Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich begrüße Sie herzlich. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zum Anerkennungsgesetz 2015.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Johanna
Wanka. Frau Ministerin, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und
Herren! Am 1. April 2012 trat das Anerkennungsgesetz
in Kraft. Das war ein Paradigmenwechsel. Das gab es so
vorher noch nicht in der Bundesrepublik Deutschland:
Vorher ging man immer eher von den Defiziten aus, und
jetzt sah man die Chancen für diejenigen, die zu uns
kommen.
Dieses Gesetz ist auch, wenn man es im europäischen
Vergleich sieht, etwas sehr Besonderes; denn es regelt,
dass jeder, der zu uns in dieses Land kommt - egal, woher er kommt -, einen Rechtsanspruch darauf hat, dass
eingeschätzt wird, ob seine berufliche Qualifikation, die
er in Kanada, im Kongo oder wo auch immer erworben
hat, im Vergleich zum entsprechenden deutschen Beruf
gleichwertig ist oder nicht. Da das etwas Neues war und
wir in der Praxis Erfahrungen sammeln wollten, wie
man damit umgeht, wo wir Handlungsempfehlungen geben können und was noch gemacht und gestärkt werden
muss, hat sich die Bundesregierung verpflichtet - das ist
keine gesetzliche Verpflichtung -, begleitend ein Monitoring zu realisieren, um Aussagen treffen zu können,
die weit über die statistischen Angaben hinausgehen.
In der Zeit vom 1. April 2012 bis Ende 2013 wurden
über 26 500 Anträge auf Anerkennung gestellt. 96 Prozent der Anträge wurden positiv bewertet. Es gab also
entweder eine Anerkennung oder eine Teilanerkennung.
Es wurden mehr Anträge von Frauen als von Männern
gestellt; das ist klar. Die größte Gruppe der Antragsteller
machen Menschen mit Migrationshintergrund, also die
in Deutschland leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, aus. Dann folgen Menschen aus Polen, aus
Spanien, aus Russland und aus Rumänien. Aus diesen
Ländern kommen die größten Gruppen der Menschen,
die einen solchen Antrag stellen.
Man hat sich innerhalb der IHKs und der Handwerkskammern verständigt, wie man den Prozess organisiert.
Die Erfahrungen sind sehr positiv. Es ist allerdings so,
dass diejenigen, die einen Antrag stellen, oftmals einen
Hochschulabschluss oder sogar einen Hochschulabschluss plus berufliche Bildung haben. Aber gerade im
Bereich der handwerklichen und IHK-Berufe möchten
wir mehr Anträge sehen. Bei den Hotlines und den Anlaufstellen, die wir eingerichtet haben, sehen wir eine
stark steigende Tendenz. Deswegen ist die Bewerbung
dieses Instruments sehr wichtig. Wichtig ist aber auch
das Thema Nachqualifizierung. Da, wo es möglich und
sinnvoll ist, haben wir zum 1. Januar 2015 neue Dinge in
Kraft gesetzt und begonnen.
Bei besagtem Monitoring geht es nicht nur um statistische Erfassung. Zum Beispiel umfasst dies auch eine
Befragung von 5 300 Betrieben. Gefragt wurde, wie sie
mit diesem Instrument umgehen und wie sie es sehen.
80 Prozent sind der Meinung, sie hätten überhaupt kein
Problem damit, ausländische Fachkräfte in ihrem Betrieb zu beschäftigen, und würden dies gern tun. Und
mehr als zwei Drittel sagen, sie würden Mitarbeiter mit
Migrationshintergrund, die sich dafür interessieren, Anträge gemäß dem Anerkennungsgesetz zu stellen, unterstützen.
Sie müssen dabei bedenken, dass viele Menschen angesichts der gegenwärtigen Situation der niedrigen Arbeitslosigkeit sehr wohl Beschäftigung finden und es
nicht unbedingt nötig haben, die Gleichwertigkeit ihrer
Qualifizierung nach dem Anerkennungsgesetz bestätigt
zu bekommen. Wenn es aber auf dem Arbeitsmarkt wieder schwieriger wird oder es darum geht, Meisterqualifikationen zu erwerben oder Leitungspositionen zu besetzen, dann ist es sehr gut und richtig, wenn sie eine
entsprechende Anerkennung vorweisen können.
Deswegen ist das Anerkennungsgesetz sowohl aus
unserer Perspektive im Hinblick auf die Fachkräftesituation als auch für das Glück der Einzelnen, die in unser
Land gekommen sind, wichtig. International werden wir
sehr gelobt, auch von der OECD. Es wird sehr wohl registriert, dass wir mit dem Anerkennungsgesetz für eine
veränderte Situation gesorgt haben und ein starkes Signal in das Ausland in Richtung Willkommenskultur
geben. Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass ein so umfangreicher Monitoring-Bericht vorliegt, der auch viele
Angaben zu Einzelfragen liefert.
Danke.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Erste Fragestellerin ist die Kollegin Cemile Giousouf, CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Ministerin für die Ausführungen
und die positiven Nachrichten zu dem Monitoring-Bericht. - Wir erleben ja derzeit, dass sehr viele Menschen
als Flüchtlinge und als Asylbewerber zu uns kommen.
Deswegen die Frage: Ist das Anerkennungsgesetz in der
Form, wie wir es jetzt haben, ein ausreichendes, ein gutes Instrument, um auch die Menschen, die gut qualifiziert sind - es sind ja nicht nur unqualifizierte Menschen, die zu uns kommen; wir erleben zum Beispiel,
dass aus Syrien viele Ärzte, Akademiker etc. nach
Deutschland kommen -, in den Arbeitsmarkt zu integrieren?
Das Anerkennungsgesetz ist völlig unabhängig vom
Status der Betreffenden. Es steht jedem offen, auch
Asylbewerbern, und nicht nur denjenigen, die in unser
Land kommen, sondern man kann die Anerkennung
auch schon aus dem Ausland beantragen. Aufgrund der
geänderten Regelung, dass man bereits nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen kann, haben wir noch vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit
Asylantrag vorgesehen, indem sie etwa über SGB II oder
III entsprechend finanzielle Unterstützung bekommen
oder beim Stellen des Antrages unterstützt werden. Im
Rahmen des Netzwerks „Integration durch Qualifizierung“ gibt es kostenlose Beratung für Anerkennungsverfahren, für Qualifizierung. Vom Instrumentarium ist das
alles sehr gut geeignet für die Flüchtlinge, die zu uns
kommen.
Nächster Fragesteller ist Herr Dr. Karamba Diaby,
SPD-Fraktion.
Frau Ministerin, wir sind uns darüber einig, dass das
Anerkennungsgesetz ein hervorragendes Mittel ist, um
dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die positiven Ergebnisse, die Sie erwähnt haben, zeigen das. Allerdings
gibt es einige Herausforderungen, die auch im Bericht
erwähnt wurden. Wir wissen, dass von den erwarteten
500 000 Fachkräften, die wir brauchen, bis 2012 lediglich 25 000 über Bluecard kamen. Von den 26 000 Anträgen, die wir bis 2013 hatten, sind lediglich 9,4 Prozent
aus dem Ausland und davon 2,3 Prozent aus Drittstaaten
gestellt worden. Wir wissen auch, dass es einige Benachteiligungen und Ungleichbehandlungen gegenüber Menschen aus Drittstaaten gibt; das wird auf Seite 26 des Berichts erwähnt. Deshalb meine Frage an Sie: Welche
Maßnahmen sind vorgesehen, um diese Lücke zu schließen, damit wir das erwartete Ergebnis demnächst erreichen können?
Sie haben vollkommen recht, dass im Bereich der
Drittstaaten die Anzahl der Anträge geringer ist und auch
die Bearbeitungszeiten länger sind. Eine wichtige Maßnahme ist Information. Das heißt, wir haben durch das
entsprechende Internetportal „Anerkennung in Deutschland“ die Möglichkeit, in unterschiedlichen Sprachen in
aller Welt zu informieren, dass es dieses Instrument gibt.
Wir haben die Antragstellung sehr stark vereinfacht. Wir
haben aber auch aufgrund des Befundes jetzt damit begonnen, dafür zu sorgen, dass es auch in den Drittstaaten
einen konkreten Ansprechpartner gibt, also nicht nur einen Internetauftritt. Das ist ganz wichtig, weil man,
wenn man sich dort bewirbt, sich mit den deutschen Verhältnissen natürlich nicht so auskennt. Eine Strategie in
der nächsten Zeit ist es deswegen, dass es bei einigen
Deutschen Auslandshandelskammern, die überall in der
Welt zu finden sind, konkrete Ansprechpartner gibt, die
von Angesicht zu Angesicht über diese Möglichkeiten
informieren können. Ich denke, das ist außerordentlich
wichtig.
Das Anerkennungsgesetz des Bundes gilt ja für alle
Berufe, für die der Bund zuständig ist. Es gibt aber eine
ganze Reihe von Berufen, für die die Bundesländer zuständig sind. Sie haben die Anerkennung zwar in entsprechenden Gesetzen verankert, haben aber leider teilweise ganze Berufsgruppen, die wir gerade auch aus
Drittstaaten anwerben wollen, zum Beispiel Lehrer und
Ingenieure, ausgeschlossen. Da wäre es sehr wichtig
- ich wäre sehr froh, wenn das geschähe -, dass insbesondere die großen Bundesländer den Angehörigen dieser Berufsgruppen überhaupt die Möglichkeit eröffnen,
einen Antrag darauf zu stellen, in Deutschland leben und
arbeiten zu können.
Wenn Menschen aber zu uns kommen, dann gibt es
vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten. Ich nannte die
Möglichkeit der Nachqualifizierung und das breit aufgestellte Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung ({0})“. Hier gibt es Möglichkeiten, die nicht nur
EU-Bürgern oder Menschen aus Europa, sondern allen
zur Verfügung stehen. Werbung dafür ist eine zentrale
Aufgabe, und darum bemühen wir uns.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete
Dr. Rosemarie Hein, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie hatten selbst darauf hingewiesen, dass die nichtreglementierten Berufe,
vor allem die Berufe aus dem Bereich der dualen Ausbildung, bei den Anerkennungsverfahren stark unterrepräsentiert sind. Zu den von Ihnen genannten Gründen, warum man eine entsprechende Anerkennung anstreben
sollte, möchte ich unbedingt den Aspekt der tarifgerechten Bezahlung hinzufügen, die mit einem nachgewiesenen Abschluss leichter zu erreichen ist als ohne einen
solchen. Insofern bitte ich Sie, uns darüber Auskunft zu
geben, was Sie tun wollen, um diesen Berufen im Anerkennungsverfahren einen höheren Stellenwert einzuräumen. Wie kann man also mit einem schnelleren und wirkungsvolleren Verfahren dazu beitragen, dass gerade
diejenigen mit einem Beruf aus dem dualen Bereich eine
solche Anerkennung anstreben?
Der größte Teil der Anträge bezieht sich bisher auf
die reglementierten Berufe; aber das ist ganz logisch.
Die Berufe, in denen eine Anerkennung in Deutschland
zwingend ist, weil man sonst nicht in dem Beruf arbeiten
kann - das betrifft Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker und viele andere -, machen die Hauptmasse aus. Tatsache ist - ich habe mit Handwerkskammerpräsidenten
und an vielen Stellen mit Vertretern vor Ort geredet -,
dass bei den Kammern - zum Beispiel ist die Handwerkskammer Frankfurt ({0}) Leitkammer für den Bereich Polen, die Handwerkskammer München für den
Bereich Türkei - sehr viele Beratungsgespräche durchgeführt werden, diese aber nicht in allen Fällen dazu führen, dass ein Antrag auf Anerkennung gestellt wird. Im
Bericht wird dargestellt, woran das liegt. Dafür gibt es
nicht nur einen Grund, sondern vielfältige Gründe. In
vielen Ländern ist es eben so, dass es für handwerkliche
Berufe überhaupt keine duale Ausbildung gibt, die mit
unserer vergleichbar ist. Deswegen fehlt den Betreffenden auch der Optimismus, hier eine Anerkennung erreichen zu können.
Folgendes finde ich ganz wichtig - das wird auch international registriert -: Unser Anerkennungsgesetz
schafft nicht nur die Möglichkeit, anhand eines Schreibens nachzuweisen, dass man diesen oder jenen Beruf
mit einem bestimmten Curriculum in einem anderen
Land erlernt hat, sondern für den Fall, dass so etwas
nicht vorliegt oder die erbrachten Leistungen nicht mit
Dokumenten nachweisbar sind, gibt es auch die Möglichkeit einer Qualifikationsfeststellung. Im Rahmen eines Fachgesprächs und in Form von praktischen Tätigkeiten kann der Betreffende nachweisen, ob er zum
Beispiel schweißen kann oder Ähnliches. Wenn er dabei
entsprechende Kenntnisse nachweist, kann das zur Anerkennung führen.
Über solche Möglichkeiten müssen wir noch mehr informieren. Deswegen gibt eine Initiative unseres Hauses,
um sowohl die Betriebsräte als auch die Leitungen der
Betriebe - ich sagte, dass der Großteil der Betriebe die
Möglichkeiten gerne nutzen würde und kein Problem damit hat - stärker dafür zu sensibilisieren, welche Möglichkeiten und welche Unterstützung es gibt. Das ist eine
der Maßnahmen. Eine andere sind Finanzhilfen. Hier
gibt es zwar keinen einfachen Zusammenhang von Ursache und Wirkung, ich denke aber, dass hier die Tatsache,
dass die Arbeitsverwaltung denjenigen, die Arbeit suchen - ich sagte es vorhin im Zusammenhang mit den
Asylbewerbern -, eine Finanzierung gewährleistet, eine
Rolle spielt.
Herzlichen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan Albani, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Ministerin, ich kann von meiner Seite bestätigen: Wir erleben das Anerkennungsgesetz als etwas sehr
Hilfreiches und sehr Nützliches. Ich stelle eine konkrete
Frage aus der Praxis. Wenn wir über Flüchtlinge reden,
dann reden wir ja über Menschen, die überwiegend nicht
im Rahmen eines geordneten Prozesses zu uns gekommen sind. Insofern frage ich: Wie sollten wir aus Ihrer
Sicht mit Flüchtlingen umgehen, denen die notwendigen
Unterlagen entweder gar nicht oder unvollständig oder
bestenfalls als schlechte Kopie vorliegen?
In der Form, wie ich eben schon sagte, dass wir ihnen,
wenn keine Unterlagen vorliegen, die Chance einräumen, die in einem handwerklichen Beruf oder in einem
anderen Beruf erworbenen Qualifikationen im Rahmen
eines Fachgesprächs und in einem praktischen Test
nachzuweisen. Wir nutzen aber auch andere vielfältige
Möglichkeiten, gerade im Bereich der Industrie- und
Handelskammern. Falls die Kopien eventuell, wie Sie
sagen, schlecht sind, kann man aufgrund der Landeskenntnisse und der Curricula vor Ort praktisch vergleichbare Unterlagen besorgen.
Am Anfang, bevor das Gesetz in Kraft trat, gab es
große Skepsis, ob man da immer - wie sage ich es im
Bundestag? - korrekt behandelt wird, ob man echte Unterlagen bekommt. Das ist aber überhaupt nicht das Problem; das steht auch im Bericht. Es gibt sicher den einen
oder anderen Einzelfall, aber die Befürchtung, dass mit
den vorgelegten Unterlagen oder Kopien etwas nicht
stimmt, hat sich nicht bewahrheitet. Das ist nicht das
Problem.
Herzlichen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Özcan Mutlu vom Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich möchte an der
Stelle anknüpfen, an der Kollege Karamba Diaby aufgehört hat. In dem letzten Evaluierungsbericht 2014 steht
auf Seite 157 ganz explizit, dass es eine zentrale Förderungslücke gibt, dass bei vielen das Anerkennungsgesetz
nicht greift und ihnen bestimmte Förderungen vorenthalten werden. Zudem gebe es keine spezielle Anpassungs10334
qualifizierung, kein zugeschnittenes Förderprogramm
für die Antragsteller, und die bestehenden Förderinstrumente wie BAföG usw. griffen praktisch nirgends. Infolgedessen stehen den Antragstellern Anpassungsqualifizierungen in Vollzeit gar nicht zur Verfügung; denn sie
haben eben kein Erwerbseinkommen und dementsprechend keine Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu
bestreiten, weil sie oft eben keinen Anspruch auf ALGLeistungen usw. haben. Ich würde von Ihnen gerne konkret wissen - Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen
Diaby war ein bisschen unkonkret -: Welche konkreten
Schritte und welche Maßnahmen haben Sie aufgrund des
Evaluationsberichtes unternommen bzw. ergriffen, um
die genannte Förderungslücke zu schließen?
Wir haben seit dem 1. Januar dieses Jahres gemeinsam mit der BA und dem Arbeitsministerium ein sehr
umfangreiches Programm - es kostet 188 Millionen
Euro - aufgelegt. Mit diesem Programm - das ist eine
Linie innerhalb des IQ-Programmes - erhalten diejenigen finanzielle Unterstützung, die nicht unter die Regelungen gemäß SGB II oder III fallen. Sie können finanzielle Unterstützung erhalten, und zwar nicht nur für
Anpassungsqualifizierungen, sondern sogar bei den Lebenshaltungskosten. Außerdem ist die gesamte Beratung
hinsichtlich der Anerkennungsmodalitäten und der Qualifizierungsmöglichkeiten für diese Menschen kostenfrei. Wir stellen also 188 Millionen Euro zur Verfügung.
Das ist ein konkreter Schritt in diese Richtung, wobei
wir natürlich dabei sind, auszutarieren: Welche Instrumente greifen besonders gut? Wie erreicht man sehr
viele Firmen? Wie erreicht man sehr viele Menschen? Da sind wir im ständigen Dialog mit den Kammern.
Außerdem hat sich ein Bundesland entschieden, Stipendien für Menschen auszugeben, die eventuell noch
eine Nachqualifizierung gemäß Anerkennungsgesetz
brauchen. Auch über diesen Weg sollten wir nachdenken. Aber dafür müssen wir erst wissen: An welcher
Stelle würde es Sinn machen? An welcher Stelle gibt es
Bedarf? - Das steht aber natürlich anderen Landesregierungen in den Bundesländern auch frei.
({0})
Zunächst kommen alle einmal dran, die sich gemeldet
haben. Dann kommen die Zweitfragen dran.
Herzlichen Dank. - Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Katrin Albsteiger, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Ministerin, ich würde gerne an das Thema Nachqualifizierungsangebote anknüpfen. Die Nachfrage, so
steht es im Bericht, nach diesen Nachqualifizierungsangeboten steigt nach wie vor. Welche spezifischen
Maßnahmen bzw. Angebote haben Sie vor in Zukunft
anzubieten, um dieser Nachfrage Herr zu werden?
Eigentlich kann ich auf das verweisen, was ich eben
gesagt habe. Über dieses IQ-Programm fördern wir in
vielfältiger Art und Weise und in großem Umfang die
Bereiche, wo es Bedarfe gibt, wo besonders nachqualifiziert werden muss.
Ein weiterer Schritt ist, dass wir in IQ an die Hochschulen gehen und für den akademischen Bereich Gelder
zur Verfügung stellen, damit bundesweit an unterschiedlichen Hochschulen Teilstudiengänge oder Zertifizierungen angeboten werden können, die zielgerichtet auf die
deutsche Situation, auf die Tätigkeit in bestimmten Berufen vorbereiten. So können wir den Betreffenden klarmachen, was neben der Grundkompetenz, die sie aus
ihrem Land mitbringen, notwendig ist, um hier in
Deutschland in dem entsprechenden Beruf praktizieren
zu können - das klingt so nach Arzt, aber das gilt auch
für andere Berufe. Das ist zum Beispiel ein weiterer Teil
unseres umfangreichen Angebots.
Zum Spracherwerb: Das Arbeitsministerium legt mit
der BA sehr viel Wert auf den Spracherwerb, weil dieser
ganz wichtig ist. Im Bereich der Gesundheitsberufe gibt
es aber große Probleme hinsichtlich des Spracherwerbs,
weil sich die Bundesländer nicht auf ein einheitliches
Niveau verständigen können. Daher sind die Anforderungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich.
Es gibt inzwischen sogar Internetplattformen, auf denen
man sich darüber austauscht, in welchem Bundesland
die Anforderungen am geringsten sind. Es gibt also eine
Art Anerkennungstourismus, weil es nicht gelungen ist,
sich zu verständigen.
Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Kai
Gehring, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, wenn Menschen, die
zuwandern, ihren Berufsabschluss hierzulande anerkennen lassen wollen, fallen - das wissen Sie - zum Teil erhebliche Kosten für dieses Anerkennungsverfahren an,
die von diesen internationalen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern - bei einigen handelt es sich um vor kurzem aus Kriegsgebieten Geflüchtete - zu tragen sind. In
Ihrem Bericht schreiben Sie selbst - Zitat -:
Die Spannweite reicht von zweistelligen Eurobeträgen ({0}) bis hin zu
vierstelligen Eurobeträgen ({1}).
Ich finde, dass diese Kosten erheblich variieren. Ich
wäre interessiert zu erfahren, welche Position die Bundesregierung da vertritt: Finden Sie es richtig, dass die
Kosten für die Anerkennungsverfahren dermaßen stark
variieren und auch derart hoch ausfallen können? Welche Maßnahmen wollen Sie zur Kostenreduktion und
Zuerst möchte ich feststellen: Diesen Fachbericht
habe nicht ich geschrieben. Das ist nicht mein Bericht,
sondern wir haben diesen Bericht in Auftrag gegeben,
und dieser Monitoring-Bericht wurde dann erstellt. Weder ich noch das BMBF haben also diesen Bericht ganz
geschrieben, sondern wir haben ihn in Auftrag gegeben.
Das ist sozusagen ein von uns unabhängiger Bericht.
Zu den Finanzen. Bei den Kosten für die Anerkennung gibt es eine Spannbreite. Ich stelle einen Antrag
auf Anerkennung. Dann wird dieser Antrag bearbeitet.
Es wird geschaut, wie die Ausbildung in meinem Heimatland ist etc. Dafür fallen Kosten zwischen 100 und
600 Euro an. Bei der IHK Hannover zum Beispiel liegen
sie im Schnitt bei 300 Euro, und die Obergrenze liegt bei
600 Euro. Wenn es aber darum geht, Qualifikationen zu
erwerben, wenn man zum Beispiel ein Sprachvermögen
entsprechend einer höheren Sprachstufe nachweisen
möchte, fallen zusätzliche Kosten an.
Wenn ein Flüchtling zu uns kommt, der keine Arbeit
hat, zum Beispiel ein Arzt aus Syrien, gilt, wie ich vorhin schon sagte: Solange er keine Arbeit hat und eine
Arbeit sucht, bezahlt die BA die Kosten, sogar die Lebenshaltungskosten. Das heißt, diese Kosten treffen
dann nicht den Einzelnen. Wenn aber zum Beispiel ein
Augenoptiker aus Finnland kommt, dann bezahlt er - es
gibt natürlich auch andere Fälle - die Kosten für das Anerkennungsverfahren. Auch wenn er die Benutzung eines bestimmten Gerätes lernen muss, bezahlt er die Kosten dafür selbst.
Seitens des Bundes fänden wir es sehr gut, wenn sich
alle Akteure, die im Bereich der Anerkennung aktiv
sind, auf verbindliche, einheitliche Sätze verständigen
könnten. Das wäre sehr schön und in unserem Interesse.
Das können wir aber nicht einfach dirigistisch vorgeben.
Herzlichen Dank. - Der nächste Fragesteller hat heute
Geburtstag. Ich gebe das Wort Albert Rupprecht und
gratuliere ihm herzlich im Namen des Hauses. Es ist
schön, dass Sie Ihren Geburtstag im Rahmen der Regierungsbefragung feiern.
