Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/20/2015

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle zu unserer Plenarsitzung. Bevor wir in die Regierungsbefragung eintreten, habe ich Ihnen noch Folgendes mitzuteilen: Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung auf Drucksache 18/2150 zum Zwanzigsten Hauptgutachten der Monopolkommission an den mitberatenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu überweisen. - Trotz allgemeiner Verblüffung stelle ich dazu jedenfalls keinen erkennbaren Widerstand fest. Dann haben wir diese Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-EnergienGesetzes Drucksache 18/4891 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie ({0}) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. Daher können wir gleich die Überweisung beschließen. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 18/4891 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Auch hierzu sehe ich keine anderen Vorschläge, also ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht 2015 der Bundesregierung. Hierzu erteile ich für den einleitenden fünfminütigen Bericht dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, das Wort. Ich bitte, einer inzwischen guten Übung folgend, mir Hinweise zu geben, ob und, wenn ja, welche Kollegen später gegebenenfalls auch zu anderen Themen das Wort wünschen. Wenn die Geschäftsführer dies einmal vorsortieren, erleichtert das die Aufrufung der entsprechenden Kollegen. Herr Minister, bitte schön.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf aus der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts mit dem Schwerpunktthema „Agrarpolitischer Bericht 2015“ berichten. Nach dem Landwirtschaftsgesetz ist die Bundesregierung gehalten, im vierjährigen Turnus einen agrarpolitischen Bericht vorzulegen. Wir haben diesen Entwurf für 2015 heute beschlossen. Er umfasst den Berichtszeitraum von 2010 bis 2014. Agrarpolitik steht im gesellschaftlichen Fokus. Wir verlangen viel von den Landwirten. Sie leisten viel, und sie verdienen unsere Aufmerksamkeit. Die Agrar- und Ernährungspolitik muss heute sowohl die Anforderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher und des Umweltschutzes als auch die ökonomischen Interessen des Sektors im Blick haben. Der Agrarbericht greift dieses Spannungsfeld auf und dokumentiert sowohl bereits Erreichtes als auch weiteren Handlungsbedarf. Er präsentiert die agrarpolitischen Weichenstellungen und Ziele der Bundesregierung und informiert über die gegenwärtige Lage der Landwirtschaft im Rückblick der genannten Jahre. Der politische und gesellschaftliche Konsens, die Landwirtschaft als elementaren Teil unserer ökonomischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Gesellschaftsstruktur anzuerkennen, ist in Teilen brüchig geworden. Das ist leider ebenso festzustellen wie eine nicht gerechtfertigte Entfremdung von Teilen der Bür9976 gergesellschaft und der Politik von den Bäuerinnen und Bauern. Deswegen ist unser Ziel, einen Dialog einzuleiten und die Einbettung der Landwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft zu unterstützen und zu fördern. Das gelingt mit praktikablen Lösungen und überlegtem, schrittweisem Vorgehen besser als mit Schuldzuweisungen oder Abwendung. Einen Schwerpunkt legt der Bericht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag auf die ländlichen Räume und ihre Stärkung. Die Förderung der ländlichen Räume wird neu ausgerichtet, hin zu einer umfassenden ländlichen Entwicklung. Dementsprechend wird die Schaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ als Zielvorgabe genannt. Grundlage hierfür ist die Koalitionsvereinbarung, die eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ vorsieht. Mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union wurde die Basis dafür geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft zu erhalten. Gleichzeitig wurden mit der stärkeren Umweltorientierung wichtige Weichen gestellt. Nun geht es mir darum, unsere Bauern zu entlasten, wenn möglich, auch durch Vereinfachungen im Bereich der GAP. Die konsequente Marktorientierung der Landund Ernährungswirtschaft hat sich bewährt. Für diesen Kurs steht sowohl das Ende der Milchquotenregelung in diesem Jahr als auch das bereits beschlossene Auslaufen der Zuckermarktordnung zum 30. September 2017. Flankiert wird die Marktausrichtung von Direktzahlungen und im Bereich der Milchwirtschaft zusätzlich durch das Sicherheitsnetz der gemeinsamen Marktorganisation. Der Agrarexport entwickelt sich positiv. Jeden vierten Euro erlöst die deutsche Landwirtschaft inzwischen im Export, die deutsche Ernährungswirtschaft sogar jeden dritten Euro, und das ohne Exportsubventionen. Diese haben wir grundsätzlich abgeschafft; die Bundesregierung möchte sie auch in der Europäischen Union nicht wieder eingeführt sehen. Das Schützen und das Nutzen unserer natürlichen Ressourcen sind zwei Seiten einer Medaille. Der Agrarbericht betont die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Tieren und Umwelt. Meine Initiative „Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl“ soll eine messbare Verbesserung des Tierwohls erreichen. Sie wird durchaus auch an den Kundenwünschen orientiert; Tierschutz ist als Wettbewerbsvorteil zu sehen. Die Branche hat diese Erkenntnis bereits in der gesamten Wertschöpfungskette aufgenommen. Pflanzenschutz- und Düngerecht sind die Kernfragen der nachhaltigen Pflanzenerzeugung. Der Flächenanteil des ökologischen Landbaus soll zukünftig deutlich größer werden, damit deutsche Erzeuger von der steigenden Inlandsnachfrage nach Bioprodukten, die sich seit dem Jahr 2000 vervierfacht hat, noch besser profitieren können. Mein Haus erarbeitet dazu die Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau. Wichtige Basis ist eine gut aufgestellte, innovative Agrarforschung, die praxisorientierte Kenntnisse liefert. Das ist allerdings auch der Punkt, an dem die Strukturen innerhalb des Ressorts noch verbessert werden müssen. Darüber hinaus darf festgehalten werden, dass das Ziel, ein Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen umzusetzen, feststeht. Von der Lage der Landwirtschaft zeichnet der Bericht ein differenziertes Bild. 285 000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Deutschland, fast möchte ich sagen: noch; denn die Zahl war früher größer.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister, die können Sie jetzt nicht alle aufzählen, weil Sie schon mehr als fünf Minuten geredet haben.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich habe es befürchtet, Herr Präsident. Aber ich hätte noch so viel Gutes und Wichtiges zu sagen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Möglicherweise geben Ihnen die vielen bereits angemeldeten Nachfragen der Kollegen die Gelegenheit, den einen oder anderen Sachverhalt darzustellen. - Ich wollte Ihnen jetzt aber nicht einen letzten Satz vorenthalten. Wenn es eine ganz zentrale, motivierende Botschaft gibt, sollte die dem Protokoll natürlich nicht vorenthalten werden.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Das ist aber sehr nett. - Die Bruttowertschöpfung im Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaft beträgt 161 Milliarden Euro; das entspricht einem Anteil an der gesamten Wertschöpfung von 6 Prozent. Allein diese Zahl zeigt, dass dies ein wichtiger Bereich ist. Das durchschnittliche Einkommen hat sich in den letzten Jahren an das außerlandwirtschaftliche Einkommen angenähert; laut Prognose wird das durchschnittliche Einkommen im nächsten Jahr allerdings wieder sinken. Man sieht: Es besteht struktureller Unterstützungs- und Handlungsbedarf.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Vielen Dank. - Frau Kollegin Tackmann.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir hatten vorhin im Ausschuss Gelegenheit, das eine oder andere Thema zu erörtern. Leider konnten wir den Agrarpolitischen Bericht noch nicht lesen, weil er uns erst wenige Stunden vorliegt. Sie haben im Ausschuss sehr ausführlich darauf hingewiesen, dass das Thema „Boden“ eine entscheidende Rolle spielt. Wenn wir gerade regionale Landwirtschaft, also ortsansässige Betriebe stärken wollen, dann ist es besonders wichtig, ihnen die Produktionsgrundlage BoDr. Kirsten Tackmann den nicht zu entziehen bzw. finanzierbar zu machen. Sie haben dargelegt, dass es eine sehr starke Preisentwicklung gegeben hat und dass viele Pacht- und Bodenpreise durch landwirtschaftliche Arbeit allein nicht mehr bezahlbar sind. Es wird über verschiedene Vorschläge, wie man das ändern kann, diskutiert. Aber weder im Leitbild noch in den politischen Zielen äußern Sie sich dazu. Deshalb möchte ich Ihnen jetzt die Gelegenheit geben, auszuführen, was die Bundesregierung gedenkt zu tun, damit sich diese Situation ändert.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Frau Kollegin Tackmann. - Die Beschreibung des Problems finden Sie in den Anlagen des Agrarberichts. Ich will Ihnen die wichtigsten Punkte kurz nennen. Die Bodenpreise sowohl für Erwerb als auch für Pacht sind dramatisch gestiegen, und zwar in den neuen Bundesländern und in den alten Bundesländern. Wir werden die Vergabestruktur in Bezug auf die in Bundeseigentum befindlichen Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden - das sind im Wesentlichen die BVVG-Flächen - anpassen müssen, um gerade jene zu unterstützen, die neu investieren wollen bzw. die ihren Bereich nach dem Kriterium Regionalität selbst bewirtschaften wollen. Wir werden das im Rahmen dessen, was das Verfassungsrecht uns erlaubt, auch tun. Die Bund-Länder-Kommission hat dazu einen entsprechenden Bericht vorgelegt, der eine Reihe von Ansätzen beinhaltet, die ich jetzt im Einzelnen nicht aufzählen kann.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das geht tatsächlich nicht? - Gut. Dann stellt die nächste Frage der Kollege Brase.

Willi Brase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003054, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, wir haben im Bericht gelesen, dass es bei der Abstimmung zwischen den Ressorts bezüglich der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ und der Reform gewisse Verzögerungen gibt. Rechnen Sie damit, dass wir noch in dieser Amtsperiode eine Grundgesetzänderung beschließen werden? Wir haben schon ein bisschen Zeit verloren, und es dauert eine Zeit, wenn man hier im Bundestag eine Grundgesetzänderung beschließen will. Außerdem muss auch der Bundesrat zustimmen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Brase, wir haben eine nicht ganz orthodoxe Herangehensweise. Ich kann mich glücklich schätzen - ich vermute, dass wird gegenwärtig in der Sitzung des Haushaltsausschusses beschlossen -, dass dieses Hohe Haus den Vorschlag der Bundesregierung in Bezug auf einen Nachtragshaushalt mitträgt. Damit kann mehr Geld für diese Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung gestellt werden, ohne formal den Aufgabenbereich zu erweitern. Wir prüfen derzeit, welche Schritte notwendig sind, um diese Aufgabenerweiterung, die konzertiert ist, umzusetzen. Dies geht bis hin zu der Frage, ob das im Rahmen des bestehenden Rechts der Gemeinschaftsaufgaben möglich ist oder ob man dafür die Rechtsgrundlage - das hieße in diesem Fall: das Grundgesetz - ändern muss. Einen Punkt haben wir in Zusammenhang mit Artikel 91 a Grundgesetz in dieser Legislaturperiode bereits relativ schnell erledigt. Wir prüfen also, und ich bin optimistisch, dass wir das noch in dieser Legislaturperiode schaffen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Ostendorff.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, der Agrarpolitische Bericht beginnt dieses Mal mit einem achtzeiligen Leitbild. Das ist neu. Dieses Leitbild gibt aber keine Antwort auf die Fragen der Betriebe, für die in diesem Jahr eine sehr schwierige Lage vorausgeschätzt wird. Die sehr positive Entwicklung der letzten beiden Jahre wird dieses Jahr jäh beendet, und es geht in einen strammen Sinkflug. Was sind denn nun außer dem, was wir seit 2011 immer hören, dass nämlich der Export es richten muss, die konkreten Antworten darauf? Die Exportdaten geben das ja nicht her. Diese Fragen werden von Ihnen zu beantworten sein: Was kann man heute den Betrieben sagen, die mit ständig sinkenden Einkommen zu kämpfen haben? Wo ist die Hoffnung in diesem Agrarbericht? Worin drückt sie sich aus? Sie sagen, der Dialog mit der Gesellschaft müsse geführt werden. Hier bleibt natürlich die Frage: Wie denn? Was sind die Angebote? Sie schreiben, wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Was sind denn die verlässlichen Rahmenbedingungen für diejenigen, deren Einkommen jetzt sinken? Was wollen Sie der Gesellschaft anbieten? Wie will man miteinander ins Gespräch kommen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Hier ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess notwendig. Es muss Diskussionen geben, nicht nur seitens der Bundesregierung, sondern auch solche, die durch die Bundesregierung angestoßen und gefördert werden - sowohl innerhalb unserer politischen Strukturen, auch des Parlaments, als auch gerade in der Zivilgesellschaft. Hier setze ich auch durch eine entsprechende Förderung des Dialogs darauf, mit verschiedenen Gruppen ins Gespräch zu kommen und Themen konkret zu erörtern. Dazu wird auch die Dialogreihe „Gut leben in Deutschland“ einen wichtigen Beitrag leisten, mit der die Bundesregierung in diesem Jahr beginnt. Zu den Preisen. Es bleibt in der Tat bei der mittelfristigen Erwartung, dass die Preise durch die Nachfrage - auch im Exportbereich - wieder steigen. Wir sind gegenwärtig in einer volatilen Phase und werden nicht mit Mitteln der Marktregulierung, die bisher leider versagt haben, tätig werden, sondern mit Vorschlägen zur strukturellen Unterstützung und Entlastung der Landwirtschaft für die Bereiche aufwarten, in denen sie bürokratisch und sonst wie besonders stark belastet ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Möhring.

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Bundesminister, meine Frage schließt an die vorhergehende vom Kollegen Ostendorff an. - Sie haben ja auch selber angedeutet, dass damit zu rechnen ist, dass es beim Milchpreis deutliche Schwankungen nach unten geben wird. Meine Frage ist, wie Sie als Bundesregierung die zukünftige Entwicklung und die Auswirkungen auf die Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger konkret bewerten. Wenn man sich die bisherigen Schwankungen in den letzten Jahren anschaut, dann sieht man, dass der Milchpreis zur Zeit der Milchkrise bei 22 Cent lag und sich nach einer Erholung auf 42 Cent erhöhte. Mit einem sinkenden Milchpreis wird der Druck auf die Erzeugerinnen und Erzeuger extrem steigen. Die Frage, die sich daran anschließt, lautet: Was beabsichtigen Sie, wirklich konkret zu tun, damit es auch weiterhin eine regionale Milchproduktion geben kann?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. - Die Struktur des Milchmarktes in unserem Lande - von der Produktion über die Molkereien bis zur abnehmenden Hand - ist weitaus besser als vor 30 Jahren. Wir werden nicht zu einer Milchquotenregelung zurückgehen, die gerade das, was Sie beschrieben haben, nämlich den Einbruch des Milchpreises auf 22 Cent, nicht verhindern konnte. Krisenreaktion und Sicherheitsnetz sind hier wichtige Stichworte. In diesem Jahr werden viele Betriebe wirtschaftlich darunter leiden, dass sie die Superabgabe zur Vermeidung einer Überproduktion im letzten Quotenjahr bezahlen müssen. Für diejenigen, die investiert haben und damit vielleicht auch hohe Erwartungen verbunden haben, bieten wir mit einem Programm der Landwirtschaftlichen Rentenbank eine Überbrückung an. Mittelfristig gehen wir mit der EU-Kommission davon aus, dass der Milchpreis nach oben geht. Eine Zielmarge von 35 Cent in den nächsten Jahren ist angesetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Westermayer.

Waldemar Westermayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004611, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich habe zwei Fragen zum Mindestlohn, der seit Anfang des Jahres gilt. Hat er sich bewährt, und wo genau sehen Sie Änderungsbedarf? Eine weitere Frage betrifft den Russlandexportboykott für Agrarprodukte. Wie groß ist der Schaden für deutsche Bauern?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Zur ersten Frage: Nachdem der Deutsche Bundestag das Mindestlohngesetz beschlossen hat, sind wir gegenwärtig in der Phase der Sammlung von Erfahrungen und Informationen über die Auswirkungen des Gesetzes. Sie haben sicherlich registriert, dass die Europäische Kommission in einigen Bereichen Gesprächsbedarf mit der Bundesregierung sieht. Dem wird selbstverständlich nachgekommen. Wir sehen, dass es im Bereich der geringfügig Beschäftigten und Saisonarbeitskräfte durchaus Veränderungen gibt. Die Minijob-Zentrale berichtet von dem Verlust von circa 250 000 Minijobs. Ob und wie sich das weiterentwickelt, wird sich zeigen. Die Bundesregierung ist im Gespräch und im Dialog und wird ausgehend von der Mindestlohnregelung, die gesetzlich beschlossen ist und bei der es auch bleibt, mögliche Fragen in diese Richtung besprechen und klären.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nicole Maisch.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, wir haben den Bericht zwar sehr kurzfristig bekommen, aber das Kapitel zu den Nutztieren ist recht kurz, sodass man es noch lesen konnte. Deshalb frage ich Sie, warum das Gutachten Ihres Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik zum Thema „Wege einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ keinen Eingang in Ihren Bericht gefunden hat. In diesem Gutachten werden erhebliche Defizite vor allem im Bereich Tierschutz konstatiert. Es wird gesagt, dass ein Großteil der Nutztiere in diesem Land unter nicht zukunftsfähigen Haltungsbedingungen leben muss. Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesem vernichtenden Urteil Ihres eigenen Sachverständigenrates zum Thema Tierhaltung?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Gestatten Sie mir noch einen Satz zu der vorherigen Frage: Das russische Embargo hat zu einem Verlust von 600 Millionen Euro für die deutsche Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie geführt. Zu Ihrer Frage: Es ist kein vernichtendes Urteil, sondern ein wissenschaftlicher Text, der sehr viele Aspekte beinhaltet, und ich empfehle, ihn nicht nur in der komprimierten Kurzfassung, sondern als Gesamtlektüre zu lesen. Es ist das zweite wissenschaftliche Gutachten dieses Beirats im Berichtszeitraum. Wir haben beide nicht aufgenommen, weil ich keine ohnehin publizierten Berichte wiedergeben möchte. Sie erwarten zu Recht, dass ich politische Schlussfolgerungen ziehe, was ich im Rahmen des Tierschutzberichtes auch tun werde. Ich bin durchaus der Ansicht, dass Wissenschaft gut und interessant ist, aber nicht immer zielstrebig eins zu eins in politische Maßnahmen umgesetzt werden muss. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dieter Stier.

Dieter Stier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004168, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, unsere landwirtschaftlichen Betriebe produzieren zweifelsohne Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse auf einem hohen Niveau. Allerdings erzählen mir auch die Landwirte in meinem Heimatbundesland, dass sie nach der GAP-Reform mehr am Schreibtisch sitzen als Zeit für ihre Tiere und Felder zu haben. Was tut die Bundesregierung, um die bürokratischen Belastungen unserer Betriebe entsprechend zu vermindern oder weiter abzubauen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Die Bundesregierung sieht und erkennt, dass das Volumen der dem Minister vorgelegten Mappe auch einen Mehrfachantrag beinhalten könnte, und hat deswegen Verständnis für die Klagen der Landwirte über den zunehmenden bürokratischen Aufwand. ({0}) Sie versucht, diesen bürokratischen Aufwand auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Das wird nur gelingen, wenn die Europäische Kommission bereit ist, entsprechende Schritte mitzugehen. Erfreulicherweise hat die Kommission unter Präsident Juncker entsprechende Schritte eingeleitet. Ich bin mit dem zuständigen Kommissar Hogan bereits in intensiven Gesprächen darüber. Bei den Ratssitzungen in der nächsten Zeit werden wir diese Schritte konkretisieren - mit dem Ziel, die Landwirte in bürokratischer Hinsicht zu entlasten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Ebner.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Ihr Bericht enthält ein sehr kurzes Kapitel zur Agrogentechnik, in dem es unter anderem um Opt-outs geht. Ich möchte Sie bitten, da Sie dazu nichts geschrieben haben, hier Ihre Beweggründe zu erklären. Wie begründen Sie Ihre Haltung zu dem Vorschlag von Kommissionspräsident Juncker zu den Opt-outs bei Importzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen? Ein zweiter Punkt: Sie haben gesagt, dass es in der EU auf absehbare Zeit keine Möglichkeit gebe, die Kennzeichnungslücke hinsichtlich tierischer Produkte - Milch, Fleisch, Eier - von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, zu schließen. Meine Frage dazu lautet: Haben Sie sich damit vom Inhalt des Koalitionsvertrages verabschiedet? ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das kann sich kein Mensch vorstellen. ({0})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident, kann ich außerhalb der Zeitberechnung eine Verständnisfrage an den Kollegen stellen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja, das ist ja auch ein ungeheuerlicher Verdacht.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich möchte ihn bitten, zu bestätigen, ob meine Vermutung richtig ist: Meinen Sie, lieber Herr Kollege, den Opt-out-Vorschlag für Importprodukte - so sagten Sie das -, also nicht für Anbau? Ich frage, um richtig antworten zu können.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau. Den meinte ich jetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Jetzt läuft die Zeit.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herzlichen Dank. - Zur ersten Frage: Ich sehe diesen leicht überraschenden Vorschlag der Kommission, gentechnisch veränderte Organismen auch im Nutzungsbereich nicht einzusetzen, sehr skeptisch. Ich muss das mit Blick auf die Veredelungswirtschaft auch sein. Das würde die Hälfte der Veredelungswirtschaft - ich sage es einmal mit einem politischen Fachbegriff - außer Funktion setzen; denn mit importierten Futtermitteln, die gentechnisch verändert sind, wird die Ernährung der Tiere insbesondere hinsichtlich der Versorgung mit Eiweiß zu einem Großteil bestritten. Zur zweiten Frage: Ich bin durchaus der Meinung, dass wir mit einer praktikablen Kennzeichnung im Gentechnikbereich dem Auftrag des Koalitionsvertrages und einem Beschluss des Deutschen Bundestages nachkommen. Wir müssen in Deutschland und in Europa auf diesem Gebiet weiter kämpfen und arbeiten, und das tue ich. ({0}) - Für mich sind die Beschlüsse des Deutschen Bundestages sogar noch wichtiger, und darin steht: eine praktikable Kennzeichnung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe jetzt noch neun weitere Nachfragen zu dem vorgetragenen Bericht. Damit würde ich es gerne bewenden lassen, weil ich sonst keine Möglichkeit sehe, dass weitere Fragen, die angemeldet sind, im Rahmen der Regierungsbefragung gestellt werden können. Darf ich dazu Einvernehmen feststellen? - Das ist der Fall. Als Nächste fragt die Kollegin Binder. Weiter habe ich notiert die Kollegen Priesmeier, Ostendorff, Maisch, Kekeritz, Connemann, Beermann, Stauche - wenn auch in gemischter Reihenfolge. Ich glaube, das bekommen wir hin. - Bitte schön, Frau Binder.

Karin Binder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003738, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Da es sich bei dem vorliegenden Bericht nicht nur um einen agrarpoliti9980 schen Bericht, sondern auch um einen ernährungspolitischen Bericht handeln sollte, möchte ich gerne eine Frage zum Schulobstprogramm stellen, das insbesondere im letzten Jahr infolge der Ukraine-Krise und des Embargos durch Russland einen gewissen Aufschwung erfahren hat. Ich wüsste gerne, welche positiven Meldungen es diesbezüglich zu berichten gibt? Wie viel mehr Schulen, wie viel mehr Schülerinnen und Schüler haben von diesem Zuwachs profitiert? Wäre es unter diesen Umständen nicht eine Überlegung wert, bei diesem Programm noch einmal etwas draufzulegen? Der Bericht müsste doch eigentlich auf einen Mehrbedarf bei diesem Programm hinweisen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin Binder, herzlichen Dank für diese Hinweise. Ich will vorneweg sagen: Der Agrarbericht umfasst in der Tat ausführlich die Punkte Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Nun zu Ihrer Frage nach dem Schulobstprogramm. Gegenwärtig beteiligen sich zehn Bundesländer an diesem Programm. Es sind unterschiedliche Formen in der Kofinanzierung gegeben, und zwar sowohl beim Schulobstprogramm wie beim Schulmilchprogramm, die wir zusammenführen. Ich bin fest der Ansicht, dass wir dieses Programm im Sinne einer guten Schulernährung ausbauen und fördern sollten. Ich darf der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass mich Geräusche aus Brüssel, aus den Gängen der Kommission, etwas irritieren. Es ist zu vernehmen, dass über die Fortsetzung des Schulobstprogramms noch diskutiert wird. Wir - die Bundesregierung und ich - werden uns für die Fortsetzung des Schulobstprogramms einsetzen und dafür sorgen, dass es finanziell besser ausgestattet wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Connemann.

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, vielen Dank. - Der agrarpolitische Bericht dient ja nicht nur einer Bestandsaufnahme der Situation in der Landwirtschaft, sondern behandelt auch die Frage der Weiterentwicklung. Darüber wird hier im Parlament wie auch in der Gesellschaft hinlänglich gestritten. Es gibt durchaus die Forderungen nach einer Agrarwende. Brauchen wir eine Agrarwende, und wie sind an dieser Stelle die agrarstrukturpolitischen Leitlinien Ihres Hauses?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin Connemann, wir brauchen keine Agrarwende, vielmehr müssen wir auf der Grundlage der Situationen, der Fragestellungen, die sich in der Gesellschaft, in der Ökonomie, in der Ökologie ergeben, aus der Mitte der Gesellschaft heraus und in die Mitte der Gesellschaft hinein Lösungen finden. Die Kollisionsbereiche sind natürlich größer geworden, wenn ich etwa den Vergleich mit der Situation von vor etwa 50 Jahren ziehe. Dessen ist sich die Landwirtschaft aber auch bewusst. Wir müssen Veränderungen da, wo sie notwendig sind, anstoßen, unterstützen und fördern. Am liebsten sind mir die Entscheidungen und Entwicklungen, die freiwillig kommen, weil ich nicht der Ansicht bin, dass mit einer regulierten - ich darf Ihr Wort aufnehmen - Wende wirklich das Ziel, nämlich eine Landwirtschaft, die die genannten Punkte beachtet und auf dieser Basis ökonomisch erfolgreich ist, erreicht wird. Das heißt für mich, dass wir daran nicht nur in Deutschland, sondern auch europäisch arbeiten müssen. Ich bin bereit, wenn ich es in die Antwort auf die nächste Frage einbringen darf, Herr Präsident, noch einen Satz dazu zu sagen, wie ich mir das vorstelle. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wobei Sie für die nächste Antwort natürlich keine Zeitgutschrift haben, nicht wahr? - Herr Kollege Priesmeier.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wir haben seit 2011 eine hervorragende Entwicklung des gesamten Sektors gesehen, mit steigenden Einkommen und einer relativ großen Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit. Das sieht man an den Exporten. Wir sind auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Wir haben natürlich immer die großen Agrarreformen auf der europäischen Ebene vor Augen. Nach der Reform ist immer vor der Reform. Wir haben jetzt ein Zwei-Säulen-System, das sich in den Grundlagen auf 1992 bezieht und auf dieser Grundlage Prämien zahlt. Wir nehmen jetzt aus der ersten Säule - sie umfasst 5 Milliarden Euro - etwa 225 Millionen Euro und geben sie zusätzlich in die zweite Säule. Können Sie sich vorstellen, dass wir dort im Hinblick auf 2017 und die erforderliche weitere Entwicklung der europäischen Agrarpolitik diesen Anteil erheblich erhöhen und das ausschöpfen, was national möglich ist, nämlich 15 Prozent?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Priesmeier, wir haben in der Tat sehr viele Veränderungen auf europäischer Ebene erlebt. Ich darf darauf hinweisen, dass die Entkopplung der Zahlungen an die Landwirtschaft - öffentliches Geld für öffentliche Leistungen - von der Produktion ein ganz wesentlicher Einschnitt war, zu dem ich stehe und den ich für richtig halte, ja, von dem ich ganz im Gegenteil sogar glaube, dass wir ihn noch zu 100 Prozent durchführen müssen. Das Zweite ist, dass wir in der gegenwärtigen Förderperiode von 2014 bis 2020 rechtzeitig - das heißt für mich: schon in diesem Augenblick - überlegen, welche weiteren Herausforderungen es gibt. Sie haben die zweite Säule angesprochen. Es gibt gegenwärtig Diskussionen, ob es im Bereich der Veredelung Förderungen für neue Maßnahmen geben sollte. Es gibt Fragen zum Thema der Düngewirtschaft und des Düngemittelmanagements und zu benachteiligten Gebieten. Wichtig ist: Es muss nach 2020 weiterhin dieses Programm, diese gemeinsame Politik geben. Aber sie wird sicherlich da und dort angepasst werden müssen. Ich lade schon jetzt zur Diskussion ein. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Maisch.

