Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Die neue Effizienz in der
deutschen Entwicklungspolitik - Strukturreform für
eine wirkungsvollere technische Zusammenarbeit.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Herr Dirk Niebel. - Bitte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bundesregierung hat mit ihrem heutigen Beschluss
über die neue Effizienz in der deutschen Entwicklungspolitik die Umsetzung der wohl wichtigsten Strukturreform in der entwicklungspolitischen Landschaft der
Bundesrepublik in Auftrag gegeben. Ich bin sehr froh,
dass wir diesen großen Schritt heute gehen können.
Diese wichtigste entwicklungspolitische Reform ist
seit vielen Jahren nicht nur national, sondern vor allem
auch international eingefordert worden, insbesondere
von der OECD, die regelmäßig unsere Leistungsfähigkeit überprüft hat und die immer wieder festgestellt hat,
dass die Organisationenvielfalt der deutschen technischen Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik, aber
auch die Verfahrensvielfalt nicht nur zu Effizienzverlusten führen, sondern auch dazu führen, dass unsere Partner in den Entwicklungsländern durch die Kooperation
mit der Bundesrepublik oft vor große Herausforderungen gestellt werden. Insbesondere gilt das dann, wenn
noch vielfältige andere internationale Geber hinzukommen.
Die Neuordnung der Entwicklungszusammenarbeit
wird die Wirksamkeit unseres Engagements international deutlich verstärken. Mit dieser Reform, die wir jetzt
umsetzen werden, geben wir für den MDG-Gipfel in
New York das klare und sehr starke Signal, dass wir bereit und in der Lage sind, unsere Hausaufgaben zu machen und unsere Mittel effizienter und wirksamer einzusetzen und dadurch pro ausgegebenem Steuer-Euro eine
höhere Wirkung zum Wohl unserer Partnerländer zu erzielen.
Darüber hinaus gibt uns diese Reform die Chance, im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung das zu machen, was eigentliche Aufgabe des Ministeriums ist, nämlich die politische Steuerungsfähigkeit und das entwicklungspolitische Agendasetting im internationalen Bereich, was in den
vergangenen Jahren faktisch nicht möglich gewesen ist,
weil man sich viel zu sehr in der Mikrosteuerung der
Durchführung verloren hat und auch die Gewichtung
von politischer Leitung im Bundesministerium auf der
einen Seite und Durchführungsorganisationen auf der
anderen Seite über die Jahre in eine Schieflage geraten
ist.
Wir werden durch die Zusammenführung von Deutscher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,
InWEnt und Deutschem Entwicklungsdienst unter dem
Dach der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit einen einheitlichen, klaren Außenauftritt
haben. Unsere Leistung wird aus Sicht der deutschen
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zielgenauer, wirksamer und auch sichtbarer werden. Das ist ein wesentliches Argument für die dauerhaft hohe Akzeptanz entwicklungspolitischen Engagements bei den Bürgerinnen
und Bürger gerade in Zeiten schwieriger Haushaltssituationen. Wir wollen durch die neue Aufstellung in der
technischen Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit unser Angebot zu einem deutschen Exportschlager
machen. Wir wollen ausdrücklich die Chance wahrnehmen, nicht nur mit den Mitteln verschiedener öffentlicher Geber aus der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch gemeinsam mit denen anderer Gebernationen
sowie im sogenannten Drittgeschäft weiterhin die guten
Leistungen anzubieten, die wir in unserem Portfolio haben.
Die Gestaltungskraft des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird
durch diese Reform nicht nur wiederhergestellt, sondern
Redetext
auch gestärkt. Unsere Durchführungsorganisation wird
sich um die wirksame und gute Umsetzung dieser Politik
kümmern. Die Außendarstellung wird besser. Man wird
erkennen können, was hier im wohlverstandenen Interesse der Bürgerinnen und Bürger zum Wohle unserer
Partnerländer initiiert worden ist. Wir werden durch die
Akzeptanzerhöhung die Chance haben, unsere Instrumentenvielfalt für die Zukunft zu erhalten; denn die
Vielfalt des Instrumentariums der technischen Zusammenarbeit ist ein Pfund, mit dem wir international wuchern können. Die Leistungen, die wir anbieten können,
sind international in höchstem Maße geschätzt und sollen ausdrücklich erhalten bleiben.
Die Steuerungsfähigkeit in der Politik wird erhöht,
und auch die Kohärenz des deutschen Auftritts wird verstärkt. Dafür führen wir einen Ressortkreis ein, in dem
alle diejenigen, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit mit Aufträgen versehen, im
Vorfeld von Auftragsvergaben und Aufsichtsratssitzungen in alle wesentlichen Entscheidungen einbezogen
werden. Derzeit ist die Situation so, dass sich Länder finden lassen, in denen zehn Bundesministerien und verschiedene Bundesländer tätig sind. Die Koordinierung
des deutschen Außenauftritts ist daher oft unzulänglich.
Das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Jeder kann
seine Aufgaben durchführen, aber man weiß voneinander, sodass man einen gesamtdeutschen Auftritt darstellen kann, der unsere Partner in Zukunft nicht mehr überfordert.
Ich freue mich ausdrücklich, dass wir durch den Beschluss des Kabinetts eine neue Phase der Reform einleiten. Wir befinden uns am Tag eins der Umsetzung.
Nachdem wir bereits einen anspruchsvollen Zeitplan
- genauso wie er im Koalitionsvertrag klar vorgegeben
ist - eingehalten haben, werden wir vom Willen beseelt
sein, diesen anspruchsvollen Zeitplan bis zur Umsetzung
der Reform weiterhin durchzuhalten. Ich freue mich auf
die rege Unterstützung vonseiten des Parlaments. Ich
weiß, dass die Notwendigkeit dieser Reform vom
Grundsatz her über die Partei- und Fraktionsgrenzen
hinweg unstreitig ist, national ebenso wie über die Grenzen der internationalen Staatengemeinschaft sowie der
EZ-Community.
Vielen herzlichen Dank.
({0})
Danke, Herr Bundesminister. - Die erste Frage stellt
die Kollegin Karin Roth für die SPD-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Minister, vielen
Dank für Ihre Einführung und Darstellung der Reform,
die wir vor uns haben. Sie wissen, dass am Tag eins nicht
alles geglückt ist und dass Ihre Ankündigungen nur daran zu messen sind, ob sie in Wirklichkeit zustande kommen. Wir hoffen, dass vieles von dem, was Sie sich vorgenommen haben, gelingt. Einige Punkte haben Sie
allerdings noch nicht auf dem Plan - das wissen Sie auch -,
zum Beispiel die Integration der Finanzentwicklungshilfe. Wir hätten uns gewünscht, dass dieser Aspekt in
die Reform aufgenommen worden wäre. Wir werden Sie
an Ihren Taten messen. Ihre Ankündigungen sind für uns
noch unzureichend.
In meiner Frage geht es um innere Angelegenheiten.
Es geht also nicht um die Außendarstellung, sondern darum, dass Organisationsreformen nur dann gelingen,
wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den
Prozess der Beteiligung einbezogen sind. 17 000 Menschen aus unterschiedlichen Organisationsstrukturen
müssen zusammenkommen. Dabei spielt die Frage, ob
es soziale Sicherheit für die Menschen gibt, eine wichtige Rolle. Ich habe dem Papier, das Sie heute verabschiedet haben, entnommen, dass es künftig einen einheitlichen Tarifvertrag geben soll. Das ist gut und
richtig. Aber es ist zu lesen, dass es lediglich beabsichtigt ist, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Betriebsbedingte Kündigungen sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Problem, weil sie
befürchten müssen, dass sie im Rahmen dieses Prozesses
gekündigt werden. Deshalb wäre es gut und richtig,
wenn Sie hier und heute betriebsbedingte Kündigungen
ausschließen könnten. Das würde den Prozess nach innen verbessern.
Sie sagen, dass Sie nach Möglichkeit die getroffenen
Maßnahmen und die Zielvereinbarung zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf beibehalten wollen -
Kollegin Roth, versuchen Sie bitte, das alles in eine
Frage zu fassen.
({0})
Das kommt jetzt. - Sie wissen genau, dass das Thema
Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist, um
Frauen in diesem Bereich in Führungspositionen zu bringen. Wie wollen Sie das organisieren? Sie wissen, dass
gerade in diesem Bereich viele Frauen engagiert sind.
Können Sie uns zusagen, dass die bisher bestehende
Zielvereinbarung bestehen bleibt, um diesen frauenpolitischen Aspekt zu realisieren?
Frau Kollegin Roth, vielen Dank für die vielfältigen
Fragen, die Sie gestellt haben. Ich werde versuchen, sie
alle ausführlich zu beantworten.
Ein Grund dafür, warum diese Bundesregierung in
acht Monaten so viel weiter gekommen ist als zwei Vorgängerregierungen in acht Jahren, ist erstens, dass wir
uns, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, auf die technische Zusammenarbeit konzentriert haben. Der weitaus
größere personelle Anteil entfällt übrigens auf den Bereich der technischen Zusammenarbeit. Die Masse derjenigen, die im entwicklungspolitischen Bereich in den
staatlichen Durchführungsorganisationen beschäftigt
sind, arbeiten in den jetzt zu fusionierenden technischen
Durchführungsorganisationen und eben nicht bei der
KfW Entwicklungsbank, dabei geht es ungefähr um
600 Stellen. Des Weiteren soll die Arbeit an den Schnittstellen der finanziellen Zusammenarbeit deutlich verbessert werden; auch das sieht der Koalitionsvertrag vor.
Dies ist ein erster Schritt auf dem Weg, einen insgesamt
besseren und kohärenteren Auftritt von technischer und
finanzieller Zusammenarbeit innerhalb der deutschen EZ
zu organisieren. Aus diesem Grund ist dieser Schritt nur
folgerichtig.
Zweitens sind wir deshalb so viel erfolgreicher als die
beiden Vorgängerregierungen, die an dieser Reform gescheitert sind, weil wir von Anfang an einen anderen
Weg gegangen sind; diesbezüglich stimme ich Ihnen
vollkommen zu. Wir haben nicht einen kleinen Arbeitskreis im Ministerium gegründet, der einen Auftrag an
eine Consultingfirma vergeben hat, welche ein Konzept
entwickelt hat, das dann übergestülpt wurde. Das hätte
nur zu Widerständen geführt, wie Sie in Ihrer Regierungszeit leidvoll feststellen mussten. Wir haben die Beteiligten und die Betroffenen im BMZ und in allen Organisationen, die die Fusion durchführen sollen, von
Anfang an einbezogen. Wir wollen nämlich keine einheitliche Gesellschaft gründen, die drei unterschiedliche
Gesellschaften unter einem Dach vereint, sondern wir
wollen ein integriertes Geschäftsmodell haben. Wir wollen, dass alle zusammenwachsen. Unser Ansatz hat dazu
geführt, dass die Betroffenen eigene Vorstellungen zur
Fusion entwickelt und selbst Vorschläge unterbreitet haben. Man steht nun einmal eher hinter Vorschlägen, die
man selbst gemacht hat, als hinter Vorschlägen, die andere Leute gemacht haben.
Das wird so weitergehen. Wir werden auch in Zukunft
die Organisationen mitnehmen und sie in der weiteren
Verhandlungsphase begleiten. Deswegen wird das BMZ
auch keinen Übergangstarifvertrag schließen; das ist Sache der Organisationen. Wir werden den Vorgang aber
begleiten, weil wir ausschließen wollen, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Wir können
Ihnen das hier nicht zusichern. Das ist nicht Sache des
BMZ. Wir sind nicht der Arbeitgeber dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen
sind aber nicht unser Ziel. Es ist auch nicht unser Ziel,
Geld einzusparen. Mittelfristig ist das wahrscheinlich
das Ergebnis, aber unser eigentliches Ziel ist es, die
Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Durch die Erhöhung der Wirksamkeit
und den effizienten Einsatz der geringen finanziellen
Mittel der öffentlichen Hand wollen wir erreichen, dass
die Akzeptanz der Steuerzahler, Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, auch in
Zukunft so hoch ist, wie es bisher der Fall ist.
Darüber hinaus ist es unser Ziel, die gute Vereinbarung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die
neue Organisation hinüberzuretten. Aus den vielen Gesprächen, die wir geführt haben, wissen Sie, dass ich einer der wenigen männlichen Kollegen in diesem Hause
bin, die Erziehungsurlaub gemacht haben. Das hieß damals so, obwohl das mit Urlaub nicht viel zu tun hatte.
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Ende der Legislaturperiode das familienfreundlichste Ministerium ist.
({0})
Wenn das Ministerium das schaffen will, dann macht es
viel Sinn, die Durchführungsorganisationen dazu anzuhalten, ähnlich zu arbeiten. Wir haben, glaube ich - Herr
Staatssekretär Beerfeltz, korrigieren Sie mich -, 132
- oder 145 - verschiedene Teilzeitmodelle bei uns im
Haus, was ein anspruchsvolles Arbeiten der Personalverwaltung, aber auch ein hohes Maß an Vielfalt mit sich
bringt. Wenn wir den Durchführungsorganisationen das
als Ziel vermitteln, dann glaube ich, dass sie versuchen
werden, diesen Herzenswunsch zu erfüllen. Ich kann
Ihnen dies hier aber nicht zusichern, weil ich nicht der
Arbeitgeber der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Durchführungsorganisationen bin.
Gestatten Sie mir für die nachfolgenden Fragen und
Antworten den Hinweis, dass wir beim Tagesordnungspunkt „Befragung der Bundesregierung“ sind. Wir erfahren hier sicherlich sehr interessante Dinge, die über das
vorgegebene Thema hinausgehen. Wir sollten aber allen
Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, und der Bundesregierung die Möglichkeit, entsprechend kurz zu antworten.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Sabine Weiss für
die Unionsfraktion.
Schönen Dank, Herr Minister. - Im Zusammenhang
mit der Vorfeldreform wird Ihnen von der Opposition
ständig vorgeworfen, dass das zu kurz gesprungen sei
und das, wenn überhaupt, nur ein ganz kleiner Wurf sei.
Deswegen lautet meine Frage: Inwiefern ist die Vorfeldreform aus Ihrer Sicht die Basis für eine engere Anbindung, vielleicht auch für eine Fusion mit dem Bereich
der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit?
Frau Kollegin Weiss, vielen Dank. - Noch einmal
ganz deutlich zur Anzahl der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Durch die jetzt betroffenen Organisationen wird die überwiegende Mehrzahl abgedeckt.
Die KfW Entwicklungsbank hat ungefähr 600 Mitarbeiter; das sind also deutlich weniger als die 16 000 bis
17 000, über die wir jetzt hier sprechen. Deswegen ist
das der entscheidende Schritt, um die Wirksamkeit und
die Effizienz zu erhöhen. Darüber hinaus habe ich schon
angedeutet, dass zwei Vorgängerregierungen an dieser
Fusion gescheitert sind. Ich glaube, sie ist wichtig, notwendig und vor allem auch dringlich. Sonst würden sie
international und national nicht ständig eingefordert
werden.
Im Hinblick auf den Millenniumsgipfel in New York
müssen wir deutlich machen: Wir sind jetzt, fünf Jahre
vor der angestrebten Zielerreichung, zwar noch nicht in
der Lage, alle Ziele zu erreichen. Aber wir sind zumindest in der Lage, unsere Hausaufgaben zu machen und
die Grundlagen dafür zu schaffen, unsere Ziele zu erreichen. Deswegen ist dieser erste Schritt der entscheidende. Ich gehe davon aus, dass durch die Aufstellung
der deutschen Häuser, mit denen wir über die
KfW Entwicklungsbank Kooperationsverträge abschließen wollen, ein deutlich einheitlicherer Außenauftritt für
unsere Partner im Ausland gegeben sein wird, als das
heute noch oft der Fall ist.
Darüber hinaus sage ich Ihnen - aus tiefster Überzeugung und gar nicht parteipolitisch - noch zwei Dinge. Es
ist wahrscheinlich nicht einfach, die KfW Entwicklungsbank aus der KfW herauszulösen. Wie genau dies gemacht werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen; dafür bin ich nicht Fachmann genug. Aber ich weiß
zumindest eines: Das Entwicklungsministerium entscheidet jetzt bei dieser Reform über die Entwicklungspolitik. Bei einer Fusion mit der KfW Entwicklungsbank
bestünde die Gefahr, dass der Finanzminister über die
Entwicklungspolitik entscheidet. Da Sie Mitglied im
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind, glaube ich, dass das nicht das Ziel ist, das
Sie erreichen wollen.
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Koppelin.
Herr Minister, ich finde es sehr beeindruckend, was
Sie hier und heute als Ergebnis vorlegen. Sie haben
schon darauf hingewiesen, wie viel Zeit Sie dafür benötigt haben. Ich finde, Sie haben verhältnismäßig wenig
Zeit gebraucht, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Sie
haben auch auf das hingewiesen, was die Vorgängerregierungen gemacht haben. Vor allem beeindruckend
finde ich, dass Sie nicht wie Ihre Vorgängerin Gutachten
in Auftrag gegeben haben, die 128 000 Euro gekostet
haben, deren Empfehlungen man aber nicht verwirklichen konnte.
Ich will an das anknüpfen, was die Kollegin Roth von
den Sozialdemokraten gefragt hat. Sie haben demonstriert, dass Arbeitnehmerinteressen bei der FDP in guten Händen sind, bei Verdi anscheinend weniger. Daher
interessiert mich: Was geschieht mit den Rechten, die
Arbeitnehmer in den Organisationen haben? Sie haben
bestimmte Ansprüche und Rechte in den alten Gesellschaften. Werden diese Rechte gesichert? Das halte ich
für eine sehr wichtige Frage. In den Gesprächen, die wir
mit Personalvertretungen führen konnten, ist immer wieder der Wunsch geäußert worden, die Rechte zu behalten; das kann ich verstehen.
Bei der Gelegenheit, Herr Minister, wenn ich das
noch sagen darf: Ich glaube, Sie sind auch dank der
neuen Leute im Ministerium, die Sie eingestellt haben,
und der Mannschaft im Außenministerium so schnell zu
diesem guten Ergebnis gekommen.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Koppelin, für diese Frage. In einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Wir führen sehr konstruktive Gespräche mit Verdi, und wir wollen diese natürlich auch bezüglich des Überleitungstarifvertrags für die Zukunft gerne so weiterführen.
Ich stelle mir vor, dass die erworbenen Ansprüche der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dergestalt gesichert
werden, dass sie, wenn der neue Tarifvertrag für die gesamte Gesellschaft abgeschlossen sein wird, ein Wahlrecht bekommen und selber entscheiden, ob sie nach
dem alten oder nach dem neuen Recht behandelt werden
wollen. Das wünsche ich mir als Ziel. Die Tarifvertragsparteien mögen dies bitte in die Verhandlungen aufnehmen. Ich selbst bin, wie Sie wissen, nicht Tarifvertragspartei, sondern nur derjenige, der dafür sorgen muss,
dass es funktioniert. Aber das ist ausdrücklich unser
Ziel.
Die nächste Frage stellt der Kollege Niema Movassat.
Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, natürlich ist
die Zusammenführung - das ist, glaube ich, so weit Konsens - auf technischer Ebene richtig. Aber bei dem Entwurf muss man sozusagen einen Unterpunkt machen:
Das alles steht unter Finanzierungsvorbehalt. Es wird
sich noch zeigen, ob das Papier, das vorgelegt wurde, am
Ende in der Realität umgesetzt wird und inwiefern der
Finanzminister mitmacht.
Sie legen in Ihrem Papier - natürlich auch in Ihrer gesamten Entwicklungspolitik - einen sehr starken Akzent
auf die Wirtschaftsförderung, insbesondere auf die Förderung der deutschen Wirtschaft. In dem Papier wird
auch deutlich, dass die Consultingfirmen mehr Aufträge
erhalten sollen. Meine Frage, die sich daran anschließt,
lautet: Glauben Sie, dass Consultingfirmen automatisch
effizienter arbeiten? Wenn dies so ist, warum denken Sie
das, und wenn nein, warum legen Sie dann einen so starken Akzent auf diesen Bereich? - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Movassat. - Zunächst einmal möchte ich sagen: Das Konzept steht nicht unter
einem Finanzierungsvorbehalt; vielmehr bedarf es einer
Wirtschaftlichkeitsanalyse. Diese Wirtschaftlichkeitsanalyse konnte vor Beschluss des Kabinetts nicht erstellt
werden. Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsanalyse
hängt natürlich auch von dem weiteren Prozess ab: Wie
werden die Tarifverträge in Zukunft ausgestaltet sein?
Wie wird die Zusammenführung der Organisationen im
Hinblick auf den Zeitablauf durchgeführt? Das sind
Dinge, die im Vorfeld der Beschlussfassung des Kabinetts überhaupt noch nicht überprüft werden konnten.
Aber jetzt, nachdem das Kabinett den Beschluss gefasst
hat, werden wir sehr zeitnah eine Ausschreibung für eine
solche Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen.
Erst nach Abschluss der Wirtschaftlichkeitsanalyse
können wir den rechtlichen Fusionsprozess abschließen;
denn natürlich ist es notwendig - es ist völlig legitim,
dass der Finanzminister dies einfordert; denn es ist geltendes Recht -, deutlich zu machen, dass das, was wir
vorhaben, wirtschaftlich sinnvoll ist. Wir wollen nicht,
dass es am Ende zu Mehrkosten kommt. Vielmehr wollen wir mehr Wirksamkeit und Effizienz, also eine sogenannte Fusionsrendite erzielen, die es ermöglicht, heute
mit TZ-Mitteln finanzierte Stellen von GTZ-Mitarbeitern
im Ministerium durch eigene Dienstposten zu ersetzen,
weil es einfach ein besserer Weg ist, hier eine klare Trennung zwischen der politischen Steuerung und der Durchführung vorzunehmen.
Sie haben die Consultingwirtschaft angesprochen.
Damit beziehen Sie sich wahrscheinlich auf den Bereich
„Wettbewerb und Vergabe“. Sie wissen genauso gut wie
wir, dass es immer wieder Diskussionen gegeben hat, ob
es wettbewerbsverzerrend wirkt, wenn eine staatliche
Durchführungsorganisation eine Aufgabe übernimmt.
Wir haben ausdrücklich am Prinzip der Direktvergabe
festgehalten, weil wir davon ausgehen, dass ein großes
öffentliches Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit besteht und darüber hinaus viele der Dinge, die dort
getan werden, nicht marktgängig sind. In all den Bereichen, die marktgängig sind, soll wie bisher die Möglichkeit geschaffen werden, über ein Ausschreibungsverfahren privatwirtschaftliche Akteure einzubeziehen, sei es
durch Wettbewerbselemente bei der politischen Beratung - wenn man zum Beispiel einen Think Tank beauftragt, neue Konzepte zu entwickeln - oder in sektoralen
Bereichen, in denen die GIZ, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Unteraufträge an private Firmen vergibt; denn wir wollen nicht, dass möglicherweise Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft mit
Steuergeldern vernichtet werden.
Darüber hinaus ist festzuhalten: Das Ministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist
auch für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig;
sonst würde es nicht so heißen. Aus diesem Grund sieht
der Koalitionsvertrag vor, dass einer der Schwerpunkte
darin besteht - das ist tatsächlich eine Veränderung im
Vergleich zur Vorgängerregierung -, dass wir versuchen,
Armut zu bekämpfen, indem unsere Partnerländer Wirtschaftswachstum generieren und idealerweise Wertschöpfungsketten im eigenen Land implementieren können; denn dann haben die Menschen eine Chance auf
Arbeit, mit der sie ein Einkommen erzielen können, das
wiederum armutsbekämpfend wirkt.
Wenn sich hier deutsche Unternehmen, die nicht reine
Absatzmärkte erschließen, sondern Entwicklungsprojekte mitentwickeln sollen, beteiligen, ist das wünschenswert. Das wollen wir in Zukunft von allen einfordern. Wenn wir ein solches Engagement - auch mit
staatlichen Mitteln - unterstützen, erwarten wir selbstverständlich, dass die Unternehmen im Bereich der Corporate Social Responsibility etwas mehr tun, als nur einen Fußball an eine benachbarte Schule zu übergeben,
und sich entwicklungspolitisch engagieren.
Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner.
Vielen Dank. - Mich interessiert der Standort der
neuen Organisation. Im Zusammenhang mit der Standortfrage hat es sehr viel Hin und Her gegeben: Zunächst
waren zwei Hauptsitze vorgesehen; dann war Bonn als
alleiniger Hauptsitz angedacht. Jetzt ist relativ kurzfristig wieder ein Doppelmodell in Ihre Vorlage hineingekommen. Meine Frage lautet: Welche Gründe waren für
diese Entscheidung ausschlaggebend? Müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den jeweiligen Standorten davon ausgehen, dass sie im Zuge dieses Fusionsund Zusammenführungsprozesses ihren Lebensmittelpunkt verlagern müssen?
Vielen herzlichen Dank. - Sie beziehen sich auf eine
Frage, die die gesamte Diskussion im Vorfeld maßgeblich mitgeprägt hat, obwohl sie inhaltlich eigentlich
nicht entscheidend ist. Das BMZ hat im ersten Vorschlag
eine Doppellösung vorgesehen. Im Rahmen der Ressortabstimmung wurde eine Lösung mit nur einem Standort
präferiert. Durch Steuerung von unten ist daraus wieder
eine Doppellösung geworden.
Man muss sich das wie bei anderen Fusionen vorstellen. ThyssenKrupp ist ein Beispiel dafür: Das Unternehmen verfügte über zwei Standorte, weil bei der Fusion
beide Standorte aufgrund der traditionellen Gegebenheiten dieses Unternehmens so wichtig für das Gesamtunternehmen waren, dass es die Registergerichte akzeptierten, beide Standorte einzutragen.
Die letzte Entscheidung treffen die Registergerichte
in Bonn und Eschborn. Unser Ziel ist, dass beide Standorte gleichberechtigt eingetragen werden. Sollte das aus
irgendwelchen Grünen nicht möglich sein, gilt selbstverständlich das Berlin/Bonn-Gesetz. Danach ist der erste
Dienstsitz - so muss man es korrekt sagen; denn es geht
nicht um den ersten Standort, sondern um den ersten
Dienstsitz - Bonn.
Was die anderen Standorte betrifft - InWEnt zum
Beispiel hat Standorte in acht Bundesländern -, haben
wir zugesichert, dass dann, wenn die Bundesländer bereit sind, ihre Anteile an den Bund abzugeben - die GIZ
soll eine 100-prozentige Bundestochter sein -, auf jeden
Fall gewährleistet ist, dass die Standorte erhalten bleiben. Das liegt im ausdrücklichen Interesse der beteiligten Länder. Wer als Wahlkreisabgeordneter schon einmal
Diskussionen über Bundeswehrstandorte erlebt hat, der
weiß, dass man mit Standortdiskussionen jede noch so
gute Fusion und jede noch so gute Reform totmachen
kann.
Ziel ist ausdrücklich nicht eine Mitarbeiterlandverschickung. Aber es ist nicht auszuschließen, dass einige
Mitarbeiter von Eschborn nach Bonn und andere von
Bonn nach Eschborn werden umziehen müssen. Wir
werden das so weit wie irgend möglich minimieren. Die
Größenordnung, um die es geht, ist mit Sicherheit im
zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich anzusiedeln. Bei 17 000 Mitarbeitern weltweit ist das nicht viel.
Die nächste Frage stellt der Kollege Sascha Raabe.
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass Sie als ersten Schritt die technische Zusammenarbeit fusionieren
möchten. Auf die Nachfragen der Kollegen haben Sie
aber auch gesagt, dass Sie an die finanzielle Zusammenarbeit, an die KfW, nicht herangehen wollen. Weil Sie
immer die OECD zitieren, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass dies eigentlich die Hauptforderung des Entwicklungsausschusses der OECD ist, und wie viele andere Länder kennen Sie, in denen es eine solche
Trennung zwischen finanzieller und technischer Zusammenarbeit gibt?
Da Sie von Effizienz geredet haben: Was die Personalfrage angeht, steht zu befürchten, dass Sie das, was
Sie in Ihrem Ministerium gemacht haben - Sie haben
Experten durch Parteifunktionäre ersetzt -,
({0})
auch an dieser Stelle tun werden. Sie haben sogar
Eckhard Deutscher, den Vorsitzenden des OECD-Entwicklungsausschusses, einen Effizienzexperten, abberufen, weil er das falsche Parteibuch hat.
({1})
Haben Sie vor, die Politik, Experten durch FDP-Parteifunktionäre zu ersetzen - dass Sie das getan haben, hat
übrigens auch der Personalrat des BMZ kritisiert -, in
den neuen Organisationen zu betreiben?
({2})
Herr Kollege, die Koalitionsvereinbarung sieht vor,
dass der erste Schritt darin besteht, die technische Zusammenarbeit zusammenzuführen, und dass man dann
überprüfen muss, ob eine weitere Zusammenführung mit
der KfW notwendig bzw. sinnvoll ist. Mein erstes Ziel
ist, den ersten Schritt zu machen, der von Ihrer Ministerin unter zwei Regierungen nicht gegangen worden ist.
Mein zweites Ziel ist, die Schnittstellen zur KfW dann
so zu verbessern, dass ein Höchstmaß an Effizienz vorhanden ist, und durch beide Organisationen für ein höheres Maß an Steuerungsfähigkeit zu sorgen, als es heute
der Fall ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass die
OECD vor allem gefordert hätte, die KfW zu integrieren,
sondern die OECD hat in erster Linie die Organisationenvielfalt und die Instrumentenvielfalt kritisiert.
Ihre Aussagen zu bestimmten Personalentscheidungen werden dadurch, dass Sie sie regelmäßig wiederholen, nicht richtig. Sie sind nach wie vor so unwahr, wie
sie es schon in der Vergangenheit gewesen sind;
({0})
Sie können das nachlesen. Ich werde Ihnen übrigens
gerne eine Zusammenstellung von Presseartikeln über
meine Amtsvorgängerin zukommen lassen, in denen exakt die gleichen Äußerungen des Personalrats ihr gegenüber gemacht worden sind, und zwar über Jahre hinweg.
({1})
Das Wort hat der Kollege Jürgen Klimke.
