Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich und rufe gleich Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bundesbericht Energieforschung 2015.
Dazu erhält der Bundesminister für Wirtschaft und
Energie, Sigmar Gabriel, sofort das Wort für einen kurzen einleitenden Bericht.
Wenn es absehbar Fragen über diesen Bericht hinaus
gibt, wäre ich ganz dankbar, wenn ich vorher einen Hinweis bekommen könnte; denn dann kann man diese vorher thematisch etwas sortieren, damit wir nicht ständig
hin und her springen.
Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Kabinett hat heute den Bundesbericht Energieforschung
2015 verabschiedet. Dieser Bericht schafft Transparenz
in der öffentlichen Förderung der Energieforschung in
Deutschland, und er dokumentiert unsere Ausrichtung
der Energieforschung an den Notwendigkeiten der Energiewende.
Unser langfristiges Ziel bis 2050 ist es, den Primärenergieverbrauch zu halbieren und den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf
60 Prozent zu steigern. Gleichzeitig wollen wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industrielandes, unserer Unternehmen sichern, zum Klimaschutz beitragen, aber
auch Versorgungssicherheit erhalten und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, um die Energiewende zu
einem Exportschlager zu machen. Das alles gelingt nur
mit raschem technischen Fortschritt. Dafür brauchen wir
Forschung und Entwicklung. Wir müssen den Wirkungsgrad und die Systemintelligenz der erneuerbaren Energien weiter erhöhen. Wir müssen auch effizienter werden bei der Bereitstellung, Verteilung und vor allem bei
der Nutzung von Energie. Wir müssen vorankommen bei
der Entwicklung intelligenter Netze und technologisch
wie wirtschaftlich tragfähiger Speicherlösungen, und wir
wollen natürlich die energiebedingten Treibhausgasemissionen weiter reduzieren.
All das geht nicht ohne Forschung und ohne Offenheit gegenüber technologischer Innovation. Die Bundesregierung hat daher die Energieforschung neu aufgestellt
und aufgewertet. Im vergangenen Jahr haben wir
819 Millionen Euro dafür aufgewendet, neue Technologien für die Energieversorgung zu erforschen und bestehende weiterzuentwickeln. Meine Damen und Herren,
das ist mehr als eine Verdopplung innerhalb der letzten
zehn Jahre. Fast drei Viertel dieser Mittel, 74 Prozent,
flossen in die Bereiche, die für den Erfolg der Energiewende besonders wichtig sind: in die Energieeffizienz
und in die erneuerbaren Energien. Wir haben die einzelnen Felder der Energieforschungspolitik noch enger miteinander verzahnt. Das ist ein Synergieeffekt, der unmittelbar mit der Zusammenführung der Forschung im
Wirtschaftsministerium zusammenhängt. Vorher gab es
eine Aufteilung zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium.
Zusammenarbeit und das Denken in systemischen
Zusammenhängen sind entscheidend, um bei den Netzen, den Speichern und vor allen Dingen bei der effizienteren Energienutzung in Gebäuden voranzukommen.
Deshalb bauen wir auch die Forschungszusammenarbeit
mit den Bundesländern und auf europäischer Ebene aus.
Zudem setzen wir auf flexible Förderung. Die Projektförderung ist hierfür das geeignete Instrument. Sie hat
nunmehr einen Anteil von 63 Prozent erreicht, 515 Millionen Euro. 2011 waren es noch deutlich weniger, nämlich 57 Prozent. Dabei geht es um sehr vielfältige und
spannende Projekte. In einem Monat zum Beispiel wird
das Informationssystem EnArgus an den Start gehen. Es
erfasst die vielseitigen Energieforschungsaktivitäten und
stellt Einzelprojekte transparent dar. Zu den 2 400 laufenden Projekten gehören solche wie AmpaCity in
Essen, bei dem das weltweit längste supraleitende Kabel
verlegt und ins Stromnetz integriert wurde. Dazu gehö9738
ren innovative Techniken, die die Schallemissionen von
Offshore-Windenergieanlagen verringern und so zum
Artenschutz im Meer beitragen. Weiter gehört dazu beispielsweise die Erprobung sogenannter virtueller Kraftwerke, also Kombikraftwerke.
Auch der wichtigen Frage, wie man die Energieeffizienz in der Industrie erhöhen kann, wird in Forschungsprojekten nachgegangen. Zum Beispiel wird in der
neuen ETA-Fabrik an der TU Darmstadt erstmals eine
gesamte Fertigungskette der Metallverarbeitung energetisch optimiert. Dort wird eine Energieeinsparung um bis
zu 40 Prozent erwartet. Getragen wird das Projekt von
rund 20 Industriepartnern und Forschungsinstituten. Es
ist damit hervorragend in Industrie, Forschung und
Lehre eingebunden.
Solche Vernetzungen wollen wir weiterentwickeln.
Dafür haben wir beispielsweise Forschungsnetzwerke
ins Leben gerufen, die in ausgewählten Bereichen
- Stromnetze, Gebäudeeffizienz und Energiesystemanalyse - als Schnittstelle zwischen Forschung, Praxis und
auch Politik dienen.
Unser Ziel ist es, die Anwendungsorientierung der
Energieforschung zu stärken. Wir wollen die Basis für
neue marktreife Lösungen und Produkte schaffen. - Das,
meine Damen und Herren, als kurze Einführung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die erste Nachfrage kommt vom Kollegen Röspel.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wenn es darum geht,
bei der Energiewende die erneuerbaren Energien stärker
auszubauen und einzubinden, wird es eine große Herausforderung sein, diese trotz des ungleichmäßigen Eingangs zu nutzen. Dabei geht es beispielsweise darum,
wie man den tagsüber produzierten Photovoltaik- oder
Solarstrom zu anderen Zeiten nutzen kann, in denen er
stärker gebraucht wird, aber nicht mehr zur Verfügung
steht. Meine Fragen lauten also: Inwieweit spielt das
Thema Energiespeicherung innerhalb des Energieforschungsberichts eine Rolle? Wie kann die Speicherforschung ausgebaut werden?
Herr Minister.
Herr Kollege Röspel, Speicherung ist eines der zentralen Themen. Wir sind noch längst nicht an dem Punkt,
wo die unterschiedlichen Speichermöglichkeiten wirtschaftlich vertretbar eingesetzt werden können. Dafür
brauchen wir noch eine ganze Reihe an Forschungs- und
auch Demonstrationsvorhaben. Ein bisschen wird auch
die Entscheidung über den neuen Strommarkt einen Beitrag dazu leisten. Denn wir müssen, glaube ich, auch
marktgetriebene Anreize schaffen, wenn es um die Frage
geht, ob beispielsweise eine Kraftwerkskapazität genutzt
werden muss, um Lastspitzen auszugleichen, oder ob
Speicher oder ein Demand-Side-Management, also die
Anpassung der Nachfrage, genutzt werden können. Das
muss am Ende über den Preis am Markt entschieden
werden. Da erwarten wir auch noch einmal einen Schub
für Speichertechnologien. Wir müssen aber auch noch
eine ganze Reihe von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben voranbringen, damit wir hier letztlich zu
marktfähigen Speicherkapazitäten kommen. Man sagt
immer so, dass man dafür etwa 70 bis 80 Prozent erneuerbare Energien am Strommarktspeicher verfügbar haben muss. Davon sind wir noch ein Stück weit entfernt.
Kollege Lenkert.
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob Sie im Rahmen des Energieforschungsprogramms auch ein
Forschungsprojekt aufgelegt haben, mit dem die Bundesnetzagentur befähigt werden wird, in Zukunft selbstständig Berechnungen des Stromübertragungsnetzes
durchzuführen. Die derzeitige Situation ist folgende: Die
Berechnungsprogramme wurden von den Netzbetreibern
entwickelt. Von den Netzbetreibern wird mittels dieser
Programme ermittelt, welchen Netzausbaubedarf es gibt.
Die Netzbetreiber erhalten entsprechend dem Netzausbaubedarf für 40 Prozent ihrer Investitionssumme eine
garantierte Rendite von 9 Prozent - und das in der heutigen Zeit. Die Bundesnetzagentur überprüft mit den Programmen der Netzbetreiber, ob diese Berechnungen
richtig sind. Da ist natürlich ein gewisser Interessenkonflikt nachvollziehbar. Der führte zu 26 000 Einwendungen beim Netzentwicklungsplan.
Ich frage Sie, ob Sie diesem Missstand, dass man
nicht unabhängig nachrechnen kann, durch ein Forschungsprogramm begegnen wollen, das die Bundesnetzagentur zukünftig in die Lage versetzen wird, selbstständig mit einem unabhängig entwickelten Programm
die Angaben der Netzbetreiber überprüfen zu können.
Die Bundesnetzagentur kann die Angaben der Netzbetreiber unabhängig überprüfen. Sie checkt sie auch gegen mit in Europa entwickelten Programmen zur Berechnung existierender Kapazitäten, der Entwicklung
der Netze, der Grenzkuppelstellen und von vielem anderen mehr. Ich halte es nicht für sinnvoll, diejenigen aus
der Verantwortung für die Entwicklung der Netze zu entlassen, die sie als Übertragungsnetzbetreiber letztlich finanzieren müssen.
({0})
- Natürlich müssen sie investieren. Sie bekommen dann
über die Netzentgelte aber eine Refinanzierung ihrer Investition. So läuft das.
Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Übertragungsnetzbetreiber diese Berechnungen vorlegen müssen. Unsere Behörde muss in der Lage sein, die Richtigkeit der
Angaben zu überprüfen, um festzustellen und nachzuprüfen, ob es objektivierbare Kriterien zum Beispiel für
die ausgewählten Korridore und die als notwendig erachteten Leitungen gibt. Das kann die Behörde. Dafür
hat sie die Kapazitäten. Beim Thema Netze gibt es ganz
andere Forschungsaufgaben, die Sie im Energieforschungsbericht auch wiederfinden.
Frau Kotting-Uhl.
Herr Minister, ich habe eine Frage zur Energieforschung. Der Bericht, den wir vorhin bekommen haben,
enthält ein klares Bekenntnis zum ITER. Im deutschen
Energieforschungsprogramm sind für 2014 für die Kernfusionsforschung 138 Millionen Euro jenseits der Kosten von ITER aufgeführt. Das sind immerhin 25 Prozent
dessen, was für Energieeffizienz und erneuerbare Energien eingestellt wird. Das ist also nicht zu vernachlässigen.
Im neuen Bericht führen Sie die Fusionsforschung
unter „alle infrage kommenden Konzepte für eine zukünftige Energieversorgung“ auf. Ich möchte Sie daher
fragen, wie das zu dem Bekenntnis zur Energiewende
passt, von der wir wissen, dass wir völlig andere Strukturen und einen völlig anderen Netzausbau als bei der bisherigen sehr zentralen Stromversorgung brauchen. Die
Kernfusion wäre eine Rückkehr zur absoluten zentralen
Stromversorgung. Wie passt das zusammen? Wie soll
das funktionieren, wenn im Jahr 2050 doch hoffentlich
eine andere Stromversorgung und eine andere Energieversorgungsstruktur in Deutschland aufgebaut sein werden?
Frau Kollegin Kotting-Uhl, wir sind bei dem Thema
ITER an völkerrechtliche Verträge gebunden. Diese sind
übrigens noch zu rot-grünen Zeiten verhandelt und dann
- ich glaube, das war 2006 - vom Forschungsministerium und Finanzministerium endgültig verabschiedet
worden. Wir haben 2017 zum ersten Mal die Möglichkeit, aus dem Programm auszusteigen. Ich finde, Sie haben gerade kluge Argumente genannt, warum man das
ins Auge fassen sollte.
Kollege Diaby.
Herr Bundesminister, Sie haben die europäischen Dimensionen und die Zusammenarbeit angesprochen. Wir
wissen, dass im Bereich Forschung internationale Zusammenarbeit eine ganz große Rolle spielt. Deshalb
meine Frage: Welche internationalen Kooperationen
wurden im Jahr 2014 im Bereich Energieforschung unterstützt?
Ich kann jetzt nicht aus dem Kopf sagen, welche konkreten Kooperationsvorhaben darin enthalten sind. Das
liefern wir aber gerne nach.
Kollege Krischer.
({0})
Herr Kollege Pfeiffer, wir hätten eben im Wirtschaftsausschuss gerne eine Aussage von Ihnen dazu gehört.
Aber das passiert ja leider nie. Sie sprechen im Wirtschaftsausschuss leider nicht dazu.
Mit „Regierungsbefragung“ ist eigentlich nicht die
Auseinandersetzung zwischen den Fraktionen gemeint.
Der Kollege hat aber eben eine Bemerkung gemacht.
({0})
Herr Bundesminister, nun zum Thema Energieforschung. Kollegin Kotting-Uhl hat gefragt, was wir für
die Fusionsforschung ausgeben. Im Jahr 2014 waren es
138 Millionen Euro. Das ist ein Anteil von round about
25 Prozent. Das ist nicht alles für ITER vorgesehen. Das
ist auch nicht alles völkerrechtlich verpflichtend. Das
heißt, wir sind in einem ganz erheblichen Umfang auch
darüber hinaus tätig.
Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie Wohlwollen demgegenüber hegen, 2017
aus ITER auszusteigen. Meine Frage ist: Ist die Bundesregierung denn bereit, schon vorher oder auch jetzt
schon Maßnahmen einzuleiten, um die darüber hinausgehenden Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zu
reduzieren?
Ich kann nur davon abraten, die darüber hinausgehenden Forschungsbereiche zu reduzieren, weil es sich um
Endlagerforschung handelt.
({0})
- Vielleicht gibt es jetzt ein Missverständnis. Uns geht es
darum, dass wir im Wesentlichen die Bereiche der Forschung fortsetzen müssen - ich glaube, da sind wir auch
nicht auseinander -, die nukleare Sicherheit zum Ziel
hat. Wir werden selbst nach dem Abschalten von Kernkraftwerken zur Stromproduktion weiter Nuklearanlagen, zum Beispiel im Forschungsbereich, und die Endlagerforschung haben.
({1})
- Durch Ihre Zwischenrufe merke ich, dass Sie den Teil
meinen, der die Kernfusionsforschung selbst betrifft.
({2})
Wir sind jedoch in Projekte eingebunden, bei denen wir
nicht einfach aussteigen können.
({3})
- Die Nachfragen des Abgeordneten Krischer und von
Frau Kotting-Uhl weisen auf Folgendes hin: Welchen
Sinn macht es eigentlich, eine höchst zentrale Form der
Energieversorgung weiterzuentwickeln, wenn man davon ausgehen muss, dass dafür bei all den Programmen,
die diese, die letzte und die vorletzte Bundesregierung
zur Energiewende beschlossen haben, kein Raum mehr
ist, jedenfalls dann nicht, wenn man diese Projekte ernst
nimmt? Das ist eine durchaus berechtigte Frage.
Wir sind in diese Projekte eingebunden. Jetzt einseitig
auszuscheiden, ist für uns nicht möglich. Wir haben uns
in einem völkerrechtlichen Vertrag gebunden. Wir sind
durch Projekte gebunden. Ich glaube, dass wir diese zu
Ende führen müssen. Ich persönlich bin allerdings der
Auffassung, dass wir ab 2017 die Möglichkeit nutzen
müssen, die Gelder für die Forschung zu verwenden,
deren Ergebnisse die Bundesrepublik Deutschland am
Ende sinnvoll nutzen kann. Das wird bei der Kernfusionsforschung nach meinem Eindruck nicht mehr möglich sein, jedenfalls dann nicht, wenn wir die Energiewende konsequent zu Ende führen.
Frau Bulling-Schröter.
Danke schön. - Sehr geehrter Herr Minister, die Chefin der Internationalen Energieagentur, Frau Maria van
der Hoeven, hat diese Woche erklärt, dass wir die Forschungsmittel verdreifachen müssten, um saubere Technologien zu entwickeln, und zwar im regenerativen Bereich, vermute ich - ich hoffe nicht, dass sie damit die
Atomforschung gemeint hat -, und so die Klimaschutzziele zu erreichen. Wir wissen, wie brisant dieses ganze
Thema ist.
Ich frage Sie: Inwieweit sind Sie bereit, eine Ausweitung der Mittel zu forcieren? Ist da etwas geplant? Inwieweit würden Sie sich da einbringen? Teilen Sie die
Meinung der Chefin der IEA?
Sie müssen mir erst gestatten, zu fragen, ob diese Forderung sich nur auf Deutschland oder auf die internationale Energiepolitik bezieht.
Auf die internationale Energiepolitik natürlich. Aber
Deutschland ist ja ein Teil davon.
Dass es in der internationalen Energiepolitik wünschenswert wäre, dass andere Staaten ähnlich handeln
wie wir, unterstreiche ich. In Deutschland, finde ich, haben wir auf diesem Gebiet eine Menge getan. Ich habe es
schon gesagt: Der Forschungsetat wurde fast verdoppelt.
Übrigens beziehen sich die Zahlen in diesem Energieforschungsbericht auf das Jahr 2014. Das liegt daran,
dass wir bei Drucklegung des Energieforschungsberichts
die alte mittelfristige Finanzplanung als Grundlage nehmen mussten. Schauen Sie sich an, wie die mittelfristige
Finanzplanung bis 2019 aussieht: Die Mittel steigen an,
und zwar auf über 1 Milliarde Euro. Also, wir steigern
unsere Ausgaben in diesem Bereich; aber die Chefin der
Internationalen Energieagentur hat mit ihrer Meinung
völlig recht, dass andere Staaten das genauso machen
sollten.
Herr Röspel.
Für eine erfolgreiche Energiewende werden die privaten Haushalte eine zentrale Rolle spielen, was Effizienz,
aber eben auch die Steuerung der Nachfrage anbelangt.
Meine Frage ist, ob es geplant ist, Forschungsmittel in
diesem Bereich, Umgang mit Energie und Effizienz in
privaten Haushalten, verstärkt einzusetzen. Den Wirtschaftsminister möchte ich gerne fragen, ob überlegt
wird, Einführungsprogramme hinterherzuschieben.
Diese Programme gibt es schon. Wir in der Koalition
haben im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz für
die kommenden Jahre gerade 1,2 Milliarden Euro zur
Steigerung der Energieeffizienz zur Verfügung gestellt.
Davon ist ein großer Teil für private Haushalte vorgesehen, etwa die Erhöhung der Mittel für das Marktanreizprogramm, für das Austauschprogramm für veraltete
Kessel, für die Heizungstechnik, und zwar von der Beratung bis zum Zuschuss. Insofern tun wir schon das, wonach Sie gefragt haben. Gleichzeitig haben Sie völlig
recht: Auch in der Energieforschung muss in diesem Bereich, auch was die Konsum- und Nachfrageseite angeht,
noch mehr passieren.
Übrigens diskutieren wir häufig über Industrie 4.0.
Wenn es einen Anwendungsbereich gibt, in dem Sie das
real sehen können und in dem man in den kommenden
Jahren die Entwicklung des Internets der Dinge erleben
kann, dann ist es der Bereich der Energieproduktion, der
Energienachfrage und vor allen Dingen der Energieverteilung. Das wird ohne intelligente Systemtechnik und
Smart Grids nicht gehen. Da spielt das, was Sie angesprochen haben, eine zentrale Rolle.