Nicole Maisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003884, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, wir hatten ja heute Morgen im Ausschuss schon die Gelegenheit, über den Bericht zu diskutieren. Da haben Sie - ich darf Sie zitieren - über messbare Erfolge der Initiative Tierwohl gesprochen. Deshalb möchte ich Sie gerne fragen: Was sind diese Erfolge, und wie wurden sie gemessen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. - Die Erfolge wurden beispielsweise bei den Rahmenbedingungen für Stallhaltungssysteme gemessen, die wir sowohl regulativ als auch im Bereich von besten Beispielen fördern und unterstützen. Sie wurden auch bei der Reduzierung von nichtkurativen Eingriffen gemessen. Hier gibt es eine gesetzliche Maßgabe, nämlich das Verbot der Kastration von Ferkeln ohne Betäubung. Ich sehe weitere Entwicklungen sowohl in der Geflügelhaltung als auch im Bereich der Schweine- und der Rinderhaltung. Wir sind in dem Kompetenzkreis, den ich eingerichtet habe, bisher zu sehr guten Ergebnissen gekommen. Ich will auch auf die Brancheninitiative des Verbandes hinweisen. Was die Eier betrifft, haben auch Sie sicherlich die Information erhalten, dass wir technologisch sehr weit sind, sodass wir bald auf das Töten von Ersttagsküken verzichten können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Maik Beermann.

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich bin ein Kind des ländlichen Raumes und fühle mich da auch sehr wohl. Ich möchte dies auch in Zukunft tun. Daher würde mich, weil für mich die Landwirtschaft und die Agrarwirtschaft zum ländlichen Raum gehören, interessieren: Wie sehen Sie persönlich die Rolle der Landwirtschaft zukünftig bei uns in den ländlichen Räumen? Und in Anlehnung daran: In welcher Rolle sehen Sie Ihr Ministerium für die Weiterentwicklung der ländlichen Räume?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich denke, ländliche Entwicklung ist eine über die Landwirtschaft hinausgehende Querschnittsaufgabe, aber ländliche Entwicklung ohne Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft kann ich mir nicht vorstellen; sonst müssten wir das Land in die Stadt bringen. Wir hatten vor einiger Zeit versucht, ein Getreidefeld am Pariser Platz genehmigt zu bekommen. Darüber war die Bezirksverwaltung von Berlin-Mitte nicht erfreut. Ich will damit zeigen, dass die städtischen Bereiche nicht ohne die ländlichen Strukturen leben können; diese muss es für Produktionen und Lebensweisen geben, die in der Stadt nicht präsentierbar sind. Deswegen: Kernaufgabe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Kekeritz.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, als Entwicklungspolitiker müsste ich Sie jetzt eigentlich zur Exportorientierung fragen, aber ich habe vom Kreisrat Ihres Wahlkreises die Aufgabe bekommen, Sie nach dem EU-Vertragsverletzungsver- fahren bezüglich der Trinkwasserversorgung zu fragen. Sie wissen, dass die Berechnungen besagen, dass, wenn es so weitergeht, bis zum Jahr 2020 circa 40 Prozent un- seres gesamten Trinkwassers mit zu hohen Nitratwerten belastet sein werden. Wir wissen auch, dass das Nitrat von der Oberfläche bis zum Trinkwasser im Schnitt 40 Jahre braucht. Das heißt, wenn wir heute jeglichen Eintrag von Nitrat verhindern würden, würde es noch 40 Jahre lang immer schlechter werden. Wie ist Ihre Position dazu? Was gedenkt die Bundesregierung, was gedenken Sie, a) in Bezug auf das Vertragsverletzungs- verfahren zu unternehmen und b) tatsächlich auf dem Land zu tun?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. - Herr Präsident, ich werte diese Frage als eigenständige Frage des Kollegen; denn Auftragsfragen werden, glaube ich, im Deutschen Bundestag nicht besprochen und beantwortet. Ich antworte daher in eigener Kompetenz: ({0}) In der Tat ist die Umsetzung der Anforderungen der Europäischen Kommission im Hinblick auf die Nitratrichtlinie ein Thema, das uns allen am Herzen liegt. Das Wasser muss sauber und trinkbar bleiben. Der Grenzwert von höchstens 50 Milligramm Nitrat pro Liter muss beachtet werden. Es gibt Bereiche in unserem Land, wo dieser Wert überschritten wird. Deswegen steht die Bundesregierung in sehr intensiven Gesprächen mit den Bundesländern, die über den Bundesrat in dieser Angelegenheit ganz wesentlich mitentscheiden und daran mitwirken, eine ökonomisch tragbare und ökologisch sinnvolle Lösung für die Düngeausbringung zu finden. Wir sind unter der Drohung eines Vertragsverletzungsverfahrens gehalten, dies zügig zu tun. Wir werden zeitnah eine Änderung des Düngegesetzes zur Beratung in den Deutschen Bundestag einbringen. Dann können wir über dieses Thema noch einmal reden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Stauche, eine letzte Frage zu diesem Bericht.

Carola Stauche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004162, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eigentlich schließt meine Frage an die von Frau Maisch an. Wir wissen ja, wie sehr sich die Nutztierhaltung in den letzten Jahren geändert hat. Wir wissen aber auch, dass wir trotz vieler Veränderungen immer noch große Probleme haben, für die es keine praxistauglichen Lösungen gibt. Ich möchte die Bundesregierung daher fragen, was sie in den nächsten Jahren im Bereich der Agrarforschung tut, um der Landwirtschaft weiterzuhelfen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Frau Kollegin Stauche. - Wenn es mein politischer Ansatz wäre - was es nicht ist -, durch den Hinweis auf nicht funktionierende Forschung die Lösung der Probleme nur zu verschieben, dann hätten wir, glaube ich, weder für die landwirtschaftliche Produktion noch für das Verbrauchervertrauen, noch für unsere politische und gesellschaftliche Diskussion wirklich etwas gewonnen. Deswegen muss gelten: Es geht nicht, dass wir alles auf die Erzeuger abwälzen. Wir müssen auch an die Wertschöpfungskette denken. Das kostet Geld. Zur Frage vom Kollegen Stier: Ich möchte auch, dass wir auf europäischer Ebene einheitliche Regelungen schaffen. Es ist dem Tier nicht geholfen, wenn es in ein anderes europäisches Land übersiedelt und in diesem Land die Tierschutzregeln nicht so streng sind wie bei uns. ({0}) Deswegen habe ich mit den Niederlanden und Dänemark eine gemeinsame Initiative gegründet. Wir haben uns bereits in den Niederlanden und in Kopenhagen in Dänemark getroffen und werden uns jetzt in Deutschland treffen. Wir wollen die Kommission ganz gezielt auf die Interessenlage aufmerksam machen und eine gemeinsame Ebene bzw. gemeinsame Standards schaffen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Den Namen des Kollegen Krischer habe ich vorhin notiert, ihn aber nicht verlesen. Muss das noch unbedingt sein? Nein, oder? ({0}) - Gut. Ich bedanke mich für das Entgegenkommen. ({1}) Dann können wir, wie vereinbart, diesen Bereich abschließen. Der Minister ist auch ganz erleichtert. Es herrscht allgemeine Begeisterung. Ich darf dann mögliche andere Fragen zu Themen der heutigen Kabinettssitzung aufrufen. Die Kollegin Haßelmann hat um das Wort gebeten.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Krischer konnte jetzt, glaube ich, nicht anders antworten. Da hat er jetzt bestimmt einen gut. Meine Frage betrifft einen ganz anderen Themenkomplex, nämlich den der BND-Affäre und des No-Spy-Abkommens. Herr Minister, mich würde interessieren, ob dieses Thema heute im Kabinett erörtert worden ist. Falls das nicht der Fall ist, bitte ich Sie, mir einmal zu erklären, warum sich das Kabinett in der zweiten Sitzungswoche hintereinander nicht mit einem innen- und außenpolitisch so relevanten Thema befasst. Ich habe mir die Geschäftsordnung des Kabinetts und der Bundesregierung angesehen. Darin steht explizit geschrieben - das ist § 15 Absatz 1 -: Der Bundesregierung sind … zu unterbreiten alle Angelegenheiten von allgemeiner innen- und außenpolitischer … Bedeutung … Da die BND-Affäre und das No-Spy-Abkommen innen- und außenpolitisch unglaublich bedeutsame Themen sind, haben weder ich als Parlamentarierin noch, glaube ich, viele Menschen draußen Verständnis dafür, dass sich das Kabinett nicht mit dieser Frage befasst.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Minister.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Liebe Kollegin Haßelmann, in der Tat entspricht es der Geschäftsordnung, dass sich das Kabinett grundsätzlich mit allen Fragen, die es an sich zieht und die von Relevanz sind, befassen kann. Das kann nicht in jeder Sitzung und in jeder Stunde der Fall sein. Um auf Ihre Frage zu antworten: Wir haben uns heute nicht mit diesem Thema beschäftigt. Ich erlaube mir allerdings, darauf hinzuweisen, dass in diesem Haus ein Untersuchungsausschuss zu dem Thema NSA besteht ({0}) - ja -, der auch von der Bundesregierung informiert wird bzw. mit dem die Bundesregierung im Gespräch ist. Die Gespräche innerhalb des Kabinetts sind das eine. Sie wissen und können davon ausgehen, dass das Kabinett eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Persönlichkeiten, die dem Kabinett angehören, innerhalb und außerhalb des Kabinetts hat. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Petzold.

Harald Petzold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004374, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte gerne nachfragen, ob sich das Kabinett mit der Praxis der Beantwortung Kleiner Anfragen bzw. der Darstellung der Rechtsposition der Bundesregierung und einzelner Fachminister befasst hat, da es am Wochenende eine Aufregung wegen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zum Thema „Notwendigkeit der Änderung des Grundgesetzes für die Öffnung der Ehe“ gegeben hat. Kurz nach der Beantwortung einer Kleinen Anfrage ist de facto die Antwort durch den zuständigen Fachminister, den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, widerrufen worden. Ich möchte gerne wissen, ob diese Beantwortung heute Thema im Kabinett war und welchen Standpunkt die Bundesregierung denn nun tatsächlich vertritt.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Das Kabinett hat keine Veranlassung gesehen, sich zu diesem Thema auszutauschen. Sowohl die Bundesregierung in der Beantwortung der Kleinen Anfrage als auch Kollege Maas mit seiner Äußerung haben dazu das Richtige gesagt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darauf bezieht sich auch meine Frage. Sie richtet sich natürlich auch an den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Süddeutsche Zeitung fasst den Vorgang mit folgenden Worten treffend zusammen: Einen derartigen Vorgang hat es im politischen Berlin schon länger nicht mehr gegeben. Bundesjustizminister Heiko Maas ({0}) sah sich am Wochenende genötigt, eine Antwort seines eigenen Ministeriums zu einer wichtigen Frage öffentlich zu korrigieren. Wir hatten danach gefragt, warum im Referentenentwurf zum Lebenspartnerschaftsgesetz unter „Alternative“ „keine“ steht, obwohl der Bundesrat alternativ dazu vorgeschlagen hat, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Darauf antwortet das Bundesjustizministerium in der mir vorliegenden Drucksache, über deren Gültigkeit ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts weiß, das sei keine Alternative: Mit Blick auf die einschlägige ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts … würde eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes … voraussetzen. Der Bundesjustizminister hat auf Facebook - das ist gewöhnlich im parlamentarischen Bereich nicht die offizielle Methode, zu antworten - gesagt, eine Grundgesetzänderung sei dafür nicht zwingend.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Schauen Sie gelegentlich auf die Zeit.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich frage die Bundesregierung: Gilt die schriftlich gegebene Antwort in der Drucksache, oder ist das nicht die aktuelle Rechtsauffassung? Wenn Letzteres der Fall ist: Welche aktuelle Rechtsauffassung zu dieser Frage vertritt die Bundesregierung?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Da sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht verbindlich auf Facebook äußert, sondern in Drucksachen, die Thematik aber eine weiter gehende ist, würde ich gerne den Vertreter des zuständigen Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz um Übernahme und Stellungnahme zu der Frage bitten. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es scheint mir jetzt schon vernünftig, wenn überhaupt eine Antwort zu der Frage erwartet wird, dass der anwesende Staatssekretär den Versuch einer solchen unternimmt. - Bitte schön.

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Herr Präsident, das mache ich gerne. Bundesminister Heiko Maas hat in seiner in der Frage zitierten Nachricht auf Facebook, die Sie gerade erwähnt haben, gesagt, dass er der Auffassung ist, für eine einfachrechtliche Öffnung der Ehe für Partner desselben Geschlechts sei nicht zwingend eine Grundgesetzänderung erforderlich. Dies entspricht einer in der Literatur vertretenen Einschätzung, etwa von Professor Dr. Frauke Brosius-Gersdorf im Dreier-Kommentar zum Grundgesetz; gemeint ist ihr Kommentar zu Artikel 6 des Grundgesetzes, Randnummer 81. Danach liegt eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Die Haltung der Bundesregierung hat zuletzt der Regierungssprecher in der Regierungspressekonferenz am Montag, 18. Mai 2015, wiedergegeben. Herr Kollege Seibert sagte: Es ist darauf hingewiesen worden, „dass der Koalitionsvertrag die vollständige Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft nicht vorsieht; deshalb wird das in dieser Legislaturperiode auch kein Projekt dieser Bundesregierung werden“.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Matthias Gastel, bitte.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Meine Frage bezieht sich darauf, dass bei der Bahn inzwischen zum neunten Mal gestreikt wird und die Fahrgäste immer stärker unter diesen Streiks leiden. Ich möchte von Ihnen, der Bundesregierung, gerne wissen, was Sie ganz konkret unternehmen, um diese Situation zu entschärfen. Ich beziehe mich auf Ihre Rolle als Gesetzgeber: Sie können Gesetze erlassen oder es ausdrücklich und bewusst auch bleiben lassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Da muss ich doch darauf hinweisen, dass für die Gesetzgebung der Bundestag zuständig ist und nicht die Bundesregierung.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Bundesregierung kann Gesetzentwürfe einbringen oder auch zurückziehen, wie auch immer. Ich spreche den Bund auch in seiner Rolle als Eigentümer der DB AG an. Was tun Sie, die Bundesregierung, konkret, um die Situation zu entschärfen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Zu Ihrer ersten Frage darf ich Folgendes sagen: Wir sind dieser Aufforderung sogar nachgekommen und haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der, wenn ich es richtig sehe, am Freitag dieser Woche in zweiter und dritter Beratung behandelt wird. ({0}) Dieser Gesetzentwurf könnte mit diesem Streik, jedenfalls was das Ergebnis angeht, in Verbindung gebracht werden. Herr Präsident, muss ich den Abgeordneten um Erlaubnis fragen, oder kann ich selber das Wort an einen anderen Regierungsvertreter weitergeben?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sie müssen den Fragesteller fragen, ob er damit einverstanden ist.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Gastel, sind Sie damit einverstanden, dass ich die weitere Beantwortung an den Kollegen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur weitergebe?

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn es der Qualität der Antwort dienlich ist, ja.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Also, ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatssekretär Ferlemann, bitte schön.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Bundesminister, auch Ihnen vielen Dank für das Lob, das mit Ihrer Einschätzung einhergeht, dass wir kompetent antworten können. - Sicherlich ist es so, dass dieser Streik die deutsche Wirtschaft und den Personenverkehr auf der Schiene in Deutschland extrem belastet. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverkehrsministers, in einen Tarifkonflikt einzugreifen. ({0}) Gleichwohl ist es so, dass wir in öffentlichen Äußerungen natürlich deutlich machen, dass ein Streik verhältnismäßig sein muss, unabhängig davon, dass eine Gewerkschaft das Recht hat, einen Streik auszurufen. Wir sind der Auffassung, dass die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme angesichts der Länge dieses Streiks bei weitem nicht mehr gerechtfertigt ist. Deswegen verhandelt die Gewerkschaft auch mit der Deutschen Bahn AG darüber, einen Schlichtungsprozess in Gang zu setzen, und wir haben die Hoffnung, dass es zu dieser Schlichtung kommen wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Schmidt, seit mehreren Wochen wird öffentlich ein Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums zum Thema Klimaschutzabgabe diskutiert. Die Position des Bundeswirtschaftsministers ist bekannt. Mich würde interessieren: War dieses Thema Gegenstand einer Kabinettssitzung? Hat die Bundesregierung eine Auffassung darüber, wie mit dem Thema Klimaschutzabgabe weiter verfahren werden soll? Ich frage dies vor dem Hintergrund von Presseberichterstattungen insbesondere in den letzten Tagen, dass der Vorschlag quasi aufgeweicht und wirkungslos gemacht werden soll.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, für diese Beschreibung und den Hinweis auf die Diskussionen der letzten Wochen. - Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Zuständigkeit einen Vorschlag zu einer Frage vorgelegt, die ihm und uns als eine wichtige erscheint. Die Bundesregierung ist über diese Frage noch im weiteren Gespräch und wird sich zu gegebener Zeit dazu positionieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Schmidt, ich will noch einmal kurz auf meine Eingangsfrage zum BND und zum NoSpy-Abkommen zurückkommen. Sie müssen mir das noch einmal erklären. Wie muss ich mir das vorstellen? Wie entscheidet ein Kabinett überhaupt darüber, was es für wichtig oder unwichtig hält? Allein in der letzten Woche haben Minister de Maizière, wichtiger Minister, Minister des Innern, das Kanzleramt, Vizekanzler Gabriel und der Justizminister über die Presse Vorschläge gemacht, Anforderungen formuliert oder sogar Forderungen aufgestellt, was im Hinblick auf die BND-Affäre und das No-Spy-Abkommen von der Bundesregierung jetzt zu erwarten ist. Sie sind Teil der Bundesregierung - die vier Genannten sind auch Teil der Bundesregierung -, und Sie erklären mir jetzt, dass Sie sich entgegen Ihrer Geschäftsordnung - es geht um wichtige innen- und außenpolitische Dinge - mit solchen Fragen das zweite Mal hintereinander in einer Sitzungswoche nicht befassen. Das kann man doch nicht verstehen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Liebe Kollegin Haßelmann, wir alle, die wir hier, in welcher Funktion auch immer, Regierungsverantwortung tragen oder getragen haben, wissen, dass sich Kabinettssitzungen dadurch auszeichnen, dass in ihnen über Tagesordnungspunkte entschieden wird. ({0}) Deswegen gibt es in Kabinettssitzungen Vorlagen, Gesetzentwürfe und Berichte. Der Teil des allgemeinen Gesprächs ist immer sehr kurz gehalten, und das ist auch gut so. Diese Diskussionen und Fragen gehören in den politischen Diskussionsprozess. Soweit Entscheidungsbedarf für die Bundesregierung besteht, wird er selbstverständlich im Bundeskabinett befriedigt. Solch ein Entscheidungsbedarf ist für mich nicht erkennbar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Frage. - Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine Frage, die den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern betrifft. - Der Focus berichtete gestern über Aufstände in Mazedonien und meldete, in diesem Land mitten in Europa drohe uns ein Brandherd wie in der Ukraine. Mazedonien ist von uns als sicheres Herkunftsland eingestuft. In der Stadt Kumanovo gab es bei einer Schießerei mit Aufständischen 22 Tote. Die bulgarische Regierung hat gestern erklärt, sie verlege ihre Truppen an die Grenze zu Mazedonien - für den Fall, dass sich die Lage dramatisch verschlechtere. Ich frage die Bundesregierung, welche Konsequenzen dies für die Einstufung von Mazedonien als sicherer Herkunftsstaat im Rahmen des Asylrechts aktuell hat.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Die Bundesregierung betrachtet die Entwicklung in Mazedonien mit Sorge. Sie ist darüber in Gesprächen und im Kontakt mit der dortigen Seite. Es handelt sich in der Tat um gewalttätige Auseinandersetzungen. Deren Hintergründe sind nicht genau erkennbar. Eine Auswirkung auf die Einstufung als sicheres Herkunftsland wird aber nicht gesehen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Jetzt gibt es noch eine Frage zu sonstigen Themen außerhalb der Kabinettssitzung. - Frau Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine Frage, auch wieder zum Komplex „BND-Affäre“ und vor allen Dingen zu den Selektorenlisten BND/NSA. - In der gemeinsamen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums und der Obleute des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. April hat der Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, den dort Anwesenden fest zugesagt, dass es nur eine Frage von Tagen sei, bis eine Entscheidung darüber falle, in welcher Form die Selektorenlisten den Parlamentariern, also dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem Untersuchungsausschuss, übergeben werden. Warum bricht jetzt an dieser Stelle das Kanzleramt seine Zusage gegenüber den Parlamentariern? Ich habe vorhin einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur entnommen, dass vor Pfingsten nicht mit einer Entscheidung in dieser Sache zu rechnen ist.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Liebe Kollegin Haßelmann, ich darf die Aussage in Ihrer Frage, dass die Bundesregierung Zusagen bricht, zurückweisen. Die Bundesregierung bricht nie Zusagen. ({0}) Ich darf zur weiteren Beantwortung an den Staatsminister bei der Bundeskanzlerin übergeben. ({1})

Not found (Gast)