Herr Minister, aus unserer Sicht und nach meiner persönlichen Überzeugung zeigt das Ergebnis der Verhandlungen: Die Regierung handelt effektiv und schnell, und
das ist gut so, gerade für den Entwicklungsbereich.
Ein wichtiger Bestandteil ist das Drittgeschäft, das die
GTZ und andere Organisationen im Auftrag anderer
Länder, aber auch internationaler Banken durchführen.
Dies hat dazu geführt, dass Umsätze gemacht worden
sind und auch in Deutschland Arbeitsplätze gesichert
werden konnten. Ist das Drittgeschäft aller Organisationen im gleichen Umfang wie in der Vergangenheit gesichert, und welche Drittgeschäftsstrukturen sind vorgesehen?
Herr Kollege, ich würde gern ein wenig Orientierung
in die Sprachverwirrung bringen. Das Drittgeschäft ist
nämlich nur ein Teil dessen, was Sie beschrieben haben.
Es besteht erstens die Möglichkeit, dass andere deutsche öffentliche Auftraggeber die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit beauftragen, zum Beispiel
Bundesministerien, Bundesländer oder Kommunen. Das
ist im Prinzip das Gleiche, als ob das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sie
beauftragte. Hier war die Abstimmung in der Vergangenheit suboptimal. Man muss wissen, wer wo was tut.
Dies wird in der Zukunft durch die Arbeit des Ressortkreises verbessert.
Das Zweite ist die sogenannte Kombifinanzierung,
das heißt, dass andere internationale Geldgeber mit uns
gemeinsam Geld poolen, um ein bestimmtes Projekt
durchzuführen.
Beides ist ausdrücklich hundertprozentig gewährleistet. Wir wollen die deutsche EZ „made in Germany“
oder „made by Germany“ zu einem Exportschlager machen. Denn wir werden hinterher eine sehr durchschlagskräftige Durchführungsorganisation haben, die vielen
anderen zeigen kann, dass man sich gerne daran beteiligen kann, wenn man erfolgreich arbeiten möchte. Wir
wollen ganz bewusst zusätzliche Mittel aktivieren und
akquirieren, damit die Kombifinanzierung deutlich verstärkt werden kann.
Der letzte Bereich ist das sogenannte Drittgeschäft,
also der wirtschaftliche Geschäftsbereich, in dem andere
Geberregierungen oder Entwicklungsländer selbst eigene Programme in Auftrag geben. Ich nenne als Beispiel den Irak, der einen enorm großen Entwicklungsbedarf, aber auch enorm viel Geld hat. Solche Länder
könnten im entwicklungspolitischen Teil auf unsere
Kompetenz zugreifen, müssten es dann aber selbst bezahlen. Dieses sogenannte Drittgeschäft wollen wir in
der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit integrieren. Nach Rechtsgutachten, die wir haben, ist das
wettbewerbsrechtlich kein Problem.
Wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Synergieeffekte nutzen sollten, um über dieses Drittgeschäft
mögliche zusätzliche neue Finanzierungsinstrumente zu
generieren. Man kann darüber nachdenken, einen entwicklungspolitischen Fonds aufzulegen, in den zum Beispiel Klein- oder gerne auch Großanleger ihr Geld investieren, damit zusätzliche Maßnahmen durchgeführt
werden können, für die öffentliche Mittel vielleicht nicht
in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Das ist
also ein wesentlicher Bestandteil der neuen Organisation.
Es stehen noch sechs Minuten zur Verfügung, und es
liegen noch vier Wortmeldungen vor. Damit alle noch zu
ihrem Recht kommen, bitte ich die Fragesteller und auch
den Bundesminister, sich daran zu orientieren.
Das Wort hat die Kollegin Ute Koczy.
Danke, Frau Präsidentin. - Es ist natürlich gut, dass
wir einen Kabinettsbeschluss haben. Aber wir sollten auf
dem Teppich bleiben. Ich bin der Meinung, dass den
Ambitionen des Hauses mit dem vorliegenden Kabinettsbeschluss die Flügel gestutzt worden sind. Ich verweise auf die Informationen, die wir jetzt auch von
Herrn Beerfeltz bekommen haben. Danach übernimmt
das BMZ in der Frage der Kohärenz nämlich eben nicht
die Koordination zwischen den einzelnen Ressorts, sondern die Reform erfolgt in allen Punkten unter Bestandswahrung der jeweiligen Bundesressorts und ohne wirkliche gemeinsame Ausrichtung. Sie wollten eigentlich
„driver in the seat“ sein. Daher frage ich Sie: Wie will
die Bundesregierung bei Erhalt des Ressortprinzips eine
verstärkte Kohärenz für die Erreichung entwicklungspolitischer Ziele gegenüber den Partnerländern sicherstellen, wenn das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung nicht als Anwalt der
Kohärenzpolitik auftreten kann?
Frau Kollegin Koczy, ich teile Ihre Auffassung ausdrücklich nicht. Die Flügel sind uns nicht gestutzt worden. Im Gegenteil, wir fangen jetzt erst an zu fliegen.
Tatsache ist, dass wir durch die Einrichtung eines Ressortkreises einer Selbstverständlichkeit Geltung verschaffen, nämlich dass die Ressortzuständigkeiten ihre
Berücksichtigung finden. Es ist nicht nur im Interesse
des BMZ, sondern auch im Interesse unserer Partnerländer, dass die anderen Ressorts sich in ihren Kompetenzbereichen mit ihren Haushaltsmitteln entwicklungspolitisch organisieren.
Der Ressortkreis wird vom BMZ geleitet. Wir werden
dadurch eine Neuerung erfahren, die wir bisher nicht
kennen. Wir erhalten - was heute oftmals nicht der Fall
ist - Kenntnis von den Maßnahmen, die andere durchführen. Aufgrund dieser Kenntnis weiß man - was heute
oft nicht der Fall ist -, ob man in einem Partnerland gemeinsam in die gleiche Richtung agiert. Mit dieser
Kenntnis kann man feststellen - was heute nicht der Fall
ist, es sei denn, man stößt zufällig darauf -, ob womöglich verschiedene Ressorts gleiche Maßnahmen in ähnlichen Regionen durchführen.
Darüber hinaus wird die Steuerungsfähigkeit des
BMZ auch dadurch erhöht, dass der Aufsichtsrat, aber
auch die Gesellschafterversammlung in ihren Rechten
entsprechend dem Public-Governance-Kodex der Bundesregierung, der übrigens von 2009 ist, deutlich gestärkt werden. Durch die Einbeziehung der anderen Ressorts, die ausdrücklich von mir eingeladen sind,
entwicklungspolitisch tätig zu sein und im Ressortkreis
über ihre Aktivitäten zu berichten, wird der deutsche
Außenauftritt insgesamt wesentlich zielgerichteter; er
wird für unsere Partner wesentlich effizienter und einschätzbarer, vor allem durch das Institut der Deutschen
Häuser. Das heißt, unsere Partnerländer werden nach
dem Prinzip „one face to the customer“ nur noch einen
Ansprechpartner haben, und die große Zahl der verschiedenen Ansprechpartner, die wir aus der Vergangenheit
mitgeschleppt haben, wird deutlich minimiert.
Die nächste Frage stellt der Kollege Burkhard
Lischka.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister
Niebel, in dem Kabinettsbeschluss ist von fusionsbedingten Mehrkosten die Rede, die übernommen werden
sollen.
Meine Frage ist: Welcher Art sind diese Mehrkosten?
Sind das lediglich Mehrkosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verschmelzungsvertrag stehen,
also für das Handelsregister und den Notar anfallen, oder
gibt es darüber hinaus Mehrkosten, und, wenn ja, welcher Art sind diese? Können Sie in etwa den Umfang
dieser Mehrkosten beziffern?
Den Umfang kann ich mangels des noch nicht vorliegenden Wirtschaftlichkeitsgutachtens noch nicht
beziffern. Wir wissen ja auch noch nicht, wie die Vertragsverhandlungen zwischen den unterschiedlichen Organisationen ausgehen.
Die Erfahrung zeigt aber, dass es zu Beginn einer großen Fusion in aller Regel Mehrkosten gibt. Das sind
nicht nur die von Ihnen beschriebenen Mehrkosten, zum
Beispiel für Anwalt, Gericht oder Gutachter, die man in
einigen Fragen sicher benötigen wird, sondern dabei
handelt es sich zum Beispiel auch um Kosten aufgrund
der Anpassungen von Gehaltsstrukturen.
Wir alle gehen sicher davon aus, dass wir nicht die
obersten Gehaltsstrukturen für die neue Organisation
werden durchsetzen können; aber bei einer Verschmelzung von drei Partnern auf Augenhöhe - das ist ja das
Ziel bei dieser Fusion - wird es natürlich auch zu einer
gewissen Angleichung der Strukturen in beide Richtungen kommen müssen.
Vor dem Hintergrund der Bestandsschutzregelung,
die wir ausdrücklich vorsehen, ahne ich einmal, dass es
zu Anfang eher Mehrkosten geben wird, die dann allerdings von der neuen Gesellschaft zu übernehmen sind
und nicht vom Bund; die Gesellschaft finanziert die
Mehrkosten aus den Mitteln, die sie erwirtschaften muss.
Diese Mittel fließen aber mittelfristig in eine Fusionsrendite, mit der - vor allem durch das Personal im BMZ und
in den Außenstrukturen, zum Beispiel in den Botschaften, in denen wir heute noch nicht vertreten sind - die
Steuerungsfähigkeit sichergestellt werden kann.
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Holger
Haibach.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen erst einmal dafür,
dass Sie mir einen Doktortitel zugeeignet haben, den ich
gar nicht besitze; das freut mich sehr.
Das war der Kollege.
Herr Kekeritz, ich bin mehr als geehrt.
Herr Minister, ich wollte kurz noch einmal zum
Thema Kohärenz nachfragen. Ich glaube, dass es einen
entscheidenden Fortschritt bedeutet, innerhalb der Bundesregierung einen Ressortkreis neu einzurichten. Wir
alle wissen, dass im Gegensatz zu den Zeiten vor 20 oder
auch vor 10 Jahren inzwischen eine wesentlich größere
Zahl an Ministerien ODA-fähige Mittel hat, nämlich
etwa zehn. Insofern kommt einem solchen Ressortkreis
natürlich eine große Bedeutung zu.
Sie haben gerade gesagt, dass das BMZ dort die Geschäftsführungsfunktion übernehmen soll. Ich würde
gerne noch ein bisschen genauer nachfragen, in welcher
Art und Weise dieser Ressortkreis arbeiten soll und welche Effekte Sie sich genau erwarten.
Herr Kollege Haibach, es ist schade, dass Sie auf die
Promotion verzichtet haben. Das hätte Ihnen viel Zeit
und Geld erspart.
Nichtsdestotrotz ist dieser Ressortkreis erstens ein
wichtiges Instrument, damit die anderen Ressorts, die
ODA-Mittel einsetzen, auch entsprechend des Einsatzes
ihrer öffentlichen Mittel an der entwicklungspolitischen
Agenda beteiligt sind. Zweitens ist es für uns als BMZ
die erste Chance, überhaupt einen Überblick über die
Vielfalt des deutschen Engagements in der Phase der
Umsetzung von Projekten zu bekommen. Meistens ist es
so, dass wir erst bei der Abrechnung der entsprechenden
Mittel, die an die OECD gemeldet werden und die die
ODA-Quote ergeben, wissen, wer überhaupt was gemacht hat. Oftmals merkt man zwischendrin, man hätte
eine größere Wirksamkeit erzielen können, wenn man
die Mittel zum Beispiel gepoolt hätte, um gemeinsame
Projekte durchzuführen.
Der Ressortkreis soll regelmäßig vor den Aufsichtsratssitzungen und vor den Gesellschafterversammlungen
tagen, damit auch hier die Wünsche und Diskussionspunkte der unterschiedlichen Ressorts eingebracht werden können.
Die Chance, dass das BMZ diesen Ressortkreis leiten
kann, ist im Prinzip der erste große Schritt zur Erreichung
eines gemeinsamen und einheitlichen deutschen Außenauftritts in der Entwicklungszusammenarbeit, weil die
Vielfalt des deutschen Engagements, zumindest was die
Bundesregierung anbetrifft, minimiert wird.
Es wäre wünschenswert, dass - das werden wir eventuell durch die neue Struktur des Aufsichtsrates erreichen, der vielleicht vergrößert wird - auch die Länder,
die sich engagieren, mit einbezogen werden. Sie wissen:
Acht Bundesländer sind an InWEnt beteiligt. Wir werden mit ihnen natürlich ins Gespräch über die Kompensation für die Abtretung der Anteile an dem Unternehmen kommen müssen, das hier mit integriert wird. Ich
ahne, dass man dort zu einer weiteren Kohärenzsteigerung kommen kann; allerdings kann ich die Verhandlungen natürlich nicht vorwegnehmen.
Die letzte Frage stellt der Kollege Manfred Grund.
Vielen Dank. - Mit der letzten Frage schließe ich an
die vorletzte an.
Diese drei Durchführungsorganisationen - GTZ,
InWEnt und DED - haben ja nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern auch unterschiedliche Arten
der Verwaltung, der Aufsicht und der Beratung. InWEnt
hat ein Kuratorium, in dem die Länder vertreten sind,
aber auch die Wirtschaft vertreten ist. Wie findet sich so
ein Konstrukt - Kuratorium oder Beratungsstruktur - im
zukünftigen Aufsichtsrat wieder? Gibt es dazu einen Ansatz?
Ausdrücklich ja. Das ist einer der schwierigen Punkte
bei dieser Fusion. Es gibt nicht nur drei unterschiedliche
Haustarifverträge, sondern auch unterschiedliche Rechtsformen. Deswegen findet diese Zusammenführung ähnlich wie bei der deutschen Einheit statt. InWEnt und DED
treten dem Rechtsmantel der GTZ bei. Auch bei der deutschen Einheit gab es einen Beitritt zum Geltungsbereich
des Grundgesetzes; aber wir reden von der Wiedervereinigung und nicht vom Beitritt. Das wird das Grundprinzip
sein.
Diejenigen, die jetzt noch Anteilseigner sind - wir
sind mit ihnen seit insgesamt acht Monaten im Gespräch -,
werden entsprechend beteiligt, je nachdem, welche Art
von Anteilseigner sie sind. Ich könnte mir vorstellen,
dass zum Beispiel die Bundesländer im Aufsichtsrat beteiligt werden könnten, wenn sie Interesse daran haben
und wir uns einig werden. Die deutsche Wirtschaft
könnte es mit Sicherheit nicht werden, und auch die zivilgesellschaftlichen Akteure, die teilweise Anteilseigner sind, könnten das nicht; denn sonst wäre es keine
100-prozentige Bundestochter, also keine klassische Regierungsorganisation. Die anderen wollen ja überwiegend Nichtregierungsorganisationen bleiben. Aus diesem Grund haben wir uns überlegt, einen Beirat mit
entsprechenden Beratungsrechten zu gründen, in dem
die Stimme der anderen Teilnehmer gehört werden muss,
damit die Einflussmöglichkeit weiter bestehen bleibt.
Danke, Herr Minister.
({0})
Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 17/2371, 17/2407 Zu Beginn rufe ich gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf
Drucksache 17/2407 auf.
Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Cornelia
Pieper zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Höger
auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Aufgaben des laut Medienberichten am vergangenen Freitag bei
einem bewaffneten Angriff auf die in Kunduz gelegene Filiale
der US-Organisation Development Alternatives Inc., DAI, getöteten 32-jährigen ehemaligen Bundeswehrsoldaten aus
Schleswig-Holstein?
Bitte.
Frau Abgeordnete Höger, ich darf Ihnen für die Bundesregierung auf Ihre Frage Folgendes antworten: Uns
liegen zu den Aufgaben des bei einem bewaffneten Angriff getöteten deutschen Staatsangehörigen keine eigenen Erkenntnisse vor. Ich bitte um Verständnis dafür, dass
ich aus personenschutzrechtlichen Gründen den Namen
des deutschen ehemaligen Bundeswehrsoldaten nicht
nennen kann, der in dieser Woche beerdigt werden soll.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Höger. Bitte.
Nach § 20 a des Soldatengesetzes müssen es ehemalige Bundeswehrsoldaten anzeigen, wenn sie eine Arbeit
in einem Bereich aufnehmen, in dem sie Aufgaben ähnlich denen während ihres Wehrdienstes erfüllen. Hatte
der Getötete seine Tätigkeit angezeigt?
Zusätzlich möchte ich fragen: Wie viele ehemalige
Bundeswehrsoldaten haben inzwischen in ähnlichen Sicherheitsdiensten Tätigkeiten aufgenommen und dies
angezeigt?
Wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, besteht in
Deutschland gemäß Art. 12 Grundgesetz Berufsfreiheit.
Solange die Tätigkeit nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt wie das Anwerben für den Kriegsdienst bei
einer ausländischen Macht, bestehen keine Einschränkungen solcher Tätigkeiten. Deswegen liegen uns dazu
auch keine weiteren Erkenntnisse vor.
Ihre zweite Frage, bitte.
Ich frage noch einmal nach: Nach § 20 a des Soldatengesetzes müssen ehemalige Bundeswehrsoldaten die
Aufnahme einer Tätigkeit bei Sicherheits-, Wach- oder
Personenschutzdiensten anzeigen - zumindest innerhalb
der ersten fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der
Bundeswehr. Das gehört dazu.
Mir ist von einer solchen Anzeige in unserem Haus
nichts bekannt. Aber ich kann dem gerne - auch im Verteidigungsministerium - noch einmal nachgehen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Dağdelen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, und gute Besserung an
dieser Stelle.
Frau Staatsministerin Pieper, ich habe eine Nachfrage. Das Auswärtige Amt hat gesagt, dass es sich hierbei um den Anschlag auf eine amerikanische Hilfsorganisation, DAI, handelt. Das haben Sie gerade auch noch
einmal bestätigt. In der Presseberichterstattung in
Deutschland, aber auch über Deutschland hinaus wird
gesagt, dass es sich bei DAI, das in den meisten Agenturmeldungen als Hilfsorganisation beschrieben wird,
tatsächlich um ein US-Unternehmen handle, das einer
der größten Auftragnehmer des State Departments, also
des US-Außenministeriums, des Pentagons und der USAgentur für Internationale Entwicklung, USAID, die als
humanitäre Frontorganisation des US-Geheimdienstes
CIA gelte und arbeite, sei.
Deshalb würde ich gerne wissen: Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass das Anschlagsziel
eine Einrichtung des US-Geheimdienstes CIA ist? Falls
sie keine Kenntnisse darüber hat: Geht sie den Informationen in den Medien nach, um zu erfahren, in welcher
Weise bzw. in welchem Zusammenhang der ehemalige
Bundeswehrsoldat dort tätig war?
Frau Abgeordnete, die Fakten sind: Neben den
Durchführungs- und Mittlerorganisationen der Bundesregierung wie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und der Kreditanstalt für Wiederaufbau betreiben, wie Sie wissen, auch eine Reihe anderer Staaten
im Raum Kunduz Entwicklungszusammenarbeit und
Aufbauhilfe, so auch die USA mittels ihrer Durchführungsorganisation USAID. Durch die Development
Alternatives Incorporated, kurz: DAI, werden diese Projekte umgesetzt, wie Sie schon richtig festgestellt haben.
DAI ist eine uns bekannte Politikberatungsgesellschaft. Sie wurde 1970 in den USA gegründet und ist
seit 2005 eine Aktiengesellschaft im Besitz der Mitarbeiter mit Sitz in Maryland. Sie hat 350 Mitarbeiter und ist
im Auftrag verschiedener staatlicher Mittlerorganisationen wie USAID oder der japanischen Entwicklungsbank, aber auch für private Unternehmen wie Unilever
in über 60 Staaten bei der Umsetzung von Projekten von
der ländlichen Entwicklung bis hin zur Bekämpfung des
Klimawandels tätig. DAI betreibt in der Provinz Kunduz
im Auftrag des USAID ein Programm zur Stärkung
kommunaler Verwaltungsstrukturen.
Das sind die Fakten, die ich Ihnen dazu nennen kann.
Der Kollege Mützenich stellt die nächste Frage.
Vielen Dank für die Aussagen, Frau Staatsministerin. Ich habe Ihre Antwort eben so verstanden, dass es eine
gewisse Unklarheit über die Beschäftigung von Personen, die früher bei der Bundeswehr tätig gewesen sind,
und darüber gibt, welchen Vorschriften sie unterliegen.
({0})
Sie haben auch gesagt, dass Sie dieser Unklarheit in Ihrem Haus oder vielleicht auch in Rücksprache mit anderen Häusern nachgehen werden.
Kann ich daraus schließen, dass Sie der Auffassung
sind, dass insbesondere im Regelungsbereich nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsfirmen in Zukunft mit
weiterem Handlungsbedarf vonseiten der Bundesregierung zu rechnen ist, insbesondere was die Regelungen
im Inland betrifft, aber auch in Bezug auf völkerrechtliche Verträge?
Es ist durchaus nicht abzustreiten, dass man sich noch
einmal über den Handlungs- und Regelungsbedarf, insbesondere was ehemalige deutsche Bundeswehrsoldaten
betrifft, verständigen sollte. Wie ich schon sagte, werde
ich auf Bitten der Abgeordneten Höger dem konkreten
Fall nachgehen. Das halte ich für selbstverständlich.
Der Kollege Koch hat das Wort.
Frau Staatsministerin, zu Ihrer Beantwortung der
Frage meiner Kollegin habe ich eine Nachfrage: Welche
Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu der Anzahl von
im Auslandseinsatz privater Unternehmen getöteten ehemaligen Bundeswehrangehörigen? Wenn Sie heute keine
Zahl nennen können, dann bitte ich Sie, sie schriftlich
nachzureichen.
Das ist Ihnen zugesagt.
Damit ist die dringliche Frage beantwortet.
Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache 17/2371
in der üblichen Reihenfolge.
Zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas
Rachel zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Hiller-Ohm auf:
Wie sind - vor dem Hintergrund der Antworten der Bundesregierung in der Fragestunde vom 1. Juli 2010, Plenarprotokoll 17/51 - die in den Medien zitierten Aussagen der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette
Schavan, zu bewerten, denen zufolge sie die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck vor dem Aus bewahren und
nicht mit ansehen wolle, wie der Studiengang abgewickelt
werde, und welche konkreten Maßnahmen oder Initiativen hat
die Bundesministerin für Bildung und Forschung bzw. die
Bundesregierung ergriffen, um diese Ankündigung tatsächlich
umzusetzen?
Bitte schön.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Hiller-Ohm, ich darf
Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung
setzt sich ausdrücklich für ein leistungsfähiges Hochschulwesen in Deutschland ein. Den Erhalt der Medizinischen Fakultät, die profilbildend für den universitären
Standort Lübeck ist und deutlich über 50 Prozent der
Gesamtkapazität der Hochschule einnimmt, würde die
Bundesregierung daher besonders begrüßen. Jedoch hat
der Bund nach der verfassungsrechtlichen Kompetenz
keine Zuständigkeit für die Initiierung von Strukturmaßnahmen an Hochschulen. Die Bundesregierung hat daher
Sevim DaðdelenSevim Dağdelen
keine konkreten Aussagen getroffen oder Maßnahmen
ergriffen.
Herr Staatssekretär, ich möchte eine Nachfrage stellen: Können Sie heute definitiv ausschließen, dass es für
die Universitätsstandorte Lübeck und Flensburg eine Lösung geben wird, bei der der Bund eine Rolle spielt?
Denn laut Ihrer Aussagen gibt es ja keine diesbezüglichen Überlegungen im Forschungsministerium und
keine Aktivität von Ministerin Schavan.
Sehr geehrte Frau Kollegin, die Haushaltsautonomie
und auch die Kulturhoheit der Länder führen dazu, dass
universitäre Regelungen, erst recht was die Grundausstattung betrifft, von dem jeweiligen Bundesland zu treffen sind.
Ihre zweite Nachfrage.
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass
die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz auf ihrer Sitzung am 21. Juni 2010 den vereinbarten Beschluss zur
Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Ärztemangel und
zum Bedarf an Medizinstudienplätzen nicht umgesetzt
hat, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass
die Abwicklung des Medizinstudiengangs der Universität Lübeck vorgesehen sei, und warum hat die Bundesregierung dem Parlament diese Information bei ihren
Antworten in der Fragestunde am 1. Juli 2010 vorenthalten?
Frau Kollegin, wir antworten auf die Fragen, die uns
gestellt werden. Der Bund leistet bereits mit dem
Hochschulpakt 2020 einen wichtigen Beitrag zur Ausstattung mit Studienplätzen. Die KMK hat auf ihrer Sitzung am 27. Mai in München beschlossen, mit dem
Bund Gespräche über ein mögliches Sonderprogramm
für zeitlich befristete Studienplätze in der Medizin aufzunehmen. Auf der GWK-Sitzung am 21. Juni dieses
Jahres sind weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern vereinbart worden. Ergebnisse dazu liegen noch
nicht vor.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Sager.
Herr Rachel, es ist auf die Dauer etwas ermüdend,
({0})
wenn Sie uns Woche für Woche nur über die Verfassungslage informieren. Tatsache ist doch nun einmal,
dass es Gespräche zwischen Vertretern der Landesregierung von Schleswig-Holstein und Vertretern des Bundes
über die Medizinerausbildung in Lübeck gegeben hat.
Ich frage Sie: Welche Möglichkeiten sind bei diesen
Gesprächen in Betracht gezogen worden, damit es der
Landesregierung im Rahmen der Verfassung in ihrem eigenen Verantwortungsbereich erleichtert wird, die Medizinerausbildung in Lübeck zu erhalten? Sieht der Bund
Möglichkeiten, der Landesregierung die Erhaltung der
Medizinerausbildung zu erleichtern?
Die Frage, ob die Medizinische Fakultät erhalten werden soll, ist eine Frage, die die Landesregierung von
Schleswig-Holstein zu beantworten hat. Da sie diese
Frage zu beantworten hat, muss sie auch entscheiden,
welche Maßnahmen sie ergreift. Dies sind Maßnahmen,
die ausschließlich das jeweilige Sitzland selber ergreifen
kann.
({0})
Die nächste Frage stellt der Kollege Rix.
Herr Staatssekretär, ich hätte gerne gewusst, wie oft
es Gespräche zwischen der Landesregierung von Schleswig-Holstein und der Bundesregierung, also zwischen
den jeweils zuständigen Ministern oder eventuell sogar
zwischen dem Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin, über die Fachhochschulstandorte Lübeck und
Flensburg gegeben hat. Wenn Sie nicht wissen, wie viele
es waren, oder sie vielleicht sogar bestreiten und sagen,
dass es aufgrund der Verfassung natürlich keine Gespräche gab, weil nur das Land zuständig ist: Kann ich dann
davon ausgehen, dass gar nicht darüber geredet wurde
und dass die Ministerin sich überhaupt nicht nach dem
Fachhochschulstandort bei der jeweiligen Landesregierung erkundigt hat?
Von Letzterem können Sie nicht ausgehen. Selbstverständlich bietet die Verfassung zahlreiche Möglichkeiten, dass Bund und Länder - in dem Fall das Land
Schleswig-Holstein mit der Bundesregierung und vice
versa - über die verschiedenen Themen, die die Wissenschaft betreffen, reden. Das steht ohne Zweifel fest. Es
ändert aber nichts daran, dass über die Grundausstattung
einer Hochschule sowie über die Existenz oder die Veränderung einer Fakultät ausschließlich das jeweilige
Sitzland zu entscheiden hat.
Herr Kollege Röspel.
Herr Staatssekretär, im Flensburger Tageblatt vom
2. Juli 2010 wird der schleswig-holsteinische Wissen5524
schaftsminister und Parteikollege von Frau Schavan,
Herr de Jager, mit den Worten zitiert, dass Frau Schavan
ihm gegenüber „sehr großes Interesse“ am Erhalt der Lübecker Fakultät geäußert habe. Auch soll Herr de Jager
gesagt haben, er sei „zuversichtlich, dass es jetzt zügig
eine Lösung geben wird, wie der Bund das Land bei der
Hochschulmedizin in Lübeck unterstützen kann“, da er
„in regelmäßigem Kontakt zu Schavan“ stünde.
Wie passen denn diese Aussagen zu den Erklärungen,
die wir heute und in der letzten Woche gehört haben,
dass der Bund keine Kompetenz in Sachen Hochschulpolitik der Länder habe?
({0})
Sehr geehrter Herr Kollege Röspel, vielen Dank für
Ihre Frage. Sie haben richtig aus dem Flensburger Tageblatt zitiert. Dabei wird Ihnen aufgefallen sein, dass Sie
nicht die Ministerin Schavan zitiert haben, sondern einen
Vertreter einer Landesregierung. Ich stelle fest, dass dies
Äußerungen aus einem Land sind, die von einer Tageszeitung wiedergegeben wurden, und keine Originaläußerung der Ministerin.
Generell möchte ich darauf hinweisen, dass die Bundesregierung es selbstverständlich begrüßen würde,
wenn die hervorragende Hochschullandschaft in
Deutschland und auch die Medizinische Fakultät der
Universität Lübeck erhalten blieben. Über diese Frage
hat aber nicht die Bundesregierung zu entscheiden, sondern das Land Schleswig-Holstein.
({0})
Herr Rossmann.
Herr Staatssekretär, die erste Frage muss jetzt einmal
eine ironische sein; denn Frau Sager sagte schon, dass
Sie offensichtlich nicht bereit sind, hier allzu viel an
Konstruktivem erkennen zu lassen, was der Bund tun
könnte und was er auch tun will. Deshalb frage ich Sie
andersherum: Schließen Sie aus, dass sich Frau Schavan
zusammen mit anderen Beteiligten zu irgendeinem Zeitpunkt in der nächsten Zeit in der Form präsentieren wird,
dass sie aktiv zur Rettung der Lübecker Medizinerausbildung beigetragen hat?
Eine Lebensweisheit ist, dass man nie irgendetwas
ausschließen soll. Ich schließe auch nicht aus, dass ich
gleich vom Blitz getroffen werde.
({0})
Unabhängig davon gilt aber: Die Frage der rechtlichen Zuständigkeit und der Regelungskompetenz liegt
ausschließlich beim Land. Ob die Fakultät erhalten
bleibt, ist daher eine Frage, die das Land - sowohl in Bezug auf die Entscheidung selbst als auch finanziell bezogen auf seinen Hochschuletat - zu entscheiden hat.
