neuen Grundsätze
für Kleinwaffenexporte, die wir im Mai 2015 veröffentlicht haben, und der Post-Shipment-Kontrolle, die im Juli
2015 beschlossen wurde, deutlich schärfere Kontrollen
durchführen können und das auch tun. Ich würde Sie bitten, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen .
Herr Kollege van Aken.
Jetzt mal Butter bei die Fische! Die allgemeinen Regeln haben Sie verlesen; die kennen wir alle. Seit drei
Monaten führt Saudi-Arabien Krieg, seit kurzem auch
VAE und Katar . Diese Länder stellen regelmäßig Anträge
auf Export von deutschen Kriegswaffen . Jetzt frage ich
Sie ganz konkret: Wurde seit Beginn der Kriegshandlungen im Jemen, seit dem Einmarsch der Golfkooperationsrattruppen in den Jemen auch nur ein einziger Antrag
auf Export von Kriegswaffen aus Deutschland in diese
Länder abgelehnt oder nicht?
Die Antwort kann ich Ihnen hier nicht geben, die müssen wir Ihnen schriftlich nachreichen .
({0})
Ich brauche hier, glaube ich, keine Auskunft über abgelehnte Anträge zu geben, wenn ich das richtig weiß .
({1})
Herr Ströbele .
Frau Staatssekretärin, was sind eigentlich Waffenexportrichtlinien wert, wenn darin steht, dass in Krisengebiete keine Kriegswaffen geliefert werden sollen? Krisengebiete - dort muss nicht einmal Krieg herrschen .
Und nun haben wir ein Land, das aktiv Krieg führt, und
zwar ganz erheblich mit Waffen, die aus Deutschland geliefert worden sind, mit Fuchs-Panzern und Kleinwaffen
aus Deutschland . Die sollen ja sogar eine eigene G36-Fabrik haben, die aus Deutschland geliefert wurde. Führt
sich die angeblich andere, alternative Rüstungsexportpolitik nicht selbst ad absurdum, wenn man selbst in so
einer Situation, in der aktiv Krieg geführt wird - das ist
ein Krieg, der auch unendlich vielen Zivilisten das Leben
kostet, nicht nur Kämpfern, sondern auch Zivilisten -,
einfach so weitermacht, ohne zu sagen: „Hört mal, so
haben wir uns das eigentlich nicht gedacht; es war nicht
geplant, dass ihr die Waffen anwendet, es sei denn, ihr
werdet selbst überfallen“? Und es kann ja keine Rede davon sein, dass der Jemen Saudi-Arabien bedroht .
Frau Zypries .
Herr Ströbele, welche Bewertungen Sie aus dem Verhalten und den Aktionen der Bundesregierung ziehen,
ist Ihnen überlassen . Ich möchte nur noch einmal darauf
hinweisen, dass sich die Position der Bundesregierung
geändert hat, dass die Kontrollen der Waffenlieferungen
deutlich verschärft worden sind .
Ich würde gerne aus der Rede des Bundesministers
am 10 . September hier im Deutschen Bundestag zitieren .
Der Minister hat eindeutig gesagt:
Die Große Koalition ist weit restriktiver als alle Vorgängerregierungen …, und wir haben keine Kampfpanzer für Regionen genehmigt, in denen Krieg
herrscht und aus denen die Leute fliehen.
Er sagte weiter: Entscheidend ist: Wir dürfen nicht mit
deutschen Waffen Bürgerkriege anheizen. Wir müssen
helfen, ein erträgliches Leben dort zu ermöglichen, wo
heute Krieg und Verwüstung herrschen .
Und wörtlich:
Statt Waffen brauchen wir einen neuen Nord-Süd-Dialog . Das fängt damit an, mehr Mittel für internationale Hilfsorganisationen zur Verfügung zu stellen .
Gerade diesen letzten Aspekt, mehr Hilfe für die Helfer, die Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon oder im
Irak versorgen, hat der Minister auf seiner Reise nach
Jordanien gestern nochmals betont .
Frau Buchholz .
Das sind ja alles schöne Worte, aber ich frage mich,
wie es vor Ort wirklich aussieht. Gerade gestern hat ein
Luftbombardement 20 Zivilisten in Sanaa das Leben gekostet, darunter Ärzte und andere, die in zivilen Häusern
getroffen worden sind. Auch die Aushungerungspolitik
Saudi-Arabiens gegenüber dem Jemen wird ja in erster
Linie nicht mit Leopard-Kampfpanzern durchgeführt,
sondern durch eine Seeblockade. Nun ist es so, dass eine
Lieferung von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien
genehmigt wurde . Ich würde gerne wissen, ob diese Patrouillenboote jetzt tatsächlich ausgeliefert wurden und
ob sie von Saudi-Arabien im Rahmen der Seeblockade
eingesetzt werden. Das wäre doch ein sehr direktes Indiz dafür, dass sie massiv mit dazu beitragen, dass Saudi-Arabien diesen Krieg und diese Seeblockade durchführen kann.
Frau Zypries .
Die Frage, Frau Abgeordnete, müssen wir Ihnen
schriftlich beantworten .
Ich sehe keine weiteren Nachfragen zu dieser Frage.
Dann kommen wir jetzt zur Frage 17 der Kollegin
Dröge:
Kann die Bundesregierung erläutern, wie sie aufgrund von
Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2 des Entwurfes zum Freihandelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union
({0}) und Kanada zu der Auffassung kommt, dass der CETA-Hauptausschuss nur Empfehlungen aussprechen und nicht
Entscheidungen treffen kann, angesichts der Tatsache, dass in
Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 des CETA-Entwurfes von
Entscheidungen ({1}) gesprochen wird, und angesichts der Tatsache,
dass in Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 3 des CETA-Entwurfes
explizit zwischen Empfehlungen ({2}) und Entscheidungen ({3}) unterschieden wird?
Frau Zypries .
Frau Abgeordnete, die Passage, die Sie in Ihrer Frage
zitieren, ist in dem CETA-Text enthalten, der am 26 . September letzten Jahres veröffentlicht wurde . Das war nicht
der endgültige Text des Abkommens, sondern ein Entwurf . Die Kommission der Europäischen Union führt
derzeit eine Rechtsförmlichkeitsprüfung durch und prüft
den umfänglichen Text, um etwaige missverständliche
oder inkonsistente Formulierungen zu beseitigen.
In Bezug auf die Änderungen von Annexen und Anhängen bestimmt der Entwurf des CETA-Abkommens
in den Schlussbestimmungen in Kapitel 34 Artikel X.02
Absatz 2, dass Entscheidungen des CETA-Hauptausschusses erst dann verbindlich werden, sofern die Vertragsparteien nach ihren jeweiligen internen Vorschriften
und Verfahren, also nach den nationalstaatlichen, zugestimmt haben . Eine entsprechende Regelung speziell für
das Kapitel zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen
enthält Kapitel 7 Artikel 15 Absatz 2 d. Damit wird sichergestellt, dass der CETA-Hauptausschuss insoweit
keine bindenden Entscheidungen aussprechen kann, sondern eben nur Empfehlungen .
Nach Kenntnis der Bundesregierung wird die von Ihnen zitierte möglicherweise missverständliche Passage
zu den allgemeinen institutionellen Bestimmungen in
Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 im Rahmen der Rechtsförmlichkeitsprüfung noch angepasst werden.
Frau Dröge .
Sehr geehrte Frau Zypries, vielen Dank für Ihre Antwort . - Jetzt muss ich noch einmal nachfragen: Ist die
Textstelle im Vertrag schon geändert, oder ist weiterhin
das, was ich zitiert habe, Gegenstand des Vertragsentwurfes und noch nicht geändert? Ich muss mich ja in
meinen Fragen auf das stützen, was veröffentlicht wurde .
Sie haben mir in der Antwort auf meine schriftliche Frage gesagt: Das trifft nicht zu . - Ich weiß nicht, was im
Rahmen der Rechtsförmlichkeitsprüfung vielleicht noch
geändert werden soll, da ich keine Informationen darüber
habe .
Deswegen sage ich Ihnen ja, dass nach unserer Kenntnis
diese Passage zu den institutionellen Bestimmungen in
Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 noch angepasst werden wird. Der Text, aus dem Sie zitieren, befindet sich
im Moment in der rechtsförmlichen Überprüfung durch
die Kommission . Das heißt, er liegt noch nicht in einer
geänderten Fassung endgültig vor . Was es im Moment
gibt, ist die alte Fassung. Aber diese befindet sich in der
Überprüfung .
Frau Dröge .
Vielen Dank. - Da ich ja jetzt noch keine Sicherheit
habe, dass das am Ende so kommen wird, muss ich noch
einmal fragen, ob das, was jetzt in dem Vertragstext, der
veröffentlicht wurde, drinsteht, dem entspricht, was ich
in meiner schriftlichen Frage angenommen habe, dass
nämlich bislang der Hauptausschuss auf Grundlage des
Entwurfes, der am 26 . September letzten Jahres veröffentlicht wurde, verbindliche Entscheidungen treffen
kann.
Das ist insofern nicht richtig, als dieser Text ja in der
Überarbeitung befindlich ist.
({0})
Der Text gilt ja noch nicht; das ist ja kein gültiges Abkommen.
({1})
- Diese Regelung im Entwurf wird im Moment einer
rechtsförmlichen Prüfung unterzogen .
Dann hat die Kollegin Haßelmann eine Nachfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin
Zypries, ich will an das anknüpfen, was meine Kollegin
Katharina Dröge gerade gefragt hat; auf meine Frage
nach dem CETA-Text und dem Vertragsentwurf haben
Sie mir ja dankenswerterweise genau das Gleiche geantwortet .
Die Frage der beiden Abgeordneten Dröge und
Haßelmann war ganz klar. Sie bezog sich auf den Vertragsentwurf, der vorliegt . In diesem Vertragsentwurf ist
das, was Frau Dröge gerade beschrieben hat, enthalten .
Deshalb irritiert uns Ihre Antwort, in der Sie uns sagen,
der Hauptausschuss habe keinerlei Befugnis, völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen . Bisher
ist im Vertragsentwurf vorgesehen, dass der Hauptausschuss dies tun kann. Sollten Sie das jetzt anders sehen,
dann bitte ich Sie, unsere schriftlichen Fragen noch einmal - und zwar anders - zu beantworten, da möglicherweise nachzusteuern oder etwas zu korrigieren.
Sie haben gerade darauf Bezug genommen, dass die
internen Vorschriften und Verfahren der EU eine Einbindung des Europäischen Parlamentes vorsehen . Das ist
aber definitiv nicht zwingend der Fall.
Frau Zypries, bitte .
Das ist, glaube ich, ein Missverständnis . Ich habe Ihnen eben gesagt, dass in Bezug auf die Änderungen von
Annexen und Anhängen der Entwurf des CETA-Abkommens in den Schlussbestimmungen vorsieht, dass
Entscheidungen des CETA-Hauptausschusses erst dann
verbindlich werden, wenn die Vertragsparteien nach ihren jeweiligen internen Vorschriften und Verfahren zugestimmt haben .
Keine weitere Nachfrage .
Dann kommen wir zur Frage 18 von Frau Dröge:
Ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung zwingend ein
Ratifikationserfordernis an das Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2 des CETA-Entwurfes?
Frau Zypries .
Die Frage 18 beantworte ich wie folgt: Aus Kapitel 34
Artikel X.02 des Entwurfs ergibt sich, dass Vorschläge
des CETA-Hauptausschusses der Zustimmung der Vertragsparteien im Einklang mit ihren jeweiligen anwendbaren internen Vorschriften und Verfahren bedürfen . Das ist dasselbe wie das, was wir eben schon einmal
hatten .
Frau Dröge .
Frau Zypries, dass Sie das ständig wiederholen, macht
es nicht besser . Was wir gefragt haben, ist, ob das Europäische Parlament in die Entscheidungen zwingend
eingebunden werden muss . Sie verweisen immer wieder
auf die internen Verfahren und Vorschriften der Europäischen Union . Diese müssen Sie aber interpretieren und
mir dann sagen, ob aus diesen Verfahren ableitbar ist,
dass das Europäische Parlament zwingend einbezogen
werden muss, oder ob Sie das nicht sicher sagen können.
Wenn Sie immer wieder auf die Verfahren verweisen,
frage ich mich: Kennen Sie denn die Verfahren?
Artikel 218 Absatz 10 des Lissabonner Vertrages sieht
vor, dass das Europäische Parlament umfassend und
unverzüglich in allen Phasen des Verfahrens informiert
werden muss .
Frau Dröge .
Noch eine Nachfrage . Sie haben gesagt: „in allen
Phasen des Verfahrens“ . Wir haben es ja mit sogenannten Living Agreements zu tun, und wir fragen nach der
Einbeziehung des Parlaments nach Abschluss, also nach
Ratifizierung, des Abkommens. Meine Frage ist: Können
Sie ausschließen, dass die Kommission nach Artikel 218
Absatz 7 des Lissabonner Vertrages ermächtigt wird,
den Entscheidungen des Gremiums nach Kapitel 34
Artikel X.02 Absatz 2 zum CETA-Entwurf - Änderung
der Anlagen und Protokolle sowie Anmerkungen - ohne
Zustimmung des Europaparlaments völkerrechtlich verbindlich zuzustimmen?
Können Sie ausschließen, dass dieser Artikel nach der
Ratifizierung des CETA-Abkommens zur Anwendung
kommt, oder können Sie es nicht? Es geht hier um unsere
demokratischen Rechte - in diesem Falle um die des Europaparlamentes und im Falle eines gemischten Abkommens auch um die des Deutschen Bundestages . Es ist ja
keine Trivialität, ob die Parlamente nach dem Abschluss
eines Vertrages noch einbezogen werden oder nicht . Das
muss mir die Bundesregierung doch sicher beantworten
können.
Frau Dröge, ich habe bei der Beantwortung Ihrer anderen Frage eben ja schon gesagt, dass wir noch keinen
endgültigen Vertragstext vorliegen haben, weil der ausgehandelte Vertragstext jetzt sprachlich und juristisch umfangreich überprüft wird . Wie soll ich etwas ausschließen
können, solange dieser Text nicht endgültig vorliegt?
({0})
Keine weitere Nachfrage. - Ich danke Frau Zypries.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes . Ich begrüße Staatsminister Michael
Roth .
Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Omid
Nouripour, die Frage 21 der Abgeordneten Dr. Franziska
Brantner und die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten
Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Volker Beck
auf:
Wie stellt die Bundesregierung jederzeitige und uneingeschränkte Inspektionen undeklarierten nuklearen Materials
oder von Aktivitäten im Widerspruch zu JCPOA ({0}) durch die P5+1-Staaten bzw . die
International Atomic Energy Agency ({1}) vor dem Hintergrund der Frist von 24 Tagen in den Vertragspunkten 74 bis 78
des JCPOA und Presseberichten, die von einer Überschreitung
der 24-Tage-Frist ausgehen ({2}), sicher, und worauf bezieht sich die Berichterstattung
über angebliche Zusatzverträge ({3}) im Einzelnen?
Diese Frage wird mündlich beantwortet .
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. Herr Abgeordneter
Beck, Ihre Frage bezieht sich auf den sogenannten gemeinsamen umfassenden Aktionsplan. Wir nennen ihn
auch kurz „Iran-Deal“.
In diesem sogenannten Iran-Deal verpflichtet sich der
Iran zur Anwendung des Zusatzprotokolls der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO . Dieses Zusatzprotokoll räumt der IAEO weitreichende und sehr kurzfristige Zugangsrechte ein. In der Regel können binnen
24 Stunden Nuklearanlagen oder andere entsprechende
Orte im Iran von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
IAEO aufgesucht werden . Dadurch wird gewährleistet,
dass ein etwaiger Verdacht auf undeklariertes Nuklearmaterial umgehend geklärt werden kann. Dies gilt - das
will ich noch einmal unterstreichen - an jedem beliebigen Ort des Iran .
Für die Durchführung der IAEO-Inspektionen gibt es
eine Vereinbarung zwischen der IAEO und dem Iran über
die genauen Modalitäten und Inhalte der Arbeit zwischen
dem Iran und der IAEO bzw. entsprechende Zusatzdokumente . Diese sind vertraulich . Das gilt generell, also für
alle Inspektionstätigkeiten der IAEO in allen Ländern im Übrigen auch in Deutschland . Dabei geht es um detaillierte Fragen, die auch die Anlagen selber betreffen .
Das ist also nichts Iran-Spezifisches. Darauf möchte ich
noch einmal hinweisen .
