Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
begrüße Sie herzlich zur Fortsetzung der Haushaltsbera-
tungen.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord-
nungspunkt I - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2011 ({0})
- Drucksachen 17/2500, 17/2502 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2010 bis 2014
- Drucksachen 17/2501, 17/2502, 17/3526 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider ({2})
Otto Fricke
Alexander Bonde
Dazu rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt I.12 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie
- Drucksachen 17/3509, 17/3523 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Carsten Schneider ({3})
Roland Claus
Ich sehe, die Berichterstatter sind vollzählig anwesend.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zu diesem Einzeletat 90 Minuten vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Garrelt Duin für die SPD-Fraktion.
({4})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
diskutieren heute Morgen über den Haushalt für das Bundeswirtschaftsministerium. Zu Beginn dieser Debatte ist
selbstverständlich festzustellen, dass wir in Deutschland
einen Aufschwung haben, der alle Erwartungen des letzten Jahres, auch die Erwartungen der sogenannten Experten, übertrifft. Über diesen Aufschwung - das möchte ich
für meine Fraktion ausdrücklich klarstellen - freuen wir
uns unbändig.
Wir bedanken uns bei denen, die diesen Aufschwung
bewerkstelligt haben: bei den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern sowie den klugen Unternehmern in
Deutschland.
({0})
Sie wurden durch weise Entscheidungen und entschlossenes Handeln der damaligen Bundesregierung in die
Lage versetzt, unter anderem mit dem Instrument der
Kurzarbeit, auf diese Krise zu reagieren. Durch massive
Kraftanstrengungen, durch zwei Konjunkturpakete wurden sie in die Lage versetzt, über dieses tiefe Tal hinwegzukommen.
({1})
Es ist vollkommen richtig, dass die Sachverständigen
in ihrem Gutachten herausstellen, dass diese Bundesregierung dazu kaum einen Beitrag geleistet hat.
({2})
Redetext
Dort heißt es: Der Beitrag dieser Bundesregierung ist beschränkt. - Diese Aussage kann man natürlich in mehrerlei Hinsicht verstehen. Ich denke aber, diese Einschätzung ist deutlich.
({3})
Uns bereitet große Sorge, dass es eine Reihe von Menschen in diesem Lande gibt, die an diesem Aufschwung
nicht teilhaben; denn diese Regierung tut nichts - das ist
nur eines von vielen Beispielen - zur Bekämpfung des
Missbrauchs von Leiharbeit. Damit kein Missverständnis
entsteht: Es ist völlig in Ordnung, die Instrumente Leiharbeit und Zeitarbeit zu nutzen, um Auftragsspitzen abzuarbeiten. Aber dass dieses Instrument missbraucht
wird, wie es zurzeit in Deutschland zu beobachten ist, ist
ein Skandal. Diese Bundesregierung sieht dem tatenlos
zu.
({4})
Dasselbe gilt für die Bekämpfung von Niedriglöhnen.
Leiharbeit und Niedriglöhne sind eben Ursache dafür,
dass viele Menschen an diesem Aufschwung nicht teilhaben, dass sie in Unsicherheit leben, dass ihnen die Perspektive fehlt. Deshalb, lieber Herr Brüderle, entspricht
dieser Aufschwung, sosehr wir uns über ihn freuen, nicht
Ihrer Wahrnehmung. Er ist nämlich noch nicht selbsttragend, und er ist nicht so stabil, wie Sie das den Menschen glauben machen wollen. Das liegt unter anderem
daran, dass die Balance zwischen dem, was exportgetrieben ist, und dem, was wir an Binnennachfrage haben,
fehlt.
({5})
Der Europäische Rat hat in seiner Arbeitsgruppe
„Wirtschaftspolitische Steuerung“ - Sie alle kennen sie
unter dem Namen Van-Rompuy-Arbeitsgruppe - mit Zustimmung der Bundesregierung festgestellt, dass gerade
in den Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen die Frage zu klären ist, wie man die Binnennachfrage und das entsprechende Wachstumspotenzial
steigern kann. Die Frage, wie Sie die Binnennachfrage
und das Wachstumspotenzial in Deutschland steigern
wollen, wenn Sie eben nicht nur auf Export setzen, haben Sie bis heute nicht beantwortet, wie Sie überhaupt
das, was auf europäischer Ebene verabredet wird, nicht
in ausreichender Weise ernst nehmen. Diese Bundesregierung nutzt Europa immer wieder nur, um innenpolitisch zu punkten. Aber sie nimmt das, was mit europapolitischem Mehrwert zu tun hat, nicht in notwendigem
Maße ernst.
({6})
Ein Paradebeispiel dafür sind auch Sie, Herr
Brüderle. Sich hier in Deutschland bei dem Thema
Steinkohle einem Kompromiss zu beugen, aber gleichzeitig zu erklären, dass Sie dafür in Europa nicht eintreten würden, ist nicht haltbar. Das ist das Gleiche, was
Herr Schäuble bei der Finanzmarkttransaktionsteuer gemacht hat. Hier hat er gesagt: „Wir wollen das haben“,
aber überall sonst erzählt er, dass das natürlich nicht so
gemeint sei. Damit hat man auf europäischer Ebene keinen Erfolg.
({7})
Nach dem Thema Steinkohle will ich auch auf das
Thema Energie zu sprechen kommen. Auf der einen
Seite dreht Ihre Politik mit dem sogenannten Energiekonzept, das Sie, wie wir hier vor kurzem erleben mussten, durch dieses Parlament durchgepeitscht haben, der
Boombranche Nummer eins in Deutschland, nämlich
den erneuerbaren Energien, den Hahn ab. Auf der anderen Seite tun Sie nichts dafür, den energieintensiven Unternehmen in Deutschland wirklich zur Seite zu stehen.
Erst sagen Sie: „Die Förderung muss massiv zurückgefahren werden“, dann kommen Sie Gott sei Dank zur
Besinnung; aber es fehlt an jeglicher Strategie für das
Jahr 2012 und danach, dafür zu sorgen, dass energieintensive Unternehmen in Deutschland auch dann noch
eine Zukunft haben. Tun Sie an dieser Stelle endlich etwas, Herr Brüderle.
({8})
Herr Kollege Duin, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Schäuble?
Sehr gerne.
Herr Kollege Duin, da Sie zum wiederholten Male die
Behauptung aufgestellt haben, ich hätte irgendwo gesagt, ich sei nicht für die Finanztransaktionsteuer,
frage ich Sie,
({0})
ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich gesagt habe: „Ich bin für die Finanztransaktionsteuer; ich
bin nur nicht sicher, ob wir sie in Europa durchsetzen
werden“? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Unterschied zur Kenntnis nähmen und nicht ständig wahrheitswidrige Behauptungen wiederholten.
({1})
Sehr geehrter Herr Minister, ich habe keinen Zweifel
an genau der Aussage, die Sie gerade noch einmal bestätigt haben. Ich ziehe aber den Schluss daraus, den nicht
nur ich, sondern auch viele andere in der deutschen, aber
auch der europäischen Öffentlichkeit gezogen haben,
dass Sie auf der europäischen Ebene nicht ohne Wenn
und Aber dafür eintreten, dass wir endlich diejenigen,
die die Krise verursacht haben, an den Kosten der Krise
beteiligen, sondern dass es wieder nur die kleinen Leute,
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sind, die dafür
blechen müssen, nicht nur in Deutschland, sondern in
gleicher Art und Weise in vielen anderen europäischen
Ländern.
({0})
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr
Brüderle, ein stabiler Aufschwung lässt sich mit entsprechender Stärkung der Binnennachfrage dann erreichen,
wenn wir die Investitionsquote in Deutschland steigern
und wenn wir einen Zuwachs bei den Reallöhnen haben.
Beides ist nicht zu erkennen. Wir haben nicht das in
Deutschland, was dringend notwendig wäre, nämlich ein
Klima für Investitionen mit entsprechender Technologiefreundlichkeit. Wir haben nicht - da haben Sie nichts auf
die Reihe gekriegt - das Instrument der steuerlichen
Forschungsförderung auf den Weg gebracht. Selbst in
Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie darauf hingewiesen,
dass die steuerliche Forschungsförderung wichtig ist. Sie
wissen: Für ein Unternehmen, das international aufgestellt ist und sich entscheiden muss, wo in Europa es investiert, ist die steuerliche Forschungsförderung ein zentrales Thema. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein
weißer Fleck. Das muss sich endlich ändern.
({1})
Sie hätten die Möglichkeit, das endlich zu tun.
({2})
Ebenso dringend ist eine Konzentration der Fördermöglichkeiten, die der Bundesregierung zur Verfügung
stehen. Das gilt auch für diesen Haushalt. Es ist ein Unding, dass Sie beim Thema E-Mobility, einem der Zukunftsthemen schlechthin, nach dem Gießkannenprinzip
vorgehen. Dieser Bereich wird von vier oder fünf Ressorts jeweils ein bisschen gefördert. Stattdessen sollten
wir die Kräfte bündeln und uns ein Beispiel an anderen
Ländern nehmen. In den USA, aber auch andernorts,
werden zum Beispiel Batteriefabriken gebaut, und dort
wird in diesen Bereich investiert. Wir hängen hinterher,
weil Sie Ihre Politik zerfasern lassen und keine konzentrierte Förderung betreiben.
({3})
Dasselbe gilt im Übrigen für die Breitbandstrategie.
Dass Sie sich bemühen, bis zum Ende dieses Jahres eine
flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, ist löblich. Wenn wir in Deutschland aber über Geschwindigkeiten von 1 Megabit pro Sekunde reden, während in
Indonesien Kabel verlegt werden, die eine Übertragungsrate von 50 Megabits pro Sekunde ermöglichen,
muss man feststellen: Wir hinken hinterher. Deutschland
ist nicht da, wo es als Industrieland eigentlich hingehört.
({4})
Lieber Herr Brüderle, im Kern geht es darum: Wenn
Sie die Binnennachfrage steigern und für einen wirklich
langfristigen Aufschwung in Deutschland sorgen wollen,
dann müssen Sie endlich aufhören, kaum dass der Staat
1 Euro mehr eingenommen hat, über Steuersenkungen
zu fabulieren. Was wir in Zukunft brauchen, sind nicht
Steuererhöhungen, sondern Investitionen in Bildung.
Es gibt zu wenige Ganztagseinrichtungen, und wir tun
zu wenig für die Qualifizierung der Menschen. Jeder
Euro, der zur Verfügung steht, ist in Bildung zu investieren. Es nützt Deutschland doch nichts, wenn die Menschen aufgrund von Steuersenkungen pro Monat 10 oder
20 Euro mehr netto in der Tasche haben, sondern es
nützt den Menschen, wenn es in Deutschland gut ausgestattete Bildungseinrichtungen gibt. Dann werden wir
insgesamt wieder nach vorne kommen.
({5})
Das muss das Ziel der Politik sein, nicht ewiges Schwadronieren über Steuersenkungen.
({6})
Herr Brüderle, Sie haben sich für diesen Aufschwung
feiern lassen; es sei Ihnen gegönnt, auch wenn Sie eigentlich nichts dafür können. Sie haben einen „großen
Sommer“ verkündet. Damit haben Sie eine Anleihe aus
der Literatur genommen
({7})
- einige Kollegen wissen, wovon ich spreche -, nämlich
aus dem Gedicht „Herbsttag“ von Rainer Maria Rilke, in
dem ebenfalls von einem großen Sommer die Rede ist.
Sehr geehrter Herr Brüderle, lassen Sie mich Ihnen zum
Schluss die Empfehlung geben, sich nicht nur über den
schon vergangenen Sommer zu freuen. Vielmehr sollten
Sie auch - Zitat - „hin und her unruhig wandern, wenn
die Blätter treiben“. Es reicht nicht aus, sich als Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland zufrieden zurückzulehnen. Es kommt darauf an, jetzt tatkräftig
und mutig zu handeln, damit dieser Aufschwung ein stetiger Aufschwung für unser Land wird.
Herzlichen Dank.
({8})
Dass die Debatte über den Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums mit Rilke beginnt, verleiht unserer Diskussion eine Flughöhe, mit der nicht unbedingt
zu rechnen war, was ich aber ausdrücklich begrüße.
({0})
- Ja.
Darum erteile ich jetzt umso lieber der Kollegin
Ulrike Flach für die FDP-Fraktion das Wort.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
Rilke hätten Sie vielleicht nicht anfangen sollen, Herr
Duin, sondern mit dem eigenen Brief, den Sie gestern
veröffentlicht haben. Darin haben Sie sehr schön zum
Ausdruck gebracht, dass die SPD keine schlüssige Antwort hat auf die Frage vieler Menschen, wofür sie steht.
Außerdem schrieben Sie, es gebe in dieser Partei ein
ständiges Hü und Hott. So war gerade auch Ihre Rede.
({0})
Ich glaube, mehr muss man zu Ihrer Bewertung des Bundeswirtschaftsministers nicht sagen.
({1})
Wir befassen uns heute mit dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. Als Hauptberichterstatterin möchte
ich mich an dieser Stelle beim Minister bedanken. Die
Zusammenarbeit war sehr gut und beispielhaft für viele
andere Häuser. Herzlichen Dank! Wir werden auch in den
nächsten Jahren gerne und erfolgreich an diesem Haushalt weiterarbeiten.
Das Schöne ist, dass wir mit diesem Haushalt auf das,
was Sie, Herr Duin, gerade gesagt haben, reagieren. Die
Krise ist vorbei. Jetzt müssen wir konsolidieren. Außerdem müssen wir diesem Lande eine Zukunft ermöglichen und Vorsorge treffen. Das tun wir. Wir kürzen Subventionen. Dies tun wir übrigens an Stellen, an denen Sie
immer gezögert haben, es zu tun.
({2})
Wir bauen allein über 100 Millionen Euro bestandserhaltende Subventionen ab, zum Beispiel bei der GA und bei
den Altprogrammen, und wir tun noch etwas: Wir schicken das Geld nicht wieder an Herrn Schäuble, sondern
wir schichten in Innovationen um. Wir tun also genau
das, was in diesem Augenblick erforderlich ist. Wir erhöhen die Mittel für ZIM, eine wichtige Technologieförderung für den Mittelstand. Für die Elektromobilität geben wir in diesem Haushalt und in drei anderen
Haushalten mehr als 100 Millionen Euro aus. Ich glaube
nicht, dass das ein Fehler ist, Herr Duin.
Natürlich hat jedes Haus seine eigenen Kompetenzen.
So werden die Mittel dann verwendet. In diesem Haus
sind sie wirtschaftsnah, im BMBF sind sie forschungsnah, und im Verkehrsministerium sind sie verkehrsplanungsnah. Das ist ein richtiger Weg.
({3})
Sie sollten sich daran erinnern, dass das unter Ihren
Ministern eingeleitet worden ist. Ich weiß nicht, warum
Sie das plötzlich stört. Das scheint zu den Gedächtnislücken der SPD zu gehören, die wir im Augenblick in jedem Feld immer wieder neu erleben.
({4})
Mit der Breitbandstrategie sorgen wir dafür, dass
auch die ländlichen Räume an schnelles, breitbandiges
Internet angeschlossen werden. Schließlich ist dies ein
Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung auf dem
Land und wird immer ein entscheidender Standortfaktor
sein. Ich will an dieser Stelle einmal an die Damen und
Herren von der Opposition appellieren. Dass wir zum
Beispiel Entschädigungen nicht auszahlen können, liegt
an den Ländern. Überall in Deutschland gibt es im Augenblick Pfarrer oder auch Musikbands, die mit ihren
Mikros Schwierigkeiten haben, aber nicht, weil der Bundeswirtschaftsminister nicht bereit ist, Entschädigungen
zu zahlen, sondern ganz einfach deshalb, weil die Länder
wieder einmal bocken. Es kommt nichts heraus. Wir wären bereit, 62 Millionen Euro allein in diesem Jahr an
Entschädigungen zu zahlen. Das scheitert aber an den
Ländern, und diese werden nun einmal von Ihnen dominiert, lieber Herr Duin.
({5})
Vorsorge treffen wir auch für die CCS-Speicherung
und die Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks
in Gorleben. Das tun wir anders, als grüne und rote Umweltminister dies in den letzten Jahren eingeleitet haben.
Wir nehmen die Erkundung wieder auf, und wir sichern
die notwendigen Personalausgaben im Haushalt ab. Das
ist übrigens der Unterschied zwischen der Regierungskoalition und den Grünen: Wir wollen eben moderne
Technologien, ob es Highspeed-Datenautobahnen oder
moderne Kohlekraftwerke sind, und dazu gehört CCS.
Man kann den Leuten nicht immer erklären, man sei für
alles und wiederum nicht für alles. Man kann nicht auf
der einen Seite ständig etwas bekämpfen und auf der anderen Seite dafür sorgen, dass moderne Kohlekraftwerke
in diesem Land nicht entstehen können. Dieser Haushalt
trifft Vorsorge genau für diese Entwicklung.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas zu den
Grünen generell sagen. Sie bekämpfen nicht nur Technologien, sondern Sie bekämpfen auch den Mittelstand, die
Facharbeiter und die Angestellten. Diese, die für den
technologischen Fortschritt zuständig sind, wollen Sie
massiv belasten. Sie wollen zum Beispiel den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöhen. Das ist immer sehr
einfach gesagt. Jeder in diesem Land denkt dann, die
Millionäre seien betroffen. Nein, es sind natürlich genau
die Menschen betroffen, die für Technologien in diesem
Land sorgen, die Facharbeiter, Ingenieure und leitenden
Angestellten; denn der Spitzensteuersatz setzt bei
52 000 Euro ein. Das erreichen Sie, wenn umgesetzt
wird, was Sie auf Ihren Parteitagen beschließen, nämlich
dass die Menschen belastet und nicht entlastet werden.
({6})
Übrigens passt das Folgende sehr schön. Ich bin gespannt, ob irgendjemand von den Grünen gleich etwas
dazu sagen wird, dass Sie die Abgeltungsteuer abschaffen wollen. Auch das passt genau in diese Art zu denken,
weil Sie folgender Meinung sind - ich möchte Herrn
Trittin an der Stelle zitieren -: Die Ungerechtigkeit soll
beseitigt werden, dass für Arbeit weniger an Steuern gezahlt werden muss als für Einkommen aus Kapital. Eine tolle Erklärung! Das ist genau die Erklärung, die
man von einer grünen Partei erwartet, die offensichtlich
auf dem Weg ist, den Mittelstand in diesem Land zu beUlrike Flach
lasten. Wir werden dies nicht tun. Wir sind auf einem guten Weg.
Ich freue mich, dass dieser Haushalt so gelungen ist,
Herr Minister.
({7})
Nächster Redner ist der Kollege Michael Schlecht für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle
reden vom Aufschwung; das hört man auch hier. Viele
Menschen stellen aber vollkommen ernüchtert fest, dass
ihr Lohn nach wie vor XS ist und zum Teil eher noch
sinkt. Es ist kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund
viele stinksauer sind, weil ihnen etwas vorgespiegelt
wird, was mit ihrer Realität überhaupt nichts zu tun hat.
({0})
Der Aufschwung ist vor allen Dingen ein Aufschwung der Profite. Seit dem Frühjahr 2009 haben die
Unternehmer ein sattes Plus von 40 Prozent eingesackt.
Die Löhne sind dagegen nur in homöopathischer Größenordnung angestiegen, und das ist statistisch gesehen
eher eine Irritation, die sich ergibt, weil die Kurzarbeiterregelung ausgelaufen ist.
Seit 2000 sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen in Deutschland um satte 50 Prozent angestiegen, während der normale Beschäftigte inflationsbereinigt heute netto weniger als noch vor zehn Jahren hat.
Das ist in der Tat ein wunderbares Beispiel für die Parole
„Leistung muss sich wieder lohnen“, die man immer
wieder hört. Das leistungslose Einkommen ist dramatisch gestiegen, und die, die wirklich Leistung erbringen,
haben heute netto weniger als noch vor zehn Jahren.
({1})
Der Aufschwung resultiert im Übrigen aus steigenden
Exporten, weil die Chinesen und US-Amerikaner gigantische Konjunkturprogramme aufgelegt haben.
({2})
Die deutsche Bundesregierung hat überhaupt keinen Anteil daran. Hinzu kommt, dass in Europa ein gigantisches
Kürzungsprogramm im Umfang von insgesamt 350 Milliarden Euro aufgelegt wird. Frau Merkel ist sogar noch
stolz darauf, dass sie den Griechen Kürzungen aufzwang, die, umgerechnet auf Deutschland, für uns ein
Kürzungsprogramm von 300 Milliarden Euro bedeuten
würden. Ebenso ist es ein Skandal, dass in diesen Tagen
das irische Volk gezwungen wird, mit Sozialkürzungen
eine gigantische Bankenkrise auszubügeln. Bei Kindern,
Arbeitslosen und Rentnern soll zusätzlich gekürzt werden, weil sich die Banken verzockt haben. An dieser
Verzockerei in Irland waren auch deutsche Banken beteiligt. Das ist wirklich ein Skandal.
({3})
Die Kürzungspakete sind natürlich nicht nur sozialpolitisch ein Problem, sondern vor allen Dingen wirtschaftspolitisch absolut katastrophal, weil Europa dadurch richtig
heruntergerissen wird und auch Deutschland eine erhebliche Beschneidung seiner Exportchancen droht. Das weiß
die Regierung, das weiß Herr Brüderle. Deswegen präsentiert er sich neuerdings als ein Freund von Lohnerhöhungen. Das ist zunächst einmal gar nicht verkehrt;
das Problem ist, dass er sich zwar hinstellt, zu Lohnerhöhungen auffordert und sagt, Lohnerhöhungen wären
schön, gleichzeitig aber sagt: Das sollen bitte schön die
Gewerkschaften machen, wir haben damit nichts zu tun.
({4})
- Ich erkläre Ihnen einmal, wie es um die Tarifautonomie steht. Eine solche Forderung ist mehr als zynisch,
weil die Tarifautonomie durch die Politik der letzten
zehn Jahre in Deutschland massiv beschädigt worden ist.
Wenn man heute von den Gewerkschaften erwartet, ordentliche Lohnerhöhungen durchzusetzen, dann ist das
so, als wenn man einem einbeinigen Menschen sagte:
Nun renn die 100 Meter mal in zehn Sekunden. - Das ist
in der Tat ein riesiges Problem.
({5})
Nur die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland steht
heute noch unter dem Schutz eines Tarifvertrages. Besonders verheerend waren und sind die Auswirkungen
der Agenda 2010. Immer mehr Menschen arbeiten nur
noch befristet in Leiharbeit oder haben einen Minijob.
Wenn diese Regierung nicht endlich eine Kehrtwende
organisiert, nämlich eine Rückabwicklung der Agenda
2010, all dessen, was den Menschen hier unter Rot-Grün
aufgezwungen worden ist, dann wird es mit einer wirklichen Steigerung der Löhne und einer Stärkung des privaten Konsums nichts werden und dann werden Sie, Herr
Brüderle, auch keine Stärkung der Binnennachfrage in
Deutschland erreichen. Das Mindeste, was zu diesem
Konzept auch von staatlicher Seite beigetragen werden
muss, ist, dass die Bundesregierung die Verantwortung
dafür übernimmt, dass endlich ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro eingeführt wird.
({6})
Das wäre eine wirkliche Hilfe, um in Deutschland die
Löhne zu erhöhen. Wenn man heute noch den Mindestlohn verteufelt und gleichzeitig davon redet, man müsse
in Deutschland die Löhne stärken, dann ist das Scharlatanerie und Zynismus. Das muss immer wieder deutlich
gesagt werden, und das muss beendet werden.
Danke schön.
({7})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Michael Luther
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Duin, ich habe Ihrer Rede aufmerksam
zugehört und finde, Sie haben gut begonnen. Sie haben
eine Selbstverständlichkeit benannt, nämlich dass man
sich auch einfach einmal über den wirtschaftlichen Aufschwung freuen kann, den wir gerade erleben. Ich hatte
schon bezweifelt, dass die SPD-Fraktion das genauso
sieht. Dafür recht herzlichen Dank. Das war gut. Der
Rest war dann allerdings nicht mehr so gut.
({0})
Ich finde, an dieser Stelle ist auch denen Dank zu sagen, die für den wirtschaftlichen Aufschwung mit verantwortlich zeichnen. Sie haben recht: Das ist auch dem
besonnenen Verhalten der Menschen, der Arbeitnehmer
und der Wirtschaft zu verdanken. Es ist aber auch dem
zu verdanken, was wir in diesem Hause in der Politik gemacht haben.
({1})
Wir haben die richtigen Maßnahmen getroffen und können dadurch das, was wir heute erreicht haben, auch als
unseren Erfolg bezeichnen.
({2})
Im Übrigen ergibt sich damit auch eine andere Besonderheit, dass nämlich die Menschen, die die Krise gar
nicht so stark gespürt haben - wir haben gerade durch
„Kurzarbeit Null“ die richtigen Maßnahmen getroffen,
({3})
was einen tiefen Sturz in den Abgrund verhindert hat -,
jetzt auch den Aufschwung nicht so stark merken. Aber
ich glaube, Stück für Stück begreifen die Menschen, was
hier geleistet worden ist. Wir sollten deshalb den Menschen immer wieder sagen, was international passiert ist
und dass wir, wenn wir es gemeinsam gut angehen, in
Deutschland dauerhaft den Aufschwung generieren können.
Was den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums angeht, sind zwei Punkte zu klären. Erstens ist es völlig
klar, dass wir uns jetzt nach der Wirtschaftskrise um eine
solide Finanzpolitik kümmern müssen. Eine solide
Finanzpolitik heißt: Wir müssen die Ausgaben den zu erwartenden Einnahmen anpassen.
({4})
Das heißt im Endeffekt, dass wir sparen müssen. Davon
ist selbstverständlich auch das Bundeswirtschaftsministerium betroffen; das ist klar.
Zweitens müssen wir aber fragen, ob wir im Bereich
des Wirtschaftsministeriums die richtigen Impulse setzen, um den Aufschwung dauerhaft zu stabilisieren. Dafür ist das Wirtschaftsministerium zuständig. Ich denke,
wir haben die richtigen Themen gesetzt. Einige hat Frau
Flach schon genannt. Ich denke zum Beispiel an Zukunftsthemen wie die Elektromobilität und das Energiekonzept, das wir aufgelegt haben und das nun umgesetzt
werden muss.
Für mich ist aber auch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz ZIM genannt, sehr wichtig.
Wir müssen einen Paradigmenwechsel vornehmen. Es
reicht nicht aus, in Maschinen und Anlagen zu investieren; wir müssen vor allem auch in die Köpfe investieren.
({5})
Wir müssen Innovationskräfte stärken, um auch in Zukunft mit Innovationen auf den Märkten präsent zu sein.
Wir müssen vor allem den Mittelstand unterstützen.
Die Aufstockung der Mittel um ungefähr ein Viertel gegenüber dem vorherigen Ansatz - wir haben im Finanzplan eine weitere Aufstockung vorgesehen -, ist, denke
ich, das richtige Signal und zeigt, dass wir die tragende
Säule unserer Wirtschaft, den Mittelstand, besonders
stärken wollen. Die Auslastung der Programme zeigt,
dass wir das Richtige machen.
Ich glaube aber - damit will ich kurz ein Spezialthema
von mir aufgreifen -, dass es trotzdem wichtig ist, auch in
Maschinen und Anlagen zu investieren. Das betrifft die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“, für die die Mittel ebenfalls gekürzt
werden. Wir haben aber in den Haushaltsberatungen eine
Aufstockung gegenüber dem Regierungsentwurf und eine
Entsperrung der Verpflichtungsermächtigungen erreicht.
Damit steht uns im Gegensatz zum bisherigen Plan dafür
dauerhaft mehr Geld zur Verfügung, und das nutzt insbesondere den Regionen, in denen die Wirtschaft noch
nicht so stark ist.
({6})
Das ist natürlich in den neuen Bundesländern der Fall,
aber - das möchte ich sagen, weil es nicht unbedingt öffentlich bekannt ist - es nutzt auch den wirtschaftsschwächeren Regionen in den alten Bundesländern; genau so ist dieses Programm aufgelegt.
Im Übrigen - Herr Duin, Sie können sich an die erste
Lesung erinnern; Sie hatten mir dazu eine Zwischenfrage gestellt - sind wir an dieser Stelle als Koalition
verlässlich. Ich habe Ihnen zugesagt, wir werden darüber
nachdenken, und ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
({7})
Meine Damen und Herren, wenn ich als Haushälter
rede, dann fallen mir natürlich noch andere Dinge ein.
Wir haben uns die Arbeit gemacht und den Haushalt etwas übersichtlicher gestaltet. Wir haben zum Beispiel
damit begonnen, Titel zusammenzulegen, die hundertDr. Michael Luther
prozentig deckungsfähig sind. Es macht schließlich keinen Sinn, diese als mehrere Titel auszuweisen.
Wir haben auch im Bereich Außenwirtschaft eine
Veränderung vorgenommen. Wir haben nämlich das Sammelsurium, das es bisher gab, zu einem Titel zusammengefasst. Damit kann immer noch das gemacht werden,
was gemacht werden muss. Gerade für uns als Exportnation ist die Außenwirtschaftsförderung sehr wichtig, und
insofern muss man dort die richtigen Signale setzen. Mit
dieser Konzentration der Mittel besteht letztendlich eine
bessere Möglichkeit, dieser Aufgabe nachzukommen.
An dieser Stelle möchte ich einen Dank loswerden.
Vor wenigen Wochen ist in Schanghai die EXPO zu
Ende gegangen. Wir waren dort mit einem deutschen Pavillon vertreten, welcher von den Veranstaltern mit dem
Golden Award für die beste Umsetzung des EXPO-Mottos „Better City, Better Life“ ausgezeichnet worden ist.
Verantwortlich dafür, dass dies so gut gelaufen ist, ist
auch das Wirtschaftsministerium. Daher möchte ich an
dieser Stelle insbesondere den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums herzlich danken, die mit außergewöhnlich hohem Engagement diesen deutschen Pavillon
so präsentiert haben.
({8})
In den Haushaltsberatungen haben wir noch anderes
gemacht. Egal ob man gegen die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken ist oder nicht, eines ist Fakt:
Wir brauchen ein nationales Endlager für radioaktive
Abfälle, und das bekommt man nicht durch Aussitzen;
auch das ist Fakt. Wir haben deshalb jetzt im Haushalt
die haushalterische und personalwirtschaftliche Vorsorge getroffen, um die Erkundung potenzieller Endlager
für radioaktive Abfälle fortsetzen zu können.
Im Übrigen haben wir das auch für die CCS-Technologie gemacht. Es geht also darum, wie wir CO2 vermeiden und den CO2-Ausstoß vermindern können. Mit der
CCS-Technologie gibt es eine Möglichkeit, CO2 in unterirdischen Speichern zu lagern. Hier befinden wir uns
in der Entwicklung noch am Anfang, und deswegen
muss weiterhin geforscht werden. In diesem Bereich
sollte Deutschland vorne mit dabei sein.
({9})
Denn unser Anliegen ist es, einen Beitrag zur Verminderung des CO2-Ausstoßes
({10})
und damit einen Beitrag zur Verminderung der Klimaerwärmung zu leisten. Auch hier haben wir die entsprechenden haushalterischen und personalwirtschaftlichen
Vorsorgemaßnahmen getroffen. Gerade an diesen Beispielen zeigt sich, dass wir als Koalition verantwortlich
und vorausschauend handeln.
({11})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin darüber hinaus froh, dass es uns auch an einem anderen
Punkt gelungen ist, zu einer Veränderung zu kommen.
Ich meine die Beseitigung von Ausnahmen bei der Ökosteuer. Ich verstehe den Finanzminister, der bei der
Haushaltsaufstellung schauen musste, wo er diese Haushaltsvorgaben entsprechend einhalten konnte. Wir im
Parlament sind allerdings auch dafür da, über bestimmte
Dinge nachzudenken,
({12})
und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir hier
eine Veränderung vornehmen müssen. Denn letztendlich
ist es uns wichtig, dass auch in Zukunft die Grundstoffindustrie in Deutschland angesiedelt sein wird, und diese
ist nun einmal energieintensiv.
({13})
Ich sage es vereinfacht: Wir wollen, dass die Autos, die
in Deutschland gebaut werden, auch mit dem Stahl gebaut werden, der in Deutschland produziert wird. Dieser
Stahl wird im Übrigen hier in Deutschland in den modernsten und wirtschaftlichsten Unternehmen hergestellt.
({14})
So gesehen ist das auch ein Beitrag zum weltweiten Umwelt- und Klimaschutz.
Ich komme zum Schluss. Der nun vorliegende Einzelplan trägt zur Haushaltskonsolidierung bei und setzt die
richtigen Schwerpunkte zur Stärkung der Wirtschaft.
Deshalb empfehle ich die Annahme dieses Etats.
Ich möchte aber nicht schließen, ohne dem Ministerium und den Mitarbeitern recht herzlichen Dank zu sagen. Es war wie immer nicht einfach mit uns. Aber so
sind wir Haushälter nun einmal. Wir haben darum gerungen, möglichst viele unserer Ideen umzusetzen. Ich
denke, das Ergebnis lässt sich sehen. Deshalb an dieser
Stelle recht herzlichen Dank den Mitarbeitern des Hauses, unseren Mitarbeitern und den Mitarbeitern des Ausschusses, die letztendlich die ganze Arbeit leisten mussten.
Recht herzlichen Dank.
({15})
Fritz Kuhn ist der nächste Redner für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Zuerst: Was hat der Wirtschaftsminister
Brüderle richtig gemacht?
({0})
Seine Entscheidungen betreffend Opel und Hochtief waren richtig. Da waren sich Gelb und Grün einig.
({1})
Das passt zwar nicht zur allgemeinen Gefechtslage. Es
ist aber inhaltlich geboten, das zu sagen.
Wir sind aber nicht einverstanden - jetzt geht es ins
Grundsätzliche, Herr Brüderle -, dass Sie kein Minister
für mehr Wettbewerb und damit für die Grundlage der
Marktwirtschaft sind.
({2})
Sie haben das Entflechtungsgesetz, das Sie angekündigt
haben, noch immer in der Schublade. Sie haben Monopole nicht entzerrt, sondern gestärkt. Denn was anderes
soll die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke sein als eine Stärkung der vier Monopolisten bzw.
Oligopolisten im Energiesektor?
({3})
Sie sind kein Wettbewerbsminister, sondern ein Minister,
der den Wettbewerb schwächt. Sie müssen endlich eine
entsprechende Vorlage liefern. Wo ist das Entflechtungsgesetz? Das ist der erste Punkt.
Zweiter Punkt. Sie sind kein Minister der Innovationen. Das kann man an Ihrem industriepolitischen Papier
sehen. Sie haben alles Mögliche zusammengeschrieben.
Nicht alles ist falsch. Aber die Kernaussage des industriepolitischen Papiers aus dem Hause Brüderle lautet:
Man darf beim Umweltschutz nicht zu viel machen, weil
man sonst in Gegensatz zur wirtschaftlichen Entwicklung gerät. Genau damit blockieren Sie Innovationen.
({4})
Die Realität sieht heute so aus, dass Sie nur mit Ökologie und mit einer ökologischen Modernisierung einen
ausreichenden Innovationsimpuls für die gesamte Volkswirtschaft setzen können, gerade in einem exportorientierten Land. Wenn Sie da auf die Bremse treten - das ist
die subkutane Botschaft Ihres industriepolitischen Papiers -, eröffnen Sie keine Perspektive für ein neues
„Made in Germany“, das heißen müsste: Wir bieten die
besten ökologischen Dienstleistungen an und stellen die
besten ökologischen Produkte her; dafür steht die Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ein. Hierzu liefern Sie nichts. Fehlanzeige!
({5})
Ein Beispiel dafür ist übrigens die Elektromobilitätsstrategie der Bundesregierung, die in Ihrem Hause ressortiert. Sie investieren zu wenig in die Forschung und
betreiben zu wenig Ordnungspolitik gegen alte Technologien und zugunsten neuer Technologien. Vor allem
verklemmen Sie sich vollständig bei der Frage der
Markteinführung und der Marktanreizung. Überall in der
Welt werden Marktanreizprogramme aufgelegt. Die
Markteinführung eines Elektrofahrzeugs in Peking wird
mit 7 000 US-Dollar unterlegt. Aber Sie und die Bundesregierung stehen auf der Bremse und legen Hunderte von
Programmen auf. So fördern Sie Innovationen nicht.
Deswegen sind Sie kein Innovationsminister.
({6})
Das zeigt sich auch bei der Rohstoffstrategie. Sie interpretieren die Rohstofffrage vor allem als Verfügungsfrage. Angesichts der Rohstoffknappheit diskutieren Sie
über die Frage: Wie kommen wir leichter und besser an
die in der Welt vorhandenen Rohstoffe heran? Tatsächlich geht es aber um Rohstoffknappheit und damit um
die Frage nach Effizienz. Die vordringliche Frage lautet
also: Wie können wir unsere Produkte - das gilt gerade
für den Maschinenbau - so herstellen, dass wir weniger
von den knappen und schwer verfügbaren Rohstoffen
brauchen, um daraus ein Innovationsmerkmal der deutschen Volkswirtschaft zu machen? Das müsste systematisch der Technologieschwerpunkt sein. Das ist schwierig, aber das haben Sie nicht angepackt. Stattdessen wird
überlegt, wie man kurzfristig besser an Rohstoffe kommen kann. Dazu haben Sie einige Maßnahmen genannt.
Ich will auf einen Punkt eingehen, der genauso wichtig ist. Wir wollen nicht nur eine Marktwirtschaft, sondern wir wollen eine soziale Marktwirtschaft. Als Minister einer sozialen Marktwirtschaft sind Sie bislang
untauglich.
({7})
Sie haben immer wieder den gesetzlichen Mindestlohn
verweigert, der nach Auffassung meiner Fraktion ein elementarer Eckpunkt der sozialen Marktwirtschaft ist. Sie
haben, wenn es um die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Hinblick auf Mindestlöhne in einzelnen Branchen ging, als Wirtschaftsminister immer wieder den
Kabinettsvorbehalt angemeldet, und zwar viermal insgesamt. Das heißt, Sie sind die organisierte Bremse bei der
Einführung einer gerechten Bezahlung in Deutschland.
Deswegen sind Sie kein Minister der sozialen Marktwirtschaft.
({8})
Zum Abschluss: Sie tun zu wenig gegen den Fachkräftemangel. Sie setzen in dieser Koalition nicht einmal durch, dass Deutschland als Einwandererland gilt.
Sie schaffen es auch nicht, die falschen Einwanderungsregeln für Bestqualifizierte - Stichwort: 40 000 Euro durchzusetzen. Sie reden davon, dass wir angeblich
Fachkräfte aus aller Welt zu uns holen könnten und sollten, hocken aber schwerfällig in einer Fraktion und in einer Koalition, die in dieser Hinsicht nichts, aber auch gar
nichts liefert.
({9})
Deswegen, Herr Minister, ist Ihre Bilanz - so gut die
Konjunktur auch ist, worüber auch wir uns freuen nicht so rosig, wie Sie sie in den vergangenen Wochen
gezeichnet haben.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({10})
Für die Bundesregierung hat nun der Bundesminister
für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist unter Schwarz-Gelb zum wirtschaftlichen Vorbild geworden.
({0})
Die Deutschen sind in Aufschwunglaune. Wir investieren wieder, wir konsumieren wieder, den Menschen geht
es besser, und sie leisten sich wieder etwas.
({1})
Das Weihnachtsgeschäft hat vielversprechend begonnen. Der Aufschwung ermöglicht uns dieses Jahr im
wahrsten Sinne des Wortes eine schöne Bescherung. Die
binnenwirtschaftlichen Kräfte haben zuletzt mehr als die
Hälfte zum Wachstum beigetragen. Der Sachverständigenrat sagt, dass im nächsten Jahr 90 Prozent des
Wachstums aus dem Binnenmarkt kommen. Die Auslandsnachfrage hat den Aufschwung angestoßen, die Inlandsnachfrage festigt jetzt die Wachstumskräfte. Das ist
ein Aufschwung wie aus dem Bilderbuch, und zwar in
diesem und im nächsten Jahr.
({2})
Heute sind weniger als 3 Millionen Menschen arbeitslos, wir kommen von 5 Millionen. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt ab. Das haben Sie in der Vergangenheit nie geschafft.
({3})
Ich bin fest überzeugt: Vollbeschäftigung ist schon bald
möglich. In vielen Regionen Süddeutschlands haben wir
praktisch schon Vollbeschäftigung. Alles dies zeigt: Ein
Jahr Schwarz-Gelb zahlt sich aus.
({4})
Der Politikwechsel ist gut für Deutschland. Wir haben
von Anfang an daran geglaubt. Das war nicht überall der
Fall. Ich habe die Opposition noch im Ohr. Vor einem
halben Jahr hat Herr Gabriel eine steigende Arbeitslosigkeit und eine Abwärtsspirale prognostiziert.
({5})
Die tatsächliche Entwicklung unserer Wirtschaft hat Ihr
durchschaubares Spiel entlarvt. Sie reden nicht nur alles
schlecht, Sie kapieren auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht.
({6})
Ich habe immer gedacht, Ihre Würdigung der Abwrackprämie sei politischer Klimbim. Aber ganz offensichtlich ist das Maxime Ihrer Politik. Sie denken in Abwrackprämien. Sie haben eine Abwrackprämie für
Maschinen gefordert.
({7})
Das ist kurzatmig, das ist sprunghaft. Heute sieht man in
Deutschland etwas anderes.
({8})
Die Entlastung vom Jahresanfang in Höhe von
24 Milliarden Euro hat gewirkt. Das ist 1 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Dies ist eine konjunkturrelevante
Größe. Wir betreiben Wirtschaftspolitik mit Charakter.
Das wirkt.
({9})
Herr Minister, lassen Sie Zwischenfragen zu?
Gern. Ich habe dann ein bisschen mehr Zeit.
Herr Kollege Brüderle, Herr Bundesminister, können
Sie der versammelten deutschen Öffentlichkeit und dem
deutschen Parlament erklären, warum der Sachverständigenrat im Gegensatz zu Ihnen als für den Aufschwung
helfend im Wesentlichen die Maßnahmen anerkannt hat,
die die Große Koalition eingeleitet hat: Bundesminister
Olaf Scholz bei der Kurzarbeit, Peer Steinbrück im Bereich des Bankenrettungsschirms, die Konjunkturprogramme, das kommunale Investitionsprogramm? Können Sie der deutschen Öffentlichkeit ernsthaft erläutern,
dass Sie sich hier als Mister Aufschwung gerieren, während Sie als Oppositionspolitiker gegen all die Maßnahmen gestimmt haben, die am Arbeitsmarkt in Deutschland geholfen haben und jetzt wirken? Herr Brüderle,
das ist Abstauberei, es hat mit Seriosität nichts zu tun.
({0})
Dazu gehört übrigens auch die Abwrackprämie. Reden
Sie doch einmal mit den Automobilunternehmen und
den Zulieferern! Diese Maßnahme hat in der Krise geholfen. Wenn die CDU/CSU jetzt gegen die Abwrackprämie klatscht, kann ich nur sagen: Pfui Teufel, ihr wart
mit dabei. Seid doch stolz darauf, es hat geholfen.
Herr Kollege Heil, sicherlich hat ein Aufschwung
viele Ursachen.
({0})
- Geben Sie mir doch Gelegenheit, Ihre Frage zu beantworten, Herr Kollege Heil. - Sicherlich haben auch Beschlüsse, die Sie gefasst haben, gewirkt - Rente mit 67 -,
von denen Sie sich verabschieden.
({1})
- Herr Heil, wenn Sie eine Frage stellen, sollten Sie
dem, den Sie fragen, auch die Gelegenheit geben, Ihre
Frage zu beantworten.
({2})
Dass Sie nervös sind, dass Ihre Untergangsprophezeiungen, die Sie verkündet haben, nicht zutreffen und Sie
jetzt rotieren, verstehe ich ja. Aber wenn Sie eine Frage
stellen, müssen Sie auch eine Antwort ertragen können
und einen kleinen Moment zuhören können. Nur dazwischenzurufen, lenkt auf Dauer nicht davon ab, dass Ihnen nichts einfällt. Also aus Heil muss nicht immer Unheil werden.
Zurück zur Sache. Es gibt viele Ursachen, die dazu
geführt haben. Entscheidend ist sicherlich ein Restrukturierungsprozess der deutschen Volkswirtschaft. Daran
haben viele mitgewirkt. Sicherlich hat auch die Kurzarbeit gewirkt. Wir haben sie - ich darf es Ihnen noch einmal sagen - verlängert. Es hat aber auch gewirkt, dass
wir einen Kurswechsel vollzogen und nicht weitere
schuldenfinanzierte Konjunkturpakete daraufgesetzt,
sondern einen Pfad der Konsolidierung eingeschlagen
haben, dass wir am Anfang des Jahres Entlastungen
durchgesetzt haben. Das war eine Schippe zusätzlich, die
das bewirkt hat. Es war genau das Gegenteil von dem,
was Ihr Parteivorsitzender verkündet hat, der davon
sprach, die Arbeitslosigkeit werde weiter deutlich ansteigen, wir seien in einer Abwärtsspirale. Nein, es ist eine
Aufwärtsspirale.
Wenn Sie in einem Satz sagen, dass Sie sich freuen,
dass wir einen Aufschwung haben, dann sollten Sie auch
sagen: Die Politik hat auch gewirkt. Natürlich sind wir
es nicht allein.
({3})
Es sind viele Faktoren, die wirken. Da gibt es richtige
Ideen, neue Produktentwicklungen. Dass Sie persönlich
jetzt blöd dastehen, wenn man Ihre Zitate von früher
bringt, verstehe ich ja. Denken Sie nach vorne.
({4})
Ihr Kollege Duin hat vorhin Rilke zitiert. Im „Herbsttag“-Gedicht heißt es: „Wer jetzt allein ist, wird es lange
bleiben.“ So kann es der SPD gehen.
({5})
Diese Entlastung hat gewirkt, das zeigt die Entwicklung. Wir betreiben Wirtschaftspolitik mit Charakter:
Zum Beispiel bei Opel. Sie wollten die Schatulle öffnen. Wir haben Kurs gehalten. Heute legt General Motors den größten Börsengang aller Zeiten vor.
({6})
Zum Beispiel Karstadt. Sie wollten, dass der Staat
den Retter spielt. Wir haben auf die Kräfte des Marktes
gesetzt, und heute hat Karstadt gute Zukunftschancen.
({7})
Zum Beispiel Hochtief. Herr Heil, wir setzen auf
Wettbewerb und offene Märkte. Sie versprechen juristisch und politisch unhaltbare Traumgebilde. Ich bin sicher, auch hier wird die soziale Marktwirtschaft die richtige Lösung einleiten.
({8})
Zum Beispiel Steinkohle. Wir machen den Ausstieg
aus der milliardenschweren Förderung 2018 unumkehrbar. Sie träumen weiter von einem Subventionsbergbau
auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist Klientelpolitik.
({9})
Die Grünen sagen gar nichts mehr zu dem Thema. Man
nennt das U-Boot-Strategie. Sie tauchen einfach weg.
({10})
Europa bestätigt, dass unsere Linie richtig ist.
Zum Beispiel ELENA. Grün-Rot waren glühende
Verfechter eines Daten- und Kostenmonstrums, Stichwort JobCard. Die jetzige Koalition hat ein Moratorium
beschlossen. Damit geben wir Kommunen und Unternehmen Zeit, sich auf ELENA einzustellen.
Zum Beispiel erneuerbare Energien. Wir brauchen
dringend neue Netze. Die Bundesregierung will den Netzausbau. Die Grünen sind die Dagegen-Partei. Sie surfen
auf der Blockadewelle.
({11})
Sie sitzen in den Parlamenten und spielen gleichzeitig
außerparlamentarische Opposition.
({12})
Das ist so bei Stuttgart 21; das ist so bei Straßenprojekten; das ist so bei Castortransporten.
({13})
Wer hat denn die meisten Castortransporte genehmigt?
Das war der grüne Umweltminister Trittin. Heute spielen
Sie so, als ob Sie damit nichts zu tun hätten.
({14})
Der Gipfel ist: Seit letztem Sonntag sind die Grünen
sogar gegen die Olympischen Spiele. Wenn es nach Ihnen geht, gibt es kein Wintermärchen in Deutschland.
({15})
Was haben Ihnen denn die Olympischen Spiele getan,
dass Sie dagegen sind?
({16})
Es ist doch eine absurde Haltung, gegen alles in
Deutschland zu sein und sich hier als neue Hoffnungsträger der Zukunft hinzustellen. Scheinheilig nenne ich das.
({17})
- Wer schreit, hat unrecht, Frau Künast. Das haben wir
schon als Kinder gelernt. Sie haben es immer noch nicht
verstanden.
({18})
- Vor Erregung, wenn ich Sie sehe.
({19})
Auch in Steuerfragen betreiben wir Politik mit Charakter. Wir sind uns in der Koalition weithin einig: Noch
in dieser Legislaturperiode wollen wir Steuerentlastungen beschließen. Entlasten wollen wir die Fleißigen, die
Mitte unserer Gesellschaft. Als Erstes gehen wir die
Steuervereinfachung an.
({20})
Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt
bauen wir das Fundament für nachhaltiges Wachstum in
Deutschland. Wir bauen das Fundament für 350 000
neue Arbeitsplätze. Wir bauen das Fundament für solide
Staatsfinanzen; das haben Sie immer versäumt und nie
geschafft.
({21})
Wir bauen das Fundament für steigende Löhne und
Wohlstand. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass
auf diesem Fundament ein stabiles, glänzendes Deutschland blühen kann. Wir haben die Chance, langfristig den
Pfad hohen Wachstums fortzusetzen, indem wir jetzt, wo
wir Erfolg haben, die Weichen stellen, dass sich das
Wachstum auch in Zukunft weiter fortsetzt. Dazu muss
dafür gesorgt werden, dass es genug Fachkräfte gibt;
dazu müssen in der Tat Rohstoffe gesichert werden.
Dazu gehört aber auch eine berechenbare klare Politik.
Das Schlimmste ist, wenn man keinen klaren Kurs hat.
({22})
Wirtschaften ist Rechnen. Wir haben einen klaren Kurs.
Das wirkt mit.
Hauptleistungsträger sind die Menschen. Aber eine
Politik, die den richtigen Rahmen setzt, trägt mit dazu
bei, dass wir insgesamt erfolgreich sind. Hören Sie auf,
die Menschen und den Erfolg in unserem Lande
schlechtzureden.
({23})
Gönnen Sie sich einmal eine halbe Stunde Freude über
das, was wir in Deutschland gemeinsam erreicht haben.
({24})
Nächster Redner ist der Kollege Carsten Schneider
für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, Sie haben gesagt, Schwarz-Gelb zahlt
sich für Deutschland aus. Ich stelle fest: Schwarz-Gelb
zahlt sich aus für die Mövenpicks, für die Atomlobby
und für die Pharmaindustrie. Die haben Sie hier bedient.
({0})
Sie sind in den Wahlkampf gezogen und haben von
„Mehr Netto vom Brutto“ gesprochen. Das ist entscheidend. Das will ich einmal ganz klar sagen. Wir haben ein
starkes, überaus exportgetragenes Wachstum. Wir brauchen eine stärkere Binnennachfrage. Ich frage Sie: Was
tun Sie eigentlich dafür? Da, wo Sie die Möglichkeit
dazu haben, haben Sie den Arbeitnehmern in Deutschland über Steuern und Sozialabgaben das Geld aus der
Tasche gezogen. Sie haben zusätzliche Steuern eingeführt. Vorige Woche haben Sie hier im Bundestag die
Krankenversicherungsbeiträge einseitig zulasten der Arbeitnehmer erhöht.
({1})
Das führt dazu, dass sie weniger in der Tasche haben. Sie
erhöhen die Tabaksteuer fünfmal. Sie wollten die Steuersenkungskoalition sein; doch nichts ist. Eine Nettolügenkoalition, das sind Sie.
({2})
Wir haben kein extremes Problem bei der Besteuerung
der Löhne und Einkommen in Deutschland. Im Gegenteil, wir haben ein Problem bei den Sozialabgaben derjenigen, die dem unteren Einkommensbereich angehören.
Das ist der entscheidende Punkt.
({3})
Bei mir in Erfurt beträgt das durchschnittliche Bruttoeinkommen 22 000 Euro. Was meinen Sie, wie viele
Steuern Verheiratete mit zwei Kindern zahlen? Keinen
Carsten Schneider ({4})
Cent! Aber Sozialabgaben sind jede Menge zu entrichten. Das heißt, wenn man irgendwo ansetzen möchte,
dann sollte man das in diesem Bereich tun. Doch Sie
senden die falschen Signale. Sie senken nicht den Rentenversicherungsbeitrag - obwohl es möglich wäre -,
weil Sie Haushaltskonsolidierung nach dem Prinzip
„rechte Tasche, linke Tasche“ betreiben. Der Rentenversicherungsbeitrag wird erhöht werden. Sie erhöhen die
Krankenversicherungsbeiträge einseitig zulasten der Arbeitnehmer. Außerdem haben Sie die Flugticketsteuer
eingeführt. Das ging zulasten der Binnenwirtschaft. Sie
haben klar versagt; denn das, was Sie getan haben, ist
das Gegenteil von Stärkung der binnenwirtschaftlichen
Kaufkraft.
({5})
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Herr
Minister, Sie haben gesagt, Sie setzen die Konsolidierung fort. Dass Sie an dem Konjunkturpaket und dem
jetzigen Erfolg keinen Anteil haben, das ist offensichtlich. Deutschland brummt trotz Schwarz-Gelb und nicht
wegen Schwarz-Gelb. Aber dass Sie behaupten, Sie hätten den Staatshaushalt konsolidiert, ist schon ein starkes
Stück. Im Gegenteil, Sie haben zum 1. Januar 2010 diesen Staat um 10 Milliarden Euro ärmer gemacht, indem
Sie die Mövenpicks und die reichen Erben in diesem
Lande steuerlich begünstigt haben. Das ist der Punkt.
Das war aber keine Konsolidierung, sondern strukturell
Bedienung Ihrer Wählerklientel.
({6})
Sie haben nichts zur Stärkung der Investitionen getan.
Herr Brüderle, Sie haben hier fast eine Klamaukrede
gehalten. Ich will etwas zur finanziellen Situation des
Bankensektors sagen.
Kann, lieber Herr Kollege Schneider, der Kollege
Lindner vorher eine Zwischenfrage stellen?
Gern.
({0})
Herr Lindner, bitte.
Herr Kollege Schneider, verraten Sie uns einmal, was
aus Ihrer Sicht mehr zur Binnenkonjunktur beigetragen
hat: ein steuerliches Entlastungsprogramm für das gesamte Hotelgewerbe, in dem 1 Million Menschen arbeiten, oder die von Ihnen beschlossene Absenkung der
Mehrwertsteuer für die Binnenkreuzschifffahrt? Kollege Schneider, versuchen Sie einmal, uns das zu erklären.
({0})
Herr Kollege, eine schlechte Sache wird nicht besser,
wenn man sie wiederholt.
({0})
Ich will Ihnen klar sagen, Herr Kollege Lindner: Wir stehen zu unserem Fehler. Die von Ihnen angesprochene
Steuerermäßigung ist uns damals von der CDU und von
der CSU aufgedrückt worden. Wir wollen, dass das korrigiert wird. Sie werden schon sehen.
Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich vorgenommen, das Steuersystem zu vereinfachen. Letzte Woche wurde der Koalitionsausschuss einberufen. Nichts
kam dabei heraus. - Herr Lindner, bleiben Sie ruhig stehen. Ich bin noch nicht fertig. - Gar nichts ist bezüglich
einer Vereinfachung des Mehrwertsteuersatzes passiert.
Es gab ein totales Versagen der FDP, aber auch des Finanzministers.
({1})
Das Mehrwertsteuergeschenk für die Hoteliers hat den
Gesamtstaat 1 Milliarde Euro gekostet. Gebracht hat es
100 Millionen Euro Mehreinnahmen. Lächerlich! Das
sind Geschenke, die dem Staat Deutschland und der
Wirtschaft nicht helfen. Wir sollten daraus lernen: Steuerpolitische Klientelgeschenke darf es nicht wieder geben. Diese Lehre sollten Sie ziehen.
({2})
Zurück zum Bankensektor. Ich will gezielt den Landesbankensektor herausgreifen. Das Ganze ist ein großes Problem. Es geht dabei nicht nur darum, dass in diesem Sektor 18 Prozent der Mittelstandskredite vergeben
werden, sondern auch darum, dass über den öffentlichen
Haushalten ein Damoklesschwert schwebt. Ich bin mir
nicht ganz sicher, ob sich die Eigentümer der Landesbanken, die Ministerpräsidenten, wirklich bewusst sind,
welches Risiko sie eigentlich eingegangen sind, was da
in ihren Haushalten schlummert. Viel schlimmer ist das
systemische Risiko, das von den Landesbanken ausgeht.
Es stellt sich die Frage, was der Bund, die Bundesregierung, der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister, tun, um dieses systemimmanente Problem zu lösen.
Sie haben einen Gipfel groß angekündigt; aber es ist
nichts passiert. Ich habe von keinem Ergebnis gehört.
Dabei besteht hier im Hinblick auf die Systemrelevanz
im Finanzsektor das größte Risiko für Deutschland. Das
ist auch deshalb entscheidend, weil es hier um die Frage
des Mittelstandskreditgeschäfts geht.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich erwarte, dass Sie
sich da einmal einmischen und mit einer eigenen Idee
nach vorne kommen, anstatt die Sache nur grob wegzuwischen. Hier geht es um eine systemrelevante Frage.
Ich fordere Sie auf, endlich zu handeln. Denn die TankCarsten Schneider ({3})
stelle, die SoFFin, schließt am 31. Dezember 2010; danach gibt es keine Chance zur Neuordnung mehr. Dieses
Beispiel zeigt, dass Sie unkoordiniert vorgehen, dass Sie
von Tag zu Tag leben und keinen größeren Plan haben.
({4})
Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen. Das
Thema Banken hängt stark mit dem Euro und insofern
mit Europa zusammen. Ich werde jetzt nicht auf Irland
eingehen; dafür fehlt die Zeit. Ich will im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen einen Punkt im Bereich der Europapolitik herausgreifen, der vielleicht wie
eine Petitesse wirkt, aber stilbildend ist. Wenn eines klar
ist, dann das: Wir brauchen in Europa eine stärkere Abstimmung und Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Damit meine ich nationalstaatliche Souveränität,
aber abgestimmt. Dazu gehört aber auch, dass man miteinander redet und einen gemeinsamen politischen Thinktank hat. Es gibt in Europa solch einen Thinktank, bei dem
fast alle EU-Staaten Mitglied sind - wir sind mit Frankreich Gründungsmitglied -: Bruegel. Ein Teil der Etatisierung - 130 000 Euro - läuft über Ihren Haushalt, Herr
Wirtschaftsminister; ein weiterer Teil - 130 000 Euro läuft über Ihren Haushalt, Herr Finanzminister. Die Koalition hat in der Bereinigungssitzung die wahnsinnig
kluge Idee gehabt, die 130 000 Euro im Haushalt von
Herrn Schäuble zu streichen, hat dabei aber vergessen,
dass noch 130 000 Euro bei Herrn Brüderle eingestellt
sind.
({5})
Das zeigt nur, dass wir uns aus den europapolitischen
Debatten entfernen, wenn es darum geht, Strategien zu
entwickeln, dass Sie vollkommen kurzfristig handeln,
sodass Sie, Frau Kollegin Flach, nicht einmal auf dem
Schirm hatten, dass es eine Kofinanzierung über den einen Etat gab, als Sie die Mittel im anderen Etat gekürzt
haben. Das ist stilbildend.
({6})
Kollege Duin ist vorhin auf die Frage der Steinkohle
eingegangen. Es ist stilbildend, welches Personal Sie
nach Europa schicken. Es gab eine für Deutschland
wichtige Entscheidung zur Steinkohle, die von der Kommission getroffen wurde. Der zuständige Kommissar ist
ein Deutscher; aber er war nicht einmal da. Solche Leute
schicken Sie nach Brüssel.
Lieber Kollege Schneider, die Uhrzeit ist halt so, wie
sie ist.
Ich wollte den letzten Satz sagen.
Ja, schön.
Das ist stilbildend für die Koalition: Sie sind Abstauber und haben kein eigenes Konzept. Das wird sich bitter
rächen.
Vielen Dank.
({0})
Zusatzfragen können naturgemäß nur im Rahmen der
Redezeit zugelassen werden. Ich bitte um Nachsicht.
({0})
- Nein, das kann ich besser beurteilen.
Lieber Kollege Fuchs, Sie haben jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr
Duin, die Äußerungen, die Sie im Seeheimer Kreis gemacht haben, waren weit sinnvoller als das, was Sie hier
heute vorgetragen haben.
({0})
Ich habe mir einmal ein paar Punkte herausgesucht, die
Sie dort geäußert haben. Sie sagten über die SPD:
Sie steckt in einer schweren Identitätskrise.
Sie sagten weiter über die SPD:
Unsere Wirtschaftspolitik lässt kaum eine ordnungspolitische Linie erkennen.
({1})
Das, was Sie in Ihrer Rede erkennen ließen, gibt dem
Ganzen noch mehr Nahrung. Sie sollten das ändern; Sie
sollten die Dinge, die gut gelaufen sind und gut laufen,
einfach anerkennen. Das würde Ihnen besser stehen.
({2})
Mit dem vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts
2011 und dem vorliegenden Einzelplan 09 stärkt die Koalition gezielt und meiner Meinung nach sehr verantwortungsbewusst das Wachstum. In der Koalition von
CDU/CSU und FDP haben wir es zusammen geschafft,
Wachstum in Deutschland hinzubekommen.
({3})
Das hätte uns eigentlich keiner zugetraut. Wenn wir am
Jahresanfang den Bundeswirtschaftsminister korrigiert
hätten, als er ein Wachstum von 1,4 Prozent prognostiziert hat, und gesagt hätten, dass wir ein Wachstum von
3,5 Prozent, vielleicht sogar von 3,8 Prozent erreichen
werden, dann hätten Sie uns schlicht für verrückt erklärt.
Sie haben uns das, was passiert ist, in keiner Weise zugetraut; Herr Gabriel hat das permanent gesagt.
Wir werden aber ein Wachstum von 3,5 bis 3,8 Prozent erreichen. Wir werden im nächsten Jahr - die Commerzbank hat das gestern bekannt gegeben - vermutlich
ein Wachstum von etwa 2,6 Prozent erreichen. Das
heißt, dass sich das Wachstum verstetigt. Das ist ausgesprochen positiv. Das können wir gemeinsam erfreut zur
Kenntnis nehmen; denn das ist es, was wir brauchen.
Wir brauchen ein vernünftiges Wachstum. Das hilft bei
der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in jeder Hinsicht.
({4})
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
sind gegen einen modernen Industrie- und Wirtschaftsstandort. Sie träumen von einer klimaneutralen Welt,
von einem Standort ohne Schwerindustrie und ohne
Wertschöpfungsketten. Sie verweigern, Sie blockieren.
({5})
Das Wirtschaftsministerium hat einen Beitrag zur
Konsolidierung des Bundeshaushalts geleistet. Der
Haushaltsansatz für 2011 ist gegenüber dem Haushaltsansatz für 2010 nur leicht gesunken. Dennoch ist es dem
Bundeswirtschaftsminister gelungen - dafür bin ich ihm
ausgesprochen dankbar -, dafür zu sorgen, dass die Mittel für Investitionen in Forschung und Entwicklung steigen. Das Haus hat gute Arbeit geleistet. Herr Bundesminister, wir gratulieren Ihnen dazu.
({6})
Sie von der Opposition hingegen, insbesondere die
Grünen und die Linken, stehlen sich konsequent aus der
haushaltspolitischen Verantwortung.
({7})
Über die SPD braucht man gar nicht viel zu reden.
Der SPD fehlt es derzeit gänzlich an Kontur - den Vorsitzenden nehmen wir einmal aus -, ihr fehlt es an Profil,
ihr fehlt es an Programm.
({8})
Herr Duin, ich darf Sie wieder zitieren. Sie haben gesagt:
CDU und Grüne bestimmen die politischen Diskussionen, die SPD kommt kaum noch vor …
Das ist ein wörtliches Zitat aus einem Papier des Seeheimer Kreises.
({9})
So ist es halt. Wir stellen das fest. Deshalb macht es gar
nicht viel Sinn, sich an Ihrem Programm abzuarbeiten.
Es ist nämlich nicht vorhanden.
({10})
Bemerkenswert ist allerdings, dass Sie sich von Bewährtem verabschieden, von Hartz IV und der Rente mit
67. Auch das zeigt, wie ziel- und haltlos die SPD geworden ist. Das ist einfach traurig.
Die Grünen überraschen uns seit dem Wochenende
mit einer konsequenten Annäherungs- oder, besser: Anbiederungspolitik gegenüber der Linkspartei. Sie geben
ihr Ziel, mit Links zu koalieren, deutlich zu erkennen.
Lieber Herr Kuhn, Sie waren einer der wenigen, die dagegen gekämpft haben. Aber Ihnen ist das nicht allzu gut
gelungen. Eine Zeitung hat zu Recht getitelt: „Das teure
Land der Grünen“. Ich will nur ein paar Punkte nennen:
Bis 2030 soll der Strom und bis 2040 die Wärme komplett, zu 100 Prozent, aus erneuerbaren Energien kommen.
({11})
Das ist Deindustrialisierungspolitik, nichts anderes.
({12})
Sie wollen einen Energiesparfonds für Wärmedämmung auflegen - Kosten: 3 Milliarden Euro. Sie wollen
eine Kindergrundsicherung, 330 Euro pro Kind - Kosten:
18 Milliarden Euro. Sie wollen Hartz IV auf 420 Euro
erhöhen - Kosten: 10 Milliarden Euro. Die sozialpolitischen Wohltaten - das sagen Sie selbst - kosten ungefähr 60 Milliarden Euro. Steuerausfälle kommen noch
hinzu.
({13})
Das ist angesichts einer gigantischen Staatsverschuldung in der Größenordnung von 1,7 Billionen Euro in
meinen Augen absolut verantwortungslos in diesem
Land.
({14})
Mit diesem Programm, das Sie in Freiburg aufgestellt
haben, haben Sie Ihre Verantwortungslosigkeit bewiesen.
Gleichzeitig wollen Sie die Mittelschicht, vor allem
die Facharbeiter, in Deutschland treffen. Sie wollen die
Beitragsbemessungsgrenze bei der gesetzlichen Krankenversicherung von 3 750 auf 5 500 Euro anheben.
({15})
Was bedeutet das denn? Das bedeutet, dass der Facharbeiter 250 Euro mehr Beitrag zu entrichten hat.
({16})
- Nehmen Sie das doch einfach zur Kenntnis. - Sie wollen die Abgeltungsteuer erhöhen, und Sie wollen die Gewerbesteuer für Freiberufler einführen. Künstler, Architekten - alle sollen in Zukunft Gewerbesteuer zahlen.
Lieber Herr Kuhn, wenn das eine vernünftige Politik ist,
dann weiß ich es nicht. Das Ehegattensplitting soll abgeschafft werden. Sie treiben die Leistungsträger munter
aus dem Land.
({17})
Darüber hinaus fordern Sie die Erdverkabelung, die
bis zu zehnmal so teuer ist, je nachdem, welche Stromleitung Sie legen. Es gibt ein wunderschönes Beispiel: In
Niedersachsen soll eine Leitung von Ganderkesee nach
St. Hülfe gelegt werden. 10 Kilometer sollen unterirdisch verlegt werden, 50 Kilometer als Freileitung. Die
50 Kilometer Freileitung kosten 60 Millionen Euro und
diese 10 Kilometer Erdkabel hingegen aber 100 Millionen Euro. Das Ganze wird demnächst über die Stromrechnung auf die Verbraucher umgelegt. Das ist Ihre
Politik. Sie greifen den Menschen an allen Ecken und
Kanten in die Tasche, und das in einer massiven Weise,
die nicht mehr zu ertragen ist.
({18})
Meine Damen und Herren, was die Grünen auf ihrem
Parteitag beschlossen haben, war mir bislang eigentlich
nur von der Linkspartei bekannt. Für mich kommen Ihre
Forderungen Enteignungsgedanken gleich.
({19})
Wie nah Sie an den Positionen der Linken sind, kann
man an Ihren Forderungen sehen: Sie fordern die gleichen Hartz-IV-Sätze. Was die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro angeht, hinken Sie noch ein bisschen
hinterher. Ein Betreuungsgeld für alle Kinder bis
20 Jahre haben Sie zwar noch nicht gefordert. Aber das
wird wahrscheinlich auf dem nächsten Parteitag nachgeschoben.
({20})
Mit Ihren Vorschlägen zielen Sie auf die Mittelschicht. Ich will dazu drei simple Zahlen nennen.
({21})
Bereits heute zahlen die obersten 5 Prozent der Einkommensteuerzahler 39,7 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Die obersten 10 Prozent zahlen 52,7 Prozent
und die obersten 25 Prozent zahlen 75,2 Prozent. Diese
wollen Sie weiter intensiv belasten; anders würden Ihre
Programme auch nicht funktionieren. Ich bin ziemlich
sicher, dass Sie das selbst wissen. Sie tragen zwar das
grüne Mäntelchen des Bürgertums, darunter ist aber
nichts anderes als nackter Sozialismus.
({22})
Sie entwickeln sich zu einer Enteignungspartei. Sie
machen Ihrem Ruf einer Dagegen-Partei alle Ehre, indem Sie sagen: Wir wollen die Eisenbahn fördern und
wir wollen, dass mehr Menschen den Zug benutzen, aber
wir sind gegen Stuttgart 21. Wir wollen Pumpspeicherkraftwerke, aber in Atorf im Schwarzwald sind wir dagegen. - Sie sind praktisch gegen jedes Großprojekt in
Deutschland. Überlegen Sie sich bitte einmal, was diese
Haltung für Unternehmen bedeutet. Wenn Firmen den
Zuschlag für einen Auftrag bekommen, Herr Kuhn, dann
ist doch klar, dass sie mit der Planung und Vorbereitung
des entsprechenden Projektes beginnen und beispielsweise Mitarbeiter einstellen. Aber auf einmal ist die
Politik dagegen.
Herr Kollege Brüderle hat Ihre Haltung am Beispiel
der Olympiabewerbung plastisch dargestellt. Ich kann
das überhaupt nicht verstehen. Was war die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland für ein Sommermärchen!
Was war hier los! Welche Aufbruchstimmung hat das erzeugt! Dass Sie jetzt gegen solche Projekte in Deutschland sind, ist für mich absolut unverständlich.
Sie sind die Dagegen-Partei. Wir sind dafür, dass sich
der Standort Deutschland weiterentwickelt. Wir sorgen
dafür, dass wir mit einer vernünftigen Politik den Haushalt konsolidieren. Dafür bin ich den Haushältern und
auch dem Bundeswirtschaftsminister außerordentlich
dankbar. So kommt Deutschland nach vorne. Aber mit
Ihrer Dagegen-Einstellung geht es zurück.
({23})
Das Wort erhält der Kollege Roland Claus für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst
zur Klarstellung: Die Linke steht für eine Wirtschaftspolitik, die Mittelstand und Existenzgründern Zukunftschancen eröffnet und nicht verbaut,
({0})
die Arbeit schafft, von der Beschäftigte sorgenfrei leben
können. Die Linke will eine Wirtschaftspolitik, die zu
mehr wirtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit gleichermaßen beiträgt.
({1})
Kleiner geht es nicht aus der Sicht einer kreativen und
lustvollen Opposition. „Klar so weit?“, kann ich Sie da
nur fragen.
Dort, wo die Linke Wirtschaftsminister stellt, werden
diese Grundsätze im Rahmen landespolitischer Möglichkeiten auch umgesetzt. Ganz anders Ihr Etat, Herr Minister Brüderle. Ihr Etat steht für Ämterverwaltung plus
Lobbyismus für Raum- und Luftfahrt und Lobbyismus
für die Rüstungsindustrie.
({2})
Damit für die Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht: Mit diesem Etat machen wir nicht wirklich Industriepolitik. Wenn man die Steinkohle- und die Flugzeugsubventionen abzieht, beträgt dieser Etat etwa 1 Prozent
des Gesamthaushaltes. Das reicht zum Geschenkeverteilen, doch für eine vernünftige Wirtschaftspolitik reicht
das nicht.
({3})
Nun hat uns Minister Brüderle schon im September
mit seiner Lyrik erfreut und gemeint, der Aufschwung
habe Flügel bekommen. Für die gewachsene Zahl der
Millionäre mag das stimmen. Ich kann Ihnen dazu nur
sagen, Herr Minister Brüderle: Flügel sind ein Instrument zum Abheben. Wir stellen hingegen fest: Der Aufschwung kommt bei den lohnabhängig Beschäftigten,
bei den Rentnerinnen und Rentnern und bei den Menschen, die nach wie vor Arbeit suchen, nicht an. Niedriglohn, Leih- und Zeitarbeit, befristete Arbeitsverträge insbesondere für Berufseinsteiger sind Ergebnis Ihrer
Politik. Einem Gegensteuern mit einem gesetzlichen
Mindestlohn, wie wir ihn fordern, verweigern Sie sich.
Deshalb ist diese Politik nicht zu akzeptieren; sie braucht
weiterhin Alternativen.
({4})
Die Krise, von der hier viele Rednerinnen und Redner
sagen, sie sei vorbei, ist für mich erst dann überwunden,
wenn das Übergewicht der sogenannten Finanzwirtschaft gegenüber der sogenannten Realwirtschaft, das
noch vielfach anzutreffen ist, gebrochen wird.
Ich will einige Fakten aus dem Osten der Republik
beisteuern, weil diese Republik auch wirtschaftspolitisch
immer noch eine geteilte Republik ist. Auch wirtschaftspolitisch nimmt der Abstand zwischen Ost und West seit
zehn Jahren nicht ab, sondern zu. Der Anteil ostdeutscher Produkte auf westdeutschen Märkten macht gerade
einmal 2,6 Prozent aus. Nur 5 Prozent der Ausgaben für
Forschung und Entwicklung kommen im Osten zum Einsatz. Keine einzige Firmenzentrale ist im Osten stationiert.
Nimmt man die 100 größten ostdeutschen Unternehmen zusammen, erreichen sie nicht einmal die Hälfte der
Leistungskraft von Daimler. Demgegenüber sind fast
2 Millionen Ostdeutsche seit den 90er-Jahren der Arbeit
hinterher in den Westen gezogen und dort beschäftigt.
Dabei sind es aber gerade die Standorte im Osten, die
den sozialökologischen Umbau vorbildhaft vollziehen.
Diesen Erfahrungsvorsprung im Osten sollten wir endlich nutzen und nicht brachliegen lassen.
({5})
Wir sehen das bei den erneuerbaren Energien, wir sehen
das an vielen anderen Beispielen, merken aber wieder,
dass bundespolitisch wirtschaftliches Denken ausschließlich als wirtschaftliches altes Denken stattfindet. Ich sage
Ihnen dazu: Aus der Krise führen nur neue Wege.
({6})
Noch einige Beispiele. Wir haben im Süden SachsenAnhalts und in Niedersachsen hervorragende Erfahrungen mit dem Altölrecycling gemacht. Da gibt es einen
technologischen Vorsprung. Wenn man in den USA irgendwann begreift, dass Erdöl nicht zum Verbrennen,
sondern zum Veredeln geeignet ist, werden wir diesen
technologischen Vorsprung auch nutzen können.
Wir haben an den ostdeutschen Chemiestandorten
hervorragende Logistik, sehr gute Bedingungen für die
Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, ein Hand-in-Hand von Industriestandorten und
Kommunen, und wir haben neue Erfahrungen bei der
Kooperation von Landwirtschaft und Industrie in den
Netzwerken der Ernährungswirtschaft gemacht. Deshalb
sagen wir: Lassen Sie uns den Osten endlich als Chance
begreifen, Industriepolitik neu zu denken! Um mehr
oder weniger geht es hier nicht.
({7})
Zukunftsfähige Politik geht allerdings nicht mit einem Bundesminister, der immer nur den alten Hut der
Steuersenkungen bemüht und auch heute wieder für
seine Steuersenkungen wirbt - nun mit Charakter, wie
wir gehört haben. Dieser Charakter sei einfach, niedrig
und gerecht.
Dazu ist festzustellen: Einfach, niedrig und gerecht
sind in diesem Land im Moment nur die Umfragewerte
der FDP.
({8})
Das Wort erhält nun der Kollege Alexander Bonde für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Brüderle, es reicht einfach nicht, wenn man sich
mit Zigarre und Ludwig-Erhard-Buch für große deutsche
Zeitungen ablichten lässt. Manchmal sollte man das
Buch auch lesen.
({0})
Das ist, glaube ich, die Konsequenz, die wir auch heute
wieder aus Ihrer Rede ziehen müssen. Denn Ordnungspolitik hat wenig mit dem zu tun, was Sie an lobbygetriebener Subventionspolitik als gesamte Koalition betreiben, aber was auch ganz konkret die Bilanz von
einem Jahr Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister ist.
({1})
Sie haben vorhin ja wieder eine Karnevalsrede gehalten, die aus dem Wachstumstaumel gar nicht mehr herauskam. Vor lauter Wachstumstaumel stellen Sie sich
einer Frage nicht, nämlich der Frage: Wie nutzt man die
gute Phase, die sich im Moment zum Glück abzeichnet
- wir sind froh, dass wir mit diesem Aufschwung aus
der Krise herauskommen -, um Vorsorge für schlechte
Zeiten zu treffen und um Fragen anzugehen, die man in
guten Zeiten anpacken kann, wie die Frage der Verschuldung? Wir alle wissen, das ist das große Wachstumshemmnis der Zukunft, das ist das große Problem
auch für unsere Volkswirtschaft. Dazu kommt von Ihnen
nichts. Im Gegenteil: Sie sind ein Schuldenrisiko in dieser Koalition. Denn in dem Moment, in dem die Rekordverschuldung einen Tick sinkt - sie ist dabei immer noch
auf Rekordhöhe -, schreien Sie als Erster nach Steuersenkungen. Das hat nichts mit Ordnungspolitik zu tun,
und das hilft auch nicht, die Defizite unserer Volkswirtschaft zu beheben.
({2})
Ich hätte von einem Wirtschaftsminister erwartet,
dass er einmal ehrlich darüber spricht, was die Politik
dieser Koalition für die Sozialversicherungen in
Deutschland bedeutet. Wir erleben in der Gesundheitspolitik, dass es für die Menschen teurer wird. Um die Interessen einer ganz kleinen Klientel zu schützen - es
geht darum, Ihre Buddies aus der Pharmaindustrie zu
pampern -, wird das gesamte System teurer. Die Lohnnebenkosten werden steigen. Es geht überhaupt nicht
mehr darum, dass sich Leistung wieder lohnt. Denn für
die Menschen im Land, die etwas leisten, wird es teurer.
Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Ich hätte vom Wirtschaftsminister erwartet, dass er etwas dazu sagt.
({3})
Bei der Bundesagentur für Arbeit geht es um die Beiträge. Sie sanieren im Moment virtuell den Bundeshaushalt, indem Sie der BA statt eines Zuschusses ein Darlehen geben. Das heißt, Sie verschieben die Verschuldung
zu den Beitragszahlern. Damit machen Sie Druck hinsichtlich Beitragserhöhungen. Sie kassieren die Insolvenzumlage der Bundesagentur - das sind 1,1 Milliarden
Euro - für Ihre Einsparungen ein. Das heißt, bei Ihrer
Politik nehmen Sie bewusst in Kauf, dass die Beiträge
steigen. Das hat mit dem, was Sie hier erzählen, nichts
zu tun. Das muss man an dieser Stelle festhalten, Herr
Brüderle.
({4})
Bei allen großen Herausforderungen der Volkswirtschaft sind Sie abgemeldet. Die Fragen sind: Wohin
geht eigentlich unsere Wirtschaft? Wo sind die Märkte
von morgen? Fehlanzeige bei Ihnen. Sie sind mit Vorstellungen aus den 80er-Jahren unterwegs, die auf Beton
und nicht auf eine intelligente Analyse der Lage setzen.
Den Klimawandel halten Sie offensichtlich für eine
Verschwörung. Mit Ressourcenmangel können Sie nicht
umgehen. Sie schauen nur nach China wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie haben keine Vorstellung, was
Energieeffizienz und ressourcenschonendes Wirtschaften bedeuten, und das in einer Situation, in der unsere
Leitbranchen - ich sage das als Baden-Württemberger -,
der deutsche Maschinenbau, die deutsche Automobilindustrie, alle Branchen, die mit Mobilität zu tun haben, an
der Schwelle stehen, an der sich entscheidet, ob wir den
Sprung schaffen, ob wir das Hightechpotenzial, das wir
haben, nutzen, um in die Märkte von morgen zu gehen.
Was kommt vom Wirtschaftsminister? Nichts.
Dieser Wirtschaftsminister ist dagegen, die Chancen
des Klimawandels zu erkennen. Dieser Wirtschaftsminister ist dagegen, erneuerbare Energien verstärkt zu
nutzen. Dieser Wirtschaftsminister ist dagegen, Wettbewerb auf dem Strommarkt zu schaffen, weil er lieber vier
Monopolisten durch Laufzeitverlängerung de facto subventioniert, anstatt auf Wettbewerb, auf Stadtwerke und
erneuerbare Energien zu setzen, die uns international unabhängiger machen würden.
({5})
Insofern ist es logisch, dass Ihr Haushalt so aussieht,
wie er aussieht. Es ist ein Bauchladen an Subventiönchen und Fördertöpfchen. Jeder bekommt ein bisschen,
aber niemand so viel, dass es wirklich hilft.
({6})
Ökologische Modernisierung findet sich in keinem der
44 Förderprogramme, an keiner relevanten Stelle. Jetzt
machen Sie eine kleine Bereinigung, indem Sie die Exportfördertöpfe für alle in einem großen Topf zusammenfassen; aber die Unterprogramme bleiben genau
gleich.
({7})
Ordnungspolitik als Fassade, darin ist dieser Wirtschaftsminister gut. Aber immer wenn es darum geht,
Weichen zu stellen und zu sagen, wo die Herausforderungen liegen, hält er nur wachstumstaumelnde Reden.
Steuerversprechungen und Steuerlüge sind munter weiter Programm von Rainer Brüderle. Davon hat das Land
nichts, Herr Wirtschaftsminister.
({8})
Ernst Hinsken ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
So kann es sein: Da verlässt der Redner das Rednerpult, und die Zuhörerinnen und Zuhörer haben gar nicht
gemerkt, dass er fertig ist.
({0})
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die ganze Welt spricht vom
deutschen Jobwunder. Ein Wunder ist es nicht. Die Entwicklung beruht vielmehr auf den richtigen Weichenstellungen unserer Regierung, gerade in den letzten Jahren.
({1})
Deutschland boomt. Kurzarbeit, Wachstumsbeschleunigungs- und Bürgerentlastungsgesetz, Konjunkturprogramme, zurückhaltende Gewerkschaften und der den
Deutschen eigene Unternehmergeist, das sind die Grundlagen dieses Erfolgsmodells, das wir weltweit vorweisen können.
({2})
Darauf sollten wir alle ganz besonders stolz sein - auch
Sie, Herr Heil; denn bei verschiedenen Programmen haben Sie gut mit uns zusammengearbeitet und Weichenstellungen in die Zukunft vorgenommen. Das soll hier
heute auch gesagt werden.
({3})
Es sollte uns alle mit Stolz erfüllen, dass sich Deutschland zurzeit im Kreis der fünf wettbewerbsfähigsten Nationen der Welt befindet.
Warum? Die Regierung Merkel hat die Chance genutzt und nutzt sie weiterhin. Überall ist der Aufschwung sichtbar.