({0})
Vielen herzlichen Dank. Es ist die einzig richtige
Form, Geburtstag hier im Plenum zu feiern.
Frau Ministerin, Zuwanderung ist ein wesentlicher
Baustein der Demografiestrategie der Bundesregierung.
Die Fachleute sagen uns unisono, dass der Rechtsrahmen in Deutschland sehr offen ist, dass wir ein sehr offenes Land sind. Kritisch ist nur, dass die Wenigsten das
wissen und man mit Deutschland nicht zwingend eine
Willkommenskultur verbindet. Das Anerkennungsgesetz
hat unter anderem die Intention, diese Willkommenskultur zu verdeutlichen, sie zu leben. Sie hatten das eingangs auch angesprochen. Die Frage ist: Kann man das
greifen? Woran kann man das dingfest machen? Erleben
wir, dass das Anerkennungsgesetz mit Blick auf die
Willkommenskultur Fortschritte mit sich bringt?
Ich ja, weil ich oft versuche, den direkten Kontakt
zum Beispiel mit denen, die durch das Anerkennungsgesetz Anerkennung erfahren haben, herzustellen. Erst
letztens, als wir mit der Bundeskanzlerin in Nürnberg
waren, wo sich für sämtliche Industrie- und Handelskammern die Zentralstelle befindet, traf ich eine Modeschneiderin aus Polen, die sich jetzt sogar scheiden lassen konnte, weil ihr durch das Anerkennungsgesetz die
Selbstständigkeit ermöglicht wurde. Das war ganz lustig.
({0})
- Das ist jetzt nicht die Zielsetzung, nein. Das hat sie öffentlich gesagt, so kann auch ich das hier sagen. - Sie
hatte nämlich immer mit den Vorurteilen ihres Mannes
zu kämpfen, der meinte, das, was sie in ihrem Heimatland gelernt habe, sei mit der Situation in Deutschland
nicht vergleichbar. Sie hat dann jedoch die Anerkennung
erhalten und eine Arbeit gefunden. So ist es in vielen
Fällen: Auf der individuellen Ebene macht das für die
Lebensperspektiven dieser Personen, die diese Anerkennung erhalten, unwahrscheinlich viel aus.
Aber Sie haben recht, Herr Rupprecht: Es ist so, dass
unser Ruf nicht schlecht ist, dass er aber schlechter als
die Wirklichkeit ist. Daran sind wir aber selbst schuld,
weil wir andere Haltungen dazu hatten und dieses
Thema viele Jahre lang nicht offensiv bearbeitet haben.
Aber jetzt ist es so, dass wir vom rechtlichen Rahmen
her im Vergleich zu allen anderen Ländern in der EU
- auch nach OECD-Einschätzung - sehr gut dastehen.
Wir haben uns zum Beispiel schon seit Jahren bemüht
und können jetzt sagen, dass die Willkommenskultur an
den Hochschulen - das ist eine spezielle Gruppe - funktioniert. Wir haben derzeit den Höchststand ausländischer Studierender in Deutschland. Da ist es kein Problem mehr. Aber wir müssen jetzt auch in anderen
Bereichen gemeinsam dafür arbeiten. Und dazu gehört
beispielsweise, dass man die Tatsachen und das, was
jetzt geht, publik macht.
Ich erlebe es immer wieder bei Kammern, bei Handwerksmeisterfeiern und bei anderem: Viele wissen noch
nicht, dass wir diese Instrumente haben. Es ist nicht nur
altruistisch von uns, sondern es ist auch wirklich eine
Chance. Wenn man sich anschaut, in welchem Alter die,
die kommen und einen solchen Antrag stellen, sind, bemerkt man: Deren Altersstruktur entspricht nicht der in
Deutschland mit vielen über 60-Jährigen, sondern
80 Prozent aller Zuwanderer sind zwischen 18 und
50 Jahre. Bei den Antragstellern handelt es sich zum
größten Teil um Menschen im Alter zwischen 25 und
44 Jahren. Wenn jemand im Alter von 44 Jahren die Anerkennung erhält, hat er noch etwa 20 Jahre oder länger
im Berufsleben vor sich.
Das heißt, wir sind besser als unser Ruf, aber wir
müssen etwas dafür tun, dass die Willkommenskultur
verbessert wird. Ich denke, dabei haben wir noch Luft
nach oben.
Danke schön. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Martin Rabanus, SPD-Fraktion.
Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht. - Ich
will gern an das Thema „Flüchtlinge“ anknüpfen. Sie haben das Instrument der Qualifikationsanalyse benannt.
Sie haben das Modellprojekt mit der BA benannt. Auch
ich glaube, das sind richtige Instrumente. Haben Sie
tiefergehende Erkenntnisse über Qualität und Quantität
dessen, was da passiert? Wie entwickeln sich Fallzahlen? Welche Trends gibt es da? Insbesondere interessiert
mich, ob für das Modellprojekt schon erste Hinweise
vorliegen, wie gut das angenommen wird und in welchen Berufsgruppen sich das Ganze abspielt.
Welches Modellprojekt meinen Sie jetzt?
„Early Intervention“ mit der BA, das inzwischen an
neun Standorten aufgesetzt ist.
Ich wusste nicht, welches Sie meinten. - Natürlich
können wir zum Modellprojekt noch keine vertiefenden
Ergebnisse haben, weil es noch läuft. Solche Sachen
kann man nicht nach einer so kurzen Zeit wie zwei oder
drei Monate absehen, sondern man muss schon vernünftige Fallzahlen haben, um wirklich eine valide Erkenntnis daraus zu ziehen.
Aber die Tatsache, dass wir dieses Monitoring machen und Ihnen diese dicken Berichte nicht nur vorlegen,
sondern damit auch arbeiten, zeigt unser ernsthaftes Bemühen. So versuchen wir durch Befragungen, durch statistische Untersuchungen und durch viele weitere Dinge
möglichst viele Informationen zu bekommen, um dann
passgenau Maßnahmen schneidern zu können.
Was man sagen kann, ist, dass die Tendenz in all diesen Fällen positiv ist. Aber das ist eine sehr pauschale
Aussage. Gerade was Flüchtlinge betrifft, deren Zahlen
nach allen Prognosen enorm steigen werden, haben wir
jetzt noch nicht diese Größenordnung an Fällen, die man
benötigt, um daraus eine belastbare Grundaussage abzuleiten.
Danke schön. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Thomas Feist, CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie haben gesagt, es
gebe eine steigende Tendenz bei den Hotlines. Das heißt:
Interesse ist vorhanden. Sie haben auch auf die Zusammenarbeit mit den Auslandshandelskammern sowie deren Zuarbeit hingewiesen. Sie haben auch erwähnt, wie
schwierig es ist, im Bereich der Berufe mit dualer Ausbildung verstärkt dafür zu werben. Nun ist es so, dass ich
in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit meinem
Kollegen Uwe Schummer einen Antrag eingebracht
habe, in dem es darum ging, auf die verstärkte Nachfrage
nach Modellen der dualen Ausbildung im Ausland einzugehen. Wäre dieses Berufsanerkennungsgesetz nicht
auch für Sie eine Hilfe, wenn es beispielsweise darum
geht, dass Deutschland mit anderen Ländern Verträge
zum Aufbau oder zur Weiterentwicklung einer dualen
beruflichen Bildung abschließt? Man könnte frühzeitig
sehen, welche Kompetenzen, welche Fertigkeiten und
Fähigkeiten vorhanden sein müssen, um innerhalb Europas die Freizügigkeit des Arbeitsmarktes ausnutzen zu
können und unter anderem in Deutschland arbeiten zu
können.
Ja, das ist sehr sinnvoll. Jetzt funktioniert es so: Jemand kommt aus einem anderen Land zu uns. Wenn er
einen handwerklichen Beruf oder einen, der unter die
IHK-Berufe fällt, hat, dann wird zum Beispiel von der
IHK FOSA, von dieser Zentralstelle, genau geschaut,
was für Zeugnisse er hat. Dann wird geprüft, welches
Curriculum es in dem Land gibt, was dort welcher Abschluss wert ist und welche Dinge er können muss. Daraufhin wird entschieden, ob es genauso ist wie bei uns
oder ob etwas fehlt, was er vielleicht durch praktische
Tätigkeit oder anderes ausgleichen kann.
Wenn man - das tun wir verstärkt - beim Aufbau dualer Ausbildung in anderen Ländern berät und unterstützt,
dann kann es nicht die Messlatte sein, dass es von vornherein genauso sein muss wie bei uns; denn die Bedingungen dort sind anders. Man sollte sich aber an unseren
Qualitätsstandards orientieren, um es dann für die Betreffenden einfacher zu machen und ihnen von Anfang
an sagen zu können: Wenn du das jetzt bei uns hier in der
Firma lernst, dann ist gesichert, dass das kompatibel mit
Anforderungen in anderen Ländern ist. - Das ist sehr gut
und würde gerade auch Jugendlichen helfen und sie vielleicht auch motivieren, eine solche Ausbildung zu beginnen.
Wir sagen: Duale Ausbildung hat Deutschland stark
gemacht. Deswegen haben wir eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. Wir wissen aber, dass es kein Schnellmittel ist. Wenn man jetzt Jugendlichen in Spanien,
Griechenland und anderswo sagt, dass sie in dem zu erlernenden Beruf später in Deutschland und woanders arbeiten können, dann, glaube ich, ist es für sie eine Motivation, eine solche Ausbildung, die für die jungen Leute
ja auch immer Stress bedeutet, zu machen. Ich finde es
also sehr klug.
Danke schön. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Uwe Schummer, CDU/CSU-Fraktion.
Ergänzend zu dem, was Dr. Thomas Feist eben gefragt hat, frage ich in Richtung Pflege. Wir haben in dem
Bereich einen besonderen Bedarf und müssen verstärkt
dafür sorgen, dass Pflegekräfte nach Deutschland kommen. Laut dem Bericht profitiert der Pflegeberuf aber
relativ wenig von dem Berufsanerkennungsgesetz. Wir
planen im Rahmen einer Neuordnung ja auch eine generalisierende Pflege, das heißt eine Zusammenführung
von Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege. Inwieweit wird durch diese Neuordnung auch die
Anerkennung des Pflegeberufes in Deutschland insgesamt verbessert?
Jetzt haben wir die Situation, dass es in sehr vielen
Ländern zum Beispiel den Beruf Altenpfleger nicht gibt.
Wenn die Menschen, die einen Abschluss haben, zu uns
kommen, wird, wenn es um die Anerkennung geht, gesagt: Wenn sie sich an dieser und jener Stelle noch nachqualifizieren, dann können sie zum Beispiel in der Krankenpflege arbeiten.
Wir müssen in den entsprechenden Bereichen dafür
sorgen, dass man nicht nur auf das schaut, was diese
Menschen in ihrem Heimatland gelernt haben, sondern
auch darauf, was man ihnen als Unterstützung geben
kann, damit sie zum Beispiel einen Pflegeberuf erlernen.
Die Veränderungen bei der Ausbildung in Pflegeberufen,
die hier im Bundestag beschlossen werden sollen, erleichtern es, diese Menschen in Richtung der Pflegeberufe zu motivieren. Das, was da passiert ist, ist also nützlich für die Anerkennung.
Jetzt haben wir noch zwei Fragen von Fragestellern,
die schon gefragt haben, und dann noch Fragen zu anderen Bereichen. - Zunächst gebe ich der Abgeordneten
Dr. Rosemarie Hein noch einmal das Wort zu einer
Frage.
Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie hatten auf die
bundesgesetzlich geregelten Berufe verwiesen und darauf, dass diese die Mehrzahl der Antragstellerinnen und
Antragsteller betreffen. Das ist logisch und klar.
Nun habe ich in meinen Gesprächen in den Ausbildungseinrichtungen vor allem zu den Gesundheits- und
Pflegeberufen sehr oft erfahren, dass die Auszubildenden trotz dieser bundesgesetzlichen Regelungen sehr unterschiedliche Ausbildungen in den Schulen haben und
dass es bei der gegenseitigen Anerkennung der Ausbildungsbestandteile durch die Länder durchaus Probleme
gibt. Meine Frage ist, ob es passieren kann, dass eine
Ausbildung in einem Bundesland nicht anerkannt wird,
während dies in einem anderen Bundesland der Fall ist.
Das wird ja durch die zuständigen Stellen entschieden.
Sind Ihnen da Beispiele bekannt, oder können Sie das
ausschließen?
Das kann ich nicht ausschließen, und das ist ein
Punkt, der ärgerlich ist. In unserem föderalen System ist
es so - das muss man wirklich sagen -: Weil das Bundesgesetz zuerst da war - mit einer Beschreibung der
Verfahren etc. -, haben sich viele Ländergesetze daran
orientiert, und zwar - ich will es einmal so sagen - mehr
als in anderen Fällen, in denen entsprechende Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden sind.
Was die Gesundheitsberufe, die einen großen Teil
ausmachen, angeht, ist unsere Kenntnis, dass das, was
die Bundesländer verlangen - ich sprach vorhin schon
von Kriterien für Ärzte, vom Spracherwerb und von anderen Punkten -, sehr unterschiedlich ist, auch wenn sich
die Gesundheitsministerkonferenz damit bereits beschäftigt hat. Wir und die Länderkollegen vonseiten der Wissenschaft möchten, dass es ein zentrales, gemeinsames
Vorgehen gibt, sodass es eben nicht sein kann, dass man
sich fragt: Wo bekomme ich am ehesten einen Platz? Wo
sind die Anforderungen am niedrigsten?
Alle hier im Raum wissen, dass es bei der Kultusministerkonferenz eine Zentralstelle für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse gibt. Wenn also
jemand, der aus Namibia, Ägypten oder einem anderen
Land nach Deutschland kommt, seine Zeugnisse vorlegt,
dann wird von dieser Zentralstelle beurteilt: Reicht das
aus, um hier in Deutschland zu studieren? Ist das adäquat? Entspricht es unserem Abitur oder einem anderen
Abschluss? - Diese Stelle verfügt über 60, 70 Mitarbeiter mit hoher Sprachkompetenz und genauen Kenntnissen der unterschiedlichsten Länder. Dort funktioniert
das.
Wir wollten, dass bei der KMK eine solche Zentralstelle analog für die Gesundheitsberufe eingerichtet
wird, allerdings nicht für die Anerkennung von Bildungsqualifikationen, sondern von Berufsqualifikationen. Mittlerweile gibt es auch ein Konzept. Die Länder
haben sich verständigt: Wie viel Geld bräuchte man dafür? Wie müsste das aussehen? - Zusätzlich zu der schon
vorhandenen Kompetenz müsste man 16 zusätzliche
Stellen schaffen, um die wichtigen Anliegen der Einheitlichkeit, der Verbindlichkeit und der gemeinsamen Entscheidungen, die Sie angesprochen haben, zu realisieren.
Dazu gab es bereits - ich glaube, drei - Beschlüsse der
GMK und der KMK, und es fanden entsprechende Finanzministerrunden statt. In diesen Runden stimmten die
Wissenschaftsminister im Rahmen der GMK mit 16: 0
dafür, die Finanzminister mit 16: 0 dagegen.
({0})
Ich finde, diese 16 Stellen sind für 16 Bundesländer
überhaupt keine Dimension; aber daran hakt es. Ein
Konzept ist allerdings da.
Darf ich noch etwas sagen, Herr Präsident?
Wenn es der Wahrheitsfindung dient, können Sie
gerne noch ein bisschen sprechen.
({0})
Immer. - Ich hatte am Anfang gesagt: Es gibt über
26 000 Anträge. Das sind die Anträge, die wir definitiv
kennen und die im Hinblick auf bundesgesetzlich geregelte Berufe gestellt wurden. Was in den Ländern geschieht und sich nach den Ländergesetzen richtet, ist uns
nicht bekannt. Insgesamt ist die Zahl also höher. Aber
26 000 Anträge sind eine belastbare Zahl. Für diese Anträge sind wir verantwortlich.
Okay. - Jetzt gibt es zu dieser Thematik noch eine
letzte Frage vom Abgeordneten Mutlu, Bündnis 90/Die
Grünen.
Danke, Herr Präsident. - Frau Ministerin, im Evaluationsbericht wurde deutlich kritisiert, dass der Vollzug
der Anerkennung in den Ländern sehr uneinheitlich ist.
Außerdem wurde eine unzureichende Ausstattung, personell wie materiell, festgestellt. Was haben Sie in diesem Zusammenhang getan, seitdem Ihnen dieser Evaluationsbericht bekannt ist?
Noch eine Frage zu der Zahl von 188 Millionen Euro,
die Sie vorhin genannt haben. Wie viele Personen nehmen diese Mittel schon in Anspruch, und für welche
Zeiträume darf ein Antragsteller Mittel aus diesem Topf
in Anspruch nehmen: für drei, sechs oder zwölf Monate?
Das ist sicher unterschiedlich; das kann ich aber nicht
definitiv sagen. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor.
Wir könnten Ihnen eine entsprechende Tabelle zuleiten,
wenn es dann eine Staffelung gibt.
188 Millionen Euro - Sie haben diesen Betrag ja noch
einmal erwähnt - sind richtig viel Geld; das ist eine
große Summe. Wir haben uns darauf verständigt, dass
dieser Betrag bis 2018 zur Verfügung gestellt wird. Wir
wären aber in der Lage, die Mittel, die im Rahmen dieses Programmes bereitgestellt werden, zu erhöhen, wenn
sich das als sinnvoll herausstellen sollte. Im Moment ist
das erst einmal eine große Summe, mit der man sehr
viele der angesprochenen Dinge realisieren kann.
Was die Ausstattung in den Ländern angeht, muss ich
sagen: Das ist eine Sache, die wir nicht entscheiden können. Da kann der Bund nur an die Länder appellieren. Er
darf den Ländern aber nicht vorschreiben, wie sie vorzugehen haben. In den Handwerkskammern und in den Industrie- und Handelskammern ist das aus meiner Sicht
sehr gut geregelt.
({0})
- Das sprach ich eben an. Wir streben auf einer ganzen
Reihe von Feldern an, einheitlich zu agieren. Ich denke
zum Beispiel an alle Berufe im Bereich der Industrieund Handelskammern - auch dann, wenn der Bund dafür
unter Umständen nicht zuständig ist. Hier soll es einen
gemeinsamen Standard geben.
Das schwierigste Problem stellen die Gesundheitsberufe dar, weil es in diesem Bereich aufgrund der Tatsache, dass es reglementierte Berufe sind, sehr viele Anträge gibt. An anderen Stellen macht sich das noch gar
nicht so bemerkbar und ist vielleicht auch nicht das Problem.
Der Bund unterstützt die Bundesländer, die sich dafür
engagieren, dass die Kultusministerkonferenz für die
Gesundheitsberufe und vielleicht auch für andere Bereiche Strukturen entwickelt, die in Bezug auf diese Berufe
zu einer größeren Einheitlichkeit führen. Bei den Kammern ist das nicht das Problem.
Herzlichen Dank, Frau Professor Wanka.
Wir haben damit den Themenbereich „Anerkennungsgesetz“ abgeschlossen.
Es sind jetzt noch drei Wortmeldungen zu anderen
Themen erfasst, und zwar von dem Abgeordneten
Harald Petzold, Fraktion Die Linke, dem Abgeordneten
Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen, und dem Abgeordneten Mutlu, Bündnis 90/Die Grünen. - Herr Kollege
Petzold, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Weil es leider immer
wieder vorkommt, dass bei Manövern Straßen in erheblichem Umfang durch Panzer zerstört werden, möchte
ich die Bundesregierung fragen, was getan wird, damit
die geschädigten Baulastträger der Straßen die Schäden
ersetzt bekommen.
Wer möchte für die Bundesregierung antworten? Ich nehme nicht an, dass die Bundesbildungsministerin
antwortet.
({0})
- Dann bitte.
Es sind zum Teil auch Straßen, die uns betreffen.
Wenn etwas in Mitleidenschaft gezogen worden ist, dann
sind die Verhandlungen über die Regulierung von Schäden immer sehr schwierig. In Niedersachsen ging es um
20 Millionen Euro, über die es lange Diskussionen gab,
und ich denke, die Einzelfälle muss man auf der Basis
gesetzlicher Grundlagen verhandeln. Das weiß der
Staatssekretär aber viel besser.
Das vermuten wir auch. Deswegen gebe ich jetzt
Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Brauksiepe das
Wort zur konkreten Beantwortung. Bitte schön, Herr
Herr Kollege, ich bin nicht grundsätzlich über jedes
Manöver der Bundeswehr informiert, aber da Sie Ihre
Frage ja als dringliche Frage gestellt hatten, die nicht zugelassen worden ist, und jetzt von der offensichtlich bestehenden Möglichkeit der Geschäftsordnung Gebrauch
machen,
({0})
die nicht als dringliche Frage zugelassene Frage in diesem Rahmen zu stellen, war ich natürlich vorgewarnt
und kann Ihnen sagen, dass die Regulierung entsprechender Schäden - Übungsschäden durch die Bundeswehr kennen wir seit Jahrzehnten - nach den Regelungen des Bundesleistungsgesetzes auf Antrag des
Geschädigten erfolgt.
Die aufgetretenen Schäden wurden in Wort und Bild
dokumentiert. Diese Dokumentation wurde den zuständigen Gemeinden zur Verfügung gestellt, und auf dieser
Grundlage können die Schäden gegenüber der Bundeswehr geltend gemacht werden.
Herzlichen Dank. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. - Meine Frage kann sicherlich Frau
Ministerin Wanka am besten beantworten. Es geht um
die unhaltbar prekäre Situation des wissenschaftlichen
Nachwuchses und um das Thema „Verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft an den Hochschulen“.
Seit Monaten ist es so, dass die Bundesregierung einerseits nicht handelt und andererseits Zeitpläne immer
wieder schiebt. Deshalb wüsste ich von Ihnen gerne den
aktuellen Zeitplan für die überfällige Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
({0})
mit den Stationen Kabinett, Bundesrat, Bundestag und
Inkrafttreten, und ich bitte auch um die Angabe des Jahres, damit wir wissen, ob wir über dieses Jahr oder vielleicht über 2017 sprechen.
Wie sieht denn die Ministerin die Vorbehalte des Kollegen Rupprecht von der CSU - er ist immerhin Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung seiner
Fraktion - gegen die Eckpunkte, die im Haus offensichtlich schon abgestimmt worden sind und zwischen den
Koalitionsfraktionen in der Diskussion sind? Ich entnehme die Vorbehalte einem Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom Vortag.
({1})
Deshalb frage ich Sie: Ändern die in der Unionsfraktion bestehenden inhaltlichen Vorbehalte etwas an Ihrer
Zustimmung zu den Eckpunkten, und wann werden sie
das Licht der Welt erblicken?
Frau Ministerin, bitte.
Gerne. - In dem Fall ist es so wie immer: Sie haben
mit Ihrem Redebeitrag - dankenswerterweise haben Sie
auf die Süddeutsche Zeitung verwiesen - deutlich gemacht, dass Sie - das nehme ich Ihnen gar nicht übel die internen Zusammenhänge, was wie besprochen worden ist, nicht kennen und nicht kennen können. Demzufolge kann ich Ihre Behauptung einfach zurückweisen.
Meine Grundhaltung zu dem, was wir mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz erreichen möchten, ist ganz
klar: Wir wollen verhindern, dass - es sei denn, es besteht eine Notwendigkeit dafür - keine befristeten Verträge mit kurzer Laufzeit abgeschlossen werden, weil
dadurch bei jungen Menschen große Unsicherheit auslöst wird. Wir möchten, dass Daueraufgaben dauerhaft
finanziert werden. In diesem Punkt bin ich mit dem Geburtstagskind völlig einig. Wir reden darüber: Wie kann
man das umsetzen? Das Gespräch zwischen den beiden
Fraktionen ist aber nichts, was ich zu kommentieren
hätte. Meine Grundhaltung dazu ist klar.