Einige Verpflichtungen aus dem gemeinsamen umfassenden Aktionsplan gehen aber über den anerkannten internationalen Standard des Zusatzprotokolls deutlich hinaus . Der Iran unterliegt insoweit präzedenzlosen
Transparenzmaßnahmen, zum Beispiel für die Kontrolle
von Zentrifugenbestandteilen oder Rohmaterialien für
die Anreicherung . Für diese zusätzlichen Maßnahmen
wurde ein weiterer Zugangsmechanismus geschaffen,
der eine Verifikation binnen 24 Tagen sicherstellt. Dieses
Transparenzverfahren gibt es für kein anderes Land der
Welt, sondern ausschließlich für den Iran .
Vielen Dank, Herr Roth. - Volker Beck.
Vielen Dank, Herr Roth. - Wenn ich mir die Ziffer 78
des Joint Comprehensive Plan of Action anschaue, dann
bin ich mir nicht sicher, ob das so stimmen kann. Die
24 Tage ergeben sich rechnerisch ja aus dem Dreischritt
von 14 Tagen, einer Woche und drei Tagen .
Es geht hier um nichtdeklariertes nukleares Material,
um undeclared nuclear materials or activities or activities inconsistent with the Joint Comprehensive Plan of
Action. - Die Abkürzung kann ich vielleicht auch noch
radebrechen .
Vielleicht sagen Sie es auf Deutsch .
Gemeint ist also der gemeinsame umfassende Aktionsplan . Dafür gilt die 24-Tage-Frist . Eine Verletzung
der Bestimmungen dieses Vertragstextes löst eine 24-Tage-Frist - sie ist das Maximum - aus. Wie können Sie
dann sagen, dass jederzeit binnen 24 Stunden überall
Überprüfungen vorgenommen werden können? Und wie
stehen Sie zu Berichten darüber, dass es dem Iran - einfach bedingt durch die 24-Tage-Frist - möglich ist, in
entsprechenden Forschungseinrichtungen und dergleichen etwas zu beseitigen?
Danke, Herr Beck. - Herr Roth, bitte
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Abgeordneter
Beck, der Text in der englischen Version ist zugegebenermaßen in der Tat ausgesprochen kompliziert. Ich vermute aber, dass er in der deutschen Übersetzung ähnlich
kompliziert sein wird.
Ich möchte gerne noch einmal - bezugnehmend auf
Ihre Frage - den Zusammenhang zwischen diesen angeblichen Zusatzverträgen und der 24-Tage-Frist herstellen,
damit noch einmal deutlich herausgearbeitet wird, was
der Unterschied zwischen der 24-Stunden-Frist und der
24-Tage-Frist ist .
Der Iran ist in zweifacher Hinsicht gefordert . Erstens
muss er in Zukunft die Verpflichtungen des gemeinsamen umfassenden Aktionsplans umsetzen. Der Iran muss
zweitens seine sogenannte nukleare Vergangenheit glaubwürdig aufarbeiten . Diese glaubwürdige Aufarbeitung
der nuklearen Vergangenheit des Irans durch die IAEO
ist Voraussetzung für das Inkrafttreten des gemeinsamen
umfassenden Aktionsplans. Dafür ist eine entsprechende
Roadmap erarbeitet worden . Die genauen Modalitäten
bzw. etwaige Zusatzdokumente sowie die Inhalte dieser
Arbeit zwischen dem Iran und der IAEO sind vertraulich .
Das ist - ich habe es schon ausgeführt - bei Inspektionstätigkeiten der IAEO üblich und entspricht den internationalen Standards, ist also keine Besonderheit.
Vielen Dank, Herr Roth. Wir haben gerade ein bisschen Chaos in Bezug auf die Zeit . Das wird aber gleich
bei der Nachfrage von Volker Beck wieder richtig eingerichtet. - Volker Beck, bitte.
Tut mir jetzt leid, aber dafür kann ich ausnahmsweise
nichts . Oder?
Dafür haben Sie auch länger geredet .
Herr Roth, aus Ihren Ausführungen ist nicht klar geworden: Was ist der Gegenstand, der mit der 24-Stunden-Frist bezeichnet ist? Im Vertragstext steht unter Ziffer 78: jede Verletzung dieser Vertragsvereinbarung und
jedes Auffinden von nicht vorher der IAEO angezeigten
nuklearen Materials. - Das scheint mir also schon der Regeltatbestand in diesem Vertragstext zu sein . Wenn sich
der Iran nicht in Übereinstimmung mit seinen Zusagen
verhält, hat er diese 24-Tage-Frist . Die Befürchtung besteht nämlich darin, dass er in 24 Tagen etwas beseitigen
bzw. woandershin schaffen kann, sodass es die IAEO,
wenn sie endlich zur Kontrolle kommen darf, nicht mehr
auffindet, obwohl es vorher da war.
Ich denke, dieser Vertrag kann wirklich zur Sicherheit
in der Region beitragen . Das hängt aber davon ab, ob wir
denen wirklich bei jedem Vorgang auf die Schliche kommen, mit dem sie versuchen, sich im Hintergrund doch an
der weiteren atomaren Bewaffnung zu versuchen . Deshalb ist es schon wichtig, dass Sie das aufklären.
Danke, Herr Beck. - Herr Roth, eine Minute.
Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich einfach noch einmal ein paar konkrete Beispiele benenne, bei denen die
Verabredung mit dem Iran über das Zusatzprotokoll mit
den üblichen Verpflichtungen hinausgeht. Dabei geht es
insbesondere um die Überwachung der Zentrifugenproduktion bzw. den Ausschluss von kernwaffenrelevanter
Forschung und Entwicklung, wofür die ausschließlich
zivile Anwendung von Dual-Use-Technologien sichergestellt sein muss .
Die Entscheidung über ein Zugangsgesuch der IAEO
trifft eine gemeinsame Kommission, in der sowohl die
Staaten, die den Deal ausgehandelt haben, vertreten sind,
aber auch der Iran . Hier haben die westlichen Staaten
eine entsprechende Mehrheit und können den Zugang
binnen 24 Tagen einfordern . Das relativiert aber überhaupt nicht das, was ich in . meiner Eingangsantwort zu
der 24-Stunden-Frist erklärt habe.
Vielen Dank, Herr Kollege Roth.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Günter Krings.
Wir kommen zur Frage 25 des Abgeordneten Volker
Beck:
Aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen hält die Bundesregierung die Wiedereinführung von Kontrollen an der
deutsch-österreichischen Grenze für vereinbar mit den Vorgaben der Artikel 23 ff. des Schengener Grenzkodex vor dem
Hintergrund, dass „Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen … nicht von vornherein als Gefahr für die öffentliche
Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden ({0})“ ({1}), und inwiefern haben Konsultationen mit den anderen
Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission im Sinne
von Artikel 24 Absatz 3 und 4 des Schengener Grenzkodex
stattgefunden?
Herr Dr . Krings .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Kollege Beck, der gleiche Fragesteller,
ein anderer Antwortender. Die bekannte Situation ungesteuerten und unkontrollierten Zustroms von Drittstaatsangehörigen in das Bundesgebiet haben die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung in Abstimmung mit
den Bundesländern und auch mangels effektiver Alternativen veranlasst, zunächst gemäß Artikel 25 der Verordnung ({0}) 562/2006, dem sogenannten Schengener
Grenzkodex, temporär Grenzkontrollen an den deutschen
Schengen-Binnengrenzen wieder einzuführen . Umfang
und Intensität der Grenzkontrollen werden sich auf das
für die Sicherheit jeweils notwendige Maß beschränken.
Diese Maßnahme ist angesichts des vorgenannten
gewaltigen Zustroms von Drittstaatsangehörigen zwingend, um wieder zu einem geordneten Verfahren bei der
Einreise zurückzukehren. Wir müssen wissen, wer nach
Deutschland einreist und sich bei uns aufhält . Ein weiterer unkontrollierter Zugang würde zur Gefährdung der
öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führen .
Nach dem geltenden europäischen Recht ist Deutschland für den allergrößten Teil der Schutzsuchenden nicht
zuständig . Das Dublin-Verfahren und die Eurodac-Regelungen gelten unverändert fort . Das heißt, dass der
zuständige Mitgliedstaat Asylsuchende nicht nur registriert, sondern das Asylverfahren auch durchführt sowie
im Falle der Ablehnung des Schutzersuchens aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreift . Auch andere Mitgliedstaaten - das darf ich anfügen - wie Österreich und
Slowenien haben temporäre Grenzkontrollen an ihren
Binnengrenzen eingeführt .
Diese Maßnahme ist in der Koalition einvernehmlich
beschlossen und mit den Landesinnenministern besprochen worden . Auch die Opposition ist von dem Herrn
Minister bekanntermaßen unterrichtet worden. Ferner
sind nach Maßgabe des Schengener Grenzkodex der Rat
der Europäischen Union, die Europäische Kommission
und die EU-Schengen-Mitgliedstaaten über diese temporären Grenzkontrollen informiert worden.
Vielen Dank, Herr Dr. Krings. - Volker Beck.
Das haben Sie jetzt schön vorgelesen . Aber ich bin ein
bisschen erstaunt über die Rechtsauskunft, die Ihnen Ihre
Beamten aufgeschrieben haben . In Erwägungsgrund 5
der Verordnung des Rates vom 22. Oktober 2013, die die
Rechtsgrundlage für das Schengen-Abkommen ist, heißt
es wörtlich:
Migration und das Überschreiten der Außengrenzen
durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen
sollte nicht an sich als Gefahr für die öffentliche
Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden .
Was Sie hier aber vorgetragen haben, war nichts anderes als die Tatsache, dass dieser Vorgang an sich zur
Bejahung der Voraussetzung von Artikel 25 führt. Ich
frage Sie: Welche spezifischen Umstände, die von diesem Regelfall, der hier eben nicht greift, abweichen, die
über das Überschreiten der Außengrenzen in einer großen Zahl hinausgehen, veranlassten die Bundesregierung
zu diesem Schritt, abweichend von der Bestimmung des
Erwägungsgrunds 5 dieser Verordnung?
Dr . Krings .
Ich habe meinen Text gerne vorgetragen, weil wir im
Innenministerium gute Beamte haben .
({0})
- Auch den Erwägungsgrund kenne ich. Wir können jetzt
lange Ausführungen zum Europarecht machen, welche
rechtliche Bedeutung Erwägungsgründe haben . Ich muss
Sie aber hinsichtlich deren Wirkung offensichtlich enttäuschen .
Im Übrigen besagt dieser Erwägungsgrund, dass ein
großer Zustrom zwar nicht generell ein Problem oder einen Grund für eine temporäre Einführung der Grenzkontrollen darstellt, aber in bestimmten Konstellationen, wie
wir sie angesichts der Zahlen von Flüchtlingen in den
letzten Tagen hatten . Dieser Zugang ist ohne Präzedenzfall . Angesichts der Tatsache, dass diese Menschen Asyl
beantragen und innerhalb Deutschlands verteilt werden
müssen, ist das sicherlich eine besondere Situation . Wir
können kein Verfahren zur Verteilung organisieren, wenn
wir nicht wissen, wer über die Grenze kommt.
In dem Erwägungsgrund wird ausdrücklich nichts
zum Thema Überschreiten der Grenze zum Beantragen
von Asyl und zur Anerkennung eines Status als Flüchtling genannt . Insofern bitte ich Sie, diesen Erwägungsgrund nicht überzuinterpretieren .
Volker Beck.
Europarechtlich bewegen Sie sich auf sehr dünnem
Eis. - In Artikel 24 der Verordnung ist vorgesehen, dass
die Mitgliedstaaten die europäischen Gremien konsultieren müssen . Darin ist auch eine Vier-Wochen-Frist
genannt . Wann hat die Bundesregierung die nach der
Verordnung erforderlichen Konsultationen mit den europäischen Gremien durchgeführt, um diese Maßnahmen
zu ergreifen?
Herr Krings .
Zum exakten Zeitpunkt kann ich Ihnen hier und jetzt
nichts sagen . Die Information habe ich nicht . Aber die
Konsultation ist vor der Maßnahme durchgeführt worden .
Dürfen wir das schriftlich präzisiert bekommen, um
zu sehen, ob hier Europarecht verletzt worden ist?
Können wir gerne machen .
Eine Nachfrage des Kollegen Ströbele .
Danke. - Guten Tag, Herr Staatssekretär.
Guten Tag .
Habe ich Sie richtig verstanden? Ich habe gerade nicht
ganz genau aufgepasst .
Das ist nicht gut .
Die Schengen-Verordnung ist eigentlich faktisch nicht
mehr in Kraft, und die Dublin-Verordnung auch nicht .
Wenn ich abends fernsehe - ich komme zwar immer spät
nach Hause, aber ich schalte dann noch den Fernseher
ein -, wird das durch die Bilder bestätigt . Heißt das, dass
Sie das irgendwann wieder rückabwickeln wollen? Heißt
das, dass Sie das bei den Personen, die nicht in dem europäischen Schengen-Land, das sie zuerst betreten, registriert und interniert bzw . untergebracht werden, im Nachhinein vollziehen wollen, in einer Woche, einem Monat
oder vielleicht in einem halben Jahr? Was sind dazu die
Vorstellungen der Bundesregierung?
Herr Dr . Krings .
Ihre Einschätzung, die Dublin-Verordnung sei nicht
mehr in Kraft, ist falsch, Herr Abgeordneter .
({0})
Leider ist keine Nachfrage mehr möglich. - Vielen
Dank, Herr Dr. Krings.
Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Andrej Hunko
werden schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zu der Frage 28 der Kollegin
Martina Renner:
In wie vielen Fällen von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen geplante und/oder bewohnte Flüchtlingsunterkünfte seit Jahresanfang 2015 gab es vorab Hinweise vom
Bundesamt für Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden oder die Landesämter für Verfassungsschutz, dass mit
Straftaten gegen die jeweils betroffene Unterkunft zu rechnen
sei ({0})?
Herr Dr . Krings .
Vielen Dank für die Frage, Frau Renner. Ich glaube,
wir sind uns auf allen Seiten des Hauses einig, dass es
sich um furchtbare, unsägliche Anschläge handelt und
wir alles dafür tun müssen, dass wir hier zur Aufklärung
kommen, was sich aber nicht allzu einfach gestaltet.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz, nach dem Sie
ausdrücklich fragen, nimmt natürlich diese unsäglichen
Anschläge ebenso, wie wir es tun, sehr ernst . Es verfügte bisher aber in keinem Fall im Vorfeld über konkrete
Hinweise zu geplanten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Sicherheitsbehörden des Bundes haben die
Länder - zum Beispiel bereits in einer Gefährdungsbewertung vom März 2014 - jedoch darauf hingewiesen,
dass zukünftig wohl eine weitere Steigerung der Zahl
von Straftaten gegen Asylunterkünfte leider in Betracht
zu ziehen ist .
Vielen Dank, Dr. Krings. - Frau Renner.
Ich gehe davon aus, Herr Dr . Krings, dass Sie zuerst
die erste Frage beantwortet haben . Deswegen würde ich
mich dann auf die Thematik „Erkenntnisse im Vorfeld“
beziehen .
Sie haben im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage von mir zur Neonazi-Kleinstpartei Der Dritte Weg,
die möglicherweise eine Blaupause für rassistische Hetze, aber auch für Anschläge liefert durch ihr Netzangebot „Leitfaden ‚Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft!‘“ und einer entsprechenden Google-Maps-Karte,
die Gott sei Dank mittlerweile vom Netz genommen
wurde, auf die Frage, ob sich in dieser Neonazi-Kleinstpartei auch V-Leute befinden, geantwortet - ich zitiere -,
„dass die Partei Der Dritte Weg nur über etwa 200 Mitglieder verfügt, was das Risiko einer Enttarnung erhöhen
würde“, und somit die Frage nach den V-Leuten nicht
beantwortet werden könnte. Ich schließe daraus sozusagen im Umkehrschluss, dass wir davon ausgehen dürfen,
dass es in dieser Organisation auch Zuträger gibt . Daher
rührt meine Verwunderung, da diese Organisation auch
in Bayern ganz maßgeblich an der Vorbereitung der Pogromstimmung beteiligt ist, dass man im Vorfeld von
entsprechenden aggressiven Tätigkeiten, aber auch Angriffen und Anschlägen im Bundesamt für Verfassungsschutz keine Kenntnis hat. Wie kommt dann eigentlich
das Attribut Frühwarnsystem zustande?
Herr Dr . Krings .
