Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/12/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich eröffne die Sitzung. Ich begrüße Sie sehr herzlich zur Fortsetzung unserer heutigen Beratungen, bei denen es um die weitere Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin geht. Ich erinnere daran, dass wir am Dienstag für heute dreieinhalb Stunden vorgesehen haben. Wir beginnen mit dem Themenbereich Gesundheit. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Bundesminister für Gesundheit Dr. Philipp Rösler. ({0})

Philipp Rösler (Minister:in)

Politiker ID: 11005301

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesundheit ist für die Menschen in Deutschland ein enorm hohes Gut. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP steht dafür, dass jeder, unabhängig von Einkommen, Alter, sozialer Herkunft und gesundheitlichen Risiken, den Zugang zu unserem Gesundheitssystem erhalten kann und dass unsere Gesundheitssysteme auch zukünftig finanzierbar bleiben. Das ist das erklärte Ziel dieser neuen Regierungskoalition. ({0}) In den letzten 20 Jahren gab es alle zwei bis drei Jahre eine Gesundheitsreform. Allzu häufig hatten die Menschen das Gefühl, dass es zwar teurer, aber nicht immer besser geworden ist. Wir sind angetreten, genau das zu ändern. Die meisten Reformen waren der Versuch, die Lohnzusatzkosten, die Beitragssätze zu senken oder wenigstens stabil zu halten. Aber angesichts der demografischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschrittes mussten diese Versuche immer wieder in Kostendämpfungsgesetzen enden. Wer aber wirklich will, dass die künftigen Kostensteigerungen im Gesundheitssystem nicht automatisch zulasten des Faktors Arbeit gehen, muss zu einer weitestgehenden Entkopplung von den Krankenversicherungskosten und den Lohnzusatzkosten kommen. Nicht weil wir den Arbeitgebern einen Gefallen tun wollen, ({1}) sondern weil wir Arbeitslosigkeit verhindern müssen. ({2}) Deswegen ist es richtig, den sogenannten Arbeitgeberanteil festzuschreiben. Das schafft nicht nur neue Möglichkeiten im Krankenversicherungssystem, ({3}) sondern sorgt insgesamt für Wachstum und Beschäftigung. ({4}) Die Gesundheitsbranche ist mit über 4 Millionen Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 250 Milliarden Euro heute schon der größte Arbeitgeber in Deutschland. Es gibt darüber hinaus erhebliche Wachstumspotenziale. ({5}) Wer diese Potenziale heben will, der braucht ein wettbewerbliches System. ({6}) Es gibt in Deutschland kaum ein System, das regulierter und mit mehr Bürokratie belastet ist als das deutsche Gesundheitssystem. Das gilt es in dieser Legislaturperiode zu ändern. ({7}) Wir brauchen in der Krankenversicherung ein klares System der Ordnung, das sich aber nicht anmaßt, alles ständig lenken zu wollen. Der freie und faire Wettbewerb ist auch in der Krankenversicherung der bessere Weg, ({8}) Redetext besser als der Weg der Einheitskasse und der staatlichen Zwangswirtschaft. ({9}) Deswegen ist „eine Kultur des Vertrauens“ ein wesentlicher Bestandteil in unserem Koalitionsvertrag. ({10}) Ich habe angefangen, Medizin zu studieren, weil ich mit Menschen zu tun haben wollte, die sich auch so benehmen. ({11}) Nach meinem Studium musste ich feststellen, dass Qualitätssicherungsbögen und Arbeitsdokumentationen offensichtlich wichtiger sind als die Qualität und die Arbeit am und mit den Menschen. ({12}) Da habe ich mich entschieden, in die Politik zu gehen, die Bürokratie zu beenden und endlich mehr Zeit für Menschen zu schaffen. ({13}) Wir vertrauen den Menschen, die Leistung in Anspruch nehmen, aber wir vertrauen auch den Menschen, die Leistung erbringen, immerhin mit dem hohen ethischen Ziel, Menschen in Not zu helfen. Wettbewerb in der Krankenversicherung, im Bereich der Gesundheit heißt Wahlfreiheit für Patienten und Versicherte, aber auch für Leistungserbringer. ({14}) Wer Kosten wirklich dämpfen will, der braucht keine Gesetze, Verordnungen und Vorschriften, sondern sollte auf den aufgeklärten und mündigen Patienten und auf den eigenverantwortlich Versicherten setzen. ({15}) Frau Bundeskanzlerin Merkel hat am Dienstag in der Regierungserklärung für diese Koalition deutlich auf den Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung hingewiesen. Verantwortung heißt eben auch, zu erkennen, dass es einen Unterschied zwischen einem freien und wettbewerblichen Gesundheitssystem als Teil eines sozialen Sicherungssystems auf der einen Seite und einem beliebigen wettbewerblichen System auf der anderen Seite gibt. ({16}) Der Unterschied lässt sich in einem Begriff zusammenfassen: Solidarität. ({17}) Solidarität und Eigenverantwortung sind keine Gegensätze. Ganz im Gegenteil: ({18}) Wir setzen auf die Eigenverantwortung. Wir wissen aber, dass jeder in eine Situation kommen kann, in der er auf die Solidarität der anderen angewiesen ist. Solidarität heißt: Der Starke hilft dem Schwachen; nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. In Bezug auf das Krankenversicherungssystem heißt das eben, dass die starken Gesunden den schwächeren Kranken helfen müssen. Dieses Ausgleichssystem gehört in die gesetzliche Krankenversicherung. ({19}) Aber den weiteren Ausgleich, den es dort gibt, den Ausgleich zwischen Arm und Reich, halten wir in der Gesundheitsversicherung für wenig treffsicher und deswegen für sozial ungerecht. ({20}) Ich möchte hier ausdrücklich festhalten: Es wird in jeder Gesellschaft einen Ausgleich zwischen Arm und Reich geben müssen, aber eben nicht im Gesundheitssystem. Dieser Ausgleich ist besser aufgehoben im Steuer- und Transfersystem; denn im Gesundheitssystem gibt es einen einheitlichen Beitragssatz von 14,9 Prozent, und die Solidarität endet bei der Beitragsbemessungsgrenze. Im Steuersystem hingegen wird jeder mit all seinen Einkünften nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert, ({21}) und jeder, übrigens auch die privat Versicherten, wird finanziell für die Gemeinschaft verpflichtet. Für CDU, CSU und FDP enden Solidarität und Gerechtigkeit eben nicht bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 3 750 Euro. ({22}) Verantwortung heißt aber auch, die Frage zu beantworten, wie wir das bestehende System in ein neues überführen können, ohne dabei die Menschen und die sozialen Sicherungs- und Transfersysteme zu überlasten. Jeder von uns weiß: Das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Aber trotzdem muss man den Mut haben, in dieser Legislaturperiode zu beginnen. Angesichts der demografischen Entwicklung stehen wir in der Verantwortung, für mehr als 80 Millionen Menschen ein robustes Krankenversicherungssystem auf den Weg zu bringen. Robust heißt, dass die Menschen die Gewissheit haben können, dass das Geld, das sie heute einzahlen, auch morgen für Vorsorge und Versorgung zur Verfügung steht. Diese Gewissheit ist ein wesentliches Element einer erfolgreichen Gesundheitsreform. ({23}) Ebenso müssen wir unsere Pflegeversicherung reformieren. Nicht jeder von uns hat Kinder, aber jeder von uns hat Eltern. Genauso wie Verantwortung in der Gesellschaft heißt, dass Eltern für ihre Kinder Verantwortung übernehmen, müssen auch Kinder eines Tages, in Alter und Pflege, für ihre Eltern Verantwortung übernehmen. Darauf müssen wir unser Pflegeversicherungssystem ausrichten. Die Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 90er-Jahre hat vielen Menschen geholfen. Aber jetzt ist es dringend an der Zeit, das Umlageverfahren Pflegeversicherung um eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung zu ergänzen; ({24}) denn Solidarität in der Pflege heißt, dass die Jungen den Älteren helfen. Aber wir brauchen nicht nur Solidarität, sondern auch Gerechtigkeit. Deswegen ist es richtig, die Pflegeversicherung endlich generationengerechter auszugestalten als bisher. ({25}) Die Reformen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung werden in dieser Legislaturperiode vielleicht nicht die einfachsten Aufgaben für diese Koalition sein. Aber wenn es einfach wäre, dann hätten ja auch Sie regieren können. ({26}) Der Wähler hat anders entschieden. Das Ziel ist klar. Packen wir es an. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({27})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion. ({0})

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Rösler, zunächst einmal möchte ich Sie im Namen der SPD-Bundestagsfraktion zu Ihrer Ernennung beglückwünschen. Ich hätte Ihnen auch gern viel Erfolg für Ihre Arbeit gewünscht, aber Ihre Gesundheitspolitik ist so grundlegend falsch, dass man das beim besten Willen nicht machen kann. ({0}) Ich muss sagen: Ich war bei Ihrer Rede schon etwas erstaunt, dass Sie als Arzt nicht den Patienten und die Patientin in den Mittelpunkt Ihrer Gesundheitspolitik stellen, ({1}) sondern eine Kopfpauschale, die zu einer Dreiklassenmedizin führen würde. ({2}) Sie haben eine Koalitionsvereinbarung für den Bereich Gesundheit und Pflege gemacht, die eine Aneinanderreihung von Formelkompromissen ist. Offenbar waren alle, die da zusammengesessen haben, so berauscht von ihrem Wahlsieg, dass sie gar nicht gemerkt haben, was sie da aufgeschrieben und unterschrieben haben. Dann war der Kater über die künftige Gesundheitspolitik so groß, dass das alles sehr unterschiedlich interpretiert worden ist. Ich möchte eine kleine Auswahl vortragen. Markus Söder: „Der Fonds ist Geschichte. Es wird ein neues System etabliert.“ Alexander Dobrindt: „Es steht kein Systemwechsel an.“ Ronald Pofalla: „Der Fonds bleibt. Er ist der richtige Weg.“ Birgit Homburger: „Der Fonds kann nicht bleiben. Das ist ganz klar vereinbart. Wir brauchen einen schnellen Systemwechsel.“ Horst Seehofer: „Ein Gesundheitssystem, in dem die Lasten solidarisch verteilt sind, gehört zu meinem MarkenKern. Der steht nicht zur Disposition. Punkt.“ Das ist die Bandbreite in dieser Koalition. Herr Schäuble sagt dann auch noch: „Im Koalitionsvertrag steht, was wir anstreben.“ Ich füge hinzu: Aber nicht das, was wir machen werden. - Das ist die Politik, die Sie hier der Bevölkerung bieten. ({3}) Sie wollen vor der NRW-Wahl die Katze nicht aus dem Sack lassen. Auch haben Sie keinen Gestaltungswillen. Denn diese Koalition stützt auch in der Gesundheitspolitik eine Regierung, die die Probleme konsequent ausblendet, liegen lässt und sogar noch verschärft. Sie machen Politik gegen die Mehrheit der Menschen in unserem Land. Das ist das Schlimmste an dem, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht. ({4}) Wer den Anspruch erhebt, unser Land regieren zu wollen, muss sich den Aufgaben stellen und die Verantwortung für politische Entscheidungen übernehmen, anstatt sich hinter Regierungskommissionen und Prüfaufträgen zu verstecken. Konkret werden Sie dann, wenn es um die Begünstigung Ihrer eigenen Klientel geht. In einer Zeit, in der Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen, viele bereits arbeitslos oder in Kurzarbeit sind oder auf Einkommen verzichten, um Arbeitsplätze zu retten, stellen Sie Ärzten, Apothekern und Pharmaindustrie zusätzliche Einkünfte in Aussicht. Die Rechnung für diese Wahlgeschenke geht allein an die gesetzlich Versicherten; denn die Arbeitgeber sollen an den Ausgabensteigerungen künftig nicht mehr beteiligt werden. Sie haben vereinbart - Herr Rösler sagte das ja eben -, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. Damit kündigen Sie das bisher tragende Prinzip der paritäti276 schen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf. ({5}) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Rentner und Rentnerinnen müssen dann deutlich tiefer in die Tasche greifen. Aber auch die privat Versicherten kommen nicht ungeschoren davon; denn sie müssen bei den ohnehin schon ständig überproportional steigenden Versicherungsprämien mehr zahlen, weil auch ihr Arbeitgeberzuschuss eingefroren wird. Sie wälzen damit alle künftigen Kostensteigerungen, ob wegen des demografischen Wandels oder wegen des medizinischen Fortschritts, alleine auf die Versicherten ab. Das bedeutet, dass sich in Zukunft kaum einer noch eine vernünftige Krankenversicherung wird leisten können. ({6}) Sie entlassen die Arbeitgeber auch aus der Kostenverantwortung. Bisher hat die Arbeitgeberseite über die Verwaltungsräte in den Krankenkassen immer mit darauf geachtet, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Das wird künftig anders sein. Das heißt, die Versicherten werden noch mehr belastet. Das ist alles andere als mehr Netto vom Brutto. Das ist weniger Netto vom Brutto. ({7}) Besser, als Norbert Blüm es am 26. Oktober dieses Jahres gesagt hat: „Die Sozialpartnerschaft wird langsam, aber stetig plattgemacht“, kann auch ich das nicht charakterisieren. Sie gehen noch einen zweiten Weg, nämlich den Weg „Privat vor Staat“. Sie wollen das größte Lebensrisiko, das Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden, Schritt für Schritt privatisieren, koste es den oder die Einzelne, was es wolle, Hauptsache, die eigene Klientel ist gut versorgt. Bei der FDP kennen wir das nicht anders, das wundert niemanden, aber CDU und CSU verabschieden sich in der Gesundheitspolitik gerade von ihrem Status als Volkspartei. ({8}) Es sollte Ihnen zu denken geben, dass Ihr Koalitionsvertrag nur von der Arbeitgeberseite, der Ärzteschaft, der Apothekerschaft und der Pharmaindustrie gelobt wird, aber nicht von den Krankenkassen, den Gewerkschaften, den Sozial- und Patientenschutzverbänden und den Verbraucherverbänden. Die lassen an Ihrem Koalitionsvertrag kein gutes Haar. Sie machen eine Gesundheitspolitik gegen mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherte in unserem Land. Sie wollen das solidarischste Sozialversicherungssystem, das wir haben, dem Ellenbogenprinzip preisgeben. ({9}) Mit dem, was Sie vorhaben, gehen Sie den Weg in die Dreiklassenmedizin, anstatt die Zweiklassenmedizin zu überwinden. ({10}) Das untere Drittel unserer Gesellschaft wird zu Bittstellern, um die von Ihnen geplante unsoziale Kopfprämie überhaupt bezahlen zu können. Das zweite Drittel - diejenigen, die noch genug Geld haben und noch gesund genug sind, um sich zusätzlich zu versichern - kann dann vielleicht gerade noch am medizinischen Fortschritt teilhaben. Und die privat Versicherten nehmen nach wie vor im Erste-Klasse-Wartezimmer mit schneller Terminvereinbarung Platz. Sie planen nichts anderes als den Kahlschlag in unserem Gesundheitssystem ({11}) - um das uns viele im Ausland beneiden -, nur um Ihre neoliberale und marktradikale Ideologie durchzusetzen. ({12}) Die FDP ist wenigstens so ehrlich gewesen, dies vor der Wahl klipp und klar zu sagen, die CDU hat, ohne es den Wählern zu sagen, auf ihr Kopfprämienmodell zurückgegriffen, und die CSU, deren Vorsitzender Horst Seehofer immer gegen die Kopfprämie gewesen ist, ist nach der Wahl umgefallen wie ein nasser Sandsack. ({13}) Das alles läuft nach dem Motto: Vor der Wahl links blinken, nach der Wahl rechts abbiegen. Das haben Sie sich in Nordrhein-Westfalen abgeguckt. Das werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler aber nicht durchgehen lassen. ({14}) Ihre unsoziale Kopfprämie heißt im Klartext, dass die alleinerziehende Sekretärin in Zukunft genauso viel für ihre Krankenversicherung bezahlt wie der Bankdirektor. Der Unterschied zwischen den beiden ist, dass der Bankdirektor weniger bezahlt als vorher, durch den ungerechten Kinderfreibetrag mehr Familienförderung erhält und durch Ihre unfinanzierbaren Steuersenkungen auch noch deutlich stärker entlastet wird als seine alleinerziehende Sekretärin. Mehr Netto vom Brutto für den Bankdirektor, weniger Netto vom Brutto für die Sekretärin, das ist Ihre Politik. ({15}) Sie von der FDP bezeichnen den Gesundheitsfonds als Bürokratiemonster. Erklären Sie uns doch einmal, wie Sie dafür sorgen wollen, dass für mehr als 70 Millionen Versicherte Konten bei den Krankenkassen und bei der Sozialausgleichsbehörde, die Sie einrichten wollen, verwaltet werden und wie die Anträge von 20 bis 30 Millionen Versicherten auf Gewährung eines Sozialausgleichs bearbeitet und beschieden und die entsprechenden Widersprüche bearbeitet werden sollen! Wie wollen Sie das denn machen? Wer den Gesundheitsfonds, wo 21 Leute arbeiten, um 170 Milliarden Euro zu verteilen, ein Bürokratiemonster nennt, der kann das, was Sie hier vorhaben, nur noch als Bürokratiewahnsinn bezeichnen. ({16}) Dieses Geld brauchen wir dringend für die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten, und nicht, um zusätzliche Bürokratie aufzubauen. Ich sage Ihnen: Ihre unsoziale Kopfprämie ist so falsch wie ungerecht. Ich sage Ihnen auch: Sie wird - das werden wir am Ende der vier Jahre sehen, Herr Rösler - nicht kommen. Dann sehen wir uns hier wieder, und dann werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden können, wer die bessere Gesundheitspolitik für sie macht. Wir werden die Kopfprämie verhindern. Wir werden den Weg in die Dreiklassenmedizin nicht mitgehen. Ich bin mir ganz sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung da an unserer Seite steht. ({17}) Was der Sozialtransfer, der nötig wird, wenn Sie auf die Kopfprämie umstellen, kosten würde, ist diese Woche in den Zeitungen eingehend behandelt worden. Sie brauchten für diesen Sozialausgleich zusätzlich 24 bis 35 Milliarden Euro. Wo Sie dieses Geld herzaubern wollen, erst recht, da Sie Steuersenkungen im Umfang von 24 Milliarden Euro vornehmen wollen, bleibt Ihr Geheimnis. Aber Sie können uns im Laufe dieser Wahlperiode darlegen, wie Sie das machen wollen. Ihre Fantasie ist an dieser Stelle noch nicht erschöpft: Sie wollen auch noch die Beitragseinnahmen regionalisieren. Das geht, wenn es nach den Vorstellungen der CSU geht, nach dem Motto: Mein Geld gehört mir. Wie das in Bayern so ist: Wenn ich etwas kriegen kann, dann nehme ich es, und wenn ich etwas geben soll, dann behalte ich es. - Das ist das, was Sie unter Solidarität verstehen. Mit gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West, von denen Frau Merkel diese Woche gesprochen hat, hat das nichts zu tun, auch nicht damit, dass die Starken für die Schwachen einstehen. Das ist eine Politik, die sich insbesondere gegen die Versicherten in den neuen Ländern, aber auch gegen die Versicherten in strukturschwachen Ländern im Westen richtet. Das werden Ihnen die Menschen nicht durchgehen lassen. ({18}) Wer dann glaubt, eine solche Politik machen zu müssen, damit sich die Ärzte am Starnberger See auch noch den Drittporsche leisten können ({19}) und vielleicht die Versicherten in Bayern etwas weniger Beitrag zahlen, der irrt sich; denn wenn in den neuen Ländern oder in strukturschwachen Regionen der alten Länder AOKen in die Knie gehen, muss die AOK Bayern mit haften. Das haben Sie bei den Egoismen, die Sie immer bedienen, offenkundig nicht bedacht. ({20}) Sie wollen den Risikostrukturausgleich zurückführen. Den haben wir erst eingeführt, damit die Kassen, die viele Kranke und Ältere unter ihren Versicherten haben, einen gerechten Ausgleich für ihre Ausgaben bekommen. Wenn es nach Ihnen geht, sollen die Kassen, die die Alten und Kranken versichern, schauen, wie sie zurechtkommen, während die Kassen, die die Jungen und Gesunden versichern, in Geld schwimmen. Das ist doch kein Wettbewerb, Herr Rösler. Bei Wettbewerb muss es doch um die beste Versorgung gehen und nicht um die billigsten Versicherten. ({21}) Dann wollen Sie auch noch an den Leistungsumfang gehen. Was wir davon zu halten haben, werden wir hoffentlich im Laufe dieser Wahlperiode erfahren. In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es: Die Versicherten sollen auf der Basis des bestehenden Leistungskatalogs so weit wie möglich ihren Krankenversicherungsschutz selbst gestalten können. Was soll das heißen? Wollen Sie vielleicht auch noch den Leistungskatalog einfrieren? Soll man die Versorgung mit einem künstlichen Hüftgelenk abwählen können? Was ist damit gemeint? Dazu steht in Ihrem Koalitionsvertrag überhaupt nichts. Sie wollen die Einführung von Festbeträgen prüfen - das wäre endgültig der Weg in die Dreiklassenmedizin -, und sie wollen die Kostenerstattung einführen. Bei der PKV bedanken Sie sich umgehend für die zahlreichen Wahlkampfspenden, die Sie in diesem Jahr erhalten haben, ({22}) indem Sie ihr die bisher gesetzlich Versicherten schneller zuführen: Schon nach einem Jahr soll der Wechsel möglich sein. Wer wechselt denn? Es wechseln nicht die Kranken, es wechseln die, die jung und gesund sind und gut verdienen. Die anderen bleiben allein zurück. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung werden deshalb nicht geringer. Das ist eine Entsolidarisierung, eine Schwächung der Finanzbasis der gesetzlichen Krankenversicherung. Das scheint Ihr vorrangiges Ziel zu sein. ({23}) Bei der Pflege wollen Sie eine private Zwangszusatzversicherung einführen, um einen Kapitalstock zu bilden. Ich weiß nicht, was Sie reitet. In der jetzigen Situation, wo jeder Cent zur Stärkung der Binnennachfrage gebraucht wird, Geld aus dem Wirtschaftskreislauf zu ziehen und in ein privates Versicherungssystem zu leiten, in dem die Abschlusskosten hoch sind und Rendite für die Aktionäre erwirtschaftet werden muss, ist, gelinde gesagt, absurd. Ich sage Ihnen: Auch das wird keinen Erfolg haben. Wenn man dem Gedanken, einen Kapitalstock aufzubauen, nähertreten wollte, könnte man sagen: Wir machen das im System. - Aber wenn Sie eine Bürgerversicherung Pflege und Gesundheit einführen, in der private und gesetzliche Krankenversicherung die Risiken solidarisch ausgleichen, dann brauchen Sie keinen Kapitalstock, dann können Sie alles finanzieren, auch das, was an demografischer Entwicklung und an medizinischem Fortschritt auf uns zukommt und die Kosten natürlich erhöhen wird. Sie sind ganz klipp und klar ein Sicherheitsrisiko für unseren Sozialstaat. ({24}) - Da Sie hier so aufbegehren, scheine ich genau den Punkt zu treffen. ({25}) Sie entsolidarisieren unsere Gesellschaft und bauen in unserem Land neue Mauern auf. Sie bürden die Kostensteigerungen alleine den Versicherten auf, Sie belasten die Bezieher unterer Einkommen und entlasten die Bezieher höherer Einkommen, und Sie schwächen auch die wohnortnahen Versorgungsstrukturen. Das Einzige, was Sie machen, ist, Ihre Klientel zu bedienen. ({26}) Eigentlich müssten die Patienten und Patientinnen im Mittelpunkt Ihrer Politik stehen. ({27}) Das ist leider nicht der Fall. Das Schlimmste ist: Sie werden unser Gesundheitssystem ruinieren. Wir werden das nicht zulassen. Herr Rösler, ich sage Ihnen: Sie sind schon gescheitert, bevor Sie angefangen haben. ({28}) Wir werden uns hier regelmäßig wieder sprechen. ({29}) Ich glaube, Sie sollten Ihren Koalitionsvertrag einfach in den Müll werfen. Damit wäre dem deutschen Gesundheitssystem mehr geholfen als mit dem, was Sie vorhaben. Vielen Dank. ({30})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Wolfgang Zöller. ({0})

