Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/23/2015

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Sitzung ist eröffnet . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes. Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Herr Alexander Dobrindt . Bitte schön, Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben heute im Kabinett das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes beschlossen, das zwei ganz wesentliche Elemente beinhaltet . Eines dieser Elemente ist die ausdrückliche Klarstellung, dass die gesamten räumlichen Einwirkungen eines Flughafens, das heißt auch die Beeinträchtigungen, die durch Flugverfahren entstehen können - Lärm und Ähnliches -, in die Umweltverträglichkeitsprüfung miteinbezogen werden müssen . Mit dieser Regelung werden also auch die Bereiche erfasst, in denen An- und Abflugverkehr zukünftig nicht ausgeschlossen werden kann. Das wirkt sich auf Planfeststellungsverfahren aus; denn im Zuge eines Planfeststellungsverfahrens müssen Prognosen über die Lärmbetroffenheit erstellt werden . Diese Prognosen dürfen sich zukünftig nicht mehr auf repräsentative Flugrouten beschränken, sondern müssen sich im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken. Dabei muss auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich Flugverfahren ändern können. Insoweit muss in einem Planfeststellungsverfahren vorab auf mögliche Konflikte hingewiesen werden, und diese Konflikte, die durch abweichende Flugverfahren später entstehen können, müssen dann auch im Planfeststellungsbeschluss bewältigt werden . Die Regelungen werden also deutlich weitgreifender gefasst, als wir es aus der Vergangenheit gekannt haben. Das führt dazu, dass man sich schon zu Beginn eines Planfeststellungverfahrens und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt über mögliche Varianten von Flugverfahren unterhalten muss, was die Transparenz im Hinblick auf mögliche Belastungen deutlich erhöht . Ein zweiter wesentlicher Punkt, der Teil der heute beschlossenen Änderung des Luftverkehrsgesetzes ist, beschäftigt sich mit der Frage der Landestellen von Hubschraubern im Bereich von Krankenhäusern. Sie kennen die Debatte aus der Vergangenheit: Es bestand Unsicherheit, ob Hubschrauber weiterhin auf den bisherigen Landeplätzen an Krankenhäusern starten und landen können. Ich habe in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass wir die Landestellen als „Landeplätze im öffentlichen Interesse“ ausgewiesen und damit quasi die Situation geschaffen haben, dass sie weiterhin in Betrieb bleiben konnten. Das ist allerdings keine langfristige Möglichkeit. Wir müssen hier ein höheres Maß an Rechtssicherheit schaffen . Grundsätzlich kann in Deutschland Luftverkehr nur auf Flugplätzen stattfinden. Die Landestellen, wie wir sie an Krankenhäusern kennen, sind eher Außenlandestellen und deswegen nicht einfach so als Flugplatz genehmigungsfähig . Wir brauchen sie aber trotzdem, um die schnelle Versorgung sicherzustellen . Deswegen haben wir mit dieser Gesetzesänderung dafür gesorgt, dass die Flächen, um die es geht, auch zukünftig zur Verfügung stehen, und zwar, indem sie als besondere Landestellen ausgewiesen werden, die keiner Genehmigungspflicht als Flugplatz mehr unterliegen. Somit können wir sicherstellen, dass in Deutschland die Landeplätze vorwiegend an Krankenhäusern in ihrer bisherigen Form gesichert sind. Ich glaube, das ist ein bedeutendes und wichtiges Signal gerade an diejenigen, die sich in der Vergangenheit sehr engagiert haben und Gedanken machten, ob die bisherige Praxis der Landeplätze an den Krankenhäusern weiter sichergestellt ist. Heute können wir sagen: Sie ist sichergestellt . Danke schön.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Erster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan Kühn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Minister, für die Vorstellung des Gesetzentwurfs . - Wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie bezüglich der Festlegung von Flugrouten oder Flugverfahren einen Vorschlag gemacht, der sozusagen auf das reagiert, was von EU-Seite seit 2013 angemahnt wird, nämlich dass bei der Festlegung von Flugverfahren eine UVP-Pflicht - sprich die Erfüllung von Umweltrecht auf europäischer Ebene - umgesetzt wird. Vielleicht können Sie das noch einmal genauer darstellen . Man stellt es sich, wenn man den Begriff „Flugrouten“ hört, ja so vor, als ob alle Flugzeuge auf einer Linie fliegen. Die Realität ist aber nicht so; vielmehr gibt es Einzelfreigaben . 80 Prozent der Flugrouten beruhen auf Einzelfreigaben . Dafür fehlen Kriterien . Insofern wird anders geflogen, als der Bürger denkt, wenn er Flugrouten vor Augen hat . Entsprechend sind dann auch andere Menschen vom Fluglärm betroffen . Insofern die Frage: Wollen Sie dieses Problem, zu dem ja der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten im letzten Jahr Stellung genommen hat, angehen? Das ist ja für die Frage der Betroffenheit von Flugverkehr und der Festlegung von Flugverfahren entscheidend .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich habe, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden, auf was die Frage abzielt. Vielleicht können Sie es auch noch einmal erläutern . Tatsache ist jedenfalls, dass wir das Planfeststellungsverfahren gegenüber den bisherigen Planfeststellungsverfahren deutlich aufweiten . Im Planfeststellungsverfahren werden die Flugrouten, die vorgestellt werden, auf ihre Auswirkungen bezüglich Lärm geprüft. Wir gehen jetzt den Weg, dass wir sagen: Es muss davon ausgegangen werden, dass es auch Änderungen gegenüber diesen Flugrouten gibt, und in einem Planfeststellungsverfahren muss versucht werden, diese vorauszudenken. So entwickelt sich an einem Flughafen zum Beispiel durch Kapazitätserhöhungen oder andere auf die Flugrouten einwirkende Elemente die Situation der Flugrouten. Damit gibt es andere Betroffenheiten . Wir wollen, dass diese anderen Betroffenheiten schon im Vorhinein und nicht erst später einkalkuliert, diskutiert und einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Noch einmal eine Nachfrage des Abgeordneten Kühn .

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke für die Präzisierung. - Das heißt also, dass sich Ihr Vorschlag rein auf die Festlegung von Flugrouten bezieht, die im Zusammenhang mit Planfeststellungsverfahren festgelegt werden . Es stellt sich da natürlich die Frage, da wir aktuell kaum Planungen für große Flughafenneubauten haben - ich wäre ja schon froh, wenn der eine oder andere einmal fertiggestellt würde -: Mit wie vielen Planfeststellungsverfahren aufgrund von Neuoder Ausbau von Flughafeninfrastruktur rechnen Sie denn in der nächsten Zeit, bei denen dann diese Frage, die Sie gerade beschrieben haben, relevant wird? Meines Erachtens muss es um die Frage gehen, wie bei der Festlegung von Flugrouten generell mit der Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung umgegangen wird. Bezieht sich also Ihr Gesetzesvorschlag nur auf Planfeststellungsverfahren, von denen wir künftig wenige haben werden, oder geht es auch um den Bestand der Flughafeninfrastruktur und die Frage der Flugrouten in diesem Zusammenhang?

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Wir reden über Planfeststellungsverfahren. Ich kann keine Prognose darüber treffen, wie viele Planfeststellungsverfahren wir in der Zukunft haben werden; denn das hängt davon ab, ob Planfeststellungen notwendig werden, weil an Flughäfen Veränderungen anstehen . Immer dann, wenn zukünftig Planfeststellungen vorgenommen werden, erfassen sie auch die Bereiche, in denen zukünftige An- und Abflugverkehre nicht ausgeschlossen werden können. Das bedeutet gegenüber dem bisherigen Verfahren eine deutlich breitere Erfassung, auch geografisch gesehen.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Gibt es Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall . Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? - Herr Abgeordneter Krischer, dann Frau Höhn und Frau Künast . - Bitte, Herr Abgeordneter Krischer .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Dobrindt, wir diskutieren im Moment eine schwere Krise bei VW, die möglicherweise auch eine Krise für die deutsche Automobilindustrie werden kann. ({0}) Könnten Sie mir erläutern, seit wann genau Sie von Software wussten, die dazu benutzt wird, um Emissionsgrenzwerte in einem Prüfzyklus einzuhalten, durch die aber im realen Betrieb entsprechende Vorrichtungen abgeschaltet werden? Und ist es zutreffend, wie Sie in einer Antwort auf meine Kleine Anfrage erläutert haben, dass die Bundesregierung über diesen Themenkomplex des Einsatzes solcher Abschaltvorrichtungen genau zu diesem Zweck mit der EU-Kommission diskutiert hat?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Krischer, wir haben ja gerade zu diesem Zusammenhang im Verkehrsausschuss zusammengesessen, ({0}) und ich habe da auch darauf hingewiesen, dass ich das Verhalten, das ich bei Ihnen feststellen muss, zutiefst missbillige . Ich habe dies gerade auch gegenüber der Öffentlichkeit gesagt. ({1}) Sie haben gestern in einem Interview der Bundesregierung vorgeworfen - wörtlich zitiert -: ({2}) Es ist … ganz offensichtlich so, dass man hingenommen hat, dass diese Manipulationen stattfinden. Das werfen Sie der Bundesregierung vor . ({3}) Ich halte das nicht nur für falsch; ich halte Ihr Verhalten für unanständig, Herr Krischer . ({4}) Lassen Sie das an dieser Stelle gesagt sein . ({5}) - Nicht dass mich das wundert, dass Sie so ein Verhalten an den Tag legen . Aber anhören sollten Sie es sich vielleicht schon . ({6}) Sie haben eine Anfrage gestellt, auf die Sie sich beziehen . Im Juli wurde sie von uns beantwortet . In dieser Kleinen Anfrage steht klar und unübersehbar auf Ihre Frage nach dem Einsatz von Abschalteinrichtungen: Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor . ({7}) Von daher ist der Vorwurf, den Sie formulieren, falsch . ({8}) Ich habe von den Vorfällen - auch das habe ich im Ausschuss gesagt - am Wochenende erfahren . ({9}) Ich habe die Initiative ergriffen, habe am Montag die ersten Gespräche mit Volkswagen geführt, habe nach dem Gespräch angeordnet, dass es strenge spezifische Nachprüfungen von unabhängigen Gutachtern bei den Dieselfahrzeugen von Volkswagen geben muss - das wird vom Kraftfahrt-Bundesamt auch so durchgeführt -, habe dann gestern nach den Berichterstattungen und einem Gespräch mit Volkswagen eine Untersuchungskommission eingesetzt . ({10}) Diese Untersuchungskommission ist jetzt schon aktiv. Sie ist bereits heute in Wolfsburg, um Gespräche zu führen und um Einsicht in die Unterlagen zu bekommen. Das ist die Art der notwendigen Aufklärung, die wir vornehmen, um festzustellen, ob und wie Fahrzeuge, die in Deutschland und in Europa im Verkehr sind, betroffen sind . Volkswagen hat gestern darauf hingewiesen, dass 11 Millionen Fahrzeuge mit einem entsprechenden Chip ausgestattet sind, aber dieser Chip - so die Auskunft uns gegenüber - sei nicht aktiv. Das ist aber für uns Grund genug, mittels einer Untersuchungskommission erstens nachzuprüfen, was dieser Chip tut, und zweitens, wann er aktiv ist oder nicht aktiv ist, was er kann und was er nicht kann. Das ist die Art der Aufklärung, die wir betreiben.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herzlichen Dank. - Wir haben jetzt eine ganze Reihe von spontanen Fragewünschen: Frau Höhn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Künast, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Herr Meiwald, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Herr Kühn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Pothmer, BÜNDNIS 90/Die Grünen, Frau Leidig, Die Linke, Frau Lemke, BÜNDNIS 90/Die Grünen, und Herr Gastel, BÜNDNIS 90/Die Grünen . ({0}) Frau Abgeordnete Höhn, bitte .

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, die EU sieht in mehreren Rechtsetzungen vor, dass Mitglieder Sanktionen für den Fall in natiOliver Krischer onales Recht umsetzen müssen, dass ein Autohersteller mit Abschaltvorrichtungen etc . beim Schadstoffausstoß schummelt . Mindestens seit 2012 gibt es den Hinweis, eine entsprechende Verordnung umzusetzen . Ist hier in Deutschland eine entsprechende Umsetzung erfolgt, und wenn nein, warum nicht? Wenn Sie die Verordnung in nationales Recht umgesetzt hätten, könnten wir jetzt, ähnlich wie die EPA in den USA, VW mit einem Bußgeld belegen?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Frau Höhn, es gibt eine ganze Reihe von Sanktionsmöglichkeiten unterschiedlichster Art und unterschiedlichster Intensität, die allerdings erst ausgesprochen werden können und greifen können, wenn der Sachverhalt ermittelt ist . Das ist Aufgabe der eingerichteten Untersuchungskommission und natürlich Ziel der strengen Nachprüfungen, die ich angeordnet habe . Bevor die Frage, ob der deutsche bzw. der europäische Markt betroffen ist, inhaltlich nicht geklärt ist, kann man auch nicht über Sanktionen sprechen. Wenn Sie die Ereignisse verfolgt haben, wissen Sie, dass die amerikanische Umweltbehörde offensichtlich länger damit beschäftigt war, dieses Thema zu bearbeiten. Jetzt ist sie zu einem Ergebnis gekommen, das aber auch noch keine Sanktionen beinhaltet. Vielmehr finden jetzt, meiner Kenntnis nach, entsprechende Dialoge mit Volkswagen statt. Wir sind am dem Punkt, dass wir aufgrund der Erkenntnisse, die in Amerika gewonnen worden sind, jetzt entsprechende Nachprüfungen durchführen lassen . Wenn diese abgeschlossen sind, kann man Ergebnisse präsentieren; vielleicht kann man auch Zwischenergebnisse präsentieren . Aber das muss natürlich jetzt erst einmal erledigt werden . ({0}) - In unserem Recht sind eine ganze Reihe von Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Jeder darf alles fragen, und der Minister antwortet dann . - Nächste ist die Abgeordnete Frau Künast, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . Bitte schön .

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie sagen, dass wir eine ganze Menge Sanktionsmöglichkeiten haben, obwohl das europäische Recht nicht umgesetzt wurde, will ich Sie zu Ihrer Art der Aufklärung, die Sie mit der von Ihnen eingesetzten Untersuchungskommission betreiben wollen, wie Sie gerade gesagt haben, nach etwas fragen, was ich dabei nicht verstehe: Ist es eigentlich State of the Art, für Sie, für das Verkehrsministerium und für die anderen Ministerien, erst dann eine Untersuchungskommission einzurichten, wenn eine Krise hochkocht? Spätestens seit 2012 gibt es ja laut EU-Recht die Pflicht, entsprechende Tricksereien zu sanktionieren, und seit Jahren haben wir Hinweise darauf, dass bei den Tests andere Ergebnisse erzielt werden als in der Realität, also unter Zugrundelegung des Fahrverhaltens von normalen Autofahrerinnen und Autofahrern . Diese Differenz ist Ihnen doch nicht erst letztes Wochenende zugetragen worden, Herr Dobrindt, sondern es ist Allgemeinwissen in der Bevölkerung, dass hier irgendwie getrickst wird. Deshalb ist meine konkrete Frage: Was haben Sie vor diesem Wochenende unternommen? Seit dem Wochenende sind weltweit alle Autobesitzer und alle Minister bösgläubig . Vorher gab es aber Hinweise auf die Differenz zwischen Angaben der Hersteller und realem Verbrauch . Welche Maßnahmen haben also Sie und welche Maßnahmen hat das Bundesverkehrsministerium zum Beispiel in der Zeit seit 2012 konkret ergriffen? Welche Gespräche sind geführt worden? Haben Sie selber eigenständige Tests initiiert? Haben Sie zum Beispiel initiiert, dass der TÜV, statt nur das Testprogramm abzuziehen, in dem er durch die dank Software erreichten falschen Werte selber geleimt wird, tatsächlich die Werte hinten am Auspuff kontrolliert? Also, ich möchte hören, welche konkreten Maßnahmen Sie in den letzten Jahren ergriffen haben . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister, bitte .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Erstens, Frau Künast, wird unsere Kommission untersuchen, ob die betreffenden Fahrzeuge innerhalb der bestehenden deutschen und europäischen Vorschriften gebaut, in Verkehr gebracht und auch geprüft worden sind und ob dies konform zu den Fahrzeugzulassungen geschehen ist . Wir wissen, dass alle diese Fahrzeuge eine Typenzulassung haben, und es stellt sich für uns auch die Frage, ob diese Fahrzeuge konform zu den Typenzulassungen gebaut worden sind oder ob es Veränderungen gegeben hat, die so nicht hätten stattfinden dürfen. Das ist die konkrete Aufgabe auch der Kommission. ({0}) Ich glaube, wir alle hier haben ein Interesse daran, dass wir auch diese Ergebnisse kennen. Zweitens rate ich nicht dazu, zwei Dinge zu vermischen, was Sie sicherlich jetzt versehentlich getan haben, nämlich auf der einen Seite die Tatsache, dass wir daran arbeiten, die Tests, die Prüfmechanismen zu optimieren, und auf der anderen Seite die Situation, dass widerrechtlich eine Veränderung an einem Motor vorgenommen worden ist . ({1}) - Ich will ja nur, dass Sie verstehen, was ich Ihnen erkläre . Das ist doch in Ordnung . ({2}) - Da mein Mikrofon immer noch an ist, gehe ich davon aus, dass ich dran bin, Herr Präsident . Frau Künast, ich glaube, auch Sie hören leichter zu, wenn Sie aufhören, zu sprechen . Aber ich weiß nicht, ob das für alle so gilt . ({3})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich möchte nur kurz sagen: Ich bitte um friedliche gegenseitige Befassung . Der Minister ist ja noch dabei, zu antworten . Bevor wir uns empören, dass die Antwort nicht vollständig ist, sollten wir das Ende der Antwort vielleicht erst einmal entspannt abwarten . - Bitte, Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Wir haben zwischen den europäischen Ländern und mit der Europäischen Kommission seit 2011 eine intensive Diskussion darüber, wie wir die Tests optimieren können . Wir wollen hin zum RDE-Test . Das heißt, wir wollen, dass zukünftig nicht die Verbrauchssituationen und die Abgassituationen auf der Rolle, das heißt, auf dem Laborfeld, sondern letztlich auf der Straße geprüft werden . Wir wollen mit unseren Tests näher ran an das echte Fahrverhalten der Menschen . Das ist der Unterschied zu dem, wie wir bisher diese Tests europaweit gestaltet haben . Wir haben uns Anfang dieses Jahres darauf geeinigt, dass wir diese Tests auf der Straße gemeinschaftlich in Europa durchführen wollen . Zurzeit gibt es Verhandlungen zwischen den Verkehrsministern und der Kommission darüber, was diese Tests beinhalten müssen . ({0}) Das heißt, wenn man mit diesem Test auf die Straße geht, muss natürlich festgelegt sein, wie er ablaufen soll, damit er standardisiert ist. Nur wenn er standardisiert ist, können die unterschiedlichen Fahrzeuge auch miteinander verglichen werden . Wir arbeiten daran, ein Ergebnis zu finden. Wenn eine Einigung erzielt werden kann, werden wir diesen neuen Test nach einer Übergangszeit für alle verbindlich entsprechend umsetzen . ({1}) Es ist unsere Einstellung, dass wir dadurch einen optimierten Test haben, der genauere Auskünfte über den Verbrauch von Fahrzeugen bietet, als dies die bisherigen Tests, die auch gemeinschaftlich in Europa durchgeführt werden, leisten können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Frage vom Abgeordneten Meiwald, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .

Peter Meiwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004351, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, wenn Sie heute sagen, dass die EPA schon seit über einem Jahr ermittelt, stellt sich ja die Frage, inwieweit auch an die Bundesregierung, an das UBA, an das Kraftfahrt-Bundesamt Amtshilfeersuchen gerichtet worden sind, inwieweit um Unterstützung bei den Ermittlungen gebeten worden ist . Deswegen muss ich die Frage des Kollegen Krischer ein bisschen konkretisieren: Seit wann hatte die Bundesregierung Kenntnis davon, dass Abschalteinrichtungen für SCR-Katalysatoren in der Automobilbranche üblich sein könnten und möglicherweise auch angewendet werden, und was ist daraufhin seitens der Bundesregierung initiiert worden? Des Weiteren: Da Sie Aufklärung angekündigt haben und gesagt haben: „Wir tun da was, und Volkswagen wird das alles schon gut machen“, möchte ich Sie fragen: Inwieweit sind die Hersteller, die Vertreiber, die Entwickler der Software, die offensichtlich auf dem Markt erhältlich ist, in diese Aufklärungsbemühungen einbezogen? Vielen Dank.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Meiwald, ich habe nicht gesagt, dass die amerikanische Umweltbehörde schon seit einem Jahr ermittelt, sondern ich habe gesagt, dass sie, wie Sie in den Zeitungen wahrscheinlich lesen konnten, seit längerem mit diesem Fall befasst ist . Das ist eine Kenntnis, die auch ich der Zeitung entnommen habe. Ich habe keine andere Erkenntnis und hatte auch früher keine andere Kenntnis erlangt. Ich habe Ihnen das mitgeteilt. Ich kann es auch noch einmal zitieren - ich weiß, dass Sie diesen Satz nicht gerne hören, aber er steht nun einmal in der Antwort der Bundesregierung vom Juli auf die Kleine Anfrage der Grünen -: Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor . Auch durch mehrmaliges Nachfragen kann dieser Satz heute nicht mehr verändert werden . Ich bitte um Verständnis, und ich bitte darum, ihn zu verwenden und nicht das Gegenteil zu behaupten, ({0}) was Sie in Ihrer Partei leider Gottes ganz offensiv tun . Sie haben gefragt, inwieweit sich die Untersuchung jetzt auch auf Software oder anderes erstreckt. Ich vermute, Sie meinen grundsätzlich Bauteile. Darüber können wir zurzeit keine weitere Auskunft geben, weil wir mit der Kommission erst einmal in Erfahrung bringen müssen, was für Teile betroffen sind und woher diese Teile kommen. Im Zweifelsfall müssen wir auch fragen: Wer hat wie und warum was programmiert? Ich habe gegenüber dem Volkswagenkonzern zum Ausdruck gebracht, dass wir natürlich nicht nur an der rein technischen Frage Interesse haben, sondern auch an der Frage des Prozesses, das heißt, daran, wann welche Entscheidungen getroffen worden sind. Der Volkswagenkonzern hat uns volle Unterstützung zugesagt. Ich glaube, das zeigt, dass wir mit unserem Vorgehen - Nachprüfungen durch eine Kommission - auf dem richtigen Wege sind . Es ist übrigens im Interesse aller, dass man an dieser Stelle Vertrauen zurückgewinnt. Dazu sind in erster Linie Aufklärung und Transparenz erforderlich.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan Kühn, BÜNDNIS 90/Die Grünen, danach die Abgeordnete Frau Pothmer, BÜNDNIS 90/Die Grünen .

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Minister, ich wiederhole die Frage aus dem Ausschuss in der Hoffnung, dass sie diesmal verstanden wird und auf die Frage vielleicht auch geantwortet wird . Die Bundesregierung wusste, dass Abgaswerte im realen Verkehr deutlich über den Grenzwerten liegen . Das hat sie auch der EU-Kommission mitgeteilt . So steht es auch in Ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage . Die Bundesregierung wusste auch, dass Hersteller sogenannte Abschalteinrichtungen nutzen, um die Emissionswerte auf dem Rollenprüfstand sozusagen herunterzurechnen . Die Angaben der Hersteller wurden trotzdem - ich frage danach, wie das vor diesem Wochenende war -, obwohl diese Umstände, die ich gerade genannt habe, bekannt waren, kein einziges Mal in irgendeiner Form kontrolliert. Warum gab es keine entsprechenden Nachprüfungen? Sie wären ja sinnvoll gewesen, zumal nachgeordnete Behörden diese Differenzen in mehreren Studien bereits deutlich herausgearbeitet haben . Warum haben entsprechende Nachprüfungen der Angaben der Hersteller nie stattgefunden?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich kann es gerne noch einmal vorlesen: ({0}) Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor . Daran ändert sich nichts, egal wie oft Sie weiterhin etwas Falsches behaupten . Der andere Fall, den ich auch Frau Künast schon zu erklären versucht habe, ist, dass wir seit 2011 auf europäischer Ebene dabei sind, die Testverfahren zu optimieren . Die Testverfahren zu optimieren, heißt auch, die Testergebnisse, also den Verbrauch, der heute auf dem Prüfstand ermittelt wird, an das reale Fahrverhalten der Käufer anzunähern . ({1}) Deswegen wollen wir von dem Prüfstand herunter auf die Straße . Das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun - Sie versuchen jetzt, es damit zu vermischen -, dass es bewusste Eingriffe in beispielsweise das Motormanagement oder das Abgasmanagement gibt, die nicht erlaubt sind . Ich halte es für unseriös, dass Sie jetzt versuchen, dies miteinander zu vermengen . Ich weiß natürlich, warum Sie es versuchen, aber unseriös bleibt es trotzdem . ({2}) Zweitens . Sie haben nach der Kontrolle gefragt . Selbstverständlich führt die Bundesregierung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt Kontrollen durch, und zwar wenn eine Typzulassung stattfindet. Der Hersteller hat die Nachweispflicht; er muss gegenüber dem KBA genau erklären, dass das Fahrzeug den rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa entspricht . Das wird an dieser Stelle geprüft. Zu späteren Zeitpunkten werden Fahrzeuge stichprobenartig daraufhin untersucht, ob es in der Laufzeit einer Typgenehmigung - eine Typgenehmigung führt dazu, dass man beliebig viele Fahrzeuge dieses Typs bauen darf -, das heißt, solange das identische Fahrzeug gebaut wird, zu Veränderungen gekommen ist, die nicht hätten sein dürfen oder die hätten angemeldet werden müssen. Das ist das übliche und wirkungsvolle Verfahren, wie es heute besteht .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Frau Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen, danach die Abgeordnete Frau Leidig, Fraktion Die Linke. - Frau Pothmer, bitte .

Brigitte Pothmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003823, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben hier gerade von Aufklärung und Transparenz gesprochen. Ihre Antworten, finde ich, spiegeln das nicht unbedingt wider . Aber ich versuche es jetzt trotzdem noch einmal . Sie haben darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung jetzt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, beabsichtigt, die in Rede stehenden VW-Modelle zu überprüfen. Ich frage Sie jetzt: Warum konzentrieren Sie sich in Ihrer Überprüfung ausschließlich auf VW, obwohl doch hinlänglich bekannt ist, dass auch andere deutsche Marken die Clean-Diesel-Kampagne fahren? Warum prüfen Sie jetzt nicht auch diese Marken vorsorglich?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Die Kommission beschäftigt sich jetzt weniger mit der Marke Volkswagen an sich, sondern mehr mit dem Motor, der dahinter steht; denn der Eingriff auf den Motor ist ja das auslösende Element . Das heißt, wir werden natürlich auch die Fahrzeuge betrachten, die einen entsprechenden Motor haben, aber einer anderen Marke angehören. Des Weiteren sind wir natürlich in Gesprächen mit der Automobilindustrie, übrigens auch mit der amerikanischen Umweltbehörde, um Kenntnis zu erlangen, ob es weitere Sachverhalte gibt. Bisher liegen uns keine weiteren Erkenntnisse vor. Daher führen wir jetzt die Prüfungen durch, bei denen wir davon ausgehen, dass sie richtig und notwendig sind .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Abgeordnete Frau Leidig, Fraktion Die Linke, und danach die Abgeordnete Frau Lemke, Bündnis 90/ Die Grünen . - Frau Kollegin Leidig, bitte .