Mir ist bekannt, Frau Renner, dass Ihre Fraktion eine
kritische Grundhaltung zum Bundesamt für Verfassungsschutz einnimmt. Man kann in dieser konkreten Frage
sicherlich anderer Auffassung sein als die Bundesregierung. Ich finde nur, wir sollten das nicht zu sehr an
diesem konkreten Phänomen festmachen. Denn dass das
Bundesamt für Verfassungsschutz alles tut, um solche
Vorfälle aufzuklären, dürfen wir glauben. Es ist auch im
Interesse des Bundesamtes, seinen Beitrag dazu zu leisten .
Es ist bisher aber in keinem Fall dazu gekommen,
dass man vor einem konkreten Anschlag aufgrund der
besonderen Struktur genau wusste, dass ein bestimmtes
Flüchtlingsheim beispielsweise Opfer eines solchen Anschlages werden könnte.
Wir haben es hier mit einer Szene zu tun, die nicht
zu Bekennerschreiben neigt. Solche Schreiben könnten
helfen, künftige Strukturen aufzudecken. Wir haben es
hier oft mit verschlüsselter Kommunikation zu tun. Insofern bedeutet die Tatsache, dass wir keine Erkenntnisse
im Vorfeld gewonnen haben, nicht, dass das Bundesamt
für Verfassungsschutz nicht sehr aktiv ist.
Eine Nachfrage, Frau Renner .
Im Zusammenhang mit der Frage, ob Vorbereitungshandlungen zu Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte
führen, spielt auch die Oldschool Society, eine Organisation der Neonazis, eine gewisse Rolle . Gegen diese
Organisation hat es intensive Exekutivmaßnahmen von
Bund und Ländern gegeben. Es soll konkrete Anschlagspläne gegeben haben . Die Beschaffung von Sprengstoff
zum Beispiel sei vorbereitet gewesen . Kann ich daraus
schließen, dass es sich bei dieser Organisation um einen
Beobachtungsgegenstand handelt, bei dem keine V-Leute eingesetzt wurden?
Herr Dr . Krings .
Dazu kann ich Ihnen jetzt und hier jedenfalls keine
Auskunft geben. Allerdings ist das von Ihnen genannte Beispiel sehr gut; denn es zeigt, dass es den Sicherheitsbehörden - auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz - trotz der Schwierigkeiten, die wir in diesem
Milieu und mit diesen furchtbaren Tätergruppen haben,
im Einzelfall gelingt, solche Organisationen auszuheben .
Sie stehen also im absoluten Fokus des Bundesamtes für
Verfassungsschutz und anderer Sicherheitsbehörden . In
diesem Fall war man erfolgreich .
Ich sehe keine weiteren Nachfragen.
Dann kommen wir zu Frage 29 der Kollegin Martina
Renner:
In wie vielen Fällen von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen geplante und/oder bewohnte Flüchtlingsunterkünfte seit Jahresanfang 2015 gab es im Nachgang
Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden oder die Landesämter für Verfassungsschutz zu mutmaßlichen Tätern ({0})?
Herr Dr . Krings, bitte .
Hier geht es sozusagen um die retrospektive Betrachtung . Seit Februar 2014 erfolgt im Gemeinsamen
Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum zweimal
wöchentlich ein Austausch zwischen Bundesamt und
Landesämtern sowie zwischen Verfassungsschutz und
Polizeibehörden über alle wesentlichen Straftaten mit
Bezug zur Asylthematik und über die allgemeine Entwicklung. Darüber hinaus hat das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundeskriminalamt im Jahr 2015
bisher zu 50 Tatverdächtigen verfassungsschutzrelevante
Erkenntnisse übermittelt.
Frau Renner .
Herr Staatssekretär, ich möchte gerne zugespitzt fragen . Wir haben heute Morgen grobe Analysen zu den
Täterhintergründen gehört. Die Aussagekraft ist dabei eingeschränkt, weil sich bei einer Quote von unter
10 Prozent Ermittlungserfolge keine Aussage zu der Gesamtzahl der Täter treffen lässt . Aber es hieß, 30 Prozent
der Tatverdächtigen hätten einen PMK-rechts-Hintergrund . Da wir davon ausgehen, dass dieser Phänomenbereich beobachtet wird, und aus der Geschichte des
Bundesamtes wissen - ich erinnere an die Anti-Antifa in
den 90er-Jahren -, dass es einen intensiven Quelleneinsatz in der militanten Szene gibt, lautet meine konkrete
Frage: Können Sie ausschließen, dass Erkenntnisse im
Bundesamt für Verfassungsschutz, die durch Quellen
zu bevorstehenden oder durchgeführten Anschlägen auf
Flüchtlingsunterkünfte gewonnen wurden, nicht an die
Sicherheitsbehörden, also die Polizeien und die Staatsanwaltschaften, weitergereicht wurden?
Das waren mir zu viele Verneinungen . Können Sie die
Frage noch einmal so formulieren, dass ich sie verstehen
kann?
Das gilt aber nicht als zweite Nachfrage .
Ist jede Erkenntnis, die das Bundesamt für Verfassungsschutz durch den Einsatz von Quellen in der neonazistischen Szene zu durchgeführten oder geplanten
Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte gewonnen hat, an
die Sicherheitsbehörden weitergegeben worden?
Wenn ich das richtig verstanden habe, befürchten Sie,
dass man aus irgendwelchen taktischen Gründen Informationen zurückhält, weil man der Meinung ist, dass man
besser eingreifen kann, wenn man den Sicherheitsbehörden nichts sagt. Dazu liegen mir keine Anhaltspunkte vor.
Ich kann es mir, offen gestanden, angesichts der Qualität
der infragestehenden Straftaten nicht vorstellen .
({0})
Es sieht nicht so aus, als ob Sie noch eine Nachfrage
hätten. - Danke, Herr Dr. Krings.
Die Frage 30 des Abgeordneten Christian Kühn, die
Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Dr . André Hahn sowie die Frage 33 der Abgeordneten Ulla Jelpke werden
schriftlich beantwortet .
({0})
- Sorry, aber Frage 32 stammt von Dr . André Hahn . Dann
haben Sie sich sehr verändert . Wir gehen davon aus, dass
Sie Herr Ströbele sind und nicht Herr Hahn .
({1})
- Gut .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Ich
begrüße den Staatssekretär Christian Lange.
Wir kommen zu Frage 34 der Kollegin Ulle Schauws:
Was sind die Gründe dafür, dass das Bundeskanzleramt
den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung gestoppt hat ({2}), zumal die überwiegende Mehrheit der
Sachverständigen in der Anhörung des Ausschusses für Recht
und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages vom
28 . Januar 2015 bestätigte, dass die von Deutschland unterzeichnete Istanbul-Konvention des Europarates, nach der alle
nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe gestellt werden müssen, Änderungen im deutschen Sexualstrafrerecht notwendig macht?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wenn Sie gestatten,
würde ich gerne die Fragen 34 und 35 gemeinsam beantworten . Ist das erlaubt?
Ja .
Wunderbar . Dann mache ich das gerne .
Dann rufe ich auch Frage 35 auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren einzubringen?
Frau Kollegin, das Bundesministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches erarbeitet,
der dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dient .
Am 14 . Juli 2015 ist die Ressortabstimmung zu diesem
Gesetzentwurf eingeleitet worden, die noch nicht abgeschlossen ist . Eine Beteiligung der Länder und Verbände
ist noch nicht erfolgt . Länder und Verbände sollen grundsätzlich nach Abschluss der Ressortabstimmung beteiligt
werden . Hierfür sind nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien das Einvernehmen mit
den beteiligten Bundesministerien und die Zustimmung
des Bundeskanzleramtes erforderlich.
Es ist beabsichtigt, die Abstimmung innerhalb der
Bundesregierung zügig durchzuführen . Nähere Angaben
zum Zeithorizont können zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht gemacht werden .
Vielen Dank. - Kollegin Ulle Schauws mit einer
Nachfrage, bitte .
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich habe Sie gerade richtig verstanden, dass die Information, die uns aus
einem Artikel der taz vorliegt, dass das Bundeskanzleramt ein Veto gegen diesen Gesetzentwurf eingelegt hat,
so nicht richtig ist; denn - Sie haben es ja gerade betont es ist nach meinem Kenntnisstand in der Ressortabstimmung mit dem Innenministerium, mit dem Arbeits- und
Sozialministerium, mit dem Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendministerium durchaus Zustimmung erfolgt. Aber im Bundeskanzleramt hat es, wie gesagt, ein
Veto gegeben. Vielleicht können Sie dazu noch etwas
sagen; denn nach meinem Kenntnisstand besteht auch in
den Fraktionen von CDU/CSU und SPD und im gesamten Bundestag Übereinstimmung darüber, dass wir zur
Umsetzung der Istanbul-Konvention die EU-Vorgaben
umsetzen müssen und dass wir hier strafrechtlich nachbessern müssen, dass also Änderungsbedarf besteht .
Frau Kollegin, ich kann mich nicht erinnern, dass ich
in meiner Antwort zu irgendeinem Ministerium Stellung
genommen habe . Ich darf vielmehr noch einmal darauf
verweisen: Nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung
der Bundesministerien sind das Einvernehmen mit den
beteiligten Bundesministerien und die Zustimmung des
Bundeskanzleramtes erforderlich. Die noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Abstimmungsprozesse zur Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen
gehören zum Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. Deswegen kann ich Ihre Frage weder bestätigen noch dementieren .
Frau Schauws, Sie haben das Wort zu einer weiteren
Nachfrage .
Dann würde ich gerne nachfragen, ob Sie eine Einschätzung dazu abgeben können, wie der Zeitplan aussieht . Haben Sie eine ungefähre Einschätzung, wann die
verschiedenen Abstimmungen erfolgt sind, um ratifizieren und die Istanbul-Konvention einhalten zu können?
Frau Kollegin, ich haben eben bereits gesagt, dass wir
die Ressortabstimmung so zügig wie irgend möglich vorantreiben, und danach wollen wir die weiteren Prozedere
einhalten .
Da Kollege Lange zwei Fragen gemeinsam beantwortet hat, haben Sie, Frau Schauws, die Möglichkeit, insgesamt vier Nachfragen zu stellen . Wenn Sie jetzt also noch
zweimal nachfragen wollen, haben Sie die Chance dazu .
({0})
- Gut. - Vielen Dank, Christian Lange.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen .
Ich stelle fest, dass der Parlamentarische Staatssekretär Spahn nicht anwesend ist . - Ich erfahre gerade, dass
Herr Spahn im Haushaltsausschuss ist; deswegen kann
er jetzt nicht hier sein. Vielleicht könnte das Kanzleramt antworten . - Herr Ströbele, sind Sie gegebenenfalls
bereit, zu akzeptieren, dass Ihre Frage schriftlich beantwortet wird, oder wollen Sie diese Frage und auch die
damit verbundenen Nachfragen trotzdem stellen? - Herr
Ströbele möchte etwas sagen . Gut, dann gebe ich ihm das
Wort .
Ich glaube, der Parlamentarische Staatssekretär hat
gestern oder vorgestern bei mir angerufen und mögliche
Probleme, hier zu erscheinen, angedeutet .
Es wäre natürlich gut, wenn wir das auch erfahren
würden . Es ist ja nett, wenn Sie eine Männerfreundschaft
haben; aber wir wollen das auch gerne wissen.
({0})
Ich kenne ihn gar nicht. Ich habe mit ihm noch kein
Wort gewechselt . Ich war auch nicht selber am Telefon,
als er anrief .
Ich verzeihe ihm, dass er jetzt nicht hier ist . Es handelt
sich hier um eine sehr spezielle Frage . Allein schon die
Frage zu verstehen, ist nicht so einfach, obwohl sie relativ kurz ist. Ich traue selbst dem Staatssekretär Krings
nicht zu, sie ganz schnell zu beantworten .
Obwohl wir ihm natürlich viel zutrauen, aber das
nicht . Gut, dann wird die Frage 36 des Kollegen Ströbele
schriftlich beantwortet .
Die Frage 37 der Kollegin Walter-Rosenheimer wird
schriftlich beantwortet. - Vielen Dank, Herr Spahn wenn Sie gekommen wären.
Ganz knapp vor der Aktuellen Stunde kommen wir
jetzt noch zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Frau Kramme ist da .
Die Frage 38 der Kollegin Walter-Rosenheimer, die
Frage 39 der Kollegin Rüffer sowie die Fragen 40 und
41 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich
beantwortet .
Vielen herzlichen Dank, Frau Kramme.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Ich begrüße Herrn Bleser, der sich schon einmal auf die schriftliche Beantwortung der Fragen 42 und 43 des Kollegen
Ostendorff vorbereiten kann.
Ich lasse jetzt noch eine Frage zu, bevor wir den Dialog hier abbrechen, und das ist die Frage 44 des Kollegen
Ebner:
In welcher Weise unterscheidet sich die aktuelle Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung ({0}) zur Glyphosat-Monographie der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO ({1}) von der
vorläufigen Einschätzung auf Grundlage der Veröffentlichung
der IARC in der Fachzeitschrift The Lancet vom März 2015,
und welche Schlussfolgerungen bzw . Empfehlungen leitet das
BfR aus der aktuellen Einschätzung im Hinblick auf die Gefährlichkeit von und den Umgang mit Glyphosat ab?
Herr Bleser, bitte .
Frau Präsidentin! Die aktuelle Einschätzung des
Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR, zur Glyphosat-Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung, IARC, einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, WHO, wurde am 31 . August 2015 in Form
eines Addendums abgegeben und durch das Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL,
der zuständigen EU-Behörde, der Europäischen Behörde
für Lebensmittelsicherheit, EFSA, und der EU-Kommission übermittelt .
Die aktuelle Einschätzung unterscheidet sich von der
vorläufigen Einschätzung vom 1. April 2015 insofern, als
nunmehr eine abschließende Einschätzung zu allen von
der IARC verwendeten Studien und deren Beurteilung
durch die IARC-Arbeitsgruppe im Rahmen des EU-Genehmigungsverfahrens zu Glyphosat vorgenommen werden konnte. Dies war auf Basis der Veröffentlichung der
IARC in der Fachzeitschrift The Lancet vom März 2015
nicht möglich. Zu dem Zeitpunkt standen dem BfR keine
hinreichenden Informationen der IARC zur Verfügung . Das ist schwierig vorzutragen .
({0})
Die aktuelle Einschätzung des BfR konnte mittlerweile von allen EU-Staaten kommentiert werden und wird in
einem EFSA-Experten-Fachgespräch am 29 . September
2015 erörtert werden. Somit kann die resultierende europäische Einschätzung der IARC-Monographie
({1})
noch in das laufende Verfahren zur erneuten Genehmigung von Glyphosat einfließen.
Die aktuellen Schlussfolgerungen bzw. Empfehlungen, die das BfR aus der aktuellen Einschätzung im Hinblick auf die Gefährlichkeit von und den Umgang mit
Glyphosat ableitet, sind in dem Bericht an die EU-Kommission und die EFSA enthalten . Sie sind Bestandteil des
EU-Wirkstoff-Genehmigungsverfahrens. Die Beurteilung durch die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten sowie die EFSA bleiben abzuwarten .
Vielen Dank. - Herr Ebner, Sie haben jetzt die Möglichkeit, eine Nachfrage zu IARC zu stellen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.
Wir können gern wieder einen kleinen Sprachkurs machen . Ein Tipp: Wenn Sie „IARC“ als Wort aussprechen,
dann geht es schneller .
Ich würde gern nachfragen . Die Welt dreht sich da
weiter . Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie oder zieht
die Bundesregierung aus den am Freitag veröffentlichten
und am Wochenende in der Presse diskutierten Empfehlungen der JMPR-Taskforce? Noch einmal etwas zum
Üben: Das ist das Joint Meeting on Pesticide Residues
der WHO, also ein Ad-hoc-Expertengremium, das eingesetzt wurde, um die Unstimmigkeiten aufzuklären.
Diese Empfehlungen besagen ja, dass nicht nur
eine vollständige Neuevaluation von Glyphosat auf
JMPR-Ebene notwendig ist, sondern dass - auch das ist,
glaube ich, sehr wichtig - die internen Richtlinien bezüglich der Auswahl der verwendeten Literatur überarbeitet
werden sollen, weil zahlreiche Studien nicht berücksichtigt wurden - und das auch vor dem Hintergrund der Stellungnahme des BfR, das uns jetzt weismachen möchte,
es ginge nur um eine Aktualisierung neuerer Studien;
darum geht es aber im Kern überhaupt nicht .
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Ebner, ich möchte Sie darauf hinweisen,
dass wir uns hier in einem laufenden Verfahren befinden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist kraft Gesetzes für die Risikobewertung zuständig. Es hat den gesetzlichen Auftrag, hierzu eine Einschätzung vorzunehmen .