Lassen Sie mich im Namen der Verwaltung des Hauses feststellen, dass unsere Blitzableiter ganz sicher
funktionieren, Herr Staatssekretär.
Das ist beruhigend.
({0})
Herr Beck: Sie haben das Wort zur nächsten Frage.
Ich will noch einmal auf die Frage zurückkommen,
die Sie Frau Sager nicht beantwortet haben. Hat es denn
Gespräche von Frau Schavan oder anderen Mitgliedern
der Bundesregierung oder Mitarbeitern Ihres Hauses mit
der Landesregierung von Schleswig-Holstein über die
hier in Rede stehende Frage der Medizinischen Fakultät
gegeben? Und wenn es diese Gespräche gegeben hat:
Was hat die Bundesregierung in diesen Gesprächen vertreten?
Sehr geehrter Herr Kollege Beck, wie ich vorhin
schon geantwortet habe, hat es selbstverständlich Gespräche - die natürlich zulässig, möglich und im Übrigen vollkommen normal sind - zwischen der Bundesregierung, dem BMBF, und der Landesregierung
Schleswig-Holstein über die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Lübeck sowie über die Absicht der
Landesregierung gegeben. Dabei haben das BMBF und
die sie vertretenden Repräsentanten deutlich gemacht,
dass der Erhalt der Medizinischen Fakultät aus Sicht der
Bundesregierung zu begrüßen wäre, weil sie für den universitären Standort Lübeck profilbildend ist und deutlich
über 50 Prozent der Kapazität der Hochschule einnimmt.
Herr Schulz, bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie nach der x-ten Nachfrage
nun endlich gesagt haben, dass es Kontakte zwischen
dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein gegeben
hat, möchte ich genauer nachfragen: Was ist der Bund
zur Lösung des Problems, über das wir hier sprechen,
beizutragen bereit?
Die Landesregierung in Schleswig-Holstein diskutiert
ganz offensichtlich darüber, ob sie die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck verändert oder schließt.
Diese Entscheidung liegt ausschließlich bei der Landesregierung und nicht bei der Bundesregierung; sie ist also
Ländersache. Insofern wird die Bundesregierung bezüglich der finanziellen Ausstattung der Universität Lübeck
und ihrer Medizinischen Fakultät nichts unternehmen.
Wir kommen jetzt zur Frage 2 der Kollegin HillerOhm:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Hochschulrektorenkonferenz ({0}),
laut der das Vorgehen der schleswig-holsteinischen Landesregierung und die vorgesehene Schließung der Universität
Lübeck als Bildungsbankrott gebrandmarkt und vor den fatalen Folgewirkungen gewarnt wird, und teilt die Bundesregierung darüber hinaus die Auffassung der Hochschulrektorenkonferenz, dass offensichtlich bestimmte Länder ihrem
Auftrag der Zukunftssicherung nicht mehr nachkommen bzw.
nachkommen können?
Herr Rachel, bitte.
Sehr geehrte Frau Kollegin Hiller-Ohm, auch hier ist
es so, dass das Land Schleswig-Holstein seine Überlegungen in der Sache gegenüber der Hochschulrektorenkonferenz wie auch den regionalen Hochschulen zu vertreten hat. Die Prioritätensetzung erfolgt nämlich im
Haushalt des Landes Schleswig-Holstein entsprechend
der Haushaltsautonomie und der Kulturhoheit der Länder. Die Prioritätensetzung bezogen auf den Studienstandort Lübeck ist insofern ausschließlich vom Land
und damit selbstständig und unabhängig vom Bund zu
treffen. Dies gilt auch für die Entscheidungen zur
Grundfinanzierung einzelner Hochschulen.
Darüber hinaus haben Bund und Länder im
Oktober 2008 zur Zukunftssicherung durch Bildung und
Forschung vereinbart und im Dezember letzten Jahres
noch einmal bestätigt, gesamtstaatlich 10 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufzuwenden. Dieses Ziel wird weiterhin gemeinsam verfolgt.
Wie ich sehe, möchten Sie eine Nachfrage stellen.
Herr Staatssekretär, ich versuche es noch einmal. Wir
konnten heute norddeutschen Medien entnehmen, dass
der Vorschlag zur Schließung der Medizinischen Fakultät der Universität Lübeck ganz offensichtlich von der
Universität Kiel stammt. Es soll bereits im vergangenen
Jahr ein Geheimtreffen mit dem damaligen Wissenschaftsstaatssekretär de Jager gegeben haben, bei dem
darüber verhandelt worden ist. Können Sie denn bestätigen, dass es Bund-Länder-Programme im Hochschulbereich gibt? Falls Sie diese Frage mit Ja beantworten:
Welche Konsequenzen für die Bund-Länder-Programme
wird die Bundesregierung aus den Geschehnissen ziehen?
Sehr geehrte Frau Kollegin, die Darstellung der lokalen Presse, die Sie gerade wiedergegeben haben, kann
ich weder bestätigen noch verneinen; sie ist mir nicht bekannt. Die Frage nach Konsequenzen für Bund-LänderProgramme möchte ich an dieser Stelle so beantworten:
Bund und alle 16 Länder haben gemeinsame Verträge
geschlossen, übrigens zum Wohle der Hochschulen, der
Wissenschaftslandschaft und auch der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland. Aus Sicht
der Bundesregierung besteht überhaupt kein Anlass zu
der Annahme, dass die Länder die dort festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllen; vielmehr geht die Bundesregierung davon aus, dass die Länder ihre Verpflichtungen,
zum Beispiel die Einhaltung des Hochschulpakts 2020,
wie vereinbart umsetzen werden.
Sie haben eine weitere Nachfrage.
Ich habe Ihnen die Informationen hinsichtlich der
Presseberichte gegeben. Ich möchte Sie fragen, ob es im
Sinne der Bundesregierung ist, dass ein freier Wettbewerb zwischen den Universitäten stattfindet, und ob das,
was jetzt zwischen den Universitäten Lübeck und Kiel
geschieht, nicht im Gegensatz zu einem Exzellenzwettbewerb - ein solcher sollte aus meiner Sicht befördert
werden - steht.
Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich mit Ja beantworten. Selbstverständlich stehen wir zum Wettbewerb in
der deutschen Hochschullandschaft, zum Wettbewerb
zwischen den Hochschulen. Wir haben im Übrigen mit
dem Wettbewerb der Exzellenzinitiative gerade hervorragende Erfahrungen gemacht. Er hat eine enorme Dynamik ausgelöst, und die Hochschulen haben sich durch
verstärkte Profilbildung darum bemüht, in den drei Säulen der Exzellenzinitiative erfolgreich zu sein.
Ich sehe eigentlich keinen Grund für die Skepsis, die
in Ihrer Frage sichtbar wird; denn beide Hochschulen,
sowohl Kiel wie auch Lübeck, sind in der Exzellenzinitiative in der ersten bzw. zweiten Runde erfolgreich gewesen.
Herr Rossmann.
Herr Staatssekretär, die Hochschulrektorenkonferenz
hat mit der Aussage vom Bildungsbankrott und der Aussage, dass man vor den Folgen nur warnen könne, ein
dramatisches Licht auf das geworfen, was in Lübeck ge5526
schieht. Meine Frage an die Bundesregierung lautet: Wie
viel Zeit will die Bundesregierung - in Verantwortung
für das Land, für die Hochschulbildung und auch für die
Ausbildung im Gesundheitsbereich - den SchleswigHolsteinern noch geben, den Bankrott zu verhindern,
und ab wann sieht sie den Zeitpunkt für gekommen, dass
sie sich nicht mehr aus der Schuld entlassen kann und an
dem, was in Lübeck geschieht, mitschuldig wird?
Herr Kollege Rossmann, Sie unterliegen hier einem
grundlegenden Missverständnis. Sie sprechen von der
Verantwortung der Bundesregierung. Die Verantwortung
für die Einrichtung, die Veränderung oder die Schließung von Hochschulstandorten oder Fakultäten liegt
ausschließlich bei den jeweiligen Bundesländern, in dem
Fall beim Land Schleswig-Holstein.
Frau Sager.
Herr Staatssekretär, der Wissenschaftsrat hat in einer
bundesweiten Dringlichkeitsliste für Forschungsneubauten an der dritten Stelle, also sehr weit oben positioniert,
ein „Interdisziplinäres Zentrum Gehirn, Hormone und
Verhalten“ für die Universität Lübeck empfohlen. Was
würden Sie da ganz persönlich denken? Welche Chancen
hätte ein solches Forschungszentrum noch, wenn die
Medizinerausbildung dort abgewickelt wird? Wie würden Sie vor diesem Hintergrund und auch im Kontext
mit den Forschungszielen, die Bund und Länder sich gemeinsam vorgenommen haben, die Abwicklung der Medizinerausbildung bewerten?
Sehr geehrte Frau Kollegin Sager, die Äußerungen
des Wissenschaftsrats, auf die Sie Bezug genommen haben, sind wohl als deutliches Signal der Unterstützung
für diese regionale Hochschule zu verstehen. Ich denke,
das bettet sich ein Stück ein in die Aussage, die ich eingangs getroffen habe, nämlich dass aus Sicht der Bundesregierung der Erhalt der Medizinischen Fakultät dort
zu begrüßen wäre, weil diese Fakultät dort für den universitären Standort Lübeck profilbildend ist.
Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich über die
Frage, wer welchen Neubau nachher bekommt, hier
keine Spekulationen anstellen möchte.
Herr Kollege Röspel.
Herr Staatssekretär, in der Regierungskoalition, einschließlich Bundesgesundheitsminister Rösler, wird
ständig darüber diskutiert, inwieweit der Ärztemangel in
Deutschland behoben werden kann, welche Maßnahmen
gegen einen solchen Mangel ergriffen werden können.
Teilen Sie vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass
in Zeiten von Ärztemangel und zunehmenden Fallzahlen
eine Reduzierung der Hochschulkapazitäten in dem Bereich in Schleswig-Holstein kontraproduktiv wäre? Warum ist der Presse zu entnehmen, dass Frau Ministerin
Schavan offenbar viele Zugeständnisse oder Angebote
macht, und warum wird das hier verleugnet?
In der Diskussion über einen Ärztemangel - eine solche Diskussion ist in der Tat vorhanden, und in dem
Rahmen gibt es unterschiedliche Bewertungen - sprechen, wie Sie wissen, Kollege Röspel, viele von einem
relativen Ärztemangel. Das Problem liegt vor allem darin, dass der Ärztebedarf regional unterschiedlich ist. Zu
diesem relativen Ärztemangel steht die Entscheidung zu
Lübeck in einem auffallenden Spannungsverhältnis.
Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Marianne
Schieder:
Welche Maßnahmen wären aus Sicht der Bundesregierung
geeignet und wünschenswert, um nach einer möglichen
Schließung der Universität Lübeck die Region unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zu stärken, und welche Kosten
kämen schätzungsweise auf den Bund zu, um die langfristigen
- ökonomischen und sozialen - Folgen einer Schließung der
Universität Lübeck abzumildern?
Frau Kollegin Schieder, herzlichen Dank für Ihre
Frage. - Die Zuständigkeit für die Initiierung von strukturpolitischen Maßnahmen für die Region Lübeck, nach
denen Sie gefragt haben, liegt natürlich beim Land
Schleswig-Holstein. Insofern ist auch eine Aussage der
Bundesregierung nach einer möglichen Kostenbelastung
des Bundes nicht notwendig und nicht sinnvoll.
Eine Nachfrage des Kollegen Rossmann.
Herr Staatssekretär, weil ja vieles miteinander zusammenhängt, möchte ich noch einmal auf die Bundessicht
zu sprechen kommen. Fakt ist ja, dass auch der Bund in
der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vertreten ist.
In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz hat es eine
Debatte über den Beschluss der Kultusministerkonferenz
gegeben, 10 Prozent mehr Studienplätze im Bereich Medizin zu schaffen. Wie ist die Haltung des Bundesvertreters in dieser Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz in
Bezug auf diese Forderung nach diesen zusätzlichen
10 Prozent gewesen? Welche Zusammenhänge sehen Sie
zwischen dieser Forderung nach zusätzlichen 10 Prozent
an Studienplätzen, die gegebenenfalls ja auch der Bund
als notwendig ansehen könnte, einerseits und andererseits der Tatsache, dass aktuell Studienplätze abgebaut
werden sollen? Mich interessiert vor allen Dingen, wie
die Haltung des Bundesvertreters bezüglich dieser Fakten aussieht.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, wie ich
diesen Zusammenhang sehe, habe ich schon in der Antwort auf eine Frage des Kollegen Röspel gesagt, nämlich
dass ich hier ein auffallendes Spannungsverhältnis empfinde.
Wie Sie vielleicht aus meinen bisherigen Antworten
erkannt haben, ist es nicht so, dass sich der Bund gar
verweigert oder nicht an diesen Gesprächen teilnimmt,
sondern es ist im Gegenteil so, dass er sich in Gesprächen mit den Bundesländern befindet. Daran sehen Sie,
dass auch die Bundesregierung und wir im BMBF diesen
relativen Ärztemangel sehr wohl wahrnehmen.
Die Aufgabe ist, zunächst einmal genauer einzuschätzen, ob und in welchem Umfang ein solcher Ärztemangel vorhanden ist und wie dem begegnet werden kann
bzw. muss. Dabei ist es aus Sicht der Bundesregierung
entscheidend und notwendig, dass die 16 Bundesländer
in der Beurteilung genau dieser Fragestellung zu einer
klaren und möglichst einvernehmlichen Problem- und
auch Lösungsbeschreibung kommen. Dies ist bisher
noch nicht erfolgt. Wir befinden uns hier aber im Gespräch.
Wir kommen nun zur zweiten Frage der Kollegin
Schieder, nämlich der Frage 4:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass mit
dem schleswig-holsteinischen Sparpaket auch die exzellenten
Studiengänge in Flensburg gefährdet sind, die in Kooperation
mit der süddänischen Region realisiert und einzigartig in
Deutschland und Europa sind, und welche Konsequenzen erwartet die Bundesregierung für das deutsch-dänische Verhältnis daraus?
Frau Kollegin Schieder, ich finde es zunächst einmal
sehr schön, dass sich auch eine Abgeordnete aus Bayern,
soweit ich das weiß,
({0})
für die Frage des schleswig-holsteinisch-dänischen Verhältnisses interessiert. Ich antworte Ihnen dazu gerne.
Sie wissen, dass die Länder gemäß ihrer Kultur- und
Haushaltsautonomie Entscheidungen, wie in verschiedenen Studiengängen verfahren wird, treffen. Ich möchte
aber in der Frage der Kooperationen mit Dänemark ausdrücklich darauf hinweisen, dass zurzeit allein im Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz 368 Kooperationen deutscher und dänischer Hochschulen
registriert sind, davon übrigens nur zwei bei der Universität in Flensburg. Somit sind Konsequenzen für das
deutsch-dänische Verhältnis im Hochschulbereich insgesamt nicht zu erwarten.
({1})
Der Kollege Rix hat eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, dass
Sie der Meinung sind, dass die Kooperationen zwischen
einer deutschen und einer dänischen Hochschule nicht
weiter zu fördern sind, weil es sich angesichts ihrer geringen Zahl nicht lohnt, oder kann ich davon ausgehen,
dass auch die Bundesregierung Wert darauf legt, dass bezüglich der Kooperationen auch kleine Pflänzchen gegossen werden müssen?
Wovon Sie ausgehen können, können nur Sie selbst
entscheiden. Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir in der
deutschen Hochschullandschaft glücklicherweise ein
breites Netz von Hochschulkooperationen mit Dänemark
- es gibt fast 400 Kooperationen - haben. Unabhängig
von der Einschätzung dieser beiden Kooperationen, die
konkret angesprochen wurden, können wir feststellen,
dass insgesamt ein tragfähiges Netz von Kooperationen
besteht.
Welche Themen im Rahmen von Kooperationen letztendlich behandelt werden, ist eine Frage, die die Hochschule oder gegebenenfalls das Land unter Gesamtwürdigung aller Aspekte beantworten muss.
Herr Rossmann.
Herr Staatssekretär, es ist sicherlich zu begrüßen, dass
es fast 400 deutsch-dänische Hochschulkooperationen
gibt. Ich möchte dies insofern ergänzen, als die Wirkung
und die Symbolkraft einer Hochschulkooperation unmittelbar im Grenzgebiet von Dänemark und Deutschland
- es handelt sich um die Region Flensburg/Südjütland,
die eine geschichtlich belastete Vergangenheit aufweist,
die sich aber positiv entwickelt hat - eine andere Qualität haben. Deshalb meine Frage: Können Sie sich der
Meinung anschließen, dass gerade im Grenzgebiet von
Dänemark und Deutschland ein besonderes Bedürfnis an
ortsnahen Hochschulkooperationen besteht, sie somit
den Charakter eines Schlüsselprojekts haben?
Herr Kollege Dr. Rossmann, es wäre verfehlt, wenn
man von Berlin aus den Inhalt einzelner Kooperationen
bewerten würde. Dies traue ich mir an dieser Stelle nicht
zu.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie als Abgeordneter aus Schleswig-Holstein besonders die Leuchtkraft dieser Kooperationen sehen, betonen, wahrnehmen, sich in ihr sonnen
({0})
und sich dafür einsetzen, dass sie fortgesetzt werden.
Das ist verständlich. Das ist im Übrigen bei Kooperationen von Hochschulen in anderen Regionen nicht anders.
Ich habe mich differenziert genug geäußert, indem ich
gesagt habe: Wir freuen uns darüber, dass es - unabhängig von diesen beiden Kooperationen - insgesamt ein
breites Geflecht von deutsch-dänischen Kooperationen
gibt - es gibt 368 solcher Hochschulkooperationen -, die
über die Region hinaus sicherlich bedeutsam sind und
die die guten Beziehungen im Wissenschaftsbereich
zwischen Dänemark und Deutschland garantieren.
Die Frage 5 der Kollegin Ulla Burchardt wird nicht
beantwortet, da die Kollegin nicht anwesend ist. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rossmann auf:
Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass beim Pakt
für Qualität in der Lehre der Bund die gesamten Kosten allein
trägt und damit die Länder auf einem Kerngebiet ihrer Bildungszuständigkeit keinen eigenen Finanzbeitrag leisten?
Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann, wie Sie als Sprecher
Ihrer Fraktion im Bildungs- und Forschungsausschuss
wissen, haben die Regierungschefs von Bund und Ländern am 10. Juni der Verwaltungsvereinbarung zwischen
Bund und Ländern über ein gemeinsames Programm für
bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der
Lehre zugestimmt, worüber wir uns gemeinsam gefreut
haben. Darin ist geregelt, dass der Bund die Sach- und
Personalausgaben trägt, die den Hochschulen für die
Durchführung der bewilligten Maßnahmen zusätzlich
entstehen, während das jeweilige Sitzland die Gesamtfinanzierung sicherstellt.
Mit diesem Programm mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 hat der Bund einen
weiteren ganz wesentlichen Beitrag zur Erreichung des
10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung erbracht.
Dieses Bund-Länder-Sonderprogramm wird einen starken Impuls für bessere Studienbedingungen und mehr
Lehrqualität an den Hochschulen setzen. Unbeschadet
dessen ist die Grundfinanzierung der Hochschulen Aufgabe der Länder.
Sie haben eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär, die gemeinsame Freude über die
Verbesserung der Qualität der Lehre an den Hochschulen
zu konzedieren, steht mir nicht zu. Der entscheidende
Punkt ist, dass hier der Bund Kernaufgaben der Länder
zu 100 Prozent finanziert. Nun ist die Frage, ob diese
gute Tat an anderer Stelle böse Früchte trägt. Können Sie
also ausschließen, dass es bei weiteren aktuell anstehenden bildungspolitischen Entscheidungen - ich nenne
zum Beispiel das Stipendienprogramm - ein entsprechendes Angebot durch den Bund gibt, die entsprechende Finanzierung zu 100 Prozent zu übernehmen?
Herr Kollege, ganz unabhängig von Ihrer spezifischen
Frage ist es eine Lebensweisheit - die ich auch in Bezug
auf alle Fragen im Deutschen Bundestag beherzige -,
generell nichts auszuschließen. Die Zukunft ist offen,
und deswegen weiß auch keiner, was auf uns zukommt.
Was die konkrete Frage der Finanzierung des Pakts
für Qualität in der Lehre - überwiegend durch den Bund,
aber auch, wie ich gerade deutlich gemacht habe, durch
die Länder - anbetrifft, glaube ich, dass das eine richtige
und notwendige Entscheidung war. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass die Länder hier noch verstärkt eingetreten wären. Dies war nicht möglich.
Im Rahmen einer Gesamtabwägung hat die Bundesbildungsministerin Frau Professor Schavan entschieden,
dass wir eine Verbesserung der Qualität der Lehre brauchen, wie dies auch die Studierenden in den vergangenen
Monaten angemahnt haben. Die Bundesregierung steht
nicht abseits, sondern wird ihren Beitrag dazu leisten.
Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön.
Können Sie dem Parlament darlegen, wie die Abläufe
waren? Wir haben gehört, dass der Bund - wie es auch
an vielen anderen Stellen üblich ist - den Ländern den
Vorschlag gemacht hat, in eine 90/10-Finanzierung einzutreten, dass aber einige Länder - vor allem aus dem
konservativen Bereich - gesagt haben: Wir tragen das
Programm nur mit, wenn du, Bund, unserer Erpressung
nachgibst und zu 100 Prozent finanzierst.
Schon angesichts einer solchen Sprache möchte und
werde ich auf eine in dieser Form gestellte Frage nicht
antworten. Ich werde mich an Spekulationen nicht beteiligen. Die Bundesregierung hat Wort gehalten. Sie hat
gesagt, dass sie sich an dem Pakt zur Verbesserung der
Lehre an den Hochschulen beteiligen wird, und macht
dies mit einem namhaften 2-Milliarden-Programm. Dies
ist das größte Programm, das es in der Geschichte der
Bundesrepublik je zur Verbesserung der Lehre gegeben
hat. Ich finde, dies macht deutlich, dass es uns ernst ist.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Rossmann auf:
Welche Aufgabe sieht die Bundesregierung im Rahmen
des Paktes für Qualität in der Lehre für die von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
öffentlich angekündigte Akademie für die Lehre, oder verfolgt sie das Konzept nicht weiter?
Herr Kollege Dr. Rossmann, Bund und Länder haben
in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 28. Mai
dieses Jahres vereinbart, gemeinsam mit den Hochschulen - also denjenigen, um die es letztlich auch geht - diesen Vorschlag, nämlich die Einrichtung einer Akademie
für Studium und Lehre, zu prüfen. Dieser Vorschlag wird
weiter verfolgt und geprüft. Eine solche Akademie für
Studium und Lehre könnte nachhaltige Beiträge zur Verbesserung der Qualität der Lehre und des Studiums sowie
zur Qualifizierung von Lehrenden auch auf ihrem weiteren Berufsweg leisten. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz wird sich dann später auf dieser Grundlage erneut mit dem Vorschlag befassen.
Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, weil das von uns gemeinsam begrüßte Programm für die Verbesserung der Qualität in
der Lehre auch Zeitvorstellungen beinhaltet, die mit den
Jahren 2011 bzw. 2012 beginnen, liegt der Gedanke
nahe, dass auch eine solche Akademie in dieses Gesamtkonzept hineinpasst. Deshalb meine Frage: Streben Sie
ein Zeitfenster an, in dem diese Akademie in Bezug auf
eine qualitativ möglichst hochwertige Umsetzung dieses
guten Hochschulprogramms für die Verbesserung der
Qualität in der Lehre noch wirksam werden kann?
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rossmann, gut Ding
will Weile haben. Selbstverständlich sind wir an einer
qualitativ hervorragenden Umsetzung interessiert. Das
setzt die frühzeitige Einbindung der betroffenen Hochschulen voraus. Um die bemühen wir uns gerade. Wir
werden das Gespräch und die Prüfung mit den Hochschulen abwarten und dann in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz mit den Ländern zu einer abschließenden Beratung kommen.
Sie haben noch eine weitere Nachfrage. Bitte schön.
Wir haben in der Fragestunde einmal mehr gehört,
wie schwierig die Klärung von Finanzfragen zwischen
Bund und Ländern ist. Deshalb meine Frage: Mit welcher Finanzierungsvorstellung geht der Bund in die Verhandlungen mit den Ländern, was seine Beteiligung an
der gut gedachten Akademie angeht?
Bevor man über Finanzen spricht, muss man über
Konzepte sprechen und schauen, ob die Konzepte tragfähig sind und Chancen haben, qualitativ erstklassig umgesetzt zu werden. Dies steht zunächst im Vordergrund.
Dann kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Schulz:
Aus welchen Gründen war es der Bundesregierung nicht
möglich, ihre Ankündigung einzuhalten, vor dem Sommer
2010 und damit über ein halbes Jahr nach Vorlage ihrer Eckpunkte dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur
besseren Anerkennung ausländischer Qualifikationen vorzulegen?
Sehr geehrter Herr Dr. Schulz, die Vorbereitung des
Gesetzentwurfs erfordert eine sorgfältige - ({0})
Die Unruhe liegt, glaube ich, daran, dass Sie Herrn
Schulz zum Doktor ehrenhalber ernannt haben.
Es ist doch schön, dass er sich darüber freut. Den
Doktortitel von Herrn Rossmann habe ich auf Herrn
Schulz übertragen. Ich hoffe, das ist okay. So schnell
geht das.
Zur Sache selber. Die Vorbereitung des Gesetzentwurfs erfordert eine sorgfältige Prüfung der Kompatibilität der geplanten Regelungen mit bestehenden berufsrechtlichen Regelungen auf Bundesebene und auch mit
entsprechenden Vorgaben im EU-Recht. Das macht es
schwierig und auch etwas langwieriger, als wir uns das
gedacht haben.
Unter anderem sind bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs die bestehenden Regelungen zur Umsetzung der
Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die
Anerkennung von Berufsqualifikationen und sonstige Regelungen zum Berufszugang und zur Berufsausbildung in
den jeweiligen Berufsgesetzen auf Bundesebene zu berücksichtigen. Die entsprechenden Vorschriften beinhalten sehr unterschiedliche und teilweise sehr komplexe Regelungsansätze, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg
entwickelt haben und den unterschiedlichen Regelungsnotwendigkeiten der einzelnen Berufsgruppen Rechnung
tragen.
Vor dem Hintergrund dieser komplexen Rechtsmaterie wurde der ursprüngliche Zeitplan für die Erarbeitung
eines Gesetzentwurfs geringfügig revidiert. Nach derzeitigem Planungsstand soll ein entsprechender Referentenentwurf im auslaufenden Sommer 2010 vorgelegt werden.
Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
Sie haben gerade gesagt, wann der Referentenentwurf
vorgelegt werden soll. Meine Frage: Gibt es eine Planung, wann der Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden kann?
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. - Wir gehen davon aus, dass der Referentenentwurf im auslaufenden
Sommer vorgelegt werden kann. Dann gibt es natürlich
eine Kabinettsbefassung. Das kann natürlich nicht die
Dauer des anschließenden Bundestagsverfahrens wie
auch die Befassung im Bundesrat präjudizieren. Insofern
ist ein genauer Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Gesetzes im Moment noch nicht festzulegen.
Herr Staatssekretär, ich habe nicht nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gefragt, sondern ab wann die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Gesetzentwurf zuleiten wird.
Nachgeschoben: Wir haben in dieser Woche im Ausschuss eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema
durchgeführt. Wird die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Referentenentwurfes bzw. des Gesetzentwurfs
die Ergebnisse dieses Fachgesprächs mit einbeziehen?
Vielen Dank. - Eine genaue zeitliche Einordnung,
wann der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet wird,
kann ich nicht vornehmen. Aber dies soll in möglichst
zeitlicher Nähe geschehen - das ist ganz klar -, weil wir
daran interessiert sind, dass die Sache vorangeht.
Selbstverständlich wird die Bundesregierung die Aspekte, die in der Anhörung des zuständigen Fachausschusses angesprochen worden sind, aufnehmen. Sie
wissen, dass Vertreter der Bundesregierung bei der Anhörung anwesend gewesen sind und die Dinge aufmerksam verfolgt haben. Wir wollen versuchen, die Aspekte
in den Referentenentwurf bzw. den Gesetzentwurf einzubeziehen. Das ändert nichts daran, dass das Parlament
nachher selbstverständlich frei ist, bei der Gesetzgebung
entsprechend mitzuwirken und Änderungen durchzusetzen.
({0})
Frau Dağdelen.
Auch ich möchte eine Frage stellen. Erster Punkt.
Nachdem 2007 die Linksfraktion mit einem entsprechenden Antrag das Thema auf die Tagesordnung gebracht
und den Bundestag aufgefordert hat, aktiv zu werden
- leider hat das die Große Koalition in der letzten Wahlperiode versäumt; jetzt aber hat diese Koalition den Anspruch, hier etwas zu tun -, möchte ich fragen, ob vielleicht schon bei der Erarbeitung des Referentenentwurfs,
aber zumindest bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs
das Gespräch mit Betroffenengruppen und -initiativen
gesucht wurde bzw. wird und ob auch Fachverbände zurate gezogen wurden.
Zweiter Punkt. Ist geplant, dass die Menschen einen
Rechtsanspruch auf die Anerkennung ihrer im Ausland
erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse haben, wie
es zum Beispiel in den skandinavischen Ländern der Fall
ist, oder ob andere Möglichkeiten zur Anerkennung geplant sind, wie das - ich glaube, das war Staatsministerin
Böhmer - im Bundestag gesagt wurde?
Frau Kollegin, selbstverständlich werden auch die
Meinungen von außenstehenden Organisationen und
Verbänden in den Diskussionsprozess einbezogen. Zum
Inhalt kann ich Ihnen heute allerdings keine Auskunft
geben, da, wie gesagt, der Referentenentwurf noch nicht
erarbeitet ist.
Frau Sager, bitte.