Liebe Frau Kollegin Haßelmann, wie Sie wissen und wie wir auch öffentlich dargelegt haben, ist Grundlage für die Entscheidung ein Konsultationsverfahren. Nach dem Völkerrecht sind wir verpflichtet, ein solches Verfahren mit den Vereinigten Staaten von Amerika durchzuführen. Da dieses noch andauert, können wir uns im Augenblick nicht dazu äußern, an welchem konkreten Tag wir zu einer Entscheidung der Bundesregierung über die Offenlegung kommen. ({0}) - Nein, die war richtig.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nun selbst bei großzügiger Auslegung unseres eigenen Reglements am Ende des dafür vorgesehenen Befragungszeitraums. Deswegen bitte ich um Nachsicht, dass ich jetzt keine weiteren Zusatzfragen zulasse, die es zweifellos zu diesem Thema noch gibt. Ich beende nun die Regierungsbefragung und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde Drucksachen 18/4907, 18/4927 Die Fragestunde beginnt wie immer, wenn es dringliche Fragen gibt, mit der Beantwortung ebendieser Fragen. Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 des Kollegen Oliver Krischer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Forderungen der bayerischen Landesregierung zur Verlegung der SuedLink-Stromtrasse ({0}), und welche Kostensteigerungen wären damit nach Einschätzung der Bundesregierung verbunden? Herr Staatssekretär Beckmeyer, bitte.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Gerne beantworte ich die Frage des Abgeordneten Krischer zu den Forderungen der bayerischen Landesregierung zur Verlegung der SuedLink-Stromtrasse. Die von der bayerischen Landesregierung im Rahmen der bis zum 15. Mai 2015 laufenden Konsultationen zum Netzentwicklungsplan 2024 eingereichte Stellungnahme wird die Bundesnetzagentur ebenso wie andere Stellungnahmen intensiv prüfen und in ihre finale Bestätigung des Netzentwicklungsplans gemäß § 12 c Absatz 4 Energiewirtschaftsgesetz einfließen lassen. Die Bundesnetzagentur prüft vor ihrer Bestätigung des Netzentwicklungsplanes, ob der energiewirtschaftliche Übertragungsbedarf der einzelnen Vorhaben zwischen den von den Netzübertragungsbetreibern jeweils vorgeschlagenen Anfangsund Endpunkten tatsächlich besteht. Die konkrete Trassenführung zwischen bestimmten Anfangs- und Endpunkten ist bei den Vorhaben in Bundeszuständigkeit, wie zum Beispiel dem sogenannten SuedLink - Bundesbedarfsplanvorhaben Nummern 3 und 4 -, erst Aufgabe der dann nachfolgenden Verfahren der Bundesfachplanung und der Planfeststellung, in denen eine Trasse mit den geringstmöglichen Auswirkungen auf Mensch, Natur und weitere Schutzgüter ermittelt wird. Diesen Verfahren kann die Bundesregierung nicht vorgreifen, und dementsprechend wird auch keine Bewertung bestimmter Trassenführungsvorschläge vorgenommen. Die Kosten einer bestimmten Trasse ergeben sich sowohl aus der Länge der Trasse als auch aus örtlichen Begebenheiten und den Verkabelungsanteilen. Daher können auch aktuell nähere Aussagen zu Kostenfolgen möglicher Trassenführungen seitens der Bundesregierung nicht gemacht werden. So weit die Antwort.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Herr Kollege Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Beckmeyer, entschuldigen Sie bitte, aber ich frage mich ehrlich - das ist vielleicht nicht ganz parlamentarisch -, ob Sie mich und die deutsche Öffentlichkeit veräppeln wollen. Sie lesen uns hier den Gesetzestext und die Rechtsgrundlagen vor. Dabei führen wir eine öffentliche Diskussion darüber, dass ein Bundesland, in dem eine Partei regiert, die Koalitionspartner ist, den Netzausbau ablehnt und dass eine Landeswirtschaftsministerin sagt: Bei uns sollen keine Leitungen gebaut werden, sondern sie sollen durch Hessen und Baden-Württemberg verlaufen. Bayern soll zwar den Strom erhalten, aber keine Leitungen bekommen. - Ich verstehe überhaupt nicht, wie all das technisch gehen soll. Das wäre all das, was hinter der Frage steht. Da die Bundesregierung offensichtlich keine Meinung zu all diesen Vorgängen hat, möchte ich Sie fragen - der Wirtschaftsminister hat sich dazu ja schon in früheren Diskussionen geäußert -: Wird es in irgendeiner Weise eine politische Lösung dieses Konfliktes geben, oder ist das am Ende alles nur eine Frage des formalen Verfahrens bei der Bundesnetzagentur in der Art, wie Sie es mir gerade vorgelesen haben?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Beckmeyer, bitte.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Herr Krischer, wenn Sie das ernst meinen, was Sie in Ihrer Frage geschrieben haben, so geht es darum, dass Sie nach den Konsequenzen fragen, die die Bundesregierung zu ziehen hat. Die Bundesregierung kann zurzeit keine Konsequenzen aus dem, was Sie in Ihrer Frage formuliert haben, ziehen, weil das Verfahren, das ich Ihnen eben geschildert habe, das Verfahren ist, nach dem gehandelt wird. Und dieses Verfahren ist eindeutig: Die Bundesnetzagentur hat in dieser Angelegenheit eine sehr wichtige Rolle inne, da sie bei dem Thema Bundesfachplanung im Grunde - man würde es neudeutsch so sagen - die Hosen anhat.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Krischer.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann darf ich hier feststellen, dass die Bundesregierung keinerlei Aktivitäten unternimmt, um eine Klärung hinsichtich der Position Bayerns - die sagen ja: wir stellen den gesamten Netzausbau im Bereich HGÜ infrage herbeizuführen. Das kommt bei Ihnen also überhaupt nicht vor, und es hat für Sie keinerlei politische Relevanz, in irgendeiner Weise zu klären, wie wir beim Netzausbau vorankommen. Habe ich Sie da richtig verhttp://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-85491.html http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-85491.html http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-85491.html standen, dass dies im Moment die Rolle der Bundesregierung ist, dass sie sich also für alles Mögliche interessiert, aber nicht für das, wofür sie zuständig ist?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Nein, Herr Krischer, da haben Sie mich nicht richtig verstanden. Die Bayerische Staatsregierung hat nämlich ihre Stellungnahme in ihrem Schreiben an die Bundesnetzagentur mit Datum vom 5. Mai 2015 im Rahmen eines laufenden Planungsprozesses abgegeben. Die Bundesnetzagentur nimmt diese Stellungnahme der Staatsregierung wie andere Stellungnahmen auf, prüft und bewertet sie. Das Entscheidende, Herr Krischer - daran ändert auch diese Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung überhaupt nichts -, ist: Anfangs- und Endpunkte der entsprechenden Leitungen sind in der letzten Legislaturperiode durch den Bundestag beschlossen worden; und daran halten wir uns. Das ist die Ausgangslage, und vor diesem Hintergrund wird die Bundesfachplanung durch die Bundesnetzagentur betrieben werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Fragen zu dieser dringlichen Frage. Damit danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Wir kommen zu den dringlichen Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung. Als Erstes rufe ich die dringliche Frage 2 der Kollegin Mihalic auf: Inwieweit unterstützt die Bundesregierung angesichts der Berichterstattung im Norddeutschen Rundfunk, NDR, vom 17. Mai 2015 zur mutmaßlichen Misshandlung von Gewahrsamsinsassen durch Beamte der Bundespolizei die Forderung, die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten zu schaffen, bei dem unter anderem Hinweise zu solchen Vorgängen anonym außerhalb der Hierarchie gemeldet werden können? Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Mihalic! Ich beantworte die Frage wie folgt: Derzeit wird an den Sachverhaltsaufklärungen der Vorwürfe gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt den Sachverhalt und hat mit den Zeugenvernehmungen begonnen. Die Bundespolizei unterstützt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Da eine Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Hannover bislang noch nicht möglich war, liegen der Bundespolizei selbst noch keine umfassenden Erkenntnisse zum Sachverhalt vor. Die Bundespolizei hat Akteneinsicht beantragt. Diese ist nach Aussage der zuständigen Staatsanwältin frühestens nach den Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren möglich. Die Bundespolizei führt ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten; in diesem Verfahren werden auf Bitten der Staatsanwaltschaft Hannover derzeit keine eigenen Zeugenvernehmungen vorgenommen, um das laufende Ermittlungsverfahren nicht zu stören. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werden wir - das heißt das Bundesministerium des Innern und die Bundespolizei - mit allen Konsequenzen dagegen vorgehen und auch alle weiteren Möglichkeiten in Betracht ziehen, die helfen können, solche Vorfälle künftig zu vermeiden bzw. schnell aufzuklären.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Mihalic.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Dr. Schröder. Die Antwort auf meine Frage wäre noch gut, also inwieweit die Bundesregierung im Hinblick auf die Vorfälle, die wir aus Hannover zur Kenntnis nehmen mussten, die Einrichtung der Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten bewertet, an die sich auch Bedienstete innerhalb der Polizei wenden können, um solche Vorgänge auch außerhalb der Hierarchie vortragen zu können. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mir zunächst meine Ausgangsfrage beantworten würden, bevor ich dazu eine Nachfrage stelle.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Schröder.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das war ein Missverständnis. Ich habe dann die dringliche Frage 3 als Frage 2 angesehen. Insofern schlage ich vor, dass ich Ihnen erst einmal die Antwort auf die Frage, um die es Ihnen eigentlich ging, vorlese. Es geht also darum, an welche Stelle außerhalb der Hierarchie sich Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei oder auch des BKA angesichts der aktuellen Misshandlungsvorwürfe gegen Beamte der Bundespolizei aktuell wenden können, um Hinweise auf solche Vorgänge zu melden. Grundsätzlich haben alle Beamten der Bundespolizei die Möglichkeit, sich außerhalb des Dienstweges an die Stabsstellen Innenrevision ihrer jeweiligen Bundespolizeidirektionen zu wenden. Unabhängig davon besteht auch für Bundespolizisten die Möglichkeit, derartige Vorfälle bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder Landespolizeibehörde anzuzeigen. Hierzu sind sie aufgrund des Legalitätsprinzips verpflichtet, wenn sie Kenntnis von einer Straftat erlangt haben, die kein reines Antragsdelikt ist.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Frau Kollegin Mihalic.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte dazu gerne eine Nachfrage stellen. Das Problem war ja - wir haben vorhin schon im Innenausschuss darüber gesprochen -, dass die Vorfälle erst so spät bekannt geworden sind, dass es also ungefähr ein Jahr gedauert hat, bis überhaupt innerhalb der Bundespolizei bekannt wurde, dass es auf dieser Dienststelle mutmaßlich solche Vorfälle gegeben hat, und dann natürlich auch erst der Öffentlichkeit bekannt werden konnte. Wie würden Sie es angesichts der Tatsache, dass die Vorfälle erst ein Jahr später bekannt geworden sind, einschätzen, dass sich Polizeibeamte, die solche Vorfälle nicht sofort, sondern erst verzögert melden, selbst der Gefahr der Strafverfolgung im Hinblick auf Straftaten wie Strafvereitelung im Amt aussetzen? Sehen Sie einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, in diesem Bereich irgendetwas zu verändern, um meldende Polizeibeamte nicht unmittelbar der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Dieses Dilemma besteht natürlich immer. Wenn ein Polizeibeamter wegguckt, wenn solche Misshandlungen passieren, oder es erst verzögert meldet, wenn er davon Kenntnis erlangt, dann belastet er sich automatisch immer selbst. Entweder ist es unterlassene Hilfeleistung - unter Umständen Strafvereitelung im Amt -, oder es ist die Vortäuschung einer Straftat, wenn er Meldung macht, aber nichts vorgefallen ist. Selbst wenn ein Polizeibeamter einen solchen Vorfall anonym an eine völlig unabhängige Stelle meldet, muss dieser Meldung in einem Rechtsstaat ja nachgegangen werden. Insofern glaube ich nicht, dass wir aus diesem Dilemma herauskommen, auch wenn wir uns noch so sehr darum bemühen. Wichtig ist, dass innerhalb der Polizei eine Kultur herrscht, derzufolge solche Vorfälle sofort gemeldet werden. Das ist entscheidend. Wir müssen jetzt genau analysieren, was an diesen Vorfällen dran ist und weshalb auf diese Vorfälle, wenn sie sich bestätigen, nicht adäquat reagiert wurde.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin, Sie haben hierzu keine Fragen mehr. Ihre erste Frage war ja eben nicht richtig beantwortet worden. ({0}) - Sie haben noch eine Frage? - Eben wurden ja die Antworten vertauscht. Deshalb können Sie jetzt Ihre zweite Nachfrage stellen.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau, das ist vorhin etwas durcheinandergeraten. Deswegen möchte ich jetzt in diesem Zusammenhang noch eine Frage stellen. Die Frage bezieht sich auf die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle, um solchen Vorgängen in irgendeiner Art und Weise nachgehen oder davon erfahren zu können. Da besteht für uns im Moment wirklich nur die Möglichkeit, das im Innenausschuss zu erfragen. Es gibt eben keine Einrichtung im Parlament, beispielsweise analog zu der des Wehrbeauftragten, die uns bei der parlamentarischen Kontrolle der Bundespolizei und der Sicherheitsbehörden unterstützt. Deswegen stellt sich mir die Frage - da bitte ich um Beantwortung -, was die Bundesregierung zurzeit tut oder bei solchen Vorfällen proaktiv leisten kann, um uns bei der Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle zu unterstützen. Ich habe heute einmal in den Raum gestellt: Wenn wir von solchen Vorfällen nicht aus den Medien erfahren hätten, hätte es dann zum Beispiel eine proaktive Unterrichtung der Bundesregierung gegeben?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Parlamentarische Kontrolle wird ja vor allen Dingen dadurch ausgeübt, dass sich betroffene Beamte direkt an ihren Abgeordneten wenden. Das ist die sinnvollste, direkteste und wirkungsvollste Form der parlamentarischen Kontrolle. ({0}) Das erleben wir tagtäglich, gerade auch im Zusammenhang mit der Bundespolizei. Wenn es dort Missstände gibt, können sich die Bundespolizeibeamtinnen und Bundespolizeibeamten natürlich an die Beschwerdestelle ihrer Dienststelle wenden. Wenn es wirklich um Straftaten geht, können sie sich an die Staatsanwaltschaft bzw. an die Landespolizei - auch anonym - wenden. Sie können sich aber selbstverständlich auch an den Abgeordneten wenden. Nach derzeitigem Stand - wir sind ja jetzt bei der Sachverhaltsaufklärung - sind wir aber noch nicht so weit, dass über weitere Konsequenzen nachzudenken wäre, insbesondere über die Frage, inwieweit es besondere Beauftragte geben muss.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Dann hat jetzt der Kollege Christian Ströbele die Gelegenheit zu einer Nachfrage.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen, dass ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person anhängig ist. Das ist schön. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass möglicherweise Beamte, die zur gleichen Zeit im Dienst waren, keine Meldung erstattet haben, weil sie sich in dem Zuge vielleicht selbst bezichtigen müssten, dass sie nichts unternommen haben, es geduldet, hingenommen haben, vielleicht sogar mitgemacht haben. Haben Sie als Behörde die notwendigen Ermittlungen angestellt, um festzustellen, wer in dieser Zeit, in der das passiert sein soll, mit dem Verdächtigen zusammen Dienst gehabt hat? Ich kann mir vorstellen, dass jeder, der im Hauptbahnhof von Hannover in eine schwierige Situation kommt, nun fürchten muss, dass er mit Beamten konfrontiert wird und Beamten ausgeliefert wird, die bei einer solchen Sache schon einmal dabei gewesen sind oder zumindest etwas mitbekommen haben und nichts unternommen haben.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Zunächst: Wir sind bei der Sachverhaltsaufklärung. Es geht um schwerwiegende Vorwürfe. Es muss durch die Staatsanwaltschaft genau aufgeklärt werden, ob sich diese Vorwürfe bestätigen. Es ist auch gut, dass das eine unabhängige Behörde macht und nicht die Bundespolizei selbst. Selbstverständlich unterstützt die Bundespolizei die Staatsanwaltschaft. Dabei geht es natürlich auch darum, sämtliche Unterlagen und insbesondere das Gewahrsamsbuch, in dem all das ja genau dokumentiert ist, herauszugeben, genau zu benennen, wer zu diesem Zeitpunkt Dienst hatte und wann die Person, die in Gewahrsam genommen wurde, an die Landespolizei übergeben wurde, die dann ja wegen möglicher Rauschgiftdelikte weiter ermittelt. Es ist innerhalb dieses staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass diese Unterlagen jetzt unmittelbar zur Verfügung gestellt werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Als Nächste hat die Kollegin Britta Haßelmann die Gelegenheit, eine Frage zu stellen.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich habe Ihre Ausführungen vorhin nicht verstanden. Wie kommen Sie auf die Idee, vorzuschlagen, dass Polizeibeamte der Bundespolizei die Möglichkeit hätten, sich in einem solchen Kontext, den wir hier erfragen, an den Abgeordneten im Wahlkreis zu wenden? Wie soll ich mir das vorstellen: Jemand kommt in mein Wahlkreisbüro, und ich berate ihn auch noch darüber? Das kann doch kein Ersatz sein für rechtlich klare Verfahrensregelungen, die wir haben oder eben nicht haben, sodass wir solche installieren müssten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Sie interpretieren mich bewusst falsch. Deshalb möchte ich es auch klarstellen. Ich habe gerade erklärt, dass wir selbstverständlich die notwendigen Kontrollmechanismen innerhalb der Behörde Bundespolizei haben müssen. Die Kollegin Mihalic hat mich gefragt, was bei der parlamentarischen Kontrolle noch verbessert werden kann. Dies ist zunächst einmal eine Frage des Parlaments selbst. Dann habe ich darauf hingewiesen, dass die parlamentarische Kontrolle generell bzw. zumeist dadurch ausgeübt wird, dass der Bundestagsabgeordnete Hinweise bekommt. Das bezieht sich jetzt aber nicht speziell auf Vorgänge bei der Bundespolizei, sondern gilt ganz generell.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Die Kollegin Keul möchte noch eine Nachfrage stellen. - Bitte schön.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bevor jetzt die Verwirrung vollständig ist: Ich glaube, Kollegin Mihalic so verstanden zu haben, dass sie fragte, ob denn die Bundesregierung als oberste Dienstherrin der Bundespolizei von dem Vorfall erfahren hätte, nicht das Parlament.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär, bitte schön.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Frau Mihalic hat danach gefragt, inwieweit der Bundestag seine Kontrolle besser ausüben kann; das war die Frage von Frau Mihalic. ({0}) Ich habe jetzt aber Ihre Frage nicht verstanden. ({1})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ich habe keine weiteren Nachfragen zu dieser Frage. Wir kommen zur dringlichen Frage 3 der Kollegin Mihalic: An welche Stelle außerhalb der Hierarchie können sich angesichts der Misshandlungsvorwürfe gegen Beamte der Bundespolizei Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei oder auch des Bundeskriminalamtes aktuell wenden, um Hinweise auf solche Vorgänge zu melden? Frau Mihalic, wenn Sie damit einverstanden sind, dass wir die Beantwortung durch die Antwort des Staatssekretärs von vorhin als gegeben ansehen, würde ich Ihnen jetzt die Gelegenheit geben, Ihre Nachfragen zu stellen.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich habe die Antwort auf die dringliche Frage 3 bereits zusammen mit der Antwort auf die dringliche Frage 2 vorgelesen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ja, Sie haben sie eben schon beantwortet.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich kann die Antwort gerne noch mal vortragen, wenn das gewünscht ist.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Darauf können wir vielleicht verzichten, und stattdessen kann Ihnen die Kollegin Mihalic jetzt Zusatzfragen stellen. - Bitte schön, Frau Kollegin Mihalic.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte gerne meine Zusatzfrage stellen und dabei die Gelegenheit nutzen, das vorhin Gesagte noch einmal aufzugreifen, weil sich meine Frage auf denselben Sachzusammenhang bezieht. Es gibt aktuell ja keine unabhängige Stelle, an die sich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wenden können; alles ist entweder in die Hierarchie der Bundespolizei oder in einen anderen öffentlich-rechtlichen Kontext eingebunden, der nicht unbedingt als unabhängig bezeichnet werden kann. Da stellt sich natürlich schon die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, eine Stelle sozusagen außerhalb jeder Hierarchie zu schaffen - auch um zum Beispiel eine bessere parlamentarische Kontrolle zu gewährleisten -, an die sich Beamte und Beamtinnen in einem solchen Fall wenden können. Ich möchte noch einmal nachfragen, inwiefern die Bundesregierung ein solches Ansinnen unterstützt, auch unter dem Gesichtspunkt, die parlamentarische Kontrolle zu verbessern.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Selbstverständlich gibt es schon jetzt unabhängige Stellen, an die sich ein Bundespolizist wenden kann, wenn er Gesetzesverstöße mitbekommt. Er kann sich zum Beispiel an die Landespolizei wenden. Sie ist unabhängig, ist nicht in die Hierarchie der Bundespolizei eingebunden. Selbstverständlich kann er sich auch an die Staatsanwaltschaft wenden. Das ist auch die richtige Stelle, wenn es um die Verfolgung von Straftaten geht. Insofern glaube ich nicht, dass wir durch die Schaffung von weiteren Stellen aus dem Dilemma herauskommen, das Sie vorhin angesprochen haben, nämlich dass sich derjenige, der bei einer Straftat nicht hingeguckt hat oder Beteiligter war, unter Umständen selbst belastet, wenn er diese Straftat anzeigt. Aus diesem Dilemma kommt man auch nicht heraus, wenn man eine zusätzliche Stelle schafft, die beispielsweise bei der Bundespolizei oder eben auch woanders angesiedelt ist. Nichtsdestotrotz werden wir natürlich nach Aufklärung des Sachverhaltes, wenn die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen hat, auch über solche Dinge reden müssen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Mihalic.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte noch einmal meine Frage von vorhin aufgreifen, die meine Kollegin zwar auch schon einzugrenzen versucht hat, was aber nicht zu einer hinreichenden Beantwortung Ihrerseits geführt hat: Wie unterstützt die Bundesregierung konkret die heutigen Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle, wenn es darum geht, von solchen Vorfällen bei der Bundespolizei Kenntnis zu erlangen?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir unterstützen die parlamentarische Kontrolle als Bundesregierung vor allen Dingen dadurch, dass wir Informationen zur Verfügung stellen. Das haben wir heute im Innenausschuss gemacht. Der Präsident des Bundespolizeipräsidiums ist heute sofort in den Innenausschuss gekommen, aber auch der Präsident der zuständigen Bundespolizeidirektion. Das ist nach unserer Auffassung die beste Form der Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann kommen wir zur dringlichen Frage 4 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Beihilfe oder des Unterlassens von Hilfeleistungen durch Beamte der Bundespolizei während der mutmaßlichen Misshandlungen von Flüchtlingen in den Gewahrsamszellen der Bundespolizeiinspektion Hannover am 9. März 2014 und am 25. September 2014 durch den von der Staatsanwaltschaft Hannover Beschuldigten ({0}), und welche ähnlichen Vorfälle bei der Bundespolizei sind der Bundesregierung in den letzten drei Jahren bekannt geworden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Ströbele wie folgt: Der Sachverhalt bezüglich der angenommenen Misshandlungen von Flüchtlingen wird derzeit von der Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat darum gebeten, die eigenen Ermittlungen der Bundespolizei ruhen zu lassen, bis die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Über mögliche weitere Beteiligungen kann daher keine Aussage getroffen werden. Der Bundespolizei liegen keine Erkenntnisse über die Misshandlung von Flüchtlingen in Gewahrsamszellen in den vergangenen drei Jahren vor.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da Sie vorhin eine ähnliche Frage von mir nur zu einem ganz kleinen Teil beantwortet haben, stelle ich sie jetzt noch einmal ganz konkret: Sind die Mitarbeiter der Bundespolizei, gegen die entweder direkt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft, gegen die ein Verdacht besteht oder die zumindest während der Zeit, in der die Vorfälle passiert sein sollen, anwesend gewesen sind, noch im Dienst? Müssen also Personen, die den Hauptbahnhof in Hannover aufsuchen, gewärtig sein, dass sie mit solchen Mitarbeitern der Bundespolizei konfrontiert werden?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Der Hauptbeschuldigte ist nicht im Dienst. Ob die anderen zurzeit im Dienst sind oder sich noch im Urlaub befinden oder anderswo sind, das kann ich nicht sagen; das entzieht sich momentan meiner Kenntnis. Aber es ist dafür gesorgt worden, dass der Hauptbeschuldigte nicht mehr berechtigt ist, in der Öffentlichkeit eine Waffe oder eine Uniform zu tragen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie, nach dem, was Sie vorhin schon ausgeführt und auch jetzt angedeutet haben, mit mir der Auffassung, dass auch Personen, die anwesend waren, die möglicherweise Wahrnehmungen gemacht haben, aber offensichtlich nichts unternommen haben, ungeeignet sind, weiterhin an der Dienststelle Dienst zu tun, zumindest so lange, bis die Vorfälle geklärt und Konsequenzen gezogen worden sind?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Das muss jetzt die Sachverhaltsaufklärung ergeben. Nach meinem Kenntnisstand sind weitere Beschuldigte nicht mehr an dieser Dienststelle im Dienst, sondern sind bereits an anderen Dienststellen tätig. Die Antwort würde ich Ihnen aber gerne schriftlich nachreichen, um detaillierter Stellung nehmen zu können.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ich sehe keine weiteren Meldungen zu einer Nachfrage. Damit sind die dringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet. Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 18/4907 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen 1 und 2 der Abgeordneten Katrin Kunert werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung. Die Frage 3 des Abgeordneten Matthias Gastel wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Matthias Gastel auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich das Land Baden-Württemberg an der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an der Rheintalbahn beteiligt, die eigentlich in der Zuständigkeit des Bundes liegt ({0}), und inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik an der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen durch die Länder insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Finanzstärken der Bundesländer ({1})? Bitte schön, Herr Kollege.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Gastel fragt danach, ob die Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen, die an der Rheintalbahn getätigt worden sind, und zwar von Dritten, in dem Fall vom Land Baden-Württemberg, obwohl eigentlich der Bund zuständig ist, sinnvoll ist. Dazu gebe ich folgende Antwort: Die Finanzierungszuständigkeit des Bundes bezüglich der Lärmvorsorge im Rahmen von Maßnahmen des Bedarfsplans Schiene ist auf den in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verankerten Umfang begrenzt. Zur Umsetzung darüber hinausgehender Forderungen bedarf es, wie im Falle der Rheintalbahn, auch künftig zusätzlicher Finanzierungsquellen und eines expliziten Auftrags des Haushaltsgesetzgebers.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, nachzufragen. - Bitte schön.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das muss ich auch tun, weil der zweite Teil der Frage nicht beantwortet wurde. Herr Staatssekretär, ich bitte da um Antwort. Zu dem ersten Teil meiner Frage, den Sie teilweise beantwortet haben: Ich habe nicht in Abrede gestellt, dass diese Maßnahmen sinnvoll sind. Vielmehr geht es mir um die Frage: Wer finanziert die Maßnahmen? Denn letztlich geht es darum - und das betrifft den zweiten Teil meiner Frage -, dass sich Länder, die finanziell besser dastehen, über die gesetzlichen Normen hinausgehende Lärmschutzmaßnahmen für ihre Bürgerinnen und Bürger leisten können und andere nicht. Das führt dann dazu, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Lärmstandards gibt. Deswegen die Frage: Betrachtet die Bundesregierung dies als ein Problem?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das betrachten wir nicht als ein Problem. Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass es eine Unterscheidung gibt zwischen Ländern, die sich das leisten können, und Ländern, die sich das nicht leisten können. Das ist eine Frage der Prioritätensetzung der Länder. Es gibt klare Grundlagen für den Lärmschutz in Deutschland, die die Bundesregierung auch einhält. Über diesen Rahmen dürfen wir nur hinausgehen, wenn Dritte diese Maßnahmen finanzieren oder wenn der Deutsche Bundestag uns über diesen gesetzlichen Rahmen hinausgehende Lärmschutzmaßnahmen bewilligt. Das tun wir auch, und in aller Regel gibt es dann, wie im Fall der Rheintalbahn, eine Mitfinanzierung: 50 Prozent Bund, 50 Prozent Land. Das ist durchaus üblich, und das konnten sich bisher auch alle Länder leisten, wenn sie die Priorität entsprechend gesetzt haben.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege Gastel, möchten Sie noch eine weitere Frage stellen? - Bitte schön.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, das möchte ich; vielen Dank für die Möglichkeit. Nach meiner Wahrnehmung wird beim Lärmschutz an der Schiene immer häufiger über die gesetzlichen Standards hinausgegangen, indem die Kommunen oder die Länder eigene Mittel in die Hand nehmen und damit eine Aufgabe übernehmen, die eigentlich eine Bundesaufgabe oder eine Aufgabe der DB ist. Meine Frage lautet: Kann man das aus Sicht der Bundesregierung so interpretieren, dass die geltenden Gesetze und Lärmschutzverordnungen - all das, was es in dieser Richtung gibt nicht ausreichen, oder wie kann man es sich erklären, dass immer häufiger über die geltenden Normen hinaus Lärmschutzmaßnahmen finanziert werden?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Präsidentin, das waren viele Fragen in einer Frage. Es wäre ein abendfüllendes Kolloquium, das alles zu beantworten; aber ich bemühe mich einmal, das in der Kürze der Zeit zu tun. Die Bundesregierung freut sich über jeden Euro, den ein Dritter zum Lärmschutz beiträgt. Ob es nun Kommunen oder Länder sind, wir machen das gerne, wenn man in der Bürgerschaft und in den Ländern und Kommunen über den bestehenden Schallschutz hinausgehen will. Warum möchten die Menschen das? Es gibt beim Schienengüterverkehr ein Akzeptanzproblem hinsichtlich des Lärmschutzes. Deswegen forciert die Bundesregierung massiv die Umrüstung am Rad-Schiene-System mittels anderer Bremssysteme, um den Schienenlärm in Deutschland bis 2020 flächendeckend zu halbieren. Das ist die Maßnahme, die am weitesten geht. Die Menschen haben aber heute erhöhte Anforderungen - vor allem bei Neubaumaßnahmen -, wofür wir nach unseren gesetzlichen Normen keinen Anlass sehen. Wenn diese Anforderungen erfüllt werden sollen, dann muss eben ein Dritter dafür bezahlen. Das ist die derzeitige Lage. Ich teile nicht Ihre Einschätzung, dass das überall der Fall ist; aber es gibt einige Strecken, zu denen eine Diskussion in besonderem Maße tobt, und das ist unter anderem die Rheintalbahn.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Herbert Behrens und die Frage 7 der Abgeordneten Sabine Leidig werden schriftlich beantwortet. Ich bedanke mich beim Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Rita SchwarzelührSutter zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Jeweils welcher Sicherheitsebene sind die sicherheitstechnisch wichtigen Hilfssysteme der Atomkraftwerke Gundremmingen B und C - insbesondere das Steuerluftsystem - genehmigungsrechtlich oder laut Betriebshandbuch zugeordnet ({0}), und jeweils welche sicherheitstechnisch wichtigen Hilfssysteme der Atomkraftwerke Gundremmingen B und C sind räumlich nicht getrennt ({1})? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, die in der Fragestellung verwendete Bezeichnung „sicherheitstechnisch wichtige Hilfssysteme“ wird in den Genehmigungsunterlagen und im Betriebshandbuch des Kernkraftwerks Gundremmingen nicht verwendet. Die Steuerluftversorgung des Schnellabschaltsystems gehört laut Betriebshandbuch des Kernkraftwerks Gundremmingen nicht zu den sicherheitstechnisch wichtigen System- und Anlagenteilen und ist damit, wie bereits in der Antwort auf die Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage auf Drucksache 18/4742 mitgeteilt, insbesondere nicht Bestandteil des Sicherheitssystems. Bereits im Sicherheitsbericht von 1974 zur Errichtung des Kernkraftwerks ist in einer Genehmigungsunterlage ausgeführt, dass das Reaktorschnellabschaltsystem so ausgelegt ist, dass die Reaktorschnellabschaltung beim Ausfall der Steuerluft automatisch abläuft.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben jetzt die Möglichkeit einer Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank für die Antwort, Frau Staatssekretärin. Mich nimmt das etwas wunder, weil die Sicherheitsvorgaben im Allgemeinen nicht von den Atomaufsichten der Länder festgelegt werden, sondern eine Ebene höher, also im BMUB. Meines Wissens gehört das Steuerluftsystem nach den aktuellen, seit 2012 gültigen Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke, also nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, der zugrunde zu legen ist, zu den sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen. Deswegen habe ich diesen Begriff gewählt. Können Sie das bestätigen, oder bestreiten Sie das?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatssekretärin.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Bei diesem Kernkraftwerk ist die Bezeichnung „sicherheitstechnisch wichtige Hilfssysteme“ eben nicht in den Genehmigungsunterlagen und im Betriebshandbuch enthalten. Die Sicherheitseinrichtungen sind blockzugeordnet und auch getrennt. Danach hatten Sie in Ihrer Kleinen Anfrage gefragt. Sicherheitstechnisch wichtige Systeme und Anlagenteile der Blöcke B und C des Kernkraftwerks Gundremmingen werden in dem ihm zugehörigen Betriebshandbuch aufgelistet. Das sind mehr als 100 Einträge und ist für die Entscheidung hinsichtlich der Meldepflicht von Ereignissen nach der Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen von Bedeutung. Laut einleitender Erläuterung im Betriebshandbuch gehört zum Betrachtungsumfang der in der Liste aufgeführten entsprechend eingestuften Komponenten auch die zugehörige Steuerungs-, Energie- und Hilfsmediumversorgung, soweit sie für die sicherheitstechnische Funktion von Bedeutung ist.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Eine weitere Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja; danke schön, Frau Präsidentin. - Ich habe in der Tat schon in der schriftlichen Kleinen Anfrage danach gefragt. Darin hatte ich aber ausdrücklich danach gefragt, welcher Sicherheitsebene die Bundesregierung das Steuerluftsystem und vergleichbare Systeme zuordnet. Sie haben sich dann ausschließlich auf die Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums berufen. Nun soll es ein weiteres Fachgespräch geben. Die Fachgespräche fanden schon in den Jahren 2013 und 2014 statt, und meines Wissens sollte das Fachgespräch im September 2014 eigentlich das letzte sein, um die letzten noch offenen Fragen zu klären und die Informationen und Angaben zu besprechen, die Ihr Ministerium noch von dem zuständigen Bayerischen Staatsministerium brauchte. Deshalb habe ich jetzt die Frage: Wann soll das Gundremmingen-Fachgespräch zwischen BMUB und Landesaufsichtsbehörde stattfinden, das mir in der Antwort vom 7. Mai genannt wurde, und aus welchen Gründen bedarf es dieses erneuten Fachgesprächs überhaupt? Gibt es immer noch ungeklärte Aspekte?