Davon abgesehen, wird jetzt innerhalb der WHO eine
eigene Einschätzung konsentiert. Studien, die Daten von
2004 und 2011 enthalten, werden bis zum nächsten SomVizepräsidentin Claudia Roth
mer in der WHO ausgewertet bzw . vorgelegt . Die Ergebnisse sollen dann in die weitere Bewertung einfließen.
Herr Ebner, haben Sie dazu eine Nachfrage?
Ich hätte eine Nachfrage .
Gut . Dann stellen Sie sie .
Danke, Frau Präsidentin. - Es geht im Kern nicht um
eine Aktualisierung der neueren Studien, sondern auch
um all die Studien von vor 2004, die nicht berücksichtigt
wurden. Genau das hat die Taskforce jetzt angemahnt.
Herr Staatssekretär, trifft es denn zu, dass der Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung, Herr
Pfeil, der 2004 und 2011 für dieses WHO-Gremium,
das JMPR, federführend die Risikobewertungsberichte zu Glyphosat verfasst hat, die diesem Wirkstoff eine
gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigen, auch an
der Erstellung des aktuellen EU-Bewertungsberichts des
BfR für Glyphosat beteiligt war?
Herr Staatssekretär.
Zu handelnden Personen unserer Institute werde ich
aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht Stellung nehmen .
Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind,
dass wir die eine Frage, die jetzt noch offen ist - der Herr
Staatssekretär und der Fragesteller sind hier -, noch behandeln. - Dann kommen wir zu der Frage 45 des Kollegen Harald Ebner:
Mit welcher Position hat sich die Bundesregierung in die
Diskussion um das EU-Guidance-Document zu „negligible exposure” ({0}) im Rahmen
des Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed
({1}) auf EU-Ebene eingebracht, und welche Auswirkungen könnte eine Definition von „negligible exposure“ nach
Meinung der Bundesregierung auf die Wiederzulassung von
Glyphosat haben?
Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Auf die vernachlässigbare Exposition wird in der Verordnung ({0}) Nr . 1107/2009 EU-Pflanzschutzmittelverordnung - Bezug genommen.
Auf EU-Ebene wird hierzu zurzeit ein Leitlinienpapier
erörtert, das den zuständigen Behörden eine Richtschnur
geben soll, wie das Prinzip im Rahmen der Prüfung und
Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anzuwenden ist.
Bei rein fachlichen Fragen der Risikobewertung stimmen
sich die zuständigen Behörden hierzu untereinander ab
und vertreten die notwendigen Positionen selbstständig .
Zum Entwurf des hier nachgefragten Leitlinienpapiers
haben sich sowohl im Gesundheitsbereich als auch im
Umweltbereich die zuständigen Behörden bislang gemäß
ihren Zuständigkeiten fachlich eingebracht.
Bei Fragen von politischer Tragweite und bei Fragen,
die die Rechtsauslegung des Basisregelwerks - wie gesagt: der Verordnung 1107/2009 - über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln betreffen, stimmen
sich die zuständigen Ressorts innerhalb der Bundesregierung ab .
Im Anschluss bringt unser Haus die Position unter
anderem in den zuständigen Ständigen Ausschuss für
Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, Sektion
Pflanzenschutzmittelgesetzgebung, auf EU-Ebene ein.
Für das in Rede stehende Leitliniendokument gibt es
noch keine finale abgestimmte Position der Bundesregierung. Mögliche Auswirkungen auf die Wiedergenehmigung des Wirkstoffs Glyphosat oder auf die Zulassung
von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln lassen sich
derzeit noch nicht abschätzen .
Herr Ebner .
Danke, Herr Staatssekretär. - Keine finale Position der
Bundesregierung - das habe ich mir fast schon gedacht .
Die erfahren wir dann wieder hinterher . Deshalb möchte
ich fragen, ob Sie sich denn dafür einsetzen werden, dass
bei einer Verabschiedung der Guideline zu vernachlässigbarer Exposition bei krebsauslösenden Stoffen - ich
bitte, da genau hinzuhören - weiterhin das Vorsorgeprinzip gilt . Wird sich die Bundesregierung bei entsprechenden Stoffen für ein Anwendungsverbot einsetzen?
Herr Staatssekretär.
Dass wir uns nach wie vor zu dem Vorsorgeprinzip
bekennen, kann ich bestätigen. Ich habe schon vorhin
ausgeführt, dass wir eine unabhängige Behörde haben,
die nicht weisungsgebunden ist und die die Risiken zu
prüfen hat . Dann wird eine Entscheidung erfolgen .
Herr Ebner .
Am Ende wird aber auch die Bundesregierung Stellung nehmen müssen. Dann kann sie sich nicht hinter Behörden verstecken, egal wie unabhängig sie sind, sondern
sie muss selber Stellung beziehen . Das erwarte ich auch
von Ihnen .
Jetzt möchte ich aber auch noch den Staatssekretär
fragen - denn das ist auch eine Konsequenz dieser Guidelines zu vernachlässigbaren Expositionen -, wann,
wie und mit welchen Methoden die Bundesregierung die
Exposition der Bevölkerung beispielsweise gegenüber
Glyphosat erheben möchte . Denn die Kenntnisse darüber
sind wichtig, wenn man überhaupt etwas über vernachlässigbare Expositionen sagen will. Erst dann kann ich
wissen, ob eine Genehmigung zu Recht erteilt wurde,
oder nicht .
Herr Staatssekretär.
Ich kann mich da leider nur wiederholen: Wir haben
durch Gesetz unser Bundesinstitut für Risikobewertung.
Es bewertet die Pflanzenschutzmittel und spricht dann
eine Empfehlung aus. Genehmigen wird, was die Wirkstoffe angeht, die EFSA; sie ist auf EU-Ebene hierfür
zuständig . Insofern wird der Rechtsweg eingehalten . Sie
können sich darauf verlassen, dass die Grundsätze des
vorsorgenden Verbraucherschutzes hier Berücksichtigung finden.
Es gibt keine weiteren Nachfragen. - Vielen herzlichen Dank.
Die Frage 46 der Kollegin Dr. Franziska Brantner zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend wird schriftlich beantwortet .
Wir sind damit am Ende der Fragestunde .
Wir kommen gleich zur Aktuellen Stunde. - Ich würde
die Sitzung aber gerne für eine Minute unterbrechen . Ich
hoffe, Sie erlauben mir das . Wir machen dann auch sofort
weiter .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun
zur Aktuellen Stunde, die aus der Fragestunde heraus
beantragt worden ist . Die Voraussetzungen dafür waren
gegeben. Ich rufe daher den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion Die Linke gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT
zu den Antworten der Bundesregierung auf
die Frage 15 auf Drucksache 18/6019
Ich begrüße alle Kolleginnen und Kollegen . Das Wort
hat der Kollege Jan van Aken für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Mexiko werden Menschen mit deutschen Gewehren ermordet. Jetzt kommt heraus: Eine Mitschuld tragen auch
deutsche Beamte, tragen auch deutsche Politiker. Der
Skandal reicht bis hinauf zu Außenminister Steinmeier,
bis mitten hinein ins Bundeswirtschaftsministerium von
Sigmar Gabriel . Ich glaube, die beiden werden in den
nächsten Tagen und Wochen einige sehr unbequeme Fragen beantworten müssen .
Ich fange einmal ganz von vorne an: Vor etwa zehn Jahren wollte die Waffenfirma Heckler & Koch Sturmgewehre vom Typ G36 nach Mexiko exportieren. Schon damals wussten wir alle hier, dass die Menschenrechtslage
in Mexiko katastrophal ist. In vielen Gegenden Mexikos
sind die Sicherheitskräfte, die Polizeien von der Drogenmafia unterwandert. Da wird gefoltert und gemordet,
auch von staatlichen Sicherheitskräften, im Auftrag der
Mafia. So wurden vor ziemlich genau einem Jahr 43 Studenten von der Polizei entführt und brutalst ermordet .
Das war damals bekannt. Deshalb sagte damals, im Jahre
2005, das Außenministerium Nein zu den Waffenexporten nach Mexiko. So weit, so gut, die Geschichte könnte
vorbei sein. Was dann aber geschah, ist ein Lehrstück in
Sachen Lug und Betrug . Es ist einfach unfassbar, wie sich
deutsche Behörden und deutsche Politiker zu Helfershelfern der Rüstungsindustrie gemacht haben, um diesen
schmutzigen Deal doch noch auf den Weg zu bringen .
({0})
Also: Das Außenministerium sagte Nein . Dann gab es
im September 2005 Wahlen in Deutschland. Es kommt
die Große Koalition. Außenminister wird Frank-Walter
Steinmeier . Kurz darauf sagt das Auswärtige Amt plötzlich Ja zu den deutschen Waffenexporten . Neuer Minister, 180-Grad-Drehung des Ministeriums . Ich glaube,
Herr Steinmeier hat uns in den nächsten Tagen einiges
zu erklären.
({1})
Es ging natürlich nicht einfach so . Irgendeinen Vorwand musste er erfinden. Den Vorwand, der gefunden
wurde, finde ich fast schon genial. Die Idee war, dass man
sagt: Mexiko vernichtet einfach ein paar alte Gewehre,
und dann können wir ihnen als Ersatz neue Gewehre liefern. Das wäre ja keine Aufrüstung, sondern „nur“ ein
Ersatz für die alten Gewehre . - Dieses Prinzip heißt: Neu
für Alt. Es hat genau einen einzigen Zweck: Es dient
einzig und allein der Rechtfertigung und Legitimierung
von kritischen und falschen Waffenexporten. Wir haben
vorhin die Staatssekretärin des Wirtschaftsministeriums
gefragt. Sie sagte: Nein, es ist kein einziger Fall bekannt,
dass so etwas tatsächlich stattgefunden hat . - Wir haben
in den letzten Jahren zigmal nachgefragt. Es gibt keinen
konkreten Fall.
Wissen Sie, was in Mexiko passiert ist? Es gibt Fotos.
Es sind ein paar Hundert alte, verrostete Kalaschnikows
eingeschmolzen worden, nur damit der AußenminisHarald Ebner
ter Steinmeier sagen konnte: Es werden alte vernichtet,
und ich kann neue liefern. - Nach Mexiko wurden aber
Zehntausende geliefert; genau waren es 10 096 nigelnagelneue deutsche Sturmgewehre. Es fand überhaupt kein
Austausch statt . Das war nicht „Neu für Alt“, sondern das
war nur eine Legende, die im Außenministerium erfunden worden ist .
({2})
Der zweite Trick, der danach kam, ist noch viel perfider. Irgendjemand aus dem Wirtschaftsministerium hat
dann der Firma Heckler & Koch die Information gesteckt:
Nehmt lieber ein paar besonders kritische Bundesstaaten
aus der Lieferung heraus; dann könnt ihr die Genehmigung schon bekommen. - So sollte zum Beispiel der
berüchtigte Bundesstaat Chihuahua nicht mehr mit deutschen Gewehren beliefert werden. Was macht Heckler &
Koch? Am nächsten Tag reichen sie einen neuen Antrag
ein, und tatsächlich ist Chihuahua nicht mehr unter den
belieferten Bundesstaaten. Aber - und das ist jetzt kein
Witz - die Gesamtzahl aller nach Mexiko gelieferten
Waffen ist gleich geblieben . Wenn ich die beiden Anträge nebeneinanderlege, dann sehe ich, dass die 450 Gewehre für den Bundesstaat Chihuahua in einen anderen
Bundesstaat gegangen sind . Das wurde tatsächlich so
genehmigt, obwohl die Bearbeiter im Bundesministerium genau wussten, dass sie damit Beihilfe zum illegalen
Waffenexport leisten .
({3})
Das müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen:
Das Ministerium, das die Aufgabe hat, tödliche Waffenexporte zu kontrollieren, guckt nicht nur einfach weg,
sondern erzählt der Waffenindustrie sogar noch, wie sie
seine eigenen Kontrollen unterlaufen kann. Das ist die
traurige Realität Ihrer Waffenexporte bis heute . Ich frage
mich die ganze Zeit: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure, wenn nicht wir?
({4})
Vieles davon ist erst in den letzten Tagen an die Öffentlichkeit gekommen. Das erinnert mich daran, dass
wir alle gemeinsam im letzten Jahr eine richtige Heckler-&-Koch-Seilschaft im Verteidigungsministerium aufgeklärt haben. Dort saßen Beamte in den verschiedenen
Ebenen, die jahrelang ihre schützende Hand über das
Unternehmen gehalten haben. Jetzt legen diese Dokumente nahe, dass es die gleiche Seilschaft auch im Wirtschaftsministerium gibt. Das wollen wir aufklären, und
zwar lückenlos. Wir wollen alle Dokumente haben. So
wie das Verteidigungsministerium in den letzten Monaten alles offengelegt hat, so wollen wir auch von Ihnen
alle E-Mails, alle Dokumente der gesamten schmutzigen
Deals haben .
({5})
Wenn irgendwer Zweifel an der Geschichte hat, dem
gebe ich eine Empfehlung: Schauen Sie heute Abend einmal Fernsehen . Im Ersten läuft ein richtig guter Spielfilm: Meister des Todes . Es ist ein Krimi, der sehr dicht
an der Realität dieser schmutzigen Deals in Mexiko ist.
Er basiert auf vielen E-Mails, vielen Dokumenten. Hier
können Sie noch einiges lernen.
Ich komme zum Schluss. Am Beispiel Mexiko wird
aus meiner Sicht vor allem eines deutlich: Ihre Waffenexportkontrolle ist eine einzige Farce. Sie funktioniert
einfach nicht; denn überall auf der Welt werden mit deutschen Gewehren, mit deutschen Waffen Verbrechen begangen . Auch das ist für mich ein Grund, warum ich im
Übrigen der Meinung bin, dass Deutschland überhaupt
keine Waffen mehr exportieren sollte.
({6})
Vielen Dank, Herr Kollege van Aken. - Nächster Redner in der Debatte: Dr . Joachim Pfeiffer für die Union .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum wiederholten Male wird hier heute „Skandal!“ gerufen, werden Dinge, die längst bekannt sind, in einer
Aktuellen Stunde hochgezogen. Um was geht es? Es geht
darum, dass von 10 102 G36, deren Export im Zeitraum
2004 bis 2008 genehmigt wurde, durch ein technisches
Versehen tatsächlich 1 393 G36 nicht im Rüstungsexportbericht 2008 auftauchen,
({0})
weil sie dem Jahr 2007 zugeordnet waren und dann eben
nicht im Bericht von 2008 aufgetaucht sind .
({1})
So wurde es heute Morgen ja auch im Ausschuss vorgetragen . An irgendwelchen Verschwörungstheorien, die
Sie jetzt hier aufstellen, will ich mich überhaupt nicht beteiligen . Bereits 2009 wurde dem Abgeordneten Schäfer
dieser Sachverhalt in einer schriftlichen Antwort dargestellt .
Ehrlich gesagt hätte ich mir viel mehr gewünscht, dass
Sie heute hier eine Aktuelle Stunde beantragt hätten, die
aktuelle Fragen thematisiert,
({2})
nämlich die Fragen: Wie können wir Fluchtursachen vor
Ort bekämpfen?
({3})
Welche Rolle kann und muss die Außen- und Sicherheitspolitik dort spielen? Sie sollten sich nicht wegducken, ins Schneckenhaus zurückziehen und sagen: Das
geht uns nichts an . ({4})
Sie sollten die Diskussion führen: Wie können wir dort,
wo Menschen bedroht sind - wir haben es dieses Jahr
beim IS in Kurdistan und anderswo schon getan -,
({5})
mit Rüstungsexporten, mit deutscher Sicherheitstechnik,
auch deutschen Waffen, dafür sorgen, dass Stabilität und
Frieden erhalten werden, dass Menschen nicht umgebracht werden?
({6})
Diese Diskussion sollten wir heute mal führen,
({7})
nicht eine rückwärtsgewandte Diskussion, die an Absurdität wirklich nicht zu überbieten ist.
Da stellt sich die Frage: Was ist Deutschlands Rolle?
({8})
Welche Rolle wollen wir in Europa spielen? Ich glaube,
wir würden uns übernehmen, wenn wir Deutschen allein
eine Antwort finden wollten. Deshalb ist es richtig, dass
sich die Ministerien jetzt verständigt haben und sagen:
Wir streben eine europäische Harmonisierung an . - Wir
müssen uns darüber klar werden: Welche Technologien brauchen wir in Europa, welche brauchen wir in
Deutschland?