Sie haben den Zeitplan angesprochen. Sobald es ein
klares Signal gibt, dass es die Chance gibt, dass die Novelle im Bundestag verabschiedet werden kann, lege ich
sie dem Kabinett vor. Damit sind dann auch die anderen
Termine völlig klar; es sei denn, der Bundesrat sorgt für
eine Verschiebung.
({0})
Danke schön. - Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Özcan Mutlu.
Danke, Herr Präsident. - Nach der Inthronisation von
Joseph Blatter in der Schweiz auf dem FIFA-Kongress
wird gerade kunterbunt über die Vergaben der Fußballweltmeisterschaften der letzten 20 Jahre diskutiert. Unter anderem ist auch unser Sommermärchen im Gespräch.
Außer meinem Erstaunen darüber, dass der DFB-Vertreter auf diesem FIFA-Kongress sehr schweigsam war,
Ausdruck zu verleihen, möchte ich gerne Vertreter der
Bundesregierung fragen, ob sie in der Zwischenzeit irgendwelche Erkenntnisse darüber haben, ob unser Sommermärchen sauber und nicht gekauft war und ob seitens
der Bundesregierung zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass dabei Korruption oder Schieberei im
Spiel waren.
Wer möchte für die Bundesregierung antworten? Herr Parlamentarischer Staatssekretär Professor Krings.
Bei Ihrer Fragestellung, Herr Kollege, hat der Kollege
Ströbele hinter Ihnen ganz traurig geguckt, weil er fast
die gleiche Frage schriftlich eingereicht hat. Insofern
werde ich Ihre Frage kurz beantworten und nachher etwas ausführlicher darauf eingehen, weil diejenigen, die
ihre Frage schriftlich eingereicht haben, nicht benachteiligt werden sollen.
Ich will aber schon an dieser Stelle darauf hinweisen,
dass es aktuell keine Hinweise auf Korruption gibt, wir
aber natürlich sehr daran interessiert sind, über den Fortgang der Ermittlungen unterrichtet zu werden. Dazu gab
es schon einen Kontakt zwischen unserem Herrn Bundesminister de Maizière und der amerikanischen Justizministerin, die, wie ich finde, das Verfahren - ich will
nicht unbedingt sagen: mustergültig - sehr gut vorantreibt. An dieser Stelle können wir den amerikanischen
Behörden dankbar sein, dass sie diese Ermittlungen führen. Dabei sind wir natürlich an Erkenntnisfortschritten
interessiert. Mehr dazu gibt es gleich in der Antwort auf
die schriftlich eingereichte mündliche Frage von Herrn
Kollegen Ströbele.
Danke schön. Ich denke, so können wir das machen.
Ich beende die Befragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/5061
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Günter
Krings bereit.
Die Frage 1 der Kollegin Jelpke wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. André
Hahn von der Fraktion Die Linke auf:
Zu welchen Ergebnissen kam die Bundesregierung seit ihrer Antwort auf meine mündliche Frage 30, Plenarprotokoll
18/96 vom 25. März 2015, bei ihrer Prüfung, ob und welcher
Handlungsbedarf für eine stärkere Unterstützung der DopingOpfer-Hilfe e. V., DOH, sowie die Notwendigkeit, Dopingopfer angemessen zu entschädigen, besteht, und inwieweit
wurde dabei das Anfang April 2015 von der DOH vorgelegte
„Konzept für einen einzurichtenden ‚Akutfonds des Sports‘
zur nachhaltigen Unterstützung der Doping-Opfer in Deutschland“ berücksichtigt?
Herr Staatssekretär, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Dopingopfer-Hilfegesetz wurde aus humanitären und sozialen
Gründen ein Fonds für Dopingopfer aus der ehemaligen
DDR eingerichtet. Ebenso hat die Bundesregierung den
überwiegenden Teil der finanziellen Hilfen des DOSB
an Dopingopfer finanziert. Auch das ist also aus Steuermitteln erfolgt. Die Bundesregierung unterstützt gleichermaßen die Doping-Opfer-Hilfe e. V. finanziell. Die
Prüfung der Bundesregierung, ob darüber hinaus Handlungsbedarf besteht - danach hatten Sie gefragt - ist
noch nicht abgeschlossen.
Ich vermute, dass Sie eine Zusatzfrage haben, Herr
Kollege. - Bitte schön.
Ganz genau, Herr Präsident. Denn die schriftlich eingereichte Frage wurde nicht vollständig beantwortet,
was das Konzept für einen einzurichtenden Akutfonds
des Sports zur nachhaltigen Unterstützung der Dopingopfer betrifft. Ich habe danach gefragt, inwieweit dieser
Fonds bei der Bundesregierung Berücksichtigung findet.
Sie haben selber auf die Diskussionen verwiesen, die es
in der Vergangenheit schon gegeben hat. Die Entschädigungen reichen nicht aus.
Meine Frage zielt auf Folgendes: Wir beraten gegenwärtig den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes im Parlament. Teilt die Bundesregierung meine Auffassung,
dass jetzt, 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, endlich eine angemessene und wirksame Entschädigung für die Dopingopfer herbeizuführen ist? Wann ist
mit einer entsprechenden Entscheidung zu rechnen?
Herr Staatssekretär.
Ich habe schon gesagt, dass es noch keine Entscheidung über weitere Maßnahmen gibt. Insofern kann ich
auch nicht zu Details eines Akutfonds und Ähnlichem
berichten.
Ich glaube, dass es eine ernstzunehmende und wichtige Frage ist, die auch unabhängig von anderen Gesetzgebungsverfahren beantwortet werden muss. Es mag
sein, dass die Beratung eines Anti-Doping-Gesetzentwurfs ein möglicher Zeitpunkt ist. Aber ich glaube, das
muss man trennen. Das Doping, das wir jetzt bekämpfen, hat, wie ich finde, eine andere Qualität als das, was
in der DDR im Zusammenhang mit Doping passiert ist
- das muss ich Ihnen nicht erklären -, wo die Betroffenen gar nichts davon erfahren und erhebliche Gesundheitsschäden davongetragen haben. Aus diesem Grunde
gab es bereits einen Fonds. Es wurden etwa 300 Anträge
gestellt; 200 davon wurden positiv beschieden.
Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Weiteres
zu tun ist. Es dauert in der Tat - damit haben Sie recht relativ lange, aber es geht in diesem Zusammenhang
schließlich um Steuermittel, und es gibt, glaube ich,
auch eine wichtige Mitverantwortung der Sportverbände. Ich will damit nicht sagen, dass der Staat nichts
damit zu tun hat; denn auch in der DDR gab es sicherlich
eine Gemengelage aus staatlichen und verbandlichen
Aktivitäten in dieser Hinsicht. Aber dass sich, wie es bisher der Fall ist, die Sportverbände gar nicht in der Verantwortung sehen, gefällt sicherlich uns allen nicht.
Noch eine Frage, Herr Hahn?
Ich würde gerne insofern hartnäckig bleiben, als ich
nachfragen möchte, bis wann mit einer Entscheidung zu
rechnen ist. Die Betroffenen haben einen Anspruch darauf, zumindest das zu erfahren. Ich wäre Ihnen dankbar,
wenn Sie das dem Hohen Hause mitteilen könnten.
Das Schicksal der Betroffenen ist schwerwiegend.
Das wird in unserem Haus auch sehr wohl zur Kenntnis
genommen, und es gibt Gespräche darüber. Ich kann Ihnen aber leider keinen Zeitplan nennen.
Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 3 des
Kollegen Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Vorwürfe, die Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes e. V.
um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in
Deutschland sei direkt oder über Dritte mit der Gewährung
geldwerter Leistungen ({0}) im
Zusammenhang mit dieser Vergabeentscheidung gefördert
worden, und hat die Bundesregierung Erkenntnisse oder Hinweise, dass zwecks solcher Förderung geldwerte Vorteile unoder mittelbar aus Bundessteuermitteln an Mitglieder des
FIFA-Exekutivkomittees ({1}), deren Herkunftsstaaten oder dortige
natürliche bzw. juristische Personen gelangten?
Ich bitte den Staatssekretär um Beantwortung der
Frage.
Herr Kollege Ströbele, jetzt komme ich zu Ihrer
schriftlich eingereichten Frage und kann etwas ausführlicher dazu vortragen, als es mir auf die mündliche Frage
von Herr Mutlu möglich war. Vielleicht liegt es auch daran, Herr Ströbele, dass ich Ihrer Fraktion gar keine
Sportfrage zugetraut hätte. Bei unserer Fraktion wäre es
jedenfalls so; uns würde man das Thema Sport auch
nicht zutrauen. Vielleicht stehen wir im gleichen Ruf.
Aber Ihre Sportfrage beantworte ich sehr gerne.
Mit Blick auf die Autonomie des organisierten Spitzensports erfolgen Ausrichtungs- und Vergabeentscheidungen bezüglich Fußballweltmeisterschaften nach den
Maßgaben und Anforderungen der FIFA, der Fédération
Internationale de Football Association. Der Deutsche
Fußball-Bund, DFB, hat, unterstützt durch die Bundesregierung, Länder und Kommunen, damals eine gute Bewerbung für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland abgegeben und das FIFAExekutivkomitee überzeugt. Die Bundesregierung sieht
derzeit keinen Anlass, an einem ordentlichen Bewerbungsverfahren bezüglich der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 zu zweifeln.
Bezüglich der vereinzelten Spekulationen - unter anderem weisen Sie auf Spiegel Online hin -, die Bewerbung des DFB um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 sei direkt oder über Dritte mit der
Gewährung geldwerter Leistungen im Zusammenhang
mit der Vergabeentscheidung gefördert worden, liegen
der Bundesregierung gegenwärtig keine Erkenntnisse
vor, wie ich es eben auch schon gesagt habe. Gleiches
gilt für die behaupteten un- oder mittelbar gewährten
geldwerten Vorteile aus Bundessteuermitteln an Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, deren Herkunftsstaaten
oder dortige natürliche bzw. juristische Personen.
Der damals zuständige Bundesinnenminister Otto
Schily - Ihr ehemaliger Parteifreund - hat sich am
5. Juni 2015 bereits klar zur Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft 2006 geäußert. Er hält es für ausgeschlossen, dass von den für die Bewerbung verantwortlichen
DFB-Vertretern versucht worden sein soll, die Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees durch unlautere Mittel
zu beeinflussen. Also: Schily hält das für ausgeschlossen.
Mit Blick - und das habe ich gerade angedeutet - auf
die laufenden US-Ermittlungen gegen die FIFA hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière zwischenzeitlich
Kontakt zur US-Justizministerin aufgenommen. Diese
hat mitgeteilt, dass es bislang keine Bezüge zu Deutschland geben würde.
Haben Sie trotz der beruhigenden Auskunft noch eine
Nachfrage, Herr Abgeordneter Ströbele?
({0})
Herr Staatssekretär, damit wir noch mehr für die
Wahrheitsfindung tun können, im Sinne des Ausspruchs
des Präsidenten, den er ja von meinem Mandanten Fritz
Teufel übernommen hat,
Darf ich Sie kurz korrigieren: nicht direkt, Herr
Ströbele.
({0})
- habe ich eine erste Nachfrage: Hat die Bundesregierung eine Erklärung dafür, dass bei der Entscheidung des
FIFA-Exekutivkomitees zwölf Stimmberechtigte für
Deutschland gestimmt haben und dass von den zwölf,
die nicht für Deutschland gestimmt haben, sondern
- wenn ich das richtig in Erinnerung habe - für Süd10342
afrika, eine Person kurz vor der Abstimmung den Raum
verlassen hat? Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, was der Grund dafür war, dass diese eine Person
kurz vorher den Raum verlassen hat, sodass eine Mehrheit von zwölf zu elf Stimmen zustande gekommen ist?
Das ist ohne Frage eine spannende Frage. - Herr
Staatssekretär.
Ich habe eben darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen nicht durch Regierungen, sondern durch
den Verband getroffen werden. Wir haben keine Erkenntnisse, was diese Abstimmung anbelangt. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass es allein durch die
Tatsache, dass eine Abstimmung knapp ist, nicht heißen
muss, sie sei manipuliert.
Herr Abgeordneter Ströbele, noch eine Zusatzfrage?
Ja, da habe ich noch eine ganz konkrete Frage, deren
Antwort den Präsidenten sicher mindestens so interessiert wie mich: Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte
oder Erkenntnisse dafür, oder kann sie es gar ausschließen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den Millionen, die auf den Konten des ehemaligen Fußballnationalspielers Uli Hoeneß gefunden worden sind, und der
Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006?
Herr Staatssekretär.
Das kann ich ganz kurz machen: Dazu haben wir
keine Kenntnisse, und ich finde, diese Zusatzfrage zeigt
ein bisschen, dass sich hier einige sehr in Spekulationen
ergehen.
({0})
Ich finde, bevor wir nicht einige halbwegs belastbare Erkenntnisse haben, sollten wir nicht voreilig die schöne
Erinnerung an diese Fußballweltmeisterschaft im Jahr
2006 in Deutschland beschädigen.
({1})
Wir kommen damit zur Frage 4 des Abgeordneten
Ströbele:
Welche Hilfen leistet Deutschland beim Aufbau, bei der
Ausstattung und Ausbildung ägyptischer Sicherheitsbehörden
- etwa durch Hospitationen von NSS-Kräften bei der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt wie beim DFB-Pokalfinale
am 30. Mai 2015 oder bei der Pressekonferenz vom 2. Juni
2015 mit Präsident el-Sisi in Berlin - seit 2012 und künftig,
insbesondere zugunsten von Kräften des Geheimdienstes GID
sowie der politischen Polizei NSS, bei deren Einsätzen im Februar 2012 bzw. 2015 in Port Said und Kairo zahlreiche Fußballfans getötet wurden ({0}), und welche
Angaben macht die Bundesregierung über ihre zwischenzeitlichen Erkenntnisse, wie Ägypten G36-Gewehre aus Deutschland abredewidrig nach Libyen weiterleitete ({1})?
Herr Staatssekretär, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und
Herren, Ägypten ist für Deutschland aufgrund seiner
geostrategischen Lage und seiner Größe nach wie vor
ein wichtiger Partner in der Region und nimmt auch
nach wie vor eine maßgebliche Rolle im Nahostfriedensprozess ein. Aus fachlicher Sicht ist die Zusammenarbeit
im Polizeibereich - insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung - daher von großer Bedeutung.
Die seit 2012 wegen der innenpolitischen Entwicklungen ausgesetzte Zusammenarbeit im Bereich der polizeilichen und der grenzpolizeilichen Aufbauhilfe wurde
im Jahr 2015 wieder aufgenommen. Zu konkreten Maßnahmen von Bundeskriminalamt und Bundespolizei
wird auf die Beantwortung der regelmäßig quartalsweise
gestellten Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke zu
Polizei- und Zolleinsätzen im Ausland verwiesen. Darüber hinaus liegen Informationen aus dem nachrichtendienstlichen Bereich vor, welche VS-Vertraulich eingestuft sind. Herr Ströbele, Sie kennen das Verfahren.
Diese können nicht offen im Plenum des Bundestages
vorgetragen werden. Sie sind jedoch in der Geheimschutzstelle des Bundestages unter Bezugnahme auf
diese mündliche Frage hinterlegt worden und können
dort natürlich von Ihnen eingesehen werden.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. - Darüber,
dass wir keine Sportkompetenz haben, müssen wir noch
einmal bei einem Bierchen reden.
Ich habe nur Herrn Ströbele und mich gemeint.
Also: Herr Ströbele, haben Sie eine Rückfrage?
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage sehr unvollständig beantwortet. Ich habe auch danach gefragt,
ob Hospitanten der Sicherheitskräfte von el-Sisi aus
Ägypten in Deutschland anwesend gewesen sind, unter
anderem am 30. Mai 2015 bei dem Pokalendspiel, und
ob solche Hospitanten möglicherweise bei der PresseHans-Christian Ströbele
konferenz mit Herrn el-Sisi und der Bundeskanzlerin am
2. Juni 2015 als Jubeljournalisten im Saal anwesend gewesen sind.
Ich kann Ihnen das ad hoc nicht beantworten. Das
mag daran liegen, dass auch dieser Teil in der Geheimschutzstelle liegt. Wenn dem nicht so sein sollte und wir
das offen beantworten können, können wir das auf informellem Weg nachreichen.
Es ist sehr traurig, dass wir das hier noch nicht erfahren können.
Ich habe das zurzeit noch nicht präsent.
Wir lesen nach.
Eine zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage lautet: Hat die Bundesregierung im Namen Deutschlands ein Sicherheitsabkommen mit Ägypten, dem ägyptischen Präsidenten bzw. der
ägyptischen Regierung abgeschlossen, und, wenn ja, hat
die Bundesregierung keine Bedenken angesichts der
Menschenrechtslage in Ägypten und insbesondere angesichts der Haltung von el-Sisi zu dieser Menschenrechtslage, ein solches Abkommen abzuschließen, mit dem die
Streitkräfte und die Sicherheitskräfte in Ägypten ertüchtigt werden?
Zu dem Abkommen selbst kann ich ad hoc nichts sagen. Aber Ihre Frage ist durchaus berechtigt: Wie sieht
die Menschenrechtssituation aus, und welche Auswirkungen hat diese Situation auf die Zusammenarbeit? Wir
sind der Auffassung, dass wir natürlich darauf achten
müssen, in welcher Form und an welcher Stelle wir zusammenarbeiten. Es mag jedenfalls einige Bereiche geben, in denen eine Zusammenarbeit gerade dann sinnvoll
ist, wenn es darum geht - Sie haben das Thema Fußball
auch in diesem Fragenkomplex angesprochen -, Einsätze verhältnismäßig und menschenrechtskonform
durchzuführen und über Mittel zu verfügen, die es ermöglichen, Unruhen oder schwierige Situationen in oder
in der Nähe von Stadien anders als durch bloße Gewalt
in den Griff zu bekommen. Da können wir Hilfestellung
leisten. Unsere Auffassung ist, dass es - auch im Interesse der Menschen - besser ist, die Behörden nicht
alleinezulassen und dafür zu sorgen, dass sie entsprechende Hinweise aufnehmen, wenn es um die Verhältnismäßigkeit des Handelns geht. Ich glaube, wir können
durch eine punktuelle Zusammenarbeit eher etwas Positives für die Menschenrechtssituation leisten, als wenn
wir uns dem ganz verweigern würden. Das ist sicherlich
eine Bewertungsfrage, wie ich zugebe. Aber wir sehen
das so, wie ich es Ihnen gerade dargelegt habe.
Vielen Dank. - Ich sehe, dass es zu diesem Punkt
keine weiteren Zusatzfragen gibt.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Die Frage 5 des Kollegen Volker Beck wurde zurückgezogen, weil wir uns an anderer Stelle mit diesem Thema
ausführlich befassen werden. Es geht um die Ehe für
alle.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Meister.
Wir kommen zur Frage 6 der Kollegin Lisa Paus:
Aus welchen Gründen ist es in dem Referentenentwurf
vorgesehen, das neue Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, ErbStG-E, an die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst mit Verkündung in Kraft treten zu lassen und nicht rückwirkend zum
Tag des Urteils des Bundesverfassungsgerichts?
Bitte, Herr Staatssrekretär.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Paus, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember
vergangenen Jahres ausdrücklich entschieden, dass das
geltende Recht bis zu seiner Neuregelung weiter anwendbar ist. Dies betrifft die vom Gericht als unvereinbar mit der Verfassung erkannten Vorschriften § 13 a
und § 13 b in Verbindung mit § 19 Absatz 1 Erbschaftsteuergesetz. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen
Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltung
der §§ 13 a und 13 b Erbschaftsteuergesetz die Anerkennung versagt. Fälle einer exzessiven Ausnutzung sind
uns als Bundesregierung bisher nicht bekannt geworden.
Frau Paus.
Sie haben bereits darauf hingewiesen, Herr Meister,
dass im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich die Rückwirkung bis auf den Urteilstag zulässig ist.
Deswegen frage ich Sie, warum Sie eine solche Rückwirkung in Ihrem Referentenentwurf bisher nicht vorsehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil
ausgeführt, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz auslöst. Es hat allerdings auch nicht aufgefordert, auf einen
speziellen Zeitpunkt für eine Neuregelung zu setzen. Es
hat lediglich eine maximale Frist angegeben, nämlich
den 30. Juni 2016; bis zu dem Tag muss eine die verfassungswidrigen Normen ersetzende Regelung spätestens
geschaffen sein.
Frau Paus, eine zweite Rückfrage?
Dann frage ich noch einmal: Warum macht die Bundesregierung nicht von der explizit im Urteil formulierten Möglichkeit einer Rückwirkung des Gesetzes Gebrauch? Denn die Formulierung zeigt, dass diese
eigentlich gewünscht wird.
Das Zweite ist: Sie haben jetzt gesagt, Ihnen seien
keine exzessiven Nutzungen der weiter andauernden,
sehr großzügigen Regelungen bekannt. Könnten Sie
vielleicht genauer sagen, was „exzessiv“ in Ihren Augen
bedeutet? Wie schätzen Sie ein, welche Vorzugseffekte
es bisher gegeben hat und wahrscheinlich bis zum
30. Juni geben wird, im Verhältnis zu dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf?
Zunächst einmal ist der Steuervollzug jeweils auf
Landesebene angesiedelt. Das heißt, das Erklären der
Erbschaftsteuer erfolgt direkt bei der jeweils zuständigen
Länderfinanzverwaltung. Aus den Rückmeldungen, die
uns die Länderfinanzverwaltungen bisher gegeben haben, können wir nicht erkennen, dass besondere Aktivitäten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer stattfinden. Das kann eigentlich nur bezogen auf die
Schenkungsfälle der Fall sein. Wir haben eher festgestellt, dass nach dem Urteilsspruch vom Dezember vergangenen Jahres eine Beruhigung eingetreten ist. Wir
hatten mehr Aktivitäten an dieser Stelle vor der Verkündung des Urteils durch das Bundesverfassungsgericht.
Für die Bundesregierung hat die Frage der Rechtsund Planungssicherheit für die Unternehmen eine sehr
hohe Bedeutung. Deshalb ist diese gegenüber der Frage
abzuwägen, ob eine außergewöhnliche Gestaltung gerade bezogen auf die Paragrafen, die für verfassungswidrig erkannt wurden, stattfindet. Wir können, wie gesagt,
bisher diese exzessiven Gestaltungen nicht erkennen und
haben deshalb der Frage der Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen eine entsprechende Priorität eingeräumt.
Vielen Dank.
Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Lisa Paus:
Wie wird das Mehraufkommen von jährlich 200 Millionen
Euro begründet, und welcher Anteil des jährlichen Mehraufkommens entfällt jeweils auf die einzelnen Änderungen ({0})?
Herr Dr. Meister, bitte.
Frau Kollegin Paus, das im Referentenentwurf für die
Erbschaftsteuerreform ausgewiesene Mehraufkommen
wurde unter Verwendung eines Mikrosimulationsmodells
der Erbschaftsteuer auf der Grundlage der amtlichen Erbschaftsteuerstatistik geschätzt. Das Mehraufkommen teilt
sich wie folgt auf die einzelnen Maßnahmen auf:
Zum Ersten haben wir die Abschmelzregelung im Bereich von 20 Millionen Euro steuerbegünstigter Unternehmenswert bis zu 110 Millionen Euro steuerbegünstigter Unternehmenswert einschließlich des Wahlrechts
für eine individuelle Bedürfnisprüfung. Da haben wir in
der vollen Jahreswirkung 105 Millionen Euro Mehraufkommen.