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Ich kann Ihnen das genaue Datum nicht mitteilen und würde Ihnen das gerne schriftlich nachreichen, weil das auf der Arbeitsebene geklärt wird. Ich würde es Ihnen dann zukommen lassen. ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann kommen wir zur Frage 9 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden: Wie setzt die Bundesregierung die Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Regulierung von Fracking ({0}), die unter anderem Mindestabstände zu Wohnbebauung, Mindestabstände zwischen Grundwasser und der zu frackenden Horizonte sowie die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung, SUP, vorgeben, im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Fracking um und, wenn nicht, warum nicht? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Verlinden, die Empfehlung 2014/70 der EU-Kommission enthält eine Vielzahl von Einzelempfehlungen zu den unterschiedlichsten Aspekten im Zusammenhang mit der Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen, zum Beispiel Schiefergas, unter Einsatz der Fracking-Technologie. Diese Einzelempfehlungen sollen überwiegend durch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der FrackingTechnologie sowie die Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen im Bundesrecht umgesetzt werden. Wie Sie wissen, sind der Gesetzentwurf und die Verordnung von der Bundesregierung am 1. April 2015 beschlossen worden. Bereits in deutsches Recht umgesetzt worden ist dagegen die Empfehlung der Europäischen Kommission zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung vor der Erteilung von Lizenzen zum Einsatz der Fracking-Technologie. Insoweit besteht hier kein weiterer Bedarf zur Umsetzung.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für die Antwort. - Ich bin etwas überrascht, weil es auch andere Einschätzungen bezüglich sozusagen der Synchronität der Empfehlungen der EUKommission und des von Ihnen vorgeschlagenen Fracking-Regelungspakets gibt. Aber ich nehme es zur Kenntnis, dass Sie der Ansicht sind, dass die Empfehlungen der EU-Kommission in dem Gesetzespaketvorschlag entsprechend umgesetzt werden. Mich interessiert, ob sich die Bundesregierung in Zukunft auf europäischer Ebene dafür einsetzt, dass diese Empfehlungen der EU weiter verschärft werden. Denn die Mindestempfehlungen werden gerade evaluiert. Ich fände es spannend, ob Sie sich als Bundesregierung auf EU-Ebene zum Beispiel dafür einsetzen, dass es weitere verbindliche Vorgaben zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit geben soll, oder ob Sie sich vielleicht sogar für ein verbindliches Fracking-Verbot einsetzen; denn ich möchte einschätzen können, wie Sie die bundespolitische Debatte auf die europäische Ebene weitertragen werden. Sie haben wahrscheinlich zur Kenntnis genommen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland für ein absolutes Fracking-Verbot ist, wie die jüngste Umfrage von Infratest dimap gezeigt hat.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf eingebracht. Er befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Dieses parlamentarische Verfahren werden wir abwarten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Möchten Sie eine weitere Nachfrage stellen? - Bitte schön, Frau Kollegin.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe das so verstanden: Sie wollen vor der Evaluation dieser Mindestempfehlungen, die auf EU-Ebene gelten, erst einmal das parlamentarische Verfahren in Deutschland abwarten, um sich dann zu entscheiden, wie man auf EU-Ebene weiter mit dem Thema Fracking umgeht. - Okay. Ich hätte noch eine weitere Frage. Der Bundesrat hat sehr viele Verschärfungen des geplanten Fracking-Regelungspakets angemahnt und die Bundesregierung aufgefordert, diesbezüglich aktiv zu werden. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung zu diesen Forderungen steht, ob sie Forderungen des Bundesrates umsetzen wird und, wenn ja, welche. Kann man zum Beispiel hinsichtlich der gebietsbezogenen Verbotsregelungen mit den vom Bundesrat geforderten Verschärfungen rechnen? Welche Kriterien legen Sie zugrunde, um zu entscheiden, welche der Forderungen des Bundesrates, die mit großer Mehrheit beschlossen wurden, in diesen Prozess einfließen?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatssekretärin.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003847

Die Bundesregierung hat heute eine Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates beschlossen. Darin werden die einzelnen Punkte abgearbeitet.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Damit sind die Fragen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beantwortet. Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 10 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele wird zurückgezogen. Die Frage 11 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und die Frage 12 der Abgeordneten Britta Haßelmann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Britta Haßelmann auf: Welche Unterschiede sieht die Bundesregierung im Detail zwischen dem von Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, und Professor Dr. Markus Krajewski vorgelegten Vorschlag für ein ISDS-Kapitel ({0}) im Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP ({1}) und dem Vorschlag der EU-Kommissarin Cecilia Malmström zur Reform der Schiedsgerichte in TTIP ({2})?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Gerne beantworte ich die Frage der Kollegin Haßelmann zum Thema „Reform der Schiedsgerichte in TTIP“. Die Antwort lautet: EU-Kommissarin Malmström hat am 4. Mai dieses Jahres ein Konzeptpapier mit Vorschlägen zur Reform von Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren vorgelegt, das sich auf die vier Bereiche bezieht, für die die EU-Kommission nach Abschluss der Konsultation zu Investitionsschutz und ISDS weiteren Diskussionsbedarf gesehen hat. Das Konzeptpapier enthält noch keine konkreten Formulierungsvorschläge für Rechtstexte, sondern beschreibt mögliche Ansätze für Reformen. Nach den ersten positiven Reaktionen von Abgeordneten aus dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten will die Kommission bis zur Sommerpause konkrete Textvorschläge vorlegen. Bis dahin werden die Mitgliedstaaten mit der Kommission weitere Gespräche führen, um die Vorschläge zu konkretisieren. Das Gutachten von Professor Krajewski greift dagegen die Vorschläge des sogenannten Madrid-Papieres von Bundesminister Sigmar Gabriel und seinen Amtskollegen aus Frankreich, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Luxemburg zur Reform von Investitionsschutz und ISDS in den vier von der Kommission im Rahmen der Konsultation identifizierten Bereichen auf. Professor Krajewski hat auf dieser Grundlage einen konkreten Rechtstext ausformuliert. Das Gutachten von Professor Krajewski ist insoweit deutlich detaillierter als das Papier der Kommission. Wegen des unterschiedlichen Charakters der Papiere ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, das Konzeptpapier der Kommission und das Gutachten von Professor Krajewski direkt miteinander zu vergleichen. Erst nach Vorlage der konkreten Textvorschläge der Kommission wird ein Vergleich zwischen der Position der Kommission und dem Gutachten von Professor Krajewski möglich sein. Das Konzeptpapier von Kommissarin Malmström enthält jedoch Vorschläge, die grundsätzlich in dieselbe Richtung wie diejenigen des Gutachtens gehen. So möchte die Kommission das Recht nationaler Parlamente, Gesetze zu erlassen, das Right to Regulate, in einer verbindlichen Vorschrift verankern. Auch möchte die Kommission ebenso wie Professor Krajewski die Schiedsrichter durch die Vertragsparteien vorauswählen lassen und verbindliche Vorgaben für deren Qualifikation im Abkommen vorsehen. Die Kommission schlägt ebenso wie Krajewski vor, einen festen Berufungsmechanismus einzurichten. Auch beim Verhältnis nationaler Gerichtsverfahren zu ISDS zieht die Kommission ähnlich wie Krajewski eine verbindliche Entscheidung des Investors vor Klageerhebung zwischen nationalem Rechtsschutz und Investitionsschutz als einen von zwei möglichen Ansätzen in Betracht.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Vielleicht kann die Bundesregierung zukünftig darauf achten, dass für die Beantwortung nur zwei Minuten zur Verfügung stehen, wie wir es gemeinsam vereinbart haben. - Die Kollegin Haßelmann hat jetzt sicherlich noch eine Nachfrage.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja; vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, danke für die Antwort. Ich habe eine Nachfrage. Sie hatten vorhin betont, dass die Bundesregierung in den nächsten Wochen und Monaten in Brüssel weitere Gespräche über die Frage der Schiedsgerichte führen wird. Mich würde jetzt interessieren, welche Position Sie als Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission vertreten, wenn Sie mit Frau Malmström reden. Spricht sich dann Sigmar Gabriel als Parteichef oder Privatperson gegen private Schiedsgerichte aus, oder vertreten Sie die bisherige gemeinsame Auffassung der Bundesregierung - so wird uns das ja immer übermittelt -, sich für private Schiedsgerichte auszusprechen? Mich würde interessieren: Welche Haltung nehmen Sie dort ein? Mit welcher Linie verhandeln Sie: Handelsgerichtshof etc. nach Krajewski oder private Schiedsgerichte nach Merkel? Die zweite Nachfrage - die kann ich vielleicht gleich anschließen; dann ist das erledigt -: Wann werden Sie innerhalb der Bundesregierung einen Beschluss im Kabinett fassen, um im Hinblick auf die Verhandlungen endlich eine klare Haltung zum Thema Investitionsschutz, private Schiedsgerichte und Daseinsvorsorge einzunehmen?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär, jetzt dürfen Sie beide Fragen gleichzeitig beantworten. Sie haben damit für die Beantwortung zwei Minuten.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern, Frau Präsidentin. Herzlichen Dank. - Bundesminister Gabriel bzw. das Wirtschaftsministerium ist ja das entscheidende Ressort für die Fragen, die im Handelsministerrat beraten werden. Im Handelsministerrat ist am 7. Mai dieses Jahres zum ersten Mal dieses Konzeptpapier beraten worden. Seitens des Vertreters der Bundesregierung dort ist klargestellt worden, dass das in die richtige Richtung geht. Gleichwohl wissen wir, dass wir den Dialog mit den anderen Mitgliedstaaten als Partner hinsichtlich einer gemeinsamen Position gegenüber der Kommission - vor dem Hintergrund des Madrid-Papiers - weiterzuführen haben. Wir hoffen, dass sich auch die Kommission - das ist ja der entscheidende Fakt - in diese Richtung bewegen möchte und bewegen wird. Wenn wir einen konkreten Textvorschlag haben, kann man darüber auch konkret sprechen. Dann werden wir ihn mit dem vergleichen, was Krajewski vorgeschlagen hat, und wir hoffen, dass wir dann auch in der Diskussion mit der Kommission die entsprechenden Klarstellungen hinsichtlich der Fähigkeiten von Personen, die in solchen Schiedsgerichten sitzen, des Verfahrens für die formale Berufung solcher Personen und des gesamten Prozederes, das notwendigerweise dazugehört, fixieren können. Wichtiger Punkt ist, dass Europa in dieser Frage eine einheitliche Position findet. Wir wollen alles dafür tun, dass das auch gelingt. Gott sei Dank haben wir diverse Mitgliedstaaten, die sich in diesen Madrid-Prozess ebenfalls eingebracht haben, auf unserer Seite. Ich denke, das ist schon einmal ein gutes Ergebnis.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. ({0})

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Den Kabinettsbeschluss kann ich zurzeit leider noch nicht in irgendeiner Weise avisieren. Ich denke, er wird wie üblich im Laufe dieses Prozesses kommen; aber terminieren kann ich ihn zurzeit nicht.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Wunderbar. - Der Kollege Kekeritz hat noch eine Nachfrage. Bitte schön.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Es ist ja interessant, dass sich im Bereich des Schiedsgerichtsverfahrens bei TTIP sehr viel tut. Dort bewegt sich offensichtlich etwas. Welche Relevanz hat eigentlich diese Veränderung, wenn man davon ausgehen kann, dass 80 Prozent sämtlicher amerikanischen Konzerne Niederlassungen in Kanada haben und diese über das traditionelle Schiedsgerichtsverfahren in Kanada klagen können?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Weil ich mit dieser Frage gerechnet habe ({0}) und sie ja auch auf der Hand liegt, kann ich Ihnen folgende Antwort geben: Auch die Kommission denkt über diese Frage nach. Die Kommission hat auch Gespräche über mögliche Verbesserungen hinsichtlich dieses Kontextes mit Kanada aufgenommen. Zurzeit läuft die Rechtsförmlichkeitsprüfung. Das ist eine Gelegenheit, noch einmal mit Kanada in dieser Frage ins Gespräch zu kommen. Bei substanziellen Änderungen werden wir sehen, wie sich die kanadische Seite verhält. Ich habe jedenfalls Kenntnis davon, dass aus Kanada Signale gekommen sind, dass man durchaus bereit ist, in dieser Frage noch eine Nachbesserung zuzulassen, einfach auch aus dem Interesse heraus, dass das Abkommen Gültigkeit erlangt.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. Wir kommen zur Frage 14 der Abgeordneten KottingUhl: Jeweils von wem sollen nach aktueller Planung die drei hinsichtlich der Rückstellungen der Atomkraftwerke betreibenden Energiekonzerne für AKW-Rückbau und Atommüllentsorgung angekündigten Vorhaben Stresstest der Werthaltigkeit, Gewährleistung der Konzernhaftung auch bei Konzernumstrukturierungen und Prüfung der Etablierung einer internen oder externen Fondslösung bearbeitet werden, und jeweils bis wann ({0})? Bitte schön.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Auch diese Frage beantworte ich gerne. Bei der Frage geht es um die Rückstellungen der Atomkraftwerke. Die Antwort der Bundesregierung lautet wie folgt: Für die Frage der Rückstellungen im Kernenergiebereich ist innerhalb der Bundesregierung das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie federführend zuständig. Die drei von der Fragestellerin genannten Maßnahmen werden daher federführend vom BMWi in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bearbeitet. Derzeit entwickelt das BMWi ebenfalls in Abstimmung mit dem BMUB die Eckpunkte dieser Maßnahmen und wird voraussichtlich zeitnah einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer mit der Untersuchung der Rückstellungen der Energieversorgungsunternehmen beauftragen. Die beiden anderen Maßnahmen werden derzeit rechtlich vertieft geprüft.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kotting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke für die Gelegenheit zur Nachfrage. - Herr Staatssekretär, wir alle lesen im Allgemeinen ja den Spiegel. Sicherlich haben auch Sie die Meldung gelesen, dass das Kanzleramt, dass Kanzleramtsminister Altmaier jetzt ankündigt, dass bis zum Sommer über die Frage, welche Lösung für die Rückstellungen gefunden werden soll, entschieden werden soll. Ich sehe zwischen den Auskünften, die Sie mir geben und die mir auch Frau Zypries schon gegeben hat, wann denn nun die Entscheidungsgrundlagen vorhanden sein sollen, und der Ankündigung von Kanzleramtsminister Altmaier ein gewisses Delta. Deswegen frage ich zum einen: Können Sie die Meldung in der aktuellen Spiegel-Ausgabe, dass das Kanzleramt noch vor der Sommerpause entscheiden will, bestätigen? Zum anderen: Ist das BMWi als das zuständige Fachressort in der Lage, bis dahin die Entscheidungsgrundlagen zu haben, präsentieren zu können? Es geht ja nicht nur um die Beauftragung, sondern der Auftrag muss dann auch ausgeführt sein.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich kann für die Bundesregierung hier nicht irgendwelche Texte aus dem Spiegel bestätigen; das sei dahinParl. Staatssekretär Uwe Beckmeyer gestellt. Das ist hier heute auch nicht meine Aufgabe. Ich kann für das Bundeswirtschaftsministerium an dieser Stelle nur ausführen, dass wir vor dem Hintergrund der Diskussionen, die Sie mit Ihrer Frage berührt haben, die Risiken der Rückstellungen der KKW-Betreiber einem Stresstest unterziehen - das haben wir auch öffentlich gesagt -, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob alle Aufgaben und die damit voraussichtlich verbundenen Kosten in den gebildeten Rückstellungen vollständig enthalten sind. Das ist, denke ich, der erste notwendige und wichtige Schritt. Ein damit verbundenes Ziel ist auch, die Transparenz für die allgemeine Öffentlichkeit zu erhöhen. Als Ergebnis der Prüfung der Rückstellungen soll dargestellt werden, unter welchen Annahmen und besonders für welche Aufgaben und erwarteten Kosten Rückstellungen in den Bilanzen gebildet sind. Ziel ist es, die Rückstellungen auf Vollständigkeit und Angemessenheit zu prüfen. Ein weiteres Ziel auch im Hinblick auf die Kostentragungspflichten der KKW-Betreiber bzw. der Konzerngesellschaften ist es, einen gewissen Einblick in das Vermögen der Unternehmen im Hinblick auf die Rückstellungszwecke zu gewinnen. Das ist, denke ich, die logische Konsequenz aus dem jetzigen Prozess. Diesen Prozess müssen wir jetzt erst einmal vorantreiben, um diese Erkenntnisse zu erlangen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke. - Zweite Nachfrage. Das ist völlig richtig. All das, was Sie gesagt haben, sehe auch ich als richtig an. Aber darum ging es in meiner Frage nicht. Sie müssen den Spiegel nicht lesen oder Spiegel-Meldungen bestätigen; aber ich erwarte von Ihnen schon, dass Sie innerhalb der Bundesregierung auch über solche Fragen einen gewissen Austausch pflegen. Wenn nun der Kanzleramtsminister ankündigt, dass bis zur Sommerpause eine Entscheidung vorliegen soll, dann ist es mir ein bisschen zu wenig, wenn Sie nur referieren, was der Inhalt der Entscheidungsgrundlage sein soll. Denn das, mit Verlaub, weiß ich bereits. Ich muss also noch einmal die gleiche Frage stellen: Gibt es eine Abstimmung zwischen dem Kanzleramt und dem Bundeswirtschaftsministerium? Wie sieht es mit der Zeitspanne aus? Gibt es bis zum Sommer Entscheidungsgrundlagen, oder ist das wieder einmal einfach ein Schuss ins Blaue, der seinen Weg in den Spiegel findet, in dem dann zu lesen ist, dass bis zum Sommer entschieden werden muss, obwohl das überhaupt nicht zur Debatte steht?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Liebe Kollegin, seien Sie gewiss, dass wir nicht trommeln, sondern dass wir Telefone haben und miteinander kommunizieren ({0}) und dass auch zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt ordentlich kommuniziert wird. Ich habe Ihnen eben plausibel dargelegt - Sie haben das bestätigt -, was notwendigerweise von allen, die da aktiv sind, gewusst werden muss. Der Stresstest, den wir durchführen, ist die Grundlage für alle Entscheidungen von wem auch immer sie getroffen werden. Am Ende wird die Bundesregierung insgesamt eine Entscheidung zu treffen haben. Das muss ordentlich vorbereitet werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Der Kollege Krischer hat eine Nachfrage. Bitte.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Beckmeyer, mich würde interessieren - das war auch die Frage der Kollegin Kotting-Uhl -, ob Sie es für realistisch halten, dass Ihre Entscheidungsgrundlagen bis zum Sommer vorliegen und dass das, was Peter Altmaier im Spiegel ankündigt, dann auch angegangen werden kann. Ist das eine realistische Perspektive, oder schätzen Sie es so ein, dass das bis zum Sommer überhaupt nicht zu leisten ist?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich bin nicht hierhergekommen, um in irgendeiner Weise Terminsetzungen zu bestätigen. ({0}) Was wir leisten können, ist, dass der Stresstest jetzt ordentlich durchgeführt wird. Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen: Wenn Sie sich das Atomgesetz anschauen, aus dem wir das Recht, nachzufragen, ableiten, sehen Sie, dass wir kaum Instrumente in der Hand haben, die Unternehmen zu zwingen, alles offenzulegen. Wir sind daher auf Kooperationen mit den Unternehmen angewiesen. Wir setzen darauf, dass wir diese Fragen durch gute Gespräche mit den Unternehmen möglichst zügig und umfassend klären können und auf diese Art und Weise ein ausreichendes Bild davon bekommen, wo wir stehen und welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um das Ziel, das wir alle, denke ich, gemeinschaftlich verfolgen, zu erreichen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Da es keine weiteren Nachfragen gibt, kommen wir zur Frage 15 des Kollegen Oliver Krischer: Hält die Bundesregierung die Rückstellungen für Atomkraftwerke für gesichert, vor dem Hintergrund der Aussage des Vorstandsvorsitzenden der RWE AG, Peter Terium ({0}), der angab, dass die Rückstellungen für Atomkraftwerke erst noch verdient werden müssten? Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Auch Ihre Frage, Herr Krischer, beantworte ich gerne. Es geht um die Aussagen von Herrn Terium hinsichtlich der Rückstellungen für Atomkraftwerke. Das ist also ein ähnliches Thema wie das, das wir eben gehabt haben. ({0}) Die Bundesregierung beantwortet die Frage wie folgt: Das Recht der Rechnungslegung schreibt vor, dass Rückstellungen mit nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigem Erfüllungsbetrag anzusetzen sind und unter Berücksichtigung des marktüblichen Zinsniveaus abgezinst werden müssen. Dahinter steht der wirtschaftliche Gedanke, dass die Vermögenswertanlagen der Unternehmen eine Rendite erwirtschaften, die auch für die Erfüllung der den Rückstellungen zugrundeliegenden Verpflichtungen verwandt werden kann. Bleiben alle Kosten unverändert, ist also jährlich die Rückstellung aufzuzinsen und eine entsprechende Zuführung zu bilanzieren. Insofern entspricht es handelsrechtlichen Vorgaben, dass Erfüllungsbeträge von Rückstellungen bis zum Fälligkeitszeitpunkt noch teilweise erwirtschaftet werden müssen. Im Übrigen sind die Kernkraftwerke betreibenden Energieversorgungsunternehmen als Verursacher gesetzlich verpflichtet, sämtliche Stilllegungs- und Rückbaukosten der Kernkraftwerke sowie die Kosten zur Entsorgung radioaktiver Abfälle zu tragen. Sie sind angesichts ihrer Verpflichtung, entsprechende Rückstellungen zu bilden, auch für etwaige Kostenberechnungen und Kostenschätzungen verantwortlich. Dabei muss gewährleistet sein, dass die erforderlichen finanziellen Mittel im Bedarfsfall in der notwendigen Höhe zur Verfügung stehen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Es gibt eine Nachfrage. Bitte schön.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Beckmeyer, ich glaube, heute haben wir beide das Problem, dass Sie mir immer die Gesetzestexte vorlesen.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Das ist doch kein Gesetzestext.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist aber eine Erläuterung bzw. die Übersetzung des Gesetzestexts. Mit der Antwort konterkarieren Sie völlig das, was Sie eben der Kollegin Kotting-Uhl gesagt haben; denn Sie sagen nichts anderes, als dass alles gut ist und man Peter Terium an dieser Stelle durchaus recht geben kann. Anders kann ich das nicht interpretieren; denn er sagt uns, dass das Geld, das er als Rückstellung in seine Bilanz eingestellt hat, faktisch nicht da ist. Sie haben eben netterweise gesagt, Sie seien bei der Frage der Rückstellungen auf die freundliche Kooperation der Energieversorgungsunternehmen - so ungefähr war Ihr Wortlaut - angewiesen. Deshalb würde mich angesichts der Äußerung von Peter Terium, die ich nur so interpretieren kann, dass das Geld nicht da ist und dass die ernsthafte Situation eintreten kann, dass das Geld nicht mehr realisierbar ist, interessieren - das ist meine Frage -: Ist es nicht notwendig, dass wir schnell gesetzliche Grundlagen schaffen, damit Sie anders handeln können?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Auf die letzte Frage antworte ich rundheraus Ja. Wir müssen eine Basis schaffen, mit der wir sicherstellen, dass die notwendigen Finanzen zur Verfügung stehen, wenn der Fall eintritt, dass rückgebaut werden muss und dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das ist zweifelsohne völlig richtig. Da sind wir völlig d’accord. Was über das wirtschaftliche Agieren von RWE gesagt wird, ist aber auch richtig. RWE hat das Geld natürlich nicht irgendwo auf einem Konto liegen, sondern das Geld steckt in dem Unternehmen und das Unternehmen wirtschaftet damit. Auf der Passiv- und Aktivseite in der Bilanz gibt es unterschiedliche Bewertungsmöglichkeiten. Das ist eine Frage, die ebenfalls richtig ist. Sie wird nur draußen falsch interpretiert, und zwar nach der Melodie: Wir haben das Geld nicht, und deshalb müssen wir das Geld erst einmal verdienen. - Nein, die haben Geld, die müssen aber auch Geld verdienen, und zwar mit den Anlagen, die sie besitzen. Das ist genau der Punkt, den ich hier zum Ausdruck gebracht habe.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Eine weitere Frage.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Beckmeyer, ich habe das bisher immer so verstanden, dass das Geld für die Rückstellungen für den Rückbau und die Endlagerung schon in der Vergangenheit durch die Atomkraft selber verdient worden ist und dass über die subventionierte Produktionsform am Ende das Geld bei den Konzernen gelandet und für die Rückstellungen verwendet worden ist. Herrn Terium verstehe ich aber so, dass genau das nicht passiert ist, sondern dass keine Rückstellungen aus dieser Energieerzeugungsform erwirtschaftet worden sind. Deshalb sagt er in einem weiteren Schritt: Wir brauchen unsere alten Kohlekraftwerke, um damit das Geld für die Atomrückstellungen und andere Verbindlichkeiten des Konzerns zu verdienen. Deshalb meine Frage an Sie: Ist es aus Ihrer Sicht ein Erwägungsgrund für die Bundesregierung, dass die Energiekonzerne, zum Beispiel RWE, um Atomrückstellungen bedienen zu können, Kohlekraftwerke länger, als das vielleicht einmal mit Klimaschutzabgaben oder anOliver Krischer deren Maßnahmen von der Bundesregierung vorgesehen war, weiter betreiben können?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Herr Krischer, noch einmal: Wenn Sie der Meinung sind, dass das Geld thesauriert ist, dann sind Sie naiv. ({0}) Thesauriert worden ist das nicht, sondern es ist im handelsrechtlichen System der Passivierung von Rückstellungen insgesamt im Unternehmen. Das Unternehmen haftet mit dem vollständigen Vermögen für die durch die Rückstellungen abgebildeten Verbindlichkeiten.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die haben aber 30 Milliarden Euro Schulden. Womit will das Unternehmen haften?