Herr Staatssekretär, ich bin darüber gestolpert, dass
Sie zwar genau sagen können, wann der Referentenentwurf fertig sein soll - Sommerende -, aber gleichzeitig
bei der Frage, wann der Gesetzentwurf dem Bundestag
zugeleitet werden soll, sehr vage geblieben sind. Deswegen meine Nachfrage: Haben Sie Pläne, den Referentenentwurf in einem Vorverfahren mit den Ländern abzustimmen, bevor Sie den Gesetzentwurf dem Bundestag
zuleiten? Oder weswegen sind Sie so vage geblieben?
Meine offene Antwort ist: Im Moment habe ich
schlicht und einfach keine Information darüber, wann
der Gesetzentwurf vorgelegt wird. Deswegen bin ich
vage geblieben. Ich kann Ihnen das jetzt nicht beantworten.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Swen Schulz auf:
Welcher weitere Prozess ist von der Bundesregierung vorgesehen, um mit den Ländern die Umsetzung des 10-ProzentZiels von Dresden, bis 2015 mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und 3 Prozent für Forschung aufzuwenden, sicherzustellen?
Sehr geehrter Herr Kollege Schulz, anlässlich des
Qualifizierungsgipfels am 22. Oktober 2008 in Dresden
haben sich die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs
der Länder auf das gemeinsame Ziel verständigt, bis
zum Jahr 2015 die Investitionen in Bildung und Forschung in Deutschland auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Dieses Ziel gilt weiterhin. Wir arbeiten daran und auch dafür.
Auf dem Weg zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels
wird der Bund - wie Sie wissen - in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro zusätzlich investieren, 6 Milliarden Euro in die Bildung und 6 Milliarden Euro in die
Forschung. Der Bund wird damit in zentralen Bildungsbereichen zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Auf der
Grundlage des von der KMK am 27. Mai beschlossenen
Maßnahmenkatalogs zur Ausfüllung und Erreichung des
10-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung werden
Bund und Länder Schwerpunkte und Maßnahmen in den
jeweiligen Bildungsbereichen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten umsetzen.
Eine Nachfrage? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, heißt das, dass nach dem gescheiterten Bildungsgipfel vor wenigen Wochen momentan
keine weiteren Bildungsgipfel geplant sind, um verbindliche Verabredungen zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des 10-Prozent-Ziels zu treffen?
Herr Kollege Schulz, ich möchte Ihrer Grundthese
widersprechen, dass es ein gescheiterter Gipfel gewesen
ist. In einer Zeit höchster finanzieller Konsolidierungsnotwendigkeit und angesichts von Einsparungen in
Milliardenhöhe auf allen Themenfeldern ist die Entscheidung, einen Qualitätspakt für die Lehre an den
Hochschulen auf den Weg zu bringen und zu finanzieren
- die Bundesregierung stattet ihn bis zum Jahr 2020 mit
2 Milliarden Euro aus -, kein Scheitern, wie Sie das beschreiben, sondern eine notwendige und wichtige Entscheidung.
Die weitere Umsetzung wird zwischen Bund und
Ländern in den dafür vorgesehenen Gremien von GWK
und KMK - wenn die Ministerin beteiligt ist - besprochen. Wir werden spätestens im Jahr 2014 Bilanz ziehen
können, was wir auf dem Weg zum 10-Prozent-Ziel im
Bereich Forschung und Bildung erreicht haben.
Eine weitere Nachfrage? - Bitte schön.
Ein nächster sogenannter Bildungsgipfel auf Einladung der Bundeskanzlerin ist demnach im Moment nicht
geplant?
Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten der Kooperation zwischen Bund und Ländern im Bereich der
Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung.
Diese werden zunächst intensiv genutzt.
Also nein.
Herr Dr. Rossmann, bitte.
Herr Staatssekretär, es wäre gut, wenn das mit der
„Gipfeleritis“ vorbei wäre. Im Übrigen stelle ich fest,
dass Sie mit der positiven Bewertung dieses dritten Anlaufes ziemlich alleine dastehen. Es gab Äußerungen
von Finanzminister Schäuble, nach denen man das
Thema noch einmal im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform und den Kommunalsteuern aufrufen
würde. Die Bundeskanzlerin hat sich eingelassen und
gesagt: Spätestens 2014, vielleicht aber auch früher. Mit
welchem Zeitplan und welchen konkreten Schritten geht
die Bundesregierung an die Aufgabe, verloren gegangenes Vertrauen in ein gemeinsames Bildungsprojekt von
Bund, Ländern und Kommunen wieder aufzubauen? Ich
frage das, weil die Öffentlichkeit ein Interesse daran haben dürfte, die konkreten Schritte der Bundesregierung
bezogen auf Projekt und Finanzen zu erfahren.
Herr Kollege Dr. Rossmann, ich bin ein bisschen enttäuscht über Ihre Wahrnehmung der Prozesse. Betrachtet
man die letzten Jahre, und zwar nicht nur die Regierungszeit dieser Bundesregierung, sondern auch die der
letzten Bundesregierung, der die SPD angehörte, stellt
man fest, dass dies ein einmaliger Vorgang ist. Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesbildungs- und
-forschungsministerin, hat für eine klare Schwerpunktsetzung bei Bildung und Forschung gesorgt, und zwar in
einem Ausmaß, wie es das in früheren Jahren und Jahrzehnten in unserem Land nicht gegeben hat. Ich finde es
schade, dass Sie das, woran Sie selbst mitgewirkt haben,
im Nachhinein in ein schlechtes Licht setzen, weil das
der Sache nicht angemessen ist.
Das Gleiche kann ich auf die jetzige Regierungskoalition beziehen. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen
vereinbart, angefangen beim Qualifizierungsgipfel in
Dresden. Wir haben beim Pakt für Forschung und Innovation einen Aufwuchs von 5 Prozent vereinbart. Das
muss jedes Jahr in den Haushaltsberatungen bei Bund
und Ländern faktisch umgesetzt werden. Wir haben
beim Hochschulpakt vereinbart, dass im Rahmen der
ersten Säule 90 000 zusätzliche Studienplätze und in der
zweiten Tranche 275 000 zusätzliche Studienplätze in
Deutschland finanziert werden. Der Bund geht dabei
voran, aber auch die 16 Bundesländer werden sich in erheblichem Maße beteiligen. Das wird im Laufe der Zeit
Stück für Stück umgesetzt und trägt dazu bei, dass das
10-Prozent-Ziel erreicht werden kann.
Sie haben nach Meilensteinen gefragt. Wir haben eine
erfolgreiche Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht.
Im Rahmen des wissenschaftsbegleiteten Prozesses haben wir Spitzenuniversitäten in Deutschland herausgefiltert. Die Exzellenzinitiative befindet sich fast am Ende
der Phase 1. Im nächsten Jahr werden wir die Phase 2
beginnen. Auch hier werden neue Mittel zur Verfügung
gestellt, abgestimmt zwischen Bund und Ländern. Sie
sehen, wir sind voll im Prozess und dabei, dieses Ziel zu
erreichen.
Die Frage 10 des Kollegen Klaus Hagemann wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 11 der Kollegin
Sylvia Kotting-Uhl.
Ich rufe jetzt die Frage 12 des Kollegen Röspel auf:
In welchen Programmen der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes sieht die Bundesregierung Einsparmöglichkeiten, um die
Finanzlücke von 1,4 Milliarden Euro bei dem Projekt ITER
wie vorgeschlagen zu schließen, und gibt es Programme, die
von dieser Kürzung aus Sicht der Bundesregierung ausgenommen werden sollten?
Die EU-Kommission, die einer der sieben internationalen Partner ist - präzise Euratom, aber handelnd ist die
Kommission -, ist für die Durchführung der Programme
des EU-Haushalts verantwortlich. Folglich muss sie einen Finanzierungsvorschlag zur Deckelung des Fehlbedarfs machen. Hierzu ist sie von deutscher Seite aufgefordert worden. Dies deckt sich mit dem Entwurf der
Ratsschlussfolgerung vom 28. Juni 2010, über den ich
Sie heute im zuständigen Fachausschuss Bildung und
Forschung informiert habe.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Röspel. - Bitte schön.
Vielen Dank. - Heißt das auch, dass über die exakten
finanziellen Kürzungen in der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes ebenso die Kommission entscheiden und das für
uns nicht nachvollziehbar sein wird?
Herr Kollege Röspel, vielen Dank für die Frage. - Die
EU-Kommission ist nun in der Verantwortung, einen
Vorschlag zu unterbreiten, was die Mitgliedstaaten im
Rat auch zum Ausdruck gebracht haben. Die Mitgliedstaaten haben vorgeschlagen - ich darf zitieren - „Primarily“ also in erster Linie, wenn ich das so übersetzen
darf, die Finanzierung der Mehrkosten vor allem in den
Jahren 2012 und 2013 für ITER aus der Haushaltslinie
1 a zu finanzieren. In welchen Bereichen genau das gemacht wird, das wird jetzt die EU-Kommission vorschlagen. Denkbar ist auch, dass neben der Haushaltslinie 1 a - diese wird in erster Linie in Anspruch
genommen - auch die Haushaltslinie 2 in Anspruch genommen wird; dies war auch bei anderen Programmen
in der Vergangenheit der Fall. Die Kommission macht
den Vorschlag, und im weiteren Verfahren wird
- schließlich geht es hier auch um Budgetrechte - das
Europäische Parlament selbstverständlich mit einbezogen werden.
Sie haben eine weitere Nachfrage?
Ja. - Vorgesehen ist eine Deckelung des Budgets bei
6,6 Milliarden Euro. Meine Frage ist: Welche Mechanismen werden in Gang gesetzt und von wem, wenn diese
Deckelung nicht einzuhalten ist?
Herr Kollege Röspel, Sie haben dankenswerterweise
eine ganz wesentliche von einer Vielzahl von Veränderungen, die die Taskforce zum Thema ITER vereinbart
hat, angesprochen. Wir sind aus Sicht der deutschen
Bundesregierung der Meinung, dass die von der EUKommission nach eindringlichen Nachforderungen offenbarte Kostensteigerung des europäischen Anteils an
der Finanzierung auf 7,2 Milliarden Euro nicht akzeptabel ist. Deswegen hat die Bundesforschungsministerin
im Wettbewerbsrat damals ihre Zustimmung verweigert
und eine Neukalkulation und Kosteneinsparungen eingefordert. Daraufhin hat die spanische Präsidentschaft
besagte Taskforce eingesetzt, die eine Analyse der Kostenentwicklung und Maßnahmen erarbeitet hat, die nun
umgesetzt werden sollen. Zu diesen Maßnahmen gehört
die Einigung der Mitgliedstaaten, eine Deckelung der
Kosten für das Projekt bei 6,6 Milliarden Euro einzuführen. Dabei ist vorgesehen, dass es künftig - das hat es in
der Form in der Vergangenheit nicht gegeben - ein Monitoring- und Controlling-System geben soll, das industriellen Standards genügt und das durch externe Gutachter überwacht wird.
Die Kollegin Kolbe.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, beim ITER-Projekt geht es um die Entwicklung
von Fusionstechnologie. In weiteren Forschungsprojekten soll es darum gehen, kommerzielle Fusionsreaktoren
zu entwickeln. Diese sollen frühestens 2055 ans Netz gehen. Wir haben in diesem Bereich ja schon häufiger Verschiebungen erlebt. Meine Frage an Sie ist deshalb: Wir
werden ja aus unterschiedlichen Gründen - Ressourcenknappheit, Ressourcenverteuerung und Klimawandel relativ zeitnah zu einer Energiewende kommen müssen.
Wann sollte denn aus der Sicht der Bundesregierung
diese Energiewende geschafft sein?
Dies ist eine spannende Frage, die den Deutschen
Bundestag insgesamt, aber auch die Bundesregierung
derzeit intensiv beschäftigt. Sie wissen, dass die Bundesregierung an einem energiepolitischen Konzept arbeitet,
in dem bezogen auf unser Land aufgezeigt werden soll,
in welchen Phasen und Zeitabschnitten ein Umsteuern
möglich ist.
Nun kann man darüber sprechen, was eine Energiewende ist. Ich glaube, dass dies etwas Prozesshaftes
sein wird. Diese Energiewende wird nicht durch einen
Klick herbeigeführt werden. Dabei ist klar - das ist das
Ziel der Bundesregierung -, dass man den Anteil der regenerativen Energieträger sukzessive weiter hochfahren
wird, je mehr sie mit anderen Energiebereichen wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Andere Bereiche können dann an Bedeutung verlieren.
Die Bundesregierung möchte aber - darauf zielen Sie
ab - auf jeden Fall, wenn es möglich ist, an dem Forschungsprojekt ITER festhalten. Es wäre, glaube ich,
vermessen, wenn man heute beurteilen wollte - Sie haben das Thema angesprochen -, wann es eine kommerzielle Umsetzung geben wird. Klar ist, dass ITER die
Chance eröffnet, durch eine weltweite Forschungskooperation zwischen Indern, Chinesen, Südkoreanern,
Russen, Japanern, Amerikanern und Europäern eine
neue Lösung der Energieprobleme zu erarbeiten. Diese
Option sollten wir auch im Interesse unserer Kinder
nicht ausschlagen. Wir sollten ihnen die Möglichkeit geben, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich das Projekt
als wissenschaftlich, technologisch und auch ökonomisch konkurrenzfähig erwiesen hat, zu entscheiden, ob
sie die Technologie anwenden wollen und, wenn ja, in
welchem Umfang.
Frau Sager.
Herr Staatssekretär, die Kommission hat im Vorfeld,
als über die verschiedenen Optionen, wie mit der Kostenexplosion bei ITER umzugehen ist, diskutiert wurde,
ihre Position sehr deutlich gemacht: Sie geht davon aus,
dass es nicht möglich ist, aus den Wettbewerbs- und Forschungsprogrammen der Rubrik 1 a die Mehrkosten bei
ITER zu finanzieren, ohne dass es zu einer nachhaltigen
Beschädigung der EU-2020-Ziele und zu einer Beschädigung von Programmen, die für die Erfüllung der EU2020-Ziele von strategischer Bedeutung sind, kommen
wird. Jetzt ist natürlich die Frage: Teilen Sie die Einschätzung der Kommission nicht? Wenn ja, warum teilen
Sie sie nicht? Wenn Sie sie teilen, warum halten Sie die
Fortsetzung des ITER-Projekts für wichtiger als die Umsetzung der EU-2020-Ziele und der entsprechenden Programme?
Frau Kollegin Sager, ich teile die Auffassung der EUKommission nicht. Nachdem die Kommission monatelang die Mitgliedstaaten im Unklaren darüber gelassen
hat, wie sich die Kostenentwicklung bei ITER darstellt,
und die Zahlen nur auf Drängen mehrerer Mitgliedstaaten - vor allem auch wegen der deutschen Nachfragen auf den Tisch gekommen sind, hatte sie die Vorstellung,
dass die Mitgliedstaaten, die nationalen Parlamente, zusätzliches Geld zur Verfügung stellen; die entstandenen
Mehrkosten sollten ausschließlich über die nationalen
Haushalte finanziert werden. Ich würde gern wissen,
welche Fragen Sie mir heute stellen würden, wenn wir
das eins zu eins umgesetzt hätten. Dann würde der Deutsche Bundestag mit den Mehrkosten konfrontiert und
müsste schauen, wo die entsprechenden Mittel herkommen sollen. Wir halten das nicht für einen angemessenen
Weg. Warum? Dieses Projekt wird von sieben internationalen Partnern getragen: China, Indien, Japan, Südkorea,
Russland, den USA sowie Europa, in diesem Fall in der
Rechtspersönlichkeit von Euratom. Das heißt, Euratom
ist Handelnder; wir sind einer der Mitgliedstaaten, die
sich in diesen Diskussionsprozess einbringen.
Zu der Frage, wie die Finanzierung aussehen könnte:
Ich fände es gut, wenn der Deutsche Bundestag - auch
die Fraktion der Grünen - gegenüber der EU-Kommission deutlich die Erwartung äußern würde, dass die EUKommission bei einem solchen Projekt, bei dem sich
Europa, Euratom, mit eingebracht hat, eine Finanzierung
über den europäischen Haushalt sicherstellt. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig; die Kommission muss
hier Vorschläge machen.
Die Mittel können aus der Rubrik 1 a des EU-Haushaltes kommen, also aus den Bereichen des Wettbewerbs, der transeuropäischen Netze und der Forschung.
Das wäre nicht sachfremd; denn bei ITER geht es um
Forschung, um Grundlagenforschung. Die Ratsmitglieder haben klar gesagt, dass die Mittel „primarily“, also in
erster Linie, aus dieser Rubrik kommen sollen. Das
heißt, die Mittel sollen auch aus anderen Bereichen kommen. Die Mittel könnten zum Beispiel aus dem Agrarbereich kommen, in dem es erhebliche Rückflüsse gibt.
Ich meine, die entsprechenden Möglichkeiten sollten
ausgelotet werden. Es gab auch andere europäische Projekte, die aus Sicht Europas und der beteiligten Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sind - ich erinnere, um
zwei Beispiele zu nennen, an Galileo und an das EIT -,
bei denen es eine Umschichtung im europäischen Haushalt gegeben hat, um sie zu ermöglichen. Ich denke, dies
wird auch bei diesem Thema möglich sein.
Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Röspel:
Aufgrund welcher Überlegungen ist die Bundesregierung
zu der Entscheidung gelangt, künftig zur Finanzierung des
ITER-Projekts auch Forschungsfördermittel aus dem EUHaushalt verwenden zu wollen und damit eine schädliche
Mittelkonkurrenz zwischen ITER, Euratom und der Forschungsförderung zu schaffen?
Herr Kollege Röspel, grundsätzlich ist die Rubrik 1 a
der Bereich des EU-Haushalts, über den ITER finanziert
wird. Der von der Kommission vorzulegende Vorschlag
wird deshalb in erster Linie auf Umschichtungen innerhalb der Rubrik 1 a beruhen. Davon wird natürlich auch
die Forschung betroffen sein, wobei zunächst nicht verwendete Mittel berücksichtigt werden sollen. Kurzfristig
sollen die zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen
am besten aus mehreren Finanzquellen gespeist werden.
Das ist im Entwurf der Ratsschlussfolgerung vom
28. Juni deutlich zum Ausdruck gebracht worden; ich
habe Ihnen darüber heute im Fachausschuss für Bildung
und Forschung berichtet.
Sie habe eine Nachfrage? - Bitte schön.
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die Steigerung der Kosten für den
Kernfusionsreaktor - von 2,7 auf 7,2 Milliarden Euro nicht zulasten der Erforschung intelligenter Netze, erneuerbarer Energien, alternativer Energien und der Energieeffizienz geht, die in genau jener Rubrik des EUHaushalts, über die wir gerade reden, angesiedelt sind?
Wie kann sie also dafür Sorge tragen, dass die Erforschung anderer Möglichkeiten der Energiegewinnung
und -einsparung nicht behindert wird?
Herr Kollege Röspel, ich glaube, es wäre vermessen,
zu versuchen, in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages den Auftrag der EU-Kommission zu erfüllen,
die als zuständige Institution im europäischen Geflecht
den Vorschlag zu unterbreiten hat. Wenn dieser Vorschlag vorliegt, werden wir uns intensiv mit ihm auseinandersetzen, wie im Übrigen auch das Europäische Parlament, zu dessen ureigenem Budgetrecht es gehört, über
die Frage der Mittelverwendung und über Prioritäten zu
entscheiden.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte.
Gibt es bereits jetzt Überlegungen seitens der Bundesregierung, inwieweit der Umstand, dass zusätzliche
Mittel benötigt werden, Auswirkungen auf die Planung
des 8. Forschungsrahmenprogramms haben, und gibt es
Anstrengungen, diese dort zu kompensieren?
Zur Erläuterung für die Kollegen: Herr Kollege
Röspel zielt darauf ab, dass es ab dem Jahr 2014 voraussichtlich das sogenannte 8. Forschungsrahmenprogramm
geben wird. Die Finanzierung des 8. Forschungsrahmenprogramms wird im Rahmen der finanziellen Vorausschau zu regeln sein. Es wird im Verlauf der allgemeinen
politischen Debatten auf europäischer und nationaler
Ebene, also in den einzelnen Mitgliedstaaten, zu entscheiden sein, wo Europa in Zukunft Prioritäten setzt.
Sie können sich vorstellen, dass gerade das Bundesforschungsministerium wegen der volkswirtschaftlich
notwendigen Schwerpunktsetzung bei Forschung und
Innovation ein Interesse daran hat, dass der Anteil der
europäischen Gelder für das 8. Forschungsrahmenprogramm erhöht wird, weil diese Investitionen im Unterschied zu manch anderen Investitionen auf europäischer
Ebene zukunftsgerichtet sind. Für die Zeit ab 2014 wird
man selbstverständlich einplanen müssen, dass auch für
ITER entsprechende Kosten anfallen.
Der Kollege Krischer.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass die Bundesregierung durchaus damit einverstanden wäre bzw. akzeptieren würde, wenn sich die EUKommission dafür entscheiden würde, die Mittel für
Forschungsprogramme zu den Themen Energiespeicherung, Energieeffizienz und energieeffiziente Netze
- Technologien, die wir sehr bald und sehr schnell zur
Integration der erneuerbaren Energien, für den Klimaschutz usw. brauchen - zu kürzen, um die Kostensteigerungen bei ITER aufzufangen?
Bei ITER haben wir es mit einer Technologie zu tun,
von der selbst die Forschenden sagen, dass man mit ihrer
kommerziellen Anwendung frühestens 2050 rechnen
kann, also zu einem Zeitpunkt, zu dem es in Deutschland
- so verstehe jedenfalls ich den Bundesumweltminister bereits eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien
gibt, sodass diese Technologie dann gar nicht mehr benötigt wird. Meine konkrete Frage: Wären Sie damit einverstanden, wenn zugunsten von ITER die Mittel für andere Energieforschungsprogramme gekürzt würden?
Sie haben mehrere Fragen gestellt. Die erste Frage beantworte ich mit: leider nein.
Die zweite Frage. Die Prioritätensetzung muss die
EU-Kommission leisten. Wir werden uns sehr konstruktiv in diesen Prozess einschalten, sobald die EU-Kommission ihren Vorschlag gemacht hat.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung.
Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Ott auf:
Welche Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern sollen laut Haushaltsentwurf der Bundesregierung 2011 bereitgestellt werden, und handelt es sich insgesamt um zusätzliche und nicht bereits anderweitig
versprochene Mittel?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ott,
am heutigen Vormittag ist der neue Haushaltsentwurf im
Kabinett behandelt und verabschiedet worden. Es ist bislang üblich gewesen, dass detaillierte Aussagen zu
Schwerpunkten und Ansätzen erst nach der Zuleitung
des Regierungsentwurfes an das Parlament erfolgten. Ich
kann Ihnen sagen, dass die Zuleitung an das Parlament,
also auch an Sie, nach gegenwärtigem Stand der Planungen Mitte August erfolgen wird. Erst dann kann ich sehr
detaillierte Angaben machen.
Ich will aber, wenn Sie mögen, gerne ausführen, dass
im BMZ-Haushalt im laufenden Jahr, im Jahr 2010, für
die Klimafinanzierung insgesamt 1,131 Milliarden Euro
eingestellt waren, und zwar 930 Millionen Euro über die
bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit
zur Anpassung an den Klimawandel, 166 Millionen
Euro zur Stärkung der Biodiversität, für Entwicklungsvorhaben und für multilaterale Hilfen zum weltweiten
Umweltschutz sowie 35 Millionen Euro über den Haushaltstitel „Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern“. Die Gesamtsumme beläuft sich also auf
1,131 Milliarden Euro. Das wiederum stellt einen Mittelaufwuchs gegenüber dem Haushaltsansatz 2009 in
Höhe von 205 Millionen Euro dar. Es sieht jetzt so aus
- danach fragten Sie; das kann ich Ihnen bestätigen -,
dass dieser Betrag zusätzlich bereitgestellt wurde. Dieser
Betrag stellte im BMZ im letzten Jahr einen Teil der
Aufwendungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit für Klimaschutzmaßnahmen dar.
Herr Ott, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, das, was Sie gesagt haben, stimmt mich nicht glücklich; denn nach dem mir vorliegenden Entwurf des
Haushaltsplans für 2011, der gerade im Kabinett verabschiedet worden ist, sind die im Einzelplan ursprünglich
an zusätzlichen Mitteln vorgesehenen 35 Millionen Euro
auf null reduziert worden. Das Gleiche gilt übrigens für
den Einzelplan 16. Die Kollegin sitzt vor Ihnen und
nickt.
Meine Frage ist: Ist es richtig, dass diese Mittel im
Entwurf des Haushaltsplans auf null reduziert worden
sind und, falls ja, was gedenken Sie zu tun?
Bezüglich der 35 Millionen Euro bestätige ich Ihnen
noch einmal, dass es mir im Moment nicht möglich ist,
Einzelangaben zu den verschiedenen Ansätzen zu machen. Das wird erst nach Austarieren bzw. nach Zuleitung zum Parlament möglich sein; daran ändert sich
nichts. Ich kenne die Zahlen im Haushaltsplanentwurf
2011. Aber, wie gesagt, der wird Ihnen zugeleitet, und
dann werde ich genaue Angaben machen können.
Ich will Ihnen jedoch noch einmal ausdrücklich sagen, dass die Bundeskanzlerin auf der KopenhagenKonferenz zugesagt hat, im Zuge der Fast-Start-Finanzierung für den Zeitraum von 2010 bis 2012 durchschnittlich 420 Millionen Euro pro Jahr für den Klimabereich zur Verfügung zu stellen und dass diese Mittel
auch eingestellt worden sind. Sie sollen für Maßnahmen
zur Anpassung an den Klimawandel verwendet werden.
Als erster Beitrag - auch das werden Sie gesehen haben werden bereits in diesem Jahr 350 Millionen Euro an die
Entwicklungsländer fließen. Von diesen Mitteln kommen 205 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMZ
und 145 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMU.
Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte.
Frau Staatssekretärin, die Mittel für 2010 - dessen bin
ich mir bewusst - erfüllen, jedenfalls nach formalen Kriterien, das Versprechen der Kanzlerin, 420 Millionen
Euro pro Jahr bereitzustellen, obwohl es sich auch dabei
nicht in vollem Umfang um zusätzliche Mittel handelt.
Lediglich 70 Millionen Euro, nämlich jeweils 35 Millionen Euro aus den Einzelplänen 16 und 23, können als
echte zusätzliche Mittel gelten, wofür die Minister ja
auch hart kämpfen mussten.
Meine Frage ist nun: Stimmt es, dass ausländische
Botschaften sehr besorgt sind und sich bei Ihnen - vermutlich auch beim BMU - erkundigt haben, was nun aus
den versprochenen zusätzlichen 35 Millionen Euro in
den beiden Einzelplänen wird? Was glauben Sie, wie
sich die Reduzierung der vorgesehenen Haushaltsmittel
auf null auf das Verhältnis von Deutschland zu wichtigen
Handelspartnern und Partnern in der internationalen Klimapolitik auswirken wird?
Herr Kollege Ott, vor Haushaltsaufstellung und auch
in der Phase des Diskutierens über das Geld gibt es sehr
viele Anfragen, werden viele Besorgnisse ausgedrückt.
Aber seien Sie versichert, dass das BMZ von sich aus
gerne sämtliche Zusagen erfüllen möchte, sich auch in
der Pflicht sieht, das zu tun. Sie haben recht mit Ihrer
Annahme, dass der Kampf um die Mittel vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzknappheit und der notwendigen Schuldenrückführung natürlich sehr hart ist.
Er wurde und wird aber geführt.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir setzen alles daran,
diese Verpflichtungen und die Zusagen zu erfüllen. Es
gibt im Augenblick noch keinen Grund, übermäßig besorgt zu sein. Ich kann Ihnen noch einmal versichern:
Wenn der Haushalt dem Parlament zugeleitet ist, dann
werden Sie einzelne Ansätze und auch die jeweiligen
Zuweisungen sehr gerne und sehr detailliert mitgeteilt
bekommen.
Danke schön.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.
Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Ulla Schmidt werden schriftlich beantwortet. Das gilt ebenso für die
Frage 17 der Kollegin Edelgard Bulmahn und die
Frage 18 des Kollegen Hans-Christian Ströbele.
Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Franz Thönnes
auf:
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Welche Auffassung hat die Bundesregierung zu der in der
Tageszeitung Der Nordschleswiger vom 26. Juni 2010 gegenüber der Tageszeitung Flensborg Avis wiedergegebenen Einschätzung der dänischen Außenministerin Lene Espersen zu
den von den Regierungen in Berlin und Kiel geplanten Kürzungen von Zuschüssen für die dänische Minderheit in
Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Dänemark, wonach sie besorgt sei „wegen der schiefen Entwicklung“ bei den Zuschüssen für beide Minderheiten, von denen
Dänemark inzwischen 70 Prozent aller Zuschüsse für beide
Minderheiten leistet, und kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich diese Prozentzahl von einem einstmals zwischen beiden Ländern gleichgewichtigen Zuschussverhältnis
nun auf die genannte Prozentzahl entwickeln wird, wenn es
bei den beabsichtigten Kürzungen bleibt?
Bitte schön, Frau Staatsministerin.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr
Abgeordneter Thönnes, ich möchte seitens der Bundesregierung erst einmal zum Ausdruck bringen, dass wir
uns freuen, dass Sie sich dafür einsetzen, dass Bildungsinvestitionen gesteigert werden. Das ist ja auch die Politik der Bundesregierung, und das werden wir bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen vornehmen.
Zur Förderung der deutschen Minderheit in Dänemark, nach der Sie in Ihrer Frage ja gefragt haben. Die
Förderung mit Bundesmitteln ist seit über zehn Jahren
nominell gleich. Für 2009 und 2010 wurde sogar ein
Sonderzuschuss vereinbart. Daran können Sie erkennen,
dass die Bundesregierung hier auch aktiv geworden ist.
Nun im Konkreten zu Ihrer Frage. Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein erhält eine finanzielle Förderung sowohl vom Land Schleswig-Holstein und seinen kommunalen Strukturen als auch vom Königreich
Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland, die ich
ja gerade nannte. Die deutsche Minderheit im dänischen
Nordschleswig erhält ebenso eine finanzielle Förderung,
und zwar sowohl vom Königreich Dänemark und seinen
Belegenheitskommunen als auch von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Schleswig-Holstein.