Kollege Rossmann.
Herr Minister, als Abgeordneter für die einzige deutsche Hochseeinsel Helgoland muss ich Sie zu Ihrer Einschätzung, was Offshore angeht, fragen, speziell zu dem
Beitrag, den Sie über das Forschungsprogramm für die
gute Einbindung ökologischer und anderer Belange von
Offshore geleistet haben. Generell habe ich noch die
Frage, wie Sie die weitere Offshoreentwicklung einschätzen.
Herr Kollege Rossmann, wir haben gerade am letzten
Wochenende erleben können, dass sich die frühere Entscheidung, in Forschung zu investieren, die schon unter
meinem Amtsvorgänger als Bundesumweltminister,
nämlich Jürgen Trittin, getroffen wurde, sehr gelohnt
hat. Wir haben damals die Forschungsplattform Alpha
Ventus mit großen Schwierigkeiten in Gang bekommen.
Wir können jetzt, round about zehn Jahre später, sehen, dass wir den Durchbruch in der Industrialisierung
bei Offshore erleben. Dafür war die Forschung die zentrale Voraussetzung. Sie ist auch noch nicht zu Ende. Wir
werden in Europa über Standardisierungen reden müssen, um den Industrialisierungsgrad immer mehr zu erhöhen. Industrialisierung heißt nichts anderes, als dass
eine höhere Anzahl von Projekten, die standardisiert
sind, realisiert wird, um die dadurch entstehenden Preisvorteile den Kunden anbieten zu können.
In dieser Phase sind wir jetzt. Wir haben gerade das
Projekt DanTysk von Vattenfall an der deutsch-dänischen Grenze eröffnen können. Das ist ein gewaltiger
Park mit 80 Anlagen. Der nächste ist schon in Planung.
Das zeigt, dass sich die Forschungsaktivitäten gelohnt
haben. Sie kommen aus Schleswig-Holstein.
({0})
Herr Minister, achten Sie bitte auf die Zeit.
Dann höre ich jetzt auf.
Das wird alles in Echtzeit übertragen.
Herr Präsident, ich wollte eigentlich nur noch sagen,
dass wir uns in Norddeutschland insgesamt freuen können, dass wir nach Jahrzehnten der Deindustrialisierung
und des Verlustes industrieller Arbeitsplätze jetzt das
Gegenteil erleben. Das zeigt den Erfolg, der mit der Forschung begonnen hat.
Ich habe jetzt noch die Wortmeldungen von Frau
Kotting-Uhl, Herrn Lenkert, Herrn Heil, Herrn Ebner
und Herrn Diaby. Damit würde ich gerne die Fragen zu
diesem Bericht abschließen. Dann sind wir ziemlich genau in der Zeit, die wir üblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehen haben, und haben dann noch
einige bereits angemeldete zusätzliche Fragen an die
Bundesregierung. - Ich stelle Einvernehmen fest.
Frau Kotting-Uhl.
Dann quäle ich Sie jetzt nicht mehr mit Aussagen zur
Kernfusion in Ihrem Bericht, die nicht zu dem passen,
was Sie gerade sagten.
Sie quälen mich überhaupt nicht.
Ich frage Sie noch zur nuklearen Sicherheitsforschung, die - da sind wir uns völlig einig - absolut wichtig ist. Ich mache in meinem Karlsruher Institut KIT die
Erfahrung, dass dort unter diesem Begriff auch andere
Forschung betrieben wird, zum Beispiel die Forschung
zur Sicherheit von Brennelementen für Reaktoren der
vierten Generation. Ist Ihnen das bewusst? Weiß das
Ministerium, dass das unter dem Begriff der nuklearen
Sicherheitsforschung betrieben wird, und wie wird das
dann begründet?
Mir ist es nicht bewusst. Ob das Ministerium das
weiß, muss ich fragen. Dann kann ich Ihnen sagen, ob es
dafür eine kluge Begründung gibt. Das mache ich übrigens gerne.
({0})
Kollege Lenkert.
Herr Minister, Sie führten vorhin aus, dass es von der
Entwicklung der ersten Offshoreplattform bis zum industriellen Durchbruch zehn Jahre gedauert hat. Das
sind in etwa die Forschungszeiträume. Sie führten auch
aus, dass Sie bei den Speichern noch keinen Bedarf betrachte. Wenn ich die Pläne der Bundesregierung zum
Einsatz erneuerbarer Energien betrachte, dann sehe ich,
dass der Bedarf an Speichern in absehbarer Zeit auf uns
zukommt. Zumindest in 10, 15 Jahren könnte es schon
so weit sein.
Deswegen meine Frage: Investieren Sie größere Summen in die Speicherentwicklung, in neue Speichertechnologien, sei es auf Batteriebasis, sei es auf chemischer
Basis? Inwieweit werden diese Forschungsprojekte von
Ihrem Haus deutlich unterstützt? Wir haben bei der
E-Mobilität einen Rückstand der einheimischen Industrie erlebt. Die Firma Tesla möchte die Bundesrepublik
jetzt mit preiswerten Speichern beliefern. Das heißt,
auch auf diesem Gebiet scheint ein Rückstand zu entstehen. Wie sehen Sie das als Wirtschaftsminister? Was
wollen Sie tun, um diesen Rückstand aufzuholen? Wollen Sie mit einem massiven Forschungsprogramm gegensteuern?
Die Antwort finden Sie auf Seite 15 des Energieforschungsberichts. Dort wird über Energieverteilung und
Energienutzung berichtet. Unter dem Punkt „Speicher“
steht zum Beispiel, dass wir in den beteiligten Ressorts
- mein Haus und das BMBF - aus dem Energie- und
Klimafonds 283 Projekte mit einer Gesamtförderung
von 190 Millionen Euro fördern. Im Jahr 2014 wurden
Fördermittel in Höhe von rund 57 Millionen Euro ausgezahlt. 67 Projekte wurden neu angestoßen. - Dort finden
Sie eine relativ lange Ausführung, die die Frage noch
konkreter beantwortet.
({0})
Hubertus Heil.
Herr Bundesminister Gabriel, Sie haben vorhin in Ihrem Bericht ausgeführt, dass das Zusammenführen von
Energiepolitik und den Teilen im Bereich der Energieforschung, die aus dem Bundesumweltministerium gekommen sind, in einem Haus, nämlich seit der Bundestagswahl in Ihrem Haus, sehr gut funktioniert. Können
Sie uns ein bisschen näher berichten, welche Synergiemöglichkeiten diese Bündelung von Energieforschung
und Energiepolitik in einer Hand für die Energiewende
bedeutet?
In einer Minute!
({0})
Solche Möglichkeiten entstehen erstens dadurch, dass
Häuser nicht mehr gegeneinander arbeiten, und zweitens
dadurch, dass man die Abteilungen nicht einfach in ein
anderes Haus überführt, sondern die Abteilungen auflöst
und ein gemeinschaftliches Arbeiten bewirkt, damit die
nicht weiter in ihren Silos denken. - Das war unter einer
Minute, Herr Präsident.
Ich war fast versucht, Ihnen eine Gutschrift in Aussicht zu stellen.
({0})
Aber da ich sicher bin, dass Sie davon sofort Gebrauch
gemacht hätten, habe ich dieser Versuchung tapfer widerstanden. - Ich habe das aber mit Respekt registriert.
Kollege Ebner.
Herr Minister, es steht auch die Weiterentwicklung
des 6. Energieforschungsprogramms an. Ich möchte Sie
fragen, ob denn die Bundesregierung trotz des fraktionsübergreifend beschlossenen Atomausstiegs plant, dort
weitere Gelder für die Erforschung atomarer Technologien wie Kernfusion, Transmutation und diese Dinge bereitzustellen und, wenn ja, mit welcher Begründung.
Die Debatten darüber laufen. Wir werden das sicher
im Rahmen der internationalen Verträge tun müssen; ich
glaube, dass wir da keine Chance haben. Ansonsten gibt
es darüber natürlich eine Diskussion innerhalb der Regierung, und die ist nicht abgeschlossen.
({0})
Kollege Diaby.
Herr Minister, die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich für das Thema selbstverständlich immer noch
sehr. Deshalb meine Frage: Welche Rolle spielt der gesellschaftliche Dialog im Bereich Energieforschung?
Was wir natürlich versuchen, ist, auch Projekte zu unterstützen, die die Akzeptanzforschung vorantreiben.
Wir alle wissen, dass das nicht nur in der Energiepolitik
eine Rolle spielt, sondern bei fast allen Infrastrukturprojekten größerer Natur, manchmal auch bei kleineren Projekten. Deswegen ist Akzeptanzforschung auch ein Teil
dessen, was wir tun.
Damit schließen wir diesen Bereich ab.
Bevor ich die angemeldeten sonstigen Fragen an die
Bundesregierung aufrufe, frage ich der guten Ordnung
halber, ob jemand noch Fragen zur heutigen Kabinettssitzung hat. - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe jetzt die sonstigen Fragen an die Bundesregierung auf. - Kollege Hofreiter.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, mich
würde interessieren, ob das Modell, das Sie am Montag
vorgestellt haben, und zwar das Modell „Investitionsschutzvertrag“, auch Ihre persönliche Position ist oder
ob das nur die Position des Gutachters ist, und ob Sie
vorhaben, diese Position zur Position des Kabinetts zu
machen, oder ob das de facto eine Privatmeinung bleibt.
Es ist erstens natürlich die Position des Gutachters,
zweitens meine, drittens im Kern die von mindestens
fünf weiteren Handelsministern in der Europäischen
Union, viertens, wenn ich richtig verstanden habe, was
Frau Malmström dem Europäischen Parlament und morgen dem Handelsministerrat vorstellen will, grundsätzlich auch die Position der zuständigen Kommissarin der
EU. Wenn die Vorschläge konkretisiert sind, dann wird
sich darüber sicherlich auch die gesamte Bundesregierung eine Meinung bilden müssen.
Frau Kollegin Dröge.
Schon einmal vielen Dank, Herr Minister Gabriel, für
diese erste Antwort. Wir hatten Sie schon einmal nach
den Positionen der Handelsminister gefragt. Ihr Staatssekretär hat auf die Frage, ob das Gutachten der Position
der Bundesregierung entspricht, nie eine Antwort gegeben. Deshalb: Wenn Sie jetzt vorhaben, das Ergebnis des
Gutachtens zur Position der Bundesregierung zu machen, ist das schon einmal eine interessante Aussage von
Ihnen. Frau Zypries hat eben im Wirtschaftsausschuss
gesagt: Das ist erst einmal nicht die Position der Bundesregierung.
Wir haben jetzt bei CETA einen Vertragsentwurf auf
dem Tisch, der andere Regelungen vorsieht. Wenn Sie
das, was Sie ausgeführt haben, ernst meinten, müssten
Sie die entsprechenden Regelungen auch im Rahmen
von CETA durchsetzen. Ansonsten ist es aus meiner
Sicht wenig wahrscheinlich, dass Sie es bei TTIP hinbekommen. Deswegen die konkrete Frage: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen über CETA entsprechende Regelungen einfordern, oder wird sie mit
den bisher vorgesehenen Schiedsgerichten vorliebnehmen?
Zur zweiten Frage. Frau Malmström hat aus meiner
Sicht einen multilateralen Gerichtshof nur in Aussicht
gestellt, aber nicht konkret vorgeschlagen, ihn im Rahmen von TTIP durchzusetzen. Wie würden Sie damit
umgehen, wenn Frau Malmström nicht anstrebte, den
multilateralen Gerichtshof im Rahmen von TTIP durchzusetzen, und es bei der Schaffung von Schiedsgerichten
bliebe?
Erstens. Ich glaube, dass die Reihenfolge umgekehrt
ist: Die Kommission ist die Verhandlerin, sie muss eine
Position entwickeln; danach müssen sich die beteiligten
Regierungen dazu eine Meinung bilden. Ich glaube, dass
es sinnvoll ist, dann in der Bundesregierung über die
Frage zu reden, wenn Frau Malmström ihren Vorschlag
vorgelegt hat. Das will sie morgen im Handelsministerrat tun.
Zweitens. Ich habe Frau Malmström anders verstanden als Sie - wir werden es sehen. Insofern halte ich Ihre
Schlussfolgerung, man könne das, wenn man CETA so
lasse, wie es ist, nicht in den Verhandlungen mit den
USA durchsetzen, für falsch. Frau Malmström argumentiert genau umgekehrt. Sie sagt: Ich mache diesen Vorschlag jetzt, damit niemand den Eindruck hat, das Abkommen mit Kanada sei eine Blaupause für das
Abkommen mit den USA. - Es gibt sogar die Absicht,
wichtige Schritte in den Verhandlungen mit den USA bis
Ende des Jahres abzuschließen. Ob das gelingt, wird
man sehen. Der Abschluss der Verhandlungen mit Kanada
könnte sogar danach liegen, weil das Legal Scrubbing,
wie wir hören, wahrscheinlich sogar bis Januar andauert
- vielleicht auch nur bis Ende dieses Jahres -, sodass ich
Ihre Auffassung, das eine Abkommen sei eine Blaupause für das andere, überhaupt nicht teile. Vielmehr ist
das Abkommen mit Kanada ausverhandelt; das habe ich
mehrfach hier im Deutschen Bundestag gesagt. Wir versuchen trotzdem, im Rahmen der Möglichkeiten, die es
gibt, Veränderungen herbeizuführen, die auch die
Schiedsgerichte betreffen. Aber ich habe immer gesagt,
dass dies bei einem ausverhandelten Abkommen sehr
schwierig ist - nicht unmöglich, aber schwierig.
Dagegen ist bei TTIP wirklich alles offen. Es gab ein
Konsultationsverfahren, das zu den entsprechenden Ergebnissen geführt hat. Warum sollten wir, wenn Frau
Malmström jetzt einen Vorschlag für die Verhandlungen
mit den Vereinigten Staaten unterbreitet, der in Richtung
eines Handelsgerichtshofes geht, nicht versuchen, ihn
gegenüber den Vereinigten Staaten vor Ende des Jahres
durchzusetzen? Dann wären Ihre Sorgen nicht mehr berechtigt, und die Arbeit hätte sich gelohnt. Ich bin sehr
sicher: Die Bundesregierung würde sich, wenn sie über
einen solchen Vorschlag von Frau Malmström beraten
würde, garantiert nicht dagegenstellen, sondern den Vorschlag - ganz im Gegenteil - unterstützen.
Herr Minister, wir sind uns einig, dass die nicht vorhandene Zeitgutschrift jetzt verbraucht ist?
Wir sind uns einig, Herr Präsident.
Herr Kollege Krischer.
Herr Minister Gabriel, Sie haben vor einigen Wochen
einen Vorschlag gemacht - Stichwort „Klimaschutzabgabe“ -, der für interessante, spannende Debatten, Diskussionen und auch Demonstrationen sorgt. Wenn ich
Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Dieser
Vorschlag ist mit der Frau Bundeskanzlerin abgestimmt,
zumindest ist er ihr im Vorfeld bekannt gewesen. Meine
Frage ist: Könnten Sie uns erläutern, in welcher Weise,
in welcher Form diese Abstimmung erfolgt ist und wie
die Reaktion der Frau Bundeskanzlerin war?
Ich kann nur wiederholen, was ich damals schon gesagt habe: Selbstverständlich gehe ich nicht mit einem
solchen Vorschlag an die Öffentlichkeit, ohne ihn vorher
mit dem Kanzleramt zu beraten. Jetzt gibt es eine Diskussion darüber, ob die Sorgen, die die Beschäftigten
und die Unternehmen haben, gerechtfertigt sind oder
nicht. Wären sie gerechtfertigt, müssten wir natürlich einen anderen Vorschlag entwickeln. Wir glauben nicht,
dass die Sorgen gerechtfertigt sind. Trotzdem gibt es
eine Debatte über denkbare Alternativen. Ich habe übrigens immer gesagt: Wenn jemand Alternativen hat, die
das gleiche Ergebnis erzielen, nämlich Substanz im Klimaschutz, also Senkung der Emissionen um 40 Prozent
bis 2020, dann spricht nichts dagegen, zu prüfen, ob
diese Alternativen kostengünstiger oder einfacher sind.
Bislang kenne ich solche Alternativen nicht.
Wir sind in den Beratungen. Das gilt für mich und andere Mitglieder der Bundesregierung. Das ist ein ganz
normaler Prozess.
Kollege Lenkert.
Herr Minister, Sie führten zu Recht aus, dass TTIP
nicht unbedingt eine Kopie von CETA ist. Aber Tatsache
ist nun einmal: Sollte CETA mit den vorgesehenen Investitionsschutzklauseln in Kraft treten, dann braucht
beispielsweise ein amerikanisches Unternehmen nur
eine Niederlassung in Kanada, um unter den kanadischen Vertragstext zu fallen. Unter diesem Aspekt ist die
Frage sehr wichtig, inwieweit Sie CETA zustimmen
werden, wenn in dem Abkommen die Schiedsgerichte in
der jetzigen Form beibehalten werden.
Ergänzend möchte ich Sie fragen: Wir haben Informationen, dass es nicht die kanadische Seite gewesen ist,
die auf den Schiedsgerichtsverfahren im Abkommen bestanden hat, sondern dass die EU dies so haben wollte.
Wo sind die Widerstände gegen eine Streichung der
Schiedsgerichte in dem Abkommen größer: in Teilen der
Europäischen Union oder in Kanada?
Ihre zweite Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
Zu Ihrer ersten Frage: Wenn das stimmen würde, was
Sie sagen, dann könnte man sich fragen, warum es nicht
schon seit Jahrzehnten derartige Klagen gegen Deutschland gibt. Denn Deutschland hat, glaube ich, über
130 Investitionsschutzabkommen mit vielen Ländern,
die im Übrigen wesentlich höhere Schutzstandards für
Investoren vorsehen und daher für Investoren viel attraktiver sind. In den meisten dieser Länder gibt es auch
amerikanische Unternehmen. Wenn Ihre Befürchtung
also gerechtfertigt wäre - ein amerikanischer Konzern
sucht sich eine Filiale irgendeines Unternehmens aus,
um gegen Deutschland zu klagen -, müsste es wenigstens eine solche Klage gegeben haben. Es gab eine einzige relevante Klage, und zwar die berühmte Klage von
Vattenfall, aber die hat nichts mit den USA zu tun. Ich
sehe in der Realität die Gefahr einer solchen Klage nicht.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Ihre
Antwort auf die Frage von Kollegen Krischer klingt
nach Rolle rückwärts. Sie haben das jetzt also nicht mit
der Kanzlerin besprochen, sondern nur noch mit dem
Kanzleramt. Ist das darauf zurückzuführen, dass es in
der Union und in den Gewerkschaften einen Aufstand
gegen Ihren Vorschlag gibt? Können wir das so werten,
dass Sie in Bezug auf Ihren Vorschlag auf dem Rückzug
sind?
Ich bin schon allein körperlich nicht geneigt zur Rolle
rückwärts, intellektuell und politisch auch nicht.
({0})
Zu Ihrer Frage: Sie können das nicht so werten. Ich füge
hinzu: Die Bundeskanzlerin sitzt im Kanzleramt.
Das wird sicher auch noch Gegenstand intensiver
Nachprüfungen werden. - Nun ist die Kollegin KottingUhl an der Reihe.
