Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/2/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich! Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Eidesleistung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 2. Dezember mitgeteilt, dass er gemäß Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland am 30. November 2009 auf Vorschlag der Frau Bundeskanzlerin den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn Dr. Franz Josef Jung, und die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Ursula von der Leyen, aus ihren Ämtern als Bundesminister entlassen und Frau Dr. Ursula von der Leyen zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales und Frau Dr. Kristina Köhler zur Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ernannt hat. Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 vorgesehenen Eid. Frau Dr. Köhler, ich darf Sie zur Eidesleistung zu mir bitten. ({0}) Ich darf Sie bitten, den im Grundgesetz vorgesehenen Eid zu sprechen.

Dr. Kristina Köhler (Minister:in)

Politiker ID: 11003569

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herzlichen Glückwunsch. Alles Gute. ({0}) Ich stelle fest, dass Frau Dr. Köhler den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Eid geleistet hat. Ich darf Ihnen noch einmal im Namen des Hauses die besten Wünsche für Ihr Amt aussprechen. Zugleich wünsche ich der neuen Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Dr. von der Leyen, alles Gute und viel Erfolg für die neu übernommene Aufgabe. ({1}) Ich will aber auch die Gelegenheit nutzen, im Namen des Hauses dem ausgeschiedenen Bundesminister, dem Kollegen Dr. Franz Josef Jung, für seine Tätigkeit in der Bundesregierung zu danken. ({2}) Lieber Kollege Jung, ich verbinde den Dank für die geleistete Arbeit mit der Freude auf die Zusammenarbeit in neuen Rollen und anderen Funktionen. Vielen Dank. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung ({3}) - Das muss nicht das Signal dafür sein, dass die Bundesregierung sich komplett vom Schauplatz entfernt. ({4}) Immerhin sagen einzelne Minister gelegentliches Wiederkommen zu. Vielleicht warten wir noch einen Augenblick, bis sich der Kreis derjenigen, die bleiben, und derjenigen, die nun andere Termine wahrnehmen, etwas sortiert hat. Redetext Präsident Dr. Norbert Lammert ({5}) Frau Ministerin Köhler, darf ich zur Sicherung eines ansonsten ungestörten parlamentarischen Ablaufs darum bitten, dass die Gratulationstour außerhalb des Plenarsaals fortgesetzt wird? ({6}) Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gemeinsame Eckpunkte von Bund, Ländern und Kommunen zur Errichtung einer Deutschen Digitalen Bibliothek. Das Wort für einen einleitenden Kurzbericht zu diesem Thema hat der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute der Unterzeichnung eines Verwaltungs- und Finanzabkommens über die Errichtung und den Betrieb der Deutschen Digitalen Bibliothek zugestimmt. Mit der Deutschen Digitalen Bibliothek sollen die Datenbanken von über 30 000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland vernetzt und über ein einziges nationales Portal allen Bürgern zugänglich gemacht werden. Die Deutsche Digitale Bibliothek fügt das digital verfügbare Angebot bedeutender Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen aus ganz Deutschland zusammen und erschließt es multimedial. Das Konzept für das Verwaltungs- und Finanzabkommen ist in den gemeinsamen Eckpunkten von Bund, Ländern und Kommunen zur Errichtung dieser Bibliothek zusammengefasst. Die Eckpunkte berücksichtigen insbesondere die Ergebnisse der Studie „Auf dem Weg zur Deutschen Digitalen Bibliothek ({0})“, die von der Fraunhofer-Gesellschaft erarbeitet wurde. Die konkrete Ausgestaltung regelt das Verwaltungs- und Finanzabkommen zwischen Bund und Ländern über die Errichtung und den Betrieb der Deutschen Digitalen Bibliothek. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte das Abkommen in ihrer Sitzung am 30. Oktober 2009 zur Kenntnis genommen und die zuständigen Ressorts von Bund und Ländern gebeten, das Abkommen zu unterzeichnen. Der BKM, also mein Ressort, wird es für die Bundesregierung unterzeichnen. Dies ist also ein Gemeinschaftsvorhaben von Bund, Ländern und Kommunen. Mit den gemeinsamen Eckpunkten und dem daraus resultierenden Verwaltungsabkommen verständigen sich die Beteiligten auf gemeinsame Ziele und einen gemeinsamen Rahmen für die Bibliothek, insbesondere hinsichtlich ihrer Organisation und Finanzierung. Mit dieser Bibliothek wird der deutsche Beitrag zur Europäischen Digitalen Bibliothek Europeana erbracht und damit Verpflichtungen gegenüber der EU entsprochen. Es geht hier um den Zugang zu unserem seit Jahrhunderten öffentlich gesammelten und bewahrten, meist auch mit staatlichen Geldern erst angekauften Kulturgut, und zwar dauerhaft und ohne einen kommerziellen Zweck. Dies gilt es gerade auch angesichts des Vorgehens von Google zu betonen, das seit einiger Zeit die digitalen Rechte für große Bibliotheksbestände zu einem einmaligen Betrag praktisch für alle Ewigkeit erwerben will, dies im Übrigen gegen europäisches und deutsches Urheberrecht. Deshalb hat die Bundesregierung gemeinsam mit Frankreich in einem sogenannten AmicusCuriae-Brief dagegen interveniert, was dazu geführt hat, dass die ursprünglichen Pläne wahrscheinlich so nicht mehr durchgesetzt werden. ({1}) Die Deutsche Digitale Bibliothek ist in dieser Hinsicht eine angemessene Antwort auf Google. Bestehende Urheber- und Leistungsschutzrechte werden im Rahmen der Deutschen Digitalen Bibliothek selbstverständlich uneingeschränkt gewahrt. Im Unterschied zu Google werden bei der DDB die Rechteinhaber zuerst gefragt, und erst danach wird gehandelt, und zwar dokumentiert und jederzeit nachvollziehbar. Es sollen also die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die digitale Verfügungsgewalt über das teilweise über Jahrhunderte, ja Jahrtausende gewachsene kulturelle Erbe in öffentlicher Verantwortung bleibt. Kulturerbe und wissenschaftliche Informationen sollen, gerade mit Blick auf Katastrophen wie den Einsturz des Kölner Stadtarchivs oder den Brand der Anna-AmaliaBibliothek in Weimar, auch in digitaler Form für künftige Generationen gesichert werden. Deshalb - das möchte ich abschließend feststellen - wird in der sachkundigen Branche, bezogen auf dieses Projekt, von einem Quantensprung in der Welt der digitalen Informationen gesprochen. - Herr Präsident, das war die Darstellung der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bedanke mich sehr, insbesondere dafür, dass das in digitaler wie in analoger Zeitmessung innerhalb der vorgesehenen Befristung stattgefunden hat. Ich darf nun fragen, ob es zu diesem Themenbereich Wortmeldungen gibt. - Mir liegt schon eine der Kollegin Sitte vor. Bitte schön.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Sie haben ausdrücklich davon gesprochen, dass es sich um ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund, Ländern und Kommunen handelt, in dem auch die Kosten geregelt werden. Immerhin handelt es sich um zusätzliche Aufgaben. Von welchen finanziellen Eckpunkten gehen Sie jetzt aus? Was ist in diesem Verwaltungsabkommen dazu vereinbart? Wie soll die Finanzierung in den Folgejahren aussehen?

Not found (Gast)

Mit dem Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek soll im Jahre 2011 begonnen werden. Nach Abschluss und Unterzeichnung dieses Verwaltungsabkommens werden die nötigen Schritte eingeleitet. Für den Aufbau der Infrastruktur sind 5 Millionen Euro aus dem Haushalt des Bundes vorgesehen. Für die erste Phase der Inbetriebnahme ab 2011 sind von Bund und Ländern insgesamt 2,6 Millionen Euro veranschlagt, die dann von beiden jeweils zur Hälfte gezahlt werden. Dies ist sicherlich ein Anfang. Dann wird man sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Ich kann mir schon vorstellen, dass für eine optimale Ausgestaltung im Laufe der Zeit zusätzliche Mittel nötig sein werden. Aber ich bin jetzt im Augenblick nicht in der Lage, zu sagen, welchen Umfang sie einnehmen werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Fragen zu diesem Themenkomplex? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann darf ich fragen, ob es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. - Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich glaube, meine Frage müsste der Chef des Bundeskanzleramtes beantworten. Ich habe gehört, dass es mit elf Bundesländern eine Einigung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz gibt, insbesondere darüber, wie Sie da vorgehen wollen und wie Sie die Kompensation, die die Länder begehren, organisieren wollen. Ich denke, das Hohe Haus sollte heute erfahren, worin die Einigung der Bundesregierung mit der Bundesländerseite besteht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Staatsminister von Klaeden.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, die Berichte, nach denen mit den Bundesländern irgendwelche Kompensationen vereinbart worden sind, sind nicht zutreffend.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Was hat Staatssekretär Koschyk im Ausschuss dann sagen wollen? Worin besteht diese Einigung?

Not found (Gast)

Das ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren. Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, darauf angespielt, dass es Verabredungen über irgendwie geartete finanzielle Leistungen gibt; auf diese Presseberichte haben Sie ja Bezug genommen. Solche Verabredungen gibt es nicht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Höll, bitte.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, gestatten Sie mir eine Nachfrage. Wir haben heute im Finanzausschuss mehrere Änderungsanträge beschlossen, in denen ausgeführt wurde, dass damit keine finanziellen Auswirkungen verbunden sind. Zumindest die Oppositionsvertreter im Ausschuss sehen das anders. Das vorliegende Finanztableau wird wahrscheinlich zu noch höheren Belastungen für die Bundesländer führen. Wie sehen Sie das vor diesem Hintergrund? Eine Einigung ist erzielt worden, so war die Aussage im Ausschuss. Das heißt, der bisherige Zorn der Bundesländer müsste sich noch verstärkt haben. Daher ist die Einigung überraschend und erzeugt die Nachfrage: In welcher Form soll ein Ausgleich erfolgen? Finanziell oder anders, zum Beispiel durch eine Änderung der Vergaberegelung?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, dass die Bundesländer zornig sind, kann ich nicht bestätigen. ({0}) Weiterhin gilt das, was ich bereits ausgeführt habe. Mit Ihrem Hinweis auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Anträgen haben Sie die Antwort auf Ihre Frage im Grunde selbst gegeben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Haßelmann.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr von Klaeden, auch meine Frage bezieht sich auf das Thema Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Sie haben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Beck gerade ausgeführt, dass Sie von einer Abstimmung mit den Ländern keine Kenntnis haben. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium hat uns heute Morgen erläutert, dass es mit elf von 16 Bundesländern eine Abstimmung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz gegeben habe. Auf meine Nachfrage sagte er: B-Länder. Zum einen würde ich gerne von Ihnen wissen: Um welche Länder handelt es sich bei diesen elf Ländern? Zum Zweiten würde ich gerne von der Bundesregierung wissen: Worin bestand die Abstimmung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz? Welche Inhalte? Worüber haben Sie sich verständigt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Haßelmann, ich habe versucht, mit meiner Antwort herauszufinden, was der Kollege Beck mit den erwähnten Zeitungsberichten gemeint hat. Ich habe auch nicht gesagt, dass es keine Abstimmung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern gegeben hat. Ganz im Gegenteil: Es findet ständig eine Abstimmung zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern statt. Das ist unter anderem meine Aufgabe im Bundeskanzleramt. Welche die elf B-Länder sind, wissen Sie, glaube ich, selbst. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, Frau Haßelmann?

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Herr Präsident. Vielen Dank. - Mir ist daran gelegen, dass das Kanzleramt meine Frage beantwortet. Ich habe gefragt: Welchen Inhalt hatten die Abstimmungsgespräche zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz? Da ich davon ausgehe, dass Sie mindestens so viel Kenntnis darüber haben wie die veröffentlichte Meinung, finde ich, hat das Parlament und habe ich als Abgeordnete einen Anspruch darauf, dass Sie meine Frage beantworten, die lautet: Worin bestand die Abstimmung bzw. die Einigung mit den elf Ländern - und zwar nicht zu irgendetwas, sondern zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz -, von der wir heute Morgen erfahren haben?

Not found (Gast)

Ich kann noch einmal sagen, dass die in der Frage des Kollegen Beck insinuierten Vermutungen über Nebenabreden nicht zutreffend sind. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Mindestens die zweite Frage, Herr Kollege von Klaeden, war nun eindeutig nicht mehr auf die in der ersten Antwort angesprochene Person bezogen, sondern auf den Sachverhalt. ({0})

Not found (Gast)

Ich würde jetzt ganz gerne einmal wissen, Herr Präsident, welche Verabredungen gemeint sind. ({0}) Es gibt keine Verabredungen, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht angesprochen worden sind. Von den Kollegen sind ja die Anträge, die im Finanzausschuss behandelt worden sind, nicht genannt worden, sondern es ist lediglich davon die Rede gewesen, dass es Anträge gegeben hat. Dazu kann ich jetzt nichts sagen, weil ich bei der Sitzung des Finanzausschusses nicht anwesend war. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Merkel.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister von Klaeden, ich will aus einem Beitrag des Handelsblattes zitieren: Denkbar ist auch eine Lösung - nämlich bezogen auf eine Einigung in Bezug auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz über die Gelder des Konjunkturpaketes II. Hier hatte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich ({0}) für sein Land durchgesetzt, dass es nicht verbrauchte Gelder als Ausgleich für Einnahmeausfälle nicht zurückzahlen muss. ({1}) Werden solche Vereinbarungen - auch von Ihrer Seite für möglich oder nicht für möglich gehalten? Sind sie Teil einer Vereinbarung, die Sie getroffen haben?

Not found (Gast)

Eine solche Vereinbarung kann ich Ihnen nicht bestätigen.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ja.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hätte eine solche Vereinbarung zur Folge, dass man das Gesetz und auch die Verwaltungsvereinbarung ändern muss? Stimmen Sie mir in dieser Richtung zu?

Not found (Gast)

Das sind jetzt Spekulationen. ({0}) Wenn die Vermutung im Handelsblatt richtig ist, müsste das Gesetz wahrscheinlich geändert werden. Aber da ich Ihnen eine solche Vereinbarung jetzt nicht bestätigen kann, kann ich Ihnen da jetzt auch keine verbindliche Auskunft geben.

Petra Merkel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003591, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Hinz.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr von Klaeden, hat die Bundesregierung in den Gesprächen mit den elf Ministerpräsidenten, mit den elf Ländern, konkret angeboten, das Zusätzlichkeitskriterium für das Konjunkturprogramm II aufzuheben? Haben Sie das vor? Planen Sie das?

Not found (Gast)

Wir haben nicht vor, das Zusätzlichkeitskriterium aufzuheben.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn es aufgehoben würde, müsste dann das Gesetz dafür geändert werden?

Not found (Gast)

Da das Kriterium im Gesetz steht, müsste es dafür geändert werden. Das ist jetzt eine allgemeine Rechtsauskunft, die sich nicht auf einen politischen Willen bezieht und die Ihnen auch jeder andere geben könnte. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, wenn Sie nicht darüber Auskunft geben können, welche Vereinbarung Kollege Koschyk gemeint hat, biete ich Ihnen gerne an, dass wir die Sitzung unterbrechen und Sie jemanden vom Finanzministerium herholen, damit wir erfahren, was die Bundesregierung an diesem Punkt denkt. Ich möchte Sie fragen: Können Sie ausschließen, dass es mit den elf Bundesländern, die der B-Seite angehören, eine Verabredung gibt, dass Änderungen am Konjunkturpaket II, Investitions- und Tilgungsfondsgesetz vorgenommen werden sollen hinsichtlich einer Nichtrückzahlungsmöglichkeit oder des Entfallens des Kriteriums der Zusätzlichkeit, wie es in der Presse berichtet wird? Ich möchte eine konkrete Aussage: Gibt es Gespräche, die das Ziel haben, eine Änderung an diesen Konditionen vorzunehmen, oder gibt es diese nicht? Ich bitte um eine klare Antwort und kein Räsonieren darüber, was man sonst noch bei dieser Frage denken könnte. Wir haben einen Anspruch darauf, dass die Bundesregierung uns hier über ihre Willensbildung informiert. Wir kontrollieren auf diese Art und Weise die Regierung. Wir beschließen am Freitag ein Gesetz, und das Parlament insgesamt möchte die Grundlagen dieses Beschlusses kennen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Beck, vielleicht darf ich eine kleine Präzisierung vornehmen. Ich glaube nicht, dass das Parlament einen Anspruch darauf hat, die Willensbildung der Bundesregierung nachzuvollziehen. ({0}) Es muss möglich sein, dass diese, ähnlich wie in Fraktionen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Auch Ihre Fraktion wird Gründe dafür gehabt haben, dass sie von der ursprünglichen Praxis, alles öffentlich auszutragen, im Laufe der Zeit Abschied genommen hat. ({1}) Falls es allerdings ein Ergebnis der Willensbildung gibt ({2}) - an dieser Stelle bin ich Ihrer Meinung -, muss es hier vorgetragen werden.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben es präziser formuliert, als es mir möglich war. ({0})

Not found (Gast)

Dazu kann ich sagen, dass es ein solches Ergebnis der Willensbildung nicht gibt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Bonde.

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich möchte Sie fragen: Gab es im Kabinett - unabhängig von Verabredungen mit Bundesländern, ihre Zahl ist unerheblich - eine Verständigung darauf, am Konjunkturpaket II und/oder an Teilen des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“ Veränderungen vorzunehmen oder solche vorzubereiten?

Not found (Gast)

Nein. Das hat in der Kabinettssitzung keine Rolle gespielt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte schön, Herr Ulrich.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, es ist erst eine Woche her, dass wir erfahren haben, dass die Medien mehr wussten als die Bundesregierung. Sie haben gerade gesagt, Ihnen sei nicht bekannt, dass es Länder gibt, die zornig seien. Da sich Ihre Aussage vielleicht auch auf das Wort „zornig“ bezieht, frage ich Sie: Würden Sie dementieren, dass sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein gegenüber den Medien in dieser Art geäußert hat, oder würden Sie sagen, dass das von den Medien frei erfunden ist?

Not found (Gast)

Äußerungen des Kollegen Carstensen kann ich hier und jetzt nicht kommentieren. Ich kann sie auch nicht kontrollieren. ({0}) Mir ist nicht bekannt, dass er gegenüber den Medien solche Äußerungen gemacht hat.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Darf ich nicht nachfragen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Entschuldigung, Herr Ulrich. Wenn Sie eine Nachfrage haben, gerne.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie haben dementiert, dass es überhaupt etwas in dieser Richtung gab. Wenn das freie Erfindungen wären, dann würde es an Ministerpräsident Carstensen liegen, diese öffentlich zu dementieren. Das hat er nicht getan. Im Gegenteil, der Ministerpräsident des Saarlandes hat gesagt, dass das, was für Schleswig-Holstein gilt, für das Saarland sogar hoch drei gelte; er hat sich wortwörtlich so geäußert. Da Sie den Begriff „Zorn“ nicht bestätigen wollten, stelle ich Ihnen jetzt die Frage: Gibt es wirklich kein „Gegrummel“ der Bundesländer? Wie genau sieht denn die Regelung, die man mit Schleswig-Holstein und dem Saarland getroffen hat, aus, sodass es jetzt eine Einigung mit den Bundesländern gibt?

Not found (Gast)

Dass sich die Länder über die Frage, welche Konsequenzen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz für ihre Haushalte hat, Gedanken machen, ist, so glaube ich, eine Selbstverständlichkeit und Bestandteil des üblichen Gesetzgebungsverfahrens.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Höll. ({0}) - Einen Augenblick bitte, Frau Kollegin. - Herr Kollege Beck, ich habe gerade eine Wortmeldung erteilt. Zu Ihnen komme ich sofort im Anschluss. - Frau Kollegin Höll.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, da Sie den Zorn, von dem die Rede war, nicht registriert haben, möchte ich die Frage konkretisieren. Die Auseinandersetzung entzündete sich an der geplanten Mehrwertsteuersenkung für das Hotelund Gaststättengewerbe. Heute haben wir im Ausschuss die Konkretisierung, dass diese Regelung für kurzfristige Übernachtungen gelten soll, zur Kenntnis nehmen können. Außerdem soll sie auf Camper ausgedehnt werden. ({0}) Als ich eine Nachfrage bezüglich des Kriteriums der Kurzfristigkeit gestellt habe, wurde mir bestätigt, dass es dabei um Hotelübernachtungen für eine Dauer von bis zu sechs Monaten geht. Das ist sehr gewöhnungsbedürftig und hat auf alle Fälle noch höhere Steuerausfälle zur Folge. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen der Unwille der Bundesländer, dessen Ursache die befürchteten Mehrwertsteuerausfälle sind, entgangen ist.

Not found (Gast)

Dass über diesen Sachverhalt öffentlich diskutiert wird, ist mir selbstverständlich nicht entgangen.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gut. - Ich habe noch eine Nachfrage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bitte.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, Sie haben gerade auf eine Frage geantwortet: Ein Gespräch, in dem irgendetwas ausgehandelt wurde, hat es nicht gegeben. - Gab es denn ein anderes Gespräch zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz?

Not found (Gast)

Ja. Es gab sehr viele solcher Gespräche.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Beck, zur Geschäftsordnung.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir wollen jetzt wirklich wissen, was Staatssekretär Koschyk im Ausschuss gemeint hat, als er von einer Absprache gesprochen hat. Das Finanzministerium ist nicht vertreten. Deshalb zitiere ich den Minister - meinetwegen auch den Staatssekretär, wenn das geht - herbei. Wir wollen eine Antwort vom Ministerium. Sie müssen ja etwas gemeint haben, was das Kanzleramt offensichtlich nicht weiß. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Um es wieder zu präzisieren: Sie zitieren ihn nicht, sondern Sie beantragen, ihn zu zitieren, was beinahe, aber nicht ganz dasselbe ist. Zu dem gleichen Geschäftsordnungsantrag der Kollege Kaster.

Bernhard Kaster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003562, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns hier in der Befragung der Bundesregierung. ({0}) Wir haben eben zu den Fragen, die gestellt worden sind, sofern sie konkret gestellt worden sind, sehr konkrete Beantwortungen erfahren. ({1}) Es kann nicht sein, dass hier ständig „Was wäre, wenn …?“-Fragen gestellt werden, die hier selbstverständlich nicht beantwortet werden können. ({2}) Da Sie jetzt nach der Geschäftsordnung die Herbeizitierung des Ministers beantragt haben, möchten wir darauf aufmerksam machen: Das ist ein Recht, das dem Parlament zusteht. ({3}) Es ist sogar in der Verfassung verankert. Es ist auch in unserer Geschäftsordnung verankert. Man sollte als Fraktion allerdings wissen, wie man mit diesem Mittel umgeht, sonst verbraucht es sich und verliert an Wert. Wir befinden uns hier in der Befragung der Bundesregierung, und die Fragen wurden, sofern sie konkret gestellt worden sind, durch die Vertreter der Bundesregierung ({4}) detailliert beantwortet. Daher ist es überhaupt nicht notwendig, den Minister herbeizuzitieren. Von daher lehnen wir diesen Antrag ab. Ich könnte weitere Ausführungen zum Sinn von Art. 43 Grundgesetz und § 42 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages machen, ansatzweise habe ich das auch schon getan. Auch von daher ist ein solcher Antrag abzulehnen. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich lasse über diesen Geschäftsordnungsantrag, der zweifellos zulässig ist, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Ich habe eine bestimmte Wahrnehmung der Mehrheitsverhältnisse, die allerdings nicht von allen Mitgliedern des Präsidiums geteilt wird, ({0}) was nach unserer Geschäftsordnung zu dem bedauerlichen Ergebnis führt, dass es nicht reicht, wenn der Präsident weiß, wo die Mehrheit war, ({1}) sondern wir dann durch Hammelsprung die Mehrheitsverhältnisse feststellen müssen. Der Vorzug dieses Verfahrens besteht zumindest darin, dass wir am Ende eine unzweideutige Mehrheit haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, den Raum nun zügig zu verlassen. Ich habe für Abstimmungsgespräche immer viel Verständnis; aber wir wollen die eigentliche Tagesordnung zeitlich nicht unnötig belasten und dieses Verfahren deswegen möglichst schnell durchführen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Meine werten Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie noch einmal bitten, den Plenarsaal zu verlassen, damit wir mit der Auszählung beginnen können. - Kann nun mit dem Hammelsprung begonnen werden? - Ich sehe, Sie alle sind draußen. Dann darf ich die Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, ihre Plätze einzunehmen. Sind genügend Schriftführerinnen und Schriftführer zum Auszählen da? - Dann kann der Hammelsprung beginnen. Ich bitte Sie, die Türen weit zu öffnen und mit der Auszählung zu beginnen. Ich höre gerade, dass alle Abgeordneten von draußen hereingekommen sind. Dann kann ich die Abstimmung schließen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mir das Ergebnis mitzuteilen. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen das Ergebnis der Abstimmung zu dem Geschäftsordnungsantrag Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse mitteilen: Mit Nein haben gestimmt 294, mit Ja 203, Enthaltungen keine. Damit ist der Antrag abgelehnt. ({0}) Ich rechne mit Ihrem Einvernehmen, dass wir damit auch die Regierungsbefragung beenden. Es haben sowieso nur zwei Minuten gefehlt. ({1}) Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde - Drucksachen 17/83, 17/104 Ich bitte all die Kollegen, die an der Fragestunde nicht teilnehmen wollen, möglichst schnell den Plenarsaal zu verlassen, damit wir uns in aller Konzentration der Fragestunde hingeben können. Wir kommen damit zur dringlichen Frage der Kollegin Heike Hänsel von der Fraktion Die Linke: Wird die Bundesregierung das Ergebnis der umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom 29. November 2009 in Honduras anerkennen, obwohl sich der legitime Präsident Manuel Zelaya gegen die Anerkennung ausspricht, und, wenn ja, welche Gesichtspunkte haben sie dazu bewogen? Zur Beantwortung steht der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Kollege Werner Hoyer, zur Verfügung. Bitte schön, Herr Hoyer.