Im Einzelnen ist das Geflecht der gegenseitigen Fördermaßnahmen sehr vielschichtig und kompliziert. Valide Zahlen über die tatsächlichen Einsparergebnisse
können heute noch nicht genannt werden, da die entsprechenden Haushalte noch nicht abschließend beraten
wurden. Nach den Vorschlägen der Haushaltsstrukturkommission ist vorgesehen, dass die Zuschüsse vom
Doppelhaushalt 2011/2012 an auf 85 Prozent des Schülerkostensatzes an staatlichen Schulen sinken. Die anderen Schulen in freier Trägerschaft erhalten einen
Zuschuss in Höhe von 80 Prozent. Damit liegen wir in
absoluten Zahlen jedoch noch immer über dem Niveau
von 2007.
Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen auch der dänische Staat für die deutsche Minderheit in Dänemark angekündigt. Ich will Ihnen das auch gerne konkret sagen:
Die Schulen der deutschen Minderheit sind, wie Sie wissen, als Privatschulen organisiert. Die dänische Regierung kürzt den Zuschuss an Privatschulen von 75 Prozent auf 71 Prozent der in öffentlichen Schulen
entstehenden Kosten. Hinzu kommt, dass die dänische
Regierung durch die Zusammenlegung öffentlicher
Schulen größere Einsparungen erzielen will. Sie sehen:
Auch dort muss aus den Ihnen bekannten Gründen gespart werden.
Die Bundesregierung kann die Einschätzung der dänischen Außenministerin Lene Espersen, wonach es zu einer „schiefen Entwicklung“ bei den Zuschüssen für
beide Minderheiten gekommen sei, nicht bestätigen.
Die Angehörigen der Minderheiten sind Staatsangehörige des Staates, in dem sie leben. Sie nehmen einerseits staatliche Leistungen in Anspruch, zum Beispiel im
Sozial- und Kulturbereich, und tragen andererseits durch
Steuern und Abgaben zu deren Finanzierung bei. Darüber hinaus benötigen die Minderheiten weitere Leistungen, die durch ihre spezifischen und zum Teil unterschiedlichen kulturellen und sozialen Bedürfnisse und
durch die Anzahl ihrer Mitglieder, ihren Altersaufbau
und ihre Siedlungsstruktur bedingt sind.
Die entsprechenden zusätzlichen Aufwendungen werden zu einem bedeutenden Anteil vom jeweils anderen
Staat getragen. Angesichts der sowohl in Dänemark als
auch in Deutschland anzutreffenden horizontalen und
vertikalen Aufteilung der materiellen und Finanzierungskompetenzen nehmen beide Minderheiten eine
Vielzahl von Leistungen beider Staaten in Anspruch.
Kollege Thönnes, bitte schön.
Schönen Dank, Frau Staatsministerin, für die einleitenden Bemerkungen. - Aber auch wenn Sie sagen, dass
man sich bemüht, bei den Bildungsausgaben nicht zu
sparen, also seitens der Bundesebene nicht zu kürzen
- wir reden über Kürzungen; das ist kein Sparen; beim
Sparen legt man etwas auf die Seite und hofft, dass es
mehr wird -, so sind Kürzungen seitens der schleswigholsteinischen Landesregierung in Aussicht gestellt. Das
haben Sie in Teilbereichen auch in Bezug auf die dänische Regierung dargelegt.
Gleichwohl hat Frau Espersen dies bei dem Gespräch
mit Herrn Außenminister Westerwelle vorgetragen und
sich hinsichtlich der Schieflage schon besorgt gezeigt.
Selbst wenn sich das Verhältnis bei der Leistung der Zuschüsse nicht in der Form entwickelt, wie es in der
Grenzregion befürchtet wird und wie es auch seitens Dänemarks gesehen wird - Dänemark trägt demnächst
70 Prozent der Kosten und Deutschland, die große Wirtschaftsnation, nur 30 Prozent; wodurch sich das bisherige
Gleichgewicht, die Symmetrie, verschieben würde -:
Würden Sie bestätigen, dass bei den beabsichtigten Kürzungen am Ende kein 50 : 50-Verhältnis bei den Beträgen herauskommt?
Ich will erst einmal festhalten, dass ich, wie Sie wissen, nicht für die schleswig-holsteinische Regierung
sprechen kann. Es gibt die Kulturhoheit der Länder. Das
heißt, die Prioritätensetzung im Haushalt - auch im Bildungsbereich, auch mit Blick auf die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein - ist Aufgabe und Pflicht der
Landesregierung in Schleswig-Holstein, und es ist Aufgabe der Opposition dort, darüber zu beraten.
Die Sparmaßnahmen fallen, wie gesagt, in die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Die Bundesregierung begrüßt allerdings auch die Initiative des
schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter
Harry Carstensen, der mit der dänischen Regierung und
Vertretern der dänischen Minderheit zu dem Thema, das
Sie angeführt haben, Gespräche führt. Der Ministerpräsident beabsichtigt ferner - so ist mir bekannt -, im Juli
2010 nach Kopenhagen zu reisen und dort Gespräche
mit Vertretern der dänischen Regierung zu führen. Der
Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten, Herr Staatssekretär
Dr. Bergner, den Sie auch kennen, wird seinerseits am
10. August dieses Jahres zu Gesprächen nach Kopenhagen reisen und dieses Thema noch einmal aufgreifen.
Ich darf Ihnen auch zur Kenntnis geben - wenn Sie es
nicht schon wissen -, dass sich der Ministerpräsident
Herr Carstensen und der dänische Regierungschef, Lars
Lökke Rasmussen, in einem Telefonat am 29. Juni darauf verständigt haben, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe die finanziellen Grundlagen der Minderheiten,
auch der Minderheitenschulen, auf beiden Seiten der
Grenze zu dokumentieren. Ich glaube, das alles sind Signale, die man positiv aufnehmen kann, weil sie zeigen,
dass man im Gespräch ist und die Probleme klären will.
Von daher geht das, glaube ich, in die richtige Richtung.
Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Thönnes.
Frau Staatsministerin, wenn hier beschrieben wird,
wer jetzt alles auf Reisen geht, dann könnte man ja auf
den Gedanken kommen, dass es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, diese Gespräche vorher zu führen, und zwar
bevor man dazu beiträgt, dass an die 14 000 Eltern und
Schüler im Norden Deutschlands, die Sie vorhin als
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beschrieben haben,
die deutsche Staatsbürger sind, aber zur dänischen Minderheit gehören, für eine Gleichbehandlung mit den anderen deutschen Schülerinnen und Schülern demonstrieren. Dann hätte man sich das alles ersparen können.
Jetzt fängt eine Diplomatie an, sozusagen um den
Schaden zu begrenzen, den man selbst herbeigeführt hat.
Dazu muss ich dann einmal - auch wenn Sie sich zu
Recht auf die Kulturhoheit der Länder berufen - die
Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 in Erinnerung rufen - die Richtschnur dafür, wie man mit den
Minderheiten in der Grenzregion umgehen soll und wie
auch die Minderheiten miteinander umgehen sollen -,
die damals von dem christdemokratischen Bundeskanzler Adenauer und auf der dänischen Seite von Ministerpräsident Hansen unterschrieben worden sind. Es muss
einen doch verwundern, dass eine christdemokratische
Landesregierung diese Schieflage auslöst und dann in
eine vielfältige diplomatische Reisetätigkeit verfällt und
versucht, den Schaden wieder rückgängig zu machen.
Die dänische Außenministerin hat das in Berlin dem
deutschen Außenminister vorgetragen. Die Bundesregierung ist von daher durchaus angesprochen und muss versuchen, das zu wahren, was 1955 vereinbart worden ist.
Insofern lautet meine Frage: Wenn sich gar die dänische Außenministerin und die dänische Regierung darüber Sorgen machen, was tut denn dann unsere Regierung in Berlin unter Führung der christdemokratischen
Bundeskanzlerin Frau Merkel in dieser Angelegenheit,
damit vor dem Hintergrund der beabsichtigten Kürzungsmaßnahmen kein Misstrauen entsteht und etwas
Falsches in die Bonn-Kopenhagener Erklärungen hineininterpretiert werden kann?
Herr Abgeordneter, ich will als Erstes für die Bundesregierung zum Ausdruck bringen, dass uns sehr viel an
den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März
1955 liegt und dass wir sie auch weiterhin mit Leben
ausfüllen und mit konkreten Maßnahmen nicht nur im
Bildungsbereich umsetzen werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf Frage 20
eingehen, Herr Präsident.
Dann rufe ich die Frage 20 des Abgeordneten Franz
Thönnes auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die aus einer derartigen
Verschiebung heraus resultierende Gefährdung des inzwischen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Bonn-Kopenhagener Erklärungen entstandenen guten Zusammenlebens und
des Miteinanders der jeweiligen Minderheiten innerhalb und
mit den Gesellschaften auf dänischer und deutscher Seite, und
wie stellt sie sich zu der Aussage der dänischen Außenministerin: „Das Ungleichgewicht darf nicht weiter zunehmen“,
wie sie in der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom
26. Juni 2010 wiedergeben wird?
Wie Sie wissen, waren die angekündigten Kürzungen
der schleswig-holsteinischen Landesregierung bei der
dänischen Minderheit eines der Themen der bilateralen
außenpolitischen Konsultationen, die am 1. Juni dieses
Jahres zwischen Deutschland und Dänemark stattgefunden haben. Bundesaußenminister Westerwelle hat seine
dänische Kollegin Lene Espersen getroffen. Beide
betonten in der nachfolgend stattfindenden Pressekonferenz übereinstimmend, dass sie vertrauensvolle und partnerschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern fortsetzen werden, die sich zur vollen Zufriedenheit
entwickeln.
Ich kann aus diesen Erklärungen der beiden Außenminister nicht erkennen, dass es aus diesem Grund, wegen der Sparmaßnahmen, zu irgendwelchen Spannungen
beider Länder gekommen ist. Ich finde es sehr wichtig,
dass wir in der Außen- und Europapolitik auf Koopera5538
tion und Dialog statt auf Konfrontation setzen, wenn
man schwierige Zeiten erlebt und die öffentlichen Haushalte konsolidieren muss. Dies betrifft nicht nur
Deutschland und Dänemark, sondern es ist aufgrund der
Euro-Krise in ganz Europa notwendig.
Von daher will ich das nicht überhöhen, sondern sage
ganz klar: Es sind weiterhin im Bildungsbereich Prioritäten zu setzen. Die Maßnahmen, die die schleswig-holsteinische Regierung zur Konsolidierung des Haushaltes
vornehmen musste, sind nicht schön, aber sie waren
wahrscheinlich notwendig, um die Zukunft der nächsten
Generation gerade auch bei Bildungs- und Sozialmaßnahmen zu sichern.
Kollege Thönnes hat eine Nachfrage.
Wenn Sie jetzt die Kürzungen als nicht schön, aber
notwendig bezeichnen, Frau Staatsministerin, frage ich
Sie: Was soll dann die Arbeitsgruppe, die jetzt eingerichtet wird?
Ich glaube, Herr Abgeordneter, dass Sie die falsche
Regierung fragen. Sie richten die Frage an die Bundesregierung, aber es handelt sich um eine Arbeitsgruppe der
Landesregierung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich bei
den Abgeordneten des Landtages von Schleswig-Holstein und der dortigen Regierung auf dem Laufenden zu
halten. Ich glaube, dass die Gespräche in der Arbeitsgruppe sehr fruchtbringend sein werden.
Kollege Rossmann, bitte.
Frau Staatsministerin, die bedeutenden Erklärungen
heißen nicht Kiel-Kopenhagener Erklärungen, sondern
Bonn-Kopenhagener Erklärungen bzw. Berlin-Kopenhagener Erklärungen, wie es jetzt heißen müsste. Deshalb
habe ich eine Nachfrage in Verbindung mit einem Zitat
des schleswig-holsteinischen CDU-Fraktionsvorsitzenden, Herrn von Boetticher, der sich über die „Erschütterungen bis Kopenhagen und Berlin“ überrascht zeigte.
Sie stehen hier so unerschütterlich. Was sind die Erschütterungen, die Herr von Boetticher in Bezug auf die
Treuhänderschaft Ihrer Bundesregierung für das gute
Verhältnis zwischen deutscher und dänischer Minderheit
in den beiden Staaten gemeint haben könnte? Andersherum gefragt: In welcher Weise wollen Sie Ihre Treuhänderschaft für die Einlösung der Bonn/Berlin-Kopenhagener Erklärungen aktiv wahrnehmen?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen im
Rahmen meiner Kompetenzen für die Bundesregierung
nur sagen, dass das Bundesaußenministerium und ich alles daransetzen werden, um auch in dem Bereich der
auswärtigen Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik
unsere Zusammenarbeit mit Dänemark zu verstärken.
Wir wollen gerne die deutsche Minderheit in Dänemark,
aber auch die dänische Minderheit in Deutschland bei
diesen Programmen berücksichtigen. Das liegt in der
Kompetenz der Bundesregierung. Alles Weitere ist auf
der Ebene der Landesregierung zu klären.
Eine weitere Nachfrage des Kollegen Thönnes, bitte.
Können Sie nicht verstehen, dass bei Menschen, die
zur dänischen Minderheit gehören und Steuerzahler wie
alle anderen deutschen Staatsbürger auch sind, Unruhe
entsteht, sie Ärger und ein Stück weit Wut empfinden,
wenn für die Schulen ihrer Kinder nur 85 Prozent gezahlt werden sollen, für alle anderen Schulen der Kinder
deutscher Staatsbürger aber 100 Prozent? Denn sie werden dadurch anders behandelt, nur weil sie der dänischen
Minderheit angehören.
Herr Abgeordneter Thönnes, ich kann durchaus den
Ärger und auch die Enttäuschung einiger Eltern der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein verstehen. Ich
selbst habe bisher nicht mit der dänischen Minderheit gesprochen. Ich bin gern bereit, das im Rahmen meiner
Möglichkeiten zu tun. Ich bitte Sie aber, zu berücksichtigen, dass es nicht nur die Eltern von Kindern der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein trifft, sondern
dass ebenso die Mittel für die Förderung der deutschen
Minderheit in Dänemark herabgesetzt worden sind. Das
habe ich in meinen anfänglichen Ausführungen gesagt.
Ich glaube, dass wir gut beraten sind, das Thema Bildungsinvestitionen unabhängig von Glauben, Geschlecht
und Herkunft weiterhin im Fokus zu behalten und darauf
zu achten, dass es keine weiteren Kürzungen gibt. Ich
kann bekräftigen, dass die Bundesregierung alles daransetzen wird, dies zu tun. Das wird sich auch im Haushalt
2011 niederschlagen. Ich bitte Sie, als Opposition im
Landtag von Schleswig-Holstein Ihre Forderungen an die
Landesregierung zu stellen. Das ist der richtige Ort, weil
das Land Schleswig-Holstein die Kulturhoheit und somit
auch die Hoheit über die Bildung hat.
Wir kommen zu der Frage 21 des Kollegen Sönke
Rix:
Steht nach Auffassung der Bundesregierung die Entscheidung der Landesregierung Schleswig-Holstein, wonach die öffentlichen Mittel für das Schulwesen der dänischen Minderheit
ab 2011 von 100 Prozent auf 85 Prozent der Durchschnittskosten für Schüler an öffentlichen Schulen reduziert werden sollen, in Übereinstimmung mit dem am 29. März 1955 vom damaligen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Rahmen der
Bonn-Kopenhagener Erklärungen unterzeichneten Text, insbesondere der Einleitung, Kap. I Nr. 12 und Kap. II Nr. 3, und
wie bewertet die Bundesregierung diese Entscheidung sowie
deren Wirkungen in Bezug auf die deutschen Verantwortlichkeiten aus den Bonn-Kopenhagener Erklärungen?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, Ihre Fragen
sind ähnlich gelagert. Die angesprochenen Sparmaßnahmen für das Schulwesen der dänischen Minderheit - das
sage ich noch einmal - fallen in die Kompetenz der Landesregierung und werden von der Bundesregierung nicht
kommentiert. Ähnliche Einsparungen hat im Übrigen
auch der dänische Staat für die deutsche Minderheit in
Dänemark angekündigt. Die Maßnahmen sind Teil der
Konsolidierungsmaßnahmen der staatlichen Haushalte
beiderseits der deutsch-dänischen Grenze. Nur wenn
diese Maßnahmen den gewünschten Erfolg erzielen,
kann die Förderung der beiden Minderheiten auf Dauer
sichergestellt werden. Ich glaube, das ist ein wichtiger
Aspekt, den man berücksichtigen muss. Sie verstoßen
aus Sicht der Bundesregierung nicht gegen das in den
Bonn-Kopenhagener Erklärungen niedergelegte Recht
auf Gleichbehandlung, sondern dienen vielmehr im
Sinne einer solidarischen Beteiligung dem dauerhaften
Erhalt der beiden Minderheiten. Im Übrigen möchte ich
auf die Antwort der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Rasmus Andresen von Bündnis 90/Die Grünen zu „Geplanten Sparmaßnahmen bei den Schulen der dänischen
Minderheit“ Drucksache 17/614 verweisen.
Kollege Rix, bitte.
Vor dem Hintergrund, dass wahrscheinlich 22 Schulen geschlossen werden, geht es nun doch um Kürzungen auch im Bildungsbereich. Sie haben gerade selber
angesprochen, dass anscheinend eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll, in der die Fragen der dänischen
Minderheit, aber auch der deutschen Minderheit geklärt
werden sollen. Denn dort soll es auch vonseiten der Bundesregierung zu Kürzungen kommen.
Meine Frage lautet: Werden Sie darauf Wert legen, als
Bundesregierung an diesen Gesprächen teilzunehmen?
Oder werden Sie sagen: „Nein, auch wenn es die BonnKopenhagener Erklärungen betrifft, wollen wir dabei
nicht mitreden“?
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, auch als frühere Bildungs- und Wissenschaftspolitikerin nicht, dass
ich mir schon mehr Kooperation des Bundes mit den
Ländern in Fragen von Bildung, Wissenschaft und
Hochschulen wünsche. Dazu haben wir in einigen Punkten auch als Bundesregierung beigetragen. Hier denke
ich zum Beispiel an den Hochschulpakt oder die Exzellenzinitiative.
Ich selbst bin nicht Mitglied der Arbeitsgruppe der
Landesregierung Schleswig-Holstein und der dänischen
Regierung. Daher kann ich Ihnen auch nicht verbindlich
sagen, dass sich aus den angekündigten - noch nicht einmal beschlossenen - Kürzungen im schleswig-holsteinischen Haushalt die Schließung von 22 Schulen ergibt.
Ich kann Sie nur bitten, auch als Opposition im Landtag
von Schleswig-Holstein alles daranzusetzen - so wie wir
es auch hier von der Bundesregierung leisten -, dass es
keine Kürzung im Bildungsbereich und keine Schließung von Schulen gibt.
({0})
Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen Rix,
bitte.
Danke. - Wir werden unserer Aufgabe als Opposition
im schleswig-holsteinischen Landtag nachkommen und
in diesem Zusammenhang auch auf Sie und diese Anregung der Bundesregierung verweisen. Herzlichen Dank!
Lassen Sie mich noch einmal zur Zusammensetzung
der Arbeitsgruppe kommen. Da es schon öffentliche Irritationen - denken Sie an die Äußerungen der Außenministerin - gegeben hat, möchte ich noch einmal nachfragen, ob denn neben den angekündigten Gesprächen
auch weiterhin versucht wird, gemeinsam mit Landesregierung und dänischer Regierung zu Dreiergesprächen
zu kommen, damit es hier nicht wieder ein Pingpongspiel gibt, wie wir es leider auch ein bisschen erleben
müssen.
Ich muss noch einmal nachfragen. „Dreiergespräche“
heißt für Sie was?
Land, Bund und dänische Regierung.
Aufgrund der derzeit bestehenden grundgesetzlichen
Vorschriften, die wir natürlich einhalten werden - ich
sage noch einmal: Der Bund hat keine Hoheit, was die
Schulen und die Bildung in den Ländern anbelangt -,
sehe ich keine Möglichkeit, auf die Arbeit einer solchen
Arbeitsgruppe einer Landesregierung Einfluss zu nehmen.
Sie können aber davon ausgehen, dass die Bundesregierung alles daransetzen wird, in Gesprächen mit der
schleswig-holsteinischen Landesregierung darauf hinzuwirken, dass es zu keinen weiteren Kürzungen im Schulbereich kommt.
Kollege Rossmann, bitte.
Frau Staatsministerin, das, was dort im deutsch-dänischen Grenzland - mittlerweile ist es fast kein Grenzland
mehr - gewachsen ist, hat ungemein viel mit Vertrauen
und einem fairen, vorweg informierenden Umgehen mit5540
einander zu tun. Das setzt auch bestimmte Standards in
Bezug auf finanzielle Anpassungen und Restriktionen,
die gegebenenfalls kommen.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Welchen Standard erlegt die Bundesregierung sich, wenn sie zu solchen finanziellen Klärungen kommt, in Bezug auf einen
vertrauensvollen Umgang mit den Partnern auf der dänischen Seite oder auf der Seite der deutschen Minderheit
auf? Und sehen Sie das, was in Schleswig-Holstein passiert ist - dort hat das Handeln der CDU/FDP-Landesregierung zu gravierender Empörung geführt -, als vorbildhaft in Bezug auf einen solchen vertrauensvollen
Umgang auch in Zeiten enger finanzieller Verhältnisse
an?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rossmann, ich kann
auf Ihre Frage nur antworten, dass die Bundesregierung,
insbesondere der Außenminister, ein sehr vertrauensvolles und enges Verhältnis zur dänischen Außenministerin
hat und dass wir diesen Kontakt auch in regelmäßigen
Gesprächen, Treffen und Vorhaben umsetzen werden.
Wenn Sie mich nach Standards fragen: Ich halte es für
einen sehr hohen Standard - auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern -, wie wir die Kontakte und
die Regierungsgespräche mit Dänemark pflegen.
Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage will ich Folgendes
ausführen: Einerseits - das sagte ich auch schon - kann
ich verstehen, dass die Eltern von Kindern der dänischen
Minderheit verärgert sind.
Die andere Seite ist, dass ein Land wie SchleswigHolstein in Zeiten der Konsolidierung der Haushalte, in
Zeiten, in denen - auch unter vorhergehenden Regierungen - hohe Schulden angehäuft worden sind, in die
Zwangslage versetzt ist, zu sparen. Auch das ist im Interesse der zukünftigen Generationen. Auch das ist im Interesse der dänischen Minderheit. Denn wenn man jetzt
nicht die Schulden abbaut und die Haushalte konsolidiert, dann wird man sich zukünftig keine weiteren Bildungs- und Sozialausgaben für die dänische Minderheit
leisten können.
({0})
Danke schön. - Ich rufe Frage 22 des Kollegen Rix
auf:
Entspricht nach Auffassung der Bundesregierung die in
Frage 21 genannte Entscheidung der schleswig-holsteinischen
Landesregierung den von der Bundesregierung im Vierten Monitoringbericht der Bundesrepublik Deutschland 2010 unterstrichenen minderheitenpolitischen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat mit der
Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und
der Sprachencharta?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rix, die Bundesregierung kommentiert, wie in der Antwort auf Ihre vorhergehende Frage bereits festgestellt, die Entscheidung der
schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht. Ich glaube,
das ist auch in meinen bisherigen Äußerungen zum Ausdruck gekommen. Die Verpflichtung der Bundesrepublik
Deutschland gegenüber dem Europarat sieht sie durch die
Entscheidung des Landes nicht berührt. Die Notwendigkeit der Einsparungen wird im Zuge der Monitoringverfahren zu den beiden europarechtlichen Abkommen
„Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ und „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ mit den Vertretern der entsprechenden beratenden Ausschüsse erörtert werden.
Eine Nachfrage. Bitte, Kollege Rix.
Vielen Dank. - Für mich stellt sich die Frage, wie für
Modellregionen auf europäischer Ebene weiterhin geworben werden soll, auch von der Bundesregierung.
Wenn Sie schon nicht kommentieren, was die Landesregierung von Schleswig-Holstein tut, dann müssen Sie,
zumindest was die deutsche Minderheit in Dänemark angeht, handeln. Dabei stellt sich schon die Frage, wie die
Bundesregierung auf europäischer Ebene weiterhin den
Vorbildcharakter aufrechterhalten will, wenn sie selbst in
diesem Bereich kürzen möchte.
Ich habe Ihnen zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung gerade nicht kürzt, sondern dass die Förderung mit Bundesmitteln seit über zehn Jahren nominal
gleich ist, was ein gutes Signal ist.
Man kann auch auf europäischer Ebene noch viel
mehr machen, was grenzüberschreitende Regionen angeht. Die Bundesregierung fühlt sich dazu verpflichtet,
da mehr zu tun, etwa Vorschläge, die von der dänischen
Seite gemacht werden, positiv aufzugreifen und diese
Vorschläge auf europäischer Ebene gemeinsam umzusetzen.
Eine Nachfrage des Kollegen Thönnes.
Frau Staatsministerin, im dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und in der
Sprachencharta heißt es:
Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht … auf Gleichheit vor dem Gesetz
und auf gleichen Schutz durch das Gesetz … In dieser Hinsicht ist jede Diskriminierung aus Gründen
der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit
verboten. … Die Vertragsparteien verpflichten sich,
die Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen naFranz Thönnes
tionaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu
pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe, zu bewahren.
Wie will die Bundesregierung die ungleiche Finanzierung und damit die minderheitenbegründete unterschiedliche Behandlung bei der Schulfinanzierung gegenüber
dem Europarat rechtfertigen? Habe ich Sie gerade richtig
verstanden, dass die Bundesregierung in Bezug auf die
deutsche Minderheit in Dänemark keine Kürzungen beabsichtigt?
Das ist richtig. Ich kann es Ihnen noch einmal vorlesen - ich habe es extra noch einmal geprüft -: Die Förderung mit Bundesmitteln wird nicht nur in diesem Jahr,
sondern soll auch im nächsten Jahr nominal gleich bleiben. In den vergangenen beiden Jahren gab es sogar
noch einen Sonderzuschuss von der Bundesregierung.
({0})
- Das mache ich sehr gerne, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich sehe aber keine Diskriminierung der dänischen
Minderheit in Schleswig-Holstein aufgrund der jetzt angesetzten Haushaltsberatungen in Verbindung mit den
Kürzungen im Schulbereich. Ich halte sowohl die dänische Minderheit in Deutschland als auch die deutsche
Minderheit in Dänemark immer noch für in hohem Maße
gefördert, gerade im Bildungsbereich. Ich gehe davon
aus, dass es keine Benachteiligung geben wird.
Außerdem erwähnte ich schon in meinen vorhergehenden Antworten, dass es außer der Förderung im Bildungsbereich andere Zuschüsse für sozial schwache Familien gibt, die die dänische Minderheit in SchleswigHolstein in Anspruch nehmen kann.
Darf ich eine kurze Nachfrage stellen, Herr Präsident? Aufgrund der Kürzungen, die die schleswig-holsteinische Landesregierung plant, müssen von 48 Schulen
wahrscheinlich 22 geschlossen werden, und aufgrund
der Kürzungen, die die Bundesregierung betreffend die
deutsche Minderheit in Dänemark plant, müssen, wenn
sie denn stattfinden - Sie haben das gerade verneint -,
40 bis 50 Mitarbeiter entlassen werden. Dazu sagen Sie,
das sei keine Benachteiligung der Minderheiten in der
Grenzregion. Finden Sie das nicht ein bisschen verwunderlich? Saugen sich die Menschen und die Verbände,
die dort demonstrieren, diese Zahlen aus den Fingern,
und unterstellen sie der schleswig-holsteinischen Landesregierung sowie der Bundesregierung vielleicht nur
etwas Böses?
Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe es jetzt schon
mehrmals gesagt: Ich habe größtes Verständnis für die
Demonstrierenden, für die dänische Minderheit, die sich
natürlich dafür einsetzen, dass es höhere Zuschüsse gibt,
auch für die Schulen ihrer Kinder. Aber - ich kann es nur
immer wieder sagen - Sie sollten die Diskussion, die eigentlich im Landtag Schleswig-Holstein zu führen ist,
nicht in den Deutschen Bundestag verlagern und nicht
versuchen, die Verantwortung der Bundesregierung zuzuschieben. Wir sind unserer Verpflichtung, auch gegenüber der deutschen Minderheit in Dänemark, bisher immer herausragend nachgekommen.
Im Übrigen darf ich Sie noch einmal daran erinnern
- ich brauche es wahrscheinlich gar nicht zu tun -, dass
letztendlich der Deutsche Bundestag über den Bundeshaushalt entscheidet und Sie es damit in der Hand haben,
dafür zu sorgen, dass die Förderung weiterhin auf hohem
Niveau stattfindet.
Wir kommen damit zu den beiden Fragen der Kollegin Bettina Hagedorn zur gleichen Thematik. Zunächst
die Frage 23:
Sind die im Nachgang des Treffens zwischen der Außenministerin des Königreichs Dänemark, Lene Espersen, und dem
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, am
1. Juni 2010 im Auswärtigen Amt in Berlin, bei dem auch
über die seitens der schleswig-holsteinischen Landesregierung geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen
Schulen im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen
Euro jährlich gesprochen wurde, wiedergegebenen Zitate in
der Ausgabe der Tageszeitung Der Nordschleswiger vom
2. Juni 2010 zutreffend, wonach die dänische Außenministerin erklärte: „Ich habe diese Frage angerissen … Mein Amtskollege will Kontakt zur Landesregierung aufnehmen, welche
Konsequenzen das hat“, und der deutsche Bundesminister
entgegnete: „Ich kann bestätigen, was meine Amtskollegin
gesagt hat. Selbstverständlich gehört es sich so, dass ich mir
diese Sache jetzt noch einmal genau ansehen werde“, und hat
der Bundesminister Dr. Guido Westerwelle sich inzwischen
diese Sache noch einmal genau angesehen und wann mit wem
in der schleswig-holsteinischen Landesregierung mit welchem Ergebnis gesprochen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Abgeordnete Hagedorn, hier wiederholt sich das Thema. Die
Bundesregierung setzt sich für den ständigen bilateralen
Dialog zwischen Deutschland und Dänemark auf allen
Ebenen ein. Die geplanten Kürzungen fallen in die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Daher begrüßt
die Bundesregierung die Initiative des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, mit der dänischen Regierung
und den Vertretern der dänischen Minderheit Gespräche
zu führen. Ministerpräsident Carstensen und der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen haben sich
auch schon darüber verständigt, in einer gemeinsamen
Arbeitsgruppe die finanziellen Grundlagen der Minderheitenschulen auf beiden Seiten der Grenze dokumentieren zu lassen.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Danke für Ihre Antwort, die aber, wenn ich das so sagen darf, meine Frage leider nicht beantwortet hat. Bei
meiner Frage ging es konkret darum, dass es ein Treffen
zwischen unserem Außenminister und der Außenministerin Dänemarks gegeben hat, bei dem konkrete Verabredungen getroffen worden sind. Das hat die dänische Außenministerin so bestätigt. Das ist so auch den Medien
zu entnehmen gewesen. Dem ist seitens unseres Außenministers wohl auch so zugestimmt worden.