Nehmen wir einen aktuellen Fall, den Sie auch schon
wieder skandalisiert haben: Krauss-Maffei und Nexter,
die jetzt fusionieren .
({9})
Selbstverständlich werden noch die Lieferungen von
Technologien abgewickelt, für die französische Genehmigungen, für die deutsche Genehmigungen vorliegen .
Wir sollten uns fragen: Wie geht es denn zukünftig
weiter? Was ist die europäische Antwort? Ich glaube,
wenn wir es ernst damit meinen, dass wir Fluchtursachen
so bekämpfen wollen, dass die Menschen erst gar nicht
hierherkommen müssen, dann müssen wir dies anders
tun, als wir es in der Vergangenheit getan haben .
({10})
- In der Tat! Da ist auch die Frage: Welche Rolle können
deutsche Sicherheitsgüter bei der Sicherung des Friedens
dort spielen?
({11})
Diese Diskussion ist zu führen. Rüstungsexporte sind ein
legitimes Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik;
sie gilt es entsprechend abzuwägen .
Hier wurde die Diskussion zu Mali geführt. In Mali
bilden wir die Polizei und auch andere Sicherheitskräfte
aus
({12})
und sagen ihnen, dass sie dort das Gewaltmonopol des
Staates wiederherstellen und erhalten sollen, damit dort
nicht der IS oder irgendwelche vergleichbaren Gruppen
die Macht übernehmen
({13})
und die Menschen umbringen . Wir sagen: Wir bilden
euch aus, aber die notwendigen Sicherheitstechnologien,
auch Waffen, liefern wir euch nicht . - Das ist aus meiner
Sicht doch verlogen, um es in aller Deutlichkeit zu sagen.
({14})
Insofern müssen wir uns hier mal ehrlich machen und
überlegen, was denn unsere Position ist, was unsere Vorstellungen sind . Unsere Position muss eine andere sein
als in der Vergangenheit .
Sie versuchen, alles zu skandalisieren. Für mich sind
Rüstungsexporte und auch Waffenexporte nicht per se
schlecht,
({15})
sondern ein Instrument, das wir einsetzen müssen . Wir
werden das Problem der aktuellen Flüchtlingsströme
({16})
und die Flüchtlingsfragen nicht in Deutschland und Europa allein lösen; sie müssen auch vor Ort, im Nahen Osten und in Afrika, gelöst werden.
({17})
Diese Diskussion hätten wir heute hier führen sollen. Wir
brauchen nicht den Popanz, den Sie hier zum wiederholten Male aufbauen .
({18})
Vielen Dank, Herr Kollege Pfeiffer. - Nächste Rednerin in der Debatte: Agnieszka Brugger für die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am
26. September 2014 kam es in der mexikanischen Stadt
Iguala zu einer unfassbaren Tragödie und zu einem
schrecklichen Verbrechen. Vor fast einem Jahr griffen
dort lokale Polizisten und Söldner der Kartelle und der
Mafia Studenten an und feuerten in die Menge. 6 von
ihnen starben, und 43 Studenten wurden mit Gewalt auf
Trucks geladen und sind bis heute spurlos verschwunden.
Herr Kollege Pfeiffer, ich muss sagen: Ihre Rede der zynischen Kälte, das ist einfach nur ein Schlag in das Gesicht der Angehörigen dieser Menschen .
({0})
Relativ schnell war nämlich klar, dass bei diesem Angriff
deutsche Sturmgewehre aus dem Hause Heckler & Koch
eingesetzt worden sind, die laut Bundesregierung niemals dorthin hätten geliefert werden dürfen. Es klingt
hart, aber es ist wahr: Die deutsche Bundesregierung
trägt eine Mitschuld an dieser Gräueltat .
({1})
Das ist kein Unsinn.
({2})
Lesen Sie doch einmal die Details nach! Und es sind
nicht olle Kamellen, über die wir heute hier diskutieren.
Es sind nämlich keine ollen Kamellen, was jetzt über das
Verfahren der Bundesregierung zur Genehmigung der
G36Gewehre herausgekommen ist. Das offenbart das
erschreckende Bild einer Politik, die den Kompass für
Sicherheit und Menschenrechte völlig verloren hat .
Was 2005 und in den folgenden Jahren unter der letzten Großen Koalition passiert ist, das hat mit einer restriktiven Rüstungsexportpolitik rein gar nichts zu tun.
Sie haben die strengen Regeln, die es in Deutschland auf
dem Papier gibt, in der Realität in ihr perverses Gegenteil
verkehrt. Ich mache Ihnen das gerne konkret, damit Sie
das nachvollziehen können.
Das Auswärtige Amt hat, bevor der erste Deal genehmigt wurde, gesagt: Es gibt keine besonderen deutschen
außen- und sicherheitspolitischen Interessen, Mexiko
mit G36-Gewehren zu beliefern . Das Auswärtige Amt
hat auch auf Gefahren in Bezug auf Menschenrechte hingewiesen . Die deutschen Regeln besagen: Keine Kriegswaffenexporte in Staaten außerhalb von NATO und EU,
es sei denn, es gibt besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen . Die deutschen Richtlinien besagen:
Keine Exporte in Staaten, in denen die Menschenrechte
verletzt werden. - Aber dann waren die Bedenken des
Auswärtigen Amtes - das ist doch komisch - vom Tisch.
Ich frage Sie: Wessen Interessen sind hier zum Zuge gekommen? Doch nicht die der Menschenrechte, nicht die
der Bundesrepublik Deutschland, sondern offensichtlich
die Interessen eines einzelnen Rüstungsunternehmens .
({3})
Dann lesen Sie doch einmal die Zeitung .
Ich kann Ihnen gerne noch ein anderes Beispiel nennen .
({4})
Irgendwann wurden bestimmte Provinzen von den Genehmigungen ausgenommen, als klar war, dass dort die
Menschenrechtslage noch schlimmer und die Polizei
noch korrupter ist. Aufgrund eines Tipps aus dem Bundeswirtschaftsministerium hat Heckler & Koch seinen
Antrag entsprechend angepasst. Jetzt kommt heraus, dass
dem Mitarbeiter aus dem Bundeswirtschaftsministerium
von Anfang an klar war, dass man diese Regelung nicht
überprüfen kann, dass von Anfang an klar war, dass die
Waffen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genau dort gelandet sind, wo sie eigentlich nicht sein dürften .
Ein drittes Beispiel: Neu für Alt . Diesen wichtigen
Grundsatz haben wir eben auch schon gehört . Er besagt,
dass der Empfänger in dem Umfang, in dem er neue Waffen erhält, alte Waffen aus seinen Beständen vernichten
muss . Und dann lässt man sich abspeisen mit einem Bild,
auf dem eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft mit
einem Mitarbeiter von Heckler & Koch posiert, auf dem
zu sehen ist, wie ein paar Hundert alte Gewehre vernichtet werden . Daraufhin liefert man mehrere Tausend neue
Gewehre .
({5})
Ich muss Ihnen sagen: Sie missbrauchen diesen wichtigen Grundsatz . Das ist nichts anderes als eine einzige
große Heuchelei .
({6})
Ich finde es erschreckend, wie sich Beamte der Bundesregierung zu willfährigen Helfern einer Waffenschmiede gemacht haben, um einen sehr hohen Preis .
({7})
Eine solche Vetternwirtschaft in diesem Ministerium darf
wirklich nicht akzeptiert werden.
({8})
Meine Damen und Herren, wir Grüne verlangen von
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und all den
anderen Ministerinnen und Ministern, die hinter den
verschlossenen Türen des Bundessicherheitsrates sitzen
und über Rüstungsexporte entscheiden: Kommen Sie ja
nicht auf die Idee, wie einige Kollegen aus der Union,
diesen Vorfall kleinzureden! Sorgen Sie für lückenlose
Aufklärung, und ziehen Sie strukturelle und personelle
Konsequenzen, damit sich so etwas nie wiederholt!
({9})
Es ist höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik der
Waffenexporte endlich umfassend und radikal ändert.
({10})
Wir Grüne werden nicht aufgeben, für eine Politik zu
streiten, die sich Frieden, Sicherheit und Menschenrechten verpflichtet fühlt und diese nicht irgendwelchen Gewinninteressen einzelner Rüstungsunternehmen opfert .
Wir können das, was in Mexiko geschehen ist, nicht
wiedergutmachen. Wir können das Leid der Menschen,
die dort gestorben sind, der Menschen, die dort entführt
worden sind, das Leid der Angehörigen und Freunde, die
sie bis zum heutigen Tage verzweifelt suchen, nicht rückgängig machen. Wir können und wir müssen aber dafür
sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt .
({11})
Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. - Für die Bundesregierung: Brigitte Zypries .
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Frau Kollegin Brugger, die Bundesregierung hat
schon vor Jahren etwas dafür getan, dass sich so etwas
nicht wiederholt. Seit 2008 wurden keine Anträge auf
G36-Ausfuhren nach Mexiko mehr genehmigt, und seit
2010 werden überhaupt keine Anträge für den Export
von Kleinwaffen nach Mexiko mehr genehmigt. Damit
ist klar, dass die Causa Mexiko schon 2008 und 2010 extra bearbeitet wurde . Darauf wurde reagiert . Wir haben
eben in der Befragung der Bundesregierung auch schon
darauf Bezug genommen, und ich habe Ihnen erklärt,
dass wir darüber hinaus in dieser Großen Koalition weitere Anstrengungen unternommen haben, um den Export
von Kleinwaffen deutlicher zu kontrollieren und noch
klarer zu machen, dass wir nur unter ganz bestimmten
engen Voraussetzungen überhaupt noch Kleinwaffen exportieren . Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was wir
da schon diskutiert haben.
({0})
- Das haben wir vorhin schon dreimal gehabt . - Ich habe
sowohl auf die Kleinwaffengrundsätze hingewiesen, die
wir im Mai dieses Jahres veröffentlicht haben, als auch
auf die sogenannte Post-Shipment-Kontrolle, Herr Kollege, die wir beschlossen haben, nach der die Angaben,
die Empfänger zum Verbleib von Waffen machen, vor
Ort von Menschen überprüft werden, die unser Vertrauen
haben . Sie sehen also, dass wir alles tun, um Vergleichbares zu vermeiden .
Daneben gibt es eine staatsanwaltschaftliche Aufarbeitung . Seit Jahren schon läuft ein staatsanwaltschaftliches Verfahren gegen die Firma Heckler & Koch, was
auch zu einer weiteren Form der Aufarbeitung führen
wird .
Ich würde gerne noch auf einen Gesichtspunkt eingehen, den der Kollege Pfeiffer angesprochen hat, und
würde gerne noch einmal erläutern, dass die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 jährlich einen Rüstungsbericht vorlegt, in dem wir detailliert über die jeweiligen
Rüstungsexporte berichten . Seit letztem Jahr machen wir
jährlich auch noch einen Zwischenbericht, sodass immer
aktuelle Diskussionen möglich sind und auch der Bundestag immer aktuell auf diese Berichte eingehen kann.
Die jeweiligen Rüstungsexportberichte enthalten detaillierte Angaben, aufgeschlüsselt nach den belieferten
Ländern, nach der Anzahl der Genehmigungen, nach Güterlisten und nach dem Gesamtwert .
({1})
Diese Berichte - jetzt kommt leider ein Fehler, lieber
Herr Kollege Kampeter - sind auch für die Jahre 2007
und 2008 erfolgt . Allerdings ist da ein Fehler passiert . Es
geht um die Genehmigung der Lieferung von G36-Sturmgewehren . In den Jahren 2004 bis 2007 wurden mehrere
Lieferungen genehmigt, die insgesamt vollständig abgebildet wurden . 2008 hat die Firma noch einmal eine
Erhöhung der Stückzahlen beantragt. Das ist dann auch
genehmigt worden . Aber in der verwaltungsmäßigen
Umsetzung der Genehmigung dieser 1 393 Stück ist nicht
ein neuer Genehmigungsbescheid ergangen, wie das an
und für sich lege artis der Fall hätte sein müssen, sondern
diese Zahl wurde auf die bereits erfolgten Genehmigungen von 2007 quasi aufgesattelt . Das führte dann zu einer
fehlerhaften Darstellung im Rüstungsexportbericht . Die
Zahl, die in den Genehmigungsunterlagen von 2007 war,
wurde nicht in den Rüstungsexportbericht 2008 übernommen und wurde auch in der Folge nicht übernommen, weil sie nämlich quasi in den Akten verschwunden
war und nicht wieder auftauchte .
Dieses Handeln - das kann man wohl nicht anders
sagen - war fehlerhaft . Es wurde begünstigt durch die
Möglichkeit, Bescheide quasi nachträglich bei den geAgnieszka Brugger
nehmigten Stückzahlen zu ändern, nachträglich aufzusatteln - eine etwas befremdliche Vorstellung für mich als
Öffentlich-Rechtlerin. Für dieses Verfahren können wir
uns nur entschuldigen . Es lag an einer fehlerhaften Organisation, dass das möglich war . Diese fehlerhafte Organisation wurde bereinigt. Es gibt inzwischen eine klare
Anweisung, dass auf alte Bescheide nichts mehr stückzahlmäßig draufgesattelt werden darf. Insofern kann ein
solches Verfahren nicht wieder passieren . Jetzt müssen
jedes Mal neue Ausfuhrgenehmigungen beantragt und
erteilt werden, wenn sie denn erteilt werden .
Ich denke, die Bundesregierung hat dieses Fehlen
auch nicht verschwiegen oder verschleiert, sondern
nach außen kommuniziert. Der damalige Staatssekretär
Pfaffenbach hat auf eine Frage des Abgeordneten Schäfer
in seiner Antwort vom 14 . Dezember 2009 geschrieben:
2006 wurden Genehmigungen für die Ausfuhr von
fünf G36 nach Mexiko erteilt, im Jahr 2007 für
6 667 G36 und im Jahr 2008 für 1 393 G36 .
Da taucht diese Zahl also wieder auf . Sie war veröffentlicht, aber sie war natürlich nicht, wie es richtig gewesen
wäre, in den Berichten veröffentlicht. Dafür kann ich nur
noch einmal um Entschuldigung bitten. Ich kann Ihnen
versprechen, dass ein solcher Fehler nicht wieder vorkommen wird.
({2})
Vielen Dank, Frau Zypries. - Nächster Redner in der
Debatte: Klaus-Peter Willsch für die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kollegen! Mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der der Herbst auf den Sommer folgt, beschäftigt uns Herr van Aken in dieser Legislaturperiode weiter
mit diesem Thema. Jeder Anlass dazu ist willkommen.
Der Anlass, der dieses Mal gewählt worden ist, ist
geradezu ein Musterbeispiel dafür, dass die Dinge gut
kontrolliert funktionieren, dass Fehler, die passieren,
im Haus korrigiert werden, dass von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet werden und alles
nach rechtsstaatlichen Verfahren abgewickelt wird. Was
den Anschein hat, vielleicht nicht richtig zu sein, liegt
dann in den Händen der Justiz . Ansonsten ist der gesamte
Vorgang ein Musterbeispiel für ein Fall-für-Fall-Vorgehen . Dieses Vorgehen wird der Sache gerecht, und der
Vorgang zeigt - Frau Staatssekretärin Zypries hat den
Lernprozess geschildert -, dass man für Lernfortschritte
zugänglich ist .
Ihre Aussage, Herr van Aken: „Überall in der Welt
werden mit deutschen Waffen Menschen erschossen“,
hat ungefähr die gleiche Aussagekraft wie die Aussage:
„Überall in der Welt werden mit Waffen aus Solinger
Stahl Menschen erstochen“, oder die Aussage: „Überall
auf der Welt kommen durch deutsche Pkws Menschen
zu Tode .“
({0})
Wenn man eine Welthandelsnation ist, gibt es die Produkte nun einmal in der ganzen Welt.
({1})
Gleichwohl sagen wir nicht, dass mit Waffen zu handeln etwas Alltägliches sei,
({2})
sondern wir haben ganz strikte Regeln aufgestellt, die
eingehalten werden . Wir haben uns in ein dichtes Geflecht von Verpflichtungen hineinbegeben:
({3})
Unsere eigene Außenwirtschaftsverordnung macht zunächst einmal die Ausfuhr aller Rüstungsgüter genehmigungspflichtig; grundsätzlich wird nicht genehmigt,
wenn hinreichender Verdacht besteht, dass damit interne
Repressionen oder sonstige Menschenrechtsverletzungen ausgeübt werden . Die Prüfung der Genehmigung der
Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegt dem Bundessicherheitsrat, der geheim tagt Sie wissen, wie er zusammengesetzt ist . Bei der Erteilung der Ausfuhrgenehmigungen handelt es sich nicht
um einen formellen Akt. Das wird von Ihnen häufig so
dargestellt, aber genau das ist es nicht. Es besteht kein
Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausfuhr
von Kriegswaffen . Die Einhaltung zahlreicher Gesetze und Vereinbarungen wird zunächst abgeprüft . Insofern kann man eben nicht davon sprechen, dass hier in
Deutschland der Handel mit Rüstungsgütern oder Waffen
eine alltägliche Sache wäre .