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich würde gerne an diese Antwort anknüpfen und in Erinnerung rufen, dass es tatsächlich nicht so ist, dass nur VW künstlich oder bewusst Abgasnormen herunterreguliert oder Verbrauchswerte heruntermanipuliert, sondern dass das die übliche Praxis vieler Automobilhersteller ist, wie übrigens die Deutsche Umwelthilfe sehr dezidiert nachgewiesen hat . Dazu gab es Seminare, an denen viele Abgeordnete teilgenommen haben - leider nicht von allen Fraktionen. Dass es sich jetzt nur um einen VW-Skandal handelt, stimmt nicht; denn das ist ein Skandal, der tatsächlich die ganze Automobilindustrie betrifft . Das Softwaremodul, das da eingesetzt wird, stammt von Bosch . Die Firma hat gestern offiziell mitgeteilt, dass dieses Modul, das übrigens als „Förder- und Dosiermodul zur Abgasnachbehandlung“ bezeichnet wird, Industriestandard sei und auch an viele andere Autohersteller geliefert wird . Ich habe zwei konkrete Fragen an Sie, Herr Minister Dobrindt: Erstens . Es gab schon in der Vergangenheit die Forderung nach unabhängigen Kontrollen und einer unabhängigen Kontrollkommission, die vor allen Dingen mit Experten zu bestücken ist, die von den Umweltverbänden, auch von der Deutschen Umwelthilfe, vorgeschlagen werden. Jetzt ist eine Kontrollkommission eingesetzt. Meine Frage lautet: Wer sitzt da drin, und wer hat diese Experten vorgeschlagen? Wenn es möglich ist, würde ich gerne zweitens noch die Frage stellen, welche personellen Konsequenzen eigentlich zumindest im VW-Konzern thematisiert werden, ob die Verantwortlichen auch individuell haftbar gemacht werden oder ob der Schaden, der da angerichtet wurde, wieder von den Beschäftigten alleine auszubaden ist .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Bitte schön, Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Frau Leidig, um es klar zu sagen: Das, was Sie hier zu Beginn Ihres Beitrags an Verdächtigungen formuliert haben, ({0}) kann ich nicht bestätigen, und ich habe davon auch keine Kenntnis . Dass Sie diese Kenntnis haben, ist interessant . ({1}) Zumindest wir als Bundesregierung halten uns an dieser Stelle an die Fakten. ({2}) Wir werden unsere Untersuchungen durchführen, uns jetzt aber nicht an Verdächtigungen beteiligen, die möglicherweise - ich formuliere es einmal freundlich, Frau Leidig - jeglicher Grundlage entbehren . ({3}) Ich finde, auch Sie sollten sich an der Aufklärung beteiligen, wenn Sie wollen . Ich berichte gerne über die Erkenntnisse, die wir haben. Aber es ist wenig hilfreich, sich an Spekulationen zu beteiligen. Die Kommission, die ich eingesetzt habe, besteht aus Fachleuten des Bundesverkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamtes. Hinzu kommt eine wissenschaftliche Begleitung, die davon abhängig ist, welcher technischen Expertise wir uns bedienen müssen . Das liegt daran, dass es ja auch um IT- und Softwarefragen geht . Da ist man, glaube ich, gut beraten, sich von weiteren Fachleuten - über die Frage der Motorentechnik und der Abgasbewältigung hinaus - informieren und beraten zu lassen . Zu der Frage nach personellen Konsequenzen . Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir in Kenntnis gesetzt werden: Welche Auswirkungen hat das Vorgehen, das wir hier sehen, auf den deutschen und den europäischen Markt? Welche Regelungen sind eingehalten worden? Gibt es Normen, die nicht eingehalten worden sind? - Es ist nicht meine Aufgabe, über weitere Fragen zu spekulieren und zu diskutieren.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Ich mache jetzt einmal eine kurze Bemerkung, wie wir weiter fortfahren. Nach Absprache mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mache ich es jetzt so: Ich lasse alle, die sich zum ersten Mal zu Wort gemeldet haben ich lese die Namen gleich vor -, noch zu Wort kommen. Diejenigen, die sich zum zweiten oder dritten Mal gemeldet haben, streiche ich . Da die weiteren Fragesteller alle vom Bündnis 90/Die Grünen sind, können Sie zündende Gedanken ja noch an diese weitergeben. Aber sonst kommen wir nicht mehr durch . Ich lasse jetzt auch keine weiteren Fragen mehr zu und lese einmal vor, wer noch auf der Liste steht: Frau Abgeordnete Lemke, Bündnis 90/Die Grünen, Herr Abgeordneter Gastel, Bündnis 90/Die Grünen, Frau Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, Herr Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, Frau Dr . Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, und, zu einer anderen Fragestellung, Herr Beck, Bündnis 90/Die Grünen . ({0}) - Nein, das ist ein anderer Kühn . Es gibt beim Bündnis 90/Die Grünen zwei Kollegen mit dem Namen Kühn . Insofern unterliegen diejenigen, die mich darauf hinweisen, dass er schon gesprochen haben soll, einem Irrtum aufgrund der Namensgleichheit . Das ist der Stand; ich lasse keine weiteren Fragen zu. Ich hoffe, es sind alle damit einverstanden . Als Nächstes hat die Abgeordnete Lemke das Wort, und danach spricht der Abgeordnete Gastel, beide Bündnis 90/Die Grünen .

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, da ich davon ausgehe, dass Sie und Ihr Ministerium sich in solch einer brisanten Situation, in der wir uns gerade befinden und in der es um Hunderttausende Arbeitsplätze geht, äußerst sorgfältig und präzise auf Ausschusssitzungen des deutschen Parlamentes vorbereiten, möchte ich Sie gerne Folgendes fragen: Herr Ferlemann, Ihr Staatssekretär, hat heute Morgen im Umweltausschuss erklärt, dass die Bundesregierung Kenntnis von der Existenz dieser Abschalttechnik hatte, Sie aber davon ausgegangen sind, dass diese nicht zum Einsatz kommt. ({0}) Ich würde gerne wissen, wovon Sie ausgegangen sind, wofür diese Abschalttechnik sonst entwickelt worden ist. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich war heute im Verkehrsausschuss und kann deswegen über die Diskussion im Umweltausschuss und Ihren Bericht darüber jetzt nicht urteilen . ({0}) Ich kann Ihnen aber noch einmal den Hinweis geben: Das, wonach Sie fragen, steht eindeutig in der Antwort, die Sie im Juli auf Ihre Kleine Anfrage bekommen haben: ({1}) Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor . Die Frage „Wie definiert die Bundesregierung eine ‚Abschalteinrichtung‘ . . .“ wurde ebenfalls in dieser Antwort beantwortet, und zwar folgendermaßen: Der Begriff „Abschalteinrichtung“ wird in . . . der Verordnung ({2}) Nr. 715/2007 definiert. ({3}) Das heißt, die Definition findet sich im europäischen Recht. In Artikel 5 Absatz 2 ist darüber hinaus klargestellt, welche Abschalteinrichtungen verboten sind ({4}) und welche Ausnahmen es an dieser Stelle gibt . Genau darüber wird Sie Staatssekretär Ferlemann informiert haben . ({5})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Frau Kollegin, es gibt noch eine ganze Reihe von Kollegen aus Ihrer Fraktion, die Fragen stellen. ({0}) Nächster Fragesteller ist der Kollege Gastel, Bündnis 90/Die Grünen . Bitte schön .

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der VW-Skandal in den USA ist groß, aber leider nur ein Teil des Gesamtskandals. 70 Prozent der Messstellen in Deutschland weisen nämlich Schadstoffüberschreitungen auf, worunter viele Menschen gesundheitlich leiden . Das ganze Problem geht also noch viel weiter . Es gibt neuere Untersuchungen bezüglich NOx, die besagen, dass der Grenzwert für Euro-6-Norm-Motoren durch die Autos, die dieser Norm angeblich gerecht werden sollen, um den Faktor 1,6 bis 8,5 überschritten wird. Dies ist überwiegend bei Dieselfahrzeugen ein Problem . Deswegen habe ich folgende Frage an Sie, Herr Minister: Wie geht die Bundesregierung mit der Tatsache um, dass Dieselkraftstoff steuerlich begünstigt ist? Ist hier angesichts dieses Skandals und angesichts der Probleme durch Luftschadstoffe seitens der Bundesregierung eine Änderung geplant?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister, bitte .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Gastel, nein .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Frau Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, ich möchte Sie vor dem Hintergrund der Frage meiner Kollegin Steffi Lemke fragen, ob Sie die Antwort Ihres Staatssekretärs Enak Ferlemann korrigieren wollen, dass die Bundesregierung Kenntnis von der Existenz der Abschalttechniken hatte. Oder glauben Sie, dass es lösungs- und zielorientiert ist, hier eine Auseinandersetzung über die Definition des Wortes „Abschalttechnik“ zu führen? Ich muss diese Frage anschließen; denn wir haben es mit der Krise eines sehr großen Automobilkonzerns zu tun, und Sie müssen Ihre Rolle beim Handeln dieser Krise wahrnehmen . Deswegen möchte ich Sie bitten, darauf noch einmal einzugehen . Gleichzeitig möchte ich Sie fragen, mit welchen rechtlichen Konsequenzen Sie für den VW-Konzern rechnen, sollte sich herausstellen, dass VW auch in Europa vorsätzlich Abgasmessungen manipuliert hat . Ich gehe davon aus, dass Sie sich auch auf diesen Krisenfall vorbereiten und dazu Stellung nehmen können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Sehr geehrte Frau Hajduk, ich habe auf das hingewiesen, was Teil der Fragestellung der Grünen in der Kleinen Anfrage war, nämlich: Wie definiert die Bundesregierung die Abschalteinrichtung? Darauf nehmen Sie ja immer gerne Bezug . Ich habe darauf hingewiesen, dass die Abschalteinrichtung in der EG-Verordnung 715/2007 definiert ist, und zwar in Artikel 3 Absatz 10, und dass in Artikel 5 Absatz 2 der EG-Verordnung die Unzulässigkeit der Verwendung von Abschalteinrichtungen und die Ausnahmen beschrieben werden . Dem ist nichts weiter hinzuzufügen . Die Tatsache, dass diese EG-Verordnung mit der Ziffer „2007“ versehen ist, sagt aus, dass sie wenn das für Sie noch von Interesse ist - von 2007 ist . Zu den rechtlichen Konsequenzen, die Sie hinterfragen, kann ich Ihnen nur sagen: Es wäre hilfreich, erst einmal den möglichen Schaden festzustellen . Dafür haben wir gestern und vorgestern - mit der Einsetzung der Kommission und der Einleitung der erforderlichen Untersuchungen durch das KBA - die notwendigen Entscheidungen getroffen . Wenn man am Ende weiß, was in Deutschland und in Europa passiert ist - über diese Situation reden wir hier ja ganz offensichtlich; denn nur in diesem Fall könnten wir rechtliche Konsequenzen ziehen -, werden wir uns über die anderen Fragen unterhalten können.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen .

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Dobrindt, meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie gesagt haben, Sie seien mit den US-Umweltbehörden in Kontakt. Seit wann ist die Bundesregierung - Ihr Haus und die nachgeordneten Behörden - mit der US-Administration zum Thema „Betrugsfälle von VW in den USA“ in Kontakt, was sind die Themen, die Sie dort behandeln, und welche Maßnahmen haben Sie seit der Antwort auf unsere Kleine Anfrage - aus der Sie ja in dieser Fragestunde sehr fleißig zitieren - vom Juli im Hinblick auf Abschalteinrichtungen unternommen?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister, bitte .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Herr Kühn, erstens ist es die Aufgabe meiner Kommission, mit den US-Behörden in Kontakt zu sein. Ich kann Ihnen heute nicht sagen, wann und wie dies geschieht; aber die Kommission wird, sobald dies stattfindet, dann auch entsprechend berichten können. Zweitens habe ich vorhin sehr ausführlich erklärt, dass wir auf europäischer Ebene daran arbeiten, von dem Rolltest, bei dem momentan der Verbrauch und die Schadstoffe gemessen werden, zu einem Test auf der Straße zu kommen. Die entsprechenden Verhandlungen dauern stetig an - schon das ganze Jahr über bis zum heutigen Tag und darüber hinaus . ({0}) - Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: Es ist Aufgabe der Kommission, die ich gestern eingesetzt habe, mit den US-Behörden in Kontakt zu treten. ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Sie sind aber jetzt leider nicht mehr dran, Herr Kollege .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Aber ich kann es ihm trotzdem noch einmal sagen, wenn er es beim ersten Mal nicht verstanden hat . ({0}) Es ist Aufgabe der gestern eingesetzten Kommission, ({1}) mit den US-Behörden in Kontakt zu treten.

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Jeder hat die Frage gehört, jeder hat die Antwort gehört . - Als nächste Fragestellerin: die Abgeordnete Frau Dr . Wilms, Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Dobrindt, die Antworten hier sind so ähnlich wie die im Verkehrsausschuss. Ich will den Blick ein bisschen weiten und eine weiter gehende Frage stellen - vielleicht trauen Sie sich, an dieser Stelle ein bisschen mehr zu sagen als bei dem Einzelfall VW -: Welche Konsequenzen müsste die Bundesregierung ziehen, wenn sich jetzt herausstellen sollte, dass bei der Überprüfung von Dieselfahrzeugen - beziehen wir das erst einmal nur auf VW-Dieselfahrzeuge neueren Typs, die nach der Euro-6-Norm homologisiert sind, die Prüfbedingungen nicht eingehalten wurden? Kann es dann passieren, dass die Bundesregierung die Typgenehmigung zurückzieht?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Herr Minister .

Alexander Dobrindt (Minister:in)

Politiker ID: 11003516

Ich würde es für ausreichend und für ausgesprochen hilfreich halten, wenn man sich aufgrund der Erkenntnis, die man aus einer Prüfung gewinnt, über die Konsequenzen Gedanken macht, statt bereits heute den Versuch zu unternehmen, ein Prüfergebnis vorwegzunehmen, das Ihnen vielleicht besonders recht wäre - ich weiß es nicht; ich habe zumindest keine Vorstellung, warum Sie genau danach fragen -, und statt schon vorher zu sagen, für welche Möglichkeit man sich aus der Vielzahl der Möglichkeiten entscheiden würde. Nein, wir gehen seriös vor . Wir bleiben dabei: Wir werden das Ergebnis der Untersuchung abwarten und dann natürlich diskutieren, ob und welche Konsequenzen notwendig sind .

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Letzter Fragesteller in der Regierungsbefragung: der Abgeordnete Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Am 18 . September war auf der Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu lesen, dass als Nachfolger des Präsidenten Schmidt Herr Weise Präsident des BAMF wird . Da gibt es ein Problem . Nach SGB III ist es dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit verboten, ein weiteres besoldetes Amt auszuüben . Laut Beamtenrecht ist es dem Präsidenten des BAMF wiederum verboten, auf seine Besoldung ganz oder teilweise zu verzichten . Vor diesem Hintergrund stelle ich einem Vertreter des Bundesinnenministeriums die Frage: Wann wird wer als Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge benannt, und wer hat dann die dienstrechtliche und fachliche Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge?

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Die Frage ist zugelassen . Aber wer antwortet, entscheidet die Bundesregierung . - Ich sehe, Herr Staatssekretär Dr. Schröder vom Bundesinnenministerium wird antworten . Bitte schön .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Herr Kollege Beck, Sie haben die Vorschrift richtig zitiert. Darin ist klar geregelt, dass es dem Präsidenten des Bundesamtes nicht möglich ist, ein weiteres besoldetes Amt zu bekleiden. ({0}) Es ist so, dass Herr Weise keine zusätzliche Besoldung erhält. Insofern ist dies dienstrechtlich kein Problem und wird entsprechend geregelt . ({1})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Doch, er hat die Frage beantwortet . ({0}) - Herr Kollege Beck, ich darf Sie bitten, entspannt Platz zu nehmen . Die Bundesregierung hat die Frage aus meiner Sicht beantwortet . ({1}) - Die Frage ist: Wer leitet die Sitzung? Das bin ich . ({2}) Will die Regierung doch noch etwas dazu sagen, um den Frieden herzustellen? - Also noch einmal der Vertreter der Regierung . Bitte .

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich habe die Frage bereits implizit beantwortet . Entscheidend ist ja, ob Herr Weise Präsident dieses Amtes werden kann. Ich habe gesagt: Selbstverständlich ist das nach den von Ihnen zitierten Vorschriften möglich, und selbstverständlich leitet der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dann auch das Amt . ({0})

Peter Hintze (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000907

Damit sind wir am Ende der Regierungsbefragung . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/6019 Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Herbert Behrens und die Frage 3 der Kollegin Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet . Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Auch die Frage 4 des Kollegen Christian Kühn wird schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Oliver Krischer auf: Was unternimmt die Bundesregierung gegen die nach meinen Informationen angestellten Überlegungen, die Förderung der Atomkraft erstmals zu einem Teil der Klimainvestitionsstrategie der Europäischen Investitionsbank zu machen, und wie wird die Bundesregierung sich in dem Board of Governors Meeting am 22 . und 23 . September 2015 diesbezüglich, gegebenenfalls auch bei Abstimmungen, verhalten? Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bereit. - Frau Staatssekretärin, bitte. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Lieber Herr Kollege Krischer, der Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank hat gestern, am 22. September 2015, eine Klimaschutzstrategie für die Mobilisierung von Finanzierungsmitteln für den Übergang zu einer CO -armen klimaresilienten Wirtschaft angenommen. Darin macht die Europäische Investitionsbank klar, dass sie dem Klimaschutz höchste Priorität einräumt . Sie zählt im Bereich Klimaschutz bereits heute zu den führenden internationalen Finanzierungsinstitutionen . Die Bundesregierung hat bereits während des Konsultationsprozesses ihre Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung von Kernenergieprojekten in das Portfolio der Europäischen Investitionsbank deutlich gemacht, und sie hat sich entschieden dafür eingesetzt, dass EU-Förderung nur für Technologien gewährt wird, die aus ihrer Sicht sicher, nachhaltig und kohlenstoffarm sind. Im Energiebereich beinhaltet das vor allem den Ausbau erneuerbarer Energien und Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz. Diese Position hat die Bundesregierung gestern im Rahmen der Abstimmung im Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank erneut vorgetragen. Die Förderkriterien der Europäischen Investitionsbank verfolgen einen technologieoffenen Ansatz, der eine Förderung von Kernkraftwerken bislang nicht explizit ausschließt . Dies spiegelt die divergierenden energiepolitischen Interessen der Mitgliedstaaten wider . Die Annahme der Klimaschutzstrategie lässt der Bundesregierung auch weiterhin die Möglichkeit offen, im Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank im Rahmen von einzelnen Projektbewilligungen gegen Projekte zu votieren, die die Förderung der Kernenergie beinhalten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Jetzt muss ich erst einmal Guten Tag sagen . Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, meine Kolleginnen und Kollegen, auch Ihnen auf der Regierungsbank, und auch den Gästen . - Und sofort meldet sich Oliver Krischer für eine Nachfrage .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, darf ich Ihre Antwort dann so interpretieren, dass gestern explizit beschlossen worden ist, dass die Förderung von Kernenergieprojekten im Rahmen der EIB möglich ist? Meine Frage dazu ist: Hat die Bundesregierung diesem Beschluss, der diese Möglichkeit der Förderung beinhaltet, zugestimmt, oder hat sie das abgelehnt? Vizepräsident Peter Hintze Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie haben gefragt, ob es explizit beschlossen worden ist . Explizit hat sie es nicht beschlossen, sondern es wurde die Klimaschutzstrategie beschlossen, und diese Strategie sieht vor, dass 25 Prozent der europäischen Investitionsfördergelder in Klimaschutzprojekte investiert werden müssen . Die übrigen 75 Prozent der Fördergelder unterliegen strikten Vorgaben, die im Einklang mit den EU-Klimazielen stehen . Natürlich hat die Bundesregierung aufgrund dessen, dass Investitionen in Klimaschutzprojekte und erneuerbare Energien erfolgen sollen, nicht alles abgelehnt, sondern die Bedenken vorgetragen. Sie wird sie, wie ich gerade gesagt habe, bei Einzelprojekten, die bewilligt werden müssen, erneut vortragen bzw . dagegen votieren . Aber sie hat nicht alles abgelehnt, weil damit verbunden gewesen wäre, dass man auch Investitionen in Klimaschutzprojekte abgelehnt hätte.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Noch eine Nachfrage von Herrn Krischer .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank für die Erläuterungen. Das heißt, Sie haben trotz Bedenken betreffend die Förderung der Atomkraft durch die EIB am Ende zugestimmt. Ich konkretisiere meine Frage. Ich habe Vorentwürfe des entsprechenden Programms gesehen . Dort wurde die Atomkraft explizit erwähnt. Ist die Atomkraft in dem Beschluss erwähnt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Krischer, ich habe Ihnen gerade versucht zu erklären, dass wir nicht explizit der Förderung der Kernenergie zugestimmt haben . ({0}) Sie sollten nicht versuchen, mir etwas anderes zu unterstellen . Sie wollen doch genauso wie die Bundesregierung in erneuerbare Energien investieren; das ist ein wichtiger Punkt. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass das quasi gesetzt ist. Es ist daher klar, dass die Bundesregierung trotz der Bedenken, die ich Ihnen gerade zum Ausdruck gebracht habe, für diese Strategie gestimmt hat.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung . Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Kai Gehring werden schriftlich beantwortet . Dann kommen wir zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 8 der Kollegin Tabea Rößner wird schriftlich beantwortet . Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich begrüße die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries, die zur Beantwortung der Fragen bereitsteht . Wir beginnen mit Frage 9 der Kollegin Sylvia KottingUhl: Kann die Bundesregierung bestätigen, dass nach den Regelungen des am 2 . September 2015 von ihr in die Länderund Verbändeanhörung gegebenen Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Konzernnachhaftung im Nuklearbereich die vom Eon-Konzern geplante Unternehmensausgliederung namens Uniper im Sinne des Entwurfes nicht für den künftigen Eon-Konzernbereich haften müsste ({0}), und inwiefern beugen die Regelungen des Entwurfs bereits vollständig einem Haftungsentzug durch Auslagerung von Vermögenswerten vor oder nicht vor?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, die Bundesregierung kann die von Eon beabsichtigte Abspaltung von Geschäftsteilen mangels genauerer Kenntnis nicht abschließend beurteilen . Eine Entscheidung des Bundeskabinetts über das geplante Nachhaftungsgesetz ist noch nicht erfolgt . Das Ziel dieses Gesetzes ist allerdings, sicherzustellen, dass Energiekonzerne langfristig für die Verpflichtungen der von ihnen beherrschten Kraftwerksbetreibergesellschaften haften, und zwar sowohl für den Rückbau der Kraftwerke als auch für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle . Wir wollen deshalb Änderungen der Unternehmensstruktur verhindern, die auf eine Verlagerung der nuklearen Aktivitäten und der entsprechenden Haftung auf längerfristig nicht tragfähige, selbstständige Gesellschaften hinauslaufen . Aber man muss natürlich sehen, dass die Energiekonzerne genauso wie jedes andere Unternehmen frei in ihren Entscheidungen sind, solange - das ist die Voraussetzung - eine Deckung der Rückstellungen mit Vermögen sichergestellt ist.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin Kotting-Uhl .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden, dass sich Ihr Ministerium angesichts der Tatsache, dass Eon seine Abspaltungs- und Umstrukturierungspläne geändert hat und die AKW-Sparte beim Mutterkonzern Eon belassen und nicht wie geplant zu Uniper auslagern will, noch kein klares Bild darüber gemacht hat, ob das geplante Gesetz noch wirksam ist?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Da haben Sie mich falsch verstanden . Das Ministerium hat den Gesetzentwurf in die Anhörung gegeben . Wir werden ihn überprüfen . Dann wird sich das Kabinett mit ihm befassen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine weitere Nachfrage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch einmal zur Klärung, weil das meine Frage nicht beantwortet hat - wir haben vielleicht ein bisschen aneinander vorbeigeredet -: Es besteht die Möglichkeit, dass der neue Konzern Uniper zwar kapitalkräftiger sein wird als Eon selbst, nicht aber für den Mutterkonzern haftet. Nach Ihrem Gesetzentwurf soll schließlich die Nachhaftung nur umgekehrt gelten. Das heißt, es besteht die Gefahr, dass das im Mutterkonzern verbliebene Kapital nicht ausreichend sein wird, um die anfallenden Kosten für Rückbau und Entsorgung zu decken. Wie gedenkt das Ministerium dieser Gefahr zu begegnen?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich wiederhole gerne den entsprechenden Teil meiner Antwort . Das Gesetz hat das Ziel, Änderungen der Unternehmensstruktur zu verhindern, die auf eine Verlagerung der nuklearen Aktivitäten und der entsprechenden Haftung auf längerfristig nicht tragfähige, selbstständige Gesellschaften hinauslaufen . Wir wollen sicherstellen deswegen machen wir das alles -, dass Haftungskapital in ausreichendem Maße vorhanden ist .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Wir kommen zu Frage 10 der Kollegin Sylvia KottingUhl: Wann sollen nach aktuellem Stand der Bundesregierung die Ergebnisse des von ihr beauftragten sogenannten Stresstests des Systems der Rückstellungsbildung ({0}) der atomkraftwerkebetreibenden Energiekonzerne vorliegen, und hält die Bundesregierung es noch für realistisch, dass die von ihr geplante Kommission zur Frage des Reformbedarfs bei diesem System ihre Ergebnisse bis Ende November 2015 vorlegen kann ({1})? Ich fasse für unsere Gäste auf der Zuschauertribüne einmal zusammen, worum es in dieser Frage geht: Es geht um die Vorlage der Ergebnisse des Stresstests des Systems der Rückstellungsbildung für den Rückbau der Atomkraftwerke. Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Sehr freundlich, Frau Präsidentin . Ich weiß nur nicht, ob das jemand verstanden hat . ({0}) Es geht darum, dass die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat; das nennen wir Stresstest. Mit diesem Gutachten soll geklärt werden, ob genug Geld da ist, um den Rückbau der Atomkraftwerke zu finanzieren. Die Ergebnisse dieses sogenannten Stresstests erwarten wir in den nächsten Wochen; ein genaues Datum dafür haben wir nicht . Zwischenergebnisse sind nicht vorgesehen, sodass ich dazu auch keine weitere Auskunft geben kann. Außerdem haben Sie nach den Vereinbarungen der Parteivorsitzenden gefragt . Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben am 1 . Juli dieses Jahres „Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ beschlossen, und diese Eckpunkte sehen auch vor, dass eine Kommission eingesetzt wird, die Empfehlungen erarbeiten soll, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Entsorgung der radioaktiven Abfälle so ausgestaltet werden können, dass - jetzt kommen wir wieder zum selben Thema - die Unternehmen langfristig wirtschaftlich in der Lage sind, ihre Verpflichtungen aus dem Atombereich zu erfüllen . Eine Entscheidung des Kabinetts zur Einsetzung dieser Kommission steht noch aus. Deswegen kann ich Ihnen keine weiteren Angaben zur Zeitplanung machen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kotting-Uhl .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Staatssekretärin. - Sie haben jetzt sozusagen schon im Vorhinein die Antworten auf alle möglichen Rückfragen mehr oder weniger ausgeschlossen. Ich werde jetzt also nicht versuchen, darauf zu drängen . Deshalb eine andere Frage . Sie haben ursprünglich vorgesehen, heute im Kabinett über diese Kommission zu entscheiden . Also gehe ich einmal davon aus, dass bestimmte Vorbereitungen durchgeführt worden sind, auch wenn der Entschluss verschoben worden ist . Welche Kompetenzen sollen sich denn der Planung nach in dieser Kommission wiederfinden?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die Kommission soll eingesetzt werden, um Empfehlungen zu erarbeiten, wie die Sicherstellung der Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie die Entsorgung der radioaktiven Abfälle so ausgestaltet werden können, dass die Unternehmen langfristig in der Lage sind, ihre wirtschaftlichen Verpflichtungen aus dem Atombereich zu erfüllen . Das wird der Auftrag der Kommission sein .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine weitere Zusatzfrage .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, dank Ihrer Erlaubnis möchte ich eine weitere Nachfrage stellen. - Frau Staatssekretärin, Ihre Antwort auf meine erste Zusatzfrage, nimmt mir jetzt die Möglichkeit, eine inhaltlich andere Zusatzfrage zu stellen; denn ich muss auf Ihre Antwort auf meine erste Zusatzfrage eingehen . Ich hatte ja nicht nach der Aufgabe der Kommission gefragt - die kenne ich auch schon -, sondern nach den Kompetenzen, die darin vertreten sein sollen . Also, Juristen, Wirtschaftsprüfer, Ökonomen - welche Expertengruppen sollen darin vertreten sein?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das war dann ein Missverständnis. - Dazu kann ich Ihnen weiter nichts sagen . Die Parteivorsitzenden haben vereinbart, dass die Besetzung der Kommission im Einvernehmen mit den Parteispitzen und den Fraktionen der Regierungskoalition erfolgt. Ich kann Ihnen dazu im Moment keine weiteren Angaben machen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Frau Kotting-Uhl. - Der Kollege Krischer hat eine Nachfrage .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, es soll eine Kommission geben. Über diese Kommission wurde auch in der Presse schon berichtet . Frau Kotting-Uhl hat ja zu Recht darauf hingewiesen: Es war sogar angekündigt, dass darüber heute im Kabinett beschlossen werden soll . Ich finde es jetzt schon ein bisschen erstaunlich, dass Sie hier gar nichts über diese Kommission sagen können. Kann ich daraus schließen, dass es in der Bundesregierung bisher kein entscheidungsreifes Konzept für diese Kommission gibt?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Sie können daraus schließen, dass es manche Dinge gibt, die von der Bundesregierung nicht nach außen gemeldet werden . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich sehe dazu keinen weiteren Nachfragewunsch. Ich bin gerade zu Recht darauf hingewiesen worden, dass ich das Thema einer Frage nicht notwendigerweise nennen muss; man kann es nämlich auf den Medienwänden rechts und links von mir ablesen. Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Krischer auf: Wie sieht der weitere Zeitplan zum Konzernhaftungsgesetz und Stresstest aus ({0})? Frau Staatssekretärin, bitte.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 2 . September dieses Jahres die Länder- und Verbändeanhörung zum „Entwurf eines Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes“ - so ist die offizielle Kurzform dieses Gesetzentwurfes - eingeleitet . Eine Kabinettsentscheidung über den Gesetzentwurf wird nach Abschluss der Ressortanhörung und Ressortabstimmung erfolgen . Wir hatten eben schon gesagt: Der Stresstest dauert noch an . Wir rechnen mit Ergebnissen in einigen Wochen. Deswegen kann ich Ihnen keinen genauen Zeitplan nennen, wann die Ergebnisse des Stresstests veröffentlicht werden sollen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Krischer .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, danke für die Antwort. - Das verstehe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht . Das Konzernhaftungsgesetz hat erst einmal nichts mit dem Stresstest zu tun . Ich habe Herrn Bundesminister Gabriel und auch andere Mitglieder der Bundesregierung so verstanden, dass die Verlängerung der Konzernhaftung überhaupt eine Voraussetzung ist, um später Lösungen zu finden, wie die Atomrückstellungen gesichert werden können und wie ein Risiko des Steuerzahlers minimiert werden kann. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie, wenn das Konzernhaftungsgesetz jetzt in der Verbändeanhörung war Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ist!