({4})
Boomende Exporte, steigende Anlageinvestitionen, Zunahme des privaten Konsums, Anstieg der Reallöhne im
Vergleich zum Vorjahr usw.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Schlager
„Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern
das Bruttosozialprodukt“ ist aktueller denn je. Lassen
wir ihn wieder aufleben.
({5})
In 18 von 30 international vergleichbaren Gruppen
sind die deutschen Maschinenbauer Weltmarktführer.
Herr Minister Brüderle, Sie haben bereits darauf verwiesen. Ich kann das nur doppelt und dreifach unterstreichen, wenn auf die Stärken der deutschen Wirtschaft
verwiesen wird. In elf weiteren Ländern stehen sie auf
dem Siegertreppchen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich meine schon,
auf meinen Vorredner, Herrn Bonde, eingehen zu dürfen,
wenn er auf Maschinenbau, Anlagenbau und dergleichen
mehr verweist. Sicher, wir müssen uns anstrengen, um
nicht überholt zu werden. Aber wir haben zum Beispiel
beim Anlagenbau zur Fördertechnik zurzeit einen Anteil
von 20,2 Prozent vor China mit 11 Prozent und den USA
von 10,5 Prozent. Den gilt es zu halten. Den können wir
aber nicht halten, wenn wir die Politik machen, die Sie
hier in der Bundesrepublik Deutschland gern umgesetzt
haben wollen. Herr Kuhn, Sie nehme ich ausdrücklich
aus. Sie sind im Gegensatz zu vielen, vielen anderen eine
leuchtende Gestalt der Grünen.
({6})
Herr Kuhn, das steht jetzt im Protokoll. Sie können
beruhigt sein.
({0})
Zurzeit liegen wir in der Bundesrepublik Deutschland
bei 2,9 Millionen Arbeitslosen. Das sind gut 7 Prozent.
In verschiedenen Gebieten liegen wir sogar nur bei 2,4
bzw. 2,5 Prozent, 2,6 Prozent. Ein Teil meines Wahlkreises war vor 30 Jahren das Armenhaus Deutschlands und
ist in der Zwischenzeit eine Spitzenregion Europas geworden - dank regionaler Wirtschaftspolitik. Das ist
nicht von selbst gegangen. Da hat der Staat mitgeholfen.
Da haben wir die richtigen Weichenstellungen getroffen.
({0})
Herr Minister Brüderle, ich bin dankbar dafür, dass
Sie inzwischen auch dafür sind, dass die Mittel für die
regionale Wirtschaftsförderung nicht runtergefahren,
sondern ein bisschen erhöht werden, weil sie sich so positiv auswirken, insbesondere in strukturschwachen Bereichen.
Meine Damen und Herren, auch international können
wir uns sehen lassen. Unsere Erwerbslosenquote liegt,
wie gesagt, bei 7,5 Prozent. In den USA liegt sie bei
9,6 Prozent, in der EU auch bei 9,6 Prozent, in Frankreich bei 10,1 Prozent. In Spanien liegt sie sogar bei
20,5 Prozent. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2005 lag sie
bei 9,4 Prozent. Bei uns ist sie kleiner geworden, in Spanien doppelt so hoch.
Deutschland hat mit 3,5 Prozent gegenwärtig die
höchsten Wachstumsraten unter den Industrieländern.
Wir haben das stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Ohne Deutschland würde die Wirtschaft in Europa nur um gut 1 Prozent wachsen.
({1})
Deutschland ist wieder die Wachstumslokomotive Nummer eins in ganz Europa. Seien wir stolz darauf und feiern wir das.
({2})
Besonders erfreulich ist: Der Anstieg der Exporte und
die angesprungene Binnenkonjunktur gehen Hand in
Hand.
Ein Beispiel. Ein wichtiger Faktor des Mittelstandes,
das Handwerk, ist zurzeit - das wird deutlich, wenn
man Betriebsinhaber fragt -, so zufrieden wie lange
nicht mehr. 86 Prozent von ihnen beurteilen die Geschäftslage als zufriedenstellend oder gut. Dies sind
17 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Man kann es
schlicht und ergreifend auf folgenden Nenner bringen:
Die erfolgreiche Politik der letzten eineinhalb Jahre
muss fortgesetzt werden. Dafür werden wir sorgen.
({3})
Lassen Sie mich zum Schluss, vor allem mit Blick auf
die linke Seite dieses Hauses,
({4})
Folgendes sagen: Was wir in der Bundesrepublik
Deutschland brauchen, sind Mutmacher und nicht Miesmacher wie Sie.
({5})
Die Grünen sind aus ideologischen und opportunistischen Gründen gegen Fortschritt. Sie sind fast immer dagegen. „Grün“ nennen Sie sich, reden aber oft so, als ob
Sie „Blau“ wären. Was Sie sagen, ist häufig völlig realitätsfern.
({6})
Kollege Hinsken.
Ihr Parteitag hat gezeigt: Sie sind eine Neinsagerpartei. Sie blasen zum Generalangriff auf die Mittelschicht.
Sie wollen eine Steuererhöhungsorgie.
({0})
Sie wollen der Wirtschaft die Luft zum Atmen nehmen.
Damit gefährden Sie Arbeitsplätze der Zukunft.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so leicht kann man
es sich machen, wenn man einen Swimmingpool im
Garten hat, seine Schäfchen ins Trockene gebracht hat
und keine Angst um den eigenen Arbeitsplatz haben
muss.
Wir hingegen sorgen dafür, dass auch in Zukunft Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen werden und die
Wirtschaft Luft zum Atmen hat, damit sie weiterhin so
erfolgreich sein kann, wie sie es insbesondere in den
letzten Monaten war.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({2})
Peter Friedrich ist der nächste Redner für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hinsken, trotz Ihrer Rede möchte ich Ihnen zu
einem persönlichen Erfolg gratulieren. Sie haben es geschafft, dafür zu sorgen, dass die Mittel für die Regionalförderung nicht um 50 Millionen Euro, sondern nur
um 40 Millionen Euro gesenkt werden.
({0})
Ich glaube, das ist ein Stück weit Ihr Verdienst; denn Sie
haben gemeinsam mit uns gegen diese Senkung gestimmt. Man hat sich also eines Besseren besonnen. Die
Senkung dieser Mittel ist um 10 Millionen Euro geringer
ausgefallen als geplant. Dafür mein persönlicher Glückwunsch! Nichtsdestotrotz ist die Regionalförderung kein
Beispiel für eine kontinuierliche und gute Wirtschaftspolitik. Denn man fährt die Mittel dort herunter, wo man
in der Fläche Gutes erreicht hat.
({1})
Meine Damen und Herren, was ist eigentlich aus dem
einstigen „Mister Mittelstand“ geworden?
({2})
- Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich bin gerne bereit,
mich zu korrigieren, falls ich etwas Falsches gesagt
habe.
Die Redezeit des Kollegen Hinsken wurde vom Präsidium schon großzügig interpretiert. Bitte halten Sie Ihre
Zwischenfrage möglichst knapp.
Wir machen es ganz schnell.
Verehrter Herr Präsident, ich fasse mich ganz kurz.
Wenn etwas Falsches gesagt wird, muss es richtiggestellt
werden.
Kollege Friedrich hat gesagt, dass eine Senkung der
Mittel für die Regionalförderung um 50 Millionen Euro
vorgesehen war. Nein, geplant war eine Senkung um
24 Millionen Euro. Letztlich sind die Mittel aber nur um
14 Millionen Euro gesenkt worden. Wir haben es den
Haushaltspolitikern und tatkräftigen Mitarbeitern zu verdanken, dass zu guter Letzt doch noch ein Betrag von
10 Millionen Euro draufgesattelt wurde. Dafür möchte
ich mich im Rahmen dieser Haushaltsdebatte herzlich
bedanken.
({0})
Wir halten fest: Es wurde gekürzt.
({0})
- Okay, das können wir also festhalten. Dann sind wir
uns einig.
Was ist aus dem einstigen „Mister Mittelstand“,
Rainer Brüderle, geworden? Herr Brüderle, nach einem
Jahr im Amt kann man sagen: Es war ein Jahr der Fehlentscheidungen für den Mittelstand.
Zunächst zum Haushalt. Wer hat eigentlich von der
Städtebauförderung profitiert? Profitiert haben das
Handwerk und das Bau- und Ausbaugewerbe in genau
den Städten, in denen Sie jetzt kürzen. Fehlanzeige für
den Mittelstand!
Sie haben die Mittel für das Marktanreizprogramm
gekürzt. Aufgrund Ihrer Kürzung werden Investitionen
in Höhe von 1 Milliarde Euro ausbleiben. Dieses Geld
landet also nicht in Aufträgen für den Mittelstand, das
Handwerk und das Bau- und Ausbaugewerbe. Auch hier
Fehlanzeige für den Mittelstand!
({1})
Nun zum Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, zum ZIM. Wo waren Sie eigentlich, als es galt,
dafür zu kämpfen, dass die nicht verausgabten Mittel in
den Jahren 2011 und 2012 ausgegeben werden können?
Bei Rainer Brüderle war Fehlanzeige für den Mittelstand!
Auch jetzt, da es notwendig wäre, den Mittelstand zu
unterstützen, damit er trotz schmalerer Eigenkapitalbasis
weiterhin an Innovationen forschen kann, muss man sagen: Bei diesem Wirtschaftsminister ist absolute Fehlanzeige!
({2})
Zum Thema Kreditversorgung: Sie wissen ganz genau, dass es im Moment zwar keine Kreditklemme gibt,
dass aber der Bankenaufschlag und der Risikoaufschlag
erheblich sind und dass wir langfristig mit deutlich verteuerten Krediten rechnen müssen. Ihr Kreditmediator,
Herr Brüderle, ist ein absoluter Flop. Sie kürzen ihm
zwar jetzt die Mittel, damit der Flop nur noch
3,5 Millionen Euro kostet, aber Sie schaffen ihn nicht ab,
was sinnvoll gewesen wäre. Sie tun faktisch nichts dafür,
dass es eine bessere Kreditausstattung und eine bessere
Kreditberatung gibt.
({3})
Da, wo es nicht einmal etwas gekostet hätte, nämlich bei
den Bürgschaftsbanken, die weiterhin ihre Hybridprodukte an den Markt bringen und die einen großzügigeren
Entscheidungsrahmen hätten bekommen sollen, haben
Sie die Hände in den Schoß gelegt und überhaupt nichts
getan, obwohl es uns keinen müden Euro gekostet hätte,
im Gegenteil. Totalausfall für den Mittelstand bei Rainer
Brüderle.
({4})
Beim Tourismus haben Sie noch immer kein schlüssiges Konzept. Stattdessen subventionieren Sie die Hotelketten; das haben wir heute schon einmal gehabt.
({5})
Auch hier gibt es überhaupt keine Unterstützung für die
mittelständische Wirtschaft.
({6})
- Ich weiß, es tut weh, aber man kann es Ihnen nicht ersparen.
({7})
Sie geben hier 1 Milliarde Euro aus, die an anderer Stelle
nötiger gewesen wäre. Marktanreizprogramme hätten zu
Investitionen geführt. Die jüngsten Bilanzen zeigen auch
dort: keine Investitionen in diesem Bereich. Für den Mittelstand wurde nichts getan.
Beim Thema Gesundheitsreform erleben wir jetzt
Beitragserhöhungen und erhöhte Zuzahlungen, die genau diejenigen treffen, nämlich Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die vom Aufschwung eigentlich etwas
haben sollten. Damit treffen Sie übrigens auch die besonders lohnintensiven Unternehmen, den Mittelstand
und das Handwerk, in denen der Lohnanteil auf der
Rechnung den wesentlichen Anteil ausmacht. Diese zahlen die Zeche für Ihre Abzockerreform, die Sie im Gesundheitswesen auf den Weg bringen. Das zeugt von einer Mittelstandsfeindlichkeit von vorne bis hinten.
({8})
- Frau Flach, weil Sie so laut dazwischenrufen: Schauen
Sie sich einmal an, was Sie bei der Pharmaindustrie gemacht haben. Die mittelständische Heilmittelindustrie,
die pharmazeutischen Hersteller, die im Rahmen des
ZIM innovative Produkte auf den Weg bringen, sind
doch durch Ihre Änderungen bezüglich der Entscheidungsverfahren beim IQWiG benachteiligt worden. Sie,
nämlich der Mittelstand und die Angestellten im Mittelstand, zahlen die Zeche für Ihre Gesundheitsreform.
({9})
Bei der Steuerpolitik haben Sie mit dem sogenannten
Wachstumsbeschleunigungsgesetz dafür gesorgt,
({10})
dass Konzernstrukturen steuerbegünstigt verändert werden können. Die Zeche zahlt auch hier wieder der Mittelstand, weil die Gemeinden durch die Bank die Gewerbesteuer, die Abgaben und die Gebühren erhöhen
müssen. Die Kommunen müssen jetzt flächendeckend
ihre Haushalte aufstellen. Überall gibt es Steuererhöhungen. Ich weiß, auch das hören Sie nicht gerne, weil das
der zweite Teil Ihrer Nettolüge ist. Mit dem, was Sie in
der Steuerpolitik gemacht haben, schädigen Sie den Mittelstand und helfen den Konzernen. Auch da gibt es eine
mittelstandspolitische Fehlanzeige bei diesem Wirtschaftsminister.
({11})
Dass Sie sich um das Thema Fachkräftemangel bemühen wollen, kann ich verstehen. Wenn Sie sich gelegentlich umgucken, werden Sie feststellen, dass es in der
Tat einen Fachkräftemangel gibt. Wir haben überhaupt
nichts dagegen, dass Sie sich um den Bereich der Spezialisten kümmern. Wir haben aber 2 Millionen junge
Menschen in Deutschland, die weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung haben und die wir dringend gerade für das Handwerk und den Mittelstand
bräuchten, weil die Industrie die besten Kräfte immer
wieder abwirbt. Sie tun überhaupt nichts dafür, dass
diese jungen Menschen in eine Ausbildung kommen und
dass sie eine Chance auf Weiterqualifizierung haben,
dass aus An- und Ungelernten tatsächlich - ({12})
- Meine Quelle ist zum Beispiel der Generalsekretär des
Zentralverbands des Deutschen Handwerks letzten
Samstag auf der Freisprechungsfeier in Radolfzell. Die
Industrie wirbt die besten Kräfte ab. Aber Sie tun nichts
dafür, dass Fachkräfte tatsächlich nachkommen, obwohl
es in Deutschland 2 Millionen junge Menschen gibt, die
dringend einen Schulabschluss und eine Ausbildung
brauchen, um damit einen Weg in Arbeit und Beschäftigung zu finden.
({13})
Beim Thema Atom- und Energiepolitik haben Sie
das Erzeugungsmonopol für die vier großen Energieversorgungsunternehmen erneuert. Damit schaden Sie dem
Mittelstand, den Anlagentechnikern und den Maschinenbauern. Diese zahlen die Zeche dafür, dass die vier großen Energieversorgungsunternehmen mit Ihnen die besten Gewinne aller Zeiten machen.
({14})
Herr Brüderle, die Wirtschaft hat sich daran gewöhnt,
dass es eine Kanzlerin gibt, die nur in Industriekombinaten denkt.
({15})
Aber dass es einen Wirtschaftsminister gibt, der als
„Mister Mittelstand“ gestartet ist, der aber, seit er in der
Regierung angekommen ist, nur noch Mist für den Mittelstand macht, das hat die deutsche Industrie bei dem,
was sie für den Aufschwung leistet, nicht verdient; am
wenigsten Handwerk und Mittelstand.
Danke schön.
({16})
Letzter Redner in der Aussprache zu diesem Einzeletat ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute Morgen ja viel gesagt und insbesondere vonseiten der Opposition auch viel kritisiert worden. Man sollte vielleicht
aber doch einmal die Fakten betrachten.
Fakt ist doch - das ist unstrittig -, dass Deutschland
in Europa und auch weltweit mit am besten, wenn nicht
am besten, durch diese Krise gekommen ist.
({0})
Statt 5 Millionen Arbeitslosen, die noch letztes Jahr
vorausgesagt wurden, haben wir unter 3 Millionen Arbeitslose. Wir haben aber nicht nur unter 3 Millionen Arbeitslose, sondern wir haben auch das höchste Beschäftigungsniveau, das wir in Deutschland jemals hatten.
({1})
- Im Gegensatz zu Ihnen habe ich keinerlei Spenden von
Energieversorgungsunternehmen bekommen, weder von
EnBW noch von Photovoltaikunternehmen, weil ich weder der Atomlobby noch der Solarmafia verpflichtet bin,
wie Sie das vielleicht sind. Ich betreibe Politik an Fakten
orientiert.
({2})
- Ja, Herr Kelber, Sie können auch ein Lied davon singen.
Statt minus 5 Prozent Wachstum wie im letzten Jahr,
beträgt das Wachstum in Deutschland in diesem Jahr
3,5 Prozent oder sogar noch mehr. Für das nächste Jahr
wurden die Prognosen gerade gestern nach oben korrigiert; Kollege Fuchs hat es angesprochen. Deutschland
wird mit 2,6 Prozent wieder an der Spitze der Bewegung
in Europa liegen.
Statt der für dieses Jahr befürchteten Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro liegt sie unter 50 Milliarden Euro.
Statt dass wir erst 2013 oder 2014 die MaastrichtKriterien wieder einhalten, wie es unsprünglich angedacht war, werden wir sie vielleicht schon im nächsten
Jahr - hoffentlich; wir sind guter Dinge -, auf jeden Fall
aber 2012 wieder einhalten.
Das sind die Fakten. Deshalb sage ich wirklich auch
einmal in Richtung Opposition: Nehmen Sie diese Fakten doch einfach einmal neidlos oder von mir aus auch
neidvoll - das ist mir egal - zur Kenntnis, weil die Lage
nun einmal so ist.
({3})
Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam stolz darauf
sein.
({4})
Dass es so gekommen ist, ist im Übrigen auch nicht
gottgegeben. Das ist nicht vom Himmel gefallen, kein
Zufall und auch keine Selbstverständlichkeit. Es ist in
der Tat das Ergebnis einer klugen Politik und eines verantwortlichen Handelns von Unternehmen und Arbeitnehmern in der Krise, dass es in Deutschland eine andere
Entwicklung als im übrigen Europa gibt.
Schauen Sie sich andere Länder an. Wenn Sie sich
Spanien oder die USA anschauen, dann sehen Sie, dass
die Arbeitslosigkeit dort drastisch gestiegen ist. In
Deutschland ist das nicht der Fall. Wenn Sie in andere
Länder fahren, dann wird Ihnen dort bestätigt, dass
Deutschland eine gute Politik macht. Wenn Sie dies
nicht tun, weil Sie lieber daheim bleiben und Ihren beschränkten Horizont pflegen,
({5})
dann sollten Sie zumindest auch internationale Experten
dazu hören. Fragen Sie einmal den OECD-Generalsekretär, der kürzlich auf die Frage, welche Finanz- und Wirtschaftspolitik er empfehlen würde, gesagt hat: Kaufen
Sie sich ein Flugticket und reisen Sie nach Deutschland.
Dort können Sie sehen, wie es gemacht wird.
({6})
- Im Gegensatz zu Herrn Özdemir, der mit einem Hubschrauber vom Stuttgarter Flughafen zu einer Veranstaltung in Stuttgart geflogen ist, bin ich noch nicht mit einem Hubschrauber geflogen. Ich fahre gerne mit dem
Zug, Herr Kuhn. Es dauert nur acht Minuten vom Stuttgarter Flughafen zum Bahnhof. Man fährt die Strecke
schneller mit dem Zug, als man sie mit dem Hubschrauber fliegt.
({7})
Herr Duin hat das Thema Industriestandort angesprochen. Diese Koalition ist eine Koalition des Industriestandortes Deutschland. Wir stärken diesen Industriestandort.
({8})
Wir werden die Wertschöpfungstiefe erhalten. Deshalb
haben wir dort, wo es richtig und notwendig war, Korrekturen vorgenommen, nämlich bei den energieintensiven Industrien, sodass diese hier eine Perspektive haben.
({9})
Ich hoffe, wir werden hinsichtlich des indirekten
Carbon Leakage und der Frage, wie der Emissionshandel 2013 aussehen soll, in Deutschland gemeinsam eine
Stimme erheben - bei der SPD bin ich optimistisch, bei
den Grünen eher weniger; die arbeiten in Brüssel nämlich immer gegen uns - und das in Brüssel umsetzen. Ich
setze aber dabei lieber nicht auf die Grünen. Sie werden
das sicherlich wieder konterkarieren und gegen den Industriestandort Deutschland arbeiten.
({10})
Diese Koalition ist auch eine Koalition des Wettbewerbs. Wir werden nämlich jetzt im Telekommunikationsbereich, im Postbereich und im Verkehrsbereich mit
entsprechenden wachstums- und wettbewerbsorientierten Regulierungen für mehr Wettbewerb sorgen. Das haben wir auch im Energiebereich getan, und wir werden
es weiterhin tun.
({11})
Diese Koalition ist eine Koalition der Rohstoffsicherung. Das ist schon angesprochen worden. Der Wirtschaftsminister hat dort die Initiative ergriffen, wo in
diesem Fall nicht die Politik, sondern die Unternehmen
Fehler gemacht haben, die sich in falsch verstandener
Reduktion auf Kernkompetenzen zurückgezogen haben.
Was die Wertschöpfung bei Firmen angeht, die es früher
gab, wie Degussa und andere mehr, wurden Fehler gemacht. Diese Firmen gibt es heute nicht mehr. Wir haben
in der Wertschöpfungskette keinen direkten Zugang
mehr zu den Rohstoffen. Insofern müssen wir wieder
besser werden und uns engagieren, und dies wahrscheinlich nicht im nationalen Alleingang, sondern gemeinsam
auf europäischer Ebene. Denn sonst werden wir weltweit
nicht vorankommen, wenn man bedenkt, wie sich bei
China, den USA und anderen Ländern die Gewichte entwickeln.
Diese Koalition ist auch eine Koalition der Innovationen. Wir haben das Zentrale Innovationsprogramm
Mittelstand nicht nur auf die alten Bundesländer ausgeweitet, sondern die Mittel dafür erhöht, und wir werden
es jetzt auf höchstem Stand verstetigen.
({12})
Das könnten Sie in Ihren Wahlkreisen nachvollziehen.
Wahrscheinlich sind Sie nie dort, sodass Sie es nicht
wissen. In meinem Wahlkreis profitieren die mittelständischen Unternehmen und schaffen neue innovative Produkte und Dienstleistungen. Dort entstehen auch langfristig Arbeitsplätze und wettbewerbsfähige Produkte.
({13})
Jetzt kommen wir zur Partei der Scheinriesen, den
Grünen. Von weitem sehen Sie groß und mächtig aus
wie bei Lukas, dem Lokomotivführer, in Lummerland:
auf den ersten Blick kraftvoll. Aber wenn man näherkommt, schrumpfen Sie zusammen, Herr Kuhn, und
zwar nicht nur auf Normalmaß, sondern auf Kleinstmaß.
Sie sind gegen alles - das ist schon angeklungen, aber
man kann es nicht oft genug wiederholen -: gegen nachhaltige Verkehrspolitik und Verkehrsinfrastruktur auf der
Schiene
({14})
und gegen moderne Energiepolitik.
Den Vogel schießen Sie mit den Olympischen Spielen ab.
({15})
Dass Sie gegen Skifahren auf künstlichen Hügeln sind,
kann man noch belächeln. Aber dass Sie gegen ein Infrastruktur- und Standortprogramm wie die Olympischen
Spiele sind, ist unglaublich. Das ist ein Skandal. Es ist
kurzsichtig, und damit schaden Sie dem Standort
Deutschland.
({16})
Wir wissen schon lange, dass Sie gegen alles sind.
Seit dem Wochenende wissen wir aber auch, wofür Sie
sind. Das muss man sich in der Tat auf der Zunge zergehen lassen, und wir sollten es den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land auch sagen. Sie wollen den Spitzensteuersatz erhöhen. Sie wollen die Gewerbesteuer
ausweiten, statt die Freiberufler zu stärken. Sie wollen
die Familienpolitik ändern, indem Sie die kostenlose
Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehepartnern abschaffen. Sie wollen das Ehegattensplitting abschaffen,
die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen, die private
Krankenversicherung abschaffen und vieles mehr.
({17})
Ich sage Ihnen, was das für die Leistungsträger in unserem Land bedeutet. Für einen Polizeivollzugsbeamten
im gehobenen Dienst mit einem Bruttojahresgehalt von
54 000 Euro bedeutet das eine monatliche Mehrbelastung von 135 Euro. Das sind 1 620 Euro im Jahr. Das ist
die leistungsfeindliche Politik, die Sie betreiben.
({18})
Für einen Angestellten mit einem Jahresgehalt von
66 000 Euro brutto bedeutet dies sogar eine monatliche
Mehrbelastung von rund 460 Euro. Das sind pro Jahr
5 400 Euro mehr, mit denen Sie die Leistungsträger in
diesem Land belasten. Das ist Ihre Politik.
({19})
Damit leisten Sie keinen Wachstumsbeitrag; Sie würgen vielmehr das Wachstum ab. Wir haben zum ersten
Mal seit langem in diesem Jahr wieder einen Wachstumsbeitrag durch die Binnenkonjunktur. Wenn ihnen
das Geld fehlt oder sie Angst haben, werden die Menschen kein Geld ausgeben und keinen Wachstumsbeitrag
leisten können. Insofern sind Ihre Politik und Ihre Vorstellungen leistungsfeindlich, wachstumsfeindlich und
familienfeindlich.
({20})
Wenn es ein Risiko für den Standort Deutschland
gibt, dann sind es neben Griechenland und Irland die
Grünen. Das ist das Wachstums- und Haushaltsrisiko in
Deutschland.
({21})
Wir werden unseren konsequenten Wachstumskurs
mit Volldampf fortsetzen.
({22})
Dies tun wir zur Not auch ohne die SPD, aber vor allem
ohne die Grünen.
({23})
Damit wird Deutschland wieder dorthin kommen, wo es
hingehört, nämlich an die Spitze der Wirtschaft in
Europa.
({24})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diesen
Etat? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.13 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
- Drucksachen 17/3523, 17/3524 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Heinz-Peter Haustein
Sven-Christian Kindler
Dazu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir später namentlich
abstimmen werden.
({0})
Präsident Dr. Norbert Lammert
Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir am Freitag
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Einvernehmen gibt es hoffentlich auch darüber, dass
die Aussprache zu diesem Einzeletat ebenfalls 90 Minuten betragen soll. - Dazu gibt es keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Sören Bartol für die SPD-Fraktion das Wort.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei dem Minister und seinem
Haus für die guten Haushaltsberatungen und die offenen
Diskussionen - auch wenn wir inhaltlich nicht immer einer Meinung waren - bedanken.
Wenn heute der Einzelplan 16 in der vorliegenden
Form verabschiedet wird, dann hat ein Trauerspiel seinen zweiten und wahrscheinlich leider nicht letzten Akt
erreicht. Dann hat es die Koalition geschafft, unser Ansehen in der Welt zu ramponieren.
Die Kanzlerin hat in Kopenhagen zusätzlich
420 Millionen Euro jährlich für den internationalen Klimaschutz zugesagt. Dann hat sie einen Haushalt vorgelegt, der diese Zusage nicht einmal im Ansatz einzuhalten versucht. Und heute beschließt Schwarz-Gelb diesen
Haushalt. Wer so handelt, der trägt die Verantwortung
dafür, dass wir auf internationalen Konferenzen zu Klimafragen kein ernst zu nehmender Verhandlungspartner
mehr sind.
({0})
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition,
sorgten gestern mit dem Haushalt des Entwicklungshilfeministeriums und sorgen heute mit dem Umwelthaushalt dafür, dass wir bei der bevorstehenden Konferenz in
Cancún keine Basis haben, um für den Klimaschutz zu
kämpfen. Wie können wir von anderen Anstrengungen
fordern, wenn wir unsere eigenen Zusagen nicht einhalten?
({1})
Wäre ich der zuständige Minister, dann würde ich mich
für das Verhalten meiner Regierung in dieser Frage schämen. Welch ein Trauerspiel!
Trauerspiel ist das richtige Wort auch für die weiteren
Bereiche des Einzelplans 16. In der ersten Lesung am
14. September sagten Sie, Herr Röttgen - ich zitiere -:
Wir wollen, dass unser Land, dass Deutschland eine
der effizientesten und klimafreundlichsten Volkswirtschaften der Welt wird. … Das wollen wir auch
durch Energiepolitik erreichen. … Wir machen ein
energiepolitisches Einstiegskonzept in erneuerbare
Energien und Energieeffizienz.
Wenn Sie das wollen, Herr Minister, frage ich Sie: Warum tun Sie denn nichts dafür? Sie sagen, dass diese Regierung den Einstieg in die erneuerbaren Energien will,
doch Sie fördern den Umstieg nicht, sondern Sie behindern ihn.
({2})
Sie senken die Mittel für das Marktanreizprogramm. Das Marktanreizprogramm hat im Haushalt
2010 eine bewegte Geschichte hinter sich: Kürzung, erneute Aufstockung, Mittelsperrung und Mittelentsperrung. Wir haben ausführlich über das Programm und
dessen Wirkung gesprochen, auch darüber, dass dort jeder investierte Euro 7 bis 8 Euro von privater Seite mobilisiert, dass das Programm hochwirtschaftlich ist.
Letztlich haben wir Übereinstimmung erzielt. Sonst wären die Mittel für 2010 nicht freigegeben worden. Was
haben Sie daraus für 2011 gelernt? Gar nichts! Sie reduzieren die Mittel für das Programm um fast 70 Millionen
Euro. Zudem haben Sie einzelne Fördersätze und Boni
gekürzt sowie die Zahl der förderfähigen Anlagetypen
eingeschränkt. Anlagen, die in Neubauten errichtet werden, und solarthermische Anlagen fallen nun aus dem
Förderkatalog. Viele Antragsteller werden so völlig leer
ausgehen. Das ist doch kein Einstieg. Das ist Teil eines
Ausstiegs aus der Förderung erneuerbarer Energien.
({3})
Die zweite Entscheidung, mit der Sie den Umstieg auf
erneuerbare Energien behindern, ist die Verlängerung
der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Es gibt keinen
einzigen sinnvollen Grund dafür. Weder die Energiekosten noch die Versorgungssicherheit noch der Klimaschutz sind überzeugende Gründe. Der einzig wahre
Grund ist, dass Sie den vier großen Stromanbietern die
Lizenz zum Gelddrucken verlängern.
({4})
Diese Entscheidung haben Sie auch noch in einem Verfahren durchgesetzt, das die Rechte des Parlaments ignoriert. Sie befriedigen damit die Gier einzelner Konzerne
auf Kosten unserer Sicherheit, auf Kosten der nächsten
Generation, die es nach wie vor mit der völlig ungelösten Endlagerfrage zu tun bekommt.
({5})
Diesen Eindruck muss auch haben, wer sich die Haushaltsaspekte dieses Deals ansieht. Die Brennelementesteuer wird nur befristet, bis 2016, erhoben. Ihre Höhe
wurde gegenüber dem ursprünglichen Ansatz auf zwei
Drittel gedrückt. Die Kosten der sicherheitstechnischen
Nachrüstung von AKWs werden auf 500 Millionen Euro
gedeckelt. Von da an zahlt dann wieder die Allgemeinheit diese nicht abschätzbaren Kosten.
Somit bleibt beim Atomdeal nur eine Sache sicher,
nämlich der Atommüll. Es gibt weltweit kein einziges
Endlager für stark radioaktiven Abfall. Trotzdem werden
durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich 4 500 Tonnen
hochradioaktiver Müll in Kauf genommen. Das ist eine
Tonne für jeden einzelnen Tag der Laufzeitverlängerung.
Bei der Suche nach einem Endlager zeigt dieser Haushalt klar, dass die Regierung einzig und allein Gorleben
im Visier hat. Es soll fast 26 Millionen Euro mehr Mittel
für Gorleben geben. Gleichzeitig kürzen Sie die Mittel
zur Erforschung anderer Standorte um 500 000 Euro. Es
ist besonders auffällig, was im Bereich der Personalstellen beim Bundesamt für Strahlenschutz geschieht. Da
werden 17 neue Stellen geschaffen, und diese Stellen
sind ausschließlich für den Bereich des geplanten Endlagers Gorleben gedacht. Dies ist eine unzulässige Festlegung und Beschränkung. Wir müssen doch alle Ressourcen für einen offenen Auswahlprozess nutzen. Sonst
steuern wir in eine Sackgasse.
({6})
- Genau.
Ohne Not haben Sie den gesellschaftlichen Konsens
in der Frage des Atomausstiegs aufgekündigt. Der
jüngste Castortransport hat gezeigt, dass die Menschen
dies nicht hinnehmen werden. Auch die Auswirkungen
für die erneuerbaren Energien sind fatal. Der Atomstrom
wird die Leitungen zulasten der erneuerbaren Energien
verstopfen; denn Atommeiler lassen sich nicht kurzfristig ab- und anschalten, wie Sie wissen. Zu den Verlierern
dieses Deals gehören die kommunalen Versorger und die
kleinen, neuen Energieunternehmen, die in den vergangenen Jahren in hochmoderne und effiziente Anlagen investiert haben.
Wir Sozialdemokraten wollen einen tatsächlichen
Umstieg auf erneuerbare Energien. Wir wollen ihn,
weil er das Klima schützen hilft, weil er unser Land zukunftsfähig macht und weil er über die Schaffung von
Arbeitsplätzen und die entsprechende Wertschöpfung
den Menschen in unserem Land dient. Dem allen dient
die Umwelt- und Haushaltspolitik dieser Regierung
nicht, lieber Herr Minister. Das machen wir nicht mit.
Deswegen werden wir diesem schlechten Haushalt natürlich nicht zustimmen.
Vielen Dank.
({7})
Nächster Redner ist der Kollege Bernhard SchulteDrüggelte für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorausschicken, dass die Regierung ein
klares, verlässliches und langfristiges Energiekonzept
hat, das Orientierung bietet, Herr Kollege Bartol. So viel
vorab. Da es sich um eine Haushaltsdebatte handelt,
möchte ich nun auf den Haushalt des Umweltministeriums eingehen.
({0})
- Ja, ich mache es.
Dieser Haushalt hat ein Gesamtvolumen von 1,6 Milliarden Euro. Gegen den Trend hin zum Sparhaushalt ist
hier eine Steigerung um 3,1 Prozent im Vergleich zu
2010 zu verzeichnen. Das ist ein sehr positives Zeichen.
({1})
Ich möchte eines ganz klar sagen: Die Ausgaben des
Umweltministeriums sind nur eine Teilmenge der Gesamtausgaben für den Umweltschutz. Diese Teilmenge
macht nur 25 Prozent aus. Es ist uns doch völlig klar,
dass Umweltschutz eine Querschnittsaufgabe ist und
dass auch andere Ressorts einbezogen sind. Wenn wir
alle Ressorts zusammennehmen, kommen wir auf einen
Gesamtbetrag von fast 6,5 Milliarden Euro. Das zeigt
die große Bedeutung, die Umwelt, Klimaschutz und
Nachhaltigkeit für diese Regierung und für diese Koalition haben.
({2})
Ich möchte Beispiele bringen. Durch das Wirtschaftsministerium wird die Forschung zur sparsamen Energienutzung gefördert, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit stellt fast 1,3 Milliarden
Euro für Umweltprojekte zur Verfügung, im Bau- und
Verkehrsetat finden sich Ausgaben im Umweltschutzbereich von über 1 Milliarde Euro. Sie kennen die großen
Forschungsprojekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Viele davon betreffen den Umweltbereich. Selbst das Finanzministerium engagiert sich im
Rahmen des neuen Energie- und Klimafonds. Das ist etwas Neues, etwas Besonderes und zeigt die Zielrichtung,
die wir haben.
({3})
- Ich habe Sie nicht verstanden. Fragen Sie einfach!
({4})
Ich möchte jetzt zum Haushalt kommen und darlegen,
in welchen Bereichen es während der Beratungen Veränderungen gegeben hat. Es gab zwei wesentliche Änderungen in den Haushaltsberatungen. Die erste Veränderung betrifft das World Conference Center in Bonn.
Dieses Kongresszentrum soll den VN-Campus ergänzen.
Ich möchte ganz klar sagen, auch wenn Sie meinen, das
bestreiten zu müssen, dass sich Deutschland in der Weltgemeinschaft engagiert. Umgekehrt zeigen auch die Ver8222
einten Nationen eine starke Präsenz in Deutschland, in
der Bundesstadt Bonn. Bonn hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen VN-Standort neben Wien und
Genf entwickelt. Ich möchte das erläutern: Wir haben
25 VN-Büros in Deutschland. Davon sind alleine 18 in
Bonn. In diesen Bonner Büros arbeiten mittlerweile rund
800 Mitarbeiter. Vertreten sind so wichtige Organisationen wie das Sekretariat der Klimarahmenkonvention.
Das ist wichtig für unser Land.
Der Bund unterstützt die Erweiterung des Kongresszentrums. Ich möchte aber jetzt nicht darauf eingehen, wie es zu der schwierigen Lage in Bonn gekommen
ist. Die Haushälter waren eindeutig der Meinung, dass es
zügig weitergehen muss; denn es handelt sich nicht um
irgendein Bauvorhaben. Das ist auch kein lokalpolitisches Steckenpferd, sondern es geht um die Stärkung des
VN-Standortes Bonn. Der Minister hat eindeutig gesagt:
Das World Conference Center ist ein nationales Thema. Deshalb wurden zusätzliche Mittel bereitgestellt, insgesamt 14 Millionen Euro, davon 4 Millionen Euro aus
dem Haushalt des Umweltministers. Internationale Umweltpolitik ist in unserem nationalen Interesse. Vielleicht
hätte auch die SPD zustimmen können.
({5})
Ich hatte bis jetzt immer gedacht, die Dagegen-Partei
seien die Grünen. Aber in diesem Punkt hat auch die
SPD nicht zugestimmt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kelber?
Ja, selbstverständlich. Ich habe gerade seine Heimat
gelobt.
Sie hatten ein nationales Interesse in meiner Heimatstadt gelobt, aber auch ein Lob dieser Stadt wäre gut gewesen. - Ich finde es richtig, dass das Kongresszentrum
unterstützt wird. Es wäre aber fair gewesen, wenn Sie,
Herr Schulte-Drüggelte - ich kenne Sie als fairen Menschen -, deutlich gemacht hätten, dass die Haushälter
nicht den Inhalt kritisiert haben, sondern die Tatsache,
dass die Förderung nicht wie vorgesehen aus dem
Einzelplan 60 erfolgt, der dafür geschaffen wurde, sondern aus vier Einzelressorts.
({0})
Das hätte zur Fairness gehört.
Selbstverständlich ist das ein nationales Ziel, das wir
erreichen wollen. Ich habe die Gesamtsumme genannt.
Es gibt mehrere Finanzierungsquellen, nämlich das Umweltministerium, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Rückflüsse aus Entwicklungsprojekten. Das ist der Zusammenhang.
Ich wollte nur ein bisschen Zeit haben. Schön, dass
Sie gefragt haben! So konnte ich es ein bisschen näher
erläutern. Herzlichen Dank, Kollege Kelber.
({0})
Ich füge hinzu: Selbstverständlich befindet sich das
nicht mehr im Bereich des Umweltministeriums, sondern - wie die anderen Standorte Genf und Wien - im
Bereich des Außenministeriums, was auch im Hinblick
auf die zukünftige Entwicklung sehr vernünftig ist.
Die zweite Veränderung, meine liebe Kolleginnen
und Kollegen, betrifft das Projekt Gorleben, die Endlagerung. Das ist gerade schon angesprochen worden. Der
Haushaltsansatz wird von 21 Millionen Euro auf 47 Millionen Euro erhöht. Dafür werden Ausrüstungen beschafft. Die Erkundung wird - ich will es noch einmal
sagen - ergebnisoffen durchgeführt. Es wird erforscht
und kein Endlager gebaut, um auch das den Grünen noch
einmal klar zu sagen. Das sind Forschungsmittel.
({1})
- Warte doch mal ab!
In den Beratungen wurde völlig klar, dass für die Erforschung zusätzliche Stellen nötig sind. Es handelt sich
erst einmal um 19 Stellen im Bundesamt für Strahlenschutz. Es war auch richtig, dass wir das so beschlossen
haben. Auch die Endlagerung ist eine Querschnittsaufgabe. Beteiligt ist nicht nur das Umweltministerium,
sondern auch das Wirtschaftsministerium. Es geht um
Grundlagenforschung zur Langzeitsicherheit.
Im Wirtschaftsressort ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe angesiedelt. In dem Bereich gibt es, bezogen auf Gorleben, zusätzlich zwölf
neue Stellen für die geowissenschaftlichen Erkundungsarbeiten. Auch hierzu möchte ich sagen: Das Stichwort
lautet „ergebnisoffen“. Denn neben der Erforschung der
Endlagerung in Salzformationen betreibt die Bundesanstalt auch Forschung in anderen Wirtsgesteinen.
({2})
- Ja! - Es gibt eine internationale Zusammenarbeit unter
anderem mit Frankreich, der Schweiz und Schweden.
({3})
Das zeigt aus meiner Sicht doch eindeutig, dass es
glaubwürdig ist, dass hier von einer ergebnisoffenen
Forschung in Bezug auf die Suche nach einem geeigneten Endlager gesprochen wird. Ich halte das auch für einen richtigen Weg.
({4})
Es ist nötig, dass ausreichend Personal und eine ausreichende Mittelausstattung vorhanden sind, damit die
Frage der Endlagerung jetzt beantwortet wird. Es wäre
unverantwortlich, wenn wir jetzt nicht nach einer Lösung suchen, sondern alles nach hinten schieben würden.
Und es wäre verantwortungslos, das auf die nächsten
Generationen abschieben zu wollen. Das wäre eine unverantwortliche Politik.
({5})
- Kommen wir jetzt mal wieder ein bisschen runter!
Ich möchte am Ende dieser kurzen Rede zum Haushalt sagen, dass wir in den Diskussionen, in den Berichterstattergesprächen doch überwiegend sachlich und auch
überwiegend zielorientiert waren. An dieser Stelle
möchte ich mich als Hauptberichterstatter ganz herzlich
auch bei meinen Mitberichterstattern für die Zusammenarbeit bedanken. Es sind dies, Herr Präsident: HeinzPeter Haustein, Sören Bartol, Sven Kindler und Michael
Leutert. Ganz besonders möchte ich mich beim Umweltministerium und den Mitarbeitern bedanken.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat nun Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nächste Woche beginnt in Cancún die Weltklimakonferenz. Eine Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit der Bundesregierung im internationalen Klimaschutz wird
sein, inwieweit sich Deutschland an der Finanzierung
von Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen im globalen Süden beteiligt. Sie wissen, bis 2020 sollen dafür
mindestens 100 Milliarden Dollar von den Industriestaaten in die Entwicklungsländer fließen. 2010 werden nun
in diesem Land rund 350 Millionen Euro auf die Kopenhagen-Zusage zum Waldschutz angerechnet. Diese Gelder sind aber bereits auf der Biodiversitätskonferenz in
Bonn 2008 für den Schutz der biologischen Vielfalt versprochen worden. Es wird also doppelt angerechnet.
Insgesamt gab es in diesem Jahr nur 70 Millionen Euro
- ich sage es jetzt einmal so - frisches Geld; und für
2011 und 2012 sollen diese mageren 70 Millionen Euro
sogar ganz gestrichen werden.
Dann zu Herrn Niebel:
({0})
Es ist schlimm, dass der Entwicklungshilfeminister
Niebel die Zusage für die Unterstützung des ITT-Projektes in Ecuador zurückgezogen hat.
({1})
Die Regierung hat dort im August dieses Jahres einen
Fonds für den Yasuní-Nationalpark eingerichtet. Er hat
zum Ziel, die Regenwälder zu erhalten und das Öl im
Boden zu lassen. Alle Bundestagsfraktionen hier in diesem Hause hatten dieses Projekt bislang unterstützt. Und
jetzt? Herr Niebel gibt ihm den Dolchstoß.
Dann kommen wir zur Klima-Kompensation der
Dienstreisen der Abgeordneten. Wir haben im Umwelt- und auch im Verkehrsausschuss lange dafür gekämpft, dass die Klimaschäden, die dadurch entstehen,
dass Abgeordnete irgendwohin fliegen, durch Klimaschutzprojekte im globalen Süden kompensiert werden.
Jetzt steht das ganze Vorhaben schon wieder vor dem
Aus. Wir haben lange dafür gebraucht, dass diese Kompensation stattfindet. Schade, wirklich schade!
({2})
Auf der einen Seite will die Koalition am liebsten jeglichen Klimaschutz in den Emissionshandel pressen, oft
in Systeme mit höchst zweifelhaftem Nutzen für den
Klimaschutz. Auf der anderen Seite aber kappen Sie im
Zusammenhang mit dem Emissionshandel genau an den
Projekten mit der höchsten ökologischen und sozialen
Glaubwürdigkeit, nämlich bei Projekten mit dem „Gold
Standard“, den zum Beispiel auch die Projekte von Atmosfair erhalten haben. Durch die Kompensation des
jährlichen Treibhausgasausstoßes von rund 166 000
Tonnen der von diesem Haus durchgeführten Flüge werden im Moment zwei sehr sinnvolle Projekte in Indien
finanziert. Das eine hat zum Ziel, zusätzliche Solarlampen im ländlichen Raum zu verteilen. Das spart Lampenöl und CO2. In dem anderen wurde dank der deutschen Gelder die Möglichkeit geschaffen, Senferntereste
zu verwerten, was ebenfalls den CO2-Ausstoß mindert.
Aber damit soll jetzt Schluss sein. Der Bundestag, der
Milliarden für Rüstung und Straßenbau verpulvert - da
gibt es ja noch einiges mehr -, kann nicht einmal 4 Millionen Euro zusammenkratzen, um seine eigenen Dienstreisen klimaneutral zu stellen. Ich halte das wirklich für
peinlich.
({3})
Gleichzeitig verzichten Sie auf Einnahmen in Milliardenhöhe - das sollten Sie sich anhören! -, und zwar in
einem Bereich, in dem es die großen Stromkonzerne
treffen würde. Das kann man den Leuten, die diese Debatte jetzt gerade vor dem Fernseher verfolgen, nicht oft
genug sagen. So ist die gerade beschlossene Abschöpfung von Sondergewinnen aus der AKW-Laufzeitverlängerung einfach ein Witz. Die Atomkonzerne kassieren dank der Laufzeitverlängerung über die Jahre
zusätzlich zwischen 78 Milliarden Euro und 114 Milliarden Euro. Nach den Plänen der Bundesregierung soll
weniger als die Hälfte davon abgeschöpft werden,
({4})
vielleicht auch nur ein Drittel. Mal schauen, wie die
noch tricksen!
Die Atomkonzerne - das wissen wir alle; das ist bekannt in diesem Lande - sind ja findig. RWE will noch
in diesem Jahr die Hälfte der 193 Brennelemente von
Biblis B austauschen. Der Konzern will damit schlicht
die Brennelementesteuer umgehen, die zum 1. Januar
2011, also im nächsten Jahr, in Kraft tritt. RWE spart dadurch 280 Millionen Euro. Kein Wunder, dass andere
Atomkonzerne nun Ähnliches vorhaben! Vielleicht ist
das aber die „Unterstützung des Mittelstandes“, wie die
CDU/CSU das immer nennt.
280 Millionen Euro durch einen Steuertrick, von dem
die Bundesregierung vorher gewusst haben muss - ihr
habt es gewusst! -,
({5})
das ist ungefähr so viel, wie Deutschland 2011 den Entwicklungsländern für Klimaschutz und Anpassung zur
Verfügung stellen will. Hätten Sie die AKW-Milliarden
dafür verwenden können, dann hätte es tatsächlich frisches Geld gegeben statt nur recycelter Zusagen.
({6})
Das Trauerspiel um die Besteuerung der Kraftwerksbetreiber muss jetzt endlich ein Ende haben. Deshalb fordert die Linke, endlich jene Extraprofite abzuschöpfen,
die die Konzerne aus den Preiseffekten des Emissionshandels ziehen. Dabei geht es nicht nur um die
AKW-Betreiber, sondern auch um die Kohlekraftwerksbetreiber. Es geht da nicht um Peanuts. Alle zusammen
kassieren durch die kostenlose Vergabe von Emissionsrechten zig Milliarden Euro, und zwar leistungs- und risikolos. In der zweiten Handelsperiode 2008 bis 2012 sollen es rund 35,5 Milliarden Euro, also rund 7 Milliarden
Euro pro Jahr, sein. Dieses Geld könnte man sehr sinnvoll
für soziale und ökologische Projekte einsetzen. Auch auf
dem Gebiet der Bekämpfung des Klimawandels - Stichwort „Kompensation“ - wäre vieles möglich. Aber Sie
machen den Konzernen Geschenke. Das ist Ihre Strategie, und die verfolgen Sie weiter.
({7})
Das Wort hat nun Heinz-Peter Haustein für die FDPFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Verehrte Gäste auf den Tribünen!
Zuerst ein herzliches Dankeschön an das Ministerium
von Umweltminister Röttgen! Er führt es sehr kompetent
und sorgt dafür, dass es vorwärts geht in diesem Lande.
({0})
Der Haushalt 2011 umfasst nur 1,635 Milliarden
Euro. Das sind 45 Millionen Euro mehr als in diesem
Jahr - und das trotz der Schuldenbremse. Das heißt, wir
bekennen uns zum Sparen. Aber dort, wo es notwendig
und dringend ist, machen wir mehr.
({1})
Wer aber denkt, diese 1,635 Milliarden Euro seien alles, der irrt. Es ist ein Querschnittshaushalt: In weiteren fünf Ministerien wird die Summe von rund 5 Milliarden Euro für den Umweltschutz bereitgestellt. Dazu
kommen Kredite der KfW und ERP-Mittel von 2,5 Milliarden Euro. Alles in allem werden für diesen Bereich in
unserem Haushalt also 9 Milliarden Euro bereitgestellt.
Ich meine, das kann sich sehen lassen.
({2})
Der Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gliedert sich in einen
Stammhaushalt mit Mitteln in Höhe von 1,142 Milliarden Euro und in einen weiteren Haushalt mit Mitteln für
den Endlagerbereich in Höhe von 497 Millionen Euro.
Hier hat es einen Aufwuchs von 129,7 Millionen Euro
gegeben. Hierfür werden also 35,5 Prozent mehr zur
Verfügung gestellt; denn es ist wichtig, sich der Endlagerproblematik zu widmen.
Gerade auf diesem Gebiet herrschte zehn Jahre lang
Stillstand.
({3})
Rot-Grün hat sich hinter einem Moratorium versteckt
und unverantwortlicherweise nichts getan.
({4})
Jetzt gibt es endlich einen Minister, der sagt: Es geht los.
({5})
Wir machen etwas und suchen ein Endlager; denn das ist
wichtig. Wir stellen dafür 129 Millionen Euro mehr zur
Verfügung und versuchen, ergebnisoffen vorzugehen
und ein Endlager in Gorleben oder woanders zu finden.
({6})
Ich persönlich meine, wir sollten einmal darüber
nachdenken, ob es sinnvoll ist, ein europäisches Endlager zu finden und zu betreiben.
({7})
- Das ist ein Gedankenanstoß. Ein europäisches Endlager unter Einbeziehung von Russland! Gut zuhören,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Kollege Haustein, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Vogt von der SPD-Fraktion?
Bitte schön.
Herr Kollege, ich möchte von Ihnen wissen, ob Ihnen
bekannt ist, wer im Jahr 2006 verhindert hat, dass der
Vorschlag von Bundesumweltminister Gabriel in der
Großen Koalition, die Suche nach alternativen Endlagern fortzusetzen, umgesetzt wurde. Ist Ihnen bekannt,
dass insbesondere die damaligen Ministerpräsidenten
Oettinger und Stoiber dagegen Sturm gelaufen sind?
({0})
Das ist mir bekannt. Doch es war richtig, festzustellen, dass man ein Gesamtkonzept braucht. Seitens der
Länder sollte man sich nicht auf die Bundesregierung,
die Bundesminister einschießen. Was Sie hier vorbringen, ist kein Argument.
({0})
- Ich möchte mit meiner Rede fortfahren.
Wir sind gerade bei den Kernkraftwerken. Hier
wurde gesagt, es sei unverantwortlich, dass wir sichere,
gute Kernkraftwerke weiter betreiben. Ich nenne Ihnen
reine Zahlen: Es gibt weltweit 436 Kernkraftwerke;
29 sind im Bau, 120 in Planung.
({1})
Sie wollen die zwölf sichersten Kernkraftwerke der Welt
abschalten und das Volksvermögen zum Fenster hinausschmeißen. Das machen wir nicht mit!
({2})
Ich möchte kurz auf das Marktanreizprogramm eingehen; Sören Bartol hat es angesprochen. Das Marktanreizprogramm wurde von Herrn Gabriel installiert. Es
war so aufgebaut: Die Erlöse aus dem Verkauf von CO2Emissionszertifikaten wurden genommen, um das
Marktanreizprogramm zu speisen, über das sinnvolle
Projekte finanziert werden.
({3})
So war es bis jetzt. Wir haben im letzten Jahr diese unsägliche, sehr variable, unzuverlässige Speisung aufgegeben. Wir haben gesagt: Das Marktanreizprogramm
wird direkt aus den allgemeinen Steuereinnahmen finanziert.
({4})
Es ist nämlich besser, ein Marktanreizprogramm auf
Granitfüße zu stellen als auf tönerne Füße wie vorher bei
Rot-Grün.
({5})
Liebe Freunde, ich komme zum Thema Naturschutz.
Für uns ist Naturschutz sowieso Herzenssache.
({6})
Wir haben einen Titel „Artenvielfalt“ geschaffen:
15 Millionen Euro für den Erhalt der Artenvielfalt. Auch
das gehört dazu.
Sie sehen also: Alles in allem betreiben wir mit Vernunft und Weitblick eine gute Politik, auch im Bereich
des Umwelt- und Naturschutzes. Wir tun alles, damit unsere Kernkraftwerke noch sicherer werden.
({7})
In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erzgebirge.
({8})
Das Wort hat nun Dorothea Steiner für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
Post vom Deutschen Atomforum gekriegt: „Über
17 Brücken musst du gehen.“ Im Text heißt es:
Gut, dass wir in Deutschland 17 verlässliche und
belastbare Kernkraftwerke haben, die eine sichere
Brücke in die Energiezukunft bilden!
Ein Satz, drei Lügen. Zudem missbraucht diese Karte
aus der Fälscherwerkstatt der Atomindustrie
({0})
schamlos das Copyright von Peter Maffay.
({1})
Ich will Ihnen einmal sagen, was die Lügen sind:
Erstens: „17 verlässliche … Kernkraftwerke“. Krümmel usw. verlässlich?
Zweitens: „sichere Brücke in die Energiezukunft“. Sicher? Voll gelogen.
Drittens: „Gut, dass wir … Kernkraftwerke haben“.
Voll gelogen! 70 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass man die Atomkraftwerke abschalten und
ohne Atomkraft auskommen sollte.
({2})
All das ist Täuschung, genau wie die Ankündigung
von Angela Merkel und ihrem Knappen, dem Atomminister Röttgen, mit ihrem Energiekonzept und ihren
Atomgesetzen eine Energierevolution einzuleiten. Herr
Röttgen, das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen uns nur
Ihren Umwelthaushalt anzusehen: Es ist kein Haushalt,
der die erneuerbaren Energien nach vorne bringt, sondern ein Atomhaushalt.
({3})
Der Programmhaushalt des BMU wird massiv gekürzt.
Der Atom- und Endlagerbereich wird auf fast ein Drittel des Gesamtetats gesteigert.
Man muss Ihre Zahlen auseinandernehmen. Während
die Ausgaben für den Betrieb des Standorts Gorleben
mit 21 Millionen Euro auf bisheriger Höhe bleiben, sind
26 Millionen Euro allein für die Erkundung vorgesehen.
Es ist völlig überzogen, so viel Geld vorzusehen, um
eine Strecke aufzufahren. Es ist Beleg dafür, dass hier
nicht mehr erkundet, sondern gebaut wird. Was soll ich
dazu anderes sagen als „Schwarzbau“, Herr Röttgen?
({4})
Natürlich wird die GRS, die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, in Millionenhöhe subventioniert. Ihr wird die Sicherheitsanalyse für Gorleben zugeschoben, damit unter Leitung des Atommanagers
Thomauske das gewünschte standortspezifische Ergebnis herauskommt.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Flachsbarth?
Ich möchte noch einen Satz sagen, danach gerne. Herr Röttgen, vom Bundesamt für Strahlenschutz hätten
Sie es preiswerter und vor allem wissenschaftlich objektiver bekommen.
Bitte schön, Kollegin Flachsbarth.
Frau Kollegin Steiner, das Argument des Schwarzbaus ist ja ein wunderschönes, durch vielfache Wiederholung wird es aber nicht wirklich besser. Ist Ihnen bekannt, dass der Bundesgerichtshof in den Jahren 1990
und 1995 höchstrichterlich festgestellt hat, dass die Erkundung des Salzstocks Gorleben erstens nach Bergrecht so höchstrichterlich sanktioniert wird und zweitens
auch die Dimensionierung der Schächte und der Strecken aus bergbautechnischen Gründen so rechtlich angemessen und völlig in Ordnung ist?
Sollte Ihnen das bekannt sein, schließe ich die Frage
an: Wie sieht das Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsverständnis der Grünen aus, wenn sie diese Gerichtsurteile ignorieren?
Sollte auch das an Ihnen vorbeigehen, lautet meine
Frage: Warum hat Herr Bundesumweltminister Trittin zu
der Zeit, zu der er Minister war und die Möglichkeit
hatte, dieses Erkundungsbergwerk endgültig stillzulegen, aufgrund seiner Rechtsauffassung nicht ebendieses
getan?
({0})
Frau Kollegin Flachsbarth, selbstverständlich ist mir
diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bekannt.
Sie haben die Daten genannt. Letztes Datum: 1995. Ich
habe von den jetzigen Erkundungen gesprochen und gesagt, dass diese Art von Erkundung mit dieser immensen
Summe nur bedeuten kann, dass das ein Ausbau ist.
({0})
- Lassen Sie mich doch einmal antworten! - Wenn ich
zu diesem Vorhaben „Schwarzbau“ sage, dann möchte
ich Sie auch daran erinnern, dass dieses Unternehmen
nach Urururaltbergrecht statt nach Atomrecht stattfindet.
Wenn wir uns darüber streiten, ob das Erkundung oder
Bau ist, darf ich diese Frage wohl aufwerfen. Ganz abgesehen davon ist es eine Täuschung, wenn man nach dem
Bergrecht von 1983 vorgeht, weil das Bundesumweltministerium danach so behandelt wird, als würde es als Unternehmer Salz abbauen und nicht ein atomares Endlager
erkunden und bauen wollen.
Von daher ist das sicherlich keine Missachtung des
Bundesgerichtshofs und demokratischer Prinzipien, sondern ich konstatiere eher, was sich vor unserer Nase bzw.
unter unseren Füßen in Gorleben gerade abspielt.
({1})
Deswegen halte ich den Begriff „Schwarzbau“ aufrecht.
Ich kann leider nicht nur auf Gorleben eingehen; denn
ich muss - das ist das Problem - auch noch etwas zum
Rest des Haushalts sagen. Eines muss ich aber noch aufgreifen: Angesichts dieser Fakten und Zahlen betonen
Sie hier die angebliche Ergebnisoffenheit. Ich sage: Für
mich lässt sich aus den Zahlen ableiten, dass das überhaupt nicht ergebnisoffen ist. Das ist die vorzeitige
Schaffung von Fakten. Deswegen wollen wir diese
31 Millionen Euro voll aus dem Haushalt herausstreichen.
({2})
Ihr nächster Streich im Zusammenhang mit Atomkraft und Energie: Das Sondervermögen Energie- und
Klimafonds, das Sie hier als innovativ preisen, ist nichts
anderes als ein PR-Gag, um die Milliardenprofite der
Atomkonzerne zu legitimieren. Das hat auch noch den
schönen Nebeneffekt, dass sonstige, normale Ausgaben
aus dem Programmhaushalt des Umweltministeriums
elegant verschoben werden können.
({3})
Die Beteiligung der Atomkonzerne an diesem Fonds ist
lächerlich.
({4})
- Danke. Streiten wir uns darüber, wer hier lächerlich ist.
Ich würde sagen: Argumentieren wir lieber!
Auch an anderen Punkten, zum Beispiel bei der Energiesteuer, haben sich der Umwelt- und der Finanzminister
Ausnahmen und Zugeständnisse abverhandeln lassen. Sie
verzichten auf die ökologische Lenkungswirkung. Die
brauchen sie nicht. Die wollen sie nicht.
Noch eine kleine Bemerkung zur Brennelementesteuer, auch wenn das nicht den Einzelplan 16, sondern
den Einzelplan 12 betrifft; aber das gehört ja zum Bereich des Umweltministeriums. Daran können Sie genau
sehen, wie das funktioniert hat: Erst 3,1 Milliarden Euro,
dann 2,3 Milliarden Euro, und jetzt ist man bei 1,5 Milliarden Euro angekommen. Davon sind noch mindestens
300 Millionen, vielleicht auch 400 Millionen Euro abzuziehen, weil die Kommunen die ausfallende Gewerbeund Körperschaftsteuer vom Bund zurückerstattet haben
wollen. Lächerlich! Wie ein Bettvorleger! Wie ein zahnloser Tiger! 1 Milliarde bei 70 Milliarden Euro Nettogewinn der Atomwirtschaft!
({5})
Noch eine kurze Bemerkung: Wenn es nicht um die
Großen, sondern um die Kleinen geht, zum Beispiel bei
der Fernwärme, kürzen Sie ohne Vorwarnung. Damit
verursachen Sie eine massive finanzielle Belastung bei
den Millionen kleiner Privathaushalte, die Fernwärme
beziehen. Genauso verzichten Sie auf eine Aufstockung
des Marktanreizprogramms. Wir wollen 160 Millionen Euro. Das wäre eine echte Mittelstandsförderung
und keine Förderung der Großen. Aber auch das wollen
Sie nicht. Die Großindustrie steht Ihnen näher und liegt
Ihnen mehr am Herzen.
Deswegen kann ich nur sagen: Wir können nicht anders, als diesen Haushalt abzulehnen. Wir haben einen
ökologischen und modernen Gegenentwurf vorgelegt. Er
ist nicht nur solide gegenfinanziert, sondern er zeigt
auch, wie wir ohne die teuren und wackligen Atombrücken einer zukünftigen Versorgung mit 100 Prozent
erneuerbaren Energien näher kommen; denn dahin wollen wir.
Vielen Dank.
({6})
Jetzt folgt eine Kurzintervention der Kollegin
Enkelmann.
Frau Kollegin Steiner, ich gebe gerne zu, auch wir
DDR-Bürger haben uns damals gefreut, als Peter Maffay
das Lied „Über sieben Brücken“ gesungen hat. Er hat
dies allerdings, ein Jahr nachdem die DDR-Band Karat
diesen Titel herausgebracht hat - der Text ist von
Helmut Richter -, getan.
({0})
Im Übrigen hat Karat 1984 für diesen Titel in der
Bundesrepublik die Goldene Schallplatte bekommen.
Daher sollten wir darauf hinweisen: Das Copyright liegt
bei der Band Karat, die heute noch erfolgreich ist.
({1})
Nun Frau Kollegin Steiner zur Erwiderung.
Sie haben natürlich recht. Wir wollen das Licht der
Band Karat sozusagen nicht unter den Scheffel stellen.
Angesichts der recht perfiden Anspielung des Atomforums ist es mir besonders wichtig, festzustellen, dass
es im Lied heißt:
Über sieben Brücken musst du gehen, sieben
dunkle Jahre überstehen …
({0})
Und dann:
Aber einmal auch der helle Schein …
Jetzt kommt uns die Atomindustrie mit 17 Brücken in
ihre atomare Zukunft. Das finde ich einfach perfide.
({1})
Nun hat Bundesminister Röttgen das Wort. - Bitte
schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Enkelmann, ich muss gestehen, Sie
haben den Anfang meiner Rede vorweggenommen.
({0})
Aber das ist eine Kooperation, die ich durchaus akzeptiere.
({1})
Frau Kollegin Steiner, Sie haben sich nicht nur bei
dem Lied ein bisschen geirrt, sondern bei Ihnen sind
auch Entscheidungen des BGH und des Bundesverfassungsgerichts ein wenig durcheinandergekommen. Das
übersehe ich mit einer gewissen Großzügigkeit. Ich
hoffe aber, dass Ihr Beitrag nicht repräsentativ für den
umweltpolitischen Anspruch Ihrer Fraktion ist. Das war
nämlich inhaltlich nichts; Ihre Argumente waren nicht
stichhaltig.
({2})
Das war eine alte Schallplatte mit vielen falschen Argumenten.
({3})
Ich will versuchen, zu einer Versachlichung der umweltpolitischen Debatte zurückzukommen.
({4})
- Ich glaube, wer Ihrer Rede genau zugehört hat, der
weiß, dass Sie das eine oder andere Argument gut gebrauchen können.
Ich möchte einmal der Frage nachgehen - das ist
durchaus ein roter Faden in unserer haushaltspolitischen
Debatte -, was der Beitrag der Umwelt- und Klimapolitik und der erneuerbaren Energien zu Wachstum und
wirtschaftlicher Entwicklung in unserem Land ist. Die
Frage, was Klima- und Umweltschutz, erneuerbare
Energien und Energieeffizienz schon heute zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Wertschöpfung und zur
technologischen Entwicklung in unserem Land beitragen, ist eine der wichtigen Fragen, deren Beantwortung
auch für unser wirtschaftspolitisches Grundverständnis
hinsichtlich der Entwicklung in den nächsten Jahren absolut entscheidend sein wird.
Zunächst möchte ich ein paar Zahlen präsentieren.
Diese Zahlen sprechen fern jeder politischen Wertung
einfach für sich.
Das Weltmarktvolumen der Umwelttechnologien beträgt in diesem Jahr rund 1,5 Billionen Euro. Es wird
sich in den nächsten zehn Jahren sicher auf über
3 Billionen Euro verdoppeln. Unser Land mit seinen Ingenieuren hat den relativ größten Weltmarktanteil mit
16 Prozent.
({5})
Das ist ein Volumen von umgerechnet 224 Milliarden
Euro. Der Erfolg drückt sich inzwischen auch in der
Zahl der Arbeitsplätze aus.
({6})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich darüber aufregen.
Man kann sich doch auch einmal darüber freuen, wenn
unser Land erfolgreich ist. Warum müssen Sie sich immer darüber empören?
({7})
Es macht Sie nicht sympathischer und Ihre Position nicht
überzeugender, wenn Sie missgünstig die Fakten ignorieren, die den Erfolg unseres Landes zeigen.
({8})
Inzwischen sind 1,8 Millionen Arbeitsplätze in dieser
Branche entstanden, darunter 340 000 Arbeitsplätze allein im Bereich der erneuerbaren Energien. Das zeigt das
dynamische Wachstum der Arbeitsplätze in diesen Bereichen.
({9})
Alle Untersuchungen gehen davon aus, dass sich in den
nächsten Jahren dieses Wachstum bei den Arbeitsplätzen, gerade was die grünen Dienstleistungen betrifft, mit
der Schaffung von mehreren 100 000 Arbeitsplätzen
weiter dynamisch gestalten wird.
Es sind enorme internationale Weltmarktanteile, die
wir auch im Export von Umweltschutzgütern halten.
Hier betragen die Anteile zwischen 5 und 30 Prozent.
Insbesondere umweltfreundliche Energieerzeugung,
Trennung und Verwertung von Abfall sind unsere Kernkompetenzen.
Trotz Wirtschaftskrise sind in der Branche der erneuerbaren Energien im letzten Jahr über 20 Milliarden Euro
in die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien investiert worden. Das heißt, selbst in Krisenzeiten, in
wirtschaftlichen Rezessionszeiten sind die Investitionen
in die Branche der erneuerbaren Energien ein Wachstumstreiber gewesen. Das ist etwas, was wir hervorheben sollten.
Ich komme zum Thema Materialeffizienz. Die Deutsche Materialeffizienzagentur schätzt, dass die Materialkosten der deutschen Wirtschaft um rund 100 Milliarden
Euro - das sind 20 Prozent - sinken könnten. Hier liegt
also ein großes Potenzial der Kostensenkung.
({10})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fell?
Nein, im Moment nicht.
Die Materialkostenanteile im produzierenden Gewerbe belaufen sich auf rund 46 Prozent; die Lohnanteile liegen bei unter 20 Prozent. Das heißt, hier Effizienzpotenziale zu heben, bedeutet eine Kostensenkung
für die Wirtschaft.
({0})
Genauso zeigt sich das bei den Patentanmeldungen,
die ja Ausdruck der technologischen Leistungsfähigkeit
sind. 23 Prozent aller vom Europäischen Patentamt jährlich erteilten Patente im Umwelt- und Energiesektor entfallen auf deutsche Unternehmen. Man könnte die Liste
mit Biogasanlagenherstellern, Umwelttechnik und anderen Elementen fortsetzen.
Meine Damen und Herren, ich trage das deshalb vor,
um mich einer Frage zu nähern, nämlich: Wie viel Umweltpolitik können wir uns wirtschaftlich leisten? Ich
finde, dass die genannten Zahlen belegen, dass diese
Frage schon im Ansatz falsch gestellt ist.
({1})
Die Antwort und These lautet: Wir können es uns wirtschaftlich nicht leisten, auf Umweltpolitik zu verzichten.
({2})
Das ist die Linie unserer integrierten Umwelt- und
Wirtschaftspolitik. Das ist eben der Unterschied: Während Sie offensichtlich geistig immer noch in irgendwelchen Schützengräben sind, hat diese Koalition den Widerspruch und Antagonismus hinsichtlich Ökonomie
und Ökologie endgültig hinter sich gelassen.
({3})
Ökonomie kann nur erfolgreich sein, wenn wir ökologisch verantwortlich handeln. Das ist der Punkt.
Die richtige Frage muss lauten: Wie müssen wir Umweltpolitik gestalten, damit wir auch in Zukunft wirtschaftlich an der Spitze bleiben? Ich glaube übrigens,
das ist eine wesentliche politische Wettbewerbsfrage.
Auch an dieser Stelle sage ich: Es wird nicht mehr lange
dauern, bis sich die Bürgerinnen und Bürger die Parteitagsbeschlüsse durchlesen werden, die Sie auf Ihrem
Grünen-Parteitag gefasst haben. Da gibt es ja nicht nur
die Peinlichkeit des Olympia-Beschlusses, den Sie gefasst haben; vielmehr zieht sich das geistige Niveau des
Olympia-Beschlusses durch Ihr ganzes energiepolitisches Programm.
({4})
Das ist nicht finanzierbar. Das ist kein Wachstumstreiber. Sie schaffen es eben nicht, Ihren - von mir aus umweltpolitisch guten Willen mit wirtschaftlicher Vernunft zu verknüpfen.
({5})
Sie haben gerade wieder in Ihren Beschlüssen bewiesen,
dass Sie beides noch nicht zusammengebracht haben.
({6})
Wir hingegen machen das konsequent; denn das ist
das Markenzeichen dieser Koalition. Wir haben ein
Energiekonzept mit einer klaren Orientierung verabschiedet. Überhaupt muss es ein Energiekonzept geben;
denn man kann keine Energiepolitik machen, wenn sie
nicht langfristig gedacht ist.
({7})
Wir haben klare Ziele, und die Ziele, die wir uns in diesem Energiekonzept gesetzt haben - deshalb habe ich
die Zahlen vorgetragen -, sind an den Wachstumsmöglichkeiten und Potenzialen orientiert, die in Effizienz
und in erneuerbaren Energien liegen.
Darum sagen wir: 80 Prozent erneuerbare Energien.
Darum sagen wir: mindestens 80 Prozent CO2-Reduzierung. Darum sagen wir: 50 Prozent Energieverbrauchsreduzierung durch Effizienzpotenziale.
({8})
Die Fortsetzung dieses wirtschaftlich erfolgreichen Kurses durch Umwelt- und Klimapolitik ist Ausdruck und
Inhalt unseres Energiekonzepts.
({9})
Wir setzen das aber nicht nur in der Energiepolitik
durch, sondern wir machen es auch auf anderen Gebieten. Ich nenne die biologische Vielfalt. Ich glaube, Kollege Haustein ist darauf schon eingegangen. Von biologischer Vielfalt haben Sie auch immer viel geredet,
({10})
Sie hatten ja grüne und sozialdemokratische Bundesminister. Aber diese Koalition war die erste, die ein Bundesprogramm Biologische Vielfalt etabliert und mit
15 Millionen Euro ausgestattet hat.
({11})
Das ist jetzt zum ersten Mal geschehen; Sie haben es
nicht gemacht.
({12})
Wir haben gemeinsam die Konferenz zur biologischen Vielfalt in Nagoya zu einem Erfolg gebracht. Das
heißt, nationale und internationale Politik gehen Hand in
Hand. Wir sind auch deshalb international erfolgreich,
weil wir national glaubwürdig handeln.
({13})
Das ist übrigens eine Gemeinsamkeit, die sich über Jahre
entwickelt hat; ganz viele Umweltminister haben daran
mitgewirkt.
Genauso wird es bei der Klimakonferenz sein, zu der
wir Anfang Dezember aufbrechen werden. Auch im Bereich Klimaschutz setzen wir diese Politik fort; denn
auch hier geht es um die Endlichkeit von Ressourcen.
Man kann es sich wie folgt vorstellen: Jedes Land, insbesondere die Industrieländer, haben ein begrenztes
Budget an CO2-Emissionen zur Verfügung. Wenn wir
dieses Budget überschreiten - es macht ungefähr 10 bis
15 Prozent unserer heutigen CO2-Emissionen aus -, werden wir die Erderwärmung nicht unter Kontrolle halten.
Das ist unsere nationale Politik; diese müssen wir international flankieren. Dem gilt unser voller Einsatz als
deutsche Bundesregierung und als Koalition.
({14})
Es geht nicht nur um irgendwelche Zahlen, irgendwelche Technologien, sondern um den grundlegenden
Transformationsprozess von der ressourcenverbrauchenden, energieverbrauchenden, CO2-emittierenden Wirtschafts- und Lebensweise zu einer ressourceneffizienten,
energieeffizienten, CO2-sparsamen Wirtschafts- und Lebensweise. Diesen Prozess gestalten wir für unser Land.
({15})
Wir wollen und werden dies - diesen Gedanken
möchte ich noch anfügen - weiter in das Konzept sozialer Marktwirtschaft einbinden. Darum war es richtig, die
Photovoltaikförderung, die staatliche Vergütung zu senken. Denn die Branche ist erfolgreich, und die Preise
sind gefallen. Diese Senkung ist Teil der Einbindung in
soziale Marktwirtschaft.
Ich sage all denen, die jetzt Strompreiserhöhungen
mit den Kosten durch erneuerbare Energien begründen:
Lesen Sie sich die Anmerkungen des Präsidenten der
Bundesnetzagentur durch. Erneuerbare Energien und deren Einspeisevorrang sorgen dafür, dass die Großhandelspreise sinken. Darum sind die erneuerbaren Energien
und ihre Förderung keine angemessene Begründung für
Strompreiserhöhungen. Das möchte ich an dieser Stelle
ausdrücklich sagen.
({16})
Gerade durch die erneuerbaren Energien entstehen Gewinnmargen.
Abschließend möchte ich sagen: Neben der Einbettung in soziale Marktwirtschaft müssen wir selbstverständlich für die demokratische Akzeptanz sorgen. Hier
denke ich an den Leitungsausbau. Ich glaube, dass Akzeptanz entscheidend mit der Bereitschaft zum Dialog
und mit der Erfüllung einer Begründungspflicht der Politik zusammenhängt. Wir stehen in der Pflicht, Infrastrukturprojekte zu begründen. Leitungsausbau ist mit
erneuerbaren Energien verknüpft; das müssen wir den
Leuten sagen. Wer auf erneuerbare Energien umsteigen
will, wer CO2-Einsparungen erreichen will, muss den
Leitungsausbau akzeptieren. Beides gehört zusammen;
man kann es nicht voneinander trennen.
({17})
Dazu gehört auch, die Folgen der Energienutzung der
Vergangenheit und der Brückentechnologie zu begründen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Ich
nenne das Stichwort Gorleben. Herr Trittin hatte recht,
als er gesagt hat: Es gibt keinen vernünftigen Grund, gegen das Zwischenlager Gorleben zu demonstrieren; denn
es ist die Aufnahmestätte für genutzte Brennelemente,
deren Nutzung politischem Willen entsprochen hat.
({18})
Mit dieser These hatte er völlig recht. Jetzt soll er auch
dazu stehen.
Genauso stehen wir in der Verantwortung - das sagen
auch Sie -, eine sichere Endlagerstätte zu finden. Es
muss ermittelt werden, ob Gorleben geeignet ist oder
nicht. Das muss im Dialog und transparent geschehen.
Das muss und wird rechtsstaatlich geschehen. Ich bin
selbstverständlich zu diesem Dialog bereit.
({19})
Ich sehe mich in der Pflicht, diesen Dialog zu führen,
und ich möchte diesen Dialog führen. Darum werde ich
heute in einer Woche nach Gorleben reisen, den Dialog
vor Ort führen, die Kritik entgegennehmen und mir die
differenzierten Argumente anhören. Dieser Dialog findet
nicht nur an einem Tag statt, sondern es wird der Beginn
eines Dialogprozesses sein, den Sie schon lange hätten
einleiten können.
({20})
Fordern Sie nicht von uns, was Sie selber nicht erbracht haben. Dialog ist ein Instrument demokratischer
Willensbildung. Wir haben eine Bringschuld. Im Stil und
in der Sache müssen wir diese zukunftsweisende Politik
begründen. Der Punkt ist: Wir können es begründen.
Denn wir machen keine ideologisch motivierte Energiepolitik,
({21})
sondern eine Energie-, Klima- und Umweltpolitik, die
die Natur schont und daraus ein wirtschaftliches WachsBundesminister Dr. Norbert Röttgen
tumsprogramm entwickelt. Das sind unser Anspruch und
Ansatz in der Umwelt- und Klimapolitik.
Danke sehr.
({22})
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen HansJosef Fell das Wort.
Herr Minister Röttgen, Ihre wunderbaren Reden zu
erneuerbaren Energien sind ja inzwischen allseits bekannt. Ich will darauf eingehen, dass diese Reden und
Ihre Taten weit auseinanderklaffen, und zwar sowohl in
der Vergangenheit als auch heute. Es ist wunderbar, zu
hören, wie stark Sie heute die Wirtschaftskraft der erneuerbaren Energien gelobt haben. Sie haben auch viele
Falschargumente bezüglich der hohen Kosten und anderes ausgeräumt. Dafür herzlichen Dank.
Sie haben auch gesagt, dass dies eine Wirtschaftsentwicklung darstellt, die phänomenal ist - sinngemäß zumindest - und auf die wir stolz sein sollten. Ich frage
Sie: Wo war denn Ihr Weitblick und der Ihrer Partei, dies
frühzeitig zu erkennen? In der Tat geht das minimal auf
das alte Stromeinspeisegesetz zurück, das damals in einer interfraktionellen Aktion von dem inzwischen leider
verstorbenen Hermann Scheer von der SPD, Herrn
Engelsberger von der CDU/CSU und Herrn Daniels von
den Grünen auf den Weg gebracht und - mit der Mehrheit der Union, ohne Zweifel - verabschiedet wurde.
({0})
Als dann in den Folgejahren der 90er-Jahre die Erkenntnisse bezüglich der erneuerbaren Energien immer
mehr in das Bewusstsein drangen und eine Novelle zu
diesem Gesetz zwingend erforderlich war, weil mit der
Liberalisierung die Strompreise für die Windkraft und
damit auch die Einspeisevergütung sanken und die erneuerbaren Energien unter die Räder kamen, da haben
Sie nicht mehr mitgemacht. Sie haben auch bei der Integration der Photovoltaik und der Bioenergien und der
Verankerung einer Festpreisvergütung im ErneuerbareEnergien-Gesetz im Jahr 2000, das das eigentliche Fundament für das deutsche Wirtschaftswunder der erneuerbaren Energien war, nicht mitgemacht. Sie persönlich
haben damals, ohne Weitblick zu haben, gegen dieses
Gesetz gestimmt.
Im Hinblick darauf sollten Sie einmal Ihre Vergangenheit beleuchten. 2004 haben Sie gegen die Novelle
zu diesem Gesetz gestimmt, obwohl Sie damals zustimmen wollten. Frau Merkel hatte aber diktiert: Eine Zustimmung der Union gibt es nur, wenn das Gesetz 2007
abgeschafft wird. Wo also bleibt Ihr Weitblick?
Auch Ihre Landes-CDU hat keinen Weitblick gehabt.
Noch 2005 wurde unter der Regierung Rüttgers in einem
Koalitionsvertrag festgelegt, eine Bundesratsinitiative
zur Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu
ergreifen.
({1})
Gott sei Dank hat sie nicht gegriffen, obwohl beispielsweise von der CSU mehrfach der Antrag in den Bundesrat eingebracht wurde, dieses Gesetz abzuschaffen. Dies
ist die wahre Historie, die belegt: Sie haben keinen Weitblick gehabt, sondern ernten heute nur den Erfolg. Immerhin bestätigen Sie den Erfolg.
Nun zur heutigen Fehleinschätzung.
({2})
Sie sagen, es sei ein tolles Energiekonzept, das Sie - mit
35 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020
und 80 Prozent bis 2050 - auf den Weg bringen. Sie sagen, so sehe der Ausbau der erneuerbaren Energien auf
heutigem Niveau aus.
Ich habe Sie mehrfach nach den Detailzahlen gefragt,
die Ihnen im Prognos-Gutachten als Grundlage für die
Begründung der Laufzeitverlängerung dargelegt wurden.
Dort sind folgende Zahlen angenommen: minus 85 Prozent gegenüber dem heutigen Ausbau bei Bioenergien,
minus 75 Prozent bei Solarenergie, minus 65 Prozent bei
Wind onshore. Sie haben mir immer wieder die eigenen
Zahlen verweigert. Ich bitte Sie heute, endlich die jährlichen Zubauraten, die Sie in Ihrem Energiekonzept zugrunde legen, zu nennen. Wenn Sie höhere Zahlen als
Prognos und EWI haben, müssen Sie mehr als 35 Prozent Strom bis 2020 annehmen. Dann gibt es keine Begründung mehr für die Laufzeitverlängerung der Atomkraft.
({3})
Herr Minister, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
Sehr geehrter Herr Kollege Fell, ich muss schon sagen, dass ich es bemerkenswert und bezeichnend finde,
dass Sie den wesentlichen Teil Ihrer Kurzintervention,
gewissermaßen als Replik auf die Umweltpolitik im
Jahre 2010, mit historischen Ausführungen zugebracht
haben. Das zeigt eigentlich, dass Sie in der Geschichte
der Umweltpolitik etwas präsenter sind als in der Gegenwart.
({0})
Das drückt das doch ganz eindeutig aus. Ich kann das
nicht anders sagen. Ich rede über die Umweltpolitik im
Jahr 2010 mit der Perspektive Zukunft, und Sie reden
von der Vergangenheit.
Das ist auch ein bisschen Ihre Mentalität. Die Grünen
empfinden sich, ein bisschen selbstgerecht und selbstzu8232
frieden, als die Erfinder und Inhaber des Steins der Weisen.
({1})
Vielleicht kommen Sie ein bisschen von Ihrer Selbstzufriedenheit herunter und stellen sich der Auseinandersetzung heute. Das wäre eine Alternative.
({2})
Davon habe ich gesprochen.
Sie können Ihr Konzept hier verteidigen. Es ist wirklich bemerkenswert, dass Ihre Sprecherin Ihr Konzept,
das ganz frisch ist und gerade erst auf Ihrem Parteitag
beschlossen wurde, nicht erwähnt hat. Vielleicht hört
man auch im Deutschen Bundestag einmal etwas davon,
was Sie beschlossen haben.