Ich möchte auf das Modell Investitionsschutzvertrag
in TTIP zu sprechen kommen. Ein Teil davon ist der
Handelsgerichtshof, der öffentlich tagen soll. In der
Presse war zu lesen, dass Sie das sehr positiv bewerten.
Kollege Miersch, der umweltpolitische Sprecher der
SPD-Fraktion, hat das heute in der TTIP-Debatte im
Umweltausschuss positiv eingebracht. Aber die Frage
ist, ob das in der EU mehrheitsfähig wäre. Würden Sie
sich, Herr Minister, dafür einsetzen, dass sich die Bundesregierung gegen die Aufnahme eines ISDS-Mechanismus in TTIP ausspricht, falls ein solcher Handelsgerichtshof in der EU nicht mehrheitsfähig wäre?
Da der Vorschlag, einen Handelsgerichtshof einzurichten, mein eigener ist, für den ich Unterstützung bei
mindestens fünf meiner Kollegen gefunden habe - das
ist schon wieder ein Vierteljahr her, wahrscheinlich sind
es heute mehr -, werde ich zunächst in der EU für diesen
Vorschlag werben, damit er mehrheitsfähig wird. Bislang gibt es keine Anzeichen für massiven Widerstand.
Wenn die Handelskommissarin den Vorschlag ebenfalls
aufgreift, dann ist das eher ein Zeichen dafür, dass man
optimistisch sein kann, den Vorschlag durchzusetzen.
Zu Ihrer Frage nach der Haltung der Bundesregierung, falls der Vorschlag nicht durchzusetzen wäre: Ich
möchte in diesem Zusammenhang auf die letzte Bundesregierung verweisen - das war eine Bundesregierung aus
CDU, CSU und FDP -, die bei der Mandatserteilung in
Bezug auf TTIP zu Protokoll gegeben hat, dass sie der
Überzeugung sei, dass zwischen entwickelten Rechtsstaaten diese Art privater Schiedsgerichte nicht notwendig sei. Daran erkennen Sie, dass sich schon in der letzten Regierung eine kritische Haltung gegenüber dieser
Art Schiedsgerichte entwickelt hat. Ich bin aber sehr optimistisch, was moderne Schiedsverfahren vor öffentlich-rechtlichen Handelsgerichtshöfen angeht.
Kollege Ebner.
Herr Minister, wenn wir über Schiedsgerichtsverfahren reden, dann ist damit oft die Sorge verbunden, dass
durch Schiedsgerichtsverfahren an unseren berühmten
Standards, an unseren Regulierungskompetenzen und
Festsetzungskompetenzen für Standards gerüttelt werden kann. Wir haben viele Beteuerungen und Versprechungen gehört, dass natürlich niemand an den Standards rüttele, dass die europäischen Standards erhalten
blieben.
Ich möchte Sie fragen, wie Sie das Angebot der Europäischen Union an die USA bewerten, beispielsweise bei
Pestizidrückstandswerten die Vorgaben des Codex Alimentarius zu übernehmen, der in weiten Bereichen ganz
andere Werte enthält als unsere bislang geltenden europäischen Grenzwerte. Ich nenne nur ein Beispiel: das
Pestizid Captan. In Europa haben wir dafür einen Rückstandswert von 3 Milligramm pro Kilogramm, und der
Codex Alimentarius sieht 15 Milligramm pro Kilogramm vor. Da gibt es also erhebliche Standardunterschiede. Wie bewerten Sie dieses Angebot vor dem Hintergrund der Aussagen, niemand wolle Standards
antasten?
Das ist ganz einfach: Geltende Rechtsvorschriften zu
solchen Standards in der Europäischen Union können
durch kein Freihandelsabkommen der Welt geändert
werden. Dazu müssten Sie ein entsprechendes Verfahren
zur Änderung der Richtlinie, nationaler Gesetze oder
was immer durchführen. Dazu wird uns niemand zwingen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt keine Möglichkeit,
rechtlich durch ein Freihandelsabkommen bestehende
gesetzliche Standards oder Richtlinien unmittelbar zu
ändern. Da hat sich irgendwie eine komische Verfassungsvorstellung entwickelt.
Übrigens sind auch Regulatory Bodies, in denen so
etwas beraten wird, nicht in der Lage, das zu ändern. Wir
müssen nach wie vor das tun, was wir nach WTO-Recht
schon immer tun mussten: Wir müssen mit den Handelspartnern Änderungen unserer Standards besprechen. Es
gibt keine Möglichkeit, durch ein Handelsabkommen
geltendes europäisches Recht unmittelbar außer Kraft zu
setzen.
Frau Haßelmann.
Herr Minister, ich habe eine Frage zu einem anderen
Thema.
Ist das jetzt ein anderer Komplex?
Ja, das ist ein anderer Komplex.
Ich habe den Eindruck, dass Frau Dröge und Frau
Hänsel noch zu diesem Komplex Fragen stellen wollen.
Alles klar.
Dann nehmen wir zunächst die beiden dran. - Frau
Dröge.
Vielen Dank für die Gelegenheit, noch einmal nachzufragen. - Meine Frage schließt sich an die Frage von
Frau Kotting-Uhl an. Ich habe den Eindruck, Sie
scheuen wie der Teufel das Weihwasser eine klare Positionierung der Bundesregierung. Es scheint mir so zu
sein, dass Sie eher glauben, mit Frau Malmström etwas
durchsetzen zu können, als im eigenen Kabinett einen
Beschluss hinzubekommen, obwohl auch das ein möglicher Weg wäre. Angesichts der Tatsache, dass Frau
Malmström den internationalen multilateralen Handelsgerichtshof nur als langfristige Perspektive beschrieben
hat, muss man ihre Chancen, ihn auf europäischer Ebene
durchzusetzen, aber erst einmal vorsichtig bewerten.
Weil wir diese Debatte nun schon wirklich lange miteinander führen, frage ich Sie: Warum gibt es keine
Klarheit über das Konzept der Bundesregierung? Bisher
führen Sie nette Ablenkungsmanöver durch. Solange Sie
den Eindruck erwecken, dass Sie das in Brüssel verhandeln, müssen Sie nicht die Frage beantworten, was die
Bundesregierung tun wird, wenn Sie keinen Erfolg haben. Wenn Sie aber einen Kabinettsbeschluss mit einer
klaren Position der Bundesregierung hätten - das Konzept hätten Sie am Montag vorstellen können -, dann
hätten die Bürgerinnen und Bürger Klarheit darüber, was
sie tun würde, wenn die Schiedsgerichte so, wie sie im
EU-Konsultationsentwurf für TTIP und CETA vorgesehen sind, eingesetzt würden. Deshalb lautet meine Frage:
Warum gibt es keine gemeinsame Position der Bundes9746
regierung? Warum gibt es immer nur ausweichende Antworten?
Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Ihr Gedächtnis
dafür nicht ausreicht.
({0})
- Ja. - Das vorweggeschickt, möchte ich Sie daran erinnern, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen in
der Debatte über meinen Haushalt eine intensive Debatte
darüber geführt haben, in der ich Ihnen gesagt habe, dass
mein Haus am 12. September des vergangenen Jahres im
Rahmen des Handelsministerrates eine Stellungnahme
abgab, die natürlich innerhalb der Bundesregierung abgestimmt war, mit der wir klargemacht haben, was wir
von diesen privaten Schiedsgerichten halten.
Das haben wir abgestimmt in der Bundesregierung
gemacht. Dies ist im Protokoll des Handelsministerrates
nachlesbar und wurde Ihnen gegenüber hier von mir
mehrfach erläutert. Abgesehen davon, dass ich Lutheraner bin und deshalb den Teufel nicht scheue und erst
recht kein Weihwasser, halte ich das, ehrlich gesagt, für
einen nicht zu rechtfertigenden Vorwurf.
({1})
Zweitens. Die Europäische Union - als Abgeordneter
und Politiker weiß ich, dass man sich an Verfahren der
Europäischen Union nicht halten muss; als Regierungsmitglied muss man das - hat die Verhandlungen über ein
Schiedsgerichtsverfahren ausgesetzt, und zwar wegen
des Protestes der Mitgliedstaaten und des Parlaments.
Sie hat dann ein sehr umfangreiches Konsultationsverfahren durchgeführt, und jetzt, heute und morgen, stellt
Frau Malmström die Konsequenz dieses Konsultationsverfahrens vor. Monatelang sind die Verhandlungen mit
den USA mit der Begründung ausgesetzt worden: Wir
wollen jetzt erst einmal hören, was die Mitgliedstaaten,
die Bürger und die Stakeholder darüber denken. - Heute
und morgen macht sie einen Vorschlag.
Jetzt müssen Sie mir einmal erklären, warum sich die
Bundesregierung mitten in diesem Verfahren aus der
Tiefe ihres Gemüts eine Meinung dazu bilden soll. Es
macht doch Sinn, dass wir uns anhören, zu welcher Konsequenz Frau Malmström gekommen ist, und uns dann
eine Meinung dazu bilden. Ich finde, das ist ein effizienteres Verfahren, als sich etwas auszudenken und zu gucken, was dann passiert.
Frau Hänsel.
Danke schön. - Herr Minister Gabriel, ich verfahre da
aber lieber nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle
ist besser. Ich möchte noch einmal auf die Standards Bezug nehmen. Sie sagten: Kein Vertrag der Welt kann die
Standards absenken. Meine Frage ist: Wird bei gegenseitiger Anerkennung von Standards die Möglichkeit eröffnet, dass sich Unternehmen aus Europa in den USA niederlassen, unter den dortigen Standards produzieren und
im Rahmen des Freihandelsabkommens ihre Produkte in
die EU einführen? Wird es durch eine gegenseitige Akzeptanz der Standards zu dieser Möglichkeit kommen,
oder können Sie das definitiv ausschließen?
Die gegenseitige Anerkennung von Standards ist nur
möglich, wenn sie vergleichbar sind. Wenn sie vergleichbar sind, spricht schon heute nichts dagegen, dass
ein Unternehmen, egal in wessen Besitz es sich befindet,
nach Europa exportiert. Es geht um die Frage: Ist etwas
vergleichbar oder nicht?
Ein Beispiel: Im Bereich der Chemikaliensicherheit
scheint es zurzeit sehr schwierig zu sein, die Amerikaner
davon zu überzeugen, REACH, einen in Europa entwickelten hohen Standard, zu akzeptieren. Es kann sein,
dass das Ergebnis davon, dass wir keine vergleichbaren
Standards haben, ist, dass es keine Marktöffnung in diesem Bereich geben wird. Das kann sein. Das ist ein
denkbares Ergebnis.
Verhandlungen bedeuten nicht, dass überall gleiche
Standards entstehen müssen. Es kann durchaus sein, dass
es dort, wo es keine Vergleichbarkeit gibt, keine Marktöffnung gibt. Ich finde, das wird immer ein bisschen vergessen. Übrigens ist das kanadische Abkommen wirklich eine schöne Blaupause; denn dort wird klargemacht,
warum das nicht geht.
Ansonsten erlaube ich mir die Bemerkung, dass ich
an Ihrer Stelle dieses Zitat zumindest in Ihrer Partei nicht
verwenden würde,
({0})
weil es historische Wurzeln bei Lenin hat, die wir vielleicht nicht zur Grundlage unserer Art des Umgangs machen sollten.
({1})
Frau Haßelmann, ich ziehe Frau Höhn, die jetzt,
glaube ich, zum gleichen Sachverhalt eine Nachfrage
hat, vor. - Bitte.
Herr Minister Gabriel, eben ist von meiner Kollegin
schon nach den Schiedsgerichten gefragt worden. Ich
habe noch eine Frage zu CETA. Es wird hinsichtlich der
Schiedsgerichte versucht, im Legal Scrubbing - in diesem Verfahren sind wir momentan - noch Veränderungen zu erreichen. Gibt es Bemühungen der Bundesregierung, nicht nur hinsichtlich der Schiedsgerichte bei
CETA, sondern auch bei anderen Punkten, wie zum BeiBärbel Höhn
spiel der regulatorischen Kooperation, in diesem Legal
Scrubbing noch Änderungen zu erreichen?
Die Vorschläge zur Veränderung beziehen sich nicht
nur auf das Thema Schiedsgerichte, sondern auch auf
andere. Zum Beispiel hat das BMF Hinweise zum
Thema Haftung für Umschuldungsmaßnahmen von
Staatsanleihen gemacht. Wir haben, glaube ich, noch
weitere Vorschläge zur Klärung von Begriffen im Bereich „Kultur und Medien“ gemacht. Es geht ja immer
um diesen unscharfen Rechtsbegriff „fair and equitable
treatment“. Die Diskussionen beziehen sich also nicht
nur auf das Thema Schiedsgerichte.
Die Erfolgsaussichten sind offen.
Frau Haßelmann.
Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, ich habe eine
Frage zu einem anderen Thema, und zwar zur BND-Affäre.
({0})
- Ich finde es ganz naheliegend. Denn ich glaube, die
Öffentlichkeit und auch uns im Parlament muss es interessieren; das tut es auch. Ich habe das Gefühl, im Kabinett ist es merklich ruhiger um dieses Thema; aber das
war nur eine Vorbemerkung.
Meine Frage an Sie: Wenn dem Bundeskanzleramt
seit spätestens 2008 und dem Bundesinnenministerium
seit 2005 bekannt war, dass es eine Kooperation zwischen NSA und BND gab, und wenn auch der Vorgang
der Wirtschaftsspionage bekannt war, können Sie mir
dann erklären, warum das Thema Wirtschaftsspionage,
das ja mit Ihrem Haus zu tun hat - auch ich habe gesehen, wie empört Sie gestern reagiert haben -, bisher
überhaupt keine Relevanz im Hinblick auf das Handeln
der Bundesregierung insgesamt hatte? War das jemals
Thema im Kabinett? Was ist eigentlich damit? Ich kann
mir nicht vorstellen, dass man das seit 2008 oder 2005
weiß, dass der Wirtschaftsminister plötzlich und ganz
spontan erfährt, dass es so etwas wie Wirtschaftsspionage gibt, aber in Ihrer Bundesregierung nicht darüber
gesprochen wird.
Erstens ist Wirtschaftsspionage schon beim Aufkommen des NSA-Skandals ein Thema gewesen. Das war
vor der letzten Bundestagswahl. Es ist auch damals
schon öffentlich darüber philosophiert worden, ob es,
über den bekannten EADS-Fall hinaus, Hinweise darauf
gab.
Zweitens gehe ich natürlich davon aus, dass die Bundesregierung, egal in welcher Zusammensetzung, oder
die zuständigen Aufsichtsbehörden diesen Fragen nachgegangen sind. Im Übrigen wird das ja Gegenstand der
Beratungen sowohl im PKGr als auch im NSA-Untersuchungsausschuss sein. Ich finde, das sollten wir jetzt erst
einmal abwarten.
Drittens. Dass wir im Kabinett nicht darüber reden,
liegt daran, dass eine intensive Debatte vor dem Hintergrund von Geheimhaltungspflichten und aus anderen
Gründen nicht in einer Kabinettssitzung, sondern in den
dafür zuständigen Gremien zu erfolgen hat. Deswegen
gab es bisher noch keine Beratungen dazu. Ich wüsste
auch nicht, was das Kabinett jetzt darüber beraten sollte.
({0})
- Sie haben ja nach Kabinettsberatungen gefragt. Ich
finde, die Geschäftsordnung der Bundesregierung lässt,
wenn ich sie richtig verstehe, nur wenig Spielraum, um
in einer Kabinettssitzung über geheimhaltungspflichtige
Dinge zu reden. Dafür gibt es im Zweifel Gremien wie
den Bundessicherheitsrat. Aber jetzt geht es doch erst
einmal darum, dass das Parlamentarische Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss ihre Arbeit
machen. Ich würde sagen: Wenn das erledigt ist, dann
kann man über Bewertungen diskutieren, aber nicht vorher.
Weitere Nachfragen gibt es erstaunlicherweise nicht.
Dann schließe ich hiermit die Regierungsbefragung mit
Dank an den Bundesminister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/4773
Ich werde in der bekannten Reihenfolge der Ressorts
die zur mündlichen Beantwortung eingereichten Fragen
aufrufen.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Höger auf:
Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Frage der
eventuellen Beschaffung von Munition mit abgereichertem
Uran durch die Bundeswehr vor dem Hintergrund entsprechender Überlegungen des ehemaligen Planungsstabchefs im
Bundesministerium der Verteidigung, Hans Rühle ({0})?
Ich bitte den Parlamentarischen Staatssekretär
Brauksiepe um Antwort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt - und sicherlich unter Einhaltung
aller vom Herrn Präsidenten eingeforderten Zeitbegrenzungen -: Die Beschaffung von Munition mit abgereichertem Uran wird durch die Bundesregierung nicht erwogen.
Zusatzfrage?
Ja. - Vielen Dank erst einmal. Ich kann das nur begrüßen, wenn Sie ausdrücklich dabei bleiben.
Herr Rühle hat ja im Zusammenhang mit neuen russischen Panzern ins Gespräch gebracht, dass panzerbrechende Munition aufseiten der Bundeswehr notwendig
sei. Gibt es irgendwelche anderen Planspiele in Ihrem
Hause zu diesem Fakt?
Frau Kollegin, ich versuche, mir jetzt vorzustellen,
was Sie sich unter Planspielen vorstellen.
({0})
Hierzu kann ich Ihnen nur sagen: Zu den Panzern, über
die die Bundeswehr verfügt, gehört auch Munition, und
das wird auch in Zukunft so sein. Die Bundeswehr arbeitet wie andere Länder auch immer an der Verbesserung
ihres Materials.
Ich kann mir jetzt unter Planspielen nichts anderes
vorstellen. Ich kann nur wiederholen, dass die Beschaffung der von Ihnen angesprochenen Munition durch die
Bundesregierung nicht erwogen wird.
Zweite Zusatzfrage.
Warum hat die Bundesregierung dazu bisher nicht öffentlich Stellung genommen, obwohl das ja in der Öffentlichkeit ein Thema war?
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat nach dem,
was mir bekannt ist, auf entsprechende Nachfragen auch
Stellung genommen. Jedenfalls liegt mir mindestens
eine Presseveröffentlichung vor, in der das Bundesministerium der Verteidigung zitiert wird, eine Anfrage
der Welt am Sonntag beispielsweise.
Dann rufe ich jetzt die Frage 2 der Kollegin Höger
auf:
Welche Abstürze, „kontrollierten Landungen“ oder sonstigen Zwischenfälle mit Sach- oder Totalschäden haben sich
seit September 2014 mit Drohnen der Bundeswehr und der
Bundespolizei ereignet ({0}), und
welche ähnlichen Vorkommnisse ereigneten sich anlässlich
der Vorbereitung einer Anfang Juni 2015 geplanten „Heeresausbildungswoche“, zu deren Anlass das Eutiner Aufklärungsbataillon sechs Aufklärungsdrohnen in einem eigens
eingerichteten Sperrgebiet getestet hatte ({1})?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundespolizei verwendet unbemannte Luftfahrtsysteme nach den Regeln der Zivilluftfahrt, insbesondere § 1 Absatz 2 Luftverkehrsgesetz.