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- ist -, nicht sagen können, wie der weitere Fahrplan ist. Vor allen Dingen erstaunt mich jetzt der Zusammenhang mit dem Stresstest, den Sie an der Stelle herstellen . Können Sie mir diesen Zusammenhang erläutern?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Es erstaunt mich jetzt ein bisschen, dass Sie das erstaunt; denn eigentlich denke ich ja, dass Sie in diesen Themen sehr sachkundig sind. Der Stresstest hat doch die Aufgabe, festzustellen: Welche Werte sind angesetzt? Was kann man in diese Werte hineinrechnen? ({0}) - Na ja, das hat natürlich schon etwas mit der Konzernhaftung zu tun. Es gibt den bekannten deutschen Spruch: Haben Sie schon mal einem nackten Mann in die Tasche gefasst? - Man kann natürlich zehnmal sagen: „Die Konzerne haften“, und man kann ein Gesetz dazu machen, aber man braucht natürlich Vermögenswerte, mit denen die Konzerne haften, und man muss sicherstellen, dass man darauf Zugriff hat . Wenn sonst nichts mehr da ist, dann ist natürlich auch keine Haftung mehr da.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Krischer .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, das verstehe ich jetzt noch weniger . Sie sagen mir also, dass die Konzernhaftung nur dann relevant wird, wenn der Stresstest irgendwie das Ergebnis erbringt, dass noch Geld da ist .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Nein, da verstehen Sie mich falsch .

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das haben Sie mir gerade erklärt.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Da verstehen Sie mich falsch . Der Stresstest hat die Aufgabe, festzustellen, wie die Werte angesetzt sind, ({0}) ob sie richtig angesetzt sind . Das ist eine der Voraussetzungen . ({1}) - Na ja, das ist schon eine Voraussetzung dafür; denn man muss sich entscheiden, wie man dieses Gesetz ausgestaltet . ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Nachfrage der Kollegin Kotting-Uhl .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, ich muss mich dem Unverständnis meines Kollegen Krischer anschließen, zumal Ihr Minister uns das auch anders dargestellt hat . Der Minister sagte ganz klar: Das Nachhaftungsgesetz ist der erste Schritt, um klarzumachen, dass durch Umstrukturierungen usw. sich Mutterkonzerne nicht der Haftung entziehen können.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Genau .

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der zweite Schritt ist dann: Wie gestalten wir es, dass nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler am Ende zahlen, sondern dass die Rückstellungen tatsächlich da sind? Also: Stiftung, Bad Bank, öffentlich-rechtlicher Fonds usw.; es schwirren ja viele Ideen durch die Gegend . Dafür muss der Stresstest gemacht werden . Das hat also in der Tat mit dem Konzernhaftungsgesetz erst einmal nichts zu tun . Bei dem Konzernhaftungsgesetz ist Eile geboten; denn Eon hat für den 1 . Januar 2016 die Abspaltung von Uniper angekündigt. Vorher sollte dieses Gesetz greifen . Deshalb wiederhole ich die Frage vom Kollegen Krischer: Wie sieht der Zeitplan dazu aus? Ist das einzuhalten?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Wir gehen davon aus, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Wir haben das Gesetz in der Abstimmung, und wir werden es rechtzeitig, in Kürze ins Kabinett bringen und werden auch in Kürze - „wenige Wochen“ ist „in Kürze“ - die Ergebnisse des Stresstests haben, und wir werden im Zusammenhang mit dem Nachhaftungsgesetz auch über die Besetzung der Kommission entscheiden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Keine Nachfragen. Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Hubertus Zdebel werden schriftlich beantwortet . Dann kommen wir zur Frage 14 des Kollegen HansChristian Ströbele: Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass der Exportgrundsatz „Neu für Alt” ({0}) bei Waffenlieferungen tatsächlich angewandt wird, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung, wonach bei Exporten von G36-Gewehren und Maschinenpistolen der Firma Heckler & Koch in den Jahren 2006 bis 2008 dieser Grundsatz umgangen wurde und die Bundesregierung danach trotzdem weitere Ausfuhren von 7 700 G36-Sturmgewehren sowie 3 200 MP5-Maschinenpistolen mit der Begründung genehmigte, trotz fehlender Umsetzung des Grundsatzes NfA sei das besondere außenpolitische Interesse an der Ausfuhr gerechtfertigt ({1}), und wie stellt sich die Bundesregierung dieser Verantwortung - als genehmigende Instanz der Waffenexporte nach Mexiko - mit Blick auf den am 26. September anstehenden Jahrestag des Massakers in Iguala und darauf, dass deutsche G10-Sturmgewehre bei diesem Angriff der Polizei auf die Studenten benutzt wurden, etwa durch Unterstützung bei der Aufklärung des Geschehens? Frau Staatssekretärin.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Der „Neu für Alt“-Grundsatz wurde in dem Zeitraum, den der Abgeordnete nachfragt, in der Weise umgesetzt, dass der Antragsteller grundsätzlich aufgefordert wurde, seine Lieferverträge so auszugestalten, dass die staatlichen Endempfänger sich verpflichten, Kleinwaffen, die aufgrund von Neulieferungen ausgesondert werden, zu vernichten . Die Bundesregierung ist fallweise über Waffenvernichtungsaktionen unterrichtet worden. Wir haben jetzt neue Kleinwaffengrundsätze verabschiedet, wie Sie wissen, am 18 . März 2015 . Da haben wir den „Neu für Alt“-Grundsatz auf eine neue Grundlage gestellt . Danach muss seit März 2015 der staatliche Empfänger von kleinen und leichten Waffen grundsätzlich eine Verpflichtungserklärung dahin gehend abgeben, dass die durch die Neubeschaffung zu ersetzenden kleinen und leichten Waffen vernichtet werden . Sofern diese Neubeschaffung einen plausiblen Mehrbedarf deckt und deshalb Altwaffen nicht vernichtet werden, wird ersatzweise grundsätzlich die Verpflichtung gefordert, die jetzt zu liefernden neuen Waffen bei einer späteren Außerdienststellung zu vernichten . Das ist die Variante „Neu, Vernichtung bei Aussonderung“ . Die Bereitschaft zur Abgabe und Einhaltung einer derartigen Erklärung ist entscheidungserheblich für die Genehmigung der Ausfuhr . Die Bundesregierung trägt dafür Sorge, dass die Umsetzung des Exportgrundsatzes „Neu für Alt“ sowie die Variante „Neu, Vernichtung bei Aussonderung“ überwacht wird . Dazu führt die Bundesregierung zeitnah eine Abstimmung herbei . Zu dem anderen Aspekt: Die Bundesregierung unterstützt die Aufklärung der Entführung und anschließenden Tötung der 43 Studenten im Bundesstaat Guerrero im Rahmen des mexikanischen Ermittlungsverfahrens. Sie wird die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft insbesondere mit einem vom Auswärtigen Amt finanzierten Rechtsstaatsprojekt unterstützen, das unter anderem eine Forensikkomponente vorsieht.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht, ob ich mich angesichts der Tragödie, die sich derzeit in Mexiko abspielt, dafür bedanken soll. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Grundsatz „Neu für Alt“, also dass alte Gewehre vernichtet werden, wenn neue geliefert werden sollen, in der Vergangenheit umgangen worden ist? Ist der Bundesregierung bekannt - vielleicht lesen auch Sie die Bild-Zeitung, zum Beispiel von heute -, dass das Bundeswirtschaftsministerium, also Ihr Ministerium, darauf hingewirkt haben soll, das Genehmigungsverlangen der Firma Heckler & Koch so zu manipulieren, dass erneut über 2 000 G36-Gewehre geliefert werden konnten, obwohl wir wissen, Frau Staatssekretärin - das ist das Schreckliche daran -, dass G36-Gewehre bei diesem Massaker - nächsten Samstag jährt sich dieses furchtbare Ereignis - benutzt worden sind? Der Mörder soll ein G36-Gewehr aus deutscher Produktion gehabt haben. Warum liefert die Bundesregierung angesichts dieser Fakten weiter Gewehre in diesen Mörderstaat, in dem hunderttausend Menschen in diesem Krieg ermordet worden sind? Ist Ihnen das die 2 Millionen Euro wert, die Heckler & Koch daran verdient?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003870, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter, Sie vermischen jetzt offenbar die Zeiten . Die Bundesregierung hat Ende 2010 die Bearbeitung von Ausfuhrgenehmigungsanträgen für Kleinwaffen nach Mexiko ausgesetzt. Seither werden nach Mexiko keine Kleinwaffen mehr genehmigt. Was den ersten Teil Ihrer Frage anbelangt: Es besteht eine Verpflichtung, diese Waffen zu vernichten. Fallweise haben Vertreter beispielsweise der deutschen Botschaften solchen Vernichtungsaktionen beigewohnt.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen ein Herr Claus W. bekannt - dessen Nachname ist hier nicht voll ausgeschrieben -, der Abteilungsleiter und Ministerialrat bei Ihnen im Wirtschaftsministerium gewesen sein soll und der ich habe es nicht gesehen, aber so steht es in der Bild-Zeitung - in seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt haben soll - ich zitiere wörtlich -: Mit Heckler und Koch haben wir darauf hingewirkt, dass die Anträge für die kritischen Bundesstaaten zurückgezogen werden. Anstelle dieser kritischen Staaten sind unkritische Staaten eingetragen worden, obwohl alle wissen, dass in der Vergangenheit die Ausnahmen für bestimmte Staaten nicht eingehalten worden sind . Ist Ihnen ein solcher Ministerialrat bekannt? Ist Ihnen bekannt, dass er, also ein Mitglied Ihres Hauses, mit dafür gesorgt haben soll, dass trotz dieser Umstände G36-Gewehre weiter nach Mexiko geliefert werden?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, wir reden von einem Zeitpunkt, an dem ich noch nicht in diesem Hause gearbeitet habe . Ob ich diesen Herrn kenne oder nicht, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich nicht weiß, wer das sein könnte. Es mag sein, dass ich ihn aus vorhergehenden Tätigkeiten kenne. Es mag auch sein, dass ich ihn nicht kenne. Diese Frage kann ich nicht beantworten. Sie zitieren aus Unterlagen, die offenbar Gegenstand von Anhörungen der Staatsanwaltschaft sind, wenn ich Sie richtig verstanden haben . Dieses Zitat haben Sie der Zeitung entnommen. Ich kenne diese Unterlagen nicht im Original . Ich habe diesen Anhörungen nicht beigewohnt . Es handelt sich dabei um ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, und die Staatsanwaltschaft wird ihres Amtes walten . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Die nächste Nachfrage stellt Herr Behrens . Bitte schön .

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie haben eben erwähnt, dass die Geschäftsbeziehungen in Form von Lieferungen von Kleinwaffen nach Mexiko Ende 2010 eingestellt wurden. Nun wissen wir aber, dass doch eine ganze Reihe von neuen G36-Gewehren nach Mexiko geliefert worden ist. Sie haben den Grundsatz „Neu für Alt“ erwähnt . Können Sie denn, sollte es diese Lieferung von über 10 000 neuen G36-Gewehren an Mexiko gegeben haben, konkrete Angaben darüber machen, wie viele alte Gewehre dafür vernichtet worden sind?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Abgeordneter, ich habe Ihre Frage nicht richtig verstanden . Wollen Sie, obwohl ich Ihnen gesagt habe, dass die Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigung für Kleinwaffen nach Mexiko Ende 2010 ausgesetzt hat, unterstellen, dass trotzdem Gewehre geliefert wurden? Ist das die Frage?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Das war die Frage; ja.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Dann kann ich diese Frage nicht beantworten. Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die nächste Nachfrage hat die Kollegin Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Sie haben sich darauf berufen, dass die Waffenlieferungen im Jahr 2010 eingestellt worden sind. Das Massaker von Ayotzinapa liegt jetzt ein Jahr zurück; das stimmt. Aber seit Jahrzehnten haben wir in Mexiko einen blutigen Krieg und seit 2006 einen blutigen Drogenkrieg mit Hunderttausenden Toten. Die Situation hat sich seit 2006 verschärft . Es herrscht eine hundertprozentige Straflosigkeit. Und in genau dieser Zeit wurde die Lieferung von Tausenden Gewehren genehmigt. Das ist doch die Problematik. Es wurden Tricks angewandt. Man hat die Firmen nämlich aktiv beraten, wie man trotz des blutigen Bürgerkrieges und der wahnsinnigen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen Waffen liefern kann. Das ist doch der entscheidende Punkt. Da gab es Mithilfe aus Ihrem Ministerium. Das wollen wir doch hier aufklären. Es gab die Idee „Neu für Alt“, und es gab die Idee, nur bestimmte Bundesstaaten aufzuführen . Das sind doch alles Hilfen . Meine Rückfrage lautet ganz konkret: Was ist das außenpolitische Interesse der Bundesregierung, trotz dieser Menschenrechtsverletzungen Waffenlieferungen zu genehmigen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, Sie stellen die Sache schon wieder so dar, als würden wir heute noch Kleinwaffen genehmigen . ({0}) Diese Bundesregierung hat ganz im Gegenteil neue Grundsätze für die Genehmigung von Kleinwaffen aufgestellt; diese habe ich eben referiert. Wir haben seit 2008 keine Anträge auf G36-Ausfuhren nach Mexiko und seit 2010 auch keine Anträge für den Export von sonstigen Kleinwaffen mehr genehmigt . Wenn es Beschuldigungen gibt, dass im Haus oder aus dem Hause heraus - das hat eben auch der Kollege Ströbele suggeriert - irgendwelche unzulässigen Dinge, über die heute in den Medien zu lesen ist, geschehen sind, dann kann ich Ihnen dazu jetzt und an dieser Stelle nichts weiter sagen . Wir werden selbstverständlich den heute in den Medien veröffentlichten Vorwürfen nachgehen; das versteht sich von selbst. Aber ich kann dazu jetzt nichts sagen . Wir müssen das erst überprüfen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Frau Zypries. - Die nächste Nachfrage hat Herr Liebich .

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich verstehe, dass es für die heutige Bundesregierung kompliziert ist, das Agieren der vorherigen Bundesregierung zu bewerten . Es nützt aber nichts . Wir sind hier das Parlament . Wir stellen hier die Fragen an die Bundesregierung - wer auch immer damals gerade im Amt war .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das ist auch in Ordnung .

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine Frage ist folgende: Es gibt Bilder, auf denen zu sehen ist, dass nicht etwa G36-Gewehre, sondern uralte Kalaschnikow-Gewehre vernichtet und dafür neue G36-Gewehre geliefert wurden . Kennen Sie diese Bilder? Ist Ihnen das bekannt? Können Sie ausschließen, dass konfiszierte alte Gewehre der Drogenmafia vernichtet und im Gegenzug neue G36-Gewehre nach Mexiko geliefert wurden?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Nein, darüber weiß ich nichts. Ich kenne das Bild nicht und weiß auch sonst nichts über solche Umstände . Aber wenn Sie wollen, kann ich gerne im Haus nachfragen, ob jemand etwas darüber weiß, und dann können wir es gerne schriftlich nachliefern .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine weitere Nachfrage hat Frau Buchholz .

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Ich beziehe mich jetzt auch auf die Vergangenheit . Der Kollege Liebich hat ja recht: Wir müssen uns heute mit dem Fall beschäftigen, und wir wollen, dass es in Zukunft anders wird. Hat die Bundesregierung durch die Botschaft - zum Beispiel durch Besuche vor Ort oder in Augenscheinnahme - kontrollieren lassen, ob in den zu beanstandenden Bundesstaaten Sicherheitskräfte mit dem G36 ausgerüstet sind?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

In welcher Weise die Botschaft vor Ort tätig war, kann ich nicht sagen . Ich weiß nur, dass im Jahre 2006 Vertreter der Botschaft in Mexiko bei der Vernichtung von Kleinwaffen dabei waren .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nachfrage, Kollegin Brugger .

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich beziehe mich einmal auf die heutige Zeit . Die schreckliche Tragödie in Mexiko ist schon länger bekannt. Am Tag danach wurde klar, dass wahrscheinlich deutsche G36-Gewehre bei diesem Massaker zum Einsatz gekommen sind. Habe ich Sie richtig verstanden, dass sich die Bundesregierung erst heute aufgrund der Presseveröffentlichung auf den Weg begibt, nachzuforschen, wie es sein kann, dass deutsche Gewehre in einer Provinz gelandet sind, in der sie nicht hätten eingesetzt werden dürfen? Es sind 6 Menschen zu Tode gekommen und 43 verschwunden.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, die Lieferung dieser Gewehre ist Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens . ({0}) Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, diese Sache aufzuklären. Solange staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren laufen, ist es deren Job, das zu machen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nachfrage des Kollegen van Aken.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Zypries, bei aller Wertschätzung, Herr W ., der hier schon zitiert wurde, arbeitet immer noch bei Ihnen in der gleichen Position . Es hat sich in Ihrem Ministerium strukturell nichts geändert. Seit fünf Jahren, nicht erst seit heute, wissen Sie, weiß das ganze Haus Bescheid, dass bei den Waffenexporten nach Mexiko ganz viel schiefgelaufen ist . Zu sagen: „Das muss die Staatsanwaltschaft machen, bis dahin machen wir beide Augen zu; wir kümmern uns nicht darum, gucken nicht, was strukturell schiefläuft“, geht gar nicht. Sie haben gerade einiges falsch gesagt . Sie haben beispielsweise behauptet, es gebe eine Verpflichtung der Mexikaner, die alten Waffen zu vernichten. Das haben Sie gerade gesagt. Das ist falsch; das wissen Sie selber. Da haben Sie sich versprochen. Diese Verpflichtung gab es nie . Es gab schon letzte Woche die Bilder von der angeblichen Vernichtung, und es wurde die Zahl der Waffen genannt, die vernichtet worden sind . Das sind nämlich 700. Das hätten Sie wissen können, wenn Sie, Ihr Minister oder irgendwer im Ministerium, sich darum gekümmert hätten. 700 wurden vernichtet, 10 097 wurden geliefert . Was ist das für ein Grundsatz: „Neu für Alt“? Sie kümmern sich nicht einmal darum. Jetzt konkret meine Frage: Kennen Sie außer Mexiko einen einzigen Fall irgendwo auf der Welt, wo „Neu für Alt“ stattgefunden hat? Ich habe das mehrfach nachgefragt. Ich höre immer nur, dass keine Statistiken geführt werden . Sie haben gerade gesagt, dass es das fallweise gab . Nennen Sie mir bitte einen Fall .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich kann Ihnen keinen Fall nennen, aber ich kann gerne im Hause nachfragen, ob es solche Fälle gab . ({0}) - Dann frage ich noch einmal, vielleicht kommen wir dann weiter .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Dröge hat noch eine Nachfrage .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ganz herzlichen Dank. - Ich komme noch einmal auf die Frage von Frau Brugger zurück, die Sie eben beantwortet haben . Frau Brugger hatte ja gesagt, dass nach dem Massaker in Mexiko öffentlich geworden ist, dass dort G36-Gewehre zum Einsatz gekommen sind. Frau Brugger hat Sie gefragt: Was haben Sie im Haus intern, nachdem es öffentlich gemacht worden ist, getan, um diesen Vorfall aufzuklären? Sie haben nur auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verwiesen . Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie ansonsten nichts im Hause getan haben, um diesen Sachverhalt zusätzlich intern aufzuklären?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich kann Ihnen nicht sagen, was das Haus intern gemacht hat, weil mir darüber keine Erkenntnisse vorliegen . Ich gehe davon aus, dass etwas getan wurde . Wenn es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt, gehen diese vor. Das wissen Sie. Wir können nicht anfangen, noch einmal selber zu ermitteln . Das Haus wird im Zweifel Umsetzungen vorgenommen haben. Das können wir Ihnen gerne schriftlich nachreichen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Da ich die Hüterin der Geschäftsordnung bin, muss ich leider Herrn van Aken und Frau Brugger darauf hinweisen, dass bei der Fragerunde nur eine Nachfrage möglich ist . Deswegen kommen wir jetzt zur Frage 15 der Kollegin Heike Hänsel: Weshalb stehen die im Jahr 2008 an Mexiko gelieferten Gewehre nicht im Rüstungsexportbericht 2008 ({0}), und sind der Bundesregierung in diesem Zusammenhang weitere Waffenlieferungen bekannt, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle genehmigt wurden und die nicht von den Rüstungsexportberichten der letzten zehn Jahre erfasst wurden?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die im Jahr 2008 an Mexiko gelieferten Gewehre stehen nicht im Rüstungsexportbericht 2008, weil es sich um eine Genehmigungserweiterung aus dem Jahre 2008 handelte, die nicht mehr in die statistische Erfassung für 2008 eingeflossen ist. Das war ein fehlerhaftes Handeln der Behörde, des Bundesamtes . Durch diese fehlerhafte Erfassung ist das nicht eingeflossen. Zu der Frage, ob uns weitere entsprechende Waffenlieferungen bekannt sind, kann ich sagen: Nein, uns sind keine weiteren Waffenlieferungen bekannt, die vom BAFA genehmigt wurden und die nicht von den Rüstungsexportberichten der letzten zehn Jahre erfasst wurden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da möchte ich schon noch mal nachhaken; denn die Gewehre tauchen im Bericht für das nächste Jahr auch nicht auf . Der Fehler führte also nicht nur dazu, dass die Gewehre nicht mehr im Bericht für das Jahr 2008 vorkamen, sondern sie tauchen überhaupt nicht auf. Ich finde es, ehrlich gesagt, schon sehr bedenklich, wenn eine Lieferung von über 2 000 Gewehren einfach mal so aus der Statistik verschwindet. Meine Fragen: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihre Berichte? Wieso ist Ihnen das eigentlich überhaupt nicht aufgefallen? Warum braucht es eigentlich immer Journalisten und Zivilgesellschaft, um die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, welche Waffen wo landen?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das ist jetzt falsch . Es geht nur um die Frage der Notifizierung. Es handelt sich um 1 393 Gewehre und nicht um 2 000 . Diese 1 393 Gewehre sind aufgrund einer verwaltungsmäßig - wie ich persönlich als Verwaltungsjuristin finde - fehlerhaften Bearbeitung auf den Verwaltungsakt von 2007 geschrieben worden, also er ist quasi ergänzt worden . Dadurch sind die Gewehre ganz aus der Statistik herausgefallen, weil sie 2008 nicht wahrgenommen wurden und in den Folgejahren natürlich auch nicht; denn sie waren ja auf dem Bescheid von 2007 notifiziert. Das ist ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln gewesen . Das haben wir festgestellt . Es gab eine entsprechende Organisationsänderung. Inzwischen ist klar, dass man Verwaltungsakte dieser Form oder Bescheide dieser Form nicht weiter ergänzen darf, sondern man immer einen neuen Bescheid erstellen muss . Seither ist Entsprechendes auch nicht wieder vorgekommen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Hänsel, die zweite Nachfrage .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Weil Sie gerade selbst bestätigt haben, dass 2007 Waffen, Gewehre, nach Mexiko geliefert wurden und sie dann im Bericht 2008 nicht auftauchten, sind wir wieder bei der Frage, die ich vorhin gestellt habe und die sich darauf bezog, dass bereits 2006 ein blutiger Krieg in Mexiko begonnen hatte - formal gegen die Drogenbanden, aber verbunden mit massiven Menschenrechtsverletzungen und hundertprozentiger Straflosigkeit. In dieser Zeit wurden also Gewehre nach Mexiko geliefert. Ich hätte gerne eine Antwort darauf, wie die Bundesregierung dazu kommt, in solch einer Situation Lieferungen von Gewehren an die Polizei, die Bestandteil dieser Menschenrechtsverletzungen ist, zu genehmigen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das Verfahren läuft so, dass solche Genehmigungen vom Bundessicherheitsrat erteilt werden; der Bundessicherheitsrat entscheidet darüber . Die Verhandlungen des Bundessicherheitsrates sind nicht öffentlich . Was den damaligen Bundessicherheitsrat dazu bewogen hat, kann ich Ihnen also nicht sagen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege van Aken, Ihre Nachfrage.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich glaube, in diesem Fall war es nicht der Bundessicherheitsrat, sondern der vorbereitende Ausschuss; aber das ist jetzt mal egal . - Ich habe zu diesem Export nach Mexiko noch eine Frage. Es scheint ja so zu sein, dass man, wenn man Gewehre irgendwohin liefert, zusätzlich Ersatzteile im Umfang von 10 Prozent des Exportwertes liefern darf . Das scheint die Standardregelung zu sein . Jetzt sind in der letzten Woche Dokumente veröffentlicht worden, die den Vorwurf belegen - den Vorwurf gibt es nicht erst seit heute, er ist schon ein bisschen älter; Sie hätten das im Ministerium also schon mal verfolgen können -, dass auf einmal die 10-Prozent-Regelung für Heckler & Koch auf 30 Prozent ausgeweitet worden ist. Meine Fragen an Sie: Stimmt das? Wissen Sie davon? Gilt die 30-Prozent-Regelung immer noch, und gilt sie für Heckler & Koch nicht nur für Mexiko, sondern auch für andere Länder?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich weiß nicht, ob das stimmt . Ich weiß nur - das haben mir meine Mitarbeiter in der Vorbesprechung zu dieser Fragestunde mitgeteilt -, dass im Hause derzeit entsprechende Überprüfungen vorgenommen werden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön. - Nächste Nachfrage, Kollegin Agnieszka Brugger.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, im Zuge der Genehmigungen der Lieferungen der G36-Gewehre nach Mexiko hat man bestimmte Provinzen, in denen die Menschenrechtslage noch schlimmer war als im Rest des Landes, von den Lieferungen explizit ausgeschlossen . Aber dort sind die Waffen anschließend aufgetaucht . Ist ein solcher Ausschluss also überhaupt möglich? Wie kontrolliert die Bundesregierung einen solchen Ausschluss? Haben Sie die verlässliche Zusage von mexikanischer Seite gehabt, dass diese Provinzen nicht mit G36-Gewehren beliefert werden? Wie wollen Sie in Zukunft solche Lieferungen kontrollieren? Ist es überhaupt ein praktikabler Weg, den Verantwortlichen eines Landes zu sagen: „Diese Stadt und diese Provinz bitte nicht mit den von uns gesendeten Gewehren beliefern“?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Normalerweise ist es so, Frau Abgeordnete, dass es einen Adressaten gibt, also beispielsweise das Innenministerium eines Landes; das kann auch das Innenministerium eines Teilstaates sein . Wenn Sie unser föderalistisches System als Beispiel nehmen, dann könnte das auch der Innenminister von Nordrhein-Westfalen sein; das wäre theoretisch denkbar. Die Personen, an die geliefert wird, müssen dann dafür sorgen, dass der richtige Adres sat die Waffen auch behält . Die Behauptung, die seit kurzem in den Medien kursiert, dass angeblich geraten wurde, vier Provinzen nicht zu beliefern, wird derzeit im Hause überprüft .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön. - Nächste Nachfrage, Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, Sie berufen sich immer auf das laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das inzwischen fünfeinhalb Jahre andauert . Wenn das noch ein paar Jahre andauert - man weiß ja nicht, wie das ausgeht -, heißt das dann, dass die Bundesregierung über die Geschäfte so lange keine Auskünfte gibt mit Rücksicht auf das laufende Strafverfahren? Oder ist die Bundesregierung bereit, auf die mehrfach gestellten Fragen endlich Auskünfte zu geben? Die Frage ist doch: Wenn die Bundesregierung die Bedingungen stellt, zum Beispiel, dass in bestimmte Staaten nicht geliefert werden soll, wie garantiert dann die Bundesregierung, dass diese Bedingungen auch eingehalten werden? Wir wissen: Wenn die USA solche Bestimmungen vertraglich vereinbaren, dann wird die Einhaltung vor Ort in den Ländern kontrolliert . Die Bundesregierung tut das nicht . Ich war selber in Mexiko und habe mich dort erkundigt. Die dortige Regierung hat erklärt, ihr seien solche Bedingungen überhaupt nicht bekannt gewesen. Dann kann sie natürlich auch nicht verhindern, dass diese Gewehre in bestimmte Staaten geliefert werden, in die sie gar nicht geliefert werden sollten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass die jetzige Bundesregierung mit einem entsprechenden Regelwerk die Bedingungen weiter verschärft hat . Das eine sind die auf Initiative von Bundesminister Gabriel beschlossenen Kleinwaffengrundsätze, von denen eben schon die Rede war. Mit diesen neuen Kleinwaffengrundsätzen können wir über die früher schon übliche Reexportklausel hinaus die ausdrückliche Zusage der Einhaltung der Endverbleibserklärung einfordern, ({0}) und zwar derart, dass die genehmigten Waffen, wenn nicht eine erneute Zustimmung der Bundesregierung vorliegt, weder an andere Länder noch innerhalb des Empfängerlandes an andere als die genehmigten Empfänger weitergegeben werden dürfen . Das andere ist die sogenannte Post-Shipment-Kontrolle, die auch auf Initiative von Bundesminister Gabriel im August 2015 beschlossen wurde . Mithilfe dieser Kontrollen können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib der Waffen machen, vor Ort überprüft werden . Dadurch können wir sicherstellen, dass die exportierten Waffen am angegebenen Bestimmungsort ankommen und auch verbleiben .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Jetzt habe ich noch eine Nachfrage von Frau Buchholz .