({3})
Kennen Sie Ihr Konzept gar nicht? Oder ist es Ihnen, wie
andere Ihrer Beschlüsse auch, ein bisschen unangenehm? Es wäre schön, wenn Sie etwas zum Inhalt Ihrer
eigenen Politik sagen würden.
({4})
Im Übrigen ist es überhaupt nicht mein Ehrgeiz, zu
sagen, dass das internationale Renommee, das sich
Deutschland erarbeitet hat, nur der Politik von CDU/
CSU und FDP zu verdanken ist; so hat es vorhin der
Kollege Bartol in völliger Verkennung der Lage, wie ich
glaube, dargestellt. Ich bin erst seit gut einem Jahr im
Amt. Ich glaube, dass ich das vorhandene Kapital nicht
geschmälert habe. Aufgebaut haben es allerdings meine
Vorgänger.
({5})
Davon nehme ich keinen Einzigen aus.
Unser Land, Deutschland, hat auf diesem Politikgebiet
- Umwelt-, Klima- und Biodiversitätsschutzpolitik haben
übrigens auch eine außenpolitische und geopolitische Bedeutung - ein außerordentlich hohes Ansehen und große
Kompetenz. Uns wird sogar eine enorme Führungskraft
zugesprochen. Manchmal muss man sich wirklich die
Frage stellen: Können wir die Erwartungen der anderen
überhaupt erfüllen?
({6})
Das ist gemeinsam erarbeitet worden,
({7})
auch von den Grünen, aber bei weitem nicht nur von ihnen.
Gestern haben wir das 20-jährige Jubiläum des DSD
gewürdigt und gefeiert. Die Themen Kreislaufwirtschaft
und Recyclingwirtschaft sind übrigens von Klaus Töpfer
in die deutsche Politik eingebracht worden; damals waren die Grünen nicht dabei. Heute können wir beim
Hausmüll Recyclingraten von 75 Prozent verzeichnen.
({8})
Eines ist natürlich klar: Wenn diese Koalition das
EEG auf den Weg gebracht hätte, wäre es noch besser
geworden, als es schon ist; auch das dürfte keine Frage
sein. Natürlich ist es immer weiter fortzuentwickeln.
Abschließend möchte ich auf das Thema Photovoltaik
eingehen.
({9})
- Dazu komme ich noch. - Wir haben hier darüber gestritten, ob eine Senkung der Photovoltaikvergütung notwendig ist, um die Photovoltaik zu erhalten. Damals haben Sie wildes Geheul angestimmt und kritisiert, dann
würde die Branche untergehen. Wie ist die Situation
heute? Die Branche boomt, nicht obwohl, sondern weil
wir eine Senkung der Photovoltaikvergütung vorgenommen haben. Das ist die Wahrheit.
({10})
Nun zu den Ausbauzielen. Sie insistieren darauf, das
Gutachten der Forschungsinstitute sei die Politik. Ich
habe Ihnen schon mehrmals gesagt: Das Gutachten der
Forschungsinstitute ist eine Grundlage für politische
Entscheidungen. Es ersetzt politische Entscheidungen
aber nicht. Politik wird im Deutschen Bundestag gemacht und nicht in irgendwelchen Forschungseinrichtungen.
({11})
In unserem Energiekonzept haben wir für die verschiedenen Dekaden klare Zahlen genannt.
({12})
Wir haben für die einzelnen Bereiche der erneuerbare
Energien, zum Beispiel für Wind- und Sonnenenergie,
für jede Dekade Ausbauzahlen festgelegt.
({13})
Wir wollen das Ziel erreichen, bis zum Jahre 2050
80 Prozent unseres Energiebedarfs aus erneuerbaren
Energien zu decken. Zu diesem Zweck haben wir einen
Überprüfungsmechanismus etabliert.
({14})
Alle drei Jahre wird überprüft: Befinden wir uns auf dem
Pfad der Zielerreichung, oder müssen wir nachsteuern?
Sie können sich darauf verlassen, dass wir dem richtigen
Pfad folgen und, um unsere Ziele zu erreichen, eine
Selbstverpflichtung eingehen, sowohl was die Zwischenschritte als auch was das Endziel betrifft.
({15})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte solche
Zwiegespräche nicht zur Regel werden lassen. Beide haben die erlaubte Redezeit von drei Minuten gnadenlos
überzogen. Da Herr Fell seine Redezeit überzogen hat,
({0})
musste ich aus Fairnessgründen auch den Minister überziehen lassen; das gehört sich so.
({1})
Wir wollen das aber nicht zur Regel werden lassen.
Nun erteile ich das Wort Kollegen Ulrich Kelber für
die SPD-Fraktion.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gefällige Rede des Ministers hatte sehr wenig
mit dem, was im Haushalt steht, zu tun.
({0})
Noch weniger hatte sie damit zu tun, wie der Minister
handelt.
({1})
Wir haben ein geschlagenes halbes Jahr dabei zusehen
müssen, dass er das Amt des Bundesumweltministers
seinen parteipolitischen Ambitionen in Nordrhein-Westfalen untergeordnet hat.
({2})
Damit muss Schluss sein.
Die Stimmung im BMU ist nicht gut. Es herrscht eine
Kultur des Misstrauens der Leitung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
({3})
In vielen wichtigen Feldern werden keinerlei Initiativen
mehr ergriffen, und zahlreiche Entwürfe des Hauses versauern auf den Schreibtischen von Staatssekretär und
Minister.
Der Titel „Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit“ formuliert einen hohen Anspruch.
Die Bilanz dieses Jahres hingegen ist armselig. Darüber
kann keine noch so ausgefeilte Rede hinwegtäuschen.
Auch das Aufführen als „Häuptling fremde Feder“
täuscht darüber nicht hinweg.
({4})
In vielen Feldern handelt der Minister gar nicht, in anderen Feldern handelt er genau entgegengesetzt zu dem,
was er in seinen Reden sagt. Im Alltag kürzt Bundesminister Röttgen bei den wichtigsten ökologischen Programmen, verweigert die Weiterentwicklung einer ökologisch ambitionierten Gesetzgebung und bedient die
Atomkonzerne.
Ich möchte das an Details belegen:
Im Umweltschutz rühmt sich der Minister auf einer
Pressekonferenz des Rekords bei der Förderung von
ökologisch-innovativen Technologien aus dem Marktanreizprogramm. Wenn man genauer hinschaut, stellt
man fest: Die Rekordzahlen sind aus dem Jahr 2009. Zu
90 Prozent der Zeit dieses Jahres war er nicht Minister.
Minister ist er in 2010: Da wird das Programm gekürzt.
Minister will er in 2011 bleiben: Da ist eine erneute Kürzung des Programms vorgesehen. Er rühmt sich also für
die Vorgängertaten, die er selber zerstört.
({5})
Die Ziele des Energieeffizienzgesetzes, das die Unterschrift von Norbert Röttgen trägt, liegen deutlich unter
dem, was sich Deutschland im Rahmen der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie vorgenommen hat. Es darf nur
noch der EU-Minimalkonsens umgesetzt werden, das berühmte „Eins zu eins“. Das heißt, das Hightechland
Deutschland, das Energieeffizienztechnologien in die
ganze Welt verkaufen will, schafft für seinen Heimatmarkt Regeln, die eigentlich für die ärmsten südosteuropäischen Transformationsländer vorgesehen waren. Das
ist der Hightechanspruch von Schwarz-Gelb und Norbert
Röttgen.
({6})
Im Bereich des Klimaschutzes - der Kollege Bartol
hat schon darauf verwiesen - sind alle Versprechen gebrochen worden. Wir hatten zugesagt, dass alle Mittel
für den Klimaschutz zusätzlich zu den Mitteln für die
Armutsbekämpfung zur Verfügung gestellt werden sollen. Schwarz-Gelb verrechnet jetzt die Mittel für den
Klimaschutz mit den Mitteln für die Armutsbekämpfung.
({7})
Das ist schändlich.
({8})
Jetzt zum Angriff auf die Erneuerbaren. Die Zahlen
vom Kollegen Fell stimmten. Man hätte sie vielleicht
noch etwas zusammenfassen können.
Ich habe die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage gefragt: Teilen Sie die Zahlen der Gutachter zum
Energiekonzept? Antwort - sie ist mit Ihnen abgestimmt,
Herr Röttgen; denn das ist das Vorgehen in der Bundesregierung -: Ja, diese Zahlen sind glaubwürdig und sinnvoll. - Dann sollte man die Zahlen auch nennen. HansJosef Fell hat sie für 2020 genannt. Die Abschätzungen
dieser Politik für 2030 sind noch abenteuerlicher: minus
98 Prozent beim Windausbau, minus 99 Prozent bei der
Photovoltaik, minus 100 Prozent bei Biomasse. Das ist
die Erneuerbare-Energien-Politik à la Norbert Röttgen.
({9})
Der zweite Teil des Titels ist der Naturschutz. In Nagoya haben Sie die Schwellen- und Entwicklungsländer
zum Schutz der Regenwälder aufgefordert. Diese Aufforderung unterstützen wir, Herr Minister. Ich frage mich
nur: Wo ist der deutsche Umweltminister, wenn in
Deutschland durch Schwarz-Gelb ein Waldgesetz gemacht wird und in diesem Waldgesetz noch nicht einmal
die Festschreibung „nachhaltige Waldbewirtschaftung“
erfolgen darf, was es in der deutschen Gesetzgebung zum
Wald schon vor 200 Jahren gegeben hat? Sie sind hinter
etwas zurückgefallen, was es in Deutschland schon vor
200 Jahren gegeben hat.
({10})
Wo ist der deutsche Umweltminister, wenn Moore in
Deutschland noch immer unter den Pflug kommen, mit
all den CO2-Emissionen, mit all der Vernichtung der dortigen Artenvielfalt? Wir können doch nicht von anderen
Ländern etwas fordern, wozu wir im eigenen Land wegen Klientelbedienung nicht bereit sind. Reagieren Sie
endlich auch im Bereich Naturschutz, Herr Minister!
({11})
Wir sind in der Haushaltsberatung, Herr Kollege
Schulte-Drüggelte. Deswegen ist es richtig, in den Haushalt zu schauen. In der Tat gibt es einen Aufwuchs im
Bereich der Atomenergie, nämlich 35 Prozent, und es
gibt eine Kürzung bei Natur, Umwelt und Klimaschutz
um 10 Prozent. Auch das ist der Haushalt von Norbert
Röttgen.
Bleibt zuletzt die politische Zuständigkeit für den Naturschutz. Der Abteilungsleiter wurde sofort nach Amtsantritt des Ministers entlassen. Das machen die meisten
Minister aller Couleur.
({12})
Acht Monate lang wurde der Posten nicht besetzt. Man
hat scheinbar niemanden mit passendem Parteibuch gefunden. Nach dem aktuellen Organigramm auf Ihrer
Website wird die Abteilung Naturschutz jetzt im Nebenamt durch die Büroleiterin des Ministers geleitet. Das ist
der aktuelle Stand auf der Website des Umweltministeriums. Das ist eine spannende Zuständigkeit für Naturschutz.
({13})
Einem Bereich seines Amtes widmet sich der Minister tatsächlich; das ist der Bereich Atomenergie. Allerdings heißt er eigentlich „Minister für Reaktorsicherheit“.
({14})
Deswegen nahm er eine seiner ersten Amtshandlungen
im Bereich Reaktorsicherheit vor. Er hat nämlich das modernisierte kerntechnische Regelwerk wieder außer Kraft
gesetzt, in dem höhere Sicherheitsanforderungen für
Atomkraftwerke standen. Danach gab es den Versuch, die
Erkundung der Endlager zu privatisieren, um kritische
Bundesbehörden auszuschalten und den Atomkonzernen
einen Zugriff zu ermöglichen. Jetzt lässt er sich in Gorleben die Gutachten von einem Atomlobbyisten schreiben,
der von Vattenfall wegen der Pannen in Krümmel und
Brunsbüttel entlassen wurde.
Die Bürgerbeteiligung, die mit Transparenz und „Wir
nehmen doch alle mit“ vorneweg getragen wird, wird
wie folgt behandelt: Bei Gorleben wird auf ein vor
20 Jahren abgeschafftes Uraltrecht zurückgegriffen, um
keine Bürgerbeteiligung machen zu müssen. Alle aktuellen Gesetze sehen die Bürgerbeteiligung vor. Im Atomgesetz führen Sie etwas Neues ein, um ein Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2008, wonach Anwohner von Atomkraftwerken wegen mangelnder Sicherheitseinrichtungen klagen können, zu umgehen. Das ist Bürgerbeteiligung à la Norbert Röttgen.
({15})
Zum Thema Russlandtransporte. Ich bin Ihnen
dankbar, dass einer aus dieser Koalition gesagt hat, das
sei Teil ihres Konzepts. Aus einem deutschen Zwischenlager wird Atommüll nach Russland gebracht, und wir
wissen nicht genau, wie und unter welchen Sicherheitsbedingungen dieser Atommüll dort, in einem der am
stärksten radioaktiv verstrahlten Orte der Welt, behandelt werden wird. Sie haben das erneut mit Geheimpapieren vorbereitet. Das scheint bei Ihnen ja zur Mode
geworden zu sein, Herr Minister.
Sie verweisen dabei auf einen Vertrag, durch den Sie
angeblich dazu verpflichtet sind. Wenn man in den Vertrag hineinschaut, dann stellt man fest, dass dieser Vertrag dafür gedacht war, waffenfähiges Material aus zerfallenden Staaten Osteuropas und Zentralasiens, das
gesichert wurde, nach Russland zu schicken. Wir schicken jetzt nicht waffenfähiges Material aus sicheren
deutschen Zwischenlagern zur Aufarbeitung nach Russland, sodass daraus erst waffenfähiges Material wird.
Das ist ein Abgrund an Unehrlichkeit, der einem deutschen Minister nicht zusteht.
({16})
Walter Wallmann, Klaus Töpfer, Angela Merkel haben eine Gemeinsamkeit mit Norbert Röttgen: Auch sie
sind CDU-Mitglieder und waren Bundesumweltminister.
Diese drei haben in ihrem Amt aber Verschlechterungen
in der Umweltgesetzgebung und bei den ökologischen
Förderprogrammen verhindert. Das ist der entscheidende Unterschied.
Vielen Dank.
({17})
Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die
Rede von Herrn Kelber war voller Fehler. Er hat behauptet, ein Abteilungsleiter sei entlassen worden, obwohl
die eigene Regierung diesen Mann während der Großen
Koalition noch zum Präsidenten des Umweltbundesamtes gemacht hat. Das zeigt, wie ernst Sie es mit der
Wahrheit nehmen, Herr Kelber.
({0})
Deswegen will ich mich damit auch gar nicht auseinandersetzen, sondern ich möchte darauf eingehen, was
diese Bundesregierung hinsichtlich der finanziellen Ausstattung im Bereich der Umweltpolitik erfolgreich geleistet hat.
Mit dem Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ haben wir das größte
Förderprogramm für erneuerbare Energien auf den Weg
gebracht, das dieses Land je gesehen hat.
({1})
Sie sind hier wahrscheinlich deswegen so polemisch,
liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von den
Grünen, weil Sie das, was wir geschafft haben, nicht auf
die Reihe bekommen haben.
({2})
Wir haben nämlich zusätzliche Mittel für den Umweltund Klimaschutz bereitgestellt. Das steht im Gesetz, und
das wird durch den Wirtschaftsplan deutlich.
Wir haben hier zum einen die Erlöse aus den Kernkraftwerken genutzt, zum anderen haben wir aber auch
etwas getan, was uns alle Umweltverbände immer vorgeschlagen haben und was Sie, die SPD, in Ihrer Regierungszeit zwar immer gefordert, aber nie auf die Reihe
bekommen haben, dass nämlich die Erlöse aus den Versteigerungen von CO2-Emissionsrechten für den Umwelt- und Klimaschutz ausgegeben werden. Wir machen
das ab 2013 zu 100 Prozent. Niemand muss mehr für die
Umweltpolitik zum Finanzminister betteln gehen. Wir
haben für eine gesicherte Finanzierung der zusätzlichen
Programme der nächsten Jahre gesorgt. Das haben nicht
Sie, sondern das hat diese Koalition aus FDP und Union
geschafft.
({3})
FDP und Union haben nicht nur für die Finanzierung
erneuerbarer Energien gesorgt, nein, wir haben auch
die Zielmarke, wie hoch der Anteil des Stroms sein soll,
der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, so hoch
gesetzt, wie es keine andere Regierung in diesem Land
je getan hat. Wir wollen bis 2050 einen Anteil des Ökostroms von 80 Prozent erreichen. Dafür, wie das gelingen kann, haben wir ein realistisches Szenario und kein
Wolkenkuckucksheim aufgebaut, wie die Opposition das
tut.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie
haben Ihren Beschluss vom Bundesparteitag hier versteckt, weil er Ihnen wahrscheinlich peinlich ist; denn
ohne ausgebaute Stromnetze und ohne Speicher wird es
nicht möglich sein, bis 2030 eine Stromversorgung zu
100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erreichen.
({5})
Sie belügen die deutsche Bevölkerung mit Ihren Wolkenkuckucksheimen, die Sie hier aufbauen.
({6})
Es ist reiner Populismus, was Sie zum Beispiel zum
Netzausbau sagen. Sie wissen, dass es Widerstand gibt,
und deshalb versprechen Sie allen Erdkabel. Sie wissen
aber auch - das ist gestern höchstamtlich bestätigt worden -, dass das 20 Milliarden Euro mehr kosten wird.
Das wird dann auf die Strompreise umgelegt. Das ist
vielleicht für Ihre besserverdienende Klientel kein Problem, für den Normalbürger in Deutschland aber sehr
wohl.
({7})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus
der Fraktion der Grünen?
Sehr gerne.
Bitte schön.
Sie kommen wie ich aus Nordrhein-Westfalen, wenn
ich richtig informiert bin. Dort gab es bis vor einigen
Monaten eine schwarz-gelbe Landesregierung. Ist Ihnen
bekannt, dass diese Landesregierung, um den Netzausbau voranzubringen, ein Ausbaugesetz, das die Grünen
im Landtag gefordert haben und das es im Land Niedersachsen bereits gibt, systematisch durch entsprechende
Initiativen im Landtag verhindert hat, dass sie die Bedenken aus der Bevölkerung nicht ernst genommen hat
und wir deshalb in Nordrhein-Westfalen dieselben Probleme mit dem Netzausbau haben wie andere Länder?
Ich habe noch eine zweite Frage. Sie haben eben gesagt, wir würden unseren Parteitagsbeschluss verstecken. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben ihn als
Antrag eingebracht. Als Sie ausschließlich Gesetzesnovellen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke
eingebracht haben, haben wir unser Energiekonzept im
Umweltausschuss zur Abstimmung gestellt. Ihre Fraktion hat zusammen mit der CDU/CSU unseren Antrag
von der Tagesordnung genommen, weil Sie sich nicht
damit auseinandersetzen wollen. Warum haben Sie das
gemacht und werfen uns jetzt vor, dass das hier nicht zur
Debatte steht?
({0})
Lieber Kollege, wir als Koalition aus FDP und Union
werden den Netzausbau durch Bundesaktivitäten für alle
Bundesländer voranbringen, indem wir beispielsweise
Planungsvorgaben, soweit sie in der Kompetenz des
Bundes liegen, vereinfachen. Wir werden beispielsweise
- das hat der Wirtschaftsminister angekündigt - die Akzeptanz dadurch stärken, dass wir mit den Betroffenen
und den Verbänden in einen Dialog eintreten.
Man kann nicht nur hier in Berlin Versprechungen
machen, sondern man muss auch vor Ort dafür geradestehen. Ihre grünen Kreisverbände demonstrieren überall
dort, wo es eine Bürgerinitiative gibt, gegen den Netzausbau, und hier stellen Sie sich als Musterknaben dar.
Das ist der Widerspruch Ihrer grünen Politik: Hier sind
Sie für erneuerbare Energien und vor Ort dagegen. Sie
können nur dagegen sein. Das ist Ihre Politik.
({0})
Diese Dagegen-Politik zeigt sich deutlich. Sie sind
gegen Netzausbau. Sie sind gegen CCS im Bereich Industrie und Biomasse, womit man CO2 sogar aus der Atmosphäre herausholen kann. Sie sind gegen den Ersatz
alter Kohlekraftwerke und senken deshalb die Klimaschutzziele in NRW. Sie sind gegen ein Endlager, haben
aber zehn Jahre lang nichts getan, wohl wissend, dass
wir eine Lösung finden müssen. Sie sind immer dagegen.
Ein Blick in Ihren Antrag, der gleich zur Abstimmung
steht, zeigt das auch. Ihr grüner Umwelthaushalt sieht so
aus, dass Sie einfach mehr Geld fordern. Generationengerechtigkeit ist Ihnen völlig egal. Wir sehen das auf
Bundesebene. Dort senken wir die Neuverschuldung um
40 Prozent, Rot-Grün in NRW erhöht sie um 35 Prozent.
Das ist Ihre Nachhaltigkeitspolitik.
({1})
Herr Kollege, Sie müssen allmählich zum Ende kommen.
Ich komme sofort zum Ende. - Ihre billigen Gegenfinanzierungsvorschläge - je 1,1 Milliarden Euro bei den
Ausnahmen von der Ökosteuer und durch die Besteuerung von Erdöl - sind nur heiße Luft. Damit vertreiben
Sie die Arbeitsplätze aus der Chemieindustrie in die
Ukraine und in andere Länder im Osten, die keinen Klimaschutz betreiben. Das ist nicht verantwortbar. Es ist
nicht nachhaltig. Damit bedienen Sie nur Ihre eigene
Klientel.
Vielen Dank.
({0})
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Kelber
das Wort.
Ich habe vorhin Herrn Minister Röttgen vorgeworfen,
den Abteilungsleiter für Naturschutz entlassen, die Stelle
dann acht Monate nicht besetzt zu haben und sie heute
im Nebenamt verwalten zu lassen. In der Tat hat der
Minister Abteilungsleiter entlassen. Ich habe aber zwei
Ressorts verwechselt. Der Abteilungsleiter Naturschutz
ist vorher gegangen. Ich habe das öffentlich behauptet,
und ich möchte es öffentlich korrigieren.
({0})
Das Wort hat nun Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Morgen ist Vorlesetag in der Bundesrepublik, und die Redner der Regierungskoalition könnRalph Lenkert
ten daran mit ihren Reden unter dem Motto „Geschichten aus dem Märchenland“ teilnehmen.
({0})
Wer Laufzeiten verlängert, muss für eine sichere Atommülllagerung sorgen, damit diese tödliche Fracht weg
ist.
Das Endlagerungskonzept in der Asse ist gescheitert.
In Gorleben gibt es undefinierte geologische Strukturen,
Erdöl im Salzstock, Erdgas im und unter dem Salz. Wer
in diesem explosiven Gemisch Atommüll einlagert,
spielt russisches Roulette.
({1})
Er weiß um die tödliche Gefahr und hofft, dass es ihn
nicht trifft. Beenden Sie dieses Hasardspiel, verschwenden Sie nicht weitere Millionen in diesem Salzstock und
setzen Sie das Geld - wie von uns gefordert - ein, um
eine sichere Aufbewahrungslösung für diesen tödlichen
Müll zu finden.
({2})
Kein Werbeetat wird aus Gorleben, Asse und Schacht
Konrad technisch akzeptable und sichere Endlager machen. Das Werbegeld gehört deshalb aus dem Haushalt
gestrichen. Und kein oscarreifer Auftritt des Umweltministers wird darüber hinwegtäuschen ({3})
- ich meine den Oscar-Preis aus Hollywood -, dass dieser Haushalt von dem Ziel, Strom aus erneuerbaren
Energien zu 100 Prozent im Jahr 2050, wegführt.
({4})
Das größte technische Problem regenerativer Stromerzeugung ist die nicht ständige Verfügbarkeit von Wind
und Sonne. Das Entwickeln neuer Stromspeichertechnologien mit hohem Wirkungsgrad ist deshalb unerlässlich. Das Fraunhofer-Institut entwickelte ein Verfahren
zur Erzeugung von künstlichem Methan aus Wasser und
Kohlendioxid mithilfe von elektrischem Strom. Das ist
eine Möglichkeit, um das Speicherproblem zu lösen.
Leider entsteht die Testanlage in Österreich und nicht in
Deutschland.
Damit solche innovativen Lösungen zukünftig in der
Bundesrepublik und nicht in anderen Ländern installiert
werden, fordert die Linke zusätzliche 490 Millionen
Euro für solche zukunftsweisende Projekte.
({5})
Wir beantragen einen Energiesparfonds in Höhe von
2,5 Milliarden Euro jährlich, finanziert aus den Gewinnen der Energiekonzerne. Heute früh habe ich in der
ARD gesehen, dass Eon, RWE und EnBW im Jahre 2002
einen Gewinn in Höhe von 5,8 Milliarden Euro erzielten. Im Jahre 2009 waren es bereits 23 Milliarden Euro.
Wenn wir ihnen etwas wegnehmen, werden sie - das
glaube ich - schon nicht verhungern.
Mit diesem Fonds sollen Förderprogramme zur Energieeinsparung und Energiekostensenkung durchgeführt
werden. Die Umsetzung zum Beispiel in öffentlichen
Verwaltungen wirkt mehrfach. Lokale Firmen erhalten
Aufträge und steigern damit die regionale Wirtschaftskraft, und auch die finanzielle Lage von Ländern und
Kommunen verbessert sich, weil die Heizkosten und
Energierechnungen für öffentliche Gebäude sinken.
In Ihrem Energiekonzept fordern Sie einen besseren
Wärmeschutz. Dieser kostet etwa 500 Euro oder mehr
je Quadratmeter. Bei 100 Quadratmetern selbstgenutztem Wohnraum wären das 50 000 Euro an Aufwand. Für
Mieter würde dies Kaltmietensteigerungen von mindestens 5 Euro je Quadratmeter bedeuten. In Gera wären
dann durchschnittlich 9 Euro und in Jena sogar 12 Euro
Kaltmiete je Quadratmeter zu erwarten. Ihre Antwort auf
dieses durch Ihr Energiekonzept ausgelöste soziale Horrorszenario lautet: Kürzung des Marktanreizprogramms
und des CO2-Gebäudesanierungsprogramms. Das ist inakzeptabel.
({6})
Bezahlbares Wohnen ist ein Menschenrecht. Deshalb
fordert die Linke beim Wärmeschutz einen vernünftigen
Abgleich zwischen Wärmedämmung und Kostenaufwand sowie ein unterstützendes Investitionsprogramm.
Die 2,5 Milliarden Euro des Energiesparfonds wären ein
Schritt zum sozialökologischen Umbau der Gesellschaft
und ein Beitrag zur Stärkung der Kommunen.
Meine Damen und Herren, mit dem Haushalt sichern
Sie die Profite der vier Konzerne. Mittelständler, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Handwerker, Selbstständige, zukünftige Generationen und die Umwelt würden von unseren Vorschlägen profitieren. Ich empfehle
Ihnen deshalb, unsere Änderungsanträge anzunehmen.
({7})
Das Wort hat nun Hermann Ott für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Röttgen, vielen Dank dafür, dass Sie die
rot-grünen Erfolge in der Energiepolitik hier so gelobt
haben, in denen Sie sich jetzt sonnen können. Schade
nur, dass Sie es nicht auch so gut machen können. Ich erinnere mich an die Debatte vor ziemlich genau einem
Jahr. In der Kopenhagen-Debatte am 3. Dezember 2009
habe ich hier gesagt: Die wahren Gegner Ihrer Politik
sitzen nicht hier auf den harten Oppositionsbänken.
Nein, die Gegner Ihrer Politik sitzen dort bei Ihnen auf
der Regierungsbank.
({0})
Es ist fast schon unheimlich, wie sich diese Vorhersage
bestätigt hat.
Von Ihren hochfliegenden Plänen ist nichts, aber auch
gar nichts übrig geblieben. Sie haben beim Klima- und
Umweltschutz auf ganzer Linie verloren gegen Ihre werten Kollegen Brüderle, Niebel und Schäuble. Das sieht
man dann auch und gerade am Haushalt; denn im Haushalt liegt die Wahrheit. In der Verteilung von Ressourcen
drücken sich Präferenzen aus. Die Präferenzen sind in
Ihrem Fall eindeutig. Bedacht wird die energieintensive
Industrie durch Ausnahmen von der Ökosteuer. Bedacht
wird die Atommafia durch die vereinbarte völlig unsinnige und gefährliche Laufzeitverlängerung. Gekürzt
wird dagegen bei den erneuerbaren Energien. Gekürzt
wird beim Marktanreizprogramm. Gekürzt wird bei der
Gebäudedämmung. Gestrichen wird schließlich auch
noch die Förderung von Fernwärme. Das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, haben Sie noch nicht einmal mitbekommen. Das
wurde Ihnen von der Bundesregierung und den Haushältern einfach untergeschoben.
({1})
Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Die Bundesregierung lässt sich nicht beirren von den sogenannten Klimaskeptikern oder Klimawandelleugnern. Sie ist überzeugt, dass der Klimawandel menschengemacht ist und
vertraut den Berichten des IPCC. Ihre Antwort auf unsere entsprechende Kleine Anfrage ist eindeutig. Das ist
erfreulich; denn in den letzten Monaten gab es dazu auch
andere Stimmen aus der Regierungskoalition. Wenn Sie
aber der Analyse des IPCC folgen, dann stellt sich die
Frage, warum sich dies in Ihrer Politik nicht wiederfindet. Schließlich sind die vom IPCC beschriebenen Auswirkungen des Klimawandels gravierend, und er verlangt von der Politik entschiedenes Handeln.
Doch was Sie national nicht leisten, setzen Sie konsequent auf internationaler Ebene fort. Wo sind die von
Frau Merkel in Kopenhagen zugesagten Klimaschutzmittel für Entwicklungsländer? Meine Vorredner haben
schon vom fast magischen Verschwinden der Millionen
in den Haushaltsentwürfen berichtet. Die Finanzzusagen
dieser Bundesregierung sind wie schillernde Seifenblasen: schön anzusehen, aber schnell wieder weg. Die
Kanzlerin hat damals in Kopenhagen natürlich auch vergessen, hinzuzufügen, dass sie die Klimamittel mit der
sogenannten ODA-Quote verrechnen will, also mit den
Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit. Meinen
Sie denn, dass die Diplomaten aus den Entwicklungsländern das nicht merken? So funktioniert das doch nicht.
Glauben Sie im Ernst, dass Ihre Klimapolitik international noch als glaubwürdig wahrgenommen wird? Nein, es
tut mir leid, aber dieser Haushalt ist nicht wirklich ein
Klimaschutzhaushalt. Dieser Haushalt ist ein Klimaschmutzhaushalt.
({2})
Wenn es wenigstens ein Gebiet gäbe, wo diese Bundesregierung etwas leistete! Hier wäre doch im Internationalen Jahr der Biodiversität eine große Chance gewesen,
zumal unter deutscher Präsidentschaft der Biodiversitätskonvention. Aber Sie, Herr Röttgen, waren noch nicht
einmal da, als dort Beschlüsse gefasst wurden, weil Sie
hier die Atomgesetze durchpeitschen mussten. Sie haben
in Ihrer Rede die biologische Vielfalt noch nicht einmal
erwähnt.
({3})
Dass Sie jetzt ein Bundesprogramm für die biologische
Vielfalt auflegen wollen, ist drei Jahre nach der Verabschiedung der Strategie mehr als überfällig. „Ambitioniert“ wäre dafür das falsche Wort. Wir schlagen eine
deutliche Aufstockung auf 22,5 Millionen Euro und zusätzlich 2,5 Millionen Euro vor, um die Einrichtung eines nationalen Monitoringzentrums vorzubereiten.
({4})
Klimaschutz und Schutz der biologischen Vielfalt
sind elementar für das Überleben unserer Spezies auf
diesem Planeten. Sie sind elementar für den Schutz alles
Lebendigen.
({5})
Die Kanzlerin hat auf ihrem letzten Parteitag eine verstärkte Hinwendung der CDU/CSU zum Christentum
angemahnt. Dann fangen Sie mal damit an und halten
Sie das, was Sie versprechen! Reden Sie nicht immer nur
vom Klimaschutz, sondern stellen Sie die Mittel dafür
bereit!
({6})
Reden Sie nicht immer nur von der Bewahrung der
Schöpfung, sondern handeln Sie auch so! Denn wie
heißt es bei Johannes und Matthäus: „An ihren Taten
sollt ihr sie erkennen.“
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat nun Ulrich Petzold für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt
2011 ist ohne Zweifel ein Konsolidierungshaushalt. Aufgrund der größten Wirtschaftskrise seit 1929 sind die
Staatseinnahmen in einer Art und Weise zusammengebrochen, wie es bisher in der Bundesrepublik noch nie
erlebt wurde. So sind die voraussehbaren Einnahmen
für das Jahr 2010 vergleichbar mit den Einnahmen von
2006. Das wird vor dem Hintergrund leichter Verbesserungen bei den Einnahmen häufig vergessen. Der Haushalt von 2006 war ein Übergangshaushalt. Er war noch
von den Vorgaben von Rot-Grün bestimmt. Es lohnt sich
also durchaus, insbesondere für die Damen und Herren
der Opposition, die heute scharfe Kritik an dem UmweltUlrich Petzold
haushalt üben, einmal hinzusehen, wie bei gleichen Einnahmen die Ausgaben gewichtet wurden.
Im Jahr 2006 hatten wir bei Steuereinnahmen in Höhe
von 233,1 Milliarden Euro einen Umwelthaushalt in
Höhe von 774 Millionen Euro. Im Jahr 2010 sind bei geplanten Steuereinnahmen in Höhe von 239 Milliarden
Euro 1,59 Milliarden Euro für den Umwelthaushalt vorgesehen.
({0})
Das bedeutet letztendlich, dass wir bei einem fast gleichen Einnahmevolumen das Ausgabenvolumen im Bereich des Umwelthaushaltes auf 205 Prozent erhöht haben. Wer also heute von Rot-Grün den Umwelthaushalt
kritisiert, muss sich demzufolge als Erstes fragen lassen,
was er denn selbst gestaltet hat.
Dieser Haushalt erfährt im Haushaltsjahr 2011 noch
einmal einen Zuwachs von 3,1 Prozent. Nun kritisiert die
Opposition, dass dieser Haushaltszuwachs nur dem
Mehrbedarf im Endlagerbereich zugutekommt. Ja, der
Mehrbedarf war nach dem Stillstand der letzten Jahre unbedingt nötig, zwingend und absehbar. Von dem Mehrbedarf von 129 Millionen Euro im Aufgabenbereich des
Bundesamtes für Strahlenschutz fließen 99 Millionen
Euro - das sind mehr als 75 Prozent - in das Endlager
Konrad, das nun wirklich auch ein Endlager für Materialien aus Forschung und Medizin ist. Unabhängig von der
Nutzung der Kernenergie für die Stromerzeugung ist dieses Endlager erforderlich.
Nun wurde immer wieder die Kürzung der Mittel für
das Marktanreizprogramm und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm angesprochen. Entschuldigen Sie, meine
sehr geehrten Damen und Herren, wir sorgen für eine Verstetigung dieser Programme. Ich bitte Sie, das unbedingt
anzuerkennen.
({1})
- Halt, Sie wissen ganz genau, dass zum Beispiel das
Marktanreizprogramm an die Erlöse aus dem Emissionshandel gekoppelt war. Diese Erlöse sind dramatisch eingebrochen. Schon allein deswegen ist die Verstetigung
eine wichtige und positive Entwicklung. - In jedem Fall
ist es falsch, nur die negativen Seiten des Haushalts aufzuzählen. Wir haben in sehr wichtigen Bereichen einen
Haushaltsaufwuchs. So werden bei dem Titel für Forschung und Entwicklung die Mittel für Umweltschutzforschung und Naturschutzforschung erhöht. Das gilt
auch für die erneuerbaren Energien, für die die Mittel
um 8,5 Millionen Euro auf 129 Millionen Euro erhöht
werden. Auch im Naturschutzbereich fließen mehr Mittel. So wird das Bundesprogramm für die biologische
Vielfalt um 15 Millionen Euro aufgestockt. Für Naturschutzprojekte geben wir Geld in einer bisher nie gekannten Größenordnung aus.
({2})
Wir als Umweltschützer sollten uns durchaus anrechnen,
dass im Verkehrshaushalt zur Wiedervernetzung von Biotopen ein wirklich großer Betrag ausgegeben wird.
Natürlich ist es richtig, Personalkosten zugunsten
des Programmhaushalts abzusenken. Eine Absenkung
des Personalkostenanteils von 28 Prozent im Jahr 2005
auf 16,5 Prozent im Jahr 2011 kann sich schon sehen lassen. Wir müssen aber auch hier Grenzen beachten, um
die Arbeit der Behörden nicht zu gefährden. Es ist richtig, Verwaltungskosten im allgemeinen Verwaltungsbereich abzusenken. Doch dort, wo die Behörden als
Dienstleister auftreten und die Dienstleistungen infolge
fehlenden Personals nicht in der erforderlichen Qualität
oder nicht in einem vertretbaren Zeitrahmen geleistet
werden können, ist ein Umsteuern erforderlich.
Dass bereits jetzt refinanzierte Stellen aus den Personalkürzungen ausgenommen werden und eine, wenn
auch geringfügige, Personalzuführung in diesem Haushalt vorgesehen ist, ist richtig. Die zukünftige Richtung
muss jedoch heißen: Dienstleistungen der Behörden sind
zu refinanzieren. Für diese Dienstleistungen ist das erforderliche refinanzierte Personal zur Verfügung zu stellen. Herr Bundesminister, ich bitte Sie, dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Herzlichen Dank.
({3})
Das Wort hat nun Frank Schwabe für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich
weiß, wenn der Herr Minister redet, immer nicht so genau, ob ich fasziniert oder eher angewidert sein soll in
Bezug auf das, was er hier vorführt.
({0})
Er erzählt eigentlich immer wieder dasselbe. Das alles
hört sich ganz schön an, aber er macht etwas anderes und das mittlerweile seit einem Jahr.
Klar ist, dass aus einer ambitionierten Klimaschutzpolitik, aus einer internationalen Vorreiterrolle längst
eine Klimapolitik ohne Anspruch geworden ist. Wenn
das noch eines Beweises bedurft hätte, wäre es in der Tat
der vorliegende Umwelthaushalt. Sie haben vorhin, was
den nationalen Bereich angeht, wieder die ganze Zeit
über von Effizienz geredet. In Ihr sogenanntes Energiekonzept schreiben Sie eine Effizienzquote von 2,1 Prozent hinein. In diesem Haushalt kürzen Sie aber ganz
konkret bei der Gebäudesanierung. Da merkt man doch,
dass Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammenpassen.
({1})
Es ist ein hartes Wort, aber man kann es nicht anders
sagen: Sie lügen in der internationalen Klimapolitik.
Sie haben gerade davon geredet, welche Reputation sich
Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten aufgebaut hat. Sie sagten, Sie wüssten vielleicht nicht so ge8240
nau, ob Sie diesem Anspruch gerecht werden können.
Ich glaube, wir können das heute beantworten: Sie werden diesem Anspruch nicht gerecht, Herr Minister
Röttgen.
Daniel Dagan, israelischer Journalist, hat mal gesagt:
Glaubwürdigkeit ist doch eine einfache Sache. Man sagt,
was man tut, und tut, was man sagt. - Wenn man sich
Ihre Rede durchliest, kann man überall Anmerkungen
machen. Dann wird man merken, dass das bei Ihnen
nicht zusammenpasst. Vor allem passt es nicht in der internationalen Politik zusammen. Im Rahmen des Copenhagen Accords haben Sie nämlich für drei Jahre je
420 Millionen Euro an zusätzlichen Geldern für die internationale Klimapolitik zugesagt. Das sind 1,26 Milliarden Euro von 2010 bis 2012. Im letzten Haushaltsjahr haben Sie - nach langer Debatte und vielen
Einwürfen der Opposition - immerhin schamhafte
70 Millionen Euro eingestellt. Darauf ist im Übrigen
kein Redner der Koalitionsfraktionen eingegangen.
Wenn man sich die Zahlen genau anguckt, stellt man
fest, dass am Ende gerade mal 10 Prozent der zusätzlich
zugesagten Gelder im Haushalt stehen werden. Das ist
eine Lüge und nichts anderes. Damit ruinieren Sie die internationalen Klimaverhandlungen.
({2})
Wie wollen Sie es hinbekommen, in Ländern wie Tuvalu und den Malediven, die im wahrsten Sinne des
Wortes dagegen kämpfen, abzusaufen, in Ländern wie
Guatemala und El Salvador, die heute mit dramatischen
Wirbelstürmen zu kämpfen haben, sowie in Ländern wie
China und Indien, die darum ringen, international eine
progressive Rolle in der Klimapolitik spielen zu können,
dafür Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen, wenn
Sie in den Haushaltsberatungen so vorgehen?
Christiana Figueres, die neue Chefin des UN-Klimasekretariats, hat in Bezug auf Cancún und die international zugesagten Gelder von einem goldenen Schlüssel gesprochen. Es wird deutlich, dass Sie den goldenen
Schlüssel zerbrechen. Das machen Sie mit diesem Haushalt. Es geht einfach nicht anders, als das als Lüge zu bezeichnen.
({3})
Herr Röttgen, Sie sind heute in eine neue Phase Ihrer
„rhetorischen Politik“ eingetreten. Das fing mit der Ankündigung an und ging über in ein gewisses Maß an Aggressivität und Hochnäsigkeit in der Atomdebatte. Heute
ist es eine Mischung aus beidem. Sie haben wirklich eine
besondere Chuzpe, das vorzutragen. Im Kern allerdings
ist Ihre Mission spätestens mit diesem Bundeshaushalt
gescheitert.
Sie waren dafür vorgesehen, die Union - auch bei
grünen Themen - zu öffnen und zu modernisieren. Herausgekommen ist, dass Sie gefesselt sind von Ihrer eigenen Fraktion, gefesselt sind von einem unmodernen
Konservativismus. Man könnte zwar auch in dieser politischen Richtung noch etwas Gutes erkennen, wenn man
Konservativismus so interpretieren würde, dass es um
Naturschutz, um Erhalt der Ressourcen und um Erhalt
der Umwelt geht. Darum geht es aber nicht. Es ist eine
zutiefst unmoderne Politik, die die Unionsfraktion betreibt, und der Minister ist Gefangener dieser Politik.
({4})
Ich habe leider nicht die Zeit, noch einmal umfassend
auf Ihr Atomkonzept einzugehen. Hätten Sie die Zeit lieber genutzt - Sie haben es im Koalitionsvertrag versprochen -, das Integrierte Energie- und Klimaprogramm der
Vorgängerregierung zu überprüfen und zu erneuern. Das
haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag zugesagt. Ich bin
gespannt, ob es bis Weihnachten noch eine entsprechende Überprüfung geben wird.
Sie hätten ein Klimaschutzgesetz für Deutschland
machen können. Das wollten Sie. Das waren die Anforderungen Ihres Ministeriums an das sogenannte Energiekonzept. Nichts davon ist durchgesetzt worden.
Zurück auf die internationale Ebene. International
geht es im Kern um zwei Dinge: Es geht zum einen um
die Frage von Finanztransfers; darüber habe ich gerade
geredet. Es geht zum anderen um die Frage eigener Reduktionsanstrengungen im Bereich des CO2-Ausstoßes.
Herr Röttgen, Sie haben am 15. Juli in einem zusammen mit Kollegen aus anderen europäischen Ländern
verfassten Aufsatz geschrieben, dass Sie sich für das
30-Prozent-Ziel innerhalb der Europäischen Union einsetzen. Das war vor etwas mehr als vier Monaten. Was
davon ist eigentlich Regierungspolitik in Deutschland
geworden? An der Stelle wird deutlich, dass Sie Ankündigungen machen und am Ende keine Rolle in der realen
Politik dieser Bundesregierung spielen.
({5})
In der Sache wäre das aber geboten. In der Europäischen
Union beträgt die Reduktion jetzt nämlich schon
17,3 Prozent gegenüber dem Jahr 1990, und wir werden
wahrscheinlich in Kürze das 20-Prozent-Ziel erreichen.
Insofern müsste man vor dem Hintergrund des bisherigen Ziels nun mehrere Jahre gar keine Klimaschutzpolitik mehr betreiben. Deswegen ist vollkommen klar: Das
europäische Ziel muss angepasst und auf 30 Prozent angehoben werden. Ich gebe einmal die Prognose ab: Es
wird im nächsten Jahr auch zu dieser Anpassung kommen. Sie allerdings werden in dieser Debatte keine Rolle
spielen, sondern das wird nach dem Motto ablaufen:
Halb zog es ihn, halb sank er hin. Eine Vorreiterrolle in
der internationalen Klimapolitik sieht in der Tat komplett anders aus.
({6})
Es hilft nichts, Herr Minister: Sie sind ein Minister
der in der Tat passablen Rhetorik, allerdings auch der
miserablen Bilanz, der gewachsenen Aggressivität und
des Hochmuts. Sie sind ein Minister des nationalen
Rückschritts und der internationalen UnglaubwürdigFrank Schwabe
keit. Für Sie persönlich scheint es ja durchaus ein Fortkommen zu geben, wie man in den letzten Monaten sah,
inhaltlich sind Sie allerdings - ich glaube, das wissen Sie
auch - längst gescheitert.
Glück auf aus dem Ruhrgebiet!
({7})
Das Wort hat nun Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man fragt sich, in welchem Land man lebt, wenn man
hier hört, was alles in Deutschland angeblich beim Klimaschutz falsch läuft.
({0})
Ich halte es für einen wirklichen Wahnsinn und für einen
Skandal, wie sehr man verkennt, was wir in Deutschland
leisten und auch, zugegebenermaßen, in der Vergangenheit geleistet haben.
({1})
Deshalb muss man doch anerkennen, dass es nach vorne
geht und dass noch nie so viel Geld wie in diesem Jahr
und in den kommenden Jahren für Klimaschutz ausgegeben wird. Es ist für mich unbegreiflich, mit welchen
Scheuklappen Sie in den Umweltetat schauen, dass Sie
nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir das Geld dafür aus
der Wirtschaft holen. Das müsste doch eigentlich den
Linken passen.
Herr Lenkert, Sie haben darauf hingewiesen, dass es
für die Mieter immer teurer wird. Gleichzeitig wollen
Sie aber, dass man keinerlei Kürzungen bei den erneuerbaren Energien in der Weise vornimmt, dass die Preise
günstiger werden. Wir nehmen das Geld von den Konzernen, aus der Wirtschaft. Sie wollen es von den Verbrauchern und den kleinen Mietern nehmen. Das ist das
Absurde. Hier passen Anspruch und Wirklichkeit nicht
zusammen.
({2})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Bulling-Schröter?
({0})
Gerne.
Danke schön, Herr Kollege. - Sie haben über die
Steuern gesprochen, die jetzt von den Unternehmen erhoben werden. Nehmen wir einmal die Brennelementesteuer. Es gibt ja mehrere ökologische Steuern. Die Einführung einer Brennelementesteuer haben auch die
Linken schon seit Jahren befürwortet. Es gibt aber auch
die Flugsteuer, die rückwirkend zum 1. September dieses Jahres erhoben wird.
({0})
Warum wurde nicht beschlossen, auch die Brennelementesteuer rückwirkend zu erheben? Es war doch für
Teile der Koalition absehbar, dass die Energiekonzerne
- ich sage es einmal so locker - ein bisschen tricksen
werden, um Steuern zu sparen. Das möchte eigentlich jeder, der Steuern zahlt. Bloß gelingt es den meisten Bürgerinnen und Bürgern nicht, den großen Konzernen aber
schon.
Ich habe darauf hingewiesen, dass wir uns hier mehr
für die Mieter und für die Kleinverdiener einsetzen wollen, als Sie es tun.
({0})
Darauf haben Sie sich bezogen.
Unser Ziel erreichen wir dadurch, dass wir die Industrie und die Wirtschaft beteiligen. Sie würden am liebsten unendlich viel in erneuerbare Energien investieren,
am besten morgen, wobei sämtliche Kosten zulasten der
Stromkunden gehen sollen. Schließlich wollen Sie, dass
wir sofort aus der Kernkraft aussteigen. Würden wir dies
tun, würden zig Milliarden an zusätzlichen Haushaltsmitteln fehlen, um diesen Umstieg zu schaffen. Sie sind
nicht bereit, zu akzeptieren, dass man das eine nicht tun
kann, ohne dass man dafür das nötige Geld zur Verfügung hat. Was hat das mit nachhaltiger Umweltpolitik zu
tun, heute Geld auszugeben, das man nicht hat? Sie fordern immer eine nachhaltige Umweltpolitik. Aber wenn
es um den Haushalt geht, dann ist bei Ihnen von Nachhaltigkeit nichts zu spüren.
Jetzt möchte ich noch etwas zur Brennelementesteuer
sagen. Sie wollten die Brennelementesteuer, und wir haben sie eingeführt. Das ist der Unterschied zwischen der
Linken und der FDP zusammen mit der CDU/CSU.
({1})
Die Umweltetats sahen in der Vergangenheit an vielen
Stellen viel Geld vor; das ist auch in Ordnung. Man hat
die unterschiedlichsten Initiativen unterstützt. Man hat
Mittel dafür zur Verfügung gestellt, dass sich das DGBBildungswerk für Ressourceneffizienz für Betriebsräte
einsetzt. Man hat auch Germanwatch 140 000 Euro gegeben, damit es sich zu CCS äußert. Das Ergebnis waren
zwei oder drei Abschnitte Text und zusätzlich ein kleiner
Newsletter. Auch dies war Geld, das man an anderer
Stelle vielleicht besser hätte ausgeben können. Auch
wird das Projekt „Frauen aktiv gegen Atomenergie“ in
Zukunft nicht mehr mit 100 000 Euro, wie es zuvor der
Fall war, gefördert werden.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir jetzt Schwerpunkte setzen. Wir setzen uns für drei verschiedene Bereiche ein, die vorher in einem Wirrwarr untergegangen
sind. Diese drei Bereiche möchte ich Ihnen kurz vorstellen.
Das ist zum einen der Bereich erneuerbare Energien. In diesen Bereich wird Geld von Stromkunden investiert, und zwar in einer Höhe, wie es in Deutschland
noch nie der Fall war. Es gibt in Deutschland Ausbauzuwächse wie nie zuvor. Ich frage mich schon, was man
daran zu kritisieren hat, wie man daran zweifeln kann
- Herr Fell, Sie haben sich in der Vergangenheit für die
erneuerbaren Energien starkgemacht - und wie man
gleichzeitig dagegen sein kann, dass es in dieser Phase
so unglaubliche Zuwächse gibt. In der Branche gibt es
eine Begeisterung wie nie zuvor.
({2})
Wir haben deutlich mehr Geld für den Bereich Naturschutz ausgegeben. Deshalb verstehe ich nicht, wie Sie
auf die Idee kommen, uns vorzuwerfen, dass wir überall
kürzen. Wir haben im letzten Jahr 30 Millionen Euro für
den Bereich Naturschutz zur Verfügung gestellt; in diesem Jahr stehen dafür 50 Millionen Euro zur Verfügung.
So etwas hat es vorher nicht gegeben. Unser Minister
Röttgen war auf der Naturschutzkonferenz. Sie war übrigens sehr erfolgreich, Herr Kollege Kelber. Ihre Kollegen haben sich im Gegensatz zu Ihnen
({3})
- Ihre SPD-Kollegen! - darüber beschwert, dass er nicht
bis zu den letzten Tagen an dieser Konferenz teilgenommen hat und gleichzeitig darüber,
({4})
dass er während der Konferenzverhandlungen nicht hier
im Umweltausschuss war. Er kann natürlich unmöglich
an zwei Orten gleichzeitig sein. Ich glaube, dass die Ergebnisse, die dort erzielt worden sind, sehr viel besser
als alle in der Vergangenheit sind.
({5})
Was den Bereich Endlagerung betrifft, müssen wir
jetzt - das gebe ich gerne zu - sehr viel Geld in die Hand
nehmen. Das müssen wir vor allem deswegen, weil Sie
zehn oder elf Jahre lang geschlafen und nichts getan haben.
({6})
Das ist das Schlimme. Wenn man über Jahre hinweg immer mehr Schulden macht und sich nicht darum kümmert, Lösungen zu finden, weil man mit den Ängsten der
Bevölkerung spielen will, dann darf man sich nicht darüber beschweren, dass andere ein Thema aufgreifen und
zur Bewältigung der Probleme eine Menge Geld investieren müssen. Leider müssen wir das; wir haben keine
andere Möglichkeit.
Ich möchte noch etwas zu den Grünen sagen. Die
Olympiabewerbung interessiert mich als Bayern. Hierbei geht es auch um die ökologischen Auswirkungen.
Was die Grünen hier so treiben, ist ein wunderbares Beispiel für eine Politik, bei der man überhaupt nicht darüber nachdenkt, was etwas insgesamt und international
bedeutet.
({7})
Eine Alternative dazu wäre, dass in Frankreich eine weitere Trabantenstadt in die Alpen gepflanzt wird. In München dagegen besteht die Möglichkeit, zu 90 Prozent bestehende Einrichtungen zu nutzen. Es könnten absolut
klimaneutrale Spiele stattfinden. Das hat es noch nie gegeben.
({8})
Man könnte Plusenergiehäuser in Bayern bauen. Das
würde dazu führen, dass der Atmosphäre sogar noch
CO2 entzogen würde. Das wären die nachhaltigsten und
ökologischsten Spiele, die es je gegeben hat.
Ihr Motto lautet: Heiliger Sankt Florian, beschütze
mein Haus, zünde das anderer an. Alles andere ist Ihnen
egal. Das ist Ihre Politik. Ich glaube, mit dieser Politik
werden Sie in Zukunft in Deutschland nicht mehr weit
kommen.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Lenkert.
Kollege Meierhofer, Sie führen sich hier als der Verteidiger der normalen Gesellschaft auf. Ich weise Sie darauf hin: Ihr Sachverständiger hat in der Anhörung zur
Laufzeitverlängerung auf meine Frage, ob die Kosten für
die dauerhafte Lagerung des Atommülls in die Kalkulation der Wirtschaftlichkeit des Atomstroms eingegangen
sind, sinngemäß gesagt: Nein, die Entsorgungskosten
seien „nicht berücksichtigt“, weil bei diesen „große
Unsicherheiten“ bestünden; das wird also später vom
Steuerzahler bezahlt. - So verdrehen Sie die Tatsachen.
Tatsache ist: Sie erhöhen die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Noch ein Hinweis: Im aktuellen Strompreis sind Kosten für den Kauf an der Strombörse von etwa 4 Cent je
Kilowattstunde enthalten, etwa 6 Cent Durchleitungsgebühren, zukünftig etwa 3,5 Cent für die EEG-Umlage
und etwa 2 Cent Ökosteuer. Wenn ich 21 Cent pro Kilowattstunde bezahle, schiebe ich den Konzernen einen
Profit von 8 bis 9 Cent in die Tasche. Da müssen Sie herangehen. Wenn Sie das machen würden, dann könnten
Sie sagen, dass Sie für die kleinen Leute arbeiten. Da Sie
das aber nicht machen und die Profite der Konzerne erhalten, sollten Sie solche Aussagen bitte lassen.
({0})
Kollege Meierhofer, Sie können replizieren.
Herr Lenkert, ich habe auf die Tatsache hingewiesen,
dass wir die Wirtschaft in die Finanzierung einbeziehen;
das gilt übrigens in erheblichem Maße auch für den Bereich der Endlagerung. Damit geht die Wirtschaft über
das hinaus, wofür sie eigentlich verantwortlich gewesen
wäre; sie zahlt Milliarden Euro extra. Für diesen Bereich
müssten ansonsten die Steuerzahler und damit auch die
kleinen Leute aufkommen. Dabei möchte ich die Debatte um die Mehrwertsteuer - auch hier kommt mehr
Geld rein - außen vor lassen. Wenn Sie meinen, dass der
Strom aufgrund der Tatsache, dass wir die Laufzeiten der
Kernkraftwerke verlängern, teurer wird, als wenn wir die
Kernkraftwerke gleich abschalten würden, dann frage
ich mich, welche Zusammenhänge Sie da im Kopf haben.
({0})
Es könnte passieren, dass das eine oder andere Kohlekraftwerk, das CO2 emittiert, abgeschaltet werden
muss, wenn die Laufzeitverlängerung kommt; das
möchte ich nicht ausschließen. Als Umweltpolitiker der
Linken sind Sie im Gegensatz zu den anderen Politikern
der Linken gegen die Kohle. Insofern würde es mich
sehr interessieren, welche Meinung Sie dazu haben: Wie
wollen Sie von den Linken die Klimaschutzziele erreichen, wenn Sie die Kohle bis zum jüngsten Tage weiter
nutzen wollen?
({1})
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kollegen Christian Ruck für die CDU/CSU das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Schluss dieser Debatte zum Haushalt des Umweltministeriums auf den Ausgangspunkt
zurückkommen. Wir befinden uns in einem Herbst der
Entscheidungen, inmitten einer Auseinandersetzung um
die Energiepolitik und zwischen zwei wichtigen internationalen Konferenzen, denen in Nagoya und Cancún.
Einmal mehr gilt, dass wir mit unserem Handeln Einfluss auf internationales Geschehen nehmen können, mit
unserer Wirtschaftskraft, unserer Technologie, unserem
Engagement und Vorbild. Darauf sollten wir uns konzentrieren: Wir sollten zu einer seriösen Debatte zurückkehren. Dazu sind aber Teile von Rot-Grün und einige
meiner Vorredner offensichtlich nicht imstande oder willens.
({0})
Herr Schwabe, wenn fünfmal von einer Lüge des
Bundesumweltministers die Rede ist, dann zeigt das: Einige von Ihnen lassen jegliches Niveau vermissen.
({1})
Das tut mir leid; denn es geht um Schicksalsfragen für
unsere Bevölkerung und für unsere Republik.
Lieber Norbert Röttgen, ich möchte ausdrücklich
Dank sagen und dir zu den Erfolgen der deutschen Delegation auf dem Weltnaturschutzgipfel in Nagoya gratulieren.
({2})
Das war ein wichtiger Erfolg, ein Erfolg auch dieser
Bundesregierung. Es war auch der Erfolg eines interfraktionellen Antrages, der von der Union ausging, dem
sich aber auch Rot-Grün angeschlossen haben. Insofern
ist der Vorwurf, dass wir eine schlechte Umweltpolitik
betreiben, an dieser Stelle völlig unsinnig.
Zum Thema Biodiversität und Erhaltung der
Schöpfung. Hier haben die Grünen große Töne gespuckt. Ich möchte an dieser Stelle sagen, wo wir im
Jahr 2005, als die Grünen aus der Bundesregierung ausscheiden mussten, im Bereich des Entwicklungshilfehaushalts standen: Dort waren 20 Millionen Euro für den
Erhalt der Biodiversität vorgesehen; jetzt liegen wir bei
309 Millionen Euro. Das ist mehr als das 15-Fache von
damals. Ich kann deswegen nur sagen: Ich begrüße es,
wenn die Bundesregierung die Themen Klimaschutz und
Erhaltung der Schöpfung ressortübergreifend aufgreift.
Ich finde es unterirdisch und kleinkariert, wenn man immer auf nur einen Haushalt starrt und behauptet, dass die
Bundesregierung die einzelnen Haushalte nicht koordiniert.
({3})
Herr Ott, da Sie aus Nordrhein-Westfalen sind,
möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Ich finde es richtig,
dass im Haushalt des BMU die Mittel für den Naturschutz hochgefahren werden. Ich erinnere an das äußerst
erfolgreiche Programm für die großen Naturschutzgebiete in Deutschland. Ich finde es auch richtig, dass es
ein neues Programm für die Biodiversität im eigenen
Land und für die Wiedervernetzung gibt. Das alles ist
richtig, und es sind neue Initiativen aus dem BMU. Da
Sie aus Nordrhein-Westfalen sind, darf ich Sie daran erinnern, dass Naturschutz in Deutschland Ländersache
ist. Daher möchte ich Sie auffordern: Gehen Sie zu Ihren
Koalitionären in Nordrhein-Westfalen und sorgen Sie
dafür, dass auch in Nordrhein-Westfalen eine ordentliche
Naturschutzpolitik betrieben wird. Das wäre Ihr Job.
({4})
Wenn hier im Zusammenhang mit der Konferenz in
Cancún von Lüge gesprochen wird, möchte ich Sie, auch
Sie, Herr Kelber, von Kollege zu Kollege bitten, erstens
aufzuhören, so zu tun, als wäre Umweltpolitik im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit keine Entwicklungszusammenarbeit. Es war immer Konsens, auch mit
Ihnen in der letzten Regierung,
({5})
dass Umweltpolitik im BMZ ein überaus wichtiger Pfeiler ist und sie hinsichtlich der ODA-Quote natürlich berücksichtigt werden kann. Das ist das Erste.
({6})
Die zweite Bemerkung zum Thema Lüge. Ich bitte
darum, dass Sie sich noch einmal alle einschlägigen
Positionen in allen Haushalten, die mit Cancún in Zusammenhang stehen - Clean Technology Fund der Weltbank, IKI, das Programm des BMU, und die konkreten
bilateralen Zusagen des BMZ -, anschauen und wir 2013
Bilanz ziehen; denn erst dann ist klar, was die beiden
Häuser im Bereich Klimaschutzpolitik zusätzlich beschlossen haben.
({7})
Herr Kelber, die beiden Häuser, BMU und BMZ, haben gesagt, dass sie im Rahmen ihrer bilateralen Arbeit
die Zusagen nach der Konferenz in Cancún erfüllen werden. Es ist ein Gebot der Fairness, dass man abwartet, ob
ihnen das in den nächsten zwei, drei Jahren gelingt oder
nicht.
({8})
Um zum Schluss zu kommen: Für Deutschland ist es
wichtig, dass wir in Cancún mit einem Energieprogramm auftreten, das so ehrgeizige Ziele enthält, wie zuvor keine Industrienation sie formuliert hat, dass der
Energie- und Klimafonds so gut ausgestattet wurde, wie
das bisher bei keiner anderen Industrienation der Fall
war, und dass wir mit einer konsistenten Energiepolitik
antreten, die eben kein rot-grüner Blindflug ist, sondern
auch berücksichtigt, dass wir die Klimaschutzziele mit
dem Schutz von Arbeitsplätzen zusammenbringen müssen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Zig Millionen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel,
wenn uns der Strompreis völlig aus dem Ruder läuft.
Das ist Ihnen völlig gleichgültig; das ist aber eine tragende Säule unseres Programms.
({0})
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Frank Schwabe.
Herr Dr. Ruck, es hilft nichts: Ich bleibe bei dem Vorwurf. In Kopenhagen wurden neue, zusätzliche Gelder
zugesagt. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang
die wunderbare Tabelle von Oxfam und die wunderbare
Website der niederländischen Regierung, auf der man
sich informieren kann; es gibt nämlich Länder, die ihre
Zusagen einhalten.
Wenn neue und zusätzliche Gelder in Höhe von
420 Millionen Euro pro Jahr und von 1,26 Milliarden
Euro über die drei Jahre von 2010 bis 2012 zugesagt
werden, aber am Ende der Anteil der neuen und zusätzlichen Gelder nur 10 Prozent beträgt, dann ist das eine
Lüge. Es hilft alles nichts. So verliert man die Glaubwürdigkeit auf dem internationalen Parkett.
Sie meinen, dass es kurzsichtig ist, sich nur auf den
BMU-Haushalt zu beziehen und den Haushalt des BMZ
nicht zu sehen. Ihre Kritik trifft nicht zu; denn ich beziehe mich auf beide Haushalte. Letztes Jahr hatten wir
Haushaltstitel in Höhe von 35 Millionen Euro in beiden
Haushalten. Diese sind jetzt gestrichen worden. Es bleibt
nichts übrig. Die Wahrheit ist: Es ist nichts neu und zusätzlich hinzugekommen. Das ist eine große Hypothek
für Cancún.
({0})
Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Straubinger das Wort.
Herr Kollege Ruck, Sie haben auch das Energiekonzept der Bundesregierung angesprochen. Dagegen gab
und gibt es Demonstrationen. Eine davon fand in München statt. Da hat sich der Oberbürgermeister der Stadt
München, Christian Ude, in die Menschenkette mit eingereiht und skandiert: Abschalten! Abschalten!.
({0})
Jetzt ist aber die Stadt München mit 25 Prozent am
Kernkraftwerk Isar 2 beteiligt.
({1})
Der rot-grüne Münchner Stadtrat versucht seit mehreren
Jahren - nach eigenen Angaben: ohne Erfolg -, diesen
Anteil zu verkaufen. Würden Sie angesichts der großen
Beteiligung an diesem Kernkraftwerk dieses Verhalten
als unredliche oder sogar als verlogene Politik von SPD
und Grünen in München bewerten?
({2})
Kollege Ruck, wollen Sie noch kurz erwidern? - Bitte
schön.
Ich gehe zunächst auf die letzte Kurzintervention ein.
Was mich wirklich ärgert, ist die Scheinheiligkeit,
({0})
mit der Rot-Grün diese Debatte führt. Natürlich ist es so,
dass der größte Einnahmeposten der Stadtwerke München aus der Beteiligung an Isar 2 resultiert. Natürlich
denken sie überhaupt nicht daran, aus dieser Beteiligung
auszusteigen.
({1})
Es ist eine Unverschämtheit gegenüber den Demonstranten, wenn der Oberbürgermeister an der Spitze des Zuges marschiert und das Gegenteil von dem fordert, was
er jeden Tag macht. Das ist einfach scheinheilig.
({2})
Auch Ihre Demonstrationen gegen Pumpspeicherkraftwerke in Niederbayern und gegen den Bau neuer
Stromnetze in Thüringen zeigen dieselbe Scheinheiligkeit.
({3})
Jetzt zu Ihnen, Herr Schwabe. Ich sage noch einmal:
Sie sind schlecht informiert und haben keine Ahnung,
wenn Sie nur auf den BMU-Haushalt schauen. Alleine
die Beteiligung des BMZ an dem Weltbankvorhaben
weist ein Volumen von 500 Millionen Euro auf. Hinzu
kommen die jährlichen 110 Millionen Euro von IKI. Ich
habe weiterhin gesagt: Den Rest haben die Häuser in bilateralen Verträgen zugesagt. So arbeitet das BMZ. Herr
Schwabe, wenn Sie keine Ahnung von der Arbeit des
BMZ haben, dann hören Sie auf, darüber zu reden.
({4})
- Doch. Es ist zusätzlich.
Bevor Sie jemand anderen der Lüge zeihen, sollten
Sie selber mit dem Lügen aufhören. Das ist meine Meinung.
({5})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit - in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3856, zu
dem namentliche Abstimmung verlangt wurde. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind die vorgesehenen Plätze an den aufgestellten Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Haben alle anwesenden Mitglieder des Hauses ihre
Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen.
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zu
den drei Änderungsanträgen der Fraktion Die Linke.
Änderungsantrag auf Drucksache 17/3838. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dagegen haben gestimmt CDU/CSU, SPD, FDP. Die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten, und die Linke
hat dafür gestimmt. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache 17/3839. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken und der Grünen abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache 17/3840. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der drei Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 586. Mit
Ja haben gestimmt 136 Kolleginnen und Kollegen, mit
Nein haben 316 gestimmt, es gab 134 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Vizepräsidentin Petra Pau
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 131
nein: 316
enthalten: 134
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothee Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({0})
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({1})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Viola von Cramon-Taubadel
Katja Dörner
Dr. Thomas Gambke
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({2})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({3})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({4})
Beate Müller-Gemmeke
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({5})
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({6})
Manfred Behrens ({7})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen
({8})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({9})
Dirk Fischer ({10})
Axel E. Fischer ({11})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({12})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({13})
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({14})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({15})
Andreas G. Lämmel
Vizepräsidentin Petra Pau
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({16})
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({17})
Nadine Schön ({18})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({19})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Katherina Reiche ({20})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({21})
Anita Schäfer ({22})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({23})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({24})
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({25})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({26})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({27})
Peter Weiß ({28})
Sabine Weiss ({29})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({30})
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther ({31})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({32})
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({33})
Michael Link ({34})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({35})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({36})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({37})
Cornelia Pieper
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Serkan Tören
Johannes Vogel
({38})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({39})
Enthalten
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({40})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({41})
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({42})
Kerstin Griese
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Michael Hartmann
({43})
Hubertus Heil ({44})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({45})
Frank Hofmann ({46})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Vizepräsidentin Petra Pau
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({47})
Fritz Rudolf Körper
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christian Lange ({48})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Kirsten Lühmann
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({49})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({50})
Michael Roth ({51})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({52})
Bernd Scheelen
Werner Schieder ({53})
Ulla Schmidt ({54})
Silvia Schmidt ({55})
Carsten Schneider ({56})
Swen Schulz ({57})
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({58})
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 16 ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
- Drucksachen 17/3506, 17/3523 Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Herrmann
Norbert Barthle
Florian Toncar
Stephan Kühn
Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD,
zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke sowie
ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Außerdem hat die Fraktion Die Linke einen
Entschließungsantrag eingebracht, über den wir morgen
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Olaf Scholz für die SPD-Fraktion.
({59})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren über ein schwieriges Thema, das gerade in der
letzten Zeit viele Bürgerinnen und Bürger und all diejenigen, die für die Sicherheit in diesem Lande verantwortlich sind, bewegt. Ja, wir sind beim Thema „innere
Sicherheit“ mit neuen Herausforderungen konfrontiert,
Herausforderungen, die damit zu tun haben, dass sich
der internationale Terrorismus mehr als in der Vergangenheit für Anschlagsziele in der Bundesrepublik
Deutschland interessiert. Das ist ein großes Problem.
Deshalb ist es wichtig, dass wir versuchen, in der Frage
der Bekämpfung dieser Bedrohung zusammenzustehen.
Ich glaube, hier darf nicht das einfache Spiel zwischen Regierung und Opposition stattfinden. Es ist notwendig, dass Regierung und Opposition gemeinsam versuchen, die richtige Politik zu machen, damit im
Hinblick auf die Sicherheitslage Vertrauen gewährleistet
ist.
({0})
Die Bundesregierung bzw. die Bundesminister, die für
diesen Bereich zuständig sind, können sich darauf verlassen, dass sich die Sozialdemokratische Partei auch im
Deutschen Bundestag in diesem Sinne verhalten wird.
Natürlich müssen wir uns Gedanken darüber machen,
ob unsere Sicherheitsorgane ordentlich aufgestellt sind.
Es reicht nicht, immer nur darüber zu reden. Das hat
nämlich auch ganz konkrete und praktische Folgen. Es
muss sichergestellt werden, dass in den verschiedenen
Sicherheitsbehörden genügend Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter tätig sind.
({1})
Von daher sind wir fest entschlossen, dabei zu helfen,
dass es nicht zu Stellenkürzungen kommt. Die Maßnahmen, die dazu bisher auf den Weg gebracht worden sind,
reichen aus unserer Sicht nicht aus. Wir müssen dafür
sorgen, dass die Sicherheitsbehörden unseres Landes gut
ausgestattet sind. An dieser Stelle darf trotz schwieriger
Haushaltslage nicht gespart werden. Sie, die Regierung,
sollten diesem Antrag folgen.
({2})
Dass bei Ihnen schon manches in Bewegung ist, haben wir zur Kenntnis genommen. So sind zumindest die
Vollzugskräfte von linearen Stellenkürzungen nicht
komplett betroffen.
({3})
Im Bereich der inneren Sicherheit gibt es aber nicht nur
Vollzugskräfte; auch das muss festgestellt werden. Die
übrigen Mitarbeiter sind für die Erledigung der Aufgaben in unserem Land ebenfalls wichtig. Darüber hinaus
kommt es aufgrund der Kompensation der Arbeitszeitverlängerung zu weiteren Stelleneinsparungen. All das
muss man als Gesamtheit betrachten. Wir glauben, dass
man die Entscheidungen, die bisher getroffen wurden,
zurücknehmen muss, wenn man eine ordentliche Sicherheitslage in unserem Land gewährleisten will.
Wenn wir über die schwierige neue Situation sprechen, dann geht es immer auch um den Ton. Ich will ausdrücklich sagen, dass mir der bisherige Ton der öffentlichen Diskussion über die Sicherheitssituation in
Deutschland sehr gut gefällt. Wir befürworten es, wenn
nicht drum herumgeredet, sondern ernst gesprochen
wird, allerdings ohne zu übertreiben. Genau so empfinden wir es im Wesentlichen.
({4})
Man darf nicht drum herumreden, also durch einen
verzerrten Optimismus den Eindruck erwecken, als sei
nichts los. Es ist etwas los, und das kann man sehr konkret beschreiben. Man darf aber die Hoffnung vermitteln, dass, wenn wir uns gemeinsam anstrengen, all die
Gefahren, die entstehen könnten, sich nicht realisieren.
Es ist wichtig, deutlich zu machen: Wir dürfen weder
übertreiben noch untertreiben. Im Übrigen ist das die
beste Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes unseren öffentlichen Aussagen
im Hinblick auf die innere Sicherheit glauben. Wenn wir
dabei erwischt würden, dass wir etwas verharmlost haben, würden sie uns nichts mehr glauben. Wenn wir dabei erwischt würden, dass wir völlig übertrieben haben,
würden sie uns auch nichts mehr glauben. Es geht also
darum, sich sehr konkret und sachlich zu äußern und falsche Tonlagen zu vermeiden.
Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir uns
in den letzten Wochen nicht ganz sicher waren, ob jede
Information und jede Aktivität ganz präzise zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Umfang erfolgt ist. Das
wollen wir allerdings gerne auf das Konto verbuchen,
dass sich die Lage für alle Beteiligten überraschend verändert hat. Wir hoffen, dass dies in Zukunft anders sein
wird; denn sowohl für die Verantwortlichen als auch für
die Bürger ist wichtig, dass sie immer nach diesen Prinzipien informiert und beteiligt werden.
Derzeit hört man viele Vorschläge, was zu tun ist, sogar ganz verrückte. Manch einer kommt zum Beispiel
auf die Idee, in bestimmten Fällen Flugzeuge abschießen
zu lassen.
Ich finde, dieser Vorschlag muss endlich vom Tisch.
Er wird nicht besser dadurch, dass er immer wieder einmal wiederholt wird.
({5})
Ich habe den Eindruck, dass die Leute, die so etwas vorschlagen, das gar nicht ernst meinen. Manchmal hinterlässt man in der Frage der inneren Sicherheit gern einen
martialischen Eindruck.
({6})
Dies ist ein guter Weg, das zu tun. Aber Gott sei Dank
gibt es Gesetzgebungsmehrheiten, die dafür sorgen werden, dass das niemals so kommt.
Das gilt auch für den Vorschlag eines Abgeordneten,
man müsse in diesem Zusammenhang über die Pressefreiheit diskutieren.
({7})
Auch dieser Vorschlag ist nicht gut, und zwar deshalb
nicht, weil das Vertrauen, über das ich eben gesprochen
habe, nicht besser wird, wenn man das Gefühl hat, dass
nach Wegen gesucht wird, wie man verhindern kann,
dass über alles ordentlich berichtet wird.
Es gibt ein paar Dinge der letzten Jahre, die wir gerne
als Niveau an erreichter innerer Sicherheit aufrechtzuerhalten bereit sind. Wir als Oppositionspartei sind gerne
bereit, der Regierung den Stand, der zum Beispiel in den
elf Jahren sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung
in der inneren Sicherheit errungen worden ist, auch weiterhin zu ermöglichen.
({8})
Es gibt ein paar Gesetzgebungsvorhaben, bei denen
nichts vorangeht und bei denen man sich fragt, warum
die Regierung da nichts tut, etwa wenn es um die Frage
geht, was mit den Mindestspeicherungsfristen bei Verbindungsdaten werden soll. Es hat einen guten Sinn für
die Gesetze gegeben, die der Bundestag beschlossen hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gesagt, dass das
so nicht geht, aber es hat auch gesagt, wie es geht. Insofern erwarten wir jetzt von der Bundesregierung einen
Gesetzentwurf zur Speicherung von Verbindungsdaten, der die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts
beachtet.
({9})
Der Hinweis auf Quick Freeze reicht nicht aus; das will
ich ausdrücklich dazu sagen. Wir erwarten auch, dass
Vorschläge dazu kommen, wie wir nun mit der QuellenTKÜ umgehen wollen, die auch zu unserer gesetzlichen
Sicherheitsarchitektur gehört.
Ich jedenfalls versichere Ihnen gerne, dass die Sozialdemokratische Partei, wenn Sie das aufrechterhalten
wollen, was schon einmal da war, oder in einer gesetzlich neuen Fassung wiederherstellen wollen, Ihnen Unterstützung leistet. Das gilt für all die Sicherheitsgesetze,
die in den letzten Jahren zustande gekommen sind. Seien
Sie sicher: Auf uns können Sie sich verlassen. Ob Sie etwas vorlegen werden, weiß ich nicht; das wäre aber gut.
({10})
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Bei der inneren
Sicherheit geht es um einen klaren, kühlen Kopf. Es geht
nicht um aufgeregte laute Reden, und niemand sollte
aufgeregte laute Reden halten. Aber wenn wir einen klaren, kühlen Kopf haben, dann glauben uns die Bürger,
dass wir die Sache im Griff haben, dass wir das Erforderliche tun. Dann werden wir den einen oder anderen,
der böse Absichten im Schilde führt, daran hindern können, sie umzusetzen.
Schönen Dank.
({11})
Für die Unionsfraktion spricht der Kollege Jürgen
Herrmann.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen am heutigen Tag den Einzelplan 06. Vorausgegangen sind viele Gespräche mit den Berichterstattern in
sehr angenehmer Atmosphäre, aber auch im Ministerium
und im Haushaltsausschuss. Herzlichen Dank sage ich
ganz besonders dem Innenministerium und Ihnen, Herr
Minister, für die hervorragende Zusammenarbeit und für
die Zurverfügungstellung aller Informationen, die wir
gebraucht haben. Sie sind umgehend geliefert worden.
Das hat unsere Arbeit erheblich erleichtert.
Die Koalition ist - das stand schon fest - weiterhin
auf Konsolidierungskurs, auch was diesen Haushalt angeht. Das betrifft auch den Einzelplan 06. Die Konsolidierungsmaßnahmen sind über den gesamten Etat verteilt worden, sodass sie von allen 18 Behörden, die dem
Innenministerium unterstellt sind, erbracht werden. Ich
denke, das ist richtig. Wer weiß, wie wir die Haushaltsberatungen geführt hätten, wenn die Situation, die wir
zurzeit haben, schon im Laufe des Sommers eingetreten
wäre. Aber egal wie viele Mittel man zur Verfügung
stellt, man muss feststellen: Ein hundertprozentiger
Schutz ist niemals möglich. Aber wir sind gefordert, alles zu tun - und das tun wir -, damit die Gefahren reduziert werden.
Man kann argumentieren, dass es in Teilbereichen
Glück war, dass Anschläge nicht stattgefunden haben.
Ich nenne hier die Kofferbomben, die nicht explodiert
sind. Aber aus meiner Sicht geht es vielmehr darum, zu
sagen, dass wir letztendlich durch einen vernünftigen
Aufbau von Frühwarnsystemen, in den alle Behörden
des Landes mit eingebunden sind, Anschläge verhindern
konnten. Die Zerschlagung der sogenannten SauerlandGruppe ist hierfür ein gutes Beispiel. - Im Bereich der
Sicherheitsbehörden sind wir also gut aufgestellt; das
muss man an dieser Stelle einmal sagen. Auch das
Equipment, das zur Verfügung gestellt wird, ist weitestgehend auf dem neuesten Stand.
Wir sind aber gefordert, zukunftsweisend zu denken;
das heißt, wir müssen uns damit beschäftigen, was auf
uns zukommen kann. Die Werthebach-Kommission, die
jetzt im Hause des Innenministers eingesetzt worden ist,
leistet sicherlich Erhebliches, um hier voranzukommen.
Das Ergebnis wird demnächst auf dem Tisch liegen.
Dann werden wir sehen, welche Synergieeffekte es gibt,
welche Behörden zusammengelegt und wo neue Strukturen geschaffen werden können.
Wir sind auch im Rahmen der Globalisierung gefordert; denn die Grenzen sind jetzt nicht mehr direkt bei
uns, sondern wir müssen weiter in die Welt schauen.
Letztendlich werden wir massiv mit organisierter Kriminalität, internationalem Terrorismus und asymmetrischen Bedrohungen konfrontiert sein. Weitere Themen,
die auf uns zukommen werden - hier werden das BKA
und das BSI noch viel tun müssen -, sind Cyber War und
Cyber Defense, also die Bedrohung über das Internet.
Der Staat muss seiner Aufgabe nachkommen, die
Bürger zu schützen. Hierfür stellen wir personelle und
finanzielle Ressourcen bereit. Der Bundeshaushalt des
BMI umfasst in diesem Jahr etwas mehr als
5,4 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren auf der
Tribüne, ich möchte das an dieser Stelle einmal ganz
deutlich ausdrücken: Mehr als zwei Drittel der Mittel
dieses Haushaltes werden für den Bereich der inneren
Sicherheit verwendet. Ich glaube, das ist gerade in dieser
Zeit ein gutes Zeichen.
({0})
Wir tun viel für die innere Sicherheit und haben das
langfristig ausgelegt, aber wir haben auch lageangepasst
reagiert. In diesem Zusammenhang - Herr Scholz, ich
fand es gut, dass Sie dies ebenfalls erwähnt haben spreche ich dem Minister noch einmal ein großes Lob
aus, der in dieser schwierigen Situation richtig reagiert
hat. Er hat die Bevölkerung auf Gefahren hingewiesen,
ohne zu übertreiben und populistische Maßnahmen zu
fordern. Ich glaube, das ist der richtige Weg, wie man
mit einer solchen Situation umgeht. Der Appell, wachsam zu sein, aber nicht hysterisch zu reagieren, ist vollkommen richtig. Dafür noch einmal herzlichen Dank,
Herr Minister.
({1})
Ich habe gesagt, dass wir lage- und situationsangepasst reagiert haben. Das gilt insbesondere für den Bereich der Luftfrachtsicherheit. Die Sachverhalte sind
bekannt; sie standen in der Presse. Wenn man weiß, dass
wir 10 Prozent des weltweiten Luftfrachtaufkommens in
Deutschland umschlagen, dann weiß man auch, vor welcher großen Aufgabe wir letztendlich stehen. Ich bin
froh, dass sich der Arbeitsstab im BMI jetzt mit den Fragen beschäftigt, die noch zu beantworten sind, um dann
konzentriert die Arbeit aufzunehmen und eine neue Organisation aufzubauen, die die Aufgaben dann langfristig bewältigen kann. In der Bereinigungssitzung haben
wir 450 Stellen für diesen Bereich zur Verfügung gestellt, die in dem Moment abgerufen werden können,
wenn der Aufbau der Organisation abgeschlossen ist.
Ich sage an dieser Stelle auch noch etwas zu den Stellenkürzungen, Herr Scholz, weil Sie das eben ansprachen. Wir tragen sicherlich dazu bei, dass es zum Teil zu
Stellenkürzungen kommt; aber eines muss man hier ganz
deutlich sagen: Seit 1998 ist beim BKA ein Personalaufwuchs um 17 Prozent und bei der Bundespolizei um
6 Prozent erfolgt. Bei den Stellen der Polizeivollzugsbeamten wird nicht gekürzt. Ich denke, das ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir zur inneren Sicherheit stehen. Es gibt also keine Kürzungsorgien, von denen die
Opposition teilweise spricht.
({2})
Bei der Luftfrachtkontrolle stellt sich die Frage, wer
nachher die Arbeit übernimmt.
({3})
Für mich als Polizeibeamten und Berichterstatter im
Haushaltsausschuss stellt sich diese Frage eigentlich
nicht. Ich sage es ganz deutlich: Security gehört in den
Bereich des BMI.