Not found (Gast)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Kollegin Hänsel, die Frage lässt sich momentan noch nicht beantworten, weil die Bundesregierung natürlich im Einvernehmen mit den Partnern in der Europäischen Union handeln wird. Darüber sind noch Gespräche in Brüssel im Gange. Die Präsidentschaft hat gestern eine Erklärung abgegeben; aber es gibt noch keinen Konsens im Rat der Europäischen Union, und deswegen ist es noch etwas verfrüht, diese Frage zu beantworten. Wir sind uns, glaube ich, einig, dass es jetzt darum geht, die Krise in Honduras zu überwinden. Es hat eine schwere Krise der Demokratie, der rechtsstaatlichen Ordnung und der Stützen seiner Verfassung gegeben. Es bestand sogar das Risiko bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen. Das hat die Bundesregierung früh mit Sorge erfüllt, und deswegen haben wir uns frühzeitig für eine politische Lösung dieser Verfassungskrise eingesetzt. Das bezieht sich sowohl auf den Plan, der vom costa-ricanischen Staatspräsidenten Arias vorgetragen worden war, als auch auf die Vereinbarung, die durch Vermittlung der Vereinigten Staaten von Amerika zustande gekommen war, also auf das Abkommen von Tegucigalpa/San José. Dass die Wahlen, soweit wir das beurteilen können, einigermaßen friedlich über die Bühne gegangen sind, dass es ein klares Ergebnis bei einer beachtlichen Wahlbeteiligung gegeben hat, das kann ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Überwindung der Krise in Honduras sein. Es kommt jetzt aber auch darauf an, dass die Verfassungsorgane in Honduras selber ihren Beitrag zur Überwindung der Krise leisten. Das gilt übrigens ausdrücklich auch für denjenigen, der diese Wahl gewonnen hat. Auch an ihm wird es liegen, ob jetzt Versöhnungssignale ausgesendet werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Hänsel, haben Sie eine Nachfrage?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Danke schön, Herr Staatsminister, für die Antwort. - Mich verwundert es allerdings, dass die Bundesregierung noch keine eindeutige Bewertung vorgenommen hat. Die Wahlen fußen auf dem Unrecht des Putsches, also des Staatsstreiches, und zusätzlich auf dem Bruch des Abkommens vom 30. Oktober 2009. In diesem Abkommen ist festgehalten worden - das war ein Kompromiss zwischen der Regierung Zelaya und dem Putschregime -: Wir stellen die Situation vor dem Putsch wieder her, das heißt, Zelaya wird in sein Amt wieder eingesetzt, und erst dann können unter internationaler Beobachtung faire und demokratische Wahlen stattfinden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt worden. Daher gibt es international eine Mehrheit, die das Wahlergebnis im Moment nicht anerkennen möchte. Mich wundert, wie Sie zu dem Urteil kommen, es sei zu früh, sich festzulegen.

Not found (Gast)

Erstens. Wir werden uns zu dieser Frage äußern, allerdings gemeinsam mit unseren Partnern. Wir können nicht ständig von Gemeinsamer Europäischer Außenund Sicherheitspolitik reden und dann aber national entscheiden, wenn es konkret wird. Zweitens. Die internationale Bewertung ist sehr unterschiedlich. Der Obersatz ist: Herstellung von Frieden und Rechtsstaatlichkeit in Honduras und der Region. Deswegen sind übereilte Schritte völlig unangemessen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine zweite Nachfrage?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Sie haben die europäischen Partner angesprochen. Sicherlich ist Ihnen die Haltung der spanischen Regierung bekannt: Sie hat sich dezidiert dagegen ausgesprochen, das Wahlergebnis anzuerkennen. Im Ausschuss, auch im AMLAT-Ausschuss, war es eher so, dass die Bundesregierung auf keine Festlegung gedrängt hat, dass es sich insofern um eine genuin deutsche Position handelt, die man in der Europäischen Union durchfechten möchte. Ich frage mich, ob Sie das unter „europäischer Partnerschaft“ verstehen. Sie haben zwar keine Wahlbeobachter nach Honduras geschickt; im Nachhinein wollen Sie das Wahlergebnis aber anerkennen. Mich interessiert, auf welcher Grundlage diese Anerkennung stattfinden soll, wenn Sie nicht einmal Zugang zu unabhängigen Informationen haben über den Ablauf der Wahlen, über massive Einschüchterungen und Menschenrechtsverletzungen, die damit einhergingen.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung übersieht keineswegs, dass es vor und während der Wahlen Vorgänge gegeben hat, die mit unserem Rechtsstaatsverständnis nicht vereinbar sind; das ist völlig klar. Zur Frage, wie sich welcher Staat in der Europäischen Union verhält - Sie sind offenbar informiert über die einzelnen Positionen der Mitglieder des Rates -, muss ich Ihnen sagen: Das kann die Bundesregierung öffentlich nicht bewerten. Die spanische Regierung hat öffentlich gesagt: Wir wollen das, was dort stattgefunden hat, jetzt zwar nicht anerkennen, aber auch nicht ignorieren. Auch das muss man ernst nehmen. Das ist ein Beitrag zu einem Prozess im Rat der Europäischen Union, der am Ende zu einer gemeinsamen Position führen wird. Das sollte man nach meiner festen Überzeugung allerdings erst dann ausformulieren, wenn das stattgefunden hat, was heute in Tegucigalpa auf der Tagesordnung steht, nämlich die entscheidende Sitzung des Kongresses, des Parlaments von Honduras. Wir erwarten von dieser Sitzung Signale im Hinblick auf eine Befriedung der Situation im Lande und sollten das jetzt nicht durch einseitige Festlegung stören.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Liebich.

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, können Sie hier im Plenum des Deutschen Bundestages die Aussage des Vertreters der Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuss bestätigen, dass die Wahlen frei und fair verlaufen seien, wiewohl Sie doch wissen, dass in dem Land Ausnahmezustand herrscht, dass die Medien nicht frei arbeiten können, dass es Verhaftungen gab und einen solchen Umgang mit Oppositionellen, der keinesfalls einen demokratischen Wahlkampf ermöglicht hat? Angesichts solcher Bedingungen können Sie doch nicht tatsächlich glauben - unter dem Obersatz: Es muss Ruhe und Frieden geben -, dass diese Wahlen frei und fair gewesen sind.

Not found (Gast)

Es gab Begleitumstände dieser Wahl, die auch mir nicht gefallen haben. Das habe ich eben in meiner Antwort auf die Frage der Kollegin Hänsel auch klar gesagt. Allerdings muss man die Gesamtumstände würdigen, und zwar nicht nur bei diesem konkreten Fall, sondern bei Wahlvorgängen insgesamt. Wenn wir bei allen Wahlen, die auf dieser Welt stattfinden, die Kriterien anwenden würden, die wir in Deutschland im Hinblick auf Fairness und Korrektheit anwenden, dann würden wir ziemlich wenige Staatspräsidenten auf dieser Welt anerkennen können. ({0}) Deswegen kann das nicht der Weg sein. Man muss eine Abwägung vornehmen und zum Beispiel prüfen: Ist die Wahlbeteiligung drastisch geringer als erwartet? Hier trifft das im Ergebnis nicht zu. Sie entsprach genau der Wahlbeteiligung, die es seinerzeit bei der Wahl von Zelaya gegeben hat. Damals hat sich keiner darüber aufgeregt. Gibt es Einschränkungen der Meinungsfreiheit vor der Wahl? Ja, diese hat es gegeben. - All das geht insofern in die Bewertung mit ein. Unter dem Strich - das habe ich Ihnen gesagt - ist festzuhalten, dass sich die Bundesregierung nicht endgültig festgelegt hat. Das Kriterium für das, was die Bundesregierung als eigene Beiträge im Rat der Europäischen Union leistet, ist: Kommen wir einer Entwicklung hin zu Frieden und Versöhnung in Honduras näher oder nicht? Wenn es nicht gelingt, zu einer solchen Entwicklung zu kommen, habe ich große Sorge im Hinblick auf die Zukunft dieses Landes, aber auch der Region.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie, Herr Staatsminister, haben vorhin mehr Auskunft über die Position der spanischen Regierung als über die der Bundesregierung gegeben. Ich denke, dieses Hohe Haus hätte Anspruch darauf, zu erfahren, mit welcher Haltung die Bundesregierung in den Europäischen Rat geht: eher mit der putschfreundlichen Position der Friedrich-Naumann-Stiftung ({0}) oder eher mit der kritischen Haltung der internationalen Staatengemeinschaft?

Not found (Gast)

Ich kenne keinen in diesem Hause und auch keine politische Stiftung der Bundesrepublik Deutschland, die putschfreundlich sind, um das einmal völlig klarzustellen. Im Übrigen ist es ganz eindeutig, warum ich eben in meinen Antworten auf die Fragen der Kollegin Hänsel und des Kollegen Liebich die spanische Position dargestellt habe, nämlich deswegen, weil ich nach der spanischen Position gefragt worden bin. Die Bundesrepublik wäre in der Lage gewesen, die Erklärung, die die schwedische Ratspräsidentschaft abgegeben hat, mitzutragen. Es hat aber noch kein Einvernehmen gegeben. Deswegen werden wir das wahrscheinlich im allgemeinen Rat am Montag besprechen. Ich persönlich finde das übrigens auch nicht schlecht. Ich glaube nämlich, der Ball liegt jetzt bei den handelnden Personen in Tegucigalpa. Diese haben jetzt die Chance, gemeinsam mit dem Gewinner dieser Wahl ein Signal auszusenden, das zu einer Befriedung der Situation im Lande beitragen kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Staatsminister, mein Kollege Liebich ist mir mit seiner Frage nach der Äußerung des Staatssekretärs heute im Auswärtigen Ausschuss etwas zuvorgekommen. Ich möchte deshalb an das anknüpfen, was Sie hier zuletzt gesagt haben, nämlich dass es jetzt von den Akteuren in Honduras abhängt, vor Ort Frieden und Sicherheit zu schaffen. Das ist schon interessant. Eine Zeit lang wollte die jetzige und vorherige Bundesregierung Sicherheit und Demokratie in anderen Ländern schaffen, notfalls mit militärischen Mitteln. Jetzt geht es nur um Sicherheit. Vor diesem Hintergrund meine Frage: Wie definiert die jetzige Bundesregierung „freie und faire Wahlen“? Könnten Sie mir das erläutern? Unzählige Menschenrechtsorganisationen, die bei den Wahlen vor Ort waren, widersprechen zum Beispiel den Zahlen, die Sie jetzt genannt haben. Sie bezweifeln diese und sprechen nur von einer 30-prozentigen Wahlbeteiligung. Sie sprechen auch davon, dass in Honduras Angst und Schrecken geherrscht haben. Deshalb möchte ich gerne von Ihnen wissen: Was heißt für die Bundesregierung „faire und freie Wahlen“?

Not found (Gast)

Wir laufen jetzt Gefahr, dass sich diese Frage zu einem politikwissenschaftlichen oder verfassungsrechtlichen Seminar ausweitet. Ich bekenne, dass ich dieser Gefahr gerne ausweichen möchte. Ich bin allerdings der Auffassung, dass man die Gesamtumstände einer Wahl würdigen muss. Es gibt negative Elemente im Hinblick auf die Meinungsfreiheit, und es gibt Einschüchterungsvorgänge; ich habe sie eben selber beschrieben. Auf der anderen Seite gibt es ein Kriterium, das ich für ganz besonders wichtig halte: Die Aufstellung der Kandidaten war rechtmäßig, fair und sauber. Das ist von niemandem, auch von Präsident Zelaya nicht, angezweifelt worden. Es gibt also eine ganze Reihe von Kriterien, die man zusammen betrachten muss. Deswegen gibt es nach meiner Auffassung durchaus Gründe, zu sagen: Diese Wahl ist im Großen und Ganzen einigermaßen sauber verlaufen. Noch einmal: Wenn Sie diese Kriterien ganz präzise durchdeklinieren, dann gibt es auf dieser Welt sehr wenige Staaten, denen man bei jeder Wahl attestieren kann, dass diese klar, eindeutig, fair und sauber verlaufen ist. Es ist eine relative Aussage; das ist richtig. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Ströbele, bitte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich frage mich, ob es ein Zufall ist, dass die Bundesregierung gerade die Wortwahl des Herrn Klein von der Friedrich-Naumann-Stiftung übernommen hat, der diese Wahl als fair und frei bezeichnet hat, oder ob das vielleicht mit einer politischen Nähe von Ihnen und den jetzt führenden Personen im Auswärtigen Amt zu tun hat. Warum haben Sie nicht die Bewertung dieser Wahl, vor allen Dingen hinsichtlich der Vorbereitung der Wahl, übernommen, die beispielsweise von Amnesty International, von den honduranischen Menschenrechtsorganisationen und von Human Rights Watch vorgenommen worden ist, sondern gerade die Wortwahl der Friedrich-Naumann-Stiftung? Ich schließe meine Frage mit der Bitte um eine Antwort zu diesem Punkt: Sind Sie dafür, dass der bisherige rechtmäßige Präsident Zelaya die brasilianische Botschaft in Tegucigalpa in Honduras verlassen und sich in seinem eigenen Land bewegen darf und dass er - so lautet auch das Abkommen, das von der Bundesregierung bisher unterstützt worden ist - als Interimspräsident wieder in sein Amt eingesetzt wird? Oder soll er weiter in der brasilianischen Botschaft bleiben, damit ihm niemand etwas tut?

Not found (Gast)

Die Meinungsäußerungen von der FriedrichNaumann-Stiftung, Amnesty International, Human Rights Watch usw. sind sehr respektabel; aber die Bundesregierung muss sich ihre Meinung aufgrund der Informationen, die ihr vorliegen, selber bilden. ({0}) Dieser Vorgang ist schwer genug. Da würde ich mich von niemandem abhängig machen wollen. Wir wären sehr froh, wenn die Vereinbarung von Tegucigalpa und San José tatsächlich umgesetzt würde. Allerdings ist dies nicht so eindeutig, wie Sie es eben insinuiert haben. Es ist aber klar, dass die bisherige Zwischenregierung sich verpflicht hat, auf die anderen zuzugehen, einschließlich der Anhänger von Präsident Zelaya. Jetzt ist die Situation eingetreten, in der wir das erwarten. Das kann dazu führen, dass Präsident Zelaya interimistisch in das Amt zurückkehrt, dass das Amt vakant bleibt oder dass eine andere Zwischenlösung gefunden wird. Das müssten aber die Kräfte in Honduras konsensual hinbekommen. Das sollten wir ihnen nicht von außen diktieren. Entscheidend ist, dass der Versöhnungsprozess in diesem Lande zustande kommt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letztem Nachfrager zu diesem Punkt gebe ich Kollegen Sarrazin das Wort.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Herr Staatsminister, auch ich möchte nicht in ein politikwissenschaftliches Seminar einsteigen. Für die Kriterien, die ODIHR, ein Organ der OSZE, bei der Überprüfung der Einhaltung der Standards einer demokratischen Wahl normalerweise zugrunde legt, spielen die Beobachtungen während der Wahlkampfzeit und insbesondere der Zugang zu Medien eine große Rolle. Würden Sie mir vor diesem Hintergrund zustimmen, dass man diese Wahl nicht als demokratisch bezeichnen kann?

Not found (Gast)

Ich komme direkt von der OSZE-Ministertagung in Athen und habe dort ein flammendes Plädoyer für ODIHR gehalten. Ich bin nämlich der Auffassung, dass die Instrumente, die uns da zur Verfügung stehen, außerordentlich hilfreich für die Bewertung von Wahlvorgängen sind. Deswegen hätte ich mir sehr gewünscht - das sage ich Ihnen offen -, dass wir eine präzisere und flächendeckende Wahlbeobachtung in Honduras gehabt hätten. Das Problem ist aber, dass diejenigen, die gegenüber diesem Vorgang, der uns seit Mai oder Juni beschäftigt, ganz besonders kritisch waren, darauf gedrängt haben, dass keine Wahlbeobachtung stattfindet. ({0}) Deshalb haben wir keine EU-Wahlbeobachter und keine OAS-Wahlbeobachter dort. Ich persönlich finde das bedauerlich. Das nimmt uns nämlich die Möglichkeit, uns selber ein objektives Bild zu verschaffen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön, Herr Staatsminister. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Volker Beck auf: Welche Kenntnisse hatte die Bundesregierung - bitte genauen Zeitpunkt der Kenntnisnahme und entsprechende Stellen der Bundesregierung angeben - über die in der Bild am 26. November 2009 veröffentlichten Dokumente und das Video zum Luftangriff bei Kunduz in Afghanistan, und wie bewertet die Bundesregierung ihre bisherige Informationspolitik zu diesem Thema? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Der Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg hat dem Deutschen Bundestag bereits im Plenum eine umfassende Unterrichtung über den Vorfall vom 4. September 2009 zugesagt. Er hat die Dokumente, die ihm zwischenzeitlich zur Kenntnis gelangt sind, dem Deutschen Bundestag - soweit ich es weiß, befinden sich die Dokumente zum Teil in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages, und zum Teil sind sie, wenn es sich um aufhebbare Klassifizierungen handelt, offen zugeleitet. Nach meiner Kenntnis war dies Ende letzter Woche der Fall. Der Bundesminister hat Staatssekretär Wolf beauftragt, eine interne Untersuchung zu den unter anderem auch von Ihnen gestellten Fragen durchzuführen. Dieser Auftrag wurde am Montag, dem 30. November, erteilt, und es wurden die notwendigen Voraussetzungen im Haus für ein entsprechendes Vorgehen geschaffen. Wenn Sie mich fragen, wann Ergebnisse zu erwarten sind, so muss ich Ihnen sagen: Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass dies frühestens ab dem 10. Dezember, also in der nächsten Woche, der Fall sein kann. Nachdem wir die Komplexität der Materie sehen, will ich mich auf kein genaues Datum festlegen lassen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Beck, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke für Ihre Worte, aber dies war nicht die Antwort auf die von mir gestellte Frage. Die Frage handelte davon, welche Stellen in der Bundesregierung wann Kenntnis von dem zitierten Bericht und von dem Video hatten. Deshalb frage ich eindeutig nach: Wann hat erstmals eine Stelle im Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramts Kenntnis von diesem Bericht und dem Video erhalten, und um welche Stelle im Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramts handelt es sich? Wenn Sie es nicht wissen, kann die Frage vielleicht der Chef des Bundeskanzleramts beantworten.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Beck, ich habe Verständnis für Ihre Frage, die sich im Kern auf den Gegenstand bezieht, mit dem sich der Verteidigungsausschuss, der sich als Untersuchungsausschuss konstituieren wird, befassen wird. Trotzdem bitte ich um Verständnis dafür, dass Ihrem Wunsch bzw. meinem Willen, präzise und konkrete Informationen zu erhalten bzw. zu geben, auch präzise Recherchen und Abstimmungen vorangehen müssen. Eingedenk der Untersuchungen, die wir bei uns im Hause durchführen und die im weiteren Verlauf mit anderen Häusern der Bundesregierung abgestimmt werden müssen, sehe ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, dies zu tun. Ich würde dem Grundsatz, eine korrekte, präzise Information zu geben, nicht entsprechen. Deswegen nehme ich eher die Rüge auf mich, nicht alle Fragen beantwortet zu haben. Ich stelle aber ganz klar fest, dass ich das, was ich beantworten kann, beantwortet habe. Sobald entsprechende Informationen vorliegen, werden diese dem Parlament seitens der Bundesregierung umgehendst zur Kenntnis gegeben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Noch einmal Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich nehme zur Kenntnis, dass das Verteidigungsministerium in einem solchen bedauerlichen Zustand ist, dass noch nicht einmal im Nachhinein festgestellt werden kann, wo überall dieser Bericht im Geschäftsgang war. Ich habe gefragt - das ist eine Unterfrage im Rahmen der schriftlichen Frage -, wann erstmals eine Stelle im Bundeskanzleramt oder im Verantwortungsbereich des Bundeskanzleramtes - Klammer auf: zum Beispiel im BND - Kenntnis vom Inhalt des Berichtes und des Videos - beides wurde von der Bild-Zeitung veröffentlicht; darauf wurde in der Frage hingewiesen - erhalten hat. Es muss ja möglich sein, das herauszufinden. Die Antwort auf diese Frage konnte vorbereitet werden; denn sie wurde vor einigen Tagen eingereicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Herr von Klaeden.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, der Feldjäger-Bericht lag dem Bundeskanzleramt am Abend des 25. November vor. Zur Frage der Kenntnisnahme des Videos kann ich Ihnen nur so viel sagen, dass das Video dem Bundeskanzleramt nach meinem Kenntnisstand so lange nicht bekannt war, bis es auf der Homepage der Bild-Zeitung veröffentlicht worden ist. Wenn etwas anderes zutreffen würde, würde ich das schriftlich nachreichen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Koenigs, bitte.

Tom Koenigs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004077, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn man das so akzeptiert, dann wäre es doch auch an der Kanzlerin - ähnlich wie auch der Verteidigungsminister zu Guttenberg, der angekündigt hat, die Vorgänge neu zu bewerten -, eine Neubewertung vorzunehmen; denn sie hat hier sehr apodiktisch - das war noch vor der Wahl - gesagt, sie verbete sich jede Kritik. Das heißt, dass dieser Vorgang wohl nicht kritikwürdig war.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr von Klaeden.

Not found (Gast)

Herr Kollege Koenigs, die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, dass sie sich jede Vorverurteilung verbittet, und hat dafür den Applaus des gesamten Hauses - auch Ihrer Fraktion - bekommen. Was die Bewertung angeht, so ist dafür zunächst das zuständige Haus, das Bundesverteidigungsministerium, zuständig. Ich kann Ihnen versichern, dass die gesamte Bundesregierung alles daransetzt, die Vorgänge so weit wie möglich aufzuklären und so gut wie möglich im Zusammenhang mit dem sich zum Untersuchungsausschuss erklärenden Verteidigungsausschuss mit dem Parlament zusammenzuarbeiten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Schmidt, bitte.

Dr. Frithjof Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004145, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gab es denn am 8. September 2009, zum Zeitpunkt der Regierungserklärung, eine eigenständige Bewertung der Vorfälle im Bundeskanzleramt und, wenn ja, auf welcher Grundlage? Oder gab es die nicht, und auf Grundlage welcher Informationen hat dann die Bundeskanzlerin eigentlich ihre Regierungserklärung abgegeben?

Not found (Gast)

Wie in anderen Fällen auch werden alle dem Bundeskanzleramt vorliegenden Informationen ausgewertet bzw. in eine Bewertung einbezogen. Das gilt auch für die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom 8. September. Der hier in Rede stehende Feldjäger-Bericht hat aber keinen Eingang in diese Bewertung finden können, weil er dem Bundeskanzleramt, wie ich bereits sagte, erst am Abend des 25. November dieses Jahres vorlag.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Nouripour.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, uns würde noch die Antwort auf die Frage interessieren, wann der COMISAF-Bericht - dieser Bericht war die Grundlage der Bewertung durch den Verteidigungsminister zu Guttenberg - dem Kanzleramt zugeleitet worden ist, damit auch dort eine Neubewertung vollzogen werden kann.