Treten Sach- oder Totalschäden ein, so handelt es sich
um Unfälle mit zivilen Luftfahrzeugen. Unfälle mit unbemannten Luftfahrtsystemen sind im Bereich der Bundespolizei seit September 2014 nicht eingetreten.
Kontrollierte Landungen entsprechen bei der Bundespolizei der gewünschten Beendigung eines Fluges, also
dem normalen Verfahren. Dies trifft auch auf die Nutzung von unbemannten Luftfahrtsystemen zu. Sachoder Totalschäden treten natürlicherweise bei einer gewünschten Beendigung eines Fluges nicht auf. Im Bereich der Bundeswehr hat es im angefragten Zeitraum
keine Abstürze oder Zwischenfälle von unbemannten
Luftfahrzeugen mit meldepflichtigen Sach- oder Totalschäden gegeben.
Zusatzfrage.
Es hat im Ostholsteiner Anzeiger vom 26. April 2015
einen Hinweis gegeben, dass zur Vorbereitung der Heeresausbildungswoche durch das Eutiner Aufklärungsbataillon Aufklärungsdrohnen getestet worden seien und
dass es dabei auch zu kontrollierten Abstürzen gekommen sei.
({0})
Es soll also kontrollierte Abstürze von Drohnen bei der
Bundeswehr gegeben haben, und die Frage ist: Wie viele
waren es, und was sind die Ursachen dafür?
Frau Kollegin, ich habe ausgeführt, dass es im angefragten Zeitraum bundesweit keine Abstürze oder Zwischenfälle von unbemannten Luftfahrzeugen mit meldepflichtigen Sach- oder Totalschäden gegeben hat. Dies
schließt selbstverständlich auch den Bereich Eutin ein,
der sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht
in dem von Ihnen in der Frage angesprochenen Bereich
liegt.
Mir ist nichts von solchen Zwischenfällen bekannt,
auch nicht davon, dass es Sicherheitslandungen im Zusammenhang mit dem eingerichteten Sperrgebiet gegeben hätte. Die hat es anderswo gegeben, aber nach meinem Kenntnisstand nicht in diesem Gebiet.
Noch einmal Frau Höger.
Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, dass
für die Drohne LUNA, bei der es eine höhere AbsturzInge Höger
rate gegeben haben soll, weiterhin die Zulassung für den
allgemeinen, auch zivil genutzten Luftverkehr beantragt
werden soll?
Entschuldigung, die Frage habe ich nicht verstanden.
Können Sie sie wiederholen, bitte?
Ist Ihnen bekannt, dass der Hersteller der Drohne
LUNA, die schon häufiger im Zusammenhang mit kontrollierten Abstürzen und mit Fehlern aufgefallen ist,
weiterhin die Zulassung für diese Drohnen für den zivilen Luftraum beantragen will?
Frau Kollegin, das ist mir so nicht bekannt. Ich sehe
hier auch keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Thema der Frage.
Ich kann Ihnen sagen, dass es bundesweit - nicht im
Bereich Eutin - im Zusammenhang mit LUNA seit September 2014 vier Sicherheitslandungen gegeben hat, allerdings ohne meldepflichtige Totalschäden oder Schäden Dritter. Das kann ich Ihnen im Zusammenhang mit
dem Fragekomplex dazu sagen.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Die Frage 3 des Abgeordneten Volker Beck wird
schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Die Fragen werden vom Parlamentarischen Staatssekretär Ferlemann beantwortet.
Die Fragen 4 und 5 wurden vom Abgeordneten
Herbert Behrens, Fraktion Die Linke, gestellt. Da er
nicht anwesend ist, wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Stephan Kühn
werden schriftlich beantwortet.
Damit ist Ihr Geschäftsbereich schon abgeschlossen,
Herr Ferlemann. Wunderbar! Danke schön, dass Sie da
waren.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Die Fragen werden von der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter beantwortet.
Ich rufe die Frage 8 der Abgeordneten Bärbel Höhn
auf:
Wie viele Langzeitarbeitslose wurden seit dem Start des
Programms Stromspar-Check PLUS zu Stromsparhelfern ausgebildet, und wie viele Haushalte erhielten bislang den Zuschuss von 150 Euro für den Geräteaustausch im Rahmen des
Kühlschrank-Abwrackprogramms für einkommensschwache
Haushalte?
Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Höhn, seit Beginn des Projekts
„Stromspar-Check für einkommensschwache Haushalte“
Ende 2008 wurden knapp 4 600 langzeitarbeitslose
Menschen zu Stromsparhelfern geschult. Zurzeit sind
1 200 Stromsparhelfer im Rahmen des Programms
Stromspar-Check PLUS aktiv tätig. Seit Beginn des Programms wurden circa 10 000 Kühlgerätegutscheine an
Haushalte mit geringem Einkommen verteilt. Eingelöst
wurden bis dato 2 000.
Frau Kollegin Höhn.
Speziell zu diesen Kühlschränken habe ich eine
Frage. Es geht hier ja um Kühlschränke der Klasse
A+++. Hierfür gibt es einen Zuschuss von 150 Euro. Ein
Kühlschrank der Klasse A+++ ist über 200 Euro teurer
als ein Kühlschrank der Klasse A++. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage: Können sich einkommensschwache Haushalte diesen teuren Kühlschrank
trotzdem leisten? Glauben Sie, dass so das Ziel dieses
Programms, 16 000 alte Kühlschränke in einkommensschwachen Haushalten zu ersetzen, erreicht werden
kann?
Wir prüfen zurzeit, wie das Programm verbessert
werden kann. Sicherlich gehört dazu nicht nur, zu prüfen, wie man einkommensschwache Haushalte beraten
kann, sondern auch, wie man dafür sorgen kann, dass
dieses Programm bei ihnen auch tatsächlich wirkt. Wie
gesagt: Wir prüfen zurzeit, wie es noch effektiver wirken
kann.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Höhn?
Ja, ich habe noch eine.
Bitte schön.
Herzlichen Dank. - Sie haben ja gesagt, dass schon
10 000 Gutscheine vergeben worden sind. Bedeutet die
Tatsache, dass sie vergeben worden sind, auch wenn sie
nicht eingelöst werden, dass sie abgebucht werden und
nicht mehr zur Verfügung stehen? Oder werden die Mittel, die frei werden, weil nicht genügend Kühlgerätegutscheine eingelöst werden, anderweitig verwendet?
Frau Höhn, die Antwort auf die Frage, wie das ganz
konkret abgewickelt wird, liefere ich Ihnen nach.
({0})
Vielen Dank. - Gibt es weitere Zusatzfragen zu diesem Punkt? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Ich rufe dann als Nächstes die Frage 9 der Kollegin
Sylvia Kotting-Uhl auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über geplante oder laufende Verfahren zur Laufzeitverlängerung
ukrainischer Atomkraftwerke - beispielsweise durch Informationen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({0}) oder
der mit der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde zusammenarbeitenden Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit,
die in erster Linie als Sachverständigenorganisation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB, tätig ist ({1}), oder der deutschen
Botschaft in der Ukraine -, und welche derzeitigen fiskalischen oder sonstigen Einschränkungen des ukrainischen
Atomaufsichtsvollzugs sind der Bundesregierung bekannt?
Bitte schön.
Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, die Ukraine verfügt an vier Kernkraftwerkstandorten über 15 Reaktorblöcke mit einer installierten Kapazität von ungefähr
13 800 Megawatt. Der Anteil der Atomkraft an der Gesamtstromproduktion beläuft sich derzeit auf circa die
Hälfte.
Die Lage im ukrainischen Energiewesen ist, wie wir
alle wissen, angespannt. Das ist vor allem Folge des
Konflikts mit Russland bzw. im Osten der Ukraine und
der damit verbundenen drastischen Reduzierung des Gasimports bzw. der Schwierigkeiten bei der Kohleversorgung aus den Kampfgebieten im Osten der Ukraine sowie der Devisenknappheit aufgrund der erheblichen
Wirtschaftskrise, welche Energieträgerimporte erschwert.
Angesichts der angespannten Lage im ukrainischen
Energiewesen geht deshalb die Tendenz der Ukraine in
Richtung einer maximalen Nutzung der Atomstromkapazitäten und nicht in Richtung einer Reduzierung der
Nutzung in absehbarer Zukunft.
Die Ukraine hat in ihrer schon 2010 verabschiedeten
Nationalen Energiestrategie bis 2030 eine Verlängerung
der Laufzeit aller derzeit betriebenen Reaktoren bzw.
Atomkraftwerke vorgesehen. Bereits 2010 wurden die
Betriebslizenzen für die Reaktoren 1 und 2 am Kernkraftwerk Rowno um 20 Jahre bis 2030 bzw. 2031 verlängert. 2013 wurde die Laufzeit des Reaktorblocks
Nummer 1 am Kernkraftwerk Yuzhno-Ukrainska um
10 Jahre bis 2023 verlängert. Im laufenden Jahr 2015
wird über eine Laufzeitverlängerung für den Reaktor
Nummer 2 am Kernkraftwerk Yuzhno-Ukrainska, für die
Reaktoren Nummer 1 und Nummer 2 am Kernkraftwerk
Zaporizhzhja und von Block 3 des Kernkraftwerks
Rowno entschieden. Mit einer Verlängerung der Laufzeiten ist also zu rechnen. Eine Laufzeitverlängerung für
alle restlichen Reaktoren soll bis 2019 erfolgen.
Die Finanzierung einschlägiger Modernisierungsmaßnahmen erfolgt aus Eigenmitteln des Betreibers, des
staatlichen Unternehmens Energoatom. Es handelt sich
also nicht um Mittel aus dem ukrainischen Budget.
Das ukrainische Parlament hat einen Gesetzentwurf
über die Lizensierung von einigen ökonomischen Aktivitäten verabschiedet. Durch dieses Gesetz scheint es zu
einer Gleichsetzung von Lizensierungen ökonomischer
Aktivitäten mit der staatlichen atomrechtlichen Genehmigung zur unabhängigen Gewährleistung der notwendigen nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes zu
kommen, sodass die Unabhängigkeit der ukrainischen
Atomaufsicht durch den Gesetzentwurf beeinträchtigt
und somit eine international übliche Best Practice verletzt werden könnte.
Denken Sie bitte an die Zeit! Sie haben sie schon
mehr als eine Minute überschritten.
Ja, es handelt sich aber auch um ein ernstes Thema,
das einer gewissen Ausführlichkeit bedurfte.
Vielen Dank. - Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben
sicherlich noch eine Nachfrage.
Ja, Frau Präsidentin. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin für die in der Tat sehr umfangreiche Antwort, die
viel umfangreicher als meine Frage war. Aber es ist nicht
verkehrt bei diesem Thema; da haben Sie völlig recht.
Ich habe stark den Eindruck, dass die ganzen Laufzeitverlängerungen, die dort schon stattgefunden haben,
ohne grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen stattfanden, was ja eigentlich nicht ganz in Ordnung ist. Deshalb meine Frage: Gibt es Erkenntnisse aus
der Ukraine oder Nachrichten an die Bundesregierung,
dass schon eine Notifizierung bezüglich der Laufzeitverlängerungen, die noch anstehen, erfolgt ist, und wenn
nein, was ich jetzt eher vermute, beabsichtigt die Bundesregierung, die Ukraine darauf hinzuweisen, dass
grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen
in diesem Fall angebracht wären?
Mir ist nicht bekannt, inwieweit eine Notifizierung
stattgefunden hat oder inwieweit die Ukraine jetzt Umweltverträglichkeitsprüfungen vornimmt. Ich würde Sie
darüber informieren.
Der zweite Teil meiner Frage - das war ja eine Art
Doppelfrage - bezog sich darauf, ob es in der Ukraine
derzeit fiskalische oder andere Einschränkungen beim
Vollzug der Atomaufsicht gibt. Das wäre ja angesichts
der gesamten Gemengelage vorstellbar. So möchte ich
fragen, ob es diesbezügliche Erkenntnisse der Bundesregierung gibt, und, falls ja, ob man der Ukraine Unterstützung angeboten hat. Ich will hinterherschieben, dass ich
es sehr gut fände, wenn man dies täte, weil gerade bei
den ukrainischen Atomkraftwerken eine gut vollzogene
Atomaufsicht wirklich angebracht wäre.
Es ist sicherlich in unser aller Interesse, dass die Sicherheit bei Kernkraftwerken an erster Stelle steht. Deshalb auch meine ausführlichere Antwort, in der ich Ihnen beschrieben habe, dass Nachrüstungsmaßnahmen
von dem Unternehmen selber aus Eigenmitteln finanziert werden und nicht das ukrainische Haushaltsbudget
als solches angetastet wird.
Die Antwort auf die Frage, inwieweit hier andere Finanzierungen angedacht werden, würde ich Ihnen auch
gerne nachliefern.
({0})
Vielen Dank. - Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann
herzlichen Dank, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, für die Beantwortung.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, die Frage 12 der Abgeordneten
Sevim Dağdelen und die Frage 13 des Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele werden schriftlich beantwortet.
Da alle Fragen dieses Geschäftsbereichs schriftlich beantwortet werden, muss Herr Staatsminister Braun keine
beantworten.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Zypries zur Verfügung.
Die Frage 14 des Kollegen Hans-Christian Ströbele
wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu Frage 15 der Abgeordneten Bärbel
Höhn:
Wann ist nach Einschätzung der Bundesregierung mit der
Vorlage der Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes
zum EU-Singapur-Abkommen zu rechnen, und hält die Bundesregierung es für möglich, dass das EU-Kanada-Abkommen CETA noch vor der Vorlage dieser Stellungnahme in eine
nächste Stufe des politischen Prozesses geht, zum Beispiel Paraphierung bzw. Beginn des Ratifizierungsprozesses?
Bitte schön, Frau Zypries.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Höhn, die Bundesregierung kann keine belastbare Prognose dazu abgeben. Wenn die Kommission, wie sie jetzt angekündigt
hat, dem Europäischen Gerichtshof im Juni tatsächlich
einen Antrag zu einem Gutachtenverfahren zum EU-Singapur-Abkommen vorlegt, dann spricht viel dafür, dass
das Gutachten wohl kaum vor Ablauf eines weiteren
Jahres vorliegen wird.
Bei dem CETA-Abkommen ist die nächste Stufe im
Beschlussfassungsprozess ein Beschluss des Rates zur
Unterzeichnung des Abkommens, der erst nach Abschluss der laufenden Rechtsförmlichkeitsprüfung und
der anschließenden Übersetzung des Abkommentextes
in alle Amtssprachen erfolgen kann. Die Bundesregierung rechnet bislang damit, dass der Rat Ende 2015, Anfang 2016 befasst werden wird.
Bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Die Bundesregierung in Person insbesondere des Bundeswirtschaftsministers hat nun einen Vorschlag bezüglich neu einzurichtender bilateraler Handelsgerichtshöfe gemacht. Ist
damit nur beabsichtigt, die Schiedsgerichtsverfahren zu
ersetzen, sodass es in dem Vorschlag nur um Investitionen und wirtschaftliche Fragen ginge, oder ist auch
vorgesehen, dass zum Beispiel Umweltverbände oder
Verbraucherverbände im Sinne von Umweltschutz und
Verbraucherschutz klagen können?
Beim Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers?
Ja.
Soweit ich den Vorschlag kenne, ist das nicht vorgesehen; denn wir wollen die Klagebefugnisse nicht erweitern, sondern nur das Verfahren regeln.
Noch eine Frage? - Bitte.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Im CETA-Abkommen ist vorgesehen, dass man zum Erreichen legitimer
Politikinteressen auch weiterhin regulieren kann. Neuerdings haben wir die Situation, dass der Herbizidwirkstoff Glyphosat von der WHO als wahrscheinlich
krebserregend eingeschätzt wird. Würde eine solche
Neueinschätzung der WHO die Möglichkeit eröffnen,
die Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat auf
EU-Ebene zu untersagen bzw. ein Moratorium auszusprechen, oder in wie viel Prozent der Studien müsste
nachgewiesen sein, dass es sich um einen krebserregenden Wirkstoff handelt, um gegen entsprechende Klagen
im Rahmen von CETA gewappnet zu sein?
Liebe Frau Höhn, da diese Frage überhaupt nichts mit
Ihrer Ausgangsfrage zu tun hat, kann ich sie leider nicht
beantworten. Ich reiche Ihnen die Antwort darauf gerne
schriftlich nach.
Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Fragen hierzu.
Die Frage 16 der Abgeordneten Sylvia-Kotting-Uhl
wird schriftlich beantwortet.
Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes.
Alle Fragen werden schriftlich beantwortet. Das sind
die Fragen 17 und 18 der Abgeordneten Heike Hänsel,
die Frage 19 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die
Frage 20 des Abgeordneten Andrej Hunko.
({0})
- Danke schön, dass Sie hier waren, Herr Staatsminister
Roth.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen werden beantwortet
vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Ole Schröder.
Die Frage 21 des Abgeordneten Andrej Hunko, die
Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Ulla Jelpke sowie
die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Hubertus
Zdebel werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu Frage 26 der Abgeordneten Martina
Renner, Fraktion Die Linke:
Wie viele Straftaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Strafverfolgungsbehörden bundesweit seit der Demonstration der „Hooligans Gegen Salafisten“ ({1}) am
26. Oktober 2014 in Köln bis heute registriert, bei denen Täter
und Tatverdächtige dem Spektrum der HoGeSa oder anderen
extrem rechten Hooligan- und Fanzusammenschlüssen oder
der Kategorie „Gewalttäter Sport“ zugerechnet werden?
Frau Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die in der Fragestellung enthaltenen Kriterien
können aus der Datenbank des Bundeskriminalamts zum
Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierte
Kriminalität“ technisch nicht ermittelt werden. Daher
bezieht sich meine Antwort auf die beiden bisherigen offiziellen „Hooligans Gegen Salafisten“-Veranstaltungen
am 26. Oktober 2014 in Köln und am 15. November
2014 in Hannover.
Zum 26. Oktober 2014 in Köln: Es wurden 70 Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität
erfasst. Hierzu zählen 28 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, 14 Beleidigungen, 12 Sachbeschädigungen,
10 Fälle des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, 2 Fälle der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nach § 305 a des Strafgesetzbuchs,
1 Volksverhetzung, 1 Diebstahl, 1 Gefangenenbefreiung
sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.
Zum 15. November 2014 in Hannover: Es wurden
9 Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität erfasst. Hierzu zählen 3 Fälle des Verwendens
von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen,
2 Beleidigungen, 2 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, 1 Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und ein
Verstoß gegen das Waffengesetz. Hinzuzurechnen sind
jeweils die Gewalttaten, auf die sich ja Ihre zweite Frage
bezieht.
Frau Kollegin.
Danke, Herr Dr. Schröder. - Eingangs erwähnten Sie,
dass es keinen speziellen Ausweis in der polizeilichen
Kriminalstatistik zu diesen Straftaten mit Bezug auf
- ich nenne es einmal so - Neonazi-Hooliganismus gibt.
Nun gibt es eine Schlussfolgerung aus dem NSU-Untersuchungsausschuss in diesem Haus, die Kriterien der
PMK zu überarbeiten, insbesondere die der PMK-rechts.