Dagegen sprechen auch die Zahlen . Angesichts der
Güte unserer Produkte muss man ja einen Moment darüber nachdenken, warum wir bei Rüstungsgütern nicht an
der Spitze stehen .
({4})
Der Grund ist, dass wir sehr zurückhaltend sind, dass wir
uns beim Export solcher Systeme und Waffen eine Zurückhaltung auferlegen, die wir in der Koalition für richtig halten . Wir glauben, dass es auf der einen Seite natürlich legitime Sicherheitsinteressen von Ländern gibt,
denen wir dann auch helfen sollten, wenn wir in unserem
Bereich die Systeme und Waffen haben, die benötigt werden. Diese muss man selbstverständlich exportieren können, wenn die Voraussetzungen in dem entsprechenden
Land vorliegen .
Wir müssen uns auf der anderen Seite, wie Kollege
Dr . Pfeiffer es in seinem Beitrag angesprochen hat, natürParl. Staatssekretärin Brigitte Zypries
lich auch immer um unsere eigenen Interessen Gedanken
machen .
({5})
Welche strategischen Interessen haben wir in der Welt?
Wo müssen wir Systeme stabilisieren, um Situationen,
wie wir sie jetzt mit der Flüchtlingswelle erleben, zu
vermeiden, nicht eintreten zu lassen? Darüber würde ich
gerne eine breitere Diskussion führen. Mit dem simplen
Einschlagen auf den - ich glaube, Sie nennen es so - „militärisch-industriellen Komplex“, oder wie das bei Ihnen
heißt, kommen wir kein Stück weiter.
({6})
Wir sollten froh sein über technologische Leistungen,
die unsere Industrie, unsere Wirtschaft, unsere Wissenschaft vollbringen . Wir sollten dazu beitragen, dass sie
zum Nutzen der Menschen und zum Stiften von Frieden
und Rechtssicherheit eingesetzt werden können. Wir
werden weiterhin sorgfältig darauf achten, dass Waffen
aus deutscher Herkunft nicht fahrlässig in irgendwelche
Richtungen verbreitet werden . Das System, das hier errichtet ist, funktioniert. Daran haben die die Regierung
tragenden Parteien den höchsten Anteil .
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Danke, Kollege Willsch. - Nächste Rednerin: Heike
Hänsel für die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Willsch, was Sie gerade gesagt haben, zeigt,
dass Sie überhaupt keine Ahnung haben. Sie haben hier
darauf hingewiesen, dass es jetzt eine strafrechtliche
Verfolgung, Untersuchungen usw. gibt. Das alles findet
überhaupt nur statt, weil es eine Anzeige eines Rüstungsgegners, nämlich von Jürgen Grässlin, gab, der zusammen mit dem Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer
das Ganze ins Rollen gebracht hat .
({0})
Wir haben es überhaupt nur der Zivilgesellschaft und den
Friedensaktivisten zu verdanken, dass hier einmal Licht
ins Dunkel dieser ganzen Verflechtungen kommt.
({1})
Man sieht doch, dass hier auf Initiative der Ministerien, der Regierung, überhaupt gar keine Untersuchungen
eingeleitet werden . Sie schieben sich gegenseitig ständig
den Schwarzen Peter zu, wer für die Rüstungsexporte
nach Mexiko verantwortlich ist und welche Vereinbarung es mit Heckler & Koch gab oder nicht. Sie haben
doch überhaupt keine Ahnung von dem, worüber Sie hier
reden .
Ich muss sagen: Frau Zypries, Sie waren in dieser Zeit
der Waffenlieferungen Justizministerin . Es wäre interessant, zu wissen, ob Sie als Mitglied des Bundessicherheitsrates eigentlich Informationen über Rüstungsexporte nach Mexiko erhalten haben, und zwar zu einem
Zeitpunkt, zu dem Mexiko schon in einem massiven
Sumpf von Menschenrechtsverletzungen und Verschwindenlassen versunken war. Das ist doch der Skandal.
({2})
Ayotzinapa, diese Tragödie, die von uns angesprochen
wurde, diese 43 verschwundenen Studenten, das ist nur
die Spitze des Eisbergs. Wir sprechen in Mexiko von
über 25 000 Menschen, die verschwunden sind, und von
über 100 000 Toten allein seit 2006; das muss man sich
einmal vorstellen . In dieser Zeit gab es Waffenlieferungen nach Mexiko von Heckler & Koch. Das ist in meinen
Augen verbrecherisch . Die dafür Verantwortlichen müssen bestraft werden .
({3})
Man bekommt vom Ministerium immer gesagt: Wir
haben überhaupt keine bestimmten Bundesstaaten genannt. Heckler & Koch beruft sich aber darauf, dass es
solch eine Absprache gab. Es wird nichts an Aufklärung betrieben . Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart, Herr
Willsch, ermittelt seit fünfeinhalb Jahren, hat aber noch
nicht einmal Anklage erhoben. Das ist der nächste Skandal: dass hier sehr viele Informationen vorhanden sind
und Jahr für Jahr nur ermittelt wird . Das ist die Realität
hier in Deutschland bezüglich Rüstungsexporten . Deshalb brauchen wir eine grundsätzliche Änderung .
({4})
Ich möchte Ihnen etwas zeigen .
({5})
Ich war auch in Ayotzinapa, in Guerrero, und habe am
Straßenrand dieses Foto eines Polizisten mit einem Gewehr von Heckler & Koch, G36, gemacht, das eigentlich
nie dort sein dürfte . Ich war gerade einmal einen Tag in
Ayotzinapa. Das zeigt doch, dass es eine Systematik an
Ausrüstung mit deutschen Gewehren an Orten gibt, wo
sie nicht hingehören. Das kritisieren wir.
({6})
Ich möchte zu Ihnen, Herr Pfeiffer, noch etwas sagen .
Wohin ist er denn verschwunden? Ist er schon gegangen?
Mich wundert auch, wo der Kollege Volker Kauder ist.
Von ihm, der für den Wahlkreis, in dem sich Heckler &
Koch befindet, zuständig ist - Heckler & Koch hat seinen
Sitz in Oberndorf -, sieht und hört man überhaupt nichts .
Seit Jahren hält er die Hand schützend über diesen Konzern, und zu keinem einzigen Skandal hat er auch nur
eine einzige Silbe gesagt . Ich erwarte, dass Herr Kauder
hier einmal etwas zu den deutschen Rüstungsexporten
sagt .
({7})
Herr Pfeiffer ist leider nicht mehr da. Aber er, denke
ich, hat - da kommt er wieder - im wahrsten Sinne des
Wortes den Vogel abgeschossen, als er uns hier erzählt
hat, mit Rüstungsexporten würden Fluchtursachen bekämpft. Einen größeren Blödsinn habe ich in den letzten
zehn Jahren nicht gehört .
({8})
Wir alle diskutieren hier rauf und runter darüber, dass
die deutschen Rüstungsexporte eine der Hauptfluchtursachen sind, weil sie Krisen und Kriege massiv verschärfen. Saudi-Arabien kämpft und tötet derzeit im Jemen
mit deutschen Waffen . Das Land hat sogar eine Lizenz
von Heckler & Koch bekommen, um die Waffen zu produzieren - und sie laut Bundesregierung angeblich wieder nur im eigenen Land einzusetzen . Sie werden jetzt im
Kampf gegen die Huthi-Rebellen im Jemen eingesetzt .
Als Folge gibt es jetzt schon über 100 000 Flüchtlinge . 80 Prozent der Bevölkerung sind von humanitärer
Hilfe abhängig. Diese Politik halten Sie auch noch für
richtig? Es ist unglaublich, was hier passiert . Da muss
sich die Bevölkerung angesichts der vielen Flüchtlinge,
mit denen wir es derzeit zu tun haben, wirklich an den
Kopf greifen . Und Sie reden weiterhin Rüstungsexporten das Wort, weil sie eine effektive Möglichkeit wären,
Fluchtursachen zu bekämpfen!
({9})
Abstruser geht es wirklich nicht mehr.
({10})
Ich muss sagen: Dazu fällt mir überhaupt nichts mehr ein .
Da kann ich nur noch einmal auf heute Abend verweisen und der Bevölkerung nahelegen: Schauen Sie sich
die Dokumentation „Meister des Todes“ in der ARD an!
({11})
Wir sehen hier: Rüstungsexporte sind Geschäfte mit dem
Tod . Deswegen lehnen wir sie grundsätzlich ab .
({12})
Vielen Dank, Frau Kollegin Hänsel. - Nächster
Redner in der Debatte ist der Kollege Westphal für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es in dieser Aktuellen Stunde? Im Jahr 2008
wurden 1 393 nach Mexiko exportierte G36-Gewehre im
Rüstungsexportbericht des Wirtschaftsministeriums unter der Verantwortung des damaligen Ministers Michael
Glos nicht registriert . Deshalb ist es unredlich, den jetzigen Wirtschaftsminister für dieses Versäumnis verantwortlich zu machen . Es ist jedoch unsere Aufgabe, diesen
Vorfall aufzuklären und dafür zu sorgen, dass so ein Versäumnis nicht wieder vorkommt. Diesen Anspruch muss
ein Parlament haben .
({0})
Nach den Informationen des Ministeriums, die uns
bis heute vorliegen, ist im Jahr 2008 eine Genehmigung
nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz aus dem Jahr 2007
zur Ausfuhr von G36-Gewehren nach Mexiko erweitert
worden . Für den Rüstungsexportbericht des Jahres 2007
konnten diese Lieferungen nicht mehr berücksichtigt
werden, da die Erhebung bereits abgeschlossen war, und
für 2008 wurden diese zusätzlichen Lieferungen nicht erfasst, weil sie aus der Ursprungsgenehmigung von 2007
resultierten . So ein Fehler hätte nicht passieren dürfen .
Wenn wir vom Wirtschaftsministerium einen Rüstungsexportbericht hier im Parlament vorgelegt bekommen,
müssen wir als Abgeordnete davon ausgehen, dass er
vollständig und verlässlich ist .
({1})
Wie es nun 2007 und 2008 war, hat die Staatssekretärin hier meiner Meinung nach gut vorgetragen . Das ist
sicherlich nicht in Ordnung gewesen; das hat sie zugegeben. Aber dieser Fall taugt nicht zur Skandalisierung, wie
es meine Vorredner hier versucht haben .
({2})
Damit sich so ein Fall in Zukunft nicht wiederholt,
sind erste Maßnahmen, auch beim BAFA, getroffen worden . Eine Erweiterung von bereits erteilten Ausfuhrgenehmigungen ist grundsätzlich nicht mehr zulässig . Ich
denke, die Maßnahmen, die das Ministerium unter der
Leitung von Sigmar Gabriel hier getroffen hat, kann man
nur begrüßen .
Aber was auch zur Wahrheit gehört, ist, dass bereits
die Fragen hier im Parlament zu diesem Fall 2009 - damals auf Anfrage des Abgeordneten Paul Schäfer von den
Linken - beantwortet wurden. Der damalige Staatssekretär hat die genauen Stückzahlen genannt, bei denen versäumt wurde, sie im Rüstungsexportbericht aufzuführen .
Ich denke, das ist etwas, was man mit erläutern muss.
Ebenso muss darauf hingewiesen werden, dass die
Bundesregierung seit einigen Jahren die Bearbeitung von
Ausfuhrgenehmigungsanträgen im Hinblick auf Kleinwaffen für Mexiko ganz ausgesetzt hat, weil es genau
die genannten Gründe gibt, diese Waffen nicht in diese
Region zu liefern .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die neuen
Transparenzmaßnahmen, die wir in dieser Legislaturperiode eingeführt haben, werden das Parlament und
die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend informiert.
Dieser Rüstungsexportbericht wird zeitnah und zweimal
im Jahr veröffentlicht. Das ist eine neue Entwicklung
und bedeutet eine wesentliche Verbesserung gegenüber
der bisherigen Praxis, dass die Veröffentlichung andertHeike Hänsel
halb Jahre gebraucht hat . Durch die Änderung der Geschäftsordnung werden nun auch die Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates dem Parlament und dem Wirtschaftsausschuss zeitnah mitgeteilt . Die Transparenz bei
Exporten von deutschen Rüstungsgütern wurde damit
erheblich verbessert .
Es zeigt sich, dass die bisherigen Mechanismen funktionieren. Ich denke, dass hier den berechtigten Interessen des Parlaments und der Öffentlichkeit Rechnung getragen wird, aber ich sage auch ganz deutlich: Wir dürfen
an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Auch hier brauchen wir eine Weiterentwicklung.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat im Juli 2015 auf Vorschlag des Bundesministers Sigmar Gabriel Eckpunkte für eine neue Regelung
zur Kontrolle des Endverbleibs von Rüstungsgütern beschlossen, die sogenannten Post-Shipment-Kontrollen .
Es gilt der Grundsatz „Alt gegen Neu“ . Daneben soll
künftig nachträglich vor Ort im Empfängerland auch
die Ausfuhr von Kleinwaffen in Drittstaaten kontrolliert
werden . Empfänger von Waffen in Drittländern müssen
sich künftig in den geforderten Endverbleibserklärungen
mit Kontrollen vor Ort einverstanden erklären. Die Vorbereitung und die Durchführung erfolgen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Die Bundesregierung hat sich in Bezug auf die Exporte von Rüstungsgütern für eine strikte, restriktive
Politik ausgesprochen. Dies ist im Koalitionsvertrag
auch so verankert worden, ebenso wie die politischen
Grundsätze von 2000 über Rüstungsexporte . In den Koalitionsverhandlungen wurde darüber hinaus ausdrücklich
festgestellt, dass diese politischen Grundsätze weiterhin
Gültigkeit haben. Auf dieser Grundlage gibt es ebenfalls
einen europäischen gemeinsamen Standpunkt, der sich
diesem Thema widmet, sodass diese Regeln ebenfalls
gelten .
Vor allem hinsichtlich der Genehmigung von Kleinwaffen ist in den aktuellen Berichten zu sehen, dass diese
politischen Maßnahmen greifen und es erhebliche Reduzierungen gab . Das Volumen der genehmigten Exporte
von Kleinwaffen an Drittländer betrug im Jahr 2014 rund
22 Millionen Euro . Dieses ist auf 15 Millionen Euro reduziert worden . Daran sieht man, dass schon eine Wirkung eingetreten ist.
Durch die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung
gibt es erfreuliche Fortschritte bei der Reduzierung und
der Kontrolle von Rüstungsgütern . Deshalb werden wir
den Wirtschaftsminister Gabriel auf diesem Weg weiter
unterstützen .
Vielen Dank.
({4})
Vielen Dank, Herr Kollege Westphal. - Nächster Redner in der Debatte: Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich fand es in Ordnung, dass die Staatssekretärin Zypries
zugegeben hat, dass da etwas schiefgegangen ist, dass
nämlich 1 393 G36-Gewehre in dem Bericht nicht aufgetaucht sind, und dass sie sich dafür entschuldigt hat . Frau
Zypries, es wäre vielleicht aber auch angemessen gewesen, an dieser Stelle einmal etwas zu dem eigentlichen
Problem zu sagen, weshalb wir uns hier heute zu einer
Aktuellen Stunde treffen.
({0})
Dazu, dass mithilfe der Bundesregierung, mithilfe
deutscher Waffen, mithilfe der Waffenlieferungen, die
die Bundesregierung genehmigt hat, obwohl sie wissen
konnte und musste, dass diese Waffen in falsche Hände
geraten, unter anderem das Massaker in Iguala angerichtet worden ist, bei dem 5 Studenten zum Teil bestialisch
ermordet und 43 entführt worden sind, hätten Sie doch
einmal etwas sagen können. Sie hätten sagen können,
dass Sie das bedauern, dass es peinlich ist, dass in diesem
Zusammenhang G36-Gewehre auftauchen, und dass Sie
sich das zur Lehre dienen lassen . - Das hätte ich erwartet .
({1})
Stattdessen erzählt uns Herr Pfeiffer hier, dass es eigentlich richtig ist, G36-Gewehre zu liefern .