({4})
Ich hoffe, dass wir auch hier zu einer entsprechenden
Lösung kommen, wobei dann natürlich alle anderen Behörden, die im Bereich der Luftfrachtkontrolle tätig sind,
zusammengefasst werden müssten, sodass es zu einer
Zentralisierung kommt und wir so letztendlich den größten Erfolg haben.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen,
dass gerade das BKA, die Bundespolizei und auch weitere Dienste im Bereich der inneren Sicherheit eine herausragende Stellung einnehmen, um staatliche Interessen zu schützen. Neben dem Schutz von Bahnanlagen,
Demonstrationen und Grenzsicherungen stehen gerade
in diesen Tagen Tausende von Beamtinnen und Beamten
zur Verfügung, um Objekt- und Raumschutzaufgaben zu
übernehmen und den Staat und somit die Bürger vor terroristischen Anschlägen zu schützen. Uns wird das jeden
Tag bewusst, wenn wir den Reichstag betreten. Eine solche Situation haben wir in der Form noch nicht erlebt.
Von daher gilt mein Dank insbesondere denjenigen, die
diese Sicherheit zurzeit gewährleisten. Es ist sicherlich
nicht einfach, 24 Stunden, rund um die Uhr, bei diesen
Witterungsbedingungen den Dienst zu verrichten. Dafür
herzlichen Dank.
({5})
Staatliche Vorsorge nicht nur im engeren Sinne auf
die innere Sicherheit bezogen bedeutet auch, dass wir für
den Katastrophenfall oder für Großschadenslagen Vorsorge treffen müssen. Das ist der zweite Bereich, den ich
ansprechen möchte. Ich möchte in diesem Zusammenhang exemplarisch das THW erwähnen.
({6})
- Das sehe ich ganz anders. Wenn Sie die Gespräche
vernünftig verfolgt hätten, dann wüssten Sie, wie intensiv das diskutiert wurde. Der Präsident - er ist heute anwesend - hat uns mit auf den Weg gegeben, was für das
THW zu machen ist.
({7})
- Hören Sie doch einmal zu, dann wissen Sie es! - Wir
haben es mit unseren Anträgen - auch mit Zustimmung
der Oppositionsparteien - geschafft, die Stellung des
THW mit seinen 80 000 ehrenamtlichen Helferinnen
und Helfer deutlich zu verbessern. Die Maßnahmen stärken das Ehrenamt insgesamt. Angesichts der vielen Einsatzszenarien im In- und Ausland, die das THW bedient,
ist das sehr wichtig. Ich danke daher neben der Feuerwehr auch all denjenigen, die beim THW mit
600 freiwilligen Kräften aus 50 Ortsverbänden beim
Sturmtief „Carmen“ so erfolgreich geholfen haben. Das
zeigt, wie effektiv das Geld hier eingesetzt wird.
({8})
Konkret bedeutet das bei der Umsetzung im Haushalt,
dass wir es endlich geschafft haben, das THW in den Bereich der sogenannten Sicherheitsbehörden aufzunehmen. Das bedingt letztendlich auch, dass zukünftig keine
allgemeinen Stellenstreichungen mehr vorgenommen
werden und damit der Bestand von 803,5 Stellen erhalten wird. Das ist sicherlich ein wichtiges Zeichen für
diejenigen, die dort hauptamtlich beschäftigt sind.
({9})
Aber damit nicht genug: Wir haben zusätzlich noch
13,5 „nackte“ kw-Vermerke streichen können, sodass
die Stellen nicht wegfallen, und auch eine Verlängerung
von 14,5 kw-Stellen vorgesehen. Das trägt dazu bei, dass
wir insbesondere in diesem Bereich dem Nachwuchs
eine Chance geben, damit es keine Lücke gibt, wenn
Mitarbeiter ausscheiden.
Ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit - das betrifft auch andere Behörden in diesem Einzelplan -: Insgesamt haben wir dort 37 Stellen geschaffen. Zusätzlich
haben wir 2 Millionen Euro für den Erwerb von Fahrzeugen zur Verfügung gestellt. Ich glaube, auch dies
zeigt deutlich, wie wichtig uns die Arbeit ist.
({10})
Mit dem vorliegenden Haushalt des Einzelplanes 06
sind wir auf dem Weg, vieles in die richtige Richtung zu
lenken und innere Sicherheit für die Menschen in unse8252
rem Land zu generieren. Ich bin der festen Überzeugung,
dass es uns, wenn wir auch die zukünftigen Aufgaben
gemeinsam angehen, gelingen wird, diesen Bereich weiter auszubauen und immer auf der sicheren Seite zu sein.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind in der Tat in einer schwierigen, angespannten
Situation. Bundesinnenminister de Maizière hat es treffend ausgedrückt: Es gibt Grund zur Sorge, aber keinen
Grund zu Hysterie. - Das ist in der Tat - das muss auch
ich als Oppositionspolitiker sagen - im Gegensatz zu
seinen Vorgängern ein Stil, den ich für der Sache sehr
angemessen halte, um das einmal lobend zu erwähnen.
Ich denke, die Bevölkerung reagiert besonnen und
aufmerksam, wie wir erleben können; sie ist vor allem
nicht hysterisch. Das gilt allerdings vor allem für die Bevölkerung, aber nicht für die Politiker aus den eigenen
Reihen der Unionsfraktion.
Um ein paar Beispiele zu nennen: Der Innenminister
von Niedersachsen, Schünemann, fordert „verstärkte Polizeipräsenz in islamisch geprägten Stadtvierteln“ oder
„ein Handy- und Computerverbot“ für sogenannte „Gefährder“. Tolle Idee!
({0})
Der Kollege Uhl fordert Folgendes:
Wer sich jetzt noch gegen die Vorratsdatenspeicherung wehrt, hat die Bedrohungslage nicht verstanden.
Der Kollege Geis - auch er ist aus Ihren Reihen; das
wird ja immer doller - möchte eventuelle Gefährder „vorübergehend in Gewahrsam nehmen“.
Nun kommt wirklich der Kracher der Woche: Der
Vorsitzende des Rechtsausschusses - ausgerechnet der
Vorsitzende des Rechtsausschusses! - plädiert dafür, die
Pressefreiheit einzuschränken. Das ist in der Tat nicht
besonnen, und damit fällt man übrigens dem eigenen Innenminister voll in den Rücken. Das ist die Wahrheit.
({1})
Ich will es klar sagen: In so einer Situation, in der die
Angst umgeht, in der Verunsicherung herrscht und in der
es um eine Gefahrenlage geht, schüren gerade solche
Aussagen Hysterie. Es ist verantwortungslos, und vor allem führt es zu Angst. Angst ist ein denkbar schlechter
Ratgeber, um in einer Situation wie dieser mit kühlem
Kopf über die Sicherheitsarchitektur zu diskutieren,
nachzudenken und abzuwägen. Deswegen fordere ich
den Innenminister auf: Sprechen Sie ein Machtwort! Sagen Sie Ihren eigenen Leuten, dass wir so nicht weiterkommen! Stoppen Sie die Rechtsaußenausleger in Ihrer
eigenen Fraktion! Das ist der Sache nämlich nicht dienlich.
({2})
In dem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf
den Kollegen Uhl - ich hatte ihn bereits erwähnt - und
seine Äußerung zum Thema Vorratsdatenspeicherung
eingehen und dabei in Erinnerung rufen, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: So, wie die Regelung
gewesen ist, geht es überhaupt nicht. - Deswegen könnte
man in einer solchen Situation innehalten und in Ruhe
darüber nachdenken, ob wir dieses Instrument überhaupt
brauchen. Wir glauben, wir brauchen es nicht. Sie haben
in diesem Fall, Frau Justizministerin, die Linke gegen
Ihren eigenen Koalitionspartner an Ihrer Seite. Das ist
doch einmal etwas.
({3})
Ich hoffe, dass Sie in dieser Frage nicht einknicken.
Wenn wir nun also sachlich differenziert über diese
Fragen in dieser Situation nachdenken wollen, müssen
wir die Innenpolitik und den Haushalt insgesamt in den
Blick nehmen. Folgendes ist doch interessant: Die Warnungen, die uns erreicht haben und der Bevölkerung und
dem Parlament vom Innenminister dargestellt worden
sind, haben eines gezeigt: Die Instrumente, die uns im
Moment zur Verfügung stehen, haben offensichtlich ausgereicht. Es wurde gute Arbeit geleistet. Auch das ist
einmal zur Kenntnis zu nehmen, und insofern brauchen
wir keine weiteren Überwachungsmaßnahmen oder
anderes. Vielmehr brauchen wir top ausgebildetes Personal. Wenn wir darüber diskutieren, dass das Frachtaufkommen von 2000 bis 2008 um über 60 Prozent gestiegen ist, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass das
Passagieraufkommen im Flugverkehr im selben Zeitraum um über 40 Prozent gestiegen ist, dann müssen wir
auch schauen, ob die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an sicherheitsneuralgischen Punkten eingesetzt werden, im gleichen Umfang angestiegen ist. Hier
gibt es einiges nachzuholen, und das ist der richtige
Weg, um für Sicherheit zu sorgen.
({4})
In diesem Zusammenhang muss es darum gehen
- und das haben auch Sie mit zu verantworten -, dass
wir die Privatisierung von Sicherheit zurückdrängen.
Wir brauchen eine höhere staatliche Quote. Das ist nicht
Aufgabe von privaten Unternehmen. Das muss in der
Hoheit von Bundespolizei und anderen liegen.
({5})
Hierfür brauchen wir erstens top geschultes, zweitens
top bezahltes und drittens vor allem top ausgeschlafenes
Personal. Dieses verheizt man aber, wenn man es zugunsten der Atomlobby tagelang für Castortransporte
einsetzt. Das gefährdet die innere Sicherheit, um es klar
zu sagen.
({6})
Ich glaube, dass wir in dieser Situation mehr auf Menschen statt auf elektronische Großprojekte setzen sollten.
Ich glaube, dass wir nach außen hin deutlich machen
müssen, dass wir den demokratischen und sozialen
Rechtsstaat bis aufs Letzte verteidigen und dass es demokratische Grund- und Freiheitsrechte gibt, die in
den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten unter großen
Opfern erkämpft worden sind, dass wir dafür stehen, Demokratie offen und aufmüpfig zu leben, dass wir individuelle Freiheitsrechte verteidigen und die Leute auffordern, sie auch wahrzunehmen, und dass wir den
demokratischen Sozialstaat nicht abbauen, sondern ausbauen müssen. Das wäre die richtige Antwort, die wir
geben sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({7})
Deswegen hoffe ich, dass der Innenminister - in diesem Fall vielleicht auch die Kanzlerin - den eigenen
Scharfmachern Einhalt gebietet und dass man in Ruhe
abwägt und nachdenkt. Im Übrigen müsste die SPD eine
Position finden, wie sie denn weitermachen will.
Wiefelspütz sagt nämlich das eine, und die anderen in
der SPD sagen das andere. Insofern muss die SPD ihre
eigene Linie erst noch finden.
({8})
Wir sollten gemeinsam in Ruhe nachdenken und nicht
Hysterie schüren, wie das einige in diesem Hause tun;
das ist verantwortungslos. Die Linke ist nicht nur in diesen Zeiten, sondern immer an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert. Das wäre der richtige Weg.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man über den Haushalt des Bundesministeriums des Innern an einem Tag wie diesem diskutiert,
gehört es sich, wie ich finde, an allererster Stelle denen
zu danken, die es uns ermöglichen, hier zu diskutieren
und zu beraten, nämlich all den Polizistinnen und Polizisten, die diesen Reichstag beschützen, und vor allen
Dingen den Sicherheitsbehörden, deren erfolgreichem
Einsatz es zu verdanken ist, dass in Deutschland bisher
nicht mehr passiert ist. Ich glaube, das sollte uns heute
vor allen Dingen einen. Ich wäre dankbar, wenn auch die
Opposition das zur Kenntnis nehmen könnte.
({0})
Weiterhin möchte ich Ihnen, Herr Innenminister de
Maizière, ausdrücklich danken. Ich schließe mich den
Worten von Jürgen Herrmann an. Mit Ihrer besonnenen,
ruhigen Art haben Sie sicherlich dazu beigetragen, dass
es keine aufgeregte Diskussion gegeben hat. Das ist der
Situation angemessen; vieles, was wir sonst gehört haben und was gesagt wurde, war es nicht. Dafür mein persönlicher Dank - auch im Namen meiner Fraktion - an
Sie.
({1})
Wir müssen aber auch erkennen, dass es Handlungsbedarf bei der Aufstellung unserer Sicherheitsbehörden
und beim Personal gibt. Herr Scholz, Sie haben gesagt,
Sie wollten heute konkret sein und sachlich sprechen.
Das haben Sie in weiten Teilen erfreulicherweise getan.
Aber über Ihre Bemerkungen zum Personal war ich
schon verwundert; denn es gibt keine Personalkürzungen, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, als es unter Ihrer Ägide bzw. Ihrer Beteiligung oft zu Kürzungen
zum Beispiel beim BKA gekommen ist. Damals habe
ich vergeblich darauf gehofft, dass Sie Ihre Stimme erheben, wenn es darum ging, mehr Geld für die Sicherheit
auszugeben. Ich persönlich finde auch interessant: Da,
wo Sie noch mitregieren oder regieren, haben Sie in der
Regel Polizeikräfte abgebaut und nicht neu eingestellt.
({2})
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Dafür muss man gar nicht weit schauen. In Brandenburg reformieren Sie gerade die Polizei, und zwar zulasten der
Sicherheit. Ich finde es nicht in Ordnung, hier zu sagen,
man wolle sachlich diskutieren, und gleichzeitig dort,
wo man Verantwortung hat, das Gegenteil zu tun. Das ist
weder richtig noch fair und der Situation nicht angemessen.
({3})
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, haben wir die
Werthebach-Kommission eingesetzt; denn nichts ist so
gut, dass es nicht verbessert werden kann. Es gibt Doppelzuständigkeiten bei Landespolizei, Bundespolizei
und Zoll. Diese müssen im Detail überprüft werden. In
diesen Zeiten müssen wir vor allen Dingen Ressourcen
heben. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass zum Beispiel der Zoll bei der Luftfracht jedes Paket darauf überprüft, ob es richtig verzollt ist, aber nicht, ob die Sicherheit gewährleistet ist. Angesichts von 35 000 Mitarbeitern des Zolls können wir uns das im Sinne unserer Sicherheit nicht mehr leisten. Hier muss man genau hinschauen. Das muss man verbessern. Die Ressourcen
müssen besser genutzt werden. Wir sind sehr gespannt,
was die Werthebach-Kommission sagt.
Kollegin Piltz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Wieland?
Ich habe es schon vermisst.
Das ist sehr nett, Frau Kollegin Piltz. - Auch ich bin
sehr gespannt, was uns die Werthebach-Kommission
vorschlagen wird. Können Sie mir erklären, wie es
kommt, dass nun ausgerechnet Ihre Fraktionskollegen in
dieser Woche einen Reigen von Vorschlägen machten,
die genau die Ergebnisse der Werthebach-Kommission
vorwegnehmen? Warum warten Sie nicht so ruhig ab,
wie Sie es gesagt haben, um dann gemeinsam mit der
Opposition über die Vorschläge zu debattieren?
Herr Wieland, vielen Dank für Ihre Frage und für das
damit verbundene Kompliment. Denn Sie haben gesagt,
wir seien in der Lage, die Ergebnisse der WerthebachKommission vorwegzunehmen. Wenn wir das könnten,
dann wären wir noch besser, als wir glauben. Das können
wir tatsächlich nicht. Aber wir können die Debatte begleiten.
Ich bin keine Haushälterin und erst recht nicht Mitglied in dem geheim tagenden Gremium. Deshalb kann
ich bezüglich des MAD nur aus der Zeitung zitieren. Der
Haushalt wird diese Woche verabschiedet, sonst würden
wir nicht über den Haushalt debattieren. Das heißt, wenn
wir über eine Veränderung beim MAD, beim Bundesamt
für Verfassungsschutz und beim BND reden, dann reden
wir natürlich im Rahmen des Haushalts darüber.
({0})
Ich finde, es ist nichts Verwerfliches, wenn wir auch
in diesem Bereich unsere Sicherheitsbehörden besser
aufstellen. Wir sind uns - Beispiel Zoll - mit unserem
Koalitionspartner in weiten Bereichen einig. Man muss
aber auch feststellen: Der Zoll darf Sachen, von denen
ich bisher nicht geglaubt habe, dass er sie darf. Der Zoll
hat Onlinedurchsuchungen durchgeführt, der Zoll führt
Telekommunikationsüberwachung durch, der Zoll hat
eine eigene Eingreiftruppe, die der GSG 9 gleicht. Ich
frage Sie: Vermuten Sie so etwas beim Zoll? Das gehört
aus unserer Sicht eher in den Sicherheitsbereich als in
den Bereich des Bundesfinanzministeriums.
({1})
Man muss im Einzelnen genau hinschauen. Diese Debatte muss in der Tat sachlich geführt werden. Das habe
ich getan.
Die Forderung nach mehr Gesetzen ist nicht immer
sinnvoll. Für diese Aussage habe ich einen guten Kronzeugen, nämlich den Präsidenten des BKA, Herrn Ziercke,
der gesagt hat, dass er manche Festplatten gar nicht
überprüfen könne, weil diese drei Jahre im Keller lägen,
da er das Personal zur Überprüfung nicht habe. Das müssen wir ändern. Dafür bedarf es aber keiner Gesetzesänderung.
Ähnlich verhält es sich mit der durchaus umstrittenen
Vorratsdatenspeicherung. Eines ist klar: Wir haben das
Gesetz nicht gemacht. Andere sind vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
({2})
Was mich persönlich manchmal wirklich bedrückt, ist,
wie man mit den Fakten umgeht. Wenn man es im Zusammenhang mit dem Urheberrecht schafft, allein bei
der Telekom im letzten Jahr 2,7 Millionen IP-Adressen
abzufragen, dann frage ich mich, warum die Polizei das
nicht kann, insbesondere dann, wenn es nicht um Geld,
sondern um den schäbigen Missbrauch von unseren Kindern geht. Das ist die Frage, die man sich stellen muss,
({3})
nicht aber die Frage, ob man unendlich Daten speichern
soll.
({4})
Deshalb haben wir das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren in die Diskussion eingebracht. Damit kommen
die Amerikaner ganz gut zurecht.
({5})
Ehrlich gesagt, die Amerikaner sind nicht immer mein
Vorbild, aber in diesem Fall könnten sie es sein. Ich
glaube, es lohnt sich, in aller Ruhe über diesen Vorschlag
zu sprechen.
Der Haushalt des Bundesinnenministeriums umfasst
aber mehr als nur Titel zur Sicherheit. Er umfasst auch
den Sport. Wir sind sehr stolz darauf, dass die Mittel für
den Bereich des Sports nicht reduziert wurden. Uns ist es
vielmehr gelungen, durch kluge Umverteilung und Umschichtung diesen Haushalt zu konsolidieren. Das ist
eine Leistung, auf die wir stolz sein können.
({6})
Wir brauchen die Mittel dringend für die Bewerbung um
die Olympischen Spiele 2018 in München. Ich finde, das
ist eine Herausforderung für dieses Land und keine Bedrohung, wie das offensichtlich für Sie der Fall ist.
({7})
- Für die Grünen. Ich glaube nicht, dass ich geschielt
habe. ({8})
Ich würde gerne wissen, wie sich heute die Fraktion
der Grünen im Münchener Stadtrat fühlt. Wahrscheinlich
fühlt sie sich von Ihnen ziemlich alleingelassen. Es ist
schon interessant, dass die Kollegin Roth monatelang
durch die Gegend reist, die Olympischen Spiele als die
ökologischsten Spiele bezeichnet und sich als Botschafterin des Sports und der Olympischen Spiele 2018 präsentiert, sie aber, sobald es einen Beschluss des Parteitags gibt,
({9})
von ihrer Funktion zurücktritt. Das Problem ist: Entweder hat sie kein Rückgrat, oder Sie haben es nicht. Die
Beantwortung dieser Frage muss ich Ihnen überlassen.
Apropos Sport, ich bin sehr gespannt, wann diese populistische Welle, auf der Sie im Moment sehr erfolgreich
surfen, am nächsten Felsen zerschellt. Das Bild passt
zwar eher zu den Sommerspielen, gilt in diesem Fall
aber auch für die Winterspiele.
({10})
Mein letzter Punkt betrifft den Datenschutz. So viel
Geld wie im nächsten Haushalt hat es noch nie für den
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gegeben. Das ist der Unterschied zwischen der christlich-liberalen Koalition und den Koalitionen, bei denen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der SPD, dabei gewesen sind. Gerade Herr
Wiefelspütz hat immer nach den Haushaltsberatungen
gesagt, er wolle mehr Geld für den Bundesdatenschutzbeauftragten. Wir machen das vorher.
({11})
- Ja, das kann ich nur unterschreiben. Endlich erkennen
Sie es.
Ich kann nur eines sagen: Wir arbeiten am Arbeitnehmerdatenschutz. Wir haben für eine Stiftung Datenschutz 10 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt.
Dafür mein ganz persönlicher Dank auch an die Haushälter.
Um das zusammenzufassen: Diese christliche-liberal - -, christlich-liberale Koalition kann - ({12})
- Wenn ich so nach links gucke, habe ich dann doch
Probleme mit „li“. Aber das werden Sie nie verstehen.
Was können wir? Wir können Zukunft, wir können
Freiheit, wir können Datenschutz, und wir können Sicherheit. Sie können das nicht.
Vielen Dank.
({13})
Der Kollege Josef Winkler hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Kollegin Piltz, zu Ihnen will ich nur sagen: Die
Welle, auf der die FDP geritten ist, ist jedenfalls schon
lange gebrochen. In dieser Richtung wollen wir uns
nicht in den Wettbewerb mit der FDP begeben.
({0})
Den Antiterrorkampf muss man - das wurde schon
von anderen gesagt - mit Besonnenheit und nicht mit
hektischem Aktionismus führen. Insofern ist es gut, Herr
Innenminister, dass Sie der Bevölkerung die notwendigen Maßnahmen ruhig erläutert haben und sie jetzt auch
umsetzen.
({1})
Weniger gut finde ich da so manche Einlassung - von
Herrn Wiefelspütz sowieso - von Innenministern der
Länder sowie auch Forderungen aus den Reihen der
Unionsfraktionen nach schärferen Sicherheitsgesetzen.
({2})
Insbesondere der bereits angesprochene niedersächsische Innenminister Schünemann verunsichert die Bevölkerung durch seine ständig neuen und im Übrigen meist
sinnlosen Vorschläge zu Gesetzesverschärfungen. Man
muss sich nur einmal einen Vorschlag auf der Zunge zergehen lassen: Ein Frachtflugzeug, das durch eine Bombe
in die Luft gesprengt zu werden droht, soll zum eigenen
Schutz abgeschossen werden. Dazu muss ich sagen: Es
ist unverantwortlich, solche Forderungen aufzustellen.
Das muss endlich aufhören. Sie müssen den stoppen.
({3})
Auch wer anlässlich der aktuellen Terrorwarnungen
einmal wieder den Einsatz der Bundeswehr im Innern
fordert, beschädigt das Vertrauen der Bevölkerung in die
polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem wird
dabei nebenbei noch der Eindruck erweckt, dass wir uns
im Kriegszustand befänden. Das ist ebenfalls unverantwortlich und bringt uns in der Sache nicht weiter.
Das Gleiche gilt für die Forderung nach anlassloser
Speicherung sämtlicher Telefon-, Handy- und Internetdaten auf Vorrat. Herr Kollege Scholz, da unterscheiden
wir uns. Wir finden, man muss nicht 82 Millionen Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellen. Deswegen lehnen wir dieses Ansinnen durchweg ab.
({4})
Vielmehr sehen wir im Moment die größte Gefährdung bei der Luftfracht. Wir fordern als Sofortmaßnahme - nicht nur, wie es die Bundesregierung bereits
umgesetzt hat, dass das Herrn Ramsauer entzogen wird
und jetzt von fachkundigen Politikern bearbeitet wird -,
dass die Fracht, die in ein Passagierflugzeug zugeladen
wird, zwingend die gleichen Kontrollen durchlaufen
muss wie die Passagiere und ihr Gepäck, die sich im
gleichen Flugzeug befinden.
({5})
Dies wird - das ist klar - auch Geld kosten; aber der bisherige Zustand ist aus Sicht meiner Fraktion den Fluggästen nicht länger zuzumuten.
({6})
In der Zeit der rot-grünen Regierung haben wir mit
den Antiterrorgesetzen und der Einrichtung des Antiterrorzentrums in Berlin-Treptow die nach dem
11. September notwendigen Konsequenzen gezogen. Sie
werden sich erinnern: In diesem Lande blieb zu dieser
Zeit - nicht nur zu unserer Freude, aber offensichtlich
war das in vielen Bereichen notwendig - kein Sicherheitsgesetz unüberarbeitet.
Deswegen können wir sagen: Terrorwarnungen sind
stets auch die Bewährungsstunde für die Grundsätze unseres Rechtsstaates. Der Terrorismus will unseren
Rechtsstaat und die Demokratie nach unserer Prägung
beseitigen. Deshalb müssen wir diese bewahren und verteidigen und nicht die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einschränken.
Zur Diskussion um die Reform der Geheimdienste
möchte ich - die Werthebach-Kommission und ihre noch
nicht veröffentlichen, aber bereits diskutierten Vorschläge wurden schon angesprochen - sagen: Wir sehen
in einigen Bereichen natürlich Doppelstrukturen und unklare Kompetenzverteilungen. Richtschnur jeder Reform
muss aus grüner Sicht aber sein, dass zwingend die
Rechtsstaatlichkeit erhalten bleibt. Damit meine ich die
Einhaltung des Gebots der Trennung zwischen der Polizei und den Geheimdiensten. Das ist für uns nicht verhandelbar; denn Geheimdienste konzentrieren sich nun
einmal unter Einsatz ihrer speziellen Mittel darauf, Lageanalysen und -einschätzungen zu gewinnen. Das darf
man nicht vermischen mit den exekutiven Kompetenzen
der Polizei. Das würde zu einer Art Geheimpolizei führen. Das wollen wir nicht.
Jetzt möchte ich noch kurz etwas zu einem anderen
Thema sagen, und zwar zum Thema Integrationskurse;
diese werden vom ganzen Hause hier unbestritten für
wichtig erachtet. Fakt ist: Die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Mittel von 218 Millionen Euro reichen für
eine flächendeckende und hochwertige Durchführung
der stark nachgefragten Integrationskurse nicht aus.
({7})
Derselbe Betrag hat bereits in diesem Jahr nicht für das
erforderliche Kursangebot ausgereicht, weswegen die
Bundesregierung im April und Juli sogenannte mitteleinsparende Steuerungsmaßnahmen angeordnet hat. Das
betrifft insbesondere die Gruppe, die nicht verpflichtet
ist, einen Sprach- bzw. Integrationskurs zu besuchen,
sondern ihn freiwillig besuchen möchte, weil sie den Bedarf sieht, Deutsch zu lernen. Es ist ein großes Problem,
dass es hier Wartelisten gibt und man monatelang auf einen Platz warten muss.
({8})
Ein anderer Problempunkt ist der Kostenerstattungssatz für die Integrationskurse, der pro Stunde und pro
Teilnehmer im Moment 2,35 Euro beträgt. Dieser Betrag
reicht nicht, um die Honorarkräfte angemessen zu bezahlen; das muss man einmal sagen. Er reicht auch nicht,
um ein am tatsächlichen Bedarf orientiertes Kursangebot
anbieten zu können. Beides wäre aber für ein qualitativ
hochwertiges Kursangebot wichtig. Das muss besser
werden.
({9})
Zu Recht forderte daher im Übrigen die ChristlichSoziale Union im Oktober 2010 - Herr Dr. Uhl, hören
Sie gerade einmal zu, wenn es geht - in ihrem SiebenPunkte-Integrationsplan „Für ein soziales Miteinander
und gemeinsame Werte in Deutschland“:
Jeder Integrationswillige bekommt einen Platz in
Integrations- und Deutschkursen.
({10})
Dafür stellt der Bund ein flächendeckendes Angebot an Integrationskursen sicher, die Finanzierung
dazu wird aufgestockt.
Wo ist das entsprechende Papier, in dem steht, dass Sie
dies machen, Herr Uhl?
({11})
Der bisherige Ansatz jedenfalls reicht nicht aus, entsprechende Plätze auch für die 20 000 Menschen anzubieten, die auf der Warteliste stehen. Wir haben deshalb
einen Antrag in den Bundestag eingebracht, über den
auch namentlich abgestimmt wird. Da wollen wir einmal
sehen, ob sich die CSU-Kollegen so an ihre Parteitagsbeschlüsse halten wie unsere Parteivorsitzende sich an
unsere.
({12})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dem englischen Schriftsteller Samuel Smiles aus
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
dem letzten Jahrhundert wird folgendes Zitat zugeschrieben:
Die Sparsamkeit ist die Tochter der Vorsicht, die
Schwester der Mäßigung und die Mutter der Freiheit.
Sparsamkeit brauchen wir angesichts der Haushaltslage.
Vorsicht brauchen wir, um in der derzeitig angespannten
Sicherheitslage die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Mäßigung brauchen wir, um bei unseren Maßnahmen im
Kampf gegen den internationalen Terrorismus Maß zu
halten und die richtige Haltung zu bewahren. Und Freiheit: Sie ist der Grund, die Methode und das Ziel unserer
demokratischen Gesellschaftsordnung.
({0})
Sicherheit in Freiheit, das lässt sich nicht allein in
Zahlenkolonnen beziffern. Deshalb ist unsere Haltung,
unser persönliches Eintreten für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gerade in Anbetracht ihrer
Bedrohung der wichtigste und stärkste Beweis dafür, wie
vital unsere Gesellschaft und wie groß der Konsens der
Demokraten ist.
Gerade im Verhältnis zur ersten Lesung gibt es
Grund, Dank zu sagen, und natürlich auch angesichts der
Lage, über die schon gesprochen worden ist. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Unterstützung, die auch
ich persönlich in den letzten Tagen im Haus, von der
ganzen Opposition und auch von der Publizistik erfahren
habe. Ich bedanke mich noch mehr für das Vertrauen,
das den Sicherheitsbehörden von der Bevölkerung, von
der Politik und vom Parlament in der jetzigen Lage entgegengebracht wird. Ich sage Ihnen auch: Wir sollten
uns an dieses Vertrauen auch erinnern, wenn die jetzige
Lage nicht mehr so ist, wie sie ist. Unsere Sicherheitsbehörden brauchen und verdienen Vertrauen auch bei der
Einräumung und Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse
für die Sicherheit der Bürger.
({1})
Ich erinnere alle daran, dass, wenn bald wieder die Debatten beginnen, manche Sicherheitsbehörden vor allem
mit Misstrauen überzogen werden und dass ihnen nicht
mit Vertrauen begegnet wird.
({2})
Ein weiterer Dank gilt dem Haushaltsausschuss dieses Parlaments. Dank seiner Unterstützung wurden zusätzlich 450 Stellen im Rahmen eines noch abzustimmenden Konzeptes zur Verbesserung der Luftfrachtkontrollen geschaffen. Es war nicht selbstverständlich,
einen, wenn man so will, noch nicht fertigen Antrag zu
stellen und das Nötige zu beziffern, und das in einer Zeit,
in der Personal abgebaut wird. Ich denke, das verdient
einen ausdrücklichen Dank.
Ich bedanke mich auch für die Entscheidung bei der
Personalausstattung. Vielleicht kann Herr Oppermann
jedenfalls nach Freitag aufhören, ständig von PersoBundesminister Dr. Thomas de Maizière
nalabbau zu reden. Herr Herrmann hat Ihnen schon gesagt: Es hat in den letzten Jahren, auch unter Ihrer Mitverantwortung, einen Personalaufbau bei den Sicherheitsbehörden gegeben. Von der pauschalen Stellenkürzung um 1,5 Prozent sind die Polizeivollzugs- und sonstigen Vollzugsbeamten bei den Sicherheitsbehörden ausdrücklich ausgenommen. In der Bereinigungssitzung ist
ebenfalls beschlossen worden: Die Sicherheitsbehörden
werden, wenn es vernünftige Gründe gibt, vom Ausgleich der Personalmehrarbeit, diesen 0,4 Prozent - dabei geht es gar nicht um einen Personalabbau, sondern
um eine Kompensation; in Wahrheit ist das gar keine
Einsparung - ausgenommen, sodass es faktisch ein Mehr
an Sicherheit geben kann.
({3})
Ich finde, das ist gut und schnell entschieden worden.
Ich bedanke mich für die Unterstützung im Innenausschuss und im Haushaltsausschuss, auch durch die Sozialdemokraten. Es wäre nett, wenn Sie das auch Herrn
Oppermann sagen.
Ich möchte mich darüber hinaus - ich will das jetzt
aus Zeitgründen nicht lange ausführen; auch Frau Piltz
hatte das angesprochen - ausdrücklich für die 10 Millionen Euro für die Stiftung Datenschutz bedanken.
Diese Mittel konnten in den Haushaltsentwurf der Regierung noch nicht einfließen. Dadurch, dass sie jetzt
eingeplant sind, geht nicht ein Jahr verloren, um diese
Stiftung aufzubauen.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zur Sicherheitsarchitektur machen. Da ist durch die Ideen im Vertrauensgremium, durch allerlei Ideen, die zuletzt geäußert
wurden, mittlerweile ziemlich viel durcheinandergegangen. Ich möchte klarstellen: Die Werthebach-Kommission fußt auf der Koalitionsvereinbarung, die Frau Piltz
schon erwähnt hat. Diese Kommission beschäftigt sich
nicht mit dem Nachrichtendienst, und sie beschäftigt sich
nicht mit aktuellen Auswirkungen der Terrorabwehr. Sie
ist im April dieses Jahres von Herrn Schäuble und mir
eingesetzt worden. Sie beschäftigt sich insbesondere mit
den Schnittstellen von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll. Diese Kommission hat eine wichtige, große
Aufgabe. Am 9. Dezember wird uns ihr Bericht vorliegen, und dann werden wir darüber diskutieren.
Ich weiß wohl, dass die Umorganisation von Sicherheitsbehörden besonders kompliziert ist. Veränderung
dort kann gut sein; aber Veränderung bindet auch Kräfte
nach innen, gerade bei Sicherheitsbehörden. Deswegen
kommt es nicht nur auf das an, was wir beschließen, was
wir als irgendwann anzustrebendes Ziel ansehen, sondern auch darauf, dass wir klug beraten und entscheiden,
wie wir von A nach B kommen, sodass wir gute Ergebnisse erhalten, aber keine zu starke Binnenorientierung
der Sicherheitsbehörden auf ihre eigene Veränderung
hin. Da müssen wir einen guten Weg finden. Ich glaube,
das wird gelingen.
({4})
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
Ein Wort zur Mindestspeicherfrist von Telekommunikationsverbindungsdaten. Meine Position ist bekannt. Ich freue mich über wachsende Zustimmung. Sie
reicht vom Stern bis zur Zeit; das hätte ich gar nicht gedacht. Ich sage Ihnen: Das diskutieren wir intern und
nicht extern im Angesicht der Opposition. Das machen
wir dann, wenn wir uns geeinigt haben, nicht jetzt.
({5})
- Bestimmt. Das kann ich Ihnen ganz sicher zusagen.
Ich möchte es aber gern ein bisschen schneller haben als
vor Ende der Legislaturperiode.
({6})
Nun ein Wort zur Integration. Bezüglich der großen
Debatte, die wir geführt haben, haben viele vorhergesagt, sie werde abklingen. Ich bin dagegen. Ich finde, wir
müssen die große Debatte um Integration unabhängig
von Terminen, Wahlterminen und Auflagen von irgendwelchen Büchern führen.
({7})
Wir sollten weiterhin diskutieren. Meines Erachtens
sollte diese Diskussion mit zwei ganz klaren Botschaften
verbunden sein: Einerseits sind alle Ausländer und alle
Migranten, die hier rechtmäßig leben, die ihren Lebensunterhalt sichern und die sich zu unserer Werteordnung
bekennen, in Deutschland herzlich willkommen, unabhängig von der Frage, welcher Religion sie angehören.
Das ist eine klare Position, die wir haben sollten.
({8})
Dazu gehört auch der Besuch von Integrationskursen.
Ich kann dazu nur sagen: Der Sachverhalt, den Sie in
diesem Zusammenhang geschildert haben, stimmt nicht.
Ich glaube, Herr Grindel wird später darauf eingehen.
Ich will einen kurzen Satz an die Haushälter, Herrn
Danckert und andere, richten: Ich werde noch in diesem
Haushaltsjahr dafür Sorge tragen, dass etwaige Vorbelastungen für das kommende Haushaltsjahr nicht stattfinden. Rechnungen, die jetzt vorliegen, werden also nicht
ins nächste Jahr geschoben - das ist im letzten Jahr geschehen; das hat einen Teil der Probleme verursacht -;
das entlastet den Haushalt. Damit ist der vorliegende
Änderungsantrag erst recht überflüssig; denn das Geld
wird auskömmlich sein.
Wir brauchen nicht nur die Botschaft, dass diejenigen
Migranten, die hier rechtmäßig leben, die ihren Lebensunterhalt sichern und die unsere Werteordnung anerkennen, willkommen sind. Wir brauchen genauso die Botschaft an diejenigen Migranten, die sich anders verhalten,
dass wir ihr Verhalten ablehnen und es nicht dulden. Dazu
gehört die Überprüfung des Aufenthaltsstatus, etwa bei
Nichtteilnahme an einem verpflichtenden IntegrationsBundesminister Dr. Thomas de Maizière
kurs. Dazu kann die Kürzung von Hartz-IV-Geldern gehören. Dazu wird die Bekämpfung von Zwangsheirat und
Scheinehen gehören. Dazu gehört nach meiner Auffassung auch die Prüfung erweiterter bzw. durchsetzbarer
Abschiebemöglichkeiten.
({9})
Integration scheitert durch Schönfärberei genauso wie
durch Schwarzmalerei. Integration braucht Realismus,
Wahrheit, Fördern und Fordern,
({10})
Geduld und einen langen Atem.
Nun ein letzter Punkt - Frau Piltz hat es schon angesprochen -: Olympia 2018. Vielleicht gelingt es mir,
dass hier das ganze Hohe Haus klatscht. Die Bundesregierung hat jedenfalls alles Erforderliche getan; sie hat
die erforderlichen Beschlüsse gefasst, zu Garantien und
allem, was damit verbunden ist. Das Bewerbungsbuch
ist fertig. Es wird jetzt übersetzt und, wie man das bei
Bewerbungsbüchern so macht, in Hochglanz gedruckt.
Im Januar wird es abgegeben.
Als Verfassungsminister sage ich den Grünen: Es gibt
kein imperatives Mandat für Abgeordnete durch Parteitagsbeschluss. Überlegen Sie es sich deswegen gut, ob
Sie nicht doch Ihre Hände zum Beifall erheben, wenn
ich jetzt sage: Ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung mit der Unterstützung des ganzen Hohen Hauses im Juli nach Durban fahren und eine erfolgreiche Bewerbung nach Hause bringen könnte.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe von der
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident, nachträglich alles Gute
zu Ihrem Geburtstag! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Die vorangegangenen Reden haben es deutlich gemacht:
Derzeit wird die Debatte im Bereich Innenpolitik vom
Thema der inneren Sicherheit oder, wie es der Bundesminister gerne sagt, des inneren Friedens bestimmt. Als
Zweites bleibt die Frage der Integration ganz oben auf
der gesellschaftlichen Agenda; auch hier geht es sehr
stark um die Frage des inneren Friedens.
Frank-Walter Steinmeier hat es gestern in der Generaldebatte sehr treffend formuliert:
Bildung und Integration, das sind die beiden Themen, die darüber entscheiden werden, ob uns das
nächste Jahrzehnt gelingt.
Wie sind die Voraussetzungen dafür in der jetzigen
Regierung? Gerade die Union gibt beim Thema IntegraDaniela Kolbe ({0})
tion ein reichlich buntes, verqueres und nicht gerade
sehr schönes Bild ab: Die einen geben sich moderat und
beschreiben die Realität; dazu gehören der Bundespräsident und sicherlich auch unser aktueller Minister. Die
anderen, zum Beispiel Herr Seehofer, bedienen sich krudester Ressentiments; das ist sehr traurig. Eine klare
Linie sieht nun wirklich anders aus.
Erschreckend einmütig dagegen ist die Regierung
beim Thema Integration, wenn es um die Finanzen geht.
Es ist immer das gleiche Schema: Erst werden Maßnahmen angekündigt und mit viel medialem Buhei Integrationskonferenzen durchgeführt. Und dann? Dann passiert nichts. Im Gegenteil: Wenn es bei der Umsetzung
hart auf hart kommt, wird der Rotstift angesetzt. Sie kürzen bei der Integration. Das merkt man vielleicht nicht
beim ersten Blick auf den Einzelplan 06. Ein genauer
Blick auf den gesamten Haushalt lohnt sich aber.
Beispiel Stadtentwicklung: Sie kürzen beim Programm „Soziale Stadt“ nicht nur nominell, sondern auch
ganz substanziell.
({1})
Herr Döring von der FDP hat sich mit seiner kruden Vorstellung durchgesetzt, dass eine soziale Stadt allein
durch Investitionen in Beton entstehen kann. Investitionen in Köpfe, in Integrationsprogramme und in Berufsorientierungsprogramme sind ab 2011 ausgeschlossen,
wie Herr Döring es wollte.
({2})
Zitat:
Die Zeit der nichtinvestiven Maßnahmen, zum Beispiel zur Errichtung von Bibliotheken für Mädchen
mit Migrationshintergrund, ist vorbei.
So Herr Döring.
Herr Döring, werte Kollegen der Koalition, Sie haben
wirklich überhaupt keine Ahnung von den sozialen Herausforderungen, vor denen Städte und Gemeinden heutzutage stehen.
({3})
Worte und Taten passen bei Ihnen wirklich nicht zusammen. Statt sich um praktische Integration zu kümmern,
reden Sie über die Integrationsverweigerer und darüber,
wie man sie härter sanktionieren kann, obwohl Sanktionen bereits derzeit rechtlich möglich sind. Es wird der
Eindruck erweckt, als würden die Menschen reihenweise
die Integrationskurse nicht antreten oder abbrechen. Auf
die konkreten Zahlen bin ich wirklich - ganz im Ernst sehr gespannt.
({4})
- Hören Sie doch einmal zu. Herr Lindner, das ist kein
Problem. Ich komme darauf noch zu sprechen.
Die Umfrage unter den Ländern, die vor einigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt war, hat ergeben, dass sich die Anzahl dieser Fälle in den meisten
Ländern an einer Hand abzählen lässt.
({5})
Meine Besuche bei Integrationskursträgern - das empfehle ich auch Ihnen - bestätigen das. Wenn man sich
vor Ort aus den Ordnern etwas über solche Abbruchfälle
vorlesen lässt, dann stellt man fest, dass Umzüge in andere Bundesländer, Schwangerschaften, Krankheiten
und glücklicherweise hin und wieder auch die Aufnahme
einer regulären Beschäftigung als Gründe angeführt werden. Nur zu einem kleinen Teil handelt es sich um echte
Verweigerung.
Herr Lindner, ich bin durchaus damit einverstanden,
dass Sie Daten über die Anzahl und die Gründe der Integrationskursabbrüche erheben. Dann stehen Sie aber
auch in der moralischen Pflicht, dass jeder, der das
möchte, einen Integrationskurs belegen kann.
({6})
Bis zum Jahresende wird die Zahl Integrationswilliger, die Sie zum Warten verdammen, auf bis zu 20 000
angeschwollen sein.
({7})
Sie verschieben keine Rechnungen ins neue Jahr, sondern Sie verschieben die Nachfrage ins neue Jahr. Mindestens 9 000 Fälle waren es im Oktober.
({8})
- Bis zu 20 000 laut Volkshochschul-Verband.
({9})
- Darüber können wir im Ausschuss gerne weiter diskutieren.
Auch für 2011 sieht es nicht besser aus. Sehenden
Auges haben Sie wieder zu wenig Geld eingestellt.
({10})
Daniela Kolbe ({11})
Stellen Sie endlich ausreichend Mittel für Integrationskurse zur Verfügung, sonst erhärtet sich der Verdacht,
dass die Integrationsverweigerer woanders sitzen.
({12})
Die Stimmung in den Integrationskursen, die ich besucht habe, ist wirklich gut. Die Leute sind begeistert,
dass sie lernen können. Sie wollen lernen. Etwas anders
sieht das in den Lehrerzimmern aus. Da sitzen hochengagierte Männer und Frauen. Angesprochen auf ihre
Lebenssituation sagen sie aber Sätze wie diesen - Zitat -:
Man muss schon eine sehr große innere Motivation mitbringen, sonst kann man sich diesen Job nicht leisten. So schlecht sind die finanziellen Bedingungen, unter denen diese Beschäftigten wirklich gute Arbeit leisten. Das
Problem ist hausgemacht; denn die Zuschüsse des
BAMF in Höhe von 2,35 Euro pro Teilnehmer und
Stunde sind schlicht zu gering.
Reden Sie nicht nur über Integration. Statten Sie sie
endlich vernünftig aus. Wir geben Ihnen dazu die Möglichkeit. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zum
Einzelplan 06 zu.
({13})
Kurz zu einem zweiten Thema: Im Einzelplan 06 ist
auch die Bundeszentrale für politische Bildung zu
Hause. In deren Kuratorium sitze ich mit sehr viel Begeisterung; denn ich schätze die Arbeit der Bundeszentrale
sehr. Mit mir sitzen dort viele andere politisch Interessierte, Lehrerinnen und Lehrer, Studierende, Menschen,
die sich vor einer Wahl beim Wahl-O-Mat über Programme informieren wollen usw.
Leider fehlt dem Minister diese Begeisterung, zumindest hat es den Anschein. Obwohl die Bundesregierung
behauptet, bei Bildung würde nicht gekürzt, senken Sie
die Zuschüsse für die Bundeszentrale. Schade, dass Sie,
Herr de Maizière, nicht anerkennen, in welch hoher
Qualität hier Bildungsarbeit in der Bundeszentrale
selbst, aber auch bei den Bildungsträgern geleistet wird.
Schade, dass Sie diesem einzigartigen, vor allen Dingen
parteiübergreifenden Instrument der politischen Bildung
und einem großartigen Instrument der Prävention schon
dieses Jahr die Gelder streichen.
Sie halten die Axt schon in der Hand, um 2012 und
2013 in Größenordnungen zu kürzen, die nur zu Pleiten
von Bildungsträgern und großen Leistungseinschränkungen führen können. Rechnen Sie da mit unserem vehementen Widerstand!
Vielen Dank.
({14})
Das Wort hat der Kollege Florian Toncar von der
FDP-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte mich vorab dem Dank an Ihr Haus
anschließen, Herr Minister, an Sie persönlich und an Ihre
Mitarbeiter. Das war ausgesprochen professionell, wie
das wieder vonstattengegangen ist. Das muss man wirklich betonen. Da war viel Einsatz dabei, diesen Haushalt
so auf die Beine zu stellen.
Wir haben beim Thema Sicherheit, das die Lage dominiert, gerade als Liberale den Ansatz, dass wir sagen:
Wir wollen, dass die Sicherheitsbehörden geeignete Instrumente haben, dass man aber nicht ständig neue
schafft, sondern das, was da ist, mit gut ausgestattetem
und gut ausgerüstetem Personal vollzieht. Insofern haben wir in der Koalition natürlich auch darauf geachtet,
dass die Stellenausstattung und die Ressourcen der Sicherheitsbehörden gut sind.
Das ist entgegen manchen Verlautbarungen der letzten Tage auch gut gelungen. Ich will das noch einmal anhand von Zahlen verdeutlichen. Der Minister hat schon
auf die 450 bereitgestellten Stellen hingewiesen, die für
die Luftfrachtsicherheit eingesetzt werden können.
({0})
Diese können übrigens verschoben werden. Wenn Sie
den Haushalt lesen, Herr Kollege, wissen Sie, dass das
eine vorläufige Verortung ist und dass am Ende entschieden wird, wo diese Stellen am besten und am wirksamsten eingesetzt werden, und dass das nicht nur beim Finanzminister sein muss und sicherlich nicht allein dort
sein wird.
Man muss aber hervorheben, dass es dem Ministerium und der Koalition gelungen ist, innerhalb von wenigen Tagen ein doch sehr komplexes Problem so in den
Haushalt einzubringen, dass überhaupt gehandelt werden kann. Das ist auch handwerklich eine saubere Arbeit, die dort im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger und der Luftsicherheit geleistet worden ist.
({1})
Wir haben die weitere Möglichkeit geschaffen, circa
130 Stellen durch Ausnahmen von Stelleneinsparungen
zu mobilisieren, also für den Fall, dass es nötig ist. Das
heißt, wir haben Vorsorge mit bis zu 600 weiteren Stellen getroffen, die im Bereich der Sicherheit möglich sind
und geschaffen werden können.
Dazu kommt, dass keine Stellen für Vollzugsbeamte
abgebaut werden, dass also die, die für die Bürger sichtbar sind, die auf der Straße, in Bahnhöfen aktiv Sicherheit schaffen, genau so, mit denselben Ressourcen weiterarbeiten können, sodass es wirklich falsch ist, hier von
Stellenabbau zu sprechen. Es wachsen Stellen im Sicherheitsbereich auf, und es werden keine abgebaut.
({2})
Im Verwaltungsbereich haben wir Einsparungen wie
überall in unserer Verwaltung. Das ist zur Haushaltskonsolidierung nötig, die Sie immer dann nicht wollen,
wenn es konkret wird. Selbstverständlich können Verwaltungsarbeiten, Schreibtischarbeiten mit moderner
Computertechnik und anderen Dingen effizienter gemacht werden, als das früher der Fall war. Es ist auch
unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit absolut vertretbar, in allen Verwaltungsbehörden, beispielsweise auch
bei der Verwaltung der Bundespolizei, in gewissem
Maße einzusparen. Das sind weit weniger Stellen als die,
die wir im Sicherheitsbereich neu schaffen. Insofern ist
es netto wirklich ein Zuwachs an Sicherheit, an personeller Kapazität. Das kann man gar nicht deutlich genug
sagen.
({3})
Vor diesem Hintergrund möchte ich darum bitten,
dass Äußerungen wie die von Herrn Oppermann, der
Minister sei sorglos etc., unterbleiben - gerade in Wochen wie diesen. Ich glaube, dass es erstens dafür fachlich überhaupt keinen Anhaltspunkt gibt, solche Dinge
zu behaupten - die Zahlen sind einfach andere -, und
zweitens ist das auch nicht besonders verantwortungsbewusst. Es ist eher sorglos, solche Dinge in die Welt zu
setzen, ohne die Fakten zu kennen.
({4})
Wir haben ferner dafür gesorgt, dass das Technische
Hilfswerk entsprechend gut mit hauptamtlichen Mitarbeitern ausgestattet ist.
({5})
Das Technische Hilfswerk ist mit 80 000 ehrenamtlichen
Mitarbeitern mittlerweile weltweit tätig - natürlich überwiegend in Deutschland - bei Naturkatastrophen. Die
Arbeitsbelastung nimmt zu. Es gibt mehr Aufträge, es
wird dort mehr gearbeitet, und deswegen haben wir es
geschafft - das haben Sie übrigens nie hinbekommen -,
dass das THW Sicherheitsbehörde ist und dass es von
pauschalen Stelleneinsparungen ausgenommen wird.
({6})
Es ist immer einfach, in der Opposition Anträge über
Dinge zu stellen, die man in der Regierung nicht geschafft hat. Wir haben es jetzt ins Gesetz geschrieben.
Darin besteht der Unterschied zu Ihnen. Sie sollten daher
etwas zurückhaltender sein.
({7})
Ich möchte noch auf das Thema Integrationskurse
zu sprechen kommen. Offenkundig gibt es im Zusammenhang mit dem Einzelplan 06 und der Arbeit der Koalition nur wenige Themen, bei denen Sie eine Angriffsfläche finden. Nur so kann ich mir erklären, dass von
einer Kürzung gesprochen wird, die es aber nicht gibt.
({8})
Wir haben im Haushalt wie auch im letzten Jahr für die
Kurse 218 Millionen Euro eingestellt. In den Jahren
2010 und 2011 wird für Integrationskurse Geld in noch
nie dagewesener Höhe im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt.
({9})
Das sind die Taten, an denen wir uns messen lassen. Sie
dagegen haben Ihren Worten keine Taten folgen lassen.
Sie sollten an dieser Stelle also vorsichtig sein.
({10})
Festzuhalten bleibt, dass wir bei den Integrationskursen den Mittelansatz auf Rekordniveau fortschreiben;
denn wir wollen, dass diese Kurse stattfinden. Wir sehen
aber auch, dass es bei diesen Kursen hinsichtlich der
Qualität und Effizienz noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Es ist beispielsweise so, dass mit dem Geld aus
diesem Haushaltstitel immer häufiger Fahrtkosten erstattet werden.
({11})
Dies dient der Integration aber nicht unmittelbar; denn
die Erstattung dieser Kosten hat mit dem Kursinhalt
nichts zu tun. Deshalb wird das Ministerium ein Konzept
vorlegen - es ist entsprechend vermerkt worden -, mit
dem sichergestellt wird, dass man das Geld effizienter
verwendet und dass es nicht mehr so häufig wie in den
letzten Monaten für Dinge ausgegeben wird, die mit dem
eigentlichen Kurs nichts zu tun haben. Dieser sinnvolle
Ansatz verbessert die Qualität der Kurse bei gleicher
Mittelausstattung.
({12})
Zu guter Letzt haben wir die Stiftung Datenschutz
auf den Weg gebracht. Sie haben während der letzten
Haushaltsberatungen immer gefragt, wann sie denn
kommt. Jetzt gibt es sie, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Herr Kollege Korte schuldet mir noch ein
Lob, das er mir bei der Abschlussberatung über den
Haushalt 2010 für den Fall versprochen hat, dass wir die
Stiftung Datenschutz einrichten. Es kam leider nicht. Ich
denke aber, Sie haben es einfach vergessen.
({13})
Wir können festhalten: Es ist im Sinne des Datenschutzes ein Erfolg dieser Koalition, dass es diese Stiftung
jetzt gibt und dass sie entsprechend finanziell ausgestattet ist. Sie kann nun ihre Arbeit aufnehmen.
Ich kann in diesem Etat nur sinnvolle Schwerpunkte
erkennen. Ich glaube, die Koalition ist im Bereich der Innenpolitik auf einem guten Weg.
({14})
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin
sehr erstaunt, dass bei dieser Debatte Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Was wir in den Medien in diesen Tagen erfahren konnten, hat eigentlich nichts mit der Debatte zu tun, die wir heute führen.
Die Sicherheitspolitiker von der rechten Seite dieses
Hauses haben sich zustimmend zu Bundeswehreinsätzen, zu der vollständigen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung - sie ist, wie wir alle wissen, verfassungswidrig -, zu Videoüberwachung und Onlinedurchsuchung geäußert. Dazu will ich Ihnen eines sagen: Es
gibt ein anderes Problem, das wirklich ernst zu nehmen
ist. Vorigen Freitag hat es in Berlin einen Anschlag auf
eine Moschee gegeben, nämlich auf die Moschee am
Columbiadamm. Ich habe mich gefragt: Wo waren da
die Sicherheitspolitiker dieses Hauses, die Solidarität
mit den Betroffenen gezeigt und Maßnahmen gefordert
haben? Erst als sich die jüdische und die türkische Gemeinde in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet haben, ist
die Nachricht in den Medien erschienen, dass auf diese
Moschee ein Brandanschlag verübt wurde.
Man muss einmal zur Kenntnis nehmen, wie Sie mit
diesem Anschlag auf der einen Seite und mit der aktuellen Bedrohungslage auf der anderen Seite umgehen. In
diesen Tagen wie auch in den vergangenen Monaten hat
die rechte Seite des Hauses alles dafür getan, einen Generalverdacht gegen Muslime zu äußern,
({0})
indem diese Menschen, die vermeintlichen Integrationsverweigerer - Herr Grindel weiß, was ich meine -, als
Übeltäter dargestellt wurden.
({1})
Das Äußern dieses Generalverdachts hat dazu geführt
- wir konnten das heute einer Äußerung von Herrn Kolat
in der Frankfurter Rundschau entnehmen -, dass es eine
Welle des Hasses gegen Muslime und eine zunehmende
Muslimfeindlichkeit in dieser Gesellschaft gibt. Dagegen muss dieses Haus genauso vorgehen wie gegen den
Terror, vor dem derzeit gewarnt wird. Jedenfalls ist das
der Anspruch der Linken.
({2})
Meine Damen und Herren, man muss schon Kartoffeln auf den Augen haben, um zu übersehen, dass im
Windschatten dieser Terrorwarnungen weiterer Demokratieabbau geplant ist und stattfinden soll.
({3})
Ausgerechnet die FDP, die sich hier immer als Bürgerrechtspartei aufgespielt hat, will jetzt unter Einbeziehung des Bundeskriminalamts, des Zolls und der Bundespolizei eine zentrale Behörde schaffen, in der
übrigens Zehntausende Beschäftigte arbeiten müssten.
({4})
Man muss schon sagen: Das ist sehr zentralistisch.
({5})
Aber von parlamentarischer Kontrolle, die wir heute
noch nicht ausreichend haben, habe ich bei Ihnen überhaupt nichts gelesen. So viel zum Demokratieabbau.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der
Beschluss zum Bleiberecht, den die Innenministerkonferenz in der letzten Woche getroffen hat.
({6})
Das, was Sie hier vorgeführt haben, zeigt das ganze
Elend Ihrer Integrationspolitik. Kinder, die in Deutschland aufgewachsen sind, sind integriert. Man muss sie,
wie wir wissen, nicht mehr integrieren, wenn sie zur
Schule gehen; das tun sie in der Regel. Es ist ein Skandal, wenn diese Bundesregierung jetzt sagt: Wenn sie
gute Zensuren haben, dürfen sie bleiben, aber ihre Eltern
müssen gehen. Was ist eigentlich noch christlich in Ihrer
Partei, wenn Sie Familien auseinanderreißen und dabei
nach den Verwertungsinteressen von Wirtschaft und Kapital vorgehen? Es kann doch wirklich nicht sein, dass
diese Politik in diesem Hause mitgetragen wird.
({7})
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen: Ihre kinder- und familienfeindliche Politik in Bezug auf Asylbewerber. In Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von
mir mussten Sie zugeben, dass das Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig ist. Ich bin der Meinung,
es ist längst überfällig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft wird, dass die Flüchtlinge ihrem Bedürfnis entsprechend Bildung bekommen und dass man
ihnen Arbeit gibt. Das Arbeitsverbot muss aufgehoben
werden. Man muss ein vernünftiges Bleiberecht schaffen
und darf diese Menschen nicht immer hinhalten.
({8})
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, bezieht
sich auf die vielen Bündnisse gegen rechts, gegen Neofaschisten, die es in diesem Land gibt. Die Regierung
versucht immer rigider, diese Bündnisse auseinanderzubringen. Ich spreche hier den neuen Extremismuserlass
von Familienministerin Schröder an, der vorsieht, dass
alle Projekte gegen Rechtsextremismus, die mit Bundesmitteln gefördert werden, jetzt eine Erklärung unterzeichnen müssen - viele erinnern sich bestimmt noch an
den Radikalenerlass, der in den 70er- und 80er-Jahren
Berufsverbote zur Folge hatte -, dass sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.
({9})
- Ja, so weit, so gut. Ich bin nicht verwundert, dass Sie
an dieser Stelle klatschen.
Das Entscheidende ist, dass die Projekte auch die
Partner, mit denen sie zusammenarbeiten, dahin gehend
überprüfen müssen. Das heißt, sie müssen selber im Verfassungsschutzbericht nachsehen, wer tendenziell extremistisch ist. Das betrifft beispielsweise die Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes, die immer noch in verschiedenen Verfassungsschutzberichten steht.
Frau Kollegin Jelpke.
Das betrifft auch die Linke und andere.
({0})
Damit spalten Sie die Bewegung gegen rechts. Wir werden auf jeden Fall gegen diese Methoden, solche Bündnisse zu spalten, vorgehen.
({1})
Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
uns hier zu Recht intensiv mit dem Thema innere Sicherheit auseinandergesetzt. Dies macht auch zwei Drittel
des Etats aus. Ich möchte an dieser Stelle aber ein anderes Thema ansprechen: die politische Bildung.
Man ist sich schnell einig, wenn man den Satz vorträgt: Wer bei der Bildung kürzt, spart an der Zukunft.
Diese Verlautbarungen kommen ja auch aus Ihren Reihen.
Entgegen diesen Verlautbarungen wird in diesem Haushalt bei der Bildung gespart, nämlich 1,5 Millionen Euro
bei der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung
und bei den freien Trägern der politischen Bildung. Ab
2012 erreicht dieses Kürzungsvolumen 5 Millionen Euro
bei einem Gesamtetat für die Bundeszentrale für politische Bildung von gerade einmal 38 Millionen Euro. Der
Etat der Bundeszentrale für politische Bildung macht
nicht einmal 1 Prozent des Etats im Einzelplan 06 aus,
muss aber mehr als das Fünffache an Konsolidierung erbringen.
Zum Vergleich: Der Etat der Bundeszentrale für politische Bildung ist nur halb so groß wie der der parteinahen politischen Stiftungen, deren Etats wiederum von
Kürzungen verschont bzw. nicht von Kürzungen bedroht
sind. Sie kürzen bei der Bundeszentrale für politische
Bildung, dort, wo weltanschauliche Neutralität gegeben
ist. Dies verwundert mich im Hinblick auf Ihre Prioritätensetzung. Bei der politischen Bildung wird gekürzt;
aber es ist ausreichend Geld vorhanden, drei Wasserwerfer für die Länderpolizeien zum Stückpreis von
1 Million Euro anzuschaffen. Ich frage mich, was das für
eine Priorität ist,
({0})
auch angesichts dessen, dass uns der Bundesrechnungshof jedes Jahr ganz klar ins Stammbuch schreibt, dass
wir für die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen
und Fahrzeugen der Länderpolizei nicht zuständig sind.
Den Kürzungen bei der politischen Bildungsarbeit ist
keine Fachdebatte über die Ausrichtung der inhaltlichen
Arbeit der Bundeszentrale vorausgegangen.
Herr Minister, Sie liegen sicherlich nicht ganz falsch
mit der Einschätzung, dass die politische Bildungsarbeit
die bildungsfernen Schichten noch zu wenig erreicht.
Aber die Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis kann
doch nicht eine Kürzung der Mittel für diese Bildungsarbeit sein.
({1})
Wo ist denn das inhaltliche Konzept? Wie wollen Sie
denn die gesellschaftliche Ausgrenzung benachteiligter
Gruppen stoppen? Worin besteht denn Ihr Beitrag, der
zunehmenden Politikverdrossenheit oder vielmehr Politikerverdrossenheit bei Jugendlichen zu begegnen? Ist
diese Kürzung Ihr Beitrag zur Lösung des Problems der
zunehmenden Skepsis der jungen Generation gegenüber
Entscheidungsformen der parlamentarischen Demokratie, wie uns die Shell-Studien leider immer wieder deutlich machen? Ist das Ihre Strategie, das Bewusstsein für
Demokratie und politische Beteiligung zu schärfen?
Die Kürzungen - insbesondere in den nächsten Jahren - werden in erheblichem Umfang dazu führen, dass
die Aufgaben der Bundeszentrale für politische Bildung
nicht mehr so wie bisher erfüllt werden können. Die äußerst erfolgreiche Onlinepräsenz der Bundeszentrale
wird hierunter leiden müssen. Veranstaltungen und Ausstellungen, die insbesondere von Schulklassen im Rahmen des Unterrichts besucht werden, werden ebenfalls
darunter leiden.
Als Ausgleichsleistung für die Kürzungen darf die
Bundeszentrale jetzt die Regiestelle für das Programm
„Zusammenhalt durch Teilhabe“ übernehmen. Hier
sollen Projekte der demokratischen Teilhabe und gegen
Extremismus in Ostdeutschland gefördert werden. Leider hat eine ideologische Aufladung dieses Programms
stattgefunden, die mit der Anti-Extremismus-Erklärung
von Antragstellern de facto in einer Art Gesinnungskontrolle mündet.
Leider muss man den Eindruck gewinnen, dass Teile
des demokratischen Engagements gegen rechts und gegen Antisemitismus in die linksextreme Ecke geschoben
werden sollen. Die Programmansätze sind nicht auf eine
Bekämpfung des Rechtsextremismus beschränkt. Die
Bekämpfung von Linksextremismus und Islamismus
wird in einem Atemzug genannt. Der Schwerpunkt des
Programms liegt aber auf den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands.
Ich kann nur davor warnen, angesichts der hohen
Zahlen an Gewalttaten mit rechtsmotiviertem Hintergrund und den Wahlerfolgen der NPD gerade in diesen
strukturschwachen Regionen im Osten so zu tun, als ob
man sich nur um die rechten Ränder kümmern müsse
und bei dieser Gelegenheit noch den Rechts- und Linksextremismus in einen Topf werfen kann. Meine Damen
und Herren, das sollten wir vermeiden.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({2})
Das Wort hat der Kollege Hans-Peter Uhl von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Der Haushalt des Innenministeriums steht wie
alle Haushalte in der Pflicht, zu konsolidieren und zu
kürzen. Er wird um 90 Millionen Euro gekürzt auf
5,4 Milliarden Euro.
Lassen Sie mich auf ein Thema eingehen, das von der
SPD und den Grünen angesprochen wurde: Im Bereich
der Integrationskurse mit einem Etat in Höhe von
218 Millionen Euro wird auch im nächsten Jahr nicht gekürzt.
({0})
Es ist auch gut, dass hier nicht gekürzt wird.
({1})
Ich finde es aber nicht gut, dass ausgerechnet Vertreter der Grünen und der SPD sagen: 218 Millionen Euro
sind viel zu wenig.
({2})
- Herr Danckert, sieben Jahre lang war Rot-Grün an der
Regierung.
({3})
Sieben Jahre lang, bis 2005, war Multikulti an der Regierung. In diesen sieben Jahren war jede Zuwanderung ein
Glücksfall für Deutschland. Kein Zuwanderer musste
mit der deutschen Sprache irgendwie befasst, betraut
und belästigt werden.
({4})
Sieben Jahre lang haben Sie gesagt: Es muss kein
Deutsch gelernt werden.
({5})
Das alles erledigt sich von selbst. - In den Haushalten,
die Sie in den sieben Jahren Ihrer Regierungsverantwortung aufgestellt haben, stand hinter dem Titel „Integrationskurse“ die Zahl Null;
({6})
das finden Sie wohl noch heute gut. Jetzt stellen Sie sich
aber breitbeinig hier hin und kritisieren: 218 Millionen
Euro sind viel zu wenig. - Ich halte das für zutiefst unseriös.
({7})
Lassen Sie mich ganz im Ernst auf die aktuellen terroristischen Bedrohungen eingehen und eines vorwegsagen: Wir werden die jetzige Bedrohungslage nicht instrumentalisieren, indem wir neue Sicherheitsgesetze
fordern.
({8})
Eine persönliche Anmerkung in Richtung des Kollegen Wiefelspütz von der SPD - er war nämlich maßgeblich beteiligt -:
({9})
Wir haben in der letzten Legislaturperiode gemeinsam
vernünftige Sicherheitsgesetze auf den Weg gebracht.
Diese Sicherheitsgesetze müssen wir jetzt zur Anwendung bringen. Wir haben das Bundeskriminalamt neu
aufgestellt und es im Hinblick auf den Terrorismus zu einer wirklichen Ermittlungsbehörde gemacht. Wir haben
die Bundespolizei reformiert. Nun ist sie eine schlagkräftige Einheit, die auf Bahnhöfen, Plätzen und Flughäfen
vertreten ist und dort für Sicherheit und Ordnung sorgt.
({10})
Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Kilic?
Ja.
Bitte.
Herr Kollege Uhl, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung im
Jahre 2005 zum ersten Mal in der bundesrepublikaniMemet Kilic
schen Geschichte verpflichtende Sprachkurse für Neuzuwanderer eingeführt hat?
({0})
Beantworten Sie mir vor diesem Hintergrund bitte auch
die Frage, warum die Unionsparteien so lange geschlafen haben?
Im Jahr 2005 ging die rot-grüne Regierungszeit, wenn
ich mich recht erinnere, zu Ende. In den sieben Jahren
zuvor haben Sie für verpflichtende Sprachkurse keine
Mittel in den Haushalt eingestellt.
({0})
- Ich wiederhole: Dafür haben Sie keine Mittel in den
Haushalt eingestellt, aus welchen Gründen auch immer.
Sie hätten das jederzeit tun können. Sieben Jahre lang
haben Sie es aber nicht getan.
({1})
Ich erinnere mich sehr wohl daran, was in der Vergangenheit geschehen ist; ich beschäftige mich mit diesem
Thema nämlich weiß Gott schon länger. Ich erinnere
mich, dass ich früher beschimpft wurde, als ich auf die
Frage: „Was bedeutet Integration?“ geantwortet habe:
Integration heißt Deutsch lernen, Deutsch lernen und
nochmals Deutsch lernen. Dazu müssen wir die Ausländer verpflichten. - Dafür wurde ich in meiner früheren
Zeit im Münchener Rathaus mindestens zehn Jahre lang
beschimpft. Meinen Sie, das hätte ich vergessen? Ich
wurde damals übrigens von Grünen, die mir eine
Zwangsgermanisierung vorgeworfen haben, beschimpft.
({2})
Herr Kollege Uhl, auch der Kollege Scholz würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ich würde gerne in meiner Rede fortfahren. Herr
Scholz, ich wollte Sie übrigens gerade loben.
({0})
Ich wollte Sie loben, weil wir beide in der letzten Legislaturperiode sehr vernünftige Sicherheitsgesetze auf den
Weg gebracht haben. Diese Gesetze müssen jetzt zur Anwendung kommen.
Beim Thema Vorratsdatenspeicherung haben wir
geahnt, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise gewisse Nachbesserungen von uns verlangt.
({1})
Das hat das Bundesverfassungsgericht im März dieses
Jahres getan. Diese Nachbesserungen werden wir nun in
der Koalition mit der FDP vornehmen. Wir werden sie
so organisieren, dass die Vorratsdatenspeicherung verfassungsgemäß ist und in Deutschland durchgeführt werden darf.
({2})
Herr Kollege Uhl, den Kollegen Scholz drängt es
nach wie vor, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.
Herr Scholz, bitte schön.
({0})
Bitte schön.
Nachdem Sie mich gelobt haben, möchte ich gerne
auf eine Bemerkung aus dem vorherigen Teil Ihrer Rede
zurückkommen. Sie haben gesagt: Multikulti ist gescheitert. - Meine Frage lautet: Meinten Sie damit die spezielle Zusammensetzung der Regierungskoalition in
Hamburg?
({0})
Damit habe ich die Kollegen in Hamburg gewiss
nicht gemeint.
({0})
Ich beobachte das Hamburger Treiben aus der Ferne und
wünsche viel Erfolg.
({1})
Ich will Sie nachher beim Thema Fachkräftezuwanderung noch einmal loben, Herr Scholz. Aber lassen Sie
mich das noch kurz zu Ende führen.
Bei der Visawarndatei sind wir mit unserer Arbeit
nicht fertig geworden, Herr Wiefelspütz. Das müssen
wir jetzt in dieser Koalition nachholen. Es kann doch
nicht sein, dass deutsche Visabehörden im Ausland aus
Ahnungslosigkeit, wem sie ein Visum erteilen können,
weil wir keine Terrorwarndatei haben, dem kommenden
Terroristen ein Visum für Deutschland ausstellen, um
ihn für einen Terroranschlag ins Land zu lassen. In dieser Gefahr befinden wir uns jetzt. Deswegen werden wir
die Visawarndatei einführen.
({2})
Ich habe den Eindruck, dass das Thema QuellenTKÜ auf einem guten Weg ist. Wir werden auch dort unsere Arbeit machen. Nur so kann Terror überwunden
werden: aufklären, abhören, in die Terrornetze hineingehen und erfahren, was die Verbrecher vorhaben. Wenn
der Terrorist mit der Bombe unter dem Arm bereits losmarschiert ist, dann hat der Staat verloren, und er kann
seine Bürger nicht mehr schützen. Im Vorfeld etwas festzustellen, darin liegt unsere Chance. Deswegen ist Abhören und damit auch die Quellen-TKÜ das A und O.
({3})
Jetzt komme ich zum letzten Punkt, dem Fachkräftemangel. Ich will nicht den falschen Eindruck erwecken
- die Bild-Zeitung hat das diese Woche getan -, als wollte
ich hier ausländerfeindliche Thesen verbreiten. Aber die
Zahlen, die in der Bild-Zeitung standen, sind, wenn sie
richtig sind - ich gehe davon aus, dass sie recherchiert
worden sind -, natürlich schon problematisch. Wenn von
37 000 Libanesen, die in Deutschland leben, 90 Prozent
Hartz-IV-Empfänger sind, wenn von 120 000 Irakern und
Afghanen, die hier leben, über 60 Prozent Hartz-IV-Empfänger sind und wenn von 1,7 Millionen Menschen aus
der Türkei jeder vierte Hartz-IV-Empfänger ist,
({4})
dann wird das Ausländerrecht - wir reden jetzt über den
Haushalt - in hohem Maße kassenwirksam. Wenn wir
die falschen Ausländerrechtsregeln haben, beziehen
diese Menschen Hartz-IV-Leistungen und soziale Leistungen in Milliardenhöhe. Angesichts der Tatsache, dass
in Deutschland 110 000 Bedienstete jedes Jahr damit beschäftigt sind, 50 Milliarden Euro an die Arbeitslosen in
diesem Land zu verteilen, müssen wir mit dem Thema
Zuwanderung sehr sorgfältig umgehen. Das müssen wir
doch spüren.
({5})
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Bei der Zuwanderung von Fachkräften werden wir in unseren
Überlegungen den Vorrang für deutsche und EU-Bürger
beachten müssen. Wir haben gute Regeln für die Zuwanderung. Wo es bei der Zuwanderung von Hochqualifizierten etwas nachzubessern gibt, werden wir dem
selbstverständlich nicht im Wege stehen. Aber wir werden beachten müssen, dass es keine Zuwanderung in die
Sozialsysteme geben darf.
({6})
Ich möchte zum Schluss kommen und mich im Namen der CDU/CSU-Fraktion bei Ihnen, Herr Minister,
bedanken mit der Bitte, den Dank an alle Angehörigen
des Bundesinnenministeriums weiterzugeben. Das ist
ein Ministerium, das vorbildliche Arbeit leistet und von
allen Parteien zu Recht gelobt wird. So soll es sein, so
soll es bleiben.
({7})
Vielen Dank auch von unserer Seite. Möge uns Gott vor
einem Terroranschlag in Deutschland bewahren. Die Sicherheitsbehörden sind gut aufgestellt. Sie werden versuchen, alles zu verhindern. Darauf sollten wir alle Wert
legen und gemeinsam daran arbeiten.
({8})
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Danckert von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Ich kann mich dem Lob anschließen, das hier einige
Redner schon zum Ausdruck gebracht haben. Insbesondere in den letzten Tagen, Herr Bundesinnenminister, haben Sie die Sache sehr eindrucksvoll gestaltet. Aber
trotzdem darf man einige kritische Anmerkungen machen. Das kann man von der Opposition zu Recht erwarten.
Ich will einmal das Thema ansprechen, das mich in
den letzten Wochen am meisten berührt hat, nämlich das
Thema Luftfracht. Es ist uns 2008 von der EU sozusagen auf den Tisch gelegt worden, dass wir da gesetzliche
Regelungen treffen sollen. Was ist eigentlich in diesem
Jahr dazu passiert? Nach dem, was ich höre, ist in den
ersten sechs Monaten zwischen Ihrem Haus und dem
Bundesverkehrsministerium heftig darüber gestritten
worden, wer in dieser Frage zuständig ist.
Wir erkennen, dass es ein hochbrisantes Thema ist,
dass auf der einen Seite das Handgepäck und die Koffer
der Fluggäste minutiös kontrolliert werden, während auf
der anderen Seite Gepäck und Kisten im Frachtraum
sind, die nicht oder jedenfalls nur unzulänglich kontrolliert werden. Das ist eine ganz zentrale Aufgabe. Durch
die Ereignisse in den letzten Wochen ist uns bewusst geworden, was Gefährliches und Schreckliches dort passieren kann.
Zwei Ministerien dieser Bundesregierung streiten
sich trotzdem wochenlang wie die Kesselflicker darüber,
wer dafür zuständig sein soll. Das ist doch ein absolutes
Unding. Ich hätte erwartet, dass wir hier sehr viel deutlicher Ihre Handschrift sehen und Sie zum Ausdruck bringen: Das ist eine Aufgabe, die wir als Bundesinnenministerium gerne übernehmen, weil die Bundespolizei
ohnehin dafür zuständig ist.
Dieser Streit läuft aber immer weiter und ist bis heute
noch nicht beigelegt. Es ist bis heute noch keine Verständigung darüber erfolgt. Es wurden zwar 450 Stellen im
Einzelplan 08, also beim Bundesfinanzministerium, gesperrt - das wurde sozusagen etatisiert -, wer aber für
diese kritische Aufgabe zuständig ist, ist doch bis heute
nicht geklärt worden. Ich finde, das ist ein erheblicher
Mangel, auf den man an dieser Stelle einmal hinweisen
darf.
({0})
Zum Thema Stellenstreichungen. Ich kann nur sagen: An dieser Stelle gibt es ein totales Kommunikationschaos. Die Gewerkschaften - GdP etc.; das sind ja
auch Fachleute - sprechen von einer Streichung von
1 000 Stellen. Der Pressesprecher Ihres Hauses sagt: Es
gibt hier keine Streichungen. - Von Mitarbeitern Ihres
Hauses hört man - ich will die Namen hier jetzt nicht
laut verbreiten, aber Ihnen persönlich nenne ich sie -,
dass jährlich 120 bis 140 Stellen gestrichen werden.
Was ist an dieser Stelle eigentlich los? Ich finde, auch
als Parlament muss man hier ganz klar sagen: Bei dieser
Sicherheitslage darf es keinen Zweifel geben, dass nicht
eine einzige Stelle gestrichen werden darf.
({1})
Das gilt übrigens auch für die Nachrichtendienste.
Auch hier, Herr Minister, haben wir Stellenstreichungen
zu erwarten. Man kann das an den endgültigen Zahlen zu
diesem Punkt sehen. Ich finde, die Nachrichtendienste
verdienen unsere volle Unterstützung. An dieser Stelle
darf nicht gespart werden. Ich finde, das ist ein unerträglicher Zustand. - So viel zu dem Thema.
Ich komme jetzt zum Thema THW. Bei allem Jubel
wahrscheinlich im ganzen Haus darüber, dass wir es geschafft haben, lieber Jürgen Herrmann, lieber Florian
Toncar, dass das THW jetzt doch zu den Sicherheitseinrichtungen gehört, die von den Stelleneinsparungen ausgenommen werden sollen, stelle ich erst einmal fest,
dass das in § 20 Abs. 2 des Entwurfs der Bundesregierung eines Haushaltsgesetzes 2011 nicht der Fall war.
Die Bundesregierung hat dazu also keinen Beitrag geleistet.
({2})
- Natürlich, dafür sind wir da. Dazu komme ich jetzt
gleich, lieber Jürgen Herrmann.
Wir haben dann den Antrag angekündigt, das THW in
§ 20 Abs. 2 des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes 2011
aufzunehmen. Die Koalition wurde dabei etwas unruhig.
Fakt ist doch, dass es noch während der Beratung im Innenausschuss abgelehnt wurde, das THW an der Stelle
sozusagen zu privilegieren, was es verdient hat.
({3})
In allerletzter Minute - ich vermute einmal, nach den
Besprechungen, die wir am Donnerstagmorgen hier im
Hause nicht weit von hier entfernt geführt haben - ist
dann sozusagen die letzte Ölung erteilt worden und hat
die Koalition in der Tat mitgezogen. Dafür sind wir alle
dankbar. Die Wahrheit ist aber: Man hat euch an dieser
Stelle zum Jagen tragen müssen. Das ist die Realität.
({4})
Beim THW sind übrigens erst Kürzungen erfolgt,
({5})
um die Mittel danach um 2 Millionen Euro aufzustocken, die aber dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz
und Katastrophenhilfe weggenommen wurden. Das ist
eine - ich sage es einmal so - sehr schräge Philosophie.
Das Bundesamt hat wahrscheinlich nicht so viele Lobbyisten wie andere.
Zu einem weiteren Thema, das mich interessiert,
nämlich zu den Integrationskursen. Wir alle sind uns
darüber einig, dass das ein ganz zentrales Thema ist. Darüber gibt es ja wohl kaum noch unterschiedliche Meinungen. Die Frage an dieser Stelle ist aber, wie man dieses Thema angeht.
Im Haushalt 2009 - Herr Grindel wird darauf nachher
möglicherweise noch eingehen - hatte die alte Koalition,
die Große Koalition, 174 Millionen Euro für diese Integrationskurse vorgesehen. Im Haushaltsplan 2010 kann
man das nachsehen: Im Ist, also aktuell, sind es
204 Millionen Euro. Das ist also schon einmal eine Aufstockung. Wem sie zuzurechnen ist, lasse ich im Moment einmal offen. Ob das in den letzten zwei Monaten
2009 passiert ist oder schon vorher einvernehmlich geregelt war, ist hier jetzt nicht die Frage. Das sind
204 Millionen Euro.
Zudem haben wir im Haushalt 2010, wie Sie alle inzwischen wissen, weitere 15 Millionen Euro für Aufgaben vorgesehen, die im Jahr 2009 erfüllt wurden. Wenn
man das alles zusammenzählt und saldiert, dann kommt
man auf 219 Millionen Euro, die im Jahr 2009 für Integrationskurse ausgegeben wurden. Wenn im Haushalt
2011 dafür 218 Millionen Euro vorgesehen sind, dann ist
schon das weniger, Florian Toncar.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Die Koalition hat ein Bildungsprogramm in Höhe von 12 Milliarden Euro für diese Legislaturperiode beschlossen. Von
diesen 12 Milliarden Euro für Maßnahmen im Bereich
Bildung und Forschung entfallen gerade einmal 1,5 Prozent auf das Bundesinnenministerium. Das nenne ich
Etikettenschwindel. Hier passt der Ausdruck wirklich.
Sie behalten den Ansatz von 218 Millionen für 2011
bei und verweisen auf die 44 Millionen Euro je Haushaltsjahr aus dem Bildungsprogramm, die darin enthalten sind. Da haben Sie doch echt gekürzt. Das ist eine
einfache und einwandfreie Rechnung. Sie haben den ursprünglichen Ansatz um 44 Millionen Euro gekürzt und
dann 44 Millionen Euro aus dem Bildungsprogramm
draufgeschlagen. Das heißt, bei etwa 900 000 Menschen,
die der Integrationskurse bedürfen, wird der Bedarf in
den nächsten zehn Jahren nicht abgearbeitet.
Deshalb gibt es einen Antrag meiner Fraktion, die
Mittel um 48 Millionen Euro aufzustocken. Es gibt einen
Antrag der Grünen, die Mittel um 51 Millionen Euro
aufzustocken. Ich weiß nicht, wie in dem Fall gerechnet
worden ist. Ich finde aber, dass beide Anträge die Unterstützung dieses Hauses verdienen. Denn erst dann kann
man die Situation richtig bewerten.
({6})
Ich würde gerne eine letzte Bemerkung machen,
wenn der Präsident mir das gestattet.
Aber nur eine kurze.