Not found (Gast)

Herr Kollege Nouripour, in diesem Fall bitte ich um Verständnis dafür, dass ich Ihnen diese Frage schriftlich beantworten möchte, weil ich das hier nicht präzise tun kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Hat die Bundeskanzlerin wie vermutlich die meisten von uns in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, sich das Video anzuschauen - vielleicht mehrfach, wie ich es getan habe -, das der Veröffentlichung der Bild-Zeitung zugrunde liegt? Was sagt die Bundeskanzlerin eigentlich zu dem, was sie in diesem Video sieht? Ich skizziere es: Es sind zwei Tanklastwagen zu sehen, die in gewisser Entfernung voneinander, also nicht direkt nebeneinander, stehen. Dazwischen bewegen sich offenbar viele Punkte, also Menschen; dann wurde dort hereingeschossen und offenbar nicht nur auf die Tanklastwagen gezielt. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung, vor allen Dingen die Bundeskanzlerin, zu diesen Bildern, die sie inzwischen sicher gesehen hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Ströbele, ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Pressestatement der Bundeskanzlerin vom gestrigen Tage anlässlich des Besuchs des Premierministers der Islamischen Republik Pakistan, Herrn Gilani, hinweisen. Darin hat die Bundeskanzlerin unter anderem ausgeführt: Ich möchte im Lichte der zusätzlichen Informationen … erstens noch einmal auf den ISAF-Abschlussbericht verweisen und zweitens auf das verweisen, was ich am 8. September gesagt habe und was aus meiner Sicht nach wie vor absolute Gültigkeit hat: Erstens muss alles lückenlos aufgeklärt werden. Zweitens muss ganz deutlich gemacht werden, und das habe ich getan, dass es ein Bedauern darüber gibt, dass in Folge deutschen Handelns zivile Opfer - damals war diese Sache noch nicht völlig klar zu beklagen sind, und dass Deutschland dafür die Verantwortung übernimmt. Es ist mir ganz wichtig, dass das, was in Folge unseres Handelns geschehen ist, auch von uns verantwortet wird und wir unser Bedauern hierüber sehr deutlich ausdrücken. Das ist eine wichtige Passage aus dem Pressestatement, die sich auf Ihre Frage bezieht. Ich bin gerne bereit, Ihnen das gesamte Statement zur Verfügung zu stellen. Herr Kollege Nouripour, Sie hatten gefragt, wann der Bericht vorgelegen hat. Gerade habe ich erfahren, dass er am 29. Oktober dieses Jahres vorgelegen haben soll. Ich werde Ihnen die Frage aber trotzdem wie zugesagt schriftlich beantworten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Vogler.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben uns gerade vorgetragen, dass das Kanzleramt am 25. November von dem Feldjäger-Bericht Kenntnis genommen hat. Dazu habe ich eine ergänzende Frage: Bis wann sieht sich die Kanzlerin in der Lage, diesem Haus eine qualifizierte Neubewertung vorzutragen? Ich glaube, das ist überfällig und sollte so schnell wie möglich passieren.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, es entspricht dem Ressortprinzip und der Ressortverantwortung, dass zunächst einmal im zuständigen Haus - mit all der Sachkompetenz, die im Verteidigungsministerium vorhanden ist - alle jetzt vorliegenden Informationen ausgewertet werden und diese Informationen dann dem Bundeskanzleramt, aber auch dem Parlament zur Verfügung gestellt werden. Das ist der in unserer Verfassung vorgesehene Weg. Ich kann Ihnen noch einmal versichern, dass die Bundesregierung alles daransetzt, das so schnell und so gründlich zu tun, wie es in ihrer Macht steht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die letzte Nachfrage zu dieser Frage hat der Kollege Sarrazin.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Schmidt, in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit der Ankündigungen. Für einen Abgeordneten klingt es schön, die Worte „lückenlose Aufklärung“, „Neubewertung“ und „Unterrichtung des Parlaments“ zu hören; das geht uns grundsätzlich runter wie Öl. Wenn man glaubwürdig sein möchte, muss man uns auch sagen, in welchem Zeitrahmen und in welcher Form das passieren soll. Herr zu Guttenberg hat hier die Ankündigung gemacht. Wird er das Parlament persönlich hier im Plenum unterrichten oder schriftlich? Wie verhält es sich mit der Kanzlerin? Herr von Klaeden hat gerade etwas dazu gesagt. Die Glaubwürdigkeit der Ankündigungen bemisst sich auch daran, ob für uns in irgendeiner Form erkennbar ist, wann und in welcher Form das denn passieren wird.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Sarrazin, es ist nicht nur nach dem Wohlklang der Worte zu messen, was wir intendieren. Die Intention ist völlig klar: Wir wollen eine Offenlegung der Situation und eine Bewertung im Lichte dessen, was an komplexen Informationen und unterschiedlichen Berichten verfügbar ist. Ich habe einen Zeitpunkt genannt. Diese interne Untersuchung hat auch das Ziel, sich einen Überblick zu verschaffen. Der Bewertung des Kollegen Beck, die er eben abgegeben hat, kann ich daher nicht folgen. Es geht um Präzision. Ich habe darauf hingewiesen, dass ich denke und auch erwarte, dass das nach dem 10. Dezember der Fall sein kann. Der Bundesminister der Verteidigung will in allererster Linie seine Verantwortung gegenüber dem Parlament - das Parlament ist der Adressat der Information, so wie es der Informationspflicht der Bundesregierung entspricht - wahrnehmen. Herr Kollege von Klaeden hat darauf hingewiesen, dass Ihnen im Zusammenhang mit dieser Bewertung die Position der Bundesregierung und aller beteiligten Ressorts zur Verfügung gestellt wird. Ich denke, dass in erster Linie die beteiligten Ausschüsse die Adressaten sind. Nachdem wir erwarten, dass sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss konstituiert, wird insbesondere der Verteidigungsausschuss schon aufgrund seines entsprechenden Ermittlungsbegehrens und seines Auftrags der Adressat sein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen damit zur Frage 2 des Kollegen Christian Ströbele zur gleichen Thematik: Inwieweit treffen Medienberichte zu ({0}), wonach am 3. September 2009 in Afghanistan Oberst Georg Klein im Bundeswehrstandort Kunduz - „Red Baron 20“ - den Piloten eines US-Kampfflugzeugs - „Dude“ - anwies, außer auf zwei Tanklastzüge dort auch auf umstehende Personen zu feuern, und inwiefern trifft ferner zu ({1}), dass dieser Pilot vor dem Bombenabwurf fünfmal vergeblich vorschlug, zuvor die Personen am Boden mit Zeigen von Stärke zu warnen, zumal wichtige Einsatzregeln - ISAFHauptquartier umgangen, keine Bodentruppen an Tankern und keine Gefahr im Verzug - nicht eingehalten worden seien? Bitte, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Ströbele, Sie haben Medienberichte genannt, die auf Details der Umstände der Angriffe auf die Tanklastzüge und des Bombenabwurfs hinweisen. Diese Medienberichte sind dem Bundesministerium der Verteidigung natürlich zur Kenntnis gelangt. Der Vorgang, den Sie explizit angesprochen haben, wird derzeit von der Bundesanwaltschaft bearbeitet. Sie prüft, ob eine Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch vorliegt. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Ich möchte dem Ergebnis der Prüfung, also nicht unserer internen Prüfung, sondern der maßgeblichen Prüfung der Bundesanwaltschaft, nicht vorgreifen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir dies so strikt halten wollen. Die Bundesanwaltschaft ist bereits mit allen Informationen, die uns zur Verfügung stehen und die sich in den letzten Tagen ergeben haben, versorgt worden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte, Herr Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich muss an mich halten, um nicht aus der Haut zu fahren. Wollen Sie damit sagen, dass die Bundesanwaltschaft so etwas wie eine Art Hilfsbeamter des Bundesverteidigungsministeriums ist? Ich habe letzte Woche eine klare Frage gestellt. Diese Pressemeldungen sind vom 21. des vergangenen Monats, die Pressemeldung aus dem Spiegel ist sogar vom 21. September. Es müsste Ihrem Hause und Ihnen - ich spreche Sie ganz persönlich an - doch in den Zeiträumen seit letzter Woche, seit dem 21. September bzw. dem 21. November bis heute möglich gewesen sein, sich die Protokolle bzw. die Tonbandaufzeichnungen über den Funkverkehr zwischen dem Oberst Klein und dem Piloten durchzulesen bzw. anzuhören; das dauert vielleicht eine halbe oder eine ganze Stunde. Sie müssten doch meine Frage beantworten können - ich frage ja nicht nach dem ganzen Sachverhalt -, ob an der skandalösen Behauptung etwas dran ist, dass ein deutscher Oberst einem amerikanischen Piloten die Anweisung gibt, nicht nur auf Tanklastwagen Bomben zu werfen, sondern auch auf sich dazwischen befindliche Personen. Das müsste doch in Ihrem eigenen Interesse, im Interesse des Verteidigungsministeriums und im Interesse der gesamten Bundesregierung zu klären sein. Sie müssten mir doch sagen können, ob das stimmt oder nicht stimmt. Dazu müssten Sie nur das Protokoll lesen. Vielleicht können Sie auch den Oberst fragen, ob er so etwas gesagt hat und wie er dazu kommt. Aber dazu brauchen Sie keine umfangreichen Ermittlungen und schon gar nicht die Bundesanwaltschaft. Noch einmal ganz dringlich die Frage an Sie: Ist an diesen Berichten etwas dran, oder ist nichts daran, ist es also ein Fantasieprodukt?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident, wenn Sie mir gestatten, möchte ich dem Kollegen Ströbele empfehlen, in seiner Haut zu bleiben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Vor allem im Sakko.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Eine ruhige und nüchterne Bewertung muss auch in solch aufgeregten Situationen möglich sein. Kollege Ströbele, ich darf Sie auf unsere gemeinsame Profession, die des Rechtsanwaltes, hinweisen. Bei Sachvorträgen und Berichten, die vielleicht auch widersprüchlich sind, gilt das Prinzip: audiatur et altera pars. ({0}) - Wenn das einer ermittelnden Behörde, in diesem Falle der Bundesanwaltschaft, vorliegt und ich mich an die Stelle der ermittelnden Bundesanwaltschaft setzen würde, indem ich nicht allein die Tatsache, ob es diese Berichte gibt, sondern auch, ob sie zutreffen und wie daraus eine Rechtsfolgenbewertung zu machen ist, darlegen würde, dann würde ich mich in meiner Funktion verheben. Das würde in den Bereich gehen, den Grundsatz der Gewaltenteilung hintanzustellen. ({1}) - Das mag Sie nicht befriedigen; aber ich denke, es ist der richtige Weg, hier so vorzugehen. Ich kann Ihnen nicht nachrichtlich sagen, wann sich die Bundesanwaltschaft, geschweige denn wie, zu dem Vorhalt einlässt. Dass die entsprechenden Berichte und Informationen der Bundesanwaltschaft zur Verfügung gestellt worden sind, ist der Fall. Ich kann Ihnen persönlich nicht sagen, ob die Medienberichte zutreffen oder nicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zweite Nachfrage des Kollegen Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wollen Sie damit allen Ernstes die Behauptung aufstellen, dass ich mich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und sich auch die anderen Kolleginnen und Kollegen, also der ganze Bundestag als Institution, so lange nicht mit einem Sachverhalt beschäftigen können und dürfen, solange er bei einem Gerichtsorgan, bei der Bundesanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft anhängig ist? Ich kann Ihnen sagen: Dann hätten wir uns mehrere Untersuchungsausschüsse sparen können, die sich sehr intensiv mit Sachverhalten beschäftigt haben, die gleichzeitig von der Justiz bearbeitet worden sind. Wieso weichen Sie gerade in diesem Fall der Frage aus mit der Begründung, dass sich die Bundesregierung aufgrund eines einzigen Dokumentes, das Sie wahrscheinlich in einer halben Stunde durchlesen können, keine eigene Meinung bildet? Sie könnten doch sagen: „Das steht da drin“ oder „Das steht nicht da drin“? Hat ein solches Gespräch stattgefunden, in dem ein deutscher Oberst einem amerikanischen Piloten gesagt hat: „Wirf Bomben zwischen die Tanklastwagen“, wo sich eine ganze Reihe von Menschen aufgehalten hat? Ja oder Nein?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Mit dem nochmaligen Versuch der Präzision weise ich in aller Deutlichkeit zurück, Kollege Ströbele, dass ich dem Bundestag oder Ihnen eine Bewertung nicht zugestehe. Aber Sie müssen bitte auch mir zugestehen, dass ich mich gerade im Hinblick darauf, dass dieser Vorgang nicht nur für den von Ihnen angesprochenen Befehlsgeber rechtliche Konsequenzen haben kann, dem Prinzip der Zurückhaltung, nur das zu sagen, was ich weiß, verpflichtet fühle. Dass es diesen Bericht gibt, weiß ich. ({0}) - Ich bin nicht bereit, mich zu jedem dummen Einwurf zu äußern, Herr Beck. ({1}) Ich will noch einmal sehr deutlich sagen: Dieser Bericht liegt vor. Die Qualität des Berichts wird gegenwärtig von der Bundesanwaltschaft bewertet. Wenn die Bewertung vorliegt, werden wir hören, wie das rechtlich zu verstehen ist. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Montag, bitte.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich fahre nicht aus der Haut, sondern sage Ihnen in aller Sachlichkeit und Ruhe: Sie können und dürfen sich nicht hinter dem Rücken der Bundesanwaltschaft verstecken. ({0}) Wir erwarten von Ihnen nicht, dass Sie in die Rolle der Bundesanwaltschaft schlüpfen und uns Auskunft darüber geben, ob Sie einen Anfangsverdacht oder einen dringenden Verdacht einer Straftat erkennen. Es ist richtig: Die Bundesanwaltschaft hat auch zu überprüfen, ob Behauptungen, Berichte, Protokolle die Wahrheit wiedergeben. Aber hier sind auch Sie gefordert. Sie dürfen und können sich nicht hinter der Bundesanwaltschaft verstecken. Ich frage Sie deswegen noch einmal: In diesem Bericht steht, dass es ein Gespräch zwischen dem deutschen Oberst und den amerikanischen Piloten gegeben hat. In diesem Bericht steht, dass die Piloten fünfmal nachgefragt haben, weil sie die Bitte, den Befehl, die Aufforderung der deutschen Seite nicht befolgen wollten, und dass zweitens zum Schluss von deutscher Seite die Aufforderung gekommen ist, die Bomben zu werfen, und zwar nicht auf die Tanklastzüge, sondern genau dazwischen. Meine Frage ist: Entspricht das nach dem Wissensstand der Bundesregierung der Wahrheit? Ist das so gewesen? Fakten, Fakten, Fakten - das wollen wir von Ihnen.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Montag, erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie, wenn ich das sagen darf, zwischen dem, was ermittelnden Behörden zusteht, und dem, was der Bundesregierung zusteht, unterscheiden. Herr Kollege Beck, ich habe „Beschuldigte“ und „Anklage“ verstanden. Das wollte ich zurückweisen. Wenn das, was Herr Montag gesagt hat, Ihrem Verständnis entspricht, dann weiß ich Ihre Bemerkung richtig einzuordnen. Zur Frage nach den konkreten Fakten. Faktum Nr. 1 ist, dass dieser Bericht vorliegt. Es gibt Indizien dafür, dass dieser Bericht zutrifft. Wir sind gegenwärtig dabei, dies zu klären. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass bei der Vielzahl der Berichte, die der Minister ja auch angesprochen hat, Widersprüchlichkeiten und unterschiedliche Meinungen mit zu bewerten sind, nicht im Sinne einer strafrechtlichen Ermittlung, aber doch bei der Beantwortung der Frage: Trifft das zu, ja oder nein? Ich bitte darum, dass Sie mir zugestehen, dass ich auf eine entsprechende abschließende Überprüfung verweise. Ich sichere zu, dass ich die Frage, sobald das vorliegt, Ihnen persönlich, Herr Ströbele, und dem Bundestag gegenüber schriftlich beantworte.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Hänsel, bitte.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Herr Staatssekretär, ich denke, Fakt ist auf alle Fälle, dass sowohl die Bundeswehr als auch die Bundesregierung die Verantwortung für eine hohe Zahl ziviler Opfer in Afghanistan übernehmen müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen: Können Sie einen Bericht des Spiegel vom Montag, den 30. November 2009, bestätigen, nach dem ein Anwalt, der sich mit den Angehörigen der Opfer in Afghanistan in Verbindung gesetzt hat und die Interessen dieser Opfer - Stichwort: Entschädigungen - vertreten möchte, mit dem Verteidigungsministerium in Kontakt getreten ist und an das Bürgertelefon verwiesen wurde? Wenn das so ist: Gibt es vonseiten des Verteidigungsministeriums mittlerweile einen direkten Kontakt zu diesem Anwalt?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. - Zu dieser Frage möchte ich zwei Punkte sagen. Erstens. Der Name des Anwalts ist mir gerade nicht geläufig. Sie beziehen sich vermutlich auf den Bremer Anwalt, der in Afghanistan, in Kunduz gewesen ist. Dieser Anwalt hat sich nach meiner Kenntnis zwischenzeitlich schriftlich an das Bundesministerium der Verteidigung gewandt und steht hierüber in Korrespondenz. Zweitens. Der erste Kontakt - ich gebe das jetzt nur nachrichtlich wieder, beantworte Ihnen die Frage aber gern noch schriftlich, falls ich sie jetzt nicht ganz präzise beantworte, weil ich mich nur auf meine Erinnerung stütze - fand statt, als sich der betreffende Anwalt in Kunduz unter den Schutz der Bundeswehr begeben hat. Weil eine gewisse Gefährdung für ihn befürchtet worden war, wurde er nach meiner Erinnerung im Feldlager Kunduz aufgenommen. Mir ist allerdings nicht bekannt, inwieweit er sich bei der Vertretung der von ihm benannten Opfer des Angriffes zum konkreten Vorgang eingelassen hat. Ich vermute, er hat es wohl eher nicht getan; denn die Ansprechpartner waren wohl nicht in Kunduz, sondern in Berlin. Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen, dass die Tatsache, dass es zivile Opfer gegeben hat - es deutet sehr viel darauf hin; man muss also davon ausgehen -, nicht nur Bedauern auslöst, sondern dass in einem solchen Fall auch die Praxis herrscht, sich um die Hinterbliebenen zu kümmern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als Nächster bitte Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben gerade dem Kollegen Ströbele geantwortet, dass Sie den Bericht erstens kennen, aber zweitens noch keine Konsequenzen daraus ziehen oder Bewertungen vornehmen können, weil Sie den Wahrheitsgehalt dieses Protokolls noch prüfen müssen. Es handelt sich um eine Protokollierung einer Kommunikation. Haben Sie ernsthaft den Verdacht, dass es sich bei dieser Kommunikation bzw. diesem Protokoll um eine Fälschung handelt, und welche Prüffragen stellt das Ministerium im Sinne der Quellenkritik, um diese Kommunikation inhaltlich zu bewerten? Das ist mir wirklich schleierhaft. Wenn es diese Kommunikation tatsächlich gegeben hat, wenn das außer Zweifel steht, dann ist der Vorgang diesbezüglich abgeklärt. Dann stellt sich die Frage, wie man diesen Vorgang bewertet. Mit meinem Zwischenruf vorhin, als Sie ({0}) sich nicht so, wie es unter bürgerlichen Parteien üblich ist, eingelassen haben, meinte ich genau das. Sie müssen diese Bewertung unabhängig von der Strafprozessordnung vornehmen. Sie können jetzt, weil ein Bundeswehrangehöriger betroffen ist, nicht sagen, dass die gesamte Bundesregierung die Rechte eines Beschuldigten für sich in Anspruch nimmt und nichts mehr zur Sache sagen will, weil sie sich belasten könnte. Ich möchte wissen: Kennen Sie diesen Bericht? Wie bewerten Sie ihn? Wenn Sie ihn nicht bewerten können: Welches sind die Gründe dafür, dass Sie die Wahrhaftigkeit dieser Quelle in Zweifel ziehen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Beck, ich habe zwar noch nicht auf der Ebene zwischen bürgerlichen Parteien kommuniziert, ({0}) aber ich nehme das gerne hin. Ich will noch einmal sagen, dass die Bewertung dieser Informationen - ich verstecke mich nicht hinter der Frage, ob es richtig oder falsch war -, dieses Komplexes von verschiedenen Berichten gegenwärtig vorgenommen wird. ({1}) Dabei handelt es sich nicht um eine Bewertung, ({2}) die auf einer einzelnen Stimme oder Meinung basiert, sondern um eine Bewertung, in die auch die Fachleute einbezogen werden. ({3}) Ich bitte um Verständnis, dass wir sie Ihnen erst dann, wenn sie fertiggestellt ist, vortragen werden. ({4}) Im Moment sind wir noch mit der Bewertung beschäftigt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Jetzt erteile ich Kollegen Nouripour das Wort zur Frage.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist das, was diesem Bericht zugrunde liegt, mit dem Verständnis der Führung des Verteidigungsministeriums vereinbar, was die Art und Weise betrifft, wie wir Operationen in Afghanistan durchzuführen haben?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Eines ist klar: Bei der militärischen Bewertung müssen alle Fakten auf den Tisch. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass neue Fakten nach ihrer Gewichtung und Bewertung zu einem neuen Gesamturteil führen können. Schon jetzt scheint klar zu sein, dass vor Ort auch Fehler gemacht worden sind. Dies wird in eine Gesamtbewertung, an der wir alle interessiert sind, einfließen. Wir werden sie so zeitnah wie möglich vorlegen. Ich glaube aber, dass die Komplexität des Vorgangs von uns allen erfordert, das Geschehene in einen Gesamtblick einzuordnen und in einer Gesamtbewertung darzulegen. Ich kann Ihnen, Kollege Nouripour, zusichern, dass dies „asap“, so schnell wie möglich, geschehen wird.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Sharma, bitte.

Raju Sharma (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004156, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie mir die Bemerkung: Ich bin einigermaßen befremdet über die kühle Gelassenheit, mit der Sie einen Sachverhalt kommentieren, der immerhin 142 Menschen das Leben gekostet hat. Wenn Sie dies nicht berührt, wundert mich das, weil dieser Sachverhalt immerhin auch dazu geführt hat, dass ein Minister Ihrer Bundesregierung zurücktreten musste. Außerdem handelt es sich um ein Ereignis, das nicht nur seit Monaten in der öffentlichen Diskussion steht und von dem in den Zeitungen zu lesen war, sondern auch um ein Ereignis, das hier im Parlament unter genau dieser Fragestellung vom Kollegen Ströbele angesprochen worden ist. Es überrascht mich sehr, dass Sie so lange brauchen, um sich hier Kenntnis zu verschaffen. Dass Sie noch nicht zu einer Bewertung kommen können, ist nur eine Konsequenz des Ganzen. Ich frage mich aber: Wie lange werden Sie brauchen, um diesen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, meine Befindlichkeiten kennen Sie vermutlich nicht. Deswegen empfehle ich Ihnen, sich zu enthalten, wenn es darum geht, sie zu bewerten. ({0}) Gott hat uns einen Geist der Kraft, des Mutes und der Besonnenheit gegeben. Das mag nicht Ihr Leitspruch sein, der meine ist es aber. Ich habe eines gelernt: Wer in solch schwierigen Situationen meint, die Emotionen walten zu lassen - so schlimm der gesamte Vorgang für die Betroffenen auch gewesen ist -, der trägt zur Sachaufklärung nicht das bei, was er beitragen müsste. Das mag konservativ erscheinen, ist aber so. Dabei bleibe ich. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die letzte Nachfrage stellt der Kollege Ott.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! - Herr Staatssekretär, ich bin erst seit wenigen Wochen Mitglied dieses Hauses und habe mich bisher vom guten Funktionieren der Institution Bundestag überzeugen können. Ich muss aber sagen: Das, was ich jetzt erlebe, ist eine Farce. Was ist das Fragerecht der Abgeordneten wert, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen können: „Ich kann dazu keine Aussage treffen, weil ich erst auf das Ergebnis der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft warten muss“? Die Frage des Kollegen Ströbele war sehr eindeutig gestellt: Haben Sie davon Kenntnis? Kollege Trittin hat in der Rede, die später zum Rücktritt von Minister Jung führte, gesagt, er solle sich mannhaft hinstellen und sich entschuldigen. Ich möchte Sie jetzt bitten, sich mannhaft hinzustellen und uns, meinetwegen als Privatperson, zu sagen, ob Sie Kenntnis von diesem Bericht haben und ob das, was den Medien über diesen Bericht zu entnehmen war, der Wahrheit entspricht.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, die Frage, die gestellt worden ist, habe ich beantwortet. Sie mögen mit der Antwort nicht zufrieden sein. Es ist allerdings so, dass die Antworten von denjenigen gegeben werden, die dies ihrer Verpflichtung entsprechend zu tun haben. Dabei tragen sie die Fakten und Bewertungen, die sie kennen, nicht für sich persönlich, sondern für die Bundesregierung vor. Zum Zweiten ist über diese Fragen gestern sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im Verteidigungsausschuss bereits gesprochen worden. Die Informationen werden dem Bundestag komplett zur Verfügung gestellt. Nach meiner Kenntnis ist das bereits der Fall. Ich kann nicht genau unterscheiden, welche Dokumente aufgrund der Tatsache, dass sie NATO-klassifiziert sind, vom Bundesminister bzw. von der Bundesregierung nicht herabgestuft werden können und daher nicht offen zu sehen sind. Die anderen werden Ihnen jedoch, soweit es irgendeine Möglichkeit gibt, offen zur Kenntnis gegeben und damit der Bewertung ausgesetzt. Wir kennen die Berichte. Sie geben uns Anlass zu Besorgnis. Wir wollen uns jetzt die Zeit nehmen, dieses zu bewerten. Dafür bitte ich nicht nur um Verständnis. Ich bitte auch, nachzuvollziehen, wie ein ordentlicher Umgang mit solchen nicht schönen Dingen stattzufinden hat. Ich gestehe Ihnen zu: Diese Zeit hätten wir uns schon längst nehmen müssen. Dafür hätten die Informationen aber komplett vorliegen müssen. Daraus entstehen Unmut und verständlicher Ärger, nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch im Bundesministerium der Verteidigung. Ich kann Ihnen definitiv zusichern, dass, sobald die Informationen da sind, Ihnen nichts vorenthalten wird, dass wir unseren Auftrag so verstehen, dass wir dem Deutschen Bundestag vollumfänglich Bericht erstatten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Da ich sie in der Meldeliste übersehen habe, erteile ich zur letzten Frage noch Kollegin Beck das Wort.

Marieluise Beck-Oberdorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002624, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie sind eben schon nach den Erkundungen des Bremer Anwalts befragt worden. Dieser Anwalt ist schon am 27. mit ersten Erkundungsergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen. Nach seinen Aussagen, die in den Medien wiedergegeben worden sind, liegt dem Bundesverteidigungsministerium schon seit zwei Wochen ein Schreiben mit den Untersuchungsergebnissen vor. Ich bin sehr erstaunt: Wie kann es sein, dass Ihnen nicht einmal der Name dieses Anwalts bekannt ist? Ich frage Sie auch: Trifft es zu, dass dieser Anwalt mithilfe der UN-Organisation UNAMA und anderen Menschenrechtsorganisationen vor Ort recherchiert hat? Wie kann es sein, dass Sie von diesen Recherchen nichts wissen, und wie kann es sein, dass Sie sich mit dem Rechercheergebnis, dass bei diesem Bombenangriff 179 Menschen getötet worden sein sollen, noch nicht auseinandergesetzt haben?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Die Nichtkenntnis des Namens bezieht sich auf mich persönlich, Frau Kollegin Beck. Jetzt, da Sie gesprochen haben, erinnere ich mich daran, dass Sie den Brief weitergeleitet haben. Ich werde Ihnen die Antwort zu dieser Frage schriftlich zukommen lassen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine Nachfrage erlaubt keine weitere Frage.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Ja, Herr Präsident, ich darf darauf hinweisen, dass diese Frage nicht schriftlich eingereicht worden ist. Ich bitte darum, Frau Kollegin Beck, dass Sie mein Angebot, Ihnen schriftlich zu antworten, der Fairness halber annehmen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Damit wollen wir es bewenden lassen, Frau Kollegin Beck. Nach einer Nachfrage darf man nicht noch einmal nachfragen. Es gibt einfache Regeln; sonst kommen wir nie voran. Damit sind diese beiden Fragen erledigt. Frage 3 der Kollegin Lötzsch und Frage 4 des Kollegen Hunko werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ich rufe Frage 5 der Abgeordneten Ute Kumpf auf: In welcher Höhe beabsichtigt die Bundesregierung die Förderung der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen, NAKOS, auch 2010 fortzusetzen und damit dem Votum des Deutschen Bundestages zur Förderung der NAKOS aus den Haushaltsverhandlungen zum Bundeshaushalt 2009 auch im neuen Bundeshaushalt Rechnung zu tragen, und aus den Mitteln welchen Ressorts wird die NAKOS 2010 gefördert? Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kues.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Der Bundeshaushalt 2010 ist noch nicht verabschiedet, geschweige denn in Kraft getreten. Insofern kann dazu natürlich nichts Abschließendes gesagt werden. Ich sage hier aber vorweg, weil wir uns schon in der letzten Legislaturperiode im Rahmen von Fragestunden, aber auch im Rahmen von anderen Debatten mehrfach darüber unterhalten haben, dass es auch für NAKOS keine auf Dauer angelegte Förderung geben wird. Es hat immer eine Projektförderung gegeben. Für 2010 liegt auch ein Antrag vor. Wenn der Bundeshaushalt verabschiedet ist, wird darüber befunden werden. Sie wissen, dass NAKOS eine Organisation ist, die hinsichtlich ihrer Tätigkeitsschwerpunkte teilweise parallel zu anderen Organisationen arbeitet. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert NAKOS im Rahmen des Haushaltstitels „Zuschüsse und Beiträge an zentrale Einrichtungen und Verbände des Gesundheitswesens“ mit einzelnen Vorhaben. 2009 lag der Schwerpunkt der Projektarbeit bei der Information und Aufklärung über den Nutzen der gesundheitlichen Selbsthilfe für die Prävention und die individuelle Krankheitsbewältigung. Für 2010 liegt ein Antrag für ein zweijähriges Projekt im Bereich „Selbsthilfe im Wandel“ vor. Darüber wird befunden werden, wenn der Bundeshaushalt in Kraft getreten ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte schön, Kollegin Kumpf.