({2})
Er nennt Mali als Beispiel - gemeint war aber genauso
Mexiko -, und vielleicht hätte man noch mehr G36-Gewehre liefern sollen . Dies wird dann immer damit zu
entschuldigen versucht, dass man sagt: Damit kann man
überhaupt erst rechtsstaatliche Verhältnisse herstellen,
Sicherheit in dem jeweiligen Land schaffen und verhindern, dass es zu Flüchtlingen kommt und Menschen ermordet werden .
Wollen Sie nicht einmal zur Kenntnis nehmen, lieber
Herr Kollege, dass hier genau das passiert ist, was wir
immer befürchtet und angemahnt haben? Wir haben immer gesagt: Es droht die Gefahr, dass vielleicht auch die
dortige Polizei, an die wir die Gewehre liefern, die falsche Adresse sein kann. - Der Mann, der einen Studenten
mit einem G36-Gewehr bestialisch ermordet haben soll,
soll ein Polizist gewesen sein . Nehmen Sie doch einmal
zur Kenntnis: Es gibt keine „guten“ Waffenexporte, mit
denen Kriminalität verhindert werden kann, die Sicherheit schaffen und eine moralische Welt irgendwie in die
Wege leiten .
({3})
Das ist genau der falsche Weg . Sie sollten vielleicht
das tun, was die Kollegin und auch ich gemacht haben,
nämlich einmal nach Mexiko fahren, um sich dort mit der
Regierung und der Industrie - oder wen Sie dort gerne
besuchen -, aber auch mit Menschenrechtsorganisationen sowie mit Angehörigen von Betroffenen zu unterhalten .
Ich war im April dort . Ich habe mit den Eltern eines
der entführten Studenten gesprochen . Ich habe mit einem
Studenten gesprochen, der sich gerade noch unter einem
Bus verbergen konnte und von dort aus die Tötung seiner
Kommilitonen miterlebte . Der hat mir das berichtet . All
denen war klar - sie haben das auch kritisiert und hervorgehoben -, mit welcher Waffenausrüstung die Polizei und
die Mafia - zum Teil zusammen - dort vorgehen. Dabei
handelte es sich unter anderem um G36-Gewehre . Lange
Zeit ist das bestritten worden, bis Fotos aufgetaucht sind,
auf denen man die Nummern der G36-Gewehre feststellen konnte. Man konnte auch genau feststellen, zu welchem Zeitpunkt sie aus Deutschland dorthin geliefert
worden sind .
Das sollten Sie sich einmal merken, wenn Sie vielleicht in der Tradition der Bundeswehr denken: Wir gehen dorthin, helfen beim Kriegführen bzw . beim Ausbilden . Wenn wir Waffen dorthin liefern, tun wir schon
sehr viel Gutes . - Das ist genau der falsche Weg . Diese
Lehre sollten Sie den Studenten in Iguala zuliebe ziehen .
43 sind verschwunden . Wahrscheinlich sind auch sie umgebracht und dann verbrannt worden. 5 sind klar getötet
worden .
Das alles ist mit dem Segen und sogar auf Anregung - wahrscheinlich sogar auf Befehl - der örtlichen
Regierung geschehen . Das Militär und die Polizei waren
beteiligt. Sie alle waren zusammen mit der Mafia dort.
Das heißt, man kann in solchen Bürgerkriegsgebieten
sehr häufig gar nicht mehr unterscheiden, wer die Guten
und die Bösen sind, und man kann sich nicht fragen: Was
kann man da machen? Welche Seite muss man stärken?
Zumindest darf man keine Waffen mehr dorthin liefern,
um nicht das Risiko einzugehen, dass diese Waffen zur
grausamen Ermordung von Unschuldigen gebraucht und
missbraucht werden .
Wir treffen uns hier heute zur Aktuellen Stunde, um
darauf hinzuweisen; denn am Samstag ist der zweite Jahrestag dieses Massakers. Sie sollten sich daran genauso
wie wir erinnern, und Sie sollten daraus für Ihre tägliche
Politik auch hier im Hause Schlussfolgerungen ziehen.
({4})
Vielen Dank, Hans-Christian Ströbele. - Der nächste
Redner in der Debatte ist Andreas Lämmel für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Verehrter Herr Ströbele, Sie können sicher sein,
dass uns die Ereignisse in Mexiko nicht kalt lassen.
({0})
- Sorry! Langsam, langsam! - Dass die Verquickung mit
Mafia bzw. Kriminellen einer Demokratie unwürdig ist,
wird, glaube ich, in diesem Hause hier niemand bestreiten .
Trotzdem muss man festhalten: Mexiko ist normalerweise ein demokratisch verfasstes System. Es finden
Wahlen statt, es gibt eine Armee, die einer demokratischen Kontrolle untersteht, und es gibt Polizeieinheiten,
die einer demokratischen Kontrolle unterstehen. Dass es
in Mexiko eine Verquickung zwischen all diesen mit den
Kriminellen gibt, ist natürlich ein Riesenproblem . Das ist
leider nicht nur in Mexiko so, sondern es gibt in der ganzen Welt viele Länder, wo wir das Gleiche finden. Dass
bei diesen Massakern, Entführungen und Morden möglicherweise deutsche Waffen eine Rolle gespielt haben, ist
wirklich sehr bedauerlich. Das ist überhaupt keine Frage.
Aber Sie können das doch nicht in Zusammenhang mit
uns bringen und so tun, als ob Deutschland ein Ausrüster
für Gangster in der Welt ist .
({1})
So stellen Sie das hier dar .
({2})
Der Herr van Aken nutzt solche Vorfälle, um daraus
einen Skandal zu machen. Herr van Aken, ich habe es
Ihnen schon einmal gesagt: Ihre Parteivorgänger - das
ist noch nicht lange her; wir feiern dieses Jahr 25 Jahre
deutsche Einheit -, Ihre Vorgänger in der SED, waren
die größten Waffenhändler in der Welt . Diese haben zwischen gerechten und ungerechten Kriegen unterschieden .
({3})
Wer einen gerechten Krieg führte, wurde mit Waffen ausgerüstet, so war die Definition. Wer einen ungerechten
Krieg führte, wurde bekämpft. Diese damaligen Machenschaften verliefen ohne jegliche demokratische Kontrolle .
Man kann schon sagen: Wir sind jetzt viel weiter. Die
Rüstungsexportkontrolle in Deutschland geschieht auf
der Grundlage einer klaren Gesetzlichkeit. Die Grundsätze dafür haben Sie mitentwickelt, Herr Ströbele.
({4})
Das sind die Grundsätze aus der rot-grünen Regierungszeit .
({5})
Insofern kann das, was wir in Deutschland machen, nicht
so schlecht sein .
({6})
- Sie werden eingehalten . Ich meine, die Staatsanwaltschaft wird in diesem Falle sehen, ob möglicherweise
Gesetzesverletzungen zu verzeichnen sind oder nicht .
Ich möchte die andere Seite Deutschlands hervorkehren, die überhaupt nie eine Rolle spielt . Deutschland ist
einer der größten Abrüster in der Welt . Das wird immer
völlig vergessen und nirgendwo diskutiert. Aktuelles Beispiel ist die Streumunition . Diejenigen, die sich mit dem
Thema befassen, kennen das genau: Deutschland hatte
die größten Mengen an Streumunition in seinen Lagern
liegen und hat - vorfristig - gemäß der UNO-Konvention
die gesamte Streumunition vernichtet . Russland, China,
Brasilien und andere Länder haben die Konvention noch
nicht einmal unterschrieben .
Ich erinnere auch an die Vernichtung der Giftgasbestände aus Syrien . Das war ein großer Beitrag für die Region, der dazu diente, dem syrischen Regime die Giftgaswaffen aus der Hand zu nehmen . Deutschland war sofort
und an vorderster Stelle mit dabei .
({7})
Ich denke an die Abrüstung der russischen Atom-UBoot-Flotte . Mehrere 100 Millionen Euro haben wir in
das Projekt gesteckt, damit russische U-Boote die Welt
nicht mehr unsicher machen können. Ich denke auch an
den zivilen Aufbau in Afghanistan, der uns sehr viel Geld
gekostet hat und der Friedenssicherung unter militärischem Schutz gedient hat .
({8})
Wissen Sie, man muss all das im Zusammenhang sehen. Ich komme auf das Beispiel zurück, das Kollege
Pfeiffer angeführt hat und bei dem Sie gesagt haben: Es
gibt keinen Zusammenhang zwischen Flüchtlingsströmen und der Rolle Deutschlands in der Welt . - Natürlich
ist das so .
({9})
Wenn wir in Somalia versuchen, einen zusammengebrochenen Staat wieder aufzubauen, ihm wieder zu
staatlicher Macht zu verhelfen - das Gleiche gilt auch
für Mali und andere Länder in der Welt -, dann heißt das
natürlich: Wenn man Streitkräfte oder eine Polizei aufbauen will, dann muss man diesen Menschen eine Waffe
geben. Sie können natürlich mit Holzstöcken losgehen;
das ist klar. Dann haben sie aber keine Chance gegen die
Kriminellen . Sie brauchen einfach Waffen . Leider - das
ist nun einmal so - muss jemand die Ausrüstung bereitstellen. Deutschland liefert Waffen in die Welt; gar keine
Frage . Aber die Grundsätze, nach denen diese Waffenexporte genehmigt werden, sind die schärfsten und härtesten in der Welt; das wissen Sie ganz genau.
({10})
Ich sage zusammenfassend: Die Sache mit den Waffenlieferungen nach Mexiko ist für alle erschütternd.
Aber, Herr van Aken, sie kann nicht dazu dienen, die
Rolle Deutschlands zu skandalisieren; das möchte ich
Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen .
({11})
Vielen Dank, Herr Lämmel. - Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist Frank Schwabe für die SPD.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Damen und Herren! Ich finde, dass dies in der
Tat eine richtige und wichtige Debatte ist . Es ist gut, dass
wir sie hier führen . Es ist schon Werbung für den Film,
der heute Abend läuft und den auch ich sehr gut finde,
gemacht worden. Ich glaube, Schleichwerbung kann man
uns nicht unterstellen . So viele schauen sich die Debatte
wahrscheinlich nicht an . Aber es ist eine wichtige Debatte .
Es ist auch wichtig, Herr van Aken - das war auch bei
Ihnen, Frau Brugger, ein bisschen so -, dass wir zwischen
Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. Es ist eben ein
Film, und nicht alles, was darin vorkommt, entspricht am
Ende der Wahrheit .
Es gibt ein paar Hinweise, dass es Verquickungen gab,
die untersucht werden müssen .
({0})
Es gibt in Deutschland aber die Gewaltenteilung, und
letzten Endes sind die Gerichte dafür zuständig, genau zu
untersuchen, um was es sich dabei handelt .
Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages wird in einigen Tagen nach Mexiko reisen. Eigentlich steht die Reise unter der Überschrift Wirtschaft
und Handel im Zusammenhang mit Menschenrechten,
aber natürlich werden wir uns die Lage vor Ort ansehen .
Wir werden der Frage nachgehen, was dort passiert ist,
und wir werden uns vor allen Dingen damit befassen, wie
das eigentlich in Zukunft wird.
So gut es ist, dass es jetzt neue Regelungen gibt: Zentral ist, glaube ich, am Ende, dass diese Regeln auch kontrolliert werden. Das wird der Lackmustest sein, ob das,
was es jetzt an guten neuen Grundsätzen gibt, dann auch
mit Leben gefüllt wird .
Sigmar Gabriel und auch die Sozialdemokratische
Partei stehen dafür, dass es eine strengere Rüstungskontrolle geben soll. Damit hat er nicht nur Panzer, Raketen
und U-Boote gemeint, sondern vor allen Dingen sogenannte Kleinwaffen . Man wundert sich immer über den
Begriff „Kleinwaffen“ . Wenn man diese Waffen sieht,
zeigt sich, dass es alles andere als kleine Waffen sind. Ein
Zitat von Sigmar Gabriel vom Mai: Es sind Kleinwaffen,
die in Bürgerkriegen die meisten Menschenleben kosten.
In der Tat, darüber wird zu diskutieren sein. Aber
Sigmar Gabriel, die Sozialdemokratie und die gesamte
Bundesregierung werden sich daran messen lassen müssen, und dazu muss man eine entsprechende Bilanz vorlegen .
Ich finde, das, was Sigmar Gabriel dazu gesagt hat,
hebt sich wohltuend von manchen Debattenbeiträgen ab,
die auch heute in diesem Hause gehalten wurden, und
damit meine ich durchaus mehrere Fraktionen.
({1})
- Bitte sehr .
Heute Abend gibt es den Themenabend mit dem Film
„Meister des Todes“ in der ARD . Ich will noch einmal sagen, dass es ein sehenswerter, spannender und wichtiger
Film ist . Wir hatten über Amnesty International eine Art
Vorpremiere im Deutschen Bundestag organisiert . Dabei
hat Rainer Arnold, unser verteidigungspolitischer Sprecher, für die Sozialdemokraten gesprochen. Es ist mir
auch wichtig, dass wir zwischen den Menschenrechtlern
und denjenigen unter den Wirtschaftspolitikern, Verteidigungspolitikern und Außenpolitikern, die für Lateinamerika zuständig sind, eine gemeinsame Linie haben.
Er hat deutlich gemacht, dass es auch bei Waffenexporten
verteidigungspolitische Interessen gibt . In dieser Ansicht
unterscheiden wir uns unter den Fraktionen im Haus.
Aber es ist keine zentrale wirtschaftspolitische Frage,
und es darf auch keine zentrale wirtschaftspolitische Frage sein . Ich glaube, es wäre falsch, wenn wir die Dinge
so diskutieren würden.
({2})
Auch das muss ehrlich gesagt werden - dabei bricht
einem kein Zacken aus der Krone -, dass beim Export
von Waffen nach Mexiko ziemlich viel schiefgegangen
ist . Das ist ganz offensichtlich . Dabei gab es anscheinend
kriminelle Energie, und das muss juristisch aufgearbeitet
werden. Dazu kommt - das ist aber eine andere Frage ein Dokumentationsversäumnis der Bundesregierung,
das von der Staatssekretärin auch offen eingeräumt wurde - auch dabei bricht einem kein Zacken aus der Krone -, dass es scheinbar keine bewusste Verschleierung
sein sollte, sondern eher sozusagen ein Fehler im System
war . Das wird angesichts der Dimension der Zahlen etwas deutlicher . Dass man die Lieferung von 8 000 oder
9 000 Waffen eingesteht und 1 300 verschleiern wollte,
macht für die öffentliche Debatte keinen Sinn.
Kleinwaffen - um auch das noch einmal klarzumachen - töten jedes Jahr bis zu einer halben Million
Menschen . Das heißt, ungefähr 1 000 Menschen pro Tag
sterben durch Kleinwaffen . Weltweit gibt es 900 Millionen Kleinwaffen, und viele davon sind in der Tat in den
falschen Händen. Dort sind sie irgendwie hingekommen,
und deswegen muss man beim Export ganz vorsichtig
sein . Heide Simonis hat sie als frühere Vorsitzende von
UNICEF Deutschland als „Massenvernichtungswaffen
unserer Zeit“ bezeichnet .
Tatsache ist, dass mit Kleinwaffen aus Deutschland in
Teilen der Welt großes Unheil angerichtet wurde . Das hat
etwas damit zu tun, dass die Regeln und die Kontrolle
nicht gestimmt haben. Beides hat nicht funktioniert. Deswegen ist es gut - das ist schon angesprochen worden -,
dass es neue Grundsätze für den Export von Kleinwaffen gibt, nämlich den Grundsatz „Neu für Alt“, der auch
wirklich effizient umgesetzt werden muss - es muss eine
effiziente Endverbleibskontrolle geben -, und dass zum
Beispiel nach Mexiko zurzeit überhaupt keine Waffen
geliefert werden, weil nicht sicherzustellen ist, in welchen Händen die Waffen in Mexiko landen.
Wenn wir in Mexiko sind, werden wir sicherlich auch
den Militärattaché treffen . Ich habe schon den einen oder
anderen Militärattaché getroffen und war mir nie ganz sicher, wie er seine Aufgabe sieht. Ich finde, die erste Aufgabe eines Militärattachés muss sein, für die Rüstungsexportkontrolle zu sorgen und sie entsprechend effizient
umzusetzen .
Vielen Dank.
({3})
Vielen Dank, Kollege Schwabe. - Nächster Redner
in der Aktuellen Stunde: Helmut Nowak für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Seit 2000 informiert die Bundesregierung
regelmäßig über deutsche Rüstungsexporte durch den
jährlichen Rüstungsexportbericht . Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wollen wir für mehr Transparenz sorgen .