Zum Zweiten haben wir den Verschonungsabschlag
für Vermögen größer als 110 Millionen Euro, wo lediglich Abschläge von 25 Prozent des begünstigten Vermögens bzw. 40 Prozent des begünstigten Vermögens vorgesehen sind, je nachdem, ob man die Regelverschonung
oder die Optionsverschonung wählt. Dort gehen wir von
einem Mehraufkommen von 75 Millionen Euro in der
vollen Jahreswirkung aus.
Zum Dritten haben wir die Änderung der Lohnsummenregelung für Kleinstunternehmen, also die Unternehmen, die zwischen 4 und 20 Mitarbeiter haben. Dort
gehen wir von einem Mehraufkommen von 5 Millionen
Euro in der vollen Jahreswirkung aus.
Zum Vierten müssen wir mit Bezug auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Gestaltungsmöglichkeiten und der Tatsache, dass keine 50 Prozent Verwaltungsvermögen mehr bei der Regelverschonung anerkannt
werden können, das Thema der begünstigten Vermögen
neu fassen. An dieser Stelle erwarten wir Mehreinnahmen in der vollen Jahreswirkung in Höhe von 15 Millionen Euro.
Frau Paus, wollen Sie eine Rückfrage stellen? - Es
sieht so aus. Gut.
Sie hatten jüngst auf meine Kleine Anfrage zur Erbschaftsteuer geantwortet - diese Antwort bezog sich
noch auf die Eckpunkte, nicht auf den Referentenentwurf -, dass, wenn die Eckpunkte gelten - damals war
noch nicht von einer zusätzlichen Verschonungsregel die
Rede, sondern nur von der Freigrenze von 20 Millionen
Euro für Betriebsvermögen, unterhalb der man steuerfrei
bleibt und oberhalb der eine Bedürfnisprüfung stattfindet -,
nicht „nur“ 98 Prozent, sondern nach einigen Jahren
über 99 Prozent der Erbfälle nach wie vor steuerfrei bleiben. Mittlerweile haben Sie weitere Begünstigungen einLisa Paus
geführt. Können Sie mir heute erklären, warum eine Verschonung von 99,3 Prozent - durch die von Ihnen jetzt
eingeführte zusätzliche Vergünstigung liegt die Verschonung wahrscheinlich bei 99,9 Prozent - nicht verfassungswidrig sein soll, wenn eine Verschonung von
100 Prozent aus Sicht des Verfassungsgerichts verfassungswidrig ist?
Herr Dr. Meister.
Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht hat nicht
den Verschonungsgrad von 100 Prozent, den der Gesetzgeber für die Optionsregelung vorgesehen hat, kritisiert
- dazu ist im Urteil ausdrücklich nichts gesagt worden -;
vielmehr hat es deutlich gemacht, dass bezogen auf Artikel 3 Grundgesetz Folgendes gilt: Wenn ein Unternehmen in dem Teil, der verschonungswürdig ist, wächst,
dann wird auch die Summe an reduzierter Steuer mit zunehmendem Unternehmenswert größer. Daraus hat das
Bundesverfassungsgericht geschlussfolgert, dass mit zunehmender Größe eines Unternehmens eine besondere
Rechtfertigung gegeben sein muss. Es reichen also nicht
allein die Rechtfertigungsgründe, die der Gesetzgeber
vorher geschaffen hat - Erhalt von Familienunternehmen, Unternehmensweiterführung, Erhalt der Arbeitsplätze -; vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht
auch deutlich gemacht, dass ab einer gewissen Größe
das Volumen der steuerlichen Verschonung so stark
wird, dass eine zusätzliche Begründung des Gesetzgebers notwendig wird.
Wir haben in unseren Eckpunkten eine individuelle
Bedürfnisprüfung ab einer Grenze von 20 Millionen
Euro begünstigtem unternehmerischen Vermögen vorgesehen. Wir haben das Ganze jetzt modifiziert; wir haben
es mit einem Wahlrecht versehen. Jetzt kann entweder
eine individuelle Bedürfnisprüfung stattfinden, oder der
Verschonungsgrad kann abgeschmolzen werden. Wir gehen davon aus, dass wir mit dieser Neufassung eine verfassungsfeste Lösung vorschlagen.
Danke schön. - Frau Paus, Sie haben das Wort zu einer zweiten Zusatzfrage.
Nach der bisher geltenden, aber inzwischen für verfassungswidrig erklärten Regelung ist es nach Ihren eigenen Statistiken ja so, dass die Erbschaftsteuer bisher
von der Mittelschicht gezahlt wird. Der entsprechende
Steuersatz liegt zwischen 10 und 15 Prozent. Wegen der
großzügigen Verschonungsregelung für das Betriebsvermögen der besonders Wohlhabenden in diesem Lande
gilt für sie ein Erbschaftsteuersatz von effektiv zwischen
1,8 und 2,3 Prozent.
Im Urteil des Verfassungsgerichts wurde explizit darauf abgestellt, dass es darum geht, zwischen dem
Gemeinwohlanteil des Unternehmens und der Bedürfnisprüfung des Unternehmers zu trennen. Das Bundesverfassungsgericht hat also eindeutig klargestellt, dass
man nicht den Unternehmer schützen will, sondern das
Unternehmen. Vor diesem Hintergrund haben Sie selber
in Ihren Eckpunkten explizit und sehr klar formuliert,
dass es eine individuelle Bedürfnisprüfung geben muss,
die an adäquater Stelle ansetzt. Können Sie mir begründen, wie der Referentenentwurf dieser Anforderung des
Verfassungsgerichtes in Bezug auf die Bedürfnisprüfung
und die Leistungsfähigkeit des einzelnen Erben jetzt
noch Rechnung trägt?
Herr Dr. Meister, bitte.
Zunächst einmal: In unserem jetzigen Erbschaftsrecht
gibt es keine Begünstigung von Wohlhabenden gegenüber weniger Wohlhabenden. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Jahre 2008 mit Gültigkeit ab 2009 entschieden,
dass er unternehmerisches Vermögen in besonderer
Weise im Hinblick auf Bestand und Erhalt der Arbeitsplätze begünstigen will. Das hat nichts mit der Frage zu
tun, wie wohlhabend der jeweilige Erbe oder Erblasser
ist.
Wir haben in unseren Eckpunkten eine mögliche Lösung für die Probleme rund um das Thema „größere Unternehmensvermögen“ vorgeschlagen; das ist die von Ihnen angesprochene individuelle Bedürfnisprüfung. Die
individuelle Bedürfnisprüfung in unveränderter Form ist
nach wie vor Gegenstand des Referentenentwurfs. Wir
haben allerdings eine Wahloption, also ein Wahlrecht,
eingebaut. Dieses Wahlrecht ist im Gegensatz zur
Bedürfnisprüfung mit einer Reduzierung des Verschonungsgrads verbunden. Das heißt, wenn man diese
Option wählt, wird man von der Zahlung der Erbschaftsteuerschuld weniger verschont, als wenn man sich auf
die Bedürfnisprüfung einlässt.
Ich glaube, das ist dem Erben gegenüber ein faires
Angebot. Er kann entscheiden, ob er eine umfangreiche
Darlegung seiner privaten Vermögensverhältnisse leisten
will oder ob er lieber auf einen Teil der Verschonung
verzichtet und einen geringeren Erlass der Erbschaftsteuerschuld in Kauf nimmt.
Danke schön, Dr. Meister. - Ich sehe dazu keine weiteren Fragen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die
Frage 8 der Kollegin Bärbel Höhn und die Fragen 9 und
10 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann sind zur schriftlichen Beantwortung angemeldet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums. Die Frage 11 der Kollegin Ulla
Jelpke wird auch schriftlich beantwortet.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Vizepräsidentin Claudia Roth
Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Beate WalterRosenheimer und die Frage 14 der Kollegin Dr. Franziska
Brantner werden schriftlich beantwortet.
Jetzt geht es wieder live. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Für die Beantwortung der Fragen steht Frau Fischbach
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Kathrin Vogler auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die über
das Bundesministerium für Gesundheit, BMG, im Stiftungsrat
der Deutschen Stiftung Organtransplantation, DSO, vertreten
und somit für die Überwachung der Arbeit des DSO-Vorstands zuständig ist, über die Zahl der Mitarbeiter, die die
DSO in den vergangenen fünf Jahren verlassen haben, und
könnte ein häufiges Ausscheiden von Mitarbeitern der DSO
nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Arbeitsklima in
der DSO in Verbindung stehen?
Frau Fischbach, bitte.
Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Liebe Frau Kollegin Vogler, ich beantworte Ihre Frage gern, und zwar
wie folgt: In den vergangenen fünf Jahren, also von 2010
bis einschließlich 2014, haben nach Auskunft der Deutschen Stiftung Organtransplantation insgesamt 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die DSO verlassen. Über das
Arbeitsklima in der DSO liegen der Bundesregierung
keine Erkenntnisse vor.
Frau Vogler, haben Sie eine Rückfrage? - Ja.
Der Hintergrund ist Ihnen wahrscheinlich bekannt.
Vor nahezu vier Jahren, also Ende 2011, berichtete die
Süddeutsche Zeitung von anonymen Briefen aus der Mitarbeiterschaft der Deutschen Stiftung Organtransplantation und titelte: „Man kam sich vor wie bei Scientology“. - Es wurde über ein mieses Arbeitsklima, über
Mobbing und über schlechte Behandlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geklagt.
In den letzten Jahren ist einiges passiert. Wir haben
natürlich ein Interesse daran, zu erfahren, wie sich das
entwickelt hat. Könnten Sie uns bitte die Zahl 88 nach
Jahren aufgliedern, das vielleicht auch schriftlich nachliefern?
Das kann ich gern machen. Ich bin im Moment überfragt, weil das nicht angefragt war. Das kann ich nachliefern. Wir werden die DSO bitten, uns die Zahlen zu liefern.
Vielen Dank, Frau Fischbach. - Haben Sie dazu noch
eine Rückfrage? - Nein.
Dann kommen wir zur nächsten Frage von Frau
Vogler. Das ist die Frage 16:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die über
das BMG im Stiftungsrat der DSO vertreten und somit für die
Überwachung der Arbeit des DSO-Vorstands zuständig ist,
über den Geldbetrag, den die Stiftung in den vergangenen fünf
Jahren für die rechtliche Beratung - Anwaltskosten - im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen
mit DSO-Mitarbeitern aufgewandt hat, und wie hoch war
nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Höhe der Abfindungen?
Frau Fischbach, bitte.
Frau Kollegin Vogler, auch hierauf antworte ich Ihnen
gern.
In den vergangenen fünf Jahren - das sind wieder die
Jahre 2010 bis einschließlich 2014 - beliefen sich die
Kosten für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit
arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen auf eine Summe
von 35 425,82 Euro. Davon wurden 19 792,56 Euro von
der Rechtsschutzversicherung der DSO übernommen,
sodass von der DSO letztlich 15 633,26 Euro zu verausgaben waren.
Im Zeitraum von 2010 bis einschließlich 2014 wurden Abfindungen an sieben Mitarbeiter gezahlt: 2011/12
sechs Fälle, 2014 ein Fall. Die Gesamtsumme der Abfindungen betrug 58 870 Euro.
Frau Vogler.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - An dieser Stelle
würde ich gern nachfragen, welche Maßnahmen der Vertreter und die Vertreterin der Bundesregierung im Stiftungsrat eigentlich angeregt oder veranlasst haben, um
die Abwanderung von qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung zu verhindern. Die Stiftung ist privatrechtlich organisiert. Trotzdem ist die Bundesregierung im Stiftungsrat vertreten.
Die Stiftung nimmt wichtige öffentliche Aufgaben wahr
und verwendet dafür Gelder aus der gesetzlichen Krankenversicherung, in die alle Menschen einzahlen. Deswegen denke ich, dass es im Interesse der Öffentlichkeit
liegt, zu erfahren, was die Bundesregierung an dieser
Stelle unternommen hat, um das Arbeitsklima in der
DSO zu verbessern, die Abwanderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindern und damit auch
einen Beitrag gegen die niedrigen Organspendezahlen zu
leisten.
Frau Fischbach.
Es liegt nicht im Ermessen und in der Verantwortung
der Bundesregierung, in einzelnen Organisationen das
Arbeitsklima zu beobachten und aufzulisten, an welchen
Stellen es hapert, um dann Verbesserungen anzustreben.
Es geht darum, dass man mit den Verantwortlichen
spricht, wenn entsprechende Fälle vorliegen. Ich hatte
Ihnen vorhin schon mitgeteilt, dass uns Informationen
zum Betriebs- und Arbeitsklima nicht vorliegen.
Haben Sie eine Rückfrage?
An dieser Stelle würde mich interessieren, ob sich in
den vergangenen fünf Jahren jemals Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der DSO unmittelbar an die Bundesregierung gewandt haben, um sie auf Missstände in der Organisation aufmerksam zu machen?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich
frage gerne nach und liefere die Antwort nach.
({0})
Vielen Dank, Frau Fischbach und Frau Vogler. - Wir
kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Beantwortung wird Dorothee Bär vornehmen.
Ich rufe zunächst die Frage 17 des Kollegen Herbert
Behrens auf:
Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Pkw-Maut stufenweise, das heißt zunächst nur auf Autobahnen mit hohem
Transitverkehrsaufkommen, einzuführen, umzusetzen, und
würde bei der Umsetzung dieses Vorschlags die Bestimmung
des § 6 Absatz 1 des Infrastrukturabgabengesetzes, welche
besagt, dass für in der „Bundesrepublik Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge … die Infrastrukturabgabe jeweils für ein
Jahr zu entrichten“ ist, gestrichen werden müssen und hiesigen Kfz-Halterinnen und -Haltern die gleichen Möglichkeiten
der Entrichtung der Pkw-Maut wie Halterinnen und Haltern
von nicht in Deutschland zugelassenen Kfz eingeräumt werden - das heißt auch der Erwerb von Kurzzeitvignetten -, weil
sich der mautpflichtige Teil des Streckennetzes zunächst stark
verkleinerte ({0})?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Behrens, ich darf die Fragen 17 und 18 wegen ihres
Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?
Dann rufe ich auch die Frage 18 des Kollegen
Behrens auf:
Welchen Einfluss hätte die Umsetzung des Vorschlags der
Europäischen Kommission nach Auffassung der Bundesregierung auf die Höhe der Nettoeinnahmen aus der Pkw-Maut
- Summe der Einnahmen aus dem Verkauf von Vignetten an
Halterinnen und Halter nicht in Deutschland zugelassener Kfz
abzüglich der Betriebskosten des Pkw-Mautsystems -, und
welche Anpassungen müssten in diesem Falle bei der Kompensation der Mautkosten für hiesige Kfz-Halterinnen und
-Halter über die Kfz-Steuer vorgenommen werden, um zu verhindern, dass mehr Geld für diese Kompensationsmaßnahme
aufgewendet werden muss, als durch Mauteinnahmen von
Halterinnen und Haltern von in Deutschland zugelassenen
Kfz generiert wird?
Die Antwort lautet, dass der Bundesregierung kein
entsprechender Vorschlag der EU-Kommission vorliegt.
Herr Behrens, haben Sie eine oder zwei Rückfragen?
Daraus entnehme ich, Frau Staatssekretärin, dass Sie
die Pressemitteilungen zu den Äußerungen aus der EUKommission - namentlich die des Kommissionspräsidenten Juncker - gelesen haben. Dieser äußert nach wie
vor Zweifel hinsichtlich der Europarechtskonformität
des vorliegenden Gesetzentwurfes. Sind das also für Sie
nur Informationen, die irgendwie an die Presse gelangt
sind, aber keinen weiteren Hintergrund haben?
Die Bundesregierung kann sich nur mit Fragen und
Vorschlägen beschäftigen, die auch tatsächlich bei ihr
ankommen. - Um vielleicht einmal den ehemaligen
Kanzlerkandidaten der SPD zu zitieren: „Hätte, hätte,
Fahrradkette.“ - Das ist eben auch schwierig in dem Zusammenhang.
Herr Behrens, da Frau Bär Ihre beiden Fragen zusammen beantwortet hat, haben Sie nicht nur zwei, sondern
vier Rückfragen. Das heißt, es wäre jetzt die Nummer
zwei an der Reihe.
Ob das hilft, weiß ich nicht. Ich will es aber einmal
versuchen. - Es geht auch darum, dass die EU-Kommission angekündigt hat, sich am kommenden Mittwoch mit
der Frage „Europarechtskonformität der Pkw-Maut“
auseinanderzusetzen. Verfügen Sie über weitere Kenntnisse des bisherigen Prozesses sowie bezüglich der in
der nächsten Woche ablaufenden Dinge, die Sie möglicherweise schon jetzt in den Stand setzen, das, was die
EU-Kommission als Gründe für ein Vertragsverletzungsverfahren vorträgt, in Ihre weiteren Planungen bzw. Ihre
Entgegnung aufzunehmen?
Frau Bär.
Ich kann es noch einmal wiederholen: Wir werden
uns zu gegebener Zeit mit Fakten auseinandersetzen,
aber nicht mit Spekulationen und Mutmaßungen.
Herr Behrens.
Konkret zu dem aus der Kommission geäußerten alternativen Vorschlag - er hat Sie offenkundig, da er nur
in der Zeitung stand, auch nicht erreicht -, möglicherweise zunächst auf die Einführung der Ausländermaut
auf allen Straßen zu verzichten und Transitstrecken herauszunehmen: Ist das eine Information, die an Sie herangetragen worden ist? Wenn ja, haben Sie sich mit
möglichen Folgen dieser Alternative beschäftigt? Hat
man das durchgerechnet? Oder hat man Schwierigkeiten
bezüglich des bisherigen Gesetzes in Bezug darauf festgestellt, dass das möglicherweise nicht kompatibel ist?
Gibt es so etwas wie einen Plan B?
Frau Bär.
Ich kann es noch einmal wiederholen: Der Bundesregierung liegt kein entsprechender Vorschlag der EUKommission vor. Gerne kann ich Ihnen noch einmal den
Stand der Dinge zitieren: Bundespräsident Gauck hat das
Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe unterzeichnet. Das hat das Bundespräsidialamt am 8. Juni
2015 mitgeteilt, damit das Gesetz in Kraft treten kann.
Die Verkündung des Gesetzes im Bundesanzeiger ist für
den 11. Juni vorgesehen.
Ich kann auch gerne noch einmal die Punkte des Gesetzgebungsverfahrens auflisten: Der Bundestag hat darüber abgestimmt, der Bundesrat hat darüber abgestimmt, der Bundespräsident hat es unterschrieben. Das sind die Fakten, die auf dem Tisch liegen.
Herr Behrens, wenn Sie wollen, können Sie noch eine
Zusatzfrage stellen.
Ich habe eine letzte Frage, ein bisschen auf die Wochen vor der Beschlussfassung durch den Bundestag
ausgeweitet. Es gibt widersprüchliche Aussagen. Das
betrifft zumindest die, die aus der Presse zu erfahren waren. Danach hat auf der einen Seite EU-Kommissarin
Bulc erklärt, sie würde sich während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens nicht dazu äußern. Auf der anderen Seite gibt es auf die Frage, ob jemand die Europarechtskonformität mit der EU-Kommission beraten hat,
die Aussage von Herrn Dobrindt, man sei im ständigen
Austausch. Welche Aussage ist denn nun richtig?
Ich kann selbstverständlich bestätigen, dass unser
Haus in ständigem Austausch steht. Zu anderen Äußerungen kann ich hier keine Aussage machen.
({0})
Vielen Dank. - Da es keine weiteren Rückfragen gibt,
kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Antworten wird Frau Rita SchwarzelührSutter. Herzlich willkommen!
Die Fragen 19 und 20 der Kollegin Kunert werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 21 des Kollegen Uwe
Kekeritz:
Mit welcher Strategie bemüht sich die Bundesregierung
die nach Angaben des Weltbankpräsidenten Jim Yong Kim
nach wie vor bestehende Lücke von 70 Milliarden US-Dollar
zu den auf dem Klimagipfel 2010 in Kopenhagen zugesagten
100 Milliarden US-Dollar jährlich zu schließen ({0}), und wie
wird sich die Bundesregierung zur Nichtanrechenbarkeit dieser Klimagelder auf die ODA-Mittel - ODA: öffentliche Entwicklungshilfe - auf der dritten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung der Vereinten Nationen in Addis Abeba zur
Entwicklungsfinanzierung positionieren?
Sehr geehrter Herr Kollege Kekeritz, im Jahr 2009 hat
sich die internationale Staatengemeinschaft auf dem Klimagipfel in Kopenhagen darauf geeinigt, dass die Industrieländer insgesamt ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden
US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern mobilisieren. Die Bundesregierung steht zu dieser Zusage und hat
als einer der größten Geber für internationalen Klimaschutz ihr finanzielles Engagement in den vergangenen
Jahren kontinuierlich erhöht.
Die Bundeskanzlerin hat auf dem Petersberger Klimadialog im Mai 2015 erklärt, dass Deutschland eine Verdoppelung seiner Finanzmittel für den internationalen
Klimaschutz bis 2020 bezogen auf das Jahr 2014 anstrebt. Wirksamer Klimaschutz ist Schlüsselelement
nachhaltiger Entwicklung. Die Finanzierung von Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung und Armutsbekämpfung sowie von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern wird von der Bundesregierung daher
in einem integrierten Ansatz verfolgt. Die Finanzierung
entspricht den Development-Assistance-Committee-Kriterien für öffentliche Entwicklungsleistungen und wird
daher als Official Development Assistance, ODA, gemeldet. Die Bundesregierung setzt sich in Addis Abeba
dafür ein, dass alle ODA-fähigen Leistungen auch in Zukunft auf das 0,7-Prozent-Ziel angerechnet werden.
Natürlich wirbt auch die Bundesregierung bei anderen Industrieländern für einen klaren Fahrplan zur
Schließung der bestehenden Lücke zur Mobilisierung
der in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar. Auf dem G-7-Gipfel in Schloss Elmau konnte auch
ein klares Bekenntnis der G-7-Staaten zur Erfüllung der
Kopenhagen-Zusage und zu konkreten Umsetzungsmaßnahmen erreicht werden. Auch die multilateralen Banken sollen dafür in die Pflicht genommen werden.
Herr Kekeritz, haben Sie eine Rückfrage?
Danke schön für die Antwort. - Sie verstehen, dass
ich die Antwort aber nicht als ausreichend ansehe. Die
Frage war schließlich, wie versucht wird, die 70 Milliarden US-Dollar an Differenz hereinzuholen. Sie sagen,
dass sich die Klimabeiträge der Bundesregierung verdoppeln. Ich hätte gern konkrete Zahlen dazu gehört.
Wenn ich die 100 Milliarden US-Dollar auf den Anteil
Deutschlands umrechne, dann kommen da ungefähr
8 Milliarden US-Dollar heraus. Diese 8 Milliarden USDollar sehe ich im Budget überhaupt nicht. Ich sehe vor
allen Dingen auch überhaupt keinen Fahrplan, der zu
diesen 8 Milliarden US-Dollar führen wird. Wie werden
Sie es anstellen, auf diese 8 Milliarden US-Dollar zu
kommen?
Die Verdoppelung der Klimafinanzierung soll auf Basis des Eckwertebeschlusses für den Haushalt 2016 und
der Finanzplanung 2016 bis 2019 erfolgen. Im Eckwertebeschluss ist vorgesehen, dass der Bund im Zeitraum
2016 bis 2019 seine Ausgaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, die sogenannten ODA-Mittel, auf rund 8,34 Milliarden Euro mit den Schwerpunkten Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und
internationale Klimaschutzfinanzierung erhöht.