Ich fasse mich ganz kurz. - Herr Bundesinnenminister, Ihre Kabinettskollegin Schröder hat den Bundesfreiwilligendienst angesprochen. Bitte verwahren Sie sich
dagegen, dass dabei wieder zwischen Ost und West unterschieden wird. Im Osten soll es dafür monatlich
288 Euro und im Westen 330 Euro geben. Das ist unerträglich. Diese Zeiten sind vorbei.
({0})
Sie sind dafür verantwortlich, dass das nicht Eingang ins
Gesetz findet.
Vielen Dank.
({1})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
der Kollege Reinhard Grindel von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Integrationskurse sind mehrfach angesprochen worden. Sie sind im Vermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz vereinbart worden.
Das ist die Wahrheit. Rot-Grün, CDU/CSU und FDP haben dies im Vermittlungsverfahren gemeinsam vereinbart.
({0})
Dann hat in der Tat Rot-Grün diese Integrationskurse
zum ersten Mal im Haushalt 2005 mit finanziellen Mitteln ausgestattet.
Das können wir vergleichen. Sie haben damals 102 Millionen Euro dafür ausgegeben. Heute geben wir dafür
218 Millionen Euro aus. Es gab pro Teilnehmer und
Kursstunde 2,05 Euro. Heute gibt es 2,35 Euro. Es gab
damals 100 Stunden für Alphabetisierungskurse. Heute
sind es 300 Stunden. Es gab damals 600 Stunden für den
Integrationskurs. Heute sind es bis zu 900 Stunden. Wer
nicht sagt, dass wir diesen Bereich enorm ausgeweitet haben und eine enorme Dynamik in die Integration hineingebracht haben, und zwar ganz praktisch vor Ort, der sagt
nicht die Wahrheit, Herr Kollege Danckert.
({1})
Es stimmt auch nicht, dass Teilnehmer wegen mangelnder Finanzen warten müssen. Ich will einmal deutlich machen, wie auf der einen Seite polemisiert wird
und wie sich auf der anderen Seite die Wirklichkeit darstellt. Ein Kurs ist erst dann wirtschaftlich, wenn er mindestens zwölf Teilnehmer hat. Es gibt aber Städte, in denen es zum Beispiel fünf oder sechs Kursträger gibt.
Kursträger A hat dann vielleicht zehn Anmeldungen,
Kursträger B acht und Kursträger C vier Anmeldungen.
Richtig wäre es in dem Fall, dass Kursteilnehmer gegenseitig abgegeben werden, damit ein Kurs dort starten
kann, wo die Mindestteilnehmerzahl erreicht ist.
Das ist aber leider nicht die Wirklichkeit, weil wir das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis heute nicht
in die Lage versetzt haben, das online anzuordnen. Deswegen sage ich Ihnen: Weil die Kursträger, die auf ihren
Anmeldungen sitzen, nicht bereit und schon gar nicht
dazu verpflichtet sind, Ausländer, die diese Kurse besuchen wollen, an die Träger abzugeben, die die entsprechende Kurse zum frühesten Termin anbieten, haben wir
die Probleme. Das hat nichts mit finanziellen, sondern
mit organisatorischen Fragen zu tun.
({2})
Und diese Probleme lösen wir jetzt mit unserem aufenthaltsrechtlichen Paket, mit dem die Daten übermittelt
werden müssen. Das ist der Sachverhalt.
({3})
Es ist die Bleiberechtsregelung angesprochen worden. Wir haben gesagt, dass Familien bei uns bleiben
können, wenn ihre Kinder die Schule erfolgreich besuchen. Ich kann nicht verstehen, was dagegenspricht.
Denn es geht doch darum, dass wir einen Anreiz setzen,
sich hier in Deutschland zu integrieren.
Die Botschaft der Bleiberechtsregelung, die wir anstreben, lautet: Die Erwachsenen, also die Väter und
Mütter, sollen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten
und nicht von Sozialleistungen leben. Und sie sollen dafür sorgen, dass ihre Kinder in die Schule gehen und
auch weiterführende Schulen besuchen dürfen; das gilt
gerade für Mädchen mit muslimischem Hintergrund.
Dann sagen wir: Wenn ihr so demonstriert, dass ihr euch
integrieren wollt, dann wird euch auch ein Bleiberecht
eingeräumt und ihr erhaltet eine Daueraufenthaltsperspektive in Deutschland. Wer aber straffällig wird, wer
kein Deutsch lernt und wer nur von Sozialleistungen
lebt, der erhält diese Bleiberechtsperspektive nicht. Ich
halte dies integrationspolitisch für völlig richtig.
({4})
Dann haben Sie, Herr Kollege Korte, es sich für die
Linkspartei nicht verkneifen können, den Polizeieinsatz
bei den Castortransporten anzusprechen.
({5})
- Jetzt sagen Sie auch noch „richtig“. Ich will Ihnen eines sagen: Wer wie Sie und viele aus der Linkspartei vor
Beginn der Castortransporte zum Schottern der Bahngleise aufruft und uns anschließend vorwirft, wir hätten
Polizeikräfte verheizt, der betreibt puren, blanken Zynismus und verhält sich den Polizeibeamten gegenüber unverschämt, Herr Kollege.
({6})
Ich will hier ausdrücklich erwähnen, dass ich die Tonlage und die Rede des Kollegen Scholz als der Lage angemessen empfunden habe. Ich finde auch, dass sich die
Opposition über die Information durch den Bundesinnenminister nicht beklagen kann; schließlich werden Sie
ständig über die aktuelle Sicherheitslage informiert. Ich
unterstreiche noch einmal, dass vieles von dem, was der
Kollege Scholz hier gesagt hat, sehr richtig war. Gerade
deshalb darf hier nicht stehen bleiben, was der Kollege
Oppermann, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist, bei seinem Pressegespräch vorgestern gesagt hat.
Herr Oppermann hat gesagt - Zitat -:
Der Innenminister habe sich gegenüber den tatsächlichen Gefahren zu lange sorglos verhalten, um sein
„liberales Image zu pflegen“.
Ich schlage vor, dass der Kollege Oppermann diese Aussage unverzüglich zurücknimmt. Das ist nicht in Ordnung, und so kann man mit unserem Bundesinnenminister nicht umgehen.
({7})
Hier ist gesagt worden, wir würden Muslime unter
Generalverdacht stellen. Das ist natürlich nicht richtig.
({8})
Ich will ausdrücklich sagen, dass ich es kritisiere,
({9})
dass - das hören wir jetzt vom Zentralrat der Muslime Moscheen und Vereine, die sich auch für Integration einsetzen, jetzt Hass-Mails erhalten.
Über unserer Debatte steht allerdings das Motto
„Wachsamkeit und Entschlossenheit“, und wenn es um
Wachsamkeit geht, gehört zur Wahrheit eben auch, dass
die Vorbereitungen für die Anschläge vom 11. September in einer Hamburger Moschee getroffen wurden. Und
es ist auch so, dass Islamisten, die wir als Gefährder
identifiziert haben, vor allen Dingen über Moscheen
Kontakt halten und wir nicht ausschließen können, dass
sie dort auch Aktionen vorbereiten. Deswegen möchte
ich völlig unaufgeregt, aber ernsthaft sagen: Ich erwarte,
dass die Sprecher der Muslime nicht nur ein Klima der
Angst beklagen, sondern dass sie die Muslime aufrufen,
durch Wachsamkeit in den Moscheen dazu beizutragen,
({10})
dass niemand in unserem Land Angst haben muss, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({11})
Der Etat des Bundesinnenministers ist auch der Sportetat, und deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, kann ich es Ihnen nicht ersparen, auf den
Beschluss des Freiburger Bundesparteitages einzugehen.
({12})
Wie ein roter oder grüner Faden zieht sich durch unsere
Debatte die Erkenntnis, dass Sie wirklich die DagegenPartei sind.
({13})
Ihre Entscheidung über die Bewerbung Münchens für die
Olympischen Winterspiele im Jahr 2018 ist dafür ein
guter Beleg. Da Sie, Frau Künast und Herr Beck, so hämisch jubeln, möchte ich Ihnen vorhalten, was Winfried
Hermann, der sportpolitische Sprecher Ihrer Fraktion, am
23. November 2010 im Tagesspiegel gesagt hat: „Alle
ökologischen Vorschläge sind umgesetzt …“ Michael
Vesper, der, glaube ich, noch immer Mitglied Ihrer Partei
ist und einst für die Grünen stellvertretender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war, sagt: Nach den
Grundsätzen des Beschlusses zur Münchener Olympiabewerbung hätte es nie eine Fußballweltmeisterschaft in
Deutschland geben dürfen. - Wie viele - insbesondere
junge - Leute würden sich gerade im Süden Deutschlands
freuen, einmal Olympische Winterspiele vor der Haustür
zu erleben! Für wie viele Kinder und Jugendliche wäre
ein solches Erlebnis in Deutschland auch Anlass, Sport zu
treiben und Mitglied in einem Sportverein zu werden!
({14})
Ich sage Ihnen: Mit Ihrem Beschluss schaden Sie dem
Sport in Deutschland.
({15})
Der Tagesspiegel fragt Winfried Hermann in dem bereits erwähnten Interview weiter:
Ist denn für die Grünen Sport immer noch Federball
ohne Zählen?
Darauf antwortet Herr Hermann - ich bitte, wirklich gut
zuzuhören -:
Wahrscheinlich fährt auch der halbe bayerische
Landesverband selbst Ski auf den ökologisch so unmöglichen Pisten, die mit Schneekanonen beschneit
werden.
Sie sind nicht nur die Dagegen-Partei. Sie sind in dieser
Frage auch nahe daran, Ihre Wähler zu betrügen, wenn
Winfried Hermann eine solche Aussage über Ihren bayerischen Landesverband trifft.
({16})
Der Etat des Bundesinnenministers ist die in Zahlen
gegossene Politik des Bundesinnenministers. Ich darf für
die Koalitionsfraktionen sagen, Herr Bundesinnenminister: Wir unterstützen Ihre Arbeit. Wir unterstützen Ihren
Etat.
({17})
Wir wissen um Ihre Verantwortung in diesen schwierigen Tagen und Wochen. Ich möchte Ihnen ausdrücklich
zumindest im Namen der Koalition - ich hoffe, im Namen des ganzen Hauses - sagen: Ich wünsche Ihnen für
Ihre schwierige Aufgabe alles Gute, Glück, viel Kraft
und Gottes Segen.
({18})
Bevor wir zur Abstimmung kommen, gibt es noch
zwei Wünsche nach Kurzinterventionen.
Zuerst der Wunsch des Kollegen Jan Korte für die
Fraktion Die Linke. - Bitte schön.
({0})
Da ich vom Kollegen Grindel direkt angesprochen
wurde, will ich ein paar Klarstellungen vornehmen, wie
ich das sehe. - Herr Grindel, mit Ihrer Rede zur Integrationspolitik schüren Sie ein unerträgliches Klima in diesem Land.
({0})
Ihren Versuch, Inländer gegen Ausländer auszuspielen,
lassen wir Ihnen nicht durchgehen, um das klar zu sagen.
Des Weiteren will ich Ihnen noch etwas Grundsätzliches sagen. Ein Mensch ist ein Mensch. Dabei ist es
scheißegal, ob er Sozialleistungen bekommt oder nicht,
um auch das einmal klar zu sagen. Ein Mensch ist ein
Mensch!
({1})
Nun zu einem anderen Punkt in meiner Rede, den
Einsatz der Polizeibeamten im Wendland, den Sie
ebenfalls angesprochen haben. Es ist so, dass für Ihre
Gefälligkeitspolitik gegenüber der Atomlobby Tausende
Beamte für nichts und wieder nichts und nur für die
Wahrnehmung der Interessen der Atomlobby im Wendland eingesetzt werden und nicht für die Erfüllung der
Aufgabe, für die sie eigentlich zuständig sind, nämlich
für Sicherheit zu sorgen. Das habe ich gesagt. Das ist
schlicht die Wahrheit.
({2})
Das wollte ich klarstellen. Das, was Sie abgeliefert
haben, hat nichts mit der sachlichen Debatte zu tun, die
wir eben geführt haben.
({3})
Jetzt hat die Kollegin Aydan Özoğuz das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Kollege Grindel, mir geht es um einen einzigen
Punkt. Aufgrund der Stimmung und der Atmosphäre in
diesem Land sowie der Terrorbedrohung, die uns allen
große Angst macht, halte ich es für unverantwortlich,
dass Sie sich hier hinstellen und einfach behaupten, Terroristen würden hauptsächlich über Moscheen Kontakt
halten.
({0})
Das haben Sie gesagt. Ich halte es wirklich für verantwortungslos, dass Sie so etwas in diesem Hause in diesen Tagen sagen.
({1})
Herr Grindel verzichtet auf eine Erwiderung.
({0})
Deswegen schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06, Bundesministerium des Innern, in der Aus-
schussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge vor,
über die wir zuerst abstimmen. Ich gebe Ihnen noch be-
kannt, dass es eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der
Geschäftsordnung gibt, die wir zu Protokoll nehmen.1)
Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3857, zu
dem namentliche Abstimmung verlangt wurde. Haben
1) Anlage 2
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
die Schriftführerinnen und Schriftführer die Plätze an
den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung und bitte, die Karten einzuwerfen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimmkarte nicht abgeben konnte? - Es gibt Kollegen,
die glauben, man könne nur in einer Ecke abstimmen.
Gibt es jetzt noch Abgeordnete, die ihre Stimmkarte
nicht abgeben konnten? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Wir stimmen nun über die weiteren Änderungsanträge ab. Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/3841. Wer
stimmt dafür? - Die Gegenstimmen! - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt bei Zustimmung durch die Oppositionsfraktionen, die Koalitionsfraktionen haben im Wesentlichen dagegen gestimmt.
Wir kommen zu den beiden Änderungsanträgen der
Fraktion Die Linke. Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag auf Drucksache 17/3842 ab. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die
einbringende Fraktion, dagegen haben gestimmt CDU/
CSU und FDP, Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben
sich enthalten.
Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache
17/3843. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt. Die Linke hat dafür gestimmt, Bündnis 90/Die
Grünen und die Koalitionsfraktionen haben dagegen gestimmt, die SPD hat sich enthalten.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich jetzt die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung bekannt. Es ging um den Einzelplan 06,
Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern, und hier
um einen Änderungsantrag auf Drucksache 17/3857.
Abgegebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 260,
mit Nein haben gestimmt 307. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 567;
davon
ja: 260
nein: 307
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({0})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({1})
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({2})
Kerstin Griese
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Michael Hartmann
({3})
Hubertus Heil ({4})
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({5})
Frank Hofmann ({6})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({7})
Fritz Rudolf Körper
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christian Lange ({8})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Kirsten Lühmann
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({9})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({10})
Michael Roth ({11})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({12})
Bernd Scheelen
Werner Schieder ({13})
Ulla Schmidt ({14})
Silvia Schmidt ({15})
Carsten Schneider ({16})
Swen Schulz ({17})
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({18})
Uta Zapf
Brigitte Zypries
Vizepräsidentin Katrin Göring-Ec
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothee Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({19})
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
kardt
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Volker Beck ({20})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Viola von Cramon-Taubadel
Katja Dörner
Dr. Thomas Gambke
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({21})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({22})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({23})
Beate Müller-Gemmeke
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({24})
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({25})
Manfred Behrens ({26})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({27})
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({28})
Dirk Fischer ({29})
Axel E. Fischer ({30})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({31})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Andreas Jung ({32})
Dr. Egon Jüttner
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({33})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({34})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({35})
Dr. Michael Meister
Vizepräsidentin Katrin Göring-Ec
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Stefan Müller ({36})
Nadine Schön ({37})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({38})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Eckhard Pols
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Katherina Reiche ({39})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({40})
Anita Schäfer ({41})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({42})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
kardt
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({43})
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({44})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({45})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({46})
Peter Weiß ({47})
Sabine Weiss ({48})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({49})
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther ({50})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({51})
Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({52})
Michael Link ({53})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({54})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({55})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({56})
Cornelia Pieper
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Serkan Tören
Johannes Vogel
({57})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({58})
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Aus-
schussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dage-
gen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 06 bei
Zustimmung durch CDU/CSU und FDP angenommen;
SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben dagegen
gestimmt.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.15 auf:
a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz
- Drucksachen 17/3507, 17/3523 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Florian Toncar
Manuel Sarrazin
b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 17/3524 Berichterstattung:
Abgeordnete Alexander Funk
Florian Toncar
Dr. Dietmar Bartsch
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Verabredet ist, zu diesen Einzelplänen eineinhalb
Stunden zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
Kollegen Ewald Schurer für die SPD-Fraktion.
({59})
Frau Präsidentin! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der Einzelplan 07 ist von der Größenordnung
her überschaubar. Im Gegensatz dazu stehen die Bedeutung des Justizministeriums sowie der entsprechenden
Ämter und Höfe.
Ich darf mich erst einmal ganz herzlich bei den Kollegen Mitberichterstattern für die kollegiale Zusammenarbeit bedanken, aber auch beim Hause für eine sehr präzise und gut strukturierte Zuarbeit. Man konnte zu jeder
Zeit auch aus der Opposition heraus alle Dinge sehr gut
nachvollziehen. Dafür einen ganz herzlichen Dank! Die
Zuarbeit war wirklich klasse. Dieses Lob haben Sie verdient.
Wenn wir in den Haushalt blicken, stellen wir fest
- das ist für die Fachkundigen natürlich klar -: Das Ausgabevolumen beträgt rund 493 Millionen Euro, dem stehen rund 415 Millionen Euro an Einnahmen gegenüber.
Das ist ein Novum. Wenn wir diese hohe Deckung beim
gesamten Haushalt hätten, wären wir unsere Sorgen
beim Bundeshaushalt mehr oder minder los. Das ist aber
nicht generell so.
Neben dem Kapitel für das Haus selbst gibt es die Kapitel „Allgemeine Bewilligungen“, „Bundesgerichtshof“, „Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof“, „Bundesverwaltungsgericht“, „Bundesfinanzhof“,
„Bundespatentgericht“, „Bundesamt für Justiz“, „Deutsches Patent- und Markenamt“ - ökonomisch und auch
inhaltlich ein Schwergewicht - sowie „Versorgung der
Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und
Richter des Einzelplans 07“.
Mit einer Deckungsquote von 84 Prozent ist eine
hohe Gegenfinanzierung vorhanden. Was für den Haushalt strukturell wichtig ist: 76 Prozent der Ausgaben,
also rund drei Viertel des gesamten Haushaltsumfangs,
sind Personalausgaben. Dieses Geld fließt in - das bringt
die Sache mit sich; davon gehe ich aus - hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechendem juristischen Sachverstand.
Für das Rechtsleben der Republik auch in Zeiten wie
diesen sind Sicherheitsgesetze und die Diskussion darüber von großer Bedeutung. Ich glaube, dass die Funktionsfähigkeit des Staates - Stichwort „Gewaltenteilung“ - sehr wichtig ist. Das Justizwesen hat in den
Augen der Menschen eine hohe Bedeutung, nicht nur bei
Bedrohungslagen, wie wir sie im Augenblick leider erleben müssen. Es gibt so etwas wie eine Kompetenzanmutung, eine Vertrauenserwartung der Bürgerinnen und
Bürger an die Demokratie. Dazu gehört selbstverständlich das Justizwesen. Der Justizgewährungsanspruch
oder die Gewährleistung der Strafverfolgungspflicht
sind in diesem Zusammenhang wichtige Begrifflichkeiten.
Das Aushängeschild, was die Größenordnung angeht,
ist das von mir schon zitierte DPMA. Das ist eine Zentralbehörde. Sie ist das Kompetenzzentrum auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Man muss sagen:
Das ist schon bedeutend. Denn 71 Prozent aller im
Einzelplan 07 veranschlagten Einnahmen werden durch
diese Institution erzielt. In München, wo sie ihren Sitz
hat, sind 2 600 qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Im Jahr 2009 wurden 60 000 Patentanmeldungen gehandelt; das ist sehr viel. 32 000 Patentprüfungsverfahren sind durch das DPMA durchgeführt
worden. Ende 2009 gab es 800 000 Marken, die beim
Deutschen Patent- und Markenamt registriert waren.
Hinzu kommen 534 Patente, die international in Kraft
getreten sind.
Wichtig ist mir auch, festzustellen, dass das im Jahr
2007 neu geschaffene Bundesamt für Justiz - die Mittel sind in Kapitel 0708 veranschlagt - als die zentrale
Dienstleistungsbehörde der Bundesjustiz offensichtlich
eine große Hilfe zur Schaffung von Bürgernähe ist. Auch
wurde durch dieses Amt eine größere Transparenz erreicht. Seine wesentlichen Aufgaben sind das Registerwesen und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. In
Münchener Boulevardzeitungen konnte man im Zusammenhang mit dem seit 1. November 2010 bestehenden
EuGeldG, Geldsanktionsgesetz, lesen: Nun ist das Abzocken bei Verkehrsverstößen im europäischen Ausland legal, weil es eine Rechtsgrundlage gibt; rechtskräftige
Entscheidungen über die Zahlung von Geldstrafen und
Geldbußen über die Grenzen hinweg. Diesbezüglich gab
es lange Zeit viele Berichte und große Aufregung. Das
möchte ich an dieser Stelle anmerken.
Wichtig ist für mich - ich verweise auf die politische
Bedeutung dieses Themas -: Es wurden mit Unterstützung der Opposition, also auch der SPD, 10 Millionen
Euro für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung ausgebracht.
Dabei geht es darum, endlich die Verfolgung homosexueller Menschen in der Nazizeit aufzuarbeiten, zu erforschen und Bildungs- und Öffentlichkeitsmaßnahmen in
diesem Zusammenhang zu befördern.
Sorgen macht mir, Frau Minister, Titel 681 01, „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“.
Wir wissen, dass es für Opfer linksextremistischer Übergriffe - sie sind nicht zu leugnen, und sie sind genauso
schlimm wie alle anderen extremistischen Übergriffe ({0})
die Versorgungswerke der Polizei und staatliche Einrichtungen gibt. Offensichtlich ist: Obwohl die rechtsextreme Gewalt - sie richtet sich im Wesentlichen gegen
Menschen aus der Zivilgesellschaft - anhaltend hoch ist,
ist der Abfluss der Mittel für die Opfer - 2011 sollen
wieder 1 Million Euro zur Verfügung stehen - sehr
schlecht.
Ich habe damals nachgefragt, woran das liegt. Offensichtlich sind die Opferverbände immer noch nicht entEwald Schurer
sprechend in die Kommunikation eingebunden. Der Abruf der vorhandenen Mittel ist mau, und er macht mir
Sorgen. Wir wissen über alle Fraktionen hinweg, dass
die rechtsradikale Gewalt leider anhaltend zunimmt und
für die Menschen im zivilen Leben eine reale Bedrohung
darstellt.
Es beschäftigt mich sehr, was der Koalitionsvertrag
von Schwarz-Gelb im Zusammenhang mit einer großen
Justizreform vorsieht. Ich weiß, dass die Mietrechtsreform für Sie nicht die erste Priorität hat. Die FDP will
aber offensichtlich künftig begründete Mietminderungen
erschweren. Sie wollen, soweit ich das mitbekommen
habe - man kann das im Koalitionsvertrag, der da sehr
im Ungefähren bleibt, nachlesen -, die Kündigungsfristen zuungunsten der Mieter abbauen. Sie wollen beim
Thema Maklercourtage bzw. -provision eine einseitige
Veränderung zulasten der Mieter und zur Besserstellung
der Vermieter durchbringen. Frau Ministerin, da frage
ich Sie schon: Welche Rolle werden Sie in der Zukunft
spielen? Das ausgewogene Mietrecht ist in diesem
Lande ein hohes Gut. Das ist auch vor dem sozialen Hintergrund zu sehen, den wir bei Integration, Migration
und sozialer Stadtarbeit in unserer Gesellschaft diskutieren.
({1})
Ein weiteres Thema macht mir Sorgen; ich sage das
auch als vierfacher Familienvater. Wir alle wissen: Es
gibt fast kein größeres Verbrechen als sexuelle Gewalt
gegen Kinder und Jugendliche. Wir haben in der Öffentlichkeit groß über dieses Thema diskutiert. Es wurden mit Fug und Recht runde Tische eingerichtet; das ist
wichtig, um dieses Thema - die Grausamkeit und Brutalität gegen die Seele von Kindern und Jugendlichen - in
der Öffentlichkeit darzustellen. Das reicht aber nicht aus.
Ich frage Sie ganz konkret: Sind Sie bereit, dem sehr
guten Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion
zuzustimmen, der seit dem 9. November 2010 vorliegt
- er wurde von meinen Kolleginnen und Kollegen im
Ausschuss erarbeitet - und vorsieht, die straf- und zivilrechtlichen Verjährungsfristen auf 20 Jahre respektive
30 Jahre zu verlängern? Ich halte das in der öffentlichen
Diskussion für einen richtigen Fingerzeig. Ich würde mir
hier wünschen - das sage ich ohne jede Polemik -, dass
die Koalition dazu bereit ist. Öffentliches Bewusstsein
aufzubauen, ist das eine. Dieses Bewusstsein mit gesellschaftlicher Ächtung und mit einer entsprechenden Gesetzesänderung zu unterlegen, ist das andere. Die Bundesregierung sollte das in den nächsten Jahren
unterstützen.
({2})
Ich finde es schade - hier spreche ich die CSU und
die Union insgesamt an -, dass Sie bei jeder krisenhaften
gesellschaftlichen Entwicklung im Appendix, also im
Anhang, reflexartig Verschärfungen der Gesetze fordern, obwohl Sie wissen, dass der Rechtsstaat in der jetzt
durchaus vorhandenen Bedrohungslage mit Gesetzen auf
hohem Level ausgestattet ist. Es kommt darauf an, unsere Behörden, die Justiz und die Polizei, so auszustatten, dass die Sicherheitsmaßnahmen des Rechtsstaats
vollzogen werden können.
Ich verstehe es nicht, wieso aus Ihren Reihen die Forderung nach einer Einschränkung der Pressefreiheit
kommt: Was hat das für einen Sinn?
({3})
Das hat nur den Sinn, Ängste zu schüren. So zieht man
aus einer Entwicklung, die in der Tat nicht einfach ist,
die falschen Konsequenzen. Sie alle wissen doch: Die
Forderung nach einer Verschärfung bestehender Sicherheitsgesetze ist purer Populismus, der uns nicht weiterbringt. Man muss die Krise mit Bedacht meistern. Dazu
gehört, dass wir den Rechtsstaat hochhalten und ihn mit
einem entsprechenden inhaltlichen Anspruch des Justizministeriums versehen. Ich wünsche mir eine sehr sachliche Diskussion.
Frau Ministerin, ich mache Ihnen hier Mut: Lassen
Sie die Angriffe der CSU gegen Sie - auch persönlicher
Art - ins Leere laufen. Die CSU hat oft gebellt, aber
nachher inhaltlich nicht so viel gebracht, wie man gedacht hat.
({4})
Seien Sie mutig! Stehen Sie wie bisher Ihre Frau! Stellen
Sie sich gegen Verschärfungen im Bereich Justiz! Das
bringt, wie wir alle wissen, substanziell nichts.
Herzlichen Dank.
({5})
Alexander Funk ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Lassen Sie mich zunächst meinen Kolleginnen
und Kollegen im Haushaltsausschuss, aber auch den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesministerium der Justiz und im Bundesverfassungsgericht für die
konstruktive Zusammenarbeit danken, die die Wochen
zwischen der ersten Lesung des Etats und der Bereinigungssitzung geprägt hat. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass ungeachtet aller inhaltlichen Differenzen über
die Fraktionsgrenzen hinweg durchaus eine sachliche,
zielführende Diskussion möglich ist. Das hat auch der
Kollege Schurer in seinem Beitrag gezeigt.
Dies ist umso wichtiger, als es gerade im Bereich der
Justiz um elementare Fragen des geordneten Zusammenlebens in einer Gesellschaft geht. Welche Bedeutung das
Rechtswesen hat, ist in diesen Tagen überdeutlich zu
spüren und, wenn Sie sich das Umfeld des Reichstages
ansehen, geradezu mit Händen zu greifen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind verstärkt worden. Darüber hinaus gibt es aber auch den Ruf nach neuen oder schärfe8276
ren Gesetzen. Ich persönlich glaube, dass wir gut beraten
sind, in dieser Stimmungslage keine neuen Sicherheitsgesetze zu beschließen. Wovon ich allerdings überzeugt
bin, ist, dass wir die vorhandenen Instrumentarien unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats konsequent ausschöpfen müssen, insbesondere im Bereich der
Internetkommunikation. Wir müssen unseren Ermittlungsbehörden den Raum lassen, den sie zur Bekämpfung des Terrorismus benötigen.
Die Beratungen über den Haushalt 2011 standen erneut unter dem Diktat des unbedingten Sparzwangs. Es
liegt auf der Hand, dass der Justizetat zur Haushaltskonsolidierung nur bedingt beitragen kann. Dennoch haben
wir im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten
versucht, den Sparvorgaben gerecht zu werden. Richtig
ist: Der Justizetat wird beherrscht von unabweisbaren
Ausgaben, vor allem im Personalbereich. Damit sind die
politischen Handlungsspielräume von vornherein vorgegeben und stark eingeschränkt. Dennoch war es uns
möglich, auch mit geringen Mitteln Akzente zu setzen.
Der Bundeshaushalt 2011 ist der erste, der ausschließlich - ich möchte sagen: endlich - von den Vorstellungen
und politischen Zielsetzungen der christlich-liberalen
Koalition geprägt ist. Dies hat erwartungsgemäß Auswirkungen auf den Justizetat, was ich an einigen Beispielen belegen möchte.
Bereits für den laufenden Etat haben wir den Titel für
die Entschädigung von Opfern extremistischer Gewalt erhöht, und zwar auf 1 Million Euro. Die Opposition hat dies natürlich abgelehnt.
({0})
Allerdings ist für mich diese Thematik noch nicht abgeschlossen. Herr Schurer, Sie haben vollkommen recht
damit, dass der Mittelabfluss derzeit Sorgen bereitet. Ich
glaube, dass das vor allen Dingen an der entsprechenden
Richtlinie liegt. Sie ist passgenau auf die Opfer rechter
Gewalt zugeschnitten. Opfer linker Gewalt gehen dagegen weitgehend leer aus. Dies ist ein Relikt der Denkweise aus rot-grünen Zeiten, in denen einseitig Opfer
von rechter Gewalt beklagt wurden, die Gewalt von
Linksextremisten dagegen verharmlost wurde.
({1})
Wenn linke Gewalttäter gerade hier in Berlin um den
1. Mai herum zu Pflastersteinen und Brandsätzen greifen, um unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat zu bekämpfen, darf man die Verletzten nicht als
Kollateralschäden hinnehmen.
({2})
Sie haben denselben Anspruch auf Fürsorge durch den
Staat wie die Opfer der dumpfen rechtsradikalen Gewalt.
Um es unmissverständlich zu sagen: Ich will, dass alle
Opfer von Gewalttätern einen Anspruch auf Entschädigung haben; denn für sie macht es keinen Unterschied,
wer sie zusammengeschlagen oder mit Pflastersteinen
beworfen und verletzt hat.
({3})
Ich setze mich auch für eine Änderung der Richtlinie
ein, um beispielsweise auch bei materiellen Schäden helfen zu können, sofern diese nicht durch Versicherungen
abgedeckt sind. Eingeworfene Fensterscheiben gehören
ebenso dazu wie in Brand gesteckte Autos.
({4})
Die Richtlinie greift in ihrer aktuellen Fassung nur bei
Körperschäden und Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und schließt Eigentumsdelikte aus.
Dies sollte man zumindest einmal überdenken und prüfen, ob die Richtlinie nicht neu zu fassen ist.
Sehr froh bin ich darüber, dass sich die Koalition auf
eine weitere Unterstützung des Projekts „Dunkelfeld“
geeinigt hat. „Dunkelfeld“ ist deutschlandweit die erste
Initiative, die im Umgang mit pädophilen sexuellen Störungen auf Prävention setzt. Das von der Berliner Charité geleitete Forschungsprojekt bietet Hilfe für Menschen an, die sich aufgrund ihrer pädophilen Neigung
selbst als Gefahr wahrnehmen und sich zum Schutz der
Kinder um eine Therapie bemühen. Vorrangiges Ziel ist
es, die Nutzung von Kinderpornografie zu senken und
auf diesem Weg sexuellem Kindesmissbrauch vorzubeugen. Die Forschungen tragen dazu bei, mehr über Nutzer
und Nutzungsverhalten zu erfahren, das Dunkelfeld der
Kinderpornografie zu beleuchten und so Therapieangebote in Zukunft verbessern zu können. Ich bin meinen
Kolleginnen und Kollegen dankbar, dass die Forschungsförderung in den kommenden drei Jahren fortgesetzt werden kann.
({5})
Als ausgesprochen weitsichtig betrachte ich es, dass
das Deutsche Patent- und Markenamt von der eigentlich vorgesehen linearen Stelleneinsparung im öffentlichen Dienst größtenteils ausgenommen wurde. Deutschland ist ein Land der Ideen. Unser Reichtum beruht auf
der Kreativität unserer Menschen und der Erfindungen,
die sie zum Patent anmelden. Wir sind davon überzeugt,
dass dem Deutschen Patent- und Markenamt hier eine immense Bedeutung zukommt und wir es nicht schwächen
dürfen. Es kann nicht angehen, dass deutsche Erfindungen nicht patentiert werden können bzw. dies erst nach
langen Wartefristen geschieht, weil es im Deutschen Patent- und Markenamt zu wenig Personal gibt. Früher gab
es das geflügelte Wort vom Blaupausenexport. Die Techniken haben sich verfeinert. Aber von ebendiesen Blaupausen hängen auch heute noch unsere Wirtschaft und damit unser aller Wohlstand maßgeblich ab.
Natürlich mussten unsere Änderungsanträge auch gegenfinanziert werden. Dazu ist es erforderlich, an anderen Stellen zu sparen. Hier hat es in den vergangenen
Wochen Kritik gegeben. Auch gestern hat die Kollegin
der SPD, Frau Drobinski-Weiß, in der Debatte Kürzungen im Einzelplan der Justiz kritisiert. Es geht konkret
um das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland,
EVZ, in Kehl, das im kommenden Jahr 25 000 Euro weniger erhalten soll. Von einem Affront gegenüber Frankreich und einer Schwächung des europäischen Verbraucherschutzes war die Rede. Mit Verlaub: Das ist Unsinn.
Tatsache ist, dass in diesem Jahr 210 000 Euro im Haushalt zur Verfügung standen. Tatsache ist, dass im Entwurf der Regierung für das Jahr 2011 174 000 Euro vorgesehen sind, wir also diesen Titel um circa 25 000 Euro
gekürzt haben.
Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Sarrazin zulassen?
Nein, ich möchte zunächst einmal die Tatsachen darlegen. - Tatsache ist auch, dass in diesem wie übrigens
auch im vergangenen Jahr lediglich 150 000 Euro abgerufen werden konnten. Es handelt sich nämlich um eine
Kofinanzierung. Die EU hatte die Ausgaben auf
150 000 Euro gedeckelt.
Jetzt rate ich der Opposition, ihren Zettelkasten einmal zu sortieren. Einerseits hat die SPD im Ausschuss
beantragt, Titelansätze sollten dem tatsächlichen Bedarf
angepasst werden, und andererseits kritisieren Sie uns,
wenn wir es wie in diesem Fall tun. Das passt nicht ganz
zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass eine De-factoEinsparung von 1 000 Euro nicht zu der befürchteten
Schwächung des europäischen Verbraucherschutzes
führt.
({0})
Einen Dank möchte ich an dieser Stelle an alle Angehörigen des Bundesverfassungsgerichtes richten. Sie
arbeiten derzeit unter erschwerten räumlichen Bedingungen - und dies freiwillig und ohne zu murren. Selbstkritisch möchte ich an uns alle die Frage richten, ob wir
angesichts der permanenten Sanierungsarbeiten in den
Bundestagsbauten bereit wären, für einige Jahre in eine
stillgelegte Kaserne umzuziehen - wahrscheinlich eher
nicht. Umso mehr ist die Bereitschaft der Karlsruher
Richterinnen und Richter und aller übrigen Beschäftigten anzuerkennen, ebendies auf sich zu nehmen. Wir haben dem Etat des Bundesverfassungsgerichtes einvernehmlich und ohne Änderungsanträge zugestimmt und
damit auch die notwendigen Haushaltsmittel für die Renovierungsarbeiten bereitgestellt. Auch hierfür bedanke
ich mich als Hauptberichterstatter bei meinen Kollegen
recht herzlich.
Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass die Einzelpläne 07 und 19 sparsam aufgestellt sind. Dennoch können wichtige Vorhaben realisiert werden. Wir haben zusätzlich noch eigene Akzente gesetzt. Ich bitte daher um
Zustimmung.
({1})
Jens Petermann ist der nächste Redner für Die Linke.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr
geehrte Damen und Herren! 0,008 Prozent des gesamten
Bundeshaushalts - das sind circa 25 Millionen Euro werden für die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts
im Jahre 2011 eingeplant. Angesichts der milliardenschweren Entscheidungen, die dort zu treffen sind, ist
dies ein vergleichsweise geringer Betrag.
Das Bundesverfassungsgericht besteht zurzeit aus zwei
Senaten mit jeweils acht Richterinnen und Richtern, die
von 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt
werden. Seit 2001 ist die Zahl der eingegangenen Verfahren um 30 Prozent, das heißt auf 6 500 jährlich gestiegen.
Die Anzahl der Erledigungen indes stagniert seit vier
Jahren bei circa 6 200; das heißt, es werden erhebliche
Bestände aufgebaut. Zwei Drittel der Verfahren werden
nach durchschnittlich einem Jahr abgeschlossen, aber
Tausende Prozesse werden erst nach zwei und mehr Jahren entschieden. Es ist somit nur eine Frage der Zeit, bis
der Ruf nach einer besseren personellen Ausstattung,
also beispielsweise nach einem dritten Senat, ertönen
wird.
({0})
Grund dafür sind nicht nur die zunehmenden Klagen
aus der Bevölkerung; Ursache ist auch, dass die Bundesregierung in schöner Regelmäßigkeit verfassungswidrige Gesetze ins Parlament einbringt und von der Koalitionsmehrheit im Schweinsgalopp absegnen lässt.
({1})
Die notwendige Akzeptanz für die Gesetzgebung geht
in der Bevölkerung damit verloren, und ich sage: völlig
zu Recht. Schwarz-Gelb hat mit dem Herbst der Fehlentscheidungen dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Die
Reihe der Gesetze, denen die Verfassungsgemäßheit abgesprochen werden muss, nimmt leider kein Ende.
({2})
Ein paar Beispiele: Bei der Sicherungsverwahrung
versuchen Sie mit Taschenspielertricks, entgegen den
verfassungsrechtlichen Anforderungen und entgegen
Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine
Regelung auch gegen wissenschaftlichen Sachverstand
durchzudrücken, die jeden fortschrittlichen Ansatz vermissen lässt.
({3})
Mit den Gesetzen über die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke haben Sie ein Paradebeispiel für
ein undemokratisches Gesetzgebungsverfahren und negative Lobbyarbeit geliefert; auch damit werden Sie
beim Bundesverfassungsgericht scheitern.
({4})
Der nächste Bock ist schon unterwegs. Mit der beabsichtigten Hartz-IV-Novelle werden Sie nicht nur bei
den chronisch überlasteten Sozialgerichten eine Klagewelle provozieren. Ihr Gesetz wird auch wegen Missachtung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
vom 9. Februar dieses Jahres erneut in Karlsruhe landen
und dort kassiert werden.
({5})
Es ist schon atemberaubend, mit welcher Ignoranz Sie
den Argumenten der Experten der Bundestagsanhörung
begegnen. Sie ignorieren die Warnrufe der wissenschaftlichen Sachverständigen und setzen stattdessen auf die
kreative Buchführung Ihrer eigenen Spezialisten. Das ist
unseriös.
({6})
Sie befinden sich nunmehr seit Wochen auf einer verfassungsrechtlichen Geisterfahrt; diese wird in einer Sackgasse enden.
({7})
Die Justiz, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, aber auch die Sozialgerichtsbarkeit als Reparaturbetrieb politischer Fehlentscheidungen haben ihre
Kapazitätsgrenzen längst erreicht, werden auf Verschleiß gefahren und damit immer mehr überlastet.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie
könnten unseren Gerichten eine Menge Arbeit ersparen.
Es ist ganz einfach: Nehmen Sie die Vorschläge der Sachverständigen, der Wohlfahrtsverbände, aber auch der
kommunalen Gremien und nicht zuletzt der Opposition
endlich ernst, und bringen Sie verfassungskonforme Gesetzesinitiativen in die parlamentarische Beratung ein.
({8})
Vielleicht hören Sie dann auch einmal ein Lob aus Karlsruhe.
Eine Stärkung der Justiz als der dritten Gewalt in unserem Verfassungsgefüge ist ohnehin längst überfällig.
Eine Aussage hierzu sucht man allerdings im vorliegenden Haushaltsentwurf vergeblich. Wie sieht es denn tatsächlich mit der vielgepriesenen Unabhängigkeit der Gerichte aus? Wir gehören hinsichtlich der Struktur leider
zu den Schlusslichtern in Europa. In der Bundesrepublik
bestimmt die Regierung, wer in den Richterstand berufen wird und wer befördert wird - ganz nach dem Motto
des preußischen Justizministers Leonhardt, der vor fast
150 Jahren ausführte, dass er den Richtern gern ihre Unabhängigkeit belasse, sofern er entscheiden könne, wer
zum Richter ernannt und befördert wird.
({9})
So ist das bis heute in Deutschland - ein absurder Zustand, weil die Justiz als eigenständige Gewalt auch eine
Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung hat.
Das Grundgesetz hat die rechtsprechende Gewalt den
Richterinnen und Richtern anvertraut. Tatsächlich aber
werden die Gerichte von hierarchisch gegliederten Justizbehörden geleitet. Eine wirkliche Unabhängigkeit
wird erst durch die Abnabelung der Gerichte und Staatsanwaltschaften von den Justizministerien erreicht.
({10})
Die Autonomie der Justiz ist ein Grundsatz der Verfassung
({11})
und erfordert eine von der Regierung unabhängige,
selbstverwaltete Justiz, die finanziell entsprechend ihren
Aufgaben auszustatten ist. Die Richterinnen und Richter
sollen ihre Entscheidungen schließlich im Namen des
Volkes und nicht im Namen einer Regierung sprechen.
({12})
Das sehen übrigens auch namhafte Richterverbände
so und haben entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt.
Als ehemaliger Richter kann ich Ihnen diese Lektüre nur
empfehlen und lade Sie gerne zu einer Diskussion darüber ein. Selbst die Parlamentarische Versammlung des
Europarates forderte Deutschland ausdrücklich auf, zur
Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz eine gerichtliche Selbstverwaltung nach dem Vorbild der Justizräte in
der überwiegenden Mehrheit der europäischen Staaten
einzurichten und die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften zu stärken. Die Bundesregierung muss hier also
endlich handeln.
Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie gute Beziehungen
zu den europäischen Institutionen, insbesondere zur Justizkommissarin, pflegen. Lassen Sie sich von deren Vorschlägen bitte noch mehr anregen, und erweisen Sie gerade jetzt den deutsch-französischen Beziehungen im
Verbraucherschutz einen guten Dienst, indem Sie - das
ist bereits angesprochen worden - die geplanten Kürzungen der Mittel für das Europäische Verbraucherzentrum
in Kehl zurücknehmen. Es geht um schlappe
25 000 Euro, aber die Wellen sind dennoch sehr hochgeschlagen. Das ist aus meiner Sicht keine Petitesse.
({13})
Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Entgegen den mantrahaft wiederholten Mutmaßungen der Koalition gibt es
im Jahre 2010 bislang nicht einen einzigen Antrag auf
Bewilligung einer Härteleistung für Betroffene linksextremistisch oder islamistisch motivierter Übergriffe.
Dagegen werden bis zu 100 Betroffene rechtsextremistisch motivierter Übergriffe einen Entschädigungsantrag
stellen oder haben dies bereits getan; dies ergibt sich aus
der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage. Die
eingeplanten 1 Million Euro werden also sehr wahrscheinlich nicht ausgeschöpft. Wir haben deswegen vorgeschlagen, den Titel zu splitten und 500 000 Euro für
Härteleistungen für Opfer sexueller Gewalt gegen Kinder einzustellen. Sie haben dies ohne nachvollziehbare
Begründung abgelehnt. Sie sollten sich einen Ruck geben und diese Änderung beschließen. Machen Sie das
meinetwegen in Ihrem eigenen Namen - wir werden Ihnen trotzdem zustimmen; das versprechen wir Ihnen.
Danke.
({14})
Christian Ahrendt hat jetzt das Wort für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Der Deutsche Bundestag ist eines der offensten Parlamente der Welt. Wir freuen uns, dass zahlreiche
Besuchergruppen dieses Parlament besuchen. Wir freuen
uns, dass Bürgerinnen und Bürger die Debatten hier im
Hohen Haus von den Rängen aus verfolgen. In diesen
Tagen ist es jedoch anders: Der Bundestag ist von Sperrgittern umstellt. Polizisten mit Schnellfeuerwaffen müssen die Debatten hier im Haus aufgrund der aktuellen Sicherheitslage absichern.
Das ist angesichts dessen, was wir wissen, angemessen. Aber wir erleben auch, dass diese Situation zu einem Beklommenheitsgefühl führt. Das zeigen auch die
Vorschläge, die wir in den letzten Tagen zu Fragen der
inneren Sicherheit gehört haben. Wir wissen, dass die
terroristische Bedrohung fühlbar geworden ist und eine
wirkliche Gefahr und Herausforderung für unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat darstellt. Wir wissen aber auch, dass es falsch wäre, unsere Freiheitsrechte mit diesen Sperrgittern einzumauern; dies dürfen
wir nicht tun.
Wir müssen ganz klar feststellen: Wir haben aufgrund
einer über Jahre in vielen Teilen ausgewogenen Sicherheitsgesetzgebung - das sage ich als Liberaler - die Sicherheitslücken geschlossen. Wir haben heute keine Gesetzesdefizite mehr. Deswegen muss an dieser Stelle
deutlich gesagt werden, dass Freiheit keine weiteren
Sperrgitter verträgt.
({0})
Aus diesem Grunde ist es gut, wenn diese Koalition
sagen kann, dass wir die Freiheitsrechte in dieser Situation stärken. Wir haben über § 160 a StPO beraten. Wir
stellen das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und
Anwalt wieder her und schützen es, weil dieses Vertrauensverhältnis Grundlage für die Rechtsstaatsgarantie unseres Grundgesetzes ist. Mit einem Gesetz zur Stärkung
der Pressefreiheit, dessen Entwurf die Justizministerin
vorgelegt hat, wollen wir die Pressefreiheit stärken; es
ist in diesen Tagen richtig, das zu betonen.
({1})
Insofern, lieber Kollege Kauder, halte ich den Vorschlag, den Sie gemacht haben, nicht für richtig.
({2})
Ich möchte eines ganz bewusst sagen: Als die SauerlandGruppe in Haft genommen wurde, wussten viele Pressevertreter von den Ermittlungen. Sie haben darüber aber
nicht berichtet, um die staatlichen Ermittlungen nicht zu
gefährden; das war klug. Die Berichterstattung in diesen
Tagen hat nicht unbedingt gezeigt, dass immer die richtige Abwägung vorgenommen wird, wie man mit Freiheit umgeht; auch das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Wenn Sie das mit Ihrem Einwurf in die
Debatte gemeint haben, dann stimme ich Ihnen, was den
kritischen Grundton betrifft, durchaus zu, Herr Kollege.
({3})
Die Diskussion über Sicherheit und Sicherheitsgesetze
ist das eine. Es gibt aber auch zahlreiche andere wichtige
Themen, die wir im zurückliegenden Jahr aufgegriffen
haben. Wir haben vor wenigen Tagen das Restrukturierungsgesetz beraten. Mit diesem Gesetz haben wir das
Primat der Politik im Hinblick auf die Finanzmärkte ein
Stück weit zurückgewonnen. Wir haben den Sanierungsgedanken in den Vordergrund gestellt. Dasselbe wird
auch im Bereich des Insolvenzrechts geschehen, und
zwar durch die Insolvenzrechtsreform; einen entsprechenden Vorschlag werden wir vorlegen.
Es freut mich, dass es uns in den Haushaltberatungen
gelungen ist, die Vorrechte, die man zugunsten der fiskalen Interessen des Staates gerne in die Insolvenzordnung
aufgenommen hätte, herauszuhalten. Diese stehen dem
Sanierungsgedanken nämlich grundsätzlich entgegen.
Ich bedanke mich bei den Kollegen aus dem Haushaltsausschuss und von der Union dafür, dass wir das gemeinsam erreichen konnten. Herr Gunkel, auch Sie haben viel dazu beigetragen.
({4})
Ich komme zu meinem letzten Punkt: Auch im Bereich des Zivilrechts befinden wir uns auf einem guten
Weg. Wir werden den Rechtsschutz stärken. Wir wollen
die Berufung bei hohen Gerichten für die Menschen
möglich machen. Deswegen werden wir § 522 ZPO ändern und eine Nichtzulassungsbeschwerde einführen.
Wir wollen die Gerichtsverfahren verkürzen. Die Justizministerin hat ein sehr gutes Gesetz zur Beschleunigung
und gegen die Verschleppung überlanger Gerichtsverfahren vorgelegt. Auch das sind klare Signale einer konservativ-liberalen Rechtspolitik. Diese ist gut und hat
nach einem Jahr klar gezeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, die Fehler der Vergangenheit zu
korrigieren.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, der vorhin
schon in dieser Debatte angeklungen ist: die Verjährung
bei Kindesmissbrauch. Wir haben den Antrag der Opposition zur Kenntnis genommen und sorgfältig geprüft.
Ich muss Ihnen aber sagen - darauf habe ich in dieser
Debatte bereits hingewiesen -: Sie befassen sich in Ihrem Antrag nur mit einem einzigen kleinen Aspekt.
({5})
Wir befinden uns noch mitten in den Beratungen, auch
im Rahmen des runden Tisches. Ich finde, es ist unklug,
nur einen Aspekt aufzugreifen. Über das Thema Verjährung müssen wir nachdenken. Wir werden diesen Prozess begleiten. Mit Ihrem Antrag sind Sie aber etwas zu
kurz gesprungen.
Ich glaube, wir werden in der Rechtspolitik ein erfolgreiches Jahr erleben. Ich freue mich, dass die Opposition an den Debatten zur Sicherungsverwahrung teilnimmt und sie konstruktiv begleitet.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Jetzt hat Ingrid Hönlinger das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Vor kurzem
wurde in diesem Haus das Elfte Änderungsgesetz zum
Atomgesetz beschlossen, das Gesetz zur Verlängerung
der Laufzeiten von Atomkraftwerken.
({0})
Im Vorfeld kam die Frage auf, ob die Zustimmung des
Bundesrates zu diesem Gesetz notwendig ist. Zahlreiche
Experten, auch Experten, die die Bundesregierung benannt hat, haben diese Frage bejaht. Über all diese Bedenken haben sich die Regierungsfraktionen hinweggesetzt und das Gesetz im gestreckten Galopp durch die
Gremien gejagt.
({1})
Für diese Vorgehensweise erntete die Koalition selbst
aus den eigenen Reihen herbe Kritik. So äußerte Ihr
CDU-Kollege Bundestagspräsident Professor Lammert,
dass dieses Verfahren den Verdacht der mangelnden
Sorgfalt in sich trage. Es handele sich nicht um ein
Glanzstück von Parlamentsarbeit.
({2})
Würde man diese Bewertung in Schulnoten ausdrücken,
wäre das eine glatte Fünf, einfach mangelhaft.
({3})
Wir meinen, dass wir uns in diesem Hause keinen
solch schlechten Standard leisten dürfen und dass dies
die Arbeit im Parlament massiv beschädigt. Wir dürfen
uns auch nicht wundern, dass so viele Menschen ihren
Protest gegen diese Politik zum Ausdruck bringen und in
großer Zahl auf die Straße gehen. Sie selbst sorgen systematisch dafür, dass der soziale Frieden bei diesem Thema
und bei anderen Themen gefährdet wird. Die Begünstigung von Lobbygruppen, hier der Atomlobby, führt
dazu, dass die parlamentarische Arbeit an ihre Belastungsgrenze geführt wird, die der Bürger und der Polizei
manchmal sogar über die Belastungsgrenze hinaus.
Wir Grünen sind gegen diese Art von Politik.
({4})
Wir stehen für eine sorgfältige und ausgewogene Politik.
Wir wollen verfassungsrechtliche Fragen gerne hier im
Parlament beraten und dies nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen.
({5})
Das gilt genauso für das Zugangserschwerungsgesetz,
besser bekannt unter dem Stichwort „Netzsperren“. Zu
diesem Gesetz fanden im Bundestag verschiedene Anhörungen statt; erst vor kurzem wurde eine Anhörung im
Unterausschuss Neue Medien durchgeführt. Es wurde
deutlich: Netzsperren sind ineffektiv und im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Netz sogar kontraproduktiv. Denn sie könnten ein Frühwarnsystem für Täter sein, mit der Folge, dass sie sich der
Verfolgung entziehen könnten.
({6})
- Danke für den Beifall.
({7})
Aus verfassungsrechtlicher Sicht kamen auch die Experten im Rechtsausschuss zu einem interessanten
Schluss. Sie sagten, das Zugangserschwerungsgesetz sei
mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Vor allem die
Aussetzung des Gesetzes durch Ministererlass und damit
einhergehend die Umgehung des Parlaments waren in
der Geschichte dieser Republik einmalig. Das ist keine
sorgfältige Rechtspolitik, meine Damen und Herren.
({8})
Ein weiteres Thema, das uns in der Rechtspolitik beschäftigt, ist die Vorratsdatenspeicherung. Wir alle wissen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form für
verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Vor allem aus verschiedenen Bundesländern wird in letzter
Zeit der Ruf nach der raschen Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger laut.
({9})
Genau das ist Vorratsdatenspeicherung: die massenhafte
und anlasslose Speicherung von Daten unbescholtener
Bürger. Es ist schade, dass Ihnen nichts Besseres einfällt,
als diese alten, verstaubten Vorschläge aus dem Hut zu
ziehen.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle beim
Bundesinnenminister, der klargestellt hat: Jetzt ist nicht
der Gesetzgeber gefragt. - Es ist vollkommen richtig:
Bei Hinweisen auf eine Gefährdungs- oder Bedrohungslage ist es die Aufgabe der Sicherheitsbehörden, zu handeln. Wir, die Politik, sollten sie dabei bestmöglich unterstützen. Wir sollten keine Panik machen, und wir
sollten auch kein parteipolitisches Kalkül im Blick haben. Mit Verlaub, Herr Kollege Kauder, auch ich muss
betonen: Auch der Ruf nach einer Einschränkung der
Pressefreiheit ist hier fehl am Platze.
({10})
Vorratsdatenspeicherung ist - da sind sich die Fachleute einig - kein wirkungsvolles Mittel der Terrorismusbekämpfung. Der demokratische Schaden steht in
keinem angemessenen Verhältnis zum sicherheitspolitischen Nutzen.
({11})
Gerade in Zeiten einer erhöhten Gefährdung sollten wir
die Grundsätze unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie hochhalten.
({12})
Das sollten Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der
Union, bitte auch Ihren Kolleginnen und Kollegen in den
Ländern deutlich machen.
({13})
Wir sollten bedenken, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerade auf dem Prüfstand steht und
es sich dabei um einen ergebnisoffenen Prozess handelt.
({14})
Wir stimmen mit der Justizministerin überein: Wir sollten das Ergebnis dieser Evaluierung abwarten. Würden
wir jetzt überhastet einen neuen Gesetzentwurf vorlegen,
müssten wir unsere Entscheidung in wenigen Monaten
revidieren. Das wäre nicht gerade sinnfördernd.
Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen, uns gemeinsam Gedanken zu machen, wie wir ein hohes Maß an
Sicherheit gewährleisten, gleichzeitig aber auch dafür
sorgen können, dass wir die Bürgerrechte, die verfassungsrechtlich verbürgten Bürgerrechte, nicht aufweichen. Denn, um es mit Carl Friedrich von Weizsäcker zu
sagen, Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst,
aber durch Nichtgebrauch dahinschwindet.
Frau Ministerin, meine Damen und Herren, unsere
Aufgabe im Parlament besteht darin, verfassungskonforme Gesetze zu machen. Es darf nicht sein, dass wir
das verfassungsmäßige Recht erst vor dem Bundesverfassungsgericht erkämpfen müssen. Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir die Balance zwischen den
Ansprüchen einer rechtsstaatlichen Demokratie und eines demokratischen Rechtsstaats halten.
Vielen Dank.
({15})
Das Wort hat der Kollege Dr. Günter Krings für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Justizetat - darauf habe einige Redner bereits hingewiesen - ist in der Tat ein sehr kleiner Etat.
Wenn man einmal rechnet, stellt man fest, dass die Bundesjustiz den Bürger pro Jahr weniger als 1 Euro kostet.
Aber das ist wirklich nicht entscheidend. Es ist insgesamt ein politischer Fehlschluss, die Bedeutung eines
Politikgebiets primär am Geldausgeben zu messen. Insbesondere in der Rechtspolitik ist das ein Fehlschluss.
Gute Politik muss am Output, am Ergebnis gemessen
werden und nicht daran, wie viel Geld man ausgibt. Das
sollte spätestens in Zeiten von notwendigen und richtigen Sparbemühungen ankommen.
({0})
Bei der Rechtspolitik ist es besonders augenfällig;
denn der Rechtsstaat braucht natürlich auch Geld. Er
braucht Geld für Gerichte, Behörden usw.; aber er
braucht eben deutlich mehr als Geld und Wichtigeres als
Geld. Er braucht vor allem die Akzeptanz seiner Regeln
durch die Bürger, und er braucht die Einhaltung und
Durchsetzung dieser Regeln durch staatliche Organe. Das
schließt selbstverständlich die Möglichkeit zu Protesten
gegen Entscheidungen ein. Proteste und Demonstrationen, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben,
werden von Art. 8 des Grundgesetzes selbstverständlich
geschützt, solange sie friedlich sind und nur solange sie
friedlich sind. Aber wer daraus ableitet und in diesem
Kontext argumentiert, dass er prinzipiell die Geltung
von Rechtsregeln ablehne, wer sozusagen generell die
Legitimation demokratischer Entscheidungen infrage
stellt, der tut nicht weniger, als dass er den Rechtsstaat in
seinen Grundfesten angreift, dass er den Rechtsstaat als
solchen angreift.
({1})
Es ist vollkommen inakzeptabel, wenn Demonstrationen
zum Beispiel mit dem Anspruch durchgeführt werden,
dass auf der Straße eine Entscheidung des Gesetzgebers
korrigiert werden soll,
({2})
und wenn das notfalls sogar mit Gewalt passiert.
({3})
In unserem Rechtsstaat kann offener Rechtsbruch niemals legitim sein.
({4})
Die Geltung der Rechtsordnung steht nicht unter dem
Vorbehalt der politischen Gesinnung Einzelner, auch
nicht der von Herrn Ströbele.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ströbele zulassen?
Ja, gerne.
Bitte schön.
({0})
Das macht es noch schlimmer.
Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Willensbildung - ob mit oder ohne Mitwirkung der Parteien - nach dem Grundgesetz auch auf
der Straße und auf Plätzen im Rahmen der Versammlungsfreiheit vorgesehen ist? Und die Willensbildung
kann sich auf jeden Gegenstand des gesellschaftlichen
Lebens beziehen, also auch auf Gesetzesvorhaben, schon
erlassene Gesetze oder auch auf Gerichtsentscheidungen.
Lieber Herr Kollege Ströbele, ich bin immer bereit,
Selbstverständlichkeiten zur Kenntnis zu nehmen. Dazu
hätte es Ihrer Nachfrage nicht bedurft.
({0})
Ich freue mich aber über die Gelegenheit, darauf - und
zwar ohne Anrechnung auf meine Redezeit - zu antworten. Es geht doch gar nicht darum, dass die Willensbildung auch durch Demonstrationen - solange sie friedlich geschehen, was nicht immer der Fall war beeinflusst werden kann. Die Frage ist aber, ob man solche Demonstrationen mit dem Anspruch und der klaren
Zielsetzung durchführt, nicht nur die Willensbildung,
sondern auch die Entscheidung auf die Straße zu tragen.
Das ist etwas grundlegend anderes. Zur Willensbildung
kann man mit Demonstrationen, mit allen Mitteln beitragen. Man kann diese Entscheidung aber nicht blockieren, indem man beispielsweise Sitzblockaden für die
höchste Instanz in diesem Land hält. Das geht nicht, und
das ist nicht mehr rechtsstaatlich. - Vielen Dank.
({1})
Wie ich schon sagte: Die Geltung der Rechtsordnung
steht auch bei Projekten wie Stuttgart 21 und den Castortransporten eben nicht unter dem Vorbehalt einer politischen Gesinnung. Sitzblockaden sind nicht Teil eines
Entscheidungsprozesses. Sie können, wenn es bei Demonstrationen Willensbildungsbeiträge gibt, natürlich
gemacht werden und sind sogar erwünscht. Aber sie
können Entscheidungen nicht im wahrsten Sinne des
Wortes blockieren.
Herr Kollege Krings, auch der Kollege von Notz
würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ich trage jetzt erst einmal im Zusammenhang vor. Es
ist nett, dass Sie meine Redezeit verlängern wollen; aber
ich trage das jetzt erst einmal in sich geschlossen vor.
Vielleicht schafft mein Vortrag ein bisschen Mehrwert
und löst einen gewissen Lerneffekt bei den Grünen aus.
({0})
Meine Damen und Herren, in der parlamentarischen
Demokratie werden Entscheidungen nach demokratischen Regeln in einem von der Verfassung vorgesehenen
Verfahren getroffen. Dafür ist Stuttgart 21 ein besonders gutes Beispiel.
Um nur ein paar Entscheidungen zu nennen: Der
Landtag von Baden-Württemberg hat im Oktober 2006
mit 115 zu 15 Stimmen für das Projekt votiert. Für diejenigen, die sich inzwischen angesichts der Umfragewerte
nicht mehr ganz sicher sind: Die 15 Stimmen kamen von
den Grünen. Inzwischen könnten sie aufgrund des arithmetischen Verhältnisses vielleicht auch von der SPD
kommen. Es war also eine überwältigende Mehrheit in
diesem Landtag dafür. Das war nicht die einzige Entscheidung. Es gab dann auch noch Beschlüsse und Gerichtsentscheidungen, mit denen die Verwaltungsentscheidungen zu diesem Projekt bestätigt wurden.
Ich halte es in der Tat nicht für einen Beitrag beispielsweise zur politischen Bildung, dass ganze Schulklassen während der Unterrichtszeit zu Demonstrationen
geführt werden und damit auch der Anspruch verbunden
ist, nicht nur auf die Willensbildung, wie Sie so schön
sagen, Einfluss zu nehmen, sondern auch wirklich zu
blockieren und rechtsstaatliche Maßnahmen zu unterbinden.
({1})
Das ist etwas grundlegend anderes als Demonstrationsfreiheit. Sitzblockaden und die Blockade von Entscheidungen notfalls durch Gewalt sind rechtsstaatlich nicht
in Ordnung.
({2})
Dabei ist natürlich vollkommen klar, dass es bei solchen Projekten zum Teil aberwitzig lange Planverfahren
gibt und dass die Akzeptanz solcher Großvorhaben dadurch natürlich keineswegs gefördert wird. Ebenso muss
man hier feststellen, dass es bei manchen Großprojekten
eine - ich sage das einmal etwas euphemistisch - etwas
zurückhaltende Kommunikationsstrategie gibt. Es ist
auch richtig, dass Verwaltungen und Planungsbehörden
eher um die Beteiligung der Bürger werben sollten, als
sie als Bedrohung zu empfinden.
Wer aus diesen zugegebenermaßen faktischen Unzulänglichkeiten ein Widerstandsrecht gegen rechtsstaatlich getroffene und demokratisch legitimierte Entscheidungen ableiten möchte, der ist nicht nur auf dem
Holzweg, sondern der verkennt auch gerade den in
Deutschland historisch so besonders bedeutsamen Charakter dieses Widerstandsrechts. Dieses Widerstandsrecht war die Antwort auf einen dunklen Teil der deutschen Geschichte. Ich finde, wenn man hier mit dem
„Widerstandsrecht der kleinen Münze“ argumentiert,
dann verhöhnt man nicht nur diejenigen, die weltweit
gegen Diktaturen und totalitäre Regime aufstehen, sondern man verhöhnt in gewisser Weise auch die Opfer, die
die Menschen bringen, die wirklich gegen Totalitarismus
und Gewalt aufstehen, und zwar in der Tat mit einem
moralischen und vielleicht auch juristischen Widerstandsrecht.
Meine Damen und Herren, das Schöne an der Demokratie ist ja, dass in der Wahlkabine immer auch die
Menschen zu Wort kommen, die sich beispielsweise aus
familiären oder beruflichen Gründen nicht tagelang für
Demonstrationen frei machen können. Das sind übrigens
oft die gleichen Menschen, die es in ihrem persönlichen
Leben gewohnt sind, zu gestalten und anzupacken, und
die auch von den Politikern erwarten, dass sie gestalten
und anpacken und nicht immer nur dagegen sind. Diese
Menschen werden „die schweigende Mehrheit“ genannt.
Dieser schweigenden Mehrheit in unserem Lande
wird es nicht gelingen, die Schreihälse von Protestierern
zu übertönen.
({3})
Sie kann sie aber in der Wahlkabine überstimmen. Genau das ist am 27. September des letzten Jahres bei der
Bundestagswahl geschehen. Die schweigende Mehrheit
hat damals nämlich unter anderem auch eine Entscheidung für die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke
getroffen.
({4})
Das war eine zentrale Wahlkampfaussage von Union
und FDP. Dafür haben wir in den Diskussionen und im
Wahlkampf auch manche Kritik eingesteckt - gar keine
Frage. Wir haben hier viel Überzeugungsarbeit leisten
müssen, weil das ohne Frage erst einmal begründungsbedürftig ist.
({5})
Die Menschen haben diese Koalition in dem klaren Wissen gewählt, dass das eine der zentralen Wahlkampfaussagen ist.
Es mag aus Ihrer Sicht altmodisch sein, dass man
nach der Wahl auch das tut, was man vor der Wahl angekündigt hat. Es gibt in diesem Hause ja viele Gegenbeispiele dafür. Wir haben das getan. Ich glaube, auch das
ist für einen Rechtsstaat gar nicht so unwichtig. Ein
Rechtsstaat braucht auf Dauer verlässliche Parteien, die
nach der Wahl nicht etwas gänzlich anderes machen, als
sie vor der Wahl angekündigt haben.
({6})
Die Mehrzahl der Bürger hat eigentlich recht bescheidene Ansprüche an den Staat. Sie wollen einen Staat, auf
den sie sich verlassen können, vor allem in Fragen der
Sicherheit. Das wird in diesen Tagen ja besonders deutlich.
Von dem 2008 verstorbenen Rechtspolitiker und vor
allem Richter Rudolf Wassermann stammt der schöne
Satz:
Der Schutz der Bürger vor dem Staat war das große
Thema der 70er- und 80er-Jahre. Die 90er-Jahre ich ergänze: sicherlich auch unser Jahrzehnt werden von dem neuen großen Thema beherrscht
werden, dem Schutz der Bürger vor Gewalt und vor
Verbrechen.
Aufgrund der aktuellen Gefährdungslage sind wir natürlich auch weiterhin gefordert, Defizite und Schutzlücken zu erkennen und zu beseitigen. Jetzt ist die Stunde
der Exekutive. Das steht außer Frage. Darin stimme ich
den Vorrednern aus der letzten Debatte zu. Es ist aber
nicht die Stunde für gänzlich neue rechtspolitische Forderungen. Das ist ebenfalls richtig.
Aber jede Steigerung der Gefährdung erinnert uns daran, dass wir noch rechtspolitische Baustellen abzuarbeiten haben, zum Teil schon seit mehreren Jahren. Ich
nenne nur zwei Beispiele: die Visawarndatei und die
Mindestspeicherfristen, früher als Vorratsdatenspeicherung bekannt. Sie waren schon vor der Terrorwarnung
richtig, und sie werden nach der Terrorwarnung nicht
falsch. Sie bleiben richtig; denn sie waren vorher schon
richtig.
Ich denke, wir müssen jetzt mit den entsprechenden
Maßnahmen zügig voranschreiten. Das gilt zum einen
für die Visawarndatei, für die das Innenministerium zuständig ist, bei der sich aber, wie ich finde, zu Recht, das
Justizministerium in die Diskussion mit eingebracht hat.
Ich erinnere an die beiden Kofferbomber 2006 in Köln,
wo zwei Sprengsätze nur deshalb nicht explodiert sind,
weil es einen technischen Fehler beim Zusammenbau
gegeben hat. Der eine der beiden hatte zuvor ein Visum
beantragt, das ihm gewährt worden ist, weil es eben
keine Visawarndatei gab. Derjenige, der das Visum für
ihn beantragt hat, war den Sicherheitsbehörden einschlägig bekannt. Die Informationen erreichten sie nicht. Er
konnte seine Tat ausführen. Wir hatten nur Glück, dass
es nicht zu schlimmen Folgen kam.
Ähnliches gilt bei den Mindestspeicherfristen im
Telekommunikationsbereich. Seitdem die Telekommunikationsunternehmen vorwiegend Flatrates anbieten,
werden Verbindungsdaten bei den meisten nur noch für
einige Tage gespeichert. Wenn wir Verbrechen aufklären
und damit auch neue verhindern wollen, dann müssen
wir die Speicherfristen wieder auf sechs Monate verlängern.
({7})
Die Bandbreite der Taten, um die es dabei geht, reicht
von Internetkriminalität über Sexualdelikte bis hin zu
terroristischen Taten.
Zurzeit laufen drei von vier Anfragen der Sicherheitsbehörden ins Leere. Teilweise ist die Internetadresse der
einzige Anknüpfungspunkt einer Ermittlung. Wenn wir
sie nicht kennen, gibt es keine Strafermittlung und Strafverfolgung. Deswegen hat uns das Verfassungsgericht
einen, wie ich finde, richtigen und klaren Weg gewiesen.
Es hat die prinzipielle Verfassungsgemäßheit einer Mindestspeicherfrist und auch die Tauglichkeit dieses Instruments bestätigt. Es hat zwar gesagt, dass wir anders verfahren müssen als bisher, aber es hat auch festgestellt,
dass es einen verfassungsgemäßen Weg gibt. Den wollen
wir als Union gerne einschlagen, um damit den gesetzlosen und europarechtswidrigen Zustand zu beenden.
({8})
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Ich bin sehr
optimistisch, dass unser Vorhaben gelingt. Es gibt zwei
schöne Beispiele, die zeigen, wo wir in der Koalition
Schutzlücken schließen. Das ist zum einen die Neuordnung der Sicherungsverwahrung und zum anderen das
Thema Zwangsheirat, bei dem wir mit dem Verbot und
mit strafrechtlichen Sanktionen eine gute Lösung gefunden haben. Es ist ein richtiges und starkes Signal, dass
wir dafür einen eigenen Paragrafen haben. Ich glaube,
das darf man am heutigen Tage sagen. Heute ist nämlich
der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen.
Der Rechtsstaat bewährt sich in Zeiten seiner Bedrohung. Es ist nicht die Zeit, neue Forderungen zu erheben;
es ist die Zeit, alte Baustellen abzuarbeiten. Daran wollen wir in der Koalition gemeinsam arbeiten. Deswegen
steht die Union wie die Koalition in der Rechtspolitik für
eine Politik mit Maß und Mitte.
Vielen herzlichen Dank.
({9})
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
Konstantin von Notz das Wort.
Herr Kollege Krings, ich will deutlich machen, wo es
bezüglich des Maßes und der Mitte meiner Ansicht nach
hinkt. Wenn Sie in einer rechtspolitischen Rede die Demonstrationen zu Stuttgart 21 erwähnen und nicht
gleichzeitig dazu Stellung beziehen, was an besagtem
Tag im Schlossgarten bei der Demonstration und den
zum Teil harten Übergriffen von Polizeiseite bzw. von
staatlicher Seite passiert ist, dann hinkt Ihre Betrachtung
der Demonstrationsgeschehnisse in diesem Land.
Wenn Sie weglassen, dass im Falle einer KruzifixEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts die CSU
selbstverständlich geschlossen für das Kruzifix in Klassenzimmern auf die Straße geht, der Ministerpräsident
vorneweg, um auf das politische Geschehen Einfluss zu
nehmen, dann hinkt der Vergleich.
({0})
- Er hat nicht geschottert. Das ist richtig. Aber er hat
trotzdem versucht, den Protest auf die Straße zu tragen.
Das ist in Bayern übrigens durchaus populär. Das blenden Sie aus. Insofern hinkt der Vergleich.
Wenn Sie wirklich glauben - was ich mir nicht recht
vorstellen kann -, aus einem Bundestagswahlergebnis
einen Freibrief für die Wahlperiode ableiten zu können,
um nicht mehr darauf achten zu müssen, was auf der
Straße los ist, wenn sich die Menschen beschweren, weil
Sie die Mehrheit haben, dann sind Sie meiner Ansicht
nach im falschen Film.
({1})
Herr Krings, zur Erwiderung
Herr von Notz, ich habe ausdrücklich gesagt - und ich
sage es gern auch für Sie noch einmal zum Mitschreiben -, dass Proteste natürlich Teil der demokratischen
Kultur und auch vom Grundgesetz geschützt sind. Sie
müssen allerdings friedlich stattfinden.
Was wir im Hofgarten in Stuttgart erlebt haben, war
zu einem ganz erheblichen Teil nicht friedlich,
({0})
und insofern muss man die friedlichen Demonstranten
vor den unfriedlichen in Schutz nehmen. Das tun wir als
Union, und genau in dem Sinne habe ich auch gesprochen.
({1})
- Das möchte ich gern aufgreifen. Ja, es gibt einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema, der sich auch
damit beschäftigt, ob es in anderen Bereichen Fehler gegeben hat. Dem sollten wir an dieser Stelle nicht vorgreifen.
Ich habe hier eine Einstellung zum Gegenstand meiner Kritik gemacht. Es ist meiner Einschätzung nach legitim, auf der Straße zu protestieren. Es entspricht allerdings nicht meinem Verständnis einer politischen,
rechtsstaatlich geprägten Kultur, Entscheidungen, die
rechtsstaatlich getroffen worden sind, im wahrsten Sinne
des Wortes zu blockieren.
Interessant war Ihr Ansatz, zu sagen, es reiche nicht
aus, dass die die Koalition stellenden Parteien die Wahl
gewonnen hätten. Ich weiß nicht genau, wie Sie es meinen, aber vielleicht meinen Sie, dass man sich monatlich, wöchentlich oder gar täglich angucken müsse, wie
bei bestimmten Projekten die Mehrheiten aussehen. Ich
gebe hier ausdrücklich zu Protokoll, dass dies nicht mein
Demokratieverständnis ist. Ich glaube, dass die parlamentarische Demokratie eine der größten Errungenschaften der deutschen Geschichte ist, und an dieser
wollen wir gerne festhalten.
({2})
Wesen dieser parlamentarischen Demokratie ist, dass
Parteien vor der Wahl - jedenfalls zu den wichtigen
Punkten - Erklärungen abgeben und nach der Wahl
schauen - natürlich muss in einer Koalition nach einem
Kompromiss gesucht werden; das ist ganz selbstverständlich -, dass sie möglichst viel von dem, was sie vor
der Wahl erklärt haben, nachher in praktische Politik
umsetzen. Wenn das auf Ihren Widerspruch stößt, wenn
das nicht Ihrem Politikkonzept entspricht - Sie sagten ja
auf Ihrem Bundesparteitag, dass Sie gegen Stuttgart 21
seien; gleichzeitig räumten Sie ein, dass Sie es nicht verhindern könnten -,
({3})
dann ist dies das diametrale Gegenteil von meinem Politikverständnis, und ich bin froh, dass wir dieses Politikverständnis hier in diesem Hause zu Politik erheben können.
Herzlichen Dank.
({4})
Christine Lambrecht hat das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, da unser Berichterstatter für den
Haushaltsausschuss, Ewald Schurer, bereits einiges zum
Haushalt gesagt hat, bleibt es mir jetzt vorbehalten, einige Themen inhaltlicher Art aus der Rechtspolitik anzusprechen, und es freut mich, dass die Frau Ministerin anschließend sprechen und vielleicht zu der einen oder
anderen Frage Stellung nehmen wird.
Meine Damen und Herren, ich bin etwas verwundert
darüber, dass ein Thema in der heutigen Debatte so gut
wie gar keine Rolle gespielt hat. Dieses Thema müsste
uns als Rechtspolitikern eigentlich unglaublich unter den
Nägeln brennen, zumal es in der nächsten Woche - sofern ich richtig informiert bin - abgeschlossen werden
soll. Ich meine den Umgang mit der Sicherungsverwahrung.
Um was geht es da? Es geht um Menschen, die ihre
Haftstrafe für eine Tat, derentwegen sie in Haftanstalten
einsaßen, verbüßt haben und deren enorme Gefährlichkeit von Gutachtern festgestellt worden ist. Wir reden
von einer ganz geringen Anzahl von Menschen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie erneut Straftaten begehen werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat
Ende Dezember 2009, also letztes Jahr, entschieden,
dass die Sicherungsverwahrung, die ursprünglich auf
zehn Jahre begrenzt war, vom damaligen Gesetzgeber
nicht rückwirkend hätte verlängert werden dürfen. Das
ist allerdings 1998 geschehen, und wir stehen nun vor
der Aufgabe, die Sicherungsverwahrung neu zu regeln.
Wir haben am 10. November eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Das Protokoll liegt uns zwar
noch nicht vor, aber nichtsdestotrotz haben auch ohne
dieses Protokoll bereits Berichterstattergespräche in allen Fraktionen stattgefunden.
Aus dieser Anhörung ergeben sich unglaublich viele
Fragen. Die erste Frage, die für mich noch nicht beantwortet ist und die wir selbstverständlich noch erörtern
müssen, betrifft die Anlasstaten. Welche Anlasstaten
sind geeignet, dass nach Verbüßung der Strafe die Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann? Dies ist ein
ganz wesentlicher Eingriff, der meiner Meinung nach
auf wenige Taten beschränkt sein sollte.
Frau Ministerin, Sie haben es darauf beschränkt - das
hat uns alle sehr gefreut, und wir alle haben es sehr befürwortet -, dass Anlasstaten Taten gegen das Leben, die
körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung sein sollen. Es würde mich freuen, wenn wir
zu diesem Katalog kommen würden.
({0})
Nur, das, was momentan im Gesetzentwurf steht, entspricht dem nicht.
Der Entwurf geht weiterhin davon aus, dass auch Vermögensdelikte zu den Anlasstaten gerechnet werden, allerdings nur dann, wenn sie bandenmäßig oder gewerbsmäßig begangen werden. Nichtsdestotrotz handelt es
sich nur um Vermögensdelikte. Ich sage ganz klar: Solche Delikte gehören nicht in den Anlasstatenkatalog.
({1})
Wenn Sie bis nächste Woche keine entsprechenden Änderungen vornehmen, werden Sie mit Änderungsanträgen unsererseits rechnen müssen.
Ich möchte einen die ganze Absurdität aufzeigenden
Tatbestand aufgreifen, der noch immer vom Anlasstatenkatalog zur Sicherungsverwahrung erfasst wird, obwohl
ich selbst davon ausgehe, dass kein vernünftiger Richter
jemals die Sicherungsverwahrung aufgrund eines solchen Delikts verhängen wird. § 332 StGB - Bestechlichkeit von Richtern oder Schiedsrichtern - ist noch immer
erfasst. Wir können doch nicht allen Ernstes wollen, dass
dieser Tatbestand Anlasstat für die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist. Denken Sie darüber noch einmal nach!
({2})
- Wenn es doch keinen solchen Fall gibt, Herr Krings,
dann lassen Sie uns doch diesen Tatbestand streichen.
Da sind wir d’accord. Das können wir dann ganz entspannt machen.
({3})
Ein weiteres Problemfeld, das sich nicht erst durch
die Anhörung - dort wurde das nur bestätigt - ergeben
hat, ist die Frage, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung für sogenannte Altfälle gelten soll, also für diejenigen, die entsprechende Taten bis zum Inkrafttreten
des neuen Gesetzes verüben. Fast alle Sachverständigen
haben deutlich gemacht, dass das gegen Art. 7 der Menschenrechtskonvention verstoßen könnte. Es lohnt sich,
noch einmal zu erörtern, ob wir nicht eine andere Lösung für höchstgefährliche Straftäter finden können, die
in dem entsprechenden Zeitraum Straftaten begehen, die
zu den Anlasstaten gehören.
Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, den ich
ebenfalls für erörterungswürdig halte, auch wenn nur
noch eine Woche Zeit ist. Hier geht es um die Frage, wie
wir mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung von
Jugendlichen umgehen. Wir wollen jetzt eigentlich ein
Gesamtkonzept aufstellen. Es widerspricht einem Gesamtkonzept, wenn wir die nachträgliche Sicherungsverwahrung ausgerechnet für Jugendliche bestehen lassen
und erst später entsprechende Änderungen vornehmen;
denn es handelt sich hier um ein ganz heikles und sensibles Thema und uns wurde deutlich gesagt, dass hier
die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht mehr
möglich ist. Auch zu diesem Thema werden Sie mit Änderungsanträgen unsererseits rechnen müssen.
({4})
Ich möchte noch etwas zum TUG, dem Therapie- und
Unterbringungsgesetz, sagen, das für Täter vorgesehen
ist, die jetzt entlassen werden mussten oder bei denen die
Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ansteht. Wie
geht man mit diesen Tätern um? Ich gehe davon aus,
dass das TUG nur sehr wenige, die allerschwersten Fälle
erfassen wird, weil seine Anwendung an ganz enge Voraussetzungen geknüpft ist. Weiterhin fehlt aber aus meiner Sicht - dazu haben die Sachverständigen einiges
gesagt - eine engere Definition des Begriffs der psychischen Störung. So wie er momentan im Gesetz steht, erscheint er noch immer problematisch, weil nicht präzise
genug. Dieser Begriff muss gerichtsfest und überprüfbar
sein. Wir werden auch zu diesem Punkt Änderungsanträge einbringen, um die Begrifflichkeit zu präzisieren.
Ich sage ausdrücklich: Wir verweigern uns nicht der
Verantwortung gegenüber höchstgefährlichen Straftätern, die zum Schutz der Bevölkerung untergebracht
werden müssen. Aber wir müssen dabei sensibel vorgehen. Die Sicherungsverwahrung darf nur die letzte Möglichkeit, die Ultima Ratio sein. Nur in diesem Sinne
müssen entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.
({5})
Alle Rechtspolitiker sollten das so sehen. Wir alle wissen nach dem Urteil, dass es nicht darauf ankommt, was
im Gesetz steht, sondern darauf, wie es tatsächlich ausgestaltet ist. Wie wird in Zukunft die Sicherungsverwahrung aussehen? Wie wird die Unterbringung nach dem
TUG aussehen? Mit der Beantwortung dieser Fragen
steht und fällt alles, was wir beschließen. Es ist daher
wichtig, dass wir den Ländern, die in Zukunft sehr viel
Geld aufwenden und die Bedingungen völlig anders gestalten müssen, das Signal geben, dass sich der Bund seiner finanziellen Verantwortung nicht entzieht. Wenn wir
entsprechende Regelungen vorgeben und die Länder für
deren Umsetzung viel Geld aufwenden müssen, dann
stehen wir, der Bund, auch in der finanziellen Verantwortung. Das wäre ein wichtiges und richtiges Signal an
die Bundesländer.