Können Sie etwas darüber sagen, inwieweit man zum
Beispiel in diesen Phänomenbereich neue Unterkategorien einziehen möchte, die aktuelle Entwicklungen im
Neonazismus abbilden, also nicht nur die Frage Neonazi-Hooliganismus, sondern zum Beispiel auch die
Frage extrem rechter Rockergruppierungen? Wäre das
eine Überlegung, um in Zukunft vielleicht sprech- und
aussagefähig zu diesem Phänomen zu sein?
Natürlich gibt es dazu Überlegungen; die sind aber
bisher noch nicht abgeschlossen.
Weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Dann rufe ich Frage 27 der Abgeordneten Martina
Renner auf:
Wie viele Gewalttaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Strafverfolgungsbehörden bundesweit seit der Demonstration der HoGeSa am 26. Oktober 2014 in Köln bis
heute registriert, bei denen Täter und Tatverdächtige dem
Spektrum der HoGeSa oder anderen extrem rechten Hooligan- und Fanzusammenschlüssen oder der Kategorie „Gewalttäter Sport“ zugerechnet werden?
Bitte schön.
Auch hinsichtlich der erfassten Gewalttaten kann, wie
soeben ausgeführt, nur zu den beiden offiziellen „Hooligans Gegen Salafisten“-Veranstaltungen am 26. Oktober
2014 in Köln und am 15. November 2014 in Hannover
Stellung genommen werden.
Zum 26. Oktober 2014 in Köln: Insgesamt wurden
176 Straftaten im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität polizeilich festgestellt. Hierzu zählen
154 gefährliche Körperverletzungen, 7 Körperverletzungen, 8 Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, 4 Fälle von Landfriedensbruch nach § 125 des
Strafgesetzbuchs und 3 Fälle des besonders schweren
Falls des Landfriedensbruchs nach § 125 a des Strafgesetzbuchs.
Zum 15. November 2014 in Hannover: Hier wurden
2 gefährliche Körperverletzungen im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität polizeilich festgestellt.
Zusatzfragen?
Danke, Frau Präsidentin, auch hierzu habe ich eine
Nachfrage. - Am 11. April dieses Jahres ereignete sich
in Wuppertal eine schwere Gewalttat gegen einen Besucher mit Migrationshintergrund eines linksalternativen
Zentrums. Vorangegangen waren Sprüche von und Pöbeleien mit HoGeSa, also „Hooligans Gegen Salafisten“;
ein Tatbeteiligter entstammt diesem Umfeld. Gibt es
nicht die Notwendigkeit, speziell diese Gruppierung in
den Fokus auch der Aufmerksamkeit durch Polizei und
Strafverfolgungsbehörden zu stellen, um explizit auch
den organisierten Hintergrund solcher Gewalttätigkeiten
zu erkennen?
Selbstverständlich gibt es die Notwendigkeit, auch
diese Phänomene genau zu beobachten und genau zu
analysieren, um festzustellen, wie weit hier rechtsextremistische Tendenzen weiterhin verfolgt werden.
Frau Kollegin Renner.
Ich habe da noch eine Nachfrage: Inwieweit gibt es in
den Strukturen, zum Beispiel im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GETZ, bestimmte Boards, in denen man sich unter den Sicherheitsbehörden über bestimmte Organisationen wie
HoGeSa austauscht? Es geht hier ja um ein schweres Gewaltdelikt. Der Mann ist durch mehrere Messerstiche
verletzt worden. Das gibt Aufschluss darüber, dass es
sich hierbei tatsächlich um von Ideologie geprägte und
gewaltbereite Organisationen handelt. Also was ist eigentlich nach den auch von Ihnen erwähnten Vorfällen
im Zusammenhang mit den Aufmärschen in Hannover
und Köln passiert, damit die Sicherheitsbehörden dieses
Phänomen adäquat - repressiv, aber auch präventiv - behandeln können?
Herr Staatssekretär.
Schon die von mir aufgeführte Anzahl an Straftaten
zeigt, dass die Sicherheitsbehörden der Länder hier sehr
sensibel reagiert haben. Am 26. Oktober 2014 in Köln
waren ja, wie Sie sehen können, noch wesentlich mehr
Straftaten zu verzeichnen als in Hannover, wo die Polizei entsprechend aufmerksam war.
Vielen Dank. - Zu einer Nachfrage hat sich jetzt der
Kollege Behrens gemeldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
Sie haben sicherlich erkennen können, dass hinter den
Fragen der Kollegin Renner noch eine weitere Frage
stand: Bedarf es nicht einer besseren Durchdringung dieser Straftaten, um erkennen zu können, ob sich dort
schon Strukturen entwickelt haben, und ist das nicht
vielleicht sogar notwendig, um weitere Schlüsse ziehen
zu können? - Sie haben gesagt, dass das durchaus überlegenswert sei. Im Prozess dieser Überlegungen haben
sich vielleicht auch schon Konturen herausgeschält, die
solche differenzierten Betrachtungsweisen zulassen.
Können Sie sich also Strukturen vorstellen, gemäß denen diese Straftaten künftig kategorisiert und dann auch
entsprechend behandelt werden?
Herr Staatssekretär.
Natürlich gibt es immer wieder neue Überlegungen,
wie man die kriminalpolizeilichen Statistiken weiterentwickeln kann. Sicherlich gibt es die Notwendigkeit, immer wieder darüber nachzudenken. Mir sind aber keine
konkreten Maßnahmen bekannt, die aufgrund des Phänomens von Hooligandemonstrationen darauf abzielen,
die gesamte statistische Aufbereitung zu ändern.
Ich glaube, man muss auch aufpassen, dass man nicht
bei jedem neuen Phänomen die gesamte Statistik wieder
über den Haufen wirft; denn dadurch wird sie am Ende
nicht aussagekräftiger. Wichtig ist, dass die Sicherheitsbehörden insgesamt sehr genau beobachten, was dort
passiert bzw. inwieweit es klare Verflechtungen mit
rechtsextremistischen Tendenzen gibt. Das wird selbstverständlich sehr genau beobachtet.
Vielen Dank. - Ich sehe keine weiteren Fragen.
Die Frage 28 des Abgeordneten Volker Beck wird
schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des
Bundesministeriums des Innern.
Die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Katrin
Kunert zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir sind somit am Ende der Fragestunde angekommen.
Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zur Aktuellen
Stunde.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
BND und NSA - Notwendigkeit und Grenzen
der internationalen Zusammenarbeit
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich noch an die Sauerland-Gruppe?
Im September 2007 wurde eine Personengruppe mit islamistisch-terroristischem Hintergrund verhaftet, die sich
zuvor ein großes Fass mit Wasserstoffperoxid, Zünder
und Weiteres beschafft hatte. Durch die gute Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten sowie der Kriminalbeamten in den Landeskriminalämtern und im Bundeskriminalamt wurde ein schweres Attentat in Deutschland
verhindert.
Geplant war ein Synchronattentat mit jeweils einer
kleinen Bombe in einem Kaufhaus an einem halben Dutzend Orten in Deutschland: Die Menschen strömen in
Panik heraus, die Sicherheitskräfte rücken an. Wenn die
Menschenmassen und die Sicherheitskräfte dann vor
dem Kaufhaus zusammentreffen, steht mittendrin der
Lastwagen mit der großen Bombe. - Das sollte zur gleichen Zeit an mehreren Orten in Deutschland geschehen.
So war der infernalische Plan.
Dieser Plan wurde durch die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten und unserer Dienste verhindert.
Der entscheidende Hinweis, auf den alles zurückging,
kam von den amerikanischen Sicherheitsbehörden. Die
Zusammenarbeit, die 2002 die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den
Amerikanern verabredet hat, war daher gut und richtig
und hat ihre Berechtigung bis heute.
({0})
Die Bedrohungslage dauert an. Letzte Woche, einen
Tag bevor ein großes Radrennen in Hessen stattfinden
sollte, wurde ein türkisch-deutsches Ehepaar mit islamistischem Hintergrund verhaftet. Auch sie besaßen
Wasserstoffperoxid. Ein mögliches Attentat wurde verhindert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in
Deutschland nicht auf einer Insel der Glückseligen. Was
in Paris, Madrid und Kopenhagen passiert ist, ist auch in
Berlin, München, Köln, Düsseldorf und Stuttgart möglich. Dass bei uns bisher nichts passiert ist, liegt auch daran, dass wir verdammtes Glück gehabt haben. Der
Kommissar Zufall hat uns manchmal geholfen. Im letzten Fall waren es aber tüchtige Mitarbeiter in einem Baumarkt.
Dass bisher bei uns nichts passiert ist, verdanken wir
aber auch der Arbeit unserer Polizisten, unserer Dienste
und der internationalen Zusammenarbeit unserer
Dienste. Deswegen muss von dieser Aktuellen Stunde
vor allem eine Botschaft ausgehen: Wir stehen zu unserer Polizei. Wir stehen zu unseren Diensten. Wir sagen
Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Diensten und den Polizistinnen und Polizisten, die jeden
Tag für die Sicherheit in diesem Land den Kopf hinhalten.
({1})
Erstens. Bei uns sind Polizei und Nachrichtendienste
an Recht und Gesetz gebunden. Das unterscheidet uns
von Nachrichtendiensten in anderen Ländern.
({2})
Zweitens. Nicht alles, was technisch möglich ist, dürfen und sollen Nachrichtendienste in Deutschland machen. Auch das unterscheidet uns von anderen Ländern.
({3})
Drittens. Da überall Fehler passieren, weil Menschen
nun einmal Fehler machen, gibt es bei uns Kontrolle.
({4})
Auch das unterscheidet uns von anderen Ländern. Ich
nenne hier beispielsweise eine unabhängige parlamentarische Kontrolle.
({5})
Thomas Strobl ({6})
Auch sind wir dabei, das Ganze stetig zu optimieren,
beispielsweise die gesetzlichen Grundlagen und auch die
Kontrolle. Dass wir das seit einigen Jahren insbesondere
nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses
„Nationalsozialistischer Untergrund“ - ich erwähne hier
Kollegen Binninger - machen, ist in Ordnung.
Wir brauchen aber weitere Optimierungen der gesetzlichen Grundlagen. Natürlich brauchen wir eine klare
Rechtsgrundlage für die strategische Fernmeldeaufklärung; das haben die letzten Tage gezeigt. Wir brauchen
auch Optimierungen in der parlamentarischen Kontrolle.
Deswegen finde ich den Vorschlag gut, einen hauptamtlichen Nachrichtendienstebeauftragten einzusetzen, der
vom Deutschen Bundestag gewählt wird und der sich daher mit weitgehenden Kompetenzen und aus einer starken Stellung heraus um die Kontrolle der Dienste kümmern kann. Lassen Sie uns doch über die Optimierung
solcher Kontrollmöglichkeiten miteinander reden.
({7})
Wir reichen Ihnen nicht nur eine Hand, sondern beide
Hände, um das gemeinsam zu machen und weiter zu optimieren.
({8})
Wenn aber das Ergebnis von Beratungen vorweggenommen wird, wenn „Landesverrat“ und „Rücktritt“ von
der Linken gerufen werden, und zwar schon in der ersten
Sekunde, noch bevor sich ein parlamentarisches Gremium mit den aktuellen Vorgängen überhaupt beschäftigen kann,
({9})
dann ist das die falsche Reihenfolge.
({10})
Lassen Sie uns die gesetzlichen Grundlagen und die
Kontrolle weiter verbessern.
Ein letzter Satz. Unsere Polizei und unsere Dienste arbeiten nicht im Auftrag der Bundesregierung. Sie arbeiten schon gar nicht im Auftrag einer Partei oder einer
Person. Vielmehr ist es so: Ohne unsere Polizistinnen
und Polizisten und ohne die Mitarbeiter in den Diensten
werden wir die Sicherheit in diesem Lande nicht gewährleisten. Darum geht es: um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande.
({11})
Sicherheit ist nicht absolut und nicht alles. Aber ohne
Sicherheit ist vieles andere nichts.
({12})
Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner ist Jan
Korte, Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Rede gerade ging bemerkenswert weit am Thema
vorbei.
({0})
Der Genosse Sigmar Gabriel hat mit seiner Äußerung
in dieser Woche natürlich recht. Es geht hier nicht in erster Linie um Geheimdienstskandale, sondern es ist ein
Skandal der Bundeskanzlerin. Sie ist dafür verantwortlich; das hat Genosse Gabriel richtig erkannt.
({1})
Da wir bei der zentralen Figur sind, nämlich der Bundeskanzlerin, muss man Folgendes anmerken: Die Abgehobenheit und die Arroganz der Bundesregierung, des
Kanzleramtes und vor allem von Frau Merkel erinnern
mittlerweile wirklich an Helmut Kohl nach 16 Jahren
Regierung.
({2})
Angela Merkel hat dieses Verhaltensstadium bereits
nach zehn Jahren erreicht.
({3})
Was für Kohl die Spendenliste gewesen ist, das könnten
für Angela Merkel die Selektorenlisten werden. Das ist
die Situation am heutigen Tag, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
({4})
Sie hätten sich heute ganz viel Stress und Ärger ersparen können, wenn Sie nach den Veröffentlichungen von
Snowden gehandelt hätten. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben so weitergemacht wie vorher.
Ich will noch einmal daran erinnern, wie das Ganze
abgelaufen ist. Geprägt war die Zeit nach den Enthüllungen von Snowden durch ein völliges Desinteresse dieser
Bundesregierung an Aufklärung. Das änderte sich nach
dem Handygate. Da gab es die erste spürbare Erregung
im Kanzleramt. Dann sagte Angela Merkel 2013 - ich
zitiere -: Ausspähen unter Feinden - das geht gar nicht.
({5})
- Ich zitiere Ihre Bundeskanzlerin: „Ausspähen unter
Freunden - das geht gar nicht.“
({6})
Heute sagt sie: Ausspähen - jetzt Zitat: - „sollte nicht
passieren“. Sie ist bereits im Konjunktiv angekommen.
Die Frage ist: Sagt sie morgen, dass Ausspähen normal
ist? Das ist der Zustand der Bundeskanzlerin.
({7})
Noch eine Frage: Was ist eigentlich aus den Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen geworden? Wie sind
sie denn ausgegangen? Amtlich ist nur eines: dass die
Große Koalition bei den Geheimdiensten aufgestockt
und mehr Mittel, mehr Geld und mehr Personal bereitgestellt hat. Das ist wohl die falsche Antwort, die wir zurzeit sehen.
({8})
Es gibt offenbar nicht nur ein Problem bei der Kontrolle der Geheimdienste. Die Frage, die wir uns hier im
Bundestag stellen müssen, ist die, ob die Bundesregierung eigentlich glaubt, über dem Parlament zu stehen.
Das ist eine für die Demokratie sehr grundsätzliche
Frage. Ich will das konkretisieren. In zwei Kleinen Anfragen vom Sommer 2014 und vom April 2015, also
ganz aktuell, haben wir konkret nach Wirtschaftsspionage gefragt. Noch am 16. April 2015 antwortet die
Bundesregierung - ich darf zitieren -:
Es liegen … keine Erkenntnisse zu angeblicher
Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen
US-Diensten in anderen Staaten vor.
Da haben Sie doch offensichtlich gelogen, oder Sie haben nichts mitbekommen.
({9})
- Kollege Kauder, es ist unwürdig, gegenüber dem Parlament nicht die Wahrheit zu sagen, um das einmal klar
auszudrücken.
({10})
Ich will noch eine Anmerkung machen. Allein die Begrifflichkeit „angebliche Wirtschaftsspionage“ macht
Ihre ganze Haltung deutlich. Sie wollen nämlich mit
dem Begriff „angeblich“ sagen, dass überhaupt schon
die Frage nach Wirtschaftsspionage aus dem Reich der
Verschwörung kommt und irre ist. Auch das ist unwürdig gegenüber den Rechten von Abgeordneten, gleich
welcher Fraktion sie angehören.
({11})
Ich fasse zusammen. Legen Sie jetzt alle Karten auf
den Tisch. Das Kanzleramt und Angela Merkel müssen
folgende Fragen beantworten: Hat diese Praxis aufgehört, oder geht sie weiter? Ist Ihnen parlamentarische
Kontrolle einfach nur lästig, oder erkennen Sie darin
eine demokratische Notwendigkeit? Was mich auch
nach dieser Woche interessieren würde: Halten Sie eigentlich kritische Fragen und Nachfragen von frei gewählten Abgeordneten für ein Sicherheitsrisiko oder für
eine große Chance für die Demokratie? Soll weiter der
Zweck die Mittel im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus heiligen?
({12})
Zum Schluss: Angela Merkel muss überhaupt erst
einmal umfänglich etwas sagen, und dann muss sie folgende zwei zentrale Fragen beantworten: Erstens. Soll
die Europäische Union weiter geschwächt werden und
die deutsch-französische Freundschaft - damit übrigens
der bessere Teil des Erbes von Helmut Kohl - weiter beschädigt werden, ja oder nein?
({13})
Zweitens. Kann man sich darauf verlassen, dass Ihre
Treue zur Verfassung und zum demokratischen Rechtsstaat dann, wenn es darauf ankommt, gegenüber allen
anderen Interessen, auch gegenüber Geheimdienstkooperationen, Bestand hat oder nicht?
({14})
Klären Sie jetzt endlich auf! Die Linke unterstützt Sie
dabei, gewohnt kompetent, leidenschaftlich und engagiert.
({15})
Das ist ein ernstgemeintes Angebot, das angesichts der
Situation, in der Sie sich befinden, unbedingt angenommen werden sollte.
Vielen Dank.
({16})
Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der
Kollege Christian Flisek.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir aus Anlass einer Aktuellen Stunde im Plenum wieder einmal
Gelegenheit haben, über die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses zu reden; denn der NSA-Untersuchungsausschuss hat seit seiner Konstituierung im letzten Jahr, wie ich finde, seine Arbeit gemacht, und er hat
- auch das betone ich ausdrücklich - durch die gemeinsame Arbeit aller Fraktionen in diesem Ausschuss Beachtliches geleistet. Wenn man ein erstes Zwischenfazit
ziehen will, dann kann es aus meiner Sicht nur lauten,
dass die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste in Deutschland im Grundsatz funktioniert.
({0})
Es ist die Kontrolle dieses Parlaments und seiner Abgeordneten in diesem Untersuchungsausschuss und im
Parlamentarischen Kontrollgremium, die aktuell dafür
Sorge getragen hat, dass offensichtliche Missstände in
den deutschen Geheimdiensten und bei der Aufsicht
über die deutschen Geheimdienste auf den Tisch kommen. Wir werden das vollständig weiterhin aufklären,
wir werden das sachlich politisch bewerten, und wir
werden uns dann auch darüber unterhalten und verständigen, welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind.
({1})
Man kann in dieser Aktuellen Stunde - ich sage es
einmal so - tüchtig auf die Pauke hauen, aber dafür sind
die Dinge eigentlich zu ernst. Es ist eine ganze Reihe
von Fragen, die den Anlass für diese Aktuelle Stunde
bildet.
({2})
- Wir nehmen sie ernst, Frau Göring-Eckardt.
({3})
Eine ganze Reihe von Fragen steht auf der Tagesordnung. Hat der Bundesnachrichtendienst über Jahre hinweg bei seiner Fernmeldeaufklärung Suchbegriffe der
NSA verwendet, die gegen deutsches Recht oder - was
gleichbedeutend wäre - gegen deutsche Interessen massiv verstoßen haben? In welchem Umfang ist das geschehen? Welche Qualität haben die Informationen, die
auf der Grundlage dieser Suchbegriffe an andere Geheimdienste gegeben worden sind? Waren es Informationen über deutsche Unternehmen, europäische Unternehmen, deutsche Politiker, europäische Politiker,
europäische Institutionen? Wie konnte es dazu kommen?