Herr Kekeritz, haben Sie eine zweite Rückfrage?
Ja. - Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie
die Beiträge zum Klimaschutz letztendlich mit den bisher getätigten ODA-Mitteln verrechnen werden, also
dass man hier nicht mehr zwischen Entwicklungsfinanzierung und Klimafinanzierung unterscheiden kann, sondern dass das im Prinzip ein Bereich wird? Sie sprechen
von 8 Milliarden Euro. Wir haben im ODA-Bereich jetzt
jährliche Ausgaben von ungefähr 10 bis 11 Milliarden
Euro.
Wir haben die ODA-Mittel um 8,34 Milliarden Euro
erhöht. - Nun zu Ihrer Frage zu den Klima- und Entwicklungsmaßnahmen: Wir sehen das, wie gesagt, als
integrierten Ansatz. Denn wenn Sie Projekte im Bereich
des internationalen Klimaschutzes wie zum Beispiel erneuerbare Energien haben, so hat das sowohl eine Auswirkung auf den Klimaschutz als auch auf die nachhaltige Entwicklung.
Ich sehe keine weitere Nachfrage zu Frage 21.
Dann kommen wir zu Frage 22. Da Kollege Krischer
im Ausschuss ist, wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
auf:
Konkret welcher „weitere Informationsbedarf“ und welche ungeklärten Aspekte machen das aufsichtliche Fachgespräch zwischen Bund und bayerischer Atomaufsichtsbehörde
nötig ({0})?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, Und täglich grüßt
das Murmeltier, und zwar in dem Fall unser AKW
Gundremmingen.
Wie Ihnen bereits auf Ihre schriftliche Frage 66 auf
Bundestagsdrucksache 18/4908 mitgeteilt, ist die Prüfung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit bezüglich der Regelwerkskonformität des Kernkraftwerkes Gundremmingen hinsichtlich der Beherrschung des Bemessungserdbebens
noch nicht abgeschlossen.
Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf
Ihre schriftliche Frage mit der Arbeitsnummer 9/208
vom 25. September letzten Jahres ausgeführt, wurde am
16. Juni 2014 die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit beauftragt, gemeinsam mit dem Physikerbüro Bremen eine Stellungnahme zu obiger Thematik zu
verfassen. Für die Sachverständigen des BMUB hat sich
bei der Bearbeitung der Stellungnahme weiterer Informationsbedarf ergeben. Sie hatten noch einmal nachgefragt, worin der Informationsbedarf liegt. Es handelt sich
um die Klärung von technischen Detailfragen der Sachverständigen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Zusammenhang
mit der Aufgabenstellung der Stellungnahme. Dabei
handelt es sich um den Nachfragebedarf zu den geführten Nachweisen zur Beherrschung des Bemessungserdbebens, zum Prüfkonzept des Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystems und zu Vorgaben im
Betriebshandbuch in diesem Zusammenhang.
Frau Kotting-Uhl.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, es war ja wunderbar, dass das
BMUB sich diesmal nicht als Murmeltier verhalten hat,
sondern die Frage, die ich schon dreimal gestellt habe,
endlich beantwortet hat. Vielen Dank dafür.
Dann zur nächsten Murmeltierfrage, zum Termin für
das Gundremmingen-Fachgespräch. Danach habe ich
auch schon gefragt. Das mache ich jetzt noch einmal.
Steht der Termin mittlerweile fest? Ich füge gleich
hinzu: Mich sorgt die lange Zeit; das Gutachten ist vor
einem Jahr vergeben worden. Deswegen frage ich: Wie
lange will das BMUB den Weiterbetrieb trotz der ungeklärten Sicherheitslage, also trotz nicht nachgewiesener
Störfallbeherrschung, dulden, bevor es eine klare Frist
zur Klärung der Regelwerkskonformität und Erdbebenfestigkeit setzt?
Bezüglich des Termins: Das BMUB signalisiert dem
Staatsministerium, dass es alsbald einen konkreten Termin erwartet.
Bezüglich des Betriebs: Hinsichtlich des Informationsbedarfs geht es um Detailfragen. Erst dann, wenn
die Stellungnahme der Sachverständigen abgeschlossen
ist, kann das BMUB seine Prüfung abschließen.
Frau Kotting-Uhl.
Danke schön. - Das dauert alles eigentlich ein bisschen zu lange. Ein Atomkraftwerk, das die Störfallbeherrschung nicht nachgewiesen hat, beständig am Netz
zu haben, ist eine Verstärkung des Risikos, das ein AKW
sowieso bedeutet.
In diesem Zusammenhang stelle ich noch eine weitere
Frage. Bei Gundremmingen geht es auch immer noch
um die Beherrschung bzw. Nichtbeherrschung des
Sumpfsiebproblems. Hat das BMUB hierzu eine Verhältnismäßigkeitsabwägung getroffen zwischen der laufenden Prüfung der GRS und der Duldung des Weiterbetriebs mit diesem potenziellen Mangel? Wenn ja, was
folgt daraus? Gibt es eine Überlegung, eine Deadline zu
setzen, wann die Störfallbeherrschung nachgewiesen
sein muss?
Zur Sumpfsiebproblematik ist meines Wissens nach
eine Weiterleitungsnachricht erfolgt. Ich würde Ihnen
gern zu diesen konkreten Fragen, die Sie jetzt gestellt
haben, eine Antwort schriftlich nachreichen.
({0})
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Es gibt noch
eine Frage zu diesem Themenbereich, der mich auch interessiert, weil Gundremmingen in meiner Nachbarschaft ist.
Es liegt zwar nicht in meiner Nachbarschaft, aber aufgrund der Erfahrungen aus den Ausschüssen kann mich
die Antwort, dass Sie „alsbald“ einen Termin erwarten,
nicht richtig zufriedenstellen. Wann wird mit einem Termin gerechnet? In welchem Quartal? Noch in diesem
Jahr oder noch in dieser Dekade? Vielleicht könnten Sie
einmal konkreter werden. Wird mit diesem erforderlichen Fachgespräch noch in diesem Jahr gerechnet, möglicherweise im dritten oder vierten Quartal? Können Sie
dazu eine konkrete Auskunft oder eine konkrete Antwort
geben?
Gut. - Was ist „alsbald“, Frau Staatssekretärin?
({0})
- Ich sage „was“, und ich bin die Präsidentin. So.
({1})
Um es ins richtige Licht zu rücken: Es geht hier um
Detailfragen, aber wir wollen es nicht abschließen, bevor
die Stellungnahme auf dem Tisch liegt. „Alsbald“ heißt
aber, dass wir signalisiert haben, dass wir jetzt vom
Staatsministerium zügig einen Termin erwarten.
({0})
Ich kann Ihnen jetzt kein Datum nennen. Ich kann Ihnen
jetzt auch nicht sagen, dass wir die Kavallerie satteln.
({1})
Aber wir haben doch deutlich gemacht, dass wir jetzt
wirklich einen Termin in absehbarer, nächster Zeit erwarten.
({2})
Dann sind wir jetzt von „alsbald“ in Richtung „zügig“
marschiert. - Danke schön, Frau Staatssekretärin.
Dann kommen wir zum nächsten Fragenkomplex.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Da stehen uns heute
zwei Staatssekretäre für die Beantwortung zur Verfügung: Stefan Müller und Thomas Rachel.
Wir fangen mit der Frage 24 der Kollegin KottingUhl an:
Welche neuen Projekte, für die in dieser Wahlperiode die
Bundesförderung beantragt oder bewilligt worden ist, ermöglichen die Fortführung von Arbeiten an sogenannten
Hochtemperaturreaktor-Code-Packages - HCP: elektronische
Vizepräsidentin Claudia Roth
Simulationssysteme für das Verhalten von Hochtemperaturreaktoren - im oder über das Jahr 2015 hinaus ({0}), und jeweils
wann war bzw. ist der Termin, an dem die betreffende Förderentscheidung des Bundes gefällt wurde bzw. werden soll ({1})?
Herr Müller antwortet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin
Kotting-Uhl, ich darf Ihnen berichten, dass in der aktuellen Legislaturperiode keine neuen Vorhaben aus Fördermitteln des Bundes bewilligt wurden, mit denen die
Weiterentwicklung der Hochtemperaturreaktor-CodePackages des Forschungszentrums Jülich unterstützt
wird. Ich darf allerdings hinzufügen, dass die Eingliederung eines Staubmodells in HCP im Rahmen eines Arbeitspunktes des derzeit noch laufenden Vorhabens
TARGET der RWTH Aachen durchgeführt wird. Dieses
Projekt ist am 26. März 2012 mit einem ursprünglichen
Laufzeitende zum 30. Juni 2015 bewilligt worden. Aufgrund aufgetretener Verzögerungen wurde die Laufzeit
am 23. September 2014 zunächst bis zum 31. März 2016
ausgabenneutral verlängert. Zwischenzeitlich hat der
Zuwendungsempfänger eine weitere Laufzeitverlängerung bis zum 31. Juli 2016 in Verbindung mit einer Mittelaufstockung um insgesamt circa 126 000 Euro beantragt, wobei hinzuzufügen ist, dass nur ein Teil der
126 000 Euro für die Eingliederung des Staubmodells in
HCP verwendet werden soll. Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass dieser Antrag derzeit geprüft wird.
Vielen Dank, Herr Müller. - Frau Kotting-Uhl.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, der
erste Teil Ihrer Antwort entspricht der Antwort, die ich
bereits im März von Ihnen bekommen habe. In dem Fall
ist es wirklich gut, dass die Antwort immer noch die
gleiche ist.
Das ist jedenfalls sehr hilfreich.
- Denn alles andere wäre eine Art Wortbruch gewesen.
Ich habe in der Frage auf den Foliensatz von Herrn
Professor Allelein hingewiesen, der auf der Seite der Internationalen Atomenergie-Organisation zu finden ist. Er
hat in seinem Vortrag umfangreich dargelegt, warum er
es beklagenswert findet, dass die Forschung an der
Hochtemperaturtechnologie unter Rot-Grün beendet
wurde. Auf seiner letzten Folie schreibt er:
There seems to be the possibility to continue the
HCP activity in the frame of a project funded by the
Federal Government
Das sagt ja aus, dass bei der Bundesregierung - vorher wird gesagt, dass diese bedaure, dass die Forschung
beendet wurde - die Möglichkeit gesehen werde, die
Forschung fortzuführen. Ist das völlig aus der Luft gegriffen? Wie kommt Professor Allelein dazu, es in einem
internationalen Vortrag so darzustellen?
Herr Müller.
Frau Kollegin, auch ich habe mir diese Präsentation
angesehen. In der Tat: Auf Seite 35 findet sich der von
Ihnen zitierte Satz. Ich könnte hier nur Vermutungen äußern, will aber Ihre Frage, ehrlich gesagt, nicht mit Spekulationen beantworten. Ich möchte nur so viel sagen:
Es ist für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar,
wie Herr Professor Allelein zu dieser Aussage kommt.
Zweite Nachfrage?
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich
würde gerne - Sie haben sich die Folien selbst angeschaut - noch den mittleren Bullet Point auf Folie 34 zitieren. Da steht:
This decision
- also das Ende dieser Forschung is in disagreement with the present policy of the
“black-red” federal government of Germany.
Wenn Sie auch hier sagen, dass Sie nicht wissen, wie
Professor Allelein zu dieser Aussage kommt, dann
würde ich Sie hiermit bitten, dies zu klären und Professor Allelein darauf hinzuweisen, dass es solche Absichten in Deutschland nicht gibt. Können Sie mir das zusagen?
Herr Müller, bitte.
Ich möchte in gleicher Art und Weise darauf antworten, wie ich es eben getan habe. Auch diese Aussage ist
für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar. Ich kann
allenthalben vermuten - ich sagte, ich will keine Vermutungen anstellen; jetzt tue ich es doch -, dass sie sich auf
den Verlängerungsantrag, von dem ich in der Beantwortung der Ausgangsfrage gesprochen habe, bezieht. Ich
kann Ihnen das nicht mit Gewissheit bestätigen, sage Ihnen aber gerne zu, dass wir dieser Frage nachgehen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Müller. - Ich sehe,
es gibt keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Gehring auf:
Inwiefern sieht die Bundesregierung die Bundesförderung
für die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen im Rahmen der Exzellenzinitiative - „Zukunftskonzept
RWTH 2020: Meeting Global Challenges“, mit dem unter anderem ein universitätsumfassendes Personal- und Organisationsentwicklungskonzept eingeführt werden soll - und des
Qualitätspakts Lehre - Vorhaben „RWTH 2020 Exzellente
Lehre - wir verbessern gemeinsam die Studienbedingungen
und die Lehrqualität“, wo es um „innovative Lehr- und Lernkonzepte und ein umfassendes studierendenzentriertes und
kompetenzorientiertes Qualifizierungsprogramm“ geht - vor
dem Hintergrund berührt, dass der Landesvorsitzende der
NRW-CDU und Privatdozent an der RWTH Aachen, Armin
Laschet, Noten erfunden hat, weil Unterlagen der Klausur, die
nach dem einwöchigen Blockseminar „Europa in der Berliner
Politik“ geschrieben wurde, abhanden gekommen sind ({0})?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung.
Herr Kollege Gehring, ich antworte Ihnen wie folgt:
Die Bundesförderung der RWTH Aachen im Rahmen
der Exzellenzinitiative und des Qualitätspaktes Lehre ist
durch den in Ihrer Fragestellung angesprochenen Vorgang nicht berührt.
Herr Gehring.
Vielen Dank. - Ich sehe das BMBF immer auch als
Hüterin wissenschaftlicher Redlichkeit in Deutschland.
Im Kern zielt meine Frage auf ein Blockseminar ab, das
der CDU-Fraktionsvorsitzende des Landtags NordrheinWestfalen gehalten hat. Er hat offenkundig im Rahmen
seiner Nebentätigkeit als Gastdozent an der RWTH Aachen
Prüfungsnoten schlichtweg erfunden. Ich finde es schon
relevant, zu wissen: Welche Auswirkungen hat das Ihrer
Meinung nach auf die Glaubwürdigkeit des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag Nordrhein-Westfalen, der
in seiner Rolle als Gastdozent außerordentlich unverantwortlich und auch unredlich agiert hat? Wie hätten Sie
sich, Herr Staatssekretär Rachel, damals als Student behandelt gefühlt, wenn Sie erfahren hätten, dass Ihre Leistung nicht gewürdigt wird, sondern Ihre Note zunächst
quasi gewürfelt und ausgedacht und später annulliert
wurde?
Herr Rachel, bitte.
Zu der ehrenamtlichen Dozententätigkeit im Einzelnen kann ich nichts sagen. Die RWTH Aachen hat eine
differenzierte Stellungnahme dazu abgegeben. Grundsätzlich ist es so, dass die Einhaltung des Landeshochschulgesetzes sowie der Studien- und Prüfungsordnung
natürlich der jeweiligen Hochschule bzw. dem jeweiligen zuständigen Bundesland obliegt.
Herr Gehring.
Ich möchte noch einmal nachfragen, weil die RWTH
Aachen eine wirklich sehr herausragende Universität ist,
die in erheblichem Umfang Mittel über die Exzellenzinitiative und auch über den Qualitätspakt Lehre erhält. Ich
möchte Sie fragen, ob aus Sicht der Bundesregierung das
schlichte Erfinden von Klausurnoten, wie es der Exprivatdozent und CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet
in diesem Blockseminar gemacht hat, unter die Förderlinie „innovative Lehr- und Lernkonzepte“ im Rahmen
des Qualitätspakts Lehre fällt.
({0})
Wie schätzen Sie das ein?
Herr Rachel, bitte.
Auch ein dritter Versuch über einen anderen Zugang
wird nichts daran ändern, dass die Einhaltung des Landeshochschulgesetzes und der Studien- und Prüfungsordnung der zuständigen Hochschule obliegt - die
RWTH Aachen hat dazu eine ausführliche Stellungnahme abgegeben - bzw. in der Zuständigkeit des Bundeslandes liegt.
({0})
Frau Haßelmann, haben Sie noch eine Rückfrage? Nein.
Danke, Herr Rachel.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Antworten wird der Parlamentarische
Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Kekeritz auf:
Wie will die Bundesregierung das auf dem EU-Ministerrat
am 26. Mai 2015 beschlossene Ziel - das 0,7-Prozent-Ziel zur
Entwicklungsfinanzierung innerhalb der Zeitachse der Post2015-Agenda, also bis 2030, zu erreichen - erreichen, wenn
sie sich bislang lediglich dazu hat durchringen können, für die
nächsten Jahre das Niveau bei 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, BIP, zu stabilisieren, und wie erklärt die Bundesregierung, dass nach den mir vorliegenden Informationen ausgerechnet Deutschland als eines der derzeit wirtschaftlich
stärksten Mitgliedsländer der EU sich als einer von nur vier
Mitgliedstaaten diesem verbindlichen Zeitrahmen verweigern
wollte?
Herr Fuchtel, bitte.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Herr Kollege Kekeritz, wie man dem Koalitionsvertrag entnehmen kann, strebt die Bundesregierung das
0,7-Prozent-Ziel an. Wenn man sich die Bilanz der Bundeskanzlerin anschaut, stellt man fest, dass sich das Budget des BMZ allein in der Regierungszeit von Angela
Merkel verdoppelt hat. Wenn man fragt, wie die Chancen stehen, dass dieses Ziel erreicht wird, kann ich nur
sagen, dass diese Regierung möglichst lange im Amt
bleiben sollte. Das ist die beste Voraussetzung dafür,
dass wir diesbezüglich vorankommen.
({0})
Ich gehe davon aus, dass Herr Kekeritz
({0})
dazu eine Rückfrage hat.
Ich habe eine Rückfrage und schätze den Sachverhalt
grundsätzlich anders ein.
Ich habe vorhin eine Frage gestellt, auf die die Kollegin Schwarzelühr-Sutter geantwortet hat. Durch ihre
Antwort ist mir bewusst geworden, wie Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen: Sie werden die bisher geplanten ODA-Mittel mit der zukünftigen Klimafinanzierung vermischen. So werden Sie das 0,7-Prozent-Ziel
erreichen.
Ich weiß, dass Minister Müller sehr viel Wert auf die
Zivilgesellschaft legt und mit Vertretern der Zivilgesellschaft sehr gut zusammenarbeitet. Glauben Sie, dass die
Zivilgesellschaft es tolerieren wird, dass sich diese Regierung von dem 0,7-Prozent-Ziel verabschiedet und
auch ihre Verpflichtungen im Bereich Klimaschutz nicht
erfüllen wird?
Herr Fuchtel.
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich kann Ihnen nur sagen, wie die Realität aussieht,
aber ich kann nichts zu Ihren Vermutungen sagen. Die
Realität sieht so aus: Im Jahr 2012 lagen wir bei
0,38 Prozent, dann bei 0,39 Prozent und jetzt bei
0,41 Prozent.
({0})
Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir das Budget um rund 2 Milliarden Euro aufgestockt. Zwischenzeitlich haben wir uns vorgenommen, nochmals etwa
rund 8 Milliarden Euro für den Zeitraum 2016 bis 2019
hinzuzufügen. Insofern haben wir das Budget in einem
überschaubaren Zeitraum um rund 10 Milliarden Euro
aufgestockt. Auf diese Weise baut man etwas auf. So
kommt man am besten voran. Wenn sich andere Finanzierungsmöglichkeiten ergeben, müssen diese natürlich
berücksichtigt werden; denn das Ziel, das Geld, das dafür gebraucht wird, zusammenzubringen, ist sehr ambitioniert.
Herr Kekeritz, Ihre zweite Frage.
Es ist interessant, zu erfahren, wie viele Milliarden
Sie in diesen Topf legen. Angesichts dessen frage ich
mich allerdings, warum Sie als Zieljahr, als Jahr, in dem
Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen, das Jahr 2030
angeben. Bei dem Tempo erreichen Sie das Ziel in drei,
vier Jahren.
Ich stelle meine Frage noch einmal ganz konkret:
Plant diese Regierung, die Zusammenlegung der bisher
für die Entwicklungszusammenarbeit gebundenen Beträge, die natürlich in vielen Bereichen auch klimarelevant sind, zu mischen mit den Ausgaben für die Klimafinanzierung ab 2020?
Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung:
Ich könnte nur das, was ich gerade gesagt habe, wiederholen.
Ich sehe keine weiteren Meldungen zu diesem Geschäftsbereich. - Danke, Herr Fuchtel.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Tabea
Rößner werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 29
und 30 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz
- Auswirkungen der Arbeit des 1. Untersuchungsausschusses auf die Kooperation mit US-amerikanischen
Stellen - werden auch schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung.
Die Frage 31 des Abgeordneten Omid Nouripour
wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 32 der Abgeordneten Bärbel Höhn
auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Ankündigung des norwegischen Staatsfonds, seine Gelder
aus Unternehmen, die 30 Prozent ihrer Geschäfte oder Einnahmen mit Kohle machen, abzuziehen ({0}), und
welche Rückschlüsse zieht sie daraus für die in Deutschland
betroffenen Konzerne?
Frau Gleicke, bitte.
Liebe Kollegin Höhn, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse
darüber vor, an welchen deutschen Konzernen der norwegische Staatsfonds Beteiligungen hält. Sofern deutsche Unternehmen vom angekündigten Rückzug des
Fonds betroffen sein sollten, stellen sich unternehmensinterne Finanzierungsfragen, die nicht von der Bundesregierung kommentiert werden können.
Frau Höhn.
Es geht in meiner Frage darum, dass der norwegische
Staatsfonds sich entschieden hat, seine Investitionen in
solche Unternehmen zurückzuziehen, die sich zu mindestens 30 Prozent bei Kohle oder anderen fossilen
Energieträgern engagieren, weil er das für zu risikoreich
hält. Das gilt nicht nur für den norwegischen Staatsfonds, sondern auch für mehrere Städte, zum Beispiel für
Paris und San Francisco, aber auch für die Universität
Harvard und den Weltkirchenrat. Das gilt also für sehr
viele.
Ist denn der Bundesregierung bekannt, dass sich jetzt
auch eine Stadt in Deutschland, nämlich die Stadt Münster, entschieden hat, das sogenannte Divestment, also
keine Investitionen in Unternehmen fließen zu lassen,
die stark in fossilen Energien engagiert sind, zu machen?
Wie bewertet das die Bundesregierung?
Ich will noch einmal auf den norwegischen Staatsfonds zurückkommen, weil Sie die 30 Prozent ansprachen. Für die Bundesregierung ist eine Bewertung natürlich schwierig, weil wir nicht wissen, welche Anteile
dieser norwegische Staatsfonds an Unternehmen in
Deutschland hält, da sich das unserer Kenntnis natürlich
entzieht.
Das 30-Prozent-Kriterium ist von Unternehmen bewertet worden. Dazu hat zum Beispiel ein Eon-Sprecher
gesagt, er wisse noch nicht, ob man von der Entscheidung des norwegischen Staatsfonds betroffen sei; denn
es sei nicht ganz klar, worauf sich die 30-Prozent-Marke
beziehe. Bei Umsatz, Betriebsergebnis oder Stromproduktion liege der Konzern unter dieser Schwelle. Auch
RWE hat sich ähnlich geäußert, sodass diese 30 Prozent
offenkundig ganz unterschiedlich bewertet werden.
Was die Stadt Münster angeht, kann ich Ihnen nur
meine persönliche Auffassung sagen. Das ist noch nicht
an mich herangetragen worden. Aber vielleicht können
Sie mir nachher diese Information geben.
Frau Höhn, wenn Sie wollen, haben Sie Gelegenheit
zu einer zweiten Frage.