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Ferner, Ihre Rede war so geglückt wie die Terminierung des SPD-Parteitages. Er beginnt am Freitag, dem 13., und endet am Volkstrauertag. ({0}) - Auf Ihren Zwischenruf habe ich schon ganz lange gewartet, Frau Künast. - Ich möchte Ihnen nur eines zu bedenken geben: Menschen, die verunsichert werden, können krank werden. Wer dies bewusst macht, der ist krank. ({1}) Jetzt komme ich zu dem, was im Koalitionsvertrag steht. Bisher war es doch so, dass bei Diskussionen über das Thema Gesundheit ausgerechnet über die Gruppe, die es am meisten betroffen hat, am wenigsten geredet wurde, nämlich über die Patienten. Das wird jetzt erfreulicherweise drastisch geändert. Lesen Sie, was als unser Ziel im Koalitionsvertrag steht. Ziel ist, die Patientensouveränität und die Patientenrechte zu stärken. Daher haben wir im Koalitionsvertrag ausdrücklich formuliert: Im Mittelpunkt der medizinischen Versorgung steht das Wohl der Patientinnen und Patienten. ({2}) Was ist denn der beste Schutz für die Patienten? Der beste Schutz für die Patienten ist nach wie vor ein freies, pluralistisch organisiertes und sozial abgesichertes Gesundheitswesen. Das wichtigste Patientenrecht ist der freie, ungehinderte und zeitnahe Zugang zu medizinischen Leistungen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Abstammung und Einkommen. ({3}) Wir wollen eben keine Selektion, und wir wollen auch keine Wartelisten. Die Patienten brauchen Sicherheit, dass sie bei einer schweren Krankheit eine rasche und wirksame Behandlung erhalten. Die Patienten vertrauen mit Recht auf eine gewissenhafte und qualitätsorientierte Ausführung der notwendigen medizinischen Leistungen. Deshalb muss im Gesundheitswesen in erster Linie die Deckung des medizinischen Bedarfs berücksichtigt werden. Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung ist das Leitprinzip des deutschen Gesundheitswesens, und die finanziellen Mittel müssen sich am Versorgungsbedarf orientieren und nicht umgekehrt. Deshalb wollen wir keine Budgetierung. Die Beibehaltung von bestehenden Rechten, wie freier Arztwahl und freier Krankenhauswahl, ist eine elementare Voraussetzung für eine vertrauensvolle ArztPatienten-Beziehung. Der Staat und die Krankenkassen dürfen die Patienten bei der Wahl der von ihnen in Anspruch genommenen Behandler nicht bevormunden. Deshalb lehnen wir eine Einschränkung der freien Arztwahl und eine Pflicht zur Zuweisung an bestimmte Krankenhäuser ab. ({4}) Damit die Patienten diese Wahlrechte ausüben können, brauchen wir ein flächendeckendes Angebot medizinischer Leistungen in Deutschland. Hier sind wir alle aufgefordert. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die drohende und zum Teil schon eingetretene Unterversorgung besonders in den ländlichen Gebieten zu verhindern. ({5}) Daneben brauchen wir Transparenz über Qualität, Leistung und Preise. Die Patienten sollen auch über Art und Ausmaß der bei ihnen erforderlichen medizinischen Maßnahmen wesentlich mitbestimmen können. Bei diesem Entscheidungsprozess werden die Patienten durch vielfältige Ansprechpartner im Gesundheitswesen unterstützt. Wir haben uns vorgenommen, die unabhängige Beratung von Patientinnen und Patienten auszubauen. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Patientenrechte haben in Deutschland durch Gesetze und Rechtsprechung einen hohen internationalen Standard. Dennoch gilt: Wie bei allen guten Systemen gibt es auch bei den Patientenrechten Verbesserungsmöglichkeiten. Dies betrifft insbesondere Rechte bei der Transparenz, der Mitwirkung an Steuerungsentscheidungen im Gesundheitswesen und der Auswahl von unterschiedlichen Versicherungen und Versicherungsleistungen. ({7}) Wir wollen die Patientenrechte in einem eigenen Patientenschutzgesetz bündeln, das wir in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten am Gesundheitswesen erarbeiten werden. Ich möchte auf einige Punkte hinweisen, die in der Diskussion angesprochen werden müssen. Wichtig ist Transparenz. Die Informationsmöglichkeiten der Patienten und Versicherten sollen erweitert werden. Denn nur ein informierter Patient ist auch ein mündiger Patient. Nach wie vor werden Patienten oft wie Bittsteller bei Ärzten und Krankenkassen behandelt. Es wird Zeit, dass wir dafür sorgen, dass die Patienten als Partner anerkannt und respektiert werden. ({8}) Unser Gesundheitswesen braucht daher sowohl mehr ökonomische als auch medizinische Transparenz. Jeder Patient sollte einen einfachen Zugang zu Informationen darüber erhalten, was seine Behandlung kostet und welche Leistungen zum Beispiel der Arzt oder das Krankenhaus mit der Krankenkasse abrechnet. Jeder Patient sollte sich künftig darüber informieren können, welche Qualifikation, Erfahrungen und Behandlungsergebnisse ein von ihm aufgesuchter Leistungserbringer aufzuweisen hat. Der jeweilige Leistungserbringer, seine Berufsvertretung oder die Krankenkassen sollen dann darüber Auskunft erteilen. Jeder Patient hat auch bei anderen Stellen die Möglichkeit, sich über Untersuchungs- und Behandlungsmethoden informieren zu lassen. Dazu sollen Krankenkassen und anerkannte Patientenselbsthilfegruppen oder staatliche Organisationen eine Verpflichtung zur Auskunft erhalten. Diese Stellen müssen - soweit dies nicht schon heute der Fall ist - vermehrt als Dienstleister gegenüber den Patienten agieren. Auf der anderen Seite ist der Schutz der Patientendaten sicherzustellen. Wir brauchen keinen gläsernen Patienten. Der Schutz der Patientendaten sollte Vorrang vor den Informationsansprüchen mancher Krankenkassen haben. ({9}) Ein weiterer Punkt sind die Mitwirkungsrechte. Im Rahmen der Selbstverwaltung der Krankenkassen bestehen schon heute Beteiligungsrechte der Versicherten. Hierbei muss allerdings sichergestellt werden, dass künftig auch einzelne Versicherte oder Versichertenverbände bei der sogenannten Friedenswahl überhaupt eine Chance haben, in diese Gremien gewählt zu werden. Ebenso müssen die versicherten Patienten bei der Festlegung des Leistungskatalogs oder bei der Entscheidung über die Aufnahme oder Herausnahme bestimmter medizinischer Maßnahmen in die bzw. aus der Leistungspflicht der Krankenkassen mehr Mitwirkungsrechte erhalten. Hier stellt sich die Frage, ob die Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss ausreichend Einfluss nehmen können oder ob man dies verbessern kann. Wir lassen den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten. Die Union hat schon in der letzten Legislaturperiode Verbesserungen erzielt, zum Beispiel die Möglichkeit der Kostenerstattung oder die Möglichkeit von Selbstbehalten. Wenn man aber den Versicherten zubilligt, ausreichende sozialpolitische Kompetenz zu haben, und sie durch eine verbesserte Information und Transparenz dazu in die Lage versetzt, dann sollte man den Versicherten auch vermehrt Verantwortung übertragen und für sie mehr Wahlmöglichkeiten erwirken. Hier müssen die Krankenkassen mehr unterschiedliche Versorgungsangebote machen. ({10}) Lassen Sie mich einen Bereich ansprechen, der unbedingt einer Verbesserung bedarf: die Organspende. Bei Organspende und Organtransplantation haben wir wirklich dringenden Handlungsbedarf. ({11}) Wenn man sieht, dass wir es nach dem letzten Gesetz, das schon 1997 beschlossen wurde, nicht geschafft haben, mehr freiwillige Spenden zu akquirieren, dann muss man sagen, dass es notwendig ist, dass wir eine kritische Bestandsaufnahme machen. Als erste Maßnahme wäre wichtig, dass man die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen im Krankenhaus so gestaltet, dass man unserem Ziel näherkommen kann. ({12}) Wir werden zudem mit einer umfassenden Kampagne in der Bevölkerung weiterhin dafür werben, durch Organspende Leben zu retten. ({13}) Lassen Sie mich noch einen anderen Punkt ansprechen, der uns sehr am Herzen liegt. Es ist uns ein großes Anliegen, die Diagnose- und Therapiefreiheit wiederherzustellen. Listenmedizin und enge Behandlungsrichtlinien werden dem nicht gerecht. So ist zum Beispiel der Arzneimittelbereich völlig überreguliert. Es muss die Frage beantwortet werden: Wird mit den Rabattverträgen das politisch gewollte Ziel erreicht, bei patentgeschützten Arzneimitteln oder anderen Nichtfestbetragsarzneimitteln Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen? Stehen die erreichten Einsparungen im richtigen Verhältnis zu den Problemen, die mit der Umstellung auf Rabattverträge bei Patienten und in den Apotheken entstanden sind? Ich bin fest davon überzeugt - das ist nun einmal leider eine Tatsache -: Die Verunsicherung der Patienten darüber, in den Apotheken regelmäßig ein anderes Arzneimittel bekommen zu müssen, ist mit ausschlaggebend für die große Verunsicherung. Wenn wir ganz ehrlich sind: Letztendlich bestimmt zurzeit die Krankenkasse per Rabattvertrag, welches Arzneimittel der Versicherte erhält. Dies ist mit unseren Vorstellungen von Therapiefreiheit nicht vereinbar. ({14}) Liebe Kollegin Ferner, Sie werden vielleicht anhand meiner Ausführungen bemerken, dass wir nicht nur über Patienten reden, sondern dass wir auch schon im Koalitionsvertrag richtungsweisende Punkte für die Patienten festgelegt haben. Wir sollten in diesem Haus gemeinsam versuchen, unser Gesundheitswesen ideologiefrei zu gestalten, sodass Versorgungssicherheit für die Patienten, Planungssicherheit für die Leistungserbringer und Finanzierungssicherheit unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung langfristig sichergestellt werden können. Vielen Dank. ({15})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Martina Bunge für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Martina Bunge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003743, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine groteske Situation: Der Reformbedarf für die Sicherung einer bedarfsgerechten, wohnortnahen, gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung ist da. Neue Herausforderungen brauchen eine dauerhafte und gerechte Finanzierungsgrundlage. Was geschieht? Die Große Koalition der letzten vier Jahre hat diese Aufgabe nicht gepackt. Der vorliegende Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb wird jeden Tag neu interpretiert; Kollegin Ferner hat die entsprechenden Zitate gebracht. Die Meldungen häufen sich, was alles nicht geht. Auch wenn Sie Ihre Vorhaben im Detail noch hinter 16 Prüfaufträgen einer Kommission und einer Arbeitsgruppe verstecken, eines ist klipp und klar: Hier ist von Schwarz-Gelb ganz offen eine Systemwende angesagt, Neoliberalismus pur. Der Verachtung des Staates stellen Sie die Vergötterung des Marktes gegenüber. Was Sie machen, ist keine Gesundheitspolitik. Das ist Wirtschaftspolitik. ({0}) Die Gesundheit aller ist der Linken zu wichtig, als dass wir auch nur einen Schritt in diese Richtung mitgehen. Wir werden dafür streiten, das Schlimmste zu verhindern. Wir werden Ihrer Marktradikalisierung unsere solidarische Ausgestaltung als Alternative gegenüberstellen. ({1}) Ihre Lösung ist die Aufkündigung der Solidarität. Mit dem Einfrieren der Beiträge für die Arbeitgeber entlassen Sie diese vollends aus der Solidarität. Durch die Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung und durch den Kapitalstock in der Pflegeversicherung wird die Zeche allein den Versicherten und Patientinnen und Patienten aufgebürdet. Das ist ein sozialpolitischer Skandal. ({2}) Den Gutverdienenden machen Sie Geschenke. Aber die Niedrigverdiener sind künftig keine selbstbewussten Versicherten mehr, sondern sie werden zu Bittstellern beim Staat. Herr Minister, das machen Sie ganz bewusst, das haben Sie gerade bestätigt. Sie geben die GesundDr. Martina Bunge heitspolitik vollends in die Fänge des Finanzministers. Er hat schon gestöhnt, dass die Gesundheitspolitik sein größtes „Sorgenkind“ ist. Was dann von einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung übrig bleibt, liegt auf der Hand. Wie könnte es anders sein, gibt es in Ihrem Koalitionsvertrag doch ein klares Bekenntnis zur privaten Krankenversicherung. Für dieses einzigartige Konstrukt in Europa, neben der gesetzlichen einen eigenständigen Vollversicherungszweig der privaten Versicherung zu haben, schaffen Sie wieder erleichternde Bedingungen. So können sich Gutverdienende weiter aus der Solidarität verabschieden. ({3}) Wir stellen all dem unseren Vorschlag einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung entgegen. Alle zahlen in diese Versicherung ein. Damit wird die Beitragslast auf mehr Schultern verteilt. Alle Einkommen, also auch Miet-, Pacht- und Kapitalerträge, werden einbezogen. Das bringt eine breitere Basis. ({4}) Die Arbeitgeber sind mit hälftigen Beiträgen auf Lohn und Gehalt paritätisch dabei. Auf dieser neuen Basis würde ein Beitragssatz von 10 Prozent, also 5 Prozent für die Arbeitgeber und 5 Prozent für die Versicherten, ausreichen, um all das zu bezahlen, was heute bezahlt wird. Die Zuzahlung und die Praxisgebühr könnten sogar abgeschafft werden. ({5}) Sicherlich ist das ein diametral entgegengesetzter Ansatz, aber dieser Ansatz ist gerecht und bildet die gegenwärtigen Verhältnisse ab. Dieser Vorschlag knüpft an das Leistungsvermögen der Versicherten an, an das, wovon heutzutage gelebt wird, einer der konstituierenden Gedanken für die solidarische Sicherung. Davon wird nicht viel übrig bleiben, wenn Sie, Herr Minister, in Bälde Ihre Regierungskommission einsetzen. Schaut man sich den Hintergrund der Namen an, die da inzwischen den Ticker durchschwirren, dann kann man nur empört sein. Eng mit der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und mit Versicherungsunternehmen verquickte Persönlichkeiten werden geradezu eingeladen, das Schlachtfest der solidarischen Krankenversicherung auszurichten. ({6}) Das Geschreibsel dieser Versicherungslobbyisten findet sich im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wieder. Es kommt so nett daher: Es würden mehr Wahl- und Entscheidungsspielräume eingeräumt; auch Sie, Herr Zöller, haben es gerade gesagt. Man muss sich aber einmal klarmachen: Wer hat eigentlich die Wahl und wer nicht? Wenn von „Festzuschüssen“ und „Mehrkostenregelungen“ die Rede ist, dann heißt das doch übersetzt, dass es für bestimmte Leistungen nur noch eine Grundversorgung gibt. Wer eine Versorgung nach dem jeweils aktuellen medizinischen Standard haben will, muss privat zuzahlen oder eine private Zusatzversicherung abschließen. ({7}) - Man kann auch einmal drei Jahre weiter denken. Dann ist die Wirkung so, Herr Spahn. ({8}) - Das werde ich Ihnen gleich darlegen. - Wer eine Versorgung nach dem jeweils aktuellen medizinischen Standard haben will, muss privat zuzahlen. Das wird klar werden. Damit wird die Versorgung vom Portemonnaie der Versicherten abhängig. Der Arme kann sich nur das Günstigste leisten. Das ist das Ende des freien Zugangs zu Leistungen für alle. Das ist Zwei- oder Dreiklassenmedizin in Reinkultur. Die Linke lehnt das entschieden ab. ({9}) Sicher wird sich die Regierungskommission auch mit dem Gesundheitsfonds beschäftigen, sich ihn vorknöpfen. Dieser ist nicht per se schlecht, sondern er ist unterfinanziert und sozial ungerecht, müssen den Zusatzbeitrag doch allein die Versicherten tragen. Wenn Sie jetzt im Koalitionsvertrag festhalten, dass es mehr - ich zitiere - „regionale Differenzierungsmöglichkeiten“ im Gesundheitsfonds geben muss und Bayerns Gesundheitsminister in Ihrer Kommission sein soll, dann weiß man, wohin die Reise gehen soll. Es wird Hand an den sogenannten Morbi-RSA gelegt werden, der den Krankenversicherungen mit mehr und teuren Kranken mehr Geld brachte. Damit würde aber die gerade erst erreichte Solidarität des reichen und gesünderen Südens Deutschlands mit dem ärmeren und kränkeren Norden aufgekündigt. Doch damit stellen Sie die Honorarangleichung für Ärztinnen und Ärzte in den neuen Bundesländern wieder infrage. Diese hat gerade eine Trendwende in der Bewältigung des Ärztemangels eingeläutet. Wollen Sie wirklich den Osten in eine dramatische medizinische Versorgungskrise hineinsteuern? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. ({10}) Wenn ich mir Ihre Rezepte gegen den Ärztemangel anschaue, dann ist sichtbar, wie weit weg Sie vom realen Leben sind. Ihre Lösung heißt „Ausbau der Anreize bei der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten“. Vor Ort wird aber über neue Versorgungsformen nachgedacht. Haben Sie schon einmal etwas von der Feminisierung des Arztberufes gehört? Mehr und mehr Absolventinnen wollen sich nach dem Medizinstudium nicht niederlassen, sondern sie streben auch im ambulanten Bereich nach Möglichkeiten, angestellt zu arbeiten, um damit Beruf und Familie vereinbaren zu können. Aber was machen Sie? Sie stellen die medizinischen Versorgungszentren infrage. Unseres Erachtens gehört dieser bisherige Ansatz novelliert, aber nicht abgeschafft. ({11}) Neue Ideen, für die der Osten ein „Labor“ ist, wie die Financial Times letzte Woche schrieb, finden in Ihrem Koalitionsvertrag keine Widerspiegelung. Im Gegenteil: Ihre Weichenstellung zur Marktradikalisierung, deutlich in dem Postulat, dass das „allgemeine Wettbewerbsrecht als Ordnungsrahmen grundsätzlich auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung“ finden soll, steht neuen Versorgungsformen diametral entgegen; denn diese setzen auf Kooperation. Ihre Vorhaben sind damit auch fortschrittsfeindlich. ({12}) Gesundheitsförderung und Prävention einen ganz anderen Stellenwert zu geben, wäre auch ein Zukunftsvorhaben. Der Begriff der Gesundheitsförderung fehlt im Koalitionsvertrag völlig. Fremd ist dieser Koalition, dass Gesundheit mit mehr zusammenhängt als nur mit Wissen über Ernährung und Sport. Sie verlieren kein Wort über die unterschiedliche Lebenserwartung von Armen und Reichen. Die Reichen leben zehn Jahre länger als die Armen. Sie verlieren kein Wort dazu, dass dies empörend ist und endlich beseitigt werden muss. ({13}) Man fragt sich doch wirklich, ob die Regierung die Debatte um die Gesundheitsförderung und Prävention der letzten 20 Jahre völlig verschlafen hat. Für die Linke sind Gesundheitsförderung und Prävention ein Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit. Angesetzt werden muss in den Lebenswelten der Menschen, in Kindergärten, in Schulen, in Stadtteilen und vor allem am Arbeitsplatz. Aber von einem Präventionsgesetz will die Koalition bekanntlich nichts hören. Mit ein paar Schönheitsreparaturen wursteln Sie weiter wie bisher. Das haben die unzähligen Engagierten, die dringend auf ein Präventionsgesetz warten, nicht verdient. ({14}) Auch in der Pflegeversicherung betreibt die neue Koalition reine Klientelpolitik. Mit dem Kapitalstock, der allein von den Versicherten zu tragen ist, wird die Pflegeversicherung den Risiken des Kapitalmarktes ausgesetzt. Es ist nicht zu fassen! An die wirklichen Probleme will Schwarz-Gelb nicht herangehen. Die Pflegeversicherung leidet an chronischer Unterfinanzierung, und zwar jetzt. Pflegebedürftige Menschen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte bekommen das täglich zu spüren. Pflege ist aber mehr als die drei „s“: still, satt und sauber. ({15}) Pflege und Assistenz müssen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen. Dazu brauchen wir endlich ein neues Verständnis davon, was Pflege ist. Der Vorschlag zum neuen Pflegebegriff liegt auf dem Tisch. Der Beirat hat ihn im Januar 2009 vorgelegt. Was wollen Sie prüfen? Es muss umgesetzt werden. Der politische Wille dazu ist notwendig; aber die Union hat schon durchblicken lassen, dass sie nur eine kostenneutrale Umsetzung anvisiert. Das ist eigentlich nicht zu machen. Mehr Leistungen für mehr Menschen erfordern mehr Geld. ({16}) Resümierend muss ich für die Linke feststellen: Ihre Pläne sind an sozialer Kälte nicht zu überbieten. Im Wettbewerb ohne soziale Schranken wird Gesundheit zur Ware. Aber eins kann ich Ihnen versichern: Nicht mit uns! ({17})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun das Wort die Kollegin Birgitt Bender.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schön schwätzen kann er ja, der neue Gesundheitsminister; aber er vertritt ein hässliches Politikmodell. ({0}) Lassen Sie mich sagen, warum. Herr Minister, Sie sprechen vom gleichen Zugang aller Menschen zum Gesundheitssystem. Aber wissen Sie, mit der Gleichheit ist das so eine Sache: Die Gleichheit umfasst sowohl das Recht, unter Brücken zu schlafen, als auch, in Palästen zu wohnen. Das heißt, bei Ihnen muss man sich diese Gleichheit leisten können. Das Gesundheitssystem, das Sie anstreben, wird für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sein. ({1}) Wie ist es denn mit einem Kopfgeldsystem, wie Sie es anstreben? Das würde für jeden dritten Menschen im Westen dieser Republik bedeuten, dass der Krankenversicherungsschutz teurer wird. Im Osten der Republik würde das für jeden zweiten Menschen gelten. ({2}) Selbst wenn Sie den sozialen Ausgleich durch Steuern ernst meinen, dann würde es immer noch bedeuten, dass Menschen mit geringem Einkommen, die jetzt 7,9 Prozent ihres Einkommens für den Gesundheitsschutz aufwenden müssen, prozentual mehr zahlen müssten als Menschen, die bisher Höchstbeiträge gezahlt haben; bei denen wären es dann gerade noch 3,8 Prozent, also nur etwa die Hälfte. ({3}) Das ist Umverteilung von unten nach oben. Man kann auch sagen: Klassenkampf von oben. ({4}) Dass so etwas in Deutschland nicht wirklich gut ankommt, das hat die Kanzlerin schon seit einer Weile verBirgitt Bender standen. Sie wollte ein solches Modell seit dem Leipziger Parteitag. Aber für die Union hieß die Parole im Wahlkampf: Gesundheitspolitik findet bei uns nicht statt; da legen wir uns in die Ackerfurche. Vielleicht hätten Sie einmal untereinander darüber diskutieren sollen; jetzt werden Sie es jedenfalls müssen. ({5}) Herr Minister, Sie gelten als das, was man in BadenWürttemberg „ein Käpsele“ nennt; das ist jemand, der besonders schlau ist. Ich will Ihnen das gerne zugestehen. Ich will Ihnen aber auch sagen: Sie können nicht rechnen, oder Sie wollen nicht rechnen. ({6}) Sie streben ein System mit Kopfgeld und Steuerausgleich an, von dem Ihnen die Experten bereits jetzt sagen, dass es schon bei der Einführung 22 Milliarden Euro kostet. Gleichzeitig geht die Regierung mit der höchsten Staatsverschuldung aller Zeiten spazieren. Zu Beginn senkt sie die Steuern und verspricht weitere Steuersenkungen. Das Ganze geht nicht auf. Entweder haben Sie ein Pisa-Problem, weil Sie das nicht begreifen, oder Sie meinen es mit dem steuerlichen Ausgleich gar nicht ernst und wollen den Krankenversicherungsschutz für Millionen von Menschen unbezahlbar machen. Sowohl das eine wie auch das andere wäre eine schlechte Nachricht. ({7}) Im Übrigen habe ich gehört, Herr Minister, Sie strebten Bürokratieabbau an. ({8}) Dazu muss ich erst einmal sagen: Wenn Sie als Stabsarzt bei der Bundeswehr so viel Bürokratie erfahren haben und daran jetzt etwas ändern wollen, hätten Sie vielleicht Verteidigungsminister werden sollen. Aber das nur am Rande. ({9}) Wenn man nun ein solches System anstrebt, sollte man zuvor einmal in andere Länder schauen, wo es der Spur nach schon so etwas gibt. Nehmen Sie zum Beispiel die Niederlande. Da gibt es ein System mit Kopfpauschale; allerdings gibt es da nicht zusätzlich noch eine private Krankenversicherung. In diesem System bekommen die Menschen steuerlichen Ausgleich. Zurzeit bekommen 60 Prozent der Menschen in den Niederlanden diesen Ausgleich; das heißt, sechs von zehn Menschen müssen dort in Kontakt mit Ämtern treten, um einen Ausgleich zu bekommen. Sie würden demnach ähnlich viele Menschen mit Anträgen zum Amt schicken und eine Vielzahl an bürokratischen Bearbeitungsverfahren hervorrufen. Dazu kann ich nur sagen: Um Bürokratieabbau ging es vielleicht gestern in Ihrem Wahlkampf, aber nicht in Ihrem jetzt vorgelegten Politikmodell. ({10}) Seien wir doch einmal ehrlich: Herr Minister Rösler, Sie haben bereits bei einem Vortrag, den Sie letzten Sommer vor niedersächsischen Zahnärzten gehalten haben, gesagt, worauf das Ganze hinauslaufen soll, nämlich auf einen Abbau der Leistungen. Sie haben dort davon gesprochen, dass man erst einmal 10 Prozent der derzeitigen Leistungen aus dem Solidarsystem herausnehmen könne. Ich glaube, daran merkt man, wo es langgehen soll. Anders gesagt: Ihre Kopfprämie ist eine Abwrackprämie für das Solidarsystem. Dass es dazu kommt, werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Fraktion. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bender, es ist wirklich erstaunlich, was Sie alles aus Koalitionsverträgen herauslesen. ({0}) Ansonsten sagen Sie ja gemeinhin, sie seien so allgemein, dass man damit überhaupt nichts anfangen könne. Eine gehörige Portion Fantasie muss man wohl den Grünen genauso wie den Linken und den Roten zugestehen. Liebe Kollegen, die Gesundheitspolitik bedarf wie kaum ein anderes Feld der Verlässlichkeit und des Vertrauens der Bürger. Wir brauchen eine Kultur des Vertrauens anstelle einer Kultur der ständigen Kontrolle und der Zwangsmaßnahmen. Das ist genau der Unterschied zu dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben. ({1}) Wir müssen unseren Bürgern die Gewissheit geben, dass im Krankheitsfall alle gut versorgt sind. Dafür stehen wir. ({2}) Das mögen Sie noch so polemisch angehen, das ist die Maxime der schwarz-gelben Koalition. Daran werden wir uns in den nächsten vier Jahren messen lassen. ({3}) Was auch immer heute hier gesagt und draußen in der Presse verkündet wird: Diese Koalition wird dafür sorgen, dass dieser elementare Grundsatz unserer Gesellschaft beibehalten wird. Es ist gelebte Solidarität, liebe Kollegen, dass jeder Bürger die Möglichkeit haben muss, über einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz zu verfügen. Das bedeutet aber nicht, dass man den Fehler einer Bürgereinheitszwangsversicherung begehen muss. ({4}) Wir gehen einen anderen Weg: Wir wollen unseren Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten geben, dass sie ihren Krankenversicherungsschutz optimal auf die eigenen Bedürfnisse hin gestalten können. ({5}) Das deutsche Krankenversicherungssystem ist durch die letzten Reformen deutlich in Richtung eines zentralistischen, staatsgesteuerten Einheitskassensystems verschoben worden. Genau das, liebe Frau Ferner, werden wir ändern. ({6}) Wir wollen zudem dafür sorgen, dass die Beiträge auf eine andere, gerechtere Grundlage gestellt werden. Der soziale Ausgleich ist viel besser über das Steuer- und Transfersystem zu organisieren als in einer Versicherung, die dazu da ist, den Ausgleich zwischen Kranken und Gesunden herzustellen. Wir sind da in guter Gesellschaft, liebe Frau Bender. Ich erinnere mich an einen bemerkenswerten Artikel der hochgeschätzten ehemaligen Kollegin und Gesundheitsministerin Frau Fischer - sie ist bekanntlich Mitglied der Grünen -, die vor wenigen Tagen Folgendes gesagt hat: Es ist im Prinzip kein falscher Gedanke, mit einer solchen Prämie für jeden Menschen festzulegen, welchen Preis er für seine Gesundheit in einem solidarischen System aufbringen muss. ({7}) Die Umverteilung ist eine sozialpolitische Aufgabe danach - und getrennt von der Gesundheitspolitik. Mit diesem für alle gleichen Betrag sollte niemand überfordert werden, nicht die Einkommensarmen, nicht die Menschen mit Familie. Das Steuersystem ist der Ort, an dem die gesamte finanzielle Situation eines Menschen erfasst ({8}) und wo er entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu Abgaben verpflichtet wird. Eigentlich also genau das richtige System, um Solidarität konkret werden zu lassen. ({9}) Das sagt Frau Fischer. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Flach, würden Sie kurz vor Ende Ihrer Rede noch eine Zwischenfrage der Kollegin Bender zulassen?

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. Ich möchte diesen Gedanken weiter ausführen, sonst kommt er zu kurz. Diese Diskussion können wir in den nächsten Wochen noch beliebig oft führen. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen. Es scheint in Ihren Kreisen aber inzwischen Comment zu sein, dass man auch so etwas denken kann. Wir werden dafür sorgen, dass entsprechende Schritte unternommen werden, nämlich dass die Effizienzpotenziale aktiviert werden, dass Verluste aufgrund von Bürokratie reduziert werden und dass Flexibilität und Wettbewerb ins System kommen. So wie wir die Schuldenbremse vereinbart haben, die uns alle zwingt, in den nächsten Jahren einen Korridor des Schuldenabbaus zu schaffen, so darf auch das Gesundheitssystem nicht immer neue Lasten für die Zukunft aufbauen. Deshalb werden wir eine Lösung, die auch die nachfolgende Generation im Blick hat, schnell und sehr stringent angehen. Die Zeit des Füllhorns ist vorbei. Wir werden eine bürgergerechte, für alle sorgende neue Gesundheitswelt anstoßen. Ich bin froh, dass wir einen Minister haben, der dies persönlich glaubwürdig verdeutlicht. Er hat sich heute klar dazu geäußert. Es wird eine schwierige Aufgabe. Aber wir werden sie angehen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Carola Reimann ist die nächste Rednerin für die SPDFraktion. ({0})

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade einmal gut zwei Wochen steht die neue Koalition. Aber in kürzester Zeit ist es CDU, CSU und FDP gelungen, auf breiter Front Verunsicherung zu schaffen. ({0}) Was Sie verklausuliert in Ihrem Koalitionsvertrag zur Gesundheit und Pflege hineingeschrieben haben, ist nichts anderes als die Aufgabe der paritätischen Finanzierung und die Privatisierung gesundheitlicher Risiken. ({1}) Die Lasten sollen zukünftig einseitig allein auf die Versicherten abgewälzt werden in Form von Kopfpauschalen, von höheren Zuzahlungen und von privaten ZuDr. Carola Reimann satzzwangsversicherungen in der Pflege. Dieser Koalitionsvertrag hat ein entsolidarisiertes Gesundheitssystem zum Ziel. Das wird auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. ({2}) Im Gesundheitsbereich hat sich eine unheilvolle Allianz zusammengefunden. Die CDU hat kein Konzept und überlässt ihren Partnern von CSU und FDP das gesundheitspolitische Feld. Das bedeutet: zahlreiche bayerische Extrawürste auf Kosten anderer Bundesländer dank der CSU ({3}) und die Privatisierung gesundheitlicher Risiken auf breiter Front, wie es die FDP seit Jahren und heute Frau Flach angekündigt haben. Das alles wird noch getoppt von einer Klientelpolitik, wie wir sie im Gesundheitsbereich noch nie erlebt haben. Die Lobeshymnen von Pharmaherstellern, Ärzteverbänden und privaten Krankenversicherungsunternehmen sprechen Bände. Sie können sich wahrlich nicht beklagen. Bei den Ärzten wird nach zweistelligen Einkommenszuwächsen in diesem Jahr erneut draufgesattelt, und unliebsame Konkurrenz durch medizinische Versorgungszentren wird eingeschränkt. Der privaten Krankenversicherung wird die Abwerbung von Gutverdienern aus der gesetzlichen Krankenversicherung wieder erleichtert. Der Basistarif - eingeführt, damit niemand mehr ohne Versicherungsschutz ist - soll geprüft werden. Ganz besonders freuen kann sich die Pharmaindustrie. Unliebsame, weil wirksame Preisregulierungsinstrumente wie Rabattverträge, Festbeträge und Höchstbeträge sollen überprüft werden. Man muss kein Gesundheitsexperte sein, um zu wissen, was das bedeutet: teurere Arzneimittel und steigende Gewinne für die Unternehmen, selbstverständlich auf Kosten der Beitragszahler und der Versicherten. ({4}) Sie geben ein wichtiges Instrument zur Förderung des Wettbewerbs im Sinne der Versicherten freiwillig aus der Hand und riskieren dabei, dass die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen völlig aus dem Ruder läuft. ({5}) All diese Geschenke an Ihre Klientel lassen Sie sich teuer von den Versicherten bezahlen. Süße Medizin für Ihre Klientel und bittere Pillen für die Patienten - so sieht Ihr gesundheitspolitischer Neuanfang aus. ({6}) Ich sage Ihnen: Damit werden Sie nicht weit kommen; denn so viel süße Medizin, wie im Gesundheitswesen von allen Interessenverbänden gefordert wird, werden Sie gar nicht aufbringen können. Deshalb ist dieser Neustart komplett misslungen. ({7}) Diese Kostensteigerungspolitik wird noch dadurch verschärft, dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren wird und somit alle zusätzlichen Kosten - das haben wir heute schon gehört - auf die Versicherten abgewälzt werden. Sie kündigen damit das bewährte paritätische Prinzip und entlassen Wirtschaft und Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung. Und als ob das nicht genug wäre, krönen Sie dieses Sammelsurium der sozialen Spaltung noch mit der Kopfpauschale. Egal ob Sekretärin oder Bankdirektor, Mechaniker oder Managerin, alle zahlen den gleichen Beitrag. Das ist unsozial und ungerecht. ({8}) Dann wird natürlich der Sozialausgleich ins Spiel gebracht. Aber abgesehen davon, dass Millionen Versicherte plötzlich zu Bittstellern beim Staat werden - in allen Staaten, die dies eingeführt haben, sehen wir diese Entwicklung -, frage ich mich, wo Sie angesichts der derzeitigen Haushaltslage die von den Experten berechneten 22 Milliarden Euro - IGES hat das schon berechnet - herholen wollen. Gleichzeitig wollen Sie die Steuern senken. Das passt, mit Verlaub, vorne und hinten nicht zusammen. Weil das alles nicht so ganz zusammenpassen will und weil die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ins Haus steht, schieben Sie das alles in eine Kommission. Oder soll ich besser sagen: „in eine Regierungskommission“? ({9}) Denn diese Regierungskommission wird von einer CSUeigenen Kommission begleitet, die diesen Prozess kritisch verfolgt. ({10}) Für Herrn Bahr ist das ein ganz normaler Vorgang. Deshalb schlage ich vor, dass auch die FDP eine FDP-Kommission einberuft, ({11}) damit die Arbeit der CSU-Kommission kritisch begleitet wird. ({12}) Das ist mal ein zielgerichtetes Vorgehen. ({13}) Man könnte sich ja blendend über dieses Schauspiel amüsieren. Aber es geht hier um nicht weniger als um die Zukunft der Gesundheitsversorgung von Millionen Versicherten. Da hört der Spaß auf. Mit Ihrer „Kommissionitis“, mit Ihren immer neuen Vorschlägen, die dann am nächsten Tag vom Koalitionspartner relativiert werden, ({14}) und mit immer neuen Interpretationsmöglichkeiten bezüglich des Koalitionsvertrags verunsichern Sie die Bürgerinnen und Bürger und zerstören Vertrauen in ein gut funktionierendes solidarisches Gesundheitssystem. ({15}) Eigentlich wäre es Aufgabe des zuständigen Ministers, Ordnung in dieses gesundheitspolitische Chaos zu bringen. Aber das Gegenteil ist der Fall: erst das Durcheinander bei der elektronischen Gesundheitskarte, dann noch das zögerliche Vorgehen bei der Schweinegrippe. Angesichts der Infektionszahlen hätte man schon vor zwei Wochen einen Impfgipfel einberufen müssen, statt in Interviews, Herr Rösler, den Eindruck zu erwecken, die Schweinegrippenimpfung sei zweitrangig. ({16}) Als ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident in Niedersachsen hätten Sie wissen müssen, wie schlecht es um die Vorbereitungen in den Ländern, insbesondere in Niedersachsen, steht. Souveränes Krisenmanagement sieht anders aus. ({17}) Das, was wir in den vergangenen Wochen von der neuen Regierung geboten bekommen haben, war tagespolitisch äußerst dürftig, ganz zu schweigen von den Interpretationsmöglichkeiten, die die Pläne im Koalitionsvertrag eröffnen. Die SPD und Ulla Schmidt haben in den letzten Jahren eine Politik im Sinne der Versicherten verfolgt, häufig auch gegen den erbitterten Widerstand der zahlreichen Lobby- und Interessengruppen. Wir haben dafür gesorgt, dass unser solidarisch finanziertes Gesundheitssystem auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen funktioniert. Wir setzen mit unseren Konzepten in der Pflege- und der Gesundheitspolitik künftig auf solide, solidarisch finanzierte Sicherungssysteme. Das heißt, alle zahlen nach ihrer Leistungsfähigkeit. Niemand wird aus der Verantwortung entlassen, und alle können sicher sein, dass sie eine gute medizinische Versorgung auf neuestem Stand erhalten. Das ist solidarisch und gerecht. ({18}) Genau das setzt Schwarz-Gelb aufs Spiel. Mit Solidarität hat das, was Sie vorgelegt haben, nichts mehr zu tun. Profiteure Ihrer Klientelpolitik sind Pharmaunternehmen, Ärzteschaft, Apotheker und private Versicherungsunternehmen; bezahlen müssen es die Versicherten und dank der Kopfpauschale auch noch diejenigen in verstärktem Maße, die ohnehin am wenigsten haben, beispielsweise die Rentner. Wer dies tut, wird die Sozialdemokraten als entschiedene Gegner haben. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Rolf Koschorrek, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003791, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So richtig Angst hat uns dieser Angriff der Opposition in den letzten Minuten natürlich nicht gemacht. Wenn man meint, mit Konzepten, die sich schon in den 70er- und 80er-Jahren als überholt erwiesen haben, unseren zukunftsweisenden Weg angreifen zu können, ({0}) dann wird es in den nächsten Monaten sicherlich noch eine sehr spannende Auseinandersetzung geben. ({1}) Es gibt kaum ein Thema, das die Bürgerinnen und Bürger so interessiert, wie das Thema Gesundheitspolitik. Hier ist, wie alle wissen, jeder betroffen. Gleichzeitig wissen wir, dass wir so nicht weitermachen können wie in den letzten zehn, elf Jahren. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung und mehr Transparenz im System. Aber eines brauchen wir mit Sicherheit nicht: den Umbau des Bundesgesundheitsministeriums zu einem Amt für Volksgesundheit, wie es in den letzten Jahren vorangetrieben worden ist. ({2}) Unsere christlich-liberale Koalition hat die Weichen anders gestellt. Wir haben uns klar entschieden: gegen weitere Zentralisierung und für die Stärkung von Eigenverantwortung und Transparenz im deutschen Gesundheitswesen. Diese Begriffe sind untrennbar miteinander verbunden. Eigenverantwortlich handeln kann nur, wer ein System durchschaut und es versteht. Die Regelungsdichte im SGB V lässt eigenverantwortliches Handeln kaum zu. Ich spreche hier ausdrücklich von Verantwortung, nicht von Egoismus, nicht, wie meine Vorredner polemisch behaupten, von Selbstbedienungsmentalität und schon gar nicht von einer Aufkündigung der Solidarität im Sozialsystem. ({3}) Im Gesundheitswesen haben sich viele in der Intransparenz sehr gut eingerichtet. Kontrollmechanismen und bürokratische Auswüchse sind bisher oft die einzige Antwort darauf gewesen. Seit Jahrzehnten befinden wir uns in einem Teufelskreis von Regulierung und Bürokratie.