Wie können wir sicher sein, dass aktuell, also heute,
sichergestellt ist, dass auf der Grundlage solcher Suchbegriffe keine Informationen mehr an amerikanische Geheimdienste weitergegeben werden?
Und auch das ist eine Frage: Warum haben offensichtlich Mitarbeiter im Bundesnachrichtendienst über einen
längeren Zeitraum diesen Umstand nicht nach oben, an
die Hausspitze, gemeldet, und warum ist dieser Umstand
nicht an das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde
weitergegeben worden? Offensichtlich - davon müssen
wir ausgehen - ist nur aufgrund der Arbeit des Untersuchungsausschusses dem Bundeskanzleramt überhaupt
zur Kenntnis gelangt, dass es solche Selektorenlisten
gibt. Das alles deutet auf Organisationsdefizite, vielleicht auch auf Aufsichtsdefizite hin. Aber, meine Damen und Herren - das sage ich gezielt an die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition -, wir müssen das
sachlich aufklären, und zwar genau in dieser Reihenfolge.
({4})
Ich sage eines deutlich, zumindest für meine Fraktion
in diesem Untersuchungsausschuss: Wir sind ein Aufklärungsgremium und kein Rücktrittsforderungsgremium. Aber weil das genau so ist, weil wir - das wiederhole ich gern - ein Aufklärungsgremium sind
({5})
- seien Sie nicht so hysterisch, bleiben Sie nüchtern -,
({6})
müssen die Selektorenlisten dem Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt
werden. Sie sind ein Kernbereich für unsere Aufklärungsarbeit, Herr Gysi. Wir brauchen diese Listen. Es
gibt für die Vorlage auch geeignete abgestufte Verfahren.
Da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß; da gibt es Graubereiche. Das muss dem Bundesnachrichtendienst klar
sein. Das ist mit Sicherheit dem Kanzleramt klar. Notfalls müssen wir davon auch unsere amerikanischen
Freunde überzeugen.
Meine Damen und Herren, wir werden als SPD bei
der Reform, die ansteht, klare Schwerpunkte setzen. Wir
werden die Ausland-Ausland-Überwachung - da stehen
wir an der Seite des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Papier - regeln. Ich bin davon überzeugt, dass wir das tun müssen; denn das, was wir gerade hier diskutieren, betrifft genau den Kernbereich.
Wir können nicht immer nur empört mit dem Zeigefinger über den Atlantik zeigen und Standards für den
Schutz deutscher Bürger und Unternehmen einfordern
und selber genau das nicht leisten.
({7})
Wir müssen hier in Vorleistung gehen. Wenn dieser Untersuchungsausschuss ein Ergebnis haben sollte, dann ist
es das, dass wir als Deutsche bereit sind, diese Pionierarbeit zu leisten.
In globalen Zeiten und angesichts global tätiger deutscher Unternehmen, in denen Menschen vieler Nationen
arbeiten, macht der Unterschied zwischen Inländern und
Ausländern überhaupt keinen Sinn mehr, schon gar nicht
in Bezug auf unsere europäischen Partner. Deswegen
müssen wir das auf eine solide rechtsstaatliche Basis
stellen und die Ausland-Ausland-Überwachung aus dem
Graubereich herausholen. Wir müssen sie vor allen Dingen einer parlamentarischen Kontrolle zuführen. Das ist
unsere Überzeugung. Die SPD-Kolleginnen und -Kollegen im PKGr und im Untersuchungsausschuss werden
ihren Beitrag dazu leisten.
Herzlichen Dank.
({8})
Vielen Dank. - Es spricht jetzt Katrin GöringEckardt, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Strobl, nein, es ist kein Skandal, wenn ein Geheimdienst spioniert; dafür ist er schließlich gegründet worden.
({0})
Es ist auch kein Skandal, wenn der Bundesnachrichtendienst zur Terrorismusbekämpfung mit ausländischen
Diensten kooperiert.
({1})
Das ist kein Skandal, wenn es dafür klare Regeln gibt,
wie sie beispielsweise im Jahr 2002 im Memorandum of
Understanding
({2})
verabredet worden sind, und wenn diese Regeln eingehalten werden. Aber hier ist das Problem.
({3})
Es ist nämlich ein Skandal, wenn die obersten Dienstherren und -frauen - das muss man an dieser Stelle ausdrücklich sagen - die Geheimdienste nicht kontrollieren,
ja offenbar nicht einmal kontrollieren wollen. Wenn die
Bundeskanzlerin seit Jahren Aufklärung verspricht und
doch nichts tut, dann ist das ein Skandal.
({4})
Wenn zugelassen wird, dass deutsche Unternehmen ganz
offensichtlich ausgespäht wurden,
({5})
wenn zugelassen wird, dass europäische Partner ganz offensichtlich ausgespäht wurden, dann ist das ein Skandal.
({6})
Die Kanzlerin hat ja gesagt: „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“. Seit den Enthüllungen von
Edward Snowden, seit 2013, wussten wir doch aber alle,
dass etwas faul ist, und Sie haben nichts getan. Die Bundeskanzlerin ist nach dem Motto verfahren: vertuschen,
verschleiern, aussitzen. Da liegt das Problem.
({7})
Man muss sich fragen: Wusste man da wirklich nichts,
oder wollte man in der Dienst- und Fachaufsicht im
Kanzleramt gar nicht wissen, was passiert? Das muss der
Untersuchungsausschuss klären.
({8})
Seit 2013 wurde viel geredet, und Aufklärung brauchen wir auch bei diesem Skandal. Das ist wichtig, weil
es auch mit der Frage der Aufsicht zu tun hat. Denn dieser Skandal kam dadurch ans Licht, dass Hans-Christian
Ströbele im Untersuchungsausschuss einen Beweisantrag gestellt hat,
({9})
also nicht etwa durch die Fachaufsicht, sondern dadurch.
Und jetzt fragt man sich - wir fragen das -: Hat sich die
Bundeskanzlerin eigentlich einmal Herrn Schindler zur
Brust genommen? Was hat sie ihrem Nachrichtendienstabteilungsleiter Günter Heiß gesagt? Das ist eine der
Stellen, an denen die BND-Berichte an das Kanzleramt
aus den Jahren 2010 und 2013 untergegangen sein müssen. Oder wusste sie doch davon? Haben Sie eigentlich
beim BND auf häufigere, auf unangekündigte Prüfungen
gedrängt? Wurden technische, wurden organisatorische
Vorkehrungen getroffen, damit es keinen Missbrauch
durch andere Dienste gibt? Das alles wissen wir nicht.
Diese Fragen müssen geklärt werden, und sie werden im
Untersuchungsausschuss geklärt.
({10})
Allerdings: Das Wenige, das wir über die sogenannte
Aufklärung im Kanzleramt wissen, stimmt nicht gerade
optimistisch. Das Ende der Amtszeit von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla erscheint ja plötzlich irgendwie
in anderem Licht.
({11})
Anfang des Jahres 2014 ist mit dem Beauftragten für die
Nachrichtendienste, Staatssekretär Fritsche, plötzlich so
eine Art Puffer zwischen dem neuen Kanzleramtsminister und der Aufsicht installiert worden. Da fragt man
sich: Warum ist das eigentlich geschehen? Ging es da
um mehr Aufklärung, oder ging es darum, dass man jetzt
einen neuen Rücktrittspuffer hat, den man im Zweifelsfall nutzen kann?
({12})
Was Sie tun, ist Folgendes: Sie lassen den BND erst
an der langen Leine, und wenn er etwas ausgefressen haben soll, werfen Sie die Leine weg. Das hat mit Verantwortung nichts zu tun. Ich finde, die ganze Sache ist zu
weit getrieben worden. Die Dienste reagieren spürbar
genervter, wenn es wieder heißt, das Kanzleramt sei
nicht informiert worden. Hier geht es auch um eine Mitschuld durch Unterlassen, meine Damen und Herren.
({13})
Das sage ich Ihnen als überzeugte Transatlantikerin ausdrücklich.
({14})
Denn ich finde, die Tatsache, dass in der Bevölkerung
das Verständnis für die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in der Terrorismusbekämpfung sinkt, hat
genau damit zu tun.
({15})
Wenn wir als Parlamentarier warten müssen, weil die
NSA erst mal gefragt werden muss, was sie zur Verfügung stellt, führt das doch dazu, dass die Geheimdienstkontrolle nicht mehr im Kanzleramt stattfindet, sondern
gleich bei der NSA. Wo sind wir eigentlich hingekommen?
({16})
Wenn Sie den BND nicht kontrollieren wollen, dann
leisten Sie doch dem Eindruck Vorschub, dass Sie eine
Politik in Dienstbarkeit gegenüber der NSA betreiben,
die nichts mehr mit unserer Souveränität zu tun hat.
Meine Damen und Herren, worüber ich mir die meisten Sorgen mache, ist die Vertrauenskrise, die dadurch
entsteht. Der BND-Skandal ist nämlich längst genau das:
Er ist eine Vertrauenskrise. Das bezieht sich auf das Vertrauen der Unternehmen, das Vertrauen der europäischen
Partner, auch das Vertrauen der transatlantischen Partner.
Und Sie haben auch das Vertrauen dieses Parlaments
enttäuscht.
({17})
Es geht eben auch um das Vertrauen der Bürgerinnen
und Bürger in die Demokratie. Wir werden für Aufklärung sorgen, Sie aber sollten sie wollen, und zwar mit allem Nachdruck.
({18})
Vielen Dank. - Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt
der Kollege Stephan Mayer das Wort.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Während einer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag macht man so einiges
mit. Aber selten klaffen in einer Angelegenheit die öffentliche Darstellung und die tatsächlich vorhandene
Substanz so weit auseinander.
({0})
Es ist beileibe kein BND-Skandal, über den wir hier debattieren. Vielmehr ist es ein Skandal, wie die Opposition mit dieser Thematik umgeht.
({1})
Für die Hysterie, die teilweise in unserem Land Einzug
gehalten hat, besteht überhaupt kein Grund.
Ich muss schon sagen: Am einfachsten machen es
sich die Kollegen, die von der Sache keine Ahnung haben,
({2})
die weder Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums noch Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses sind. Denn dann ist es leicht, von Lüge und von Landesverrat zu reden und Rücktritte zu fordern.
Wir sollten uns eine andere Marschroute geben. Die
Reihenfolge muss lauten: zuerst den Sachverhalt vollständig, umfassend und lückenlos aufklären, dann eine
Bewertung vornehmen und erst dann die Konsequenzen
ziehen. Aber Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, machen es sich sehr einfach
und drehen die Reihenfolge einfach um.
Wir hatten gerade eine hochinteressante Sitzung des
Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ich werde das
Geheimhaltungsgebot natürlich nicht brechen; aber ich
darf darüber Auskunft geben, dass sich die Vorwürfe und
die bodenlosen Unterstellungen gegenüber unserem derzeitigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière als
haltlos erwiesen haben und restlos aufgeklärt sind.
({3})
Ich würde Ihnen wirklich wünschen - leider geht es
nicht -, dass Sie Einblick in die Vermerke nehmen könnten, die uns zur Vorbereitung der Sitzung vorgelegt wurden. Ich darf so viel sagen: In keinem dieser Vermerke
steht auch nur ein Unternehmensname. In keinem dieser
Vermerke, die Thomas de Maizière zur Vorbereitung seiner Reise nach Washington Ende Februar 2008 dienten,
steht der Suchbegriff „Selektor“ - ganz im Gegenteil.
Es war hochinteressant, diese Vermerke zu studieren.
Der Bundesnachrichtendienst warnt für die Zukunft
deutlich vor einer Ausweitung der Kooperation mit den
US-Amerikanern. Er weist deutlich auf die Gefahr des
Missbrauchs hin, wenn man die Kooperation intensivieren würde. Aber es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass
in der Vergangenheit Wirtschaftsspionage betrieben
wurde. Die Vorwürfe haben sich also restlos in Luft aufgelöst. Für mich ist das ein beredtes Beispiel dafür, dass
in diesem konkreten Fall Schindluder getrieben und dass
mit unserem Innenminister Scharlatanerie betrieben
wurde. Das war unanständig, das war bodenlos, und das
war unredlich.
({4})
Stephan Mayer ({5})
Ich möchte gar nicht so weit gehen, zu sagen, dass in
der Angelegenheit keine Fehler gemacht wurden. Aber
es ist nicht redlich, aus jedem Fehler automatisch einen
Skandal zu machen.
({6})
Fehler werden überall gemacht: Jeder Mensch macht
Fehler, jeder Politiker macht Fehler; in jeder Behörde, in
jedem Unternehmen werden Fehler gemacht. Daher sollten wir alle uns davor hüten, jeden Fehler sofort als
Skandal zu inszenieren. Das wurde aus meiner Sicht im
vorliegenden Fall gemacht.
Wir können im Nachgang zu dieser Angelegenheit
über eine Neujustierung der parlamentarischen Kontrolle
debattieren; aber ich warne vor falschen Erwartungen.
Wir können nicht hinter jeden der zehntausend Mitarbeiter unserer Dienste einen parlamentarischen Kontrolleur
stellen. Trotz der besten, effektivsten und intensivsten
parlamentarischen Kontrolle: In den Diensten werden
Fehler passieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass
gerade im Vergleich zu anderen Ländern die parlamentarische Kontrolle unserer Dienste gut funktioniert.
Man sagt so schön: Es gibt nichts Schlechtes, an dem
nicht auch etwas Gutes ist. So unsäglich diese Skandalisierung und diese Hysterie um die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes ist: Vielleicht kann man durch die
gewonnenen Erkenntnisse ein anderes Bewusstsein in
unserer Bevölkerung in Bezug auf die Notwendigkeit
von Nachrichtendiensten schaffen.
In anderen Ländern ist das anders. In anderen Ländern hat man ein anderes Verständnis von der Arbeit der
Dienste. Ich bin der festen Überzeugung: Wir brauchen
auch in Zukunft gut funktionierende, gut aufgestellte
Nachrichtendienste. Ich möchte an dieser Stelle eine
Lanze für die Mitarbeiter in den Diensten brechen; denn
sie leisten eine gute, eine ordentliche Arbeit.
Zum Schluss noch ein sehr ernst gemeinter Hinweis:
Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass allein
durch die intensive Kooperation zwischen dem BND
und der NSA seit 2011 19 geplante Anschläge auf Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan rechtzeitig verhindert werden konnten. Daran sieht man ganz konkret,
wie wichtig es ist, dass wir einen gut aufgestellten Bundesnachrichtendienst haben und dieser Bundesnachrichtendienst eng mit den Diensten anderer Länder kooperiert. Ich glaube, das ist etwas, was auch wir alle hier
beherzigen sollten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Vielen Dank. - Als nächste Rednerin hat Martina
Renner von der Fraktion Die Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die eben gehörte Rede von Herrn Kollegen Mayer hat
gezeigt, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Aufklärungsbemühungen dieses Parlaments mit zweierlei
Maß misst. Während wir als Opposition falsche Antworten auf Kleine Anfragen zu den Themen „Wirtschaftsspionage“ und „Verwicklung der NSA“ erhalten und
durch Herrn Altmaier als Aufklärer im NSA-Untersuchungsausschuss bedroht werden ({0})
wenn wir öffentlich den Überwachungs- und Spionageskandal thematisieren, wird uns mit einem Verfahren
wegen Geheimnisverrat gedroht -, berichtet Herr Mayer
hier aus geheimen Unterlagen, die dem PKGr heute vorgelegen haben.
({1})
Er interpretiert sie einseitig, und wir können hier nicht in
angemessener Form reagieren.
({2})
Das zeugt davon, dass man mit zweierlei Maß misst,
wenn es um die Rechte des Parlaments und der Abgeordneten geht.
({3})
Das ist insbesondere angesichts des Aufklärungsauftrags
des NSA-Untersuchungsausschusses kein würdiges Verhalten.
({4})
Seit einem Jahr mühen wir uns in diesem Ausschuss,
einen der größten, vielleicht sogar den größten Geheimdienstskandal in der Geschichte der Bundesrepublik aufzuklären. Es geht hier nicht um Fehler und Pannen. Es
geht um einen Skandal; ich sage das ganz bewusst.
Unser aller Kommunikation wird überwacht. Seien es
E-Mails, Kurznachrichten, Telefongespräche oder unser
Surfverhalten im Internet, alles wird überwacht. Niemand ist mehr sicher vor der Spionage der Geheimdienste, die deutsche Regierung ebenso wenig wie befreundete europäische Regierungen, Institutionen,
Parlamente, Medien, Unternehmen und Konzerne.
({5})
Wir alle kennen die Spione, und wir sprechen es aus:
Das sind die NSA und der Bundesnachrichtendienst
Hand in Hand.
({6})
Die Massenüberwachung, die wir als Ausschuss festgestellt haben, zum Beispiel durch den Abgriff der Telekommunikationsdaten bei der Deutschen Telekom in
Frankfurt, hat ebenso wie die politische und wirtschaftliche Spionage nichts, aber auch rein gar nichts mit den
postulierten Zielen der Geheimdienste zu tun. Diese Praxis, die wir untersuchen, ist illegal und demokratieschädigend.
({7})
Warum wissen wir überhaupt davon? Warum hat sich
der Untersuchungsausschuss auf den Weg gemacht? Wir
wissen davon, weil Edward Snowden den Mut hatte, die
Welt über die Massenausspähung durch die NSA zu informieren. Er hat den Stein ins Rollen gebracht. Doch
bis heute verweigern Sie dem Kronzeugen im NSA-Untersuchungsausschuss eine Aussage hier in Berlin.
({8})
Seit diesen Enthüllungen in 2013 beschäftigt uns alle
die Frage - die muss uns als Parlament interessieren -,
inwieweit der BND an dieser Praxis der NSA, der Massenüberwachung und Spionage, beteiligt war und ist.
Natürlich ist damit untrennbar die Frage verbunden, ob
der BND dabei seinen gesetzlichen Rahmen verlassen
hat.
Seit knapp zehn Tagen erfahren wir nun aus den Medien, dass dieses Ausspähen und Überwachen gezielt gegen europäische Partner, gegen europäische Industrieunternehmen mit deutscher Beteiligung und gegen
befreundete Regierungen gerichtet war und dass das
Bundeskanzleramt über diese Praxis des BND seit mehr
als fünf Jahren informiert gewesen ist und nicht erst seit
2015. In diesem Punkt muss ich dem Kollegen Christian
Flisek leider widersprechen.
Momentan steht im Raum, dass der Bundesrepublik
die NSA offenbar nähersteht als der Élysée-Palast, das
Europaparlament oder unser Nachbarland Österreich.
Damit beginnt der zweite Teil der Affäre. Die Bundesregierung und allen voran der jetzige Bundesinnenminister
und langjährige Staatsminister im Bundeskanzleramt
Thomas de Maizière versprechen jeden Tag eine Aufklärung der Öffentlichkeit. Doch passiert ist bislang nichts nichts, was auch nur annährend das Wort Aufklärung
verdienen würde.