Ute Kumpf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003166, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Herr Staatssekretär, ein kleines, ein bescheidenes, aber ein genauso wichtiges Thema ist das Thema Selbsthilfe. Daher habe ich eine Nachfrage. Wir haben uns in der Enquete-Kommission zum Thema „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ darauf verständigt, dass das bürgerschaftliche Engagement aus dem Ehrenamt, aus der Selbsthilfe, aus Freiwilligendiensten und aus sonstigen Initiativen besteht und so zu bewerten ist. In Ihrem Koalitionsvertrag ist unter dem Stichwort „Ehrenamt“ eine Strategie beschrieben, die Sie verfolgen wollen, um nachhaltige Rahmenbedingungen und eine nachhaltige Infrastruktur für das bürgerschaftliche Engagement aufzubauen, sowohl auf der Bundesebene als auch auf der lokalen Ebene. Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass Sie die Selbsthilfe nicht mehr zum bürgerschaftlichen Engagement zählen. Trifft das zu? Es war immer ein Streitpunkt, dass Sie gesagt haben, dass das vielleicht für die Einzelnen sinnvoll ist, aber nicht für die Gesellschaft. Ist das Ihre Bewertung, und muss somit eine ganze Reihe von Organisationen damit rechnen, dass sie nicht mehr gefördert werden? Darüber hinaus haben Sie eine Fehleinschätzung des Ministeriums dargestellt, wonach die Selbsthilfe im Bereich der Gesundheit nur ein Drittel der Aktivitäten umfasst. Wie will das Ministerium seinem Anspruch, den es immer vertreten hat, auch in Zeiten der Großen Koalition, gerecht werden? Ich weiß: Wir haben uns immer gestritten. Sie waren mehr für das traditionelle Ehrenamt. Der Koalitionsvertrag besagt auch, dass Sie sich darauf zurückziehen wollen. Andererseits haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag eine sehr anspruchsvolle Engagementstrategie formuliert. Wie wollen Sie hier die Brücke schaffen, zumal Ihnen jetzt das Personal abhanden gekommen ist, weil es in anderen Ministerien ressortiert? Wie ist Ihre Antwort darauf?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Zunächst einmal: Die Selbsthilfe im weitesten Sinne gehört sicherlich zum bürgerschaftlichen Engagement. Das wird ein Schwerpunkt bleiben; das ist selbstverständlich. Ich sage aber noch einmal ausdrücklich: Das enthält keine Aussage darüber, ob eine ganz bestimmte Institution dauerhaft gefördert wird. Im Gegenteil, wir wollen keine Dauerförderung von allgemeinen Einrichtungen und dürfen dies, um das ausdrücklich zu sagen, auch nicht leisten. Das ist die Meinung, die wir immer vertreten haben. Das trifft nicht nur auf einen Teil der Bundesregierung zu - auch in der letzten Legislaturperiode nicht -, sondern auf die Bundesregierung insgesamt; und das gilt heute auch noch. Sie wissen - Sie kennen sich da ja im Einzelnen aus -, dass die Gruppen, die über NAKOS gefördert werden, teilweise auch von anderen großen Trägern, beispielsweise von Krankenkassen, gefördert werden. Ich glaube, dass es vor diesem Hintergrund verständlich ist, dass auch in einem Ministerium, das großen Wert auf Engagementpolitik liegt, genau hingeschaut wird: Sind das zielgerichtete Projekte? Können wir sie fördern? Wie können wir sie fördern? - Zunächst einmal brauchen wir aber einen Haushalt. Dann werden wir über das konkrete Projekt, das jetzt beantragt worden ist, sprechen können.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Noch eine Nachfrage?

Ute Kumpf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003166, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. Ich habe noch eine Nachfrage, und zwar zum Stichwort „Selbsthilfe“. Sie selbst schreiben in Ihrem Koalitionsvertrag - ich zitiere -: Wir wollen eine Nationale Engagementstrategie u. a. zusammen mit dem Nationalen Forum für Engagement und Partizipation umsetzen, ein Gesetz zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements verfolgen, das alle geeigneten Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Infrastruktur und Stabilisierung von Engagement und Partizipation berücksichtigt … Heißt das, dass für Sie die Selbsthilfe letztendlich nicht zu diesem Förderinstrumentarium gehört? Klammern Sie die Selbsthilfe als einen Teil des bürgerschaftlichen Engagements in Ihrer Engagementstrategie aus? Ist das die Schlussfolgerung aus dem, was Sie gerade gesagt haben?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Nein, die Selbsthilfe - das habe ich auch gesagt - gehört eindeutig dazu. Das heißt aber keineswegs, dass ein konkretes Projekt bzw. eine konkrete Institution dauerhaft gefördert wird. Das können Sie dem Koalitionsvertrag auch nicht entnehmen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Marlies Volkmer auf: Wie ist sichergestellt, dass die unter den Bedingungen der geänderten Meldepflicht für die Neue Grippe - H1N1 - gewonnenen Daten für die Ständige Impfkommission, STIKO, qualitativ und quantitativ ausreichend sind, damit die STIKO die Überprüfung der Impfempfehlung umfassend auf objektive Kriterien stützen kann und nicht subjektive Einschätzungen überwiegen? Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr zur Verfügung.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Herr Präsident, die Ständige Impfkommission, die Empfehlungen zur Impfung gegen Pandemische Influenza ausspricht, benötigt hierzu auch Informationen zur Dynamik der Virusausbreitung in Deutschland sowie zu den am häufigsten betroffenen Alters- und Risikogruppen. Eine gute Übersicht zur Dynamik der Ausbreitung der Neuen Influenza in der Bevölkerung Deutschlands bietet in der derzeitigen epidemiologischen Situation das vom Robert-Koch-Institut betriebene Sentinelsystem der Arbeitsgemeinschaft Influenza. Auf der Internetseite www.influenza.rki.de gibt es dazu weitere Informationen. Um Informationen über zirkulierende Influenzavirustypen zu erhalten, stehen zudem weiterhin die Daten aus der Meldepflicht der Labore nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 24 des Infektionsschutzgesetzes sowie aus der im Rahmen des Sentinelsystems betriebenen virologischen Surveillance zur Verfügung. Neben diesen Instrumenten der epidemiologischen Überwachung kann die weiter bestehende Verpflichtung zur Meldung von Todesfällen im Zusammenhang mit der Neuen Influenza frühzeitig Hinweise darauf geben, ob der Erreger allgemein oder bei bestimmten Bevölkerungsgruppen vermehrt schwere Krankheitsverläufe auslöst. Daher wird der Tod aufgrund von Influenza A/H1N1 weiterhin den Gesundheitsämtern gemeldet. Insgesamt bieten die Informationen aus den beschriebenen epidemiologischen Überwachungsinstrumenten sowie aus klinischen und epidemiologischen Studien in Deutschland und weltweit eine objektive Basis für die Überprüfung der Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommission. Es ist daher nicht erforderlich, alle Influenzafälle zu testen und zu melden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Nachfrage. Es ist in der Tat so, dass die Empfehlungen der staatlichen Impfkommission umso besser sind, je vollständiger die Informationen sind, auf die sie sich stützen kann. Heute waren im Ausschuss Vertreter des Robert-Koch-Instituts und Paul-Ehrlich-Instituts zu Gast, und es wurde deutlich, dass viele Daten nicht vorhanden sind, zum Beispiel darüber, wie viele Menschen mit der Neuen Grippe - gesplittet nach Altersgruppen - stationär in Krankenhäusern aufgenommen werden. Verwunderlich ist auch, dass keine Aussage darüber gemacht werden kann, wie viele Menschen in Deutschland bisher gegen die Neue Grippe geimpft worden sind, geschweige denn, in welchen Altersgruppen die Impfung erfolgte oder wie es mit der Durchimpfung bei den Risikogruppen aussieht. Insofern frage ich Sie: Halten Sie es erstens nicht für notwendig, die Meldepflicht dahin gehend zu ändern, dass zumindest die stationären Aufnahmen, die durch die Neue Grippe bedingt sind, wieder gemeldet werden müssen? Halten Sie es zweitens nicht für notwendig, dass bei einer Pandemie alle Bundesländer nach gleichen Kriterien melden, wie sie die Impfungen durchführen, wer geimpft wird und welche Impfkomplikationen auftreten?

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Eine weitere Änderung der Meldepflicht halten wir derzeit nicht für erforderlich. Ich bitte Sie um Verständnis dafür und weise darauf hin, dass die Meldepflicht gerade erst geändert wurde; die Änderung ist zum 14. November 2009 in Kraft getreten. In der Anfangsphase der Pandemie war die damals eingeführte Meldepflicht nötig, um hinreichend Daten zu bekommen. Das sogenannte Sentinelsystem hätte bei der geringen Anzahl nicht die erforderlichen Erkenntnisse gebracht, um die Infektionsfälle in Deutschland möglichst vollständig zu erfassen, Informationen über den neuen Erreger zu sammeln und durch Maßnahmen wie die Beratung und Isolierung Erkrankter und ihrer Kontaktpersonen die Virusausbreitung zu verlangsamen und damit Zeit für die Impfstoffentwicklung und -produktion zu gewinnen. Wir haben jetzt eine andere Situation. Insofern bedarf es nicht der alten Meldepflicht. Auch die Einführung einer Meldepflicht wenigstens im stationären Bereich, wie Sie sie vorgeschlagen haben, ist nach Beratungen mit den Fachzuständigen aus unserer Sicht nicht erforderlich. Für die Erkenntnisse, die wir im Umgang mit der Pandemie brauchen, reichen die gerade geänderten Meldepflichten aus. Wir sind weiterhin in Kontakt mit den Ländern, um die Daten zu bekommen, die zum Teil den Ländern vorliegen, und eine bundesweite Bewertung vornehmen zu können. Aber eine erneute Änderung der Meldepflicht ist derzeit aus unserer Sicht nicht erforderlich.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, auch den zweiten Teil meiner Frage zu beantworten, in der es darum geht, ob Sie es für notwendig halten, dass die Länder in Zeiten der Pandemie Impfkomplikationen und auch, wie und wen sie impfen lassen, nach gleichen Kriterien melden.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Ich habe eben gesagt, dass dafür in erster Linie die Länder zuständig sind. Wir halten es nicht für erforderlich, neue Änderungen vorzunehmen oder bundeseinheitliche Vorgaben zu machen. Wir sind in Kontakt mit den Ländern. Sie wissen, dass schon ein Impfgipfel stattgefunden hat, auf dem das Bundesministerium den Austausch mit den zuständigen Länderministern gesucht hat, um sich ein Bild zu machen. Ich wiederhole: Wir halten es derzeit nicht für erforderlich, die Meldepflichten erneut zu ändern und den Ländern bundeseinheitliche Vorgaben zu machen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Fragen 7 und 8 der Kollegin Klein-Schmeink sowie die Frage 9 der Kollegin Ulrike Höfken werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Für die Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Wer erarbeitet die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die zweite Staffel von Betreibermodellen für den mehrstreifigen Autobahnausbau - A-Modell -, und wie wurden die Aufträge zur Erstellung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vergeben? Herr Staatssekretär, bitte.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Hofreiter, zu Ihrer Frage: Vor Beginn der Pilotprojektausschreibungen sind Beratungsleistungen zur Begleitung bei der Vorbereitung und Durchführung der Vergabeverfahren von bis zu zehn Betreibermodellprojekten europaweit ausgeschrieben worden. Auftragnehmer des BMVBS sind die ARGE Investitionsbank Schleswig-Holstein und Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaften für Bau- und Verkehrswegeplanung mbH mit den Nachunternehmern Alfen Consult GmbH, Norton Rose LLP, CMS Hasche Sigle sowie HHS Ingenieur GmbH. Ein Leistungsbestandteil sind die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Nach Durchführung der vier Pilotvorhaben hat die ARGE im Rahmen des genannten Vertragsverhältnisses auch die vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der beiden ersten Projekte der sogenannten zweiten Staffel erstellt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Zusatzfragen, bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Könnte der sehr geehrte Staatssekretär meine zweite Frage gleich mit beantworten, weil sie in einem engen Systemzusammenhang zu meiner ersten steht? - Dann würde ich meine Nachfragen stellen, wenn es notwendig ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sind Sie damit einverstanden, Herr Staatssekretär?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Dem sehr geehrten Herrn Kollegen Dr. Hofreiter tue ich natürlich den Gefallen, sofort die zweite Frage im Zusammenhang zu beantworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich die Frage 11 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf. Welche Ergebnisse hatten diese Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, und wie soll das A-Modell zukünftig weiterentwickelt werden? Herr Staatssekretär, bitte.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Wesentliche Elemente der Weiterentwicklung der A-Modelle beziehen sich auf den Vergütungsmechanismus. Bei den beiden ersten Projekten der zweiten Staffel, die sich noch in der Ausschreibung befinden, sollen daher vor allem alternative Vergütungsstrukturen zur Anwendung kommen. Für das Projekt Autobahn A 8, Anschlussstelle Augsburg-West-Autobahnkreuz Ulm/Elchingen, ist der Übergang zu einem Einheitsmautsatz vorgesehen, für das Projekt an der A 9, Anschlussstelle Lederhose-Landesgrenze Bayern/Thüringen, ein Verfügbarkeitsmodell. Für beide Projekte wurde jeweils vor Vergabestart eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erstellt. Beide haben eine wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der ÖPP-Variante im Basisfall im einstelligen Prozentbereich gegenüber einer konventionellen Realisierung ergeben. Das heißt, diese Projekte können unter Berücksichtigung der zugrunde gelegten Rahmendaten und nach dem heutigen Kenntnisstand wirtschaftlich sein. Vor allem aufgrund des Verfahrensstandes ist eine besondere Vertraulichkeit zu wahren. Nähere Angaben können daher nicht gemacht werden. Es ist vorgesehen, dass auf Basis der tatsächlichen Angebote der Bieter die abschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt wird, welche maßgeblich für den Abschluss des Vergabeverfahrens sein wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie können jetzt bitte Ihre erste Zusatzfrage stellen, Herr Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für alle zehn Projekte ein einziges Mal europaweit ausgeschrieben worden ist und dass die von Ihnen genannten Firmen, egal welche neueren Erkenntnisse man jetzt gewinnt, alle zehn Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ohne eine weitere Neuausschreibung durchführen können?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Die Ausschreibung ist nach den Kriterien europaweit erfolgt, und somit werden die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von dieser ARGE erstellt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre weitere Zusatzfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben erwähnt, dass für die nächsten beiden Projekte die vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Bundes vorliegt, und haben ausgeführt, dass Sie keine näheren Angaben dazu machen können. Das erscheint mir sehr befremdlich; denn es handelt sich nicht um Angebote von Privaten, sondern es handelt sich um die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der öffentlichen Hand, die darüber entscheiden soll, ob das Projekt in der PPPVariante durchgeführt oder klassisch finanziert werden soll. Es handelt sich um eine grundlegende Entscheidung der öffentlichen Hand, wobei die privaten Anbieter noch gar nicht mitbeteiligt sind. Deshalb würde ich schon darum bitten, klarzulegen, wie es mit dem Verkehrsmengenrisiko aussieht und wie hoch der Wirtschaftlichkeitsvorteil in beiden Fällen der PPP-Projekte ist, und etwas mehr Information zu liefern. Wir als Haushaltsgesetzgeber müssen nämlich überprüfen können, ob die Entscheidung der Bundesregierung wirklich wirtschaftlicher ist, und dürfen nicht nach Treu und Glauben vorgehen.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Ich habe Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, auch gesagt, dass die Vorteilhaftigkeit dieser Projekte im einstelligen Prozentbereich liegt. Die Untersuchungen laufen noch. Die abschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist dann die Voraussetzung für das Vergabeverfahren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe insgesamt vier Zusatzfragen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich weiß. Sie müssen aber das Kontingent nicht zwingend ausschöpfen. Das wissen Sie.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da die Antworten sehr spärlich ausfallen, ist man dazu gezwungen. Man würde am liebsten gar nicht nachfragen, wenn alle Fragen schön beantwortet würden. Deshalb: Wann wird die endgültige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die beiden neuen Projekte vorliegen? Können Sie das schon absehen?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Das kann ich noch nicht absehen. Die Untersuchungen laufen noch.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Dr. Marlies Volkmer: Wird die Bundesregierung die Finanzierung des Ausbaus der Bahnstrecke Dresden-Berlin für eine Geschwindigkeit von durchgängig 160 km/h in drei Realisierungsstufen und der entsprechenden Zeitplanung sicherstellen - wie von der alten Bundesregierung zugesagt -, obwohl der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, eine Verlagerung von Investitionsmitteln von Ost nach West beabsichtigt, und in welcher Weise will die Bundesregierung den vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jan Mücke noch im September 2009 geforderten Ausbau auf durchgängig 200 km/h zeitnah gewährleisten? Für die Beantwortung der Frage steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung.

Jan Mücke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003813

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Kollegin Dr. Volkmer, die Strecke Berlin-Dresden wird sukzessive auf durchgehend 160 km/h ausgebaut. Ein erster Teil ist bereits fertiggestellt. Gegenwärtig ist die Finanzierung für eine zweite Realisierungsstufe gesichert. Nach Informationen der Deutschen Bahn Netz AG soll der daraus mögliche Fahrzeitgewinn von 16 Minuten Ende 2012/Anfang 2013 erreicht werden. Zusätzlich werden der Ausbau im Abschnitt Brenitz-Sonnenwalde bis Doberlug-Kirchhain sowie das elektronische Stellwerk Doberlug im Rahmen des Konjunkturprogramms I realisiert. Die restlichen Abschnitte sollen zeitnah ebenfalls auf 160 km/h ausgebaut werden. Der Ausbau für eine Geschwindigkeit von über 160 km/h hinaus ist ein neues Vorhaben des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege. Dieser soll im Anschluss an den Ausbau für Tempo 160 km/h möglichst zeitnah erfolgen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, auch Sie kommen aus Dresden, und Sie haben sich in der vorherigen Legislaturperiode immer sehr vehement für den schnellen Ausbau der Bahnstrecke Dresden-Berlin eingesetzt. Sie haben jetzt nichts anderes gesagt als das, was noch unter Verkehrsminister Tiefensee eingeplant worden ist. Ich will Sie aber explizit fragen: Bleibt es wenigstens dabei, wie es geplant war, auch wenn der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, eine Verlagerung von Investitionsmitteln von Ost nach West beabsichtigt? Also: Wird nicht an der Planung dieser Strecke und auch nicht an dem Zeitplan gerüttelt?

Jan Mücke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003813

Frau Kollegin, da Sie den früheren Verkehrsminister Tiefensee angesprochen haben: Das Grundproblem ist ein Fehler, den die Vorgängerregierung begangen hat. Sie hat den Ausbau der Strecke Dresden-Berlin in zwei Baustufen beschlossen. Sie hätte von Anfang an die Möglichkeit gehabt, die finanziellen Mittel und auch die Planung auf eine einzige Baustufe zu konzentrieren. Dann hätten wir schon heute Tempo 200. Wenn ich mich richtig erinnere, hat es in den letzten elf Jahren immer sozialdemokratische Verkehrsminister gegeben. Sie haben es leider nicht vermocht, die Strecke angemessen auszubauen. Sie haben mich durchaus richtig zitiert - auch in Ihrer Frage heben Sie darauf ab -, dass ich noch im September einen Ausbau auf Tempo 200 gefordert habe. Das bleibt ein großes Ziel der neuen Bundesregierung, ganz unabhängig davon, was Sie in ein Interview des Herrn Bundesministers Dr. Ramsauer in der Welt am Sonntag hineingedeutet haben. Er hat nämlich keinesfalls gesagt, dass es ein Programm Ausbau West braucht, sondern er hat davon gesprochen, dass es in einigen alten Bundesländern berechtigterweise einen Nachholbedarf, beispielsweise bei der Straßeninfrastruktur, gibt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Vorhaben, die jetzt im Bedarfsplan stehen, bzw. die Vorhaben, die im Rahmen der Evaluierung des Bedarfsplans im Frühjahr 2010 überprüft werden, nicht finanziert werden könnten. Selbstverständlich wird das erfolgen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine Frage: Können Sie sicherstellen, dass sich die Fahrzeit durch den Ausbau der Strecke Berlin-Cottbus nicht wieder verlängert?

Jan Mücke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003813

Das kann ich nicht sicherstellen. Die Strecke Berlin-Cottbus ist schon im Ausbau. Für diese Bauzeit - sie wird nicht sehr lang sein; die genaue Dauer müsste ich Ihnen schriftlich nachliefern - muss ein Teil der Strecke Berlin-Dresden als Ausweichstrecke in Anspruch genommen werden. In dieser Zeit können in dem in Anspruch genommenen Bereich natürlich keine Ausbaumaßnahmen für die Strecke Berlin-Dresden erfolgen. Sobald der Ausbau der Strecke Cottbus-Berlin abgeschlossen sein wird, wird es auch in dem Bereich, der für die Umleitung der Züge nach Cottbus notwendig ist, einen Ausbau geben, so wie wir es bisher vorgesehen haben. Sie können sich darauf verlassen, dass wir um den Jahreswechsel 2012/2013 durchgängig das Tempo 160 in dem Abschnitt Dresden-Berlin fahren können. Unmittelbar danach wird es einen Ausbau auf Tempo 200 geben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Alexander Bonde werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zur Frage 15 der Kollegin Cornelia Behm: Wann ist mit der Veröffentlichung der in diesem Sommer erstellten Güterverkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für das Jahr 2025 zu rechnen, in der die Güterprognosezahlen auf einzelne Wasserstraßen heruntergebrochen wurden, und wie stellen sich die Prognosezahlen für die Wasserstraßen entlang des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ Nr. 17 im Vergleich zu den heutigen Gütertransportzahlen auf diesen Wasserwegen dar? Hier steht für die Beantwortung der Frage Herr Parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage 15 wie folgt: Die Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtung 2025 wurde im November 2007 fertiggestellt. Die Kurzfassung der Studie steht zum Download auf der Website des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter www.bmvbs.de zur Verfügung. Der Download des ausführlichen Prognoseberichts und der Zugang zu den Verflechtungsmatrizes entsprechend den allgemeinen Nutzungsbedingungen für Daten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist über die Clearingstelle für Verkehrsdaten und -modelle beim DLR-Verkehrsforschungsinstitut möglich. Die Umlegung auf die einzelnen Verkehrsträger ist nicht Bestandteil der Prognose.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, dass eine Kurzfassung dieser Prognose zur Verfügung steht. Nun ist es so: Die letzte Kosten/NutzenRechnung für das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 17 gründet auf Prognosezahlen von 1992 bzw. 1995. Ich würde gerne wissen, inwieweit die Bundesregierung jetzt die neuen Zahlen zurate zieht, um eine aktuelle volkswirtschaftliche Kosten/Nutzen-Rechnung für das VDE 17 vorzunehmen. Weshalb wurde die gesamte Studie mit der aktuellen Prognose von November 2007 bisher nicht veröffentlicht? Liegt das möglicherweise daran, dass durch die Veröffentlichung der Zahlen die Akzeptanz für einzelne Ausbauprojekte aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit schwinden würde?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Frage beantworte ich mit Nein, mitnichten. Diese Prognosezahlen dienen dazu, ganz grundsätzlich die Frage zu klären, um wie viel der Anteil des Güterfernverkehrs am Gesamtverkehr in Deutschland bis 2025 ansteigt. Das ist auch Gegenstand der Studie gewesen. Da gibt es viele Detailberechnungen, die sicherlich die Masse der Bevölkerung nicht so interessieren. Deshalb wird nur die Kurzfassung der Studie im Internet angeboten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Frage?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Sie sind leider nicht in dem Maße auf die von mir gestellte Frage eingegangen, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich habe aber eine weitere Nachfrage. Im Elektronischen Wasserstraßen-Informationssystem der Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist eine Liste mit dem Titel „Zuordnung der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes zu den Wasserstraßenklassen“ zu finden. Da sind Ausbauziele angegeben, die nicht den politischen Festlegungen im Bundesverkehrswegeplan entsprechen, sondern weit darüber hinausgehen, zum Beispiel ist da die Rede von einem langfristig geplanten Ausbau von Teilen der Dahme-Wasserstraße nahe Königs Wusterhausen auf Wasserstraßenklasse V. Es scheint mir, dass es sich hier um eine Wunschliste der Verwaltung handelt. Ich würde gerne wissen, wie es sein kann, dass sich eine Bundesverwaltung unter der Obhut des BMVBS offenkundig eigenständig und unabhängig von der Politik seine Ziele selber steckt.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Es ist sicherlich sehr zu begrüßen, wenn sich die fachkundigen Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung selber Gedanken machen und sie auch veröffentlichen. Entscheidend ist das, was das Ministerium vorgibt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen nun zur Frage 16 der Kollegin Cornelia Behm: Welche Prognose für Gütertransporte per Binnenschiffe liegt den Ausbauplänen für die Kleinmachnower Schleuse innerhalb des Projektes „Deutsche Einheit“ Nr. 17 zugrunde, und inwiefern werden hier nach dem Ausbau Schubverbände mit einer Länge von mehr als 124 Metern erwartet, wenn doch die Ausbauparameter des Teltowkanals weiterhin der Wasserstraßenklasse IV entsprechen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das Erfordernis der Ersatzinvestition der Schleuse Kleinmachnow beruht nicht auf Verkehrsprognosen, sondern diese Ersatzinvestition ist aufgrund des Alters der Schleuse und ihres schlechten Zustandes erforderlich. Die Verkehrszahlen sind nicht ausschlaggebend für die Ersatzinvestition bzw. die Kammerlänge. Für die zukünftig auf dem Teltowkanal verkehrende Flotte und das Verkehrsregelungskonzept liegen noch keine Entwürfe vor.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich habe natürlich öfter einmal auf die Website der Wasserstraßenverwaltung geschaut. Auf der Website des WasserstraßenNeubauamtes Berlin ist unter „Berliner Wasserstraßen Trasse Süd“ zu lesen: Die Planungen sehen vor, den Ausbau so zu gestalten, dass ein 110 m langes Großmotorgüterschiff den Verkehrsweg einschiffig, d. h. ohne Gegenverkehr, passieren kann. Der Ausbau für die uneingeschränkte Begegnungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen, da der damit verbundene Eingriff in bestehende städtische Strukturen wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Weiter heißt es hier: Je nach Verkehrsentwicklung soll die Option der Herrichtung des Verkehrsweges für 185 m lange Schubverbände erhalten bleiben. Bauliche Maßnahmen dazu wird es allerdings vorerst nicht geben. Dazu frage ich: Wie kann es sein, dass eine Bundesbehörde solche Aussagen in ihrer Internetpräsenz tätigt, wenn die Festlegungen der Bundesregierung ganz andere sind?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Dazu antworte ich wie folgt: Ich kann es mir auch nicht erklären, warum das noch so im Internet steht, da wir bereits verfügt haben, dass diese Schleuse auf 190 Meter Länge ausgebaut wird. Die Ausschreibung ist schon erfolgt. Insofern rechnen wir mit einer Vergabeentscheidung im Februar nächsten Jahres. Im Frühsommer nächsten Jahres könnte dann mit dem Bau begonnen werden. Wahrscheinlich ist der Internetauftritt etwas veraltet.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre nächste Zusatzfrage.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