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003791, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. ({0}) Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und FDP weist einen anderen, einen neuen Weg. Wir werden das System einfacher und verständlicher machen. Die drei großen Bereiche, die wir in den kommenden Jahren angehen werden, sind: zunächst die Finanzen auf eine sichere Basis zu stellen, einen fairen Wettbewerb im System zu stärken sowie überflüssige Bürokratie abzubauen und Transparenz und Qualität im Gesundheitssystem zu steigern. Zum Bereich Finanzen: Für die Union war von Anfang an klar, dass wir den Gesundheitsfonds, wie es die Kanzlerin auch vor der Wahl schon eindeutig sagte, in seiner Grundstruktur erhalten und weiterentwickeln, ({1}) weil er eine gute Basis für die verlässliche Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland ist und ein beachtliches Gestaltungspotenzial bietet. ({2}) Er hat dafür gesorgt, dass die Verschuldung der Krankenkassen geordnet abgebaut werden konnte, dass die Kassen heute wesentlich effektiver kooperieren und auch fusionieren können. In der Wirtschaftskrise hat der Fonds einen unkomplizierten und schnellen Ausgleich von konjunkturbedingten Einnahmedefiziten durch Steuermittel ermöglicht und damit letztendlich auch Beitragserhöhungen erübrigt. Zukünftig werden wir den bundeseinheitlichen Beitragssatz auflösen, indem die Arbeitgeberbeiträge festgeschrieben werden und wir den Kassen wieder eine wettbewerblich relevante Beitragsgestaltung ermöglichen werden. Dazu werden wir eine Kommission aus politischem und externem Sachverstand einsetzen, die die Details in den kommenden Monaten erarbeiten wird. Bei der Weiterentwicklung der Finanzierung der GKV werden wir sehr sorgsam darauf achten, dass es nicht zu sozialen Schieflagen kommt. ({3}) Das hohe Niveau unserer Gesundheitsversorgung wird auch weiterhin den Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrem persönlichen Geldbeutel zugänglich sein. Wettbewerb im Gesundheitswesen ist kein Selbstzweck, sondern dient der bestmöglichen Versorgung. Unsere Grundposition heißt: Im Mittelpunkt stehen Patienten und Versicherte, stehen Menschen, die nicht zur Verschiebemasse egoistischer oder wirtschaftlicher Interessen werden dürfen. Wettbewerb im System gibt es heute schon; nur sind die Regeln nicht konsequent, die Bedingungen nicht fair für alle und vor allem nicht eindeutig. Bestes Beispiel sind die Auswirkungen von Rabattverträgen und Ausschreibungen. Hier erzielen wir zwar in den ersten Tranchen erhebliche Einsparungen, laufen aber große Gefahr, für eine zweite Ausschreibung in einigen Jahren keinen Wettbewerb mehr zu haben, weil die Verlierer von Ausschreibungen sich nicht am Markt halten können und schlicht und ergreifend vom Markt verschwunden sein werden. Wir werden für die Arzneimittel und Hilfsmittel schnell und durchgängig das Instrumentarium des Wettbewerbsrechts, das in unserer sozialen Marktwirtschaft in allen anderen Bereichen sicher und gerecht funktioniert, einführen. Losgrößen und Regionalbezug müssen dem Markt entsprechen; Monopole - das wissen wir alle - sind das Ende der sozialen Marktwirtschaft und der sozialen Ausgewogenheit. Wettbewerb ist kein Selbstzweck; doch wo er sich zum Nutzen von Patienten und Versicherten entfalten kann, werden wir ihm eine Chance geben. Bürokratieabbau, Transparenz und Qualität sind Ziele, die uns sehr wichtig sind und die zusammengehören. Vorschriften sind notwendig, aber auch hier gilt das SGB V: Bürokratie darf nur ausreichend sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss wirtschaftlich vertretbar sein. Hier haben wir einiges zu tun. Heute haben wir eindeutig zu viele und durchaus überflüssige Vorschriften. Mit der Reduzierung von Bürokratie entlasten wir vor allem die niedergelassenen Ärzte von Verwaltungs- und Büroarbeiten. Wir entlasten sie von Tätigkeiten, die dem Arztberuf fremd sind, sodass sie wieder mehr Zeit für die Zuwendung zu ihren Patienten haben. Wir müssen dafür sorgen, dass der Frust im Bereich der Leistungserbringer zurückgefahren wird. Wir brauchen wieder Ärzte, die Spaß an ihrem Beruf haben. ({4}) Bei allen Reformen gilt: Regeln müssen sein, aber wo sie keinen Sinn mehr ergeben oder sich gar selbst blockieren, müssen sie weg. Transparenz ist dringend erforderlich, nicht zuletzt, um die Qualität besser definieren zu können und deren Einhaltung und Steigerung zu gewährleisten. Wir werden das Zusammenspiel von zentraler Rahmengesetzgebung und regionaler Ausgestaltung neu beleben, sei es in der Bedarfsplanung oder bei Innovationen, bei der Vertragsgestaltung oder der Telemedizin. Gerade hier haben wir ein großes Potenzial in der Verbesserung der Versorgung. Basis der Qualitätssicherung ist eine möglichst gute Kenntnis der Versorgungssituation. Hier haben wir aber in Deutschland erheblichen Nachholbedarf. Der Ausbau der Versorgungsforschung muss dringend vorangebracht werden. Es ist eine Querschnittsaufgabe mehrerer beteiligter Ministerien. Nur auf Basis valider Daten lassen sich zukunftsfeste Systeme entwickeln, lässt sich Quali288 tät definieren, und nur auf dieser Basis können wir unsere Planungen für die hochwertige medizinische Versorgung optimal am Bedarf unserer Bevölkerung ausrichten. Telematik in der Medizin ist eine Riesenchance. Sie darf nicht zum Synonym für übertriebene Datensammlung und gläserne Ärzte bzw. Patienten werden. Ohne Telemedizin werden wir die Herausforderungen aus medizinisch-technischem Fortschritt, veränderter demografischer Basis und zunehmender Versorgung chronisch Kranker nicht bestehen können. Wir werden auf diesem Gebiet ganz besondere Anstrengungen unternehmen, zusammen mit der Industrie und den Leistungserbringern verlässliche, zukunftsfeste und akzeptierte Lösungen zu entwickeln. ({5}) Wir haben uns viel vorgenommen. Unsere gemeinsamen Vereinbarungen tragen deutlich über eine Legislaturperiode hinaus. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren, nicht zuletzt mit der Opposition. Da muss man allerdings sagen: Sicherlich ist, wer lesen kann, klar im Vorteil. ({6}) Den Koalitionsvertrag haben Sie sicherlich auch gelesen. Unbedingt dazu gehört aber, dass man das, was man gelesen hat, auch versteht, und da haben Sie offensichtlich ein wenig Nachholbedarf. ({7}) Bisher ist in den Reden der Opposition wenig Erhellendes gesagt worden. Panikmache, substanzlose Schlagworte und völlig überholte Konzepte wie der Ladenhüter Bürgerversicherung ({8}) sind nun wirklich nicht das, was die deutsche Öffentlichkeit braucht und was das deutsche Gesundheitswesen in den nächsten Jahren nach vorne bringen wird. Ich freue mich aber vor allem auf die Zusammenarbeit mit unserem neuen Minister, mit den Staatssekretären und Staatssekretärinnen im Ministerium sowie mit den Kolleginnen und Kollegen von FDP, CDU und CSU in den Arbeitsgruppen. Wir werden gemeinsam dafür sorgen, unser Gesundheitswesen in den nächsten Wochen und Monaten nachhaltig zu verbessern, für alle Beteiligten im System, für alle Bürger und Bürgerinnen in unserem Lande. Ich freue mich auf die Arbeit. An die Arbeit! Ganz herzlichen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Elisabeth Scharfenberg hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Elisabeth Scharfenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003835, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, Schwarz-Gelb setzt nun also auch im Bereich der Pflege den Kurs fort und tritt wie bei vielem anderen für mehr soziale Ungerechtigkeit ein. Schwarz-Gelb will den Ausstieg aus dem Solidarsystem organisieren, und Sie, Herr Minister, haben keine zehn Minuten gebraucht, um uns das klarzumachen. ({0}) Im Koalitionsvertrag heißt es, dass „eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss“, gewährleistet sein muss. ({1}) Die Kanzlerin selbst hat am Dienstag hier erklärt, das sei nötig, um die Akzeptanz der Pflegeabsicherung zu erhalten und für mehr Solidarität zwischen den Generationen zu sorgen. ({2}) Die FDP hat in der Rheinischen Post vom 5. November näher erörtert, wie die Koalition das bewerkstelligen will. Man konnte dort lesen: Es wäre sinnvoll, die kapitalgedeckte Säule der Pflegeversicherung über eine kleine Prämie pro Versichertem aufzubauen. Union und FDP wollen also eine einkommensunabhängige Pauschale einführen, und die Koalition findet das solidarisch. Wenn Sie, Herr Minister, genauso viel zahlen wie eine Friseurin, die, wenn es nach Ihnen ginge, nicht einmal einen Mindestlohn bekommen soll, ist das nicht solidarisch. ({3}) Die FDP beruhigt uns damit, dass dabei von einstelligen Eurobeträgen pro Monat ausgegangen werden kann. 6,99 Euro für die Pflege im Sonderangebot wird doch wohl jeder übrig haben. Leider verschweigen die Liberalen, dass einstellige Prämien in allen bekannten Modellen nur möglich sind, wenn Leistungen gekürzt werden. All diese Modelle sehen eine Kürzung der stationären Leistungen vor. Sie verschweigen weiter, dass es natürlich nicht bei einstelligen Beträgen bleibt. ({4}) Die Prämien steigen nämlich in all diesen Modellen jährlich an und sind ruck, zuck zweistellig. Die Koalition wird alle Versicherten verpflichten, einen individuellen Kapitalstock aufzubauen. Solidarität heißt bei Schwarz-Gelb also nicht mehr: Starke für Schwache, Jung für Alt und Alt für Jung, sondern nur noch: Jeder für sich. Nicht starke Schultern, sondern kräftige Ellbogen werden zukünftig gefragt sein. ({5}) Wer sich diese Solidarität nicht leisten kann, der darf beim Finanzamt einen Sozialausgleich aus Steuern beantragen. Zugleich will die Koalition Steuern senken. Ich frage mich: Wie soll das überhaupt zusammengehen? ({6}) Das ist Solidarität auf Pump. Diese Schuld muss einmal zurückgezahlt werden, und zwar von der jungen Generation, für die Sie das angeblich alles machen. Es wird immer deutlicher: Die schwarz-gelbe Solidarität richtet sich in Wirklichkeit nur an ausgesuchtes, handverlesenes Publikum. ({7}) Die Arbeitgeber müssen sich an den steigenden Pflegekosten nicht beteiligen. Die Privatversicherungen freuen sich schon jetzt auf ihr - grotesk genug - staatlich verordnetes Zusatzgeschäft. Bei denen stoßen Ihre Pläne sicherlich auf große Akzeptanz. Besonders pikant ist, dass das Geld der Versicherten auf den Kapitalmärkten angelegt wird, die uns derzeit sehr nachhaltig vorführen, dass sie von nachhaltigem Wirtschaften überhaupt nichts verstehen. ({8}) All das ist Klientelpflege. Ansonsten hat das mit Pflegepolitik nichts zu tun. ({9}) Herr Minister, reformieren Sie lieber vernünftig das bestehende System. Denken Sie an die betroffenen Menschen. Als Erstes wäre doch jetzt eine Neujustierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs notwendig. Das ist die Aufgabe, die Sie zu erledigen haben, bevor Sie an die Finanzierung gehen. Ich glaube, dieser Weg muss eingeschlagen werden, damit der zukunftsweisende Weg, den sie erwähnt haben, Herr Koschorrek, nicht ganz schnell eine Sackgasse wird und Ihnen, Herr Minister, nicht das Lachen ganz schnell im Halse steckenbleibt. ({10}) Die Vorschläge von uns Grünen kennen Sie. Wir wollen erstens die solidarische Bürgerversicherung und zweitens die solidarische Demografiereserve. Das ist auch eine Form der Kapitaldeckung, aber auf gerechte, solidarische und nachhaltige Art und Weise. Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Themenkomplex ist der Kollege Jens Spahn für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen Bunge, Bender, Ferner, Reimann und Scharfenberg, Sie mögen verwundert darüber sein, vielleicht auch entsetzt oder enttäuscht, dass diese Koalition der Mitte nicht das Schreckgespenst ist, das Sie schon im Wahlkampf an die Wand gemalt haben; das würden Sie jetzt wahrscheinlich weiterhin gerne tun. Doch in unserem Koalitionsvertrag ist die nötige Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Gerechtigkeit enthalten. Diese Enttäuschung ist ja noch verständlich. Dass Sie es intellektuell aber nicht schaffen, auf die Ausgewogenheit des Koalitionsvertrages ({0}) und die gelungene, weil grundsätzlich tiefgründige und die Zukunftsthemen benennende Antrittsrede des Ministers anders zu reagieren als mit linkem Überschriftengezeter oder einer Parteitagsbewerbungsrede - etwas anderes war das gerade ja wohl nicht, Frau Kollegin Ferner -, das zeugt von großer Kleinkariertheit und ist ein Armutszeugnis. ({1}) Frau Kollegin Hendricks hat eine Zwischenfrage, glaube ich. ({2})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bin gerade dabei, ein geordnetes Verfahren zu Beginn der Legislaturperiode einzuüben. Ich stelle fest, dass die Bereitschaft zur Beantwortung einer Zwischenfrage besteht. - Sie haben das Wort.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Spahn, halten Sie Ihre ersten Sätze für intellektuell redlich? ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. ({0}) Ich könnte die Beantwortung eigentlich damit beenden: Ja, dafür halte ich sie. Das Einzige, was wir heute Morgen gemerkt haben, ist, dass Sie Ihre Reden ge290 schrieben haben, lange bevor Sie dem Minister zugehört und den Koalitionsvertrag gelesen haben. Das Einzige, was wir gehört haben, waren linke Überschriften mit wenig Substanz. ({1}) Frau Kollegin Bunge, ich kann Ihnen folgende Bemerkung nicht ersparen: Ich weiß, wie die Zustände bei der Dialyseversorgung in der ehemaligen DDR waren, wie es in den Altenpflegeeinrichtungen ausgesehen hat und wie die Versorgung chronisch kranker Menschen war. ({2}) Ich weiß auch, dass für die Nomenklatura der SED heimlich Arzneimittel aus Westdeutschland und Westeuropa importiert worden sind. Ich lasse mir von Vertretern einer Partei, die etwa in Brandenburg jetzt genau dieser Nomenklatura und den Mittuern dieses Systems wieder in Ämter und Funktionen hilft, nicht Zweiklassenmedizin vorwerfen, nicht heute und auch morgen nicht. ({3}) In unserem Koalitionsvertrag haben wir - der Minister hat darauf hingewiesen - drei entscheidende Zukunftsfelder benannt, die wir in den nächsten vier Jahren angehen wollen: Der erste wichtige Punkt - der war in den letzten vier Jahren mit Ihnen leider nicht zu regeln - ist der Einstieg in die ergänzende Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung. ({4}) In einer Gesellschaft, in der auch der Anteil der Pflegebedürftigen in den nächsten 10, 20, 30 Jahren enorm steigen wird, haben wir die Verantwortung - eigentlich stehen wir gemeinsam davor, aber Sie wollen ja nicht mitmachen -, das System auf diese Entwicklung vorzubereiten und zukunftsfest zu machen. ({5}) Das ist nicht nur gerecht gegenüber den nachfolgenden Generationen, sondern auch vorausschauend und zeugt davon, dass wir für diejenigen, die in 30 oder 40 Jahren pflegebedürftig sein werden, mitdenken. ({6}) Auch diese Menschen haben nämlich einen Anspruch darauf, dass wir uns schon heute Gedanken darüber machen, wie wir die Pflege in 20 oder 30 Jahren finanzieren wollen. Deswegen ist dieser Schritt wichtig. ({7}) Der zweite wichtige Paradigmenwechsel ist der Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung des Gesundheitswesens. ({8}) Das ist kein Selbstzweck. Das ist auch kein Fetisch. ({9}) Wir wollen den Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung, weil diese Branche - es ist schon darauf hingewiesen worden, dass das Gesundheitswesen mit 4,2 Millionen Beschäftigten die größte Wirtschaftsbranche in diesem Land ist und im Übrigen ein Bereich, den Sie nicht nach Schanghai oder Peking auslagern können, weil es Dienstleistungen direkt am Menschen sind - in den letzten 20, 30 Jahren immer wieder Kostendämpfungsgesetze ertragen musste, da alle Reformen schwerpunktmäßig ein Ziel hatten, nämlich den Beitragssatz zu stabilisieren. Aus dieser Zielfixierung müssen wir herauskommen und die Dynamik, die in diesem Bereich steckt, freisetzen. Deswegen wollen wir eine lohnunabhängige Finanzierung. Wenn man sie mit Steuermitteln sozial gerecht ausgleicht, ist das die zukunftsfestere Finanzierung dieses Systems. ({10}) Es ist interessant, zu sehen, wie Sie immer wieder gleich in reflexartiges Gezeter verfallen. ({11}) Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir 2004/2005, übrigens gemeinsam, die 0,9 Prozent vom Beitragssatz allein in die Verantwortung der Arbeitnehmer gestellt haben. Frau Ministerin Schmidt, Sozialdemokratin, wenn ich mich richtig erinnere, hat den Schritt, die Arbeitskosten in Deutschland zu entlasten, befürwortet; ich habe ein Spiegel-Interview mit Ministerin Schmidt aus dem Jahr 2005 vorliegen. Darin hat sie das als richtig beschrieben. Sie hat gesagt, dass es sozial gerecht ist, bei den Arbeitskosten eine Grenze einzuziehen und eine Veränderung beim Beitragssatz von 0,9 Prozentpunkten vorzunehmen, weil das Arbeitsplätze in Deutschland sichert und schafft. Am Ende ist das, was wir tun wollen, deswegen sozial gerecht. ({12}) Ein dritter Paradigmenwechsel besteht in der Rhetorik - auch das war wohltuend beim neuen Minister -: Wir haben ein klares Bekenntnis und wollen - nicht als Selbstzweck - diejenigen klar unterstützen, die unter großem Einsatz im Gesundheitswesen tätig sind: die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger, die Apotheker, die Physiotherapeuten und viele mehr. Denn auch Sie wissen aus vielen Gesprächen in den Wahlkreisen und den Diskussionsrunden: Uns droht, dass diese Menschen, die tagtäglich ihren Dienst am Patienten und für die Versicherten leisten, die Lust und Freude am Beruf verlieren, ({13}) unter anderem weil es zu viel Bürokratie gibt. Wir müssen in der Bezahlung - wir haben da schon erste richtige Schritte gemeinsam gemacht - Neuerungen einführen. ({14}) Um die Bürokratie zu verringern, ist es wichtig, die Bedeutung der Freiberuflichkeit und der nötigen Unabhängigkeit, ({15}) die im Übrigen das Leitmotiv dieser Koalition „Freiheit in Verantwortung“ sehr passgenau beschreibt, in den Mittelpunkt zu stellen und diesen Berufsgruppen nicht weiterhin Vorwürfe zu machen. ({16}) Deswegen bin ich für die nächsten vier Jahre sehr zuversichtlich. Ich biete Ihnen, Herr Minister Rösler - ich denke, auch im Namen der Unionsfraktion -, für die nächsten vier Jahre eine gute Zusammenarbeit an. Wir wollen die von Ihnen aufgezeigten Zukunftsthemen in den nächsten vier Jahren aufgreifen und angehen. Vor allem wollen wir Ihr Denken in linken Überschriften der 80er-Jahre widerlegen, indem wir deutlich machen, dass das, was wir aufgeschrieben haben, zum Wohle der Versicherten, zum Wohle der Patienten in der Praxis tatsächlich funktioniert. Ich freue mich jedenfalls auf diese Arbeit. ({17})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen nicht vor. Ich rufe nun die Themenbereiche Finanzen und Steuern und im gleichen Zusammenhang Tagesordnungspunkt 2 sowie Zusatzpunkt 5 auf: 2 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums ({0}) - Drucksache 17/15 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Soziale Gerechtigkeit statt Klientelpolitik - Drucksache 17/16 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({2}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Vielleicht können wir, bevor ich dem Bundesfinanzminister das Wort erteile, den Schichtwechsel hier einigermaßen zügig organisieren. Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanzpolitik bewegt sich in einem konjunkturellen Umfeld, in dem die Mehrzahl aller Experten national, europäisch und global die konjunkturelle Talsohle zur Jahresmitte 2009 für durchschritten hält. Die Herbstprognose der EU-Kommission sieht die deutsche Wachstumsrate im kommenden Jahr deutlich und im Jahr 2011 leicht über dem Durchschnitt der Eurozone. Aber wir haben national, europäisch und weltweit auch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Tragfähigkeit und der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Erholung. Diese wird nach wie vor überall massiv von staatlichen Konjunkturprogrammen und expansiver Geldpolitik getragen. Deshalb ist es noch kein selbsttragender Aufschwung. Ein Risikofaktor für die wirtschaftliche Erholung ist im Wesentlichen der deutliche Anstieg der Arbeitslosigkeit, mit dem wir im nächsten Jahr rechnen müssen. Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, dass die relativ glimpfliche Entwicklung der Arbeitslosenzahl nicht korreliert mit einem stärkeren Rückgang von Beschäftigung, der durch die Kurzarbeit richtigerweise aufgefangen wird. Das schafft im nächsten Jahr zusätzliche Risiken. Es droht - darüber ist gestern hier gesprochen worden - immer noch eine Kreditverknappung oder eine Kreditklemme. Wir müssen auch mit dem Risiko der Rückwirkungen zunehmender Unternehmensinsolvenzen auf die Bankbilanzen rechnen. Im Übrigen bleibt die globale Exportnachfrage, auch wenn sich die Weltkonjunktur ein Stück weit erholt, im Vergleich zu früheren Zeiten nach wie vor schwach. Die beginnende wirtschaftliche Erholung, die wir glücklicherweise zu verzeichnen haben und die sich im Quartalsverlauf deutlicher zeigt, bedeutet noch nicht, dass wir automatisch eine größere finanzpolitische Ma292 növriermasse haben. Das ist auch das Signal der neuen Steuerschätzung, und das zeigt auch die Prognose zur Entwicklung des Schuldenstandes des deutschen Gesamtstaates. Von gut 73 Prozent des BIP im laufenden Jahr wird er auf annähernd 80 Prozent des BIP im Jahr 2011 steigen. Vor diesem Hintergrund ist das Hauptziel der finanzpolitischen Strategie der Bundesregierung, mittels Wachstumsstärkung schneller durch die Krise zu kommen und alles für einen selbsttragenden Aufschwung zu tun. ({0}) Dabei muss eine wachstumsorientierte Steuerpolitik eine entscheidende Rolle spielen, eine Steuerpolitik, die durch zielgerichtete steuerliche Entlastungen die produktiven Kräfte in der Gesellschaft stärkt und diesen zusätzliche finanzielle Spielräume eröffnet. Deshalb werden wir Bürger und Wirtschaft zum 1. Januar 2010 - das ist der Sinn des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, dessen Entwurf wir in dieser Debatte in erster Lesung behandeln - um mehr als 20 Milliarden Euro entlasten: durch die Umsetzung der schon in der letzten Legislaturperiode beschlossenen Steuerentlastungen und durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Die wichtigsten Maßnahmen dieses Gesetzes sind: Zur steuerlichen Entlastung und Förderung von Familien mit Kindern und zur Berücksichtigung der Betreuungsaufwendungen werden die Kinderfreibeträge ab dem Veranlagungszeitraum 2010 von insgesamt 6 024 Euro auf 7 008 Euro angehoben. ({1}) Gleichzeitig wird das Kindergeld ab dem 1. Januar 2010 für jedes Kind um 20 Euro erhöht. Das ist wirklich eine sozial ausgewogene Maßnahme, die auch der Stärkung der privaten Nachfrage dient. ({2}) Ich habe in den Debatten der letzten Jahre eigentlich nie gehört, dass irgendjemand in diesem Hause bezweifelt, dass Verbesserungen beim Familienleistungsausgleich sozial angemessen und im Übrigen auch die private Nachfrage stärkend seien. ({3}) Zweitens werden wir es den Unternehmen durch gezielte, in ihren haushaltsmäßigen Auswirkungen noch begrenzte, aber dringend notwendige Korrekturen im Bereich der Unternehmensbesteuerung erleichtern, die zum Zeitpunkt der Unternehmensteuerreform und übrigens auch zum Zeitpunkt der Erbschaftsteuerreform so nicht voraussehbare dramatische Wirtschaftskrise besser zu überstehen. Deswegen sind diese Korrekturen in dieser Krise notwendig. ({4}) Um nur einige Stichworte zu nennen: Der Abzug von Verlusten bei bestimmten konzerninternen Umgliederungen muss zugelassen werden, um Wachstumshemmnisse für Unternehmen zu beseitigen. Bei der Zinsschranke wird dauerhaft eine höhere Freigrenze von 3 Millionen Euro eingeführt, um die kleinen und mittleren Unternehmen, den Mittelstand, von der Zinsabzugsbeschränkung auszunehmen ({5}) und sie in konjunkturell schwierigen Zeiten zu entlasten und zu stärken. ({6}) Ein weiteres Beispiel ist die Regelung zur Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern bis zu 410 Euro, ({7}) die übrigens auch ein Stück weit Bürokratieentlastung und Steuervereinfachung ist. ({8}) Dadurch, dass wir das Wahlrecht zur Bildung eines Sammelpostens für alle Wirtschaftsgüter zwischen 150 und 1 000 Euro zulassen, ({9}) erhalten die Unternehmen bei der Wahl zwischen den Abschreibungsmodalitäten mehr Flexibilität; das kann jedes Unternehmen für sich am besten entscheiden. ({10}) Zur Erbschaft- und Schenkungsteuer: Wer sich die Entwicklung der Lohnsummen in diesem Jahr anschaut, wird nicht ernsthaft bestreiten können, dass bei den Regelungen, die wir insbesondere zur Ermöglichung der Unternehmensnachfolge im Bereich der Erbschaftsteuer beschlossen haben, Korrekturbedarf besteht. Deswegen glaube ich, dass das angemessen ist. ({11}) Es ist übrigens auch im Hinblick auf Art. 6 des Grundgesetzes richtig, den Fehler der Erbschaftsteuerreform, Geschwistern und Geschwisterkindern keinen ermäßigten Steuersatz zuzugestehen, mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu korrigieren. ({12}) Um es offen zu sagen: Natürlich war die Frage des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiebereich auch innerhalb der Koalitionsfraktionen streitig und ist intensiv diskutiert worden. Das gehört zu Volksparteien. Warum auch nicht? Aber im Ernst: Man kann nicht bestreiten, dass die Gastronomie und der Beherbergungsbereich im Wettbewerb mit Anbietern überall in Europa und darüber hinaus stehen, für die geringere Mehrwertsteuersätze gelten. Deswegen ist die Senkung des UmsatzsteuBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble ersatzes bei Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiebereich eine Maßnahme, die unter Wettbewerbsgesichtspunkten vertretbar ist und die richtig und angemessen ist. Deswegen schlagen wir das vor. ({13}) Ich bitte für das Gesetz, das wir heute in erster Lesung beraten, um zügige Beratung, damit es vor Weihnachten verabschiedet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden kann und dann zum 1. Januar 2010 in Kraft treten kann. Wir werden in dieser Legislaturperiode, wie es in unserem Koalitionsvertrag vereinbart ist, im Steuersystem weitere strukturelle Vereinfachungen und Verbesserungen vornehmen. Darüber werden wir im nächsten Jahr zu reden haben. Heute geht es darum, in einem ersten Schritt das zu beraten, was zum 1. Januar 2010 in Kraft gesetzt werden muss. ({14}) Meine Damen und Herren, für diese Regierung steht steuerliche Wachstumspolitik nicht in Widerspruch zu der genauso notwendigen Konsolidierungspolitik. Wir müssen beides hinbekommen. ({15}) - Klar, Frau Hendricks: Das ist schwierig - das wissen Sie, das wissen wir -; ({16}) aber beides ist notwendig. Auf Dauer werden wir nur dann erfolgreich konsolidieren können, wenn wir die Bedingungen für robustes Wirtschaftswachstum in diesem Land schaffen. Deswegen ist das kein Gegensatz. ({17}) Kein Land ist mit dem Rest der Welt wirtschaftlich so eng verflochten wie die Bundesrepublik Deutschland. Deswegen sind wir gerade bei der Durchführung und Formulierung unserer Finanzpolitik auf internationale Abstimmung angewiesen. Finanzpolitischer Handlungsrahmen ist für uns nicht nur Deutschland, sondern der gesamte europäische Binnenmarkt. Dabei müssen politische Maßnahmen - in Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips - in der Sache und auf den Zeitpunkt bezogen der länderspezifischen Situation angepasst werden. Wir müssen immer wissen: Die Exportnation Deutschland ist essenziell auf offene Märkte und funktionierenden Welthandel mit klaren Regeln angewiesen. ({18}) Deswegen schaden protektionistische Tendenzen der Weltgemeinschaft insgesamt. Ich hatte am Freitag/Samstag der vergangenen Woche beim G-20-Finanzministertreffen und am Montag/ Dienstag bei der Eurogruppe und der Ecofin-Gruppe in Brüssel die Chance, meine Kollegen in Europa und in den wichtigsten anderen Industrieländern der Welt kennenzulernen. Ich war von der Offenheit und Ernsthaftigkeit des Meinungsaustauschs und vom Grad der Abstimmung der europäischen und internationalen Politik beeindruckt. Die Einschätzung der weltwirtschaftlichen Lage, auch der Situation an den Finanzmärkten, war bei diesen Treffen ganz eindeutig: Es gibt insgesamt Zeichen für eine Stabilisierung der globalen Wirtschaft; aber der wirtschaftliche Aufschwung ist weiterhin gestützt durch massive Maßnahmen der Fiskal- und Geldpolitik und der Finanzmarktstabilisierung. Die Bedingungen an den Finanzmärkten haben sich verbessert; von Normalität sind wir aber noch weit entfernt. Der Internationale Währungsfonds hat seine globale Verlustprognose Anfang Oktober von 4 000 Milliarden US-Dollar auf 3 400 Milliarden US-Dollar gesenkt. 3 400 Milliarden US-Dollar, das ist - damit man weiß, wovon man redet - ungefähr die Größenordnung unseres Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Er hat zugleich festgestellt, dass im Bankensektor global noch mehr als die Hälfte der Wertberichtigungen vor uns liegt. Also ist absehbar, dass die Banken weiteren Kapitalbedarf haben werden. Dieser Bedarf muss, soweit irgend möglich, durch private Quellen gedeckt werden. Die Instrumente des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes - Garantien, Kapitalisierung, Bad-Bank-Lösungen - bleiben bei Bedarf - so ist die Gesetzeslage auch bei uns, und sie ist richtig - bis Ende des kommenden Jahres nutzbar. Ich füge übrigens hinzu: Wir werden die Vergütungsregelungen, die beim G-20-Finanzministertreffen vereinbart worden sind, im nächsten Jahr untergesetzlich umsetzen und, soweit erforderlich, die entsprechenden Gesetzesinitiativen einbringen, für die wir um Zustimmung bitten. Ich appelliere aber schon heute an alle Beteiligten im Finanzsektor, diese Regelungen, die im G-20-Rahmen beschlossen worden sind, bereits bei ihren Jahresabschlüssen für 2009 freiwillig anzuwenden und zugrundezulegen. ({19}) Wir haben ein starkes Interesse daran, das Finanzsystem und die Banken so stark zu machen, dass sie ihre dienende Funktion für die gesamte Volkswirtschaft, also die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln, auch wahrnehmen können. Deshalb wird die Bundesregierung die Entwicklung an den Kreditmärkten in den kommenden Monaten sorgsam beobachten und gegebenenfalls bestehende Instrumentarien der Unternehmensfinanzierung - auch der Kollege Brüderle hat das gestern angesprochen -, also insbesondere den Deutschlandfonds, entsprechend anpassen. Es herrscht im Übrigen internationaler Konsens, dass die Krise nicht vorüber ist - ich wiederhole das, weil das auch für die steuerpolitischen und wirtschaftspolitischen Diskussionen in unserem Land wichtig ist - und dass es deswegen heute zu früh wäre, expansive wirtschaftspolitische Maßnahmen zurückzufahren. Es ist aber dennoch der Zeitpunkt gekommen - auch darüber besteht Einig294 keit -, einen koordinierten Ausstieg, also eine Exitstrategie, vorzubereiten; denn je besser das koordiniert wird, umso geringer sind die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen, wie sie bei einem nichtkoordinierten Ausstieg auftreten. Die momentanen expansiven Schritte waren unvermeidlich; aber sie sind auf Dauer - auch das muss man klar sagen - nicht durchhaltbar, und sie sind auch nicht nachhaltig, weil sonst die Geldwertstabilität und die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte gefährdet wären, um es vorsichtig zu formulieren - im Übrigen mit dann unvermeidlichen Konsequenzen für die Zinspolitik der Zentralbanken. Das Risiko, jetzt die Basis für künftige Blasenbildung auf den Finanzmärkten zu legen, dürfen wir im Sinne der Krisenprävention ebenfalls nicht aus den Augen verlieren. Die Chance ist gut, dass sich nicht wiederholen wird, was sich vor zwei Jahren ereignet hat; aber ganz ausgeschlossen ist die Gefahr noch nicht. Vor diesem Hintergrund habe ich meinen Kollegen in Brüssel am Montag und Dienstag etwas zugesagt, was für Deutschland selbstverständlich ist und was übrigens auch in unserem Koalitionsvertrag ganz ausdrücklich formuliert ist, dass wir nämlich den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten werden. ({20}) Wenn Deutschland ihn nicht einhalten und verteidigen würde - das habe ich den Kollegen in Europa gesagt -, dann würden wir die Grundbedingung, die wir bei der Schaffung der Währungsunion festgelegt haben, missachten. Das ist eine Weile her; aber wir mussten den Menschen in Deutschland erklären, dass eine europäische Währung so stabil sein wird, wie die D-Mark war. Die Grundvoraussetzung ist die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Also werden wir, wie von der EU-Kommission empfohlen, 2011 mit der Konsolidierung beginnen, wenn ein selbsttragender Aufschwung bis dahin eingetreten ist, wovon wir heute ausgehen können. Damit werden wir das Defizitkriterium von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2013 wieder unterschreiten. Das bedeutet dann auch, dass alle weiteren wachstumspolitischen Maßnahmen - das steht auch so in unserer Koalitionsvereinbarung - unter Vorbehalt der Vereinbarkeit mit europäischen und nationalen Haushaltsregeln stehen. Im Übrigen muss dieser Koalition niemand sagen, dass das Grundgesetz in allen seinen Teilen gilt. Das, was wir in der Föderalismuskommission II umgesetzt haben, war richtig und notwendig und wird eingehalten. ({21}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss noch einen kurzen Blick auf Folgendes werfen: Es gibt Untersuchungen - diese möchte ich in diesem Zusammenhang wenigstens angesprochen haben zum Beispiel der EU-Kommission, die darauf hindeuten, dass unser Potenzialwachstum durch die Krise sinkt. Also sind Strukturreformen notwendig, um das Potenzialwachstum zu steigern, zumal die grundsätzlichen Trends, wie demografischer Wandel oder Klimawandel, in der öffentlichen Wahrnehmung durch die Krise zwar zeitweilig überlagert, aber in der Substanz weder beseitigt noch verdrängt worden sind. Wir müssen sie für eine längerfristige Politik bedenken. Deswegen sind die notwendigen Strukturreformen, die wir in diesem Land gemeinsam ergreifen müssen, nicht etwas, wovor sich die Menschen fürchten müssen, sondern sie sind eine Chance für alle Menschen in diesem Lande, dass wir die Herausforderungen bestehen und die Chancen, die diese rasch verändernde Welt im 21. Jahrhundert allen Menschen bietet, auch wirklich nutzen. Deswegen werden auch in den kommenden Jahren die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise unser finanzpolitisches Handeln bestimmen. Wir werden geringere Steuereinnahmen und höhere Schulden haben, und diese schwächen den ohnehin engen finanzpolitischen Handlungsspielraum. Soweit wir ihn durch Strukturreformen und Wachstum erweitern können, wird es besser. Deswegen ist das eine kein Gegensatz zum anderen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe dieses Hohen Hauses, ein vernünftiges Maß zu finden. ({22}) - Ich schicke Ihnen meine Schulzeugnisse mit den Mathematiknoten, Herr Bonde. Seien Sie vorsichtig! Ich kann ziemlich gut rechnen. Ich habe es nicht verlernt. ({23}) - Wissen Sie, ich habe gelegentlich zu Ihrem Parteivorsitzenden, dem ich auch persönlich verbunden bin, gesagt: Wenn zwei plus zwei gleich vierzig wären, dann könnte man mit Lafontaine Finanzpolitik machen. Zwei plus zwei ist aber vier. ({24}) Zu Beginn der Legislaturperiode wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, im demokratischen Streit ein vernünftiges Maß zu finden. ({25}) - Ja, ja, Sie hören nicht gerne etwas über Aufgaben; Sie wollen nur Versprechen machen, von denen Sie hoffen, dass Sie sie nicht selber realisieren müssen. Ich spreche lieber von unserer gemeinsamen Aufgabe. ({26}) Diese Aufgabe wird sein, ein vernünftiges Maß zu finden, das sowohl den berechtigten Wünschen der gesellschaftlichen und politischen Akteure und den Bedürfnissen zukünftiger Generationen als auch den Notwendigkeiten des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und unseres Grundgesetzes Rechnung trägt. Dazu zähle ich auf Ihrer aller Unterstützung. Herzlichen Dank. ({27})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Joachim Poß das Wort. ({0})

Joachim Poß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001740, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, lieber Herr Schäuble, ich wünsche Ihnen für Ihre schwierige Aufgabe eine glückliche Hand. Sie haben vorhin schon eine Kostprobe dafür geliefert, was wir in den nächsten Wochen und Jahren erwarten dürfen und wie Sie versuchen, die Gratwanderung zwischen Frau Merkel und Herrn Westerwelle zu bewältigen. Sie haben gerade aber auch bewiesen, dass Sie in der Lage sind, ökonomisch unnötige Steuergeschenke wortreich zu begründen. Diese Fähigkeit wird, denke ich, bei Ihrer Schuldenpolitik an Grenzen stoßen. Ihr ernst gemeintes Bekenntnis zu Europa auch in der Finanz- und Stabilitätspolitik relativiert sich durch Ihre konkreten Absichten oder durch das, was Sie noch nicht aussprechen. Denn diese Bekenntnisse sind nicht durch konkrete Politik unterlegt, ganz im Gegenteil: Alles, was Sie - insbesondere bei Ihrer Steuersenkungspolitik verkünden, steht im Gegensatz zu diesen Bekenntnissen. In der Regierungserklärung von Frau Merkel war das offenkundig. Das werden wir Ihnen bei aller Kooperation, die nötig ist, nicht durchgehen lassen. ({0}) Wir verstehen unsere neue Rolle sicherlich nicht so, dass wir blindwütige Angriffe gegen Sie unternehmen. Sie selber sollten allerdings möglichst versuchen, die Linie dessen, was in der Großen Koalition gemeinsam erreicht wurde, um Wachstum und Stabilität anzustreben, auch fortzusetzen. Sie sind ganz klar dabei, diese Linie zu verlassen. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass es Ihnen nicht nur um Steuersenkungen zur Wachstumsbelebung geht, sondern dass Sie offenkundig auch Gefangener der Steuersenkungsversprechen Ihrer Partei und insbesondere der von Herrn Westerwelle geworden sind. Das ist keine komfortable Lage für eine solide Politik, Herr Schäuble, selbst wenn Sie beabsichtigen sollten, eine solche zu betreiben. Man muss bei Ihnen sehr genau hinhören. ({1}) In den Debatten der letzten Tage ist zu Recht die mangelnde Klarheit der Koalitionsvereinbarung kritisiert worden. Fast alle wichtigen Themen werden in Kommissionen oder Arbeitsgruppen verschoben, auf jeden Fall aber hinter das Datum der Landtagswahl in NordrheinWestfalen. Die Steuerschätzung im Mai ist keine hinreichende Begründung dafür, nicht sofort mit den notwendigen Vorarbeiten zu einer Steuersenkung zu beginnen, sondern vielmehr Alibi dafür, die Diskussion zwischen den Koalitionspartnern darüber - eine turbulente Debatte durften wir schon in den letzten Tagen erleben - auf einen Termin nach der Landtagswahl in NordrheinWestfalen zu verschieben. Das ist der wahre Grund, warum Sie die entsprechende Kommission erst nach dieser Landtagswahl einsetzen wollen. ({2}) Die angekündigte - richtigerweise müsste man „angedrohte“ sagen - Gemeindefinanzreform wird in eine Kommission verschoben. Ebenfalls wurde eine systematische Änderung der Umsatzsteuer angekündigt, aber nur zur Prüfung. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ganz konkret sind die Neukoalitionäre nur zweimal geworden: einmal bei der bizarren Idee, für die Finanzierung all ihrer unsoliden Versprechungen einen riesigen Schuldentopf neben den Bundeshaushalt zu schaffen. Aus dem sollte dann beliebig verteilt werden, und zwar ohne lästige Rücksichtnahme auf die gerade neu geschaffenen Regeln zur Begrenzung der öffentlichen Verschuldung. Dieser offenkundige Betrugsversuch ist Gott sei Dank erst einmal vom Tisch genommen und wird, Herr Minister Schäuble, hoffentlich auch mit dem nächsten Haushalt nicht noch einmal serviert. Sie wissen, worum es dabei geht. Herr de Maizière hat das, glaube ich, sehr intim miterlebt. ({3}) - Als intimer Kenner der Sache. Er ist schließlich ein guter Jurist. Ebenfalls konkret und bereits vom neuen Kabinett beschlossen sind die kurzfristigen steuerlichen Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Hier betreiben Sie gleich in mehrfacher Hinsicht Etikettenschwindel. Schwindel Nummer eins: Der größte Teil des Entlastungsvolumens dieses Gesetzes geht auf die Konjunkturpakete bzw. die Gesetzesvorhaben der Großen Koalition zurück, nämlich 14 Milliarden Euro. Das sind rund zwei Drittel des gesamten Entlastungsvolumens. Hinzu kommen 8,5 Milliarden Euro. Das sind sozusagen die Zückerli für eine ganz bestimmte Klientel. Es handelt sich also um fremde Federn, ({4}) mit denen sich insbesondere die FDP, Herr Kollege Fricke, schmücken will. ({5}) Mit Wachstumsbeschleunigung hat das alles nichts zu tun. Das ist Teil einer abenteuerlichen Finanzpolitik. ({6}) Schwindel Nummer zwei: Die meisten Maßnahmen dienen offensichtlich nicht primär der Wachstumsförderung, sondern der Bedienung der eigenen Klientel. Die Steuergeschenke für die Unternehmenserben - ich hatte gestern Abend Gelegenheit, mit einem Praktiker aus der Steuerverwaltung zu sprechen, der durchaus über ökonomische Kenntnisse verfügt ({7}) - das mache ich auch öfter - ebenso wie die Änderungen der Unternehmensbesteuerung oder die isolierte Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungen haben mit Wachstumsförderung - das wissen Sie auch, Herr Schäuble - nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Wie zu lesen ist - damit werden wir uns noch ausführlich befassen -, wird die Maßnahme zugunsten der Beherbergungsgewerbe nicht wie angekündigt 1 Milliarde Euro kosten. Es gibt - möglicherweise auch unionsgeführte - Länder, die einen Steuerausfall in Höhe von 3 bis 4 Milliarden Euro befürchten. In einer Umfrage des einschlägigen Verbandes ist zu lesen, dass sich die Senkung des Mehrwertsteuersatzes nicht in den Preisen für die Kunden niederschlagen wird, wenn überhaupt, dann höchstens zu 10 oder 20 Prozent. Das hat mit der ursprünglichen Begründung der Maßnahme überhaupt nichts zu tun. Etikettenschwindel, wohin man blickt! ({8}) Viel wichtiger wäre es dagegen gewesen, sich Gedanken zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes zu machen und durch weitere Maßnahmen die Nachfrageseite unserer Wirtschaft zu stärken. Wir fordern zu diesem Zweck die Verlängerung der geförderten Altersteilzeit um fünf Jahre und werden beantragen, den Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes um unseren diesbezüglichen Gesetzentwurf zu ergänzen. ({9}) Ich komme zu Schwindel Nummer 3: Auf der Ebene der Länder und Gemeinden, also genau dort, wo die unmittelbar vor Ort beschäftigungswirksamen öffentlichen Investitionen getätigt werden, werden die Wachstumskräfte durch die Regelungen Ihres Gesetzentwurfs nicht nur nicht gestärkt. Sie werden geschwächt und konterkariert. Es ist doch absurd: Während sich Städte und Gemeinden auf der einen Seite auch im kommenden Jahr noch aus dem kommunalen Investitionsfonds des Konjunkturpaketes II bedienen können, werden ihnen auf der anderen Seite von der neuen Bundesregierung gleichzeitig Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entzogen. Das ist Wachstumsverhinderung, nicht Wachstumsbeschleunigung. ({10}) Die Zahlen der Steuerschätzung, Herr Schäuble, sind gut eine Woche alt. Selbst ohne die neuerlichen Maßnahmen fehlen den Ländern in 2010 gegenüber 2008 gut 20 Milliarden Euro und den Städten gut 10 Milliarden Euro. Jeder Euro weniger an Steuereinnahmen heißt einen Euro weniger Investitionen oder einen Euro mehr Schulden. Wer Ländern und Kommunen nur die Wahl zwischen Investitionskürzung und noch mehr Schulden lässt, der gestaltet Zukunft nicht - diesen Anspruch haben Sie in Ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, Frau Merkel -, sondern verhindert sie. Das ist doch genau die Art von Steuer- und Finanzpolitik, die unser Land am Ende der letzten schwarz-gelben Regierungszeit in den 90er-Jahren in die völlige Bewegungsunfähigkeit getrieben hat. ({11}) Jetzt fangen Sie das gleiche Spiel wieder an. Deswegen stehen Sie nicht in der Kontinuität einer auf Solidität und Wachstum angelegten Politik der Großen Koalition. ({12}) Nun mag der Bund in der Lage sein, in 2010 mit den ohnehin vorgesehenen 86 Milliarden Euro neuen Schulden auch seinen Anteil an den zusätzlichen Steuersenkungen zu finanzieren. Aber nun ein Wort zum Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa und zur zukünftigen Politik, Herr Schäuble: Auch beim Bund erhöhen die zusätzlichen Einnahmeausfälle das strukturelle Defizit, das nach den Regeln der Schuldenbremse bis 2016 abgebaut werden muss. Das heißt, allen Bürgerinnen und Bürgern, die jetzt mit Entlastungen beglückt werden, wird die Rechnung dafür noch präsentiert werden, und zwar in Form höherer Steuern oder - das ist wahrscheinlicher - in Form von Leistungskürzungen. Das ist eine Mogelpackung. Das wird die heute scheinbar Begünstigten, die sich freuen, noch teuer zu stehen kommen. ({13}) Dabei geht es nicht darum, dass wir den Familien mit Kindern nicht ein höheres Kindergeld wünschen, wenn es denn solide finanziert würde. Aber was ist denn das bitte schön für eine Entlastung für Familien, mit der, allen Bekenntnissen hier zum Trotz, sehenden Auges den Kindern selbst die vollen Kosten zuzüglich Zins und Zinseszins aufgebürdet werden? Das kann doch nicht unser Weg in die Zukunft sein. Kehren Sie um, Frau Merkel und Herr Schäuble, bevor es zu spät ist. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Carl-Ludwig Thiele von der FDP-Fraktion. ({0})

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Finanzminister Schäuble, zunächst möchte ich Ihnen in dem neuen Amt viel Erfolg wünschen. Ich habe es begrüßt, dass Sie in Brüssel waren. Wir, CDU, CSU und FDP, haben damals gemeinsam den Euro eingeführt. Wir haben uns gemeinsam für den Vertrag von Maastricht mit seinen Kriterien eingesetzt. Wir wollten unsere Währung stabil halten und sind froh, dass es uns gelungen ist, das international zu implementieren. Wenn es derzeit Schwierigkeiten gibt, in unserem Land wie auch in anderen europäischen Ländern, dann besteht unser Weg, anders als das unter rot-grüner RegieCarl-Ludwig Thiele rungszeit der Fall war, nicht darin, die Kriterien zu verändern, sondern er besteht darin, zu den Kriterien zu stehen und in diesen schwierigen Zeiten gleichwohl dafür einzutreten, dass diese Kriterien Bestand haben. Das sind wir den Bürgern und der Wirtschaft unseres Landes schuldig. ({0}) Ich freue mich natürlich auch darüber, dass die FDP nach elf Jahren die Zukunft unseres Landes wieder mitgestalten darf. Ich gestehe allerdings ganz freimütig, dass ich mir wirtschaftlich schönere Zeiten gewünscht hätte, als wir sie derzeit haben. Aber das ist eine Herausforderung mehr. Wir erleben allerdings auch gerade in der Koalition eine Premiere in der Geschichte unseres Landes. Frau Merkel ist die erste Bundeskanzlerin unseres Landes, die in einer neuen Koalition Kanzlerin bleibt. Das hat es in der Geschichte unseres Landes noch nicht gegeben, auch nicht bei Beendigung der Großen Koalition 1969. Diese Tatsache hat Auswirkungen: Weite Teile der Union sehen sich weiterhin in der Kontinuität des bisherigen Regierungshandelns, ({1}) die FDP will aber einen politischen Neuanfang, und den brauchen wir in unserem Land, sowohl in der Sache als auch bei den Personen. Wir sind froh, dass unsere Personen neu in das Kabinett eingezogen sind. ({2}) Aber - auch das sage ich ganz klar - ich bekenne mich zu dieser Koalition. Wir wollen gemeinsam in dieser Koalition in schwierigen Zeiten jetzt Politik neu gestalten. Das ist die Aufgabe, die wir haben. ({3}) Anfang des Jahres wurde noch mit einem Wirtschaftseinbruch von 6 Prozent gerechnet. Wir haben derzeit Voraussagen, dass es 3,9 Prozent sind. Das ist immer noch der stärkste Wirtschaftseinbruch in der Geschichte unseres Landes. Durch diesen Wirtschaftseinbruch haben viele Menschen ihre Arbeitsplätze verloren, viele sind in Kurzarbeit, und viele Bürger haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Ziel liberaler Politik und der Politik dieser Koalition ist es daher, die Rahmenbedingungen für Wachstum zu verbessern, damit die bestehenden Arbeitsplätze sicherer und Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass neue Arbeitsplätze in unserem Lande entstehen können. ({4}) Die Bürger hatten bei der Bundestagswahl die Wahl zwischen Parteien, die in der Krise die Steuern erhöhen wollten, und zwischen Parteien, die die Steuern senken wollten. Die Bürger haben sich klar für die Parteien entschieden, die die Steuern senken wollen. Damit die Bürger aber auch sehen, dass Union und FDP nicht nur von Wachstum und „mehr Netto vom Brutto“ sprechen, sondern auch wirklich entsprechend handeln, freue ich mich, dass heute während der Debatte über die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin die erste Lesung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes durchgeführt wird, damit wir dieses Gesetz in diesem Jahr noch zum Abschluss bringen. Die erste Lesung haben wir heute sogar vor der Konstituierung der Ausschüsse. Aber das ist wichtig, es soll sich jeder darauf einrichten können, die Opposition auf das Verfahren, aber auch die Bürger auf die steuerlichen Entlastungen. ({5}) Wir wollen mit diesem Gesetz ein ganz klares Zeichen setzen. Die Familien in unserem Land sollen spürbar entlastet werden. Das Kindergeld wird um 20 Euro erhöht, der Kinderfreibetrag auf 7 000 Euro. Mir ist dabei unbegreiflich, wie die Opposition angesichts dieser Maßnahmen gegenüber der Koalition erklären kann, sie betreibe soziale Kälte oder Klientelpolitik. Ich möchte eines an dieser Stelle klarstellen: Wenn der Einsatz für die Familie in unserem Lande von Ihnen als Klientelpolitik bezeichnet wird, dann bekennen wir uns ausdrücklich zu dieser Art der Klientelpolitik; denn die Familien sind die Wurzeln unserer Gesellschaft, und wenn wir dort ansetzen, die Wurzeln zu stärken, tun wir Gutes für unser Land. ({6}) Außerdem werden wir Fehler bei der Unternehmensteuerreform korrigieren, die für die Betriebe krisenverschärfend wirken und Arbeitsplätze gefährden, wie zum Beispiel die steuerpolitisch völlig verfehlte Heranziehung von Kosten als Bemessungsgrundlage für die Erhebung von Steuern. Wir werden ferner im Bereich der Erbschaftsteuer zwei Maßnahmen der Großen Koalition direkt korrigieren. Geschwister wurden durch die Erbschaftsteuerreform der Großen Koalition steuerlich wie völlig Fremde behandelt. Dazu wurde ein neuer Begriff eingeführt, nämlich der Begriff der sogenannten Kernfamilie. Zur Kernfamilie sollten nur noch Eltern, Kinder, Großeltern und Enkel zählen. Welches gesellschaftspolitische Bild steckt hinter einer solchen Familiendefinition? Geschwister sind diejenigen Personen, die uns die längste Zeit durch das Leben begleiten. Diese Personen zählten für die FDP schon immer zur Familie. Ich freue mich darüber, dass mit unserer Forderung einer Besserstellung der Geschwister bei der Union - trotz finanzieller Auswirkungen - offene Türen eingerannt wurden; denn auch dort hat es vielen überhaupt nicht geschmeckt, welcher Unfug mit der Erbschaftsteuer auf den Weg gebracht worden war. ({7}) Ferner werden wir im Bereich der Erbschaftsteuer eine erste Entlastung von Erben mittelständischer Betriebe durch eine deutliche Erleichterung der Fortführungsklausel beschließen. Die Benachteiligung der mittelständischen Betriebe gegenüber börsennotierten Kapitalgesellschaften bei der Erbschaftsteuer muss allerdings weiter abgebaut werden. Wir wollen die Wachstumsbedingungen dadurch verbessern, dass geringwertige Wirtschaftsgüter wieder abgeschrieben werden können. Das erspart Bürokratie und hilft gerade den kleinen Betrieben. Auch über das Beherbergungsgewerbe - Minister Schäuble hat es angesprochen - gab es eine Diskussion. Ich glaube, es ist richtig, dass wir versuchen, diesen Teil unserer Wirtschaft international gleichzustellen. Deshalb haben wir diese Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen. ({8}) Nun kritisiert die Opposition den Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes und unsere weiteren steuerpolitischen Vorhaben als Steuersenkung auf Pump. ({9}) Sie wollen dadurch anscheinend suggerieren, Sie hätten in Ihrer Regierungszeit - das betrifft auch die Regierungszeit von Rot-Grün, Herr Trittin - Steuersenkungen nur beschlossen, wenn der Staat Überschüsse erwirtschaftet hat. Das hat er aber nicht. ({10}) Das heißt, auch Ihre Steuersenkungen gingen mit einer Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte einher. Das muss man an dieser Stelle sehen. Schauen wir uns die letzten Jahre an: Zuletzt wurden zwei Konjunkturprogramme in einer Größenordnung von mehr als 80 Milliarden Euro aufgelegt. Diese Konjunkturprogramme wurden ausschließlich - das sage ich ganz deutlich an die Adresse der SPD - durch eine Erhöhung der Neuverschuldung finanziert. Das ist der Grund, warum Finanzminister Steinbrück im Sommer dieses Jahres einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2010 eingebracht hat, in dem sämtliche Schuldenrekorde unseres Landes gebrochen werden; das nächste Jahr sollte mit einer Neuverschuldung von 86,1 Milliarden Euro angegangen werden. ({11}) Dass wir in der Krise etwas für die Konjunktur tun müssen, ist vollkommen richtig. Aber wir wollen konsolidieren, und wir wollen Wachstum fördern. Das gehört für uns zusammen. Das sind zwei Seiten derselben Medaille, und dafür werden wir uns einsetzen. ({12}) In den letzten vier Jahren hat die Große Koalition über die Verhältnisse unseres Landes gelebt. ({13}) Die jährlichen Ausgaben des Bundeshaushaltes, Herr Kollege Kauder, sind um 4 Prozent gestiegen, und die Volkswirtschaft ist nur um 1,4 Prozent gewachsen. Ich freue mich, dass es gelungen ist, in der Koalitionsvereinbarung festzulegen, dass wir mit dem Wachstum der öffentlichen Ausgaben unterhalb des Wachstums der Volkswirtschaft bleiben wollen. Unser Ziel ist ein schlanker und ein starker Staat. Dazu bekennen wir uns. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäuble, Sie haben gemeint, hier über die Rechenkünste von Herrn Lafontaine sprechen zu müssen. Ihn muss ich nicht verteidigen; das kann er selber ganz gut. Aber an Ihre Rechenkünste möchte ich gerne erinnern. Sie und Ihr Freund, Helmut Kohl, haben vor 20 Jahren geglaubt, die deutsche Einheit könne aus der Portokasse bezahlt werden. Da haben Sie bewiesen, wie schlecht Sie rechnen können. ({0}) Die Kanzlerin hat von der schwersten Krise in der Geschichte der Bundesrepublik gesprochen. Da hat sie recht. Die Bürger haben zu Recht erwartet, dass sich die Kanzlerin gleich nach der Vereidigung an sie wendet, um Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise vorzustellen. Nötig wären die sofortige Einführung einer Börsenumsatzsteuer, die sofortige Rücknahme der Deregulierungsgesetze für den deutschen Finanzmarkt, die sofortige direkte Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen durch den Staat und die sofortige Erhöhung der Hartz-IV-Sätze für Kinder. Das alles ist nicht geschehen, und das ist verheerend. ({1}) Stattdessen flog die Kanzlerin lieber über den Großen Teich, um erst einmal alles mit dem Großen Bruder in Amerika abzusprechen. Gerade im Osten sah ich da ein Schmunzeln in den Gesichtern vieler Menschen, die sagten: Na, das kennen wir doch. Erich Honecker musste auch erst in Moskau erscheinen, um den Bürgern dann mitteilen zu können, wie es im Lande weitergeht. ({2}) - Die Reflexe funktionieren - ich sehe das - sehr gut. Weil wir ja nun seit einem Jahr den Mauerfall feiern und jetzt ein weiteres Jahr die Deutsche Einheit, will ich noch kurz etwas zu diesem Thema sagen: Die Ostdeutschen hatten in der letzten Zeit viel zu schmunzeln. ({3}) Überhaupt: Ich kenne keine Jammerossis, ich kenne vor allem Schmunzelossis. „Das kennen wir doch!“, sagen die schmunzelnden Ostdeutschen. Die Kanzlerin hat vor der Wahl nicht gesagt, wer die Kosten der Krise bezahlen soll, und sie hat es auch in der Regierungserklärung nicht gesagt. Die Menschen können mit der Wahrheit umgehen, und sie können auch mit schlechten Nachrichten umgehen, sie können es aber nicht ertragen, wenn die Regierung sie belügt. ({4}) Schon die Koalitionsverhandlungen machten deutlich, welche Schwierigkeiten die Regierung mit der Wahrheit hat. In einem Schattenhaushalt sollten die Wahlgeschenke an die Unternehmen und an die Erben großer Vermögen versteckt werden. ({5}) Aber die Proteste gegen diese Klientel- und Verschleierungspolitik waren so groß, dass der Schattenhaushalt erst einmal zurückgezogen werden musste. Das Ergebnis allerdings ist: Der gesamte Bundeshaushalt ist jetzt ein einziger großer Schattenhaushalt. Alles, was die Bundesregierung im Schattenhaushalt verstecken wollte, wird sie im nächsten Bundeshaushalt verstecken. Da frage ich mich: Ist Herr Schäuble vielleicht nur ein Schattenminister? Die Kanzlerin verteidigte in ihrer Rede noch einmal die Steuersenkungen auf Pump. Sie wolle die Arbeitnehmer in der Krise nicht zusätzlich belasten. Auch das ist eine Lüge. Es ist eine Lüge, weil Sie von der Koalition die Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung erhöhen werden. Sagen Sie den Menschen doch wenigstens die Wahrheit! ({6}) Wir als Linke sagen: Es gibt eine andere Möglichkeit, die die Kanzlerin allerdings verschwiegen hat: die Anhebung der Steuern auf große Vermögen, Dividenden, Boni und unanständig hohe Gehälter. Mit diesen Mehreinnahmen hätte die Bundesregierung die Kosten der Krise finanzieren können. Der vorliegende Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ist in Wirklichkeit der Entwurf eines Umverteilungsbeschleunigungsgesetzes. Meine Damen und Herren, Sie bedienen Ihre Klientel wie schon in der letzten Legislaturperiode, bloß dass Sie jetzt noch dreister und schneller von unten nach oben umverteilen wollen. Dem stellen wir uns entgegen. ({7}) Herr Schäuble, Sie haben erklärt, dass der Haushalt 2010 auf Sicht gefahren werden soll. Ich sage Ihnen: Da kann einem nur angst und bange werden. Schon der Kapitän der „Titanic“ fuhr nur auf Sicht. ({8}) Wir wissen, wie diese Sache ausgegangen ist. Auch in der Krise braucht eine Regierung wenigstens eine mittelfristige Strategie; es reicht kein Hüpfen von Jahr zu Jahr. Meine Damen und Herren, zu der von Herrn Schäuble wiederum aufgestellten Behauptung, dass die Finanzmärkte nur international reguliert werden können, ist zu sagen: Das ist eine weitere Lüge. Natürlich brauchen wir internationale Regeln, aber Sie müssen doch einsehen, dass ein Teil der Finanzkrise hausgemacht ist. Wir brauchen also nicht zu warten, bis alles international geregelt ist. Wir müssen heute schon in unserem eigenen Haus wieder Ordnung schaffen. ({9}) Der Finanzminister - Sie haben das gesagt, Herr Schäuble - muss im nächsten Jahr 86 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, um die dramatischen Auswirkungen der Krise in den Griff zu bekommen. Aber gleichzeitig entlasten Sie Manager, Erben und Bankdirektoren, die für diese Krise mit die Verantwortung tragen. Und Sie wälzen in unverantwortlicher Weise die Lasten auf die Länder und Kommunen ab. Ich nenne Ihnen nur einmal ein Beispiel: Meine Heimatstadt, das Bundesland Berlin, wird durch Ihre Steuerpolitik 700 Millionen Euro weniger haben. Das entspricht einem Gegenwert von 100 000 Kita-Plätzen. Da reden Sie hier von Familienfreundlichkeit? Das ist doch ein Widerspruch. ({10}) Meine Damen und Herren, ab 2011, so haben wir gelesen, soll wieder gespart werden. Dazu gibt es schon eine Menge an Vorschlägen von sogenannten Experten wie Herrn Sinn, der den Hartz-IV-Satz regionalisieren, also wieder eine Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland aufbauen will. Wir sagen Ihnen: Dieser Vorschlag ist nicht nur unsinnig, er ist auch juristisch nicht haltbar, er ist unsozial und spalterisch - und das angesichts der 20-Jahr-Feiern, die wir gerade erleben. So geht das nicht. ({11}) Eine wirkliche finanzpolitische Linie ist weder im Koalitionsvertrag noch in den Reden der Regierungsmitglieder zu erkennen. Nur wenn man zwischen den Zeilen liest, was wir ja gelernt haben, findet man heraus, dass diese Regierung nicht das Wohl der Menschen in diesem Land im Auge hat, sondern ausschließlich das Wohl von Leuten wie Herrn Ackermann, mit denen sie auch gerne im Kanzleramt Geburtstagspartys feiert. ({12}) Wir als Linke werden in dieser Legislaturperiode den Bundeshaushalt gut ausleuchten und die Bürger über die Schattenspiele der Regierung ausführlich informieren. Darauf können Sie sich verlassen. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Alexander Bonde vom Bündnis 90/Die Grünen.