An dieser Stelle möchte ich auf zwei eklatante Beispiele abstellen. Seit mehr als zwei Wochen warten wir
auf die Liste der Spionageziele. Was ist passiert? Nichts!
Stattdessen fragt die Bundesregierung in den USA um
Erlaubnis, hier ihrer Pflicht gegenüber dem Parlament
nachzukommen. Es kann nicht sein, dass BND und
NSA, die hier möglicherweise Straftaten begangen haben, nun selbst entscheiden dürfen, welche Informationen über ihr Handeln sie dem Ausschuss übergeben, der
das untersuchen soll. Solange diese Liste zurückgehalten
wird, werden, so sagen wir, die Spione geschützt und die
parlamentarische Aufklärung sabotiert.
({9})
Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wer
jetzt meint, die Aufklärung könnte beim BND stehen
bleiben und dass wir nicht nach den Verantwortlichen im
Bundeskanzleramt fragen, dass wir nicht fragen, was
dort wann gewusst wurde, wer diese Spionage zugelassen und nicht unterbunden hat, wer die europäischen
Partner nicht informiert hat, der täuscht sich. Das werden
wir als Untersuchungsausschuss fragen. Falls in den
nächsten Stunden und Tagen klar wird, dass die von uns
als Opposition gemeinsam vorgelegten Beweisanträge
abgelehnt werden bzw. die Listen zu den Spionagezielen
der NSA nicht vorgelegt werden, dann müssen wir sagen: Das ist nicht nur eine Blockade der Arbeit, sondern
das ist der Versuch der Verschleppung. Es steht im
Raum, dass wir die entsprechenden Zeugen aus dem
Bundeskanzleramt möglicherweise erst im Sommer oder
sogar erst nach der parlamentarischen Sommerpause hören werden. Das ist nicht das, was die Öffentlichkeit derzeit erwartet.
({10})
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie
haben Ihre Redezeit schon deutlich überzogen.
Ich komme zum Schluss. - Ich denke, Sie haben jetzt
allen Anlass, diesen Skandal nicht weiter auszusitzen.
({0})
Ansonsten werden diejenigen, die das tun, den Stuhl riskieren, auf dem sie gerade erst Platz genommen haben.
Danke.
({1})
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Susanne
Mittag von der SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuschauer! Das Thema ist sehr interessant; das ist sehr schön. Ich bin froh, dass diese Aktuelle
Stunde von der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion bean9762
tragt worden ist, um über die Kooperationen von BND
und NSA in Deutschland zu sprechen.
({0})
Denn die Vorwürfe, die dem BND und auch dem Bundeskanzleramt in den letzten Tagen gemacht wurden,
sind erheblich und erreichen zumindest in der Öffentlichkeit - deswegen ist der Zuspruch so groß - immer
neue Dimensionen.
Aber die Presseberichte lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auch endlich wieder vermehrt auf den
NSA-Untersuchungsausschuss. Hoffentlich hilft uns
diese öffentliche Resonanz bei der Durchsetzung unserer
Beweisbeschlüsse im Ausschuss. Das sind inzwischen
fast 300. Wir sind ja nicht untätig geblieben. Ich denke,
seit einigen Tagen mehren sich offene Fragen, und damit
steigt auch die Zahl der Beweisbeschlüsse. Aber
schnelle Schlussfolgerungen, wie sie in den letzten Tagen geäußert wurden, helfen bei der wichtigen Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses nicht wirklich weiter.
({1})
Wir als Untersuchungsausschuss haben einen klar definierten Untersuchungsauftrag und klare Forderungen,
um einen hochproblematischen Sachverhalt zu klären,
sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich. Dabei geht es
nicht um Hörensagen, Schlussfolgerungen, Empfindungen oder Ähnliches, sondern es geht um belastende und
entlastende Momente. Diese zu bekommen - das haben
wir gemerkt -, wird wohl nicht ganz einfach sein. Das
haben wir schon gemerkt, als wir schwarze Seiten, blaue
Seiten und sogar gar keine Seiten in den Akten hatten.
Es gibt externe Orte zum Lesen. Konsultationen ohne
Ergebnis hatten wir auch schon. Es wird also nicht aufhören. Aber wir werden die Beweise bekommen. Sie
sind unverzichtbar, so unangenehm es vielleicht für den
einen oder anderen auch werden könnte.
({2})
Eine sachliche öffentliche Diskussion kann da nur hilfreich sein. Ich betone: sachlich.
Es müssten jetzt alle Fakten auf den Tisch, und dann
müssen die Zeugen befragt werden; so herum wird ein
Schuh daraus. Einige werden wir eventuell erneut vernehmen müssen; da ist, denke ich, die Belehrung vor der
Aussage wohl nicht komplett angekommen.
({3})
Erst dann ist es sinnvoll, Konsequenzen zu fordern: organisatorisch oder rechtlich oder personell. Nur so bleiben der Ausschuss, das Parlament und die Politik glaubwürdig. Auch eine Regierung ist nur so glaubwürdig,
wie sie mit eigenen Mängeln umgehen kann.
Die in den vergangenen beiden Wochen aufgeworfenen Fragen zeigen nur die Richtigkeit und Wichtigkeit
des NSA-Untersuchungsausschusses. Denn erst durch
die Beweisbeschlüsse dieses Ausschusses - es waren
nicht die Grünen alleine - scheint sowohl dem BND als
auch dem Kanzleramt die Brisanz der von den USA eingesteuerten Selektoren bewusst geworden zu sein. Die
aufgeworfenen Fragen bestätigen auch die Richtigkeit
und Wichtigkeit unserer im Ausschuss beschlossenen
Vorgehensweise. Nur noch einmal zur Erinnerung: Erst
kehren wir vor der eigenen Tür, also beim BND und bei
dessen Kontrolle. Da scheinen wir mit der parlamentarischen Aufarbeitung offenbar noch lange nicht fertig zu
sein.
Aber - vielleicht geht das in der einen oder anderen
Diskussion unter -: Die Aufgabe des BND ist unter anderem die Unterstützung der Bundesregierung bei ihren
sicherheits- und außenpolitischen Entscheidungen durch
Bereitstellung von Erkenntnissen über das Ausland.
Manchmal habe ich in dieser Diskussion das Gefühl, das
wird ein bisschen vermischt.
Eine weitere Aufgabe ist die informatorische Unterstützung der Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen.
Es ist schon erwähnt worden: Die Bundeswehr ist in
14 Ländern im Einsatz. Das Stichwort lautet hier
„Schutz der Truppe vor terroristischen Anschlägen“; das
hat das eine oder andere Mal ja offensichtlich geklappt.
Hinzu kommt die Aufgabe, Informationen in Krisen
oder bei Entführungen deutscher Staatsangehöriger bereitzustellen. Zurzeit gibt es mehrere Entführungsfälle.
Darüber wird nicht öffentlich diskutiert - das ist auch
richtig so -; aber das ist wichtig.
Es waren die Entwicklungen nach dem 11. September
2001, die zum Memorandum of Agreement mit der NSA
geführt haben. Der Rahmen dieses Agreements ist klar
definiert und nachvollziehbar. Wir müssen nun klären,
ob und inwieweit sich beim BND im Laufe der Jahre ein
gewisses Eigenleben und/oder ein großzügiges Interpretieren der rechtlichen und vertraglichen Rahmen breitgemacht hat - um es einmal milde auszudrücken. Das ist
unsere Aufgabe. Wir müssen außerdem klären, ob und
wann bei offenkundigen Verstößen des ausländischen
Partners Meldungen an die BND-Spitze und das Kanzleramt gegangen sind und welche Folgen dies für die
weitere Zusammenarbeit hatte. Ganz besonders interessant sind natürlich die Fragen: Wann und mit welchen
Folgen?
Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses wird sich
dann in einem weiteren Schritt mit den USA und mit
Großbritannien und deren Nachrichtendiensten beschäftigen; da sind wir nämlich noch gar nicht angekommen. Es
geht um die Fragen: Was haben diese explizit in Deutschland unternommen, um, so wie es Edward Snowden nahelegt, ein engmaschiges Spionagenetz anzulegen, um die
weltweite Kommunikation - Stichwort „full take“ überwachen zu können? Bei all dem müssen wir noch
klären, was zutrifft.
Diese Aufklärungsarbeit ist die Aufgabe, der wir nun
schon seit über einem Jahr jeden Donnerstag in jeder
Plenarwoche bis spät in die Nacht nachgehen. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit hat als Grundlage die sieben
goldenen W - der eine oder andere Polizist wird sie kennen -: Wer hat wann wo was wie mit wem warum geSusanne Mittag
macht? Das ist die Grundlage der Ermittlungsarbeit. So
werden auch wir weiter vorgehen.
({4})
Dazu gehören Sachbeweise, und die brauchen wir bis
morgen - es ist nun einmal so -, und zwar in Form von
Selektorenlisten. Sie sind wichtig; denn sie sind Sachbeweise. Auch wenn ich mich da wiederhole: Die Selektorenlisten sind elementar für die Aufklärung. Erste
Zeugenbefragungen dazu haben wir letzte Woche beschlossen; da haben wir unseren Plan schon geändert.
Im vergangenen Jahr und bis heute war die Zusammenarbeit im NSA-Untersuchungsausschuss - um auch
einmal etwas Positives zu sagen - über die Fraktionsgrenzen hinweg sehr kooperativ und kollegial. Auch
wenn es hier und da und bei der einen oder anderen
Frage unterschiedliche Meinungen gab, hat uns bisher
immer der gemeinsame Aufklärungswille gute Lösungen
für die Arbeit des Ausschusses finden lassen. Das wünsche ich mir bei aller Aufgeregtheit der letzten Tage
auch weiterhin.
Eins ist klar: Nur wenn wir - als vom Bundestag einstimmig eingesetzter Untersuchungsausschuss - zusammenarbeiten, können wir unserem Auftrag gerecht
werden. Denn die Widerstände gegen unseren Aufklärungsauftrag sind auf beiden Seiten des Atlantiks gewaltig. Diese Widerstände gilt es zu überwinden. Da sind
wir auf einem guten Weg. Als selbstbewusstes Parlament
werden wir zusammen einen Weg finden, um sowohl berechtigten Geheimhaltungsinteressen
Frau Kollegin, ich muss auch Sie ermahnen.
- ja; ich komme zu meinem letzten Satz - als auch
dem öffentlichen und unserem eigenen parlamentarischen Anspruch auf Aufklärung gerecht zu werden. Ich
denke, das bekommen wir hin.
Herzlichen Dank.
({0})
Als nächster Redner hat Hans-Christian Ströbele vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Danke. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir reden heute über Fehler im Kanzleramt.
Der Meinung, dass es diese Fehler gab, war ja auch Herr
Mayer. Deshalb bedauere ich außerordentlich, dass die
Chefin des Kanzleramtes nicht hier ist und dass ihr Platz
frei ist.
({0})
- Ist er jetzt der Chef?
({1})
- Na gut. Das können Sie der Kanzlerin schonend beibringen.
({2})
Ich hätte nämlich erwartet, dass die Kanzlerin sich als
Erstes einmal hier an dieses Pult stellt und definitiv gegenüber dem Parlament, gegenüber der Öffentlichkeit
erklärt, dass ihre Aussage im Wahlkampf 2013, dass es
keinerlei Wirtschaftsausspähung, keinerlei Wirtschaftsspionage in Deutschland durch die NSA gibt, falsch war.
Diese Aussage war falsch, und sie muss sofort korrigiert
werden.
({3})
Ich will einmal versuchen, nicht für die Ahnungslosen, die Herr Mayer hier genannt hat, sondern für die,
die Ahnung haben, die Themen zu sortieren. Es geht hier
nicht um Daten über terroristische Anschläge.
({4})
Es geht hier auch nicht um Daten von Wirtschaftsunternehmen, deutschen oder europäischen, die möglicherweise Beziehungen zu Waffenhandel haben,
({5})
zu Drogenhandel, zu Terrorismus oder was auch immer.
Es geht hier um Informationen über Personen in
Deutschland und in Europa sowie über Firmen in
Deutschland und in Europa, die all das nicht haben, sondern die nur in den Fokus der NSA und des Bundesnachrichtendienstes gekommen sind, weil die NSA die Vereinbarung mit dem Bundesnachrichtendienst nicht
eingehalten hat. Das, Herr Kollege Mayer, verstößt eklatant gegen deutsches Recht, gegen das deutsche Grundgesetz, und das hat die Bundesregierung zu verantworten. Nur darum geht es.
({6})
Dass es nur darum geht, können Sie daraus ersehen,
dass diese Selektoren - zum Beispiel „EADS“ oder „Eurocopter“ oder „französische Politiker“ -, die da dauernd
durch die Gegend geistern, vom Bundesnachrichtendienst aussortiert und auch nicht wieder hineingenommen wurden, weil sie Ergebnis eklatanter Verstöße ge9764
gen die Vereinbarung mit Deutschland waren. So einfach
ist das.
({7})
Lassen Sie uns darüber reden.
Wir werfen der Bundesregierung nicht vor, dass sie
mit den USA zusammenarbeitet, auch nicht, dass sie es
im Geheimdienstbereich tut. Ich bin damit seit 15 Jahren
oder länger beschäftigt.
({8})
Wir werfen der Bundesregierung vielmehr vor, dass sie
diese Rechtsbrüche - Brüche des deutschen Rechts, des
deutschen Grundgesetzes und der Vereinbarungen mit
den USA - nicht nur geduldet, toleriert, übersehen, sondern sogar mitgemacht und gefördert hat, und dies, weil
der Bundesnachrichtendienst diese Selektoren nicht ausgeschlossen hat.
({9})
Wir werfen Herrn de Maizière nach wie vor, also auch
noch nach der Sitzung vorhin, vor, dass er als zuständiger Chef im Kanzleramt
({10})
nicht das Notwendige getan hat, um das abzustellen.
({11})
Sie haben nämlich vorhin nicht erwähnt, dass dies seit
2005 im Bundesnachrichtendienst bekannt war, dass es
spätestens seit 2010, aber auch schon vorher im Kanzleramt hätte bekannt sein müssen.
Sie haben gesagt, es hätten diese Namen - EADS und
die anderer Firmen - vorgelegen; sie seien nicht Gegenstand der Vermerke gewesen.
({12})
Sie haben aber nicht gesagt, dass es in den Vermerken
sehr wohl Anhaltspunkte dafür gibt, dass Herr de
Maizière hätte tätig werden müssen. Dennoch ist er nicht
tätig geworden, weder in seinem Amt noch beim Bundesnachrichtendienst noch gegenüber der NSA und den
US-amerikanischen Freunden. Das werfen wir ihm vor.
({13})
Herr Mayer, auch Sie sagen, es habe Fehler gegeben.
Ja, es hat Fehler gegeben. Aber, Herr Mayer: Diese Fehler sind so schlimm, dass dies organisatorische und personelle Konsequenzen haben muss, sowohl im Bundeskanzleramt als auch im Bundesnachrichtendienst, und
zwar erhebliche.
({14})
Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Manfred
Grund von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Herr Kollege Ströbele, Fakten, Fakten, Fakten und immer in Sichtweite der Wahrheit bleiben!
({0})
Aus allen Dokumenten, die uns heute im Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden sind, insbesondere das Jahr 2005 betreffend, und deren Inhalt auch
Sie nicht angezweifelt haben, ist nichts herauszulesen
- und man kann dort noch nicht einmal etwas hineininterpretieren -, was mit Rechtsbrüchen, Fehlern im
Kanzleramt oder Industriespionage zu tun hat. Bitte,
bleiben Sie bei dem, was Sie auch heute gehört haben,
und verbreiten Sie nicht andere Behauptungen.
({1})
Frau Kollegin Renner, Sie sprechen von Massenüberwachung. Seit zwei Jahren steht der Begriff „Massenüberwachung“ im Raum. Seit einem Jahr bemühen Sie
sich neben anderen Kollegen offensichtlich auch im Untersuchungsausschuss, diese Massenüberwachung zu belegen. Sie haben nichts gefunden. Sie sind auch heute
den schlüssigen Beweis für Massenüberwachung in
Deutschland schuldig geblieben.
({2})
Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik
Deutschland hat zum Schutz ihrer Bürger und damit
auch in unserem Interesse drei Nachrichtendienste. Einer
davon ist der Bundesnachrichtendienst. Frau Kollegin
Göring-Eckardt, wir haben Nachrichtendienste und Gott
sei Dank keine Geheimdienste.
Zum Kernauftrag des Bundesnachrichtendienstes gehören die Beobachtung von Krisengebieten und Regionen, die von besonderer Bedeutung für die Sicherheit der
Bundesrepublik sind, sowie die Aufklärung im Einsatzgebiet der Bundeswehr, und zwar zum Schutz der dort
eingesetzten Bundeswehrsoldaten. Darauf, Informationen zu sammeln und diese auch auszuwerten, zielt der
gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst.
Dabei bedient sich der Bundesnachrichtendienst natürlich nachrichtendienstlicher Mittel. Dem Einsatz dieser nachrichtendienstlichen Mittel sind bereits durch unsere Verfassung enge Grenzen gesetzt.
({3})
- Ja, „ganz enge Grenzen“. - Dazu gehören der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung sowie der Grundsatz
des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes.
Noch einmal: Unsere Nachrichtendienste sind keine
Geheimdienste, weil ihr Tätigkeitsbereich gesetzlich wesentlich enger gefasst ist. Sie sind aber auch kein öffentlicher und kein offener Dienst, dessen Strukturen, Arbeitsweise, Erkenntnisse oder auch Defizite auf den
Marktplätzen unserer Republik oder der Welt ausgebreitet werden können.
Weil das so ist, unterliegt auch der Bundesnachrichtendienst einer besonderen Kontrolle des Deutschen
Bundestages, insbesondere der Kontrolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der G 10-Kommission und
des Vertrauensgremiums des Haushaltsauschusses. Selbstverständlich gibt es darüber hinaus die Kontrolle durch
Gerichte, Datenschutzbeauftragte und den Bundesrechnungshof.
Das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert
die Arbeit der Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes. Die Bundesregierung ist verpflichtet, das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit
der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums haben Zutritt zu allen
Dienststellen der Nachrichtendienste. Sie können Akten
und Dateien abrufen, Angehörige der Nachrichtendienste befragen und zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben einen Sachverständigen als Sonderermittler
einsetzen.
So weit die Theorie, so weit die gesetzliche Grundlage, so weit auch die Praxis, eine Praxis, die ich als
langjähriger Kontrolleur der nachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht zu beanstanden habe. Dies war und ist übrigens bis heute auch die Sicht des Parlamentarischen
Kontrollgremiums. So steht in der Unterrichtung durch
das Parlamentarische Kontrollgremium an das Parlament, Drucksache 18/217, für den Berichtszeitraum November 2011 bis 2013:
Auch im vorliegenden Berichtszeitraum unterrichtete die Bundesregierung … angemessen, zeitnah
und im gebotenen Umfang … Für die Information
durch die Nachrichtendienste gilt dies grundsätzlich
ebenfalls.
Ich will zum Erkenntnisgewinn noch hinzufügen,
dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium innerhalb
der Bundestagsverwaltung mehr als ein Dutzend Beamte
und Angestellte zuarbeiten und es unterstützen.