110 Meter lange Großmotorschiffe dürfen nur auf Wasserstraßen mit Wasserstraßenklasse V fahren. Es gibt jedoch die Aussage der Bundesregierung, den Teltowkanal in der Wasserstraßenklasse IV zu belassen. Dort wären maximal 85 Meter lange Großmotorschiffe zugelassen. Inwieweit sind diese Aussagen auf der Website des WNA Berlin mit dem Ministerium abgestimmt?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir beabsichtigen, den Teltowkanal für die Wasserstraßenklasse IV auszubauen, also für das Europaschiff, nicht darüber hinaus. Die Länge der Schleusenkammer ergibt sich daraus, dass wir keine Koppelstelle vor der Schleuse brauchen, um große Schubverbände schleusen zu können. Wenn wir eine solche Koppelstelle errichten müssten, müssten wir in sehr wertvolles Gelände rechts und links des Kanals eingreifen. Das wollen wir vermeiden. In der Abwägung zwischen Ökonomie und Ökologie haben wir hier, wie ich glaube, einen sehr guten Kompromiss gefunden, mit dem alle Beteiligten gut leben können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen steht Frau ParlaVizepräsidentin Gerda Hasselfeldt mentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zur Verfügung. Die Frage 17 des Kollegen Dr. Hermann Ott wird aufgrund Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien schriftlich beantwortet. Damit rufe ich die Frage 18 des Kollegen Dr. Hermann Ott auf: Wie ist die Haltung der Bundesregierung zum Beschluss des Europäischen Rates vom Dezember 2008 zum sogenannten Effort-Sharing, in dem es heißt, dass die EU ihre Selbstverpflichtung auf 30 Prozent erhöht, wenn andere Industriestaaten „vergleichbare Verpflichtungen“ erbringen, und welche konkreten Verpflichtungen anderer Staaten verbindet die Bundesregierung mit dem Begriff „vergleichbar“? Frau Staatssekretärin.

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Herzlichen Dank. - Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Ott, wenn wir ehrlich sind, gehört diese Frage natürlich in den gesamten Kopenhagen-Komplex. Aber selbstverständlich beantworte ich sie Ihnen gerne auch mündlich, sodass wir vielleicht den einen oder anderen Hinweis von Ihnen dazu entgegennehmen können. Sie wissen, dass - ich glaube, da sage ich nichts Neues - die Bundesregierung die Beschlüsse des Europäischen Rates zum Effort-Sharing unterstützt. Der Europäische Rat hatte mit seinen Schlussfolgerungen von Ende Oktober die Bereitschaft der EU bekräftigt, die Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 30 Prozent zu reduzieren, wenn andere Industriestaaten vergleichbare Emissionsreduktionen anstreben und Entwicklungsländer einen ihren Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten entsprechenden Beitrag leisten. Die Europäische Union wird ihr ambitioniertes 30-Prozent-Ziel weiterhin als Hebel einsetzen, um andere Industriesowie Entwicklungs- und Schwellenländer zu ehrgeizigeren Minderungszielen und Beiträgen zu bewegen. Bei der Beurteilung der Anstrengung anderer Staaten werden wir alle von den jeweiligen Staaten eingegangenen Verpflichtungen mit einbeziehen. Sie wissen, dass auch der Umweltrat in seinen Schlussfolgerungen vom 21. Oktober dieses Jahres - der Bericht ist jetzt, glaube ich, auch den Ausschussmitgliedern zur Verfügung gestellt worden - eine Reihe von Kriterien genannt hat, an denen sich die Bewertung dieser Verpflichtungen der Industriestaaten orientieren soll. Dazu zählen beispielsweise die Fähigkeit des jeweiligen Landes, Maßnahmen zur eigenen Treibhausgasreduzierung zu finanzieren oder Gutschriften von Entwicklungsländern zu erwerben, die Größe des Potenzials zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, bereits erfolgte innerstaatliche Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, Bevölkerungsentwicklung und Entwicklung der Treibhausgasemissionen insgesamt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege?

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Jawohl, Frau Präsidentin. - Die bisherigen Planungen der EU laufen auf eine 20-prozentige Reduktion hinaus. Der interne 20-20-20-Beschluss soll eine 20-prozentige Minderung der CO2-Emissionen in der Europäischen Union bringen. Wenn wir auf die 30 Prozent zusteuern - ich glaube, dass es auch in Ihrem Hause eine große Bereitschaft dazu gibt -, dann wird entscheidend sein, ob die EU diese Reduktion bis 2020 schaffen kann. Wenn diese internen Planungen nicht existieren, nehmen Ihnen Ihre Verhandlungspartner nicht ab, dass Sie tatsächlich Vorsorge getroffen haben. Denn die Europäische Union steht ohnehin in dem Ruf, international sehr viel zu versprechen, aber wenig zu halten. Meine Frage: Gibt es in der Europäischen Union Berechnungen, vielleicht sogar schon Verhandlungen, die darauf hinauslaufen, bis 2020 ein 30-Prozent-Ziel zu erreichen?

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Sie kennen ja unsere eigenen Planungen, die sehr ehrgeizig sind, was die Emissionsminderung bis zum Jahr 2020 angeht. Sie können eigentlich davon ausgehen: Wenn der Europäische Rat und davor auch der Umweltministerrat sich auf solche Verpflichtungen einlassen, sind sie auch in der Lage, diese zu erfüllen. Ich gehe davon aus, dass gerade mit Blick auf Kopenhagen vonseiten der Europäischen Union noch einiges auf den Tisch gelegt werden wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn es dazu kommen sollte, dass sich die Europäische Union zu einer Verringerung um 30 Prozent verpflichtet, dann müssten innerhalb der Europäischen Union die einzelnen Anteile erhöht werden. Die neue Koalition hat für Deutschland ohne Bedingungen eine Minderung der CO2-Emmissionen um 40 Prozent bis zum Jahre 2020 in Aussicht gestellt. Wenn sich die Europäische Union zu einer Reduktion um 30 statt um 20 Prozent verpflichtet, wie hoch wäre dann die Reduktion im Jahr 2020, zur der sich Deutschland verpflichten müsste? Müsste sie dann bis zu 50 Prozent betragen?

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Lieber Kollege Dr. Ott, wir sollten die Kirche im Dorf lassen, was die genauen Berechnungen angeht. Unser Minderungsziel ist sehr ehrgeizig. Sie haben gerade selber erwähnt, dass wir auf eine Reduktion um 40 Prozent hinsteuern wollen. Wir haben das mit unserem Integrierten Klima- und Energieprogramm schon sehr klar vor Augen. Auf diesen Punkt komme ich nachher noch bei der Frage der Kollegin Höhn zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass wir unseren Anteil beisteuern werden. Mit Blick auf die Verhandlungen in Kopenhagen, wo wir noch den einen oder anderen Trumpf im Ärmel haben müssen, um etwas zu erreichen, bitte ich, über die Verhandlungen innerhalb der Europäischen Union noch nicht so intensiv zu diskutieren.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Höhn, bitte.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, wir haben vorhin im Ausschuss über diesen Punkt gesprochen. Das hatten Sie schon angedeutet. Da ging es darum, wie viel CO2-Reduzierung durch die Wirtschaftskrise bedingt ist. Der Minister sagte in einer Nebenbemerkung, eigentlich sei das Ziel einer Reduktion um 30 Prozent, das wir vor der Krise hatten, vergleichbar mit dem Ziel einer Reduktion um 20 Prozent nach der Krise. Denn bedingt durch die Krise wurde weniger CO2 ausgestoßen, und damit ergibt sich automatisch eine Minderung. Die Frage ist, ob wir diese Reduktion nicht in irgendeiner Weise berücksichtigen müssen. Ich frage konkret: Muss man nicht angesichts der Tatsache, dass der Temperaturanstieg und das Abschmelzen der Polkappen viel dramatischer sind, als bisher angenommen - so sagen uns die Wissenschaftler -, das 30-Prozent-Ziel der EU nach oben korrigieren? Denn dieses Ziel wurde vor der Wirtschaftskrise aufgestellt. Nach der Wirtschaftskrise müsste daraus eigentlich ein 40-Prozent-Ziel werden.

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Ich glaube, dass wir an diese Sache mit kühlem Kopf herangehen sollten. Ihr Kollege hatte vorhin schon ausgeführt, dass die EU von einem 20-Prozent-Ziel, das sie ursprünglich aufgestellt hatte, als Angebot für ein internationales Klimaschutzabkommen auf ein konditioniertes 30-Prozent-Ziel umgestiegen ist. Wir werden uns die Zahlen natürlich noch einmal sehr genau ansehen. Auf unserer Internetseite finden Sie Listen - ich will darauf hinweisen -, die deutlich zeigen, wie sich die Ziele in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verändert haben und welche Auswirkungen die Wirtschaftskrise konkret in den einzelnen Ländern hat. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Emissionen in den einzelnen Ländern sind sehr unterschiedlich. Sie sind von der Verkehrsstruktur, Infrastruktur und auch von der Industriestruktur abhängig. Das müssen wir uns, wie gesagt, noch genau anschauen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 19 der Kollegin Bärbel Höhn: Bezieht sich das von der Bundesregierung im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen wiederholt bekräftigte Ziel, die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, tatsächlich auf die Reduzierung der inländischen Emissionen um 40 Prozent, oder rechnet die Bundesregierung dabei Emissionsminderungen im Ausland zum Beispiel über den Clean-Development-Mechanism mit ein, und wenn Letzteres der Fall sein sollte, wie hoch ist dann das 2020-Ziel der Bundesregierung für die Senkung der inländischen Emissionen hier in Deutschland?

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Frau Kollegin Höhn, wir haben, wie Sie wissen, im Koalitionsvertrag vereinbart, dass marktbasierte Instrumente wie der Clean-Development-Mechanism immer dann genutzt werden, wenn es tatsächlich möglich ist. Der CDM ist neben Joint-Implementation und dem Emissionshandel einer von drei flexiblen Mechanismen, die das Kioto-Protokoll den Industrieländern mit Reduktionsverpflichtungen zur Verfügung stellt, um ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Solche CDM-Projekte werden von einem Industrieland gemeinsam mit einem Entwicklungs- oder Schwellenland ohne Reduktionsverpflichtung durchgeführt. Das Industrieland führt dann in dem Entwicklungsland ein Klimaprojekt durch, mit dem Emissionen eingespart werden. Dafür kann sich das Industrieland dann die gesparten Einheiten auf seinem jeweiligen Konto gutschreiben lassen. Ziel des CDM ist es allerdings vor allem, Technologietransfer in die Entwicklungsländer zu ermöglichen und diesen Ländern zu helfen, eine klimafreundliche Wirtschaft aufzubauen. Unser Ziel - das war die Frage -, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, bezieht sich auf die - ich betone das - inländische Gesamtwirtschaft. Im Gegensatz zu anderen Staaten hat Deutschland im Rahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogramms - ich habe es eben schon erwähnt - Maßnahmen zur Treibhausgasminderung beschlossen, welche alle im Inland stattfinden sollen. Inwieweit CDM-Projekte auch außerhalb des Emissionshandels zur Erfüllung des Klimaschutzziels für das Jahr 2020 genutzt werden sollen, wird - mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen; es gibt noch keine Ergebnisse - von der Bundesregierung geprüft.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage bitte.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, habe ich es richtig verstanden, dass die CO2-Reduktion um 40 Prozent nicht nur im Inland erfolgen soll, sondern zunehmend auch über CDM-Projekte im Ausland? Das heißt, die CO2-Reduktion um 40 Prozent erbringen Sie gar nicht in Deutschland. Sie können hier praktisch ständig neue Kohlekraftwerke bauen, und die CO2-Reduktion führen Sie dann in Indien oder in China durch. Verstehe ich das richtig?

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Das verstehen Sie komplett falsch. Die Diskussion über dieses Thema haben wir schon vor früheren KlimaParl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser schutzkonferenzen geführt. Ich habe gerade gesagt: Im Integrierten Energie- und Klimaprogramm, das wir in Deutschland haben, ist vorgesehen, dass die Emissionsminderungen hier im Inland stattfinden. Alle Maßnahmen, die wir dort entwickelt haben, sind auf das Inland konzentriert. Inwieweit wir aber den Clean-Development-Mechanism weiter einsetzen, darüber wird zurzeit diskutiert, das wird überprüft. Ich sage Ihnen zu, dass ich Ihnen, sobald diese Prüfung abgeschlossen ist, sofort einen schriftlichen Bericht darüber gebe.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, natürlich. - Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt: Die CO2-Reduktion um 40 Prozent soll hier im Inland erfolgen. Dann haben Sie das Integrierte Energieund Klimaprogramm, das IKEP, erwähnt. Nun wissen wir aber, dass die CO2-Reduktion um 40 Prozent nicht über das IKEP erbracht werden kann. Wenn Sie die bisherigen Schritte weiterverfolgen, dann schaffen Sie die CO2-Reduktion um 40 Prozent nicht im Jahr 2020, sondern erst im Jahr 2033. Welche zusätzlichen Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die CO2-Reduktion um 40 Prozent in Deutschland überhaupt zu erreichen? Denn das, was Sie beschlossen haben, und zum Beispiel die Nichtumsetzung der Energieeffizienzrichtlinie der EU - die Umsetzung steht immer noch aus - führen dazu, dass es in Deutschland eine geringere CO2-Reduktion gibt. Welche zusätzlichen Maßnahmen wollen Sie neben dem IKEP eigentlich ergreifen, um eine Reduktion um 40 Prozent überhaupt zu erreichen? Denn mit dem IKEP erreichen Sie das nicht. Das wurde schon in mehreren Studien deutlich gemacht.

Ursula Heinen (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003143

Darf ich Sie an Folgendes erinnern: Das Integrierte Energie- und Klimaprogramm wurde vor zwei Jahren, im Jahr 2007, beschlossen. Wir haben gerade das Jahr 2009. Heute davon zu sprechen, dass wir dieses Ziel nicht erreichen, halte ich für nicht in Ordnung. Deshalb würde ich jetzt einmal abwarten, wie es sich im Einzelnen darstellt, und schauen, welche Möglichkeiten wir haben, welche nicht und was wir zudem beispielsweise von der Konferenz in Kopenhagen mitbringen werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Da werden die Fragen 20 und 21 des Kollegen René Röspel, die Fragen 22 und 23 der Kollegin Ulla Burchardt sowie die Fragen 24 und 25 des Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier ist die Frage 26 der Kollegin Heike Hänsel zurückgezogen worden. Die Frage 27 der Kollegin Hänsel wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Movassat werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich komme zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Der Kollege Kilic, der die Frage 30 gestellt hat, ist nicht im Saal, deshalb schriftliche Beantwortung. Die Fragen 31 und 32 der Kollegin Agnes Krumwiede werden auch schriftlich beantwortet. Die Fragen 33 und 34 der Kollegin Ulla Schmidt sowie die Fragen 35 und 36 des Kollegen Martin Dörmann und die Fragen 37 und 38 der Kollegin Tabea Rößner werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich komme zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Frau Dr. Eva Högl hat Frage 39 gestellt. - Frau Dr. Högl ist anwesend. Dann rufe ich diese Frage auf: Warum werden die Nachfolgestrategie der Lissabon-Strategie und die EU-Nachhaltigkeitsstrategie, mit denen sich der Europäische Rat am 10. und 11. Dezember 2009 befassen wird, nicht zusammengefügt? Für die Beantwortung der Frage steht Herr Staatsminister Dr. Werner Hoyer zur Verfügung.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Frau Kollegin Högl, die EU-Nachhaltigkeitsstrategie ist eine sektorenübergreifende Langzeitstrategie mit globaler Perspektive. Die Post-Lissabon-Strategie hingegen konzentriert sich auf die Sektoren nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Die operative Ausführung der Nachhaltigkeitsprinzipien muss weiterhin durch sektorale Strategien verfolgt werden. Diese Sektorstrategien dienen im jeweiligen Bereich der Umsetzung und Integration der verschiedenen Dimensionen Wirtschaft, Umwelt und Soziales. Daher kommt eine Verschmelzung der Nachhaltigkeitsstrategie mit der Post-Lissabon-Strategie für die Bundesregierung nicht infrage. Die zentrale Steuerung nachhaltiger europäischer Entwicklung in der ganzen Bandbreite der Politikbereiche durch eine einzige Strategie wäre nach unserer Auffassung weder effektiv noch kommunizierbar.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, herzlichen Dank. Sehen Sie, wenn es zwei Strategien parallel gibt - auch wenn die eine stärker auf Sektoren ausgerichtet ist als die andere -, nicht die Gefahr, dass es gerade im Bereich der Nachhaltigkeit zu einer Doppelung kommt? Auch die Lissabon-Strategie beinhaltet das Ziel, die Bereiche Wirtschaft, Beschäftigung und Soziales mit Umwelt, Nachhaltigkeit und ökologischem Wirtschaften zu koppeln. Wäre nicht jetzt, wo wir uns über die Perspektiven für den Zeitraum bis 2020 unterhalten, eine gute Gele550 genheit, diese Strategien zusammenzuführen, um Europa effektiver zu gestalten und bessere Ziele zu formulieren?

Not found (Gast)

Ich sehe auf jeden Fall die Gefahr einer Doppelung. Deswegen ist eine enge Abstimmung in den Ratsarbeitsgruppen und im Rat selber erforderlich, damit die Dinge nicht auseinanderlaufen. Das kann mehr bedeuten, als nur doppelte Arbeit zu machen. Aus meiner Sicht haben Nachhaltigkeitsstrategien einen übergeordneten Charakter. Die Frage ist dann: Wie muss man das in die verschiedenen Politikbereiche einpassen? Dabei müssen wir sehr genau auf die Vermeidung solcher Fehlentwicklungen achten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre zweite Nachfrage, bitte.

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, die Bundesregierung wird mit einer Strategie in die kommenden Verhandlungen über die Neugestaltung der Lissabon-Strategie und der Nachhaltigkeitsstrategie gehen. Das Thema wird insbesondere unter spanischer Präsidentschaft zu behandeln sein. Werden wir hier im Parlament Gelegenheit haben, diese Strategie mit Ihnen ausführlich zu erörtern? Werden Sie uns Ihre Verhandlungsposition frühzeitig hier im Parlament mitteilen?

Not found (Gast)

Ja, selbstverständlich. Wir haben heute zum Beispiel im Auswärtigen Ausschuss schon ausführlich über diesen Themenkomplex geredet; denn diese Fragen werden im Vorlauf zum Allgemeinen Rat schon in der nächsten Woche eine Rolle spielen. Im neuen Jahr werden wir auf jeden Fall unsere Verhandlungsposition vortragen. Dann muss mit dem Parlament darüber gesprochen werden. Das ergibt sich übrigens nicht nur aus den neuen Regeln, die wir im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag zwischen Regierung und Parlament vereinbart haben; es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Parlament bei solch einem wichtigen Thema wie der Lissabon-Strategie und der erforderlichen Refokussierung auf das, was 2005 beschlossen worden ist, einbezogen wird.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zu Frage 40 des Kollegen Volker Beck. Er ist nicht im Saal, deshalb schriftliche Beantwortung. Die Fragen 41 und 42 des Kollegen Günter Gloser werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Dann komme ich zu den Fragen 43 und 44 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel. - Sie ist auch nicht im Raum. In der Konsequenz werden die Fragen 43 und 44 schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen 45 und 46 der Kollegin Marieluise Beck, die ebenfalls nicht hier ist. Die Fragen 47 und 48 der Kollegin Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 49 des Kollegen Andrej Hunko. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

In Erwartung dieser Tatsache habe ich alle Fragen bereits schriftlich beantwortet. Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 50 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz wird aufgrund der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Frage 51 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wurde schriftlich beantwortet. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgearbeitet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Hier werden die Fragen 52 und 53 der Kollegin Daniela Wagner schriftlich beantwortet. Der Kollege Ströbele, der die Frage 54 gestellt hat, ist nicht im Saal. ({0}) Deshalb wird auch seine Frage schriftlich beantwortet. Schon sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 55 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird schriftlich beantwortet. Die Fragen 56 und 57 des Kollegen Harald Koch - Herr Koch ist auch nicht im Saal werden schriftlich beantwortet. Der Kollege Dr. Gerhard Schick hat die Frage 58 gestellt. Auch er ist nicht im Saal, daher wird auch seine Frage schriftlich beantwortet. Die Fragen 59 und 60 des Kollegen Hans-Josef Fell werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 61 des Kollegen Stephan Kühn. Gleiches gilt für die Fragen 62 und 63 der Kollegin Sahra Wagenknecht. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich abgearbeitet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Ich rufe die Frage 64 der Abgeordneten Dr. Eva Högl auf: Welche Ergänzungen oder Korrekturen der bisherigen Lissabon-Strategie sind ab 2010 notwendig, um mehr Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt in Europa zu schaffen? Frau Högl ist anwesend. Für die Beantwortung der Frage steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär HansJoachim Otto zur Verfügung. Herr Staatssekretär, bitte.

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Högl, die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie lautet: Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise hat in ihrem bisherigen Verlauf gezeigt, dass diejenigen Mitgliedstaaten der EU die Krise am erfolgreichsten bewältigen, die entschlossen ihre strukturpolitischen Reformen im Sinne der Lissabon-Strategie angegangen sind. Das gilt zum Beispiel auch für Deutschland. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass auch für eine Nachfolgestrategie für die Jahre bis 2020 die Oberziele der aktuellen Lissabon-Strategie, nämlich sich auf nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu konzentrieren, beibehalten werden sollen. Dabei sollen die prioritären Bereiche Forschung und Entwicklung, Stärkung der Unternehmenspotenziale, Beschäftigung, Klima und Energie weitergeführt werden und im Dreiklang von wirtschaftlichem Erfolg, sozialem Zusammenhalt und ökologischer Verantwortung weiter verfolgt werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin?

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Ja, ich habe eine Nachfrage. Im Jahr 2005 ging es um die sogenannte Refokussierung der Lissabon-Strategie. Der Herr Staatsminister hat eben davon gesprochen. Nun richtete sich in der Zwischenzeit die Aufmerksamkeit auf die Sozialpolitik, weil festgestellt wurde, dass die Sozialpolitik damals hintenübergefallen ist. Bedeutet das, was Sie eben ausgeführt haben, dass Sie sich davon verabschieden, dass auch die Sozialpolitik, der sozialpolitische Zusammenhalt und die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung - wir haben nächstes Jahr das Jahr gegen die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung übergeordnete Ziele der Lissabon-Strategie sein sollen, sondern dass sie im Rahmen der Diskussion über die Nachfolgestrategie nachrangig behandelt werden?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Nein, nachrangig ist sicherlich nicht das richtige Wort, aber wenn Sie Prioritäten setzen, dann müssen Sie zwangsläufig auch Posterioritäten setzen. Ich nannte Ihnen die Bereiche, die für die kommenden Jahre in besonderer Weise hervorgehoben werden. Das heißt natürlich nicht, dass die sozialen Fragen von geringerer Bedeutung sind. Sie wissen auch, dass in unserem Land wie in vielen anderen europäischen Ländern die sozialen Leistungen vom finanziellen Rahmen her einen sehr großen Raum einnehmen, sodass Sie nicht davon ausgehen müssen, dass wir diesen Bereich geringschätzen oder ihm eine geringere Aufmerksamkeit zukommt. Aber gerade die Zukunftsthemen, die ich Ihnen eben genannt habe, Forschung und Entwicklung, Stärkung der Unternehmenspotenziale, Beschäftigung, Klima und Energie, sind ausdrücklich als Prioritäten anerkannt. Daraus ergibt sich die Antwort darauf, was mit den anderen Bereichen zu geschehen hat.

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank. Wenn ich darf, möchte ich gerne eine zweite Nachfrage stellen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte sehr.