Allerdings warten wir und wartet vor allen Dingen die
Außenministerin Dänemarks ganz offenkundig auf Taten. Bei dem Treffen ging es darum, dass die Bundesregierung gerade aufgrund der vertraglichen Grundlagen, die nationale Grundlagen sind, ihren Einfluss
geltend zu machen versucht und sich im Dialog mit der
schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür einsetzt, dass die massiven Kürzungen zulasten der Minderheiten rückgängig gemacht werden.
In der Tat gehört zu den getroffenen Maßnahmen,
dass diese Arbeitsgruppe von der schleswig-holsteinischen Landesregierung und der dänischen Regierung eingesetzt wurde. Ich kann Ihnen aber auch sagen, Frau Abgeordnete, dass der Außenminister, Herr
Dr. Westerwelle, über den Leiter der Europaabteilung
des Auswärtigen Amtes mit dem Chef der Staatskanzlei
Schleswig-Holsteins hat Kontakt aufnehmen lassen und
das angesprochen hat, was ihm und der dänischen Außenministerin am Herzen gelegen hat.
Weitere Nachfrage? - Bitte schön.
Es ist schön, dass wir auf diesem Wege erfahren, dass
er hat Kontakt aufnehmen lassen. Angesichts der Irritation, die zwischen den beiden Staaten erwachsen ist,
hätte man sich allerdings wünschen und vorstellen können, dass es der Außenminister zu seiner persönlichen
Sache macht, hier den Kontakt aufzunehmen.
Wichtig wäre jetzt schon, zu wissen: Wann ist dieser
Kontakt aufgenommen worden und mit welchem Erfolg? Sind weitere Gespräche verabredet worden, um,
weil die Zeit ja drängt, am Ball zu bleiben?
Es ist ja verständlich, dass der deutsche Bundesaußenminister auf der Ebene der Außenminister Kommunikation pflegt und den Dialog auch sehr intensiv
führt.
({0})
So ist das auch bei unserem Außenminister, Herrn
Dr. Westerwelle. Es war, wie ich glaube, richtig, noch
einmal bei der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei
nachzuhaken und dort auch die Bitte des deutschen Außenministers in der Frage der dänischen Minderheit vorzutragen.
Ich will aber ausdrücklich sagen: Ich selber war nicht
bei dem Gespräch dabei; ich habe es nur zur Kenntnis
genommen. Ich reiche Ihnen aber gerne das Datum des
Gesprächs nach. Das habe ich jetzt nicht im Kopf. Ich
will mich sehr bemühen, Frau Abgeordnete, Ihnen alle
Details, die Sie wünschen, zur Kenntnis zu geben.
Ich kann nur betonen, dass der Bundesregierung und
insbesondere mir sehr viel daran liegt, dass wir zukünftig gerade auch bei den Bildungsinvestitionen in
Deutschland vorankommen.
({1})
Damit kommen wir zur Frage 24 der Kollegin
Hagedorn:
Warum wird auf der Homepage des Auswärtigen Amts
nicht genauso wie auf der Homepage des dänischen Außenministeriums über die Inhalte des Treffens vom 1. Juni 2010
zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, und der dänischen Außenministerin Lene
Espersen mit Bezug auf die Gesprächsinhalte unter anderem
auch berichtet, dass der deutsche Bundesminister bezüglich
der von der schleswig-holsteinischen Landesregierung geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen
im Landesteil Schleswig in Höhe von 4,7 Millionen Euro mit
der Regierung in Schleswig-Holstein Kontakt aufnehmen
will, und kann daraus geschlossen werden, dass, wenn nur
über die anderen Gesprächsinhalte wie Afghanistan und den
Vorfall vor der Küste des Gaza auf der deutschen Homepage
berichtet wird, das Thema der geplanten Kürzungen der Zuschüsse an die dänischen Schulen einen für die Bundesregierung geringeren Stellenwert als den auf der dänischen Seite
hat oder ihr weniger berichtenswert erscheint?
Frau Abgeordnete, das Thema wurde auf der Pressekonferenz angesprochen. Danach hatten Sie ja schon gefragt. Die Internetseite des Auswärtigen Amtes kann naturgemäß nur einen Ausschnitt der angesprochenen
Themen abbilden. Hier liegt der Fokus auf originär in
die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes fallenden Aspekten.
Bitte schön, Frau Hagedorn.
Ich möchte meine Zusatzfrage zu dieser Frage gerne
mit einem anderen Sachverhalt verknüpfen, den Sie vorhin schon angesprochen haben.
Zunächst einmal möchte ich aber feststellen: Wenn
auf der Internetseite nur von Afghanistan und den Vorfällen im Gazastreifen die Rede ist, nachdem die dänische Außenministerin und der deutsche Außenminister
miteinander gesprochen haben, aber andere Sachverhalte, die Tausende von Deutschdänen in der Minderheitenregion zu Protesten auf die Straße treiben, nicht erBettina Hagedorn
wähnt werden, dann kann man aus dieser Tatsache auch
einen Eindruck gewinnen, wie wichtig bzw. wie unwichtig die Bundesregierung die Frage der Kürzungen zulasten von Minderheiten nimmt.
Das bringt mich dazu, eine Zusatzfrage im Hinblick
auf den Bundeshaushalt, den Sie vorhin angesprochen
haben, zu stellen. Richtig ist, dass die Kulturhoheit bei
den Ländern liegt; aber, wie den Medien zu Recht entnommen werden konnte, geraten die Projekte der Minderheiten gerade deshalb so stark unter Druck, weil sie
sozusagen von zwei Seiten in die Zange genommen werden. So wollte die Bundesregierung - so war jedenfalls
zu lesen - die Mittel hierfür im Jahr 2011 ursprünglich
um 800 000 Euro kürzen; jetzt will sie sie, so haben wir
erfahren, sogar um 1,5 Millionen Euro kürzen. Ich habe
Sie vorhin so verstanden, dass Sie diese Kürzung nicht
bestätigen können. Das wäre ja schön. Ich möchte hier
aber noch einmal gezielt nachhaken.
Sie haben darauf verwiesen, dass in den letzten vier
bis fünf Jahren in diesem Bereich nicht gespart worden
sei, und auch an die Verantwortung des Parlaments für
den Bundeshaushalt erinnert. Ich will dies insofern richtigstellen, als die Regierungsentwürfe in den letzten vier
Jahren regelmäßig Sparmaßnahmen an dieser Stelle vorgesehen haben. Diese wurden allerdings zu Zeiten der
Großen Koalition vom Parlament glücklicherweise rückgängig gemacht. Wie gesagt, die Regierung hat auch in
den letzten vier Jahren versucht, hier zu sparen. Wollen
Sie jetzt vielleicht bestätigen, ob die in den Medien kommunizierten Kürzungen für Minderheitenprojekte - erst
800 000 Euro, dann 1,5 Millionen Euro - nicht Realität
werden, oder habe ich Sie hier möglicherweise falsch
verstanden?
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, zu dem ersten Teil
Ihrer Frage: Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass Veröffentlichungen auf den Internetseiten
keine Gewichtung darstellen. Somit ist es keineswegs
der Fall, dass die Probleme der dänischen Minderheit,
die wir hier gerade ausdiskutieren, das Auswärtige Amt
nicht berühren würden - im Gegenteil. Wir bemühen uns
natürlich immer um eine Vielfalt an Information und
Kommunikation auf den Internetseiten des Auswärtigen
Amtes. Ich nehme diese Diskussion jetzt als Anregung
auf, auch diese Frage auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes zu thematisieren, zumal die Kulturabteilung, mit der ich zusammenarbeite, im Auswärtigen Amt
auch für Kommunikation zuständig ist.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Was die bevorstehenden Kürzungen der Zuschüsse an die dänische Minderheit in Deutschland anbelangt, worüber Sie aus den
Medien Kenntnis bekommen haben, darf ich Sie auf die
bevorstehenden Haushaltsberatungen verweisen. Mir
selber liegen die Zahlen für den Haushalt des Innenministeriums noch nicht vor; ich glaube, auch Ihnen
nicht. Nach der heutigen Kabinettssitzung habe ich dem
Auswärtigen Ausschuss die Haushaltsdaten für das Auswärtige Amt zur Kenntnis gegeben. Für die von Ihnen
angesprochenen Zuschüsse ist aber das Innenministerium zuständig. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen,
eine der nächsten Fragestunden zu nutzen und konkret
eine Frage an das Bundesinnenministerium zu richten.
Wir sind fast am Ende der Fragestunde. Deshalb nur
noch eine kurze Nachfrage des Kollegen Thönnes.
Danke, Herr Präsident. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie das ist, wenn man auf der Regierungsbank die
Fragen der Abgeordneten beantworten muss.
Ihren Antworten entnehme ich, dass dieses Thema die
Bundesregierung doch irgendwie berührt. Ich finde es
gut, dass Sie sich an dieser Stelle einschalten und nicht
so tun, als sei das, was in Schleswig-Holstein läuft, reine
Kultuspolitik.
Ich komme noch einmal zurück auf die Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Mit Blick auf die Kapitel, in denen
„das Recht auf gleiche Behandlung, nach dem niemand
wegen seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Herkunft oder seiner politischen Anschauung benachteiligt
oder bevorzugt werden darf“ und die Feststellung, dass
„bei Unterstützungen und sonstigen Leistungen aus öffentlichen Mitteln … Angehörige der dänischen Minderheit gegenüber anderen Staatsbürgern nicht unterschiedlich behandelt werden“ dürfen, enthalten sind, muss man
fragen: Ist nach Auffassung der Bundesregierung künftig
85 Prozent für dänische Schüler das Gleiche wie
100 Prozent für deutsche Schüler? Glauben Sie, dass
diese Rechnung im Mathematikunterricht an deutschen
Schulen Bestand haben wird?
({0})
Ich kann meine vorherige Bemerkung nur bekräftigen. Uns liegt sehr an diesem Abkommen. Das haben
Sie richtig gefolgert, Herr Abgeordneter Thönnes. Die
dänische Minderheit wird durch Einsparungen im Bildungsbereich in dem Sinne, dass sie nicht mehr gleichgestellt ist, nicht diskriminiert. Es fließen weiterhin Zuschüsse und Fördermittel seitens der Kommunen und des
Landes an Familien, die der dänischen Minderheit angehören. Dabei geht es, wie Sie selber gesagt haben, nicht
nur um Zuschüsse für Schulen. Ich kann nur wiederholen: Wir sehen keine Diskriminierung der dänischen
Minderheit in diesem Zusammenhang.
Danke schön, Frau Staatsministerin.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Steigende Beiträge als Ergebnis der Gesundheitsreform - Weniger Netto vom Brutto
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Elke
Ferner für die SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Man hat eigentlich kaum mehr Worte für das, was gestern der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist.
({0})
Man kann nur noch sagen: Nach dem Koalitionschaos
kommt jetzt das Reformchaos. Auf alle Fälle ist das, was
Sie hier bieten, Wortbruch in Reinkultur.
({1})
Das ist keine Reform. Das ist die Kapitulation vor dem
Chaos Ihrer schwarz-gelben Koalition. Das ist nicht
mehr, sondern weniger Netto vom Brutto. Das ist kein
Sozialausgleich, sondern ein Verteilen von Almosen mit
der Gießkanne. Das ist nicht mehr, sondern weniger Solidarität. Das ist auch nicht weniger, sondern mehr Bürokratie. Nicht die Ausgabenkürzungen bei allen Leistungserbringern stehen bei Ihnen auf der Tagesordnung,
sondern Klientelpolitik vom Feinsten. Kurzum: Ihre sogenannte Reform ist Wortbruch in Reinkultur.
({2})
Wer dazu fähig ist, der sollte auch fähig sein, die Konsequenzen zu ziehen. Zurücktreten müssten eigentlich alle,
({3})
wenn Sie sich an Ihren eigenen Worten messen lassen,
Sie, Herr Rösler, genauso wie Herr Seehofer in Bayern.
Was war versprochen? Versprochen war mehr Netto
vom Brutto. Das Gegenteil ist der Fall. Herr Rösler sagte
noch 2009, die Versicherten würden keine höheren Beiträge zahlen müssen, es gebe definitiv keine Zusatzbelastung. Diese Aussagen aus dem letzten Jahr waren gestern im Fernsehen zu bewundern. Aber die Wahrheit ist:
Versicherte müssen in Zukunft mindestens 2,3 Prozent
mehr zahlen. Bei Kassen, die viele Kranke versichert haben, ist es wahrscheinlich noch mehr.
Von Ihnen, Herr Rösler, war versprochen worden,
dass die 1-Prozent-Grenze beim Zusatzbeitrag bleibt.
Jetzt entfällt der Schutz für die Versicherten ganz. Jedes
Mitglied der GKV muss nicht nur um 0,3 Beitragssatzpunkte mehr zahlen, sondern auch mindestens 2 Prozent
seines sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Was
daran gerecht sein soll, bleibt wirklich Ihr Geheimnis.
({4})
Tatsache ist, dass jemand mit einem Einkommen von
1 500 Euro brutto erst einmal über die Beitragssatzanhebung 4,50 Euro mehr zahlt. Dann muss er bis zu 30 Euro
für die kleine Kopfpauschale bezahlen. Zusammen mit
dem bisherigen Beitrag sind das 158 Euro im Monat statt
118,50 Euro. Das sind 10,53 Prozent des Einkommens
statt wie bisher 7,9 Prozent. Das ist nicht weniger, das ist
mehr. Das ist mehr als dreist, liebe Kollegen und Kolleginnen.
({5})
Insbesondere für Rentnerinnen und Rentner, aber auch
für Auszubildende, Studierende, Niedrigverdiener und
Verdiener mit mittlerem Einkommen - darunter sind
ausgesprochen viele Frauen - ist das eine Einkommenskürzung.
Versprochen war, dass die starken Schultern mehr tragen sollen als die schwachen. Für die CSU war es sogar
ein Markenzeichen, mehr soziale Gerechtigkeit zu wollen.
({6})
Das Gegenteil ist der Fall. Bei einer Kopfpauschale von
30 Euro im Monat zahlt jemand mit einem Einkommen
von 1 500 Euro 10,53 Prozent seines Einkommens, derjenige mit einem Einkommen an der Beitragsbemessungsgrenze 9 Prozent und der mit einem Einkommen
von 5 000 Euro 6,1 Prozent. Was daran gerecht sein soll,
erschließt sich mir nicht. Das, was Sie, Herr Rösler, kritisiert haben, verschärfen Sie jetzt sogar noch. Dazu
herzlichen Glückwunsch!
({7})
Es wurde von einem automatischen Sozialausgleich
aus Steuermitteln gesprochen. Herausgekommen sind Almosen, die mit der Gießkanne verteilt werden. Wie sieht
das aus? Zunächst geht es mit niedrigen Kopfpauschalen
los. Dann geht es aber weiter. Es wird jedes Jahr eine Steigerung geben, weil Sie bei den Ausgabenkürzungen hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben sind.
({8})
Wenn jemand, der beispielsweise ein Einkommen von
1 500 Euro hat, 31 Euro an seine Kasse bezahlt hat,
({9})
bekommt er sage und schreibe einen Euro zurück. Das
ist Ihr Sozialausgleich. Dazu wirklich herzlichen Glückwunsch!
({10})
Ich möchte als Letztes noch das Thema Bürokratieaufbau ansprechen. Es gibt einen Bürokratieaufbau statt
eines Bürokratieabbaus. Offenbar hat von denen, die
miteinander verhandelt haben, überhaupt niemand im
Blick gehabt, dass es 4,4 Millionen Rentner und Rentnerinnen gibt, die mehr als eine Rentenzahlung von der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen. Für sie werden unterschiedliche Rentenkonten geführt. Es kommen
Betriebsrenten und andere Zusatzversorgungssysteme
hinzu. Wie wollen Sie denn unter Wahrung des Datenschutzes diese Einkommen zusammenführen? Das ist,
Herr Rösler, keine Seltenheit. Diese 4,4 Millionen stellen 20 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner dar, und
die werden ja die ersten sein, die von Ihrer Kopfpauschale beglückt werden.
Zum Schluss stelle ich fest: Ihre Reform ist ungerecht, intransparent und kompliziert. Es gibt aber ein Gutes daran: Diese unsoziale Politik kann man - frau auch bei den nächsten Landtagswahlen im kommenden Jahr
sowie auch bei der nächsten Bundestagswahl, wann immer sie sein wird, abwählen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
({11})
Das Wort hat nun Johannes Singhammer für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für 70 Millionen Menschen, die in Deutschland in
der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gibt es seit
gestern drei gute Nachrichten.
({0})
Erstens.
({1})
Das größte jemals vorhergesagte Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung mit geradezu griechischen
Ausmaßen von 11 Milliarden Euro wird nicht entstehen.
({2})
Es wird auch keine Pleitewelle bei den Krankenkassen
geben.
Zweitens. Die Menschen in Deutschland werden auch
im Jahr 2011 nicht die zweitbeste, sondern die beste Behandlung bekommen. Die Exzellenz des deutschen Gesundheitswesens bleibt im weltweiten Vergleich gewahrt.
Leistungskürzungen, höhere Eigenbeteiligungen, teurere
Operationen ab einem bestimmten Lebensalter nur noch
bei Selbstbezahlung, das findet in Deutschland nicht statt.
({3})
Deshalb schließen jetzt kurz vor der Urlaubszeit wieder
20 Millionen Deutsche zu Recht Auslandskrankenversicherungen ab mit der klaren Zielsetzung: Wenn es wirklich notwendig sein sollte, möchte ich in Deutschland, in
der Heimat, behandelt werden. - Ich glaube, das ist richtig.
Drittens. Alle Partner im Gesundheitswesen wissen
jetzt, woran sie sind, und können ihre Planungen darauf
einstellen. Ausgaben und Einnahmen in der gesetzlichen
Krankenversicherung werden wieder ins Gleichgewicht
gebracht,
({4})
weil wir zuallererst bei den Ausgaben gekürzt haben:
Kürzungen bei den Arzneimitteln, der Pharmaindustrie
und im Pharmagroßhandel, was sich auch auf die Apotheken in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro auswirken
wird. Zwangsrabatte und Preismoratorien, die eigentlich
nicht zum Schatzkästchen christlich-liberaler Politik gehören,
({5})
haben wir aufgrund der Notwendigkeit eingesetzt. Weitere Beispiele sind Einsparungen von 300 Millionen Euro
bei den Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen, um Impfstoffe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern günstiger zu machen, sowie Kürzungen
bei Krankenhäusern und Ärzten.
({6})
Es geht um Kürzungen der Ausgabenzuwächse, nicht
um Einschnitte; denn Einschnitte wären nicht zu verantworten gewesen.
({7})
Wenn Sie von der Opposition immer lauthals harte
Schnitte verlangen, dann sollten Sie Folgendes bedenken:
60 Prozent der Ausgaben bei den Krankenhäusern sind
Personalkosten. Wenn Sie kürzen und sparen wollen,
etwa bei einer Krankenschwester, die netto vielleicht
1 600 Euro inklusive Nachtzuschlag bekommt, dann
wünsche ich Ihnen dabei viel Spaß.
({8})
Wir jedenfalls haben daran keinen Spaß.
({9})
Deshalb wird es bei uns einen Kahlschlag in dieser Richtung nicht geben.
({10})
Frau Ferner, da Sie so laut dazwischenschreien:
({11})
Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie
doch Ihrer Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Frau Schwesig, die heute erklärt hat, die Einsparungen bei den Krankenhäusern hingegen würden
strukturschwache Regionen treffen, wo viele alte und
schwache Menschen leben. Frau Schwesig hat recht. An
ihren Worten sollten Sie sich orientieren.
Wenn Sie einen Kahlschlag bei den Ärzten fordern,
dann hat das gerade auf den ländlichen Bereich Auswirkungen. Wir haben die hausarztzentrierte Versorgung
({12})
mit der klaren Zielsetzung eingeführt, dort die Versorgung zu verbessern. Wir wollen einen Trend zum Umzug der Ärzte in die Ballungszentren im Süden und Westen unseres Landes verhindern;
({13})
denn wir wollen eine gleichmäßige Versorgung garantieren.
Nachdem alle Sparbemühungen nicht ausgereicht haben,
({14})
haben wir uns entschlossen, die Solidargemeinschaft aller Steuerzahler mit 2 Milliarden Euro zu bemühen. Das
heißt, im nächsten Jahr werden 15,3 Milliarden Euro aus
der Steuerkasse in die gesetzliche Krankenversicherung
überführt.
Wir haben noch etwas gemacht. Wir haben den Zustand der paritätischen Beitragssituation wiederhergestellt, wie er vor genau anderthalb Jahren - vor der Krise -,
also am 1. Januar 2009, war. Damals betrug das Beitragsniveau paritätisch 15,5 Prozent. Genau dieses Beitragsniveau wird es wieder geben.
({15})
Das macht Sinn, weil wir in der Zeit der Krise geholfen
haben, die Lohnnebenkosten zu entlasten und damit Arbeitsplätze zu sichern.
({16})
Gott sei Dank ist die Situation jetzt wieder besser. Deshalb können wir zu diesem Niveau zurückkehren.
Sie stellen immer die Frage: Ist das sozial gerecht?
({17})
Diese Frage nehme ich ernst. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wissen Sie, was das sozial Ungerechteste ist?
Das sozial Ungerechteste ist,
({18})
wenn die Behandlung in den Krankenhäusern und bei
den Ärzten vom Geldbeutel abhängt. Das tut es bei uns
nicht. Bei uns wird jeder unabhängig von seinem Einkommen bestmöglich behandelt.
({19})
Das Wort hat nun Kollegin Martina Bunge für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Minister und Sie als Koalitionäre haben gestern ein
Eckpunktepapier mit dem Titel „Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem“ vorgelegt.
({0})
Das sind große, wohlklingende Worte. Die nüchterne
Analyse zeigt: Das Ganze ist Politik für Besserverdienende und Arbeitgeber gegen die Mehrheit der Bevölkerung.
({1})
Sie wählen eine sehr interessante Taktik. Sie sprechen
von einer Wiederherstellung des Beitragssatzes von
15,5 Prozent und kommen so paritätisch auf 6 Milliarden Euro für 2011. Das geschätzte Defizit in Höhe von
11 Milliarden Euro wird durch die Einsparmaßnahmen
und den Bundeszuschuss gedeckt - das Haushaltsloch ist
also weg -, und für alle Fälle gestaltet man für die Zukunft den Zusatzbeitrag durch den Sozialausgleich neu.
Schon hat man das System für die Zukunft wetterfest gemacht.
({2})
Wir hören schon seit Jahren und vor allem seit dieser Legislaturperiode, wie das funktionieren soll.
Ich sage: Sie kaschieren die Fehler, Sie beruhigen die
Bevölkerung und verstecken Ihre sozialpolitischen Grausamkeiten unter einem Mäntelchen. Ich möchte allen zurufen: Vorsicht Kopfpauschale!
({3})
Bei dem von Ihnen vorgelegten Konzept geht es nicht allein um weniger Netto vom Brutto, sondern um eine generelle Verlagerung aller künftigen Ausgabenentwicklungen allein auf die Versicherten - die Arbeitgeber sind
raus - und damit um die höchsten Beiträge aller Zeiten
für Versicherte. Man muss sich die Zahlen auf der Zunge
zergehen lassen: 8,2 Prozent - also 7,3 Prozent plus
0,9 Prozent - plus 2 Prozent, das sind 10,2 Prozent allein
für die Versicherten. Das hat es noch nie gegeben. Das
ist ein Skandal.
({4})
Durch die einseitige Belastung der Arbeitnehmer wird
die Schieflage verstärkt. Menschen mit kleinen Einkommen - Geringverdiener, Rentner mit geringen Bezügen,
Studierende - werden am stärksten belastet. Nehmen wir
als Beispiel einen Zusatzbeitrag in Höhe von 16 Euro. Wie
funktioniert das? Bei einem Einkommen von 800 Euro entsprechen 16 Euro 2 Prozent des Einkommens, bei
1 600 Euro sind es 1 Prozent, bei 3 200 Euro 0,5 Prozent,
und über der Beitragsbemessungsgrenze ist die Belastung
gleich null. Das ist zutiefst ungerecht.
({5})
Den Sozialausgleich über Steuern subventionieren die
Betroffenen, zumindest teilweise, auch noch selbst. Es
ist doch eine Mär, dass bei den Steuern vor allen Dingen
die Besser- und Höchstverdienenden herangezogen werden. Wir alle wissen, dass die gesamten Steuereinnahmen nur zu einem Drittel aus Einnahmen aus der Einkommensteuer bestehen. Damit entsteht der Effekt, dass
sie sich selber über die Mehrwertsteuer und dergleichen
subventionieren. - Durch das vorgelegte Konzept wird
bei den Versicherten gleich mehrfach abkassiert. Was ist
daran sozial? Wir sagen: Das ist ein Skandal.
({6})
Sie konstruieren einen Zwitter: ein Stück bisherige gesetzliche Krankenversicherung und ein neues Stück versteckte Kopfpauschale, das immer größer werden kann.
Sie wollen ihr Gesicht wahren. Wir werden Gesicht zeigen - gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern - für
eine sozial gerechte Gesundheitspolitik. Umfragen zeigen: Ganze 2,3 Prozent - auch wenn diese Zahl nicht repräsentativ ist - denken, dass Sie eine dauerhafte, solide
Finanzierung geschaffen haben. Sie können sich sicher
sein: Widerstand wird kommen. Bei dem vorgelegten
Konzept ist das auch erforderlich; denn Ihr Konzept ist
- um noch einmal auf den Titel zurückzukommen - nicht
transparent, sondern komplizierter und undurchschaubarer, wettbewerblich - für uns hat dieser Begriff im Gesundheitssystem nichts zu suchen -, nicht stabil - wir
denken, es ist gerade für politische Einflussnahme sehr
anfällig -, nicht sozial - es ist zutiefst unsozial; das habe
ich eben dargelegt - und nicht gerecht; wir meinen, es ist
himmelschreiend ungerecht.
({7})
Das Wort hat nun Kollege Heinz Lanfermann für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abseits
von all den Spekulationen und haltlosen Vorwürfen, die
wir hier gehört haben, gibt es sieben Punkte, die man bedenken sollte, wenn man sich das Ergebnis, das gestern
erzielt worden ist und demnächst in ein Gesetz umgeformt wird, vor Augen führt.
({0})
Das Erste ist: Wir hatten in der Tat ein aktuelles Problem mit einer sehr großen Dimension - 11 Milliarden Euro Defizit für 2011 - zu lösen. Ich kann nur sagen: Diese Gefahr ist gebannt, und zwar nicht nur für das
nächste Jahr, sondern auch für die folgenden Jahre. Damit ist die Einnahmeseite, die ein wichtiger Punkt ist,
auf Dauer stabil.
({1})
Es handelt sich jetzt um ein sich selbst regulierendes
System, sodass wir uns nicht wie während Ihrer Regierungszeit jedes Jahr neu mit dem Thema beschäftigen
müssen.
({2})
Der zweite Punkt: Wir haben dies durch eine Reihe
von Sparmaßnahmen erreicht. Wir haben uns die Mühe
gemacht und uns alles angeschaut, was man einsparen
könnte.
({3})
Sie waren da sehr geizig. Sie haben nie einen konkreten
Vorschlag in die Öffentlichkeit gebracht.
({4})
Sie wollten lieber mit verdeckten Karten spielen. Wir
machen das offen. Wir haben mit einer Einsparung bei
den Pharmakosten von weit über 1,5 Milliarden Euro angefangen. Dieses Gesetz haben wir hier bereits verabschiedet. Im Grunde genommen haben wir sowohl die
Krankenkassen als auch die Krankenhäuser als auch die
Apotheker als auch den Großhandel herangezogen. Dabei haben wir die Lasten unter allen Beteiligten im Gesundheitswesen fair und gerecht verteilt.
({5})
Drittens haben wir einen großen Fehler der Großen
Koalition revidiert. Sie hat mit dem Gesundheitsfonds
den Einheitsbeitrag eingeführt. Sie haben die Kassen ihrer Beitragsautonomie beraubt; denn das, was ihnen
noch blieb, die Erhebung eines Zusatzbeitrages nach altem Modell, war eine Fehlkonstruktion. Es gibt viele
Kassen, die aufgrund ihrer Mitgliederstruktur, weil sie
zu viele Mitglieder mit geringem Einkommen haben, gar
keine Chance haben, sich über diese Zusatzbeiträge zu
finanzieren.
({6})
Das System war in sich nicht schlüssig. Es konnte nicht
funktionieren.
Viertens haben wir den Einstieg in einen Systemwechsel geschafft. Die Zusatzbeiträge, die wir jetzt einführen, sind kassenindividuell und einkommensunabhängig. Das Geld bleibt bei den Kassen. Nach dem, was
von der Bundesversicherungsanstalt berechnet worden
ist, wird der Zusatzbeitrag in den nächsten Jahren durchschnittlich bei etwa 16 Euro liegen. Das ist die Schätzung, weit entfernt von den Fantasiezahlen, die Sie, Frau
Ferner, oder Sie, Herr Lauterbach, in den letzten Monaten immer wieder in die Öffentlichkeit gestreut haben.