Und ich will der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums geheim sind und die Mitglieder zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet sind. Seit
Beginn 2015 ist ein Mitglied der Fraktion Die Linke
Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
Leider ist mit dem Wahlkampf 2013 unter dem damaligen Vorsitzenden die Unsitte eingetreten, dass einige
Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vor
und nach den - geheimen - Sitzungen die lokale und die
Weltpresse unterrichten. Dies hilft vielleicht der eigenen
Profilierung, schadet aber dem Gremium.
({4})
Schaden für die parlamentarische Kontrolle entsteht
auch dadurch, dass permanent hochvertrauliche Dokumente durchgestochen werden. Damit wird Misstrauen
kultiviert, und die Nachrichtendienste werden diffamiert
und diskreditiert.
({5})
Ich will zum Abschluss noch einmal aus dem Bericht
des Parlamentarischen Kontrollgremiums zitieren - Frau
Vorsitzende, ich bin gleich fertig -:
({6})
Auf Nachfragen der Mitglieder des Gremiums erläutert die Bundesregierung zur Herkunft der dem
Nachrichtendienst NSA aus Deutschland übermittelten Daten, dass diese aus der Auslandsaufklärung
des BND stammten. Die Daten erhebe der BND im
Rahmen gesetzlicher Vorgaben und leite sie erst
weiter, nachdem man Daten über Deutsche in einem mehrstufigen Verfahren herausgefiltert habe.
Alles, was wir heute gehört und gesehen haben, lässt
überhaupt keinen Schluss zu, dass diese Praxis nicht
fortgesetzt wird und weiterhin angewandt wird, sodass
für die Skandalisierung, die hier betrieben worden ist,
überhaupt kein Hintergrund vorhanden ist.
({7})
Als nächster Redner hat Uli Grötsch von der SPDFraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wissen Sie, was das Positive an der jetzigen Situation
ist?
({0})
- Ich sage es Ihnen gerne.
({1})
Jetzt haben wir alle - wir Parlamentarier, das Bundeskanzleramt - die Gelegenheit, den Menschen in
Deutschland die Aufgaben und die Notwendigkeiten, denen der BND auch unterliegt, zu erklären;
({2})
denn natürlich geht es ohne internationale Zusammenarbeit und ohne den internationalen Verbund der Nachrichtendienste ausdrücklich nicht.
({3})
Jetzt ist für uns die Chance, die Nachrichtendienste
aus der Grauzone zu holen, in der sie sich zurzeit womöglich befinden. Ich begrüße es deshalb sehr ausdrücklich, dass die Bundeskanzlerin ihre Aussage vor dem
NSA-Untersuchungsausschuss angekündigt hat. Ich
hoffe, dass es in diesem Zusammenhang auch klare
Worte von Frau Merkel geben wird.
Lassen Sie uns alle gemeinsam, liebe Kolleginnen
und Kollegen, den Verschwörungstheoretikern und
selbsternannten Geheimdienstexperten in Deutschland
und überall auf der Welt den Nährboden entziehen und
die Arbeit der Nachrichtendienste einer nüchternen Betrachtung unterziehen.
({4})
Lassen Sie uns auch Verantwortung als Gesetzgeber
übernehmen, um durch klare Gesetze und Vorgaben die
Nachrichtendienste aus ebendieser Grauzone zu holen,
in der sich die Dienste zudem auch selbst nicht befinden
wollen. Damit meine ich Gesetze, die auch den Gegebenheiten im Jahr 2015 und darüber hinaus entsprechen
und insoweit angemessen sind. Erst am Freitag vorletzter Woche haben wir an dieser Stelle über die Neustrukturierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz diskutiert. Mit dem entsprechenden Gesetzentwurf sind wir,
liebe Kolleginnen und Kollegen, einen wichtigen und
richtigen Schritt gegangen. Ich glaube, was für das BfV
gut sein wird, das wird auch - durch eine klare Gesetzgebung - für den BND gut sein. Die Dienste dürfen
nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Sündenbock
für womöglich strukturelle Schwächen und Gesetzeslücken herhalten.
({5})
Gerade in diesem höchst sensiblen Arbeitsbereich sind
klare Regelungen ohne Zweifel erforderlich.
Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Für uns
muss Aufklärung an erster Stelle stehen. Die Fakten
müssen auf den Tisch, und wir müssen auch dabei bleiben. Auch ich komme aus der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums von eben, und ich glaube, dass
das, was dort heute erklärt und vorgelegt wurde, Rücktrittsforderungen und den lauten Schrei „Skandal“
schlichtweg unmöglich macht, wenn man seriös bleiben
will.
({6})
Lassen Sie mich auch sagen: Gut, dass wir mit dem
NSA-Untersuchungsausschuss ein Gremium haben, das
der Thematik und allen Fragen bis ins Detail nachgehen
wird. Der Ausschuss hat in den letzten Monaten enorm
viel und enorm erfolgreich gearbeitet. Ich sage: Respekt,
liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut, dass wir Sie haben!
({7})
Aber der Untersuchungsausschuss stößt natürlich an
seine Grenzen, wenn ihm Informationen vorenthalten
werden.
Ich hoffe, dass es jetzt tatsächlich den Willen und die
politische Bereitschaft gibt, das Parlament in seiner
Funktion als Kontrollinstanz zu stärken. Das meine ich
in Bezug auf das Parlamentarische Kontrollgremium in
personeller Hinsicht ebenso wie in der Mittelausstattung.
Wir brauchen eine nachhaltige, eine ernstgemeinte und
deutlich spürbare Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Behörden mit Zigtausend
Mitarbeitern, die in den verschiedensten Bereichen, verteilt über den ganzen Globus, im Einsatz sind, können
nicht durch einige wenige Personen effektiv kontrolliert
werden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zur
Struktur der Fachaufsicht und zu der Kontrolle durch die
Bundesregierung sagen, wenn es um die Nachrichtendienste geht. Ich halte nichts davon, noch einen neuen
Beauftragten im Deutschen Bundestag zu installieren.
({8})
Wir haben nämlich schon eine Fachaufsicht im Kanzleramt, wir haben einen Geheimdienstkoordinator, der
schon von Amts wegen für das zuständig ist, worüber
wir hier reden. Wir haben seit 2014 sogar einen zusätzlichen Beauftragten der Bundesregierung für die Nachrichtendienste. Somit sind wir hinsichtlich der Strukturen wirklich nicht schlecht aufgestellt. Aber die
Strukturen und die Abläufe müssen beachtet bzw. eingehalten werden. Der Informationsfluss von ganz unten
nach ganz oben muss gewährleistet und im Sinne der
parlamentarischen Kontrolle nachvollziehbar sein.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank. - Als nächste Rednerin hat Nina
Warken von der CDU/CSU das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin froh, die heutige Debatte dazu nutzen zu können,
uns noch einmal vor Augen zu führen, was eigentlich
Auftrag und Aufgabe des 1. Untersuchungsausschusses
ist, den wir gemeinsam vor gut einem Jahr eingesetzt haben. Zudem möchte ich darlegen, welche Rolle die
Nachrichtendienste für die Sicherheitsarchitektur unseres Landes spielen.
Zum Untersuchungsausschuss. Hier muss es um Aufklärung gehen. „Aufklärung“ muss bedeuten, dass Missstände angesprochen und näher untersucht werden.
„Aufklärung“ muss aber auch bedeuten, dass man unvoreingenommen und mit dem festen Willen herangeht,
umfassend und nachhaltig alle relevanten Sachverhalte
und Verhaltensweisen aufzuarbeiten. Wir müssen dabei
sehr sorgfältig vorgehen, auch weil das im Grundgesetz
verbriefte Recht des Parlaments, einen UntersuchungsNina Warken
ausschuss einzusetzen, eines der wichtigsten Rechte dieses Parlaments überhaupt ist.
Der Untersuchungsausschuss ist unser schärfstes
Schwert, und wir lassen uns hier sicher nicht durch lautstarke Parolen von vielfach bewährten Prinzipien abbringen.
({0})
Unsere Prinzipien sind Gründlichkeit, Genauigkeit und
Aufarbeitung des Sachverhalts von unten nach oben,
auch was Zeugenbefragungen angeht. So haben wir das
ganz im Sinne einer effektiven und sachgerechten Aufklärung bisher stets getan, und so wollen wir es weiterhin tun. Dabei erwarten wir von allen Beteiligten eine
Mitwirkung nach besten Kräften, nach bestem Wissen
und Gewissen. Das ist die Verantwortung gegenüber unserem Land.
Ganz im Sinne dieser Verantwortung hätte ich es sehr
begrüßt, wenn man in den letzten Tagen nicht ständig
hätte lesen können, wovon man bereits jetzt ausgeht oder
welche Schlussfolgerungen man bereits heute zieht, sondern wenn man seitens der Opposition die Sachaufklärung an den Anfang gestellt hätte. Die betriebene Effekthascherei ist unverantwortlich und alles andere als im
Sinne einer echten Aufklärung.
({1})
Fast reflexartig wurde da von Wirtschaftsspionage gesprochen, vom systematischen Ausspionieren der Bevölkerung oder vom willfährigen BND, der der NSA ohne
Bedenken und Skrupel gegen deutsches Recht und Gesetz zuliefert, dies alles ohne Belege. Statt dieser Parolen
hätte ich mir gewünscht, dass man vom Ende her gedacht hätte. Zuerst müssen die Fakten auf den Tisch, und
zwar alle Fakten. Erst dann folgt die Bewertung, und erst
dann wird entschieden, welche Maßnahmen zu ergreifen
sind.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin fest davon
überzeugt, dass wir in Deutschland Nachrichtendienste
brauchen, Nachrichtendienste, die sich selbstverständlich an Recht und Gesetz halten und die kontrolliert werden, aber auch Nachrichtendienste, die gut und effektiv
arbeiten, unsere Bürgerinnen und Bürger schützen und
Terroranschläge auf unser Land verhindern. Klar ist: Der
Bundesnachrichtendienst dient dem Land. Er arbeitet
nicht in eigenem Auftrag. Die Bundesregierung muss
wissen, was dort geschieht. Wir als Parlament nehmen
Kontrollrechte wahr.
Man hört dieser Tage immer nur, was vermeintlich
nicht gut läuft beim BND. Man sollte aber auch ruhig
einmal auf die Erfolge hinweisen. Allein in den vergangenen Jahren hat der BND mitgeholfen, mindestens fünf
größere Anschläge in Deutschland zu verhindern. Insbesondere möchte ich hier den Fall der Sauerland-Gruppe
nennen; das wurde schon angesprochen. Auch das, liebe
Kolleginnen und Kollegen, gehört zur Wahrheit.
({3})
Lassen Sie mich einmal einen Blick zurück werfen.
Die Anschläge vom 11. September haben die Sicherheitsarchitektur in der ganzen westlichen Welt verändert.
Der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer
sagte wenige Wochen später hier an diesem Ort:
Es ist eine mörderische, eine totalitäre Herausforderung, vor der wir stehen.
({4})
Kanzler Schröder hat den Amerikanern damals unsere
- ich zitiere - „uneingeschränkte Solidarität“ zugesagt.
Die Situation damals war ernst, und die Bedrohungslage hat sich bis heute nicht wirklich verändert. Sie ist
nicht nur abstrakt, sie ist längst real, was wir jüngst am
vereitelten Anschlag in Hessen gesehen haben. Deshalb
appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns die Debatte
sachlich führen, die Fakten beleuchten und die Geschehnisse aufklären, statt in Parteiengezänk zu verfallen.
Deutschland ist nicht isoliert in der Welt, wir brauchen
die Zusammenarbeit mit verbündeten Ländern und deren
Diensten. Wenn wir einen funktionierenden und vor allem effektiven Dienst wollen, sind wir auf deren Informationen angewiesen, nicht zuletzt auch deshalb, um unsere Soldatinnen und Soldaten zu schützen, die wir als
Parlament in Auslandseinsätze schicken. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit unserer Dienste mit ausländischen Diensten ist im Gesetz klar geregelt und ausdrücklich vorgesehen; dies muss auch einmal deutlich gesagt
werden. Man könnte in der aktuellen Diskussion beinahe
den Eindruck gewinnen, eine solche Zusammenarbeit sei
per se wider Recht und Gesetz.
Genauso wie wir von den Nachrichtendiensten hierbei selbstverständlich Korrektheit erwarten, müssen wir
jedoch auch zu deren Notwendigkeit stehen. Forderungen, nach denen Nachrichtendienste abgeschafft werden
sollen, wie sie seit Jahren immer wieder von den Linken
zu hören sind, halte ich für schlicht unverantwortlich
und naiv.
Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Verzichten wir in den kommenden Wochen also auf ideologieverblendete Diskussionen und Effekthascherei in der
Öffentlichkeit, und nehmen wir unseren Untersuchungsauftrag ernst. Das ist unsere Verantwortung. Die CDU/
CSU wird sich hierfür mit ganzer Kraft einsetzen.
Vielen Dank.
({5})
Als letzter Redner in dieser Debatte hat Clemens
Binninger, ebenfalls von der CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor Beginn meines Beitrages hätte ich gerne etwas
zur Kollegin Renner gesagt.
({0})
- Sie ist vielleicht verhindert.
({1})
Ich will nur, damit wir keine falsche Schärfe in die
Debatte bekommen, sagen: Kollegin Renner hat zu der
Rede des Kollegen Mayer angedeutet, dass er aus geheimen Dokumenten zitieren würde. Es steht immer gleich
ein schwerer Vorwurf im Raum. Ich will klarstellen
- das habe ich mit meinem Kollegen Hahn von den Linken abgesprochen -, dass wir vorhin im Gremium einen
Beschluss gefasst haben, der uns erlaubt, eine Bewertung über die Sitzung abzugeben. Das, was Kollege
Mayer und übrigens auch Kollege Ströbele gesagt haben, war im Wesentlichen das, was wir vorher auch in
die Mikros gesagt haben. Es gibt also keinen Grund für
irgendeine Schärfe.
({2})
Ich glaube, dass wir hier eine sachliche Debatte haben,
die sicher, hoffe ich, dazu beiträgt, dass wir alle die
Sach- und Aufklärungsarbeit im Gremium und auch im
Untersuchungsausschuss wieder in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.
Ich glaube, dass wir auch einmal darauf hinweisen
müssen, was der BND macht und worum es konkret
geht. Es geht nicht um Kommunikation in Deutschland.
Es geht um Kommunikation aus Krisenregionen, die wir
brauchen für die Sicherheit unserer Soldaten, die wir
brauchen zur Bekämpfung des Terrorismus, die wir
brauchen, um die Verbreitung von Kriegswaffen zu verhindern, und die wir auch brauchen, um organisierte Kriminalität zu bekämpfen.
({3})
All das steht übrigens im Gesetz. Im Gesetz steht
auch, dass bei diesen Aufgabenfeldern - Bekämpfung
von Terrorismus, Proliferation und organisierter Kriminalität - ein Austausch von Informationen mit anderen
Nachrichtendiensten erfolgen darf. Das geschieht im
Rahmen der Rechtslage.
Ich finde, wir sollten keine pauschalen Vorwürfe, Lügen, Skandalisierungen und Rücktrittsforderungen an
den Beginn der Debatte stellen, sondern am Beginn einer
Debatte muss eine Betrachtung der Rechtslage stehen:
Was darf der Dienst? Was haben wir, dieses Parlament,
ihm als Erlaubnis mitgegeben? Und dann ist konkret zu
fragen: Gab es bei der Arbeit Verstöße gegen diese
Rechtslage? Das kann und muss der einzige Maßstab für
unsere Aufklärung sein.
({4})
Ich will bei aller Unterschiedlichkeit eines deutlich
feststellen; ich war froh, dass das fast alle Redner so gesehen haben. Das gilt auch für Sie, Herr Kollege
Ströbele. Dafür bin ich Ihnen, was selten vorkommt,
wirklich dankbar; ab und an darf man das sagen. Sie haben es vielleicht nicht so deutlich gesagt, wie ich es jetzt
tue; bei Ihnen war es eher so ein dahingehuschter Satz.
({5})
Wer angesichts der Bedrohungslage, mit der wir konfrontiert sind - wir reden aktuell über dreieinhalb
Tausend Dschihadisten allein aus Europa, die sich in
Krisenregionen, im Irak, in Syrien, beim IS, befinden
und für unsere Sicherheit eine große Bedrohung darstellen -, sagen würde: „Wir brauchen keine Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten“, der schadet der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem
Land. Und das dürfen wir nicht zulassen!
({6})
In den letzten Tagen ging es um den Bundesinnenminister. Ich glaube, er hat einen Anspruch auf einen fairen Umgang. Es gibt eine Reihe von Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss noch
aufklären müssen - Herr Kollege Flisek, Sie haben das
skizziert -; ich habe da absolut großes Vertrauen. Den
Fragen muss man nachgehen: Warum wurde nicht gemeldet? Wie sind die abgelehnten Begriffe zustande gekommen und warum in dieser Zahl?
Letzte Woche stand vor allem der Bundesinnenminister im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Die Vorwürfe waren kaum noch zu überbieten. Ich wiederhole
die in diesem Zusammenhang erwähnten Begriffe nicht
noch einmal. Es ging bei uns heute Mittag im Parlamentarischen Kontrollgremium speziell darum, diesen Vorwürfen nachzugehen und ihm - das gehört sich, finde ich Gelegenheit zu geben, selber dazu Stellung zu nehmen.
Wir konnten diese Vermerke aus dem Jahr 2008 einsehen. Die Regierung hat sie uns zur Verfügung gestellt.
Wir sind dann - es mag da Unterschiede im Detail geben zu einer Bewertung gelangt. Aber eines ist klar: In keinem dieser Vermerke ist auch nur eine Firma genannt
worden, und in keinem Vermerk - das ist unsere Auffassung - gab es eine Aufforderung an den damaligen BKChef, im Sinne von „Das geht hier alles nicht; das muss
man dringend beenden“ tätig zu werden. Ganz im Gegenteil: Es wurde darauf verwiesen, dass die Rechtslage
eingehalten werde und dass es keinen Bedarf gibt, dieses
Memorandum zu ändern.
Ich finde, angesichts dieser Aktenlage sind die Vorwürfe gegen den Bundesinnenminister nicht länger haltbar.
({7})
Das heißt nicht, dass es nicht noch Fragen gibt, etwa:
Warum gibt es so viele abgelehnte Suchbegriffe? Das
heißt auch nicht, nicht zu hinterfragen: Warum wurde
das nicht an das Kanzleramt gemeldet? Weiter heißt das
auch nicht, dass wir uns nicht vielleicht grundsätzlich
mit der Frage befassen müssen: Wie können wir bei großen Datenmengen sicherstellen, dass der Filter im Prinzip auch immer passt? Das alles wird sicher Aufgabe der
nächsten Monate sein. Die Erledigung dieser Aufgabe
aber sollten wir ruhig, sachlich, konstruktiv und weitestgehend - so hoffe ich doch - parteiübergreifend vorantreiben, damit wir Nachrichtendienste haben, die arbeitsfähig bleiben. Weiterhin muss klar sein, dass hier im
Lande unsere Regeln gelten und dass wir alles tun, damit
die Sicherheit in unserem Land nicht gefährdet wird.
Herzlichen Dank.
({8})
Vielen Dank. - Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Mai 2015,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.