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe verstanden, dass es sich hier um eine Posteriorität handelt. Ich komme zu einer anderen Frage. Die Kommission hat bereits sehr deutlich gemacht, dass sie der Sozialpolitik einen hohen Stellenwert einräumen wird. Wird die Bundesregierung dann im Zweifel versuchen, die Kommission mithilfe von anderen Bündnispartnern davon abzubringen, Sozialpolitik in der Nachfolgestrategie als Priorität zu behandeln?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Sehr geehrte Frau Kollegin, die Sozialpolitik hat in Deutschland schon allein deswegen eine Priorität im Sinne von Aufmerksamkeit, weil es keinen anderen Geschäftsbereich der Bundesregierung mit solch hohen finanziellen Aufwendungen gibt. Der Haushalt dieses Bundesministeriums ist bei Weitem unser größter Haushalt. Daraus ergibt sich natürlich innerstaatlich, dass wir diesem Bereich eine ganz hervorgehobene Bedeutung geben. Wir sehen aber keinen Anlass, die Prioritäten, die wir jetzt bei der Nachfolgestrategie verfolgen, aufzugeben, ungeachtet der Tatsache, dass wir zu unseren finanziellen Verantwortungen im Bereich der Sozialpolitik stehen und diese selbstverständlich fortführen werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Frau Kollegin Höhn - das ist Frage 65 - ist nicht mehr anwesend. Gleiches gilt für die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl - das betrifft die Fragen 66 und 67 - und die Kollegen Hubertus Heil - Fragen 68 und 69 - und Garrelt Duin - Fragen 70 und 71. Auch Gerold Reichenbach ist nicht anwesend. ({0}) - Entschuldigung. Dann rufe ich die Frage 72 des Kollegen Gerold Reichenbach zum Geschäftsbereich für Wirtschaft und Technologie auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Lage im Automobilbau in Deutschland und die Chancen der Adam Opel GmbH, sich nach einer Sanierung langfristig erfolgreich auf dem Markt zu behaupten, und wie will die Bundesregierung dazu beitragen, dass in Deutschland und Europa möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Lieber Herr Kollege Reichenbach, die Chancen der Adam Opel GmbH, sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen langfristig am Markt zu behaupten, können natürlich nur auf der Basis konkreter Restrukturierungspläne bewertet werden. Entsprechende Pläne liegen der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht vor. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass Arbeitsplätze in Deutschland und Europa - ich füge für uns beide hinzu: speziell auch in Hessen - nur auf der Basis von tragfähigen unternehmerischen Konzepten gesichert werden können. Die Bundesregierung erwartet von General Motors, alles zu unternehmen, um Opel und seinen Arbeitnehmern eine verlässliche Zukunftsperspektive zu geben. ({0}) - Sehen Sie mal. Wenn ein hessischer Kollege fragt, tue ich das besonders gerne.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage?

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine erste Nachfrage: Wie verträgt sich das, was Sie vorgetragen haben, mit der der Presse zu entnehmenden Festlegung des Wirtschaftsministers, dass sich die Bundesregierung an einer Finanzierung nicht beteiligen werde, obwohl, wie Sie selbst gesagt haben, noch gar keine beurteilungsfähigen Konzepte vorliegen?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Die Äußerung ist mir in dieser Form nicht bekannt, dass sie sich definitiv nicht beteiligen werde. Der Bundesminister hat immer gesagt, dass für eine Beteiligung die Bedingungen des Deutschlandfonds erfüllt sein müssen. Das heißt, es gibt keine Privilegierung von General Motors/Opel. Aber es gibt selbstverständlich auch keine Benachteiligung. Bis jetzt liegt noch kein Antrag vor. Es gibt nur Willensbekundungen. Wenn ein Antrag vorliegt, wird er ergebnisoffen geprüft. Es kann durchaus sein, dass wie in der Vergangenheit - Sie wissen, so wie beim Überbrückungskredit durchaus Maßnahmen zugunsten von General Motors/ Opel beschlossen werden. Dabei bleibt es. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie erklären Sie sich dann angesichts Ihrer Aussagen, dass es zwischen den Bundesländern mit OpelStandorten und dem Bundeswirtschaftsministerium offensichtlich Missstimmungen und unterschiedliche Interpretationen gibt, zumal an den Regierungen dieser Bundesländer auch die FDP beteiligt ist?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Diese Missstimmungen, von denen ich nur in der Presse gelesen habe, sind inzwischen beseitigt. Ich kenne auch von den beteiligten Ländern keine anderen Äußerungen, sondern dort heißt es: Die Anträge können erst dann geprüft werden, wenn prüffähige Anträge vorliegen. Diese prüffähigen Anträge werden dann auf der bestehenden Gesetzes- und Rechtslage geprüft werden. Auch die vier beteiligten Bundesländer haben nichts anderes verlangt. Diese Missstimmungen, sofern es sie jemals gegeben haben sollte, sind damit ausgeräumt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 73 des Kollegen Reichenbach auf: Welche besonderen Bedingungen gelten vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission einen Subventionswettbewerb der Staaten mit Standorten der Adam Opel GmbH fürchtet und bereits angekündigt hat, mögliche Beihilfen für den Autobauer auch künftig auf deren Vereinbarkeit mit EU-Vorschriften prüfen zu lassen - hier für GM -, um gegebenenfalls Fördermittel in Deutschland zu erhalten?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Bei der Prüfung eventueller Anträge der Adam Opel GmbH auf staatliche Hilfe werden die üblichen Bedingungen zur Anwendung kommen, die im Einklang mit den EU-Beihilferegelungen stehen. Die Bundesregierung wird im Rahmen der allgemeinen Verfahren eventuelle Anträge der Adam Opel GmbH auf staatliche Hilfe ergebnisoffen prüfen. Das ist genau das, was ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Reichenbach, schon in meiner Antwort auf die Frage 72 gesagt habe.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage.

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus Ihren beiden Antworten schließen, dass die Bundesregierung bereit ist, sich mit staatlichen Hilfen an einem Sanierungskonzept für Opel zu beteiligen, wenn es tragfähig ist?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Es gibt jedenfalls keine Aussage der Bundesregierung oder des Bundeswirtschaftsministeriums, dass vor Prüfung und vor Vorliegen irgendwelcher Anträge irgendwelche Dinge definitiv ausgeschlossen werden. Es gibt die klare Aussage, dass wir uns an die Bedingungen halten werden, die für alle Förderanträge gelten. Das gilt für General Motors genauso wie für jeden anderen Antragsteller auch. Das heißt, es gibt eine ergebnisoffene Prüfung. Damit ist klar, dass weder im Positiven noch im Negativen irgendwelche Vorfestlegungen getroffen wurden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage.

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie will die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass Opel inzwischen wieder Teil des GeneralMotors-Konzerns ist, sicherstellen, dass solche Unterstützungen und Hilfen, sofern sie EU-konform gewährt werden können, die Zukunftsperspektive von Opel in Deutschland verbessern und zur Sanierung der deutschen und europäischen Opel-Standorte genutzt werden und nicht im üblichen Finanztransfer des Mutterkonzerns untergehen, eingedenk der Tatsache, dass General Motors die jetzigen Verpflichtungen offensichtlich lediglich aus der Kasse der Adam Opel GmbH gezahlt und der Mutterkonzern nichts dazu beigetragen hat?

Hans Joachim Otto (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001666

Ob Ihre letzte Aussage zutreffend ist, können wir nicht beurteilen. Solche Informationen liegen uns nicht vor. Aber es ist sicherlich richtig, Herr Kollege Reichenbach, dass das Kriterium, inwieweit Fördermittel aus dem Deutschlandfonds konkret der Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland zugutekommen und nicht in andere Länder abfließen, eines der entscheidenden Kriterien bei der Prüfung von etwaigen Anträgen sein wird. Natürlich ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mit den Mitteln des Deutschlandfonds in Deutschland entsprechende Wirkungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erzielt werden und die Mittel nicht in irgendwelche Kanäle außerhalb des Landes fließen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir haben damit den zeitlichen Rahmen der Fragestunde voll ausgeschöpft. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Durchwinken des SWIFT-Abkommens durch die Bundesregierung und Umgehung des Europäischen Parlaments Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Konstantin von Notz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem Wahlkampf konnte man ausgesprochen gespannt darauf sein, wie die FDP es in Regierungsverantwortung mit den Bürgerrechten hält. Nachdem sich der Parteivorsitzende im Wahlkampf selber zur Freiheitsstatue der Republik ernannt hat und die FDP bei allen Demonstrationen für Freiheitsrechte vornewegmarschiert ist, war das SWIFT-Abkommen die erste Nagelprobe: Wie verhält sich die rhetorische Stärke zur Realität? Diese Nagelprobe - das können wir heute mit Sicherheit sagen; seit Montag ist es amtlich - haben Sie nicht bestanden. Sie sind umgefallen. Sie haben nicht nur gewackelt, sondern sind umgefallen. Sie haben Ihre Prinzipien und Ihre Wahlkampfversprechen an der Garderobe des Regierens abgegeben. ({0}) Meine Erwartungen waren gar nicht so hoch, muss ich sagen, aber die Geschwindigkeit, mit der Sie nach nur sechs Wochen entgegen allen vorher gemachten Erklärungen diese Dinge einfach so von sich werfen und die Hand zu diesem Abkommen heben bzw. es einfach passieren lassen, hat mich doch erstaunt. Dabei war die Ausgangssituation im Grunde gut. Sie hatten alle möglichen Allianzen, die Ihnen zur Seite gestanden hätten, um hier für wirklich gute Datenschutzstandards zu kämpfen. Sämtliche Bürgerrechtsorganisationen, der Bundesdatenschutzbeauftragte und die europäischen Datenschutzbeauftragten, der Bundesrat, die deutsche Bankenaufsicht, der BDI, das Europäische Parlament, alle Fraktionsvorsitzenden - natürlich der Grünen, aber auch Ihrer eigenen Fraktionen - im Europäischen Parlament, all sie waren Alliierte, um für hohe Datenschutzstandards zu kämpfen. Sie haben dies nicht genutzt. ({1}) Das ist umso erstaunlicher, als Sie bei den vielen vagen, wachsweichen, butterweichen Vereinbarungen, die Sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, in einem Punkt relativ klar waren. Als ich das las, dachte ich: Respekt. Sie haben nämlich geschrieben: Wir machen SWIFT nicht mit, ohne dass ein hohes Datenschutzniveau gehalten wird und effektive Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben sind. Dieses Versprechen, das Sie sogar im Koalitionsvertrag verankert haben, haben Sie am Montag gebrochen, indem Sie dieses Abkommen ohne relevante, sondern mit rein kosmetischen Verbesserungen haben passieren lassen. ({2}) Die Unzufriedenheit in Ihren eigenen Reihen ist erheblich; man kann sie den Presseäußerungen entnehmen. Die Justizministerin selbst spricht davon, dass sie unglücklich ist; so sei es nicht gemeint gewesen. ({3}) Ich habe gehört, ein junger Kollege von Ihnen empfindet bezüglich des Verfahrens und des Ergebnisses Brechreiz; so stand es in der Zeitung. An dieser Stelle darf ich Ihnen sagen: Sie sind nicht mehr in der Opposition. Diese Rhetorik im Nachhinein ist gänzlich unangebracht. Sie regieren mit, um mitzugestalten. ({4}) Wenn man das dann beim entscheidenden Punkt, wenn es darauf ankommt, nicht macht, dann muss man sich fragen, ob man in der Regierung überhaupt gut aufgehoben ist. ({5}) Statt einzugreifen und die Koalitionskarte zu ziehen, haben Sie es einfach passieren lassen. Vom Außenminister, der Freiheitsstatue, ist seit Wochen kein Wort zu hören. ({6}) Er hätte ganz leicht einen Anruf bei Frau Merkel tätigen und sagen können: So geht das nicht. Wir haben im Koalitionsvertrag etwas anderes vereinbart. - Das haben Sie bewusst nicht gemacht. ({7}) Nun haben wir als Ergebnis dieses beschämende Verfahren, und die mühsam erkämpften europäischen Datenschutzstandards werden jetzt zulasten von 500 Millionen Europäerinnen und Europäerin abgesenkt. Das Erschreckendste daran ist, dass Sie bei dem einzigen Punkt, bei dem Sie im Koalitionsvertrag Farbe bekannt haben, eingeknickt sind. ({8}) - Von Ihnen habe ich gar nichts anderes erwartet, als dass Sie für so etwas die Hand heben, ({9}) aber bei der FDP hatte ich noch seichte Hoffnung. Wenn man bedenkt, dass Sie für alle anderen Punkte bezüglich Bürgerrechten und Datenschutz nur wachsweiche Ergebnisse ausgehandelt haben und hier den einzig kernigen Punkt aus Ihrem Koalitionsvertrag sofort verraten haben, dann kann einem um die Bürgerrechte und den Datenschutz in diesem Land unter dieser Regierung nur angst und bange sein. Herzlichen Dank. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Dr. von Notz, das war Ihre erste Rede in diesem Haus. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich, verbunden mit den besten Wünschen für Ihre weitere parlamentarische Arbeit. ({0}) Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl. ({1})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dieter Wiefelspütz, ich bitte, jetzt Ruhe zu bewahren. Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu SWIFT machen. Wenn richtig gezählt wurde, werden pro Tag 11 Millionen Überweisungsdaten erfasst. Man kann sich leicht vorstellen, dass unter einer Flut von 11 Millionen Daten am Tag eine Fülle von hochsensiblen Daten ist, die es zu schützen gilt, dass darunter aber auch Daten ganz anderer Art sind, aus dem Wirtschaftsleben und aus dem privaten Bereich, die dem Datenschutz unterliegen. ({0}) Nach den Ereignissen des 11. September 2001 war es nur folgerichtig, dafür zu sorgen, dass die Daten, die zur Terrorbekämpfung erforderlich sind, um die Finanzströme unter Terroristen aufzudecken, herausgefiltert werden. ({1}) Dieses Ziel haben die USA mit Recht verfolgt und sind dabei - ich möchte es einmal so sagen - beherzt ans Werk gegangen. ({2}) Dieses Vorgehen war mit den Gesichtspunkten des Datenschutzes nach unserer Vorstellung nur noch am Rande in Übereinstimmung zu bringen. Deswegen haben sich die Bundesregierung und die Europäische Union bemüht, mit den Amerikanern zu verhandeln, um sicherzustellen, dass man einerseits nicht bei der Terrorbekämpfung stört, andererseits aber den Erfordernissen des Datenschutzes gerecht wird. ({3}) Im Ergebnis haben die Amerikaner der EU zugesagt, dass sie mit den Daten, die sie herausfiltern, verantwortungsvoll umgehen werden. Aufgrund dieser Zusage hat der damals zuständige Bundesfinanzminister in einem Brief amtlich festgestellt - ich zitiere die letzten Sätze dieses Briefes -: Wir danken Ihnen - den USA für Ihre Mitwirkung in dieser Frage; sie zeigt, wie sehr wir gemeinsam entschlossen sind, die bürgerlichen Freiheiten zu wahren, den Terrorismus zu bekämpfen und für ein reibungsloses Funktionieren des internationalen Finanzsystems zu sorgen. So äußerte sich Peer Steinbrück im Juli 2007 zu der Zusage der USA. ({4}) Was ist nun neu? ({5}) Neu ist, dass diese Zusage in das SWIFT-Abkommen, über das wir hier und heute diskutieren, Eingang gefunden hat. Jetzt werden diese Regelungen für beide Seiten verbindlich. Auf die Vorteile des SWIFT-Abkommens möchte ich nicht im Einzelnen eingehen - ich nehme an, dass meine Nachredner dies noch tun werden -, sondern nur eines sagen: Bundesinnenminister de Maizière ist am Montag dieser Woche nach Brüssel geflogen. ({6}) Dort hat er sogar noch mehr erreicht. ({7}) Er hat erreicht, dass die Geltungsdauer des Interimsabkommens auf neun Monate begrenzt wird. Außerdem gibt es seit Montag dieser Woche unter Juristen einen Streit darüber, welche Rolle das Europäische Parlament in Bezug auf das Interimsabkommen spielt. ({8}) Es lässt sich mit guten Argumenten die Rechtsmeinung vertreten, dass das Europäische Parlament dieses Interimsabkommen, das am Tag zuvor ausgehandelt worden ist, nach dem Lissabon-Vertrag noch stoppen kann, indem es dagegenstimmt, ({9}) sodass es nicht umgesetzt werden kann. Ich sage Ihnen: Wie es um diese Rechtsmeinung steht, kann eigentlich dahingestellt bleiben, weil die Europäische Kommission niemals daran denken wird, dieses Interimsabkommen zur Anwendung zu bringen, wenn das Europäische Parlament es zuvor abgelehnt hat. Das wird sie nicht tun. ({10}) Zweitens. Das Europäische Parlament kann sich sofort an die Arbeit machen und mit den USA ein Nachfolgeabkommen zu diesem Interimsabkommen, das in neun Monaten fertiggestellt sein muss, aushandeln. Das heißt, das Europäische Parlament ist in einer doppelten Vorteilhaftigkeit: ({11}) Es kann das ausgehandelte Abkommen stoppen und ein neues aushandeln. ({12}) Jetzt komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herren Parteigenossen von Peer Steinbrück, der das Ergebnis, das er ausgehandelt hat, so gut fand. Auch Sie sind aufgerufen, ihm zu zeigen, dass man in Verhandlungen mit den USA in Sachen Datenschutz noch mehr herausholen kann. ({13}) Das Nachfolgeabkommen wird natürlich auch vom deutschen Parlament begleitet werden können. ({14}) Auch dies ist ein Ergebnis des Lissabon-Vertrages. Nach dem EU-Zusammenarbeitsgesetz kann der Bundestag im Hinblick auf das Nachfolgeabkommen entscheiden, welche Vorgaben er der Bundesregierung für die Verhandlungen mit auf den Weg gibt. Ich fasse zusammen: Das Europäische Parlament ist Herr des Verfahrens. Das deutsche Parlament ist auch Herr des Verfahrens. Wir alle haben aus diesem Abkommen das Beste gemacht. ({15}) Einen letzten Satz zum Abstimmungsverhalten. Warum hat sich Minister de Maizière enthalten? ({16}) Das Abkommen, das wir am Montag zu behandeln hatten, ist aus der Sicht des Datenschutzes zu unperfekt, um ihm zuzustimmen; es ist aber aus der Sicht der Terrorbekämpfung zu wichtig, um es abzulehnen. Deswegen war die Enthaltung das Richtige. ({17})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eva Högl für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was für Pirouetten man hier drehen kann! Aber ich beginne mit Europa. Gestern war ein wirklich guter Tag für Europa: Der Vertrag von Lissabon trat in Kraft. Damit haben wir eine super Rechtsgrundlage: mehr Bürgernähe, mehr Transparenz, mehr Demokratie, verbindliche Grundrechte und eine klare Zuweisung der Kompetenzen. Das ist ein wirklicher Erfolg, den Europa feiert. Was aber leistet sich der Rat der Innenministerinnen und Innenminister, und die deutsche Bundesregierung beteiligt sich daran? Einen fulminanten Fehlstart und eine gezielte Missachtung ({0}) nicht nur des Europäischen Parlaments, sondern auch der Bürgerrechte. Einen schlechteren Start für den Vertrag von Lissabon hätte es nicht geben können. ({1}) Gerade das SWIFT-Abkommen wäre eine Möglichkeit und eine gute Gelegenheit gewesen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union und in die jetzt auch auf der europäischen Ebene garantierten Bürgerrechte zu stärken; aber das Gegenteil ist der Fall. Wir haben mit dem Vertrag von Lissabon erreicht, dass die wichtigen Bereiche der Justiz- und der Innenpolitik endlich vergemeinschaftet werden und das Europäische Parlament endlich mitentscheiden kann. Das ist eine wichtige Errungenschaft; denn hierbei geht es immer um Rechtsschutz und Bürgerrechte. Damit werden diese wichtigen Bereiche nicht mehr hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich verhandelt und beraten. Mit dem Beschluss des Innenministerrates vom Montag wird aber der Vertrag von Lissabon genau einen Tag vor seinem Inkrafttreten bewusst ignoriert und das Europäische Parlament gezielt missachtet. Das, sehr geehrter Herr Kollege Uhl, als Stärkung des Parlaments hinzustellen und das Parlament als Herr des Verfahrens zu bezeichnen, ist - gestatten Sie, wenn ich das sage einigermaßen absurd. ({2}) Mit diesem abenteuerlichen Vorgang wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union und in die europäische Demokratie nicht gestärkt, sondern mit Füßen getreten. Wenn jetzt nachträglich vereinbart wurde, dass das Europäische Parlament sich auch noch äußern darf, ist klar, dass dieser Geburtsfehler nie wieder gutgemacht werden kann und dass es vom guten Willen des Rates abhängt, ob das Parlament beteiligt wird. ({3}) Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht nur das Verfahren kritisieren - und da gibt es viel zu kritisieren -, sondern auch den Inhalt des Abkommens. Das SWIFTAbkommen stellt einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger dar. Das sagen nicht nur Datenschützerinnen und Datenschützer, das sagt auch die Kreditwirtschaft, das sagt der BDI, und das sagt nicht zuletzt der Landesgruppenvorsitzende der CSU im Europäischen Parlament. ({4}) Die Bundesregierung selbst führt es aus in ihrer Erklärung, warum sie dem Abkommen nicht zustimmen konnte: Wichtige Fragen des Datenschutzes - Löschung und Verwendung der Daten, gerichtlicher Rechtsschutz seien nur befriedigend geregelt; deshalb habe sie nicht zustimmen können. Wenn die Bundesregierung zu diesem Ergebnis gekommen ist, hätte sie sich niemals enthalten dürfen; denn es war völlig klar, dass sie mit ihrer Enthaltung ermöglicht, dass das SWIFT-Abkommen unterzeichnet wird und in Kraft treten kann. Wenn die Bundesregierung festgestellt hat, dass Grundrechte nicht ausreichend geschützt sind, wäre es ihre Pflicht gewesen, dieses Abkommen zu verhindern. ({5}) Ich stelle auch fest - mit Blick auf die Bundesministerin der Justiz -, dass der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien bereits wenige Tage nach seinem Inkrafttreten obsolet ist. ({6}) Im Koalitionsvertrag steht nämlich eine deutliche Passage zu SWIFT: dass ein hohes Datenschutzniveau gefordert ist. Ich habe gelesen, dass die Bundesministerin der Justiz diesem Abkommen nicht zugestimmt hätte, dass es gegen ihren Willen zustande gekommen sei. Frau Bundesministerin, ich darf Sie fragen: Wo waren Sie in dieser Debatte, wo waren Sie, als es um den Schutz der Grundrechte ging? ({7}) Wir erinnern uns noch an Ihren Rücktritt im Zuge der Debatte um den großen Lauschangriff. Wir werden das nicht vergessen. Wir hatten damals großen Respekt vor Ihnen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Jetzt haben Sie bereits, bevor Sie überhaupt angefangen haben zu regieren, eine empfindliche Niederlage erlitten. Es ist einigermaßen abenteuerlich, wenn sich die Bundesregierung an dem wichtigen Punkt „Datenschutz und Bürgerrechte“ so erbärmlich präsentiert und auch von der FDP nichts als heiße Luft kommt. ({8}) Ich komme zum Fazit: Die Bundesregierung schert sich weder um den so wichtigen Vertrag von Lissabon noch um die Grund- und Bürgerrechte. Es wurde erneut eine wichtige Chance vertan, Europa der Bevölkerung näherzubringen und eine bürgernahe Politik zu machen. Ich hoffe sehr, dass wir, wenn es um die Ratifizierung geht, hier im Bundestag zeigen, wie wichtig uns die Bürgerrechte und der Datenschutz sind. Ich hoffe natürlich auch sehr, dass das Europäische Parlament dies ebenso deutlich macht und dieses Abkommen ablehnt und der Rat sich dann daran hält. Sie als Bundesregierung fordere ich auf: Korrigieren Sie Ihren Kurs zum Wohle aller Europäerinnen und Europäer. Herzlichen Dank. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Gisela Piltz. ({0})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr von Notz, ich will Ihnen, weil das heute Ihre Jungfernrede war - herzlichen Glückwunsch auch von uns dazu -, einmal zugutehalten, dass Sie vergessen haben, was unter Rot-Grün im Bereich der Bürgerrechte alles umgefallen ist: ({0}) Luftsicherheitsgesetz, Terrorismusbekämpfungsgesetz, Sie haben das Bankgeheimnis aufgegeben und das erste Fluggastdatenabkommen verhandelt. Ihr Außenminister ist das gewesen. ({1}) Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen: „Wir haben immer alles für Bürgerrechte getan“, ist so etwas von unredlich, dass das wirklich auf keine Kuhhaut mehr geht. ({2}) Die Zustimmung des Rates der EU zum SWIFT-Abkommen stellt die FDP nicht zufrieden; das muss man ganz deutlich sagen. ({3}) Auch die Begeisterung der CSU hält sich ja tatsächlich in Grenzen; das ist hier allen bekannt. Insbesondere fehlt ein effektiver Rechtsschutz, ({4}) die Löschungsfristen sind mit fünf Jahren zu lang, ({5}) Auskunfts- und Berichtigungsrechte sind nicht vorgesehen. Das wollen wir in Zukunft ändern. ({6}) Wir teilen die Bedenken der Datenschützer und auch der deutschen Wirtschaft. - Frau Künast, Lautstärke ersetzt kein Argument. ({7}) Das wollte ich Ihnen schon immer einmal sagen. ({8}) Ein Traumstart für den Datenschutz sieht in der Tat anders aus; das wissen wir. Aus unserer Sicht ist es kein überzeugendes Argument, ein schlechtes Abkommen zu schließen, um überhaupt eines zu haben. ({9}) Gäbe es das Abkommen nicht, könnten die USA natürlich auch über Rechtshilfeersuchen Daten abfragen; ({10}) das muss man einmal ganz klar sagen. ({11}) Aus unserer Sicht bestand auch keine Eile. Man hätte sich gut und gerne die Zeit nehmen können, das Abkommen noch einmal besser nachzuverhandeln. Es tritt ja erst am 1. Februar 2010 in Kraft. ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch Sie können hier so laut brüllen, wie Sie wollen: Dieses Ei haben Sie uns ins Nest gelegt. ({13}) Sie haben das zu verantworten - nicht diese Regierung, sondern die Vorgängerregierung. ({14}) Erfunden hat das der SPD-Finanzminister Steinbrück und nicht ein Minister dieser Regierung. Sie haben zwei Jahre lang keinen Ton zu SWIFT gesagt. ({15}) Sie haben zwei Jahre lang den Mund gehalten. Sich jetzt hier so aufzublasen, ist eine Unverschämtheit für den Datenschutz; das muss hier einfach einmal gesagt werden. ({16}) Wir haben hier Ihre Erblast übernommen, und Sie haben, obwohl die schwedische Ratspräsidentschaft noch vor drei Wochen erklärt hat, es werde nicht nachverhandelt, den Mund wieder nicht aufgemacht. Wir haben mit unserer Ministerin und dem Druck aus unserer Fraktion erreicht, dass wenigstens noch nachgebessert worden ist. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. ({17}) Es ist immer noch besser gelaufen als mit Ihnen. Das muss man hier einfach einmal klar und deutlich sagen. ({18}) Es ist so: Es endet in neun Monaten. Wir erwarten von der Regierung und insbesondere von Ihnen, Herr Bundesinnenminister, dass Sie das in unserem Sinne nachverhandeln. Das ist unsere hohe Erwartung an Sie. ({19}) Wir helfen Ihnen dabei und sind, ebenso wie die CSU und, ich denke, auch die CDU, an Ihrer Seite. Das gilt auch für Ihre Fraktion im Europäischen Parlament. Eines muss man Ihnen von der SPD aber auch noch sagen: Das Europäische Parlament hat jetzt die Gelegenheit, Ja oder Nein zu sagen. ({20}) So, wie ich das gehört habe, hat Ihre SPD-Fraktion im Europäischen Parlament im Moment nicht die Traute, Nein zu sagen. Auch das ist etwas, woran sich die SPD in Sachen Datenschutz messen lassen muss. ({21}) Hier im Bundestag die Klappe aufzureißen, aber in Brüssel nicht zu springen, bringt dem Datenschutz nichts. ({22}) Wenn Sie Verantwortung übernehmen müssen, tun Sie es nicht. Aber dann hier die anderen anzugreifen, ist billig. Das hätte ich Ihnen als Opposition gar nicht zugetraut. ({23}) Der Kollege Binding hat vor zwei Jahren gesagt - ich darf das noch einmal aufgreifen -, dass Sie den Deutschen Bundestag mit einbeziehen wollten. Ich habe es nicht erlebt, dass wir als Deutscher Bundestag zum SWIFT-Abkommen gefragt worden sind. Wir werden das jetzt nachholen. Wir werden den Deutschen Bundestag mit einbeziehen. Schönen Gruß an Herrn Binding: Im Gegensatz zu Ihnen und Ihren Kollegen setzen wir das um, was wir ankündigen. ({24}) Wie schon gesagt: Ein Traumstart für den Datenschutz sieht anders aus. Aber wir haben vier Jahre Zeit, den Datenschutz in Deutschland zu verbessern. Im Sport - ich komme gerade aus dem Sportausschuss - wird beim ersten Fehlstart nicht gleich disqualifiziert, sondern verwarnt. ({25}) Danach geht es wieder an die Linie, und es wird erneut gestartet. Wir als FDP erwarten vom Bundesinnenminister, dass er jetzt beim Datenschutz aufs Tempo drückt. Das haben Sie uns persönlich versprochen, sowohl beim Arbeitnehmerdatenschutz als auch bei der Stiftung Datenschutz. Wir nehmen Sie beim Wort. Verlassen Sie sich darauf. ({26})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die Fraktion Die Linke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! US-Terrorfahnder und -Geheimdienste können weiterhin auf sensible Bank- und Kontodaten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern zugreifen. Lange Zeit taten sie dies illegal. Nun dürfen sie das legal. Das ist des Pudels Kern. Das ergibt sich aus dem SWIFT-Abkommen, das jetzt beschlossen wurde. Die Linke hat diesen geheimen Datenzugriff immer abgelehnt, und wir tun das auch weiterhin. ({0}) Nun wird behauptet, das SWIFT-Abkommen zwischen der EU und den USA sei besser als gar kein Abkommen. Außerdem habe man ein wenig mehr Datenschutz vereinbaren können. Für mich klingt das wie „ein bisschen schwanger“. „Ein bisschen schwanger“ gibt es aber nicht. Das sollte sich selbst bis ins Bundeskabinett herumgesprochen haben. Das SWIFT-Abkommen legalisiert einen massiven Einbruch in den Datenschutz. Verbriefte Bürgerrechte werden damit außer Kraft gesetzt. Ich halte das für verfassungswidrig. Verfassungsminister de Maizière hat das zugelassen und damit alle Lobreden der neuen Regierungskoalition auf Besserung beim Datenschutz getilgt. Ich finde, das ist ein böses Omen. ({1}) Außerdem wird verniedlicht, die Laufzeit des Abkommens betrage ja nur neun Monate; danach könne ein neuer Vertrag kommen. Zur Erinnerung: Das belgische Unternehmen SWIFT wickelt täglich rund 15 Millionen Finanztransfers ab. Das macht binnen neun Monaten rund 4,2 Milliarden Transaktionen. Das Wörtchen „nur“ ist daher völlig fehl am Platz. Im Vorfeld der SWIFT-Vereinbarung gab es sogar eine seltene Eintracht hier im Hause. Eine Mehrheit im Bundestag schien dagegen, ebenso im Bundesrat. Datenschützer warnten, ebenso die Wirtschaft und selbst Banken. Es zeichnete sich also eine deutliche gesellschaftliche Mehrheit gegen dieses Abkommen ab. Diese Mehrheit wurde ignoriert. Das ist Basta-Politik pur. Man braucht auch nicht zu orakeln, warum der Rat der Innenminister das SWIFT-Abkommen wenige Stunden vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages durchgezogen hat. Das EU-Parlament sollte ausgeschaltet werden. Dasselbe trifft übrigens auf den Bundestag zu. Niemand muss sich daher wundern, wenn der allgemeine Demokratieverdruss zunimmt. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger fühlen sich ohnmächtig und ausgeliefert. Das SWIFT-Abkommen sowie die Art und Weise, wie es zustande kam, nährt solche Stimmungen zusätzlich. Kurzum: Die erste greifbare Tat der neuen CDU/ CSU-FDP-Regierung führt zu weniger Datenschutz und weniger Demokratie. Das ist fürwahr bemerkenswert. Nun lese ich, dass die Justizministerin gegen das Abkommen war und es auch weiterhin kritisiert. Das nehme ich der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger sogar ab. Sie hat in den 90er-Jahren schon einmal bewiesen, dass ihr libertäre Grundsätze wichtiger sind als ein Ministerposten. Was aber ist eigentlich mit dem Vizekanzler und Bundesaußenminister? Kollege Notz, Sie haben völlig recht: Noch vor wenigen Wochen hat Guido Westerwelle als FDP-Vorsitzender verkündet: „Ich bin die Freiheitsstatue der Bundesrepublik Deutschland“. ({2}) - Ganz bestimmt. - Rund um das SWIFT-Abkommen habe ich nichts von der Freiheitsstatue gehört. Es ist übrigens ganz normal, Kollege Notz, dass wir von dieser nichts gehört haben; denn Statuen sprechen nicht. Sie fallen bestenfalls vom Sockel, und das ist offenbar erneut passiert. ({3}) Zurück zu Ihnen, Herr Minister de Maizière. Sie haben auf die deutsche Bündnispflicht gegenüber den USA verwiesen. Ich kenne allerdings kein Bündnisrecht, das unser Grundgesetz außer Kraft setzt. Wohin ein solcher Bündnisschwur führen kann, erleben wir seit Jahren in Afghanistan. Auch deshalb bleibt die Linke dabei: Das SWIFT-Abkommen ist ein Gift-Abkommen. Wir lehnen es ab. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière.