({6})
Herr Kollege Schurer und Herr Ahrendt haben es bereits angesprochen: Wir, die SPD-Fraktion, haben einen
Antrag zur Verlängerung der Verjährungsfristen bei
sexuellem Missbrauch eingebracht. Da einige von Ihnen nicht anwesend waren, nutze ich jetzt die Gelegenheit, noch einmal dafür zu werben. Es geht uns darum,
Opfern, die vor langer Zeit eine solch schreckliche, grausame Erfahrung gemacht haben, nicht im Regen stehen
zu lassen. Man kann nicht einfach sagen: Es tut uns leid,
was dort passiert ist; aber der Rechtsstaat reagiert nicht
darauf.
Wir wollen vielmehr nach einer Phase der Traumatisierung - diese durchlebt nun einmal jedes Opfer, das ein
solches Geschehen erlitten hat - die Möglichkeit zur
Strafverfolgung eröffnen. Jetzt wird eingewendet, 20 Jahre seien eine lange Zeit und es gebe vielleicht Beweisschwierigkeiten. Die lange Verjährungsfrist gibt es aber
schon heute, beispielsweise bei der Vergewaltigung. Es
gibt durchaus die Möglichkeit, bei entsprechenden Fällen Verurteilungen auszusprechen. Deshalb möchte ich
an dieser Stelle für unser Anliegen werben. Das ist naChristine Lambrecht
türlich nur ein Einzelpunkt in einem Gesamtpaket, aber
es ist ein Einzelpunkt, bei dem wir als Rechtspolitiker
ein Zeichen setzen können, indem wir die Belange der
Betroffenen aufgreifen.
({7})
Deshalb werbe ich dafür. Es freut mich, dass es auf der
Seite der Koalition keine Totalverweigerung gibt.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, über den wir
uns wahrscheinlich nicht einigen werden. Ich spreche
vom Mietrecht. Das von der Bundesregierung anvisierte
Ziel, die Rate der energetischen Modernisierung zu verdoppeln und den Wärmeverbrauch deutlich zu reduzieren, begrüße ich ausdrücklich. Das ist Inhalt dieses
neuen Entwurfs. Irritiert bin ich allerdings durch den
Umstand, dass dieses ehrenwerte Ziel durch die gleichzeitige Reduzierung der Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf dem Rücken der Mieter verwirklicht werden soll. Der Deutsche Mieterbund beklagt
zu Recht, dass Mietrechtsverschlechterungen kein Ersatz
für öffentliche Förderung sind. Daran sollten Sie sich
halten.
({8})
Wir haben heute während dieser Debatte und während
der Debatte zur Innenpolitik Einschätzungen über die
Sicherheitslage gehört und unterschiedliche Reaktionen
darauf vernommen. Es gibt die Position, man müsse
nichts unternehmen, und es gibt die Position, dass man
etwas machen müsse. Ich bin fast schon amüsiert, wenn
ich beobachte, wie sich die unterschiedlichen Positionen
in der Koalition darstellen. Wir sind eigentlich gewohnt,
dass durch die Koalition ein Riss geht. Ich weiß auch,
dass manchmal ein Riss durch CDU und CSU geht. Ich
kann mich sehr gut an die Debatten über das Unterhaltsrecht erinnern. Seit dieser Woche gibt es eine neue Qualität des Streits in der Koalition. Mittlerweile gibt es sogar Streit innerhalb der Familie. Der Fall heißt Kauder
gegen Kauder und andere.
({9})
Dieser Fall ist heute schon angesprochen worden. Ausgerechnet der Vorsitzende des Rechtsausschusses schlägt
vor, die Pressefreiheit einzuschränken. Sehr geehrter
Herr Kauder, das war Quatsch, und dabei sollten wir es
belassen.
({10})
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/
CSU-Fraktion ausdrücklich dankbar - insbesondere Ihrem Bruder -, dass sie das so klar benannt haben. Sie
sollten solche Vorschläge lassen und sich in Zukunft
wieder um die Sachpolitik kümmern. Da gibt es genug
zu tun. Ich glaube, damit wären wir alle zufrieden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Herr Kauder zu einer Kurzintervention, bitte schön.
Frau Kollegin Lambrecht, wäre es Ihnen eigentlich
lieber, wenn zwei Parlamentarier immer die gleiche Meinung hätten und gleichgeschaltet wären, nur weil sie
Brüder sind? Man darf nicht verkennen, dass Demokratie davon lebt, dass man Meinungsunterschiede austrägt.
Es wäre schlimm, wenn wir in diesem Hause alle die
gleiche Meinung hätten. Dann brauchte nur einer hierher
zu kommen. Das kann nicht sein.
({0})
Man braucht die Pressefreiheit nicht einzuschränken.
Die Pressefreiheit ist aufgrund des Art. 5 Abs. 2 des
Grundgesetzes durch die allgemeinen Gesetze eingeschränkt. Ich bitte um Verständnis dafür, dass mir ein ungelöstes Problem immer wieder durch den Kopf geht.
Ich bin seit sieben Jahren Mitglied wechselnder Untersuchungsausschüsse. In keinem einzigen Untersuchungsausschuss ist es gelungen, dafür zu sorgen, dass
Geheimnisse nicht nach außen sickern. Das ist eine
schwierige Situation; denn Sie wissen ganz genau, dass
wir dann, wenn wir schwere Straftaten aufzudecken haben, auf Informationen von Diensten angewiesen sind.
Wenn wir Diensten befreundeter Staaten nicht garantieren können, dass das, was wir von ihnen nichtöffentlich
mitgeteilt bekommen, nichtöffentlich bleibt, leidet darunter die innere Sicherheit.
Es gibt nicht nur die Pressefreiheit, sondern es gibt
auch einen Anspruch des Bürgers auf innere Sicherheit.
Diese Grundrechte sind gegeneinander abzuwägen. Das
Recht auf innere Sicherheit ist ein grundrechtsgleiches
Recht; hier gilt das Prinzip der praktischen Konkordanz.
Machen wir uns doch lieber gemeinsam Gedanken darüber, wie wir in Zukunft sicherstellen können, dass das,
was geheim sein soll, auch geheim bleiben kann. Nun zu
sagen: „Suchen Sie das Leck in den eigenen Reihen“, ist
ein bisschen wenig. - Nichts anderes habe ich gesagt.
Alle, die an diesem Staat mit Rechten beteiligt sind,
haben auch Pflichten. Deswegen darf man miteinander
darüber reden, ob man Geheimnisse so wahren kann,
dass sie geheim bleiben. Dazu habe ich die Presse eingeladen, nicht mehr und nicht weniger. Wer daraus schlussfolgert, ich wolle die Grundrechte der Meinungsfreiheit
und Pressefreiheit angreifen, der ist falsch gewickelt.
({1})
Das Wort zur Beantwortung hat Frau Lambrecht.
Ob Ihr Bruder, der Sie ja dafür gerügt und erklärt hat,
das sei nur eine Einzelmeinung, falsch gewickelt ist oder
nicht, dass sollten Sie vielleicht besser innerhalb der Familie klären. Ich glaube, das ist kein Thema für eine parlamentarische Auseinandersetzung.
Wenn Sie, Herr Kauder, aber sagen, das Problem liege
darin, dass Politiker Informationen aus geheimen Gremien an die Presse weitergeben - es können ja nur Politiker oder Beamte sein, also entweder diese oder jene; viel
mehr andere nehmen ja hoffentlich an solchen Geheimsitzungen nicht teil; ich weiß ja nicht, wer sonst noch dabei ist -, dann behebt man, Herr Kauder, dieses Problem
ganz bestimmt nicht, indem man die Pressefreiheit einschränkt.
({0})
Vielleicht sollten sich alle, die in solchen Gremien sitzen, mal ein bisschen am Riemen reißen und sich bewusst machen, warum sie da sitzen und warum diese
Gremien in geheimer Sitzung tagen.
Ich habe große Sympathie dafür, dass die Gedanken
frei sind und dass man durchaus auch unterschiedlicher
Auffassung sein kann, aber ich finde, es gibt Grenzen.
Gerade Sie als Vorsitzender des Rechtsausschusses haben diese Grenzen ganz besonders zu beachten.
Die Pressefreiheit ist für mich ein so hohes Gut
- nicht nur für mich, das haben Sie ja am Aufschrei, der
auch aus den eigenen Reihen kam, gemerkt -, dass man
darüber nicht mal laut nachdenken sollte. Man sollte sich
gut überlegen, ob man die Axt daran legen sollte, Herr
Kauder.
({1})
Das Wort hat die Bundesministerin der Justiz, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf in dieser Haushaltsdebatte mit dem
Dank an alle Berichterstatter des Haushaltsausschusses
beginnen, aber auch mit dem Dank für die Unterstützung
bei den berechtigten Anliegen, die mit den Haushaltsansätzen in meinem wirklich kleinen, sehr überschaubaren
Etat verfolgt werden. Ich kann nur sagen: Wir haben hier
wirklich Weichen gestellt. Nachdem die 10 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt wurden, die ich teilweise
auch aus meinem Etat - aber natürlich nicht komplett selbst mit erbringe, kann nun ein Vorhaben umgesetzt
werden, das sich der Bundestag vor zehn Jahren mit einer einstimmigen Beschlussfassung vorgenommen hat.
Er hat nämlich beschlossen, eine Stiftung zu gründen,
die sich mit der Erforschung der Opfer von Verfolgung
wegen Homosexualität in der NS-Zeit - zu Zeiten des
NS-Unrechtssystems - befassen soll. Sie wird sich aber
auch mit Diskriminierung beim Zusammenleben heute
befassen. Ich denke, dass wir das jetzt, wo wir zu Recht
einen Sparhaushalt haben, gemeinsam hinbekommen haben, ist nur dank Ihrer Unterstützung möglich gewesen.
({0})
Es ist an der Zeit, über einige wichtige rechtspolitische Vorhaben zu sprechen, und zwar durchaus auch
kontrovers; manche Kolleginnen und Kollegen haben
das in der Debatte auch schon getan. Herr Kauder, Sie
haben recht: Natürlich ist es ganz normal, zu bestimmten
Themen unterschiedliche Auffassungen und Herangehensweisen zu haben. Es ist immer die Art der Auseinandersetzung, die das Klima einer Debatte prägt. Ich
sage offen: Ich habe Sie nicht so verstanden, dass Sie
jetzt Gesetze ändern wollen. Ich habe Ihre Worte mehr
als einen Appell, als Aufruf verstanden.
Das, was wir uns konkret vorgenommen und schon
auf den Weg gebracht haben, ist wirklich umfangreich
und kann sich blicken lassen. Lassen Sie mich, Frau
Lambrecht, gerade zu den größten Vorhaben - nicht nur
vom Umfang der Seiten her, sondern, wie ich denke,
auch vom inhaltlichen Anspruch her - hier einige Worte
sagen. Da geht es einmal um die Neuausrichtung der
Sicherungsverwahrung. Mit Blick auf vielerlei Gesetzgebung in den letzten zwölf Jahren, die Auswirkung auf
Gerichtsentscheidungen - aber nicht nur - hatte, ist zu
sagen, dass unser System wirklich unübersichtlich und
in sich nicht widerspruchsfrei ist. Dass wir das neu ausrichten, ist schon eine gewaltige Leistung.
An das Thema „Anlasstaten und Umfang von Anlasstaten“ muss man systematisch herangehen. Nur alle Paragrafen aufzuzählen, wäre eine Herangehensweise, die
nicht unbedingt zu Klarheit, Übersichtlichkeit und Systematik beiträgt. Hier zu einer verantwortbaren Reduzierung zu kommen, ist auch das Anliegen der Koalitionsfraktionen. Ich hoffe, dass wir uns in den Gesprächen
dabei noch aufeinander zubewegen können. In der
nächsten Woche steht ja die intensive Beratung im
Rechtsausschuss an, in der wir uns mit Ihren Änderungsanträgen, aber auch mit den Vorschlägen, die die Koalitionsfraktionen machen, intensiv befassen werden.
Dass das ein komplexes Vorhaben ist, sieht man auch
daran, dass wir mit dem Therapie- und Unterbringungsgesetz genau den Weg gehen, den uns die Europäische
Menschenrechtskonvention eröffnet. Das tun wir zwar in
enger Anlehnung an diese, aber auch in verantwortbarer
Weise; denn die Situation - ich muss sie hier nicht schildern - ist eine extrem schwierige. Es geht hier um einige
entscheidende Fälle; von diesem Gesetz werden also
nicht Hunderte von Menschen erfasst.
Die Debatte zu diesem Thema - es geht hier um gefährliche Täter, die auch nach Haftverbüßung nicht in
Freiheit leben können und sollen, weil das nicht verantwortbar wäre - lenkt natürlich den Blick auch auf die
Herausforderungen, denen wir insgesamt gegenüberstehen. Hier ist es doch ganz normal, dass selbstständige
Fraktionen einer Koalition, die sich einem gemeinsamen
Ziel verpflichtet hat, mit unterschiedlichen Vorstellungen an Fragen herangehen. Das trifft insbesondere auf
die Frage des Umgangs mit der Vorratsdatenspeicherung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März dieses Jahres zu. Ich brauche hier nicht
auf alle Fakten einzugehen. Ich möchte nur erwähnen,
dass es derzeit sehr wohl Bestandsdaten gibt, auf die
man zugreifen kann. Wenn man das möglichst zeitnah
und nicht retrograd tut, braucht man auch keine sechsmonatige Speicherungsfrist.
Dass wir als FDP das Thema von unserem Verständnis der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit soBundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
wie von unserer Auffassung der Sparsamkeit bei Datensammlungen anders sehen als unser Koalitionspartner,
ist bekannt. Damit gehen wir aber fair und sachlich um.
Es bringt nämlich, wie ich glaube, nichts, hier einfach zu
sagen: Da haben wir kein Problem. - Nein, wir haben
hier unterschiedliche Vorstellungen und gehen unterschiedlich an dieses Thema heran. Deshalb hat die FDPFraktion beschlossen, in dieser Frage anlassbezogen vorzugehen, statt massenweise Datensammlungen anzulegen.
({1})
Auf der Grundlage eines Vorschlages werden wir konstruktiv miteinander über dieses Thema reden und dann
auch, wie ich denke, zu einem richtigen Ergebnis kommen.
Vonseiten der Opposition wie auch von Herrn Funk
wurde der Fonds für die Opfer extremistischer Übergriffe angesprochen. Auch mich treibt um, dass - darauf
haben ja auch Sie, Herr Schurer, hingewiesen - bisher
wenig Geld abgeflossen ist, dass bisher wenige Anträge
vorliegen, und zwar derzeit so wenige, dass der Haushaltsansatz auf gar keinen Fall ausgeschöpft wird und
das vorgesehene Geld auch nicht annähernd abfließen
wird. Wir haben noch einmal eine Werbe- und Informationsaktion gestartet. Ich denke, es ist richtig, dass wir zu
diesem Zeitpunkt den Haushaltsansatz belassen, uns
dann aber im nächsten Jahr durch Aufklärung und Information über den Umfang der Leistungen gemeinsam bemühen, dass das Geld denjenigen zugutekommt, die Opfer von extremistischen Übergriffen geworden sind und
auf andere Art und Weise nicht für ihr Leid und ihren
Schmerz entschädigt werden können.
Frau Lambrecht, Sie haben die Verjährungsfristen im
Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch angesprochen. Der runde Tisch wird nächste Woche zusammenkommen und über den ersten Zwischenbericht beraten.
Von der Arbeitsgruppe, die unter der Leitung meines
Hauses steht, ist ein Konzept erarbeitet worden, wie
Opferrechte gestärkt werden können. Da haben wir uns
dank der konstruktiven Mitarbeit vieler bei diesem
Thema auf ein Konzept verständigt.
Wir haben uns abschließend noch nicht mit anderen
rechtspolitischen Folgerungen auseinandergesetzt. Ich
denke, das gehört zusammen. Da gibt es zu Recht Pro
und Kontra. Wir sehen in jedem Fall die Notwendigkeit,
bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen etwas zu
tun; denn da ist die Frist sehr kurz. Bei den strafrechtlichen Verjährungsansprüchen wollen wir in der Sache
diskutieren und abwägen, ob es Gründe dagegen gibt.
Ich meine, es ist aller Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit
wert, darüber am Ende zu gemeinsamen Entscheidungen
zu kommen.
Vielen Dank.
({2})
Raju Sharma hat jetzt das Wort für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau
Ministerin, wie Sie wissen, hat die Bundesrepublik seit
einiger Zeit einen neuen Namen: Protestrepublik. Viel
Fantasie war für diese Wortschöpfung nicht nötig; denn
es ist nicht zu übersehen: Ob Atompolitik, teurer Bahnhof oder Flugrouten - Bürger protestieren dagegen, dass
sie in die Entscheidungen der Politik nicht einbezogen
werden. Sie protestieren dagegen, dass Politiker sich
nicht als Diener des Volkes verstehen, sondern sich als
Herren aufspielen, und dagegen, dass unsere Demokratie
offensichtlich einen Mangel an Demokratie aufweist.
({0})
Das besonders Schlimme daran: Der demokratische
Mangel in Gesetzgebung und Regierungsentscheidungen
hat einen Dominoeffekt. Die ausführenden Kräfte sind
gezwungen, die zweifelhaft zustande gekommenen Bestimmungen gegen den Willen der Bürger zu vollziehen.
Konrad Freiberg, kürzlich in den Ruhestand getretener
Chef der Polizeigewerkschaft, hat dies öffentlich auf
eine einfache Formel gebracht: Die Bundesregierung
trage die gesellschaftlichen Probleme auf dem Rücken
der Sicherheitskräfte aus, die für die ungelösten Konflikte den Kopf hinhalten müssten.
({1})
Die Kettenreaktion dieses Demokratiedefizits endet
nicht bei der vollziehenden Gewalt. Sie setzt sich auch in
der Justiz fort. Richter werden damit belastet, Gesetze
anzuwenden, die an der Lebenswirklichkeit der Menschen im Land vorbeigehen. Das bedeutet nicht nur undemokratische Bürgerferne in der Rechtsprechung, sondern - wir reden hier ja über den Haushalt - das kostet
auch Geld, und zwar meistens das Geld der Länder.
Beispiel Berlin. Am Sozialgericht Berlin ist im
Sommer die 100 000. Klage gegen Hartz IV eingegangen. Regelmäßig lädt das Gericht zu Pressekonferenzen,
in denen die Richter um Hilfe bitten, weil die Flut der
Klagen nicht zu bewältigen sei. Ihr Ruf hatte insoweit
Erfolg, als dass der sehr lobenswerte rot-rote Senat die
Zahl der Richterstellen am Sozialgericht seit Einführung
von Hartz IV immerhin verdoppelt hat.
({2})
Das war richtig, und das war notwendig, aber auch eine
ziemliche Bürde für ein Land, das auf einem Schuldenberg von 60 Milliarden Euro sitzt, übrigens auf einem
Schuldenberg, den andere Regierungen aufgetürmt haben. Das Geld könnte an anderer Stelle sicher sinnvoller
ausgegeben werden. Denn leider dient die Aufstockung
des Personals nur der Bekämpfung der Symptome, nicht
der Ursachen. Eine wirkliche Ursachenbeseitigung wäre
die Abschaffung dieses zutiefst ungerechten, an vielen
Stellen völlig unausgegorenen und fehlerhaften Gesetzes.
Genauso eine Verschwendung der Ressourcen bedeutet es, wenn das höchste Gericht übernehmen muss, was
eigentlich Aufgabe der Politik wäre:
({3})
Gesetze zu erlassen, die mit der Verfassung vereinbar
sind.
Das fröhliche Beschäftigen der Verfassungsrichter
hat freilich Tradition. So hat seinerzeit die rot-grüne Koalition ein Luftsicherheitsgesetz mit einer „Abschusserlaubnis“ für entführte Flugzeuge durch den Bundestag
gepeitscht, obwohl die Verfassungswidrigkeit praktisch
auf der Hand lag. Schließlich ist es Lehrstoff des ersten
Semesters im Jurastudium, dass Menschenleben nicht
gegeneinander aufgewogen werden können.
({4})
Allerdings hat auch die folgende Regierung aus solchen Fehlern nichts gelernt. Bei der Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsgericht ihr die Blindheit
für die Werte unseres Grundgesetzes erneut amtlich bescheinigt. Nun sind die Unionsparteien sogar so unverbesserlich, dass sie sich diese Schlappe am liebsten gleich
noch einmal abholen möchten. Mit Pawlow‘schem Reflex reagieren Sie auf die Terrorwarnungen mit neuen alten Forderungen nach der totalen Überwachung. Auch
davon haben wir heute etwas gehört.
({5})
Ich hoffe, dass wenigstens Sie, Frau Ministerin,
standhaft bei Ihrer Ablehnung und fest auf dem Boden
des Grundgesetzes bleiben. Der Unterstützung der Linken können Sie sich dabei gewiss sein - wie bei jeder
bürgerrechtskonformen Politik Ihres Ministeriums.
({6})
Leider war den Damen und Herren Freidemokraten
bei ihrem Atomdeal nicht so viel Weisheit beschieden.
Wie gewohnt waren ihnen die Interessen der großen
Konzerne wichtiger als Wille und Sorgen der Bürger.
Wir Linken werden wie viele andere diese undemokratische Lobbyarbeit nicht hinnehmen und die einzige Möglichkeit nutzen, um diese Unverschämtheit gegenüber
den Wählern zu kippen: mithilfe der Verfassungsrichter.
Ja, auch das wird Geld kosten. Uns bleibt aber - anders
als Ihnen - keine andere Wahl. Sie hätten dieses Gesetz
gar nicht erst verabschieden müssen.
({7})
Sie hätten sich auf die Verfassung besinnen müssen.
Ich komme zum Schluss. Nehmen Sie sich einfach
einmal die Zeit, einen Blick ins Grundgesetz zu werfen.
Darin steht ziemlich weit vorne etwas ganz Interessantes, nämlich in Art. 20 Abs. 2: „Alle Staatsgewalt geht
vom Volke aus.“ Erinnern Sie sich? Nein? Dann werden
wir Sie erinnern.
Vielen Dank.
({8})
Jetzt hat Manuel Sarrazin das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Herr Krings, gestatten Sie mir eine Bemerkung
zum Thema „Demokratie und Straße“. Wir sind uns einig über die Bedeutung der Parlamente; auch wir sind
strenggläubige Parlamentarier.
({0})
Deswegen engagieren wir uns hier mit ziemlich viel Einsatz; das wollen Sie uns, glaube ich, zugutehalten. Wir
haben aber doch das Problem vor Augen, dass die Legitimität der Entscheidungen nicht nur von ihrer formellen Richtigkeit abhängt; auch die Reflexion der Bürger
ist ein wichtiger Punkt. Die Bürger müssen - dafür sind
beide Seiten verantwortlich - das Gefühl haben, dass die
Entscheidungen, die wir hier treffen, auch für die, die
unterlegen sind, legitim sind. Warum? Wegen der Friedenspflicht, der Friedenswirkung, die von diesem Haus
ausgehen kann, indem es die Interessen repräsentiert und
anschließend den Entscheidungsprozess formal richtig
zu Ende führt.
({1})
Gerade um die Friedenswirkung, die aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Entwicklungen an verschiedenen Stellen infrage steht, zu wahren, ist es wichtig, den engagierten Bürger ernst zu nehmen. Ich war
neulich bei einem Fußballspiel in Stuttgart. Abends habe
ich die Verkäuferin im Kiosk unten am Bahnsteig gefragt, was sie von Stuttgart 21 hält. Sie konnte mir
20 Minuten lang Details zur Bahnhofsplanung nennen;
übrigens war sie dafür. Die ganze Stadt diskutiert darüber. Wenn wir den Zoon Politikon, den politischen
Menschen, als Idealbild vor Augen haben, kann es für
uns gar nichts Besseres geben.
({2})
Sie werfen uns vor, wir seien eine Dagegen-Partei.
Früher war es einmal so: Sie waren gegen rechtsfreie
Räume. Heute sind wir gegen Verfassungsbruch und
müssen nach Karlsruhe ziehen. Das haben Sie uns früher
gepredigt; das sollten Sie uns jetzt nicht vorwerfen.
({3})
Herr Krings, uns verbindet beim Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland ein gemeinsames Anliegen.
Der Kollege Funk hat gesagt, es sei „Unsinn“, angesichts
der Kürzung der Mittel für diese deutsche Verbindungsstelle von einem Affront gegenüber Frankreich zu reden.
Herr Lamassoure, ein großer Konservativer von der UMP
in Frankreich und Vorsitzender des Haushaltsausschusses
des Europäischen Parlaments, empfindet aber die Kürzung der Mittel als einen „Affront gegenüber dem französischen Nachbarn“.
({4})
Wenn Sie jetzt sagen, dass die UMP unsinnige Politik
macht, würde ich Ihnen in fast allen Punkten zustimmen;
aber in diesem Punkt hat Herr Lamassoure ausdrücklich
recht. Es ist schade, dass diese Entscheidung zustande
gekommen ist.
({5})
Die deutsch-französische Freundschaft kann auch
durch Streichungen in solch einem kleinen Haushalt
manchmal Schaden nehmen. Ich denke, wir sollten uns
hier, aber auch bei Bruegel Gedanken machen, wie wir
in Zukunft damit umgehen.
Ein anderes Beispiel für eine kleine Entscheidung, die
wichtig ist: die Einrichtung der Magnus-HirschfeldStiftung. Frau Ministerin, wir unterstützen Sie grundsätzlich in diesem Anliegen, finden es aber schade, dass
anders als in früheren Entwürfen aus der FDP-Fraktion
die Förderung von Bürgerarbeit und internationaler
Menschenrechtsarbeit beim Stiftungszweck ausgespart
wurde. Dabei wäre es aus unserer Sicht gerade hier notwendig und wichtig gewesen, nicht nur auf die Historie
Bezug zu nehmen, sondern auch die aktuelle Auseinandersetzung mit diesem Thema, die uns die Geschichte
vor Augen führt, zu fördern. Deswegen tragen wir den
Vorschlag zwar mit, finden aber, dass er zu kurz greift
und hinter dem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2000
zurückbleibt.
({6})
Zur Frage des rechten und linken Extremismus.
Diese Debatte langweilt uns ein bisschen; denn sie wird
immer wieder politisch aufgeladen. Wir sehen einfach,
dass die Frage des Extremismusbegriffs von Ihnen nur
herangezogen wurde, um etwas zu exekutieren, was Sie
in einem anderen Politikfeld erreichen wollen, nämlich
eine Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt. Ich
will gar nicht sagen, dass ich irgendwelche Sympathien
für linke Gewalttaten auf der Schanze habe; ich komme
aus Hamburg. Ich finde das absolut nicht in Ordnung.
({7})
Ich finde aber, dass Sie hier durch einen unklaren Extremismusbegriff - nämlich „Extremismus jeder Art“ nicht für eine Verbesserung der Situation gesorgt haben,
sondern für mehr Unklarheit. Ich finde, Sie sollten sich
eingestehen, dass das bisher so nicht funktioniert hat.
Darum müssen wir das gemeinsam angehen.
({8})
Sowohl der Haushalt des Justizministeriums als auch
der Haushalt des Verfassungsgerichts sind klein, aber
oho. Die Berichterstatter arbeiten auf der Basis der sehr
guten Vorbereitungen durch beide Häuser sehr kollegial
zusammen. Dafür möchte ich mich bedanken. Ehrlich
gesagt: Ich freue mich immer ein bisschen auf die Unterlagen aus diesen Häusern. Darum freue ich mich jetzt
schon auf die Beratungen im nächsten Jahr. Dann werden wir gemeinsam weiterarbeiten.
Danke sehr.
({9})
Stephan Mayer hat das Wort für die Unionsfraktion.
({0})
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Eine jüngst veröffentlichte Studie einer deutschen Rechtsschutzversicherung
hat zutage gefördert, dass die Justiz in Deutschland eine
ausgesprochen hohe Akzeptanz genießt, im Gegensatz
zu anderen staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen. Nach dieser Studie haben
zwei Drittel aller Deutschen viel oder ziemlich viel Vertrauen in die deutschen Gerichte. Nur zwei Institutionen
liegen vor der Justiz, was die Akzeptanz anbelangt. Zum
einen ist das die Polizei als Hüterin von Sicherheit und
Ordnung mit 74 Prozent und zum anderen der deutsche
Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft mit
71 Prozent.
Die Zahlen belegen die hohe Wertschätzung, die die
deutsche Justiz und die deutschen Sicherheitsbehörden
in der deutschen Bevölkerung genießen. Diese Zahlen
sind meines Erachtens aber auch eine Aufforderung insbesondere an die Politik, Sicherheit und Vertrauen in die
Strafverfolgungsbehörden und die Justiz aufrechtzuerhalten und weiter zu gewährleisten.
Der Haushalt des Justizministeriums ist zwar klein
und schmal, aber er ist deswegen nicht unwichtig, ganz
im Gegenteil. Ich möchte hinzufügen, dass es neben der
ordentlichen finanziellen Ausstattung der Beamtinnen
und Beamten und der Richterinnen und Richter im Bereich der deutschen Justiz notwendig ist, ihnen die erforderlichen gesetzlichen Mittel an die Hand zu geben.
Herr Kollege Schurer, Sie haben die Forderung der
CSU nach einer vernünftigen, verfassungsgemäßen und
effektiven Ausgestaltung einer Verbindungsdatenspeicherung angesprochen. An dieser Stelle kann ich nur
zurückweisen, dass es hierbei um Aktionismus oder ein
wie auch immer geartetes reflexartiges Verhalten geht.
Schon gar nicht geht es um Populismus. Diese Forderung ist nämlich nichts Neues. Diese Forderung erheben
wir nicht erst aufgrund dieser schrecklichen und außerordentlich angespannten Bedrohungssituation, in der wir
leben. Dies ist eine alte Forderung der CSU. Diese Forderung steht auch nicht im luftleeren Raum. Mittlerweile
haben 20 der insgesamt 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union die einschlägige EU-Richtlinie umgesetzt.
Ich sage es ganz offen: Trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres wird auch uns
nichts anderes übrig bleiben, als die EU-Richtlinie verfassungsgemäß und europarechtskonform in deutsches
Recht umzusetzen.
({0})
Die CDU/CSU-Fraktion wird alles daransetzen, dass
wir hier über eine sachliche und konstruktive Diskussion
zu einer Lösung kommen, die den Anforderungen der
deutschen Sicherheitsbehörden genügt. Ich glaube nicht,
dass der Präsident des BKA ein Parteigänger der CDU,
der CSU oder der FDP ist. Deswegen kann ich ihn offen8292
Stephan Mayer ({1})
siv erwähnen. Herr Ziercke hat am 6. September dieses
Jahres in seiner jährlichen Pressekonferenz händeringend darum gebeten, dass eine vernünftige und effektive
Regelung der Verbindungsdatenspeicherung gefunden
wird. Ich glaube, das ist sehr ernst zu nehmen. Herr
Ziercke wies in der Pressekonferenz eindeutig darauf
hin, dass es seit dem Urteil des Verfassungsgerichts nur
noch in 7 von 1 000 Fällen möglich ist, den Inhaber einer IP-Adresse ausfindig zu machen. Bevor das Urteil
gesprochen wurde, war es immerhin noch möglich, 800
von 1 000 Inhabern von IP-Adressen namentlich ausfindig zu machen. Ich glaube, diese Zahlen belegen eindeutig und unzweifelhaft, dass es dringend erforderlich ist,
eine effektive und vernünftige Lösung zu finden. Aus
meiner Sicht wäre es verfehlt, darauf zu hoffen - ich
sage das in Anführungszeichen -, dass sich im großen
Stil etwas an den bisherigen Vorgaben durch die europäische Gesetzgebung ändert.
Es gibt - das ist richtig - eine Evaluierung der EURichtlinie; diese wird aber noch einige Zeit in Anspruch
nehmen. Aus meiner Sicht ist mit einer neuen EU-Richtlinie frühestens in zwei bis drei Jahren zu rechnen. Es
wäre also verfehlt, nur aufgrund der Diskussion in Europa jetzt auf eine verfassungsgemäße und menschenrechtskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie zu verzichten - ganz im Gegenteil.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass Quick Freeze, also das schnelle Einfrieren von
vorhandenen Daten, keine ausreichende Lösung ist. Man
kann ja nur das einfrieren, was tatsächlich vorhanden ist.
Das Problem ist aber, dass die Telekommunikationsunternehmen aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts heute kaum mehr - mit Ausnahme der
Telekom, die die Daten noch für eine Woche speichert über Daten verfügen. Es ist also momentan überhaupt
nichts vorhanden, was - in Anführungszeichen - schnell
eingefroren werden kann.
Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt,
im Rahmen einer konstruktiven und sachlichen Debatte
hier zu einer vernünftigen Lösung zu kommen; denn
auch bei anderen Gesetzgebungsvorhaben hat die christlich-liberale Koalition in den letzten Monaten in brillanter Weise unter Beweis gestellt, dass sie im Bereich der
Innen- und Rechtspolitik allen Unkenrufen zum Trotz
handlungsfähig ist.
({2})
Das Thema Sicherungsverwahrung ist schon genannt worden. Jetzt dachten viele, die uns nicht so wohlgesonnen sind, dass es uns am Ende des Tages nicht gelingt, eine vernünftige Lösung zur Neuordnung der
Sicherungsverwahrung zu erreichen.
({3})
Wir haben diese Stimmen Lügen gestraft; denn wir stehen kurz davor, eine endgültige Lösung zu präsentieren.
({4})
Wir hatten zu Beginn der Debatte natürlich völlig unterschiedliche Positionen. Ich bin Ihnen, Frau Bundesministerin, sehr dankbar dafür, dass wir in einem vernünftigen und ausgewogenen Dialog jetzt zu einer
angemessenen Lösung kommen. Man wird über das eine
oder andere noch debattieren müssen. Ich denke in diesem Zusammenhang an eine mögliche Verlängerung der
Rückfallverjährungsfrist.
Das Thema Sicherungsverwahrung hat es gezeigt und
- da bin ich mir sicher - das Thema Verbindungsdatenspeicherung wird es zeigen, dass die christlich-liberale
Koalition ein Garant für eine solide, überlegte und effektive Rechtspolitik ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({5})
Professor Dr. Patrick Sensburg hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Frau Ministerin! Wir debattieren
jetzt - das ist schon erwähnt worden - über den kleinsten
Haushalt eines Ministeriums mit einem Volumen von
493 Millionen Euro. Der Anteil am Gesamthaushalt beträgt 0,16 Prozent. Bei einer Deckungsquote von 85 Prozent ergeben sich Einnahmen von 415 Millionen Euro.
Der Haushalt 2011 trägt allerdings nicht zur Konsolidierung bei. Wir sehen, dass im Vergleich zum Haushalt
2010 ein Zuwachs von 3,73 Millionen Euro zu verzeichnen ist. Das liegt daran, dass wir die vorhin erwähnte
Magnus-Hirschfeld-Stiftung mit 5 Millionen Euro, die
wir aus dem Haushalt nehmen, und mit 5 Millionen Euro
aus den flexiblen Titeln, wie es die Ministerin eben gesagt hat, gründen.
Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung hat das Ziel, einen
kollektiven Ausgleich für die homosexuellen Opfer von
Gewalt während des NS-Regimes zu erreichen und interdisziplinäre Forschung und Bildung bezüglich der Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen zu ermöglichen. Ich unterstütze diese Forderung und Zielsetzung nachdrücklich. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Haushalt trotzdem zur Konsolidierung
beigetragen hätte.
Daneben würde ich mir wünschen, dass wir über den
Namen dieser Stiftung noch einmal nachdenken; denn
die Person Magnus Hirschfeld ist nicht nur positiv zu sehen. Er hat nämlich in seinen Schriften Themen im Bereich der Eugenik gestreift und dabei bestimmte Völker
herabgewürdigt. Über den Namen dieser Stiftung müssen wir also noch einmal nachdenken.
({0})
Wir sollten im Jahre 2011 in Ruhe darüber diskutieren,
in welche Richtung wir mit dieser Stiftung gehen wollen.
Gute Rechtspolitik bemisst sich - das ist bereits gesagt worden - nicht an der Höhe des Haushaltsansatzes,
sondern an den rechtspolitischen Inhalten. Ich möchte
drei Inhalte besonders herausgreifen.
Der erste Aspekt, den ich nennen möchte, betrifft das
Verhindern von Kinderpornografie im Internet. Wir
haben über dieses Thema schon mehrmals diskutiert,
und wir bleiben dabei: Als Ultima Ratio muss es möglich sein, kinderpornografische Internetseiten zu sperren.
Das hat - anders als Sie, Frau Kollegin Hönlinger, es
dargestellt haben - die Expertenanhörung vom 10. November im Rechtsausschuss ergeben. Die Experten haben klar gezeigt, dass das Sperren möglich ist, und es hat
sich gezeigt, dass sich die Argumente der Experten der
Opposition widersprochen haben. Ich kann nicht sagen:
„Sperren geht gar nicht“, und dann sage ich im selben
Satz: Aber wir haben die Sorge, dass Sie das Sperren auf
andere ausdehnen werden. - Das ist widersprüchlich und
stimmt einfach nicht. Das hat die Expertenanhörung gezeigt.
({1})
Da Sie immer behaupten, dass dieses Sperren nicht
gehe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken,
({2})
sage ich Ihnen: Ihr Abgeordnetenkollege im letzten Bundestag, Herr Lutz Heilmann, hat ja seine Internetseite bei
Wikipedia sperren lassen. Da hat es ja anscheinend geklappt. Dann können Sie doch nicht immer behaupten,
dass das Sperren überhaupt nicht funktionieren würde.
({3})
Als Ultima Ratio muss es möglich sein, und daran werden wir festhalten.
Sie wollen mehr Polizisten. Ich unterstütze diesen
Wunsch. Insbesondere bin ich für die Bezirkspolizisten,
die lokal patrouillieren und dann vor Ort auch wissen,
was passiert. Aber Sie glauben doch selber nicht, dass
ich bei dieser Art Kriminalität neben jede Person einen
Polizisten stellen kann. Von welchem Weltbild gehen Sie
hier denn aus? Wollen Sie einen Polizeistaat, wo neben
jedem Internetuser ein Polizist steht? Das ist weltfremd,
was Sie hier machen, meine Damen und Herren. Das
geht nicht. Wir müssen der Polizei die richtigen Mittel
geben. Darum geht es.
({4})
Beim Thema Vorratsdatenspeicherung haben die
Kollegen Krings und Mayer, glaube ich, bereits die richtigen Aspekte genannt, sodass ich das nicht vertiefen
muss. Die Ministerin hat auch aufgezeigt, dass wir hier
um Lösungen ringen.
Ich möchte Ihnen das einmal an einem Beispiel deutlich machen. Stellen Sie sich mal vor, auf Ihrem Konto
wird im Rahmen des Onlinebanking Missbrauch betrieben. Dann gehen Sie zu Ihrer Bank und sagen: Diese
Überweisungen habe ich doch gar nicht getätigt. - Darauf sagt der Bankmitarbeiter: Entschuldigung, wir speichern keine Daten mehr; sehen Sie zu, wie Sie wieder zu
Ihrem Geld kommen. - Dann werden auch Sie ganz
schnell überlegen, ob das Speichern von Internetdaten
nicht eine sinnvolle Einrichtung ist und zu Ihrem Schutz
beiträgt. Wir suchen nach Lösungen, und von den Grünen höre ich immer nur: Wir sind dagegen; wir machen
es nicht mit.
({5})
Das reicht leider für eine Politik nicht aus.
({6})
Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Wolfgang Wieland zulassen?
Ja, die lasse ich sehr gern zu.
Bitte schön.
Herr Kollege, wäre es nicht sinnvoller, bevor Sie nun
auf die Grünen einprügeln, sich zu überlegen, ob es für
eine Regierung, wenn ihr ein Problem seit März dieses
Jahres bekannt ist - inzwischen haben wir Ende November -, spricht, dass Vertreter dieser Regierungskoalition
miteinander völlig unvereinbare Standpunkte vortragen? Die Ministerin sagt mit guten Argumenten: Für
meine Fraktion kommt das nur anlassbezogen infrage;
Quick Freeze kommt in Betracht. - Alle Redner Ihrer
Fraktion und auch Sie sagen: Das langt nicht; was nicht
da ist, kann ich nicht mehr einfrieren. - Ist es denn nicht
primär an einer Regierung, zu handeln, hier einen Gesetzentwurf, der verfassungsfest ist, einzubringen, bevor
sie auf die Opposition einprügelt?
({0})
Herzlichen Dank für Ihre Nachfrage. - Es ist richtig,
es ist an der Regierung, einen Gesetzesvorschlag einzubringen.
({0})
Das werden wir auch tun. Wir werden einen Gesetzesvorschlag einbringen, der praktikabel und effektiv ist,
der auch berücksichtigt, dass ich Daten retrograd nach8294
vollziehen können muss. Es gibt da bestimmte Delikte,
und ich möchte Ihnen von einem zur Veranschaulichung
berichten.
({1})
- Doch, das muss ich, wenn Sie die Frage beantwortet
haben wollen, wenn es denn eine Frage gewesen sein
soll.
Da schreibt ein Mann im Internet, dass er sein Kind
am nächsten Wochenende missbrauchen will. Das weiß
man. Wenn man das dann nicht rückwirkend nachvollziehen kann, retrograd, dann wird man nicht herauskriegen, was da wirklich gewesen ist, wer dieser Mann wirklich ist, und wird nichts machen können. Dann ist man
darauf angewiesen, dass er bald wieder ins Internet geht.
Deswegen brauchen wir auch das retrograde Nachvollziehen.
({2})
Deswegen werden wir gemeinsam - ich erkenne Ihren
Fingerzeig - zu einer Lösung finden. Nur, es ist auch
Aufgabe der Opposition,
({3})
sich nicht nur in „Nein, Nein“ zu ergehen, sondern auch
eigene Ideen zu haben. Und ich sehe von Ihrer Seite
keine Alternativen, wie man diese Probleme lösen kann.
({4})
Wir in der Koalition werden sie finden,
({5})
und dann werden Sie schon sehen, wie gut diese Lösungen sind. Ich danke Ihnen für Ihre Frage.
Vielleicht noch etwas zur Glaubwürdigkeit. Ich wollte
eigentlich gar nicht mehr viel zu Bündnis 90/Die Grünen
sagen.
Wenn man aber, wie Ihr Parteivorsitzender, mit dem
Flugzeug von Berlin nach Stuttgart fliegt und meint,
man müsse mit dem Hubschrauber vom Stuttgarter Flughafen in die Innenstadt fliegen, weil einem die Bahn zu
langsam ist, und wenn man meint, man müsse den
Dienstwagen von der Polizei bewachen lassen und dann
auf einen Trecker steigen, dann frage ich mich, ob man
glaubwürdig ist.
({6})
- Nein, für Herrn Gysi nehme ich jetzt den Kollegen
Sharma in Haftung. Er hat nämlich aus Art. 20 des
Grundgesetzes zitiert:
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Leider haben Sie nur die Hälfte zitiert. Wenn Sie aus
Art. 20 zitieren, dann müssen Sie auch weiter zitieren:
Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen
und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der
vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Sie wird also eben nicht durch Sitzblockaden und gewalttätige Aktionen wie das Schottern ausgeübt; das gehört nicht dazu. Man muss das Ganze lesen, Herr Kollege.
({7})
Um diesen Punkt ging es auch meinen Vorrednern.
Natürlich sind die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht geschützt. Das gewährleistet die
Polizei zurzeit. Sie schützt auch die Demonstranten.
Aber es gibt anscheinend viele Demonstranten - mit diesen sympathisieren Sie -, die dieses Demonstrationsrecht missbrauchen, zu Gewalttaten aufrufen und Schotter aus dem Gleisbett nehmen. Das gefährdet auch
diejenigen, die demnächst mit dem Zug über dieses
Gleisbett fahren. Deswegen muss die Polizei eingesetzt
werden.
({8})
Das ist das Problem. Da muss man sehr sauber differenzieren.
Wir machen Rechtspolitik, die nicht ideologisch geprägt ist,
({9})
sondern eine ausgewogene Rechtspolitik, die auf der einen Seite die Sicherheitsgewährung durch den Staat berücksichtigt und auf der anderen Seite die Freiheit der
Bürger gewährleistet.
Herr Kollege Sensburg, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sharma?
Das werde ich machen, obwohl ich fast am Ende meiner Rede bin.
({0})
- Deswegen lasse ich die Frage zu.
Bitte schön.
Herr Kollege, Sie haben, wie viele Ihrer Vorredner
von der Regierungskoalition, das Thema Schottern angesprochen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen. Sie haben das Demonstrationsrecht zwar
als legitim anerkannt, aber gemeint, es sei missbraucht
worden. Ich möchte Folgendes festhalten.
({0})
- Frage? Nein, lassen Sie das einmal.
({1})
Das Problem ist doch Folgendes: Mit Ihren verfassungswidrigen Gesetzen, mit Gesetzen, die an den Bürgern komplett vorbeigehen, mit der Legitimation von
gewalttätigen Übergriffen von Polizeikräften auf Demonstranten ({2})
- Moment, ganz ruhig; Herr Krings, entspannen Sie sich
einmal - unterhöhlen Sie das Vertrauen der Menschen in
den Rechtsstaat. Sie sind die Schotterer der Demokratie.
({3})
Herr Kollege Sharma, ich warte auf die Frage. Das
waren ja schöne Aussagen. Aber kann ich auch etwas
beantworten?
({0})
Nein, wir sind nicht die Schotterer der Demokratie, Herr
Kollege Sharma.
Wir betreiben eine ausgewogene Rechtspolitik. Sicherheit für die Bürger auf der einen Seite, Gewährung
von Freiheit und Recht auf der anderen Seite - ich
glaube, das macht den Haushalt des Bundesjustizministeriums aus. Dafür danke ich als letzter Redner zu diesem Einzelplan der Justizministerin ganz nachhaltig. Ich
bitte alle um die Zustimmung zu diesem Haushalt.
Danke schön.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung. Wer für den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung stimmt, den
bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist angenommen mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Oppositionsfraktionen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 19 ist
einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.16 auf:
Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
- Drucksachen 17/3516, 17/3523 Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Mattfeldt
Florian Toncar
Sven-Christian Kindler
Hierzu liegen je ein Änderungsantrag der Fraktion der
SPD und der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Dagmar Ziegler von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Sozialer Fortschritt durch Zusammenhalt und Solidarität“, so ist das Kapitel im Koalitionsvertrag von CDU/
CSU und FDP zur Familien- und Gleichstellungspolitik
vollmundig überschrieben. Nachdem Frau Schröder ihr
Amt ein Jahr innehat - ich will nicht sagen: ausübt; das
wäre zu viel der Ehre -,
({0})
kann die Bilanz nur lauten: sozialer Rückschritt durch
Spaltung und Entsolidarisierung.
Was haben Sie nicht alles versprochen, Frau
Schröder? Versprochen haben Sie, dass jeder Jugendliche dabei unterstützt wird, einen Schulabschluss zu erreichen und eine Ausbildungsstelle zu finden. Bekommen haben die Jugendlichen, dass ihnen das Recht auf
einen nachholenden Schulabschluss gestrichen wurde.
Bekommen haben die Jugendlichen außerdem einen
„Ausbildungspakt light“, der einseitig auf die Interessen
der Wirtschaft ausgerichtet war und aus dem der Deutsche Gewerkschaftsbund kurz vor der Unterzeichnung
herausgemobbt wurde.
Versprochen haben Sie auch, Alleinerziehende mit
einem höheren Unterhaltsvorschuss, steuerlichen Entlastungen und einem Maßnahmenpaket besser zu unterstüt8296
zen. Bekommen haben die Alleinerziehenden unter anderem dramatische Kürzungen bei der Eingliederung in
den Arbeitsmarkt.
Versprochen haben Sie, das Elterngeld auszuweiten
mit einem Teilelterngeld und einer Stärkung der Partnermonate. Bekommen haben die Eltern ein verstümmeltes
Elterngeld, an dem ohne erkennbares System mal hier
und mal dort herumgeschnippelt worden ist, und zwar
wieder einmal - das muss man deutlich sagen - im Wesentlichen zulasten derjenigen, die sich am unteren Ende
der Einkommensskala befinden. Wer ohnehin wenig
Einkommen hat, bekommt künftig weniger Elterngeld.
Wer gar kein Einkommen hat, bekommt gar kein Elterngeld mehr. Das ist die schwarz-gelbe Logik zur Sanierung des Haushalts.
Was Sie beim Elterngeld veranstalten, ist nicht nur sozial ungerecht; unserer Meinung nach ist es auch nicht
verfassungskonform. Darüber wird noch zu reden sein;
denn diese Kürzungsorgie folgt keiner sachlichen Begründung, sondern ist ganz willkürlich gewählt worden.
({1})
Die alleinerziehende Mutter, die zehn Jahre lang erwerbstätig war, arbeitslos wurde und dann ein Kind bekommt, erhält keinen Cent Elterngeld mehr. Die Ehefrau, die nie erwerbstätig war, deren Mann aber als Notar
vielleicht 400 000 Euro im Jahr verdient, bekommt weiter das Mindestelterngeld von 300 Euro.
({2})
- Verstehen Sie nicht, was dahintersteht?
({3})
- Das tut mir leid; aber das ist ja Ihr Problem, nicht
meins.
({4})
Wenn dann die Streichung des Elterngelds für die alleinerziehende Mutter auch noch mit Erwerbsanreizen
begründet wird, wie es die Ministerin vorträgt, dann ist
das purer Hohn und unanständig.
({5})
Anstatt sich um Strukturentwicklung für die Kinderbetreuung zu kümmern, damit es überhaupt möglich ist,
dass junge Mütter und junge Väter erwerbstätig sein
können, tun Sie auf diesem Feld gar nichts und lassen
die Städte und Kommunen alleine. Diese werden den
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Jahr 2013
wahrscheinlich nicht umsetzen können. Das kümmert
Sie überhaupt nicht. Sie machen keinen nationalen Kinderpark. Sie machen keine Konferenz, um die einzelnen
Ebenen zusammenzuführen, was wir Ihnen immer wieder vorgeschlagen haben. Nichts tun Sie in diesem Bereich. Sie sagen nur: Das ist ein Rechtsanspruch, der zu
verwirklichen ist. - Die Menschen stehen aber, wenn sie
diesen Rechtsanspruch einfordern wollen, nicht bei Frau
Schröder, sondern bei jedem einzelnen Bürgermeister,
auch in Ihren Kommunen, und sagen: Ich habe einen
Rechtsanspruch, und das will ich jetzt umgesetzt haben.
Damit lässt der Bund die Kommunen und die Länder
völlig alleine.
({6})
Frau Schröder, weil wir heute eine Haushaltsdebatte
führen, muss ich Ihnen sagen: Kaum ein Haushalt hat so
drastische Kürzungen hinnehmen müssen wie der, für
den Sie verantwortlich sind. Man muss sich wirklich fragen, ob die Kürzungen ohne Ihr Zutun nicht vielleicht
sogar sozialverträglicher ausgefallen wären.
({7})
Mittlerweile kommt eine zweite Frage hinzu: Wären die
Frauen in diesem Land ohne eine Frauenministerin
Schröder nicht vielleicht sogar besser dran?
({8})
Sie lehnen gesetzliche Regelungen zur Verbesserung
der Chancen von Frauen im Erwerbsleben nach wie
vor ab. Es ficht Sie nicht an, dass im Jahre neun nach der
freiwilligen Vereinbarung zwischen Bundesregierung
und Wirtschaft noch keine Fortschritte erzielt wurden.
Es ficht Sie nicht an, dass Frauen für die gleiche Arbeit
immer noch rund ein Viertel weniger als Männer verdienen. Sie sagen: selbst schuld. - Das ist eine Verhöhnung
der Frauen in unserem Land. Es ficht Sie auch nicht an,
dass Frauen in Vorstandsetagen immer noch Ringeltauben spielen.
({9})
Frau Ministerin, Sie werden sogar von der Justizministerkonferenz - wahrlich kein Hort linken Sektierertums - überholt. Diese hat sich nämlich vor wenigen
Wochen - vielleicht haben Sie es gelesen - für gesetzliche Quoten für Frauen in Führungspositionen ausgesprochen.
({10})
Sie hingegen halten an Ihrer Überzeugung fest, die Einführung solcher Quoten sei eine Kapitulation der Politik.
({11})
Ich sage Ihnen: Auf Quoten zu verzichten, wäre eine Kapitulation der Bundesregierung vor sich selbst. Dies offenbart, wie auf jedem Ihrer Betätigungsfelder, Ihre
Schwäche.
Frau Schröder, Ihre Schwäche schwächt die Familien
in unserem Land, die Frauen und die Alleinerziehenden.
Ihre Schwäche schwächt die Menschen in unserem
Land, die diese Gesellschaft tragen und die sie auch in
Zukunft tragen sollen. Sie sind ein absoluter Fehlgriff.
Vielen Dank.
({12})
Das Wort hat der Kollege Andreas Mattfeldt von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau
Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Da wir heute über Familienpolitik reden und vonseiten der Opposition, wie
gerade von Frau Ziegler, Kritik geäußert wurde, sollten
wir uns einmal vor Augen führen, welchen Stellenwert
die Familienpolitik unter Grün-Rot genossen hat. Vielleicht erinnern Sie sich: Ihr ehemaliger Bundeskanzler
Gerhard Schröder hat die Familienpolitik bei der Vereidigung seines Kabinetts im Jahre 1998 als „Frauenpolitik und so Gedöns“ abgewertet. Ich kann nur sagen: Ein
solches Bild ist erschreckend. Leider war bei dem grünen Koalitionspartner damals so gut wie keine Reaktion
zu sehen.
({0})
Mehr Gleichgültigkeit kann man bei einem so wichtigen
Thema nicht an den Tag legen.
({1})
Für uns Christlich-Liberale ist Familienpolitik das
Schwerpunktthema.
({2})
Deshalb geben wir im kommenden Jahr 6,47 Milliarden
Euro für Familienpolitik aus. Nur durch eine vernünftige
Familien- und Jugendpolitik mit ganz klaren Schwerpunkten werden wir die Herausforderungen unserer sich
verändernden Gesellschaft bewältigen. Hierzu gehört
auch, dass wir als gewählte Volksvertreter verpflichtet
sind, allen Menschen - ich betone: allen -, der jungen,
der mittleren und der älteren Generation, Perspektiven
für die Zukunft zu bieten.
({3})
Solche Perspektiven kann es aber nur geben, wenn wir
durch verantwortungsvolle Ausgabenpolitik zukünftigen
Generationen Möglichkeiten bieten, ihre Wünsche und
Ideen zu verwirklichen.
({4})
Ich möchte der Bundesfamilienministerin Kristina
Schröder für ihren Einsatz für alle Generationen in diesem Land an dieser Stelle ganz ausdrücklich danken.
Insbesondere Familien erfahren eine ehrliche Wertschätzung. Durch den Einsatz unserer Familienministerin ist
es gelungen, im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes das Kindergeld zu erhöhen und höhere
Kinderfreibeträge einzuführen. Dies hat eine erhebliche
Entlastung der Familien zur Folge. Das ist für uns konkrete Politik für Familien.
({5})
Wir Christlich-Liberale nehmen Familienpolitik sehr
ernst; denn wir wissen, dass unser Land ohne Familien
und ihr Einstehen für Werte eine arme Zukunft hätte.
Deshalb gilt es Familien zu schützen und zu unterstützen.
({6})
Regelrecht entsetzt war ich über die Anträge, die die
Fraktion Die Linke in die Beratungen eingebracht hat.
({7})
Diese sehen Mehrausgaben in Höhe von insgesamt
9,5 Milliarden Euro vor.
({8})
Von Vorschlägen zur Gegenfinanzierung - das hat mich
nicht gewundert - ist allerdings keine Spur. So funktioniert Politik nicht. Ich fordere Sie auf, konkret zu sagen,
wo das Geld eingespart werden soll, das Sie so schön
verteilen wollen.
({9})
Ich sage Ihnen deutlich: Ohne Sparvorschläge ist das,
was Sie fordern, Herr Bockhahn, noch nicht einmal gut
gemeint und schon gar nicht gut gemacht; denn bezahlen
müssen Ihre vermeintliche Großzügigkeit letztendlich
unsere Kinder.
({10})
- Mit immer höheren Staatsschulden tun Sie Ihren und
meinen Kindern keinen Gefallen.
({11})
- Herr Bockhahn, ich frage Sie: Wie sollen denn unsere
Kinder Ihre Ideen umsetzen, wenn sie dann vor einem
noch größeren Schuldenberg stehen, als wir ihn schon
haben? Verantwortungsvolle Politik sieht anders aus.
Verantwortungsvolle Politik betreibt die Familienministerin auch, wenn sie sagt: Wir sparen nicht an den
Kindern; wir sparen für die Kinder. - Deshalb zeugt es
von großer Verantwortung, dass auch im Familienetat
Möglichkeiten zu Einsparungen gesucht und umgesetzt
wurden. Wir kürzen allerdings gemeinsam mit der
Ministerin nicht ohne Sinn und Verstand, sondern genau
an den richtigen Stellen.
Ich sage Ihnen auch deutlich: Dort, wo Geld bei den
Menschen und bei den Kindern ankommt, wo es sinnvoll
eingesetzt wird, geben wir mit gutem Grund mehr Geld
aus, zum Beispiel für die Bildung der Kinder. Bildungschancen entscheiden über die Zukunft der Kinder,
über Arm und Reich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie prangern doch immer die Armut in diesem
Land an.
({12})
Sie haben aber in Ihrer Regierungsverantwortung, gerade als Grün-Rot regierte, nichts dafür getan, dass Kinder aus ärmeren Verhältnissen die gleichen Startchancen
haben wie ihre wohlhabenderen Schulkameraden. Wir
sprechen nicht nur davon, dass alle Kinder die gleichen
Startchancen haben sollen, sondern wir tun es auch. Deshalb werden von 2011 bis 2014 400 Millionen Euro für
die frühkindliche Sprachförderung ausgegeben. Dieses Geld hilft Kindern ausländischer Herkunft genauso
wie deutschen Kindern mit Sprachdefiziten und ermöglicht ihnen einen guten Start in ihren Bildungs-, Berufsund damit Lebensweg.
({13})
Aus praktischer Erfahrung weiß ich, wie wichtig und erfolgreich gerade in Kindertagesstätten mit hohem Förderbedarf eine solche Unterstützung sein kann. So erhalten zukünftig circa 4 000 Kitas mit Förderbedarf pro
Jahr eine zusätzlich von uns mit je 25 000 Euro finanzierte Halbtagsstelle für qualifizierte Sprachförderung.
Diese zusätzlichen Kräfte werden direkt - das war
uns wichtig - in den Kitas eingesetzt und leisten dort effektive Arbeit. Es ist eben besser, die Förderung ganz
früh anzusetzen, als in späteren Jahren nur noch die negativen Auswirkungen einer nicht optimalen Förderung
notdürftig zu behandeln. Deshalb geben wir diese
400 Millionen Euro in die Kindertagesstätten, obwohl
dies nicht originäre Aufgabe des Bundes ist, sondern im
Verantwortungsbereich der Länder und der Kommunen
liegt. Es hilft doch nicht, wenn wir uns hier in Berlin
tolle Programme für die kommunale Ebene überlegen
und vergessen, das Geld zur Finanzierung mitzugeben.
Das war vielleicht in Ihrer Regierungszeit üblich. Wir
verstehen gemeinsame Politik und vor allen Dingen Unterstützung von Kommunen anders.
({14})
Außerdem hat Kristina Schröder durchgesetzt, dass
diejenigen Kinder, deren Eltern ein geringes Einkommen
und Kinderzuschlag erhalten, genauso vom Bildungspaket profitieren wie die Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Dafür bin ich Ihnen, Frau Ministerin, sehr dankbar.
Ich denke, der Einsatz hat sich gelohnt.
({15})
Gerade diese Eltern müssen wir dafür belohnen, dass sie
arbeiten gehen. Deshalb müssen auch diese Kinder vom
Bildungspaket profitieren.
({16})
Ein weiterer Mitteleinsatz in diesem Haushalt war gerade unseren Familienpolitikern wichtig. Es werden
erste Mittel bereitgestellt, um bundesweit eine Notrufnummer bei Gewalt gegen Frauen einzurichten. Leider
erreichen wir mit den bestehenden Hilfestrukturen viele
von Gewalt betroffene Frauen nicht. Häufig ist das Hilfesystem entweder nicht bekannt, oder es gibt falsche
oder unklare Vorstellungen über das Beratungsangebot
und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme. Mit
einer bundesweiten Notrufnummer „Gewalt gegen
Frauen“ möchten wir die bestehenden Lücken im Hilfesystem schließen. Von Gewalt betroffenen Frauen soll
damit ein niedrigschwelliges, gut erreichbares und anonymes Erstberatungsangebot gemacht werden. Mit diesem Projekt soll zwar erst 2012 gestartet werden, aber
bereits 2011 wird es erste Ansätze einer Konzeption geben.
Eine weitere Frage, die uns bei den Haushaltsberatungen stark beschäftigt hat, war, wie es nach der Aufhebung der Wehrpflicht mit dem Zivildienst weitergeht.
Bei einer so wichtigen Frage wollten wir, die Unionsfraktion, uns aus nachvollziehbaren Gründen innerparteilich Unterstützung holen. Die haben wir jetzt. Ich
halte - das sage ich hier auch persönlich sehr deutlich die Aussetzung der Wehrpflicht aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage, aus einsatztaktischen
Gründen und auch mit Blick auf demografische Veränderungen und die Wehrgerechtigkeit für eine notwendige
Entscheidung. Damit Anschlusslösungen für den Zivildienst umgesetzt werden können, haben wir Vorsorge
getroffen und entsprechende Anträge eingebracht. Dadurch erhält das Ministerium die nötige Flexibilität, um
auf die Aussetzung zu reagieren, die bei der Haushaltsaufstellung noch nicht absehbar war. Deshalb bin ich
dem Familienministerium dankbar, dass schnell Vorstellungen für einen freiwilligen Zivildienst erarbeitet wurden und mit dem Gesetzgebungsverfahren zügig begonnen werden kann.
Meine Damen und Herren, John F. Kennedy hat einmal einen sehr klugen Satz gesagt
({17})
- hören Sie ruhig zu! -, der auch die Arbeit der christlich-liberalen Koalition charakterisiert. John F. Kennedy
sagte:
Einen großen Vorsprung im Leben hat, wer da
schon handelt, wo die anderen noch reden.
Ich sage Ihnen deutlich: Während Sie von der Opposition noch nicht einmal über die entscheidenden Dinge
sprechen, haben wir, die christlich-liberale Koalition,
das Zepter in die Hand genommen und die notwendigen
Entscheidungen getroffen. Ich lade Sie herzlich ein,
hieran aktiv mitzuwirken und zukunftsweisend zu arbeiten, anstatt mal wieder dagegen zu sein.
Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort hat jetzt der Kollege Steffen Bockhahn von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ab dem kommenden Jahr ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Abschaffung wäre selbstverständlich das Richtige gewesen, aber die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt.
Insofern ist es folgerichtig, dass man auch die Parallelstruktur nicht vollständig abschafft; denn genauso, wie
Sie die Wehrpflicht jetzt Hals über Kopf ausgesetzt haben, traue ich Ihnen zu, dass Sie sie auch wieder einsetzen.
({0})
Insofern ist es notwendig, eine Parallelstruktur aufrechtzuerhalten,
({1})
und insofern kann man auch gut erklären, dass es einen
freiwilligen Zivildienst gibt. Das ist natürlich die Folge
der Aussetzung der Wehrpflicht. Dass Sie diese Struktur
aufrechterhalten, ändert nichts daran, dass es in diesem
ganzen Bereich einen gravierenden Strukturwandel geben wird; das ist ganz klar. Das wird allein dadurch deutlich, dass Sie die Zahl der Dienststellen von 90 000 auf
35 000 reduzieren.
Sie haben jetzt natürlich die Chance, ihre eigenen Ansprüche an den Zivildienst zu erfüllen. Sie können jetzt
zeigen, dass es sich tatsächlich um zusätzliche Stellen
und nicht um Billiglohnjobs handelt. Sie haben die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass Berufsorientierung und
Bildungselemente in diesem freiwilligen Zivildienst
endlich eine größere Rolle spielen, als das vorher im unfreiwilligen Zivildienst der Fall gewesen ist. Bei allem,
was ich positiv an diesem Element zu sehen bereit bin,
frage ich mich: Was unterscheidet eigentlich einen westdeutschen Zivildienstleistenden von einem ostdeutschen?
({2})
Warum bekommt der westdeutsche bis zu 324 Euro und
der ostdeutsche nur bis zu 273 Euro?
({3})
Das sind 16 Prozent Unterschied. 20 Jahre nach der
deutschen Einheit degradieren Sie Ostdeutsche ein weiteres Mal und geben ihnen 16 Prozent weniger Geld. Dafür sollten Sie sich schämen.
({4})
Außerdem mache ich mir jetzt schon Sorgen, was Ihnen zum freiwilligen Zivildienst noch alles einfällt.
Nachdem wir in den letzten Tagen und Wochen immer
wieder erfahren durften, wie kreativ Sie bei den Arbeitslosenstatistiken sind, warte ich nur darauf, dass der freiwillige Zivildienst ein freiwilliger Dienst für Arbeitslose
wird, damit sie aus der Statistik fallen. Ich hoffe, dass
Sie das bisher noch nicht in Betracht gezogen haben und
dass Sie das auch künftig nicht werden.
Wir reden hier über ein hohes Maß an Engagement im
Freiwilligenbereich. Das gibt es in dieser Gesellschaft
auch woanders, nämlich beim Einsatz für Demokratie
und Toleranz, vor allen Dingen beim Kampf gegen
Rechtsextremismus. Es ist gut, dass bei den Mitteln für
den Kampf gegen Rechtsextremismus in diesem Jahr
nicht gespart wird. Viele ambitionierte Projekte, die
überall im Land große Beachtung finden, sind ein Beleg
dafür, dass immer wieder gute Arbeit geleistet wird.
Selbstverständlich gibt es immer wieder CDU-Landräte und -Bürgermeister, die sich erfreut bei entsprechenden Anlässen im Zusammenhang mit solchen Initiativen
und Kampagnen zeigen, wo es sich gut macht. Aber
langsam scheinen Ihnen die Interessenten für Ihre neuen
Programme auszugehen. Der Grund dafür ist relativ einfach: Die Träger wollen nicht mehr; denn ab sofort verlangen Sie die Unterschrift unter eine Erklärung, die äußerst problematisch ist. Um es klar zu sagen: Es ist nicht
zu viel verlangt, dass sich die Träger von Projekten, die
sich aus Steuermitteln finanzieren, zum Grundgesetz bekennen. Ich kann aber nicht sehen, dass das bisher nicht
der Fall war. Künftig soll Folgendes unterschrieben werden:
Hiermit bestätigen wir, dass wir
- uns zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen
und
- eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche
Arbeit gewährleisten.
Das ist kein Problem. Aber dann geht es weiter:
Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir
zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten … und
auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen,
dass die als Partner ausgewählten Organisationen,
Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des
Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass
keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass
einer Unterstützung extremistischer Strukturen
durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.
({5})
So weit, so gut. Unabhängig davon, dass jeder Laie erkennt, dass das nicht justiziabel ist, verlagern Sie die
Verantwortung auf die Träger. Das ist unglaublich; das
kann niemand leisten. Das wissen die Träger, und deswegen laufen sie Sturm.
Im Übrigen gehen Sie dabei von einem hochinteressanten Linksextremismus-Begriff aus; denn Linksextremismus beschreibt Ihrer Meinung nach „Bestrebungen
von Personenzusammenhängen …, die anstelle der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft … etablieren wollen“. Das sind zwar durchaus Dinge, die Sie nicht
mögen. Sie sind aber im Zweifel unter bestimmten Bedingungen sogar vom Grundgesetz gedeckt. Viel dramatischer ist aber, dass Sie damit Trägern untersagen, nicht
nur nicht mit uns, sondern auch nicht mit der SPD zusammenzuarbeiten. Sie will auch den demokratischen
Sozialismus. Aber linksextrem ist sie nicht; das kann ich
Ihnen versichern.
Der entscheidende Punkt ist, dass Sie an der Stelle
eine haushalterische Gleichsetzung vornehmen. Sie sagen immer: Haushaltspolitik ist in Zahlen gegossene
Politik. Sie setzen Dinge gleich, die nicht gleichzusetzen
sind. Auch wenn es Ihnen nicht gefallen mag, das immer
wieder zu hören: Es hat seit 1990 143 Todesopfer durch
rechtsextreme Gewalt gegeben. Es gab aber seit 1990
nicht ein einziges Opfer linksextremer Gewalt, Herr
Toncar. Hören Sie genau hin!
({6})
Das mag Ihnen nicht gefallen. Trotzdem sind es die Fakten. Sie setzen Dinge gleich, die nicht gleichzusetzen
sind. Das ist kreuzgefährlich.
({7})
Das Wort hat der Kollege Florian Toncar von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2011 ist unverkennbar ein Sparhaushalt. Es ist ein
Haushalt, in dem auch schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Unterschied zwischen einer
Regierung und einer Opposition ist offenkundig, dass
die Regierung anhand von Zahlen konkret belegt, wo
man spart und wie man den Haushalt konsolidiert, statt
allen alles zu versprechen und dann gegen jede einzelne
Maßnahme zu sein.
({0})
Wir sind davon überzeugt, dass die Schuldenreduzierung, die diese Koalition vornimmt und die sie Jahr für
Jahr fortsetzen und steigern wird, ein Zukunftsprojekt
ist, das auch im Interesse der jungen Menschen, der Kinder und der noch gar nicht geborenen Menschen in
Deutschland liegt, und dass es nicht zuletzt deshalb Zukunftspolitik ist, weil es die Handlungsfähigkeit des
Staates auch in den Jahren 2020 und 2030 und in den zukünftigen Jahrzehnten sichert. Das nutzt niemandem
mehr als den jungen Menschen und den künftigen Generationen.
({1})
Dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich letzten
Endes im Haushalt wider. Wir haben auf der einen Seite
mit der Qualifizierungsoffensive eine deutliche Schwerpunktsetzung im Etat, auf die wir stolz sind. Das bedeutet, dass wir seitens des Bundes freiwillig, weil wir es für
richtig halten, Kindertagesstätten unterstützen und ihnen
mehr Personal für Sprachförderung und die Qualifizierung gerade von benachteiligten Kindern ermöglichen.
Es geht um kleine Kinder, die in ihren Familien nicht
oder nicht ausreichend lernen. Das ist eine wichtige sozialpolitische Aufgabe. Es dient der Integration und trägt
dazu bei, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen
werden, dass diese Kinder dann, wenn sie in den Kindergarten kommen, Kontakte schließen können und später
auch in der Schule mitkommen. Das ist weit wirksamer
als viele andere Maßnahmen, die es bisher in der Familienpolitik gegeben hat.
({2})
Auf der anderen Seite sind im Zuge dieses Haushaltes
und des Haushaltsbegleitgesetzes bzw. des Sparpakets
Maßnahmen vorgesehen, die niemandem leichtfallen.
Dazu zählen zweifelsohne auch die Einsparungen beim
Elterngeld. Aber die Haushaltslage erfordert gelegentlich, dass man sich auch an der einen oder anderen Stelle
mit solchen Dingen auseinandersetzen muss. Darüber hinaus möchte ich in Erinnerung rufen, dass das Kindergeld und die Kinderfreibeträge, die den Kindern in allen
Altersgruppen zur Verfügung stehen und zugutekommen, erhöht worden sind. Das muss man im Zusammenhang sehen.
({3})
Zweifelsohne fällt uns das Thema Elterngeld nicht
leicht, ist aber von der Sache her richtig. Es ist übrigens
systemgerecht, dass es auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, ebenso wie die Regelung, die Rot-Grün eingeführt hat, generell vorsieht, dass alle Einkünfte - egal
woher sie kommen - auf die Leistungen angerechnet werden. Das ist gerade eine der zentralen Neuerungen dieses
Systems gewesen, und letzten Endes sind die Änderungen, die wir hier vornehmen, auch konsequent.
({4})
Es gibt übrigens einen entscheidenden Unterschied
zwischen einer Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht,
und einer Arbeitnehmerfamilie, die das Elterngeld erhält.
Erstere bekommt über das SGB II, über die Jobcenter, ihren Bedarf abgedeckt. Der Elternteil, der wegen des
Elterngeldes pausiert, bekommt hingegen kein Ersatzeinkommen. Aber genau das ist die Funktion des Elterngeldes. Das heißt, da ist nichts anderes vorhanden, was den
Bedarf abdeckt.
({5})
Auch vor diesem Hintergrund glauben wir, dass die Lösung, die wir beim Elterngeld gefunden haben, richtig
ist.
Wir haben darüber hinaus bei bestimmten Projekten
Einsparungen vorgenommen. Diese Einsparungen betreffen keine laufenden Projekte, sondern schränken die
Möglichkeit ein, zukünftig neue Projekte in unterschiedlichen Bereichen anzugehen. Es wird natürlich auch zukünftig neue Projekte geben, allerdings nicht in dem
Umfang, den man vielleicht vor zwei oder drei Jahren
hätte vorhersehen können. Das ist der Haushaltslage geschuldet und dient mit Sicherheit auch der Reduzierung
der Neuverschuldung.
Wir haben ein Projekt, das uns als Koalition wichtig
ist, ganz bewusst neu eingeführt. Das ist - das ist schon
vom Kollegen Mattfeldt angesprochen worden - das Hilfetelefon für Frauen, die von Gewalt betroffen sind.
Dieses niedrigschwellige Angebot soll bundesweit eingeführt werden, damit für die Frauen ein Ansprechpartner
vorhanden ist. Das ist ein Schwerpunkt, den wir setzen
wollen, und dieses Projekt wollen wir in den nächsten
Jahren etablieren und weiterentwickeln. Das zeigt, dass
wir uns auch in Zeiten, in denen gespart werden muss,
sehr genau überlegen, welche Schwerpunkte wichtig und
sinnvoll sind.
({6})
Auf einen Punkt, der auf Kritik gestoßen ist, möchte
ich noch einmal eingehen. Das ist, Frau Kollegin Ziegler,
das Thema Alleinerziehende. Sie haben gesagt, diesen
Menschen würde die Eingliederungsleistung gekürzt.
Das ist so natürlich nicht richtig. Es ist richtig, dass gerade Alleinerziehende Hilfe von den Jobcentern benötigen und dass sie in hohem Maße Eingliederungsleistungen in Anspruch nehmen. Es ist in der Tat ein trauriges
Phänomen, dass für diese Gruppe der Zugang zum Arbeitsmarkt besonders schwierig ist. Hinsichtlich der Einsparungen, die in diesem Bereich stattfinden - das muss
man einfach einmal ins richtige Verhältnis setzen -, ist es
so, dass wir heute für 3 Millionen Arbeitslose denselben
Betrag für Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung
stellen, der 2005 für fast 5 Millionen Arbeitslose zur Verfügung stand. Das möchte ich in Erinnerung rufen. Insofern steht für die einzelne Person mehr Geld für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zur Verfügung als noch
im Jahr 2005. Das wollen wir auch. Denn wir halten es für
richtig. Man muss es jedoch klarstellen, damit hier keine
falschen Tatsachen im Raume stehen.
Vielen herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler von
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Frau Ministerin Schröder! Wir haben heute
den 25. November. Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, und leider brauchen
wir diesen Tag immer noch. Wir finden in diesem Haushalt endlich Gelder für eine bundesweite Hotline für
Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Das finde ich gut,
aber dies reicht bei weitem noch nicht aus. Wir brauchen
ein breites überparteiliches und gesellschaftliches Bündnis, um Gewalt gegen Frauen nicht nur heute, sondern an
jedem Tag in jedem Monat im ganzen Jahr zu ächten.
({0})
Gewalt an Frauen bedeutet beispielsweise Genitalverstümmelung. Jeden Tag werden 8 000 Mädchen Opfer
von Genitalverstümmelung. Gewalt gegen Frauen bedeutet aber auch Gewalt, die zu Hause stattfindet. Noch immer ist das eigene Heim der gefährlichste Ort für Frauen,
und das ist unabhängig von Bildung, Einkommen, Alter
oder Religionszugehörigkeit. Inzwischen ist jede vierte
Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Ich finde, kein Mann
hat das Recht, eine Frau zu schlagen, und niemand hat das
Recht, dabei wegzuschauen.
({1})
In den letzten Wochen, Frau Schröder, haben Sie mit
markigen Sprüchen vor einer sogenannten Deutschenfeindlichkeit gewarnt. Um es ganz klar zu sagen, damit
keine Missverständnisse aufkommen: Wir Grüne sind gegen Mobbing und Gewalt gegen Menschen; das haben
wir immer klar betont. Dazu stehen wir auch. Aber in diesem Diskurs geht es darum ausdrücklich nicht. Auf unsere Frage, auf welche Erkenntnisse und Studien Sie sich
denn bei dieser sogenannten Deutschenfeindlichkeit stützen, kam nicht viel von Ihrem Ministerium. Sie haben unter anderem auf die GEW und das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen verwiesen. Interessant ist
allerdings, dass sich sowohl die GEW als auch das Institut
klar und eindeutig von Ihnen und Ihrem Diskurs um die
sogenannte Deutschenfeindlichkeit distanzieren. Es ist
schon eine ganz peinliche Nummer, dass Sie keinerlei Belege für Ihre Phantomdebatte vorweisen können.
({2})
Das ist aber auch logisch. Wer sich einmal mit Critical Whiteness, also kritischer Weißseinsforschung, be8302
fasst hat, weiß, dass Angehörige der weißen deutschen
Mehrheitsgesellschaft keinem strukturellen Rassismus
ausgesetzt sind. Gerade Menschen mit Migrationsgeschichte und nichtweiße Deutsche werden auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem diskriminiert. Gegen
diese strukturelle Diskriminierung, gegen diese Ausgrenzung müssen wir gezielt vorgehen.
({3})
Trotzdem befeuern Sie, Frau Schröder, wider besseres
Wissen wieder diese Scheindebatte. Mir ist auch klar,
warum Sie das machen, worum es hier geht. Der Banker
und Politiker Thilo Sarrazin hat ein Buch veröffentlicht,
in dem er sein rassistisches Weltbild aufgeschrieben hat.
In der Folge haben wir eine eklige, unsägliche und zum
Teil rassistische Debatte über Einwanderung und Integration in Deutschland erlebt. Zeitgleich mit Ihren Behauptungen von der Deutschenfeindlichkeit hat die
Friedrich-Ebert-Stiftung eine wertvolle Studie vorgelegt,
in der sie klar zeigt, dass Antisemitismus, Rassismus und
Islamfeindlichkeit nicht nur bei Nazis, sondern auch insbesondere in der Mitte der Gesellschaft vorkommen.
Von diesen Erkenntnissen, von diesem Rassismus der
Mitte wollen Sie, Frau Schröder, mit Ihrem rechten Aktionismus und Ihrer Scheindebatte ablenken. Sie machen
gezielt Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten.
Ich finde, das ist unverantwortlich, weil Sie damit die
Gesellschaft spalten.
({4})
Weil Sie eben nicht über Rassismus in der Mitte der
Gesellschaft sprechen wollen, versuchen Sie, Menschen,
die sich gegen Nazis, aber auch gegen gesellschaftlichen
Rassismus engagieren, zu diskreditieren. Mit Ihrem pseudowissenschaftlichen und gefährlichen Extremismusansatz wird bewusst gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft verharmlost. Damit
wird auch Neonazigewalt verharmlost und werden antifaschistische Initiativen diskreditiert. Deswegen finde ich
es besonders mutig und außerordentlich bewundernswert,
dass die Initiative AKuBiZ in Pirna den sächsischen Demokratiepreis abgelehnt hat, weil sie keine Extremismuserklärung unterschreiben wollte. Darum geht es: Wir
brauchen keine Scheindebatte über Extremismus, sondern müssen Menschen stärken, die sich gegen Nazis,
Rassismus und Antisemitismus zur Wehr setzen.
({5})
Frau Schröder, Sie machen auch Politik gegen Feministinnen und profilieren sich als Antifeministin. In der
Gleichstellungspolitik haben Sie bisher nichts vorgelegt. Das Gleiche gilt für die Frauenpolitik. Stattdessen
äußern Sie sich gerne in Interviews, so auch im Spiegel,
und sagen unter anderem zu den Lohnunterschieden bei
Männern und Frauen: Die Frauen sind selbst schuld. Sie
können ja etwas anderes studieren. - Das finde ich wirklich unglaublich. Anstatt die himmelschreiende Ungerechtigkeit bei den Löhnen zu kritisieren, verteidigen Sie
die herrschenden Zustände. Dabei ist doch völlig klar:
Wir brauchen endlich gleichen Lohn für gleichwertige
Arbeit.
({6})
Eine Frauenquote für Aufsichtsräte bezeichnen Sie als
„Kapitulation der Politik“. Es ist schon bezeichnend,
dass Sie beim Thema Quote noch rückständiger sind als
die CSU, Frau Schröder.
({7})
Nun gut, ich kann verstehen, dass ein CDU-Finanzminister oder ein CSU-Verkehrsminister keine Frauenpolitik macht und nicht für Feminismus streitet. Das ist
nicht toll, aber das war nicht anders zu erwarten. Dass
aber die zuständige Ministerin für Frauenpolitik eine so
dreiste Retropolitik gegen die Gleichstellung macht, das
zeugt wirklich von Arbeitsverweigerung und zeigt, dass
Sie die falsche Frau für dieses Ministerium sind.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Dr. Kristina
Schröder.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
mangelt im Einzelplan 17 nicht an interessanten Zahlen.
Die familienpolitische Debatte der letzten Wochen hat
aber eine Zahl bestimmt, die überhaupt nicht in unserem
Haushalt steht, nämlich die Zahl 17 402. Es sind nämlich
im Jahr 2009 17 402 Kinder weniger geboren worden
als 2008.
Diesen Rückgang der Geburtenzahl nehmen viele
zum Anlass, familienpolitische Leistungen für gescheitert zu erklären. Damit stellen sie den Sinn und Zweck familienpolitischer Leistungen generell infrage. Ich sage,
dass diese Argumentation ebenso schlicht wie gefährlich
ist; denn damit wird Familienpolitik ausschließlich zur
Bevölkerungspolitik degradiert. Ich hoffe, dass wir uns
bei allem Dissens, den wir hier natürlich haben,
({0})
in diesem Punkt einig sind, nämlich dass die Antwort auf
die Frage, ob Familienpolitik wirkt, sich nicht an Statistiken wie der Geburtenrate ablesen lässt.
({1})
Die Antwort auf die Frage, ob sich Mütter bei der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zerreißen, ob Väter
Zeit mit ihren Kindern verbringen, ob wir in UnternehBundesministerin Dr. Kristina Schröder
men zunehmend eine Kultur haben, die Respekt vor privaten Verpflichtungen hat, kann man nicht an der Geburtenrate ablesen.
({2})
Die Antwort auf diese Fragen ist aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Lebensqualität von
Familien essenziell.
({3})
Deshalb sollten wir hier feststellen: Das Elterngeld ist
keine Gebärprämie.
({4})
- Ich habe nie behauptet, dass das von Ihnen kommt. Regen Sie sich doch einmal ab! - Das Elterngeld ermöglicht vielmehr Familien, im ersten Jahr nach der Geburt
das zu tun, was sie sich am sehnlichsten wünschen, nämlich dass Mütter und Väter Zeit mit ihren Kindern verbringen können.
({5})
Ich danke allen, die in den parlamentarischen Beratungen dazu beigetragen haben, dass Familienpolitik in diesem Geist gemacht wird. Ich danke den Mitgliedern des
Familienausschusses, den Berichterstattern Herrn Bockhahn,
Herrn Mattfeldt, Herrn Toncar, Herrn Schwanitz und
Herrn Kindler.
Ich denke, dass man sagen kann, dass die Veränderungen, die gegenüber dem ursprünglichen Entwurf vorgenommen wurden, vor allen Dingen Familien mit kleinen
Einkommen zugutekommen; denn wir haben beim
Elterngeld Sonderregelungen für Minijobber und Aufstocker gefunden, wie ich das am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens zugesagt habe.