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Wenn das Unternehmen Außenstände hat, heißt das nicht, dass es überschuldet ist. Wenn dem so wäre, müssten Sie hier feststellen, dass das Unternehmen überschuldet ist. Das möchte ich im Bundestag nicht tun, weil das nicht zutreffend ist. Insofern seien Sie vorsichtig mit solchen Äußerungen hinsichtlich der Kondition von großen Unternehmen in Deutschland. Ich sage an dieser Stelle nur: Eine Zuordnung konkreter Vermögenswerte zu den einzelnen Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungsposten findet im Handelsrecht nicht statt. Insofern muss man diese öffentliche Aussage von Herrn Terium auch so aufnehmen. Er verhält sich im handelsrechtlichen Rahmen völlig korrekt. Dass das draußen anders aufgenommen wird, liegt immer an der Interpretation des jeweils anderen, der das möglicherweise missverstehen möchte.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Jetzt hat die Kollegin Kotting-Uhl eine Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wenn ich jetzt einige Ihrer Aussagen zitiere, dann werden Sie vielleicht mit mir zusammen Widersprüche darin finden. Sie sagten zum einen: Die Betreiber sind verpflichtet. - Das wissen wir ja auch. Dann sagten Sie: Es muss gewährleistet sein, dass die Mittel zur Verfügung stehen. - Außerdem sagten Sie: Wir müssen eine Basis schaffen, die sicherstellt, dass das Nötige vorhanden ist. - Zum Schluss sagten Sie noch in einer Antwort auf eine Frage von Herrn Krischer: Die haben Geld. Wenn ich das alles jetzt zusammenfüge, dann kann ich daraus eigentlich nur schließen, dass Sie ganz genau wissen, dass diese Äußerungen von Herrn Terium ein Erpressungsversuch sind, für die es eigentlich keine Grundlage gibt; denn die Unternehmen sind verpflichtet, Rückstellungen zu bilden. Sie haben Geld; denn sie haben Geld verdient. Es kann also nur ein Erpressungsversuch sein, um das Wirtschaftsministerium zu zwingen, von der geplanten Klimaschutzabgabe abzurücken, zumindest so weit, dass es Herrn Terium wieder passt. Sie müssten doch mit mir einig sein, wenn ich behaupte, dass man diesen Erpressungsversuch eigentlich mit Empörung zurückweisen müsste. Sind Sie da nicht meiner Meinung?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Erstens. Ihre Behauptung, ich hätte etwas gesagt, was sich widerspricht, weise ich zurück; das stimmt nämlich nicht. Zweitens. Ich sehe das nicht als einen Erpressungsversuch, auch wenn Sie es als einen solchen verstehen. Sie haben in diesem Bereich viel Erfahrung, da Sie im politischen Raum schon lange tätig sind. Womit haben wir es zurzeit zu tun? Wir haben eine entsprechende steuerliche Berichterstattung, die in den Finanzbehörden vertraulich behandelt wird und die uns für die Beurteilung nicht zur Verfügung steht. Was wir zusätzlich haben, ist das, was solche Gesellschaften veröffentlichen, nämlich ihre Bilanzen, und in diese Bilanzen wollen wir jetzt hineinschauen. Wir wollen herausfinden, in welcher Werthaltigkeit das, was vorhanden ist, existiert. Das bedeutet, dass wir uns gemeinsam mit den Unternehmen diesem Stresstest nähern. Damit bekommen wir im Grunde eine gute, solide Basis von Kenntnissen über die Werthaltigkeit der verschiedenen Bereiche des Unternehmens. Ich will nicht ausschließen, verehrte Kollegin, dass bezogen auf Marktsituationen Risiken da sind; das ist zweifelsohne so. Es wäre politisch töricht, das auszuschließen. Aber diese Risiken muss man ebenfalls beurteilen, und im Stresstest werden wir das Entsprechende feststellen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Jetzt hat die Kollegin Steffi Lemke das Wort.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihre bisherigen Antworten. Ich finde diese Antworten durchaus aufschlussreich. Wenn wir schon einmal dabei sind, dann möchte ich Ihnen natürlich auch bestätigen, dass Sie nicht naiv sind. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass Sie nicht glauben, dass Herr Terium diese Aussage presseöffentlich getroffen hat, um der Bundesregierung oder der Öffentlichkeit anzukündigen, dass sein Unternehmen gerade ganz vehement dabei ist, die Rückstellungen gesetzeskonform vorzunehmen. Das kann nicht Sinn und Zweck dieser Aussage gewesen sein; vielmehr muss hinter dieser Aussage eine andere Absicht stecken. Die Interpretation, dass es ein Erpressungsversuch ist, haben Sie gerade zurückgewiesen. Sie haben aber eben bestätigt, dass in Abhängigkeit von Marktsituationen natürlich Risiken vorhanden sind. Eine Absicht kann also gewesen sein, anzukündigen, dass RWE nicht in der Lage sein könnte, die Bereitstellung dieser Rückstellungen vollständig zu gewährleisten. Sie haben auch ausgeführt: Dann müssen wir - Sie benutzten das Wort „wir“ Maßnahmen ergreifen, dass die Verpflichtung, Rückstellungen bereitzustellen, nichtsdestotrotz erfüllbar ist. Welche Maßnahmen plant denn die Bundesregierung für den Fall, dass die von Ihnen hier eben in den Raum gestellten Marktrisiken dazu führen, dass RWE die Rückstellungen nicht bedient?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich möchte mich nicht selbst interpretieren. ({0}) Die Bundesregierung versucht, nach besten Wissen und Gewissen vorzugehen. ({1}) - Ja, genau.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte keine Zwiegespräche.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich habe eben ausgeführt, dass wir einen Stresstest machen, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie es in den Unternehmen aussieht. Da kooperieren wir mit Unternehmen, und die Unternehmen kooperieren auch mit uns. Das ist auch schon angekündigt, und das ist erst einmal positiv und wichtig. Wenn wir diesen Stresstest abgeschlossen haben, dann werden wir über Maßnahmen nachdenken müssen und gegebenenfalls auch Maßnahmen ergreifen müssen. Aber jetzt schon vor dem Stresstest über Maßnahmen zu reden, wäre, glaube ich, falsch. Insofern: Eins nach dem anderen; das ist klug, das ist richtige Politik und angemessen. ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Die Frage 16 des Kollegen Krischer ist zurückgezogen. Wir kommen zur Frage 17 der Kollegin Dr. Julia Verlinden: Mit welchen konkreten Maßnahmen über die bereits im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz genannten ({0}) hinaus will die Bundesregierung, wie von Bundesminister Sigmar Gabriel in seinem Schreiben vom 5. Mai 2015 an die Mitglieder der SPD-Fraktion angekündigt, ineffizienten Ölheizungen „zu Leibe rücken“, und ab welchem Jahr plant die Bundesregierung, den Einbau von Ölheizungen in Neu- und Altbauten generell zu beenden? Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Beckmeyer.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Auch diese Frage beantworte ich gern. - Die Bundesregierung wird den Austausch besonders ineffizienter Heizungsanlagen durch besonders effiziente Anlagen in Form einer verstärkten Zuschussförderung anreizen. Die konkreten Förderbedingungen werden derzeit spezifiziert. Zusammen mit den im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz genannten Maßnahmen wie Heizungscheck, Label für Heizungskessel, Fortentwicklung des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien schaffen wir damit ein Maßnahmenbündel, das alten Heizungen zu Leibe rückt. Pläne zur Beendigung des Einbaus von Ölheizungen in Neu- und Altbauten liegen nicht vor.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben gesagt, dass Sie im Wirtschaftsministerium verschiedene Maßnahmen planen, um den Ölheizungen zu Leibe zu rücken, wie es in dem Schreiben von Herrn Gabriel so schön heißt. Aber dann schlagen Sie nur vor - ein Beispiel -, bunte Aufkleber auf Bestandsheizungen aufzukleben, oder verweisen auf Projekte und Programme, die es bereits gibt oder die schon im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz genannt werden. Was ist jetzt das Neue an diesen Maßnahmen? Vor allen Dingen - das interessiert mich noch viel mehr -: Was soll den durchschlagenden Effekt bei der Heizungserneuerung bringen? Sie brauchen ja ein Programm, mit dem der Wegfall des sogenannten Steuerbonus kompensiert wird.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Das sind auch zwei Fragen. Ich versuche, sie zu beantworten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Aber trotzdem nur eine Minute.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich korrigiere Ihre Aussage. Wir rücken alten, ineffizienten Heizungen zu Leibe. Es kann auch Ölheizungen geben, die - ich will das nicht ausschließen - effizient sind. Ich möchte hier nichts Falsches im Raum stehen lassen. Was wir tun müssen, ist - das ist richtig -, bei der bestehenden KfW-Förderung und dem Marktanreizprogramm ein Thema noch zu besetzen; das werden wir auch tun. Wir werden neben der Ergänzung der Zuschuss- und Kreditförderung natürlich auch einige weitere Elemente berücksichtigen, die bisher noch nicht so im Fokus standen, wie wir uns das aktuell gewünscht hätten. Das kann die Brennstoffzelle sein, im Kleinen oder im Großen. Ich sage es an dieser Stelle mit der gebotenen Vorsicht. Darüber müssen wir uns noch ein bisschen konkreter mit den Fachleuten auseinandersetzen, sodass es richtig funktioniert. Wir sind momentan dabei; die Fachleute unterhalten sich sehr intensiv darüber. Ich glaube, dass wir im Bereich der Energieeffizienz am Ende gemeinsam noch deutlich besser werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich habe noch einen Satz hinzuzufügen. - Ich habe gerade in dieser Woche das Thema Nichtwohngebäudeförderung ganz prominent hier in Berlin vorgestellt. Auch da werden wir, gerade was Energieeffizienz angeht, noch richtig Gas geben und im Rahmen guter Programme und guter Beratung, auch aus den Verbänden heraus, konkrete Inhalte präsentieren.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass dort oben ein Licht leuchtet, für jeden sichtbar. „Grün“ heißt: Man ist im Zeitrahmen. „Gelb“ heißt: Achtung, komme zum Schluss! „Rot“ heißt: Die Zeit ist absolut überschritten. - Wenn alle immer so lange reden, bis es rot leuchtet, dann werden wir heute nicht mehr fertig, und viele bekommen ihre Frage nicht beantwortet. Bitte denken Sie alle an die Zeit! Die Kollegin Verlinden hat jetzt noch einmal das Wort und die Gelegenheit, eine Nachfrage zu stellen.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Beckmeyer, Sie haben mich heute im Wirtschaftsausschuss explizit aufgefordert, Herrn Gabriel irgendwann einmal zu loben. So weit würde ich nicht gehen. Aber ich finde es immerhin interessant, dass er in seinem Brief schreibt, dass Öl die am stärksten begrenzte Brennstoffressource ist und dass Sie daher diesen ineffizienten Heizungen mit einem Maßnahmenbündel zu Leibe rücken wollen; das ist durchaus diskussionswürdig. Aber Sie haben mir meine eigentliche Frage nicht beantwortet; denn Sie haben nicht erklärt, wie sich die 40 Petajoule, die Sie nun nicht einsparen werden, weil der Steuerbonus nicht umgesetzt werden kann, im Rahmen der neuen Programme, die Sie angeblich noch in der Pipeline haben, einsparen lassen. Wenn Sie den Ölheizungen wirklich zu Leibe rücken wollen, dann sollten Sie einmal nach Dänemark schauen. Dort gibt es entsprechende Programme, um voranzukommen, und zwar mit etwas größeren Schritten als in Deutschland.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Staatssekretär Beckmeyer.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Liebe Kollegin, es gibt vier konkrete Förderfelder: erstens forcierte Markteinführung der hocheffizienten Heizungstechnik Brennstoffzelle durch Investitionszuschüsse, zweitens besondere Zuschussförderung für hocheffiziente Heizungen mit einem unterlegten Maßnahmenbündel, drittens Sonderzuschussförderung für die Kombination aus wohnwertsteigernden Maßnahmen und viertens Begleitung der genannten Maßnahmen durch Qualitäts-, Beratungs- und Bildungsoffensiven. Wenn das kein ordentliches Programm ist, dann weiß ich es auch nicht.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Der Kollege Krischer hat noch eine Nachfrage.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Beckmeyer, dass Herr Gabriel den Heizungen zu Leibe rückt, habe ich mir gerade bildlich vorgestellt. Aber danach möchte ich nicht fragen. Sie haben eine interessante Unterscheidung vorgenommen. Sie haben gesagt: Es gibt alte, ineffiziente Ölheizungen, denen man zu Leibe rücken will, und andere, denen man nicht zu Leibe rücken will. Mich interessiert, wie Sie das genau unterscheiden. Was ist nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums eine alte, ineffiziente Ölheizung, und was ist eine neue, effiziente Ölheizung?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Ich habe bewusst gesagt, dass es nicht nur um Ölheizungen geht, sondern um alte Heizungsanlagen. Das können auch Gasheizungen sein, die mit einer Technologie ausgestattet sind, die von vorgestern ist. ({0}) Meine Fachabteilung wird sich mit den technischen Details befassen, und ich werde Ihnen dann berichten. Ich bitte daher um schriftliche Beantwortung.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die geduldige Beantwortung der Fragen. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Beantwortung steht die Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer zur Verfügung. Vizepräsidentin Ulla Schmidt Ich rufe als Erstes die Frage 18 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner auf: Was hat die Bundesregierung bewogen, ungeachtet der Annullierung des ägyptischen Wahlgesetzes durch das Verfassungsgericht, ihre mehrfach betonte ({0}) Konditionierung einer Einladung des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi an vor einem Deutschlandbesuch abzuhaltende Parlamentswahlen fallen zu lassen, und über welche Informationen verfügt sie, wann diese Wahlen stattfinden sollen? Bitte schön.

Not found (Gast)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Brantner, die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hatte den ägyptischen Präsidenten el-Sisi bereits im September 2014 zu einem Besuch nach den Parlamentswahlen in Ägypten eingeladen. Die zuletzt für März/April 2015 geplanten Wahlen wurden inzwischen aufgrund eines Urteils des obersten Verfassungsgerichts verschoben. Ein neues Datum wurde noch nicht festgelegt. Aufgrund diverser Krisenherde und der prekären Lage in der Region hält es die Bundesregierung für wichtig, das Gespräch nicht länger zu verschieben.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Brantner.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Es gibt aufgrund des ausgesprochenen Todesurteils gegen den ehemaligen Präsidenten Mursi eine neue Situation. Herr Lammert hat deswegen Gespräche abgesagt. Meine Frage an Sie lautet: Am 2. Juni wird in Ägypten darüber entschieden, ob das Todesurteil bestätigt wird oder nicht. Wenn am 2. Juni das Todesurteil bestätigt wird: Halten Sie trotzdem an der Einladung fest?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Brantner, es ist zunächst angezeigt, dies abzuwarten. Aber ich möchte Ihnen zwei Dinge sagen: Wie Sie wissen, ist das eine ausgesprochen schwierige Entscheidung. Ich war mit Sicherheit genauso bestürzt wie Sie, als ich von den Todesurteilen in der vergangenen Woche erfahren habe. Sie betreffen nicht nur Mursi, sondern weit mehr Menschen. Das ist etwas, was uns zutiefst erschüttert, was aber auch immer wieder unseren Protest und Widerstand gegen Todesurteile hervorruft. Sie wissen aber auch, wie sich die Bundesregierung für Menschenrechte in Ägypten einsetzt. Ein solcher Besuch gibt natürlich die Chance, gerade über diese kritischen Punkte zu sprechen. Ich habe vorhin über den ägyptischen Botschafter erfahren, dass der ägyptische Präsident die Bitte bzw. das Interesse geäußert hat, mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu sprechen. Es ist jetzt an Ihnen, zu entscheiden, ob Sie unmittelbar das Gespräch mit ihm suchen wollen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Brantner.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine Rückfrage. Mich würde interessieren, was aus Ihrer Sicht noch passieren müsste, damit ein solcher Besuch nicht stattfindet. Es gibt keine Wahlen, obwohl diese angesetzt waren. Es gibt massenhaft Verhaftungen und Todesurteile, und es gibt mittlerweile eine politische Justiz. Es gibt immer noch keine Regelung für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Es geht nicht nur gegen die Muslimbrüder, sondern gegen große Teile der Menschenrechtsorganisationen. Was müsste aus Ihrer Sicht menschenrechtspolitisch noch geschehen, damit man Herrn el-Sisi nicht den roten Teppich ausrollt und ihn willkommen heißt?

Not found (Gast)

Ich glaube, es geht nicht darum, den roten Teppich auszurollen. Das will niemand von uns. Es geht darum, das Gespräch zu führen, gerade angesichts einer außerordentlich schwierigen Situation in der Region. Der Bundesaußenminister war anfangs persönlich dort und hat keine Möglichkeit ausgelassen, mit Vertretern der Zivilgesellschaft zu sprechen. Natürlich werden uns all diese Punkte, die Sie eben genannt haben, ebenfalls umtreiben, wenn der Präsident nach Deutschland kommt. Ich kann Ihnen nur anheimstellen, ebenfalls das unmittelbare Gespräch zu suchen. Aber das ist eine Entscheidung, die jeder und jede Abgeordnete für sich zu treffen hat.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 19 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner: Teilt die Bundesregierung die von Präsident Abdel Fattah el-Sisi mehrfach vorgetragene Sorge hinsichtlich einer Destabilisierung seines Landes durch innere und äußere Kräfte sowie die Einschätzung des Fraktionsvorsitzenden der CDU/ CSU, Volker Kauder, wonach Ägypten als regionaler Stabilitätsanker gestärkt werden müsse ({0})? Ich bitte Sie um Beantwortung, Frau Staatssekretärin.

Not found (Gast)

Gerne, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, die Region rund um Ägypten ist von Krisen geschüttelt, die sich direkt auf das Land auswirken. So ermöglicht zum Beispiel die instabile Lage in Libyen Waffenschmuggel über die Grenze nach Ägypten zu extremistischen Gruppen, die weiterhin regelmäßig Terroranschläge durchführen, insbesondere im Norden des Sinai, aber auch auf dem Festland. Ägypten bleibt ein wichtiger und unverzichtbarer Partner bei der Lösung der Konflikte in der Region, sei es in Libyen, im Gazastreifen oder im Jemen. Das heißt nicht, dass wir mit dem innenpolitischen Vorgehen der ägyptischen Regierung einverstanden sind. Wir befürchten vielmehr, dass das repressive Vorgehen gegen die Opposition und die Zivilgesellschaft und insbesondere die Ausgrenzung der gewaltfreien Teile der Muslimbrüder die Spaltung der ägyptischen Gesellschaft vertieft. Aus unserer Sicht sind die Wahrung der Menschenrechte und eine freie und unabhängige Zivilgesellschaft Voraussetzung für die langfristige Stabilität und Entwicklung des Landes. Die Bundesregierung bringt in allen Gesprächen mit Ägypten ihre Sorge über die Lage der Menschenrechte sowie der Zivilgesellschaft zum Ausdruck.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Frau Kollegin Brantner.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich fahre übrigens in der nächsten Woche nach Ägypten. Ich bin regelmäßig dort, um einen Meinungsaustausch zu führen. Sie sagten gerade, es gehe um den Dialog und es sei eine schwierige Situation. Darin würde ich Ihnen zustimmen, aber die Frage ist trotzdem, ob die Einladung an Herrn el-Sisi von ihm nicht auch als ein Symbol verstanden und dementsprechend genutzt wird; denn er verkauft in Ägypten seinen Besuch als Zeichen der Unterstützung Deutschlands für seinen Kurs, und das ist natürlich mehr, als wenn man jemanden einlädt und in einen Dialog mit ihm - Frau Merkel und Herr Gauck werden ihn treffen - eintritt. Dieser Besuch wird in Ägypten ganz stark als eine Unterstützung für el-Sisis Kurs wahrgenommen. Wollen Sie sich nicht lieber der Verantwortung stellen und diese Einladung nicht aufrechterhalten?

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Brantner, ich sehe, Sie stellen sich auch der Verantwortung, indem Sie unmittelbar nach Ägypten reisen. Wahrscheinlich wird das dort genauso registriert; denn wenn eine Abgeordnete des Deutschen Bundestages reist, dann ist das natürlich auch ein Signal. Ich nehme an, dass Sie dort die kritischen Fragen genauso ansprechen, wie es der Bundesaußenminister und die Bundeskanzlerin - ich bin mir sicher, auch der Bundespräsident - im Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten tun werden. Ich kann nur noch einmal betonen: Auch bei seiner letzten Reise hat Bundesaußenminister Steinmeier ganz gezielt Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft geführt. Bei Fragen wie der nach den Menschenrechten genauso wie der nach der Verhängung von Todesurteilen ist es so, wie ich es eben gesagt habe: Wir haben in diesem Zusammenhang erhebliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit. Keiner wird diesen Themen ausweichen, sondern wir werden damit sehr offensiv umgehen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In meiner Frage beziehe ich mich auf die Formulierung von Ägypten als „Stabilitätsanker“ in der Region. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen mit Blick auf die Flüchtlingskatastrophe und -tragödien auch viel über Libyen gesprochen. Dabei wird Ägypten leider nicht als „Stabilitätsanker“ wahrgenommen, sondern eher als destabilisierender Faktor. Das Land treibt die Spaltung des Landes voran. Es tritt zwar offiziell für den Dialog ein, liefert aber andererseits an eine Seite Waffen und ist selber militärisch aktiv. Die Frage ist doch: Ist Ägypten nicht eher ein destabilisierender Faktor in der Region, der eben nicht als „Stabilitätsanker“ bezeichnet werden sollte? Mich würde interessieren, ob das Auswärtige Amt es so sieht wie Herr Kauder, der davon spricht, dass Ägypten ein Stabilitätsanker in der Region ist.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Wir haben wiederholt gesagt: Wir müssen beides tun. Wir müssen die Gespräche über die kritischen Punkte führen; denn nur das wird auch zu Veränderungen führen. Das wird übrigens auch von vielen wahrgenommen, die in Ägypten aufgestanden sind und deren Zahl inzwischen zu einer kleinen Gruppe herangewachsen ist. Man kann aber auf der anderen Seite nicht bestreiten, dass Ägypten für uns ein zentraler politischer Partner ist. Die Lage in der Region - das wissen wir alle - ist mehr als instabil und außerordentlich kritisch. Ich denke da etwa an Libyen; wir werden gleich über die Flüchtlingsfrage sprechen. Man muss hier alles tun, um die Verhältnisse ein wenig nach vorne zu bringen. Das ist ungemein schwierig. Aber das Auswärtige Amt und die Bundesregierung setzen sich mit aller Kraft dafür ein.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Uwe Kekeritz auf: Welche Bemühungen unternimmt die ägyptische Führung nach Erkenntnissen der Bundesregierung derzeit, um einen Prozess der nationalen Versöhnung einzuleiten, der insbesondere die verfolgten und inhaftierten, aber auch die nichtradikalisierten Anhänger der Muslimbruderschaft einbezieht? Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Gerne, Frau Präsidentin. - Herr Kekeritz, die Frage 20 darf ich wie folgt beantworten: In der am 3. Juli 2013 veröffentlichten Roadmap hatte sich die ägyptische Regierung dazu verpflichtet, staatliche Institutionen zu schaffen, die die nationale Aussöhnung vorantreiben sollen. Dies ist bislang nicht geschehen. Die ägyptische Regierung verweist als Begründung auf die terroristische Bedrohung im Land und in der Region. Insbesondere Anhänger der Muslimbrüderschaft werden verfolgt und von einer Beteiligung am politischen Prozess ausgeschlossen. Weit darüber hinaus sind auch viele andere politische Gruppierungen von Verfolgung betroffen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Herr Kekeritz, bitte.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In diesem Zusammenhang eine Nachfrage. Nach wie vor besteht die ägyptische Regierung darauf, dass sämtliche zivilgesellschaftliche Projekte, die mit Geldern aus Deutschland gefördert werden, einzeln genehmigt werden. Wie hängt das mit der Terrorismusbedrohung in Ägypten zusammen? Wie schätzen Sie das ein?

Not found (Gast)

Wir sehen das als sehr bedenklich an; denn die Projekte leider unter diesen Repressalien. Wir haben deshalb die Projekte auslaufen lassen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Eine weitere Zusatzfrage?

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Dann rufe ich die Frage 21 des Abgeordneten Kekeritz auf: Inwieweit sieht die Bundesregierung im repressiven Vorgehen der ägyptischen Regierung gegen die islamistisch orientierte Opposition einen sinnvollen Beitrag zu den „gemeinsame({0}) Interessen im Kampf gegen den Terrorismus“ ({1}), besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sie innerhalb Ägyptens zu einer Welle der Gewalt, sowohl in der Hauptstadt ({2}) als auch auf der Sinai-Halbinsel ({3}) geführt hat? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Auf die Frage 21 darf ich Ihnen wie folgt antworten: Die Bundesregierung spricht in ihren Kontakten mit der ägyptischen Regierung stets an, dass die Wahrung und der Schutz von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Übergang und politische Stabilisierung sind. Auch in sicherheitspolitisch schwierigen Zeiten muss zwischen Terror und gewaltfreier innenpolitischer Opposition unterschieden werden. Nur durch einen inklusiven politischen Prozess, der alle Teile der Gesellschaft einbezieht, kann eine langfristige Stabilisierung des Landes und der Region erreicht werden. Mit Blick auf die Situation auf dem Sinai ist die Bundesregierung überzeugt, dass militärische Maßnahmen nicht das alleinige Mittel der Terrorbekämpfung sein dürfen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Herr Kollege.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, ich hätte von Ihnen gerne irgendetwas Positives zu Ägypten gehört. In diesem Zusammenhang frage ich mich dann doch: Wie kommen Sie dazu, den ägyptischen Präsidenten einzuladen? Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass man mit solchen Menschen reden muss, um den Kontakt nicht zu verlieren. Aber dafür gibt es doch auch die diplomatische Ebene. Das muss nicht gerade ein Staatsbesuch sein. Zu Ihrem Hinweis, dass auch die Kollegin Brantner ihre Verantwortung wahrnimmt: Es ist doch etwas ganz anderes, ob die Bundeskanzlerin, die mächtigste Frau der Erde, diesen Präsidenten empfängt oder ob eine Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen nach Ägypten fährt. Sie wissen, wie das in den Medien aufgegriffen wird. Sicherlich kann Frau Brantner in Ägypten in den Zeitungen erscheinen. Aber der Besuch des Präsidenten bei uns wird in der gesamten Region, in der ganzen Welt publiziert. Das ist somit eine enorme Public-RelationsKampagne für den Präsidenten.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatsministerin, bitte.

Not found (Gast)

Herr Kekeritz, ich darf richtigstellen: Es handelt sich hier nicht um einen Staatsbesuch, sondern um einen Arbeitsbesuch. Nachdem Sie das Wort der Bundeskanzlerin so deutlich in den Blick gerückt haben - ich glaube, da stimmen wir jetzt mal sehr überein -, will ich betonen: Es ist wichtig, dass aus den Worten, die die Bundeskanzlerin finden wird, deutlich wird, wie wichtig die Achtung der Menschenrechte ist, wie wichtig die Einbeziehung der Zivilgesellschaft ist und dass es darum geht, den Prozess nach vorne zu bringen, und dass es keinen Stillstand geben darf.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Dann rufe ich Frage 22 der Abgeordneten Katja Keul auf: Welche Projekte im Rahmen der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit führt die Bundesregierung seit der Wahl des Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi mit Ägypten durch, und wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung der insgeVizepräsidentin Ulla Schmidt samt seit dem Jahr 2011 mit Ägypten durchgeführten Projekte in diesem Bereich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Entwicklung Ägyptens ({0})? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Die Antwort zu Frage 22, Frau Keul: Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer internationalen rechtlichen Zusammenarbeit seit dem Amtsantritt von Präsident elSisi am 8. Juni 2014 nur ein Projekt in Ägypten finanziert; ich darf es nennen: ein Projekt der IRZ, Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, und zwar vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 mit Veranstaltungen zu Verfassungsrecht, Menschenrechten, Zivil- und Wirtschaftsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht. Aufgrund politischer Restriktionen seitens der ägyptischen Regierung wurde im Dezember 2014 beschlossen, dass die Projektarbeit des IRZ im Jahr 2015 nicht mehr fortgesetzt werden kann. Die seit 2011 insgesamt drei jeweils einjährigen Folgeprojekte der IRZ im Bereich der rechtlichen Zusammenarbeit zielten auf die Vermittlung richterlicher Unabhängigkeit, menschenrechtlicher Standards und effizienter Organisationsstrukturen. Zielgruppe waren Richter, Anwälte und Mitarbeiter des Justizministeriums. Die geförderten Projekte dienten der Schulung und Vernetzung innerhalb der Zielgruppe. Die Bundesregierung hält grundsätzlich Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit für prioritär. Dazu zählt auch die Aufarbeitung von Vorfällen staatlicher bzw. polizeilicher Gewalt, wie zum Beispiel des gewaltsamen Vorgehens bei der Massendemonstration im Oktober 2011 oder der Auflösung der Rabia-Sit-ins im August 2013.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Eine Nachfrage?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden all diese Projekte spätestens jetzt eingestellt, sodass derzeit keine IRZ-Projekte stattfinden. Richtig?

Not found (Gast)

Ja.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Keine weiteren Nachfragen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke. - Dann kommen wir zur Frage 23 der Abgeordneten Katja Keul: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das militärische Eingreifen Ägyptens in Libyen, und welche völkerrechtliche Grundlage sieht sie für diese Intervention? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hat Kenntnis davon, dass die ägyptische Luftwaffe nach der Ermordung von ägyptischen Gastarbeitern durch ISIS deren Stellungen in Libyen angegriffen hat. Die Bundesregierung will nicht der Bewertung der Ereignisse durch die beiden hauptsächlich betroffenen Staaten, Ägypten und Libyen, vorgreifen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Eine Nachfrage?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dazu habe ich eine Nachfrage: Ich wüsste gerne, welche Kenntnis die Bundesregierung davon hat, dass Ägypten libysche Gruppierungen mit Waffenlieferungen unterstützt.

Not found (Gast)

Dazu kann ich Ihnen jetzt nichts sagen. Also, ich habe persönlich keine Kenntnis davon.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Daran schließt sich meine weitere Nachfrage an - da Ägypten nach wie vor Interesse an Waffenlieferungen seitens der Bundesrepublik hat und kürzlich der Export von Waffensystemen wieder genehmigt worden ist -: Wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Frage von Waffenlieferungen nach Libyen mit Ägypten erörtern, bevor sie weitere Waffenlieferungen genehmigt?

Not found (Gast)

Sie wissen um die Position der Bundesregierung, nämlich dass wir beispielsweise die Forderung, die Ägypten bei der Arabischen Liga erhoben hat, das Waffenembargo aufzuheben, außerordentlich kritisch sehen. Das trifft auch auf Forderungen nach einer militärischen Intervention zu.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Danke schön. - Die Kollegin Brantner hat eine Nachfrage. - Bitte schön, Frau Kollegin.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatsministerin, die aktuelle Lage in Libyen und die Rolle Ägyptens wurden gerade angesprochen. Sie haben gesagt, Sie hätten keinerlei Kenntnisse von ägyptischen Waffenlieferungen.

Not found (Gast)

Also, ich persönlich.