Not found (Minister:in)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen Uhl und Piltz haben schon etwas zu den Sozialdemokraten gesagt. Es tut mir ein bisschen leid, weil wir mit den Sozialdemokraten in gemeinsamer Regierungsverantwortung waren und natürlich zu all dem stehen, was da beschlossen wurde. Aber wo Frau Piltz recht hat, hat sie recht. ({0}) Es ist nicht nur der Kollege Steinbrück, der sich im Rahmen der deutschen Präsidentschaft mit einer einseitigen Zusicherung der Amerikaner zufriedengegeben hat, sondern es war auch der deutsche Außenminister, der im Sommer 2009 für den Europäischen Rat das Mandat gegeben hat, ein solches Abkommen auszuhandeln, und zwar binnen eines halben Jahres. Damals war völlig unklar, ob der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt oder nicht. ({1}) - Ganz ruhig, Herr Wiefelspütz! Ich rede über den Zeitplan. - Wir in der damaligen Koalition, Herr Steinbrück, Herr Steinmeier und ich, tragen auch Verantwortung für diesen Zeitplan. Deswegen finde ich das, was die Sozialdemokraten hier machen, geradezu aberwitzig, weil sie so tun, als ob sie bis vor wenigen Wochen nicht in der Regierung gewesen wären. ({2}) Das Abkommen hält sich im Übrigen im Rahmen dieses Mandats, das wir in der Regierung gemeinsam abgesprochen hatten, und führt sogar zu weiteren Verbesserungen. Frau Pau, Ihre ganze Argumentation beruht auf der Behauptung, es gebe weiterhin Zugriff. Das trifft nicht zu. Dieses Abkommen sichert gerade im Verhältnis zum jetzigen Zustand, dass es keinen Zugriff mehr gibt. Zugriff gab es in den USA, wo der Server steht. Nun gibt es keinen Zugriff mehr, sondern ein Ersuchen bei einem nationalen Mitgliedstaat, Daten zu bekommen. Es ist etwas ganz anderes, ob man zugreifen kann oder ob man fragt, ob man Informationen bekommt. ({3}) Anders als jetzt gibt es eine enge Zweckbindung. Es gibt zudem keine Rasterfahndung. Die Löschungsfristen von fünf Jahren sind lang; das hat Frau LeutheusserSchnarrenberger kritisiert. Das ist wahr. Aber ich will schüchtern daran erinnern, dass für unsere Banken intern ebenfalls Löschungsfristen von fünf Jahren gelten. Im deutschen Geldwäschegesetz steht, dass die Banken eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren einzuhalten haben. Ganz abwegig ist also eine Löschungsfrist von fünf Jahren nicht. Bevor man andere Staaten kritisiert, sollte man bei sich selber anfangen. ({4}) Wir haben nun gerichtlichen Rechtsschutz, was es bisher überhaupt nicht gab. Es gibt keinen Rechtsschutz in Amerika. Das ist wahr und nicht zufriedenstellend. Aber es gibt zum ersten Mal gerichtlichen Rechtsschutz über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg; das ist gut. Zudem gibt es eine Überprüfung nach sechs Monaten. ({5}) - Darf ich vielleicht einmal ausreden? Ich kann auch einfach weiterreden, und Sie quatschen weiter dazwischen. Es gibt also eine Überprüfung nach einem halben Jahr. Zum ersten Mal haben wir - unter Beteiligung europäischer Datenschutzbeauftragter - die Möglichkeit, in den Vereinigten Staaten zu überprüfen, ob dieses Abkommen eingehalten wird oder nicht. Das ist nach unserer Meinung nicht gut genug, aber das hat es noch nie gegeben und ist deswegen prinzipiell gut. Wir haben darüber hinaus noch weitere Verbesserungen erreicht, auch nach der Koalitionsvereinbarung. Das betrifft insbesondere den Punkt, dass sämtliche Zahlungsverkehre im Euroraum nicht Gegenstand dieses Abkommens sind. Das sind nun einmal die allermeisten, ({6}) die die europäischen Bürger betreffen. Wir haben die Frist auf neun Monate verkürzt. Darüber ist schon geredet worden. Jetzt will ich noch etwas zum Parlament sagen. Das Europäische Parlament kann sich selber wehren, aber ich will es noch einmal sagen. Erstens haben wir, die alte Regierung, und der Europäische Rat das Mandat für ein halbes Jahr ausgehandelt, als noch völlig unklar war, wann der Lissabonner Vertrag gilt. Zweitens habe ich selbst nach dem Brief des schwedischen Ministerpräsidenten an den polnischen Parlamentspräsidenten über die Frage der Konsultation im Europäischen Rat gefragt: Was heißt das denn jetzt, wenn der schwedische Ministerpräsident sagt, das Parlament werde konsultiert? Dann hat der Juristische Dienst des Europäischen Rats mitgeteilt, dass das nach Auffassung des Rats bedeutet, dass das Europäische Parlament von sich aus, also ohne dass das Europäische Parlament nachfragt, konsultiert wird und das Europäische Parlament dann nach Art. 218 Abs. 6 des Lissabon-Vertrages die Möglichkeit hat, Ja oder Nein zu sagen. Ich bin mit Frau Piltz ganz gespannt, wie die sozialistische Fraktion dann entscheidet. ({7}) Das ist ein neuer Fortschritt, den wir herbeigeführt haben, ({8}) und das ist eine Reaktion auf die Kritik gewesen. Wenn man das alles in allem bewertet, so muss ich sagen, Frau Pau: Es gibt keine Bündnispflicht, es gibt aber Bündnistreue. Deswegen sage ich Ihnen, dass nach unserer Auffassung die Zusammenarbeit mit den USA in allen Fragen der Terrorbekämpfung für Deutschland und die Europäische Union zur Aufrechterhaltung unserer öffentlichen Sicherheit essenziell ist ({9}) und deswegen einen hohen politischen Wert hat. Das war der erste Grund, warum ich im Ergebnis das Abkommen habe passieren lassen. Das ist aber nicht der einzige Grund gewesen. Der zweite Grund ist: Nach meiner Auffassung ist dieses Abkommen nicht vollständig befriedigend, aber es erhöht den Datenschutz erstens gegenüber der bisherigen faktischen Lage. Damit, mit Verlaub, ein Wort an die Grünen, obwohl es schon länger her ist, dass Sie regiert haben: Ich habe von Ihnen nie etwas darüber gehört, dass es einen Zugriff auf Daten in den Vereinigten Staaten von Amerika gab. Zweitens erhöht es den Datenschutz gegenüber der zukünftigen rechtlichen Lage, weil ab 1. Februar 2010 nur das allgemeine EU-Rechtshilfeabkommen gelten würde, und dieses Abkommen schränkt dieses Rechtshilfeabkommen zugunsten des Datenschutzes ein. Für die Bürger der EU ändert sich an dem Datenschutzniveau durch dieses Abkommen nichts, aber wir erhöhen den Datenschutz für das, was in Amerika passiert. Das, glaube ich, kann sich insgesamt sehen lassen. ({10}) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des InnernBundesminister Dr. Thomas de Maizière Regierungspolitik - Oppositionspolitik ist etwas anderes - hat mit Verhandeln, Abwägen und Entscheiden zu tun. Oppositionspolitik hat etwas damit zu tun, dass man gegen eine Wand läuft und so tut, als gäbe es das nicht. ({11}) - Frau Künast, ich habe durch meine Enthaltung natürlich eine Entscheidung mit herbeigeführt. Da rede ich gar nicht drumherum. Normalerweise wirkt eine Enthaltung so, als ob man keine Entscheidung trifft. Mir war klar, dass diese Enthaltung deutlich macht, dass wir das nicht gut genug finden, aber ein solches Abkommen passieren lassen können. Nun will ich, Frau Piltz, gern hier öffentlich sagen, dass ich - auch gemeinsam mit der FDP und diesem Parlament - alles tun will, um das Datenschutzniveau und auch den Datenschutz allgemein, wie ich an anderer Stelle deutlich gemacht habe, zu verbessern. Ich will nur sagen: Das geht ab jetzt mit qualifizierter Mehrheit. Ich habe mich im Europäischen Rat umgeschaut. Wir hätten keine qualifizierte Mehrheit gegen dieses Abkommen zustande bekommen. ({12}) Das ist jetzt keine Kritik am Lissabon-Vertrag. Wir haben sogar wegen des Einstimmigkeitsprinzips mehr erreicht, als wir vielleicht mit qualifizierter Mehrheit hätten erreichen können. ({13}) Ich sage das nicht, weil wir uns nicht alle Mühe geben wollen. Nur, ob mit der Regelung des Lissabon-Vertrags die selbstbewusste Wahrnehmung deutscher Interessen in der Innen- und Rechtspolitik immer leichter ist als mit dem Einstimmigkeitsprinzip, werden wir noch sehen. ({14}) Darüber werden wir hier noch engagierte Debatten führen. Wir werden noch oft die Unterstützung der Sozialdemokraten und der Grünen im Europäischen Parlament und hier brauchen. Ich hoffe, wir bekommen sie dann auch, wenn wir jetzt so verhandeln, dass es ab 1. Januar 2011 ein Abkommen gibt, das uns alle zufriedenstellt und das Datenschutzniveau noch weiter erhöht. Herzlichen Dank. ({15})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Gerold Reichenbach für die SPD-Fraktion.

Gerold Reichenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003615, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zunächst einmal muss man eines klarstellen: Es geht nicht um das, was in der Vergangenheit passiert ist. Der betreffende Server im Jahr 2007 stand in den USA und befand sich damit im Rechtsraum der Vereinigten Staaten. Einer der Gründe, warum Wirtschaft, Banken und auch die europäischen Länder darauf gedrängt haben, dass er physisch in den europäischen Bereich kommt - nach Belgien und in die Schweiz -, war, dass wir dann die Möglichkeit haben, auf diesen Server zuzugreifen, die Rahmenbedingungen festzulegen und zu bestimmen, welche Daten dort gespeichert werden. Jetzt haben wir eine andere Situation. All das, was Sie beschrieben haben - auch in Ihrer Begründung zum Beschluss -, alles, was die Kollegin Piltz von der FDP eben vorgetragen hat, macht doch deutlich, dass der Zweck, den Datenschutz gegenüber dem, was vorher in den USA passiert ist, zu erhöhen, nicht erreicht wird, weil man das Tor wieder aufgemacht hat. ({0}) Frau Piltz, ich darf Sie selbst zitieren. Sie haben eben gesagt: Wo Sie die Möglichkeiten haben, tun Sie nichts; aber hier die anderen angreifen, das ist billig. Genau das war Ihre Strategie. ({1}) Wir haben in diesem Hause erlebt, dass die FDP in der Debatte über die Regierungserklärung nach dem Prinzip vorgegangen ist: Früher gab es keinen Datenschutz, und wir werden in der Regierung jetzt einmal zeigen, wie Datenschutz aussieht. Sie sind dazu mit einer profilierten Ministerin angetreten. Sie, Frau Piltz, haben hier, auch unter Beschimpfung der Vorgängerregierung, große Sprüche gemacht. Wenn ich mir jetzt anschaue, was übrig geblieben ist, Frau Ministerin, dann fühle ich mich an Heinrich Hoffmann erinnert: „… und die Mutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum“, aber sonst an nichts. ({2}) Sie treten in einer Koalition an und wollen den Datenschutz profiliert vorantreiben. Angesichts dessen erwarte ich, Frau Ministerin, dass Sie dazu nicht nur unverbindlich in der Presse, sondern auch hier im Parlament Stellung nehmen und deutlich machen, wo die Differenzen zwischen Ihnen und dem Innenminister liegen. ({3}) Ich frage mich: Wurde es im Bundeskabinett thematisiert, und wie war die Position der liberalen Minister dazu? Eines ist doch völlig klar - Sie haben es eben deutlich gemacht -: Natürlich bedeutete diese Enthaltung faktisch - das wusste jeder, der dementsprechend handelte die Ermöglichung, dass dieses Abkommen zustande kommt, Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des InnernBundesminister Dr. Thomas de Maizière ({4}) und deswegen soll man sich dabei nicht herumdrücken. Im Vorfeld habe ich vonseiten der FDP großsprecherische Aussagen gehört: Das ist die Koalitionsfrage; das wird mit uns nicht zu machen sein. Schauen Sie sich die heutigen Kommentierungen aus der Wirtschaft, aber auch der eigenen Parteifreunde in den Medien an! Im Internet habe ich folgende Aussage Alvaros gefunden: Ich stelle mir die Frage, ob de Maizières Alleingang im Rat den Gepflogenheiten demokratischer Traditionen noch entspricht. ({5}) Das sagt Ihr eigener Parteikollege im Europaparlament, und dennoch tragen Sie das hier im Parlament mit. ({6}) Ich könnte noch eins draufsetzen, Herr Uhl. Ihr Kollege Elmar Brok sagte vorgestern Abend auf Phoenix wortwörtlich - ich bitte, zitieren zu dürfen, ohne mir eine Ermahnung einzufangen -: „Das ist eine ausgemachte Sauerei.“ ({7}) Dann wird auch deutlich, dass man an dieser Stelle, vielleicht weil man aus irgendwelchen Gründen glaubte, gegenüber den Vereinigten Staaten Bündnistreue leisten zu müssen, vorschnell eingeknickt ist. Ich kann nur in Richtung FDP sagen: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode nicht nur erlebt, wie in Rekordzeit ein Minister ausgewechselt wurde, sondern, Frau Piltz und liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir haben hier auch erlebt, wie in Rekordzeit aus einem Datenschutztiger ein Bettvorleger geworden ist. ({8}) Ich frage mich hier schon, wo der liberale Lautsprecher, der heute Vizekanzler ist, geblieben ist. Das Handelsblatt schreibt dazu: „Umso mehr war der Außenminister gefragt.“ Wenn es stimmt, dass auch Druck seitens der Amerikaner dahintersteht - der Innenminister hat es ja indirekt bestätigt, indem er sagte, wir sind in der Bündnispflicht -, dann ist der Kommentierung des Handelsblattes, das ja nun wirklich kein sozialdemokratisches Kampfblatt ist, ({9}) zuzustimmen: Dann hätte er nicht nur als liberaler Politiker, sondern auch als Staatsmann versagt. Dem ist nichts hinzuzufügen. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Christian Ahrendt das Wort. ({0})