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister Schäuble, als Mitglied der Opposition will ich Ihnen zu Ihrem neuen Amt gratulieren und Ihnen viel Glück in diesem schwierigen Amt, das Sie übernommen haben, wünschen. Denn Glück werden Sie angesichts der Widersprüche, die Sie in der Finanz- und Haushaltspolitik von Ihrem Koalitionspartner in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ins Gepäck gelegt bekommen haben, brauchen. Diese Koalitionsverhandlungen waren ein denkwürdiges Ereignis. Man muss sich einmal daran erinnern: Einen Kassensturz hat die neue Koalition nicht vorgenommen. Sie alle sagen: Wir fahren jetzt auf Sicht. Aber jeder in diesem Haus weiß, wo eine Strategie „Auf Sicht fahren und die Augen zumachen“ endet. ({0}) Mit einem faulen Trick haben Sie versucht, die wirklich schwierige Situation unter den Teppich zu kehren. Ein riesiger Schattenhaushalt war Ihre Antwort, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Man kann sich einmal eine Auswahl der öffentlichen Meinung anschauen: Die Frankfurter Rundschau schrieb am 6. November „An den Jungen bleibt es hängen“. Die Financial Times Deutschland schrieb am 20. Oktober „Schwarz-Gelb spendiert auf Pump“, und die FAZ schrieb am 2. November „Mit Vollgas in den finanzpolitischen Nebel“. Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen. Finanz- und haushaltspolitische Solidität sieht anders aus als das, was Sie hier an wochenlangem Haushaltschaos inszeniert haben. ({1}) Die Liste der Zitate über Ihr Unvermögen ließe sich, wie schon gesagt, beliebig fortsetzen. Schwarz-gelbe Landesminister - ich denke an Herrn Linssen in NRW -, schwarze Oberbürgermeisterinnen - ich denke an Frau Roth aus Frankfurt -, Ministerpräsidenten - ich denke an Herrn Tillich aus Sachsen - und viele mehr haben begriffen, dass Sie einen Rest an Solidität nur durch das Verschieben der Lasten auf andere Ebenen bewahren wollen: verschieben zulasten der Länder und der Kommunen, also dorthin, wo wirklich Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand stattfindet. Sie schieben den Schwarzen Peter also den Ländern und Kommunen zu. ({2}) Die Strategie der Schattenhaushalte ist erst einmal grandios gescheitert. In Ihrem Koalitionsvertrag ist dieser Punkt aber noch enthalten. Wir werden genau aufpassen, dass das Comeback der großen Lüge nicht kommt. Die absurde Linie geht aber weiter. Denn Ihr neues Credo lautet, dass Steuersenkungen auf Pump einen Wachstumseffekt hätten. Das Gegenteil ist der Fall, wie wir wissen. Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass in dieser Debatte die FDP eine besonders peinliche Figur macht. ({3}) Bis kurz vor Ende der Legislaturperiode gab es die Föderalismuskommission II. Ich kann mich an unsere Sitzungen noch gut erinnern. Besonders gut kann ich mich an die Vertreter der FDP in diesem Gremium erinnern, die jedes Mal lautstark ein Schuldenverbot gefordert haben. Ich präzisiere: ein vollständiges Verbot von Verschuldung. ({4}) Herr Burgbacher war einer der Fürsprecher eines Schuldenverbots. Er ist heute Staatssekretär beim Wirtschaftsminister Brüderle. Der Minister hat uns gestern an dieser Stelle erklärt, es gebe nichts Besseres für das Wachstum als Steuersenkungen auf Pump, es gebe nur eine Chance, Wachstum zu erreichen, nämlich durch Verschuldung. Je mehr Verschuldung, desto besser sei dies für das Wachstum. ({5}) Diesen Spagat, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sollten Sie uns einmal erklären. Ich verstehe, dass Sie Angst davor haben, dass die Leute begreifen, was da passiert ist. - Da Sie sich so aufregen, Herr Thiele: Ich habe daheim zwei kleine Kinder. Ich weiß, wie einer aussieht, der die Hose voll hat. Das sehe ich genau. ({6}) Lassen Sie mich auf die Kanzlerin zu sprechen kommen. Hier gibt es ja ähnliche Fragestellungen. Vor der Wahl haben Sie uns erklärt, die Defizite der Bundesagentur für Arbeit seien kein Problem; das sei ein Darlehen. Jetzt geben Sie zu: Dies ist kein Darlehen. Nach der Wahl ist klar: Das führt zu einer zusätzlichen jährlichen Verschuldung im Rahmen des Bundeshaushaltes. Sie wissen, das führt jährlich zu einer massiven Milliardenlücke. Sie addiert sich bis 2013 auf 40 Milliarden Euro. Deshalb ein Merksatz an die FDP zum Mitschreiben: Für einen Steuerzuschuss brauche ich Steuereinnahmen. Das ist mathematisch zu erklären. ({7}) Wenn ich Steuereinnahmen brauche, kann ich die Steuern nicht senken. Ihre Refinanzierungskurven werden am Ende dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit des Staates abnehmen wird. ({8}) Sie argumentieren immer damit, dass uns Wachstum retten wird. Sie müssen aber absurd hohe Wachstumsraten generieren, um das hinzubekommen, was Sie hier immer behaupten. Wenn Sie an Ihre Steuersenkungspläne denken und gleichzeitig Ihr Bekenntnis zu den Maastricht-Kriterien ernst nehmen - das bedeutet zum Beispiel, dass Sie, was die Staatsverschuldung angeht, 60 Prozent des BIP nicht überschreiten -, dann bräuchten Sie bis ins Jahr 2030 ein jährliches Wirtschaftswachstum von 4,2 Prozent, um Ihre Pläne und die Maastricht-Kriterien unter einen Hut zu bekommen. Da muss man wirklich fragen: Wo leben Sie denn eigentlich? ({9}) Das sind keine Zahlen, die wir erfunden haben, sondern die hat UniCredit berechnet, die nicht als volkswirtschaftliche Unterabteilung der grünen Parteizentrale bekannt ist. Das, was Sie hier machen, ist Traumtänzerei. Das Wachstum, das Sie zur Umsetzung Ihrer Pläne brauchen, muss das Doppelte bis Dreifache des deutschen Potenzialwachstums sein. Die Gefahren, die darin bestehen, hat der Bundesminister ausgeführt, nämlich das eher zu erwartende Sinken des Potenzialwachstums. Was Sie hier versprechen, passt hinten und vorne nicht zusammen. Die Entlastung bei den Beherbergungsleistungen ist ein teures Wahlgeschenk. Es kostet Ihrer Meinung nach 1 Milliarde Euro. Die von Ihrer Partei regierten Länder sprechen von 3 bis 4 Milliarden Euro; dies wurde schon ausreichend kommentiert. Der Wachstumsimpuls ist null. Ungerecht ist, was Sie bei den Familien planen. Zukünftige Generationen sollen es bezahlen. Die Eltern bekommen jetzt 20 Euro pro Kind mehr im Monat. 1,8 Millionen Kinder bekommen überhaupt nichts, weil Ihnen arme Kinder nichts wert sind. So viele Kinder leben in Hartz-IV-Familien. Und da wird das Kindergeld komplett angerechnet. ({10}) Ähnlich ungerecht gehen Sie bei den Kommunen vor. Wenn Sie schon auf uns von der Opposition nicht hören, dann hören Sie zumindest auf die Notenbanken, die inzwischen laut vor Ihrem Kurs warnen. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker sagt zu Recht: Der Stabilitätspakt gilt. Er lässt Flexibilität zu, lässt aber Verantwortungslosigkeit nicht zu. Sehr geehrte Koalition, er lässt Verantwortungslosigkeit nicht zu. Nehmen Sie deshalb endlich eine verantwortungsbewusste Position ein! Stampfen Sie den Entwurf Ihres Wahlgeschenkebeschleunigungsgesetzes, den Sie heute einbringen, ein! Hören Sie auf, eine Haushaltspolitik auf Pump zu machen, die die soziale Spaltung dieses Landes vorantreibt und die Investitionsfähigkeit, die wir gerade in dieser Krisensituation brauchen, beschädigt! Drehen Sie um! Sie haben heute keine Antwort auf die wirklichen Fragen der Finanz- und Haushaltspolitik geliefert. Sie wollen jetzt nur Ihre Wahlversprechen, die damals unsolide waren, in Regierungsversprechen ummünzen, von denen Sie wissen: Nicht eines davon werden Sie halten können. Lassen Sie uns es gleich ehrlich machen! Alles andere nimmt Ihnen sowieso keiner ab. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Meister von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Meister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir führen diese finanzpolitische Grundsatzdebatte über die neue Wahlperiode mitten in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir sollten uns als Erstes klarmachen, dass eine positive Antwort auf die Frage, ob es uns gelingt, ein Fundament für die neue Wahlperiode zu legen, indem wir Vertrauen auf dem Finanzsektor schaffen und dafür sorgen, dass sich ein Ereignis wie die Insolvenz von Lehman Brothers vor gut einem Jahr nicht wiederholen kann, die Basis für alle Überlegungen in der Finanzpolitik ist. Wenn uns ein Lehman II passiert, dann sind alle Debatten, die ich heute Morgen gehört habe, gegenstandslos. Deshalb betrifft die Frage, die als erste angegangen werden muss, die Konsolidierung der internationalen Finanzmärkte, Stabilisierung und Vertrauensbildung. Darauf werden wir Wert legen. ({0}) Ich glaube nicht, dass die internationalen Finanzmärkte bereits stabil sind. Die Gesundung geht langsam voran. Es ist nach wie vor Labilität zu erkennen. Deshalb müssen wir mit den Instrumenten, die wir in der Großen Koalition beschlossen haben und die nach wie vor gültig sind, an dieser Stabilisierung und Vertrauensbildung arbeiten und die Finanzmärkte als öffentliches Gut sichern, aber für die Zeit nach der Krise - dies hat Herr Schäuble aus meiner Sicht richtig beschrieben - sollten wir über eine intelligente Exitstrategie verfügen, mit der wir uns von dem Eingriff des Staates, der notwendig war, um Vertrauen zu bilden, zurückziehen und die soziale Marktwirtschaft auch im Bereich der Finanzmärkte wieder wirksam werden lassen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Das heißt, wir müssen darüber diskutieren: Wie sieht diese intelligente Exitstrategie nach der Krise aus? ({1}) Wir haben in der Krise die Notwendigkeit erkannt - das ist der mittel- und langfristige Auftrag, der im Rahmen von G 20 und EU, aber auch national diskutiert werden muss -, eine bessere Ordnung für die Märkte zu bekommen. Es geht nicht darum, Märkte aufzuheben; es geht auch nicht darum, Ordnung zu beseitigen. Vielmehr diskutieren wir über die Frage: Wie können wir eine bessere Finanzmarktverfassung bekommen? Dabei geht es für uns zum Ersten um mehr Information, um mehr Transparenz für die Verbraucher, weil wir als Koalition vom mündigen Bürger ausgehen und deshalb Verbraucherschutz für einen mündigen Bürger organisieren wollen. Zum Zweiten geht es um die Frage, wie wir Defizite in der internationalen Finanzmarktregulierung beseitigen können, damit früher solche Phänomene erkannt werden können, die zu dieser Krise geführt haben, sodass sie sich nicht wiederholen kann. Zum Dritten müssen wir überlegen, wie wir nach der Krise die Eigenkapitalanforderungen an die Finanzinstitutionen erhöhen können. Aus meiner Sicht ist dies alles dringend notwendig. Erst dann können wir über unsere Aufgaben in der Haushaltspolitik und der Steuerpolitik diskutieren. Deshalb möchte ich die Bundesregierung ermutigen, die internationalen Aufgaben, aber auch die nationalen Hausaufgaben mutig anzupacken. ({2}) Wenn wir aus der Krise herauswollen, dann darf die Schlussfolgerung nicht sein, dass wir in Zukunft die Finanzmärkte überregulieren. Wir brauchen mehr Unternehmensgründungen und mehr Wachstumskapital in Deutschland. Deshalb müssen wir die Finanzmärkte so organisieren, dass Gründungskapital und Wachstumskapital zur Verfügung gestellt werden kann, dass kleine und mittelständische Unternehmen sich entwickeln und wachsen können. ({3}) Ferner müssen wir im Zusammenhang mit dem Problem der Kapitalknappheit bei mittelständischen Unternehmen überlegen, wie wir hohe qualitative Standards festschreiben können, sodass Verbriefungen wieder möglich sind: Ich meine nicht Verbriefungen von Schrottpapieren, sondern Verbriefungen von hochwertigen Mittelstandskrediten aus Deutschland. Unter Zugrundelegung von hohen Qualitätsstandards müsste dies möglich sein, um so die Finanzknappheit im deutschen Mittelstand dauerhaft zu überwinden. ({4}) Meine Damen und Herren, ich danke dem Bundesfinanzminister ausdrücklich dafür, dass er in Brüssel ein klares Signal an alle Partner in der EU gegeben ({5}) und deutlich gemacht hat: Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zum Maastricht-Vertrag. ({6}) Das ist ein klares Signal an die anderen Mitgliedstaaten, die damit bei dieser Debatte einen Anker haben. Es ist aber auch ein klares Signal im Hinblick auf die Geldwertstabilität unserer gemeinsamen Währung. An dieser Stelle möchte ich sagen: Es wird ja sehr oft ein Widerspruch zwischen Haushalts- und Sozialpolitik gesehen. Meine Einschätzung ist: Geldwertstabilität ist das Fundament jeder Sozialpolitik. Wer Inflation befördert, handelt in hohem Grad unsozial. Dies wollen wir nicht. ({7}) In diesem Sinne werden wir eine Politik der Geldwertstabilität und des Nichtzulassens von Inflation ausdrücklich mittragen. Dies erkläre ich Herrn Schäuble für unsere Fraktion, aber auch, wie ich glaube, für die Koalition insgesamt. Ich weiß, dass wir uns hiermit einer massiven Anstrengung unterziehen; denn dies bedeutet: Wir müssen die Konsolidierung nach der Krise in Angriff nehmen. Dazu sollten wir uns gemeinsam bekennen. Jetzt will ich die Debatte aufgreifen: Brauchen wir mehr oder brauchen wir weniger Schulden? Das ist die falsche Debatte. Es wäre absolut verrückt, in der Krise zu sparen. Da müssen wir die automatischen Stabilisatoren wirken lassen und über die von uns beschlossenen Konjunkturprogramme versuchen, die wirtschaftliche Aktivität zu befördern. In dem Moment aber, in dem die Krise überwunden ist, müssen wir den Staat ein Stück weit zurücknehmen und die Konsolidierung einleiten. Die Kunst wird sein, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Wir haben und brauchen also keine Debatte über die Frage „Brauchen wir mehr oder brauchen wir weniger Schulden?“, sondern wir müssen ganz klar sagen: Während der Krise lassen wir die automatischen Stabilisatoren wirken, und nach der Krise fahren wir eine entschlossene und konsequente Konsolidierungspolitik. Das ist die Strategie, mit der wir an die Aufgabe herangehen. ({8}) Jetzt wird zu Recht gesagt, dass zu einer Konsolidierungsstrategie Sparen gehört. Ich bin immer für eine sparsame Haushaltsführung, ({9}) und ich bin auch der Meinung, dass zu einer Konsolidierungsstrategie gehört, dass wir schauen, wo wir die Steuergelder unserer Bürger effizienter einsetzen können. ({10}) Da werden wir uns die Strukturen unseres Staates anschauen müssen, nicht die einzelnen Haushaltstitel. ({11}) Wir müssen sehen, ob wir Strukturen schaffen können, die effizienter funktionieren, als es heute der Fall ist. Das ist die Aufgabe, die vor uns liegt. Wer jetzt sagt, wir sollten einfach nur sparen, greift zu kurz. Ich erinnere an das Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn dieses Jahrzehnts. Damals gab es eine Bundesregierung, die ausschließlich mit Sparen darauf reagiert hat. Die Folgen waren mehrere Jahre Nullwachstum, steigende Arbeitslosigkeit und steigende Haushaltsdefizite. Deshalb ist aus meiner Sicht Sparen zwar zwingend notwendig, aber es reicht zur Lösung des Problems nicht aus; es ist notwendig, aber nicht hinreichend. Wir sind der Meinung, dass Sparen durch Investitionen, Arbeitsplatzpolitik und Wachstumspolitik flankiert werden muss. Erst mit diesem Gesamtkonzept sind wir in der Lage, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Deshalb sind wir für Sparen, für Wachstum und für Arbeit. ({12}) Ich unterstreiche ausdrücklich: Wir sind auch der Meinung, dass eine Politik für mehr Wachstum und Arbeit nicht im Widerspruch zur Haushaltskonsolidierung steht, sondern sie unterstützt. Deshalb bringt unsere Fraktion heute das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit ein; denn damit wollen wir einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten und vermeiden helfen, dass Haushaltslücken vergrößert werden. ({13}) - Nein, das machen wir nicht. Herr Schäuble hat deutlich angekündigt, dass es noch vor Weihnachten einen Haushaltsentwurf des neuen Kabinetts geben wird. ({14}) Wenn ich es richtig vernommen habe, hat er angekündigt, dass in diesem Haushaltsentwurf für 2010 die Nettokreditaufnahme nicht höher liegen soll als im Kabinettsentwurf für 2010 vom Juli dieses Jahres. Das heißt, wir tun etwas für Wachstumsbeschleunigung und für mehr Arbeit, ohne die Nettokreditaufnahme zu steigern. ({15}) Das ist die richtige Politik, und damit sind wir auf dem richtigen Weg. ({16}) Das ist doch keine Umkehr. Wenn ein Unternehmen in der Krise in die Situation geraten ist, dass die Erträge sinken und Finanzierungslasten wachsen, kann man das bei den Themen Verlustbesteuerung oder Zinsschranke nicht einfach ignorieren. Das wirkt sich doch unter den Rahmenbedingungen geringerer Erträge und höherer Finanzierungskosten anders aus als in normalen Zeiten. ({17}) Deshalb ist es richtig, dass wir die Wachstumsbremsen, die Arbeitsplätze kosten und das Wachstum behindern, entfernen, und zwar nicht irgendwann, sondern sehr zeitnah, um damit an die Wirtschaft das Signal zu geben, dass die Mitarbeiter in den Unternehmen gehalten und nicht bei der Bundesagentur für Arbeit auf die Payroll gesetzt werden. ({18}) Ich komme zum Punkt Erbschaftsteuer. Da haben wir dieselbe Situation. Wir alle wollen den Unternehmen die Möglichkeit geben, den Weg in die nächste Generation zu schaffen, sodass Arbeitsplätze erhalten werden. Wir haben im Zusammenhang mit dem Generationenübergang das riesige Problem, dass wir deutlich machen müssen, warum hier eine Privilegierung stattfindet. Das machen wir über die Lohnsummenregel. Ich glaube, gerade beim Thema Kurzarbeit - wir haben dieses Instrument gemeinsam eingeführt, weil es den Arbeitsmarkt stabilisiert - muss man bedenken: Wir können es einem Unternehmen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang an die nächste Generation nicht anlasten, dass es die Bestimmungen zur Kurzarbeit in Anspruch nimmt. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden im Verfahren versuchen, trotz Zeitknappheit eine ordentliche Beratung hinzubekommen. Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, nicht nur die Kollegen der Koalition, zu diesen Beratungen ein und bitte Sie, etwas für das Land zu tun und nicht immer nur an die eigene Partei und die eigene politische Gruppierung zu denken. Ich freue mich auf die Wahlperiode. Vielen Dank. ({19})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen von der SPD-Fraktion. ({0})