({6})
Die pauschal besteuerten Einkünfte - das betrifft vor allem die Minijobber - werden auch in Zukunft bei der
Berechnung des Elterngelds voll einbezogen. Eltern, die
Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Kinderzuschlag bekommen, aber vor der Geburt eines Kindes als Aufstocker gearbeitet haben, bekommen weiterhin Elterngeld.
Das heißt, derjenige, der vor der Geburt des Kindes gearbeitet hat, steht besser da als der, der nicht gearbeitet hat.
Das ist richtig; denn Arbeit schafft Zukunftsperspektiven
für Eltern und Kinder, und das wollen wir unterstützen.
({7})
Zukunftsperspektiven schafft auch die zweite Änderung, die wir durchgesetzt haben. Ich habe durchgesetzt,
dass im Rahmen der Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze
auch Kinder von Geringverdienern Anspruch auf das
Bildungs- und Teilhabepaket haben. Obwohl uns das
Bundesverfassungsgericht das nicht vorgeschrieben hat,
geben wir dafür 98 Millionen Euro aus. Davon profitieren 300 000 Kinder in Deutschland, deren Eltern den
Kinderzuschlag bekommen. Diese Kinder haben zukünftig genauso wie die Kinder im Hartz-IV-Bezug einen
Anspruch auf Nachhilfe, auf Schulausflüge und auf das
Mittagessen in Kindergärten und Schulen. Das sichert
Hunderttausenden Kindern faire Chancen. Es ist ein Signal an die Kinder: Du bist mit dabei. Das ist ein Signal
an die Eltern, die für geringes Einkommen hart arbeiten,
dass ihr Fleiß sich lohnt.
({8})
Dies entspricht auch dem Menschenbild von Union
und FDP. Wir wollen nämlich keinen Staat, der die
Schwachen quasi dauerhaft abschreibt und sagt, ihr bekommt staatliche Almosen und damit ist es gut, sondern
wir wollen einen Staat, der Chancen sichert. Deshalb
müssen wir bei den Bildungschancen der Kindern anfangen, und das tun wir hiermit.
({9})
Deshalb ist auch die Offensive „Frühe Chancen“ so
wichtig. Im Rahmen der Offensive „Frühe Chancen“
- Herr Mattfeldt und Herr Toncar haben es schon erwähnt - haben wir 4 000 Stellen für die Sprachförderung geschaffen.
({10})
Jetzt sagen Sie: Alles ganz toll, aber Peanuts. Ich
kann Ihnen nur sagen: Es haben sich schon über
1 000 Kitas aus ganz Deutschland um diese Stellen beworben. Alle 16 Bundesländer - unabhängig von der
Partei, von der sie regiert werden - haben die Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Sie machen mit. Vielleicht ist das auch einmal ein Hinweis an die Opposition:
Man muss nicht immer nur stupide krakeelen und alles
schlecht finden. Vielleicht ist es, wenn es um die Chancen unserer Kinder geht, auch einmal angesagt, auf diesem Gebiet zusammenzuarbeiten, meine Damen und
Herren.
({11})
Faire Chancen brauchen Menschen, die sich Zeit für
Verantwortung nehmen. Damit komme ich zum Gesetzesentwurf für den Bundesfreiwilligendienst. Das
drückt sich im Haushalt nur andeutungsweise aus; aber
dieser Gesetzentwurf wurde vorgelegt. Herr Bockhahn,
Sie haben es angesprochen: In der Tat ist in diesem Referentenentwurf noch eine unterschiedliche Bezahlung für
Ost und West vorgesehen. Wir orientieren uns dabei an
den Ländern, die seit Jahren im FSJ und im FÖJ unterschiedliche Höchstgrenzen haben. Ich aber sage: Ich will
alles dafür tun, dass wir hier eine gleiche Bezahlung
- sowohl bei den Zuschüssen als auch bei den Taschengeldern - für den Osten wie für den Westen hinbekommen.
({12})
Zeit für Verantwortung ist natürlich auch das Thema
in der Arbeitswelt. Hier leistet das Elterngeld einen entscheidenden Beitrag, weil es Eltern ermöglicht, eine Zeit
lang zu pausieren, und weil es ihnen die Möglichkeit
gibt, gemeinsam und partnerschaftlich Verantwortung
für ihre Kinder zu übernehmen. Auch Väter wollen diese
Verantwortung übernehmen. Sie fordern das auch immer
mehr bei ihren Arbeitgebern ein. Auch wenn mir klar ist,
dass die Väter immer noch kürzere Zeiten als die Mütter
nehmen, ist das dennoch ein Riesenfortschritt, denn das
führt auch zu einem Wandel in der Arbeitswelt.
({13})
Diesen Wandel in der Arbeitswelt brauchen wir. Denn es
ist doch richtig: In der Arbeitswelt, gerade auch in den
Führungsetagen, ist das immer noch stark auf Männer
- oder, anders ausgedrückt, auf Menschen, die die Verantwortung für Familie delegieren können - zugeschnitten. Deswegen haben wir in der Tat das klassische Muster bei den Menschen, die zwischen 30 und 40 Jahre alt
sind. Der Mann nimmt zwei, drei Karriereschritte auf
einmal, die Frau macht zwei, drei Jobs auf einmal: Kindererziehung, Haushalt und Berufstätigkeit. Die Ursachen hierfür sind Rollenverteilungen in den Familien,
aber eben auch die Strukturen in der Arbeitswelt.
An beiden Punkten setzt das Elterngeld an. Sie können den Erfolg auf Spielplätzen, in Arztpraxen und bei
Elternabenden sehen. Überall sehen Sie immer mehr Väter, und immer mehr Unternehmen setzen sich für eine
familienfreundliche Arbeitskultur und Wiedereinstieg
ein.
({14})
Deswegen haben wir mit dem Elterngeld so viel erreicht. Es ist ganz klar: Die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden, damit unsere Gesellschaft familienfreundlicher wird. Wir dürfen nicht weiter fragen,
wie sich Familie ändern muss, um an die Arbeitswelt angepasst zu sein, sondern wir müssen die Arbeitswelt den
Bedürfnissen von Familien anpassen. Hier ist das Elterngeld ein ganz wichtiger Ansatz.
({15})
Das spiegelt sich im Einzelplan 17 wider. Deshalb sind
die 4,4 Milliarden, die wir für das Elterngeld ausgeben,
gut angelegtes Geld, denn sie erreichen ihren Zweck sowohl familienpolitisch als auch gleichstellungspolitisch.
({16})
Das Wort hat der Kollege Rolf Schwanitz von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Ministerin Schröder, ich will Ihnen, aber
auch den Mitarbeitern des Hauses zuallererst für die Zusammenarbeit in den Haushaltsberatungen danken. Das
hat noch keiner hier getan. Deswegen will ich das machen. Das ist das eine.
Die Kritik an Ihrem Haushaltsentwurf ist das andere.
Dazu gibt es allen Grund. Ich will aus Ihrer Rede nur einen Punkt aufgreifen, der mich in besonderer Art und
Weise berührt. Was soll es heißen, Sie setzen sich dafür
ein, dass es beim Bundesfreiwilligendienst dasselbe Taschengeld gibt? Das ist Ihr Gesetzentwurf; den haben Sie
vorgestellt.
({0})
Dann legen Sie gefälligst einen anderen vor!
Meine Damen und Herren, nur selten war ein Haushaltsentwurf so sehr ein Spiegelbild für den Fehlstart einer neuen Ministerin.
({1})
Dafür gibt es viele Gründe. Ich will mich bloß auf drei
Felder konzentrieren.
Das erste Feld ist, Frau Ministerin Schröder, wie Sie
in die Aufstellung und in die Beratung dieses Haushaltes
hineingegangen sind. Während Sie vorn Ihren Einzelplan 17 als Steinbruch für die Haushaltskonsolidierung
angeboten haben - Stichwort Elterngeld -, fliegt Ihnen
hinten an vielen Stellen in Ihrem Einzelplan alles um die
Ohren, weil schlicht und einfach das Geld fehlt. Ich
nenne dafür einmal drei Beispiele:
Erstes Beispiel: Begonnen hat alles mit der Aufstellung des Haushaltes 2010; daran erinnere ich noch einmal. Als wir über den Haushalt 2010 in der Bereinigungssitzung im März dieses Jahres geredet haben,
wurde eine globale Minderausgabe beim Bundesamt
für Zivildienst eingebracht. Es sollten Gelder in Höhe
von 14,2 Millionen Euro eingespart werden. Das wurde
heftig kritisiert, auch hier im Plenum, weil diese Minderausgabe mit zurückgehenden Zahlen bei den Zivildienstleistenden begründet wurde. Wir haben gesagt, das ist
schiefe Informationspolitik; denn darüber ist nie geredet
worden. Nun gibt es einen Brief von Ihnen, den das
BMF dem Haushaltsausschuss vorgelegt hat. In diesem
geht es nicht um die Einsparung in Höhe von 14,2 Millionen Euro, sondern in diesem bitten Sie, Frau Ministerin, den Haushaltsausschuss, in der nächsten Woche
Mehrausgaben in Höhe von 38 Millionen Euro über Plan
wegen höherer Zivildienstzahlen zu genehmigen. Das ist
die Situation: Sieben Monate hat es seit dieser März-Aktion gedauert, bis Sie hier quasi einen Offenbarungseid
leisten mussten.
({2})
Zweites Beispiel: Bildungs- und Teilhabepaket für
Familien mit Kinderzuschlag. Hier treten nach dem
Haushaltsentwurf in 2011 und 2012 Mehrkosten in Höhe
von jeweils 60 Millionen Euro auf. Für diese gibt es faktisch keine Deckung. Das heißt, das ist eine Leistung, die
in diesem Haushalt auf Pump finanziert wird.
Drittes Beispiel: Kinderregelbedarfe bei Hartz-IVFamilien. Hier ist laut dem Gesetzentwurf im Einzelplan 17 nicht nur die Summe von 98 Millionen Euro für
die Grundkosten zu finanzieren, sondern laut dem Gesetzentwurf fallen weitere Mehrkosten durch eine Veränderung der Erwerbstätigenfreibeträge beim Kinderzuschlag in Höhe von 25 Millionen Euro an. Das ist schlicht
und einfach in 2011 nicht etatisiert, also quasi vergessen
worden. Ich sage einmal voraus: Es wird wenige Monate
dauern, und dann werden Sie im Haushaltsausschuss eine
überplanmäßige Ausgabe hierfür beantragen.
Dies alles hat mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit überhaupt nichts mehr zu tun.
({3})
Sie geben vorn die Einsparministerin, und hinten fliegt
Ihnen der ganze Etat um die Ohren.
({4})
Das ist nichts anderes als ein Komplettversagen in den
Haushaltsberatungen. Das ist das Erste, was ich Ihnen
vorhalte.
Das zweite Feld, das ich ansprechen möchte, ist die
Prävention gegen Rechtsextremismus. Auch das, was
hier geschieht, ist aus meiner Sicht ein Spiegelbild für
einen glatten Fehlstart. Sie haben gegen allen Rat die
drei Präventionstitel zusammengeworfen und stellen nun
mit Ihrer Verfassungstreueerklärung alle Initiativen gegen rechts quasi unter Extremismusverdacht. Zugleich
stampfen Sie Projekte gegen Linksextremismus aus dem
Boden, deren Sinnhaftigkeit wirklich bezweifelt werden
muss.
Ein Beispiel will ich nennen: Ihr Parlamentarischer
Staatssekretär, Herr Kues, hat uns am 15. November
schriftlich informiert, welche Projekte das sind und dass
ein Projekt mit der Bezeichnung „Wir fahren nach Berlin!“ auch von der Jungen Union getragen wird.
({5})
Ein Blick auf die Homepage der Jungen Union in Köln
kann da weitere interessante Details vermitteln. Ich zitiere:
Kurzfristig können wir allen JUlern aus Köln und
Umgebung noch für dieses Jahr eine Fahrt nach
Berlin anbieten. Unter dem Oberthema „Linksextremismus“ werden wir u. a. beim Checkpoint
Charlie vorbeischauen, uns mit unseren Kölner
Bundestagsabgeordneten austauschen und mit unseren Freunden des JU-Deutschlandrates im Felix
feiern.
({6})
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch
nicht einmal wusste, was das „Felix“ ist. Ich darf deshalb
von der Homepage des „Felix“ zitieren:
… eine einzigartige Symbiose für anspruchsvolles
Clubbing, denn das FELIX ClubRestaurant ist ein
Ort, an dem man sehen und gesehen werden möchte
und in pulsierender Clubatmosphäre elegant und
ausgelassen feiert.
({7})
Den Initiativen gegen Rechtsextremismus Knüppel zwischen die Beine werfen und gleichzeitig unter dem
Oberthema „Linksextremismus“ Vergnügungsreisen der
Jungen Union finanzieren: Wenn so Ihre Extremismusprävention aussieht, dann sollten Sie aufhören.
({8})
Ich will zum Schluss noch ein Wort zu Ihrer Qualifizierungsoffensive sagen. Wir schelten Sie nicht für das
Ziel dieser Initiative; denn frühkindliche Bildung, noch
dazu in den Kindertagesstätten, ist ein wichtiges Thema.
Aber dass Sie das gescheiterte Instrument des Modellprojekts, dessen sich Ihre Amtsvorgängerin beim Besuch
von Mehrgenerationenhäusern wohl eher wegen Fototerminen bedient hat, benutzen, das ist fahrlässig. Das
sollte man bei einem Kernthema Ihres Hauses nicht tun.
Wenn Sie von dieser Idee nicht Abstand nehmen und
nicht versuchen, nachhaltige Strukturen zu schaffen,
dann wird auch dieses Projekt zum Scheitern verurteilt
sein.
Herzlichen Dank.
({9})
Florian Bernschneider von der FDP-Fraktion ist der
nächste Redner.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aussetzung der Wehrpflicht, der Verzicht auf
den Zivildienst und damit auch ein engagementpolitischer historischer Wandel stehen unmittelbar bevor.
Diese Koalition setzt zukünftig auf Freiwilligkeit anstatt
auf Pflichtdienste. Ich kann Ihnen versichern, auch mir
als Liberalem kann es gar nicht schnell genug gehen,
diesen Wandel zu vollziehen. Schließlich haben gerade
SPD und Grüne wichtige Regierungsjahre verpasst, um
diesen Wandel endlich anzupacken.
({0})
Dieser Haushalt kann nur das abbilden, was die aktuelle Gesetzeslage ist. Mit ihm kann die Aussetzung der
Wehrpflicht vorbereitet werden. Durch ihn kann sie natürlich noch nicht vollzogen werden. Es freut mich zwar,
dass die SPD mit ihrem Änderungsantrag zum Ausdruck
bringt, dass sie unser Konzept der Stärkung der Freiwilligendienste anscheinend so gut findet, dass sie am
liebsten schon jetzt die Mittel dafür einstellen will.
Trotzdem sollte man dem Weg folgen, erst die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen und dann die Mittel im
Haushalt bereitzustellen. Das empfiehlt sich.
Klar ist auch: Noch bevor wir den Haushalt auf diesen
wichtigen Wandel vorbereiten, müssen wir die Träger
und die Einsatzstellen vor Ort darauf einstellen. Deswegen war es wichtig und richtig, dass die Koalition in der
vergangenen Woche ihre Eckpunkte zu der Reform des
freiwilligen Engagements vorgestellt hat. Ich glaube,
dass sich diese Eckpunkte sehen lassen können. Es soll
einen Förderzuwachs von 72 Euro auf 200 Euro beim
FSJ - und nicht nur da, sondern bei allen Freiwilligendiensten - geben. Damit machen wir endlich Schluss mit
der Unübersichtlichkeit der verschiedenen Fördersätze.
Zukünftig stehen FSJ Kultur, FSJ Sport, das klassische
FSJ und das FÖJ für Vielfalt, und 200 Euro Förderpauschale stehen für Klarheit in den Strukturen.
Jugendliche mit besonderem pädagogischen Förderbedarf erhalten zusätzlich 50 Euro Förderung. Wir ermutigen gerade kleinere Träger von Integrationsprojekten,
sich bei den Freiwilligendiensten zu engagieren. Der
Vorwurf der SPD, wir sparten bei der Integration, ist unbegründet. Gleichzeitig heben wir die Kontingentierung
der Platzzahlen auf und sorgen damit für den größten
quantitativen wie qualitativen Zuwachs in der Geschichte der klassischen Freiwilligendienste.
Daneben bauen wir mit dem Bundesfreiwilligendienst eine zweite Säule auf. Sie erklären jetzt, dass Sie
eine Konkurrenz zwischen dem Bundesfreiwilligendienst und den klassischen Freiwilligendiensten befürchten. Diese Befürchtung kann ich durchaus nachvollziehen. Auch wir von der FDP haben von Beginn an gesagt:
Das darf nicht passieren; der neue Bundesfreiwilligendienst darf die bisherigen Freiwilligendienste nicht in ihrer Existenz bedrohen.
Wenn Sie sich die Eckpunkte anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das nicht passiert, nicht nur, weil
wir mit dem Kopplungsmodell einen Bestandsschutz für
alle bestehenden Plätze schaffen, sondern auch, weil wir
exakt die gleichen Rahmenbedingungen bieten. Ganz
gleich, ob man Bundesfreiwilligendienstleistender oder
FSJler ist: Beide haben am Monatsende netto das Gleiche in der Tasche; da sind die unterschiedlichen Ansprüche auf Kindergeld schon eingerechnet. Ganz gleich, in
welcher Säule sich die Freiwilligen bewegen: Alle haben
den Anspruch auf 25 Bildungstage im Jahr, den gleichen
Urlaubsanspruch und die gleiche Arbeitszeit.
Wir schaffen damit 70 000 Freiwilligendienstplätze
und investieren 300 Millionen Euro mehr für freiwilliges
Engagement in diesem Land. Trotzdem bleiben die Grünen bei ihrer bewährten Linie: Sie sind dagegen.
({1})
- Ja, natürlich muss das kommen. Lieber Sven-Christian
Kindler, ich bin nicht einmal böse, dass die Grünen dieses Mal dagegen sind; denn das beweist tatsächlich, wer
in diesem Land für Freiwilligendienste und bürgerschaftliches Engagement steht: nicht die Grünen, sondern diese Koalition.
({2})
Ich will etwas zur Extremismusprävention sagen;
das wurde immer wieder heiß diskutiert. Ich will die
Kollegen daran erinnern, dass es immer wieder hieß, wir
würden bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus
sparen, um gegen Linksextremismus vorzugehen.
({3})
- Doch, Herr Bockhahn, das haben Sie hier im Plenum
gesagt.
({4})
- Ich zeige Ihnen das gerne im Anschluss. ({5})
Dieser Haushalt beweist, dass es nicht so ist. Wir erweitern den Blick auf andere Extremismusformen; aber wir
erhöhen auch die entsprechenden Mittel. Ich weiß, dass
Sie alle nicht gern über Linksextremismus reden. Gerade
in diesen Tagen müssen Sie jedoch der Regierung recht
geben, dass es ein richtiger Weg war, auch in der Frage
des religiösen Extremismus frühzeitig auf Prävention zu
setzen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({6})
- Nein. - Das Wort hat jetzt der Kollege Wunderlich
von der Fraktion Die Linke.
({0})
- Nein, Entschuldigung. Das Wort hat der Kollege
Wunderlich.
({1})
- Das ist vorbei.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Einzelplan 17 des Haushaltes ist im Grunde beschämend. Zwar wird nun seitens der Regierung ständig versucht, zu erklären, dass eigentlich alle Maßnahmen toll
sind, wir aber sparen müssen. Dabei übersieht die Regierung allerdings, dass diejenigen, die am Monatsende
nichts mehr im Portemonnaie haben, nicht in der Lage
sind, zu sparen. Genau bei denen langt die Regierung zu.
Nehmen wir als Beispiel die Kürzungen beim Elterngeld. Ursprünglich wurde über einen Zeitraum von zwei
Jahren das Erziehungsgeld gezahlt, damals in Höhe von
600 DM monatlich und bei Sozialleistungsbezug anrechnungsfrei. Dies hatte den Grund, dass durch den Nachwuchs verursachte finanzielle Mehrbelastungen der Familien abgefedert werden sollten. Ab einer gewissen
Einkommensgrenze gab es nichts mehr; denn man verdiente - damals noch - genug.
Das Erziehungsgeld wurde dann vom Elterngeld abgelöst, welches als Lohnersatzleistung ausgelegt war. Es
ging auch darum, dass die Akademikerinnen mehr Kinder bekommen sollten. Dann kamen Bedenken auf: Was
ist mit dem sozialen Aspekt? Er fällt ja völlig weg. Dann kam man auf die Idee, einen Sockelbetrag von
300 Euro einzuführen, den jeder bekommen sollte. Dadurch gab es einen sozialen Ausgleich; der soziale Aspekt war berücksichtigt. Immerhin war es eine Kürzung
um nur 50 Prozent: Das Erziehungsgeld gab es für zwei
Jahre, das Elterngeld für nur ein Jahr.
Inzwischen hat die Regierung festgestellt - Sie haben
das angeführt -, dass die Zahlung des Sockelbetrags an
Erwerbslose eigentlich systemwidrig ist und deshalb voll
auf die Transferleistung anzurechnen ist. So etwas gab es
beim Erziehungsgeld nicht. Im Klartext heißt das: Familien, denen früher aus sozialpolitischen Gründen Mittel
bewilligt worden sind, wird jetzt alles weggenommen.
Auch das Argument, es gebe ja Sonderzahlungen für
die Erstlingsausstattung und einen eigenen Bedarfssatz,
darf doch nicht zählen. Wie ist es denn mit einer Beamtengattin? Sie bringt ein Kind zur Welt, es gibt eine Einmalzahlung wegen der Geburt, einen erhöhten Familienzuschlag und das Kindergeld, das beim Arbeitslosen
angerechnet wird. Sind diese Mehrkosten etwa den Steuerzahlern zuzumuten? Da wird nicht gestrichen.
Ihre Scheinargumentation hinkt doch: Sie präsentieren Beispielrechnungen für Familien, in denen die Eltern
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, und sagen, sie müssten soundso viel verdienen, um auf den entsprechenden
Betrag zu kommen. Zahlen Sie anständige Mindestlöhne, dann hat sich dieses Argument erledigt.
({0})
Aber das will diese sich selbst christlich-liberal nennende Regierung gerade nicht. Lieber will sie nicht existenzsichernde Löhne und ein Existenzminimum, das
noch darunter liegt. Das nenne ich Sozialraub in Raten,
und das ist gemeinsam mit der Linken nicht zu machen.
({1})
Die Eltern, die noch ein Restvertrauen in diese Regierung hatten und die Auszahlung des Elterngeldes auf
zwei Jahre gestreckt haben, sollen ab Januar 2011 nichts
mehr bekommen. Nach Aussage der Regierung gibt es
da keinen Vertrauensschutz. Diese Eltern müssen jetzt
die sofortige Auszahlung beantragen, und sie muss auch
noch in diesem Jahr erfolgen, weil das Geld sonst weg
ist. Das nennen Sie Verantwortung für die Zukunft? Welche Eltern sollen in Zukunft noch Vertrauen in Sie haben?
Frau Gruß hat in der Novemberausgabe der Zeitschrift des Zukunftsforums Familie e. V. gesagt - ich zitiere -:
Die Familienpolitik der christlich-liberalen Koalition ist vor allem eines: treffsicher.
Da hat sie recht. Treffsicher ist sie. Sie trifft die Familien, die Solidarität und Unterstützung brauchen, besonders hart. Zielgerichtete, treffsichere Politik, aber nicht
im Sinne der Familien.
({2})
Frau Bär hat in der Novemberausgabe dieser Zeitschrift von furioser Familienpolitik gesprochen. Da kann
ich ihr auch nur beipflichten. „Furios“ bedeutet unter anderem bärbeißig. Ein anderes Synonym für „furios“ ist
„enthemmt“. Die Kürzungspolitik dieser Koalition bei
den Ärmsten der Gesellschaft ist wirklich hemmungslos.
Das angeführte Argument der Generationengerechtigkeit hat sich spätestens seit den Beschlüssen über die
Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken erledigt.
({3})
Generationengerechtigkeit gibt es nur dann, wenn es dieser Koalition in den Kram passt. Das ist die Politik dieser Regierung.
Es wird in frühkindliche Bildung investiert. Das ist ja
ganz schön. Auf der anderen Seite kommt von CDU-regierten Ländern aber der Vorschlag, Flüchtlingsfamilien abzuschieben, wenn die Kinder in der Schule keine
Leistung bringen. Wo ist da Frau Schröder? Wie bringt
sie sich in solche Debatten ein? Was ist das für eine Kinder- und Familienpolitik, die eine solche Entscheidung
auf die Schultern der Kinder legt? Was macht unsere Familienministerin? Dazu ist kaum etwas von ihr zu hören.
Man sieht nichts von ihr, man hört nichts von ihr. Wenn
sie sich mal zu Wort meldet, denke ich: Wir können froh
sein, dass sie so selten aktiv ist. Wenn sie behauptet, die
Kürzungsorgie sei nicht Konsolidierung auf Kosten der
Kinder, sondern für die Kinder, dann muss sie sich schon
die Frage stellen lassen, ob sie überhaupt weiß, für wen
sie in der Regierung ist.
Familienpolitische Debatten finden eher trotz als wegen ihr statt. Weiterhin leben in Deutschland Millionen
Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Danke für diese
christlich-liberale, treffsichere Politik, Frau Ministerin!
Zurück zum Elterngeld. Die Linke möchte entsprechend ihrem Antrag das Elterngeld sozial und gerecht
ausgestalten. Heute kam schon die Frage, woher das
Geld dafür kommen soll. Woher kommt das Geld, damit
man die Kürzungen nicht durchführen muss? Diese
Frage stellt sich natürlich. Aber warum wurde diese
Frage nicht gestellt, als unser guter Kriegsminister
Guttenberg vor wenigen Tagen 500 Millionen Euro Zuschuss für den Airbus A400M lockergemacht hat?
({4})
Kein Mensch fragt danach, woher diese 500 Millionen Euro kommen. Für die Rüstungsindustrie ist Geld
da. Solche Zeiten hatten wir schon einmal. Ich hatte gehofft, sie wären vorbei. Diese Haushaltspolitik wird jedenfalls von der Linken nicht mitgetragen.
({5})
- Frau Bär, es ist mir klar, dass Sie das nicht hören wollen.
({6})
Wir möchten lieber in die Zukunft unserer Kinder investieren und nicht in Rüstung und Kriege.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz von
Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Irgendetwas muss ich falsch machen. - Herr Präsident! Liebe Dorothee Bär, ich würde dich jetzt gerne erfreuen, aber ich muss leider sagen: Ich bin von der Rede
der Ministerin ein bisschen enttäuscht.
({0})
Ich will auch sagen, warum: Wir leben in einer Gesellschaft, in einer Zeit, in der wir in der Politik über das
Auseinanderdriften der Milieus reden. Wir reden über
Kinderarmut. Wir reden darüber, dass Frauen, die aufsteigen wollen, nicht aufsteigen können, weil sie an die
gläserne Decke stoßen. Wir reden darüber, dass Frauen
bei gleichwertiger Arbeit und gleicher Qualifikation
nicht den gleichen Lohn erhalten. Wir reden über Gewalt
in der Familie und über sexuellen Missbrauch. Wir reden
über die Herausforderungen einer sich entwickelnden
Gesellschaft, aber ich habe eine Ministerin erlebt, die auf
all diese Fragen keine einzige Antwort gegeben hat.
({1})
In einem Punkt war sie allerdings Musterschülerin.
Als es darum ging, ihren Haushalt, der einer der kleinsten ist, und damit ihre Klientel zu verteidigen, ist sie als
Allererste herausgerannt und hat Kürzungsvorschläge
gemacht. Da war sie eine Musterschülerin, aber nicht unbedingt im Sinne ihres Amtes.
({2})
Herr Mattfeldt, Sie irren sich, wenn Sie glauben, das
Elterngeld sei nur eine Lohnersatzleistung. Es ist auch
eine Leistung, um eine Schonzeit im ersten Jahr nach der
Geburt zu ermöglichen.
({3})
Diese Schonzeit muss für Menschen mit und ohne Geld
gelten; denn sie ist an die Geburt des Kindes gebunden.
Erklären Sie mir einmal, warum jemandem, der
ALG II bekommt, diese Schonzeit, nur weil er wenig
Geld hat, nicht zugestanden wird im Gegensatz zu jemandem, der viel verdient und der den Kinderfreibetrag
ausnutzen kann. Wer viel verdient, bekommt nämlich
monatlich bis zu 90 Euro mehr Kindergeld und bis zu
600 Euro mehr Geld über das Ehegattensplitting. Diese
Familien erhalten nach wie vor den Sockelbetrag, aber
für die alleinerziehende Mutter mit ALG II heißt es: Geh
putzen, damit du das Elterngeld überhaupt bekommst! Das ist Ihre Politik. Erklären Sie mir einmal, wie sie
diese Unterschiede rechtfertigen wollen und was daran
sozial sein soll!
({4})
Die Kinderregelsätze zu überprüfen und Armut zu
verhindern, war ein Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Ich hätte mir da eine engagierte Ministerin gewünscht, die die Jugendhilfe verteidigt, indem sie sagt:
Wir brauchen keine Nachhilfe, sondern wir brauchen
gute Schulen, gute Bildungseinrichtungen und Kindergärten, damit die Kinder eben keine Nachhilfe benötigen. - Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie haben
gewisse Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes bei einer Chipkarte geäußert; diese mögen vielleicht berechtigt sein, vielleicht auch nicht. Ist das Ihre Antwort auf
die Frage, wie man Chancengleichheit sicherstellen
kann? Das kann doch nicht wahr sein.
({5})
Liebe Frau Ministerin, das kann doch nicht Ihre Politik
sein! So können Sie die Zukunft nicht gestalten.
Für die Spracherziehung werden 100 Millionen Euro
im Monat zur Verfügung gestellt - wunderbar! -; denn
Spracherziehung ist sehr wichtig. Sie sagen außerdem:
Ich sorge dafür, dass die Mittel für den Krippenausbau
nicht gekürzt werden. - Ich bitte Sie! Es ist Ihr Job, zu
verhindern, dass da gekürzt wird. Verkaufen Sie uns
doch nicht solche Selbstverständlichkeiten.
({6})
Der Krippenausbau wurde nicht in dieser Wahlperiode,
sondern in der letzten Wahlperiode beschlossen.
({7})
Es ist Ihre Aufgabe, diesen Ausbau zu verteidigen. Heben Sie nicht etwas hervor, was eigentlich selbstverständlich ist.
({8})
Ich komme zu den Freiwilligendiensten. Sie greifen
uns an, indem Sie sagen, dass wir dagegen seien. Wir
treten dafür ein, diese Dienste auf eine stabile Grundlage
zu stellen und nicht mit zweierlei Maß zu messen. Wir
müssen verlässlich sein und Vertrauen schaffen. Wir
müssen anerkennen, was vor Ort geleistet wird. Das ist
die Forderung der Grünen. Wenn sich die Kritik der FDP
nur darin erschöpft, zu sagen, dass wir dagegen seien, ist
das zu billig.
({9})
Außerdem verunsichern Sie die Menschen, die eigentlich Antworten auf Fragen brauchen.
Es ist ein Running Gag - da haben Sie sich alle mit
entsprechenden Textbausteinen eingedeckt -, immer
wieder zu erklären, wogegen die Grünen sind. Ich kann
Ihnen sagen, wogegen ich bin und wofür ich bin. Aber
was ist mit Ihnen? Bei Ihrem Projekt Betreuungsgeld
wissen Sie nicht, ob Sie dafür oder dagegen sind. Sie sagen nur, dass es das Betreuungsgeld irgendwann einmal
geben soll. Beziehen Sie doch einmal Position! Wollen
Sie es oder wollen Sie es nicht? Sagen Sie doch einmal,
was Sie wollen!
({10})
Wenn Sie dafür sind, dann sagen Sie: Wir wollen nicht,
dass Kinder in Kinderkrippen betreut werden. Stehen Sie
zu Ihrer Meinung, und eiern Sie nicht herum, indem Sie
erklären, eine Entscheidung erst dann fällen zu wollen,
wenn es so weit ist. Es geht darum, jetzt zu handeln, zu
gestalten und zu verändern.
Liebe Frau Ministerin, es gibt wahrhaftig viel zu tun.
Der Auftrag, den Sie haben, ist zukunftsweisend und fordert von Ihnen viel Einsatz, neue Ideen und neue Gestaltungskonzepte. Aber was wir von Ihnen hören, ist nichts;
es ist weniger als nichts. Das ist sehr enttäuschend. Von
einer Ministerin erwarte ich etwas mehr. Ich kann Sie
nur auffordern, endlich in Ihrem Amt anzukommen. Sie
sind eben keine Schülerin mehr, sondern eine Ministerin.
({11})
Machen Sie endlich Ihren Job!
({12})
Es wäre an der Zeit.
Danke.
({13})
Das Wort hat die Kollegin Dorothee Bär von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr
Kollege Schwanitz, dass Sie das „Felix“ nicht kennen,
ist nicht weiter schlimm. Sie werden es wahrscheinlich
auch nicht kennenlernen, weil es dort sehr strenge Türsteher gibt.
({0})
- Lieber Kollege Rix, wenn Sie sagen, dass das billig ist,
dann muss ich erwidern: Was der Kollege Schwanitz
hier abgeliefert hat, ist an Billigkeit nicht zu überbieten.
({1})
- Nicht schreien, sondern zuhören.
Die Junge Union macht sehr viele Programme, und
die Junge Union ist eine höchst engagierte Jugendorganisation,
({2})
die über - man sage und schreibe - 127 000 Mitglieder
bundesweit hat. Da möchte ich Sie doch einmal fragen:
Wie schaut es denn auf der anderen Seite mit den Jusos
aus?
({3})
- Mal zuhören! Das ist jetzt nämlich ganz spannend. Wir haben 127 000 Mitglieder, die sich wirklich entschieden nicht nur gegen Linksextremismus, auch gegen
Rechtsextremismus einsetzen.
({4})
Wir haben 127 000 Mitglieder. Wenn man einmal nachfragt, wie viele Mitglieder eigentlich die Jusos in
Deutschland haben ({5})
- fragen Sie doch einmal den Kollegen Schwanitz, der
das Fass aufgemacht hat! -, dann stellt man fest: Seit
2007 haben die Jusos keine einzige Zahl mehr veröffentlicht. Nach einer Dunkelziffer geht man so von maximal
50 000 aus.
({6})
Man muss dabei aber berücksichtigen, dass es bei der
SPD eine Zwangsverpflichtung für die unter 35-Jährigen
gibt. Die sind automatisch Mitglied der Jusos, ob sie
wollen oder nicht.
({7})
Deswegen möchte ich, weil das wichtig ist, an dieser
Stelle sagen: Hochpolitisch, hochmotiviert, hochkämpfend gegen Rechts- und gegen Linksextremismus - auch
wenn dann am Abend mal zusätzlich eine Feier gemacht
wird. Wenn man bei den Jusos nur Kamillentee trinkt,
dann wundert es mich nicht, dass da nur 50 000 Mitglieder sind.
({8})
Ich sage nur, das ist keine Jugendorganisation, bei der
ich gern Mitglied geworden wäre.
Herr Schwanitz, Sie haben ja gemeint, Sie könnten
hier ein bisschen Kölle Alaaf machen. Wir kommen jetzt
mal wirklich zum Bundeshaushalt. Wir haben ja schon
alle festgestellt - auch die Vorredner -, dass es natürlich
niemandem leichtfällt, dass wir in unserem Bundeshaushalt auch Einschnitte hinnehmen müssen. Das macht
doch keiner mit Freude und Juchhu. Die Ministerin hat
engagiert gekämpft, aber natürlich muss an dieser Stelle
jeder seinen Beitrag leisten. Selbstverständlich ist uns
das bei unserem Erfolgsmodell nicht leichtgefallen.
Trotzdem haben wir viele Erfolge zu verzeichnen.
Ich möchte jetzt einmal, wenn ich darf, Herr Präsident, mich selbst zitieren,
({9})
nämlich aus meiner letzten Haushaltsrede. Bei der letzten Haushaltsrede war es so, dass die Kollegin Gruß und
ich versprochen haben - Zitat -:
Weil mehrfach nachgefragt, es aber offensichtlich
nicht kapiert wurde, richte ich die nächste Bemerkung an Frau Dörner und Frau Golze - Frau Dörner ist ja heute auch hier, Frau Golze von den
Linken leider nicht durch ständiges Wiederholen verstehen es vielleicht
die einen oder anderen doch -:
Dann weiter:
Ich freue mich ganz besonders, dass wir es erreicht
haben, dass das Elterngeld für Aufstocker auch
künftig nicht gekürzt wird
({10})
und es für Minijobber bei der bisherigen Regelung
bleibt.
Zwischenruf von Frau Dörner damals:
Wo steht denn das?
Daraufhin meine Antwort an Frau Dörner:
Frau Dörner, zur Politik gehört auch ein bisschen
gegenseitiges Vertrauen.
… und wir werden es auch durchsetzen.
Große Ungläubigkeit, und was ist jetzt? Wir haben es
durchgesetzt, und jetzt möchte ich bitte, dass das auch
von den Grünen, auch von der Linken zur Kenntnis genommen wird. Frau Gruß und ich haben es versprochen,
und es gilt: Versprochen, gehalten. An dieser Stelle erwarte ich auch einmal ein Dankeschön von den Oppositionsfraktionen dafür, dass wir das durchgesetzt haben.
({11})
Ich freue mich ja, dass der Kollege Kindler ein solcher Kämpfer für die Frauenrechte ist ({12})
ich bin das auch -, und er hat die CSU gelobt. Auch
wenn das jetzt für Sie rufschädigend ist, Herr Kindler,
aber ich bin dankbar, dass Sie es gemacht haben.
Wir tun auch in diesem Haushalt mehr für die Gleichstellung. Deswegen freut es mich ganz besonders, dass
wir bei der Realisierung eines Projekts aus dem Koalitionsvertrag, nämlich der Einrichtung des bundesweiten
Hilfetelefons bei Gewalt gegen Frauen - der Kollege
Mattfeldt hat es angesprochen - ein ganz gutes Stück
weitergekommen sind.
({13})
Wir haben eine eigene Haushaltsstelle eingerichtet,
und wir machen natürlich auch im Bereich Entgeltgleichheit einiges, was wir in den nächsten Jahren vorantreiben wollen.
Ich habe einen weiteren Punkt schon in meiner letzten
Haushaltsrede angesprochen, auch in meiner letzten
Rede zu den Anträgen der SPD, die damals gestellt wurden, weil wir für die topqualifizierten Frauen im Land
etwas tun wollen. Wir sagen ebenfalls - auch das ist ja
mehrfach nachlesbar; das können die Kolleginnen, die
Kollegin Marks war in der letzten Sitzung anwesend, bestätigen -: Wir setzen unseren Stufenplan um. Wenn das
aber nicht funktioniert, dann ist für uns die Quote hier
die Ultima Ratio. Wir sagen, dass Frauen nicht nur in
Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Das ist der
eine Teil, um den wir uns natürlich kümmern müssen.
Wir kümmern uns aber auf der anderen Seite auch um
die Frauen im kommunalpolitischen Bereich. Deswegen
haben wir in unserem Einzelplan Mittel für die Förderung der politischen Partizipation von Frauen vorgesehen. Deswegen haben wir eine Zusammenführung der
Aktivitäten der Kampagne „Frauen Macht Kommune“
und des Helene-Weber-Preises ermöglicht. Wir ermöglichen dazu auch einen Austausch der kommunalen Akteure.
({14})
Frau Kollegin Bär, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Deligöz?
Bitte.
Bitte schön.
Frau Bär, ich habe zwei Aussagen von Ihnen gelesen.
Die eine Aussage war in der taz, der Sie gemeinsam mit
meiner Kollegin ein Interview gegeben haben, in dem
Sie sich gegen die Quote als ein unnötiges Instrument
ausgesprochen haben. Die andere Aussage war im Focus, in dem Sie die Quote verteidigt haben mit den Worten: Es ist an der Zeit, etwas zu verändern. Zwischen diesen beiden Positionen gibt es gewisse Differenzen. Mich
würde brennend interessieren, ob Sie einen Meinungswechsel vollzogen haben oder ob das ein Missverständnis im Focus war.
Ich habe beide Male gesagt, dass wir - wahrscheinlich
im Gegensatz zu Ihnen - nicht Halleluja rufend in Richtung der Quote laufen und die Quote für uns immer die
Ultima Ratio ist. Ich sage Ihnen auch: Wir wollen die
Gleichstellung in allen Bereichen, nicht nur beim Lohn.
({0})
Deswegen sage ich - Sie können das im Protokoll nachlesen -: Es ist für uns die Ultima Ratio. Wenn es keine
Verbesserung gibt, dann wird auf dieses Mittel zurückgegriffen werden müssen.
({1})
So viel dazu. Das war, denke ich, an dieser Stelle eindeutig.
({2})
- Ich habe die Frage beantwortet. Sie können das gerne
im Protokoll nachlesen. Sie haben es ja offensichtlich
auch im Focus richtig nachgelesen, Frau Deligöz.
({3})
Ich antworte noch auf die Frage von Frau Deligöz. Ich
möchte nicht, dass dies von meiner Redezeit abgezogen
wird.
Die Antwort ist zu Ende. Sie hat sich gesetzt. Dann
läuft die Redezeit weiter.
Wenn sie sich setzt, ist es vorbei? - Okay. Das macht
nichts.
({0})
Wir haben das Projekt „Perspektive Wiedereinstieg“
auf den Weg gebracht, weil wir festgestellt haben, dass
Frauen ihre Erwerbstätigkeit oft nicht nur für kurze Zeit
unterbrechen, sondern sie vorübergehend ganz aufgeben.
Wir sagen, dass sie nach der Familienphase Unterstützung brauchen. Hier sehen wir eine Notwendigkeit.
Auch älteren Frauen muss es erleichtert werden, wieder
in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Wir fördern mit diesem Programm nicht nur Initiativen, sondern es ist uns
auch wichtig, die Arbeitgeber zu sensibilisieren und ihnen deutlich zu machen, dass sie mit Wiedereinsteigerinnen leistungsfähige Mitarbeiterinnen mit Lebenserfahrung gewinnen.
Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich - vor allem
Ihnen, Frau Deligöz, auch wenn Sie gerade nicht zuhören -:
({1})
Ich kann Ihnen versichern, dass wir, genauso wie Herr
Kindler, absolut an der Seite der Frauen sind, nicht nur
unsere Arbeitsgruppe, nicht nur die Gruppe der Frauen,
sondern auch die Ministerin. Das lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wir, die christlich-liberale Koalition,
({2})
tragen die Regierung, der die Frauen vertrauen.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat jetzt der Kollege Sönke Rix von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, es erübrigt sich, darauf einzugehen, was Sie,
Frau Kollegin Bär, gerade zur Jungen Union, zu den Jusos, zum „Felix“ usw. gesagt haben. Das diskreditiert
Sie. Sie haben das Thema selbst erledigt; denn Sie sind
nicht auf einen einzigen Fakt eingegangen.
({0})
Herr Schwanitz hat hier über die Zahlen im aktuellen
Haushalt gesprochen, über einen Fakt, der zu diesem
Haushalt gehört. Die Mitgliedszahlen der Jungen Union
und der Jusos gehören nicht dazu.
({1})
Niemand streitet ab, dass die Junge Union vielleicht sogar mehr Mitglieder hat als die anderen; aber Sie sind
auf keinen Fakt eingegangen. Hätten Sie das Thema besser nicht angeschnitten.
({2})
Sie haben sich auch noch selbst zitiert. Sie hätten es lieber Ihrem Kollegen gleichtun und Kennedy zitieren sollen. Er hat zumindest wahre und richtige Sachen gesagt.
({3})
Ich möchte auf den neuen Gesetzentwurf zum Bundesfreiwilligendienst eingehen. Er ist - das haben Sie
gerade richtig gesagt - noch nicht konkreter Bestandteil
dieses Haushaltes, aber er wird uns in den nächsten Jahren intensiv begleiten und beschäftigen. Wir finden die
Form dessen, was jetzt auf den Weg gebracht wird, nicht
in Ordnung. Denn neben den erfolgreichen Strukturen
des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen
Ökologischen Jahres wird ein neuer Dienst etabliert: der
Bundesfreiwilligendienst. In vorigen Eckpunktepapieren
hieß er freiwilliger Zivildienst.
Immer wieder betonen Sie und auch die anderen Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass diese beiden
Dienste gleichbehandelt werden sollen. Der eine soll
nicht besser als der andere sein. Es hat sich noch nicht
gezeigt, ob das tatsächlich stimmt. Bei Kindergeldregelung, Bezahlung, Taschengeld, Förderung und anderem
müssen Sie noch beweisen, dass die Dienste tatsächlich
gleichbehandelt werden.
Aber wenn sie denn tatsächlich gleichbehandelt werden
sollen und eigentlich auch das Gleiche bewirken sollen,
frage ich Sie an dieser Stelle nochmals: Warum dann
zwei Dienste? Diese Frage haben Sie bis heute immer
noch nicht beantwortet. Sie betonen zwar immer: Sie
sind gleich, sie sollen gleich ausgestattet sein, sind
gleich wichtig. Aber keiner beantwortet die Frage, warum es dann zwei sein sollen.
({4})
Ab und zu kommt einmal das Argument: Ja, was ist
denn, wenn wir die Wehrpflicht wieder einführen, wenn
wir das Aussetzen der Wehrpflicht zurücknehmen? Dann
brauchen wir ja die Strukturen des Zivildienstes. - Ein
Blick ins Grundgesetz zeigt das nicht. Lesen Sie einmal
im Grundgesetz nach. Da steht zwar, dass wir, wenn wir
die Wehrpflicht wieder haben, einen Wehrersatzdienst
brauchen, aber darin steht nicht, dass es der Zivildienst
sein muss und dass wir dazu das Bundesamt für Zivildienst brauchen usw. Das steht nicht im Grundgesetz. Es
kann auch ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr sein. Das ist übrigens schon
heute nach § 14 c möglich. - Dieses Argument zählt also
schon einmal nicht.
({5})
Natürlich kann ich verstehen, dass Sie sagen: Wir
wollen die guten Strukturen, die der Zivildienst hatte, erhalten. Keine Frage, all die Dienstleister, die ihre Arbeit
gemacht haben, haben meistens gute Arbeit geleistet.
Der Zivildienst ist über die Jahre zu einem positiven
Faktor geworden. Die Zivildienstleistenden sind nicht
Drückeberger gewesen, sondern haben sich wirklich engagiert und haben ihren Dienst auch gerne gemacht. Ich
kann verstehen, wenn Sie sagen: Die guten Strukturen
und die guten Bestandteile wollen wir natürlich erhalten.
Dazu gehört zum Beispiel, was wir in der Großen Koalition versucht haben auf den Weg zu bringen - nach
meinen Vorstellungen nicht ganz erfolgreich -, der Bildungsdienst, Zivildienst als Lerndienst. In dem neuen
Bundesfreiwilligendienst ist davon herzlich wenig zu sehen. Ich bitte Sie, an dieser Stelle nachzuarbeiten oder zu
sagen: Wir machen es wie beim FSJ und FÖJ. Dann
brauchen wir den Bundesfreiwilligendienst nicht; denn
darin sind genügend Bundesanteile enthalten. Ich kann
ja verstehen, dass es bei einer Übergangslösung vielleicht sogar zwei Strukturen nebeneinander geben muss.
Wenn Sie nämlich in diesem Ad-hoc-Verfahren, mit dem
Sie jetzt die Aussetzung des Wehrdienstes übers Knie
brechen, keine Übergangslösung schaffen, werden Sie
um Doppelstrukturen nicht herumkommen. Ich bitte Sie:
Denken Sie darüber nach, schaffen Sie keine Doppelstrukturen, schaffen Sie keine unnötigen Konkurrenzsituationen.
({6})
Mir ist aufgefallen, Sie - ich glaube, von der FDP haben gesagt, Sie seien diejenigen, die das bürgerschaftliche Engagement verteidigten. Gerade weil Sie diesen
Bundesfreiwilligendienst mit auf den Weg brächten,
seien Sie quasi die Menschen, die die Fahne für das bürgerschaftliche Engagement hochhielten.
({7})
Wie kommen dann aber zum Beispiel 600 000 Euro weniger für Freiwilligendienste für Menschen mit Migrationshintergrund zustande - ist das die Förderung von
bürgerschaftlichem Engagement? -, 400 000 Euro weniger für die Infrastruktur des bürgerschaftlichen Engagements oder 2,5 Millionen Euro weniger für Modellvorhaben des bürgerschaftlichen Engagements? Dann
stellen Sie sich hier hin und sagen, Sie seien die Koalition, die das bürgerschaftliche Engagement fördere. Indem Sie kürzen, oder wie machen Sie das? Wie stellen
Sie sich das vor?
({8})
- Aber treffsicher!
Noch eine Bemerkung zur Perspektive. Wenn man
über den Haushalt redet, redet man ja nicht nur über
Frauenpolitik - darüber ist heute schon geredet worden -,
sondern auch über Jugendpolitik. Darüber redet man allerdings ein bisschen weniger. Sie haben von der vorherigen Ministerin quasi große Schuhe übernommen, sind
in große Fußstapfen getreten. Diese hatte noch den Vorteil, dass sie die SPD als Koalitionspartner an ihrer Seite
hatte. Deshalb hat sie gar keinen so schlechten Job gemacht.
({9})
In einer Sache haben Sie es ihr gleich gemacht: Jugendpolitik findet bei Ihnen gar nicht statt.
({10})
Da haben Sie noch ordentlich Aufholbedarf. Da ist - das
muss ich Ihnen so sagen - ganz deutlich ein Minus zu
sehen. Noch nicht einmal, wie in anderen Bereichen,
Ankündigungen, sondern gar nichts. Das ist traurig.
Danke schön.
({11})
Das Wort hat der Kollege Heinz Golombeck von der
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Mit diesem Haushalt macht die Koalition den
Weg frei für mehr bürgerschaftliches Engagement
({0})
und setzt einen weiteren Teil des Koalitionsvertrages
um.
({1})
Ein Beispiel hierfür ist die jüngst verabschiedete nationale Engagementstrategie. Die Strategie entspricht dem
Geist der Zeit; denn sie berücksichtigt die demografische
Entwicklung und die gesellschaftliche Integration in unserem Land.
Innerhalb dieser Strategie legen wir einen besonderen
Schwerpunkt auf die Motivation von Migrantinnen und
Migranten für ein bürgerschaftliches Engagement.
({2})
Denn das freiwillige Engagement von Bürgerinnen und
Bürgern sorgt für Zusammenhalt in unserer Gesellschaft,
und zwar in einem Maß, wie es der Staat alleine nie bewirken könnte.
({3})
Um eine frühzeitige Einbindung junger Migrantinnen
und Migranten in unseren Alltag zu ermöglichen, brauchen wir mehr frühkindliche Bildung. In diesem Bereich setzt die christlich-liberale Koalition neue Akzente. Mit der Initiative „Offensive Frühe Chancen“
stellt der Bund in den nächsten vier Jahren rund
400 Millionen Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln
werden bis zu 4 000 Einrichtungen zu „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ ausgebaut. Die FDP hat sich
immer für gleiche Chancen am Start engagiert. Sprache
ist hierbei von entscheidender Bedeutung.
({4})
Die nationale Engagementstrategie hat auch das Ziel,
ältere Menschen für ein bürgerschaftliches Engagement
zu gewinnen. Denn Tatsache ist: Die meisten älteren
Menschen streben keineswegs einen völligen Rückzug
aus dem gesellschaftlich aktiven Bereich an. Zurzeit bieten die Freiwilligendienste aller Generationen Möglichkeiten des Engagements in fast allen Themenfeldern
an. Auch die Einbeziehung von Senioren in den Bundesfreiwilligendienst zeigt: Ältere Menschen haben künftig
eine Vielfalt an Möglichkeiten, sich einzubringen.
({5})
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, starten wir zusätzlich eine breit angelegte Initiative zum Thema „Alter neu
denken“; denn Politik für ältere Menschen ist Teil einer
übergreifenden Generationenpolitik.
Ein besonderes Anliegen der FDP ist seit jeher ein aktives Vorgehen gegen Gewalt, insbesondere gegen häusliche Gewalt. Es trifft zumeist Frauen, unabhängig von
ihrer sozialen Schicht, ihrem Alter und ihrer Konfession.
Wir haben in der letzten Sitzungswoche erreicht, dass
die bundesweite Notrufnummer für Opfer von häuslicher
Gewalt nun doch bereits für 2011 auf den Weg gebracht
wurde.
({6})
Der Notruf für Frauen und Kinder, die dringend Hilfe
benötigen, ist jetzt in der Entwicklungsphase.
Für das Haushaltsjahr 2011 wurden für die Konzipierung bereits 20 000 Euro eingestellt. Unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer werden rund um die
Uhr verschiedensprachige Ansprechpartner zur Verfügung stehen, die sofort die richtige Hilfe vermitteln können; auch hiermit halten wir unser Versprechen aus dem
Koalitionsvertrag. Frauen und Kinder, denen Gewalt angetan wurde, haben Anspruch auf sofortige Hilfe.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Erwin Rüddel von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Konsolidierungskurs der Koalition des Aufschwungs
({0})
ist ein Gebot der Vernunft, gerade mit Blick auf den Generationenvertrag.
({1})
Die Schulden von heute müssen schließlich von unseren
Kindern und Kindeskindern mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Es war richtig, dass der Staat mehr
Geld in die Hand genommen hat, um die Folgen der
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise besser abfedern
zu können. Das ist uns gelungen. Deutschland ist besser
und schneller aus der Krise gekommen als alle anderen
hoch entwickelten Industrieländer.
({2})
Unsere Zahlen in Sachen Wachstum und Beschäftigung können sich sehen lassen. Das ist wahre Sozialpolitik. Aber gerade weil es uns besser geht, müssen wir die
Neuverschuldung jetzt deutlich herunterfahren. Wann,
wenn nicht jetzt, sollten wir das in Angriff nehmen?
({3})
Wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, Handlungsspielräume für die Erledigung der Aufgaben von morgen zu erwirtschaften; die Große Koalition
hat völlig zu Recht die Schuldenbremse eingeführt.
Dazu muss auch das Familienministerium seinen Beitrag
leisten. Welcher Politikbereich sollte mehr Verständnis
für eine Konsolidierungspolitik aufbringen als der Bereich, der für Generationengerechtigkeit und Zukunft
steht?
Uns ist es gelungen, die finanziellen Mittel, die wir
haben, gezielt dort einzusetzen, wo sie im Hinblick auf
faire Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen
am meisten bewirken. Wir beweisen damit, dass sich
Sparen und Gestalten nicht ausschließen. Wir konsolidieren den Haushalt, und wir investieren in die Zukunftschancen unserer Kinder.
({4})
Mit der Initiative „Offensive Frühe Chancen“ stehen rund 400 Millionen Euro für die sprachliche Frühförderung in Kitas bereit. Damit können in den nächsten
vier Jahren bis zu 4 000 Kitas eine jährliche Förderung
von 25 000 Euro für eine Halbtagskraft erhalten, die speziell für die Sprachförderung zuständig ist. Das Angebot
gilt für alle, aber besonders für Kinder von Migranten
und aus sozial schwachen Familien.
({5})
Nicht zuletzt mit Blick auf die aktuelle Debatte über die
Integration ist das der richtige Ansatz, um Kinder ausländischer Herkunft, aber auch deutsche Kinder mit Sprachschwierigkeiten zu fördern. Auf den Anfang kommt es
an. Die Sprache ist die Grundlage für den Start in den Bildungsweg. Diese Initiative der Frau Ministerin kann ich
deshalb nur ganz besonders loben.
({6})
Wir haben bereits mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Familien und kleine Unternehmen um mehr
als 8 Milliarden Euro entlastet. Wir haben das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht.
({7})
Wir sparen nicht beim Bundeszuschuss für den Ausbau
der Kinderbetreuungsplätze,
({8})
und wir sparen nicht bei den Zuschüssen für die Wohlfahrtsverbände, weil wir bewährte Strukturen erhalten
wollen.
({9})
Nur zwei Bemerkungen zum Elterngeld, weil die
Opposition in diesem Haus auch heute wieder den Eindruck erweckt, als könne sie Lohnersatzleistungen nicht
von Leistungen im Rahmen des Arbeitslosengeldes II
und der Sozialhilfe unterscheiden. Das Elterngeld ist
eine reine Lohnersatzleistung,
({10})
die nichts mit der Sozialhilfe zu tun hat. Es geht um die
Menschen, die für Kindererziehung auf ihre Erwerbsarbeit verzichten und zu Hause bleiben.
({11})
Auch für Aufstocker und Minijobber haben wir eine gute
Lösung gefunden. Wir setzen gezielt Anreize, um eine
Arbeit aufzunehmen. Außerdem trägt die Neuregelung
beim Elterngeld dem Lohnabstandsgebot Rechnung.
({12})
Es kann doch nicht sein, dass eine vierköpfige Familie,
die ausschließlich von Hartz IV lebt, inklusive Wohngeld
und sonstiger Leistungen unter dem Strich womöglich
über dasselbe Nettoeinkommen verfügt wie eine vergleichbare Familie mit einem Erwerbstätigen.
Uns geht es darum, dass alle Eltern, die vor der Geburt eines Kindes erwerbstätig waren, ihre Tätigkeit unterbrechen können, ohne dass dies allzu große Nachteile
für ihr Einkommen zur Folge hat. Es geht uns gerade
nicht um zusätzliche Leistungen für Menschen, die nicht
erwerbstätig sind.
({13})
Man fragt sich bei diesem Thema wirklich, ob die Opposition gelegentlich auch einmal an diejenigen denkt, die
mit ihrer Arbeit und mit ihren Steuern überhaupt erst dafür sorgen, dass anderen Transferleistungen gezahlt werden können.
({14})
Ich möchte in dieser Debatte nicht versäumen, der
Ministerin für ihr Konzept zum Bundesfreiwilligendienst meinen Respekt auszusprechen.
({15})
Indem der neue Freiwilligendienst auch Frauen und älteren Menschen offenstehen wird, leistet er einen höchst
bedeutsamen Beitrag zur Stärkung des bürgerschaftlichen
Engagements. Neben dem Einsatz im sozialen Bereich
wird der neue Dienst auch anderen Feldern geöffnet werden - wie dem Sport, der Kultur und der Integration.
({16})
Die finanzielle Förderung sieht gleichwertige Bezüge
der Freiwilligen in beiden Formaten vor, und die Bundesförderung für bereits existierende Angebote der Länder wird kräftig aufgestockt. Mit insgesamt 70 000 Plätzen - je 35 000 im Bundesfreiwilligendienst und den
Jugendfreiwilligendiensten - bieten diese Dienste ein attraktives Angebot zum Engagement von Frauen und
Männern, von Jüngeren und Älteren.
({17})
Noch nie sind so viele Menschen so alt geworden wie
heute. Noch nie waren sie dabei so gesund und so gut
ausgebildet. Unsere Volkswirtschaft, aber genauso unsere Gesellschaft insgesamt braucht ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Potenziale für ein lebendiges Miteinander der Generationen. Genau darauf zielt das Konzept
der Ministerin. Deshalb ist es ein wichtiger Baustein zu
der Zivilgesellschaft, die wir wollen - einer Gesellschaft, in der ehrenamtliche und freiwillige Dienste dazu
beitragen, die Fähigkeiten und Kenntnisse aller Altersgruppen für den Zusammenhalt in unserem Land zu mobilisieren.
Ich möchte der Ministerin ferner meinen Dank für das
von ihr vorgelegte Konzept zur besseren Vereinbarkeit
von Beruf und Pflege aussprechen; denn eine Bürgergesellschaft beweist sich nicht zuletzt durch die Wertschätzung älterer Menschen und durch die Sorge für ihre
schwächsten und gebrechlichsten Glieder.
({18})
Dass wir das Thema Pflegezeit jetzt konkret bearbeiten, begrüße ich nachdrücklich; denn die Lasten der
häuslichen Pflege betreffen bekanntlich in aller Regel
die Frauen. Deswegen will ich abschließend sagen: Sowohl durch den neuen Freiwilligendienst als auch durch
das Konzept für die Pflegezeit zeigt die Ministerin, dass
sie nicht nur Politik für die Familien, die Jugend und die
Älteren macht, sondern vor allem auch für die Frauen.
({19})
Daher werden wir sie bei den Themen Gleichstellung
und Entgeltgleichheit, bei den Konzepten zum Wiedereinstieg, bei der Diskussion über die Möglichkeiten zur
Anrechnung der Pflegezeit und ganz besonders beim
Thema Frauen in Führungspositionen weiterhin kraftvoll
unterstützen.
Vielen Dank.
({20})
Als letzte Rednerin zu diesem Haushalt hat die Kollegin Caren Marks von der SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kraft wird die Ministerin brauchen. Bisher war davon wenig zu spüren.
Herr Rüddel, es ist schon traurig, dass Sie die Systematik des Elterngeldes nach wie vor nicht begriffen haben. Ich habe jetzt auch keine Lust, Ihnen noch einmal
zu erklären, was es mit der Erziehungsleistung für alle
auf sich hat, und ich denke, es lohnt sich auch für Sie,
das noch einmal nachzulesen.
Anfang dieses Jahres habe ich hier bereits gesagt, die
Regierung werde nach der Landtagswahl in NordrheinWestfalen die Katze aus dem Sack lassen. Ja, so ist es
leider auch gekommen. Mit dem Entwurf des Bundeshaushaltes für das Jahr 2011, den wir jetzt beraten, übertreffen Sie sogar alle Befürchtungen. Er enthält ganz
drastische Einsparungen für zahlreiche Familien, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen, und zwar in vielen Bereichen. Nicht ein einziges Mal war ein entsprechender Einspruch von der Ministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zu hören.
Es wurde kein Einspruch gegen die Kürzung beim
Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ erhoben, durch
das ein großer Beitrag für die Integration vor Ort geleistet
wird. In dem Entwurf des Bundeshaushalts 2011 wurde
auch der Heizkostenzuschuss beim Wohngeld gestrichen.
Daneben nenne ich den Wegfall der Rentenversicherungsbeiträge für Hartz-IV-Bezieherinnen und -bezieher
und das skandalöse Auslaufen des Ausbildungsbonus für
benachteiligte Jugendliche. Die Liste der unsozialen Einschnitte ist wirklich lang. Bei den vielen Menschen, die
hiervon betroffen sind - insbesondere Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche -, hätte man sich wirklich
gewünscht, dazu einmal etwas Sinnvolles von Ihnen zu
hören, Frau Schröder.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ein Beispiel
nennen, das uns Familienpolitikerinnen und -politiker
ganz besonders empört, weil das nämlich die Schwächsten in unserer Gesellschaft betrifft. Die Bundesregierung
nimmt den Menschen, die Hartz IV beziehen, künftig
das komplette Mindestelterngeld von 300 Euro im Monat weg. Besonders dreist dabei ist, dass es keinerlei Vertrauensschutz für die Familien gibt. Hartz-IV-Empfängern, die schon jetzt Elterngeld beziehen, weil das Kind
Mitte dieses Jahres geboren wurde, wird dieses Geld ab
dem 1. Januar 2011 gestrichen. Diese Eltern verlieren
nun also Elterngeld, mit dem sie noch nach der Geburt
des Kindes in diesem Jahr fest haben rechnen können.
Frau Ministerin Schröder, ich frage Sie: Wo bleibt Ihr
Engagement für Familien, und zwar für alle Familien in
unserem Land?
({0})
Wo bleiben Unterstützung und Planungssicherheit gerade
kurz nach der Geburt eines Kindes? Sogar der Familienbund der Katholiken prangert Sie für diese Entscheidung
an. Das sollte Ihnen doch eigentlich zu denken geben und
mehr als ein müdes Lächeln abringen.
({1})
Empörend finde ich auch die soziale Schieflage, die
das gesamte Kürzungspaket aufweist. So sollen im sozialen Bereich 2011 bis 2014 insgesamt 37 Prozent eingespart werden. Das ist der größte Anteil innerhalb des
sogenannten Sparpakets.
Das wird genau die Familien, Alleinerziehenden,
Kinder und Jugendlichen sowie zahlreiche Seniorinnen
und Senioren hart treffen, die ohnehin ein geringes
Haushaltseinkommen haben. Wenn das eine vernünftige
Konsolidierungspolitik sein soll, dann müssen Sie sich,
denke ich, fragen, wie Sie „vernünftig“ definieren, Frau
Ministerin.
({2})
Der Finanzsektor, der zu einem wesentlichen Anteil die
größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit
verursacht hat, wird hingegen komplett verschont, und
zwar von der gesamten Bundesregierung.
Wie benachteiligte Menschen und strukturschwache
Kommunen die harten Einschnitte im Sozialbereich
wegstecken, interessiert diese Bundesregierung überhaupt nicht und Sie schon dreimal nicht. Die schwarzgelbe Haushaltspolitik fördert weder ein solidarisches
Miteinander noch eine soziale Balance.
({3})
Dies würden eigentlich die meisten Menschen unter dem
Wort „christlich“ verstehen, Frau Fischbach, nicht aber
das, was Sie machen.
({4})
Sie fördern mit Ihrer Politik genau das Gegenteil: Einzelkämpfertum, Ellenbogendenken und letztlich die Entsolidarisierung unserer Gesellschaft.
Dieses zutiefst unsoziale Denken und Handeln zieht
sich wie ein roter Faden durch die gesamten Haushaltsberatungen der letzten Wochen. Sie, Frau Ministerin,
hätten durchaus die Chance gehabt, Ihre Kürzungs- und
Streichpläne im Einzelplan 17 zurückzunehmen, wie
von der SPD und anderen Oppositionsparteien gefordert
wurde.
Sie hätten auch unseren Antrag, den 500 Mehrgenerationenhäusern Planungssicherheit zu geben, aufgreifen können. Denn damit wäre gewährleistet, dass der
dort so erfolgreich gelebte Zusammenhalt der Generationen nicht nur in Ihren Wohlfühlreden stattfindet, sondern
auch zukünftig gelebt werden kann, Frau Ministerin.
({5})
Sie haben die Kürzungen aber sogar noch verschärft,
Frau Schröder, und dafür wahrscheinlich ein „Brav, Frau
Kollegin!“ von Herrn Schäuble gehört. Bei den familien-,
gleichstellungs- und seniorenpolitischen Maßnahmen
kürzen Sie ab 2011 zusätzlich um fast 1,7 Millionen
Euro. Bei den Modellvorhaben zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements sind es 2,5 Millionen Euro.
Bei modellhaften Bauprojekten für Senioren und Menschen mit Behinderungen ist eine weitere Kürzung vorgesehen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, aktuell führen Sie wieder einmal eine Debatte über
Steuersenkungen. Darüber kann ich angesichts dieses
Haushalts und der sozialen Einschnitte nur den Kopf
schütteln. Statt neue Steuergeschenke zu verkünden,
sollten Sie lieber die Kürzungen auf dem Rücken der Familien zurücknehmen. Sie sollten den Städten und Gemeinden Planungssicherheit geben, damit sie das umsetzen können, was vor Ort gebraucht wird. Alles andere ist
verantwortungslos.
Herzlichen Dank.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17 - Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend - in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst
abstimmen.
Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/3844: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Oppositionsfraktionen.
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3845: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
vom Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPDFraktion und Zustimmung der Fraktion Die Linke.
Wir kommen nun zu der Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 17 ist
angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Oppositionsfraktionen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.17 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
- Drucksachen 17/3520, 17/3523 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckhardt Rehberg
Ulrike Flach
Priska Hinz ({0})
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor, über den wir am Freitag im Anschluss an
die Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Klaus Hagemann von der SPD-Fraktion das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Pünktlich zum CDU-Parteitag in der vorigen
Woche erschien in fast allen großen Zeitungen eine Anzeige der Bundesregierung, Frau stellvertretende Vorsitzende der CDU, die eine Beweihräucherung mit
Selbstlob enthielt, und darin ging man natürlich auf den
Bildungsbereich ein. Der Informationswert dieser großen Anzeige in fast allen großen Zeitungen war fast null.
Erwähnt wurde auch das Stichwort der Bildungsrepublik,
({0})
obwohl wir drei gescheiterte Bildungsgipfel hinter uns
haben.
Die Kosten für diese Anzeige, die - ich sagte es eben in fast allen großen Zeitungen erschien, werden mit etwa
5 Millionen Euro angesetzt. Es wäre sicherlich sinnvoller gehandelt worden, wenn man mit diesen 5 Millionen
Euro vielleicht zwei Ganztagsschulen ausgebaut oder erweitert hätte,
({1})
um die entsprechende Infrastruktur vorzuhalten und die
Gemeinden dabei zu unterstützen, das Ganztagsschulprogramm voranzubringen. Jedenfalls wäre es nachhaltiger gewesen als diese Anzeige.
({2})
Das Bundesprogramm für den Ausbau der Ganztagsschulen, das in den Jahren 2002/2003 aufgelegt
worden ist, ist ein sehr erfolgreiches Programm. Das
Bundesbildungsministerium hat eine Studie in Auftrag
gegeben - Frau Ministerin, Sie haben diese Studie vor
kurzem vorgestellt -, deren Ergebnis lautet, dass gerade
die Ganztagsschule eine tolle Einrichtung ist und dass
sie viele - leider nicht alle - Probleme lösen kann. Und
diejenigen, die hier schon länger sind, erinnern sich noch
gut daran, gegen welche Widerstände bei der Union und
bei der FDP dieses Ganztagsschulprogramm durchgesetzt werden musste.
({3})
In den Medien wird zutreffend dargestellt, dass die
richtigen Antworten auf Bildungs- und Gesellschaftsprobleme von heute und morgen über die Ganztagsschule
gegeben werden können. Die Frankfurter Allgemeine
Zeitung schreibt: „Ganztagsschule fördert Leistung.“ Die Süddeutsche Zeitung schreibt:
Wissbegierig und fleißig - Kinder profitieren von
Ganztagsschulen. Ganztagsangebote erhöhen die
Motivation von Schülern und verringern das Risiko
des Sitzenbleibens.
Frau Ministerin, Sie kommentieren - zumindest sind
Sie so zitiert worden - meiner Ansicht nach völlig zutreffend - ich zitiere -: „Damit tragen Ganztagsschulen
zum Abbau der Bildungsarmut bei.“
Das ist zwar völlig richtig, Frau Schavan, aber einen
fehlenden Satz von Ihnen möchte ich noch virtuell ergänzen: 2002 war ich als damalige Landesministerin dagegen, dieses Ganztagsschulprogramm aufzulegen. Ich
habe es falsch eingeschätzt.
Diese Erkenntnis hätten Sie ruhig mit dazu sagen
können, sehr geehrte Frau Ministerin. Ich möchte hier
aus einem Artikel vom 8. September 2002 - dieser ist
ebenfalls in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen - zitieren: Die Ganztagsschule ist nicht die
Antwort auf unsere Bildungsprobleme. - Das sagte die
damalige Landesministerin Annette Schavan. Mit dem
Geld solle man andere Dinge fördern.
Sie ist von der Saula zur Paula geworden.
({4})
Das ist sicherlich gut, und deswegen ist es sinnvoll, dieses Ganztagsschulprogramm auch weiterzuführen. Das
ist nämlich die politische Forderung, die wir als SPD
stellen: Das Ganztagsschulprogramm muss weitergeführt und ausgebaut werden.
({5})
Es muss ein Ganztagsschulprogramm II kommen, und
es muss auch ein Masterplan aufgestellt werden. Bereits
in der vorangegangenen Debatte über die Kleinkinderbetreuung wurde herausgestellt, dass die Infrastrukturen
vorhanden sein müssen, damit die Kinder in die Ganztagsschule gehen und dort betreut werden können. Entsprechende Baumaßnahmen müssen durchgeführt werden. Personal muss zur Verfügung gestellt werden. Die
Länder müssen dabei finanziell unterstützt werden. Wir
haben im Haushaltsausschuss zudem den Antrag eingebracht, ein Programm für die zunehmend notwendiger
werdende Schulsozialarbeit aufzulegen. Wir hatten als
ersten Schritt 100 Millionen Euro beantragt. Dieser Betrag sollte weiter aufwachsen. Leider ist dieser Antrag
von der Mehrheit abgelehnt worden.
Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und
Gemeinden ist gerade in der Bildungspolitik dringend
notwendig. Sie entziehen aber den Ländern durch Ihre
Beschlüsse zur Steuerpolitik Geld, das sie dringend
brauchen, um weiterhin ihre Aufgaben wahrzunehmen.
Die Diskussion über die Gewerbesteuer und ihren Erhalt sorgt nicht gerade für Planungssicherheit in den Gemeinden. Das ist nicht das, was wir erwarten.
({6})
Uns vereint, dass wir das 7-Prozent-Ziel erreichen
wollen. 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen für
Bildung ausgegeben werden. Das können meiner Ansicht nach Bund, Länder und Gemeinden nur gemeinsam
erreichen. Der Bund hat mehr zu leisten als den bereits
von Ihnen erhöhten Betrag für den Bildungsbereich. Wir
wollen als Einstieg noch einmal 300 Millionen Euro Plafond erhöhend obendrauf packen, sodass die Milliardengrenze überschritten wird. Dann könnte das 7-ProzentZiel erreicht werden.
({7})
Dann bekommen wir die solidarische Bildungsrepublik, die wir alle sicherlich anstreben. Aber alle Anträge,
die wir dazu gestellt haben, haben Sie leider abgelehnt,
meine Damen und Herren von der Koalition. Das finde
ich ein bisschen kleinkariert. Wir haben sehr vielen Anträgen der Koalition zugestimmt. Es wäre in der Sache
sicherlich sinnvoll gewesen, wenn Sie den einen oder
anderen Gedanken aus unseren Anträgen aufgegriffen
hätten.
Sie finanzieren nun mehrere Programme oder Initiativen weiter, die schon von Rot-Grün oder der Großen Koalition gestartet worden sind, wie den Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative, die sehr
viel frischen Wind in die Universitäten gebracht hat,
oder die Hochschulpakte I bis III. Wir, die SPD-Fraktion, haben zwei Drittel von dem, was Sie nun obendrauf
packen, angestoßen und mitbeschlossen. Das möchte ich
deutlich herausstellen.
Wir wissen, dass die Herausforderungen an den
Hochschulen in den nächsten Jahren erheblich sein werden. Zwei Jahrgänge werden gleichzeitig Abitur machen. Deswegen gibt es den Hochschulpakt. Wir wollen
eine bessere Umsetzung des Bachelor-Master-Reformprogramms. Der Wissenschaftsrat hat mehr Geld für den
Qualitätspakt für die Lehre gefordert. Wir haben versucht, das bei Ihnen per Antrag durchzusetzen. Leider
haben wir nicht erreicht, dass mehr Mittel für diesen
Pakt und die Studierenden zur Verfügung gestellt werden.
Das Bundesverteidigungsministerium, über dessen
Etat wir gestern debattiert haben, will zum 1. Juli 2011
die Wehrpflicht aussetzen. Liebe Frau Ministerin und
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und der
FDP, wo ist hierfür Vorsorge getroffen? Denn es werden
mehr Studierende in die Universitäten drängen, die sonst
Zivildienstleistende oder Grundwehrdienstleistende gewesen wären. Wir hatten beantragt, hier mehr Mittel zur
Verfügung zu stellen. Leider haben Sie auch diesen Antrag abgelehnt.
Für Sie war die Einführung des nationalen Stipendienprogramms wichtig. Sie haben große Worte gemacht und von 160 000 Stipendien gesprochen. Tatsächlich sind es gerade einmal 6 000. 10 Millionen Euro
stehen zur Verfügung. Von diesen gehen allein 20 Prozent für Werbung drauf.
Mir hat ein Student einer hessischen Hochschule geschrieben, ihm sei mitgeteilt worden, er könne ein Stipendium in Höhe von 150 Euro bekommen, für die weiteren 150 Euro solle er sich aber selbst einen Sponsor
besorgen. So stelle ich mir das Stipendienprogramm
nicht vor. Wir müssten eigentlich das BAföG deutlicher
erhöhen und dafür Mittel zur Verfügung stellen.
({8})
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Jawohl, Herr Präsident. - Auch bei den Begabtenförderwerken haben Sie dazwischengefunkt und Geld gestrichen. Die SPD hat in der Großen Koalition dazu beigetragen, dass die Begabtenförderwerke ausgebaut
werden. Leider haben Sie unsere Anträge abgelehnt.
Wir müssen mehr im Bereich Bildung und Forschung tun, um das 10-Prozent-Ziel zu erreichen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident. - Es
geht natürlich nicht, dass jedes Jahr vom Ministerium
weniger Mittel ausgegeben werden, als vom Parlament
zur Verfügung gestellt werden. Zwischenzeitlich haben
wir in der Amtszeit von Ministerin Schavan die 500-Millionen-Euro-Grenze überschritten.
Herr Kollege.
Wir haben dem Antrag der Koalition auf Übertragung
zugestimmt, damit diese 88 Millionen Euro für 2010
nicht verloren gehen.
Vielen Dank.
({0})
Das sind immer so lange Sätze, die kein Ende finden.
Als Nächster hat Kollege Eckhardt Rehberg von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kollege Hagemann, um 17.38 Uhr - das war die
letzte Kontrolle auf Ihrer Homepage - habe ich mir Ihr
sogenanntes Schwarzbuch Schavan angeschaut.
({0})
Erste Bemerkung an dieser Stelle: Ich hätte gehofft,
dass Sie mit dem Begriff „Schwarzbuch“ etwas anders
umgehen. Das ist nach meinem Dafürhalten grenzwertig.
({1})
Aber was steckt eigentlich inhaltlich dahinter? Ich
hätte von Ihnen wenigstens erwartet, dass Sie, nachdem
Sie unseren Anträgen zugestimmt haben - das haben Sie
ausgeführt; da sehen Sie einmal, wie gut CDU/CSU und
FDP im Bereich Bildung und Forschung arbeiten -,
({2})
dieses sogenannte Schwarzbuch aktualisiert hätten. Herr
Hagemann, Sie erzählen hier, dass 500 Millionen Euro
nicht ausgegeben worden sind. Ich habe die SchavanKurve aktualisiert. Unser Weg sieht vor - diese Grafik
zeigt es -, die Mittel für Bildung und Forschung bis
zum Jahr 2014 auf 13,4 Milliarden Euro anwachsen zu
lassen.
({3})
Das ist in einem Jahrzehnt fast eine Verdoppelung der
Mittel in diesem Bereich, nachdem gerade unter RotGrün in den Jahren 1999 bis 2005 eine relative Stagnation eingetreten ist.
({4})
Herr Kollege, hören Sie auf, uns weiszumachen, dass
wir das Geld für Bildung nicht ausgeben! Wir haben wegen des Urteils aus Karlsruhe im Februar dieses Jahres
Ihren Pfusch erst einmal beseitigen müssen, und zwar im
Bereich der Bildung und Teilhabe von Kindern, deren
Eltern Arbeitslosengeld II beziehen. Das heißt, Sie haben zu verantworten, dass wir nachsteuern mussten.
({5})
Deswegen wurden - das wissen Sie genauso gut wie
ich - 480 Millionen Euro nach Verabschiedung des
Haushaltes 2010 in den Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums transferiert. Sie befinden sich weiterhin
auf dem Holzweg, wenn Sie ständig erzählen, dieses
Geld könne man besser für Kitas, Ganztagsschulen usw.
einsetzen. Nein, Karlsruhe hat uns aufgegeben, dass die
Mittel für Bildung und für Teilhabe auf das Kind bezogen ausgegeben werden müssen. Mit Ihrem politischen
Ansatz erfüllen Sie die Vorgaben des Urteils vom Februar dieses Jahres in keiner Weise.
({6})
Genau dieses Bildungspaket müssen Sie dazuzählen.
Insgesamt umfasst dieses Bildungspaket rund 722 Millionen Euro. Damit bei der Bildung kein Geld verfällt,
haben wir den Weg gewählt, die Ausgabereste titelscharf
zu übertragen. Deswegen stimmen Ihre Vorwürfe nicht.
Stichwort „Sprachlernförderung“: Hier verstärken
wir um 6 Millionen Euro, weil wir meinen, dass gerade
das Erlernen der Sprache sowohl für deutsche als auch
für Migrationskinder die Voraussetzung für Bildung ist.
Bei den lokalen Bildungsbündnissen stellt das Bildungspaket bereits einen ersten Schritt dar.
({7})
Ich komme zum Thema Berufsbildungsstätten. Herr
Kollege Hagemann, Ehrlichkeit gehört dazu. Es stehen
nicht 29 Millionen Euro zur Verfügung, sondern 40 Millionen Euro werden zur Verfügung stehen,
({8})
gerade um in diesem Bereich Nachholbedarfe - das sage
ich auch sehr selbstbewusst - besonders in den alten
Bundesländern zu decken. Denn in den neuen Bundesländern haben wir in diesem Bereich eine relativ gute Infrastruktur.
Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung: Es wundert mich besonders, dass Sie das beklagen.
Vor drei Tagen ist, was dieses Thema anbelangt, ein Projekt beschieden worden, und zwar im Bereich der Stadt
Worms. Hier erhöhen wir wieder auf den Betrag von fast
40 Millionen Euro.
Wir verstärken, zum Beispiel im Bereich der Bildungsketten, die Ausfinanzierung der Potenzialanalysen.
Dies ist auch deswegen besonders wichtig, weil, was die
demografische Entwicklung anbelangt, das Thema Fachkräfte für die nächsten Jahre ein Kernthema sein wird.
({9})
Lassen Sie mich meine politische Einstellung zu diesem Thema sagen. Mir ist es wichtig, dass wir alle Jugendlichen im Land, die gerade bei Schulabschlüssen
Schwierigkeiten haben oder keinen Abschluss erreichen,
in Übergangssysteme bekommen, damit sie eine Chance
haben, in der dualen Ausbildung einen vernünftigen Berufsabschluss zu machen.
({10})
Stichwort „Begabtenförderung“: Herr Kollege
Hagemann, wir konnten oder das Ministerium konnte im
Jahr 2010 nicht Verpflichtungen eingehen, bevor nicht
sichergestellt war, dass das im Jahr 2011 ausfinanziert
werden kann. Deswegen haben wir hier 33 Millionen
Euro - und zwar für die Büchergelderhöhung und das
Nachvollziehen der BAföG-Erhöhung - übertragen.
Wir haben zum Beispiel die Mittel im Bereich „Studenten- und Wissenschaftleraustausch“, Stichwort
„DAAD“, verstärkt.
Wenn Sie jetzt beklagen, dass wir keine Vorbereitungen im Hinblick auf die Aussetzung des Wehrdienstes
treffen würden, und wenn Sie fragen, was dann aus den
Freiwilligendiensten wird, muss ich Ihnen ganz selbstbewusst sagen: Zwischen Dresden und Rostock ist in vielen Universitäten und Fachhochschulen noch ungeheuer
viel Platz.
({11})
Wir haben eine sehr günstige Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studenten. Deswegen kann ich
nur sagen: Die Türen der Universitäten und Fachhochschulen in den neuen Bundesländern stehen sehr, sehr
weit offen,
({12})
weil hier in den letzten zwei Jahrzehnten durch Solidarität des Westens eine super Infrastruktur geschaffen worden ist. Ich glaube, Ihre Befürchtungen haben überhaupt
keine Basis.
Herr Kollege Hagemann, Sie sprechen von drei gescheiterten Bildungsgipfeln. Dazu muss ich Ihnen sagen:
Es gab bei den Erstsemestern im Sommer wie im Winter eine Steigerung um 4 Prozent. Wir hatten in Deutschland noch nie 442 000 Studenten im Erstsemester.
({13})
Wir hatten noch nie so viel Studierende wie heute, nämlich 2,2 Millionen. Wir hatten noch nie so viel Studierende in einem Jahrgang, und zwar 46 Prozent.