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Aus anderen Zusammenhängen wissen wir, dass Heckler & Koch keine allzu schlechten Verbindungen zum Beispiel ins Verteidigungsministerium hat . Ich habe daher eine Frage an Sie: Gibt es zum Beispiel die Praxis, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Ministerium, die mit der Genehmigung von Rüstungsexporten betraut sind, regelmäßig auf andere Posten versetzt werden, damit Korruption vorgebeugt wird? Gibt es so eine Praxis?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die jetzige Leitung des Bundesministeriums legt Wert darauf, dass genau so eine regelmäßige Umsetzung von Referatsleitern, die mit solchen Themen befasst sind das bezieht sich jetzt nicht nur auf Kleinwaffenexporte, sondern auch auf zahlreiche andere Gebiete -, stattfindet. Ja, wir haben mit dieser Praxis begonnen . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Eine Nachfrage von Frau Dröge.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Sie haben ja gerade in der Antwort auf die Frage von Herrn Ströbele auf die neuen Grundsätze zur Endverbleibskontrolle hingewiesen. Ich habe Ihnen ja auch heute Morgen schon im Ausschuss die Frage gestellt, wie verbindlich denn so eine Endverbleibskontrolle funktionieren kann; denn Sie haben auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Agnieszka Brugger geantwortet, dass so eine Endverbleibskontrolle im Endeffekt im Goodwill des Empfängerlandes liegt . Wenn das nicht zustimmt, dann wird eine Endverbleibskontrolle nicht funktionieren. - Heute Morgen haben Sie mir gesagt, es ist völkerrechtlich nicht anders möglich. Das ist dann aber ein Problem, wenn Sie auf der anderen Seite gerade diese Endverbleibskontrolle als positive Neuerung so nach vorne stellen . Deswegen einfach noch einmal die Frage an Sie: Wie können Sie diese Endverbleibskontrolle wirklich durchsetzen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Ich habe es Ihnen ja eben gerade schon gesagt in der Antwort auf die Frage von Herrn Ströbele . Zum einen gibt es Verpflichtungserklärungen, die abgegeben werden müssen . Zum anderen ist es durch diese Post-Shipment-Kontrolle auch möglich, im Land tatsächlich zu kontrollieren, ob die Waffen da sind, wo sie hinsollen. Aber Sie wissen ja auch, wie die Welt ist. Wir können jetzt nicht jemanden danebenstellen, der das dann die ganze Zeit fortlaufend kontrolliert. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

So, jetzt habe ich noch eine Nachfrage von Matthias W. Birkwald.

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir haben jetzt zahlreiche Antwortversuche der Staatssekretärin gehört. Wir sind mit den Antworten nicht zufrieden . Die Fragen wurden aus unserer Sicht nicht hinreichend beantwortet . Deswegen beantragen wir, jetzt eine Aktuelle Stunde zum Thema „Rüstungsexporte nach Mexiko“ durchzuführen. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ein Blick in die Geschäftsordnung: Die Fraktion hat jetzt zur Antwort der Bundesregierung auf die Frage 15 eine Aktuelle Stunde verlangt. Die Bedingungen dafür sind gegeben . Das entspricht der Nummer 1 b Anlage 5 der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aktuelle Stunde findet im Anschluss an die Fragestunde, also um 15 .35 Uhr, statt . ({0}) Dann machen wir jetzt ganz regulär weiter und kommen zur Frage 16 der Abgeordneten Heike Hänsel: Wird die Bundesregierung angesichts des Krieges und der katastrophalen Lage für die Menschen im Jemen, wo bereits 80 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig sind und Saudi-Arabien weiterhin Hilfstransporte blockiert, die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und seine Bündnispartner Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate einstellen ({1})? Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, die Bundesregierung beobachtet die Situation im Jemen mit Sorge und hat die Konfliktparteien wiederholt zu einer humanitären Feuerpause sowie zur schnellstmöglichen Rückkehr zu Verhandlungen unter der VN-Ägide aufgerufen . Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen . Grundlage hierfür sind die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000, der Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8 . Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern sowie der Vertrag über den Waffenhandel vom 2. April 2013. Aktuelle Entwicklungen in den jeweiligen Ländern werden in die Entscheidungsfindung selbstverständlich immer einbezogen. Für jeden Einzelfall findet eine differenzierte und sorgfältige Einzelfallprüfung statt, insbesondere unter außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Zypries. - Heike Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Frau Staatssekretärin, das war jetzt aber keine Antwort. Es geht um eine Einzelfallprüfung. Ich habe konkret gefragt, ob angesichts dieses Krieges, ob angesichts der Bombardierungen im Jemen, die von Saudi-Arabien bzw . den Golfstaaten durchgeführt werden, und der katastrophalen Situation der Bevölkerung im Jemen, ob in diesem Einzelfall - Saudi-Arabien führt Krieg - weiterhin Waffen an Saudi-Arabien geliefert werden . Darum geht es jetzt .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, ich habe Ihnen gesagt, dass die Bundesregierung alles Mögliche unternimmt, um die Rückkehr zu Verhandlungen unter der Ägide der Vereinten Nationen möglichst schnell hinzubekommen. Wir glauben, dass Saudi-Arabien mit seiner gewichtigen Stimme in der Arabischen Liga und im Golfkooperationsrat eine Schlüsselrolle für die Sicherheit der von Krisen geprägten Region einnimmt . Mehr ist dem nicht hinzuzufügen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Hänsel .

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das ist ja sehr aufschlussreich. Das heißt, ein kriegführender Staat wird weiterhin beliefert, weil er vielleicht eine Friedensrolle einnehmen könnte. Das ist eine sehr interessante Argumentation der Bundesregierung . Ich möchte zur Endverbleibskontrolle kommen. Sie haben vorhin angekündigt, dass man mehr verbindliche Erklärungen einfordern will, bezogen auf das, was mit den Waffen passiert . Aber das ist doch das generelle Problem: Sie lassen sich alle möglichen Papiere unterschreiben. Die Endverbleibskontrollen bestehen aus Erklärungen, wo die Waffen hingehen oder auch nicht und wofür sie eingesetzt werden oder auch nicht . Aber die Waffen werden trotzdem zweckentfremdet eingesetzt. Saudi-Arabien hat im Zusammenhang mit der Lizenzproduktion von Heckler-&-Koch-Gewehren unterschrieben, dass sie nur im eigenen Land eingesetzt werden, und jetzt werden sie im Jemen im Kampf gegen die Huthi-Rebellen eingesetzt . Was ist denn da mit Ihrer Kontrolle, und wo bleiben die Konsequenzen? Diese Waffen werden jetzt in diesem Krieg eingesetzt, obwohl sie von der Bundesregierung dafür nicht vorgesehen sind .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, ich hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir auf Basis der neuen Grundsätze für Kleinwaffenexporte, die wir im Mai 2015 veröffentlicht haben, und der Post-Shipment-Kontrolle, die im Juli 2015 beschlossen wurde, deutlich schärfere Kontrollen durchführen können und das auch tun. Ich würde Sie bitten, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege van Aken.

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Jetzt mal Butter bei die Fische! Die allgemeinen Regeln haben Sie verlesen; die kennen wir alle. Seit drei Monaten führt Saudi-Arabien Krieg, seit kurzem auch VAE und Katar . Diese Länder stellen regelmäßig Anträge auf Export von deutschen Kriegswaffen . Jetzt frage ich Sie ganz konkret: Wurde seit Beginn der Kriegshandlungen im Jemen, seit dem Einmarsch der Golfkooperationsrattruppen in den Jemen auch nur ein einziger Antrag auf Export von Kriegswaffen aus Deutschland in diese Länder abgelehnt oder nicht?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die Antwort kann ich Ihnen hier nicht geben, die müssen wir Ihnen schriftlich nachreichen . ({0}) Ich brauche hier, glaube ich, keine Auskunft über abgelehnte Anträge zu geben, wenn ich das richtig weiß . ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, was sind eigentlich Waffenexportrichtlinien wert, wenn darin steht, dass in Krisengebiete keine Kriegswaffen geliefert werden sollen? Krisengebiete - dort muss nicht einmal Krieg herrschen . Und nun haben wir ein Land, das aktiv Krieg führt, und zwar ganz erheblich mit Waffen, die aus Deutschland geliefert worden sind, mit Fuchs-Panzern und Kleinwaffen aus Deutschland . Die sollen ja sogar eine eigene G36-Fabrik haben, die aus Deutschland geliefert wurde. Führt sich die angeblich andere, alternative Rüstungsexportpolitik nicht selbst ad absurdum, wenn man selbst in so einer Situation, in der aktiv Krieg geführt wird - das ist ein Krieg, der auch unendlich vielen Zivilisten das Leben kostet, nicht nur Kämpfern, sondern auch Zivilisten -, einfach so weitermacht, ohne zu sagen: „Hört mal, so haben wir uns das eigentlich nicht gedacht; es war nicht geplant, dass ihr die Waffen anwendet, es sei denn, ihr werdet selbst überfallen“? Und es kann ja keine Rede davon sein, dass der Jemen Saudi-Arabien bedroht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Ströbele, welche Bewertungen Sie aus dem Verhalten und den Aktionen der Bundesregierung ziehen, ist Ihnen überlassen . Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass sich die Position der Bundesregierung geändert hat, dass die Kontrollen der Waffenlieferungen deutlich verschärft worden sind . Ich würde gerne aus der Rede des Bundesministers am 10 . September hier im Deutschen Bundestag zitieren . Der Minister hat eindeutig gesagt: Die Große Koalition ist weit restriktiver als alle Vorgängerregierungen …, und wir haben keine Kampfpanzer für Regionen genehmigt, in denen Krieg herrscht und aus denen die Leute fliehen. Er sagte weiter: Entscheidend ist: Wir dürfen nicht mit deutschen Waffen Bürgerkriege anheizen. Wir müssen helfen, ein erträgliches Leben dort zu ermöglichen, wo heute Krieg und Verwüstung herrschen . Und wörtlich: Statt Waffen brauchen wir einen neuen Nord-Süd-Dialog . Das fängt damit an, mehr Mittel für internationale Hilfsorganisationen zur Verfügung zu stellen . Gerade diesen letzten Aspekt, mehr Hilfe für die Helfer, die Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon oder im Irak versorgen, hat der Minister auf seiner Reise nach Jordanien gestern nochmals betont .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Buchholz .

Christine Buchholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004022, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das sind ja alles schöne Worte, aber ich frage mich, wie es vor Ort wirklich aussieht. Gerade gestern hat ein Luftbombardement 20 Zivilisten in Sanaa das Leben gekostet, darunter Ärzte und andere, die in zivilen Häusern getroffen worden sind. Auch die Aushungerungspolitik Saudi-Arabiens gegenüber dem Jemen wird ja in erster Linie nicht mit Leopard-Kampfpanzern durchgeführt, sondern durch eine Seeblockade. Nun ist es so, dass eine Lieferung von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien genehmigt wurde . Ich würde gerne wissen, ob diese Patrouillenboote jetzt tatsächlich ausgeliefert wurden und ob sie von Saudi-Arabien im Rahmen der Seeblockade eingesetzt werden. Das wäre doch ein sehr direktes Indiz dafür, dass sie massiv mit dazu beitragen, dass Saudi-Arabien diesen Krieg und diese Seeblockade durchführen kann.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die Frage, Frau Abgeordnete, müssen wir Ihnen schriftlich beantworten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich sehe keine weiteren Nachfragen zu dieser Frage. Dann kommen wir jetzt zur Frage 17 der Kollegin Dröge: Kann die Bundesregierung erläutern, wie sie aufgrund von Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2 des Entwurfes zum Freihandelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union ({0}) und Kanada zu der Auffassung kommt, dass der CETA-Hauptausschuss nur Empfehlungen aussprechen und nicht Entscheidungen treffen kann, angesichts der Tatsache, dass in Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 des CETA-Entwurfes von Entscheidungen ({1}) gesprochen wird, und angesichts der Tatsache, dass in Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 3 des CETA-Entwurfes explizit zwischen Empfehlungen ({2}) und Entscheidungen ({3}) unterschieden wird? Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Abgeordnete, die Passage, die Sie in Ihrer Frage zitieren, ist in dem CETA-Text enthalten, der am 26 . September letzten Jahres veröffentlicht wurde . Das war nicht der endgültige Text des Abkommens, sondern ein Entwurf . Die Kommission der Europäischen Union führt derzeit eine Rechtsförmlichkeitsprüfung durch und prüft den umfänglichen Text, um etwaige missverständliche oder inkonsistente Formulierungen zu beseitigen. In Bezug auf die Änderungen von Annexen und Anhängen bestimmt der Entwurf des CETA-Abkommens in den Schlussbestimmungen in Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2, dass Entscheidungen des CETA-Hauptausschusses erst dann verbindlich werden, sofern die Vertragsparteien nach ihren jeweiligen internen Vorschriften und Verfahren, also nach den nationalstaatlichen, zugestimmt haben . Eine entsprechende Regelung speziell für das Kapitel zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen enthält Kapitel 7 Artikel 15 Absatz 2 d. Damit wird sichergestellt, dass der CETA-Hauptausschuss insoweit keine bindenden Entscheidungen aussprechen kann, sondern eben nur Empfehlungen . Nach Kenntnis der Bundesregierung wird die von Ihnen zitierte möglicherweise missverständliche Passage zu den allgemeinen institutionellen Bestimmungen in Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 im Rahmen der Rechtsförmlichkeitsprüfung noch angepasst werden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Dröge .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Zypries, vielen Dank für Ihre Antwort . - Jetzt muss ich noch einmal nachfragen: Ist die Textstelle im Vertrag schon geändert, oder ist weiterhin das, was ich zitiert habe, Gegenstand des Vertragsentwurfes und noch nicht geändert? Ich muss mich ja in meinen Fragen auf das stützen, was veröffentlicht wurde . Sie haben mir in der Antwort auf meine schriftliche Frage gesagt: Das trifft nicht zu . - Ich weiß nicht, was im Rahmen der Rechtsförmlichkeitsprüfung vielleicht noch geändert werden soll, da ich keine Informationen darüber habe .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Deswegen sage ich Ihnen ja, dass nach unserer Kenntnis diese Passage zu den institutionellen Bestimmungen in Kapitel 30 Artikel X.03 Absatz 2 noch angepasst werden wird. Der Text, aus dem Sie zitieren, befindet sich im Moment in der rechtsförmlichen Überprüfung durch die Kommission . Das heißt, er liegt noch nicht in einer geänderten Fassung endgültig vor . Was es im Moment gibt, ist die alte Fassung. Aber diese befindet sich in der Überprüfung .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Dröge .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Da ich ja jetzt noch keine Sicherheit habe, dass das am Ende so kommen wird, muss ich noch einmal fragen, ob das, was jetzt in dem Vertragstext, der veröffentlicht wurde, drinsteht, dem entspricht, was ich in meiner schriftlichen Frage angenommen habe, dass nämlich bislang der Hauptausschuss auf Grundlage des Entwurfes, der am 26 . September letzten Jahres veröffentlicht wurde, verbindliche Entscheidungen treffen kann.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das ist insofern nicht richtig, als dieser Text ja in der Überarbeitung befindlich ist. ({0}) Der Text gilt ja noch nicht; das ist ja kein gültiges Abkommen. ({1}) - Diese Regelung im Entwurf wird im Moment einer rechtsförmlichen Prüfung unterzogen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dann hat die Kollegin Haßelmann eine Nachfrage .

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin Zypries, ich will an das anknüpfen, was meine Kollegin Katharina Dröge gerade gefragt hat; auf meine Frage nach dem CETA-Text und dem Vertragsentwurf haben Sie mir ja dankenswerterweise genau das Gleiche geantwortet . Die Frage der beiden Abgeordneten Dröge und Haßelmann war ganz klar. Sie bezog sich auf den Vertragsentwurf, der vorliegt . In diesem Vertragsentwurf ist das, was Frau Dröge gerade beschrieben hat, enthalten . Deshalb irritiert uns Ihre Antwort, in der Sie uns sagen, der Hauptausschuss habe keinerlei Befugnis, völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen . Bisher ist im Vertragsentwurf vorgesehen, dass der Hauptausschuss dies tun kann. Sollten Sie das jetzt anders sehen, dann bitte ich Sie, unsere schriftlichen Fragen noch einmal - und zwar anders - zu beantworten, da möglicherweise nachzusteuern oder etwas zu korrigieren. Sie haben gerade darauf Bezug genommen, dass die internen Vorschriften und Verfahren der EU eine Einbindung des Europäischen Parlamentes vorsehen . Das ist aber definitiv nicht zwingend der Fall.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Zypries, bitte .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Das ist, glaube ich, ein Missverständnis . Ich habe Ihnen eben gesagt, dass in Bezug auf die Änderungen von Annexen und Anhängen der Entwurf des CETA-Abkommens in den Schlussbestimmungen vorsieht, dass Entscheidungen des CETA-Hauptausschusses erst dann verbindlich werden, wenn die Vertragsparteien nach ihren jeweiligen internen Vorschriften und Verfahren zugestimmt haben .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Keine weitere Nachfrage . Dann kommen wir zur Frage 18 von Frau Dröge: Ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung zwingend ein Ratifikationserfordernis an das Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2 des CETA-Entwurfes? Frau Zypries .

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Die Frage 18 beantworte ich wie folgt: Aus Kapitel 34 Artikel X.02 des Entwurfs ergibt sich, dass Vorschläge des CETA-Hauptausschusses der Zustimmung der Vertragsparteien im Einklang mit ihren jeweiligen anwendbaren internen Vorschriften und Verfahren bedürfen . Das ist dasselbe wie das, was wir eben schon einmal hatten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Dröge .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Zypries, dass Sie das ständig wiederholen, macht es nicht besser . Was wir gefragt haben, ist, ob das Europäische Parlament in die Entscheidungen zwingend eingebunden werden muss . Sie verweisen immer wieder auf die internen Verfahren und Vorschriften der Europäischen Union . Diese müssen Sie aber interpretieren und mir dann sagen, ob aus diesen Verfahren ableitbar ist, dass das Europäische Parlament zwingend einbezogen werden muss, oder ob Sie das nicht sicher sagen können. Wenn Sie immer wieder auf die Verfahren verweisen, frage ich mich: Kennen Sie denn die Verfahren?

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Artikel 218 Absatz 10 des Lissabonner Vertrages sieht vor, dass das Europäische Parlament umfassend und unverzüglich in allen Phasen des Verfahrens informiert werden muss .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Dröge .

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch eine Nachfrage . Sie haben gesagt: „in allen Phasen des Verfahrens“ . Wir haben es ja mit sogenannten Living Agreements zu tun, und wir fragen nach der Einbeziehung des Parlaments nach Abschluss, also nach Ratifizierung, des Abkommens. Meine Frage ist: Können Sie ausschließen, dass die Kommission nach Artikel 218 Absatz 7 des Lissabonner Vertrages ermächtigt wird, den Entscheidungen des Gremiums nach Kapitel 34 Artikel X.02 Absatz 2 zum CETA-Entwurf - Änderung der Anlagen und Protokolle sowie Anmerkungen - ohne Zustimmung des Europaparlaments völkerrechtlich verbindlich zuzustimmen? Können Sie ausschließen, dass dieser Artikel nach der Ratifizierung des CETA-Abkommens zur Anwendung kommt, oder können Sie es nicht? Es geht hier um unsere demokratischen Rechte - in diesem Falle um die des Europaparlamentes und im Falle eines gemischten Abkommens auch um die des Deutschen Bundestages . Es ist ja keine Trivialität, ob die Parlamente nach dem Abschluss eines Vertrages noch einbezogen werden oder nicht . Das muss mir die Bundesregierung doch sicher beantworten können.

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Frau Dröge, ich habe bei der Beantwortung Ihrer anderen Frage eben ja schon gesagt, dass wir noch keinen endgültigen Vertragstext vorliegen haben, weil der ausgehandelte Vertragstext jetzt sprachlich und juristisch umfangreich überprüft wird . Wie soll ich etwas ausschließen können, solange dieser Text nicht endgültig vorliegt? ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Keine weitere Nachfrage. - Ich danke Frau Zypries. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes . Ich begrüße Staatsminister Michael Roth . Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Omid Nouripour, die Frage 21 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner und die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet . Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Volker Beck auf: Wie stellt die Bundesregierung jederzeitige und uneingeschränkte Inspektionen undeklarierten nuklearen Materials oder von Aktivitäten im Widerspruch zu JCPOA ({0}) durch die P5+1-Staaten bzw . die International Atomic Energy Agency ({1}) vor dem Hintergrund der Frist von 24 Tagen in den Vertragspunkten 74 bis 78 des JCPOA und Presseberichten, die von einer Überschreitung der 24-Tage-Frist ausgehen ({2}), sicher, und worauf bezieht sich die Berichterstattung über angebliche Zusatzverträge ({3}) im Einzelnen? Diese Frage wird mündlich beantwortet .