Dann bekomme ich auch eine bilaterale Bewertung
von Ihnen. Das freut mich sehr.
Ich will aber noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Zu diesem Thema habe ich eine Kleine Anfrage gestellt. Darauf haben Sie geantwortet, dass es sinnvoll
wäre, wenn sich Kreditinstitute stärker mit Megatrends
zum Klimawandel auseinandersetzten. Gleichzeitig haben Sie in einer anderen Antwort gesagt, dass die Bundesbank keine Klimastrategie hat, weil sie - Zitat - „primär geld- und währungspolitische Ziele“ verfolgt.
Nun weiß ich von den Abgeordneten der Grünen im
Berliner Abgeordnetenhaus, die eine Anfrage beim Berliner Senat gestellt haben, dass das Land Berlin bei seinen Versorgungsrücklagen - das sind Langfristanlagen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank diese
Anlagenstrategie entwickelt.
Ist es unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der
Renten für die Arbeiter und Angestellten des Landes
Berlin sowie wahrscheinlich auch von anderen Bundesländern nicht doch sinnvoll, dass sich zum Beispiel die
Deutsche Bundesbank eine Klimastrategie überlegt und
damit solche Aspekte von Langfristrisiken einbezieht?
Liebe Frau Kollegin Höhn, in der Antwort auf Ihre
Kleine Anfrage, die Ihnen erst in den letzten Stunden zugegangen ist, steht natürlich, dass wir das selbstverständlich begrüßen.
Wir diskutieren die Fragen, die dahinterstehen: Haben
wir eine Blase bei den Investitionen, die sich wiederum
aufbaut? Haben wir damit zu rechnen, dass wir Ähnliches wie bei anderen Blasen erleben, die sich an der
Börse dargestellt haben? Diese Diskussion ist gerade erst
in Gang gekommen. Wir begrüßen es sehr, dass sich beispielsweise auch der internationale Finanzstabilitätsrat
mit diesem Thema beschäftigt. Wir müssen uns allerorten damit beschäftigen. Im Moment ist diese Diskussion,
wie gesagt, in einem ganz frühen Stadium, deshalb können wir keine Ergebnisse vorlegen. Aber ich gehe davon
aus, dass sich selbstverständlich auch Banken und Anlageunternehmen damit beschäftigen werden.
Vielen Dank, Frau Gleicke. - Ich sehe keine weiteren
Meldungen zu dieser Frage.
Dann kommen wir zu den Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Annalena Baerbock. Sie werden schriftlich
beantwortet. Die Frage 35 des Kollegen Oliver Krischer
wird, weil der Kollege immer noch im Ausschuss ist,
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Michael Roth ist vorausschauend verschwunden,
weil die Frage 36 des Abgeordneten Andrej Hunko, die
Frage 37 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, die
Frage 38 des Abgeordneten Dr. André Hahn, die Fragen
39 und 40 der Abgeordneten Sevim Dağdelen sowie die
Vizepräsidentin Claudia Roth
Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Heike Hänsel
schriftlich beantwortet werden.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.35 Uhr. Dann geht es weiter
mit der Aktuellen Stunde. Genießen Sie die halbe Stunde
Pause.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Aktueller VN-Bericht - Menschenrechtsverletzungen in Eritrea stoppen
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Gabriela Heinrich für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und
Kolleginnen! 200 000 Menschen waren bis Ende 2014
aus Eritrea in die Nachbarländer Sudan und Äthiopien
geflüchtet. In Europa beantragten im letzten Jahr 37 000
Eritreerinnen und Eritreer Asyl, in Deutschland waren es
über 13 000. Damit stand das ostafrikanische Land letztes Jahr an dritter Stelle der Herkunftsländer.
Jetzt hat der Bericht der Vereinten Nationen eine vergessene Krise ans Tageslicht und in das öffentliche Bewusstsein gezerrt. Eritrea ist ein totalitär regierter Staat.
Eritrea belegt den letzten Platz der Pressefreiheitliste
von Reporter ohne Grenzen. Verschwindenlassen, Willkür, Folter, jahrelange Zwangsarbeit, die als Sklaverei
bezeichnet werden muss, gehören zur permanenten Realität der Menschen. Hinrichtungen und unsägliche Haftbedingungen in unterirdischen Verliesen kommen hinzu.
Die Täter gehören oft staatlichen Stellen an: der Polizei,
den Geheimdiensten, sonstigen Behörden bis hin zu den
höchsten Kreisen der Politik. Der Bericht spricht davon,
dass Folter nicht etwa vereinzelt oder durch besondere
Gruppen verübt wird, nein, es handele sich vielmehr um
systematische Folterpolitik der Regierung.
Die Menschen, die versuchen, diesem Elend zu entfliehen, nehmen ungeheure Risiken auf sich. Sie müssen
sich Schleppern anvertrauen, und auf dem Weg lauern
Gewalt, Ausbeutung, Vergewaltigung, Folter, um Geld
zu erpressen, und im schlimmsten Fall der Tod. Niemand
von uns kann sich vorstellen, wie furchtbar ein Leben
sein muss, damit jemand diesen Weg geht. Die Unterdrückung hat einen langen Arm. Denn selbst diejenigen,
denen die Flucht gelungen ist, werden gezwungen, viel
Geld aus dem Ausland zu überweisen. Tun sie das nicht,
müssen ihre Angehörigen büßen, die in Eritrea geblieben
sind.
Die Kommission hat eine lange Liste von Forderungen erstellt, um die Menschenrechtslage in Eritrea zu
verbessern. Es fehlt an allen Grundprinzipien der
Rechtsstaatlichkeit. Ich habe keine Ahnung, ob sich
Politik, Behörden und Armee dort darum scheren, was
sich aus Sicht der Vereinten Nationen ändern muss. Fakt
ist: 3 000 bis 5 000 Menschen verlassen das Land - pro
Monat! -, und das trotz der Gefahr; denn auf Menschen,
die aus dem Land fliehen, wird scharf geschossen.
Ich muss sagen: Ich fühle mich sehr hilflos in Bezug
darauf, was wir ändern können. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Eritrea musste 2008 beendet
werden. Deutsche Nichtregierungsorganisationen sind
nur noch punktuell im Land tätig. Von außen ist es schier
unmöglich, die Menschen in Eritrea vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wir können den Staat
Eritrea, so wie ihn der UN-Bericht beschreibt, mit keinem Euro unterstützen, ohne dass das Geld in falsche
Hände gerät. Aber wir müssen es dann auf einem indirekten Weg versuchen.
Zunächst müssen wir in dieser Region Ostafrikas alles daransetzen, die schlimmste Not zu lindern. Wenn
200 000 Menschen in ja ebenfalls instabile Länder fliehen, können sie vielleicht der persönlichen Verfolgung
und dem Terror entgehen, nicht aber dem Hunger und
den fast notwendig neu entstehenden Konflikten in den
Aufnahmeländern. Wir müssen noch stärker den Sudan
und Äthiopien dabei unterstützen, die Flüchtlinge aus
Eritrea zu versorgen und menschlich mit ihnen umzugehen.
({0})
Der Bericht der Vereinten Nationen nennt in zehn
Punkten Forderungen an die internationale Gemeinschaft, die dringend umgesetzt werden müssen. Ich
möchte drei Aspekte herausgreifen, die mir für die deutsche Politik besonders wichtig und gleichzeitig praktikabel erscheinen:
Erstens. Wir dürfen Eritreerinnen und Eritreer, die als
Flüchtlinge zu uns kommen, nicht zurückweisen.
Zweitens. Wir müssen legale Migrationswege ermöglichen, damit sich die Menschen nicht Schlepperbanden
anvertrauen und den Gefahren im Mittelmeer aussetzen
müssen.
Und drittens. Wir müssen Menschenhändler, Menschenschmuggler und Schlepper bekämpfen und auch
die Erpresser in Deutschland ins Visier nehmen, die die
Flüchtlinge unter Druck setzen.
Die beiden letzten Forderungen gelten natürlich nicht
nur für Flüchtlinge aus Eritrea.
In Europa ist zumindest einiges in Bewegung gekommen. Wir müssen eine gemeinsame Flüchtlingspolitik
schaffen, die sich an der Würde der Menschen und auch
an den Realitäten orientiert. Hier sind wir vor allem gefordert - nicht nur für die Menschen, die aus Eritrea fliehen.
Vielen Dank.
({1})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Annette Groth
für die Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Heinrich hat schon die dramatische Menschenrechtslage in Eritrea geschildert. Der Bericht, der einen
Umfang von 464 Seiten hat, zeigt detailliert auf, dass in
dem Land willkürliche Hinrichtungen, Zwangsrekrutierungen für die Armee, systematische Folter und politische Verfolgung von Menschen an der Tagesordnung
sind. Gabriele Heinrich hat auch gesagt: Es ist eine unvorstellbare Zahl, dass monatlich fast 5 000 Menschen
Eritrea verlassen. - Die meisten von ihnen gehen in die
Nachbarländer; im Oktober 2014 waren etwa 110 000
Flüchtlinge im Sudan und mehr als 100 000 in Äthiopien
gemeldet. In der EU sind derzeit fast 360 000 eritreische
Staatsangehörige als Flüchtlinge registriert. Auch unter
den Toten des Mittelmeers sind viele Flüchtlinge aus
Eritrea. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf
- wie so häufig schon -: Öffnen Sie endlich die Grenzen
für Menschen in Not!
({0})
Starten Sie eine über das gesamte Mittelmeer angelegte
Rettungsmission für die Flüchtlinge, damit die Menschen, die vor Gewalt und Folter fliehen, nicht länger im
Mittelmeer ertrinken!
({1})
Ein besonders dramatisches Beispiel sind die Flüchtlinge, die in den Sinai verschleppt und dort festgehalten
werden. Von 2009 bis 2013 sind im Sinai zwischen
25 000 und 30 000 Personen Opfer des Menschenhandels geworden, darunter etwa 90 Prozent Eritreer. Bis zu
50 000 Dollar müssen Angehörige für ihre verschleppten
Verwandten bezahlen. Die Erpressungen werden mit
brutaler Folter und äußerster Grausamkeit durchgeführt.
Die Angehörigen mussten bei Liveschaltungen der Misshandlung ihrer Familienangehörigen zuhören. Zwischen
5 000 und 10 000 Menschen haben diese grausamen
Menschenhändler ermordet. Es gab und gibt immer wieder Hinweise auf den profitablen Handel mit Organen,
die den Opfern entnommen worden sind. Wie die Lage
im Sinai heute ist, weiß man nicht, da dieses Gebiet von
der ägyptischen Armee total abgeriegelt ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die eritreische
Regierung den UN-Ermittlern jegliche Zusammenarbeit
verweigert und sie nicht ins Land gelassen hat, ist wirklich skandalös.
({2})
Grundlage des Berichts sind deshalb 550 vertrauliche
Interviews mit Zeugen außerhalb Eritreas sowie
160 schriftliche Aussagen von Betroffenen. Viele potenzielle Zeugen haben selbst in den Asylländern noch
Angst vor Übergriffen sowie vor Repressalien gegen zurückgebliebene Verwandte und lehnen darum Aussagen
vor den Ermittlern ab.
Die alltägliche sexuelle Gewalt gegen Frauen konnte
in den Interviews nur ansatzweise erfasst werden, da
aufgrund der Scham der Opfer und der Angst vor Stigmatisierung viele eritreische Frauen nicht über die ihnen
angetanen Verbrechen sprechen wollen. Noch immer
werden Jungfräulichkeit, Keuschheit und Monogamie
hochgehalten. Selbst Opfern von Vergewaltigungen wird
unterstellt, Schande über ihre Familien gebracht zu haben.
Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1993 - die Eritreer
votierten in einer Volksabstimmung fast einstimmig für
eine Loslösung von Äthiopien - herrscht in Eritrea ein
permanenter Kriegszustand. Die gesamte Wirtschaft
funktioniert als Kriegsökonomie. Der Grenzkonflikt hat
zwischen 70 000 und 100 000 Tote gefordert und über
1 Million Menschen zu Umsiedlungen gezwungen.
Gleichzeitig teilen sich wenige Clans die Kriegsprofite unterstützt von Interessengruppen außerhalb des Landes,
die daran ganz gut verdienen.
Eritrea gehört mit einem Bruttoinlandsprodukt von
550 US-Dollar pro Kopf zu den ärmsten Ländern der
Welt. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung steht seit
vielen Jahren unter Waffen oder muss im Anschluss an
den Wehrdienst eine nationale Dienstpflicht ableisten.
Um dem zu entgehen, fliehen so viele aus Eritrea.
Auf dem Evangelischen Kirchentag in Stuttgart hat
Entwicklungsminister Gerd Müller angekündigt, in den
nächsten Wochen nach Eritrea zu reisen. Ich hoffe, dass
er dort die massive Repression und die täglichen Menschenrechtsverletzungen thematisiert und auf eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtslage drängt. In
den letzten Wochen hat Gerd Müller immer wieder Folgendes betont - ich zitiere -:
Wir müssen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge aktiv sein, damit sich nicht noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen.
Eritrea ist nach Syrien, Serbien und Afghanistan auf
Platz vier der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge
nach Europa kommen. Darum hoffe ich nicht, dass er
unter den gegebenen Bedingungen ein mögliches Rückkehrabkommen mit der eritreischen Regierung diskutiert, wie das mit so vielen anderen repressiven Ländern
geschehen ist.
Danke.
({3})
Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Diese Debatte, die ausgelöst wurde durch den
Bericht von Montag, wollen wir heute führen, um klarzumachen, was in Eritrea tatsächlich passiert. Meine beiden Vorrednerinnen haben vieles schon vor Augen geführt.
Vor eineinhalb Jahren saß eine Dame von der Organisation „Human Rights Concern - Eritrea“ in meinem
Büro und hat mich gebeten, ihren Namen nicht zu nennen, weil sie sonst selber gefährdet wäre. Daraufhin habe
ich mit der Sonderberichterstatterin, Sheila Keetharuth,
telefoniert. Mir wurde vor Augen geführt, wie brutal die
Verhältnisse dort sind, und ich wünsche mir, dass dies
durch diese Debatte für alle klar und deutlich wird.
Der Bericht, der seit Montag vorliegt, bestätigt genau
das, was Frau Keetharuth damals, vor etwa zwei Jahren,
schon geahnt hat. Ich zitiere die Experten: „In Eritrea
herrscht nicht das Recht, sondern die Angst.“ In ihrem
Bericht weisen die drei Ermittler auf massive Verletzungen der Menschenrechte durch den Staat hin, die den
Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.
Ist das Diktatur? Darüber streitet man sich. Ich würde
das Fragezeichen weglassen. In der Liste der Menschenrechtsverbrechen - teilweise sind sie schon aufgeführt
worden -, die aufgrund von über 550 Interviews erstellt
wurde - alle Interviewten wollten anonym bleiben, weil
sie sonst gefährdet wären -, stehen: willkürliche Festnahmen, Inhaftierung, Folter, Verschwindenlassen, grausamste Haftbedingungen, Zwangsarbeit, systematisches
Verbrechen des Staates gegen das Privatleben, schwerwiegende Einschränkungen - es gibt eine Klassifizierung - der Bewegungsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der
Glaubensfreiheit und der Versammlungsfreiheit, keine
Pressefreiheit, keine Rechtsstaatlichkeit, „shoot-to-kill
policy“, willkürliche Tötungen, Isolationshaft für Kinder, Vergewaltigung durch staatliche Behörden. Meine
Liste hat noch einige Punkte mehr.
Reporter ohne Grenzen beschreibt den Staatspräsidenten Isayas Afewerki als einen „mitleidlosen Diktator“. Human Rights Watch spricht von einer „totalitären
Kontrolle“ durch das Regime. Alle Ingredienzien einer
Diktatur sind vorhanden. Viele auch meiner Kollegen reden vom „Nordkorea Afrikas“. Georgette Gagnon, die
Direktorin der Afrika-Abteilung von Human Rights
Watch, sagt: „Eritreas Regierung verwandelt das Land in
ein riesiges Gefängnis.“
Der Schwerpunkt dabei liegt - das ist auch schon genannt worden - auf Sklaverei und Zwangsarbeit, unter
anderem im unbefristeten militärischen Zwangsdienst.
Manche Menschen haben sich nach 17 Jahren Militärdienst endlich entschieden, zu fliehen, und können nun
Aussagen darüber machen. Kinder werden zum Wehrdienst gezwungen. Folter und eine grausame und unmenschliche Behandlung sind beim Militärdienst an der
Tagesordnung. Frauen und Mädchen werden innerhalb
dieses Dienstes als Sexsklaven gehalten. Sogar Behinderte werden zum Wehrdienst gezwungen.
Die Konsequenz davon ist Menschenhandel. Von den
Folgen haben wir gerade gehört; denken Sie an die Menschen im Sinai. Die Flüchtlinge sind hilflos und sind den
Menschenhändlern und Schmugglern durch ihre Schwäche ausgeliefert. Ich zitiere noch einmal aus dem UNBericht:
In ihrer Verzweiflung riskieren sie tödliche Fluchtrouten durch Wüsten und Bürgerkriegsländer und
den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer.
UNHCR schätzt - wir haben die Zahlen gerade gehört -, dass 5 Prozent der Bevölkerung geflohen sind, jeden Monat sind es mehrere Tausend Menschen. Allein
im Juli letzten Jahres waren 357 406 Menschen auf der
Flucht. Auf dieser Flucht erleben die Menschen Menschenhandel und Menschenschmuggel, Organentnahme,
Bedrohung mit einer Organentnahme und Totschlag.
Noch ein Zitat aus dem Bericht von Human Rights
Watch, den wir wenige Wochen vorher bekommen haben:
Alle Zeugen, mit denen Human Rights Watch gesprochen hat, berichteten, dass sie Folter beobachtet
haben oder selbst misshandelt wurden. Nach diesen
Angaben wurden etwa sowohl Frauen als auch
Männer vergewaltigt und mit Elektroschocks gequält. Den Opfern wurden die Genitalien und andere Körperteile mit glühenden Eisen, kochendem
Wasser, geschmolzenem Plastik und Gummi sowie
mit Zigaretten verbrannt.
Was kann man tun? Ja, Aufsehen erregen, es deutlich
machen, schockieren, weil die Sache selber schockierend ist. Das bisherige Engagement der Bundesregierung
ist zu begrüßen. Ich nenne nur die Schaffung des Mandats der Sonderberichterstatterin wie auch die Verlängerung dieses Mandats im letzten Jahr. Im UPR-Prozess
haben wir deutliche Worte gegen dieses Regime gefunden und die Einrichtung einer Untersuchungskommission unterstützt. Und: Ja, der Minister wird dorthin fahren. Wir werden ihn ermutigen, dort genauso wenig zu
schweigen, wie er es hier auf dem Kirchentag getan hat.
Das Auswärtige Amt hat die eritreische Aufbausteuer
von 2 Prozent, die im Ausland lebende Bürger Eritreas
an ihren Staat abführen sollen, immer wieder verurteilt
und deutlich gemacht: So etwas darf es nicht geben. Mein Appell an unsere Regierung ist, beim Vorgehen gegen Eritrea gerne noch einen Gang höher zu schalten.
Ich bin dankbar, dass unser Minister dort hinfährt.
Ich nenne in diesem Zusammenhang auch Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft, nämlich den
Grundsatz der Nichtzurückweisung mit Blick auf Flüchtlinge aus Eritrea zu beachten. Die Menschenrechte sollten bei jedwedem Engagement mit Eritrea im Vordergrund stehen. Ich vermute, dass dies auch beim
Ministerbesuch der Fall sein wird.
Als letzten Punkt richte ich natürlich auch einen Appell an Eritrea, die Zusammenarbeit mit den Vereinten
Nationen nicht nur wiederaufzunehmen, sondern eigentlich erst richtig zu beginnen. Die Mitglieder der Untersuchungskommission haben ihre Erkenntnisse aufgrund
Frank Heinrich ({0})
von Interviews, vertraulichen Gesprächen gewonnen; sie
selbst durften nicht in das Land. Wenn also von Eritrea
behauptet wird, diese Berichte seien alle nicht wahr,
dann soll es bitte die Experten in ihr Land kommen und
die Vorfälle untersuchen lassen.
Eine weitere Forderung ist die Anerkennung von
Menschenrechtsverletzungen in Eritrea und die Umsetzung der Verfassung von 1997. Das Regime in Eritrea
soll endlich das selbst gegebene Wort halten. Eine letzte
Forderung ist die Achtung der Verpflichtungen gemäß
den internationalen Menschenrechtsübereinkommen, die
Eritrea selbst unterschrieben hat. Wir bitten das Regime,
an dieser Stelle endlich Wort zu halten.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({1})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Omid Nouripour das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eritrea
hat deutlich mehr Aufmerksamkeit als bisher verdient.
Deshalb möchte ich der Koalition dafür danken, dass sie
heute diese Aktuelle Stunde dazu beantragt hat.
Wir haben vor einigen Monaten eine Kleine Anfrage
über die Situation in Eritrea gestellt. Wenn man die Antworten liest, könnte man denken, dass der Grad der Aufmerksamkeit, den die Bundesregierung dem Thema widmet, nicht ausreichend ist. Kaum eine Antwort beinhaltet
Erkenntnisse aus eigenen Quellen. Bei vielen Aussagen
ist man sich nicht sicher, ob die Quellen wirklich hinterfragt worden sind.
Ein Beispiel, das vorhin bereits genannt worden ist:
Es nennt sich Militär- und Zivildienst, ist aber faktisch
ein Frondienst, der vom 18. bis zum 40. Lebensjahr dauern kann. Wir haben die Frage gestellt, was passieren
würde, wenn statt der mehr als 18 Jahre die ursprüngliche Dauer von 18 Monaten eingeführt würde. Die Antwort der Bundesregierung ist: Wahrscheinlich würden
15 000 Menschen freigesetzt. - Wahrscheinlich wären es
mehr als eine halbe Million Menschen. Die Zahl der
Bundesregierung basiert auf Aussagen eines Präsidentenberaters. Ich glaube nicht, dass Eritrea in diesen Zeiten ein Land ist, in dem man auf Worte eines Präsidentenberaters zählen kann.
Europa hat eine große Verantwortung für Eritrea. Die
mit barbarischen Mitteln durchgeführte Kolonialisierung
hat das Land jahrhundertelang unterworfen und ausgeraubt. Dieses koloniale Erbe entschuldigt nichts von
dem, was heute in diesem Land passiert. Das darf man
nicht verkennen und auch nicht durcheinanderwerfen.
Aber dieses Erbe und die Verantwortung sollten uns daran erinnern, dass wir das Land und die Situation der
Menschen dort nicht aus den Augen verlieren dürfen.
({0})
Diese Situation wird von dem UN-Bericht auf dramatischste Art und Weise beschrieben. Es ist mehr als erschütternd, und es ist kaum möglich, darüber mit ruhigem Blut zu sprechen, wenn man sich allein das Kapitel
über die Foltermethoden anschaut. Ich will nur zwei Beispiele nennen, die aber Alltag sind.
Eine Foltermethode trägt den unglaublich zynischen
Namen „Hubschrauber“. Dabei werden Menschen an
Händen und Beinen gefesselt und rücklinks an einen
Baum gebunden, bis ihre Extremitäten so entzündet sind,
dass man sie amputieren muss.
Ein anderes Beispiel sind die Container. Die Haftbedingungen sind dramatisch. In Containern von 1,50 mal
5 Metern Größe werden 18 oder mehr Menschen tagelang in der größten Sonnenhitze eingepfercht, ohne dass
sie Wasser zu trinken bekommen. Teilweise werden die
Container in Erdlöcher eingegraben.