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht können Sie da eine schriftliche Antwort nachliefern; das würde mich interessieren. In dem Zusammenhang stelle ich noch mal die Frage: Sehen Sie Ägypten wirklich als einen Stabilitätsanker an oder eher als einen Akteur, der die Region auch mit destabilisiert?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Brantner, ich glaube, Sie haben die Frage eben schon einmal gestellt, und ich habe sie Ihnen auch schon beantwortet. Ich beziehe mich auf die Antwort, die ich gegeben habe.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Die Frage 24 des Kollegen Gehrcke und die Fragen 25 und 26 der Kollegin Dağdelen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 27 der Kollegin Heike Hänsel auf: Mit welcher Begründung will die EU ein UN-Mandat im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erwirken, und sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Äußerung des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, der laut Medienberichten ({0}) mit einem UN-Mandat gegen Schlepper rechnet, eine Bedrohung des Weltfriedens? Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, Frage 27 darf ich wie folgt beantworten: Die Hohe Vertreterin der EU, Federica Mogherini, hat vor dem VN-Sicherheitsrat am 11. Mai 2015 um Unterstützung beim Vorgehen gegen Schleuserkriminalität und Menschenschmuggel geworben. Die Autorisierung durch den VN-Sicherheitsrat ist aus Sicht der Bundesregierung Voraussetzung für die Übernahme von Aufgaben im Rahmen einer GSVP-Mission, die über Überwachung und Beobachtung der Schleuseraktivitäten auf hoher See hinausgehen. Es ist Aufgabe des Sicherheitsrats, im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Resolution auch darüber zu entscheiden, ob eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit vorliegt.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Bitte schön, Frau Hänsel.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Da würde ich gerne nachfragen. Meine Frage war ja auch, ob die Bundesregierung die Schlepperboote als Bedrohung des Weltfriedens einordnet. Mich würde vor allem interessieren: Was ist in den aktuellen Verhandlungen über ein mögliches UN-Mandat die Haltung Russlands und Chinas?

Not found (Gast)

Das hat wohl alle interessiert, die von EU-Seite an den Verhandlungen beteiligt waren. Uns hat über Frau Mogherini die Botschaft erreicht, dass dort keine Bedenken gegen eine solche Resolution zu erwarten sind.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Hänsel, bitte schön.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dann würde mich konkret interessieren: Wie stellt sich die Bundesregierung vor, militärisch gegen Schlepperboote vorzugehen? Könnten Sie mir erklären, wie die Bundesregierung zum Beispiel den Unterschied zwischen Fischerbooten und Schlepperbooten definiert? Wie wollen Sie eigentlich die militärischen Ziele definieren, gegen die vorgegangen werden soll? Mich würde auch interessieren, was Sie zu der Kritik sagen, die es mittlerweile auch aus den eigenen Reihen gibt. Entwicklungsminister Müller sieht das ganze Unterfangen eher als unangebracht an, wenn es darum geht, sich der Flüchtlingsfrage zu stellen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Ich glaube, man muss zum einen davon ausgehen, dass wir es bei den Schlepperbanden mit hochkriminellen Organisationen und Personen zu tun haben, die die Situation von Flüchtlingen in dramatischer Art und Weise ausnutzen. Das Zweite, das man zu bedenken hat, ist, dass die Mission ein Baustein ist und man das Gesamtpaket betrachten muss. Sie wissen, dass am Montag ein Beschluss zu der Mission getroffen worden ist und sehr deutlich gesagt worden ist: Es gibt drei Phasen. - Die erste Phase wird dazu dienen, sich ein solides Lagebild von den Schleuseraktivitäten auf hoher See zu machen. Später sollen dann jeweils die weiteren Entscheidungen innerhalb der EU getroffen werden. Wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass es bei den Entscheidungen keinen Automatismus gibt, sondern sie den Fortschritten bei den Erkenntnissen entsprechend getroffen werden. Ich glaube, dass niemand daran zweifeln kann, dass es wichtig ist, sich jetzt in dieser ersten Phase ein solides Lagebild von den Schleuseraktivitäten zu machen, von dem aus sich alle weiteren Entscheidungen entwickeln werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Kollegin Hänsel, haben Sie noch eine Nachfrage?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe noch eine zweite Frage zum Thema Flüchtlinge bzw. Fluchtursachen eingereicht.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Dann rufe ich die Frage 28 der Abgeordneten Heike Hänsel auf: Welche Fluchtursachen ({0}) sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Äußerung des Bundesministers des Auswärtigen, dass die EU sich stärker bei der Bekämpfung von Fluchtursachen engagieren soll ({1}), und wie sollen diese konkret bekämpft werden? Bitte schön.

Not found (Gast)

Ich beantworte Ihre Frage, Frau Kollegin Hänsel, wie folgt: Der aktuelle Zustrom an Flüchtlingen ist die Folge mannigfaltiger Krisen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika. Staatliche Unterdrückung, Terrorismus, bürgerkriegsähnliche Zustände, Verfolgung politischer, ethnischer oder religiöser Gruppen, zum Beispiel in Syrien und im Irak, Verfolgung ethnischer oder religiöser Gruppen oder politisch Andersdenkender, zum Beispiel in Eritrea, zerfallende Staatlichkeit, zum Beispiel in Somalia, Armut, zum Beispiel in Westafrika, und Wegfall wirtschaftlicher Lebensgrundlagen, unter anderem aufgrund klimatischer Veränderungen, sind nur einige der Probleme in den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge und Migranten. Sie zu bekämpfen, bedarf einer Gesamtstrategie in europäischer Verantwortung. Es geht insbesondere darum, das Potenzial Afrikas zu entwickeln, Migration und Mobilität in ein der Entwicklung förderliches Verhältnis zu bringen, fairen Handel zu fördern und die Sicherheitszusammenarbeit zu stärken. Dazu wird es im Herbst einen Gipfel der EU mit der Afrikanischen Union in Malta geben. Der Khartoum- und der Rabat-Prozess helfen Transitstaaten beim menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Die europäische Entwicklungszusammenarbeit leistet mit fast 100 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Armut und Unsicherheit. Die bereits existierenden zivilen GSVP-Missionen in Niger und Mali werden um eine Grenzschutz- und Migrationskomponente erweitert. Gerade mit Blick auf eine wirksame Bekämpfung von Fluchtursachen wird die Bundesregierung weiter entschlossen die VN-Vermittlungsbemühungen um eine politische Lösung der Lage in Libyen und Syrien unterstützen. Mit der Berliner Syrien-Flüchtlingskonferenz Ende Oktober 2014 leistete die Bundesregierung einen international anerkannten Beitrag zur Stärkung der Fähigkeit der Nachbarländer Syriens, Millionen von Flüchtlingen zu beherbergen. Bundesminister Steinmeier hat dazu in der vergangenen Woche Gespräche im Libanon und in Jordanien geführt.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

So, jetzt lasse ich nur noch die Nachfragen der Kollegin Hänsel zu; denn die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Ich bitte Sie jetzt alle, die Redezeit einzuhalten. - Bitte schön.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Böhmer, Sie haben vor allem von den Krisen- und Kriegsregionen dieser Welt gesprochen. Aber in Ihrer Antwort dazu, wie Sie Fluchtursachen bekämpfen wollen, fehlt mir ein ganz entscheidendes Wort, nämlich „Rüstungsexporte“. Wir wissen, dass die Bundesregierung auch in Krisenund Kriegsregionen Waffen exportiert. Nach wie vor werden Waffen nach Saudi-Arabien geliefert, obwohl sich Saudi-Arabien an einer militärischen Intervention im Jemen beteiligt. Es wurden in den Irak Waffen geliefert, die vom IS erbeutet wurden; das sind in diesem Fall US-amerikanische Waffen, aber das kann auch deutsche Waffen betreffen. Meine Frage: Wann ändert die Bundesregierung ihre Rüstungsexportpolitik? Denn das wäre notwendig, wenn sie Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen will.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Hänsel, ich will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, dass die Bundesregierung eine sehr restriktive Rüstungspolitik verfolgt. Sie können sicher sein, dass wir bei einer solchen restriktiven Rüstungspolitik auch bleiben werden.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Die Kollegin Hänsel hat noch eine Nachfrage, ganz schnell.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Sie sprachen kurz das Thema „fairer Handel“ an. Wir wissen, dass die EUFischereipolitik - Sie haben von der Armut in Westafrika gesprochen - massiv dazu beiträgt, dass viele Fischerfamilien verarmen. Daher müssen sie ihre Boote verleihen, auch an Flüchtlinge oder an Schleppergruppen; wie auch immer Sie die bezeichnen wollen. Das heißt, es gibt direkte Zusammenhänge zwischen Fischereipolitik und Fluchtursachen. Die EU-Fischereipolitik und die EU-Freihandelspolitik bedrohen viele Existenzen in den afrikanischen Ländern. Selbst der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung hat die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen stark kritisiert. Wann gibt es hier endlich einen Richtungswechsel? Setzt sich die Bundesregierung auch in der EU dafür ein? Das müssten Sie tun, wenn Sie ernsthaft über die Bekämpfung von Fluchtursachen sprechen wollen.

Not found (Gast)

Frau Kollegen Hänsel, ich weiß um Ihr Engagement in diesen Fragen, und Sie können sicher sein, dass das Engagement der Bundesregierung groß ist, die Fluchtursachen in den afrikanischen Regionen zu bekämpfen. Wir haben hierfür eine eigene Afrika-Strategie entwickelt. All das, was wir tun, geht weit über die Punkte hinaus, die Sie angesprochen haben. Es geht darum, dass die Menschen ihre eigene Existenz sichern können, dass Korruption bekämpft wird und dass es dort stabile Staaten gibt. Das ist etwas - das muss ich Ihnen in aller Ehrlichkeit sagen -, was nicht von heute auf morgen gelingen wird. Deshalb werden uns die Themen „Flüchtlinge“ und „Bekämpfung von Flüchtlingsursachen“ leider immer wieder hier im Parlament beschäftigen. Wir werden von unserer Seite aus alle Anstrengungen unternehmen, um den Menschen zu helfen.

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Ich bedanke mich bei der Staatsministerin für die Beantwortung der Fragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde angekommen. Alle weiteren Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Aktuelle Prognose des IWF - Perspektiven für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer. ({0})

Uwe Beckmeyer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003498

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Aufschwung der deutschen Wirtschaft setzt sich fort. Das ist auch das Ergebnis der Beobachtungen internationaler Organisationen, wie des IWF und auch der Europäischen Kommission. Sie haben ihre Prognosen aktuell korrigiert und angehoben. So erwartet der IWF in seinem World Economic Outlook vom April dieses Jahres für Deutschland ein Wachstum von 1,6 Prozent im laufenden Jahr und für 2016 ein Wachstum von 1,7 Prozent. Da der IWF die Wachstumsraten kalenderbereinigt ausweist, entspricht das exakt der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. Wir rechnen im laufenden Jahr - unbereinigt - mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent und im kommenden Jahr mit einem weiteren Zuwachs - unbereinigt - um erneut 1,8 Prozent. Besonders erfreulich ist, dass dieser Aufschwung bei den Menschen in unserem Lande ankommt; denn er wird vor allem auch vom Konsum getragen. Die Einkommen steigen, der Arbeitsmarkt entwickelt sich hervorragend, die Arbeitslosigkeit bewegt sich auf einem historischen Tiefstand, und die Beschäftigung erreicht von Jahr zu Jahr neue Höchststände. Dass sich die deutsche Wirtschaft auf einem soliden Wachstumspfad befindet, ist umso beachtlicher, als das außenwirtschaftliche Umfeld weiterhin schwierig ist. Für die Weltwirtschaft rechnet der IWF in 2015 lediglich mit einem Wachstum von 3,5 Prozent und für 2016 mit 3,7 Prozent. Das sind vergleichsweise moderate Wachstumsraten. Die weltwirtschaftliche Belebung bleibt fragil, aber sie setzt sich fort. Für die Industriestaaten haben sich die Wachstumsaussichten laut IWF eingetrübt. Das Potenzialwachstum liegt 0,5 Prozentpunkte unter den Szenarien der Vorkrisenzeit. Zu den Risiken im außenwirtschaftlichen Umfeld gehören die zahlreichen geopolitischen Konflikte, zum Beispiel in der Ukraine oder auch im Nahen Osten. Hier sieht der IWF durchaus Gefahren einer Abschwächung - auch des chinesischen Wachstums - und Probleme in Schwellenländern. Schauen Sie zum Beispiel nach Brasilien, wo die Investitionen der dortigen staatlichen Ölindustrie vor allem vor dem Hintergrund des schwachen Ölpreises konsolidiert und auf fast 50 Prozent reduziert worden sind. Wir haben es also mit einer nicht ganz wolkenfreien Großwetterlage zu tun. Unser Wachstum ist solide, aber wir sind uns der Risiken bewusst. Die gute Entwicklung ist dennoch kein Grund, sich zurückzulehnen. Wir leben in einer Welt des ständigen Wandels mit immer neuen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Die Bundesregierung arbeitet deshalb weiter entschlossen an den Wachstumsperspektiven für Deutschland. Eine zentrale Rolle spielen dabei Investitionen. Diese Einschätzung deckt sich auch mit den diesjährigen Konsultationen des IWF und den länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission. Um Deutschlands Zukunft zu sichern, brauchen wir mehr öffentliche Investitionen in Bildung und Forschung und in die Infrastruktur. Wir brauchen aber auch die richtigen Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen, vor allem für junge, innovative Unternehmen. Investitionen bedeuten zweierlei: Erstens erhöhen und verbessern sie mittel- und langfristig die produktiven Kapazitäten und damit, technisch gesprochen, das Wachstumspotenzial, und zweitens stärken sie kurzfristig die nationale, aber auch die globale Nachfrage. Die Bundesregierung hat die Stärkung der Investitionen zu ihrer wesentlichen Priorität erklärt. ({0}) Unser Ziel ist, dass Deutschland mit Blick auf das Investitionsniveau im gesamtwirtschaftlichen Maßstab wieder einen Spitzenplatz unter den Industrieländern einnimmt, und wir haben dafür erhebliche Anstrengungen unternommen. ({1}) Der Bund wird 2017 zusätzlich 5 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur einsetzen. Hinzu kommt eine weitere Entlastung von Kommunen und Ländern. Damit unterstützen wir sie, ihren Aufgaben bei Krippen, Kitas, Schulen und Hochschulen besser nachzukommen. Dafür werden bis zum Jahr 2017 rund 10 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt. Finanzhilfen des Bundes in Höhe von 3,5 Milliarden Euro sollen gezielt finanzschwachen Kommunen zugutekommen. Das ist ein weiterer dicker Punkt, den wir hier auch ansprechen sollten. Weitere 10 Milliarden Euro sind für den Zeitraum 2016 bis 2018 vorgesehen, um öffentliche Zukunftsinvestitionen anzustoßen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bundeswirtschaftsministerium setzt sich dafür ein, dass neben der Förderung der Energieeffizienz und der Verkehrsinfrastruktur auch Mittel zum Anstoß kommunaler Investitionen eingesetzt werden. Zudem investiert die Bundesregierung zusätzlich 3 Milliarden Euro im Bereich Forschung und Entwicklung. Die vom Bundesministerium und insbesondere von Bundesminister Sigmar Gabriel eingesetzte hochrangige Expertenkommission aus Wissenschaft und Praxis hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, wie die Investitionsdynamik in Deutschland im öffentlichen und privaten Bereich weiter gefördert werden kann. Diese Vorschläge sind auch vom IWF in seiner Deutschland-Prüfung gewürdigt worden. Wir werden diese Vorschläge innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern und Gemeinden genau analysieren und, wo machbar und konsensfähig, an der konkreten Umsetzung arbeiten. Dazu gehören zum Beispiel auch gründer- und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Hierzu zählen nicht zuletzt die steuerlichen Rahmenbedingungen. Zu wachstumsfreundlichen Rahmenbedingungen gehört aber auch die erfolgreiche Energiewende, über die wir uns heute schon in verschiedenen Facetten in der Fragestunde auseinandergesetzt haben. Die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz ist dabei ein wichtiger Schritt. Nun steht das nächste Großprojekt dieser Energiewende an. Neben der Energieeffizienz geht es auch um die Frage des zukünftigen Strommarktdesigns. Darüber hinaus werden wir auch mit dem Bündnis „Zukunft der Industrie“ und der Digitalen Agenda einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit leisten. Ich glaube, das ist ebenfalls ausgezeichnet und unterstützenswert. Denn wenn wir von guten Voraussetzungen für Wohlstand, Wachstum, Innovationen und zukunftssichere Arbeitsplätze sprechen, meint das die Industrie und auch den gesellschaftlichen Dialog mit den Menschen, die die Zukunft unseres Landes sichern. Meine Damen und Herren, arbeiten wir weiter daran! Herzlichen Dank. ({2})

Ulla Schmidt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002019

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Klaus Ernst, Fraktion Die Linke. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Zum Jubeln gibt dieser Bericht der Koalition keinen großen Anlass. ({0}) - Ich weiß nicht, was ihr habt. Nehmen wir doch gleich den ersten Punkt. In den Medien ist zu lesen: IWF fordert von Berlin höhere Investitionen. - Das zeigt doch offensichtlich, dass die Investitionen der Bundesregierung nach Meinung des IWF nicht ausreichen. ({1}) Sie ziehen den IWF heran, um zu sagen: Wir sind so gut! - Wissen Sie: Dem Unterbewusstsein ist es egal, wer einem auf die Schulter klopft, Kollege Straubinger. Das ist ein bisschen das Problem dieser Regierung. ({2}) Meine Damen und Herren, in diesem Bericht heißt es auf Seite 2 - ich möchte das zitieren -: Der Privatverbrauch, untermauert durch einen starken Anstieg des real verfügbaren Einkommens, wird vermutlich den größten Beitrag zum Wachstum leisten … Das ist immer unsere Position gewesen. Unsere! ({3}) - Nein, nein, nein. - Die Realität ist: Das Bruttoinlandsprodukt ist von 2000 bis 2014 real um fast 16 Prozent gewachsen, die realen Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten sind im selben Zeitraum aber um 1,4 Prozent gesunken. ({4}) Sie können doch nicht sagen, dass das eine gesunde Entwicklung ist. Da könnt ihr lachen, so viel ihr wollt. Wenn jetzt selbst der IWF schreibt, dass der private Verbrauch offensichtlich ein Schlüssel ist, müssen Sie sich einmal an die eigene Nase fassen und sich selbst fragen: Was haben wir in der letzten Zeit eigentlich für eine Politik betrieben - diese Frage müssen sich übrigens auch die Sozialdemokraten angesichts ihrer Agendapolitik stellen -, dass sich die Löhne in diesem Land so entwickelt haben, wie sie sich entwickelt haben? ({5}) Nächster Punkt. In diesem Bericht heißt es auch: Unseren Prognosen zufolge wird der Überschuss - der Leistungsbilanzüberschuss dieses Jahres mehr als 8 Prozent des BIP betragen … Finden Sie das wirklich gut? Finden Sie das klasse? Selbst die Europäische Kommission sagt: Alles, was über 6 Prozent ist, ist ein Problem. - Der IWF bescheinigt der Bundesregierung eine Politik, die im Ergebnis dazu führt, dass andere Länder wegen unserer Leistungsbilanz Schaden nehmen. Das ist ein Problem. ({6}) Das, was Sie hier machen, ist die größte Form der Ignoranz: Sie ignorieren einfach, was in diesen Berichten steht. Aber sich dann noch hinzustellen, eine Aktuelle Stunde zu machen und zu sagen: „Jubel, Jubel, wie klasse wir sind“ - das ist wirklich eine hervorragende Leistung! ({7}) In diesem Bericht heißt es auch - Zitat -: Gleichwohl gibt der anhaltend große Leistungsbilanzüberschuss auch Anlass zur Sorge, insbesondere angesichts der aktuellen Nachfrage in den Industrieländern, die trotz ultra-expansiver Geldpolitik schwach ist. Sie müssen doch selbst merken, dass das kein Lob ist. ({8}) In diesem Bericht heißt es weiter: Die Aussicht auf eine sinkende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter drückt künftiges Wachstum nach unten. Deshalb müssen die Hemmnisse für Frauen, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, abgebaut werden. ({9}) Weiter heißt es: Darüber hinaus könnte die Versorgung mit zusätzlichen und besseren Betreuungsangeboten für Kleinund Schulkinder die Entscheidungen berufstätiger Eltern erleichtern. Und ihr macht eine Herdprämie! Das ist doch das klassische Gegenteil von dem, was der IWF euch vorschlägt. ({10}) Und jetzt sitzt ihr hier in der ersten Reihe und macht euch über das, was wir sagen, lustig. Interessant! ({11}) Das muss man erst mal hinkriegen. Jetzt kommen wir zur Steigerung der öffentlichen Investitionen. Ich höre immer, wie toll die Bundesregierung ist. Wir haben die schwarze Null. - Seid mir nicht böse, aber langsam habe ich den Eindruck, die meisten schwarzen Nullen sitzen in dieser Bundesregierung. ({12}) Nicht nur Die Welt, sondern auch der IWF stellt fest: Es würde auch die kurz- bis mittelfristige Binnennachfrage stützen, den aktuellen Leistungsbilanzüberschuss abbauen helfen und positive Übertragungswirkungen im übrigen Euroraum erzeugen … hier sind größere Anstrengungen gefragt. Diese Ausgaben wären unter dem bestehenden fiskalischen Regelwerk möglich. Der IWF plädiert also, so steht es auch in der Welt, für mehr Investitionen, mehr, als Sie machen. ({13}) - Ja, noch mehr. - Es zeugt wirklich von Ignoranz gegenüber dem Bericht, den Sie hier zur Debatte stellen, wenn Sie ihn als großes Lob für die Bundesregierung begreifen. Ich würde lieber meine Hausaufgaben machen, bevor ich solche Berichte als Lob verstehe und hier zur Debatte stelle. Danke fürs Zuhören. ({14})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Axel Knoerig. ({0})

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mir vorweg eine kurze Anmerkung zum Bahnstreik erlauben: Dieser erneute Streik verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten und vor allem emotionale Belastungen bei den betroffenen Fahrgästen. Das ist aber nicht nur allein der GDL anzulasten, sondern auch dem Vorstand der Deutschen Bahn. ({0}) Der Reiseverkehr wird voraussichtlich auch während des Pfingstfestes betroffen sein. Man kann wirklich nur hoffen, dass bald eine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt wird. ({1}) Aber nun zum eigentlichen Thema, das wir heute haben: die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Das lässt sich am besten mit Zahlen bemessen. Die Zahlen belegen eindeutig die Erfolge unserer Wirtschaftspolitik. Das Bruttoinlandsprodukt wird laut der Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums um weitere 1,8 Prozent zunehmen. Für 2016 erwarten wir einen neuen Beschäftigungsrekord mit über 43 Millionen Personen. ({2}) Deswegen ist es jetzt folgerichtig, zu fragen: Was ist jetzt zu tun, um diese positive Entwicklung auch in Zukunft fortzusetzen? Wir müssen uns von dem Gedanken leiten lassen, dass die entscheidenden Ressourcen unseres Landes nicht mehr ausschließlich Bodenschätze, Kapital oder Personal sind. Die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind Daten. Wir haben bereits vielfältige Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten. Einmal haben wir mit der Digitalen Agenda neue Leitlinien in der Wirtschafts- und Innovationspolitik festgelegt. ({3}) Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben wir mit der Hightech-Strategie dazu beigetragen, dass unsere Leitbranchen im internationalen Wettbewerb an der Spitze bleiben. Wir haben über die Jahre hinweg den Etat für Bildung und Forschung verdoppelt, um dadurch insbesondere eine Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland herbeizuführen. Doch nun gilt es, den digitalen Wandel in unserer Wirtschaft voranzutreiben; denn dieser Wandel muss in sämtlichen Bereichen von Industrie, Handel und Dienstleistungen umgesetzt werden, und das sofort. Nur so schaffen wir die Grundlagen, um im Internetzeitalter international wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist wichtig, dass neben den großen Konzernen vor allem die kleineren, mittelständischen IT-Firmen in Deutschland das annehmen. Das haben die auch sehr wohl verstanden; denn sie decken mittlerweile rund 50 Prozent des europäischen Marktes ab. Gerade im ITBereich ist der Zugang zu internationalen Märkten besonders wichtig. Dazu brauchen wir Freihandelsabkommen - davon haben wir über 130 an der Zahl -, und dabei ist auch das TTIP-Abkommen mit den Amerikanern zu nennen. Gerade unser Mittelstand als größter Arbeitgeber in Deutschland kann von TTIP erheblich profitieren. ({4}) In der Digitalwirtschaft gibt es hierzulande über 90 000 Unternehmen, die mittlerweile Millionen Erwerbstätige beschäftigen und jährlich über 15 Milliarden Euro investieren. Aber nicht nur dieser Bereich, sondern auch die anderen Mittelständler und vor allem das Handwerk müssen stärker an elektronische Geschäftsprozesse herangeführt werden; denn im Gegensatz zu Großunternehmen verfügen diese kaum über IT-Personal oder ein Budget für externe Dienstleister. Deshalb ist das Programm „Mittelstand Digital“, das das Bundeswirtschaftsministerium aufgelegt hat, sehr wichtig, um die digitale Kompetenz in kleineren Betrieben zu fördern. Für die Kompetenz unserer Fachkräfte ist maßgeblich, dass die berufliche und die akademische Bildung gestärkt werden, und das sehr wohl in gleichem Maße. Wir brauchen keinen „Akademisierungswahn“, sondern eine Aufwertung der beruflichen Bildung, also: „Berufsschule 4.0“. ({5}) In kleineren Betrieben unterstützen wir deshalb auch Forschung und Innovation. Da gibt es das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“, kurz ZIM genannt. Ich kann einmal an einem Beispiel die Wirkung dieses Programms kurz darstellen. Bei mir im Wahlkreis Diepholz - Nienburg sind mittlerweile über 50 kleine mittelständische Unternehmen mit 5,6 Millionen Euro gefördert worden. Wenn man das bundesweit hochrechnet, wurde dieser Etat mittlerweile auf 780 Millionen Euro aufgestockt. Diese ZIM-Projekte tun der heimischen Wirtschaft außerordentlich gut. Grundvoraussetzung für die Digitalisierung ist aber auch, dass der Ausbau des Breitbandnetzes gelingt. ({6}) Auch hier gilt, dass die Kommunen überall - das sage ich insbesondere als Vertreter des ländlichen Raumes an das schnelle Internet angebunden werden müssen. ({7}) Hier strebt ja die Bundesregierung eine flächendeckende Versorgung bis 2018 mit mindestens 50 Mbit/s an. Aber gerade weil wir die Technikabfolgen kennen, frage ich, ob wir da nicht immer schneller werden müssen. Und wir müssen uns selbstkritisch fragen: Reichen diese Vorgaben und die veranschlagten Mittel überhaupt aus, und können wir uns dafür wirklich weitere drei Jahre Zeit lassen? Aber ganz wichtig ist auch - um das europäisch zu formulieren -: Wir brauchen einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt im Digitalbereich, und es muss uns bis 2016 gelingen, dass diese 28 nationalen Märkte entsprechend zusammengeführt werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Kerstin Andreae.