Das ist uns auch gelungen . So gibt es seit 2014 zusätzlich
einen halbjährlichen Zwischenbericht . Damit wird die
Öffentlichkeit detailliert informiert, in welche Länder die
Exporte gehen, wie viele Genehmigungen es gab, welche
Güter versendet wurden und um welchen Gesamtwert es
sich handelt . Das geschieht bei jedem einzelnen Auftrag,
auch bei dem Export nach Mexiko. Dass die Genehmigung von 1 393 G36-Sturmgewehren im Jahr 2008 nach
Mexiko nicht im entsprechenden Rüstungsexportbericht
aufgeführt wurde, ist ein Fehler; so etwas darf nicht passieren. Aber unsere Parlamentarische Staatssekretärin hat
dazu sehr deutlich gesagt - deshalb will ich dazu keine
näheren Ausführungen machen -, wie es dazu kam und
wie in Zukunft solche Fehler verhindert werden. Sie hat
sich zudem im Namen der Bundesregierung entschuldigt. Sie, Herr van Aken, haben das im Ausschuss bereits
positiv bewertet . Es war sinnvoll, dass das so verlaufen
ist. Die Situation ist also weitgehend aufgeklärt. Allerdings werden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
möglicherweise noch etwas andauern . Spätestens mit der
schriftlichen Anfrage des Kollegen Schäfer von 2009 hat
die Bundesregierung die Genehmigung der Ausfuhr der
G36 öffentlich bekannt gegeben.
Nach meiner Ansicht wollen die Linken diesen eingestandenen Fehler offensichtlich dazu nutzen, wieder
einmal über Rüstungsexporte zu diskutieren, diese zu
diskreditieren und möglichst generell zu stoppen.
({0})
Deshalb möchte ich generell einige Ausführungen zu
den Rüstungsexporten machen . Im Vergleich zu anderen
Ländern auch und gerade im transatlantischen Bündnis
haben wir uns für klar definierte Hürden bei der Genehmigung und der Kontrolle von Rüstungsexporten ausgesprochen, wie Sie wissen . Angenommen, wir würden
sämtliche Rüstungsexporte verbieten: Was würde das
bringen? Würde dadurch auch nur ein Krieg verhindert
werden? Ich glaube es nicht . Die Folge wäre lediglich,
dass unsere Exporte dann von anderen Ländern übernommen würden, deren Kontrollen und Anforderungen
an den jeweiligen Partner eher geringer ausfallen .
Zudem träfen die negativen Folgen eines generellen
Verbots von Rüstungsexporten einzig und allein uns
selbst . Ein generelles Verbot der Ausfuhr deutscher Sicherheitsprodukte würde in vielen Fällen das Ende von
Entwicklung und Produktion von Sicherheitsgütern in
Deutschland bedeuten . Als Ergebnis stünde der Verlust
von zehntausend Arbeitsplätzen fest . Noch bedeutender
allerdings wäre, dass unser Land dann vollständig abhängig von Importen würde und wir die Kontrolle über
unsere eigene nationale Sicherheit verlieren würden . Das
kann nicht Ziel einer verantwortungsvollen Außen- und
Sicherheitspolitik sein. Es ist jedenfalls nicht das Ziel der
Großen Koalition .
Wir sollten uns nicht verunsichern lassen . Die deutsche Rüstungsexportpolitik war immer eine Politik der
Selbstbeschränkung, die darauf abzielte, unsere Standards europaweit, bündnisweit und letztendlich international durchzusetzen . Das muss weiterhin unser Ziel sein .
Aber das erreichen wir nicht durch ein Verbot der Rüstungsexporte; denn das würde unsere auf Transparenz
und Nachvollziehbarkeit aufbauende Politik konterkarieren, ganze Industriebereiche und deren Arbeitsplätze
vernichten und uns letztendlich eine fatale Abhängigkeit
bescheren, ohne dass dadurch die Gesundheit oder gar
das Leben der Menschen in anderen Ländern geringer
gefährdet würde, da es lediglich zur Substitution der Lieferanten käme, insbesondere aus Ländern ohne unsere
strengen Waffenexportbestimmungen .
Abschließend: Wir wollen unsere wettbewerbsfähigen
Unternehmen erhalten und Technologien im Inland fördern . Wir wollen bei den Kontrollen von Rüstungsexporten weiterhin weltweit Standards setzen und mit gutem
Beispiel vorangehen . Wir wollen unseren Bürgern auch
in Zukunft eine wirksame Landesverteidigung garantieren . Wir wollen anderen Ländern dieselbe sichere und
stabile Landesverteidigung nicht verwehren . Deshalb
halten wir Rüstungsexporte für unverzichtbar, allerdings
bei Beibehaltung der strengen Kontrollen der Rüstungsexporte . Es wäre gut, wenn wir nicht außer Acht ließen,
was andere Länder wie Russland und China machen .
Dann brauchten wir uns nicht permanent mit uns selbst
zu beschäftigen .
Herzlichen Dank.
({1})
Danke, Herr Nowak. - Nächster Redner in der Debatte: Klaus Barthel für die SPD .
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich finde es gut, dass wir über diese Vorgänge bei den
Rüstungsexporten nach Mexiko sprechen, zum einen,
weil wir so noch einmal über Lücken diskutieren können, die es in der Exportpraxis bisher gegeben hat, und
zum anderen, weil wir noch einmal über die Situation in
Mexiko sprechen können. Ich glaube, beide Themen sind
es wert, hier beleuchtet zu werden .
Kollege Pfeiffer, ich finde es richtig und wichtig, dass
wir in diesem Zusammenhang einmal über Fluchtursachen reden. Man kann sich das Ganze in Mexiko gut anschauen, woher jährlich Hunderttausende von Menschen
in die USA fliehen. Die Frage, die wir hier diskutieren
müssen, ist, ob diese Menschen deswegen fliehen, weil
es in Mexiko zu wenige Waffen, auch bei der Polizei und
beim Staat, gibt oder ob es nicht vielleicht umgekehrt ist:
dass in diesem Land viel zu viele Waffen unterwegs sind,
vor denen die Menschen flüchten.
({0})
Man kann anhand der Fluchtursachen gut erkennen,
wohin es führt, wenn die USA zum Beispiel ihre Abschiebungen von illegal immigrierten Mexikanerinnen
und Mexikanern in den letzten Jahren verfünffacht haben - auf 360 000 - und welche Basis für Kriminalität
und Gewalt diese aus den USA zurückgeschobenen Menschen in diesem Land bedeuten .
({1})
Auch diese Debatte lohnt sich im Vergleich zu der, die
wir hier über die deutsche Praxis führen .
Ich glaube, dass wir insgesamt Mexiko gerecht werden müssen, dass wir es differenziert betrachten müssen .
Für uns ist es ein wichtiger Partner, auch wirtschaftlich .
Es wird dort viel investiert, gerade aus der Bundesrepublik. Es gibt dort eine sehr exportorientierte Industrie,
größer als im gesamten restlichen Lateinamerika. Mexiko engagiert sich zum Beispiel im Rahmen des ATT, also
des Vertrages zur Bekämpfung von Rüstungshandel. Es
will dabei die erste Vertragsstaatenkonferenz ausrichten.
Da gibt es also Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit .
Wir müssen aber umgekehrt auch sehen, dass die Hälfte der Menschen in Mexiko in bitterer Armut lebt, dass
die Ungleichheit weiter zunimmt, auch unter den Bedingungen einer neoliberalen Politik. Selbst in der erfolgreichen Autoindustrie sind die Löhne in den letzten fünf
Jahren um 10 Prozent gesunken. Gleichzeitig nehmen
Gewalt, Verbrechen und Drogen zu . 500 000 Menschen
leben direkt vom Drogenhandel, und eine kaum schätzbare Zahl Menschen lebt indirekt davon. Es herrscht ein
hohes Maß an Straflosigkeit. Die Kriminalität nimmt
trotz all der Waffen zu, die da unterwegs sind und die
auch der Staat bekommt. Wir haben es also mit einem
schwachen Staat zu tun, der zum Teil auch noch von der
organisierten Kriminalität unterwandert ist . Das Vertrauen der Bevölkerung in diesen Staat ist äußerst gering.
Deswegen schaut es dort mit der inneren Sicherheit so
aus, wie es dort aussieht . Die Rüstungsausgaben sind in
den letzten zehn Jahren verdoppelt worden . Die Polizei
wurde ausgerüstet und vergrößert . Das Militär wurde als
Ordnungsfaktor im Inneren eingesetzt. Trotzdem entstehen noch Bürgerwehren, die die Leute dort selber organisieren, weil sie sich gegen Verbrechen schützen wollen .
Die Menschenrechtsverletzungen bleiben .
Aber man muss auch sagen - insofern müssen wir
in dieser Debatte immer ein bisschen aufpassen, wenn
wir über G36 sprechen -: 90 Prozent der Gewehre, die in
Mexiko unterwegs sind, stammen aus den USA, weil es
einen schwunghaften Handel Drogen gegen Waffen gibt:
Aus Mexiko kommen die Drogen, und dorthin kommen
dann aus den USA Waffen zurück. Deutsche Lieferanten
von Gewehren sind also nicht die einzigen . Das Ganze
muss man einmal in der richtigen Relation sehen .
Was folgt aus alledem? Ich hätte eigentlich gehofft,
dass wir dieses Thema heute ein bisschen breiter betrachten. Über Rüstungsexportpolitik in Deutschland ist
geredet worden . Wir haben schon Konsequenzen gezogen. Herr van Aken, Sie werden zugeben müssen: Allein
schon das, was Sie inzwischen an Informationen von
dieser Bundesregierung in diesem Bereich bekommen,
unterscheidet sich meilenweit von dem, was in dem Zeitraum geschehen ist, über den wir hier reden . Da hat sich
wirklich vieles verändert. Über andere Sachen ist schon
geredet worden . Mir würde noch daran liegen, dass wir
über die Frage „Wo hapert es denn jetzt noch im Bereich
der Kontrollen?“ sprechen . In diesem Zusammenhang
sollten wir auch über die Frage der Sanktionen reden,
also darüber: Was passiert eigentlich, wenn zum Beispiel
Endverbleibsklauseln nicht eingehalten werden? Darüber weiter zu reden, lohnt sich wirklich.
Ebenfalls lohnt es sich, über unsere Beziehungen zu
Mexiko weiter zu reden. Ich denke, hier braucht es einmal eine kritische Bestandsaufnahme. Man konzentriert
sich momentan sehr stark auf den Sicherheitsbereich. Es
gibt jetzt eine neue binationale Kommission, deren Themen auf die Felder Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Wissenschaft usw . ausgeweitet werden . Aber was wir doch sehen müssen, ist, dass das alles nicht reicht . Wir brauchen
mehr Rechtsstaatsdialog, mehr sozialen Dialog in diesem
Land, mehr soziale Gerechtigkeit, eine Stärkung der Zivilgesellschaft, humanitäre Hilfe, zum Beispiel für die
Transmigranten, die durch dieses Land gehen, die auch
Nahrung für die Kriminalität dort sind . Wir brauchen
eine neue Handelspolitik, auch zu Mexiko.
Und wir brauchen das Ende der Rede .
({0})
Herr Kollege Pfeiffer, ich finde ganz toll, was ich von
Ihnen gelesen habe: Wir brauchen auch eine neue Drogenpolitik. - Das hat auch viel mit den Sicherheitsproblemen und mit der Gewalt in Mexiko zu tun.
({0})
Vielen Dank, Kollege Barthel. - Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist Julia Obermeier für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2014 zeigt, dass wir eine sehr zurückhaltende Exportpolitik verfolgen. Vor allem für den Export
in Entwicklungsländer und den Export von Kleinwaffen
wurde die Zahl der Genehmigungen drastisch reduziert .
({0})
Der Gesamtwert der genehmigten Ausfuhren von Rüstungsgütern ging deshalb gegenüber dem Vorjahr erheblich zurück: von 5,87 Milliarden Euro auf 3,97 Milliarden Euro . Das sind insgesamt gut 1,8 Milliarden Euro
weniger .
({1})
Sehr geehrte Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft lebt zu einem Großteil vom Export . Der Export ist
ein wesentlicher Faktor für unseren Wohlstand.
({2})
Das gilt aber auch für die hochtechnologische Luftund Raumfahrt sowie für die Wehrtechnik. An ihr hängen Zigtausende Arbeitsplätze . Derzeit sind es circa
80 000. Durch den Ausstrahlungseffekt kommen weitere
200 000 Arbeitsplätze dazu .
Ihre Kollegen von den Linken im Wolgaster Stadtrat,
Herr van Aken, haben bereits schlüssig erklärt, welche
Bedeutung der Export von Rüstungsgütern hat . So erkennen Ihre Parteigenossen den Bau von 100 PatrouilKlaus Barthel
lenbooten für Saudi-Arabien als Bereicherung für die
Region an .
({3})
- Ich zitiere, Herr van Aken, aus einer Pressemitteilung
Ihrer Kollegen, nämlich von der Linksfraktion im Wolgaster Stadtrat, vom 3 . März 2014 .
({4})
Sie schreiben dort, der Export bringe - ich zitiere - „eine
Perspektive für viele Familien in Wolgast und Umgebung“ . Und:
Auszubildende haben ... wieder eine Zukunft. Es
lohnt sich hierzubleiben!
So viel zur regionalen Auswirkung von Rüstungsexporten .
({5})
Aber auch bei globaler Betrachtung haben wir als eine
der größten Handelsnationen der Welt ein vitales Interesse daran, weiterhin Rüstungsgüter herzustellen und auch
zu exportieren .
({6})
Natürlich ist jeder Rüstungsexport eine delikate politische Entscheidung, aber auch eine wichtige, die sowohl
außen- und sicherheitspolitische, als auch industriepolitische Fragen betrifft . Diese Fragen sollten wir uns stellen .
Wir sollten uns auch fragen: Welche Industriepolitik
wollen wir im Rüstungsbereich? Wenn wir keinerlei Rüstungsexporte wollen, dann müssen wir den 80 000 Beschäftigten in der wehrtechnischen Industrie aber auch
sagen: Verlasst unser Land!
({7})
Unsere Partner im Ausland rollen ihnen den roten Teppich aus; denn dort gibt es wenige bis keinerlei Bedenken
bei Rüstungsexporten .
({8})
Unsere Nachbar- und Partnerländer haben sogar ein
großes Interesse daran, unsere qualitativ hochwertigen
wehrtechnischen Produkte zu bekommen.
Wir sollten uns also genau überlegen, was wir wollen,
({9})
außen- und sicherheitspolitisch, aber auch industriepolitisch: Wollen wir einen unwiderruflichen Abfluss von
Kompetenz und hochqualifizierten Arbeitskräften? Wollen wir uns abhängig machen von Lieferungen anderer
Nationen, oder wollen wir weiterhin modernstes Material und bestes Gerät zum Schutz unserer Soldatinnen und
Soldaten selbst entwickeln können?
Unsere Produkte gehören zu den weltweit besten. Ihre
Weiterentwicklung liegt in unserer Verantwortung.
In unserer Verantwortung liegt aber auch, dass wir die
deutschen Rüstungsexporte gewissenhaft gestalten und
kontrollieren; das tun wir auch.
Um mehr Transparenz zu schaffen, haben wir beschlossen, dass der Rüstungsexportbericht noch vor der
Sommerpause des Folgejahres veröffentlicht und jeweils
im Herbst ein Zwischenbericht vorgelegt wird . Die Bundesregierung informiert zudem den Deutschen Bundestag innerhalb von zwei Wochen über positive Entscheidungen des Bundessicherheitsrats .
Sehr geehrte Damen und Herren, Rüstungsexporte
sind ein wichtiges Werkzeug unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sind auch notwendig für den Fortbestand
unserer unabhängigen, hoch technologisierten wehrtechnischen Industrie. Diese Industrie und ihre Produkte
brauchen wir zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten . Für die haben wir alle hier im Hohen Haus eine
große Verantwortung zu tragen .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Vielen Dank, Frau Kollegin Obermeier. - Damit ist
diese Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24 . September 2015,
9 Uhr, ein. Da geht es um die Flüchtlingspolitik und um
die Nachhaltigkeitsziele. Es wäre gut, wenn man das
ganz in Ihrem Sinne miteinander verbindet, dass wir auch
darüber einmal reden .
Die Sitzung ist damit geschlossen . Ich wünsche Ihnen
noch einen schönen Restmittwoch .