Christian Ahrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003729, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Stärke unserer Fraktion ist, dass wir hier eingestehen, dass wir von dem SWIFT-Abkommen, das am Montag in Brüssel auf den Weg gebracht worden ist, enttäuscht sind. ({0}) - Doch. Ihr Problem ist - das hat man ja vorhin an der Rede von Herrn Reichenbach gemerkt -: Sie befinden sich sozusagen im Zustand einer stärker werdenden Amnesie. Das ist die Diagnose. ({1}) Das können Sie auch bei den Grünen beobachten. Die sind immer noch im Zustand der Amnesie. Deswegen schicken sie in dieser Debatte auch einen jüngeren Redner nach vorne. ({2}) - Eben, Frau Künast, das ist ja das Kernproblem: Brüllen ersetzt keine Argumente. ({3}) Gleichwohl wird man zwei Dinge auch in Richtung des Bundesinnenministers kritisieren müssen. ({4}) Das Erste ist, dass man zu früh darüber gesprochen hat, man werde sich möglicherweise enthalten. Wir alle wissen, wie Verhandlungen in Brüssel laufen. Solche Verhandlungen werden oftmals in Nachtsitzungen zu anderen Ergebnissen geführt, als man sie vorher erwartet hat. Wenn man deutlich mit einem Nein gedroht hätte, wäre in diesem Abkommen nach meiner Meinung auch mehr Datenschutz erreichbar gewesen, als erreicht worden ist. Dass überhaupt etwas erreicht worden ist, verdanken wir unserer Bundesjustizministerin, die in der vergangenen Woche klar Wort für mehr Datenschutz in diesem Abkommen geführt hat, und der FDP-Fraktion, die das auch klar gesagt hat. Das ist unser Erfolg. Das kann an dieser Stelle auch mit Recht gesagt werden. ({5}) Ich teile auch nicht das Argument, dass ein schlechtes Abkommen besser sei als gar kein Abkommen. AbkomChristian Ahrendt men, die man schließt, haben immer Folgewirkungen, weil man mit demjenigen, der mit dem Abkommen für sich eine positive Grundlage erreicht hat, dann erst erneut verhandeln muss, dass er diese wenigstens zum Teil wieder aufgibt. Deswegen haben Sie mit Ihrer Entscheidung in Brüssel auch eine Bringschuld übernommen: Sie stehen in der Pflicht, in den künftigen Verhandlungen, die es nach Ablauf der Frist für SWIFT geben wird, für mehr Datenschutz, nämlich Datenschutz auf dem Niveau, das wir hier in Deutschland haben, in diesem Abkommen zu sorgen. Das ist die Bringschuld, die Sie gegenüber der FDP-Fraktion, aber auch gegenüber diesem Haus, dem Datenschutz und den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland haben. ({6}) Ein zweiter Aspekt, über den man, wie ich glaube, nicht so leicht hinweggehen kann - er ist hier allgemein kritisiert worden -, ist der Umstand, dass man dieses Abkommen tatsächlich wenige Stunden bevor der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist verabschiedet hat. Es wäre gut gewesen, wenn sich der Ministerrat hier zurückgenommen hätte. Es wäre gut gewesen, wenn man das Europäische Parlament entsprechend in die Debatte eingebunden hätte. ({7}) Datenschutz berührt Grundrechte. Das Europäische Parlament hat eine hohe Legitimation. Es ist in freien und gleichen Wahlen gewählt worden, und es ist damit auch Quelle der Legitimation für Entscheidungen, die in Grundrechte eingreifen. Das hätte man bedenken müssen. Wenn Sie diesen Gedanken ins Feld geführt hätten, dann hätten Sie auch ein Nein zu dem SWIFT-Abkommen sehr gut begründen können, ein Nein, das Ihnen auch als Verfassungsminister gut zu Gesicht gestanden hätte. Ich sage das noch einmal: Wir sind von dem Abkommen enttäuscht. Es wird jetzt darauf ankommen, mit dem Europäischen Parlament bessere Ergebnisse zu erreichen. Dazu kann die Fraktion der SPD mit ihren Kollegen im Europaparlament einen Beitrag leisten. Ich gehe einmal davon aus, dass sich Frau Lambrecht und Herr Reichenbach persönlich dafür einsetzen werden, dass ihre Abgeordneten im Europaparlament gegen SWIFT stimmen werden - das ist eine Möglichkeit, die unsere Verhandlungen und unser Druck mit Blick auf dieses Abkommen eröffnet haben -, und dann wollen wir einmal sehen, wie Sie sich an dieser Stelle positionieren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Josef Philip Winkler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der 30. November 2009 geht als schwarzer Tag für die Bürgerrechte und die parlamentarische Demokratie in die Geschichte der Europäischen Union ein. Schuld daran sind zwei Fraktionen in diesem Hohen Hause, die die Regierung tragen, nämlich die FDP- und die CDU/CSU-Fraktion. Das muss ich nach dieser Debatte noch einmal deutlich betonen. ({0}) Herr Kollege Ahrendt, wenn Sie sich hier schon als parlamentarischer Hilfsdiagnostiker betätigen und bei einzelnen Fraktionen des Hauses Amnesie diagnostizieren, muss ich Ihnen sagen: Was Sie hier gezeigt haben, war mindestens ein Fall von politischer Schizophrenie, aber im schwersten Stadium. ({1}) Unter Ausschluss jeglicher parlamentarischer Mitbestimmung wurde durch die Enthaltung von dem Herrn Bundesinnenminister ein Datenschutz-Dumping eingeleitet, das nur noch schwer aufzuhalten ist. Mit dieser Entscheidung wurde den USA ein Blankoscheck ausgestellt, mit dem unser Grundrechtsschutz zur leeren Hülle zu werden droht. Dabei hilft es überhaupt nicht, Herr Minister, dass Sie sagen, es sei nur ein Interimsabkommen. Fakt ist doch: Der SWIFT-Server war in den USA gewesen, und dieses Unternehmen hat gesagt: Wir wollen dem Zugriff durch die amerikanischen Behörden nicht ausgeliefert sein. Deswegen wollen wir nach Belgien gehen. - Und wie reagieren Sie darauf? Sie handeln - und wollen uns das allen Ernstes als Verbesserung des Datenschutzes verkaufen - ein Abkommen mit den USA aus, das unsere Standards unterläuft. ({2}) Sie können als Innenminister nicht ernsthaft erwarten, dass wir das als Begründung akzeptieren. ({3}) Herr Kollege Uhl, es ist doch eindeutig, dass es die Entscheidungsmöglichkeiten des Europaparlamentes einschränkt, wenn Sie jetzt in Verhandlungen mit der amerikanischen Seite einsteigen und Verbesserungen und Veränderungen an Stellen durchsetzen wollen, die Sie nicht für richtig halten, die wenige Monate zuvor im Europäischen Rat noch eine Mehrheit gefunden haben. Das können Sie doch nicht allen Ernstes als Verbesserung der Möglichkeiten der parlamentarischen Begleitung durch das Europaparlament verkaufen, wie Sie das vorhin hier gemacht haben. Erkundigen Sie sich einmal bei Ihren Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament; ({4}) die werden sich für diese Art der Interpretation herzlich bedanken! Es handelt sich um einen würdelosen Vorgang. Es ist quasi eine Beleidigung des europäischen Parlamentarismus, diese Entscheidung einen Tag - genauer gesagt fünf Stunden - vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages herbeizuführen. ({5}) Das war Ihre erklärte Absicht und die erklärte Absicht der Bundesregierung und des Europäischen Rates, egal was Sie hier vorgetragen haben. Sie wollten es entschieden haben, damit die Mitglieder des Europäischen Parlaments ihre angemessene Kritik nicht in einer rechtlich bindenden Form einbringen können. Das finde ich schäbig. ({6}) Nun zur FDP-Fraktion. Frau Piltz hat hier kraftvoll vorgetragen. Hätten Sie nur so kraftvoll in Bezug auf Ihre Ministerin oder in Richtung des Innenministers vorgetragen! ({7}) Dann hätten wir - ebenso wie die Bürgerrechte in Deutschland und in Europa - alle mehr davon, als wenn Sie jetzt kraftvolle Zwischenrufe machen und kraftvolle Reden halten. Reden Sie doch einfach einmal mit Ihrem Koalitionspartner über solche Themen! ({8}) Haben Sie denn keine Koalitionsrunde? Wofür gibt es das denn? Ich nehme es Ihnen schlicht und ergreifend nicht ab, dass dieses Thema ein Kernthema Ihrer Politik ist; denn Sie haben selber bewiesen - der Innenminister hat sich nämlich enthalten -, dass Ihnen das wurscht ist. ({9}) Frau Justizministerin, Sie und Ihre gesamte Partei haben Ihren Wählerinnen und Wählern eine Renaissance der Bürgerrechte versprochen. Das ist aber keine Renaissance, das ist allenfalls - wenn man es gut meint - Biedermeier: Rückzug ins Private vor dem bösen Koalitionspartner im Staate. ({10}) - Frau Präsidentin, das ist ein Fall für Sie. Wenn Herr Grindel von Brandstifter spricht, dann hat man das Gefühl, er habe zu oft in den Spiegel geschaut. Aber egal. ({11}) Es hilft den Bürgerrechten nichts, wenn sie in Sonntagsreden auf Parteitagen der FDP und in der FDP-Fraktion verteidigt werden, von der Bundesregierung aber entsprechende Maßnahmen nicht ergriffen werden, um für ein Abstimmungsverhalten zu sorgen, das der Meinung der FDP wenigstens ansatzweise entspricht. Sie haben sich nicht durchgesetzt. Sie sollten in Zukunft vielleicht etwas kleinlauter argumentieren. ({12}) Sie sind mit Sicherheit nicht die Anwälte und Anwältinnen der Bürgerrechte. Wer solch einen Anwalt hat, dem kann man wirklich nur raten, den Anwalt zu wechseln. Herzlichen Dank. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion.

Armin Schuster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition diskutiert in diesem Zusammenhang seit einer Stunde in erster Linie Verfahrens- und Datenschutzfragen. ({0}) Ich möchte Ihre geschätzte Aufmerksamkeit gerne auf einen entscheidenden Aspekt lenken, der mir sehr wichtig ist, nämlich die Frage: Was kommt eigentlich innenpolitisch hinten heraus, wenn man das Abkommen umsetzt? Erstens. Wir erhalten - dieser Punkt kommt mir in dieser Debatte zu kurz - wertvolle Anhaltspunkte zur internationalen Terrorismusfinanzierung, zu Zielpersonen in Deutschland, zu Strukturen und Hintermännern, worauf man auf gar keinen Fall verzichten kann. Das ist auch keine blanke Theorie. Wir haben in den vergangenen Jahren Meldungen über circa 100 relevante Treffer der Amerikaner erhalten, die für uns in diesem entscheidenden kriminalpolizeilichen Feld sehr wichtig sind. ({1}) Zweitens. Ich bleibe dabei, egal was die Damen und Herren der Opposition sagen: Wir erhalten mit diesem Abkommen ein verbindliches Datenschutzniveau, ({2}) das im Zusammenhang mit SWIFT-Datenauswertungen seit acht Jahren in Deutschland so noch nie bestanden hat. Das ist ein Erfolg. ({3}) Armin Schuster ({4}) Der Zweck des Abkommens besteht darin, die finanziellen Beatmungssysteme des internationalen Terrorismus zu identifizieren und auf diese Weise Kenntnis von Verdachtsfällen zu bekommen und Fahndungshinweise zu erhalten. Das hat sich seit Jahren in der Praxis bewährt, war aber datenschutzrechtlich nach deutschen Maßstäben kaum bis gar nicht geregelt. Das heute diskutierte Abkommen legt jetzt endlich verbindliche juristische Standards für diese Praxis fest. Von 2001 bis 2004 gab es eine amerikanische Selbstbedienung. Das hat hier keinen Menschen gestört. ({5}) Ich muss Sie nicht daran erinnern, wer zu dieser Zeit regiert hat. Seit 2007 arbeiten wir datenschutzrechtlich mit einer von Herrn Steinbrück akzeptierten einseitigen, vorläufigen Zusicherung der USA - eine tolle Konstruktion -, datenschutzrechtliche Mindeststandards gegebenenfalls einzuhalten. Da waren wir, gemessen an der Entrüstung, die bei Ihnen jetzt ausbricht und die ich überhaupt nicht verstehe, verdammt großzügig. ({6}) - Herzlichen Dank für die Information. Aber ich recherchiere auch sehr gut. ({7}) Meine Damen und Herren, wir beenden diesen Zustand. Wir haben wesentliche Forderungen des Bundesrates in das Abkommen übernommen. Beispielsweise sind Missbrauchsvorkehrungen verankert. Der Zugriff der US-Fahnder ist nur bei konkretem Terrorverdacht gestattet. ({8}) Dies prüft die belgische Behörde, bei der um eine Datenübermittlung ersucht werden muss, bevor man an die Daten herankommt. Zudem sind Echtzeitprüfungen im Rahmen von SWIFT vorgesehen. Dies alles sind recht große Hürden. Jetzt kommt das Entscheidende: Außer Griechenland, Ungarn und Österreich hätte kein anderer europäischer Partner bei solchen Hürden mitgemacht. Wir haben geradezu Glück, dass wir mit dieser Enthaltung das Ganze durchbekommen haben; wenn es hier um eine Mehrheitsentscheidung gegangen wäre, hätten wir es auf diesem Niveau nie durchbekommen, obwohl der französische Richter bei internationalen Prüfungen feststellt: Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen; dieses System wird von den Amerikanern sicher angewandt. Das haben wir erreicht! Für mich ist das ein klarer Verhandlungserfolg. Ich betone: Wir sind auf dem Weg zu den hohen deutschen Datenschutzstandards, von denen wir einige Europäer noch überzeugen müssen. Ich wiederhole: Wir sind auf dem Weg und noch nicht am Ziel. ({9}) Der Weg dorthin beginnt mit ersten Schritten. Folgendes unterscheidet uns in allen Politikfeldern: Wir wissen, was wir wollen, und Sie wissen, was Sie nicht wollen. ({10}) Deswegen ergreifen wir Maßnahmen und gehen die ersten Schritte. So erreichen wir auch unsere Ziele. ({11}) Wir wollen die Strukturen weltweit agierender Terrororganisationen identifizieren. Dafür sind internationale Finanzermittlungen unverzichtbar. Deshalb war die Enthaltung Deutschlands in Brüssel für mich in dreifacher Hinsicht goldrichtig: Erstens. Wir haben weiterhin klare Verhältnisse in der Terrorismusbekämpfung und bleiben ein zuverlässiger Partner im transatlantischen Bündnis. Zweitens. Wir haben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen in Deutschland deutlich mehr Geltung verschafft, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Drittens. Wir haben in der Europäischen Union und gegenüber den USA ein klares Ausrufungszeichen gesetzt, dass wir die kommenden Monate nutzen werden, um im endgültigen Abkommen deutsche Datenschutzstandards noch stärker zu betonen. ({12}) Diese Lösung ist verantwortungsvoll, europäisch und praktikabel. Das ist Politik für die Wirklichkeit. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Schuster, dies war Ihre erste Rede in diesem Haus. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich dazu und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit eine glückliche Hand, viel Freude und Erfolg. ({0}) Nun hat das Wort die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion. ({1})

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf meinem Vorredner zu seiner ersten Rede hier im Parlament gratulieren. Ich kann ihm aber nicht zu dem Inhalt gratulieren, den er hier vorgetragen hat. Herr Schuster, Sie haben gesagt, es seien die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass Daten nur dann übermittelt werden, wenn ganz konkrete Verdachtsgründe benannt worden seien. Dazu kann ich nur sagen: Sie hätten sich, insbesondere in Vorbereitung für Ihre allererste Rede hier im Parlament, die Mühe machen sollen zu recherchieren, und hätten vielleicht, wie dies zumindest bei Juristen üblich ist, einen Blick in das Gesetz werfen sollen. An dieser Stelle würde ich Ihnen raten, Art. 5 Abs. 2 des Abkommens nachzulesen. Dort steht nämlich, dass auf der Grundlage bereits vorliegender Informationen oder Beweisinformationen, die die Annahme stützen, dass der Gegenstand der Abfrage einen Bezug zu Terrorismus oder Terrorismusfinanzierung hat, eine Datenübermittlung möglich ist. Mit Verlaub, mit konkreten Verdachtsmomenten hat es nun wirklich nichts zu tun, wenn ich das alles auf die Annahme stütze. ({0}) Ich würde also ausgerechnet in der ersten Rede nicht einen solchen Quatsch erzählen. Zu den Beiträgen der Redner aus der neuen Koalition muss ich sagen: Man hat nicht gemerkt, dass die FDP mittlerweile in der Regierungsverantwortung ist. Frau Piltz hat im üblichen Reflex SPD und Grüne beschimpft ({1}) und Behauptungen aufgestellt. Herr Ahrendt hat sich dann darauf eingeschossen, den CDU-Minister zu kritisieren und ihm zu erklären, was alles falsch gelaufen ist. Vielleicht haben Sie es noch nicht gemerkt: Sie sind mit in der Regierungsverantwortung und müssen dann auch dafür stehen. ({2}) - Wir waren es; aber Sie sind es jetzt. Deswegen müssen Sie sich das, was Sie einmal ausgesagt haben, anrechnen lassen. Sie hätten ansonsten nicht in Ihrem Koalitionsvertrag festschreiben dürfen, dass Sie beim SWIFT-Abkommen ein hohes Datenschutzniveau, also strikte Zweckbindung und Löschen der Daten, wollen. ({3}) - Sie wollen das erreichen. Wir reden über Sie, nicht über uns. Sie sind an der Regierung, wir leider nicht; da haben Sie recht. Es ist schade, dass wir nicht in der Verantwortung stehen, aber das ist nun einmal so. ({4}) Es bringt uns nicht weiter, dass Sie im Koalitionsvertrag festschreiben, sich für einen „effektiven Rechtsschutz“ und „klare Regelungen bezüglich Weitergabe“ der Daten an Drittstaaten einzusetzen, wenn am Ende überhaupt nichts dabei herauskommt. ({5}) Wer am 27. September die FDP gewählt hat, weil er allen Ernstes geglaubt hat, sie stehe für das, was sie verspricht, nämlich für Bürger- und Freiheitsrechte sowie Datenschutz, kann heute die Augen schließen. Das, was er dann sieht, das hat er bekommen, nämlich nichts. Schauen Sie sich einmal an, was Sie hier erreicht haben! ({6}) - Sie haben mehr erreicht als wir; denn wir sind nicht in der Regierung, da haben Sie völlig recht. So langsam hat man den Eindruck, Sie hätten schon die Nase voll davon, in der Verantwortung zu stehen. Es wird aber wahrscheinlich noch eine Weile so weitergehen, dass Sie sich anhören müssen, wo Ihre Fehler liegen. Herr Ahrendt, Sie haben diese Aufgabe selbst übernommen: Sie übernehmen die Aufgabe der Opposition, indem sie uns erklären, was Herr de Maizière bei den Verhandlungen alles falsch gemacht hat. Da kann ich nur sagen: Schade, dass Sie das nur hier erklären; die zuständige Ministerin hätte es im Kabinett deutlich erklären und dafür sorgen müssen, dass es zu entsprechenden Konsequenzen kommt. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, in der ersten Debatte, die wir hier geführt haben, sind Sie aus den Reihen der Opposition auf SWIFT angesprochen worden. Sie haben dann gesagt: „Warten Sie einmal ab …!“ Alles, was wichtig sei, komme noch in das Abkommen hinein. - Sie können das im Plenarprotokoll nachlesen. Heute muss ich sagen: Sie haben nichts erreicht. Damals haben Sie also nur Nebelkerzen geworfen und den Eindruck erweckt, Sie seien eine tatkräftige Ministerin, die jetzt hier eingreife. Was passiert heute? Nachdem Sie nichts erreicht haben, versprechen Sie uns, bei der nächsten Runde werde alles besser und Sie würden dafür sorgen, dass der Datenschutz eingehalten wird. Ich muss Ihnen sagen: Die Vorschusslorbeeren sind zu Unrecht an Sie gegangen. Mittlerweile haben Sie Ihre Position, für die Sie gewählt wurden und wegen der Sie persönlich ein hohes Ansehen hatten, über Bord geworfen. Es geht nur noch darum, zusammenzubleiben und keinen weiteren Krach in der Koalition hervorzurufen. Nach den Vorgängen der letzten Woche ist es kein Wunder, dass man auf Gedeih und Verderb versucht, zusammenzuhalten. Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Das ist ein Affront gegen alle Menschen, die sich darauf verlassen haben, dass Sie sich für Datenschutz einsetzen. Es ist ein Affront gegen das Europäische Parlament. Das ist wirklich eine Unverschämtheit und eine schwarze Stunde für Freiheitsrechte, Bürgerrechte und den Datenschutz. Vielen Dank. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Manfred Kolbe für die CDU/CSU-Fraktion.

Manfred Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001172, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vertreter der Arbeitsgruppe Finanzen meiner Fraktion interessieren sich in dieser Debatte insbesondere für folgende Aspekte: Wie sehen die Finanzwirtschaft und die Banken, aber auch die übrige Wirtschaft das SWIFTAbkommen? Man muss zugeben, dass sich ihre Vertreter eindeutig geäußert haben. Ich zitiere den Zentralen Kreditausschuss, der am Montag mitteilte: Wir bedauern die heute in Brüssel übereilt getroffene Entscheidung über die Weitergabe von Bankkundendaten an die USA. Die datenschutzrechtlichen Bedenken sind damit nicht gelöst. Die USA können damit weiter auf Bankdaten europäischer Bürger zugreifen. Das EU-Parlament hätte in die Entscheidung einbezogen werden müssen. Wir setzen uns dafür ein, dass das Übergangsabkommen nach den neun Monaten wieder aufgeschnürt und neu verhandelt wird. ({0}) Auch die deutsche Wirtschaft hat ihre Befürchtungen. Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer des BDI, Werner Schnappauf: Wir warnen vor der Gefahr, dass Unternehmen ausspioniert werden. … Aus dem Zahlungsverkehr von Unternehmen lassen sich Rückschlüsse auf Märkte, Vertragspartner und Geschäftsvolumina ziehen. Man muss klar sagen: Diese Bedenken der Banken und der Wirtschaft müssen wir ernst nehmen. ({1}) Wahr ist aber auch - das haben schon einige Vorredner gesagt -: Erstens. Dieses SWIFT-Abkommen ist besser als kein Abkommen. Das sieht auch die Kreditwirtschaft so. ({2}) Seit 2001 haben die amerikanischen Behörden Kontodaten europäischer Bürger abgerufen, ohne dass hierzulande irgendeine staatliche Stelle Einfluss auf den Umgang mit diesen Daten hatte. Meine Damen und Herren von den Grünen, 2001 waren Sie an der Regierung. Auch wenn der Server damals in den USA stand, hätten Sie das innerhalb Ihrer Regierung thematisieren können. Das haben Sie nicht getan. Wir thematisieren das heute. ({3}) Zweitens. Es ist gemeinsames Anliegen Europas und der USA, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Das Abkommen enthält deshalb erstmals eine umfassende Zweckbindung an die Terrorismusbekämpfung und effektive Missbrauchsvorkehrungen, und das ist richtig so. Künftig wird deshalb die Datennutzung an enge Tatbestandsvoraussetzungen gebunden. Abfragen aus der Datenbank des US-Finanzministeriums sind nur noch zu Personen zulässig, die aufgrund vorliegender Informationen im Verdacht auf Verbindung mit dem Terrorismus stehen. Weitergehendes, etwa eine Rasterauswertung, ist unzulässig. ({4}) - Das ist auch ein Erfolg des Interimsabkommens. Drittens. Es handelt sich um ein Interimsabkommen für neun Monate. Diese neun Monate müssen wir nutzen, um ein besseres Abkommen auszuhandeln. Dafür gelten dreierlei Aspekte. Erster Aspekt. Sicherheit und Freiheit gehören in einer offenen Gesellschaft untrennbar zusammen. Deshalb stehen bei der Aufdeckung und Verfolgung der Finanzierung terroristischer Straftaten die Bürgerrechte nicht zur Disposition. Zweiter Aspekt. Das gilt auch für den Schutz sensibler Bankdaten. Vertrauliche Finanztransaktionen bilden die Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung. Es muss sichergestellt sein, dass die Gefahr von Wirtschafts- und Industriespionage ausgeschlossen wird. ({5}) Dritter Aspekt. Wir brauchen eine substanzielle Beteiligung des Europäischen Parlaments und der nationalen Gesetzgebungsorgane sowie ein transparentes Verfahren, in dem all diese Punkte erörtert werden. ({6}) In diesem Sinne werden wir uns sowohl in der Arbeitsgruppe Finanzen als auch in der Fraktion einsetzen. Danke. ({7})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Clemens Binninger für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Clemens Binninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sinn und Zweck dieses Abkommens ist es, die Finanzierung des Terrorismus aufzudecken und ihn zu bekämpfen. Heute Nachmittag war viel die Rede davon, dass dieses Abkommen ein Anschlag auf die Bürgerrechte sei. Es wurde vieles behauptet, was nicht zutrifft, beispielsweise dass pauschale Abfragen möglich seien. Ich sage Ihnen: Es wäre ein Anschlag auf die Bürgerrechte, wenn wir es versäumen würden, die Finanzierung des Terrorismus zu bekämpfen. ({0}) Das, was Innenminister de Maizière in diesem Abkommen verhandelt hat, mag nicht allen genug sein, aber es ist ein beachtlicher Erfolg. Er hat erreicht, dass es eine klare Zweckbindung gibt. Nur bei Terrorverdacht dürfen Abfragen gemacht werden. Er hat erreicht, dass es Datenschutzvorschriften gibt. Er hat erreicht, dass es Aufbewahrungsfristen und -pflichten gibt. Wer all das bestreitet, dem empfehle ich, Art. 5 dieses Abkommens zu lesen, in dem eine ganze Reihe von Punkten aufgenommen worden ist, die vorher nicht Gegenstand des Abkommens waren. Das ist ein Erfolg für den Datenschutz und für die Bürgerrechte. Das verdanken wir dem Verhandlungsgeschick unseres Bundesinnenministers. Das muss man festhalten. ({1}) Man kann offen sagen: Es ist vielleicht nicht genug. ({2}) Es gibt auch aus unseren Reihen Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass man nachverhandeln sollte. Aber es gehört zur Ehrlichkeit dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, festzuhalten, dass 23 von 27 EU-Nationen diese Verschärfungen nicht wollten. Offensichtlich reicht 23 Ländern das Datenschutzniveau, das nun festgeschrieben ist. Wir sind zwar nicht dabei, aber es gehört zur Ehrlichkeit dazu, das zu akzeptieren und keine Erwartungen zu wecken, die hinterher nicht erfüllt werden können. Warum es diesen 23 Staaten reicht, hat vielleicht auch mit einem Prüfbericht zu tun, den die Europäische Union im Jahr 2008 in Auftrag gegeben hat. Ein neutraler Sachverständiger, ein französischer Richter, wurde beauftragt, das Verfahren bezüglich datenschutzrechtlicher Vorschriften zu überprüfen. Er hat zwei Erkenntnisse in seinen Bericht hineingeschrieben: Erstens. Die Datenschutzvorschriften, zu denen sich die USA verpflichten, werden zweifelsfrei eingehalten. Zweitens, und das ist das Interessante für uns: Von dieser Praxis profitieren vor allen Dingen EU-Staaten, die pro Jahr mehrere Treffer zur Terrorfinanzierung bekommen - Kollege Schuster hat darauf hingewiesen und Anschlussermittlungen durchführen können. Wer das negiert, redet gegen unsere Sicherheit und tut dem Datenschutz überhaupt keinen Gefallen. ({3}) Jetzt wird immer wieder gesagt, der Minister hätte mit Nein stimmen sollen. Damit hätte er das gesamte Abkommen aufgehalten. Warum ist das keine Alternative? Was wäre denn dann passiert? Dann hätten wir keinen rechtlichen Rahmen gehabt. Dann wäre der Zustand, den wir hatten, geblieben. ({4}) Dann hätte es eine einseitige Verpflichtung gegeben. Dem Datenschutz wäre überhaupt nicht gedient gewesen, wenn der Minister Nein gesagt hätte. Es war richtig, dass er das nicht aufgehalten hat. Jetzt haben wir einen verbindlichen Rahmen, der sehr viel besser ist als das, was wir all die Jahre davor hatten. ({5}) Ich glaube, dass man einigen Kritikern aus den rotgrünen Reihen heute Nachmittag einmal den Spiegel vorhalten muss. ({6}) Die Praxis, Bankdaten auf Anhaltspunkte zur Terrorfinanzierung zu durchsuchen, gibt es seit acht Jahren, seit 2001. Sie ist eine Folge der UNO-Resolution 1373, in der diese Maßnahmen bei Zustimmung aller Vertragspartner festgeschrieben wurden. Sie wurden vier Jahre lang praktiziert, ohne Abkommen, ohne Regeln, ohne irgendetwas. Wer hat damals regiert? Das war Rot-Grün. Das hat Sie nicht interessiert. ({7}) - Herr Wieland, Sie haben gesagt, dass Sie das nicht gewusst haben. Es ist ja noch schlimmer, wenn Sie vier Jahre lang regiert und nichts gewusst haben. ({8}) Aber das hat bei Ihnen ja eine gewisse Tradition. Wenn Rot-Grün im Rahmen der Terrorbekämpfung Gesetze gemacht hat, waren sie immer handwerklich unsauber oder eher falsch. ({9}) Das Luftsicherheitsgesetz war verfassungswidrig, die Onlinedurchsuchung wollten Sie per Erlass anordnen, und bei den SWIFT-Daten haben Sie schlicht und einfach fünf Jahre gepennt. ({10}) Jetzt haben wir eine Vereinbarung, die den Datenschutz festschreibt. Das ist ein Verhandlungserfolg unseres Innenministers. Das Europäische Parlament ist gerade nicht außen vor. ({11}) Auf dieser Grundlage können wir weiterarbeiten. Ein vertragsloser Zustand wäre das Schlechteste gewesen, was wir hätten erreichen können, sowohl für unsere Sicherheit als auch für den Datenschutz. Deshalb völlige Zustimmung zum Abstimmungsverhalten des Ministers und Zustimmung zu dem, was er in dieser schwierigen Situation verhandeln konnte. Herzlichen Dank. ({12})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit sind wir am Schluss der Aktuellen Stunde und am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 3. Dezember 2009, 9 Uhr, ein. Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.