Das Besondere in diesem Land ist: All das kann jedem passieren. Die Höllenmaschinerie kann jeden und
jede treffen, ohne Anklage und ohne Prozess. Die Situation, die in dem Bericht beschrieben wird, illustriert das,
was der französische Autor Léonard Vincent einen „Gulag unter freiem Himmel“ genannt hat.
Eritrea ist in Deutschland in erster Linie wegen der
hohen Zahl von Flüchtlingen aus dem Land in den
Schlagzeilen. Wer den UN-Bericht liest, fragt sich: Was
bleibt den Menschen übrig, außer zu fliehen? Auf die Situation der Flüchtlinge und die damit verbundene Dramatik wird mein Kollege Tom Koenigs noch eingehen.
Das Problem ist jetzt, dass wir nicht in eine Logik
verfallen dürfen, die der Flüchtlingsabwehr die höchste
Priorität einräumt. Wenn die EU nun ein Hilfspaket von
200 Millionen Euro oder mehr ankündigt, stellt sich die
Frage, was mit diesem Geld geschieht. Wo landet dieses
Geld? Landet es in den Kassen von Präsident Afewerki?
Ist das das perverse Spiel, das man sich vorstellt? Er behandelt die Menschen in seinem Land so schlecht, dass
sie fliehen, im vollen Wissen, dass Flüchtlinge in Europa
nicht immer willkommen sind, und wir helfen ihm, damit er wieder Geld hat und die Leute noch mehr unterdrücken kann. Das ist ein perverses Spiel. Auf so eine
zynische Erpressung dürfen wir uns auf keinen Fall einlassen.
({1})
Wir müssen den Menschen helfen. Es gibt viele
Wege, das zu tun. Aber wir müssen auch die afrikanischen Staaten daran erinnern, dass sie eine Verantwortung haben, allen voran Äthiopien. Es ist höchste Zeit,
dass Äthiopien die Grenzziehung, die von der Haager
Kommission im Jahr 2002 festgelegt wurde, endgültig
anerkennt. Das würde nämlich dem Regime Afewerki
und seiner Behauptung, in einem ständigen Krieg zu
sein, den letzten Anschein von Legitimation nehmen.
Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für die deutsche
und die europäische Diplomatie.
Das Wichtigste ist - das dürfen wir nicht vergessen -:
Wir müssen mit allen Signalen deutlich machen, dass
wir das Regime, aber nicht die Menschen isolieren wollen. Wir haben eine große Gemeinde von Menschen aus
Eritrea in unserem Land, die eine große Hilfe sein können, um Brücken zu bauen, damit wir im Land selbst
Verbündete suchen können.
({2})
Die leider viel zu früh von uns gegangene schwedische Außenministerin Anna Lindh hat einmal gesagt: Es
kann niemals funktionieren, Macht nur auf Gewalt und
Unterdrückung zu gründen. - Sie hat völlig recht. Wir
sollten diesen Worten folgen. Wir sollten aber auch Taten folgen lassen. Die Frage, wie man mit Flüchtlingen
umgeht, ist kein Grund, dem Regime in Eritrea weitere
Hilfen zukommen zu lassen, damit dieses die Situation
weiter verschlechtert. Das wäre Verrat nicht nur an unseren Werten, sondern auch an unseren Interessen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit
({3})
Der Kollege Dr. Bernd Fabritius hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir diskutieren heute einen Bericht über die
Menschenrechtslage in Eritrea, der es in sich hat. Minutiös werden darin haarsträubende Details zur Lage in
dem Land aufgelistet, in dem seit seiner Unabhängigkeit
von Äthiopien im Jahre 1993 vor allem Hunger, Angst
und Repressionen herrschen. Der seit kurzem vorliegende Bericht einer eigens dafür vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Untersuchungskommission kommt
zu dem Schluss, dass die Regierung in Eritrea systematisch, weitreichend und massiv Menschenrechtsverletzungen begeht. Die schwerwiegenden Vorwürfe reichen
vom Aufbau eines repressiven Systems, in dem Bürger
willkürlich inhaftiert, gefoltert und getötet werden, über
den Zwang zu einem meist langjährigen übermäßigen
Militärdienst, dessen Umstände oft zu Krankheit oder
Tod führen und der heute schon angesprochen wurde, bis
hin zum Aufbau eines regelrechten Überwachungsstaates, in dem Bürger dazu angehalten werden, sich gegenseitig zu bespitzeln. Die gesellschaftliche Destruktion,
die von so etwas ausgeht, kann sich jeder vorstellen.
Bei der Presse- und Meinungsfreiheit sieht es nicht
besser aus. In der Rangliste zur Pressefreiheit belegt
Eritrea seit 2007 bis heute jedes Jahr den letzten Platz,
180 von 180. Man muss sich vor Augen halten, dass das
Land damit sogar noch hinter Syrien, Turkmenistan und
Nordkorea liegt. Private Medien sind verboten, ausländische Korrespondenten befinden sich schon seit Jahren
nicht mehr in Eritrea. Die staatlichen Medien unterliegen
laut Reporter ohne Grenzen einer Vorabzensur und werden scharf überwacht. Darüber hinaus sitzen Dutzende
Journalisten teils ohne Urteil in Haft. Auch sie werden
selbstverständlich gefoltert.
Ich könnte noch endlos weitere erschreckende Befunde vortragen, aus dem UN-Bericht, aber auch aus anderen Quellen. Die Organisation Amnesty International
listet beispielsweise in ihrem aktuellen Länderreport zu
Eritrea ähnliche Verbrechen auf. Bezeichnend ist auch
der Umstand, dass die Mitglieder der UN-Untersuchungskommission für ihre Recherchen nicht einmal in
das Land hineingelassen wurden. Das allein zeigt bereits, was die dortige Regierung von Menschenrechten
hält, nämlich gar nichts. Auch das hat die Kollegin Groth
zu Recht bereits angesprochen.
Die Untersuchungskommission der UN fasst ihren
Bericht letztlich treffend mit dem ebenfalls bereits zitierten Satz zusammen: „In Eritrea herrscht nicht das Recht,
sondern die Angst.“ Diese Angst und diese Zustände
führen letztlich zu steigenden Flüchtlingszahlen. Ein
nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist bereits aus
dem Land geflohen. Bei uns in Deutschland machen
Menschen aus Eritrea den weitaus größten Anteil an den
Asylbewerbern aus Afrika aus. Die Anerkennungsraten
sind aufgrund der Menschenrechtslage im Herkunftsland
zu Recht hoch, auch weil im Ausland Asyl suchende Eritreer bei der Rückkehr in ihr Land selbstverständlich inhaftiert werden.
Natürlich ist auch im Falle Eritreas der Grundsatz
richtig, die Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen. Allerdings ist das unter den dortigen Bedingungen schwierig.
Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands mit Eritrea musste beispielsweise im Jahr 2008 eingestellt werden, weil aufgrund der totalen Kontrolle der Regierung
jegliche effektive Entwicklungshilfe unterbunden ist.
Diese würde letztlich nur den Herrschenden, nicht aber
der Bevölkerung zugutekommen. Das darf nicht so bleiben. Gerade deshalb hat es mich gefreut, zu hören, dass
unser Bundesminister Gerd Müller in zwei Wochen nach
Eritrea reisen wird; denn es gilt, jede noch verbleibende
Möglichkeit auszuloten, wie die Not der Menschen in
dem Land gelindert werden kann, auch wenn man hierfür mit den Machthabern vor Ort zusammenarbeiten
muss. Ich freue mich, liebe Frau Kollegin Groth, dass
Sie dazu Zustimmung avisiert haben.
Die Regierung Eritreas begründet ihr Verhalten mit
der angeblichen Notwendigkeit, das noch junge Land zu
stabilisieren. Außerdem sei das Verhältnis zum Nachbarn Äthiopien weiterhin angespannt. Die Argumentation ist natürlich lächerlich. Auch wenn Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien bis heute nicht vollständig
ausgeräumt sind, rechtfertigt dies die massiven Menschenrechtsverletzungen in keiner Weise. Wir fordern
die Regierung Eritreas daher mit Nachdruck auf, das Ruder endlich herumzureißen. Dazu gehört unter anderem,
die Praxis der willkürlichen Inhaftierungen und Tötun10360
gen einzustellen. Dazu gehört die Umsetzung internationaler Vereinbarungen, die Eritrea anerkannt hat, wie die
Anti-Folter-Konvention, der das Land 2014 offenkundig
nur zum Schein beigetreten ist. Schließlich sind auch
Anerkennung und Aufarbeitung des Unrechts wichtig;
denn nur so erhält die Bevölkerung eine realistische
Chance, mit dem Geschehenen abzuschließen und einer
einigermaßen vertrauensvollen Zukunft entgegenzublicken.
Danke.
({0})
Der Kollege Niema Movassat hat für die Fraktion Die
Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Menschenrechtssituation in Eritrea ist katastrophal.
Der Bericht der UN-Untersuchungskommission liest
sich wie ein Horrorbuch, nur dass alles, was dort steht,
bittere Realität ist. Zwangsarbeit, ungesetzliche Inhaftierungen, willkürliche Hinrichtungen und Folter sind an
der Tagesordnung. Ein mächtiger Sicherheitsapparat unterdrückt die Bevölkerung und hält sie „in ständiger
Angst“, wie es im UN-Bericht steht. Human Rights
Watch nennt Eritrea ein einziges „gigantisches Gefängnis“. Leider wahr und beschämend!
Viele junge Eritreer flüchten wegen des Militärdienstes aus ihrer Heimat; denn direkt nach dem Schulabschluss muss jeder Jugendliche einen unbefristeten
Wehrdienst unter erbärmlichsten Bedingungen antreten.
Wer sich weigert, dem drohen Folter und Gefängnis. In
Eritrea selbst kann niemand über die grausamen Zustände berichten. Reporter ohne Grenzen listet das Land
auf dem letzten Platz des weltweiten Pressefreiheitsindex. Präsident Afewerki und seine Lakaien setzen ihre
Macht mit allen Mitteln durch. Außer der Regierungspartei gibt es keine zugelassenen Parteien. Jede Opposition wird im Keim erstickt. Man kann den Eritreern nur
wünschen, dass sie sich möglichst bald dieses Regimes
entledigen.
({0})
Auch in sozialer Hinsicht ist eine andere Regierung
bitter nötig; denn Eritrea ist nicht nur eines der unfreiesten Länder, sondern auch eines der ärmsten Länder der
Welt. Es belegt beim HDI über den Entwicklungsstand
Platz 182 von 187 Ländern. Menschen hungern. Viele
Kinder können keine Schule besuchen. Für die Bauern
reicht das Angebaute kaum zum Überleben. In Eritrea
ereignet sich eine humanitäre Dauerkatastrophe. Wir
müssen dringend Wege finden, den Menschen vor Ort zu
helfen, ohne dabei das Regime zu stützen. Hilfe an der
Basis, konkret für die Menschen vor Ort, muss - soweit
möglich - geleistet werden.
({1})
Angesichts der schrecklichen Situation im Land ist es
sehr verständlich, dass in Europa heute 360 000 Eritreer
als Flüchtlinge leben. Weltweit sind es 1 Million Geflüchtete. Ein Sechstel aller Eritreer lebt mittlerweile im
Ausland. Das ist trauriger Weltrekord. Viele müssen lebensgefährliche Wege auf sich nehmen, um hier zu uns
nach Europa zu kommen und so Unterdrückung und Verfolgung zu entfliehen. Viele sterben in der Wüste. Nicht
wenige ertrinken im Friedhof Mittelmeer. Das ist auch
eine europäische Schande. Wir müssen endlich die Festung Europa überwinden und legale Zugangswege schaffen, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden.
({2})
Die Eritreer, die bei uns leben, müssen wir vor den
Fängen des Regimes schützen. Es gibt Berichte, dass
Eritreer, die im Ausland leben, selbst die, die mittlerweile eine andere Staatsangehörigkeit haben, von den
eritreischen Botschaften erpresst werden, eine Exilsteuer
zu zahlen. Sonst erhalten sie keine Papiere, oder ihre Angehörigen vor Ort werden bedroht. Ich bin fassungslos,
dass im Raum steht, dass eine ausländische Botschaft in
Deutschland so agieren kann. Das muss durch die Bundesregierung aufgeklärt und scharf verurteilt werden.
({3})
Eritrea ist eine der schlimmsten Diktaturen der Welt.
Es ist gut, dass die Bundesregierung das ähnlich sieht.
Ich wünschte mir aber, dass wir die gleichen Standards,
die wir an Eritrea anlegen, auch an einige Partnerländer
Deutschlands anlegten.
Vor wenigen Tagen war Ägyptens Putschpräsident
el-Sisi in Deutschland. Die Bundeskanzlerin hat ihn offiziell empfangen. Unter ihm gibt es 1 500 Todesurteile,
40 000 politische Gegner sitzen in Gefängnissen, Oppositionsgruppen sind verboten, ein Parlament gibt es
nicht. Trotz alledem wertet die Bundesregierung dieses
Verbrecherregime auf und bietet ihm eine internationale
Bühne. Erst Jahrzehnte mit Mubarak zusammenarbeiten,
jetzt el-Sisi empfangen - Geschäfte haben offensichtlich
für die Bundesregierung Vorrang vor Menschenrechten.
Das ist beschämend.
({4})
Genauso läuft es mit Saudi-Arabien, einer Diktatur,
die foltert und öffentlich köpfen lässt. Das Strafsystem
ist dem der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ähnlich: Steinigungen von Frauen, Amputationen von Armen und Füßen. Auf den Abfall vom Glauben und auf
Homosexualität steht die Todesstrafe. - Dennoch war
Wirtschaftsminister Gabriel vor kurzem da. Deutschland
liefert modernste Waffen. Das ist an Verlogenheit nicht
zu übertreffen.
({5})
Solche Doppelstandards entwerten berechtigte Kritik
an Diktaturen. Solange Sie von der Bundesregierung mit
der einen Diktatur aus geostrategischen Überlegungen
Geschäfte machen, während Sie strategisch unwichtige
Diktaturen verurteilen, so lange ist Ihr Hochhalten von
Menschenrechten unglaubwürdig.
({6})
Stellen wir uns einmal vor, Eritrea hätte viel Öl und
würde es an Deutschland verkaufen. Ich befürchte, die
Kritik an den Menschenrechtsverletzungen wäre dann
nicht mehr so laut.
({7})
Deutschland stünde es gut zu Gesicht, weltweit die
gleichen Maßstäbe für die Bewertung von Menschenrechten anzulegen; sonst hat man die moralische Integrität einer Schwingtür.
Danke schön.
({8})
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Frank Schwabe
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich wollte eigentlich nichts dazu sagen; aber da wir uns
bei Eritrea offenbar einig sind - ich wüsste auch nicht,
wie man sich an der Stelle nicht einig sein könnte -,
möchte ich Ihnen, Herr Movassat, schon etwas sagen:
Ich würde mir auch von der Linkspartei wünschen, dass
sie nicht unterschiedliche Kriterien anlegt und bei Ländern wie Venezuela oder Nordkorea nicht bereit ist, gelegentlich nachsichtiger zu sein als bei anderen Ländern.
Das ist nämlich das, was ich wahrnehme. Insofern fällt
der Vorwurf, den Sie an uns richten, auf Sie selbst zurück.
({0})
Ich möchte einen Satz zu der Lage in Aserbaidschan
sagen. Ich glaube, das kann man bei einer Menschenrechtsdebatte machen, auch wenn wir am Freitag noch
zu diesem Thema hier im Parlament kommen; denn ich
bin wirklich empört darüber, dass Aserbaidschan die
OSZE-Mission aus dem Land verweist. Wie wichtig
Transparenz ist, diskutieren wir gerade am Beispiel von
Eritrea. Wir können die Länder nicht miteinander vergleichen; aber es zeigt sich, was passiert, wenn ein Land
nicht will, dass es internationale Transparenz gibt. Ich
will die Gelegenheit nutzen, von hier aus zu sagen: Das
Verhalten Aserbaidschans ist skandalös; das kann nicht
ohne eine internationale Reaktion bleiben.
({1})
Die Lage in Eritrea ist von den Kolleginnen und Kollegen schon umfassend beschrieben worden. Sie wird
deutlich in den Überschriften, die man in dieser Woche
in den Zeitungen lesen konnte. „Von dort, wo die Angst
herrscht“, hat die Süddeutsche Zeitung getitelt. „Horrorbericht über die Republik der Angst“, so stand es in der
taz. Das hat etwas mit dem in seiner Wirkung und seiner
Bedeutung nicht zu unterschätzenden Bericht der Vereinten Nationen zu tun, der unter der deutschen Präsidentschaft jetzt in der Sommersession des UN-Menschenrechtsrats diskutiert wird.
Auch da ist es benannt worden: Eritrea erfüllt leider
alle negativen Kriterien - wirklich alle -, die man sich
auf der Welt so vorstellen kann. Amnesty International
berichtet von 10 000 politischen Gefangenen; jede freie
Meinungsäußerung wird drakonisch bestraft. Es fliehen
so viele Menschen aus diesem Land, obwohl die zurückbleibenden Familien mit Strafe bedroht sind. Das ist so.
Diese Familien werden herausgefiltert. Es gibt offenbar
sehr differenzierte Mechanismen, um herauszubekommen, wer das ist. Diese Familien müssen am Ende mit
Repressionen schlimmster Art rechnen. Es gibt keine
Parteien, keine freien Medien, erst recht keine internationalen, keine Gewerkschaften, es gibt Folter und drastischste Haftbedingungen, die auch hier genannt worden
sind.
Verantwortlich dafür ist eine Clique in dem Land unter Präsident Isayas Afewerki. Auch das muss klar sein:
Wir haben im internationalen Strafrecht leider noch nicht
genügend Möglichkeiten, aber wir müssen die bestehenden Regeln des internationalen Strafrechts anwenden,
um diesen Präsidenten und seine Clique zur Verantwortung zu ziehen; denn die Vereinten Nationen haben, wie
ich glaube, recht mit ihrer Einschätzung, dass es sich um
Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, die in Eritrea verübt werden.
Ich finde die Reiseplanung des Ministers interessant
und bin einmal gespannt, was an Reiseaktivitäten zustande kommt. Ich bin mir ganz sicher, dass der Minister, wenn diese Reise zustande kommt, eine klare Ansage zu all den Punkten macht, die wir hier miteinander
diskutiert haben. Es ist leider richtig, wie gerade gesagt
wurde: Das Land erfüllt leider überhaupt keine Voraussetzung, um mit ihm in irgendeiner Art und Weise Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben, weil vollkommen sicher ist, dass jeder Cent, der dorthin fließt, in die
falschen Hände gerät.
({2})
Warum kommen eigentlich so viele Eritreer nach
Deutschland? Das fragen sich ganz viele in meinem
Wahlkreis. Sie fragen: Warum aus Eritrea? Viele Leute
wissen gar nicht, was da los ist. Ich glaube, etwas dagegen getan zu haben, ist das Verdienst des UN-Berichts,
aber auch der Anfrage der Grünen. Mittlerweile haben
das Evangelische Missionswerk und andere entsprechende Berichte vorgelegt. Auch die heutige Debatte ist
wichtig; denn wir brauchen Informationen. Wir müssen
versuchen, die Lage so transparent wie möglich zu ma10362
chen; denn genau das will dieses Land auf keinen Fall.
Dass unser Ansatz zum Teil funktioniert, habe ich festgestellt - ich nenne jetzt keine Namen -, als ich an einer
deutschen Botschaft war und dort über Eritrea diskutiert
habe. Botschaftsmitarbeiter, die für Menschenrechtsfragen zuständig waren, haben mir gesagt: Na ja, das sind
doch eher soziale Gründe, die die Menschen aus Eritrea
nach Europa treiben. - Deswegen ist es wichtig, darüber
zu informieren.
Die Zahl ist bereits genannt worden: 360 000 Eritreer
halten sich in der Europäischen Union auf. Man muss
sich vor dem Hintergrund von gerade einmal 6 Millionen
Einwohnern in diesem Land vorstellen, was das für ein
Verhältnis ist und wie weit damit Eritrea vor allen anderen Ländern Afrikas ist, was die Flucht nach
Deutschland und nach Europa angeht. In der Tat, Tausende dieser Flüchtlinge sterben im Mittelmeer. Unsere
Verantwortung besteht neben der Benennung der Situation in Eritrea darin, dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa nicht sterben müssen.
Wenn sie dann in Deutschland sind, brauchen sie eine
Chance, eine Perspektive. Die bekommen sie zum Teil
leider auch nicht.
Ich habe in der letzten Woche dem Standesamt von
Castrop-Rauxel die Geburt meiner Tochter gemeldet.
Herr Grabosch hat mir gesagt - ich habe ihm versprochen, das zu benennen -, er habe es jetzt sehr häufig mit
eritreischen Familien zu tun, unter anderem mit einem
Paar, das gerade ein Baby bekommen hat. Ein Problem
ist, das viele Eritreer oft leider kein Englisch sprechen.
Wie denn auch? Es gibt in Eritrea gar keine Universität
mehr; sie sind alle geschlossen worden. Flüchtlinge aus
Eritrea sind häufig nicht einmal in der Lage, in Deutschland eine Eheschließung vorzunehmen oder ihre Kinder
nach der Geburt standesamtlich anzumelden. Ich glaube,
auch da haben wir die Verantwortung, mit diesen Menschen vernünftig umzugehen und der Öffentlichkeit zu
erklären, warum Menschen aus Eritrea nach Deutschland kommen.
Vielen Dank.
({3})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Tom Koenigs das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich stimme allem zu, was bisher gesagt worden
ist. Die Schilderung der Situation in Eritrea könnte nicht
drastischer sein. Wie man sie letzten Endes auch beschreibt - Gulag unter freiem Himmel, Nordkorea Afrikas -, sie ist entsetzlich.
Ich finde es gut, dass die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD diese Aktuelle Stunde aufgesetzt haben; denn
so kommt es einmal zu einer Analyse der Fluchtursachen. Die Eritreer, die nach Deutschland kommen, verdienen Asyl und bekommen es auch. Das ist gut. Sie
haben oft eine Art Weg zum Kalvarienberg durch äthiopische Flüchtlingslager zurückgelegt, bis sie überhaupt
hierhergekommen sind. Manchmal sind sie nach Sinai
verkauft worden, wo sie grausigen Torturen unterworfen
wurden. Viele sind durch den Sudan geflohen, sehr viele
durch die Wüste in Libyen. Letzten Endes waren sie immer wieder irgendwelchen Schleppern ausgesetzt, die
bei ihren Verwandten anriefen und weiteres Geld verlangten.
Die Mehrzahl derer, die letzthin im Mittelmeer ertrunken sind, auch bei den großen Unfällen, waren Eritreer. Wer es dann bis Italien geschafft hat, ist immer
noch nicht sicher. Viele von denen, die von Italien nach
Deutschland, übrigens in erstaunlich hoher Anzahl nach
Gießen, gekommen sind - es sind vor allem Jugendliche -, beschreiben, dass sie auch auf dem Weg durch Europa von Verbrechen, Erpressung und auch sexueller Gewalt begleitet worden sind. Die Durchgangsländer haben
oft keinerlei Schutzsysteme - die europäischen Durchgangsländer bieten oft noch ein bisschen mehr Schutz als
die afrikanischen -; deshalb ist in den Durchgangsländern sehr viel zu tun.
Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren.
Diese Flüchtlinge verdienen und bekommen Asyl, und
wir wissen, dass sich die Situation in Eritrea nicht in den
nächsten ein, zwei, drei Jahren ändern wird; hoffentlich
danach. Es dauert im Durchschnitt 11,2 Monate, bis die
Flüchtlinge eine Duldung oder Asyl haben. In diesen elf
Monaten hängen sie - meist junge Männer, aber auch
Frauen - in der Ungewissheit. Warum fangen wir denn
nicht sofort mit Integrations- und Deutschkursen an?