Not found (Gast)

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. Herr Abgeordneter Beck, Ihre Frage bezieht sich auf den sogenannten gemeinsamen umfassenden Aktionsplan. Wir nennen ihn auch kurz „Iran-Deal“. In diesem sogenannten Iran-Deal verpflichtet sich der Iran zur Anwendung des Zusatzprotokolls der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO . Dieses Zusatzprotokoll räumt der IAEO weitreichende und sehr kurzfristige Zugangsrechte ein. In der Regel können binnen 24 Stunden Nuklearanlagen oder andere entsprechende Orte im Iran von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der IAEO aufgesucht werden . Dadurch wird gewährleistet, dass ein etwaiger Verdacht auf undeklariertes Nuklearmaterial umgehend geklärt werden kann. Dies gilt - das will ich noch einmal unterstreichen - an jedem beliebigen Ort des Iran . Für die Durchführung der IAEO-Inspektionen gibt es eine Vereinbarung zwischen der IAEO und dem Iran über die genauen Modalitäten und Inhalte der Arbeit zwischen dem Iran und der IAEO bzw. entsprechende Zusatzdokumente . Diese sind vertraulich . Das gilt generell, also für alle Inspektionstätigkeiten der IAEO in allen Ländern im Übrigen auch in Deutschland . Dabei geht es um detaillierte Fragen, die auch die Anlagen selber betreffen . Das ist also nichts Iran-Spezifisches. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen . Einige Verpflichtungen aus dem gemeinsamen umfassenden Aktionsplan gehen aber über den anerkannten internationalen Standard des Zusatzprotokolls deutlich hinaus . Der Iran unterliegt insoweit präzedenzlosen Transparenzmaßnahmen, zum Beispiel für die Kontrolle von Zentrifugenbestandteilen oder Rohmaterialien für die Anreicherung . Für diese zusätzlichen Maßnahmen wurde ein weiterer Zugangsmechanismus geschaffen, der eine Verifikation binnen 24 Tagen sicherstellt. Dieses Transparenzverfahren gibt es für kein anderes Land der Welt, sondern ausschließlich für den Iran .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Roth. - Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Roth. - Wenn ich mir die Ziffer 78 des Joint Comprehensive Plan of Action anschaue, dann bin ich mir nicht sicher, ob das so stimmen kann. Die 24 Tage ergeben sich rechnerisch ja aus dem Dreischritt von 14 Tagen, einer Woche und drei Tagen . Es geht hier um nichtdeklariertes nukleares Material, um undeclared nuclear materials or activities or activities inconsistent with the Joint Comprehensive Plan of Action. - Die Abkürzung kann ich vielleicht auch noch radebrechen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielleicht sagen Sie es auf Deutsch .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gemeint ist also der gemeinsame umfassende Aktionsplan . Dafür gilt die 24-Tage-Frist . Eine Verletzung der Bestimmungen dieses Vertragstextes löst eine 24-Tage-Frist - sie ist das Maximum - aus. Wie können Sie dann sagen, dass jederzeit binnen 24 Stunden überall Überprüfungen vorgenommen werden können? Und wie stehen Sie zu Berichten darüber, dass es dem Iran - einfach bedingt durch die 24-Tage-Frist - möglich ist, in entsprechenden Forschungseinrichtungen und dergleichen etwas zu beseitigen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Beck. - Herr Roth, bitte

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Abgeordneter Beck, der Text in der englischen Version ist zugegebenermaßen in der Tat ausgesprochen kompliziert. Ich vermute aber, dass er in der deutschen Übersetzung ähnlich kompliziert sein wird. Ich möchte gerne noch einmal - bezugnehmend auf Ihre Frage - den Zusammenhang zwischen diesen angeblichen Zusatzverträgen und der 24-Tage-Frist herstellen, damit noch einmal deutlich herausgearbeitet wird, was der Unterschied zwischen der 24-Stunden-Frist und der 24-Tage-Frist ist . Der Iran ist in zweifacher Hinsicht gefordert . Erstens muss er in Zukunft die Verpflichtungen des gemeinsamen umfassenden Aktionsplans umsetzen. Der Iran muss zweitens seine sogenannte nukleare Vergangenheit glaubwürdig aufarbeiten . Diese glaubwürdige Aufarbeitung der nuklearen Vergangenheit des Irans durch die IAEO ist Voraussetzung für das Inkrafttreten des gemeinsamen umfassenden Aktionsplans. Dafür ist eine entsprechende Roadmap erarbeitet worden . Die genauen Modalitäten bzw. etwaige Zusatzdokumente sowie die Inhalte dieser Arbeit zwischen dem Iran und der IAEO sind vertraulich . Das ist - ich habe es schon ausgeführt - bei Inspektionstätigkeiten der IAEO üblich und entspricht den internationalen Standards, ist also keine Besonderheit.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Roth. Wir haben gerade ein bisschen Chaos in Bezug auf die Zeit . Das wird aber gleich bei der Nachfrage von Volker Beck wieder richtig eingerichtet. - Volker Beck, bitte.

Not found (Gast)

Tut mir jetzt leid, aber dafür kann ich ausnahmsweise nichts . Oder?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dafür haben Sie auch länger geredet .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Roth, aus Ihren Ausführungen ist nicht klar geworden: Was ist der Gegenstand, der mit der 24-Stunden-Frist bezeichnet ist? Im Vertragstext steht unter Ziffer 78: jede Verletzung dieser Vertragsvereinbarung und jedes Auffinden von nicht vorher der IAEO angezeigten nuklearen Materials. - Das scheint mir also schon der Regeltatbestand in diesem Vertragstext zu sein . Wenn sich der Iran nicht in Übereinstimmung mit seinen Zusagen verhält, hat er diese 24-Tage-Frist . Die Befürchtung besteht nämlich darin, dass er in 24 Tagen etwas beseitigen bzw. woandershin schaffen kann, sodass es die IAEO, wenn sie endlich zur Kontrolle kommen darf, nicht mehr auffindet, obwohl es vorher da war. Ich denke, dieser Vertrag kann wirklich zur Sicherheit in der Region beitragen . Das hängt aber davon ab, ob wir denen wirklich bei jedem Vorgang auf die Schliche kommen, mit dem sie versuchen, sich im Hintergrund doch an der weiteren atomaren Bewaffnung zu versuchen . Deshalb ist es schon wichtig, dass Sie das aufklären.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Beck. - Herr Roth, eine Minute.

Not found (Gast)

Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich einfach noch einmal ein paar konkrete Beispiele benenne, bei denen die Verabredung mit dem Iran über das Zusatzprotokoll mit den üblichen Verpflichtungen hinausgeht. Dabei geht es insbesondere um die Überwachung der Zentrifugenproduktion bzw. den Ausschluss von kernwaffenrelevanter Forschung und Entwicklung, wofür die ausschließlich zivile Anwendung von Dual-Use-Technologien sichergestellt sein muss . Die Entscheidung über ein Zugangsgesuch der IAEO trifft eine gemeinsame Kommission, in der sowohl die Staaten, die den Deal ausgehandelt haben, vertreten sind, aber auch der Iran . Hier haben die westlichen Staaten eine entsprechende Mehrheit und können den Zugang binnen 24 Tagen einfordern . Das relativiert aber überhaupt nicht das, was ich in . meiner Eingangsantwort zu der 24-Stunden-Frist erklärt habe.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Roth. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Günter Krings. Wir kommen zur Frage 25 des Abgeordneten Volker Beck: Aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen hält die Bundesregierung die Wiedereinführung von Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze für vereinbar mit den Vorgaben der Artikel 23 ff. des Schengener Grenzkodex vor dem Hintergrund, dass „Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen … nicht von vornherein als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden ({0})“ ({1}), und inwiefern haben Konsultationen mit den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission im Sinne von Artikel 24 Absatz 3 und 4 des Schengener Grenzkodex stattgefunden? Herr Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Beck, der gleiche Fragesteller, ein anderer Antwortender. Die bekannte Situation ungesteuerten und unkontrollierten Zustroms von Drittstaatsangehörigen in das Bundesgebiet haben die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung in Abstimmung mit den Bundesländern und auch mangels effektiver Alternativen veranlasst, zunächst gemäß Artikel 25 der Verordnung ({0}) 562/2006, dem sogenannten Schengener Grenzkodex, temporär Grenzkontrollen an den deutschen Schengen-Binnengrenzen wieder einzuführen . Umfang und Intensität der Grenzkontrollen werden sich auf das für die Sicherheit jeweils notwendige Maß beschränken. Diese Maßnahme ist angesichts des vorgenannten gewaltigen Zustroms von Drittstaatsangehörigen zwingend, um wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren. Wir müssen wissen, wer nach Deutschland einreist und sich bei uns aufhält . Ein weiterer unkontrollierter Zugang würde zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führen . Nach dem geltenden europäischen Recht ist Deutschland für den allergrößten Teil der Schutzsuchenden nicht zuständig . Das Dublin-Verfahren und die Eurodac-Regelungen gelten unverändert fort . Das heißt, dass der zuständige Mitgliedstaat Asylsuchende nicht nur registriert, sondern das Asylverfahren auch durchführt sowie im Falle der Ablehnung des Schutzersuchens aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreift . Auch andere Mitgliedstaaten - das darf ich anfügen - wie Österreich und Slowenien haben temporäre Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen eingeführt . Diese Maßnahme ist in der Koalition einvernehmlich beschlossen und mit den Landesinnenministern besprochen worden . Auch die Opposition ist von dem Herrn Minister bekanntermaßen unterrichtet worden. Ferner sind nach Maßgabe des Schengener Grenzkodex der Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission und die EU-Schengen-Mitgliedstaaten über diese temporären Grenzkontrollen informiert worden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Dr. Krings. - Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das haben Sie jetzt schön vorgelesen . Aber ich bin ein bisschen erstaunt über die Rechtsauskunft, die Ihnen Ihre Beamten aufgeschrieben haben . In Erwägungsgrund 5 der Verordnung des Rates vom 22. Oktober 2013, die die Rechtsgrundlage für das Schengen-Abkommen ist, heißt es wörtlich: Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen sollte nicht an sich als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet werden . Was Sie hier aber vorgetragen haben, war nichts anderes als die Tatsache, dass dieser Vorgang an sich zur Bejahung der Voraussetzung von Artikel 25 führt. Ich frage Sie: Welche spezifischen Umstände, die von diesem Regelfall, der hier eben nicht greift, abweichen, die über das Überschreiten der Außengrenzen in einer großen Zahl hinausgehen, veranlassten die Bundesregierung zu diesem Schritt, abweichend von der Bestimmung des Erwägungsgrunds 5 dieser Verordnung?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ich habe meinen Text gerne vorgetragen, weil wir im Innenministerium gute Beamte haben . ({0}) - Auch den Erwägungsgrund kenne ich. Wir können jetzt lange Ausführungen zum Europarecht machen, welche rechtliche Bedeutung Erwägungsgründe haben . Ich muss Sie aber hinsichtlich deren Wirkung offensichtlich enttäuschen . Im Übrigen besagt dieser Erwägungsgrund, dass ein großer Zustrom zwar nicht generell ein Problem oder einen Grund für eine temporäre Einführung der Grenzkontrollen darstellt, aber in bestimmten Konstellationen, wie wir sie angesichts der Zahlen von Flüchtlingen in den letzten Tagen hatten . Dieser Zugang ist ohne Präzedenzfall . Angesichts der Tatsache, dass diese Menschen Asyl beantragen und innerhalb Deutschlands verteilt werden müssen, ist das sicherlich eine besondere Situation . Wir können kein Verfahren zur Verteilung organisieren, wenn wir nicht wissen, wer über die Grenze kommt. In dem Erwägungsgrund wird ausdrücklich nichts zum Thema Überschreiten der Grenze zum Beantragen von Asyl und zur Anerkennung eines Status als Flüchtling genannt . Insofern bitte ich Sie, diesen Erwägungsgrund nicht überzuinterpretieren .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Europarechtlich bewegen Sie sich auf sehr dünnem Eis. - In Artikel 24 der Verordnung ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die europäischen Gremien konsultieren müssen . Darin ist auch eine Vier-Wochen-Frist genannt . Wann hat die Bundesregierung die nach der Verordnung erforderlichen Konsultationen mit den europäischen Gremien durchgeführt, um diese Maßnahmen zu ergreifen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Zum exakten Zeitpunkt kann ich Ihnen hier und jetzt nichts sagen . Die Information habe ich nicht . Aber die Konsultation ist vor der Maßnahme durchgeführt worden .

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dürfen wir das schriftlich präzisiert bekommen, um zu sehen, ob hier Europarecht verletzt worden ist?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Können wir gerne machen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Nachfrage des Kollegen Ströbele .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Guten Tag, Herr Staatssekretär.

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Guten Tag .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Habe ich Sie richtig verstanden? Ich habe gerade nicht ganz genau aufgepasst .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Das ist nicht gut .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Schengen-Verordnung ist eigentlich faktisch nicht mehr in Kraft, und die Dublin-Verordnung auch nicht . Wenn ich abends fernsehe - ich komme zwar immer spät nach Hause, aber ich schalte dann noch den Fernseher ein -, wird das durch die Bilder bestätigt . Heißt das, dass Sie das irgendwann wieder rückabwickeln wollen? Heißt das, dass Sie das bei den Personen, die nicht in dem europäischen Schengen-Land, das sie zuerst betreten, registriert und interniert bzw . untergebracht werden, im Nachhinein vollziehen wollen, in einer Woche, einem Monat oder vielleicht in einem halben Jahr? Was sind dazu die Vorstellungen der Bundesregierung?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Ihre Einschätzung, die Dublin-Verordnung sei nicht mehr in Kraft, ist falsch, Herr Abgeordneter . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Leider ist keine Nachfrage mehr möglich. - Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet . Dann kommen wir zu der Frage 28 der Kollegin Martina Renner: In wie vielen Fällen von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen geplante und/oder bewohnte Flüchtlingsunterkünfte seit Jahresanfang 2015 gab es vorab Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden oder die Landesämter für Verfassungsschutz, dass mit Straftaten gegen die jeweils betroffene Unterkunft zu rechnen sei ({0})? Herr Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Vielen Dank für die Frage, Frau Renner. Ich glaube, wir sind uns auf allen Seiten des Hauses einig, dass es sich um furchtbare, unsägliche Anschläge handelt und wir alles dafür tun müssen, dass wir hier zur Aufklärung kommen, was sich aber nicht allzu einfach gestaltet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz, nach dem Sie ausdrücklich fragen, nimmt natürlich diese unsäglichen Anschläge ebenso, wie wir es tun, sehr ernst . Es verfügte bisher aber in keinem Fall im Vorfeld über konkrete Hinweise zu geplanten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Sicherheitsbehörden des Bundes haben die Länder - zum Beispiel bereits in einer Gefährdungsbewertung vom März 2014 - jedoch darauf hingewiesen, dass zukünftig wohl eine weitere Steigerung der Zahl von Straftaten gegen Asylunterkünfte leider in Betracht zu ziehen ist .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Krings. - Frau Renner.

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich gehe davon aus, Herr Dr . Krings, dass Sie zuerst die erste Frage beantwortet haben . Deswegen würde ich mich dann auf die Thematik „Erkenntnisse im Vorfeld“ beziehen . Sie haben im Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage von mir zur Neonazi-Kleinstpartei Der Dritte Weg, die möglicherweise eine Blaupause für rassistische Hetze, aber auch für Anschläge liefert durch ihr Netzangebot „Leitfaden ‚Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft!‘“ und einer entsprechenden Google-Maps-Karte, die Gott sei Dank mittlerweile vom Netz genommen wurde, auf die Frage, ob sich in dieser Neonazi-Kleinstpartei auch V-Leute befinden, geantwortet - ich zitiere -, „dass die Partei Der Dritte Weg nur über etwa 200 Mitglieder verfügt, was das Risiko einer Enttarnung erhöhen würde“, und somit die Frage nach den V-Leuten nicht beantwortet werden könnte. Ich schließe daraus sozusagen im Umkehrschluss, dass wir davon ausgehen dürfen, dass es in dieser Organisation auch Zuträger gibt . Daher rührt meine Verwunderung, da diese Organisation auch in Bayern ganz maßgeblich an der Vorbereitung der Pogromstimmung beteiligt ist, dass man im Vorfeld von entsprechenden aggressiven Tätigkeiten, aber auch Angriffen und Anschlägen im Bundesamt für Verfassungsschutz keine Kenntnis hat. Wie kommt dann eigentlich das Attribut Frühwarnsystem zustande?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Mir ist bekannt, Frau Renner, dass Ihre Fraktion eine kritische Grundhaltung zum Bundesamt für Verfassungsschutz einnimmt. Man kann in dieser konkreten Frage sicherlich anderer Auffassung sein als die Bundesregierung. Ich finde nur, wir sollten das nicht zu sehr an diesem konkreten Phänomen festmachen. Denn dass das Bundesamt für Verfassungsschutz alles tut, um solche Vorfälle aufzuklären, dürfen wir glauben. Es ist auch im Interesse des Bundesamtes, seinen Beitrag dazu zu leisten . Es ist bisher aber in keinem Fall dazu gekommen, dass man vor einem konkreten Anschlag aufgrund der besonderen Struktur genau wusste, dass ein bestimmtes Flüchtlingsheim beispielsweise Opfer eines solchen Anschlages werden könnte. Wir haben es hier mit einer Szene zu tun, die nicht zu Bekennerschreiben neigt. Solche Schreiben könnten helfen, künftige Strukturen aufzudecken. Wir haben es hier oft mit verschlüsselter Kommunikation zu tun. Insofern bedeutet die Tatsache, dass wir keine Erkenntnisse im Vorfeld gewonnen haben, nicht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht sehr aktiv ist.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Eine Nachfrage, Frau Renner .

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Im Zusammenhang mit der Frage, ob Vorbereitungshandlungen zu Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte führen, spielt auch die Oldschool Society, eine Organisation der Neonazis, eine gewisse Rolle . Gegen diese Organisation hat es intensive Exekutivmaßnahmen von Bund und Ländern gegeben. Es soll konkrete Anschlagspläne gegeben haben . Die Beschaffung von Sprengstoff zum Beispiel sei vorbereitet gewesen . Kann ich daraus schließen, dass es sich bei dieser Organisation um einen Beobachtungsgegenstand handelt, bei dem keine V-Leute eingesetzt wurden?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Dr . Krings .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Dazu kann ich Ihnen jetzt und hier jedenfalls keine Auskunft geben. Allerdings ist das von Ihnen genannte Beispiel sehr gut; denn es zeigt, dass es den Sicherheitsbehörden - auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz - trotz der Schwierigkeiten, die wir in diesem Milieu und mit diesen furchtbaren Tätergruppen haben, im Einzelfall gelingt, solche Organisationen auszuheben . Sie stehen also im absoluten Fokus des Bundesamtes für Verfassungsschutz und anderer Sicherheitsbehörden . In diesem Fall war man erfolgreich .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann kommen wir zu Frage 29 der Kollegin Martina Renner: In wie vielen Fällen von Brandanschlägen und Sachbeschädigungen gegen geplante und/oder bewohnte Flüchtlingsunterkünfte seit Jahresanfang 2015 gab es im Nachgang Hinweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden oder die Landesämter für Verfassungsschutz zu mutmaßlichen Tätern ({0})? Herr Dr . Krings, bitte .

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Hier geht es sozusagen um die retrospektive Betrachtung . Seit Februar 2014 erfolgt im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum zweimal wöchentlich ein Austausch zwischen Bundesamt und Landesämtern sowie zwischen Verfassungsschutz und Polizeibehörden über alle wesentlichen Straftaten mit Bezug zur Asylthematik und über die allgemeine Entwicklung. Darüber hinaus hat das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundeskriminalamt im Jahr 2015 bisher zu 50 Tatverdächtigen verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse übermittelt.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Renner .

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich möchte gerne zugespitzt fragen . Wir haben heute Morgen grobe Analysen zu den Täterhintergründen gehört. Die Aussagekraft ist dabei eingeschränkt, weil sich bei einer Quote von unter 10 Prozent Ermittlungserfolge keine Aussage zu der Gesamtzahl der Täter treffen lässt . Aber es hieß, 30 Prozent der Tatverdächtigen hätten einen PMK-rechts-Hintergrund . Da wir davon ausgehen, dass dieser Phänomenbereich beobachtet wird, und aus der Geschichte des Bundesamtes wissen - ich erinnere an die Anti-Antifa in den 90er-Jahren -, dass es einen intensiven Quelleneinsatz in der militanten Szene gibt, lautet meine konkrete Frage: Können Sie ausschließen, dass Erkenntnisse im Bundesamt für Verfassungsschutz, die durch Quellen zu bevorstehenden oder durchgeführten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte gewonnen wurden, nicht an die Sicherheitsbehörden, also die Polizeien und die Staatsanwaltschaften, weitergereicht wurden?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Das waren mir zu viele Verneinungen . Können Sie die Frage noch einmal so formulieren, dass ich sie verstehen kann?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Das gilt aber nicht als zweite Nachfrage .

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ist jede Erkenntnis, die das Bundesamt für Verfassungsschutz durch den Einsatz von Quellen in der neonazistischen Szene zu durchgeführten oder geplanten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte gewonnen hat, an die Sicherheitsbehörden weitergegeben worden?

Dr. Günter Krings (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003574

Wenn ich das richtig verstanden habe, befürchten Sie, dass man aus irgendwelchen taktischen Gründen Informationen zurückhält, weil man der Meinung ist, dass man besser eingreifen kann, wenn man den Sicherheitsbehörden nichts sagt. Dazu liegen mir keine Anhaltspunkte vor. Ich kann es mir, offen gestanden, angesichts der Qualität der infragestehenden Straftaten nicht vorstellen . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Es sieht nicht so aus, als ob Sie noch eine Nachfrage hätten. - Danke, Herr Dr. Krings. Die Frage 30 des Abgeordneten Christian Kühn, die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Dr . André Hahn sowie die Frage 33 der Abgeordneten Ulla Jelpke werden schriftlich beantwortet . ({0}) - Sorry, aber Frage 32 stammt von Dr . André Hahn . Dann haben Sie sich sehr verändert . Wir gehen davon aus, dass Sie Herr Ströbele sind und nicht Herr Hahn . ({1}) - Gut . Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz . Ich begrüße den Staatssekretär Christian Lange. Wir kommen zu Frage 34 der Kollegin Ulle Schauws: Was sind die Gründe dafür, dass das Bundeskanzleramt den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung gestoppt hat ({2}), zumal die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen in der Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages vom 28 . Januar 2015 bestätigte, dass die von Deutschland unterzeichnete Istanbul-Konvention des Europarates, nach der alle nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe gestellt werden müssen, Änderungen im deutschen Sexualstrafrerecht notwendig macht?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wenn Sie gestatten, würde ich gerne die Fragen 34 und 35 gemeinsam beantworten . Ist das erlaubt?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Wunderbar . Dann mache ich das gerne .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Dann rufe ich auch Frage 35 auf: Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren einzubringen?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Frau Kollegin, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches erarbeitet, der dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung dient . Am 14 . Juli 2015 ist die Ressortabstimmung zu diesem Gesetzentwurf eingeleitet worden, die noch nicht abgeschlossen ist . Eine Beteiligung der Länder und Verbände ist noch nicht erfolgt . Länder und Verbände sollen grundsätzlich nach Abschluss der Ressortabstimmung beteiligt werden . Hierfür sind nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien das Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und die Zustimmung des Bundeskanzleramtes erforderlich. Es ist beabsichtigt, die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zügig durchzuführen . Nähere Angaben zum Zeithorizont können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gemacht werden .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Kollegin Ulle Schauws mit einer Nachfrage, bitte .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich habe Sie gerade richtig verstanden, dass die Information, die uns aus einem Artikel der taz vorliegt, dass das Bundeskanzleramt ein Veto gegen diesen Gesetzentwurf eingelegt hat, so nicht richtig ist; denn - Sie haben es ja gerade betont es ist nach meinem Kenntnisstand in der Ressortabstimmung mit dem Innenministerium, mit dem Arbeits- und Sozialministerium, mit dem Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendministerium durchaus Zustimmung erfolgt. Aber im Bundeskanzleramt hat es, wie gesagt, ein Veto gegeben. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen; denn nach meinem Kenntnisstand besteht auch in den Fraktionen von CDU/CSU und SPD und im gesamten Bundestag Übereinstimmung darüber, dass wir zur Umsetzung der Istanbul-Konvention die EU-Vorgaben umsetzen müssen und dass wir hier strafrechtlich nachbessern müssen, dass also Änderungsbedarf besteht .

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Frau Kollegin, ich kann mich nicht erinnern, dass ich in meiner Antwort zu irgendeinem Ministerium Stellung genommen habe . Ich darf vielmehr noch einmal darauf verweisen: Nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien sind das Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und die Zustimmung des Bundeskanzleramtes erforderlich. Die noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Abstimmungsprozesse zur Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen gehören zum Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. Deswegen kann ich Ihre Frage weder bestätigen noch dementieren .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Schauws, Sie haben das Wort zu einer weiteren Nachfrage .

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann würde ich gerne nachfragen, ob Sie eine Einschätzung dazu abgeben können, wie der Zeitplan aussieht . Haben Sie eine ungefähre Einschätzung, wann die verschiedenen Abstimmungen erfolgt sind, um ratifizieren und die Istanbul-Konvention einhalten zu können?

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Frau Kollegin, ich haben eben bereits gesagt, dass wir die Ressortabstimmung so zügig wie irgend möglich vorantreiben, und danach wollen wir die weiteren Prozedere einhalten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Da Kollege Lange zwei Fragen gemeinsam beantwortet hat, haben Sie, Frau Schauws, die Möglichkeit, insgesamt vier Nachfragen zu stellen . Wenn Sie jetzt also noch zweimal nachfragen wollen, haben Sie die Chance dazu . ({0}) - Gut. - Vielen Dank, Christian Lange. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen . Ich stelle fest, dass der Parlamentarische Staatssekretär Spahn nicht anwesend ist . - Ich erfahre gerade, dass Herr Spahn im Haushaltsausschuss ist; deswegen kann er jetzt nicht hier sein. Vielleicht könnte das Kanzleramt antworten . - Herr Ströbele, sind Sie gegebenenfalls bereit, zu akzeptieren, dass Ihre Frage schriftlich beantwortet wird, oder wollen Sie diese Frage und auch die damit verbundenen Nachfragen trotzdem stellen? - Herr Ströbele möchte etwas sagen . Gut, dann gebe ich ihm das Wort .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, der Parlamentarische Staatssekretär hat gestern oder vorgestern bei mir angerufen und mögliche Probleme, hier zu erscheinen, angedeutet .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Es wäre natürlich gut, wenn wir das auch erfahren würden . Es ist ja nett, wenn Sie eine Männerfreundschaft haben; aber wir wollen das auch gerne wissen. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich kenne ihn gar nicht. Ich habe mit ihm noch kein Wort gewechselt . Ich war auch nicht selber am Telefon, als er anrief . Ich verzeihe ihm, dass er jetzt nicht hier ist . Es handelt sich hier um eine sehr spezielle Frage . Allein schon die Frage zu verstehen, ist nicht so einfach, obwohl sie relativ kurz ist. Ich traue selbst dem Staatssekretär Krings nicht zu, sie ganz schnell zu beantworten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Obwohl wir ihm natürlich viel zutrauen, aber das nicht . Gut, dann wird die Frage 36 des Kollegen Ströbele schriftlich beantwortet . Die Frage 37 der Kollegin Walter-Rosenheimer wird schriftlich beantwortet. - Vielen Dank, Herr Spahn wenn Sie gekommen wären. Ganz knapp vor der Aktuellen Stunde kommen wir jetzt noch zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Frau Kramme ist da . Die Frage 38 der Kollegin Walter-Rosenheimer, die Frage 39 der Kollegin Rüffer sowie die Fragen 40 und 41 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet . Vielen herzlichen Dank, Frau Kramme. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Ich begrüße Herrn Bleser, der sich schon einmal auf die schriftliche Beantwortung der Fragen 42 und 43 des Kollegen Ostendorff vorbereiten kann. Ich lasse jetzt noch eine Frage zu, bevor wir den Dialog hier abbrechen, und das ist die Frage 44 des Kollegen Ebner: In welcher Weise unterscheidet sich die aktuelle Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung ({0}) zur Glyphosat-Monographie der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO ({1}) von der vorläufigen Einschätzung auf Grundlage der Veröffentlichung der IARC in der Fachzeitschrift The Lancet vom März 2015, und welche Schlussfolgerungen bzw . Empfehlungen leitet das BfR aus der aktuellen Einschätzung im Hinblick auf die Gefährlichkeit von und den Umgang mit Glyphosat ab? Herr Bleser, bitte .