({14})
Herr Kollege Hagemann, dies ist erfolgreiche Bildungspolitik unter Bundesbildungsministerin Frau Schavan
seit dem Jahr 2005. Sie hat die Grundlagen dafür gelegt,
dass Deutschland ein anerkannter Wissenschafts- und
Bildungsstandort ist.
({15})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn hier
in Bezug auf das Thema Forschungsprämie Klagen laut
werden, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich hatte gedacht, das klappt. Ich habe mich in der letzten Legislaturperiode persönlich sehr dafür eingesetzt, dass die
gemeinnützigen Forschungs-GmbHs in den neuen Bundesländern mit dabei sind. Aber ich hätte nicht vermutet,
dass die Wirtschaft eine Denke hat, die da heißt: Wenn
das Geld nicht in meiner eigenen Tasche landet, dann
mache ich mich gar nicht auf den Weg zu Fachhochschulen oder Universitäten. - Es ist nämlich insbesondere daran gescheitert, dass das Geld natürlich bei der Wissenschaft landen sollte. Es gab vielfältige Bemühungen
vonseiten des Ministeriums, der IHKs und der Unternehmerverbände. Diese Bemühungen haben nicht gefruchtet. Da muss man ganz einfach sagen: Das hat nicht geklappt.
({16})
Herr Kollege Hagemann, ein bisschen Bigotterie ist
doch dabei, wenn Sie jetzt hier sagen, das sei mangels
Erfolg eingestellt worden. Sie haben es doch selber begrüßt und bejubelt. Ich nehme mal Ihre Pressemitteilung
vom 1. Februar 2007 - Hagemann, Röspel und Tauss und zitiere:
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Start der
Forschungsprämie und bewertet dieses neue Instrument als einen ersten wichtigen Beitrag, um strukturbedingte Defizite in der öffentlichen Forschung
bei der Kooperation mit der Wirtschaft abzubauen.
So viel dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({17})
Ebenso bigott ist es, wenn man wie Sie beklagt, dass
angeblich nur ein paar Hundert Arbeitsplätze durch die
Innovationsallianzen geschaffen worden seien. Kollege
Hagemann, Sie fordern ja sehr gerne Berichte an. Wenn
Sie den Bericht zu den Innovationsallianzen vom Frühsommer dieses Jahres richtig gelesen hätten, dann hätten
Sie nachvollziehen können, dass mit Mitteln der öffentlichen Hand in Höhe von 600 Millionen Euro 3 Milliarden
Euro aufseiten der Wirtschaft im Bereich der Grundlagenforschung und im Bereich der Anwendungsforschung mobilisiert worden sind. Wir haben also eine HeEckhardt Rehberg
belwirkung von 5 bezogen auf 1 Euro der öffentlichen
Hand. Das ist aus meiner Sicht ein hervorragendes Ergebnis.
Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, was unsere Bundesbildungs- und -forschungsministerin Frau
Schavan in den letzten sechs Jahren auf den Weg gebracht hat, nur, damit das nicht in Vergessenheit gerät,
und verspreche Ihnen: Wir werden 2013 hundertprozentig unser Ziel bei der Haushaltsentwicklung erreichen, so
wie ich es Ihnen gezeigt habe. Herr Kollege Hagemann,
die Grundlagen dafür wurden in der Großen Koalition
mit gelegt. Wir führen das verstärkt fort. Ich sage Ihnen
aber: Wer ständig nur in der Vergangenheit herumkreist
und irrlichtert, so wie Sie es eben gemacht haben, der ist
nicht in der Lage, die Zukunft zu gestalten. Wir wollen
führen in Deutschland, Zukunft gestalten.
Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort hat nun Michael Leutert für die Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Ministerin, Bildungspolitik ist ja eines der Herzstücke Ihrer Politik. Sie rühmen sich immer, dass trotz
Krise und trotz Schuldenbremse bei Bildung nicht gespart werde. Man muss natürlich deutlich sagen: Das
stimmt so nicht. Sie machen der Öffentlichkeit etwas
vor. Es ist ein reines Luftschloss, was hier aufgebaut
wird. - Das möchte ich auch gerne aufzeigen, und zwar
an den drei Beispielen: dass Ihr Ministerium ohne Konzepte arbeitet, dass, wenn agiert wird, ein heilloses
Durcheinander herrscht und dass es sich, wenn Sie sich
an irgendetwas festbeißen, um die falschen Projekte handelt.
({0})
Erster Punkt: Konzeptionslosigkeit. Sie haben im Koalitionsvertrag - das wurde gerade eben angesprochen die sogenannten lokalen Bildungsbündnisse festgeschrieben. Kindern zwischen fünf und zehn Jahren, die
potenziell von Bildungsarmut betroffen sind, sollte geholfen werden, unseres Erachtens mit fragwürdigen Methoden, mit sogenannten Bildungsschecks - aber immerhin!
Mit großem Pomp wurde das angekündigt und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 1,67 Milliarden Euro
in den letzten Haushalt eingebracht. Wir haben schon damals ein Konzept dafür verlangt. Selbst im Sommer dieses Jahres hat es noch nicht vorgelegen. Es gab nur die
Auskunft: Es wird am Konzept gearbeitet. - Das war
selbst der Koalition zu viel, und 1,55 Milliarden Euro
wurden gesperrt. Das gilt bis heute.
({1})
So sieht die Realität aus. Im neuen Haushalt findet sich
der Begriff „lokale Bildungsbündnisse“ überhaupt nicht
mehr, obwohl sie als zentrales Projekt im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sind.
Zweiter Punkt: Zukunftskonten. Dieses Bildungssparen, wie es auch genannt wurde, war groß angekündigt.
Auch hierfür wurde ein Konzept eingefordert. Nicht einmal eine DIN-A4-Seite haben wir bekommen. Es hieß
nur, es solle analog zum Bausparvertrag bei einem Immobilienerwerb behandelt werden. Im Haushalt 2010 waren
5 Millionen Euro zur Erarbeitung eines Konzeptes vorgesehen. Diese Zukunftskonten finden sich im neuen Haushaltsentwurf nicht mehr. Das begrüßen wir Linken natürlich, weil wir das eh von Anfang an für ein falsches
Projekt gehalten haben.
Dritter Punkt: Weiterbildungsallianzen. Gleiches
Thema, gleiches Problem. Angekündigt, kein Konzept,
gestrichen.
Mit diesem Arbeitsstil, Frau Ministerin - das muss
man Ihnen lassen -, wären Sie eine hervorragende Finanzministerin. Allerdings spricht dagegen das Chaos,
was bei einigen Projekten herrscht.
Das Herzstück Ihrer Bildungsankündigungen ist ja das
12-Milliarden-Euro-Programm: Es sollen 6 Milliarden
Euro zu gleichen Teilen in Bildung und Forschung über
mehrere Jahre verteilt investiert werden. Der Vergleichsmaßstab ist der erste Regierungsentwurf für den Haushalt
2010, noch von der Großen Koalition aufgestellt. Wir haben in den diesjährigen Haushaltsverhandlungen einen
Bericht mit titelscharfer Darstellung angefordert. Diesen
haben wir dann auch zur Bereinigungssitzung bekommen. Leider waren keine Vergleichszahlen enthalten.
Wenn man sich aber einmal stichprobenartig die Vergleichszahlen zum Titel „Weiterbildung und Lebenslanges Lernen“ heraussucht, stellt man fest, dass im Regierungsentwurf 2010 37 Millionen Euro standen. Sie
haben angekündigt, dass für das Jahr 2010 zusätzlich,
also on top, 12,5 Millionen Euro und für das Jahr 2011
zusätzlich 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass im Haushaltsentwurf 2011
40 Millionen Euro veranschlagt sein müssen. In den
Haushalt 2010 hätten 50 Millionen Euro eingestellt sein
müssen. Im Haushalt 2010 waren aber nur 44 Millionen
Euro veranschlagt, und im Haushaltsentwurf 2011 sind
lediglich 35 Millionen Euro eingeplant. Das sind sage
und schreibe 3,5 Millionen Euro weniger, als 2009 abgeflossen sind. So sieht es mit dem 12-Milliarden-EuroProgramm aus, wenn man in die Tiefe geht: Letztendlich
werden nicht mehr, sondern weniger Mittel zur Verfügung gestellt.
({2})
Ein weiterer Punkt sind die falschen Prioritäten. Ich
spreche hier ein bestimmtes Programm an, das eben
schon erwähnt worden ist; es ist Gott sei Dank fast beerdigt. Statt das BAföG zu erhöhen und den Studierenden,
die aus einkommensschwachen Schichten kommen, so
zu ermöglichen, zu studieren, wollten Sie das nationale
Stipendienprogramm installieren,
({3})
das ebenfalls zur Hälfte von Wirtschaft und Staat getragen werden sollte. Zielgröße sind 160 000 Studierende.
Für sie sind 240 Millionen Euro, ebenfalls als Verpflichtungsermächtigung, vorgesehen. Eingestellt davon sind
lediglich 10 Millionen Euro. Wie bereits angesprochen
wurde, könnten mit diesem Geld maximal 6 000 Studierende gefördert werden.
({4})
Man bräuchte also 15 Jahre oder länger, um die Zielgröße von 160 000 Studierenden zu erreichen.
Fast alle Experten haben gesagt: Das ist hinausgeworfenes Geld, schon aus dem Grunde, weil dadurch diejenigen Studierenden gefördert werden, die auf dieses
Geld im Zweifelsfall überhaupt nicht angewiesen sind.
Deshalb haben wir es abgelehnt. Mittlerweile ist die
Lage so schlimm, dass Sie von den im Haushalt veranschlagten 10 Millionen Euro Geld abzweigen müssen,
um die Unis und die Fachhochschulen darin zu schulen,
wie sie Spenden eintreiben können.
({5})
Selbst dort hält sich der Andrang in Grenzen, wie man
der Zeitung entnehmen kann.
({6})
Frau Schavan, liebe Kollegen von der Koalition, ich
kann Sie nur auffordern: Beerdigen Sie dieses Programm
ebenfalls!
({7})
Ich meine, ob ein angekündigtes Programm mehr oder
weniger beerdigt wird, darauf kommt es hier nicht mehr
an.
({8})
Ich schlage Ihnen vor: Kümmern Sie sich um die
wirklich wichtigen Sachen; sie sind heute hier schon angesprochen worden. Dazu gehört die Knappheit an Studienplätzen. Wir haben das Problem, dass durch die
Aussetzung der Wehrpflicht mehr Menschen an die Universitäten und an die anderen Hochschulen gehen werden. Wir haben das Problem der Masterstudiengänge. Es
gibt mittlerweile Menschen, die sich in Masterstudiengänge hineinklagen, und zwar erfolgreich - was ich hervorragend finde.
({9})
Kümmern Sie sich um diese Dinge! Wenn das geschehen
ist und Sie realitätstaugliche Konzepte vorgelegt haben,
dann kann man darüber sprechen, ob man so einem
Haushalt eventuell zustimmt. Solange aber keine realisierbaren Konzepte vorgelegt werden, können wir den
Haushalt nur ablehnen.
({10})
Das Wort hat nun Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
den Markenzeichen dieser Koalition, liebe Kollegen von
der Opposition, gehört nun einmal dieses Riesenbildungspaket; das ist so. Bildung und Forschung werden
in dieser Legislaturperiode mit bis zu 12 Milliarden Euro
bedacht werden. Das ist ein Wunschtraum von Ihnen,
Herr Hagemann, gewesen, den Sie in den elf Jahren Ihrer
Regierungszeit nie haben erfüllen können.
({0})
Jetzt wird er erfüllt. Gott sei Dank ist die FDP dabei, und
Gott sei Dank haben wir unser Vorhaben in den Koalitionsverhandlungen zusammen mit Frau Schavan durchgesetzt.
({1})
Wir haben einen Einzelplan 30 mit einem Volumen
von 11,6 Milliarden Euro. Sie können diesen Einzelplan
noch so schlechtreden, Sie können sich noch so bemühen: Diese Gelder fließen in die Bildungslandschaft, so
wie wir es versprochen haben. Das Ganze wird erfolgreich sein. Da können Sie so viel herumnölen, wie Sie
wollen.
({2})
Wir tun übrigens auch etwas bei Projekten - ich wäre
froh, wenn Sie einmal in die „Ehrlich-machen-AG“ der
Grünen gingen, Herr Hagemann -,
({3})
die in der Vergangenheit erfolgreich angestoßen worden
sind. Selbstverständlich stehen wir zum Hochschulpakt,
für den immerhin 910 Millionen Euro vorgesehen sind.
Wir stehen zur Exzellenzinitiative, für die 326 Millionen
Euro veranschlagt sind. Wir geben mehr Geld für die
Vielzahl der Forschungsinstitutionen aus. 5 Prozent
mehr pro Jahr, das ist ein Akt. Das setzen wir durch. Neu
dazu kommt der Qualitätspakt Lehre. Er ist eine dritte
Säule zur Verbesserung der Studienqualität. Hierfür werden wir bis 2020 rund 2 Milliarden Euro ausgeben.
({4})
Da ist nichts schlechtzureden.
Auch das Stipendienprogramm ist neu; Sie versuchen seit vielen Monaten, es schlechtzureden.
({5})
- Meine Güte! In Nordrhein-Westfalen wird gezeigt,
dass das gut läuft und gerade den Schichten hilft, um die
Sie angeblich so besorgt sind.
({6})
Hier wird versucht, das Programm auf das ganze Land
auszudehnen. An wem scheitert es? Natürlich an den
SPD-regierten Ländern!
({7})
Ihretwegen konnten wir noch nicht zu Potte kommen.
Jetzt, wo wir den Ländern wieder zusätzliches Geld geben, haben wir uns geeinigt. Das ist wirklich eine
Schande für die SPD-regierten Länder.
({8})
Das Programm wird gut laufen. Bis zu 10 000 junge
Menschen in diesem Land werden ein Stipendium erhalten. Sie werden glücklich sein und studieren können.
({9})
Sie können sich noch so sehr darüber beschweren: Das
wird gut laufen.
Wir haben das BAföG erhöht. Auch das wurde lange
von Ihnen bekämpft.
({10})
- Ja, natürlich, die SPD-geführten Länder haben nicht
mitgezogen. Jetzt läuft es.
({11})
Außerdem haben wir Folgendes gemacht - Kollege
Rehberg hat eben schon darauf hingewiesen -: Wir haben die Gelder, die im Laufe des normalen Haushaltsverfahrens nicht abgeflossen sind, nicht dem jeweiligen Finanzminister gegeben, sondern gesammelt. Wir haben
damit nicht, wie Sie das jahrelang gemacht haben, die
GMA, die globale Minderausgabe, gefüttert. Wir haben
neue Programme aufgesetzt. Das heißt, wir haben an
dieser Stelle wirklich einmal kontinuierlich dafür gesorgt, dass das Geld eingesetzt wird und nicht bei den
wie immer mit offenen Händen dastehenden Finanzministern landet.
Wir haben damit die Begabtenförderungswerke, die
Wissenschaftskooperationen, die Weiterbildung und die
Berufsbildungszentren gestärkt.
({12})
Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Anstatt sich jedes Mal darüber zu beschweren, dass wir alle zusammen
die Folgen einer Föderalismusreform erleiden müssen,
die Sie mit Ihren Stimmen überhaupt erst auf den Weg
gebracht haben,
({13})
sollten Sie einmal darüber nachdenken, welchen Zweig
wir noch stärker unterstützen und fördern sollten: die
Berufsbildung. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen
ist, im nächsten Jahr zusätzlich 10 Millionen Euro für
den Ausbau von Berufsbildungszentren in den alten
Bundesländern einzustellen, die hier seit 1990 derbe zurückhängen; Gott sei Dank haben wir in den neuen Ländern inzwischen viel aufgeholt. Das ist doch etwas. Da
freuen sich genau die Menschen in unserem Lande, die
nicht vom Glück gesegnet sind und eine Unterstützung
brauchen, wenn sie ihre berufliche Ausbildung angehen.
({14})
Lieber Herr Hagemann, wir haben übrigens Ihnen zuliebe das Technikum eingestellt.
({15})
Wir haben uns einen ganzen Abend lang darüber gefreut.
Das Technikum ist von Ihnen eingeführt worden; es ist
nie gut gelaufen. Kaum sind wir - Herr Rehberg und ich an der Macht, haben wir es eingestellt.
({16})
So läuft das, wenn die christlich-liberale Koalition arbeitet. Das war erfolgreich.
Wir haben sehr viele Stellen in diesem Haushalt zur
Verfügung gestellt. Die Gesundheitszentren werden entsprechend versorgt werden, die Leopoldina und acatech
bekommen Personal. Damit haben wir natürlich einen
Grundstein dafür gelegt, dass in diesen Bereichen auch
in Zukunft ordentlich gearbeitet werden kann.
({17})
Der Präsident stoppt leider gerade meinen Redefluss.
Unter dem Strich gilt: Diese christlich-liberale Koalition
ist auf dem besten Wege, ihr größtes und wichtigstes
Versprechen einzuhalten: Wir sind bereit, viel Geld für
Bildung und Forschung auszugeben. Wir beide - Herr
Rehberg und ich - werden dafür sorgen, dass es tatsächlich dazu kommt.
Danke.
({18})
Das Wort hat nun Priska Hinz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorhin haben wir über den Etat einer Ministerin diskutiert, die bei
wenig Geld im Etat konzeptionslos agiert. Jetzt diskutieren wir über den Etat einer Ministerin, in deren Etat zwar
viel Geld ist, die aber leider ebenfalls konzeptionslos
agiert.
({0})
Das zeigt sich schon allein daran, dass Sie Haushaltsreste in Höhe von fast 90 Millionen Euro in der Bereinigungssitzung - in letzter Minute - in das kommende
Jahr übertragen mussten. Frau Schavan hat zwar viel
Geld, das wir, das Parlament, ihr überantwortet haben,
aber sie ist nicht in der Lage, gute Konzeptionen zu erarbeiten und sie so zu gestalten, dass sie umsetzbar sind
und das Geld ausgegeben werden kann.
({1})
Von einem Aufwuchs in Höhe von 750 Millionen Euro
90 Millionen Euro nicht auszugeben, das ist, finde ich,
eine stolze Leistung einer Ministerin.
({2})
Wenn man schon damit überfordert ist, Geld für gute
Bildung auszugeben, dann ist man natürlich auch überfordert, wenn es darum geht, deutlich zu machen, was
mit dem Aufwuchs von 12 Milliarden Euro, für den
wir alle sind, in dieser Wahlperiode geschehen soll. Der
Bericht, den der Kollege Leutert schon angesprochen
hat, ist nicht titelscharf formuliert.
({3})
Es gibt keinen Vergleichsmaßstab, weil die Finanzplanung für 2010 nur sehr grob ist. Titelscharf wurde aber
belegt, dass das Auswärtige Amt von dem Geld, das aus
dem 12-Milliarden-Topf rüberwächst, mehr Geld für
Auslandsschulen ausgibt, zumindest angeblich.
({4})
De facto ist das aber ganz anders: In der Bereinigungssitzung haben wir erfahren, dass das Auswärtige Amt die
Mittel für den entsprechenden Titel in Wirklichkeit gekürzt hat, um dann 50 Millionen Euro aus dem 12-Milliarden-Topf zu nehmen und zu sagen: Es ist doch alles
gut; wir geben mehr Geld für Bildung aus.
({5})
Liebe Leute, das ist Augenwischerei! Wenn das in der
Koalition so weitergeht, dann wird das Ziel, diese
12 Milliarden Euro für eine bessere Bildung in diesem
Land auszugeben, nicht erreicht.
({6})
Frau Ministerin, Sie sind nicht in der Lage, gutes
Geld für Bildung auszugeben und dem Parlament gegenüber transparent nachzuweisen, wie das Geld ausgegeben wird. Bei dem sogenannten Bildungspaket haben
Sie sich aber völlig weggeduckt. Es ist ziemlich peinlich,
dass die Bildungsministerin zu der entscheidenden
Frage, wie Bildung bzw. Lernförderung für Kinder aus
armen Familien organisiert werden soll, nichts zu sagen
hat. Sie gibt das Geld weg und kümmert sich nicht mehr
darum, was mit diesem Geld passiert.
({7})
Statt die Schulen bei der Gestaltung guter Lernbedingungen zu unterstützen, werden jetzt private Nachhilfeinstitutionen gefüttert. Bei der BA, bei den Kommunen
und bei der Familienkasse werden mindestens
135 Millionen Euro für Verwaltungskosten ausgegeben.
({8})
- Nein, Frau Flach. Mir ist es nicht erinnerlich, dass
CDU/CSU und FDP damals, als es um das ALG II ging,
mehr Geld gefordert haben, weder im Vermittlungsausschuss noch hinterher hier im Bundestag. Mir ist nicht
erinnerlich, dass Sie mehr Geld für die Kinder haben
wollten.
({9})
Mir ist erinnerlich, dass Ihnen die Zahlungen beim
ALG II damals eigentlich sogar zu hoch waren. Also,
vergießen Sie hier keine Krokodilstränen!
({10})
Die FDP ist doch angeblich immer für weniger Bürokratie. Wissen Sie, wo Sie Ihre Stimme erheben sollten?
Sie sollten Ihre Stimme erheben, um zu verhindern, dass
die Regierung über die Jobcenter Geld an Familien im
Regelbezug verteilt. Das Personal ist dafür nämlich nicht
geeignet. Auch die Kommunen sollen aus diesem Topf
gespeist werden, um ALG-II-Familien bedienen zu können. Außerdem soll eine neue Institution für den Zivildienst geschaffen werden, weil man nicht weiß, wo man
das Personal unterbringen soll. Diese drei Organisationen sollen diejenigen Familien beglücken, die den Kinderzuschlag erhalten. Das sind drei verschiedene Organisationen, die damit beschäftigt werden, Kinder aus
armen Familien zu fördern. Dagegen müssten Sie Ihre
Stimme einmal erheben und ein besseres Programm vorschlagen. Besser noch wäre es, wenn Sie sich an unserem Programm orientieren würden.
({11})
Wir haben vorgeschlagen, dass man die Lernförderung schulnah organisiert, zusammen mit den Jugendhilfeträgern und den außerschulischen Kooperationspartnern. Die Lernförderung sollte dort stattfinden, wo die
Kinder sind: in den Kindergärten, in den Schulen und in
Priska Hinz ({12})
den Horten. Dort kann man Lernförderung betreiben.
Dort können Vereine gute Angebote machen. Das wäre
auch im Hinblick auf einen Zuwachs bei den Ganztagsangeboten sinnvoll. Wir müssen an den vorhandenen
Strukturen andocken, um die Kinder aus armen Familien
zu erreichen. Die Lernförderung muss da stattfinden, wo
die Kinder hinkommen. Ansonsten geht das Programm
fehl; das sage ich Ihnen schon jetzt. Die Familien werden es nicht schaffen, die Kinder in eine 20 Kilometer
entfernte Musikschule oder eine 10 Kilometer entfernte
Nachhilfeinstitution zu bringen. Nein, wir müssen die
bildungsnahen Strukturen fördern. Hier versagen Sie leider.
({13})
Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, der
mir sehr am Herzen liegt. Weder für den Bereich der
Weiterbildung noch für den Bereich der Berufsausbildung oder der steuerlichen Forschungsförderung ist von
Ihnen ein Konzept vorgelegt worden. Wir können deswegen nichts anderes tun, als zu Ihrem Haushalt Nein zu
sagen. Solange Sie so konzeptionslos sind, haben Sie es
nicht verdient, mehr Geld zu erhalten.
Danke schön.
({14})
Das Wort hat nun Bundesministerin Annette Schavan.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Der Erfolg von Politik entscheidet sich nicht an der Bewertung durch die Opposition.
({0})
Der Erfolg von Politik entscheidet sich auch nicht an
dem Geschmack eines Einzelnen, sondern an Fakten.
({1})
- Ich verstehe ja, dass Sie ein bisschen deprimiert sind.
Das wäre ich an Ihrer Stelle auch.
Sie wissen sehr genau, dass wir ein großes Stück vorangekommen sind. Wir haben das BAföG weiterentwickelt und die Sätze erhöht. Nachdem Jahre und Jahrzehnte darüber in Deutschland gesprochen wurde, haben
wir damit begonnen, eine Stipendienkultur aufzubauen.
({2})
Wir haben endlich etwas dafür getan - die Vorredner haben schon darauf hingewiesen -, dass armen Kindern
Bildungsteilhabe ermöglicht wird.
({3})
Sie haben es nicht getan, sondern Sie haben in den Bildungsbereich eine Null geschrieben.
({4})
Wir haben endlich - auch das hätte man schon viel
früher tun können - die Anerkennung von im Ausland
erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen auf den
Weg gebracht; denn es ist nicht in Ordnung, dass beispielsweise derjenige, der woanders Physik studiert hat,
in Deutschland nicht mehr machen kann, als Taxi zu fahren. Die Anerkennung bedeutet Gerechtigkeit. Sie hätten
viele Jahre die Gelegenheit dazu gehabt.
({5})
Wir haben viele Einzelmaßnahmen zu dem zusammengefügt, was Bildungskette heißt.
({6})
Wir haben in den vergangenen Jahren eine deutliche Reduzierung der Zahl der Schüler, die keinen Schulabschluss haben, erreicht. Ein Schulabschluss ist für einen
Schüler die entscheidende Eintrittskarte in Ausbildung
oder Studium. Es war ein wichtiger Schritt, dass sich
Bildungslotsen ab der siebten Klasse um die Schüler
kümmern. Wir wollen nicht warten, bis das Kind in den
Brunnen gefallen ist. Wir gestalten den Übergang von
der Schule in die Ausbildung besser. Darin spiegelt sich
das wider, was eine gute Pädagogik ausmacht: Aufmerksamkeit für den einzelnen Jugendlichen. Große ideologische Pläne, mit denen man an die Jugendlichen letztlich
überhaupt nicht herankommt, nutzen da wenig.
({7})
Mit dem Projekt „Bildungsgutscheine“ im Bereich
der Weiterbildung haben wir einen erheblichen Motivationsschub erreicht. Die meisten Bildungsgutscheine
gehen an erwachsene Menschen, die bis dahin noch
nicht auf die Idee gekommen sind, sich weiterzubilden.
Dass sie diesen Zugang heute bekommen, ist ein Erfolg
und ein ganz wichtiger Schritt, um Weiterbildung in
Deutschland zu stärken.
({8})
Lieber Herr Hagemann, ich will nur auf einen einzigen Punkt Ihrer Ausführungen eingehen. Ich finde es super, dass Sie Zitate von mir aus dem Jahre 2002 gefunden haben. Ich könnte Ihnen Zitate nennen, in denen ich
mich noch viel drastischer zu diesem Programm geäußert habe. Ich habe das Programm damals ein Suppenküchenprogramm genannt. Wenn man sich die Studie, die
sich mit diesem Programm beschäftigt, ansieht, dann
kann man erkennen, dass das Bauen von Ganztagsschulen nicht unwichtig war. Aber die Einschätzung von da8326
mals gilt auch heute noch: Das Bauen macht nur Sinn in
Verbindung mit einer pädagogischen Entwicklung der
Schulen.
({9})
Dazu ist es notwendig, dass die Länder genügend Personal zur Verfügung stellen.
({10})
Außerdem muss das geschehen, womit wir in der Großen Koalition angefangen haben - dabei geht es nicht
um den Bau einer Mensa -, nämlich den Schulen zu helfen, Konzepte zu entwickeln. Das führt zu besseren
Schulen und zu einer größeren pädagogischen Qualität.
So setzen wir das Programm sinnvoll um.
({11})
Frau Hinz, ich würde mich als Opposition jetzt vielleicht auch so darauf stürzen - auf irgendetwas muss
man sich ja stürzen -; aber Sie wissen doch ganz genau,
dass die Antwort der Bundesregierung auf das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV kein Infrastrukturprogramm oder irgendein Programm für Schulen sein
konnte. Der Auftrag war ein anderer.
({12})
Der Auftrag richtet sich auf das Individuum, die Förderung von Subjekten. Das ist die Antwort, die Sie vergessen haben; sie ist auf Kinder ausgerichtet und nicht auf
Institutionen.
({13})
Zu den Fakten gehört auch: Als wir 2005 in der Großen Koalition angefangen haben,
({14})
lag eine jahrelange besorgniserregende Stagnation der
Studienanfängerzahlen hinter uns. Alle hatten den Eindruck, in Deutschland wollten junge Leute nicht studieren. 2010, nur fünf Jahre später, hat sich die Zahl der
Studienanfänger auf über 46 Prozent erhöht; das ist eine
Steigerung um 10 Prozent. Das hat es nie zuvor in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben.
({15})
Wie ist diese Steigerung zu erklären? Die jungen
Leute merken natürlich, dass Bildung, Wissenschaft und
Forschung in diesem Land wieder einen höheren Stellenwert haben. Sie merken, dass in Berlin die richtige Politik gemacht wird
({16})
- Herr Schulz, Sie kommen ja gleich noch dran; aber
wenn ich Sie wäre, wäre ich jetzt mal ganz vorsichtig;
Sie werden in den nächsten Monaten noch erleben, wie
hier über Bildungspolitik in Berlin diskutiert werden
wird -, trotz der notwendigen Konsolidierung der Haushalte, trotz aller Schwierigkeiten, die wir übrigens auch
in den Haushalten anderer Länder in Europa erleben.
({17})
Diese jungen Leute spüren, dass Deutschland für Studierende attraktiv ist; nach den Vereinigten Staaten und
Großbritannien ist es das drittbeliebteste Land. Diese
jungen Leute spüren, dass sich Bildung lohnt und dass
sie ihr Studium wieder finanzieren können, weil es nicht
nur BAföG gibt, sondern im Laufe der Jahre auch eine
Stipendienkultur, die ihnen mehr Möglichkeiten verschafft als die Grundsicherung über BAföG.
({18})
Diese jungen Leute spüren auch, dass Verlässlichkeit
in die Politik gekommen ist.
({19})
Diese Bundesregierung ist ein verlässlicher Partner der
Studierenden, sie ist ein verlässlicher Partner der Hochschulen, sie ist ein verlässlicher Partner der Forschungsorganisationen, und zwar über einen langen Zeitraum;
denn wir fahren nicht nur auf Sicht, sondern haben die
12 Milliarden Euro ganz klar im Koalitionsvertrag verankert.
({20})
Jetzt kommt das Thema Wehrpflicht.
({21})
- Ich glaube, dass für die Hochschulen ein späterer Zeitpunkt günstiger wäre; das ist doch gar keine Frage.
({22})
Jetzt wägen Sie aber doch einmal ab: zwischen der Aufgabe, neue Studienplätze zu schaffen, und unserer Fachkräftediskussion. Wir diskutieren täglich über die Frage,
wie wir den Fachkräftebedarf in den nächsten zehn
Jahren in Deutschland decken können, wenn wir den
Wohlstand halten wollen, den wir haben. Alle, die etwas
davon verstehen, sagen, schon in den nächsten fünf Jahren werden auf 100 Akademiker, die in den Ruhestand
gehen, nur 90 folgen.
({23})
Angesichts dessen ist es eine Chance, wenn nun mehr
junge Leute ein Studium beginnen.
Außerdem haben wir einen Hochschulpakt mit
275 000 zusätzlichen Studienplätzen bis 2015.
({24})
- Herr Hagemann, am Hochschulpakt 2005 bis 2010
können Sie erkennen, dass nicht schon vorab festgelegt
war, wie viele Studienplätze in einem Jahr geschaffen
werden. Das heißt, Länder können natürlich statt in 2012
oder 2013 bereits 2011 einen höheren Anteil Studienplätze in Anspruch nehmen.
({25})
Wir reden 2013 darüber, was für 2014 und 2015 gegebenenfalls notwendig ist. Dann werde ich das sagen, was
ich auch dieser Tage gesagt habe: Die Bundesregierung
steht zum Hochschulpakt. Sie steht auch zur Weiterentwicklung des Hochschulpaktes. Sie wird ihn für 2015 bis
2020 aushandeln. Dann muss für uns klar sein: Diejenigen, die Abitur machen und sich um einen Studienplatz
bemühen, werden nicht in die Warteschleife geschickt.
Ich erwarte von den Ländern, dass sie den Hochschulen
jetzt nicht Rücklagen wegnehmen, sondern ihnen Rücklagen lassen und investieren.
({26})
Das ist ein Teil der Fakten. Die jungen Leute haben
die Fakten verstanden. Das Thema Bildung und Wissenschaft hat in diesem Land einen völlig anderen Klang als
noch vor einigen Jahren. Ich möchte allen danken, die
dazu beigetragen haben - den Berichterstattern, den Regierungsfraktionen, dem Haushaltsausschuss, der harte
Arbeit zu leisten hat -, dass es uns gelungen ist, auch im
nächsten Jahr Zusagen einzuhalten, verlässlich zu bleiben und dem gerecht zu werden, was in dem Satz steckt,
dass Lehren und Lernen zu den besten Seiten des Menschen gehören.
Vielen Dank.
({27})
Das Wort hat nun Swen Schulz für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte
Frau Ministerin Schavan, zunächst kurz einen Satz zu
Berlin: So wahnsinnig schlecht kann die Bildungspolitik
im Land Berlin - von SPD und Linken regiert - nicht
sein. Denn sehr viele Studierende wollen hier in Berlin
studieren.
({0})
Viele andere Länder sollten sich ein Beispiel an Berlin
nehmen. So herum wird ein Schuh daraus.
({1})
Die Koalition legt starke Haushaltszahlen vor, jedenfalls auf den ersten Blick. Wenn man sich den Haushalt
und die Politik der Bundesregierung im Bereich Bildung
aber genauer anschaut, kommt man zu dem Fazit: Viel
Moos, aber nix los.
({2})
Sie kennen doch das Märchen vom Hans im Glück.
So kommt mir auch Ministerin Schavan vor: Annette im
Glück. Im Märchen erhält Hans von seinem Herrn ein
großes Stück Gold. In der Politik hat Frau Schavan sogar
doppeltes Glück. Das Thema Bildung und Forschung ist
angesagt. Es gibt so viel öffentlichen Druck, da kann der
Bundesfinanzminister eigentlich gar nicht anders, als
ganz viel Gold - besser gesagt: Geld - zur Verfügung zu
stellen. Darüber hinaus hat die SPD in Rot-Grün und in
der Großen Koalition erfolgreich gearbeitet. Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung, Hochschulpakt, gutes
BAföG - ohne die SPD gäbe es all das nicht, Frau Flach.
({3})
Was aber macht Frau Schavan jetzt mit all dem Gold?
Sie verplempert es. Ein großer Teil des Geldes - das
haben wir schon gehört - wurde in 2010 gar nicht erst
ausgegeben. Ein anderer Teil des Geldes wird verschwendet. Wir haben ein Schwarzbuch erstellt, in dem
die Fehlausgaben aufgelistet sind, etwa die Ausgaben für
das missratene Technikum, bei dem 4 Millionen Euro für
31 Praktikantenplätze ausgegeben wurden.
({4})
Das sind sage und schreibe 129 000 Euro für jedes Praktikum.
Ein anderer Teil des Geldes wird für falsche Projekte
ausgegeben, zum Beispiel für das Stipendienprogramm.
Es wurde groß angekündigt, jetzt aber auf ein Mindestmaß reduziert: von 160 000 auf nur noch 6 000 Stipendien im nächsten Jahr.
({5})
In den Ausschussberatungen hat Kollege Schipanski
ganz selbstbewusst gesagt, dass die privaten Stipendiengeber auf den Startschuss warten, als ob die Hochschulen sich vor dem Ansturm der Mäzene kaum retten könnten. Jetzt - man weiß gar nicht, ob man lachen oder
weinen soll - bietet die Bundesregierung den Hochschulen Kurse an, um ihnen beizubringen, wie man Stipendien einwirbt.
({6})
Meine Güte, wie verzweifelt müssen Sie sein, wie groß
ist wohl die Sorge, dass dieses bereits auf ein Minimum
abgespeckte Programm nicht funktioniert?
({7})
Aber Sie geben erst einmal viel Geld für Verwaltung, für
Öffentlichkeitsarbeit und für diese Kurse aus.
Swen Schulz ({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, seien Sie doch ehrlich. Das Einzige,
was vernünftig läuft, sind die durch die SPD angeschobenen Programme.
({9})
Darum wäre es gut, Sie würden einmal richtig auf uns
hören. Wir haben ein Programm zur Verbesserung der
Lehre vorgeschlagen. Sie kleckern nur hinterher.
({10})
Wir haben eine deutliche BAföG-Verbesserung vorgeschlagen. Sie zuckeln halbherzig nach.
Wir haben Sie von Anfang an vor der katastrophalen
Finanzpolitik der Regierungskoalition gewarnt, weil
diese den Ländern und Kommunen die Basis für eine
gute Bildungspolitik zerstört. Sie haben nichts dagegen
unternommen. Im Gegenteil, Sie schieben jetzt den Ländern den Schwarzen Peter zu.
Es geht ja schon wieder mit der Debatte um Steuersenkungen los. Dabei müssten Sie, Frau Ministerin, endlich einmal gemeinsam mit den Ländern und Kommunen
etwas Sinnvolles für die Bildung unternehmen. Wo sind
Sie denn tatsächlich etwa in der Debatte über Bildungsteilhabe, bei der Förderung von armen Kindern und Jugendlichen? Sie wollen sich hier wortreich herausreden.
Das sogenannte Bildungspaket ist doch eher ein Bildungspäckchen. Ein paar Gutscheine mit großem bürokratischen Aufwand verteilen - das ist nicht die Lösung.
({11})
Wir von der SPD haben Investitionen in die Schulen gefordert, damit alle und direkt optimal gefördert werden.
Herr Kollege Rupprecht, wir haben in diesen Haushaltsberatungen 100 Millionen Euro für Schulsozialarbeiter
vorgeschlagen.
({12})
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat das abgelehnt. Ich habe Sie, Frau Ministerin, im Ausschuss gefragt: Wie sieht es denn mit Investitionen direkt in die
Schulen aus? - Sie wollen das nicht.
Wir wollen ein neues Ganztagsschulprogramm.
({13})
Da stehen wir nicht allein. Das ist nicht etwa einfach nur
eine Oppositionsforderung, sondern es gibt viele wichtige Kräfte in der Gesellschaft, die das unterstützen. Zum
Beispiel die Evangelische Kirche hat das jüngst auf ihrer
Synode beschlossen. Sogar die Wirtschaftsweisen haben
in ihrem aktuellen Jahresgutachten eine Bildungsoffensive mit flächendeckenden Ganztagsschulen gefordert.
Wir reden nicht nur, sondern wir haben da schon vorgearbeitet - übrigens gegen Ihren Widerstand.
({14})
Das erste Ganztagsschulprogramm der Regierung
Gerhard Schröder ist von der konservativen Seite noch
massiv bekämpft worden.
({15})
Jetzt haben Sie, Frau Ministerin - das ist ja schon angeklungen -, ganz stolz die Ergebnisse einer Studie vorgestellt, wonach die Ganztagsschulen lauter positive Effekte
haben: auf die Schulleistungen, auf das Sozialverhalten,
auf das häusliche Familienklima. Und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus, liebe Frau Ministerin, wenn
Sie sagen, dass das erste Ganztagsschulprogramm zu
wenig war? Was machen Sie denn jetzt?
({16})
Gar nichts machen Sie. Das ist nicht nur zu wenig, sondern das nenne ich Arbeitsverweigerung.
({17})
Anderes Thema. Sie bejubeln die steigende Studierneigung. Das ist ja auch toll, keine Frage. Doch das bedeutet auch eine Verpflichtung. Auch die Hochschulrektorenkonferenz fordert, dass Bund und Länder deutlich
mehr Studienplätze bereitstellen, über das Bisherige hinaus. Wo ist Ihr Beitrag, Frau Schavan?
Seit Monaten diskutieren wir über die Konsequenzen
der geplanten Aussetzung der Wehrpflicht. Da kommen
natürlich im nächsten Jahr mehr Bewerberinnen und Bewerber auf die Hochschulen zu. Da muss sofort agiert
werden, um ausreichend Studienplätze zu schaffen. Das
geht nicht über Nacht. 60 000 Plätze müssen nach Angaben der Länder zusätzlich her.
Herr Rehberg, es ist doch ganz klar, dass der Bund
Verursacher dieser Situation ist. Darum muss er auch dafür geradestehen. Das sagen wir seit langem. Aber was
haben wir von der Bundesregierung bisher gehört? Abwarten, Beschwichtigungen, Kompetenzgeschiebe. Und
heute geht das weiter. Frau Ministerin, Ihrer Rede habe
ich entnommen, dass Sie in dieser Frage überhaupt
nichts tun wollen und das alles den Ländern überlassen.
Das ist nicht verantwortungsbewusst. Das ist kurzsichtig. Das kann so nicht gehen.
({18})
Frau Ministerin, Sie haben eigentlich alle Möglichkeiten. Aber Sie machen nichts daraus. Jetzt stehen Sie
da wie am Ende der Hans im Glück im Märchen. Der hat
nämlich sein Gold im Laufe der Fehlentscheidungen verloren und hat dann eben nichts mehr. Dabei ist er aber,
genau wie Sie, Frau Ministerin, auch noch froh. Am
Ende des Märchens heißt es:
„So glücklich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen
Menschen unter der Sonne.“ Mit leichtem Herzen
und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.
Sie aber, Frau Ministerin, sollten endlich einmal richtig
arbeiten.
Herzlichen Dank.
Swen Schulz ({19})
({20})
Das Wort hat nun Patrick Meinhardt für die FDPFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, an
Ihrer Stelle würde ich mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Gerade einmal 8,2 Milliarden Euro waren im
letzten Bundeshaushalt von Rot-Grün für Bildung und
Forschung vorgesehen.
({0})
Die Ausgaben für Bildung und Forschung steigen in diesem Jahr auf insgesamt 11,7 Milliarden Euro. Das sind
3,5 Milliarden Euro mehr als zu Ihrer Regierungszeit.
Keine Bundesregierung hat jemals so viel Geld in Bildung und Forschung und damit in die Zukunft unseres
Landes investiert.
({1})
Das, was wir gerade erlebt haben, war wirklich unglaublich. Das war fast schon eine Märchenstunde, die
uns hier präsentiert worden ist.
({2})
Die Koalition der Mitte
({3})
setzt auf eine Politik für mehr Bildung, für mehr Forschung und für mehr Innovation in Deutschland. Auch
wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Wir wollen und
werden dadurch den Bildungsaufstieg ermöglichen, die
Forschungsdynamik erhöhen und dafür sorgen, dass
Deutschland weiterhin eines der führenden Innovationsländer in Europa ist. Das ist das Ziel dieser Regierungspolitik.
({4})
Bei der notwendigen Ausrichtung der Hightech-Strategie haben wir nicht zuletzt die globalen Herausforderungen vor Augen. Wir fördern die neuen Technologien
mit 709 Millionen Euro und setzen mit dem Schwerpunkt Elektromobilität ein klares Signal, auch hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Mit der
Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie werden
wir zusätzliche Akzente setzen. Mit diesen Maßnahmen
wollen wir in die Zukunft dieses Landes investieren. Wir
unterstützen die Forschung, und zwar die Forschung, die
den Menschen dient. Das ist eine Grundlage unserer gemeinsamen Regierungspolitik.
({5})
Die Kernelemente unserer forschungspolitischen
Agenda werden deutlich, wenn man sieht, welchen
Schwerpunkt wir beim Aufbau der Deutschen Zentren
der Gesundheitsforschung legen. Bereits vor wenigen
Tagen wurde das Kompetenz-Zentrum Diabetes eröffnet.
Im nächsten Jahr sind vier weitere Zentren geplant: für
Infektiologie, Onkologie, Pneumologie und Kardiologie.
Dies stärkt unsere Position im Kampf gegen die sogenannten Volkskrankheiten und hilft den Menschen in unserem Land direkt. Es zeigt, dass wir eine Politik nahe
bei den Menschen machen, mit der richtigen ordnungspolitischen und forschungspolitischen Ausrichtung.
({6})
Die Koalition der Mitte,
({7})
Herr Kollege, steht weiterhin zu der im Pakt für Forschung und Innovation mit den Forschungsorganisationen eingegangenen Verpflichtung und baut diese weiter
aus. Im Rahmen der Hightech-Strategie tun wir dies in
einer ganzen Reihe von Bedarfsfeldern.
({8})
Es ist richtig und gut, dass weitere Förderinstrumente
ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel der
Spitzencluster-Wettbewerb,
({9})
der Industrie-Forschungs-Campus und endlich auch die
Validierungsförderung, der Brückenschlag von Grundlagenforschung zu anwendungsorientierter Forschung.
Damit machen wir Deutschland zukunftsfähig. So entwickeln wir die Forschungsrepublik Deutschland.
({10})
Wir haben die Forschungsbemühungen gerade der
mittelständischen Unternehmen mit einem umfangreichen Spektrum von Maßnahmen gefördert und werden
weiterhin daran arbeiten, die Bedingungen für diese Unternehmen zu verbessern. Die Rahmenbedingungen
müssen positiv fortentwickelt werden.
Diese Rahmenbedingungen hat der Stifterverband für
die Deutsche Wissenschaft sehr gut auf den Punkt gebracht. Er hat darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft
ihre Forschungsanstrengungen im Jahre 2010 sogar erhöht hat. Dies ist ein Hinweis, wie wir erfolgreiche Rahmenbedingungen für eine sinnvolle Forschungspolitik
setzen können.
Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich, dass die forschenden Unternehmen, die gerade in der Wirtschafts8330
krise bereit waren, zusätzliche Mittel in die Forschung
zu investieren, diejenigen Unternehmen sind, die dieses
Land voranbringen, im Hinblick auf Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze und Wirtschaftsfähigkeit. Dafür sollte
man an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen.
({11})
Beim Thema Bildungsgerechtigkeit geht es auch um
die Frage, wie wir die berufliche Bildung fördern. Welch
hohe Anerkennung sie in diesem Haushalt genießt, zeigt
sich in den entsprechenden Aufwüchsen: Maßnahmen
zur Verbesserung der Berufsorientierung: plus 18 Millionen Euro; Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung: plus 16 Millionen Euro; Begabtenförderung in der
beruflichen Bildung: plus 9 Millionen Euro; Strukturentwicklung beruflicher Bildung: plus 11,5 Millionen Euro;
überbetriebliche Bildungsstätten: plus 11 Millionen
Euro. Das alles zusammen macht deutlich, dass wir ein
ganz klares Ziel setzen. Berufliche Bildung hat bei uns
hohe Priorität und genießt dieselbe, gleichberechtigte
Anerkennung wie die akademische Bildung in dieser
Bundesregierung.
({12})
Die BAföG-Novelle haben wir in die Wege geleitet,
sodass im kommenden Jahr in der Summe alle Beteiligten zusammen 500 Millionen Euro mehr erhalten, und
zwar rückwirkend zum Wintersemester. Ich bin sehr froh
darüber, dass dies erreicht werden konnte.
Sie wundern sich wahrscheinlich nicht, dass ich auch
sehr froh darüber bin, dass in diesem Land mit dem nationalen Stipendienprogramm eine weitere Säule der
Talentförderung in der Bundesrepublik Deutschland etabliert werden kann. 20 000 junge Menschen werden in
den Begabungsförderungswerken durch die Finanzierung der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Im
kommenden Jahr legen wir als ersten Schritt ein Programm auf, das zusätzlich 10 000 Studierenden die
Möglichkeit dazu gibt. Wir erhöhen also den Anteil der
öffentlich geförderten Stipendien in der Bundesrepublik
Deutschland um 50 Prozent. Das ist eine ganz großartige
Leistung dieser Bundesregierung.
({13})
Die 150 Euro Büchergeld, die künftig jeder Studierende im Bereich der Begabungsförderungswerke bekommt, also auch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, bei der
Heinrich-Böll-Stiftung und bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, sind ein weiteres positives Ergebnis, weil wir nur
beides zusammen in der richtigen Art und Weise machen
können, nämlich eine Förderung der hervorragenden Arbeit der Begabungsförderungswerke und die Implementierung einer neuen Förderlinie, indem Universitäten und
Fachhochschulen die Chance haben, hier aktiv zu werden und zusammen mit Fördervereinen, mit Alumni und
der Wirtschaft eine neue Trendwende in der Stipendienkultur der Bundesrepublik Deutschland hinzubekommen.
({14})
Auf die Situation bei den Studienanfängern ist hinlänglich verwiesen worden. Mit 462 600 jungen Menschen, die sich dazu entschlossen haben, ein Studium
aufzunehmen - das sind 20 000 mehr als im vergangenen Jahr -, haben wir ein deutliches Zeichen der Attraktivität des Studiums in der Bundesrepublik Deutschland.
Insgesamt haben wir in der Politik schon im Vorfeld - da
natürlich schon unter dem Hochschulpakt - unsere Akzente gesetzt. Es ist auch ein gutes und richtiges Zeichen, dass diese Regierungskoalition einen Qualitätspakt Lehre mit 2 Milliarden Euro mehr in der Summe
in die Wege geleitet hat. Das ist eine wirklich ganz außergewöhnliche Leistung, die wir deutlich hervorheben
sollten.
({15})
Die Bildungs- und die Forschungspolitik genießen
absolute Priorität in dieser Bundesregierung. 12 Milliarden Euro mehr, die wir investieren, sind nicht nur ein
deutliches Zeichen; es ist die höchste Steigerung, die es
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland je gegeben hat. Weil Sie von der Opposition den Äußerungen
der Vertreterinnen und Vertreter dieser Regierungskoalition kein großes Vertrauen schenken, möchte ich zum
Schluss meiner Rede als Zitat Herrn Professor Matthias
Kleiner, den Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, anführen: Bildung und Forschung sind die
einzigen großen Bereiche im Bundeshaushalt, die von
den allgemeinen Sparanstrengungen nicht nur ausgenommen sind, sogar noch aufgestockt werden. Das ist
ein starkes Signal, und ich bin zutiefst davon überzeugt,
dass diese Entscheidung richtig ist!
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat nun Agnes Alpers für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zwar heute von der Koalition und auch von der Bildungsministerin erst wenig dazu gehört; aber die berufliche Bildung ist ihr Vorzeigeobjekt, ihr Flaggschiff; das
behauptet sie sonst zumindest immer.
Vor einem Jahr ging es Frau Schavan bei der Regierungserklärung um die Frage, wie wir die Qualität und
Ausbildungsreife so entwickeln, dass jeder eine Ausbildung antreten kann. Dies soll nun durch die Bildungsketten garantiert werden. 1 000 Berufseinstiegsbegleiter
sollen an 1 000 Schulen 30 000 Schülerinnen und Schüler betreuen, damit diese einen höherwertigen Schulabschluss erreichen und eine gute berufliche Orientierung
erhalten.
Dabei sollen sie von 1 000 ehrenamtlichen Seniorexperten unterstützt werden. Das alte Programm der Berufseinstiegsbegleiter hat nun einen neuen Namen beAgnes Alpers
kommen, nämlich Bildungsketten. Die grundlegenden
Probleme, eine gute Berufsorientierung für alle zu gewährleisten und auf Ausbildungsplätze für alle hinzuarbeiten, bleiben aber weiterhin bestehen.
2008 gab es über 760 000 Schulabgängerinnen und
Schulabgänger an den Hauptschulen. Nur 30 000 von ihnen, also nur 4 Prozent, sollen durch die Bildungsketten
unterstützt werden. Der Rest geht wieder einmal leer
aus, und das, obwohl die Hälfte aller Hauptschulabgängerinnen und -abgänger keinen Ausbildungsplatz bekommt. Ich frage Sie, Frau Schavan: Wann kümmern Sie
sich endlich um die Zukunft aller jungen Menschen?
({0})
Stattdessen brüstet sich unsere Regierung natürlich
immer wieder mit den zusätzlichen 12 Milliarden Euro.
Es wird immer zusätzlich investiert, aber für die berufliche Bildung gilt das in vielen Bereichen nicht. Wenn wir
uns noch einmal die Bildungsketten anschauen, dann sehen wir, dass hier zwar etwas investiert wird, statt das
Geld aber für alle zu investieren, reduzieren Sie die Mittel für die Berufsorientierung um 13 Millionen Euro.
Ich sage Ihnen, Frau Schavan: Wir brauchen nicht nur
eine gute finanzielle Ausstattung, sondern auch ein Konzept, um den verlässlichen Übergang in Ausbildung für
alle zu gestalten.
({1})
Auch hier ist unsere Bundesregierung wieder ideenlos
und handlungsunfähig.
Kommen wir auf das Sonderprogramm „Ausbildungsplatzprogramm Ost“ zu sprechen. Das soll dieses Jahr beendet werden. Im letzten Jahr ist deshalb in
unserem Haushalt das Programm für strukturschwache
Regionen verankert worden. Dieses haben Sie aber ganz
schnell sang- und klanglos wieder abgeschafft. Das gibt
es nicht mehr. 45 Millionen Euro werden genau da gekürzt, wo sie wichtig wären, um Ausbildungsplätze zu
schaffen und Unternehmen anzusiedeln. Ganze Landstriche bluten aus. Es ist höchste Zeit, dass wir diesen Prozess jetzt stoppen.
({2})
Wir müssen die Ausbildung vor Ort sichern, da, wo die
jungen Menschen mit ihren Freunden und Familien leben.
({3})
Mehr denn je brauchen wir also das Programm für die
strukturschwachen Gebiete.
Wir müssen aber auch die Berufsausbildungsbeihilfen erhöhen, damit sich die Jugendlichen durch ihre
Ausbildung ein selbstständiges Leben aufbauen können.
Als Berufsschullehrerin sage ich Ihnen: Wenn wir die
Zukunft gestalten wollen, dann müssen wir gute Übergänge in Ausbildung absichern und Ausbildungsplätze
für alle gewährleisten.
({4})
Wie aber gestaltet die Regierung den kommenden
Haushalt, um die wesentlichen Probleme bei der beruflichen Bildung zu lösen? Wir haben es gerade gehört:
„Der Erfolg von Politik entscheidet sich … an Fakten“.
Frau Schavan, was tun Sie aber für die 1,5 Millionen
jungen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsausbildung? Hierfür setzen Sie im Bildungshaushalt
keinen Schwerpunkt. Was tun Sie für die jungen Menschen mit Migrationshintergrund, von denen nur ein
Drittel einen Ausbildungsplatz erhält? Auch hierfür wird
im Bildungshaushalt kein Schwerpunkt gesetzt. Was tun
Sie für die Ausbildungsbeteiligung von jungen Frauen,
die nach wie vor nur ein Viertel aller Ausbildungsplätze
belegen? Auch hierfür wird im Bildungshaushalt kein
Schwerpunkt gesetzt.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bildungsministerin betont gerne - ich zitiere -:
Der Koalitionsvertrag sendet starke Signale an die
junge Generation.
({6})
Was sind denn das für Signale? Wer reich ist und in der
richtigen Gegend lebt, wird einbezogen, wer aber arm
und auf Unterstützung angewiesen ist, wird wieder einmal ausgegrenzt.
({7})
Bildung und auch Ausbildung sind Grundrechte, die
allen Menschen zustehen:
({8})
der Tochter des Abgeordneten ebenso wie dem Sohn des
Hartz-IV-Empfängers. Das ist unser politischer Ansatz.
Nehmen Sie sich bitte einmal ein Beispiel daran.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat nun Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie
von der schwarz-gelben Minderheitsregierung scheinen
offensichtlich gerade die Parteienlandschaft in Dafürund Dagegen-Parteien zu sortieren. Gerade die FDP-Attacken gegen die Grünen zeigen uns, dass Wilhelm
Busch wohl doch recht hatte, als er sagte: „Der Neid ist
die aufrichtigste Form der Anerkennung.“
({0})
Ich halte es für wichtig, an dieser Stelle die Unterschiede zwischen Schwarz-Gelb auf der einen Seite und
den Grünen auf der anderen Seite deutlich zu machen.
Sie von der schwarz-gelben Koalition sind für ein bildungsfeindliches Betreuungsgeld als Zuhause-bleib-Prämie für Mütter und Kinder. Wir Grünen sind dafür, dass
alle Kinder eine gute Kindertagesstätte besuchen können.
({1})
Sie sind für ein mehrgliedriges Schulsystem, das Kindern schon im Alter von zehn Jahren Berufsaussichten
zuordnet. Wir Grünen sind trotz Rückschlägen weiterhin
für längeres gemeinsames Lernen, für echte Integration,
Inklusion und für individuelle Förderung.
({2})
Sie von der Koalition sind für ungerechte Studiengebühren und für ein Bezahlstudium für alle. Wir Grünen
sind für Studiengebührenfreiheit und Bildungsaufstieg
für alle.
({3})
Sie von der Koalition boxen ein elitäres DeutschlandStipendienprogramm durch, und dann schwadronieren
Sie tatsächlich heute darüber, dass Sie eine neue Stipendienkultur begründen würden.
({4})
Das ist ein Witz. Wenn Sie mit den Haushaltsberatungen
durch sind, dann wird kein Deutschland-Stipendienprogramm, sondern ein Gartenzwergprogramm übriggeblieben sein. Ihr 8-Prozent-Ziel werden Sie frühestens in
20 Jahren erreichen, wenn Sie mit diesen Trippelschritten vorangehen.
({5})
Wir Grünen sind für den massiven Ausbau des
BAföG. Wir wollen das Ganze zu einem Zweisäulenmodell weiterentwickeln, weil man dadurch für die Bildungsgerechtigkeit viel mehr erreichen kann.
Die Liste ließe sich deutlich verlängern. Die Beispiele
zeigen: Wir Grünen stehen für Modernität und Zukunft.
Sie von der Koalition stehen für altes Denken und Vergangenheit.
({6})
Wir wollen definitiv höhere Qualität, bessere Strukturen und mehr Geld im Bildungssystem. Soziale Spaltung
und Bildungsarmut sind uns eben nicht egal. Das merkt
man Ihrem Haushalt nicht an.
Frau Schavan, ich hätte von Ihnen ein Konzept erwartet, wie Sie die zerrütteten Bund-Länder-Beziehungen
im Bildungsbereich wieder kitten wollen.
({7})
Wir haben in den letzten Monaten einiges erlebt. Ich
finde, dass Sie als Ministerin schlafmützig reagieren,
weil Sie im Haushalt absehbare hochschulpolitische
Herausforderungen nicht anpacken. Während ganz
Deutschland über Fachkräftemangel diskutiert, verwalten Sie Studienplatzmangel und Ausbildungsmisere.
({8})
- Ja, so ist es doch.
Im letzten Frühjahr ist Minister Guttenberg mit dem
überfälligen Ausstieg aus der Wehrpflicht vorgeprescht.
Zivildienstministerin Schröder stolpert hinterher, und
erst vor wenigen Tagen hat die Bundesbildungsministerin gemerkt, dass im Jahr 2011 150 000 junge Männer
zusätzlich einen Ausbildungs- oder Studienplatz brauchen. Sie haben monatelang nichts dafür getan. Im Haushalt 2011 treffen Sie keine Vorsorge dafür. Sie dürfen
den Bildungsaufstieg dieser ganzen Generation nicht
vermasseln. Sie müssen deshalb Wege für den Bildungsaufstieg eröffnen.
({9})
Wir kritisieren seit Jahren, dass Ihr Hochschulpakt
unterfinanziert und unterdimensioniert ist. Aus neuen
Untersuchungen geht hervor, dass im Hochschulpakt bis
2015 fast doppelt so viele Plätze geschaffen werden
müssen wie ursprünglich vereinbart. Darauf müssen Sie
doch eine Antwort geben, und zwar nicht nach dem
Motto „Darüber werden wir mal reden“. Wir hätten
heute von Ihnen erwartet, dass Sie der jungen Generation an Studienberechtigten, den Hochschulen, die Planungs- und Finanzierungssicherheit erwarten, und auch
den Bundesländern, die sich - allen voran übrigens Bayern - schon per Brief hilfesuchend an Sie und die Kanzlerin gewendet haben, ein klares Ausbau- und Aufbruchssignal geben.
({10})
Der Ansturm der Studienberechtigten ist eine riesige
Chance, die nicht verspielt werden darf. Bauen Sie die
Hochschulen in unserem Land schneller aus! Ziehen Sie
beim Hochschulpakt die Ausbaustufe 2012 vor! Bauen
Sie den Hochschulpakt besser aus und finanzieren Sie
ihn insgesamt besser! Nur so lassen sich Studienplatzmangel und Fachkräftemangel beseitigen.
({11})
Als Nächster hat Kollege Albert Rupprecht für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Hagemann, Sie haben im Zusammenhang mit dem
Haushalt vor Kurzem Ihr Dokument mit dem Titel
„Schwarzbuch Schavan“ veröffentlicht.
({0})
Ein Schwarzbuch ist definiert als ein - ich zitiere - Enthüllungsbuch, in dem unmoralische, illegale oder kriminelle Missstände aufgedeckt werden. Herr Hagemann,
Sie liegen nicht nur inhaltlich bei vielem, was Sie schreiben, falsch. Vielmehr bin ich auch der Ansicht, dass es
vom Stil her unangemessen ist.
({1})
Albert Rupprecht ({2})
Herr Hagemann, ich bin der Überzeugung - und das
ist objektiv nachweisbar -, dass Sie in keiner Weise
Ministerin Schavan mit Ihren Ausführungen gerecht
werden. Ministerin Schavan ist gemessen an den Haushaltsmitteln für Bildung und Forschung nachweislich
und objektiv die erfolgreichste Forschungs- und Bildungsministerin, die es im Nachkriegsdeutschland jemals gegeben hat.
({3})
Der Haushalt ist unter Rot-Grün in sieben Jahren um
1,2 Milliarden Euro gewachsen. Wir hingegen haben ihn
in fünf Jahren um mehr als 4 Milliarden Euro aufgestockt, und das ist gemessen an 2005 eine Steigerung um
74 Prozent. Die Wahrheit ist und bleibt: Wir beschließen
morgen den höchsten Bildungs- und Forschungshaushalt
seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, sehr geehrte Damen und Herren.
({4})
Das machen wir trotz Schuldenbremse und trotz des
Zwangs, in dieser Legislaturperiode 80 Milliarden Euro
im Gesamthaushalt einzusparen. In den Ländern um uns
herum - ob in Frankreich, den USA oder in Großbritannien - wird in Zeiten der Krise bei Forschung und Bildung massiv gestrichen.
({5})
Wir geben massiv mehr aus.
({6})
Das meint Angela Merkel, wenn sie sagt: Deutschland muss international gestärkt aus der Krise hervorgehen. - Das ist unter anderem eine Ursache dafür, dass die
Länder um uns herum mit Neid auf Deutschland blicken
und vom neuen Wirtschaftswunder in Deutschland reden, sehr geehrte Damen und Herren. Wir beten tagtäglich dafür, dass Rot-Rot-Grün hier niemals regieren
möge.
({7})
Die SPD ist nach dem Rückzug von Müntefering,
Struck und Steinbrück auch in der Forschung und Bildung zur Partei der Beliebigkeit geworden. Beispiele:
Gestern waren Sie noch für die Fusionsforschung, und
heute wollen Sie sich am liebsten von ITER verabschieden. Gestern waren Sie noch voller Begeisterung für die
Nanotechnologie, und heute reden Sie nur noch über die
Risiken.
({8})
- In Ihren Dokumenten und Anfragen zur Nanotechnologie, mit Verlaub.
({9})
Die Grünen sind spätestens seit ihrem Parteitag am
vergangenen Wochenende wieder da angekommen, wo
sie vor 30 Jahren gestartet sind:
({10})
ein unberechenbarer Haufen. Ihr chaotisches Verhalten
zur bayerischen Olympiabewerbung ist unverantwortlich
gegenüber den Betroffenen, sehr geehrte Damen und
Herren.
({11})
Sie sind darüber hinaus gegen alles, was den Innovationsstandort Deutschland stärkt. Forschung und Innovation brauchen Verlässlichkeit. Sie bieten allerdings keine
Verlässlichkeit. Sie sind dagegen - gegen den Ausbau
der Stromnetze, gegen bezahlbaren Strom, gegen den
Ausbau von Straßen und Schienennetzen. Das ist Ihre
Politik. Rot und Grün fordern viel, liefern aber selbst
herzlich wenig.
({12})
Trotzdem wage ich den Blick in die Vergangenheit.
({13})
Beispiel Studienfinanzierung: Was forderte Rot-Grün
bei jedem Redebeitrag? Die Studienfinanzierung muss
ausgeweitet werden.
Was haben Sie unter Rot-Grün 2005 gemacht? Der
Bund hat 2005 für die Studienfinanzierung 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wir haben die Mittel
seit 2005 um ganze 53 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro
erhöht.
({14})
Das ist unsere Politik.
({15})
Beispiel Projektförderung: Die Projektförderung lag
2005 bei 1,2 Milliarden Euro. Jetzt liegt sie bei
2,1 Milliarden Euro. Das ist kein Zahlendreher, sondern
eine Steigerung um 70 Prozent.
Herr Hagemann, Sie schreiben in Ihrem Pamphlet
über Kürzungen, Ankündigungen und Verschiebungen.
Als Erstes zu den Kürzungen. Sie haben das Thema
überbetriebliche Bildungsstätten angesprochen. Sie
behaupten in Ihrem Schreiben, dass hierzu nur noch
29 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das ist
schlichtweg falsch. Wir beschließen morgen 40 Millionen Euro für überbetriebliche Bildungsstätten. Damit
sind wir ein verlässlicher Partner des Handwerks, aber
auch der jungen Menschen, die in die Lehre gehen.
({16})
Albert Rupprecht ({17})
- Wir werden es morgen beschließen. So sehen das parlamentarische Verfahren und die Verhandlungen aus.
Das ist unsere Meinung, und das ist unser Wille.
Zweitens. Sie sprechen von Ankündigungen und Verschiebungen. Sie haben - das ist mehrfach angesprochen
worden - bei einer wesentlichen Maßnahme recht: Bei
den lokalen Bildungsbündnissen sorgen wir in der Tat
für eine Verschiebung von 2011 auf 2013. Zur Klarheit
und Wahrheit gehört aber dazu, zu sagen, dass wir das
deswegen tun, weil wir mit einem verfassungswidrigen
Hartz-IV-Gesetz konfrontiert sind, das Rot-Grün 2005
verabschiedet hat.
({18})
- Wer hatte damals die Richtlinienkompetenz? - Ihr
Kanzler! Wer hat damals die Regierung gestellt? - RotGrün! Sie haben diesen Gesetzentwurf verabschiedet.
({19})
Wir müssen pro Jahr 480 Millionen Euro zugunsten
von Hartz-IV-Kindern im Bildungsbereich umschichten.
Das haben Sie uns durch Ihre Gesetzgebung 2005 eingebrockt.
({20})
Obwohl eine Legislaturperiode vier Jahre dauert, haben wir bereits nach einem Jahr einen Großteil der
Punkte aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt: Weiterentwicklung der Hightech-Strategie, Fortsetzung des Hochschulpaktes und der Exzellenzinitiative, neue Runde im
Spitzenclusterwettbewerb, BAföG-Erhöhung, 6 Milliarden Euro für die Gesundheitsforschung, Gesundheitszentren für die großen Volkskrankheiten, Deutschlandstipendien und Validierungsförderung. Insgesamt geben
wir in den nächsten Jahren mehrere Hundert Millionen
Euro im Bereich der Bildungsketten aus. Darüber hinaus
tun wir noch viel mehr.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss. Wir bieten Verlässlichkeit.
Wir kündigen nicht nur an, sondern setzen auch um. Bildung und Forschung haben bei uns nachweislich absolute Priorität.
({0})
Das Wort hat Ernst Dieter Rossmann für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man könnte die Ausführungen der Redner von der Regierungskoalition nun endlos fortsetzen. Aber das würde
uns nur langweilen und Ihren und unseren Verstand beleidigen. Kollege Rehberg, ich komme deshalb auf das
zurück, was Sie gesagt haben: Zukunft gestalten. Ich will
meine fünf Minuten Redezeit nutzen, um bei Ihnen für
drei Punkte, die der SPD besonders wichtig sind, zu werben.
Der erste Punkt bezieht sich auf die Bildungsteilhabe. Ich gehe jetzt nicht auf unsere und Ihre Zustimmung - von den Grünen bis zur CSU - zu den Hartz-IVGesetzen ein. Wir müssen jetzt etwas richtig Gutes für
die Kinder und die Bildung daraus machen. Sie wollen
ein Paket der Sozialministerin umsetzen. Wir werben bei
Ihnen um die Einsicht, es nicht allein bei individualisierten Leistungen zu belassen. Frau Hinz hat ja recht: Es
muss eine Struktur geben, die gewährleistet, dass die
Leistungen die betroffenen Eltern und insbesondere die
Kinder tatsächlich erreicht. Sonst käme man vielleicht
auf den Gedanken, dass es Ihnen - weil Sie keine entsprechenden Strukturen aufbauen - gar nicht wehtut,
wenn die Mittel nicht abfließen und nicht zu den Kindern gelangen. Frau Hinz hat genau in unserem Sinne
die Überlegung angestellt, ob man das in die Jugendhilfestrukturen, die nicht nur von Ihren Kommunalpolitikern, sondern auch von denen der Opposition gut aufgebaut worden sind, integrieren kann. Unser konkretes
Anliegen ist die Schulsozialarbeit. Wir sprechen hier von
„starker Schule“. Die Schulen, die bisher Lehrerschulen
waren, sollen gestärkt werden und die Kompetenz von
Menschen nutzen, die sich jenseits des Unterrichts um
Kinder kümmern können, die angesprochen, motiviert
und eingebunden werden müssen.
Des Weiteren darf das Teilhabepaket nicht nur in Bezug auf Armut und arme Kinder wahrgenommen werden. Man muss sich auch um Kinder von Eltern, die
Aufstocker sind, hinzuverdienen oder Wohngeldempfänger sind, und um Kinder aus besten Familien kümmern.
Bei der Schulsozialarbeit werden alle einbezogen. Es
geht hier um eine andere Form von Schule. Wir werben
dafür, diesen Ansatz aufzunehmen und mitzutragen. Er
nutzt nicht nur Ihnen und uns, sondern vor allem den
Kindern und der Schule. Er führt zu einer besseren Teilhabe. Dafür kämpft die SPD.
({0})
Anstatt ständig Rückzugsgefechte zu führen, sollten Sie
diesmal etwas vorwegnehmen, das wir in ein, zwei Jahren als Erfolg verzeichnen wollen, nämlich dass mehr
Kinder von Bildungsteilhabe profitieren und eine andere
Form von Schule erleben. Das ist der erste Punkt, für
den wir bei Ihnen um Einsicht streiten.
Zweiter Punkt. Die Kollegin Alpers von der Linken
hat das schon angesprochen: Frau Ministerin, die Zahl
derjenigen, die von der Schule ohne Abschluss abgehen
- man geht von 60 000 bis 70 000 aus -, ist zu relativieren. Tatsächlich muss man sehen, wie viele noch im Unterschied zu früher insgesamt zur Schule gehen. Manche
Zahl relativiert sich durch den Schülerrückgang. Aber
eine Zahl relativiert sich nicht - es stimmt, dass dieses
Problem aus einer gemeinsamen Vergangenheit erwachsen ist -: 1,5 Millionen der 20- bis 30-Jährigen haben
keine Berufsausbildung. Die Frage, was man mit diesen
anfängt, bekommt angesichts des Fachkräftemangels
eine ganz andere Qualität. Wir müssen jetzt entsprechende Instrumente entwickeln und dabei berücksichtigen, dass ein Teil dieser Menschen einen Beruf ohne
Berufsausbildung ausübt. Es geht hier also um Qualifizierung parallel zum Beruf. Dafür müssen Sie jetzt Vorsorge treffen und aktiv werden.
Wir werben daher auch dafür, dass diese Regierung
vernetzt denkt. Auch der Haushalt der Bundesagentur
für Arbeit ist ein Solidarhaushalt, und die Bundesagentur
kann und muss dieses Potenzial für Fachkräfte erschließen helfen. Wir erwarten, dass so etwas geschieht.
Vor zwei Jahren haben wir darüber diskutiert, wie
hoch die Zahl derjenigen ist, die im Ausland eine hohe
Qualifikation erworben haben, die bei uns nicht
anerkannt wird. Viele wussten nicht, dass die Zahl
500 000 beträgt. Wir hoffen, dass jetzt das Anerkennungsgesetz kommt. Sie tun immer so, als ob es schon
verabschiedet sei. Wenn dieses Gesetz kommt, dann ist
die eine Frage die der Feststellung des Abschlusses, die
andere Frage betrifft die Förderung. Wie verhält es sich
denn mit den Anerkennungs- und Förderprogrammen,
damit Qualifikationen nachträglich erworben werden
können, wenn die im Ausland erworbenen Qualifikationen nicht in jedem Punkt von uns anerkannt werden können? Solche Programme müssen doch materiell unterlegt
sein. Sie haben dafür bisher nicht vorgesorgt.
Wir werden in vier, fünf Monaten außerdem darüber
diskutieren, dass es in Deutschland zwischen 4 und
5 Millionen funktionale Analphabeten gibt. Das sind
Menschen, die einmal lesen, schreiben und rechnen
konnten, diese Fähigkeiten aber wieder verlernt haben
und in der Gesellschaft abgehängt werden, wenn wir uns
ihrer nicht annehmen und sie nicht qualifizieren. Aktuell
findet eine Sachstandserhebung statt. Aber in vier oder
fünf Monaten wird man fragen, was denn in der Initiative von Bund, Ländern und Kommunen zur Förderung
dieser Menschen, die diese Grundbildung brauchen, geschieht. Darüber müssen Sie sich schon jetzt Gedanken
machen. Dazu müssen wir schon jetzt im Haushalt Vorbereitungen treffen.
({1})
Schließlich der dritte Punkt: Die 275 000 Studienplätze im Rahmen des Hochschulpakts sind gegenüber
den Studierenden in Deutschland damit begründet worden, dass diese Zahl reicht, aber nicht damit, dass diese
Zahl im Zusammenhang mit der Reform der Wehrpflicht
und des Zivildienstes steht. Das sind alles kluge Leute.
Sie merken, ob sie hinter die Fichte geführt werden und
ob man mit einem Mal sagt: „Jetzt reicht es“, oder ob es
einen neuen Sachverhalt und eine neue Initiative gibt.
Ich kann verstehen, dass Sie am liebsten den Hochschulpakt II in der jetzigen Form weiterführen würden. Denn
das würde die 50/50-Finanzierung bedeuten. Das lassen
Ihnen aber weder die Länder noch die Studierenden
durchgehen. Wenn Sie das Signal nicht setzen, dass es
einen neuen Sachverhalt und eine neue Initiative gibt,
und wenn Sie keinen neuen Hochschulpakt II plus initiieren, dann bleibt das Drama an den Hochschulen, das
sich abzeichnet, an Frau Schavan hängen. Wenn sie
nichts tut, ist es auch richtig so, wenn es an ihr hängenbleibt. Aktuell lauten die Überschriften noch: Statt Kaserne Uni. - Wenn sich erst herausstellt, dass die Uni
hinsichtlich der Studienbedingungen wie eine Kaserne
ist, dann haben Sie ein Problem. Dann werden Sie auch
nicht mehr mit Ihren Diffamierungen gegenüber protestierenden Studenten, es handle sich um ewig Gestrige,
durchkommen. Vielmehr müssen Sie etwas liefern. Also,
setzen Sie dieses Zeichen, liefern Sie jetzt.
Einen Punkt möchte ich noch erwähnen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Für Forschung wird viel Geld ausgegeben. Herr
Rehberg, wir verstehen nicht, warum Sie bei den Milliardenausgaben nicht bereit sind, den kleinen Betrag von
5 Millionen Euro zusätzlich für die Friedensforschung
vorzusehen. Souveränität sieht anders aus.
({0})
Souveränität zeichnet sich dadurch aus, dass man Gelder
nicht einseitig und nach politischer Opportunität verteilt.
Vielmehr sollte man bei der Förderung die Gesamtheit
im Auge haben. Werden Sie endlich souverän.
({1})
Als letzter Rednerin des heutigen Tages gebe ich Kollegin Anette Hübinger von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
Bildungs- und Forschungspolitikerin freue ich mich,
weil endlich die Bildungspolitik und die Forschungspolitik in den Mittelpunkt gestellt werden und wir die vor fünf
Jahren begonnenen Wege konsequent fortsetzen. Die im
Einzelplan 30 vorgesehene Steigerung von 7,2 Prozent
auf 11,6 Milliarden Euro - Kollege Rupprecht hat es erwähnt - ist einzigartig im europäischen Kontext.
({0})
Großbritannien, Italien, Spanien und Frankreich kürzen
ihre Bildungs- und Forschungshaushalte. Andere Mitgliedstaaten erhöhen diese Etats nur ganz gering, wenn
sie es überhaupt tun. Wir in Deutschland gehen einen anderen Weg, den umgekehrten Weg. Wir als christlich-liberale Koalition erhöhen den Haushalt und räumen damit Bildung und Forschung Vorrang ein; denn wir
wissen haargenau: In Bildung und Forschung liegt die
Zukunft unseres Landes.
({1})
Der vorliegende Einzelplan 30 ist ein beeindruckendes Bekenntnis zur Bildungsrepublik Deutschland.
Die christlich-liberale Koalition hat sich das ehrgeizige
Ziel gesetzt, die deutsche Bildungs- und Forschungslandschaft mit einem 12-Milliarden-Euro-Programm in
dieser Wahlperiode zu stärken. Dieses Ziel ist richtig und
wichtig; denn Bildung und Forschung genießen trotz
Schuldenbremse bei uns absolute Priorität.
({2})
In den nächsten Jahren - ein Blick in die Verpflichtungsermächtigung im Haushalt belegt dies - werden die
Investitionen des Bundes in die deutsche Bildungs- und
Forschungslandschaft deshalb stetig steigen. Verlässlichkeit ist gerade in diesem Bereich ein hohes Gut, und dafür stehen wir in der christlich-liberalen Koalition. Bei
uns werden Bildung und Forschung groß geschrieben.
Mein Dank geht auch an die Haushälter, die diesen Weg
uneingeschränkt mit unterstützen.
({3})
Da trotz eines satten Plus die Finanzmittel auch in unserem Einzelplan begrenzt sind, müssen wir inhaltliche
Schwerpunkte setzen. Dabei hat die Bundesministerin
Schavan genau die richtigen Themen, die für die Zukunft unseres Landes von großer Bedeutung sind, aufgegriffen.
Die Prioritäten liegen im Bildungsbereich bei der Stärkung des Fachkräftenachwuchses, der Hochschulen sowie
bei der Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Das Bildungspaket für Kinder, die in Hartz-IVHaushalten leben, umfasst dabei 480 Millionen Euro.
Damit sind fast 2 Milliarden Euro, also ein Drittel der
6 Milliarden Euro für Bildung aus dem 12-MilliardenPaket, reserviert und in den nächsten vier Jahren eben
gebunden. Das hinterlässt natürlich auch Spuren in den
Bildungstiteln unseres Einzelplans. Es ist aber wichtig,
dass so früh wie möglich die Bildungschancen junger
Menschen positiv beeinflusst werden. Die Stärkung der
frühkindlichen Bildung und Sprachförderung sowie der
weitere Ausbau der individuellen Förderung Leistungsschwacher mittels Bildungsketten gehen da genau in die
richtige Richtung.
Weitere Punkte sind die Stärkung des BAföGs und die
Einführung des Deutschlandstipendiums. Beide Punkte
werden wichtige Akzente setzen, damit Studierwillige
trotz schmalen Geldbeutels tatsächlich ein Studium beginnen können. Die Stärkung der etablierten Stipendien
durch Erhöhung des Büchergeldes gehört ebenso dazu.
Denn nicht nur der Lebensunterhalt der Studierenden
muss gewährleistet werden, sondern herausragende
Leistungen müssen auch belohnt werden.
({4})
Die Einbindung von Unternehmen in die Finanzierung des Deutschlandstipendiums unterstreicht deren
gesellschaftspolitische Verantwortung. Denn eines muss
uns doch allen klar sein: Trotz des großen Engagements
des Bundes können wir allein nicht alles stemmen. Alle
gesellschaftlichen Akteure sind gefragt. Ich spreche da
insbesondere die Bundesländer und die Wirtschaft an.
({5})
- Wir haben bereits im letzten Jahr einen Fonds, eine
Stiftung gegründet, um daraus Stipendien zu finanzieren.
Das ist womöglich ein gutes Beispiel.
({6})
Wir müssen im Interesse Deutschlands in Fragen von
Bildung und Forschung alle an einem Strang ziehen.
Dem Bund kann man an dieser Stelle zu Recht attestieren, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat. Denn der
Bund und die christlich-liberale Koalition nehmen ihre
Verpflichtungen gegenüber der jungen Generation sehr
ernst. Das erkennt man beispielsweise an der Übernahme der Overhead-Kosten der Universitäten - als Entlastung für die Länder im Zusammenhang mit dem
BAföG - ebenso wie beim Hochschulpakt, beim Qualitätspakt Lehre und bei der frühkindlichen Förderung.
Wir tun dies, weil wir wollen, dass junge Menschen faire
Chancen im deutschen Bildungssystem haben und ihnen
auch die erforderliche Unterstützung zuteil wird.
Auch was die Forschung angeht, brauchen wir uns
nicht zu verstecken. In der Forschung stehen wir für
Kontinuität. Wir wissen genau, wie wichtig dieser Bereich für die Zukunft unseres Landes ist. Mit der Fortschreibung des Paktes für Forschung und Innovation
erhalten die deutschen Forschungseinrichtungen finanzielle Planungssicherheit. Bis 2015 werden die Zuschüsse jährlich um 5 Prozent steigen.
Einen weiteren wichtigen Baustein stellt die „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ dar. Diese ressortübergreifende Innovationsstrategie setzt neue Akzente
und geht noch stärker auf aktuelle globale Herausforderungen ein.
Die fünf von der Bundesregierung vorgegebenen Bedarfsfelder Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation spiegeln die
wichtigsten Fragen des 21. Jahrhunderts wider.
Globale Lösungen für globale Probleme erfordern
eine internationale Vernetzung. Sie beginnt beim
DAAD-Stipendienprogramm und setzt sich in gemeinsamen Forschungsprojekten fort. Daher auch hier mein
Dank an die Haushälter, die mit zusätzlich 6 Millionen
Euro das Stipendienprogramm des DAAD gestärkt haben.
({7})
- Ich habe Ihnen doch gerade gesagt: 480 Millionen
Euro hinterlassen eben Spuren. Darüber muss man noch
einmal nachdenken.
({8})
Wir haben darüber nachgedacht, und wir werden morgen
einen Haushalt mit erhöhten Ansätzen auf den Weg bringen.
({9})
Ein weiteres Feld in der internationalen Zusammenarbeit stellt die Gesundheitsforschung dar. Im Rahmen
des neuen Gesundheitsforschungsprogramms wurde die
Erforschung von vernachlässigten tropischen Krankheiten, die besonders Menschen in Entwicklungsländern
treffen, gestärkt und wurden neue Wege eingeschlagen.
Es handelt sich dabei um die erstmalige Förderung durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung von
sogenannten Produktentwicklungspartnerschaften, abgekürzt PDPs. Diese Förderung war längst überfällig. Die
christlich-liberale Koalition unterstützt daher dieses Anliegen mit der Erhöhung der vorgesehenen Fördersumme
um 2 Millionen Euro im Jahr 2011.
({10})
Mit der Ausschreibung der neuen Fördermaßnahme für
PDPs stellen wir uns in der Erforschung dieser Krankheiten strategisch neu auf und nutzen mit den PDPs einen innovativen Forschungszugang.
Zum Schluss. Werte Kolleginnen und Kollegen, der
Einzelplan 30 setzt in der vorliegenden Fassung die richtigen Schwerpunkte für die Zukunftsbereiche in Bildung
und Forschung. Stimmen Sie zu, wenn Ihnen Bildung
und Forschung und die Zukunft unseres Landes am Herzen liegen!
Herzlichen Dank.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30
- Bundesministerium für Bildung und Forschung - in
der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 30
in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen der
beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei
Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. November 2010,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche Ihnen noch einen freundlichen Abend.