({0})
Das sind doch genau die Leute, die wir hier brauchen.
Und sagen Sie nicht: Die gehen ja irgendwann wieder,
hoffentlich bald. - Das wären genau die Leute, die wir
sonst für viel mehr Geld in der Entwicklungshilfe in den
afrikanischen Ländern ausbilden, und sie könnten dort
auch ihre Erfahrungen mit Demokratie einbringen.
({1})
Das wäre also entweder eine Entwicklungshilfe oder
eine Hilfe für uns, weil wir dann Experten hätten, die
ausgebildet sind.
Da müssen wir am ersten Tag anfangen,
({2})
zum Beispiel mit dem Zugang zum Gesundheitssystem,
worüber immer noch verhandelt wird. Die Regelung zu
sicheren Drittstaaten haben Sie von der Koalition schnell
geschaffen, aber über die Gesundheitskarte wird immer
noch verhandelt. Was ist denn? Nun lösen Sie das doch
ein!
({3})
Oder: Deutschunterricht vom ersten Tag an! Die müssen
Deutsch können, und sie lernen es auch. Es sind viele
unter denen, die schon eine Bildung haben. Arbeitsvermittlung, soziale Betreuung, all das wird dringend gebraucht.
Noch eine andere Sache: Wenn diese Menschen hier
im Rahmen der eritreischen Bürokratie Kontakt mit dem
Konsulat haben, müssen sie die Aufbausteuer, 2 Prozent
vom Netto, zahlen, übrigens auch von dem, was sie nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Auf unsere Anfrage wurde geantwortet, das könne man nicht
ändern. Es kann doch nicht wahr sein, dass die eritreischen Behörden diese Leute in Deutschland abzocken
und wir sagen: „Das können wir nicht kontrollieren“!
Jede Frittenbude, die keinen Fettabscheider hat, machen
wir zu. Und das können wir nicht kontrollieren? Das
kann doch nicht wahr sein!
({4})
Ich glaube, da müssten wir uns ein bisschen mehr
Flüchtlingsschutz überlegen.
Ein Allerletztes. Ja, der Herr Bundesminister Müller
reist. Ich finde, man sollte auch mit dem Teufel reden.
Hoffentlich redet er da deutliche Worte. Aber es gibt
auch Peinlichkeiten. Die sollte er vermeiden. Thema
„Auswärtige Kulturpolitik“: Der Botschafter hat ein
Konzert der Philharmonie Leipzig in Eritrea vermittelt.
Sehr schön haben sie gespielt - am Nationalfeiertag. Die
Generäle und der Präsident saßen dabei: Hurra, die
Deutschen spielen! - Ich würde mir wünschen, dass Herr
Müller eine solche Peinlichkeit vermeidet.
Jeder Cent für dieses Land stützt die Diktatur, stützt
die Menschenrechtsverletzungen und dient nicht den
Ärmsten der Armen, die dort im Land höchst zahlreich
sind.
Vielen Dank.
({5})
Der Kollege Martin Patzelt hat für die CDU/CSUFraktion das Wort.
({0})
Meine sehr verehrten Besucher! Meine Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich am
Abend mit den beiden jungen Eritreern, mit denen ich
unterdessen befreundet bin, am Küchentisch sitze, dann
beschreiben sie all das, was meine Vorredner hier beschrieben haben. Das hat auch den Hintergrund, dass sie
verzweifelt fragen, wie es ihren Schwestern geht, die irgendwo durch Nordafrika irren, und wie es ihren alten
Eltern geht, die sozusagen in Geiselhaft genommen wurden, weil ihre Kinder verschwunden sind. Wenn wir
durch Deutschland fahren - ich nehme sie auf meinen
Fahrten nach Köln, nach Potsdam, nach Erfurt mit -,
entdecken sie überall Gesichter aus Eritrea, ganz schnell.
Wenn sie dann miteinander sprechen, dann sprechen sie
über ihr Elend, über ihre Heimat und über ihren dringenden Wunsch, in diese Heimat einmal wieder zurückzukönnen. - Das will ich Ihnen so mitteilen, weil das ein
Indiz dafür ist, dass es junge Menschen sind, die immer
noch Hoffnung auf eine Zukunft ihres Landes haben.
Was machen wir? Ich bin so froh und dankbar, dass es
diese Aktuelle Stunde gibt, dass wir immer wieder thematisieren, dass wir Bewusstsein dafür schaffen, auch in
der Öffentlichkeit, wie es den Menschen in der Welt
geht, wie es den Menschen in Eritrea geht.
Wir haben gerade die Sitzung des Menschenrechtsausschusses unterbrochen, um in dieser Aktuellen Stunde
mit über dieses Thema nachzudenken. Oft überfällt uns
eine Ohnmacht. Im Menschenrechtsausschuss erleben
wir die ganze Not der Welt. Sie wird uns dort - das
wurde sehr gut recherchiert, zum Teil geht es dabei um
selbst Erlebtes - sehr intensiv beschrieben bzw. vor Augen geführt. Man wird sprachlos. Auch empfindet man
Hilflosigkeit und fragt sich: Was sollen wir denn tun?
Vor acht Jahren haben wir die wirtschaftliche Entwicklungshilfe für Eritrea eingestellt. Es war richtig,
dass wir sie eingestellt haben. Auch ich bin der Meinung, dass bei einem solch verbrecherischen Regime
kein Geld in dieses Land fließen darf. Die sich daran anschließende Frage lautet: Welche Möglichkeiten haben
wir denn eigentlich in der Hand, etwas zu tun? Resolutionen und Erklärungen reichen nicht. Wir dürfen aber
- da gebe ich meinem Vorredner, Herrn Koenigs, sehr
recht - den Dialog nicht abbrechen lassen. Auch wenn
nur der kleinste gemeinsame Nenner vorhanden ist, müssen wir ihn führen. Dabei dürfen wir nicht unser Gesicht
verlieren und kein falsches Zeugnis ablegen. Auch dürfen wir nicht missdeutet werden können. Diesen Balanceakt können wir durchführen.
Ich bin unserer Regierung sehr dankbar, dass sie diese
Politik bzw. diesen Balanceakt - ob bezogen auf Griechenland, Russland oder unsere Einsätze in Afrika bzw.
Eritrea - immer wieder praktiziert und diesen schweren
Weg geht. Wir müssen klar und deutlich machen, dass
wir als Deutsche das, was dort geschieht, nicht fassen
können und mit allen Möglichkeiten auf allen Ebenen
energisch gegen dieses tiefe menschliche Unrecht protestieren. Andererseits müssen wir die Betreffenden immer wieder mit den Möglichkeiten, die wir zur Verfügung haben, neu locken, drücken und zwingen, damit sie
in ihrem Land eine andere Entwicklung indizieren.
Was haben wir für Möglichkeiten in der Hand? Wir
haben Geld. Wenn es nach mir ginge, würden wir den
gesamten Solidarbeitrag dafür investieren. Das ist ein illusorischer Vorschlag, weil wir dafür niemals eine politische Mehrheit finden würden. Ich will mit einer solch
utopischen Forderung aber deutlich machen, dass wir in
der Nähe dieser Länder in konzertierter Aktion eine
nachhaltige systematische Entwicklungshilfe schaffen
müssen, damit sie erkennen, dass Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und vor allen Dingen Bildung
die Voraussetzungen dafür sind, dass sich die Verhältnisse in ihren Ländern einmal ändern. Dafür gibt es viel
zu wenig Zeugnisse und Beweise. Wir müssen uns, meine
ich, auf die Strümpfe machen, um dort, wie gesagt, in
konzertierter Aktion - vielleicht mit allen europäischen
Staaten zusammen - eine solche projektorientierte nachhaltige Entwicklungshilfe zu leisten. Wir wissen, wie
schwer das ist. Schon beim Flüchtlingsgipfel haben wir
bemerkt, wie schwer Positionen zusammenzubringen
sind. Das ist aber das größte Pfand, das wir in der Hand
haben.
Wir können deutlich, offen und unverkrampft zeigen,
dass die Menschen freiwillig in unserem Land bleiben
wollen, dass sie hier glücklicher sind, ein gesichertes
Einkommen haben und sich sozial engagieren. Welch
besseren Beweis könnte man in diesen Ländern bzw.
Kontinenten dafür erbringen, dass das der richtige Weg
ist? Wir sollten das - sozusagen wie einen Infekt - dort
hintragen. Das kostet Mühe, Anstrengung und auch
Geld.
Ich danke Ihnen.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer für
die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen!
Auch ich möchte mit einer persönlichen Erfahrung beginnen. Ich war vor Jahren auf einem Evangelischen
Kirchentag bei einem Workshop, wo es um Kriegsdienstverweigerung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges
ging. Der Workshop wurde englischsprachig durchgeführt. Am Schluss der Diskussion meldeten sich zwei
junge Männer und sagten: Wir kommen aus Eritrea. In
unserem Land besteht dieses Problem heute. - Sie fragten, wie man unserer Meinung nach am besten mit der
Situation in einem Land umgeht, wo das Militär unter
dem Vorwand, dass man sich gegen einen großen, militärisch übermächtigen Nachbarn wehren müsse, die ganze
Bevölkerung unterwirft. Sie zogen den Schluss, dass
man in einer solchen Situation den Kriegsdienst verweigern darf und muss. Das geht in einem Land wie Eritrea
aber nur, indem man flieht.
Sie haben sich in Frankfurt - ich glaube, Gießen ist
auch eingeschlossen - einer Exilorganisation eritreischer
Kriegsdienstverweigerer angeschlossen. Diese Exilorganisation arbeitet seit vielen Jahren hier in Deutschland,
und sie hat sich international vernetzt. Sie hat letztes
Jahr eine Tagung in Pretoria unter dem Titel „Strategische Überlegungen über die politische und sozio-ökonomische Krise in Eritrea“ durchgeführt. Es ging um die
Frage, was die vielen in verschiedenen Exilländern lebenden Eritreer zur Verbesserung der Situation beitragen
können, in dem Sinne, dass sie ein Konzept entwickeln,
wie ein demokratisches, ein wirtschaftlich nicht mehr
völlig dem Militär unterworfenes und damit für seine
Bewohner lebenswertes Eritrea aussehen könnte. Das
finde ich sehr interessant; denn das ist ein weiterer Ansatz, den wir haben, um eine Veränderung in Eritrea zu
bewirken. Dass wir nämlich nicht nur die, die als Flüchtlinge zu uns kommen, individuell unterstützen in der
Hoffnung, dass sie irgendwann in das Land zurückkehren können, sondern dass wir unter ihnen eine Diskussion darüber befördern, sie darin unterstützen und bestärken, wie ein zukünftiges Eritrea aussehen könnte, ein
Eritrea, das wieder lebenswert ist und sich nicht nur über
eine militärische Bedrohung durch das Nachbarland
Äthiopien definiert.
In diesem Papier gibt es einige Hinweise, die ich einmal zitieren möchte, weil sie exemplarisch dafür sind,
wie weitsichtig und klug diese Menschen sind, die sich
vor einem Jahr in Pretoria getroffen haben. Sie sprechen
darüber, dass es in ihrem Land vor und nach der Unabhängigkeit eine Kultur der Intoleranz und Straflosigkeit
gab und gibt. Sie sprechen darüber, dass man Mechanismen zur Konfliktlösung entwickeln muss, um in einem
solchen Land, in dem im Augenblick die einen die anderen unterdrücken, anschließend wieder zusammenleben
zu können. Sie sprechen davon, dass in einem so autoritär strukturierten Land eine Beteiligung der Bevölkerung
auf Graswurzelebene gesichert werden muss. Sie sprechen von der Notwendigkeit eines ernsthaften Aussöhnungsprozesses unter Eritreerinnen und Eritreern. Sie
wollen Mechanismen finden, mit denen man den sozialen Zusammenhang im Land wiederherstellt und stärkt,
weil in diesem autoritären Regime alles kaputtgeht
- auch dies zeigt der Menschenrechtsbericht -, was es an
sozialem, an menschlichem Zusammenhang gibt. Und
- auch das finde ich interessant - sie sprechen davon,
dass die Rolle von einheimischen Strukturen und Bräuchen für einen Versöhnungsprozess unter Eritreerinnen
und Eritreern auf der Ebene der Sippen und Gemeinschaften gefunden werden muss, also genau das, was wir
in Bezug auf andere Konfliktregionen in der Welt auch
sagen. Die Lösungen müssen aus der eigenen Tradition,
aus der eigenen Kultur heraus kommen. Die Lösungen
können nicht von außen aufgestülpt werden.
Ich wünsche mir, dass wir einen Weg finden, diesen
Diskussionsprozess, der nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern nach der Erklärung, die von Eritreerinnen und Eritreern aus Afrika, Australien, Europa und
Nordamerika verfasst ist, offensichtlich auf mindestens
vier Kontinenten stattfinden kann, zu unterstützen und
zu stärken.
Danke schön.
({0})
Der Kollege Thorsten Frei hat für die CDU/CSUFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen vom
vergangenen Montag hat deutlich vor Augen geführt,
welche Zustände in Eritrea herrschen, hat deutlich vor
Augen geführt, wie hier ein Volk geknechtet wird und
von einem Despoten terrorisiert wird. Vieles von dem,
was wir in dem 500-seitigen Bericht lesen können und
was viele Kollegen im Rahmen dieser Debatte durchdekliniert haben, ist erschreckend, aber leider nicht wirklich überraschend. Auch wenn es viele westliche Politiker noch in den 1990er-Jahren gegeben hat, die geglaubt
haben, dass Afewerki sozusagen ein fortschrittlicher
Hoffnungsträger für Afrika sein könnte, wissen wir
heute, dass er nichts anderes als ein lupenreiner Diktator
ist, der mit einem perfiden Überwachungs- und Sicherheitssystem und eiserner Hand mehr als jeder andere
Despot in Afrika sein Volk terrorisiert und in Angst und
Schrecken versetzt, und das alles unter dem Deckmantel
der Sicherung der Unabhängigkeit von Äthiopien, der
Grenzstreitigkeiten mit Dschibuti, den schwierigen Verhältnissen mit eigentlich der kompletten Nachbarschaft
von Eritrea. All das ist letztendlich ein Deckmantel dafür, dass sich das Land seit 1997 de facto in einem Dauerausnahmezustand befindet, die Menschen nicht an den
politischen Prozessen beteiligt sind, es keine unabhängige Justiz gibt, es seit 1996 mit Militärrichtern besetzte
Sondergerichte gibt, die jeden Fall an sich ziehen können, wo dann keine Anwälte und auch keine Rechtsmittel zugelassen sind.
Wenn man solche Zustände hat, meine sehr verehrten
Damen und Herren, dann ist das ein Failed State und
nichts anderes. Eritrea ist insofern vielleicht ein Sonderfall, als es ein Failed State nicht aufgrund von Kriegen
oder Bürgerkriegen und nicht aufgrund von Naturkatastrophen oder, wie wir es in der Region sehr häufig erleben, aufgrund fehlender Staatlichkeit ist. Nein, es gibt
dort Staatlichkeit, aber eben fehlgeleitete Staatlichkeit.
Das macht es wahrscheinlich für uns so schwierig - das
hat die Debatte gezeigt -, Lösungsansätze zu finden.
Es ist geschildert worden, unter welchen erbärmlichen Umständen die Menschen dort leben und wie sehr
das System die Menschen terrorisiert: dass es keine freie
Presse gibt, dass es Opposition nur im Untergrund gibt,
dass es keine Zivilgesellschaft gibt, dass es Verhaftungen und Hinrichtungen gibt, dass es dort 10 000 politische Gefangene gibt, wie Amnesty International sagt,
dass es - wenn man sich die Lebenserwartung in diesem
Land anschaut - im Prinzip einen unbegrenzten Militärdienst gibt, dass es Zwangsarbeit und Sklaverei gibt. Somit ist klar, warum wir in Europa mit den Folgen konfrontiert sind und die Menschen hierherkommen: aus
lauter Verzweiflung und weil sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sehen. Auch hier sind die Zahlen - sie sind
genannt worden - wirklich alarmierend. Ein Viertel der
Bevölkerung hat das Land, das weniger als 6 Millionen
Einwohner hat, bereits verlassen. In Europa gibt es
360 000, in Deutschland etwa 70 000 registrierte Flüchtlinge aus Eritrea. Jeden Monat verlassen 3 000 bis
5 000 Menschen das Land. Dies macht deutlich, unter
welchen Voraussetzungen die Menschen dort leben.
Uns ist natürlich auch bewusst, dass das, was wir sehen - die registrierten Zahlen, die ich gerade referiert
habe -, letztlich nur die Spitze des Eisbergs ist. Die
Menschen, die die wirtschaftliche Kraft aufbringen,
Schlepperbanden zu bezahlen und Visa zu besorgen, und
körperlich in der Lage sind, den Treck durch Kriegs- und
Bürgerkriegsgebiete in Afrika, durch die Wüste bis an
die libysche Küste zu nehmen oder etwa über die SinaiHalbinsel zu fliehen, werden häufig von Banden gefangen genommen - es ist beschrieben worden - und in
Containern gehalten. Ihnen werden Organe herausgerissen, die anschließend verkauft werden. Die Familienangehörigen, die zurückgeblieben sind, werden erpresst.
Das sind die Zustände, mit denen wir dort konfrontiert
sind.
Deshalb ist klar, dass wir versuchen müssen, mit den
wenigen Möglichkeiten, die wir haben, dazu beizutragen, die Situation zu verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, die UN-Sanktionen und auch
das Waffenembargo aufrechtzuerhalten, dass es darüber
hinaus richtig ist, nach Möglichkeit zu verhindern, dass
sich dieses Land Devisen beschafft. Wir haben darüber
gesprochen, dass es eine zweiprozentige Aufbausteuer
für Exilanten gibt. Sie ist immerhin die zweitwichtigste
Einnahmequelle der Regierung. Die wichtigste Einnahmequelle sind die Rohstoffe. Wir sollten auch die außenpolitischen Möglichkeiten nutzen, etwa über den Sudan,
in dem wir engagiert sind und der das einzige Land ist,
das halbwegs vernünftige Beziehungen zu Eritrea hat.
Wir sollten auch die Äthiopier darin bestärken, den Entspannungskurs fortzusetzen,
({0})
damit es möglich wird, den Verfassungsprozess von
1997 wieder aufzunehmen und letztlich - es ist gesagt
worden - der Regierung von Eritrea das letzte Deckmäntelchen an Legitimität zu entreißen. Das, glaube ich, sind
die wenigen Möglichkeiten, die wir aber entschlossen
nutzen sollten.
Herzlichen Dank.
({1})
Der Kollege Johannes Selle hat abschließend für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie meine
Vorredner schon detailliert ausgeführt haben, sind die
Schilderungen des Berichtes der Vereinten Nationen zur
Menschenrechtssituation in Eritrea erschreckend. Sie
zeugen von einem Machtwillen, der ohne Rücksicht auf
das Schicksal der Menschen im Lande durchgesetzt
wird. Die drastischen Sanktionen der Vereinten Nationen
mit einer De-facto-Ächtung des Regimes bleiben wirkungslos. Irgendwann wird die internationale Gemeinschaft ernsthaft über wirksamere Instrumente diskutieren
müssen.
Der Präsident Eritreas hat in über 20 Jahren nichts zustande gebracht, um die materielle Lage seines Volkes zu
verbessern. Offensichtlich ist er nicht willens dazu. Entsprechende Angebote auch aus Deutschland hat es immer wieder gegeben, aber eben nur unter der Bedingung,
dass sich die Menschenrechtslage verbessert. Wen wundert es, dass die auf Autarkie getrimmte Wirtschaftspolitik das Land ruiniert hat?
Der Präsident hat ein Regime aufgebaut, das auf die
absolute Kontrolle bis in die kleinsten Winkel des Landes und bis in die banalste Alltagssituation in der Gesellschaft ausgelegt ist. Weder gibt es eine Opposition, nicht
einmal im Untergrund, noch andere Ansätze einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Kooperationen mit ausländischen Organisationen finden so gut wie nicht statt.
Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Gesellschaft, die in eine Isolation gezwungen ist, wie wir sie
vielleicht nur noch aus Nordkorea kennen.
Immer wieder müssen wir uns die Frage stellen: Was
können wir unternehmen, um das Regime zum Einlenken zu bewegen und den Menschen zu helfen? Für
Entwicklungspolitiker ist die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit, zumal bei einem so niedrigen
Entwicklungsstand, immer schmerzhaft. Dann rücken
Verbesserungen erst recht in weite Ferne. Wegen der unhaltbar gewordenen Zustände musste die bilaterale
Zusammenarbeit mit Eritrea bereits 2007 eingestellt
werden. Selbst die sonst in vielen Fällen mögliche Förderung nichtstaatlicher Akteure von außen ist im Falle
Eritreas nicht möglich; denn erstens gibt es aufgrund der
Unterdrückung keine zivilgesellschaftliche Bewegung,
die gefördert werden könnte, und zweitens sind Organisationen, die eine solche Unterstützung leisten können,
in Eritrea nicht zugelassen.
Wir dürfen nicht aufgeben, Eritrea im multilateralen
Kontext der EU zum Einlenken zu bewegen. Bis 2020
sind im Europäischen Entwicklungsfonds 200 Millionen
Euro für Eritrea vorgesehen. Im Gegensatz zu meinem
linken Kollegen habe ich nicht so ein furchtbares Bild
von der Europäischen Union. Aber das Geld darf natürlich nicht unkonditioniert vergeben werden, das ist klar,
und das werden wir auch nicht tun.
Wenn wir uns fragen, was wir tun können, dann müssen wir thematisieren, dass Eritrea Ausgangsland einer
massiven Flüchtlingsbewegung ist. Die beschriebenen
massiven Menschenrechtsverletzungen zwingen jeden
Monat Tausende Eritreer zur Flucht. Gegenüber 2013
wurde in 2014 eine Steigerung der Anzahl von Flüchtlingen von 153 Prozent festgestellt. Ein Teil davon tritt die
gefährliche Weiterreise gen Norden an.
In unserer Kreisstadt gab es eine öffentliche Veranstaltung mit jungen Eritreern zu ihrer dramatischen
Flucht, bei der sie mehrfach vom Tode bedroht waren:
beim Übertritt der Grenze, bei der Flucht durch die
Wüste und dann bei der gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer. Ein Großteil verbleibt jedoch in den Staaten, in
denen die Menschenrechtssituation zwar auch nicht unbedingt zufriedenstellend ist, aber immerhin haben sie
dort das Recht, zu leben und zu arbeiten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann meines Erachtens ein Ansatzpunkt sein. Die Hilfe zur Integration der Flüchtlinge
in den Erstaufnahmeländern wird auch im Empfehlungskapitel des VN-Berichtes hervorgehoben. Das ist eine
Aufgabe, der sich die Entwicklungspolitik annehmen
kann.
Lassen Sie uns den Menschen, die in der Region bleiben, eine Perspektive geben. Diese Menschen mit einer
Perspektive können dann auch ein Gegengewicht zum
Regime in Asmara bilden und zurückkehren, wenn die
Lage in der Heimat dies zulässt. Das BMZ unterstützt
das punktuell schon in Äthiopien. Wir müssen diesen
Ansatz offensiv und im europäischen Kontext auf die
Zehntausende von Flüchtlingen im Sudan ausdehnen,
die bislang ohne Hilfe bleiben und daher gezwungenermaßen andere Wege aus ihrer Situation suchen. Der Sudan hat mir gegenüber auf Ministerebene einem dauerhaften Bleiberecht zugestimmt. Lassen Sie uns tun, was
wir tun können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Juni 2015,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.