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Frau Präsidentin! Die aktuelle Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR, zur Glyphosat-Monographie der Internationalen Agentur für Krebsforschung, IARC, einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, WHO, wurde am 31 . August 2015 in Form eines Addendums abgegeben und durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL, der zuständigen EU-Behörde, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, und der EU-Kommission übermittelt . Die aktuelle Einschätzung unterscheidet sich von der vorläufigen Einschätzung vom 1. April 2015 insofern, als nunmehr eine abschließende Einschätzung zu allen von der IARC verwendeten Studien und deren Beurteilung durch die IARC-Arbeitsgruppe im Rahmen des EU-Genehmigungsverfahrens zu Glyphosat vorgenommen werden konnte. Dies war auf Basis der Veröffentlichung der IARC in der Fachzeitschrift The Lancet vom März 2015 nicht möglich. Zu dem Zeitpunkt standen dem BfR keine hinreichenden Informationen der IARC zur Verfügung . Das ist schwierig vorzutragen . ({0}) Die aktuelle Einschätzung des BfR konnte mittlerweile von allen EU-Staaten kommentiert werden und wird in einem EFSA-Experten-Fachgespräch am 29 . September 2015 erörtert werden. Somit kann die resultierende europäische Einschätzung der IARC-Monographie ({1}) noch in das laufende Verfahren zur erneuten Genehmigung von Glyphosat einfließen. Die aktuellen Schlussfolgerungen bzw. Empfehlungen, die das BfR aus der aktuellen Einschätzung im Hinblick auf die Gefährlichkeit von und den Umgang mit Glyphosat ableitet, sind in dem Bericht an die EU-Kommission und die EFSA enthalten . Sie sind Bestandteil des EU-Wirkstoff-Genehmigungsverfahrens. Die Beurteilung durch die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten sowie die EFSA bleiben abzuwarten .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. - Herr Ebner, Sie haben jetzt die Möglichkeit, eine Nachfrage zu IARC zu stellen.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir können gern wieder einen kleinen Sprachkurs machen . Ein Tipp: Wenn Sie „IARC“ als Wort aussprechen, dann geht es schneller . Ich würde gern nachfragen . Die Welt dreht sich da weiter . Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie oder zieht die Bundesregierung aus den am Freitag veröffentlichten und am Wochenende in der Presse diskutierten Empfehlungen der JMPR-Taskforce? Noch einmal etwas zum Üben: Das ist das Joint Meeting on Pesticide Residues der WHO, also ein Ad-hoc-Expertengremium, das eingesetzt wurde, um die Unstimmigkeiten aufzuklären. Diese Empfehlungen besagen ja, dass nicht nur eine vollständige Neuevaluation von Glyphosat auf JMPR-Ebene notwendig ist, sondern dass - auch das ist, glaube ich, sehr wichtig - die internen Richtlinien bezüglich der Auswahl der verwendeten Literatur überarbeitet werden sollen, weil zahlreiche Studien nicht berücksichtigt wurden - und das auch vor dem Hintergrund der Stellungnahme des BfR, das uns jetzt weismachen möchte, es ginge nur um eine Aktualisierung neuerer Studien; darum geht es aber im Kern überhaupt nicht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Herr Kollege Ebner, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir uns hier in einem laufenden Verfahren befinden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist kraft Gesetzes für die Risikobewertung zuständig. Es hat den gesetzlichen Auftrag, hierzu eine Einschätzung vorzunehmen . Davon abgesehen, wird jetzt innerhalb der WHO eine eigene Einschätzung konsentiert. Studien, die Daten von 2004 und 2011 enthalten, werden bis zum nächsten SomVizepräsidentin Claudia Roth mer in der WHO ausgewertet bzw . vorgelegt . Die Ergebnisse sollen dann in die weitere Bewertung einfließen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ebner, haben Sie dazu eine Nachfrage?

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hätte eine Nachfrage .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut . Dann stellen Sie sie .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Es geht im Kern nicht um eine Aktualisierung der neueren Studien, sondern auch um all die Studien von vor 2004, die nicht berücksichtigt wurden. Genau das hat die Taskforce jetzt angemahnt. Herr Staatssekretär, trifft es denn zu, dass der Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung, Herr Pfeil, der 2004 und 2011 für dieses WHO-Gremium, das JMPR, federführend die Risikobewertungsberichte zu Glyphosat verfasst hat, die diesem Wirkstoff eine gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigen, auch an der Erstellung des aktuellen EU-Bewertungsberichts des BfR für Glyphosat beteiligt war?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Zu handelnden Personen unserer Institute werde ich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht Stellung nehmen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir die eine Frage, die jetzt noch offen ist - der Herr Staatssekretär und der Fragesteller sind hier -, noch behandeln. - Dann kommen wir zu der Frage 45 des Kollegen Harald Ebner: Mit welcher Position hat sich die Bundesregierung in die Diskussion um das EU-Guidance-Document zu „negligible exposure” ({0}) im Rahmen des Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed ({1}) auf EU-Ebene eingebracht, und welche Auswirkungen könnte eine Definition von „negligible exposure“ nach Meinung der Bundesregierung auf die Wiederzulassung von Glyphosat haben? Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Frau Präsidentin! Auf die vernachlässigbare Exposition wird in der Verordnung ({0}) Nr . 1107/2009 EU-Pflanzschutzmittelverordnung - Bezug genommen. Auf EU-Ebene wird hierzu zurzeit ein Leitlinienpapier erörtert, das den zuständigen Behörden eine Richtschnur geben soll, wie das Prinzip im Rahmen der Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anzuwenden ist. Bei rein fachlichen Fragen der Risikobewertung stimmen sich die zuständigen Behörden hierzu untereinander ab und vertreten die notwendigen Positionen selbstständig . Zum Entwurf des hier nachgefragten Leitlinienpapiers haben sich sowohl im Gesundheitsbereich als auch im Umweltbereich die zuständigen Behörden bislang gemäß ihren Zuständigkeiten fachlich eingebracht. Bei Fragen von politischer Tragweite und bei Fragen, die die Rechtsauslegung des Basisregelwerks - wie gesagt: der Verordnung 1107/2009 - über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln betreffen, stimmen sich die zuständigen Ressorts innerhalb der Bundesregierung ab . Im Anschluss bringt unser Haus die Position unter anderem in den zuständigen Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, Sektion Pflanzenschutzmittelgesetzgebung, auf EU-Ebene ein. Für das in Rede stehende Leitliniendokument gibt es noch keine finale abgestimmte Position der Bundesregierung. Mögliche Auswirkungen auf die Wiedergenehmigung des Wirkstoffs Glyphosat oder auf die Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln lassen sich derzeit noch nicht abschätzen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ebner .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Staatssekretär. - Keine finale Position der Bundesregierung - das habe ich mir fast schon gedacht . Die erfahren wir dann wieder hinterher . Deshalb möchte ich fragen, ob Sie sich denn dafür einsetzen werden, dass bei einer Verabschiedung der Guideline zu vernachlässigbarer Exposition bei krebsauslösenden Stoffen - ich bitte, da genau hinzuhören - weiterhin das Vorsorgeprinzip gilt . Wird sich die Bundesregierung bei entsprechenden Stoffen für ein Anwendungsverbot einsetzen?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Dass wir uns nach wie vor zu dem Vorsorgeprinzip bekennen, kann ich bestätigen. Ich habe schon vorhin ausgeführt, dass wir eine unabhängige Behörde haben, die nicht weisungsgebunden ist und die die Risiken zu prüfen hat . Dann wird eine Entscheidung erfolgen .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Ebner .

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Am Ende wird aber auch die Bundesregierung Stellung nehmen müssen. Dann kann sie sich nicht hinter Behörden verstecken, egal wie unabhängig sie sind, sondern sie muss selber Stellung beziehen . Das erwarte ich auch von Ihnen . Jetzt möchte ich aber auch noch den Staatssekretär fragen - denn das ist auch eine Konsequenz dieser Guidelines zu vernachlässigbaren Expositionen -, wann, wie und mit welchen Methoden die Bundesregierung die Exposition der Bevölkerung beispielsweise gegenüber Glyphosat erheben möchte . Denn die Kenntnisse darüber sind wichtig, wenn man überhaupt etwas über vernachlässigbare Expositionen sagen will. Erst dann kann ich wissen, ob eine Genehmigung zu Recht erteilt wurde, oder nicht .

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Staatssekretär.

Peter Bleser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000198

Ich kann mich da leider nur wiederholen: Wir haben durch Gesetz unser Bundesinstitut für Risikobewertung. Es bewertet die Pflanzenschutzmittel und spricht dann eine Empfehlung aus. Genehmigen wird, was die Wirkstoffe angeht, die EFSA; sie ist auf EU-Ebene hierfür zuständig . Insofern wird der Rechtsweg eingehalten . Sie können sich darauf verlassen, dass die Grundsätze des vorsorgenden Verbraucherschutzes hier Berücksichtigung finden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Es gibt keine weiteren Nachfragen. - Vielen herzlichen Dank. Die Frage 46 der Kollegin Dr. Franziska Brantner zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird schriftlich beantwortet . Wir sind damit am Ende der Fragestunde . Wir kommen gleich zur Aktuellen Stunde. - Ich würde die Sitzung aber gerne für eine Minute unterbrechen . Ich hoffe, Sie erlauben mir das . Wir machen dann auch sofort weiter . ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur Aktuellen Stunde, die aus der Fragestunde heraus beantragt worden ist . Die Voraussetzungen dafür waren gegeben. Ich rufe daher den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion Die Linke gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die Frage 15 auf Drucksache 18/6019 Ich begrüße alle Kolleginnen und Kollegen . Das Wort hat der Kollege Jan van Aken für die Linke. ({0})

Jan Aken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004001, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Mexiko werden Menschen mit deutschen Gewehren ermordet. Jetzt kommt heraus: Eine Mitschuld tragen auch deutsche Beamte, tragen auch deutsche Politiker. Der Skandal reicht bis hinauf zu Außenminister Steinmeier, bis mitten hinein ins Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel . Ich glaube, die beiden werden in den nächsten Tagen und Wochen einige sehr unbequeme Fragen beantworten müssen . Ich fange einmal ganz von vorne an: Vor etwa zehn Jahren wollte die Waffenfirma Heckler & Koch Sturmgewehre vom Typ G36 nach Mexiko exportieren. Schon damals wussten wir alle hier, dass die Menschenrechtslage in Mexiko katastrophal ist. In vielen Gegenden Mexikos sind die Sicherheitskräfte, die Polizeien von der Drogenmafia unterwandert. Da wird gefoltert und gemordet, auch von staatlichen Sicherheitskräften, im Auftrag der Mafia. So wurden vor ziemlich genau einem Jahr 43 Studenten von der Polizei entführt und brutalst ermordet . Das war damals bekannt. Deshalb sagte damals, im Jahre 2005, das Außenministerium Nein zu den Waffenexporten nach Mexiko. So weit, so gut, die Geschichte könnte vorbei sein. Was dann aber geschah, ist ein Lehrstück in Sachen Lug und Betrug . Es ist einfach unfassbar, wie sich deutsche Behörden und deutsche Politiker zu Helfershelfern der Rüstungsindustrie gemacht haben, um diesen schmutzigen Deal doch noch auf den Weg zu bringen . ({0}) Also: Das Außenministerium sagte Nein . Dann gab es im September 2005 Wahlen in Deutschland. Es kommt die Große Koalition. Außenminister wird Frank-Walter Steinmeier . Kurz darauf sagt das Auswärtige Amt plötzlich Ja zu den deutschen Waffenexporten . Neuer Minister, 180-Grad-Drehung des Ministeriums . Ich glaube, Herr Steinmeier hat uns in den nächsten Tagen einiges zu erklären. ({1}) Es ging natürlich nicht einfach so . Irgendeinen Vorwand musste er erfinden. Den Vorwand, der gefunden wurde, finde ich fast schon genial. Die Idee war, dass man sagt: Mexiko vernichtet einfach ein paar alte Gewehre, und dann können wir ihnen als Ersatz neue Gewehre liefern. Das wäre ja keine Aufrüstung, sondern „nur“ ein Ersatz für die alten Gewehre . - Dieses Prinzip heißt: Neu für Alt. Es hat genau einen einzigen Zweck: Es dient einzig und allein der Rechtfertigung und Legitimierung von kritischen und falschen Waffenexporten. Wir haben vorhin die Staatssekretärin des Wirtschaftsministeriums gefragt. Sie sagte: Nein, es ist kein einziger Fall bekannt, dass so etwas tatsächlich stattgefunden hat . - Wir haben in den letzten Jahren zigmal nachgefragt. Es gibt keinen konkreten Fall. Wissen Sie, was in Mexiko passiert ist? Es gibt Fotos. Es sind ein paar Hundert alte, verrostete Kalaschnikows eingeschmolzen worden, nur damit der AußenminisHarald Ebner ter Steinmeier sagen konnte: Es werden alte vernichtet, und ich kann neue liefern. - Nach Mexiko wurden aber Zehntausende geliefert; genau waren es 10 096 nigelnagelneue deutsche Sturmgewehre. Es fand überhaupt kein Austausch statt . Das war nicht „Neu für Alt“, sondern das war nur eine Legende, die im Außenministerium erfunden worden ist . ({2}) Der zweite Trick, der danach kam, ist noch viel perfider. Irgendjemand aus dem Wirtschaftsministerium hat dann der Firma Heckler & Koch die Information gesteckt: Nehmt lieber ein paar besonders kritische Bundesstaaten aus der Lieferung heraus; dann könnt ihr die Genehmigung schon bekommen. - So sollte zum Beispiel der berüchtigte Bundesstaat Chihuahua nicht mehr mit deutschen Gewehren beliefert werden. Was macht Heckler & Koch? Am nächsten Tag reichen sie einen neuen Antrag ein, und tatsächlich ist Chihuahua nicht mehr unter den belieferten Bundesstaaten. Aber - und das ist jetzt kein Witz - die Gesamtzahl aller nach Mexiko gelieferten Waffen ist gleich geblieben . Wenn ich die beiden Anträge nebeneinanderlege, dann sehe ich, dass die 450 Gewehre für den Bundesstaat Chihuahua in einen anderen Bundesstaat gegangen sind . Das wurde tatsächlich so genehmigt, obwohl die Bearbeiter im Bundesministerium genau wussten, dass sie damit Beihilfe zum illegalen Waffenexport leisten . ({3}) Das müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Das Ministerium, das die Aufgabe hat, tödliche Waffenexporte zu kontrollieren, guckt nicht nur einfach weg, sondern erzählt der Waffenindustrie sogar noch, wie sie seine eigenen Kontrollen unterlaufen kann. Das ist die traurige Realität Ihrer Waffenexporte bis heute . Ich frage mich die ganze Zeit: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure, wenn nicht wir? ({4}) Vieles davon ist erst in den letzten Tagen an die Öffentlichkeit gekommen. Das erinnert mich daran, dass wir alle gemeinsam im letzten Jahr eine richtige Heckler-&-Koch-Seilschaft im Verteidigungsministerium aufgeklärt haben. Dort saßen Beamte in den verschiedenen Ebenen, die jahrelang ihre schützende Hand über das Unternehmen gehalten haben. Jetzt legen diese Dokumente nahe, dass es die gleiche Seilschaft auch im Wirtschaftsministerium gibt. Das wollen wir aufklären, und zwar lückenlos. Wir wollen alle Dokumente haben. So wie das Verteidigungsministerium in den letzten Monaten alles offengelegt hat, so wollen wir auch von Ihnen alle E-Mails, alle Dokumente der gesamten schmutzigen Deals haben . ({5}) Wenn irgendwer Zweifel an der Geschichte hat, dem gebe ich eine Empfehlung: Schauen Sie heute Abend einmal Fernsehen . Im Ersten läuft ein richtig guter Spielfilm: Meister des Todes . Es ist ein Krimi, der sehr dicht an der Realität dieser schmutzigen Deals in Mexiko ist. Er basiert auf vielen E-Mails, vielen Dokumenten. Hier können Sie noch einiges lernen. Ich komme zum Schluss. Am Beispiel Mexiko wird aus meiner Sicht vor allem eines deutlich: Ihre Waffenexportkontrolle ist eine einzige Farce. Sie funktioniert einfach nicht; denn überall auf der Welt werden mit deutschen Gewehren, mit deutschen Waffen Verbrechen begangen . Auch das ist für mich ein Grund, warum ich im Übrigen der Meinung bin, dass Deutschland überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege van Aken. - Nächster Redner in der Debatte: Dr . Joachim Pfeiffer für die Union . ({0})

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Male wird hier heute „Skandal!“ gerufen, werden Dinge, die längst bekannt sind, in einer Aktuellen Stunde hochgezogen. Um was geht es? Es geht darum, dass von 10 102 G36, deren Export im Zeitraum 2004 bis 2008 genehmigt wurde, durch ein technisches Versehen tatsächlich 1 393 G36 nicht im Rüstungsexportbericht 2008 auftauchen, ({0}) weil sie dem Jahr 2007 zugeordnet waren und dann eben nicht im Bericht von 2008 aufgetaucht sind . ({1}) So wurde es heute Morgen ja auch im Ausschuss vorgetragen . An irgendwelchen Verschwörungstheorien, die Sie jetzt hier aufstellen, will ich mich überhaupt nicht beteiligen . Bereits 2009 wurde dem Abgeordneten Schäfer dieser Sachverhalt in einer schriftlichen Antwort dargestellt . Ehrlich gesagt hätte ich mir viel mehr gewünscht, dass Sie heute hier eine Aktuelle Stunde beantragt hätten, die aktuelle Fragen thematisiert, ({2}) nämlich die Fragen: Wie können wir Fluchtursachen vor Ort bekämpfen? ({3}) Welche Rolle kann und muss die Außen- und Sicherheitspolitik dort spielen? Sie sollten sich nicht wegducken, ins Schneckenhaus zurückziehen und sagen: Das geht uns nichts an . ({4}) Sie sollten die Diskussion führen: Wie können wir dort, wo Menschen bedroht sind - wir haben es dieses Jahr beim IS in Kurdistan und anderswo schon getan -, ({5}) mit Rüstungsexporten, mit deutscher Sicherheitstechnik, auch deutschen Waffen, dafür sorgen, dass Stabilität und Frieden erhalten werden, dass Menschen nicht umgebracht werden? ({6}) Diese Diskussion sollten wir heute mal führen, ({7}) nicht eine rückwärtsgewandte Diskussion, die an Absurdität wirklich nicht zu überbieten ist. Da stellt sich die Frage: Was ist Deutschlands Rolle? ({8}) Welche Rolle wollen wir in Europa spielen? Ich glaube, wir würden uns übernehmen, wenn wir Deutschen allein eine Antwort finden wollten. Deshalb ist es richtig, dass sich die Ministerien jetzt verständigt haben und sagen: Wir streben eine europäische Harmonisierung an . - Wir müssen uns darüber klar werden: Welche Technologien brauchen wir in Europa, welche brauchen wir in Deutschland? Nehmen wir einen aktuellen Fall, den Sie auch schon wieder skandalisiert haben: Krauss-Maffei und Nexter, die jetzt fusionieren . ({9}) Selbstverständlich werden noch die Lieferungen von Technologien abgewickelt, für die französische Genehmigungen, für die deutsche Genehmigungen vorliegen . Wir sollten uns fragen: Wie geht es denn zukünftig weiter? Was ist die europäische Antwort? Ich glaube, wenn wir es ernst damit meinen, dass wir Fluchtursachen so bekämpfen wollen, dass die Menschen erst gar nicht hierherkommen müssen, dann müssen wir dies anders tun, als wir es in der Vergangenheit getan haben . ({10}) - In der Tat! Da ist auch die Frage: Welche Rolle können deutsche Sicherheitsgüter bei der Sicherung des Friedens dort spielen? ({11}) Diese Diskussion ist zu führen. Rüstungsexporte sind ein legitimes Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik; sie gilt es entsprechend abzuwägen . Hier wurde die Diskussion zu Mali geführt. In Mali bilden wir die Polizei und auch andere Sicherheitskräfte aus ({12}) und sagen ihnen, dass sie dort das Gewaltmonopol des Staates wiederherstellen und erhalten sollen, damit dort nicht der IS oder irgendwelche vergleichbaren Gruppen die Macht übernehmen ({13}) und die Menschen umbringen . Wir sagen: Wir bilden euch aus, aber die notwendigen Sicherheitstechnologien, auch Waffen, liefern wir euch nicht . - Das ist aus meiner Sicht doch verlogen, um es in aller Deutlichkeit zu sagen. ({14}) Insofern müssen wir uns hier mal ehrlich machen und überlegen, was denn unsere Position ist, was unsere Vorstellungen sind . Unsere Position muss eine andere sein als in der Vergangenheit . Sie versuchen, alles zu skandalisieren. Für mich sind Rüstungsexporte und auch Waffenexporte nicht per se schlecht, ({15}) sondern ein Instrument, das wir einsetzen müssen . Wir werden das Problem der aktuellen Flüchtlingsströme ({16}) und die Flüchtlingsfragen nicht in Deutschland und Europa allein lösen; sie müssen auch vor Ort, im Nahen Osten und in Afrika, gelöst werden. ({17}) Diese Diskussion hätten wir heute hier führen sollen. Wir brauchen nicht den Popanz, den Sie hier zum wiederholten Male aufbauen . ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Pfeiffer. - Nächste Rednerin in der Debatte: Agnieszka Brugger für die Grünen.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 26. September 2014 kam es in der mexikanischen Stadt Iguala zu einer unfassbaren Tragödie und zu einem schrecklichen Verbrechen. Vor fast einem Jahr griffen dort lokale Polizisten und Söldner der Kartelle und der Mafia Studenten an und feuerten in die Menge. 6 von ihnen starben, und 43 Studenten wurden mit Gewalt auf Trucks geladen und sind bis heute spurlos verschwunden. Herr Kollege Pfeiffer, ich muss sagen: Ihre Rede der zynischen Kälte, das ist einfach nur ein Schlag in das Gesicht der Angehörigen dieser Menschen . ({0}) Relativ schnell war nämlich klar, dass bei diesem Angriff deutsche Sturmgewehre aus dem Hause Heckler & Koch eingesetzt worden sind, die laut Bundesregierung niemals dorthin hätten geliefert werden dürfen. Es klingt hart, aber es ist wahr: Die deutsche Bundesregierung trägt eine Mitschuld an dieser Gräueltat . ({1}) Das ist kein Unsinn. ({2}) Lesen Sie doch einmal die Details nach! Und es sind nicht olle Kamellen, über die wir heute hier diskutieren. Es sind nämlich keine ollen Kamellen, was jetzt über das Verfahren der Bundesregierung zur Genehmigung der G36Gewehre herausgekommen ist. Das offenbart das erschreckende Bild einer Politik, die den Kompass für Sicherheit und Menschenrechte völlig verloren hat . Was 2005 und in den folgenden Jahren unter der letzten Großen Koalition passiert ist, das hat mit einer restriktiven Rüstungsexportpolitik rein gar nichts zu tun. Sie haben die strengen Regeln, die es in Deutschland auf dem Papier gibt, in der Realität in ihr perverses Gegenteil verkehrt. Ich mache Ihnen das gerne konkret, damit Sie das nachvollziehen können. Das Auswärtige Amt hat, bevor der erste Deal genehmigt wurde, gesagt: Es gibt keine besonderen deutschen außen- und sicherheitspolitischen Interessen, Mexiko mit G36-Gewehren zu beliefern . Das Auswärtige Amt hat auch auf Gefahren in Bezug auf Menschenrechte hingewiesen . Die deutschen Regeln besagen: Keine Kriegswaffenexporte in Staaten außerhalb von NATO und EU, es sei denn, es gibt besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen . Die deutschen Richtlinien besagen: Keine Exporte in Staaten, in denen die Menschenrechte verletzt werden. - Aber dann waren die Bedenken des Auswärtigen Amtes - das ist doch komisch - vom Tisch. Ich frage Sie: Wessen Interessen sind hier zum Zuge gekommen? Doch nicht die der Menschenrechte, nicht die der Bundesrepublik Deutschland, sondern offensichtlich die Interessen eines einzelnen Rüstungsunternehmens . ({3}) Dann lesen Sie doch einmal die Zeitung . Ich kann Ihnen gerne noch ein anderes Beispiel nennen . ({4}) Irgendwann wurden bestimmte Provinzen von den Genehmigungen ausgenommen, als klar war, dass dort die Menschenrechtslage noch schlimmer und die Polizei noch korrupter ist. Aufgrund eines Tipps aus dem Bundeswirtschaftsministerium hat Heckler & Koch seinen Antrag entsprechend angepasst. Jetzt kommt heraus, dass dem Mitarbeiter aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Anfang an klar war, dass man diese Regelung nicht überprüfen kann, dass von Anfang an klar war, dass die Waffen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genau dort gelandet sind, wo sie eigentlich nicht sein dürften . Ein drittes Beispiel: Neu für Alt . Diesen wichtigen Grundsatz haben wir eben auch schon gehört . Er besagt, dass der Empfänger in dem Umfang, in dem er neue Waffen erhält, alte Waffen aus seinen Beständen vernichten muss . Und dann lässt man sich abspeisen mit einem Bild, auf dem eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft mit einem Mitarbeiter von Heckler & Koch posiert, auf dem zu sehen ist, wie ein paar Hundert alte Gewehre vernichtet werden . Daraufhin liefert man mehrere Tausend neue Gewehre . ({5}) Ich muss Ihnen sagen: Sie missbrauchen diesen wichtigen Grundsatz . Das ist nichts anderes als eine einzige große Heuchelei . ({6}) Ich finde es erschreckend, wie sich Beamte der Bundesregierung zu willfährigen Helfern einer Waffenschmiede gemacht haben, um einen sehr hohen Preis . ({7}) Eine solche Vetternwirtschaft in diesem Ministerium darf wirklich nicht akzeptiert werden. ({8}) Meine Damen und Herren, wir Grüne verlangen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, von Außenminister Frank-Walter Steinmeier und von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und all den anderen Ministerinnen und Ministern, die hinter den verschlossenen Türen des Bundessicherheitsrates sitzen und über Rüstungsexporte entscheiden: Kommen Sie ja nicht auf die Idee, wie einige Kollegen aus der Union, diesen Vorfall kleinzureden! Sorgen Sie für lückenlose Aufklärung, und ziehen Sie strukturelle und personelle Konsequenzen, damit sich so etwas nie wiederholt! ({9}) Es ist höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik der Waffenexporte endlich umfassend und radikal ändert. ({10}) Wir Grüne werden nicht aufgeben, für eine Politik zu streiten, die sich Frieden, Sicherheit und Menschenrechten verpflichtet fühlt und diese nicht irgendwelchen Gewinninteressen einzelner Rüstungsunternehmen opfert . Wir können das, was in Mexiko geschehen ist, nicht wiedergutmachen. Wir können das Leid der Menschen, die dort gestorben sind, der Menschen, die dort entführt worden sind, das Leid der Angehörigen und Freunde, die sie bis zum heutigen Tage verzweifelt suchen, nicht rückgängig machen. Wir können und wir müssen aber dafür sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. - Für die Bundesregierung: Brigitte Zypries . ({0})