({7})
Fünftens. Wir schaffen das, was Sie nicht geschafft
haben: Wir schaffen einen Sozialausgleich.
({8})
Dieser wird vom Arbeitgeber bzw. vom Rentenversicherungsträger automatisch berechnet. Da zeigt sich übrigens die Beliebigkeit Ihrer Argumentation, Frau Ferner.
Sie sind monatelang durch die Gegend gelaufen und haben gesagt: Wenn man für einen Sozialausgleich einen
Antrag stellen muss, dann werden alle Menschen zu
Bittstellern. Das war natürlich unsinnig; denn zum Beispiel beim Wohngeld, bei dem man auch eine Leistung
vom Staat bekommt, macht das jeder gerne. Aber da Sie
das jetzt nicht mehr sagen können, behaupten Sie, das
seien Almosen, die mit der Gießkanne verteilt würden.
Und warum? Weil der Minister seine Ankündigung, es
werde einen automatischen Ausgleich geben, jetzt umgesetzt hat.
({9})
Für Sie ist es natürlich immer schwierig, wenn der
Minister das liefert, was er versprochen hat.
({10})
Das ist Ihr Problem, Frau Ferner.
Sechstens. Wir entkoppeln die Gesundheitskosten
Schritt für Schritt von den Arbeitskosten. Der erste
Schritt ist die Festschreibung des Beitragssatzes auf
7,3 Prozent. Natürlich werden die zukünftigen Kosten
von den Versicherten getragen. Das ist die ganz normale
Folge des demografischen Wandels.
({11})
Jeder von Ihnen, gerade von Ihnen, von der SPD, sagt
in offener Herzlichkeit bei jeder Podiumsdiskussion: Ja,
Gesundheit wird teurer. Aber wie es bezahlt werden soll,
das sagen Sie nicht. Und das ist der Unterschied: Wir
stehen zu dem, was wir tun.
({12})
Siebtens. Wir stehen auch dazu, dass wir mit diesem
Schritt, mit dem wir jetzt für die sichere und stabile Finanzierung in den nächsten Jahren sorgen, den alten Beitragszustand wiederherstellen. Sie waren es, die als Gesetzgeber zum 1. Januar 2009 den Beitragssatz auf
15,5 Prozent festgelegt haben.
({13})
Ein halbes Jahr später haben Sie ihn aus konjunkturellen
Gründen, wegen der Wirtschaftskrise, gesenkt; das entspricht einem Betrag von 6 Milliarden Euro pro Jahr.
Dies geschah auf Pump - das muss man einmal sagen -,
das war schuldenfinanziert.
({14})
Deswegen - das sage ich auch der Arbeitgeberseite -:
Wenn man 3 Milliarden Euro im Jahr auf Pump, auf
Kosten der Steuerzahler, geschenkt bekommt, weil es
der Wirtschaft schlecht geht, dann kommt auch der Tag,
an dem man sagt: Jetzt wird es wieder besser, jetzt ist es
verantwortbar, diese Subvention auf Pump zurückzunehmen und zum alten Zustand zurückzukehren.
({15})
Ich denke, das ist verantwortbar und eine richtige Maßnahme.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Ich bin am Ende, Herr Präsident.
({0})
Ein letzter Satz noch: All die schönen Thesen, die Sie
hier verbreitet haben, Frau Ferner, wie man welchen
Beitrag berechnen will, wenn jemand verschiedene Einkünfte hat, können Sie sich für Ihre Beratungen zur Bürgerversicherung merken. Denn da haben Sie genau das
Problem.
({1})
Danke schön.
({2})
Das Wort hat nun Kollegin Birgitt Bender für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo ist eigentlich die CSU? Wo sind die starken Mannen aus
München, die unbedingt gegen die Kopfpauschale
kämpfen und sie verhindern wollten?
({0})
Sie liegen jetzt in der Ackerfurche. Oder wie soll man
sich dieses Modell anders erklären?
({1})
Denn ob das nun Zusatzbeitrag oder Kopfpauschale
heißt, klar ist doch: Die Versicherten zahlen, und zwar
immer mehr, je länger es geht, weil alle künftigen Kostensteigerungen zulasten der Versicherten gehen. Das ist
genau das, was der FDP-Gesundheitsminister schon immer angedroht hat. Herzlichen Glückwunsch!
({2})
Ihr seid obendrein noch feige; denn zu eurer neuen
Einigkeit steht ihr gar nicht offensiv. Vielmehr wird ein
Modell gemacht, bei dem die Arbeitgeber noch einmal
mitzahlen: eine allgemeine Beitragssatzerhöhung. Dann
erst kommt die Kopfpauschale obendrauf. Da wird kalkuliert: Na ja, bis 2013, 2014, bis Ende dieser Legislaturperiode wird das ja noch nicht so schlimm, da merken es die Leute noch nicht so richtig. Dazu kann ich nur
sagen: So dumm sind die Leute nicht.
({3})
Tatsache ist: Das System der aufwachsenden Kopfpauschale ist angelegt. Übrigens sollten die Freundinnen
und Freunde von der Sozialdemokratie noch einmal darüber nachdenken, ob der Gesundheitsfonds eine gute
Idee war; denn da ist diese Spur angelegt.
({4})
Das, was Minister Rösler jetzt macht, ist kein Grund,
sich mit einem Lorbeerkranz vor den Spiegel zu stellen.
Erstens ist und bleibt dieser Ausstieg aus dem Solidarsystem der falsche Weg. Wir brauchen nicht weniger,
sondern mehr Solidarität.
({5})
Zweitens - da sollten Sie wirklich zuhören - werden Sie
Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Was haben Sie
neulich noch auf jeder Veranstaltung versprochen? Alles
werde gerechter, es komme mehr Geld ins System über
Steuermittel, die Sie organisieren, dann werde alles ganz
schön. Ja, wo sind die Steuermittel denn? Wo ist die größere Gerechtigkeit? Noch vor kurzem, als Seehofer Sie
wieder heimgeschickt hat, haben Sie gemeinsam verabredet: Vorrangig vor Einnahmesteigerungen wollen wir
strukturelle Änderungen, um den Anstieg der Kosten zu
begrenzen. Ja, wo sind denn die Strukturreformen? Ihr
macht doch ganz kleine Münze.
({6})
Stichwort „Kostendämpfung“, also das, was der FDPGesundheitsminister angeblich nie machen wollte. Jetzt
wird mit dem Rasenmäher ein bisschen über alle Bereiche gegangen - nein, nicht über alle: nicht über die
Apotheker. Das sind die, die so viele Briefe an das BMG
schreiben und sich beschweren. Zack, bekommen sie
eine Bonuscard, um vom Rasenmäher verschont zu bleiben. Da ist sie wieder, die Klientelpolitik der FDP. Das
macht es auch nicht besser.
({7})
Das Schlimmste ist, meine Damen und Herren von
der Koalition: Dieses Kurzfristmodell mit Langzeitwirkung, das Sie hier auf den Tisch legen, führt dazu, dass
wir immer wieder und immer weiter über die Finanzierungsseite des Gesundheitssystems diskutieren werden.
Die Gefahr ist groß, dass wir immer nur darüber sprechen, weil das Problem nicht befriedigend gelöst ist, solange Sie regieren. Die nächste Regierung hat das Problem dann wieder auf dem Schoß. Wann reden wir
eigentlich einmal über Gesundheit und über Strukturreformen, die die Versorgung verbessern?
({8})
Genau das gerät ins Hintertreffen. Auch das werfe ich
Ihnen vor.
Danke schön.
({9})
Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bender, mit Blick auf das, was sich bei der Solarförderung abgespielt hat, weiß ich nicht, ob Sie die Richtige sind, um hier über Klientelpolitik zu reden.
({0})
- Ja, so ist es doch. Wir haben es jüngst, in den letzten
Tagen, wieder erlebt, was Sie da für eine Show veranstalten.
Die Aktuelle Stunde bietet unabhängig davon eine
gute Gelegenheit, einen Tag nachdem sich die Koalition
nach zugegebenermaßen intensiven Debatten in den letzten Wochen und Monaten - wir haben in der Sache gerungen - auf einen Kompromiss in der Gesundheitspolitik geeinigt hat, darüber zu diskutieren. Am Ende
handelt es sich um ein faires Paket. Es umfasst Einsparungen im Sinne von Zuwachsbegrenzungen im
nächsten Jahr bei den Kosten für Ärzte, Zahnärzte und
Krankenhäuser und den Verwaltungskosten der Krankenkassen.
({1})
Ein Wort zur SPD. Sie stellen sich hier fortwährend
hin und fordern - Sie, Frau Kollegin Ferner, gerade
schon wieder - im Abstrakten Einsparungen. Sie haben
einmal einen konkreten Vorschlag gemacht, nämlich den
Rabatt bei den Arzneimitteln um 10 Prozentpunkte zu
erhöhen. Diesen Vorschlag haben wir sogar umgesetzt,
aber Sie haben dagegengestimmt. Frau Kollegin Ferner,
doppelzüngiger als Sie an dieser Stelle kann man kaum
sein.
({2})
Zum einen kommt es also zu Einsparmaßnahmen im
Sinne von Zuwachsbegrenzungen im nächsten Jahr. Zum
anderen kehren wir zu dem Beitragssatz zurück - es ist
schon gesagt worden -, der vor der Krise galt und den
wir, Frau Kollegin Ferner, im Übrigen noch gemeinsam
eingeführt haben.
({3})
Wir haben schon damals in der Großen Koalition gemeinsam gelernt, dass die Kosten angesichts einer Gesamtdynamik im Gesundheitssystem steigen: Wir wollen
den Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft tatsächlich den Zugang zum medizinischen Fortschritt ermöglichen. Deswegen kehren wir nach Ende der Krise
- die Wirtschaftszahlen offenbaren, dass die Arbeitslosenzahlen sinken und die Konjunkturzahlen nach oben
zeigen - zum alten Beitragssatz zurück; das ist gerechtfertigt. Damit sind zu Recht auch die Arbeitgeber bei der
Finanzierung mit im Boot. Liebe Frau Kollegin Ferner,
anstatt hier so herumzuschreien, sollten Sie sich darüber
freuen.
({4})
Es geht auch um die Frage - das ist mit Blick auf die
Zukunft entscheidend -: Wie können zukünftige Kostensteigerungen lohnunabhängig aufgefangen werden? Darum geht es im Kern. Die Herausforderung der gesetzlichen Krankenversicherung besteht darin - es wäre
schön, wenn wir darüber einmal in der Sache reden
könnten -, dass es anders als bei der Rentenversicherung
oder der Arbeitslosenversicherung keinen direkten Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Beitrag
gibt.
({5})
In der Rentenversicherung ist es etwa so, dass die entsprechenden Leistungen nicht so stark ansteigen, wenn
die Grundlohnsumme nicht steigt. Die Leistungen der
Krankenversicherung - für die Behandlung im Krankenhaus, beim Arzt und für die Medikamente - sind aber
nicht lohnbezogen, sodass die Kosten in einer älter werdenden Gesellschaft mit medizinischem Fortschritt steigen. Es geht hier nicht um Hustensaft: Die Steigerungen
bei den Arzneimitteln treten in aller Regel bei Krebsmedikamenten und bei Medikamenten zur Bekämpfung von
MS und Parkinson auf.
Damit der Spagat zwischen einer nicht so stark steigenden Grundlohnsumme - die Tarifabschlüsse waren in
der Krise nicht so hoch - und den gleichzeitig steigenden
Ausgaben nicht immer größer wird, braucht es auch eine
lohnunabhängige Finanzierung. Damit haben wir übrigens in der Großen Koalition mit den Zusatzbeiträgen
gemeinsam begonnen. Wir machen es in der christlichliberalen Koalition so: Wir finanzieren das Gesundheitssystem dauerhaft auch aus Steuermitteln. Das ist eine sozial ausgeglichene Weiterentwicklung, die gerechter als
das heutige System ist; denn bei der Finanzierung über
Steuermittel müssen alle je nach Leistungsfähigkeit mitbezahlen. Damit machen wir das Gesundheitssystem mit
Blick auf die bevorstehenden Herausforderungen zukunftsfähig.
({6})
Frau Kollegin Bunge, man braucht keinen Matheleistungskurs dafür: Eine prozentuale Maximalbelastung ist
per definitionem in sich sozial ausgeglichen; denn
2 Prozent von wenig Einkommen bedeuten weniger Belastung als 2 Prozent von viel Einkommen. Damit ist
diese Form der Finanzierung sozial ausgeglichen: Niemand muss über Gebühr belastet werden. Wir legen es
aber so an, dass der Ausgleich über den Beitragssatz
stattfindet, den der Arbeitgeber oder der Rentenversicherungsträger abführt. Das ist unbürokratisch; er bedarf
keiner Antragsstellung.
({7})
Wir legen die Finanzierung so an, dass mit einem festen Euro-Betrag bei den Zusatzbeiträgen eine Preissignalwirkung gegeben bleibt. Insofern ist das Modell
einerseits sozial gerecht - die Ausgaben werden mit
Steuermitteln abgefedert -; zum anderen erzielen wir
eine Preissignalwirkung, sodass der einzelne Versicherte
für sich entscheiden kann: Ist mir diese Kasse einen Zusatzbeitrag von 20 Euro wert, oder bietet eine andere
Kasse, die einen Zusatzbeitrag von 15 Euro erhebt, ein
besseres Preis-Leistungs-Verhältnis? Damit schaffen wir
viel mehr Transparenz als bisher. Das ist der richtige
Weg.
({8})
Das, was im Ergebnis eigentlich schade ist, ist, dass
Sie sich einer ehrlichen Debatte durch Klamauk entziehen. Weil Sie sich nach der Bundespräsidentenwahl völlig entzweit haben, konnten Sie sich nicht einigen, dass
wir uns mit diesem Thema nur einmal in dieser Woche
beschäftigen. Deshalb findet morgen zum gleichen
Thema eine weitere Aktuelle Stunde statt. Dann werden
wir die ganze Diskussion noch einmal führen. Wir sollten, jenseits von Klamauk, eine ehrliche Debatte darüber
führen, vor welchen Herausforderungen wir im Gesundheitswesen stehen.
Im Übrigen möchte ich noch auf den Titel der heutigen Aktuellen Stunde eingehen. Richtig wäre gewesen,
wenn Sie formuliert hätten: „Mehr Netto vom Brutto“.
({9})
Es geht nämlich um die Gesamtschau. Wir haben zum
1. Januar dieses Jahres für Steuerentlastungen in Höhe
von 20 Milliarden Euro gesorgt.
({10})
Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitragssatz,
der zur Zeit der Großen Koalition bei 6,5 Prozentpunkten lagt, auf aktuell 2,8 Prozentpunkte gesenkt.
({11})
Im Ergebnis zählt, was dabei insgesamt herauskommt.
Zur Gesamtschau gehört aber auch, ehrlich zu sagen:
Gesundheit wird in einer älter werdenden Gesellschaft,
die medizinischen Fortschritt will, teurer. Zu dieser Ehrlichkeit sollten Sie sich endlich durchringen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({12})
Das Wort hat nun Kollegin Carola Reimann für die
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war der 12. November 2009 - die Bundestagswahl war noch keine zwei Monate vergangen -, da trat
Gesundheitsminister Rösler hier an dieses Pult, um uns
mit schönen Worten seine Vorstellungen zur Zukunft des
deutschen Gesundheitssystems zu präsentieren.
({0})
Nun, acht Monate nachdem er seine Vorschläge zur Gesundheitsreform vorgelegt hat, bietet es sich förmlich an,
die Ankündigungen von damals mit den Ergebnissen
von heute zu vergleichen. Denn man sollte - so viel Fairness muss sein - den Minister an seinen eigenen Worten
messen.
({1})
Fangen wir bei den Punkten Transparenz und Bekämpfung der Bürokratie an. In der Rede vom 12. November 2009 kündigten Sie ganz unbescheiden an, die
Bürokratie zu beenden und endlich mehr Zeit für die
Menschen zu schaffen.
({2})
Was Sie unter „Transparenz“ und „Bürokratieabbau“
verstehen, haben wir gestern bei der Verkündung der
neuen Zusatzbeitragsregelung gesehen. Selbst den gut
informierten Fachjournalisten standen die Fragezeichen
förmlich in die Gesichter geschrieben, als Minister
Rösler Mühe hatte, die Neuregelung zu erläutern.
({3})
Wie, um Himmels willen, soll denn dann der von Ihnen
so oft bemühte aufgeklärte, mündige Bürger dieses System verstehen,
({4})
geschweige denn eine informierte Entscheidung bezüglich eines Kassenwechsels treffen?
Das von Ihnen geschaffene System von Durchschnittszusatzbeiträgen, 2-Prozent-Regelung und teilweiser Reduzierung der Beiträge über Arbeitgeber und
Rentenversicherungsträger ist so durchschaubar und
transparent wie der Dschungel von Borneo.
({5})
Man wird den Verdacht nicht los, dass diese konfuse
Regelung bewusst herbeigeführt wurde, um das Ausmaß
der Kostenabwälzung auf die Versicherten zu verschleiern. Aber ich sage Ihnen: Diese Verschleierungstaktik
wird nicht aufgehen. Denn die Menschen werden am
Ende sehr wohl sehen, was unter dem Strich übrigbleibt,
nämlich weniger Netto vom Brutto.
({6})
Das ist die Folge der schwarz-gelben Gesundheitspolitik.
({7})
Minister Rösler, nicht nur Transparenz und Abbau
von Bürokratie hatten Sie sich auf die Fahnen geschrieben, sondern auch Nachhaltigkeit. Ich zitiere aus Ihrer
Rede:
In den letzten 20 Jahren gab es alle zwei bis drei
Jahre eine Gesundheitsreform. Allzu häufig hatten
die Menschen das Gefühl, dass es zwar teurer, aber
nicht immer besser geworden ist.
({8})
Wir sind angetreten, genau das zu ändern.
({9})
Die einzige Änderung, die Sie bis jetzt herbeigeführt
haben, ist, dass Sie die künftige Kostensteigerung allein
auf die Versicherten abwälzen,
({10})
ohne auch nur eine einzige Verbesserung in der Versorgung daran zu knüpfen.
({11})
Das dämmert mittlerweile auch Ihren Kollegen. Die ersten Sozialpolitiker aus Ihren eigenen Reihen haben sich
laut dpa heute dazu geäußert. Einer von ihnen, der Ihre
Vorschläge kritisiert, ist Christian Bäumler,
({12})
Bundesvize der CDU-Sozialausschüsse. Sein O-Ton ist:
Es geht nicht an, dass wir das Risiko der Kostensteigerung … einseitig auf Arbeitnehmer und Rentner verschieben.
({13})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unter
„Nachhaltigkeit“ im Gesundheitssystem verstehen wir
Sozialdemokraten etwas anderes, nämlich ein dauerhaftes Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben herzustellen, dabei ein hohes Versorgungsniveau für alle zu
erhalten und finanzielle Belastungen gerecht zu verteilen.
Der Nachhaltigkeitsbegriff der Bundesregierung - so
viel wissen wir seit gestern - ist ein eher eindimensionaler, nämlich die Versicherten möglichst nachhaltig einseitig zu belasten, indem alle künftigen Kostensteigerungen allein auf sie abgewälzt werden. Millionen von
Menschen werden weniger in der Tasche haben. Ihre
Vorschläge sind nichts anderes als Wortbruch. Sie sind
das genaue Gegenteil von dem, was Sie Millionen von
Wählerinnen und Wählern vorher versprochen haben.
Das ist eine echte Nettolüge.
({14})
Ihr noch im November formuliertes Ziel, ein robustes
Krankenversicherungssystem für die Zukunft zu entwerfen, haben Sie längst aus den Augen verloren. Sie haben
jetzt Eckpunkte präsentiert - dafür die Bezeichnung
„Reform“ zu verwenden, traue ich mich nicht -, die nur
eines erfüllen sollen: schnell die Löcher stopfen, die
Lobby beruhigen - wir haben gelesen, dass sich das
Kanzleramt noch einmal für die Schonung der Apotheker eingesetzt hat - und, noch wichtiger, den schwarzgelben Koalitionsfrieden herstellen. Die Vorschläge haben nichts mit einer nachhaltigen Weiterentwicklung des
Gesundheitssystems zu tun, sondern zielen allein auf den
Erhalt einer Koalition ab, die abgewirtschaftet hat.
({15})
Wer auf diese Art Politik betreibt, schadet dem Gesundheitssystem. Diese Vorschläge sind vor allem eines:
ideenlos, mut- und kraftlos.
({16})
Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit ist ein hohes
Gut. Auch das pflegt Minister Rösler gerne zu sagen.
Damit hat er vollkommen recht. Ich glaube, wir sind uns
einig, dass es die oberste Aufgabe des Gesundheitsministers ist, dieses hohe Gut zu schützen. Heute Morgen
im Ausschuss hat der Minister noch einmal bestätigt,
dass er als Gesundheitsminister es als seine Aufgabe
ansieht, Krankheit im Vorfeld zu vermeiden. Umso unverständlicher ist mir jedoch, wenn dieser Gesundheitsminister sich bei einer zentralen Frage des Gesundheitsschutzes, nämlich dem Nichtraucherschutz, für nicht
zuständig erklärt.
({17})
Der Volksentscheid in Bayern hat uns allen gezeigt,
wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern ein konsequenter, einheitlicher Nichtraucherschutz ist. Deshalb
sollte uns als Politikerinnen und Politiker, insbesondere
den Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitikern unter uns, diese Botschaft aus Bayern zu denken
geben.
({18})
Wir sollten über Parteigrenzen hinweg dafür sorgen,
dass es beim Nichtraucherschutz endlich zu einer bundesweit einheitlichen Regelung kommt. Die Chancen
dafür sind da.
({19})
Man muss sie nur nutzen, und man muss sie nutzen wollen.
Danke schön.
({20})
Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär
Daniel Bahr.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie von der politisch linken Seite hier im Parlament
fordern immer die Solidarität der anderen ein und kritisieren uns, wenn wir auf die Eigenverantwortung des
Einzelnen setzen.
({0})
Für uns als christlich-liberale Koalition, Frau Kollegin
Ferner und andere Kollegen, sind aber Eigenverantwortung und Solidarität überhaupt kein Gegensatz. Eigenverantwortung und Solidarität gehören zusammen; sie
bedingen einander. Wir wissen, dass wir die richtigen
Anreize für die Menschen brauchen, um auf Eigenverantwortung zu setzen. Kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten soll sich für die Versicherten lohnen. Sie
können etwas für ihre Gesundheit tun, indem sie sich gesundheitsbewusst verhalten, indem sie auf ihre Gesundheit achten, indem sie sich gut ernähren, indem sie Sport
treiben.
({1})
Allerdings, meine Damen und Herren, wissen wir
auch, dass jeden der Schicksalsschlag einer schweren
Krankheit ereilen kann, egal, wie gesundheitsbewusst
man sich verhält.
({2})
Dafür braucht es eine gut finanzierte Krankenversicherung. Dafür braucht es die Solidarität aller, damit
man sich darauf verlassen kann, dass es dann, wenn einen der Schicksalsschlag einer schweren Krankheit ereilt, ein stabiles Gesundheitssystem in Deutschland gibt,
und dafür sorgen wir.
({3})
Aber wir wissen auch: Wenn immer nur die Solidarität der anderen eingefordert und gesagt wird, die anderen
müssten solidarisch sein, dann wird in der Gesellschaft
nicht die Bereitschaft dafür vorhanden sein, solidarisch
füreinander einzustehen. Deswegen sagen wir: Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Versicherten. Wir
setzen auf die Mündigkeit des Patienten. Wir setzen darauf, dass die richtigen Anreize für kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten geschaffen werden, damit das
Zusammenspiel von Eigenverantwortung und Solidarität
funktioniert.
({4})
Wir haben in Deutschland derzeit ein leistungsfähiges
Gesundheitssystem, um das uns alle Länder um uns herum beneiden; denn sie wissen, dass wir in Deutschland
den breitesten Leistungskatalog haben. Sie wissen, dass
wir freie Arztwahl und freie Krankenhauswahl haben.
Darum beneiden uns alle Länder um uns herum, weil sie
wissen, dass wir den Zugang zu den notwendigen Leistungen eben nicht vom Geldbeutel abhängig machen.
({5})
Aber wenn wir gleichzeitig wissen - die Kollegen
haben es ja schon angesprochen -, dass aufgrund der
Lasten, die durch eine alternde Bevölkerung und den
medizinisch-technischen Fortschritt auf uns zukommen,
Gesundheit in den nächsten Jahren nicht billiger, sondern teurer werden wird,
({6})
dann dürfen wir die Lasten nicht einfach auf die kommenden Generationen und auf die kommenden Jahre
verschieben. Wir müssen jetzt handeln und jetzt die richtigen finanziellen Entscheidungen treffen, damit das
Ganze auch in den nächsten Jahren noch finanzierbar ist,
({7})
damit sich alle, Einkommensschwache wie Einkommensstarke, Kranke wie Gesunde, Junge wie Alte auf ein
leistungsfähiges Gesundheitswesen verlassen können.
({8})
Wenn ich Sie so höre, dann habe ich fast den Eindruck, als ob es hier im Parlament eine neue Krankheit
gibt. Frau Ferner, ich nenne das bei Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen der SPD politische Demenz; denn
Sie erwecken den Eindruck, als ob alle Probleme, vor
denen wir im Moment stehen, in den letzten neun Monaten unter einer FDP-Führung im Gesundheitsministerium entstanden sind.
Ich will Ihnen das einmal beschreiben: Als Frau
Schmidt uns im Jahre 2009 den Schlüssel für das Gesundheitsministerium gegeben hat, haben wir ein Defizit
von 8 Milliarden Euro vorgefunden.
({9})
- Das tut weh. Tut die Wahrheit weh? Die Fakten scheinen wehzutun. - Für das Jahr 2010 haben wir ein Defizit
von 11 Milliarden Euro vorgefunden. Meine Damen und
Herren von der SPD, das ist Ihre Erblast, die wir zu
schultern haben. Wir gehen Schritt für Schritt vor, um
dieses Problem im Sinne der Versicherten und Patienten
zu lösen.
({10})
Frau Ferner, Sie erwecken den Eindruck, als ob alles
nur teurer wird und nur die Versicherten die Lasten tragen müssen. Beschäftigen Sie sich doch einmal mit den
Fakten! Nur rund 3 Milliarden Euro des von Ihnen hinterlassenen Defizits von 11 Milliarden Euro für das
nächste Jahr werden von den Versicherten zu tragen sein.
({11})
Weitere rund 3 Milliarden Euro tragen die Arbeitgeber,
rund 2 Milliarden Euro von diesem Defizit tragen die
Steuerzahler, und 3,5 Milliarden Euro von diesem Defizit tragen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen,
nämlich die Krankenhäuser, die Ärzte, die Zahnärzte, die
Pharmaindustrie und, Frau Kollegin Bender, auch die
Apotheken, weil wir vor keinem haltmachen. Wir beziehen alle mit ein, wenn es um die Kosten im Gesundheitssystem geht.
({12})
Der Entwurf eines Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes wird ja am Freitag beraten. Darin ist vorgesehen, dass der Großhandelsrabatt, der den Apotheken gewährt wird, um knapp 400 Millionen Euro reduziert
wird. Hier werden also auch die Apotheker einbezogen.
Das heißt, auch bei den Apotheken wird gespart.
Insofern will ich einmal festhalten: Das von der Koalition vorgelegte Konzept ist sozial ausgewogen und
fair,
({13})
weil alle an der Bewältigung des Defizits beteiligt werden: Arbeitgeber, Steuerzahler, Versicherte und Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Deswegen ist das
Konzept, das wir vorgelegt haben, ein wirklich tragfähiges, stabiles, gerechtes und transparentes Konzept zur
Lösung der Probleme im Gesundheitswesen.
({14})
Ich will Ihnen noch eines sagen: Wir haben einen Gesundheitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen vorgefunden. Das haben Sie mit beschlossen.
({15})
Frau Kollegin Ferner, ich will nur einmal darstellen, dass
das Defizit, das Sie uns hinterlassen haben, damit nicht
hätte getragen werden können; denn das System, das Sie
uns hinterlassen haben, wäre zusammengebrochen,
wenn wir nichts gemacht hätten.
Stellen Sie sich einmal vor, wir wären bei Ihrem Konzept geblieben.
({16})
Wir hätten dann massenweise Insolvenzen von Krankenkassen erlebt, weil wir mit diesem System eines Gesundheitsfonds mit gedeckelten Zusatzbeiträgen, das Sie
durchgesetzt haben, gar nicht in der Lage gewesen wären, die Defizite, die es in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, zu schultern.
({17})
Übrigens: Welche Krankenkassen hätte das denn betroffen? Das hätte besonders die Krankenkassen betroffen, die viele Geringverdiener als Mitglieder haben. An
Ihrer Stelle würde ich uns also einmal dafür applaudieren,
({18})
dass die FDP dafür gesorgt hat, dass gerade die Krankenkassen, die viele Geringverdiener als Mitglieder haben - Rentnerinnen und Rentner mit einem geringen
Einkommen, Menschen, die arbeitslos sind oder nur ein
geringes Einkommen haben -, durch unseren Vorschlag
bessergestellt und nicht benachteiligt werden,
({19})
weil es jetzt endlich einen wirklich fairen Wettbewerb
zwischen den Krankenkassen gibt und dieser nicht mehr
durch die Zusatzbeiträge verzerrt wird. Wir sorgen für
einen wirklich fairen Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Dazu waren Sie nicht in der Lage.
({20})
Ich will Ihnen noch einen weiteren Punkt nennen,
weil das ja immer ein bisschen in Vergessenheit gerät.
Die Zusatzbeiträge und der Gesundheitsfonds - das haben Sie vorgeschlagen - hätten gerade für die Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 800 Euro zu
gar keinem Sozialausgleich geführt. Sie hätten den vollen Zusatzbeitrag von 8 Euro tragen müssen. Erst wir
haben dafür gesorgt, dass es jetzt einen Sozialausgleich
gibt, sodass jeder nur einen Zusatzbeitrag bis maximal
2 Prozent seines Einkommens trägt.
({21})
Dadurch wird in den nächsten Jahren gerade den Geringverdienern dabei geholfen, einen Sozialausgleich in Anspruch nehmen zu können, sodass sie durch die Kostensteigerungen nicht belastet werden, mit denen wir im
Gesundheitswesen in den nächsten Jahren zu rechnen
haben.