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zurzeit wirklich große Probleme und über viele Sachen zu diskutieren. Wir hätten zum Beispiel gern über die Kohleabgabe gesprochen, wir hätten gern über die NSA gesprochen und, und, und. ({0}) Jetzt haben wir eine Aktuelle Stunde über eine Art Zeugnis, das wir unterschiedlich interpretieren. Das erinnert mich an die Sache mit den Gummibärchen. Das kennen Sie bestimmt, wenn Sie Kinder haben. Wenn Sie Ihren Kindern sagen: „Räumt einmal das Zimmer auf“, dann hören die gar nichts. Wenn Sie sagen: „Es gibt Gummibärchen“, dann stehen sie sofort bei Fuß. Denn man hört nur das, was man hören will. ({1}) Sie machen das Gleiche bei diesem IWF-Bericht. Sie hören: Deutschland hat eine gute wirtschaftliche Lage. ({2}) Aber das ist nicht das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik. ({3}) Vielmehr ist es das Ergebnis des Dauerdopings von Niedrigzinsen. Das ist das Ergebnis eines niedrigen Ölpreises, und das ist das Ergebnis eines schwachen EuroKurses. ({4}) Das würden Sie wissen, wenn Sie den IWF-Bericht einmal zu Ende gelesen hätten. Denn dort steht auch, dass Sie bei den öffentlichen Investitionen viel zu wenig machen. Wir haben zwischen 2015 und 2019 zusätzliche Steuereinnahmen von 160 Milliarden Euro. ({5}) - Nein, nein, wegen Niedrigzinsen und niedrigem Ölpreis. Das können Sie alles genau nachlesen. ({6}) Sie machen ein Investitionspaket mit zusätzlichen Investitionen im öffentlichen Bereich in Höhe von gerade einmal 10 Milliarden Euro über die kommenden drei Jahre. Das ist zu wenig. Das hat Ihnen der IWF konstatiert. Er hat Ihnen gesagt: Um als Lokomotive in Europa voranzugehen, ({7}) um wirtschaftliche Perspektive in Europa zu erreichen, müsst ihr investieren und mehr investieren. Das ist die Aufforderung des IWF an die Bundesregierung, und wir teilen diese Aufforderung. ({8}) Sie hören auch nicht, dass gesagt wird: Die Rahmenbedingungen für private Investitionen stimmen nicht mehr. Wo ist denn die wirtschaftspolitische Agenda dieser Bundesregierung? Wo wollen wir denn in zehn Jahren stehen? Nehmen wir einmal die Energiewende: Es ist doch nicht so, dass die Industrie Arbeitsplätze aus Europa verlagert oder Industrien und Fabriken abzieht, weil sie sagt, dass der Industriestrom anderswo so billig ist. Das ist Quatsch. Das macht sie, weil sie überhaupt nicht weiß, wie die Energiewende hier eigentlich weitergeht. Es gibt einen mäandernden bayerischen Ministerpräsidenten, der bei der Trassenführung querschießt. Niemand weiß, wie eigentlich die Rahmenbedingungen für die Energiewende in der Zukunft sind. Das ist doch das Problem. ({9}) Wie wird Deutschland digitale Souveränität zurückerlangen? Wir reden immer über Breitbandausbau. Das ist notwendig. Da machen Sie etwas, da macht die Industrie etwas, da muss mehr geschehen. Der ländliche Raum muss angebunden werden etc. Aber wir verlieren digitale Souveränität. Die anderen Länder hängen uns ab bei der Frage, wie es weitergeht mit der Implementierung von digitalem Know-how, mit Industrie 4.0, mit dem Mittelstand, der hier Antworten braucht, mit der Verzahnung von Digitalisierung und Produktion. Da werden wir abgehängt. Das ist digitale Souveränität. Wir fordern in diesem Bereich mehr private Investitionen und Förderung. Schließlich gibt es ein Fachkräfteproblem. Wir haben ein gigantisches Fachkräfteproblem. Dazu kommt die Situation, dass wir älter werden und dass wir weniger werden. Das heißt, wir brauchen Zuwanderung. Wir brauchen Qualifizierung. Die Ressourcen, die da sind, müssen wir schöpfen. Heute bildet noch jedes fünfte Unternehmen aus. 250 000 Jugendliche sind ohne Ausbildungsplatz. Das sind die Probleme, die wir angehen müssen, wenn wir die Investitionsbedingungen bzw. die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern wollen. Sie sagen: Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland ist gut. Ich sage Ihnen: Sie stehen auf Treibsand. Ja, die wirtschaftliche Lage ist gut. Aber der Boden, auf dem wir uns bewegen, ist dünn. Es fehlen viele Initiativen, die Sicherheit geben, die Planungssicherheit geben, die den Rahmen für Investitionen im öffentlichen Bereich und im privaten Bereich sichern. Nach wie vor fehlen die Punkte zu Innovationen und zur steuerlichen Forschungsförderung. Das schreibt Ihnen nicht nur der IWF, sondern im Übrigen auch die Fratzscher-Kommission. Fangen Sie an, Innovationen von kleinen und mittelständischen Unternehmen jenseits des ZIM zu fördern! Fangen Sie an, Kreativität herauszuholen! ({10}) Das sind die Rahmenbedingungen, die wir brauchen. Der Schlüssel für den Wirtschaftsstandort Deutschland liegt in Investitionen und Innovationen. Wir haben die Potenziale, und wir haben die kreativen Köpfe. Wir haben die besondere Situation, dass wir derzeit auch genügend Mittel haben. Setzen Sie diese Mittel klug ein! Machen Sie eine kluge und zukunftsgewandte Haushaltspolitik und nicht Rentenpakete, die zu Fachkräftemangel führen. Machen Sie eine zukunftsgewandte Politik, die die Ökologie in den Schwerpunkt rückt und wirksame Anreize setzt, damit die Unternehmen investieren und gute Arbeitsplätze schaffen! Damit schaffen Sie ein Fundament für Wettbewerbsfähigkeit. Vielen Dank. ({11})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Aktuelle Stunde wird fortgesetzt durch den Kollegen Ingbert Liebing von der CDU/CSU. ({0})

Ingbert Liebing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003801, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass wir heute eine solche Debatte führen könnten. Wer hätte 2010 auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise geglaubt, dass wir heute über negative Auswirkungen des Außenhandelsbilanzüberschusses, über einen hohen Beschäftigungsgrad und über einen ausgeglichenen Haushalt sprechen könnten. Davon hätte vor fünf Jahren niemand träumen mögen. Wenn uns der IWF heute bescheinigt, dass wir gute Ergebnisse erzielt haben, und wir gute Perspektiven aus diesem Bericht herauslesen können, dann ist dies erst einmal auch ein Grund zur Freude. Ich kann nur diejenigen bedauern, die im Zweifelsfall jedes Papier nur nach einer negativen Botschaft durchkämmen. Als ob wir uns in Deutschland nicht auch einmal über gute Nachrichten und über eine gute Situation freuen könnten. ({0}) Das möchte ich ausdrücklich vorwegschicken, und zwar insbesondere im Vergleich zu dem, was wir in den vergangenen fünf Jahren durchgemacht haben. Diese Freude ist vor allem gut für die Menschen in unserem Land, für die Menschen, die vor Jahren noch arbeitslos waren und jetzt in Lohn und Brot stehen. Das ist gut für die Arbeitnehmer, die inzwischen auch wieder reale Einkommenszuwächse erzielen können. Es ist auch für die nächste Generation gut, dass wir seit dem vergangenen Jahr wieder ausgeglichene Bundeshaushalte beschließen und damit der nächsten Generation keine zusätzlichen Schulden hinterlassen. ({1}) Diese Situation und diese guten Nachrichten fallen aber nicht vom Himmel. Sie sind sicherlich, Frau Andreae, auch Ergebnis von externen Faktoren, die Sie genannt haben, wie einem niedrigen Ölpreis und dem Wechselkurs des Euro. Sie sind aber auch Ergebnis kluger Politik, die wir hier in der Koalition seit Jahren betreiben. Denn wir haben umgesteuert. Wir haben die Ergebnisse guter Konjunktur und Steuermehreinnahmen klug für eine Kurskorrektur genutzt. Wir haben trotz steigender Einnahmen die Ausgaben konstant gehalten. Das wiederum hat Luft geschaffen, umzusteuern, hin zu den Investitionen, die der IWF zu Recht einfordert. Wir tun dies, indem wir jetzt mit dem Nachtragshaushalt und dem Investitionspaket für die Kommunen - Staatssekretär Beckmeyer hat dies bereits erläutert - den Schwerpunkt bei den Investitionen setzen. Nichts ist für den wirtschaftlichen Erfolg so wichtig wie die öffentlichen Investitionen. Wir müssen unsere Infrastruktur in Ordnung bringen. Das Thema Breitband ist angesprochen worden. Es ist gut, dass mit zusätzlichen 1,1 Milliarden Euro endlich auch auf Bundesebene eine nennenswerte Größenordnung für die Breitbandförderung zur Verfügung steht. Wenn wir über 3 Milliarden Euro in die Infrastruktur geben, davon allein fast 2 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur, dann sind das ebenfalls wichtige Beiträge, die wir morgen beschließen werden. Investitionen hängen aber nicht nur vom Geld ab. Wir können nur dann investieren, wenn wir auch fertige, baureife Projekte haben. Wir müssen aber feststellen, dass wir hier in Deutschland Defizite haben. Ich möchte ausdrücklich die Situation in meinem Heimatbundesland Schleswig-Holstein ansprechen. Wir könnten noch einmal 3 Milliarden Euro zusätzlich für Investitionen in Straßen zur Verfügung stellen: In Schleswig-Holstein kann aber nicht ein einziges neues Projekt begonnen werden, weil es keine Baureife gibt. Aber dafür tragen die jeweiligen Landesregierungen über ihre Straßenbauverwaltungen die Verantwortung. ({2}) Wir haben nicht ein einziges baureifes Projekt. Von diesen Milliarden wird nichts ins Land Schleswig-Holstein hineinfließen - bestenfalls für eine Lärmschutzwand. Deswegen müssen wir Bund, Länder und Kommunen zusammen betrachten. Da ist es schon ein Armutszeugnis, wenn einzelne Bundesländer bei den Investitionen nicht Schritt halten. Wir tun dies auf Bundesebene. Bayern hat eine Investitionsquote von über 12 Prozent, während wir in Schleswig-Holstein bei gerade einmal 7 Prozent herumkrebsen und im nächsten Jahr unter 7 Prozent rutschen werden. ({3}) Da besteht Nachholbedarf, und deswegen müssen wir dies als eine Einheit betrachten. Wir helfen auf Bundesebene auch den Kommunen, gerade denen, die unter Investitionsschwäche leiden. Mit 3,5 Milliarden Euro legen wir auf die finanzschwächeren Kommunen einen zusätzlichen Schwerpunkt. Deswegen müssen wir den Gesamtzusammenhang bei den Investitionen sehen. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Wir tun dies auf Bundesebene, die Länder müssen dies ebenfalls tun. Wir helfen den Kommunen. Insgesamt steht Deutschland gut da, aber es gibt immer noch Aufgaben, an denen wir zu arbeiten haben. Wir haben keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, sondern müssen diese gute Situation nutzen, um Vorsorge für schwierigere Zeiten zu treffen. Dies tun wir mit kluger Politik in der Koalition. Vielen Dank. ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Alexander Ulrich das Wort. ({0})

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch nach dem fünften Redner erschließt sich uns immer noch nicht, was diese heutige Aktuelle Stunde eigentlich soll. ({0}) Wir hätten über so viele Themen reden können, aber was diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen heute machen, ist nichts anderes als Selbstbeweihräucherung. Wenn ich die Reden höre, wie gut es uns in Deutschland geht, und sehe, dass man sich gegenseitig auf die Schultern klopft, offensichtlich aber ganz außer Acht lässt, zu welcher sozialen Spaltung Ihre Politik in den letzten Jahren beigetragen hat, dann kommt mir das so vor, als ob Sie wirklich nur noch im Interesse der deutschen Wirtschaft handeln, aber nicht mehr im Interesse der Menschen in diesem Land. ({1}) Generell sollte man sich die Frage stellen, ob man überhaupt auf den IWF so großen Wert legen sollte. ({2}) Wir wissen, dass der IWF dazu beiträgt, eine neoliberale Politik auf der ganzen Welt und als Mitglied der Troika auch in Europa umzusetzen. Wir wissen, was er in Portugal, Spanien und auch in Griechenland angerichtet hat. Wenn eine neoliberale Organisation eine neoliberale Politik lobt, dann sollte man sich einen solchen Bericht zweimal durchlesen. ({3}) Ja, Deutschland ist exportstark, Deutschland ist wettbewerbsfähig. Aber warum ist das denn so? Grundlage für diese wirtschaftliche Stärke war doch über 15 Jahre Lohndumping auf hohem Niveau. Lohndumping in Deutschland ist die Grundlage für wirtschaftliche Stärke. Wir sagen: Ein Land ist nur dann erfolgreich, wenn wirtschaftliche Stärke mit sozialem Fortschritt einhergeht. Leider ist sozialer Fortschritt in diesem Land unter Ihrer Regierung nicht mehr möglich. ({4}) Bitte beschäftigen Sie sich nicht nur mit dem IWF, sondern schauen Sie sich an, was zum Beispiel der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt. ({5}) - Ja, der beschreibt genau die Auswirkungen auf die Menschen in diesem Land. ({6}) Wir haben zum Beispiel die Situation, dass Armut gravierend zunimmt. Immer mehr Menschen in diesem Land sind armutsgefährdet oder arm. Immer mehr Menschen in diesem Land können von ihren Löhnen nicht mehr leben. Immer mehr Menschen haben überhaupt keinen Fortschritt mehr durch Lohnsteigerungen, weil sie aus der Tarifbindung herausfallen. Alles das ist die Folge einer Politik, die mit der Agenda 2010 und Hartz IV einen deutlichen Schub bekommen hat. Darauf können wir in diesem Land wirklich nicht stolz sein. ({7}) Dann behaupten Sie immer wieder aufs Neue, wir hätten eine Rekordbeschäftigung. ({8}) Schauen wir uns die Arbeitsstunden in diesem Land an, dann stellen wir fest, dass sich die Zahl der Arbeitsstunden in den letzten 13 Jahren überhaupt nicht erhöht hat. ({9}) Es gibt vielleicht mehr Köpfe, die in Arbeit sind - aber zu welchen Bedingungen? Wir haben Vollzeiterwerbstätigkeit abgebaut und haben immer mehr prekäre Beschäftigung. Jeder vierte Beschäftigte in diesem Land arbeitet prekär. Das muss verändert werden. Nur dann haben auch die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land etwas von diesem wirtschaftlichen Fortschritt. ({10}) Es sind mittlerweile im Prinzip 4,5 Millionen Bad Jobs seit 2000 entstanden. 1,7 Millionen Vollzeitstellen, von denen man leben konnte, sind vernichtet worden, weil jetzt die Menschen mit zwei oder drei Jobs versuchen müssen, durch den Monat zu kommen. Das ist die Auswirkung Ihrer Wirtschaftspolitik. ({11}) Der IWF sagt Ihnen ganz deutlich, dass das, was Sie tun, auch auf Kosten unserer Nachbarländer geht. Noch einmal: Deutschland ist Mitverursacher der Euro-Krise. ({12}) Die riesigen Außenhandelsüberschüsse sind Mitverursacher der Euro-Krise gewesen. Wenn Sie immer noch glauben, man könnte immer mehr Produkte und Dienstleistungen verkaufen, als man selbst braucht, und die anderen Länder sollten sich immer weiter verschulden, um das zu finanzieren, dann muss ich Ihnen sagen: Wir arbeiten auf Kosten der anderen Länder. Wenn Deutschland ein Interesse daran hat, dass die Euro-Zone beruhigt wird, dann muss es seine Außenhandelsüberschüsse drastisch abbauen. ({13}) Zum vierten oder fünften Mal in Folge bewegen sie sich außerhalb der Richtlinien der EU-Kommission. Die EUKommission hat noch einmal gesagt, Sie müssten die Außenhandelsüberschüsse abbauen. Aber Sie ignorieren alle Hinweise, auch die aus Brüssel. ({14}) Insofern ist Ihre Wirtschaftspolitik alles andere als glanzvoll. Die Menschen in diesem Land merken auch, dass sie von diesem scheinbaren Wirtschaftswachstum nichts mehr haben. Was wir endlich bräuchten, ist ein Ende der Agenda-2010- und der Hartz-IV-Politik. ({15}) Was wir endlich bräuchten, wäre ein Mindestlohn von mindestens 10 Euro pro Stunde, von dem man tatsächlich leben kann. ({16}) Wir bräuchten viel mehr Investitionen. Allein das Aussetzen der von uns ja abgelehnten Schuldenbremse würde Ihnen die Möglichkeit geben, pro Jahr bis zu 18 Milliarden Euro mehr zu investieren. Sie fahren mit Ihrer Schwarze-Null-Politik das Land auf Verschleiß. Fragen Sie die Länder, fragen Sie die Kommunen, wie viel Geld notwendig wäre, um wenigstens das Notwendigste instand zu halten! Sie lassen die Länder und die Kommunen im Stich, weil Sie im Prinzip an dieser schwarzen Null festhalten. Was wir auch bräuchten, ist die Beendigung einer Politik, die noch mehr auf Sozialabbau setzt. Deshalb sagen wir als Linke: Die Bundesregierung ist dringend aufgefordert, die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA abzubrechen. ({17}) Ihre heutige Beweihräucherung geht leider an den Interessen der Menschen vorbei. Dass so viele Menschen im Land auf der Straße sind und zurzeit auch streiken, ist auch ein Ausdruck dessen, dass sie mit diesen Verhältnissen nicht mehr einverstanden sind. Wir freuen uns über den Streik der Lokführer. Sie haben unsere Unterstützung genauso wie die Erzieherinnen in den Kindergärten. Vielen Dank. ({18})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Matthias Ilgen hat jetzt das Wort für die SPD. ({0})

Matthias Ilgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004310, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, der „Weltwirtschaftsausblick“ - so lautet die Übersetzung ins Deutsche des vom IWF gebrauchten Wortes zeigt vor allem eines, nämlich dass die Befürchtungen der Opposition in diesem Hause unberechtigt sind. Ich habe das alles vom letzten Jahr noch im Ohr. Ich zitiere einmal Frau Wagenknecht: Die hartnäckigen, starrköpfigen Konservativen und die rückgratlosen, wirrköpfigen Politiker der gemäßigten Linken - damit müssen wohl wir gemeint gewesen sein; so hat sie das untermauert würden Deutschland auf den Weg in den Abschwung führen. - Wenn ich mir die Ergebnisse unserer Politik anschaue, kann ich nur das Gegenteil feststellen: Wir haben in diesem und im nächsten Jahr in dieser Republik einen stabilen Wirtschaftsaufschwung. ({0}) Meine Damen und Herren von der Linkspartei, Sie sollten sich wirklich einmal um Ihre Schwesterpartei in Griechenland kümmern, bevor Sie hier solche Reden halten. ({1}) Sie ist nämlich mit der Politik, die Sie uns hier gerade vorgeschlagen haben, auf dem besten Weg, Griechenland aus der Euro-Zone zu katapultieren. Nehmen Sie das zur Kenntnis, und kümmern Sie sich um sie! ({2}) - Wie auch immer. Auch wir in Deutschland müssen natürlich aus der Analyse des IWF - sie enthält ja einige Punkte, die nachdenkenswert sind - Konsequenzen für unsere eigene Wirtschaftspolitik ziehen. Ich möchte heute auf zwei Bereiche eingehen: Zum einen ist die Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionen, genau wie es schon Herr Beckmeyer für die Bundesregierung beschrieben hat, einer der wichtigen Punkte in den kommenden Jahren. Der zweite Bereich ist der Ausbau unserer mittelfristigen Wachstumspotenziale; denn ohne die wird es mittel- und vor allem langfristig nicht gehen. Zur Stärkung der Investitionen tragen zuallererst unser ausgeglichener Bundeshaushalt und vor allem ein ausgeglichener gesamtstaatlicher Haushalt bei; denn das ist - Euro-Krise hin, Euro-Krise her; Zentralbank hin, Zentralbank her - die Grundvoraussetzung für ein langfristig niedriges Zinsniveau, wie wir es in Deutschland haben. ({3}) Dies wirkt sich bekanntermaßen - um das festzustellen, muss man kein Volkswirt sein - auch auf das Investitionsklima positiv aus. Nach der erfolgreichen Reform des EEG, die wir im letzten Jahr gemeinsam durchgeführt haben, konzipieren wir nun auch ein neues Strommarktdesign, das die Energiewende mit unseren energiepolitischen Zielen - bezahlbare Energiepreise, Versorgungssicherheit und Klimaschutz - zusammenbringt. In diesem Bereich sind nämlich verlässliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen unverzichtbar. Wir brauchen diese Planungssicherheit in Deutschland. Dies bleibt wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe, die wir in diesem Jahr zu lösen haben. Bei den öffentlichen Investitionen - das hat Herr Beckmeyer alles angesprochen - legen wir ordentlich nach. Hier geht es uns als Sozialdemokraten vor allem darum, noch einmal zu erwähnen, dass das 5-MilliardenEuro-Paket für die Kommunen das größte ist, das wir in diesem Bundestag in den letzten zehn Jahren beschlossen haben. Deswegen ist und bleibt es richtig. ({4}) Wir werden mittelfristig, was Investitionen angeht, auch mehr im Bildungsbereich tun müssen. Da gibt es einen ersten Ansatz. Einer der Schwerpunkte - neben Klimaschutz und Infrastruktur - ist die Bildung, ist die Frage: Wie schaffen wir einen stärkeren Ausbau von Kitas, Schulen und Hochschulen? Wenn wir das Ziel „10 Prozent am Bruttoinlandsprodukt“ halten wollen, werden wir hier in den nächsten Jahren nachlegen müssen. Der zweite Punkt. Wenn wir darüber sprechen, wie unsere Wachstumspotenziale mittelfristig sind, ist es interessant, sich im IWF-Bericht einmal anzugucken: Was tun andere Länder? Es gibt ein weltwirtschaftliches Wachstum von 3,5 Prozent oder 4 Prozent in den kommenden Jahren, während das Wachstum in Deutschland laut IWF - wir haben es gehört - bei 1,8 Prozent bis 2 Prozent liegt. Warum eigentlich? Das Wachstum in Europa liegt darunter; da ist Deutschland verhältnismäßig gut. Einer der Gründe dafür, dass das Wachstum in den USA am oberen Ende dieser Skala liegt, ist, dass die USA eine Einwanderungsgesellschaft sind, eine Gesellschaft, die einen Bevölkerungszuwachs hat. Alle Länder, die einen Bevölkerungszuwachs haben - das sind natürlich vor allem die Schwellenländer und die Entwicklungsländer -, haben einen Drive in ihrer ökonomischen Entwicklung. Wir in Deutschland haben - das wissen wir - eine verhältnismäßig niedrige Geburtenrate, die wir auch mit aller guten Familienpolitik, die wir hier gemeinsam im Hause machen, nicht von heute auf morgen werden erhöhen können. Wir müssen auch auf Zuwanderung setzen; wir jedenfalls tun das. ({5}) - Die Sozialdemokraten klatschen. Um ein Einwanderungsland zu werden, das die Herausforderungen der Integration schultert, brauchen wir in Deutschland einen stärkeren Bewusstseinswandel, nicht nur bei den Kollegen der Union, sondern ein Stück weit bei uns allen, glaube ich. Neben einer Willkommenskultur geht es auch darum, die Einwanderer, die zu uns kommen, insbesondere Flüchtlinge aus Krisenstaaten, schnellstmöglich an Bildung heranzuführen sowie für eine Integration in den Arbeitsmarkt und für ein vernünftiges Wohnumfeld zu sorgen. Wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen die Zukunftschancen ergreifen, die in den Talenten stecken, die diese Menschen mitbringen. Wir wollen diese Menschen in den nächsten Jahren noch stärker in unseren Wirtschafts- und Arbeitsprozess einbeziehen, um die Defizite - der Fachkräftemangel ist in diesem Hause mehrfach angesprochen worden - ausgleichen zu können. Vielen Dank. ({6})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Dieter Janecek spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition! Mir ist ein bisschen schleierhaft, was Sie hier machen. Sie feiern ziemlich leidenschaftslos die gute wirtschaftliche Lage; über die freue ich mich auch ausdrücklich. Herr Liebing, ich finde es super, dass es uns steuerlich gut geht und dass es der Wirtschaft gut geht. Aber was haben Sie damit zu tun? Das haben Sie uns in Ihrer Rede nicht erklären können. ({0}) Ich sage es Ihnen einmal ganz konkret: Was Sie bisher getan haben, ist, in Ihrer Reformpolitik - so nennen Sie sie - den künftigen Generationen neue Lasten aufzubürden: Rente mit 63, Mütterrente, Einknicken gegenüber der Kohlelobby jetzt jüngst und Ausbremsen der Energiewende. ({1}) Das ist Ihre Politik, die Sie hier als zukunftsgewandt verkaufen wollen. ({2}) Jetzt komme ich speziell zur Union. Bei manchem, was Minister Gabriel - er ist heute nicht da - macht, gehen wir mit, zum Beispiel, wenn er sagt: Bei der Kohleabgabe müssen wir vorangehen; da müssen wir etwas tun. - Da geht er voran. Und was machen Sie? Sie bremsen ihn aus. Sie schaffen es nicht, hier ein zukunftsfähiges Signal zu setzen. - Punkt Nummer eins. ({3}) Punkt Nummer zwei. Energiewende, Trassenausbau in Bayern. ({4}) Herr Straubinger, schauen Sie da einmal hin! Ganz Deutschland lacht über Sie, lacht über diesen Ministerpräsidenten. Sie kriegen es nicht hin, in Bayern eine Energiewende zu organisieren. Sie schaffen die Windkraft ab. Sie schaffen keine Stromleitungen. Sie wollen die Leitungen am besten noch nach Baden-Württemberg verlegen. Sie kriegen überhaupt keine zukunftsfähige Politik hin. ({5}) Sie ducken sich weg. Die Kanzlerin duckt sich weg. Sie hatten die CSU nicht im Griff. Sie mäandert durch die Gegend und boykottiert alles, was an Sinnvollem von der anderen Seite kommt. Wir reden heute über den IWF-Bericht. Es gibt noch einen zweiten Bericht; er ist aus dieser Woche. Den fand ich in Teilen weitaus spannender als den ersten. Der erste hat ein paar Signale gesetzt - auf die will ich auch noch eingehen -, aber der zweite hat eine Grundaussage getroffen. Es wurde ermittelt, wie viele Subventionen weltweit für Energieträger gegeben werden, und man ist auf die Zahl von 5 Billionen Dollar jährlich gekommen. Das ist mehr als die gesamten Gesundheitsausgaben der Welt. Der Anteil am globalen Bruttosozialprodukt ist dramatisch hoch, nämlich 6,5 Prozent. ({6}) In Deutschland sind es 50 Milliarden Euro. Wo sind Ihre Ansätze, an die umweltschädlichen Subventionen heranzugehen und für Zukunftsfähigkeit zu sorgen? Es ist schön, dass wir gute Steuereinnahmen haben. Das wäre aber auch die Gelegenheit, mal eine zukunftsfähige Politik zu machen. Aber das kriegen Sie nicht hin. ({7}) Die energetische Gebäudesanierung ist der nächste Punkt. Ich weiß nicht, was die CSU will. Woher wollen Sie denn Strom bekommen, Herr Straubinger? ({8}) Aus der Steckdose kommt der Strom weiterhin. Aber ohne Trassenausbau gibt es bald keine Kabel mehr, durch die Strom fließen kann. Wenn Sie es nicht schaffen, gegen zwölf Bundesländer im Bundesrat eine gemeinsame Lösung zugunsten der energetischen Gebäudesanierung zu finden, ({9}) dann ist das nichts anderes als Versagen auf der ganzen Linie. Auch hier ducken Sie sich weg. Sie handeln gegen jedwede Vernunft. ({10}) Zukunftsthema Elektromobilität. 1 Million Elektrofahrzeuge wollten wir bis 2020 auf die Straße bringen. Aktuell sind es 20 000. Wenn es gut läuft, dann fahren 2020 rund 100 000 Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen. ({11}) Aber Sie haben hier keinen Zukunftsplan. Wir haben etwas vorgelegt, und Sie haben es abgeschmettert. Sie kommen auch hier nicht voran. Ich kann Ihnen bis heute um Mitternacht einen Strauß aus Zukunftsthemen aufzählen, bei denen nichts geschieht. Da ich nur noch zwei Minuten Redezeit habe, möchte ich folgende Punkte beispielhaft nennen. Ausbau der digitalen Infrastruktur. Wo sind die Zahlen, die das Ausbauziel von 50 MBit unterlegen? Ich kann davon nichts sehen. Sie haben es nicht geschafft, 1 Milliarde Euro im Koalitionsvertrag zu verankern. Ähnliches gilt für die steuerliche Forschungsförderung. Im IWF-Bericht wird ausdrücklich erwähnt, dass wir hier nachlegen müssen. Sie schaffen es außerdem nicht, Hemmnisse für Frauen auf dem Arbeitsmarkt abzubauen. Das ist ein ganz zentraler Punkt im IWF-Bericht. Ich glaube, die SPD würde hier ein Stück weit mit uns mitgehen. Aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, tun das nicht. Sie blockieren. Sie sind auch bei Familienfreundlichkeit und Kinderbetreuung noch immer nicht dort, wo wir sein könnten. Noch ein Punkt. Ich bin Münchner. Vielleicht haben Sie den IWF-Bericht tatsächlich gelesen. Sie beantragen eine Aktuelle Stunde, um sich abzufeiern. Aber wir lesen auch die Berichte, über die wir reden. Das ist vielleicht ein Unterschied. Bei den Preisen für Wohnimmobilien blinken jedenfalls die Warnleuchten auf. In meiner Heimatstadt München sind die Preise in den letzten zwei Jahren um 12 Prozent angestiegen. Die Mietpreisbremse mag ein erster Ansatz sein. Aber wie wollen Sie das weiter gestalten? Was Sie schon zweieinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl machen - NSA, Stromtrassen und viele andere Themen -, erinnert mich stark an die Vorbereitungen auf diese Wahl. Sachpolitik findet nicht mehr statt. Sie haben einen enormen Spielraum. Darüber sollten Sie genauso wie wir glücklich sein. Aber Sie nutzen diesen Spielraum nicht, insbesondere bei einem zentralen Thema nicht, mit dem ich abschließen möchte. Es gibt eine digitale Revolution; das ist gut. Die Mitglieder des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur haben gestern den Bundespräsidenten besucht. Er hat sich gegenüber diesem Thema sehr aufgeschlossen gezeigt. Ich weiß auch, dass im BMWi an entsprechenden Lösungen gearbeitet wird. Aber wo schaffen Sie den Zusammenhang zwischen digitaler Technologie und ökologischer Wirtschaftsweise? Auch dieses Thema verschlafen Sie. All die Zukunftschancen, die wir brauchen, werden nicht genutzt. Sie feiern sich nur ab und verwalten, anstatt zu gestalten. Ich danke Ihnen. ({12})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächster Redner ist der Kollege Jan Metzler, CDU/ CSU. ({0})