Brigitte Zypries (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003870

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Brugger, die Bundesregierung hat schon vor Jahren etwas dafür getan, dass sich so etwas nicht wiederholt. Seit 2008 wurden keine Anträge auf G36-Ausfuhren nach Mexiko mehr genehmigt, und seit 2010 werden überhaupt keine Anträge für den Export von Kleinwaffen nach Mexiko mehr genehmigt. Damit ist klar, dass die Causa Mexiko schon 2008 und 2010 extra bearbeitet wurde . Darauf wurde reagiert . Wir haben eben in der Befragung der Bundesregierung auch schon darauf Bezug genommen, und ich habe Ihnen erklärt, dass wir darüber hinaus in dieser Großen Koalition weitere Anstrengungen unternommen haben, um den Export von Kleinwaffen deutlicher zu kontrollieren und noch klarer zu machen, dass wir nur unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen überhaupt noch Kleinwaffen exportieren . Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was wir da schon diskutiert haben. ({0}) - Das haben wir vorhin schon dreimal gehabt . - Ich habe sowohl auf die Kleinwaffengrundsätze hingewiesen, die wir im Mai dieses Jahres veröffentlicht haben, als auch auf die sogenannte Post-Shipment-Kontrolle, Herr Kollege, die wir beschlossen haben, nach der die Angaben, die Empfänger zum Verbleib von Waffen machen, vor Ort von Menschen überprüft werden, die unser Vertrauen haben . Sie sehen also, dass wir alles tun, um Vergleichbares zu vermeiden . Daneben gibt es eine staatsanwaltschaftliche Aufarbeitung . Seit Jahren schon läuft ein staatsanwaltschaftliches Verfahren gegen die Firma Heckler & Koch, was auch zu einer weiteren Form der Aufarbeitung führen wird . Ich würde gerne noch auf einen Gesichtspunkt eingehen, den der Kollege Pfeiffer angesprochen hat, und würde gerne noch einmal erläutern, dass die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 jährlich einen Rüstungsbericht vorlegt, in dem wir detailliert über die jeweiligen Rüstungsexporte berichten . Seit letztem Jahr machen wir jährlich auch noch einen Zwischenbericht, sodass immer aktuelle Diskussionen möglich sind und auch der Bundestag immer aktuell auf diese Berichte eingehen kann. Die jeweiligen Rüstungsexportberichte enthalten detaillierte Angaben, aufgeschlüsselt nach den belieferten Ländern, nach der Anzahl der Genehmigungen, nach Güterlisten und nach dem Gesamtwert . ({1}) Diese Berichte - jetzt kommt leider ein Fehler, lieber Herr Kollege Kampeter - sind auch für die Jahre 2007 und 2008 erfolgt . Allerdings ist da ein Fehler passiert . Es geht um die Genehmigung der Lieferung von G36-Sturmgewehren . In den Jahren 2004 bis 2007 wurden mehrere Lieferungen genehmigt, die insgesamt vollständig abgebildet wurden . 2008 hat die Firma noch einmal eine Erhöhung der Stückzahlen beantragt. Das ist dann auch genehmigt worden . Aber in der verwaltungsmäßigen Umsetzung der Genehmigung dieser 1 393 Stück ist nicht ein neuer Genehmigungsbescheid ergangen, wie das an und für sich lege artis der Fall hätte sein müssen, sondern diese Zahl wurde auf die bereits erfolgten Genehmigungen von 2007 quasi aufgesattelt . Das führte dann zu einer fehlerhaften Darstellung im Rüstungsexportbericht . Die Zahl, die in den Genehmigungsunterlagen von 2007 war, wurde nicht in den Rüstungsexportbericht 2008 übernommen und wurde auch in der Folge nicht übernommen, weil sie nämlich quasi in den Akten verschwunden war und nicht wieder auftauchte . Dieses Handeln - das kann man wohl nicht anders sagen - war fehlerhaft . Es wurde begünstigt durch die Möglichkeit, Bescheide quasi nachträglich bei den geAgnieszka Brugger nehmigten Stückzahlen zu ändern, nachträglich aufzusatteln - eine etwas befremdliche Vorstellung für mich als Öffentlich-Rechtlerin. Für dieses Verfahren können wir uns nur entschuldigen . Es lag an einer fehlerhaften Organisation, dass das möglich war . Diese fehlerhafte Organisation wurde bereinigt. Es gibt inzwischen eine klare Anweisung, dass auf alte Bescheide nichts mehr stückzahlmäßig draufgesattelt werden darf. Insofern kann ein solches Verfahren nicht wieder passieren . Jetzt müssen jedes Mal neue Ausfuhrgenehmigungen beantragt und erteilt werden, wenn sie denn erteilt werden . Ich denke, die Bundesregierung hat dieses Fehlen auch nicht verschwiegen oder verschleiert, sondern nach außen kommuniziert. Der damalige Staatssekretär Pfaffenbach hat auf eine Frage des Abgeordneten Schäfer in seiner Antwort vom 14 . Dezember 2009 geschrieben: 2006 wurden Genehmigungen für die Ausfuhr von fünf G36 nach Mexiko erteilt, im Jahr 2007 für 6 667 G36 und im Jahr 2008 für 1 393 G36 . Da taucht diese Zahl also wieder auf . Sie war veröffentlicht, aber sie war natürlich nicht, wie es richtig gewesen wäre, in den Berichten veröffentlicht. Dafür kann ich nur noch einmal um Entschuldigung bitten. Ich kann Ihnen versprechen, dass ein solcher Fehler nicht wieder vorkommen wird. ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Zypries. - Nächster Redner in der Debatte: Klaus-Peter Willsch für die Unionsfraktion. ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der der Herbst auf den Sommer folgt, beschäftigt uns Herr van Aken in dieser Legislaturperiode weiter mit diesem Thema. Jeder Anlass dazu ist willkommen. Der Anlass, der dieses Mal gewählt worden ist, ist geradezu ein Musterbeispiel dafür, dass die Dinge gut kontrolliert funktionieren, dass Fehler, die passieren, im Haus korrigiert werden, dass von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet werden und alles nach rechtsstaatlichen Verfahren abgewickelt wird. Was den Anschein hat, vielleicht nicht richtig zu sein, liegt dann in den Händen der Justiz . Ansonsten ist der gesamte Vorgang ein Musterbeispiel für ein Fall-für-Fall-Vorgehen . Dieses Vorgehen wird der Sache gerecht, und der Vorgang zeigt - Frau Staatssekretärin Zypries hat den Lernprozess geschildert -, dass man für Lernfortschritte zugänglich ist . Ihre Aussage, Herr van Aken: „Überall in der Welt werden mit deutschen Waffen Menschen erschossen“, hat ungefähr die gleiche Aussagekraft wie die Aussage: „Überall in der Welt werden mit Waffen aus Solinger Stahl Menschen erstochen“, oder die Aussage: „Überall auf der Welt kommen durch deutsche Pkws Menschen zu Tode .“ ({0}) Wenn man eine Welthandelsnation ist, gibt es die Produkte nun einmal in der ganzen Welt. ({1}) Gleichwohl sagen wir nicht, dass mit Waffen zu handeln etwas Alltägliches sei, ({2}) sondern wir haben ganz strikte Regeln aufgestellt, die eingehalten werden . Wir haben uns in ein dichtes Geflecht von Verpflichtungen hineinbegeben: ({3}) Unsere eigene Außenwirtschaftsverordnung macht zunächst einmal die Ausfuhr aller Rüstungsgüter genehmigungspflichtig; grundsätzlich wird nicht genehmigt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass damit interne Repressionen oder sonstige Menschenrechtsverletzungen ausgeübt werden . Die Prüfung der Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegt dem Bundessicherheitsrat, der geheim tagt Sie wissen, wie er zusammengesetzt ist . Bei der Erteilung der Ausfuhrgenehmigungen handelt es sich nicht um einen formellen Akt. Das wird von Ihnen häufig so dargestellt, aber genau das ist es nicht. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausfuhr von Kriegswaffen . Die Einhaltung zahlreicher Gesetze und Vereinbarungen wird zunächst abgeprüft . Insofern kann man eben nicht davon sprechen, dass hier in Deutschland der Handel mit Rüstungsgütern oder Waffen eine alltägliche Sache wäre . Dagegen sprechen auch die Zahlen . Angesichts der Güte unserer Produkte muss man ja einen Moment darüber nachdenken, warum wir bei Rüstungsgütern nicht an der Spitze stehen . ({4}) Der Grund ist, dass wir sehr zurückhaltend sind, dass wir uns beim Export solcher Systeme und Waffen eine Zurückhaltung auferlegen, die wir in der Koalition für richtig halten . Wir glauben, dass es auf der einen Seite natürlich legitime Sicherheitsinteressen von Ländern gibt, denen wir dann auch helfen sollten, wenn wir in unserem Bereich die Systeme und Waffen haben, die benötigt werden. Diese muss man selbstverständlich exportieren können, wenn die Voraussetzungen in dem entsprechenden Land vorliegen . Wir müssen uns auf der anderen Seite, wie Kollege Dr . Pfeiffer es in seinem Beitrag angesprochen hat, natürParl. Staatssekretärin Brigitte Zypries lich auch immer um unsere eigenen Interessen Gedanken machen . ({5}) Welche strategischen Interessen haben wir in der Welt? Wo müssen wir Systeme stabilisieren, um Situationen, wie wir sie jetzt mit der Flüchtlingswelle erleben, zu vermeiden, nicht eintreten zu lassen? Darüber würde ich gerne eine breitere Diskussion führen. Mit dem simplen Einschlagen auf den - ich glaube, Sie nennen es so - „militärisch-industriellen Komplex“, oder wie das bei Ihnen heißt, kommen wir kein Stück weiter. ({6}) Wir sollten froh sein über technologische Leistungen, die unsere Industrie, unsere Wirtschaft, unsere Wissenschaft vollbringen . Wir sollten dazu beitragen, dass sie zum Nutzen der Menschen und zum Stiften von Frieden und Rechtssicherheit eingesetzt werden können. Wir werden weiterhin sorgfältig darauf achten, dass Waffen aus deutscher Herkunft nicht fahrlässig in irgendwelche Richtungen verbreitet werden . Das System, das hier errichtet ist, funktioniert. Daran haben die die Regierung tragenden Parteien den höchsten Anteil . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Kollege Willsch. - Nächste Rednerin: Heike Hänsel für die Linke. ({0})

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Willsch, was Sie gerade gesagt haben, zeigt, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben. Sie haben hier darauf hingewiesen, dass es jetzt eine strafrechtliche Verfolgung, Untersuchungen usw. gibt. Das alles findet überhaupt nur statt, weil es eine Anzeige eines Rüstungsgegners, nämlich von Jürgen Grässlin, gab, der zusammen mit dem Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer das Ganze ins Rollen gebracht hat . ({0}) Wir haben es überhaupt nur der Zivilgesellschaft und den Friedensaktivisten zu verdanken, dass hier einmal Licht ins Dunkel dieser ganzen Verflechtungen kommt. ({1}) Man sieht doch, dass hier auf Initiative der Ministerien, der Regierung, überhaupt gar keine Untersuchungen eingeleitet werden . Sie schieben sich gegenseitig ständig den Schwarzen Peter zu, wer für die Rüstungsexporte nach Mexiko verantwortlich ist und welche Vereinbarung es mit Heckler & Koch gab oder nicht. Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von dem, worüber Sie hier reden . Ich muss sagen: Frau Zypries, Sie waren in dieser Zeit der Waffenlieferungen Justizministerin . Es wäre interessant, zu wissen, ob Sie als Mitglied des Bundessicherheitsrates eigentlich Informationen über Rüstungsexporte nach Mexiko erhalten haben, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem Mexiko schon in einem massiven Sumpf von Menschenrechtsverletzungen und Verschwindenlassen versunken war. Das ist doch der Skandal. ({2}) Ayotzinapa, diese Tragödie, die von uns angesprochen wurde, diese 43 verschwundenen Studenten, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir sprechen in Mexiko von über 25 000 Menschen, die verschwunden sind, und von über 100 000 Toten allein seit 2006; das muss man sich einmal vorstellen . In dieser Zeit gab es Waffenlieferungen nach Mexiko von Heckler & Koch. Das ist in meinen Augen verbrecherisch . Die dafür Verantwortlichen müssen bestraft werden . ({3}) Man bekommt vom Ministerium immer gesagt: Wir haben überhaupt keine bestimmten Bundesstaaten genannt. Heckler & Koch beruft sich aber darauf, dass es solch eine Absprache gab. Es wird nichts an Aufklärung betrieben . Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart, Herr Willsch, ermittelt seit fünfeinhalb Jahren, hat aber noch nicht einmal Anklage erhoben. Das ist der nächste Skandal: dass hier sehr viele Informationen vorhanden sind und Jahr für Jahr nur ermittelt wird . Das ist die Realität hier in Deutschland bezüglich Rüstungsexporten . Deshalb brauchen wir eine grundsätzliche Änderung . ({4}) Ich möchte Ihnen etwas zeigen . ({5}) Ich war auch in Ayotzinapa, in Guerrero, und habe am Straßenrand dieses Foto eines Polizisten mit einem Gewehr von Heckler & Koch, G36, gemacht, das eigentlich nie dort sein dürfte . Ich war gerade einmal einen Tag in Ayotzinapa. Das zeigt doch, dass es eine Systematik an Ausrüstung mit deutschen Gewehren an Orten gibt, wo sie nicht hingehören. Das kritisieren wir. ({6}) Ich möchte zu Ihnen, Herr Pfeiffer, noch etwas sagen . Wohin ist er denn verschwunden? Ist er schon gegangen? Mich wundert auch, wo der Kollege Volker Kauder ist. Von ihm, der für den Wahlkreis, in dem sich Heckler & Koch befindet, zuständig ist - Heckler & Koch hat seinen Sitz in Oberndorf -, sieht und hört man überhaupt nichts . Seit Jahren hält er die Hand schützend über diesen Konzern, und zu keinem einzigen Skandal hat er auch nur eine einzige Silbe gesagt . Ich erwarte, dass Herr Kauder hier einmal etwas zu den deutschen Rüstungsexporten sagt . ({7}) Herr Pfeiffer ist leider nicht mehr da. Aber er, denke ich, hat - da kommt er wieder - im wahrsten Sinne des Wortes den Vogel abgeschossen, als er uns hier erzählt hat, mit Rüstungsexporten würden Fluchtursachen bekämpft. Einen größeren Blödsinn habe ich in den letzten zehn Jahren nicht gehört . ({8}) Wir alle diskutieren hier rauf und runter darüber, dass die deutschen Rüstungsexporte eine der Hauptfluchtursachen sind, weil sie Krisen und Kriege massiv verschärfen. Saudi-Arabien kämpft und tötet derzeit im Jemen mit deutschen Waffen . Das Land hat sogar eine Lizenz von Heckler & Koch bekommen, um die Waffen zu produzieren - und sie laut Bundesregierung angeblich wieder nur im eigenen Land einzusetzen . Sie werden jetzt im Kampf gegen die Huthi-Rebellen im Jemen eingesetzt . Als Folge gibt es jetzt schon über 100 000 Flüchtlinge . 80 Prozent der Bevölkerung sind von humanitärer Hilfe abhängig. Diese Politik halten Sie auch noch für richtig? Es ist unglaublich, was hier passiert . Da muss sich die Bevölkerung angesichts der vielen Flüchtlinge, mit denen wir es derzeit zu tun haben, wirklich an den Kopf greifen . Und Sie reden weiterhin Rüstungsexporten das Wort, weil sie eine effektive Möglichkeit wären, Fluchtursachen zu bekämpfen! ({9}) Abstruser geht es wirklich nicht mehr. ({10}) Ich muss sagen: Dazu fällt mir überhaupt nichts mehr ein . Da kann ich nur noch einmal auf heute Abend verweisen und der Bevölkerung nahelegen: Schauen Sie sich die Dokumentation „Meister des Todes“ in der ARD an! ({11}) Wir sehen hier: Rüstungsexporte sind Geschäfte mit dem Tod . Deswegen lehnen wir sie grundsätzlich ab . ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin Hänsel. - Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Westphal für die SPD-Fraktion. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es in dieser Aktuellen Stunde? Im Jahr 2008 wurden 1 393 nach Mexiko exportierte G36-Gewehre im Rüstungsexportbericht des Wirtschaftsministeriums unter der Verantwortung des damaligen Ministers Michael Glos nicht registriert . Deshalb ist es unredlich, den jetzigen Wirtschaftsminister für dieses Versäumnis verantwortlich zu machen . Es ist jedoch unsere Aufgabe, diesen Vorfall aufzuklären und dafür zu sorgen, dass so ein Versäumnis nicht wieder vorkommt. Diesen Anspruch muss ein Parlament haben . ({0}) Nach den Informationen des Ministeriums, die uns bis heute vorliegen, ist im Jahr 2008 eine Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz aus dem Jahr 2007 zur Ausfuhr von G36-Gewehren nach Mexiko erweitert worden . Für den Rüstungsexportbericht des Jahres 2007 konnten diese Lieferungen nicht mehr berücksichtigt werden, da die Erhebung bereits abgeschlossen war, und für 2008 wurden diese zusätzlichen Lieferungen nicht erfasst, weil sie aus der Ursprungsgenehmigung von 2007 resultierten . So ein Fehler hätte nicht passieren dürfen . Wenn wir vom Wirtschaftsministerium einen Rüstungsexportbericht hier im Parlament vorgelegt bekommen, müssen wir als Abgeordnete davon ausgehen, dass er vollständig und verlässlich ist . ({1}) Wie es nun 2007 und 2008 war, hat die Staatssekretärin hier meiner Meinung nach gut vorgetragen . Das ist sicherlich nicht in Ordnung gewesen; das hat sie zugegeben. Aber dieser Fall taugt nicht zur Skandalisierung, wie es meine Vorredner hier versucht haben . ({2}) Damit sich so ein Fall in Zukunft nicht wiederholt, sind erste Maßnahmen, auch beim BAFA, getroffen worden . Eine Erweiterung von bereits erteilten Ausfuhrgenehmigungen ist grundsätzlich nicht mehr zulässig . Ich denke, die Maßnahmen, die das Ministerium unter der Leitung von Sigmar Gabriel hier getroffen hat, kann man nur begrüßen . Aber was auch zur Wahrheit gehört, ist, dass bereits die Fragen hier im Parlament zu diesem Fall 2009 - damals auf Anfrage des Abgeordneten Paul Schäfer von den Linken - beantwortet wurden. Der damalige Staatssekretär hat die genauen Stückzahlen genannt, bei denen versäumt wurde, sie im Rüstungsexportbericht aufzuführen . Ich denke, das ist etwas, was man mit erläutern muss. Ebenso muss darauf hingewiesen werden, dass die Bundesregierung seit einigen Jahren die Bearbeitung von Ausfuhrgenehmigungsanträgen im Hinblick auf Kleinwaffen für Mexiko ganz ausgesetzt hat, weil es genau die genannten Gründe gibt, diese Waffen nicht in diese Region zu liefern . Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die neuen Transparenzmaßnahmen, die wir in dieser Legislaturperiode eingeführt haben, werden das Parlament und die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend informiert. Dieser Rüstungsexportbericht wird zeitnah und zweimal im Jahr veröffentlicht. Das ist eine neue Entwicklung und bedeutet eine wesentliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Praxis, dass die Veröffentlichung andertHeike Hänsel halb Jahre gebraucht hat . Durch die Änderung der Geschäftsordnung werden nun auch die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates dem Parlament und dem Wirtschaftsausschuss zeitnah mitgeteilt . Die Transparenz bei Exporten von deutschen Rüstungsgütern wurde damit erheblich verbessert . Es zeigt sich, dass die bisherigen Mechanismen funktionieren. Ich denke, dass hier den berechtigten Interessen des Parlaments und der Öffentlichkeit Rechnung getragen wird, aber ich sage auch ganz deutlich: Wir dürfen an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Auch hier brauchen wir eine Weiterentwicklung. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat im Juli 2015 auf Vorschlag des Bundesministers Sigmar Gabriel Eckpunkte für eine neue Regelung zur Kontrolle des Endverbleibs von Rüstungsgütern beschlossen, die sogenannten Post-Shipment-Kontrollen . Es gilt der Grundsatz „Alt gegen Neu“ . Daneben soll künftig nachträglich vor Ort im Empfängerland auch die Ausfuhr von Kleinwaffen in Drittstaaten kontrolliert werden . Empfänger von Waffen in Drittländern müssen sich künftig in den geforderten Endverbleibserklärungen mit Kontrollen vor Ort einverstanden erklären. Die Vorbereitung und die Durchführung erfolgen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Die Bundesregierung hat sich in Bezug auf die Exporte von Rüstungsgütern für eine strikte, restriktive Politik ausgesprochen. Dies ist im Koalitionsvertrag auch so verankert worden, ebenso wie die politischen Grundsätze von 2000 über Rüstungsexporte . In den Koalitionsverhandlungen wurde darüber hinaus ausdrücklich festgestellt, dass diese politischen Grundsätze weiterhin Gültigkeit haben. Auf dieser Grundlage gibt es ebenfalls einen europäischen gemeinsamen Standpunkt, der sich diesem Thema widmet, sodass diese Regeln ebenfalls gelten . Vor allem hinsichtlich der Genehmigung von Kleinwaffen ist in den aktuellen Berichten zu sehen, dass diese politischen Maßnahmen greifen und es erhebliche Reduzierungen gab . Das Volumen der genehmigten Exporte von Kleinwaffen an Drittländer betrug im Jahr 2014 rund 22 Millionen Euro . Dieses ist auf 15 Millionen Euro reduziert worden . Daran sieht man, dass schon eine Wirkung eingetreten ist. Durch die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung gibt es erfreuliche Fortschritte bei der Reduzierung und der Kontrolle von Rüstungsgütern . Deshalb werden wir den Wirtschaftsminister Gabriel auf diesem Weg weiter unterstützen . Vielen Dank. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kollege Westphal. - Nächster Redner in der Debatte: Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen .

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand es in Ordnung, dass die Staatssekretärin Zypries zugegeben hat, dass da etwas schiefgegangen ist, dass nämlich 1 393 G36-Gewehre in dem Bericht nicht aufgetaucht sind, und dass sie sich dafür entschuldigt hat . Frau Zypries, es wäre vielleicht aber auch angemessen gewesen, an dieser Stelle einmal etwas zu dem eigentlichen Problem zu sagen, weshalb wir uns hier heute zu einer Aktuellen Stunde treffen. ({0}) Dazu, dass mithilfe der Bundesregierung, mithilfe deutscher Waffen, mithilfe der Waffenlieferungen, die die Bundesregierung genehmigt hat, obwohl sie wissen konnte und musste, dass diese Waffen in falsche Hände geraten, unter anderem das Massaker in Iguala angerichtet worden ist, bei dem 5 Studenten zum Teil bestialisch ermordet und 43 entführt worden sind, hätten Sie doch einmal etwas sagen können. Sie hätten sagen können, dass Sie das bedauern, dass es peinlich ist, dass in diesem Zusammenhang G36-Gewehre auftauchen, und dass Sie sich das zur Lehre dienen lassen . - Das hätte ich erwartet . ({1}) Stattdessen erzählt uns Herr Pfeiffer hier, dass es eigentlich richtig ist, G36-Gewehre zu liefern . ({2}) Er nennt Mali als Beispiel - gemeint war aber genauso Mexiko -, und vielleicht hätte man noch mehr G36-Gewehre liefern sollen . Dies wird dann immer damit zu entschuldigen versucht, dass man sagt: Damit kann man überhaupt erst rechtsstaatliche Verhältnisse herstellen, Sicherheit in dem jeweiligen Land schaffen und verhindern, dass es zu Flüchtlingen kommt und Menschen ermordet werden . Wollen Sie nicht einmal zur Kenntnis nehmen, lieber Herr Kollege, dass hier genau das passiert ist, was wir immer befürchtet und angemahnt haben? Wir haben immer gesagt: Es droht die Gefahr, dass vielleicht auch die dortige Polizei, an die wir die Gewehre liefern, die falsche Adresse sein kann. - Der Mann, der einen Studenten mit einem G36-Gewehr bestialisch ermordet haben soll, soll ein Polizist gewesen sein . Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis: Es gibt keine „guten“ Waffenexporte, mit denen Kriminalität verhindert werden kann, die Sicherheit schaffen und eine moralische Welt irgendwie in die Wege leiten . ({3}) Das ist genau der falsche Weg . Sie sollten vielleicht das tun, was die Kollegin und auch ich gemacht haben, nämlich einmal nach Mexiko fahren, um sich dort mit der Regierung und der Industrie - oder wen Sie dort gerne besuchen -, aber auch mit Menschenrechtsorganisationen sowie mit Angehörigen von Betroffenen zu unterhalten . Ich war im April dort . Ich habe mit den Eltern eines der entführten Studenten gesprochen . Ich habe mit einem Studenten gesprochen, der sich gerade noch unter einem Bus verbergen konnte und von dort aus die Tötung seiner Kommilitonen miterlebte . Der hat mir das berichtet . All denen war klar - sie haben das auch kritisiert und hervorgehoben -, mit welcher Waffenausrüstung die Polizei und die Mafia - zum Teil zusammen - dort vorgehen. Dabei handelte es sich unter anderem um G36-Gewehre . Lange Zeit ist das bestritten worden, bis Fotos aufgetaucht sind, auf denen man die Nummern der G36-Gewehre feststellen konnte. Man konnte auch genau feststellen, zu welchem Zeitpunkt sie aus Deutschland dorthin geliefert worden sind . Das sollten Sie sich einmal merken, wenn Sie vielleicht in der Tradition der Bundeswehr denken: Wir gehen dorthin, helfen beim Kriegführen bzw . beim Ausbilden . Wenn wir Waffen dorthin liefern, tun wir schon sehr viel Gutes . - Das ist genau der falsche Weg . Diese Lehre sollten Sie den Studenten in Iguala zuliebe ziehen . 43 sind verschwunden . Wahrscheinlich sind auch sie umgebracht und dann verbrannt worden. 5 sind klar getötet worden . Das alles ist mit dem Segen und sogar auf Anregung - wahrscheinlich sogar auf Befehl - der örtlichen Regierung geschehen . Das Militär und die Polizei waren beteiligt. Sie alle waren zusammen mit der Mafia dort. Das heißt, man kann in solchen Bürgerkriegsgebieten sehr häufig gar nicht mehr unterscheiden, wer die Guten und die Bösen sind, und man kann sich nicht fragen: Was kann man da machen? Welche Seite muss man stärken? Zumindest darf man keine Waffen mehr dorthin liefern, um nicht das Risiko einzugehen, dass diese Waffen zur grausamen Ermordung von Unschuldigen gebraucht und missbraucht werden . Wir treffen uns hier heute zur Aktuellen Stunde, um darauf hinzuweisen; denn am Samstag ist der zweite Jahrestag dieses Massakers. Sie sollten sich daran genauso wie wir erinnern, und Sie sollten daraus für Ihre tägliche Politik auch hier im Hause Schlussfolgerungen ziehen. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Hans-Christian Ströbele. - Der nächste Redner in der Debatte ist Andreas Lämmel für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Ströbele, Sie können sicher sein, dass uns die Ereignisse in Mexiko nicht kalt lassen. ({0}) - Sorry! Langsam, langsam! - Dass die Verquickung mit Mafia bzw. Kriminellen einer Demokratie unwürdig ist, wird, glaube ich, in diesem Hause hier niemand bestreiten . Trotzdem muss man festhalten: Mexiko ist normalerweise ein demokratisch verfasstes System. Es finden Wahlen statt, es gibt eine Armee, die einer demokratischen Kontrolle untersteht, und es gibt Polizeieinheiten, die einer demokratischen Kontrolle unterstehen. Dass es in Mexiko eine Verquickung zwischen all diesen mit den Kriminellen gibt, ist natürlich ein Riesenproblem . Das ist leider nicht nur in Mexiko so, sondern es gibt in der ganzen Welt viele Länder, wo wir das Gleiche finden. Dass bei diesen Massakern, Entführungen und Morden möglicherweise deutsche Waffen eine Rolle gespielt haben, ist wirklich sehr bedauerlich. Das ist überhaupt keine Frage. Aber Sie können das doch nicht in Zusammenhang mit uns bringen und so tun, als ob Deutschland ein Ausrüster für Gangster in der Welt ist . ({1}) So stellen Sie das hier dar . ({2}) Der Herr van Aken nutzt solche Vorfälle, um daraus einen Skandal zu machen. Herr van Aken, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Ihre Parteivorgänger - das ist noch nicht lange her; wir feiern dieses Jahr 25 Jahre deutsche Einheit -, Ihre Vorgänger in der SED, waren die größten Waffenhändler in der Welt . Diese haben zwischen gerechten und ungerechten Kriegen unterschieden . ({3}) Wer einen gerechten Krieg führte, wurde mit Waffen ausgerüstet, so war die Definition. Wer einen ungerechten Krieg führte, wurde bekämpft. Diese damaligen Machenschaften verliefen ohne jegliche demokratische Kontrolle . Man kann schon sagen: Wir sind jetzt viel weiter. Die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland geschieht auf der Grundlage einer klaren Gesetzlichkeit. Die Grundsätze dafür haben Sie mitentwickelt, Herr Ströbele. ({4}) Das sind die Grundsätze aus der rot-grünen Regierungszeit . ({5}) Insofern kann das, was wir in Deutschland machen, nicht so schlecht sein . ({6}) - Sie werden eingehalten . Ich meine, die Staatsanwaltschaft wird in diesem Falle sehen, ob möglicherweise Gesetzesverletzungen zu verzeichnen sind oder nicht . Ich möchte die andere Seite Deutschlands hervorkehren, die überhaupt nie eine Rolle spielt . Deutschland ist einer der größten Abrüster in der Welt . Das wird immer völlig vergessen und nirgendwo diskutiert. Aktuelles Beispiel ist die Streumunition . Diejenigen, die sich mit dem Thema befassen, kennen das genau: Deutschland hatte die größten Mengen an Streumunition in seinen Lagern liegen und hat - vorfristig - gemäß der UNO-Konvention die gesamte Streumunition vernichtet . Russland, China, Brasilien und andere Länder haben die Konvention noch nicht einmal unterschrieben . Ich erinnere auch an die Vernichtung der Giftgasbestände aus Syrien . Das war ein großer Beitrag für die Region, der dazu diente, dem syrischen Regime die Giftgaswaffen aus der Hand zu nehmen . Deutschland war sofort und an vorderster Stelle mit dabei . ({7}) Ich denke an die Abrüstung der russischen Atom-UBoot-Flotte . Mehrere 100 Millionen Euro haben wir in das Projekt gesteckt, damit russische U-Boote die Welt nicht mehr unsicher machen können. Ich denke auch an den zivilen Aufbau in Afghanistan, der uns sehr viel Geld gekostet hat und der Friedenssicherung unter militärischem Schutz gedient hat . ({8}) Wissen Sie, man muss all das im Zusammenhang sehen. Ich komme auf das Beispiel zurück, das Kollege Pfeiffer angeführt hat und bei dem Sie gesagt haben: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Flüchtlingsströmen und der Rolle Deutschlands in der Welt . - Natürlich ist das so . ({9}) Wenn wir in Somalia versuchen, einen zusammengebrochenen Staat wieder aufzubauen, ihm wieder zu staatlicher Macht zu verhelfen - das Gleiche gilt auch für Mali und andere Länder in der Welt -, dann heißt das natürlich: Wenn man Streitkräfte oder eine Polizei aufbauen will, dann muss man diesen Menschen eine Waffe geben. Sie können natürlich mit Holzstöcken losgehen; das ist klar. Dann haben sie aber keine Chance gegen die Kriminellen . Sie brauchen einfach Waffen . Leider - das ist nun einmal so - muss jemand die Ausrüstung bereitstellen. Deutschland liefert Waffen in die Welt; gar keine Frage . Aber die Grundsätze, nach denen diese Waffenexporte genehmigt werden, sind die schärfsten und härtesten in der Welt; das wissen Sie ganz genau. ({10}) Ich sage zusammenfassend: Die Sache mit den Waffenlieferungen nach Mexiko ist für alle erschütternd. Aber, Herr van Aken, sie kann nicht dazu dienen, die Rolle Deutschlands zu skandalisieren; das möchte ich Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen . ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Lämmel. - Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist Frank Schwabe für die SPD. ({0})