({22})
Insofern war es die CDU/CSU-FDP-Koalition, die hier
für ein sozial ausgewogenes, stabiles und gerechtes Gesundheitsfinanzierungssystem gesorgt hat. Dazu waren
Sie nicht in der Lage.
({23})
Das ist ja auch klar - Sie müssen das ja eingestehen -;
denn die SPD hatte hier eine ganz andere Aktuelle
Stunde beantragt. Sie hatten eine Aktuelle Stunde mit
dem Titel „Scheitern der Gesundheitsreform“ beantragt.
Aber wie ich heute Morgen festgestellt habe, haben Sie
diesen Titel ändern müssen, weil auch Sie scheinbar
nicht mehr von einem Scheitern der Gesundheitsreform
sprechen können.
({24})
Insofern haben wir mit diesen Vorschlägen, mit dieser
Gesundheitsreform, die wir nun in Eckpunkten vorgelegt
haben, anscheinend ein tragfähiges Konzept, sonst hätten Sie den Titel dieser Aktuellen Stunde nicht ändern
müssen.
({25})
Wir haben die letzten Monate gebraucht, um zu einem
Kompromiss zu kommen. Das wollen wir gar nicht verhehlen. Es gab dazu auch unterschiedliche Programme
in den einzelnen Parteien. Wir haben zu einem Kompromiss gefunden, in dem sich jede der drei Parteien wirklich wiederfinden kann,
({26})
der tragfähig ist und die Interessen im Gesundheitswesen
fair ausgleicht. Deswegen hat sich der Kollege
Lauterbach ja während der Debatten in den letzten Wochen bei uns beschwert. Ich erinnere mich noch gut, Herr
Kollege Lauterbach: Sie haben sich bei uns darüber beschwert, dass das Verhalten in der Koalition unfair sei,
({27})
weil es Ihnen gar nicht mehr die Gelegenheit gebe, als
Opposition wahrgenommen zu werden.
({28})
Ich darf Ihnen ankündigen, Herr Lauterbach: Mit dem
Kompromiss, den wir gestern gefunden haben, haben
wir nicht nur ein stabiles, gerechtes und transparentes
Gesundheitswesen aufgebaut,
({29})
sondern wir haben auch dafür gesorgt, dass Sie Ihrer Oppositionsrolle wieder gerecht werden können.
({30})
Denn alle drei Parteien, die diese Koalition tragen, können mit diesem Kompromiss gut leben. Nun machen wir
uns an die Arbeit, um dieses Konzept Schritt für Schritt
umzusetzen. Das bedeutet für die Versicherten, dass sie
den Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistung einer Krankenversicherung wirklich wiedererkennen können. Es gibt keinen Einheitsbeitragssatz mehr,
({31})
und egal, bei welcher Krankenversicherung man derzeit
ist, alle werden gleich belastet. Für den Versicherten besteht jetzt der Vorteil, dass er seine Krankenversicherung
wieder mit anderen Krankenversicherungen vergleichen
kann. Er kann wieder sehen, was ihn eine Krankenversicherung kostet
({32})
und welche Leistung er von der Krankenversicherung erhält. Das ist fairer Wettbewerb. Dazu waren Sie nicht in
der Lage, weil Sie letztlich ein planwirtschaftliches, sozialistisches Gesundheitswesen wollten.
({33})
Erst wir sorgen wieder für ein freiheitliches, transparentes und gerechtes Gesundheitswesen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({34})
Das Wort hat nun Kollegin Marlies Volkmer für die
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Bahr, ich bin entsetzt über Ihren Realitätsverlust.
({0})
Ein Dreivierteljahr lang hat die Republik es ertragen
müssen, wie die schwarz-gelbe Koalition um die Ausrichtung dieser Gesundheitsreform gestritten hat wie die
Kesselflicker.
({1})
Ich erspare uns hier die unwürdigen wechselseitigen Titulierungen, die Sie sich an den Kopf geworfen haben.
Aber worauf haben wir nun eigentlich gewartet? Auf eine Beitragssatzerhöhung von 0,6 Prozentpunkten.
({2})
Eine Beitragserhöhung, die niemand so sehr ausgeschlossen hat wie die FDP: Mehr Netto vom Brutto! Und was ist es schließlich? - Es ist der fulminante Bruch
eines Wahlversprechens.
({3})
Aber es kommt noch schlimmer. Durch Ihre unverantwortlichen Zusatzbeiträge ohne Deckelung schmilzt das
Netto der Arbeitnehmer wie der Schnee in der Sonne.
Sie sollten offen sein: Diese Zusatzbeiträge sind die
Kopfpauschale, und zwar eine Kopfpauschale ohne Sozialausgleich.
({4})
Denn der ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.
Geradezu absurd ist der Kontext, in dem das alles geschieht: Kleckerbeträge für die Leistungserbringer; und
die dramatischen Summen sollen die Versicherten stemmen - noch nicht im nächsten Jahr, aber in den darauf
folgenden Jahren.
({5})
Warum bleiben eigentlich die Leistungserbringer
ganz außen vor?
({6})
Haben die vielleicht im Wahlkampf so viel gespendet,
dass man sie jetzt nicht finanziell belasten kann?
({7})
Ganz stolz verweisen Sie darauf, welche großen Summen Sie im Arzneimittelbereich einsparen wollen. Leider sind das Potemkinsche Dörfer. Es ist nichts dahinter,
({8})
höchstens die Erhöhung des Herstellerabschlags. Aber
auch dabei gibt es ja schon ganz viele Ausnahmeregelungen. Nach wie vor werden die Hersteller ihre Preise
zunächst selbst festlegen. Sie werden die erwarteten Rabatte schon wieder eingepreist haben und sich unter großem Getöse von den Krankenkassen abhandeln lassen.
({9})
So sparen Sie keinen Cent, insbesondere dann nicht,
wenn der gemeinsame Bundesausschuss künftig Arzneimittel mit schlechter Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr
ausschließen kann.
Der Gesundheitsminister hat gestern ausgeführt, dass
in Zukunft pro Jahr ein Defizit von 2 Milliarden Euro erwartet wird. Sie haben auch ausgeführt, dass die Arbeitgeberbeiträge eingefroren werden.
({10})
Das heißt, die Arbeitgeber beteiligen sich zukünftig
nicht an den steigenden Kosten im Gesundheitsbereich.
Das bedeutet unter anderem auch, dass es nur noch sehr
wenige Anreize gibt, die Ausgaben für die ambulante
Versorgung, die Pharmaindustrie und die Medizintechnik im Zaum zu halten. Der Deckel ist vom Topf.
({11})
Für die Versicherten bedeutet das nur eines: Sie zahlen die Zeche für eine völlig verfehlte Gesundheitspolitik,
({12})
und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den
kommenden Jahren und damit dauerhaft.
Vor diesem Hintergrund kann ich nur feststellen: Ihr
Konzept ist mit Abstand das Ungerechteste, was ich in
den 20 Jahren, in denen ich mich mit Gesundheitspolitik
befasse, erlebt habe.
({13})
Mehr noch, das ist das Ende der Sozialpartnerschaft in
der Krankenversicherung, einem zentralen Element der
sozialen Marktwirtschaft. Das hat uns in den letzten
Jahrzehnten den sozialen Frieden beschert.
({14})
Wie schon Frau Bender frage auch ich Sie, meine
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Sie doch
die Kopfpauschale verhindern wollten, wie Sie heute
Morgen in den Spiegel blicken konnten.
({15})
- Es ist eine Kopfpauschale ohne sozialen Ausgleich.
Was die schwarz-gelbe Koalition macht, führt zu einer anderen Sozialkultur. Das ist auch bei den Ausführungen von Herrn Bahr sehr deutlich geworden, als er
über Eigenverantwortung und Solidarität gesprochen
hat.
({16})
Für Schwarz-Gelb ist Eigenverantwortung nur die finanzielle Selbstbeteiligung der Patientinnen und Patienten.
({17})
Was Schwarz-Gelb noch betreibt - die Eckpunkte
sprechen hier Bände -, ist eine knallharte Klientelpolitik.
({18})
Das verbirgt sich hinter Ihren glatten Reden. Sie sollten
wenigstens so ehrlich sein und das zugeben.
({19})
Das Wort hat nun Kollege Rudolf Henke für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür,
dass man die Art, in der die Koalitionsparteien den Weg
zu dem Konzept, das gestern präsentiert worden ist, verfolgt haben, zum Anlass für oppositionelles Vergnügen
nehmen kann. Ich habe Verständnis dafür, dass man die
Dauer der Vorbereitung kritisch bewerten kann. Ich habe
sogar Verständnis dafür, dass man als Oppositionspartei
bedauern kann, dass es jetzt zu einer Einigung und zu einem gemeinsamen Konzept gekommen ist,
({0})
weil einem damit ein Stück der eigenen bisher vorgetragenen Argumentation verloren geht.
Aber ich finde, es müsste jetzt möglich sein, wenigstens zu einer halbwegs sachlichen Diskussion über das,
was wirklich vorgeschlagen worden ist, was wir beabsichtigen und was Sie dagegenstellen, zu kommen. Aber
Sie versuchen jetzt in der Trauer darüber, dass Ihnen das
Argument der Kopfpauschale aus der Hand geschlagen
worden ist, dieses Phantom mit einer Reanimationsmethode wiederzubeleben, die nicht wirken wird. Das ist
das Problem.
({1})
Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die Sie
angesprochen haben. Frau Volkmer, Sie haben gesagt,
das sei das Schrecklichste, was Sie in den letzten 20 Jahren erlebt haben; damit gehe die Sozialpartnerschaft zu
Ende. Sie begründen das mit den Unterschieden in dem,
was der Einzelne für die Vorsorge im Gesundheitswesen
leistet. Wenn Sie seit 20 Jahren aktiv dabei sind, dann
werden Sie sich doch noch selbst an die Zeiten erinnern,
in denen es einen Beitragsunterschied zwischen unterschiedlichen Krankenkassen gab, der von 10,9 Prozent
bis 16,9 Prozent zur gleichen Zeit gereicht hat.
({2})
Dieses System, das damals galt, haben Sie doch als
solidarisches System verteidigt und für richtig gehalten.
({3})
Jetzt sagen Sie, der Zusatzbeitrag, der vielleicht bei
8 Euro liegt, sei das Ende der Sozialpartnerschaft, das
Ende der Solidarität und das Ende und der Untergang
des Sozialstaats Deutschland.
({4})
Das zeugt doch von Blindheit auf einem Auge, das ist
eine doppelbödige Argumentation. Die muss man doch
klar zurückweisen.
({5})
Wenn Sie wenigstens Ihrerseits Vorschläge zum Sparen machen würden, wenn Sie das unterlegen würden,
wäre ich dankbar. Sie gebrauchen das Wort „abgezockt“.
({6})
Sie sagen: Das sind Kleckerbeträge. Ich kann mich an
jemanden in Deutschland erinnern, der einmal von
„Peanuts“ sprach. Sie bezeichnen eine Einsparung von
500 Millionen Euro bei den Krankenhäusern als Kleckerbetrag.
({7})
Sie bezeichnen eine Einsparung von 350 Millionen Euro
bei den niedergelassenen Ärzten als Kleckerbetrag.
({8})
Sie bezeichnen den Einschnitt von 350 Millionen Euro
im Arzneimittelgroßhandel, von dem rund die Hälfte an
die Apotheker weitergegeben wird, als Kleckerbetrag.
Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Was ist das eigentlich für ein Umgang mit den Menschen, die in diesen
Bereichen hart und ehrlich arbeiten?
({9})
Vor zwei Jahren haben Sie, Frau Ferner, Frau Volkmer
und Herr Lauterbach, gemeinsam mit der Union einen
Zuwachs in diesen Bereichen beschlossen. 2008 haben
Sie gemeinsam mit der Union einen Zuwachs von
3,5 Milliarden Euro im Bereich der ambulanten Medizin
und einen Zuwachs von 3,5 Milliarden Euro im Bereich
der Krankenhäuser versprochen. Jetzt, da wir dieses Versprechen halten - trotz Krise ({10})
und es mit 3,9 Milliarden Euro im SozialversicherungsStabilisierungsgesetz abgesichert haben, jetzt, da wir zusätzlich 2 Milliarden Euro aus Steuermitteln einsetzen,
um dieses Versprechen zu halten, fordern Sie höhere
Sparbeiträge. Woher kommen Sie eigentlich, wohin wollen Sie eigentlich? Was ist eigentlich Ihr Standpunkt?
Ich erkenne ihn nicht.
({11})
Ich glaube nicht, dass wir es generell mit überhöhten
Preisen im Gesundheitswesen zu tun haben.
({12})
Den Arzneimittelbereich werden wir jetzt mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz neu ordnen. Wir
werden für faire Preise sorgen. Überall sonst haben wir
es nicht mit überhöhten Preisen zu tun. Die Kostenentwicklung ist Ausdruck des Werts unseres Gesundheitssystems. In den letzten hundert Jahren haben wir fast
30 Jahre an Lebenserwartung gewonnen. Heute sterben
auf 100 000 Einwohner durchschnittlich 65 Menschen
weniger an bösartigen Tumoren als noch in den 80erJahren.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Der letzte Satz, Herr Thierse. - Bei der zweiten großen Gruppe der Volkskrankheiten, bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist die Sterberate seit 1980 aufgrund
neuer Medikamente weiter gesunken.
({0})
Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Krebserkrankungen, den großen Killern, haben wir dank eines leistungsfähigen Gesundheitswesens Erfolge erzielt.
Herr Kollege.
Unser Gesundheitswesen ist sein Geld wert. Ich finde,
wir haben ein ausgewogenes Konzept. Sie aber verharren in einer Kritik, die parteipolitisch motiviert ist, polemisch vorgetragen wird und mit wenig intellektueller
Auseinandersetzung verbunden ist.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat nun Kollege Lars Lindemann für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat die
SPD-Fraktion zu Recht heute eine Aktuelle Stunde beantragt; denn wir haben ohne Zweifel Wichtiges zu besprechen.
({0})
- Nun hören Sie doch erst einmal zu. - Meine lieben
Kollegen von der SPD, wenn ich mir dann aber Ihre
Statements hier im Plenum anhöre und anschaue, was
Sie in der Presse bereits dazu veröffentlicht haben, finde
ich das schon ziemlich enttäuschend.
Der Kollege Lauterbach hat zwar angekündigt, dass
er sich erst wieder substanziell äußern wird, wenn er Regierungsverantwortung übernommen hat.
({1})
Sie sehen aber, dass es dazu nicht kommt.
({2})
Also werden Sie doch irgendwann einmal sagen müssen,
was Sie in der Sache wollen. Dass Sie einfach mit dieser
pauschalen Kritik fortfahren und nicht selber sagen wollen, wie es denn eigentlich gemacht werden soll, finde
ich sehr bedauerlich.
({3})
Dass die SPD sich hier von jeder vernunftgeleiteten
Begleitung einer sehr vernünftigen Reform verabschiedet, Herr Kollege, finde ich ganz persönlich - das sage
ich Ihnen offen - mehr als enttäuschend.
({4})
Im Kern geht es bei Ihren Statements jeweils um drei
Punkte, und zwar erstens den Ablauf - wie zu dem
Reformpaket gefunden wurde und dessen Ergebnisqualität -, zweitens den angelegten und von Ihnen nicht gewollten Systemumstieg bei der Finanzierung sowie drittens die Verteilung der Lasten zwischen den Beteiligten.
Lassen Sie mich dazu einige Dinge sagen. Zunächst
kann man feststellen, dass das Ziel der Reform mit den
angegangenen Maßnahmen erreicht wird.
Erstens. Die Solvenz der Kassen und deren Leistungsfähigkeit im System werden erhalten.
({5})
Zweitens. Es wird ein wettbewerbliches Element in
das System zurückgebracht.
Drittens. Wir entkoppeln die Arbeits- von den Gesundheitskosten.
Damit zeigt die Koalition, dass sie in der konkreten
Situation sehr wohl handlungsfähig ist. Das gefällt Ihnen
nicht. Aber Sie werden damit leben müssen.
({6})
Darüber hinaus zeigt die Koalition, dass wir in der
Lage sind, Ansätze für weitere Reformschritte zu schaffen.
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition,
({8})
wenn wir von Ihnen auf dem Weg dorthin stets nur mit
Spott und Häme begleitet werden
({9})
- und vielleicht ab und zu auch mit der Beschreibung
eines Quäntchens Wahrheit, lieber Herr Kollege
Lauterbach -, dann sage ich Ihnen hier: Ja, das ist richtig. Es war nicht einfach, dahin zu kommen. Aber in dieser Koalition werden die Dinge eben miteinander ausgetragen.
({10})
Wir geben in der Sache nicht auf, wie Sie das getan haben.
In Ihrer Regierungszeit standen Sie vor den gleichen
Problemen. Sie haben allerdings schon kapituliert, als sie
sich andeuteten, während diese Koalition nun Lösungen
anbietet.
Auf der Suche nach diesen Lösungen mussten wir
selbstverständlich auch verschiedene Interessen innerhalb dieser Koalition integrieren. Dazu stehen wir auch.
Diese Integration hat Philipp Rösler geschafft. Dafür
gebührt ihm der Dank dieser Regierungskoalition;
({11})
denn damit ist ein Reformprojekt auf den Weg gebracht
worden, welches Sie in Ihrer gesamten Zuständigkeit für
das Ministerium nicht haben auf den Weg bringen können.
({12})
Lassen Sie mich nun zur Verteilung der Lasten kommen. Ich bin schon ziemlich beeindruckt davon, dass Sie
ganz pauschal weitere Einsparungen fordern, Frau Kollegin Ferner; jetzt ist sie nicht mehr da.
({13})
Dann erklären Sie doch einmal konkret, wie das in Krankenhäusern in diesem Land gemacht werden soll. Wie
wollen Sie bei der gerade schon angesprochenen Personalkostenquote denn noch kürzen?
({14})
- „Tarifverträge“ ist das richtige Stichwort. Erklären Sie
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern doch einmal, worauf Sie dabei zielen. Sie können auf gar nichts
anderes zielen, wenn Sie weiterhin pauschale Nullrunden fordern.
Genau das hat diese Koalition nicht getan. Vielmehr
hat sie sich um eine differenzierte Lösung bemüht. Darauf kommt es in den heutigen Zeiten an.
Dass auch schwierige Fragen in diesem System von
dieser christlich-liberalen Koalition gelöst werden können, haben wir bewiesen.
({15})
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({16})
Das Wort hat nun Kollegin Mechthild Rawert für die
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, dass bisher viel zu wenig auf die heutige
Presse eingegangen worden ist.
({0})
- Danke für die Reaktion. - Die Presse spricht es genau
aus. Ich habe keinen einzigen Artikel gefunden, in dem
Ihr Reförmchen gelobt worden wäre.
Die meisten Journalisten haben darauf Bezug genommen, dass Sie sich hier quasi ein Reförmchen gebacken
haben, das eine Lizenz zum Auspressen der Beitragszahler und Beitragszahlerinnen ist,
({1})
und dass dieses Reförmchen auch einem Ankündigungsminister nicht gerecht wird.
Herr Henke, Sie sprachen von einem Phantom der
Kopfpauschale. In diesem Fall haben Sie nicht recht: Die
Kopfpauschale kommt. Denn Sie haben sie beschlossen.
Der Zusatzbeitrag ist eine Kopfpauschale. Herr Lindemann,
Sie haben gesagt, dass in dieser Koalition alles ausgetragen worden ist. Ja, es ist richtig: Sie haben neun Monate
gebraucht, um überhaupt zu irgendeinem Ergebnis zu
kommen.
({2})
Schon Horaz sagte: „Der Berg kreißte und gebar eine
Maus.“ Es ist damit zu rechnen, dass für 2011 ein Vorschaltgesetz verabschiedet wird. Wir werden dann sehen, von wem die weiteren Kosten getragen werden.
Sie sprechen hier von Eigenverantwortung und Solidarität. All Ihre Ankündigungen, bei Leistungserbringern und Lobbyisten 4 Milliarden Euro einzusparen,
sind nebulös. Es wird unsolidarisch zugehen. Es wird so
sein, dass Leistungserbringer, Ärzte, Apotheker und all
die anderen, die meine Kollegen und Kolleginnen schon
erwähnt haben, diesen Leistungsbeitrag nicht als Einsparmaßnahme erbringen werden. Ich bin gerne bereit,
darüber eine Wette einzugehen.
({3})
Aber fest steht, dass Sie die Versicherten als Melkkühe missbrauchen werden. Gott sei Dank gibt es in Ihren Fraktionen mittlerweile Sozialpolitiker, die dies erkannt haben. Wir werden eines sehen - ich bin
Gewerkschaftsmitglied, und ich bin mir sicher, auch auf
der rechten Seite dieses Hauses gibt es vereinzelt Gewerkschaftsmitglieder -:
({4})
Es wird zu einer massiven Konfrontation zwischen den
Gewerkschaften, zwischen arbeitnehmerfreundlichen Institutionen und dieser Regierung kommen, weil Sie eine
einseitige, unsolidarische Belastung vornehmen. Wir
werden uns das nicht bieten lassen.
({5})
Noch etwas zum Thema „Eigenverantwortung und
Solidarität“. Jeder Arzt steht auf der stärkeren Seite. Ein
Patient ist im Arzt-Patient-Verhältnis auf Wahrheit angewiesen. Jeder Arzt kann einem Laien - das bin ich in der
Regel - erklären, was er braucht. Warum gibt es denn in
München mehr Herzkatheter als in ganz Norditalien?
Wahrscheinlich nicht nur, weil die Ärzte in München
besser sind, sondern auch, weil sie verkaufstüchtiger
sind als diejenigen in Norditalien. Warum wird mittlerweile so viel über IGeL-Leistungen geklagt? Weil die
Ärzte auch außerhalb des medizinisch Notwendigen ihre
Geschäfte machen. Patienten und Patientinnen sind auf
sachgerechte Informationen angewiesen.
({6})
Kommen wir zum Thema Parität. Schwarz-Gelb hat
Parität neu definiert. Das Wort „Parität“ ist abgeleitet
vom Lateinischen „par“: gleich, gleich stark. Was machen Sie? Die Beiträge werden auf 7,3 Prozent festgesetzt. Die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden allerdings um 0,9 Prozentpunkte erhöht.
({7})
Hinzu kommen die explosionsartig steigenden Zusatzbeiträge, „kleine Kopfpauschalen“ genannt. Hierzu sage
ich Ihnen voraus: Wir werden uns das als Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen, als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen in dieser Form nicht gefallen lassen.
({8})
Der Wegfall der Deckelung von 1 Prozent und die
von Ihnen beschlossene Erhöhung der Pauschale auf
2 Prozent werden noch zu vielfältigen Irritationen und
Auseinandersetzungen führen, sodass ich mir weitere
Ausführungen dazu im Augenblick sparen kann.
Ich möchte schließen mit dem, was Frau Merkel 2003
in Leipzig gesagt hat:
Es ist Teil unseres christlichen Menschenbildes,
dass die Gesundheit jedes einzelnen Menschen, ob
Sekretärin oder Chef, gleich viel wert ist. Deshalb
sind die Kosten, die für die Gesundheit der Sekretärin und des Chefs anfallen, gleich hoch. Anders
geht es nicht, ansonsten sind wir bei einer Zweiklassenmedizin. Diese Überlegungen ergeben eine
Prämie …
Wir haben die Zusatzprämie.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Tatsache ist: Die Sekretärin zahlt mehr, der Chef wird
weniger zahlen. Aber wir werden noch sehen, wie wir
seitens der Opposition unseren aktiven Beitrag zu einem
besseren Gesundheitssystem gestalten.
Einen wunderschönen Tag!
({0})
Das Wort hat nun Kollegin Karin Maag für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass Sie - ich rede
jetzt direkt mit der SPD und den Linken - je einzeln Gott sei Dank haben wir morgen dieselbe Diskussion
noch einmal ({0})
zum Sturm auf die Regierung geblasen haben.
Liebe Frau Ferner, liebe Frau Rawert
({1})
- Frau Ferner ist wieder da -,
({2})
ich habe erwartet, dass Sie nicht dieselben Reden hervorziehen, die Sie seit einem Dreivierteljahr halten,
({3})
sondern eine Rede halten, in der Sie auf das Ergebnis
eingehen. Aber in Gottes Namen, wir können damit leben.
({4})
Ich sage Ihnen jetzt einfach erst einmal vielen Dank für
so viel heiße Luft.
({5})
Jetzt komme ich zu dem, was uns vorgeworfen wird.
Ich sage dazu: Wir machen Deutschland fit für die Zukunft. Unser Gesundheitspaket ist ein Baustein eines
Programms.
({6})
Dazu gehört vor allem, dass wir Deutschland aus der
größten Wirtschaftskrise bisher geführt haben. Wir haben ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschaffen,
({7})
mit 8,5 Milliarden Euro Entlastung für Familien. Wir haben mit Steuersenkungen für eine Entlastung von
25 Milliarden Euro gesorgt. Allein die steuerliche Absetzbarkeit der GKV-Beiträge bringt deutlich mehr Netto
vom Brutto.
({8})
Wir haben es in der Krise geschafft, die Lohnzusatzkosten nicht steigen zu lassen. Nur zur Erinnerung: Von
Ihnen haben wir aus der letzten Legislaturperiode einen
Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent übernommen. Wir sind jetzt bei 2,8 Prozent. Selten,
Frau Bunge, mussten Arbeitnehmer weniger zahlen. Das
ist einfach eine Tatsache.
Jetzt schaffen wir die Schuldenbremse. Nur am
Rande: In NRW,
({9})
wo Sie jetzt wieder die Regierung stellen, gehen Sie in
die Neuverschuldung. Der Bund spart. Der Bund senkt.
Insoweit brauchen wir uns hier von Ihnen nicht belehren
zu lassen.
({10})
All das hat auch Wirkung gezeigt. Wir liegen jetzt mit
3,1 Prozent bei der Arbeitslosigkeit im Bereich des Wertes von vor der Krise. Die Wirtschaft ist wieder angesprungen.
({11})
Lieber Herr Lauterbach, das Wunder von Berlin findet
tatsächlich statt.
Jetzt komme ich ganz konkret zur Gesundheit. Man
kann es nicht oft genug sagen: Die gesundheitliche Versorgung bei uns im Lande ist gut. Sie wird mit dem medizinischen Fortschritt natürlich teurer, nie mehr billiger,
und das müssen Sie den Menschen erklären! Ich nenne
die Transplantationsmedizin; inzwischen Regelversorgung. Ich nenne die Kardiologie, die kostenintensive
Prä- und Neonatalmedizin. Meine Kollegen haben es bereits gesagt: Wir haben eine Antwort gegeben auf ein
von den gesetzlichen Kassen prognostiziertes Defizit
von 9 bis 11 Milliarden Euro, das Sie mit verursacht haben. Wir erreichen in einem ersten Schritt Einsparungen
in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in 2011 und in Höhe
von 4 Milliarden Euro in 2012.
Natürlich kann man in allen Bereichen noch mehr
sparen. Der Gesundheitsbereich ist aber ein Wachstumsmarkt; das verkennen Sie, meine Damen und Herren. Ich
bin davon überzeugt, dass wir die Gratwanderung zwischen „Wachstum zulassen“ und „Kosten in den Griff
bekommen“ vernünftig geschafft haben.
({12})
- Liebe Frau Ferner, Sie haben vorher geredet. Wenn Sie
nicht Ihre Nullachtfünfzehn-Rede gehalten hätten, müssten Sie jetzt nicht dauernd dazwischenrufen.
({13})
Gleichzeitig verbessern wir die Strukturen und schaffen mehr Transparenz. Mit dem Konjunkturpaket II haben wir zum 1. Januar 2009 für die Versicherten den
Kassenbeitragssatz gesenkt. Jetzt, am Ende des Tunnels,
wenn die Wirtschaft wieder anspringt, halte ich es geradezu für selbstverständlich, diese Senkung wieder auslaufen zu lassen. Das heißt, wir kehren zum Satz von
15,5 Prozent zurück. Aber natürlich haben wir auch
6 Milliarden Euro zusätzlich im Fonds für die Kassen
und damit für die Versicherten.
Wir haben es auch geschafft, wie wir von Anfang an
gesagt haben, den Arbeitgeberbeitrag jetzt auf 7,3 Prozent festzuschreiben - das schaffen wir mit der Streichung der Gleitklausel - und, wie versprochen, die
Krankenversicherungskosten dauerhaft von den Arbeitskosten zu entkoppeln. Wir sichern damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, den Aufschwung und
vor allen Dingen die Arbeitsplätze in Deutschland.
Wir machen die Kassen zukunftsfest. Wir sparen;
gleichzeitig werden die Einnahmen erhöht, und es wird
vor allen Dingen der Wettbewerb zwischen den Kassen
für die Bürger über den Zusatzbeitrag endlich in Euro
und Cent sichtbar.
Die Wahrheit ist immer konkret.
({14})
Bevor Sie jetzt also mit weiteren Horrorszenarien die
Bürger verunsichern, lassen Sie mich sagen: Das System
2011 ist ausfinanziert. Es sind nach den Berechnungen
des Bundesversicherungsamtes keine weiteren Zusatzbeiträge notwendig. Der Zusatzbeitrag wird bis 2014 im
Monat 16 Euro nicht überschreiten.
({15})
- Ich wette mit Ihnen.
Auch darauf bin ich stolz: Wir haben den Sozialausgleich entgegen Ihren Unkenrufen tatsächlich geschafft.
Wir schützen die Schwächeren in der Gesellschaft.
Übersteigt der Zusatzbeitrag 2 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens, wird automatisch,
ohne dass ein Antrag gestellt werden muss, der Mehrbetrag ausgeglichen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
({0})
Ich komme zum Ende. - Wir werden die weiteren
Strukturreformen anpacken. Wir tun das, was Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, in den letzten elf
Jahren nicht geschafft haben: Wir sichern die Zukunft
der GKV.
Vielen Dank.
({0})
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestag auf morgen, Donnerstag, den 8. Juli 2010, 9 Uhr,
ein.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen, erfolgreichen
Fußballabend.
Die Sitzung ist geschlossen.