Jan Metzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Man muss den Bericht des IWF auf besondere Art und Weise lesen, wenn man seine positiven Punkte nicht herauslesen möchte. Obwohl er ein eindeutig positives Zeugnis ausstellt, handelt es sich nicht um Lobhudelei. Es wird nicht nur auf die positive Bilanz Deutschlands verwiesen, sondern auch darauf, dass Deutschland seine Hausaufgaben gemacht hat. ({0}) Ich zitiere: Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer günstigen Phase des Konjunkturzyklus, die durch starke Bilanzen untermauert und zum Teil durch kurzfristige Faktoren unterstützt wird. Das heißt nichts anderes, als: Erstens. Die deutsche Wirtschaft ist stark und weiter auf Wachstumskurs. Die Bundesregierung hat erst kürzlich die Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 1,8 Prozent angehoben, übrigens deutlich vorsichtiger als einige Wirtschaftsforschungsinstitute. Zweitens. Deutschland ist solide finanziert, mit ausgeglichenem Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung. Das mag man kaputtreden, wie man will, aber das ist eine exzellente Bilanz, die hervorgehoben gehört. ({1}) Drittens. Besonders die andauernde Konsumlaune sorgt für gute Konjunkturstimmung. Laut dem Nürnberger Marktforscher GfK ist die Kauflaune so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Viertens. Speziell der deutsche Arbeitsmarkt wird im Bericht als stark hervorgehoben, und das auch zu Recht. Insofern ist die Ausgangslage mehr als ordentlich. Dazu gehört auch - das mag ich an dieser Stelle überhaupt nicht verschweigen -, dass natürlich Faktoren wie billiges Öl, dauerhaft niedrige Zinsen und ein günstiger Euro-Kurs ihren Anteil dazu beitragen. Aber wer den anderen Teil des Berichts absichtlich verschweigt, der will die positive Bilanz ins Negative verkehren. Das entspricht nicht der Tendenz des gesamten Berichts. ({2}) Ich kann Ihnen im Allgemeinen nur zustimmen: Entscheidend sind jetzt die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Dabei haben wir bereits viel auf den Weg gebracht - Kollege Liebing hat bereits einige Punkte dazu genannt -: 10 Milliarden Euro Investitionspaket, 5 Milliarden Euro Stärkung der Kommunen, besonders der finanzschwächeren, sowie der avisierte Abbau der kalten Progression. Da auch ein Stück weit durchgedrungen ist, dass jenseits des ZIM für kleine und mittelständische Betriebe keine Fördermaßnahmen bereitgestellt werden, möchte ich an den Topf des Bundesforschungsministeriums erinnern, aus dem seit 2008 insgesamt 1 800 Betriebe kleiner und mittelständischer Prägung mit über 750 Millionen Euro gefördert werden. Wer das in diesem Haus verschweigt, der verschweigt auch einen Teil der Gesamtbilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Insgesamt sind wir auf einem guten Kurs. Klar ist dabei: Eine florierende Wirtschaft ist Dreh- und Angelpunkt für den Wohlstand unseres Landes. Dazu gehören eine gute Infrastruktur, gut ausgebaute Verkehrswege, schnelles flächendeckendes Internet und zuverlässige Energie. Erinnern möchte ich jenseits der bereits angesprochenen Punkte, auch zum Thema Familienfreundlichkeit, daran - Herr Janecek, Sie haben es angesprochen -: Der Bund steckt insgesamt über 6 Milliarden Euro in den Ausbau von Betreuungseinrichtungen im Bereich U 3. Auch hier sehe ich, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, was letztlich ebenfalls positiv in die Gesamtbilanz einzubringen ist. Es bleibt also festzuhalten: Wettbewerbsfähig zu bleiben ist ein Kraftakt, den wir alle gemeinsam - Bund, Länder und Kommunen - bewältigen müssen. Hervorragende Perspektiven für unser Land können nur gemeinsam gestaltet werden. Wir dürfen und wollen uns nicht auf den Lorbeeren von gestern oder heute ausruhen, sondern müssen die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Das ist eine gemeinsame Anstrengung. Dieser werden wir uns gern stellen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Andrea Wicklein, SPD. ({0})

Andrea Wicklein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003659, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Tatsache: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland sieht ausgesprochen positiv aus. Alle wichtigen Indikatoren belegen den anhaltenden Aufschwung. Klar ist auch, dass wir dennoch mehr in die Infrastruktur, in Straßen, Schulen und Brücken, investieren müssen. Das nehmen wir ernst, dies tun wir. Dazu haben unser Staatssekretär Uwe Beckmeyer und mein Kollege Matthias Ilgen bereits etwas gesagt. Wenn wir über mehr private und öffentliche Investitionen sprechen, dann muss es uns aber auch um mehr Investitionen in gute Ideen, in Innovationen und junge Unternehmen gehen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir können noch mehr. Deshalb liegt mir ein Thema besonders am Herzen: Wie schaffen wir es, so wie im Koalitionsvertrag formuliert, eine „Neue Gründerzeit“ in Deutschland zu initiieren? Denn Gründungen, gerade auch im innovativen Bereich, sind für Fortschritt, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit ebenso wichtig wie eine moderne Infrastruktur. ({0}) Die Voraussetzungen für Gründungen sind im Moment offensichtlich besser denn je. Galten die Deutschen vor nicht allzu langer Zeit als Gründungsmuffel, sieht das heute schon ganz anders aus. Nach einer repräsentativen Studie der Markt- und Meinungsforschungsfirma YouGov sind die Deutschen inzwischen sogar eher bereit als die US-Amerikaner, ein Unternehmen zu gründen. Hört! Hört! Sage und schreibe 44 Prozent der Befragten trauen sich grundsätzlich zu, eine eigene Firma zu gründen. Es ist ein beachtliches Ergebnis, dass es allein im Jahr 2014 in Deutschland über 800 000 Neugründungen gab. Berlin, unsere Hauptstadt, steht dabei an der Spitze. Als internationale Metropole für Start-ups weist Berlin eine hohe Gründungsdynamik auf. ({1}) Was besonders erfreulich ist: Jede fünfte Gründung in Deutschland geht auf Migrantinnen und Migranten zurück. Darunter sind immer mehr innovative Start-ups. Mit ihrer höheren Neigung, sich selbstständig zu machen und dabei auch Arbeitsplätze zu schaffen, stellen Migrantinnen und Migranten eine tragende Säule des Gründungsgeschehens in Deutschland dar. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese positive Entwicklung zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht haben. Dazu gehören nicht zuletzt die zahlreichen konkreten Fördermaßnahmen und Initiativen, mit denen wir speziell junge innovative Unternehmen unterstützen, wie zum Beispiel das EXIST-Gründerstipendium oder der High-Tech Gründerfonds sowie das Programm INVEST, das einen Zuschuss für Wagniskapital beinhaltet. Insgesamt stellt der Bund für die nächsten Jahre 2 Milliarden Euro für die Weiterentwicklung und Aufstockung dieser bestehenden Programme bereit. ({3}) Doch auf dem Erreichten ruhen wir uns nicht aus; denn wir wissen, dass das Gründungspotenzial in Deutschland noch lange nicht ausgeschöpft ist und dass Gründerinnen und Gründer noch bessere Rahmenbedingungen brauchen. Viele erfolgversprechende Start-ups sind noch zu klein und wachsen zu langsam, oder sie verlassen Deutschland sogar, weil sie hier das notwendige Wagniskapital nicht vorfinden. Wenn wir uns im internationalen Vergleich umsehen, müssen wir feststellen, dass bei uns zu wenig privates Kapital in Gründungen und Wachstum investiert wird. In anderen Ländern wird ein Vielfaches investiert, beispielsweise in Amerika oder Israel. Auch in anderen europäischen Ländern wie Schweden, Frankreich oder Großbritannien wird deutlich mehr an Wagniskapital investiert als bei uns. Wir werden deshalb, so wie es im Koalitionsvertrag festgelegt ist, Deutschland als Investitionsstandort für Wagniskapital attraktiver und international wettbewerbsfähiger machen. ({4}) Deshalb ist es gut, dass wir gemeinsam mit unserem Wirtschaftsminister daran arbeiten, die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital zu verbessern. Noch ein weiterer Punkt ist mir wichtig. Wir werden auch beim Abbau von unnötiger Bürokratie für Existenzgründerinnen und Existenzgründer sowie für junge Unternehmen mit dem Bürokratieentlastungsgesetz einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gehen. Noch im Juni soll der entsprechende Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag diskutiert und verabschiedet werden. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen also, dass wir uns trotz des guten Zeugnisses, das uns der IWF ausstellt, nicht auf dem Erreichten ausruhen. Wir werden die Chancen des aktuellen Aufschwungs nutzen, um in Deutschland neben einer besseren Infrastruktur auch die notwendigen Rahmenbedingungen für eine höhere Gründungsdynamik zu schaffen. ({6}) Wir wollen, dass sich noch mehr Menschen nicht nur vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen, sondern das auch tun. Vielen Dank. ({7})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Der Kollege Klaus-Peter Flosbach hat jetzt für die CDU/CSU das Wort. ({0})

Klaus Peter Flosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003528, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat vor wenigen Tagen der IWF seine Prognosen und Empfehlungen abgegeben, was er regelmäßig macht. Der IWF ist für die Überwachung der weltweiten Finanzstabilität und die Förderung dessen zuständig. Zunächst einmal ist festzuhalten: Er hat Deutschland ein unglaublich positives Zeugnis ausstellt. ({0}) Wir haben Wachstum, wir haben wachsende Einkommen, und wir haben eine stabile Wirtschaft. Der wichtigste Punkt für den Internationalen Währungsfonds ist nämlich die Frage: Ist dieses Land stabil? Herr Kollege Ulrich, Sie haben sich hier hingestellt und erklärt, wir seien in unserer Leistungsbilanz zu stabil und zu leistungsfähig. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Gehen Sie doch einmal in einen Betrieb, sprechen Sie mit den Arbeitnehmern und sagen Sie ihnen: Sie sind einfach zu leistungsfähig, ({1}) Sie exportieren zu viel. Hören Sie damit auf; Sie gefährden die weltweite Finanzstabilität. - Das ist natürlich nicht der Fall. Aber diskutieren Sie einmal mit diesen Menschen. Dabei machen Sie völlig andere Erfahrungen. ({2}) Sie können den Erfolg, den wir hier erleben, nicht kleinreden. ({3}) Der Kollege Liebing hat deutlich gemacht: Wir kommen nicht aus einer Phase, in der alles optimal gelaufen ist und es uns gut gegangen ist. Noch vor wenigen Jahren hatten wir mit drei Krisen zu kämpfen: Es gab 2008 die Bankenkrise. Im Jahr darauf hatten wir eine Wirtschaftskrise und ein Jahr später eine Staatsschuldenkrise, die oftmals Euro-Krise genannt wird. In der Bankenkrise haben wir viele Maßnahmen - über 40 Maßnahmen - umgesetzt. Auch der Bericht des IWF weist darauf hin, dass wir vieles richtig gemacht haben. Große Banken werden heute in Europa umfangreich kontrolliert. Wir haben ein Abwicklungsregime gegründet. Wenn also große Banken in eine Schieflage geraten, müssen sie nicht vom Steuerzahler aufgefangen werden. Die Eigentümer, die Gläubiger werden herangezogen, und gegebenenfalls muss ein Fonds, der von den Banken selbst finanziert wird, herangezogen werden. Das wertet der Internationale Währungsfonds als Stabilität. Deswegen sollten wir darauf stolz sein, dass wir zum Beispiel dieses Thema gelöst haben. ({4}) Wir haben auch - das möchte ich ausdrücklich betonen - in der damaligen Phase einen Garantierahmen von 168 Milliarden Euro bereitgestellt. Dieser Rahmen ist damals ausgenutzt worden, aber alle Garantien, die wir damals herausgegeben haben, sind zurückgeführt worden. Wir haben gemeinsam mit der SPD schon im Jahre 2009 manche Maßnahmen in der Krise eingeführt. Denken wir einmal an die Ausweitung der Kurzarbeit, denken wir an die Konjunkturpakete, die gerade den Kommunen zugutegekommen sind, und denken wir an die Schuldenbremse. All das hat hinterher gewirkt. Wir waren in der Lage, den anderen Ländern in Europa zu helfen. Wir konnten anderen helfen. ({5}) Mit 27 Prozent sind wir bei allen Rettungsmaßnahmen dabei, weil wir in dieser Zeit stark geworden sind. ({6}) Das lag sicherlich nicht allein an der Politik, sondern an allen Akteuren, auch in der Wirtschaft. Ich denke hier an meinen eigenen Wahlkreis. Wir hatten bis zu 10 000 zusätzliche Arbeitslose. Wir hatten Einbrüche von bis zu 80, 90 Prozent. Aber durch die Kurzarbeit konnte damals Stabilität geschaffen werden. Als wir aus der Krise herauskamen, hatten alle Unternehmen ihre Stammbelegschaften und konnten weiterarbeiten. Heute haben wir ein Wachstum von 1,8 Prozent. Die Bruttolöhne sind um 4 Prozent gestiegen. Wir haben steigende Unternehmensgewinne. 52 Prozent unseres Bundeshaushalts - das sollten wir auch einmal festhalten - gehen in die Sozialpolitik. Wir sind heute in der Lage, 52 Prozent unserer gesamten Ausgaben, über 150 Milliarden Euro, in die Sozialpolitik hineinzustecken. Das soll uns erst einmal einer nachmachen, meine Damen und Herren. ({7}) Wir hatten im Haushalt 2009 eine Nettoneuverschuldung von 86 Milliarden Euro. Jeder vierte Euro war nicht gedeckt. Heute haben wir - man sagt: eine schwarze Null - Überschüsse. Dafür werden wir kritisiert. Wer hat uns denn geglaubt, dass wir die Schuldenbremse einhalten würden? Wer hat denn geglaubt, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt schaffen würden? Wer hat uns denn geglaubt, dass wir das ohne Steuererhöhungen machen? Herr Janecek hat gerade gesagt: Damit haben Sie nichts zu tun. - Wenn Sie an die Regierung gekommen wären, hätten Sie durch Ihre Vermögensabgabe dem Mittelstand 100 Milliarden Euro entzogen. Dann hätten wir heute eine völlig andere Situation in Deutschland. ({8}) Meine Damen und Herren, der IWF hat auch darauf hingewiesen: Wir sollten Warnungen nicht überhören. Er hat - ich bin im Finanzausschuss tätig - deutlich gesagt: Derzeit sind die Banken nicht in der Lage, Erträge zu generieren - wir haben derzeit sehr schwache Banken -; passen Sie also auf, dass kein neues Risiko entsteht wie bei den Lebensversicherungsgesellschaften. Die Versicherungsgesellschaften haben in ihren Erträgen so niedrige Zinsen, dass es nicht nur für die Altersvorsorge ein Problem ist, sondern auch für die Lebensversicherungsverträge. Herr Hufeld, der neue Chef der Bankenaufsicht - er kommt aus dem Bereich der Versicherungen -, hat deutlich gesagt, dass er hier einen Schwerpunkt setzen wird. Aber wir haben in der Koalition das Lebensversicherungsreformgesetz umgesetzt, um zu stärken, dass die Lebensversicherungen stabil sind. Die Linken und die Grünen waren völlig anderer Meinung. Sie waren nicht der Meinung, dass wir die Versicherungsgesellschaften stärken sollten, damit sie die Erträge für alle Versicherten zahlen können. Liebe Kollegen, ich komme zum Ende. Der IWF lobt in dieser Prognose unsere Leistungen, aber er bestätigt vor allen Dingen den Weg, den wir in dieser Koalition gehen: ({9}) Stabilität und Sicherheit für unsere Bürger herzustellen. Vielen Dank. ({10})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Sabine Poschmann für die SPD. ({0})

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So langweilig wie angenommen ist die Debatte eigentlich gar nicht, wenn Sie einmal ehrlich sind. ({0}) Der Internationale Währungsfonds bestätigt uns, auch entsprechend Ihrer Aussagen, gute Perspektiven und kommt zu dem Schluss, dass unsere Wirtschaft „auf einem soliden Fundament“ steht. Damit zu tun hat eine solide Wirtschaftspolitik - natürlich auch andere Dinge, das bestreite ich gar nicht. Ich glaube aber, mit „Fundament“ ist auch dies gemeint. Wir haben das unter anderem aber auch dem Mittelstand und dem Handwerk in Deutschland zu verdanken. Die Unternehmer kleiner und mittelständischer Betriebe sorgen mit ihrer Leidenschaft und ihren Ideen dafür, dass Deutschland in vielen Bereichen Vorreiter ist und wettbewerbsfähig bleibt, weil sich diese Unternehmen aufgrund ihrer Größe schneller an den Markt, an die Nachfrage nach anderen Produkten und an das Verbraucherverhalten anpassen können. Zudem haben sie in der Finanzkrise Standhaftigkeit bewiesen. Das macht die deutsche Wirtschaft insgesamt krisenfester, und das ist unser Fundament. ({1}) Die meisten dieser Unternehmen - auch das unterscheidet sie von manch großem Unternehmen - zweifeln nicht den Wirtschaftsstandort Deutschland an. Sie gehen auch nicht wegen Dumpinglöhnen im Ausland an andere Standorte, sondern sehen sich in der Verantwortung - das ist uns Sozialdemokraten wichtig - gegenüber den Arbeitnehmern. Sie zahlen häufig Löhne weit über dem Mindestlohn. Deshalb ist der Mindestlohn an sich für sie nicht das Thema. Die Frage ist: Wie können wir diese starke Wirtschaftskraft, die gute Arbeitsplätze schafft, stabil halten und ausbauen? Das zu tun, hat uns der IWF mit auf den Weg gegeben. Die Handlungsfelder sind weitgehend bekannt; denn wir haben verstärkt - das ist das Wesentliche an dieser Regierung und den Koalitionsfraktionen - auf Dialog gesetzt. Wir haben alle mitgenommen; wir haben einen großen Beteiligungsprozess angestrebt, in dem wir Gewerkschaften, Unternehmen und Verbände nach Ansatzpunkten und Verbesserungsvorschlägen gefragt haben. Erst gestern fand der Branchendialog zu Potenzialen und Herausforderungen im Handwerk im Wirtschaftsministerium statt. Auch hier kristallisierten sich drei Themen heraus: Fachkräftesicherung - sie wurde heute schon erwähnt -, Digitalisierung und Investitionen. Nun gilt es, Handlungsoptionen zu identifizieren und Maßnahmen zu entwickeln, die über das Bisherige hinausgehen und durch ihre Passgenauigkeit noch effektiver greifen. Dabei darf nicht nur der Staat gefragt sein: Wir müssen auch Unternehmen und Verbände stärker in die Pflicht nehmen, sich selber dieser Verantwortung zu stellen. Aber auch hier gibt es gute Vorschläge, die zum Teil schon in die Tat umgesetzt worden sind. Einige Beispiele: Das Gütesiegel für eine gute Ausbildung könnte durchaus ein Anreiz für junge Fachkräfte sein, sich verstärkt dem Handwerk zu widmen. Ich halte es auch für einen guten Ansatz des Handwerks, jungen Flüchtlingen eine Chance auf eine Ausbildung zu geben. Auch im Handwerk - Herr Janecek, da bin ich bei Ihnen darf das Potenzial der Frauen nicht außer Acht gelassen werden. In einigen Handwerksbereichen sollte man sich gedanklich - das ist das Mindeste - gegenüber Frauen öffnen. ({2}) Die Polizei hat es uns vorgemacht: Woran vor Jahren noch keiner denken konnte - Frauen bei der Polizei -, das ist heute etwas ganz Selbstverständliches. Ein weiteres drängendes Thema ist die zurückhaltende Investitionstätigkeit der Unternehmen; auch das haben meine Kollegen schon angesprochen. Deutschland braucht mehr Investitionen für Innovationen. Das hält unsere Unternehmen wettbewerbsfähig. Das Kapital ist vorhanden, die Notwendigkeit auch. Also, was hält unsere Unternehmen davon ab, selber zu investieren? Eine aktuelle Studie der KfW zeigt, dass ältere Arbeitgeber weniger investieren, vor allen Dingen, wenn die Unternehmensnachfolge unklar ist. Bei einer fehlenden Unternehmensnachfolge stehen wir vor dem großen Problem, wie wir die beiden Parteien zueinanderbringen. Aber hier hat das Wirtschaftsministerium gestern das Projekt „Nachfolge beginnt jetzt!“ ins Leben gerufen - alle Projekte, die ich genannt habe, haben wir bereits angepackt -, das innovativen Content zum Thema Unternehmensnachfolge bietet. Das Projekt dockt an die „nexxt“-Initiative an - sie ist Ihnen bekannt -, die seit vielen Jahren erfolgreich Inhaber und Nachfolger zusammenbringt. Durch praxistaugliche Informationen und durch die Nutzung neuer Medien wird das bestehende Angebot verbessert. Vor allen Dingen werden dadurch neue Zielgruppen erschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich in ihrer neuen Projektgruppe „Neue Erfolge - Vorsprung durch Innovation“ ebenfalls sehr auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen, vor allem auf die Stärkung von Innovationen, konzentrieren. ({3}) Ziel dabei ist es, Deutschland zukünftig noch innovativer zu machen. Technologische Trends müssen frühzeitig erkannt und genutzt werden, um auch soziale Ziele zu erreichen; das sollte unser aller Bestreben sein. Wir sind nicht dafür angetreten, der Wirtschaft Geld in den Rachen zu stecken. Unser Ziel muss vielmehr sein, neue und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und für eine intakte Umwelt, für ein gutes Leben in Deutschland insgesamt zu sorgen. ({4})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Frau Kollegin Poschmann, ich darf Sie darauf hinweisen, dass bisher alle Kolleginnen und Kollegen sehr diszipliniert waren, was die Redezeit betrifft.

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Auch ich werde mich an die Redezeit halten, Herr Präsident. ({0}) Ich komme zum Schluss. Ich wünsche uns, dass wir auch in Zukunft eine positive Kritik vom IWF bekommen und dass wir alle zusammen positiv in die Zukunft schauen. Herzlichen Dank. ({1})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Zum Abschluss der Aktuellen Stunde hat das Wort der Kollege Dr. Hans Michelbach. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde die Frage gestellt: Warum gibt es heute diese Aktuelle Stunde? Ja, warum denn? ({0}) Diese Aktuelle Stunde wurde heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil Leistung und Erfolg Anerkennung finden sollten und weil wir wissen, dass sich die Opposition darüber richtig ärgert. ({1}) Das haben Sie heute, wie immer sehr defätistisch, zum Ausdruck gebracht. Sie haben einfach nicht die Größe, sich über den Aufschwung, ({2}) über die Wachstumsentwicklung und über den Wohlstand der Menschen zu freuen. ({3}) Nicht einmal Mitfreude ist ihnen gegönnt. Herr Janecek, Ihre Frage, was wir als Regierungskoalition damit zu tun hätten, beantworte ich Ihnen natürlich sehr gerne. Das ist ganz einfach: Wir haben die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise in Europa mit über 40 Gesetzen zur Finanzmarktregulierung am besten bekämpft. Wir haben neue Investitionsanreize geschaffen. Mit uns gab es keine Steuererhöhungen, wie Sie sie gefordert haben. ({4}) Wir haben eine zweiläufige Finanzpolitik verfolgt mit einem guten Mix aus Haushaltskonsolidierung, einer Nettoneuverschuldung, die bei Null liegt, und mehr Investitionen für Forschung und Entwicklung. Wir haben mit großem Erfolg für mehr Finanzstabilität gesorgt. In vier Jahren haben wir für Steuermehreinnahmen in Höhe von über 100 Milliarden Euro gesorgt. Damit haben wir eine Vertrauensbasis für die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes geschaffen, und ohne Vertrauen gibt es kein Fundament für die Zukunft. ({5}) Natürlich dürfen wir uns auf den Erfolgen nicht ausruhen. Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen. Die vorgetragene Sorge der Opposition, unsere Leistungsbilanzüberschüsse seien etwas Schlimmes, etwas Negatives, ist natürlich Unsinn. ({6}) Gerade durch unsere starke Wirtschaftsleistung schaffen wir eine erhebliche Nachfrage nach Importgütern aus anderen Ländern; darauf können Sie sich einen Reim machen. Das, was Sie hier vortragen, ist reine VoodooÖkonomie. ({7}) Das ist der falsche Ansatz. Wir müssen positiv über unsere Wirtschaftsleistung und über unsere Leistungsbilanzüberschüsse sprechen; denn wir stärken mit unserer Wirtschaftsleistung die anderen Länder um uns herum, weil wir mehr importieren, sie mehr in unser Land exportieren können. So wird ein Schuh draus. Wir müssen unsere Bemühungen offensiv, optimistisch und positiv voranbringen. Wenn wir über die Aufgaben, die vor uns liegen, sprechen - weiterhin Anreize zu schaffen, die Vertrauensbasis zu stärken -, dann werden wir uns immer an dem Prinzip orientieren müssen: Das, was erwirtschaftet wird, hat Vorrang vor dem, was man ausgibt. Deswegen ist es wichtig, dass wir erkennen: Nicht der Staat mit seinen Einnahmen kommt zuerst, sondern der Bürger, der diese erarbeitet. Der Bürger hat Vorrang. Deswegen sind die steuerlichen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Das ist unsere Aufgabe. Bei der anstehenden Reform der Erbschaftsteuer müssen wir eine Generationenbrücke für Familienunternehmen einführen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, damit wir unsere mittelständische Wirtschaftsstruktur in Deutschland erhalten. Das ist ja unsere Stärke. Wir müssen die kalte Progression abbauen. Es darf nicht sein, dass die Menschen trotz einer Lohnerhöhung aufgrund der Inflation letzten Endes weniger Geld zur Verfügung haben. Abschreibungsverbesserungen und die Förderung der energetischen Gebäudesanierung sind hier weitere wichtige Themen. ({8}) - Wer blockiert das denn, Herr Kollege Straubinger? Die Grünen blockieren das! ({9}) Ich kann Ihnen eines sagen, Herr Janecek - und das kann ich Ihnen auch ins Stammbuch schreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen -: Die Energiewendepolitik der Grünen ist für mich der Gipfel der Heuchelei! ({10}) Das, was Sie tun, ist Heuchelei. Vor Ort führen Sie die Bürgerinitiativen gegen die Stromtrassen an, und hier fordern Sie, dass die Stromtrassen möglichst schnell ohne Bürgerbeteiligung gebaut werden. ({11}) Das ist Heuchelei, was Sie hier betreiben. ({12}) Ich kann Ihnen sagen: Sie haben in der Bevölkerung einfach kein Vertrauen für Ihre Heucheleipolitik. ({13}) Sie müssten sich einmal anstrengen, Ihre Widersprüche aufzulösen. Darum geht es! Wir haben das Vertrauen der Bevölkerung für die Zukunft, und das ist der wesentliche Punkt. ({14})

Johannes Singhammer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002800

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit zugleich am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Mai 2015, 9 Uhr, ein. Kommen Sie alle gesund wieder. Die Sitzung ist geschlossen.