Frank Schwabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003846, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Ich finde, dass dies in der Tat eine richtige und wichtige Debatte ist . Es ist gut, dass wir sie hier führen . Es ist schon Werbung für den Film, der heute Abend läuft und den auch ich sehr gut finde, gemacht worden. Ich glaube, Schleichwerbung kann man uns nicht unterstellen . So viele schauen sich die Debatte wahrscheinlich nicht an . Aber es ist eine wichtige Debatte . Es ist auch wichtig, Herr van Aken - das war auch bei Ihnen, Frau Brugger, ein bisschen so -, dass wir zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. Es ist eben ein Film, und nicht alles, was darin vorkommt, entspricht am Ende der Wahrheit . Es gibt ein paar Hinweise, dass es Verquickungen gab, die untersucht werden müssen . ({0}) Es gibt in Deutschland aber die Gewaltenteilung, und letzten Endes sind die Gerichte dafür zuständig, genau zu untersuchen, um was es sich dabei handelt . Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages wird in einigen Tagen nach Mexiko reisen. Eigentlich steht die Reise unter der Überschrift Wirtschaft und Handel im Zusammenhang mit Menschenrechten, aber natürlich werden wir uns die Lage vor Ort ansehen . Wir werden der Frage nachgehen, was dort passiert ist, und wir werden uns vor allen Dingen damit befassen, wie das eigentlich in Zukunft wird. So gut es ist, dass es jetzt neue Regelungen gibt: Zentral ist, glaube ich, am Ende, dass diese Regeln auch kontrolliert werden. Das wird der Lackmustest sein, ob das, was es jetzt an guten neuen Grundsätzen gibt, dann auch mit Leben gefüllt wird . Sigmar Gabriel und auch die Sozialdemokratische Partei stehen dafür, dass es eine strengere Rüstungskontrolle geben soll. Damit hat er nicht nur Panzer, Raketen und U-Boote gemeint, sondern vor allen Dingen sogenannte Kleinwaffen . Man wundert sich immer über den Begriff „Kleinwaffen“ . Wenn man diese Waffen sieht, zeigt sich, dass es alles andere als kleine Waffen sind. Ein Zitat von Sigmar Gabriel vom Mai: Es sind Kleinwaffen, die in Bürgerkriegen die meisten Menschenleben kosten. In der Tat, darüber wird zu diskutieren sein. Aber Sigmar Gabriel, die Sozialdemokratie und die gesamte Bundesregierung werden sich daran messen lassen müssen, und dazu muss man eine entsprechende Bilanz vorlegen . Ich finde, das, was Sigmar Gabriel dazu gesagt hat, hebt sich wohltuend von manchen Debattenbeiträgen ab, die auch heute in diesem Hause gehalten wurden, und damit meine ich durchaus mehrere Fraktionen. ({1}) - Bitte sehr . Heute Abend gibt es den Themenabend mit dem Film „Meister des Todes“ in der ARD . Ich will noch einmal sagen, dass es ein sehenswerter, spannender und wichtiger Film ist . Wir hatten über Amnesty International eine Art Vorpremiere im Deutschen Bundestag organisiert . Dabei hat Rainer Arnold, unser verteidigungspolitischer Sprecher, für die Sozialdemokraten gesprochen. Es ist mir auch wichtig, dass wir zwischen den Menschenrechtlern und denjenigen unter den Wirtschaftspolitikern, Verteidigungspolitikern und Außenpolitikern, die für Lateinamerika zuständig sind, eine gemeinsame Linie haben. Er hat deutlich gemacht, dass es auch bei Waffenexporten verteidigungspolitische Interessen gibt . In dieser Ansicht unterscheiden wir uns unter den Fraktionen im Haus. Aber es ist keine zentrale wirtschaftspolitische Frage, und es darf auch keine zentrale wirtschaftspolitische Frage sein . Ich glaube, es wäre falsch, wenn wir die Dinge so diskutieren würden. ({2}) Auch das muss ehrlich gesagt werden - dabei bricht einem kein Zacken aus der Krone -, dass beim Export von Waffen nach Mexiko ziemlich viel schiefgegangen ist . Das ist ganz offensichtlich . Dabei gab es anscheinend kriminelle Energie, und das muss juristisch aufgearbeitet werden. Dazu kommt - das ist aber eine andere Frage ein Dokumentationsversäumnis der Bundesregierung, das von der Staatssekretärin auch offen eingeräumt wurde - auch dabei bricht einem kein Zacken aus der Krone -, dass es scheinbar keine bewusste Verschleierung sein sollte, sondern eher sozusagen ein Fehler im System war . Das wird angesichts der Dimension der Zahlen etwas deutlicher . Dass man die Lieferung von 8 000 oder 9 000 Waffen eingesteht und 1 300 verschleiern wollte, macht für die öffentliche Debatte keinen Sinn. Kleinwaffen - um auch das noch einmal klarzumachen - töten jedes Jahr bis zu einer halben Million Menschen . Das heißt, ungefähr 1 000 Menschen pro Tag sterben durch Kleinwaffen . Weltweit gibt es 900 Millionen Kleinwaffen, und viele davon sind in der Tat in den falschen Händen. Dort sind sie irgendwie hingekommen, und deswegen muss man beim Export ganz vorsichtig sein . Heide Simonis hat sie als frühere Vorsitzende von UNICEF Deutschland als „Massenvernichtungswaffen unserer Zeit“ bezeichnet . Tatsache ist, dass mit Kleinwaffen aus Deutschland in Teilen der Welt großes Unheil angerichtet wurde . Das hat etwas damit zu tun, dass die Regeln und die Kontrolle nicht gestimmt haben. Beides hat nicht funktioniert. Deswegen ist es gut - das ist schon angesprochen worden -, dass es neue Grundsätze für den Export von Kleinwaffen gibt, nämlich den Grundsatz „Neu für Alt“, der auch wirklich effizient umgesetzt werden muss - es muss eine effiziente Endverbleibskontrolle geben -, und dass zum Beispiel nach Mexiko zurzeit überhaupt keine Waffen geliefert werden, weil nicht sicherzustellen ist, in welchen Händen die Waffen in Mexiko landen. Wenn wir in Mexiko sind, werden wir sicherlich auch den Militärattaché treffen . Ich habe schon den einen oder anderen Militärattaché getroffen und war mir nie ganz sicher, wie er seine Aufgabe sieht. Ich finde, die erste Aufgabe eines Militärattachés muss sein, für die Rüstungsexportkontrolle zu sorgen und sie entsprechend effizient umzusetzen . Vielen Dank. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Schwabe. - Nächster Redner in der Aktuellen Stunde: Helmut Nowak für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Helmut Nowak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004364, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Seit 2000 informiert die Bundesregierung regelmäßig über deutsche Rüstungsexporte durch den jährlichen Rüstungsexportbericht . Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wollen wir für mehr Transparenz sorgen . Das ist uns auch gelungen . So gibt es seit 2014 zusätzlich einen halbjährlichen Zwischenbericht . Damit wird die Öffentlichkeit detailliert informiert, in welche Länder die Exporte gehen, wie viele Genehmigungen es gab, welche Güter versendet wurden und um welchen Gesamtwert es sich handelt . Das geschieht bei jedem einzelnen Auftrag, auch bei dem Export nach Mexiko. Dass die Genehmigung von 1 393 G36-Sturmgewehren im Jahr 2008 nach Mexiko nicht im entsprechenden Rüstungsexportbericht aufgeführt wurde, ist ein Fehler; so etwas darf nicht passieren. Aber unsere Parlamentarische Staatssekretärin hat dazu sehr deutlich gesagt - deshalb will ich dazu keine näheren Ausführungen machen -, wie es dazu kam und wie in Zukunft solche Fehler verhindert werden. Sie hat sich zudem im Namen der Bundesregierung entschuldigt. Sie, Herr van Aken, haben das im Ausschuss bereits positiv bewertet . Es war sinnvoll, dass das so verlaufen ist. Die Situation ist also weitgehend aufgeklärt. Allerdings werden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen möglicherweise noch etwas andauern . Spätestens mit der schriftlichen Anfrage des Kollegen Schäfer von 2009 hat die Bundesregierung die Genehmigung der Ausfuhr der G36 öffentlich bekannt gegeben. Nach meiner Ansicht wollen die Linken diesen eingestandenen Fehler offensichtlich dazu nutzen, wieder einmal über Rüstungsexporte zu diskutieren, diese zu diskreditieren und möglichst generell zu stoppen. ({0}) Deshalb möchte ich generell einige Ausführungen zu den Rüstungsexporten machen . Im Vergleich zu anderen Ländern auch und gerade im transatlantischen Bündnis haben wir uns für klar definierte Hürden bei der Genehmigung und der Kontrolle von Rüstungsexporten ausgesprochen, wie Sie wissen . Angenommen, wir würden sämtliche Rüstungsexporte verbieten: Was würde das bringen? Würde dadurch auch nur ein Krieg verhindert werden? Ich glaube es nicht . Die Folge wäre lediglich, dass unsere Exporte dann von anderen Ländern übernommen würden, deren Kontrollen und Anforderungen an den jeweiligen Partner eher geringer ausfallen . Zudem träfen die negativen Folgen eines generellen Verbots von Rüstungsexporten einzig und allein uns selbst . Ein generelles Verbot der Ausfuhr deutscher Sicherheitsprodukte würde in vielen Fällen das Ende von Entwicklung und Produktion von Sicherheitsgütern in Deutschland bedeuten . Als Ergebnis stünde der Verlust von zehntausend Arbeitsplätzen fest . Noch bedeutender allerdings wäre, dass unser Land dann vollständig abhängig von Importen würde und wir die Kontrolle über unsere eigene nationale Sicherheit verlieren würden . Das kann nicht Ziel einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik sein. Es ist jedenfalls nicht das Ziel der Großen Koalition . Wir sollten uns nicht verunsichern lassen . Die deutsche Rüstungsexportpolitik war immer eine Politik der Selbstbeschränkung, die darauf abzielte, unsere Standards europaweit, bündnisweit und letztendlich international durchzusetzen . Das muss weiterhin unser Ziel sein . Aber das erreichen wir nicht durch ein Verbot der Rüstungsexporte; denn das würde unsere auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit aufbauende Politik konterkarieren, ganze Industriebereiche und deren Arbeitsplätze vernichten und uns letztendlich eine fatale Abhängigkeit bescheren, ohne dass dadurch die Gesundheit oder gar das Leben der Menschen in anderen Ländern geringer gefährdet würde, da es lediglich zur Substitution der Lieferanten käme, insbesondere aus Ländern ohne unsere strengen Waffenexportbestimmungen . Abschließend: Wir wollen unsere wettbewerbsfähigen Unternehmen erhalten und Technologien im Inland fördern . Wir wollen bei den Kontrollen von Rüstungsexporten weiterhin weltweit Standards setzen und mit gutem Beispiel vorangehen . Wir wollen unseren Bürgern auch in Zukunft eine wirksame Landesverteidigung garantieren . Wir wollen anderen Ländern dieselbe sichere und stabile Landesverteidigung nicht verwehren . Deshalb halten wir Rüstungsexporte für unverzichtbar, allerdings bei Beibehaltung der strengen Kontrollen der Rüstungsexporte . Es wäre gut, wenn wir nicht außer Acht ließen, was andere Länder wie Russland und China machen . Dann brauchten wir uns nicht permanent mit uns selbst zu beschäftigen . Herzlichen Dank. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke, Herr Nowak. - Nächster Redner in der Debatte: Klaus Barthel für die SPD . ({0})

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass wir über diese Vorgänge bei den Rüstungsexporten nach Mexiko sprechen, zum einen, weil wir so noch einmal über Lücken diskutieren können, die es in der Exportpraxis bisher gegeben hat, und zum anderen, weil wir noch einmal über die Situation in Mexiko sprechen können. Ich glaube, beide Themen sind es wert, hier beleuchtet zu werden . Kollege Pfeiffer, ich finde es richtig und wichtig, dass wir in diesem Zusammenhang einmal über Fluchtursachen reden. Man kann sich das Ganze in Mexiko gut anschauen, woher jährlich Hunderttausende von Menschen in die USA fliehen. Die Frage, die wir hier diskutieren müssen, ist, ob diese Menschen deswegen fliehen, weil es in Mexiko zu wenige Waffen, auch bei der Polizei und beim Staat, gibt oder ob es nicht vielleicht umgekehrt ist: dass in diesem Land viel zu viele Waffen unterwegs sind, vor denen die Menschen flüchten. ({0}) Man kann anhand der Fluchtursachen gut erkennen, wohin es führt, wenn die USA zum Beispiel ihre Abschiebungen von illegal immigrierten Mexikanerinnen und Mexikanern in den letzten Jahren verfünffacht haben - auf 360 000 - und welche Basis für Kriminalität und Gewalt diese aus den USA zurückgeschobenen Menschen in diesem Land bedeuten . ({1}) Auch diese Debatte lohnt sich im Vergleich zu der, die wir hier über die deutsche Praxis führen . Ich glaube, dass wir insgesamt Mexiko gerecht werden müssen, dass wir es differenziert betrachten müssen . Für uns ist es ein wichtiger Partner, auch wirtschaftlich . Es wird dort viel investiert, gerade aus der Bundesrepublik. Es gibt dort eine sehr exportorientierte Industrie, größer als im gesamten restlichen Lateinamerika. Mexiko engagiert sich zum Beispiel im Rahmen des ATT, also des Vertrages zur Bekämpfung von Rüstungshandel. Es will dabei die erste Vertragsstaatenkonferenz ausrichten. Da gibt es also Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit . Wir müssen aber umgekehrt auch sehen, dass die Hälfte der Menschen in Mexiko in bitterer Armut lebt, dass die Ungleichheit weiter zunimmt, auch unter den Bedingungen einer neoliberalen Politik. Selbst in der erfolgreichen Autoindustrie sind die Löhne in den letzten fünf Jahren um 10 Prozent gesunken. Gleichzeitig nehmen Gewalt, Verbrechen und Drogen zu . 500 000 Menschen leben direkt vom Drogenhandel, und eine kaum schätzbare Zahl Menschen lebt indirekt davon. Es herrscht ein hohes Maß an Straflosigkeit. Die Kriminalität nimmt trotz all der Waffen zu, die da unterwegs sind und die auch der Staat bekommt. Wir haben es also mit einem schwachen Staat zu tun, der zum Teil auch noch von der organisierten Kriminalität unterwandert ist . Das Vertrauen der Bevölkerung in diesen Staat ist äußerst gering. Deswegen schaut es dort mit der inneren Sicherheit so aus, wie es dort aussieht . Die Rüstungsausgaben sind in den letzten zehn Jahren verdoppelt worden . Die Polizei wurde ausgerüstet und vergrößert . Das Militär wurde als Ordnungsfaktor im Inneren eingesetzt. Trotzdem entstehen noch Bürgerwehren, die die Leute dort selber organisieren, weil sie sich gegen Verbrechen schützen wollen . Die Menschenrechtsverletzungen bleiben . Aber man muss auch sagen - insofern müssen wir in dieser Debatte immer ein bisschen aufpassen, wenn wir über G36 sprechen -: 90 Prozent der Gewehre, die in Mexiko unterwegs sind, stammen aus den USA, weil es einen schwunghaften Handel Drogen gegen Waffen gibt: Aus Mexiko kommen die Drogen, und dorthin kommen dann aus den USA Waffen zurück. Deutsche Lieferanten von Gewehren sind also nicht die einzigen . Das Ganze muss man einmal in der richtigen Relation sehen . Was folgt aus alledem? Ich hätte eigentlich gehofft, dass wir dieses Thema heute ein bisschen breiter betrachten. Über Rüstungsexportpolitik in Deutschland ist geredet worden . Wir haben schon Konsequenzen gezogen. Herr van Aken, Sie werden zugeben müssen: Allein schon das, was Sie inzwischen an Informationen von dieser Bundesregierung in diesem Bereich bekommen, unterscheidet sich meilenweit von dem, was in dem Zeitraum geschehen ist, über den wir hier reden . Da hat sich wirklich vieles verändert. Über andere Sachen ist schon geredet worden . Mir würde noch daran liegen, dass wir über die Frage „Wo hapert es denn jetzt noch im Bereich der Kontrollen?“ sprechen . In diesem Zusammenhang sollten wir auch über die Frage der Sanktionen reden, also darüber: Was passiert eigentlich, wenn zum Beispiel Endverbleibsklauseln nicht eingehalten werden? Darüber weiter zu reden, lohnt sich wirklich. Ebenfalls lohnt es sich, über unsere Beziehungen zu Mexiko weiter zu reden. Ich denke, hier braucht es einmal eine kritische Bestandsaufnahme. Man konzentriert sich momentan sehr stark auf den Sicherheitsbereich. Es gibt jetzt eine neue binationale Kommission, deren Themen auf die Felder Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Wissenschaft usw . ausgeweitet werden . Aber was wir doch sehen müssen, ist, dass das alles nicht reicht . Wir brauchen mehr Rechtsstaatsdialog, mehr sozialen Dialog in diesem Land, mehr soziale Gerechtigkeit, eine Stärkung der Zivilgesellschaft, humanitäre Hilfe, zum Beispiel für die Transmigranten, die durch dieses Land gehen, die auch Nahrung für die Kriminalität dort sind . Wir brauchen eine neue Handelspolitik, auch zu Mexiko.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Und wir brauchen das Ende der Rede . ({0})

Klaus Barthel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002622, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Pfeiffer, ich finde ganz toll, was ich von Ihnen gelesen habe: Wir brauchen auch eine neue Drogenpolitik. - Das hat auch viel mit den Sicherheitsproblemen und mit der Gewalt in Mexiko zu tun. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Barthel. - Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist Julia Obermeier für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Julia Bartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004249, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2014 zeigt, dass wir eine sehr zurückhaltende Exportpolitik verfolgen. Vor allem für den Export in Entwicklungsländer und den Export von Kleinwaffen wurde die Zahl der Genehmigungen drastisch reduziert . ({0}) Der Gesamtwert der genehmigten Ausfuhren von Rüstungsgütern ging deshalb gegenüber dem Vorjahr erheblich zurück: von 5,87 Milliarden Euro auf 3,97 Milliarden Euro . Das sind insgesamt gut 1,8 Milliarden Euro weniger . ({1}) Sehr geehrte Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft lebt zu einem Großteil vom Export . Der Export ist ein wesentlicher Faktor für unseren Wohlstand. ({2}) Das gilt aber auch für die hochtechnologische Luftund Raumfahrt sowie für die Wehrtechnik. An ihr hängen Zigtausende Arbeitsplätze . Derzeit sind es circa 80 000. Durch den Ausstrahlungseffekt kommen weitere 200 000 Arbeitsplätze dazu . Ihre Kollegen von den Linken im Wolgaster Stadtrat, Herr van Aken, haben bereits schlüssig erklärt, welche Bedeutung der Export von Rüstungsgütern hat . So erkennen Ihre Parteigenossen den Bau von 100 PatrouilKlaus Barthel lenbooten für Saudi-Arabien als Bereicherung für die Region an . ({3}) - Ich zitiere, Herr van Aken, aus einer Pressemitteilung Ihrer Kollegen, nämlich von der Linksfraktion im Wolgaster Stadtrat, vom 3 . März 2014 . ({4}) Sie schreiben dort, der Export bringe - ich zitiere - „eine Perspektive für viele Familien in Wolgast und Umgebung“ . Und: Auszubildende haben ... wieder eine Zukunft. Es lohnt sich hierzubleiben! So viel zur regionalen Auswirkung von Rüstungsexporten . ({5}) Aber auch bei globaler Betrachtung haben wir als eine der größten Handelsnationen der Welt ein vitales Interesse daran, weiterhin Rüstungsgüter herzustellen und auch zu exportieren . ({6}) Natürlich ist jeder Rüstungsexport eine delikate politische Entscheidung, aber auch eine wichtige, die sowohl außen- und sicherheitspolitische, als auch industriepolitische Fragen betrifft . Diese Fragen sollten wir uns stellen . Wir sollten uns auch fragen: Welche Industriepolitik wollen wir im Rüstungsbereich? Wenn wir keinerlei Rüstungsexporte wollen, dann müssen wir den 80 000 Beschäftigten in der wehrtechnischen Industrie aber auch sagen: Verlasst unser Land! ({7}) Unsere Partner im Ausland rollen ihnen den roten Teppich aus; denn dort gibt es wenige bis keinerlei Bedenken bei Rüstungsexporten . ({8}) Unsere Nachbar- und Partnerländer haben sogar ein großes Interesse daran, unsere qualitativ hochwertigen wehrtechnischen Produkte zu bekommen. Wir sollten uns also genau überlegen, was wir wollen, ({9}) außen- und sicherheitspolitisch, aber auch industriepolitisch: Wollen wir einen unwiderruflichen Abfluss von Kompetenz und hochqualifizierten Arbeitskräften? Wollen wir uns abhängig machen von Lieferungen anderer Nationen, oder wollen wir weiterhin modernstes Material und bestes Gerät zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten selbst entwickeln können? Unsere Produkte gehören zu den weltweit besten. Ihre Weiterentwicklung liegt in unserer Verantwortung. In unserer Verantwortung liegt aber auch, dass wir die deutschen Rüstungsexporte gewissenhaft gestalten und kontrollieren; das tun wir auch. Um mehr Transparenz zu schaffen, haben wir beschlossen, dass der Rüstungsexportbericht noch vor der Sommerpause des Folgejahres veröffentlicht und jeweils im Herbst ein Zwischenbericht vorgelegt wird . Die Bundesregierung informiert zudem den Deutschen Bundestag innerhalb von zwei Wochen über positive Entscheidungen des Bundessicherheitsrats . Sehr geehrte Damen und Herren, Rüstungsexporte sind ein wichtiges Werkzeug unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sind auch notwendig für den Fortbestand unserer unabhängigen, hoch technologisierten wehrtechnischen Industrie. Diese Industrie und ihre Produkte brauchen wir zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten . Für die haben wir alle hier im Hohen Haus eine große Verantwortung zu tragen . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin Obermeier. - Damit ist diese Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24 . September 2015, 9 Uhr, ein. Da geht es um die Flüchtlingspolitik und um die Nachhaltigkeitsziele. Es wäre gut, wenn man das ganz in Ihrem Sinne miteinander verbindet, dass wir auch darüber einmal reden . Die Sitzung ist damit geschlossen . Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Restmittwoch .