Bernd Scheelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002772, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Schäuble, auch ich möchte Ihnen zur Übernahme dieser schweren Aufgabe gratulieren. Im Namen der SPD-Fraktion biete ich Ihnen eine konstruktive Zusammenarbeit an. Sie sind der vierte Minister, den ich im Finanzausschuss erlebe. Nicht alle gehörten der SPD an. Sie haben eine sehr schwere Aufgabe vor sich. Sie werden der Minister sein, der im nächsten Jahr den Haushalt mitzuverantworten hat, der die höchste Neuverschuldung in der Nachkriegsgeschichte ausweisen wird. Das ist kein persönlicher Vorwurf an Sie, das wäre jedem anderen Minister auch so gegangen. Aber die Frage ist: Wie geht man mit dieser Erkenntnis vor der Wahl und nach der Wahl um? Dass die Situation so ist, wie ich sie beschrieben habe, war vor der Wahl klar. Da haben Sie, Union und FDP, Schwarz und Gelb, wissend, dass sich der Haushalt in einer dramatischen Schieflage befindet, den Wählern vorgegaukelt, man könne noch etwas oben draufpacken, man könne Steuersenkungen durchführen, das über Schulden finanzieren - und das alles noch auf die 86 Milliarden Euro obendrauf. Sie schlagen den falschen Weg ein, und das kritisieren wir. Wir werden uns das Recht nehmen, den Finger in die Wunde zu legen. Wir werden Sie damit konfrontieren. Denn das, was Sie tun, nämlich Steuersenkungen auf Pump zu versprechen, treibt die Verschuldung weiter nach oben. Das ist unverantwortlich. Ich finde, das kann man nicht akzeptieren. ({0}) Ich will noch etwas zu einem Thema sagen, das in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin nicht vorgekommen ist, nämlich zu der Lage der Kommunen. Die Bundeskanzlerin hat uns vorgestern eine Stunde lang ihre Regierungserklärung vorgetragen. Darin kam das Wort „Kommunen“ ein einziges Mal vor, und zwar in einer Aufzählung, wie schlimm die Krise für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sei. Das war die einzige Aussage zur Lage der Kommunen. Es gab in der Regierungserklärung keine Hinweise darauf, wo die Bundesregierung Wege aus der Krise für die Kommunen sieht. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Hinweisen darauf, wie Sie die Krise für die Kommunen noch verschärfen wollen. Das werden wir kritisieren. Das bezieht sich im Wesentlichen auf das Problem der Mittel. Die Steuersenkung, die ich eben angesprochen habe, spielt beispielsweise eine Rolle. Das, was Sie mit Ihrem „Wachstumsverhinderungsgesetz“ vorlegen, belastet Kommunen mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich und belastet die Länder mit 2,2 Milliarden Euro zusätzlich. Wer weiß, wie die Länder mit den Kommunen umgehen, der weiß auch, dass es für die Kommunen nicht bei den minus 1,5 Milliarden Euro bleiben wird. Sie werden vielmehr auch durch verminderte Zuweisungen und Ähnliches mehr unter dieser Finanzpolitik leiden. Das werden wir deutlich machen. Wir sind an der Seite der Kommunen. ({1}) - Ihr nicht, Otto. Ihr seid nicht an der Seite der Kommunen, um es ganz deutlich zu sagen. Also die FDP schon mal nicht; das steht auf alle Fälle fest. ({2}) Das wesentliche Thema ist die Gewerbesteuer. ({3}) Diese Einnahmequelle macht für viele Kommunen fast die Hälfte ihres Haushaltes aus. Sie ist also wichtig für die Kommunen, wenn es darum geht, die Erledigung von Aufgaben für den Bürger zu finanzieren. Die Kommunen verlassen sich auf das, was die Bundeskanzlerin am 13. Mai vor dem Städtetag in Bochum gesagt hat. Sie hat wörtlich gesagt: Die Gewerbesteuer bleibt unangetastet. Dem könnten wir zustimmen, wenn es denn so bliebe. Was Sie heute jedoch vorlegen, ist der erste Wortbruch. Das werden wir kritisieren. ({4}) Diesen ersten Wortbruch begehen Sie, indem Sie die Hinzurechnung bei den Mieten von 65 auf 50 Prozent absenken. Das heißt, die Gewerbesteuer bleibt schon bei diesem ersten Zugriff nicht unangetastet. Der zweite Wortbruch in diesem Zusammenhang liegt in dem Hinweis auf die Einrichtung einer Kommission. Wer sagt: „Die Gewerbesteuer bleibt unangetastet“, der braucht keine Kommission. Im Übrigen hat es mehrere Kommissionen zu diesem Thema gegeben. 2002/2003 ist die ganze Thematik unter Beteiligung dieses Hohen Hauses und aller Verbände, die daran ein Interesse haben, mehrfach diskutiert worden. Man ist auch zu einem Ergebnis gekommen. Das Ergebnis von 2003 lautete: Es bleibt bei der Gewerbesteuer, und sie muss gestärkt werden. Danach haben wir in der Großen Koalition in den letzten vier Jahren noch stärker, als wir es in der rot-grünen Koalition konnten, gehandelt. Wir sind Ihnen noch heute dankbar dafür, dass das ging. Die Gewerbesteuer ist in den letzten vier Jahren gestärkt worden. Aber jetzt machen Sie eine Kehrtwendung um 180 Grad und wollen die Gewerbesteuer abschaffen. Das ist Wortbruch, und den lassen wir Ihnen nicht durchgehen. ({5}) Zur Frage, wie in der Zukunft die Lasten verschoben werden: Sie gaukeln den Menschen etwas vor, wenn Sie ihnen sagen, dass ihnen demnächst mehr Geld in der Tasche verbleibt; mehr Netto vom Brutto, behaupten Sie. Das Gegenteil wird der Fall sein: Die Menschen werden feststellen, dass sie weniger Netto vom Brutto haben; denn das, was sie möglicherweise weniger an Steuern zahlen, dürfen sie im nächsten Jahr an Abgaben für die sozialen Sicherungssysteme und an kommunalen Abgaben mehr bezahlen. Ihre Koalition empfiehlt, darüber nachzudenken, ob Kommunen, die jetzt im Rahmen der Daseinsvorsorge von der Mehrwertsteuer befreit sind, zukünftig den Satz zahlen sollten, den private Unternehmen zahlen müssen. Das würde zum Beispiel bei den Abgaben für Müllabfuhr und Abwasser 19 Prozent Mehrwertsteuer bedeuten. Die Bürgerinnen und Bürger werden anhand des Gebührenbescheides möglicherweise feststellen, dass sie zwar 10 Euro weniger Steuern zahlen, dafür aber 50 Euro mehr Abgaben. Das ist der falsche Weg. ({6}) - Sie müssen den Koalitionsvertrag einmal lesen. ({7}) Ihre Aussagen sind sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite sagen Sie, dass Sie die Daseinsvorsorge nicht steuerlich belasten wollen. Auf der anderen Seite sagen Sie aber, dass das zum Beispiel im Abfallbereich nicht gelten solle. Was ist denn Daseinsvorsorge, wenn nicht der Abfallbereich? Was soll denn dann noch Daseinsvorsorge sein? Das ist ein klassisches Feld der Daseinsvorsorge. Da wollen Sie die Bürger belasten, und das machen wir nicht mit. ({8}) Auch zur U-3-Betreuung gibt es im Koalitionsvertrag keinen wirklich verwertbaren Hinweis. Sie sagen nebulös, dass Sie die Qualität der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher verbessern wollen. Wenn Sie dazu konkrete Schritte vorschlagen, werden Sie uns an Ihrer Seite haben. Zur Erhöhung der Quantität sagen Sie aber nichts. Auch das ist eine Kehrtwende um 180 Grad und ein Wortbruch; denn wir waren uns eigentlich einig, dass die Betreuung der unter Dreijährigen, die wir gemeinsam auf die Schiene gesetzt haben, nur ein Anfang sein sollte. Das sollte ausgebaut werden. Dazu findet sich in Ihrer Vereinbarung nichts. Frau von der Leyen ist gerade leider nicht anwesend. ({9}) - Hallo, Frau von der Leyen! Sie haben in den letzten vier Jahren - das muss man neidlos anerkennen - eine sehr gute Familienpolitik gemacht. ({10}) Ja, die hat sie gemacht. Aber sie konnte diese Familienpolitik nur mit uns machen. Das ging nur mit der SPD. ({11}) Sie hat 100 Prozent unserer Familienpolitik umgesetzt. Sie hat geschaut, was in den Schubladen von Renate Schmidt übrig geblieben ist. Wir haben es sehr begrüßt, dass Sie das getan haben. Manchmal haben wir das auch etwas kritisch beäugt, weil Sie das medial sehr gut rübergebracht haben. ({12}) Aber jetzt schweigen Sie. Sie machen eine Kehrtwende um 180 Grad. Über die U-3-Betreuung wird nicht mehr geredet. Stattdessen kommt jetzt das Betreuungsgeld, das Sie selbst als Katastrophe bezeichnet haben. Ich hätte von Ihnen ein klares Wort erwartet, dass es der falsche Weg ist, dass es vielmehr Eltern dazu verleitet, ihre Kinder nicht in Einrichtungen zu bringen, und sie dafür belohnt, dass ihre Kinder nicht mit anderen gemeinsam lernen. Das ist der falsche Weg. ({13}) Wenn Sie uns das nicht glauben, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Zeitungen. ({14}) In der Financial Times Deutschland, die nicht gerade im Verdacht steht, uns besonders nahezustehen, liest man: „Zusätzliches Kindergeld verfehlt Kinder“. Oder: „Goldene Zeiten für reiche Eltern“. Das ist die Klientelpolitik, die Sie betreiben, und die werden wir nicht mitmachen. Vielen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Fricke von der FDP-Fraktion. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Vizepräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihrer Pauschalkritik in den letzten Tagen sage ich: Wenn Sie intelligente Kritik anbringen würden, wäre es ja gut. Aber bei Ihnen ist das doch so: Selbst wenn die Kanzlerin und der Vizekanzler über Wasser laufen könnten, dann würde Ihnen nur einfallen: Guckt mal, die können nicht schwimmen. So ungefähr ist inzwischen Ihre Kritik an dieser neuen Koalition. ({0}) Eine Analyse der Lage betreiben Sie gar nicht. Das hätte ich von Rot-Grün und auch von den Linken ein wenig erwartet; von den Linken natürlich weniger. Wie sieht denn die Analyse der Lage aus? Die Verschuldung des Bundes wird dieses Jahr über 1 Billion Euro hinausgehen, und zwar nicht deswegen, weil das die neue Koalition so gemacht hätte, sondern weil es insbesondere eine Hinterlassenschaft von elf Jahren SPD-Regierung ist. Das darf man doch auch noch einmal deutlich sagen. ({1}) 350 Milliarden Euro Neuverschuldung gab es unter der Regierung der SPD. Die Grünen haben kräftig mitgemacht. Schauen wir uns noch an, welche Verschuldung Sie uns für die nächsten Jahre mitgegeben haben. Herr Kollege Scheelen, Sie haben es richtig gesagt: Das hätte jeden getroffen, der als Nächster Finanzminister geworden wäre. Aber schauen wir uns die von der SPD mitbeschlossene Finanzierungslücke für den Finanzplan der nächsten Jahre an. Das sind noch einmal 300 Milliarden Euro, mit denen Sie diese neue Koalition belasten. ({2}) Zusammen sind das 650 Milliarden Euro, für die die SPD nach gegenwärtigem Stand Verantwortung trägt und gegen die wir arbeiten müssen. ({3}) Woran liegt denn das? Was ist denn das eigentliche Problem? Jetzt tun hier alle auf einmal so, als sei das eigentliche Problem die Steuersenkungen. ({4}) Das Problem ist die Verschuldung der Vergangenheit, die man uns hinterlassen hat. Das Problem sind die Schulden der Vergangenheit. ({5}) Die Steuersenkungen dagegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sind ein Teil der Lösung. Das einzusehen, sind Sie aber nicht bereit. ({6}) Was müssen wir tun? Wir müssen auf Wachstum setzen. Wir müssen uns über die Qualität des Wachstums unterhalten; das ist gar keine Frage. Wir dürfen nicht an Wachstum alleine glauben, aber ohne Wachstum werden wir es nicht schaffen. Nun komme ich zum Unterschied zwischen Ihrem Denken und unserem Denken. Wir setzen beim Wachstum auf den Bürger, auf den Unternehmer und damit auf den Markt und nicht auf den Staat, der vorgibt, wie Wachstum entstehen soll. Denn das - das hat die Vergangenheit gezeigt - funktioniert nicht. ({7}) Ich will Ihnen zur Erklärung der aktuellen Situation noch ein Bild nennen, auch um das für die Zuschauer ein bisschen zu verdeutlichen. ({8}) Dieses Land steht vor einem Graben, der durch eine Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden ist. Was machen Sie, wenn Sie vor dem Graben stehen? Die Linken sagen erst einmal: Den Graben gibt es gar nicht, das ist alles Quatsch, und dahinter fließen Milch und Honig. Die Grünen diskutieren erst einmal über die Frage, ob irgendetwas Schützenswertes in dem Graben ist. Die SPD geht einfach einen Schritt vorwärts und fällt hinein. ({9}) Was macht die Koalition? Die Koalition sagt: Wenn man vor einem Graben steht, dann muss man erst zwei Schritte zurückgehen und Anlauf nehmen, um darüber zu kommen. Dies ist nur durch Entlastung der Bürger und der Unternehmen möglich. Auch deswegen wollen wir diese Entlastung. ({10}) Noch ein weiterer Punkt: Was ist unsere Aufgabe im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa? Sie erinnern sich doch bestimmt noch daran, wie von Deutschland gesprochen wurde: Wir seien der kranke Mann, wir seien der große Tanker, den man mitschleppen müsse. Das haben wir geändert; das sage ich auch anerkennend in Richtung SPD. ({11}) Durch Reformen auf dem Arbeitsmarkt, durch Einbringung von Ansätzen einer Kapitaldeckung im Bereich der Altersvorsorge und durch vieles andere mehr haben Sie mit dafür gesorgt - das wird sicherlich einmal in den Geschichtsbüchern stehen -, dass dieser kranke Mann vorangekommen ist. ({12}) Jetzt fallen Sie wieder in die alten Regeln zurück und sagen: Wir sollten nichts verändern, den Finanzplan hinnehmen und einfach mal schauen, ob es irgendwie geht. Dabei wissen Sie doch ganz genau: Wir werden nur vorankommen, wenn wir Reformen durchführen. Wir müssen der Eisbrecher für Europa sein, der dafür sorgt, dass wir durch diese Krise kommen. Dafür brauchen wir eine Steuerreform. ({13}) Herr Minister Schäuble, auch ich beglückwünsche Sie in dem Maße, in dem ein Haushälter einen Finanzminister zu einem solchen Amt beglückwünschen kann, zu alledem, was da noch kommen wird. Sie haben bei Ihrer Amtseinführung - ich habe Ihren Worten sehr wohl gelauscht - sehr klar und präzise gesagt: Ich bringe den Mitarbeitern des Finanzministeriums Vertrauen entgegen bis zum Beweis des Gegenteils. - Für die FDP-Fraktion gilt im Verhältnis zu unserem Finanzminister genau das Gleiche. ({14}) Ich bin mir sicher, dass das Gegenteil niemals eintreten wird. ({15}) Zum Schluss zum Steuersystem. Herr Minister Schäuble, Sie haben gesagt - das ist heute in der Rheinischen Post zu lesen -, ein grundlegend neues Steuersystem sei nicht Teil der Vereinbarung. Natürlich können wir in semantischer Hinsicht über das Wort „grundlegend“ streiten. Wenn aber in der Koalitionsvereinbarung steht, ohne Bedingung und ohne Konjunktiv, dass wir den Umbau des Steuersystems hin zu einem Stufentarif vornehmen werden, ({16}) und wenn die Kanzlerin sagt, dass wir ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem wollen, dann ist das, jedenfalls für die FDP-Fraktion, ein grundlegend neues Steuersystem. Darauf freuen wir uns. Herzlichen Dank. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Barbara Höll von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fricke, Sie beklagen als Erstes das Erbe von Schwarz-Rot: die hohen Schulden. Was aber ist Ihre erste Gesetzesinitiative? Sie treiben die Schulden weiter nach oben. ({0}) Das Ganze nennen Sie dann Wachstumsbeschleunigungsgesetz und Konjunkturpaket III. So verkaufen Sie Ihre eiligst zusammengeschusterte erste Initiative. Das ist von vorn bis hinten Etikettenschwindel. ({1}) Konjunkturpolitisch ist dieses Gesetz nahezu wirkungslos. Führende Wirtschaftsinstitute, zum Beispiel das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, sehen keinerlei Anlass, ihre Konjunkturprognosen für 2010 deswegen zu korrigieren. Ich zitiere ferner Joachim Scheide, den Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Er sagt: Die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen sind vor allem Sozialtransfers und Subventionen. Das ist nicht das, was wir Ökonomen als Wachstumspolitik bezeichnen. Der Gipfel der Dreistigkeit ist, dass die Sozialtransfers und Subventionen zum allergrößten Teil an Reiche, Vermögende und große Unternehmen gehen werden. ({2}) Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger und der kleinen und mittleren Unternehmen wird tatsächlich mit Almosen abgespeist oder geht gänzlich leer aus. Statt Wachstum beschleunigen Sie damit nur die Spaltung zwischen Arm und Reich. ({3}) Skandalös ist, wie eilig Sie es mit dieser Umverteilung von unten nach oben haben. Reiche, Vermögende und große Unternehmen schlagen sich angesichts dieses Eifers der schwarz-gelben Koalition auf die Schenkel. Zudem bekannte sich die Bundeskanzlerin am Dienstag dieser Woche auch noch ausdrücklich zur Einführung eines Stufentarifs bei der Einkommensteuer. ({4}) Wie auch immer er gestaltet ist, die Besserverdienenden dürften schon heute Eurozeichen in den Augen haben. ({5}) Was ist mit der Gegenfinanzierung? Herr Solms, mit Verlaub: Gestern verwiesen Sie hier allen Ernstes auf die sogenannte Laffer-Kurve. Ich glaube, Sie sind mittlerweile der Letzte, der noch glaubt, dass sich Steuersenkungen im Zeitablauf selber finanzieren. Das ist so überholt, dass sogar im Gabler Wirtschaftslexikon, dem deutschsprachigen Standard-Wirtschaftslexikon, steht - ich zitiere -: „Die Realität hat dies widerlegt.“ ({6}) Den Skandal, dass dem Staat nicht alle Kinder gleich viel wert sind, gehen Sie überhaupt nicht an, sondern verschärfen ihn sogar noch. Das Kindergeld erhöhen Sie um nur 20 Euro pro Monat. Wer aufgrund seines hohen Einkommens den Kinderfreibetrag ausnutzen kann, wird von Ihnen weitaus großzügiger bedacht. Knapp 37 Euro pro Monat sind für die Bezieher entsprechend hoher Einkommen drin, fast doppelt so viel wie für einen Kindergeldempfänger. ({7}) Die große Mehrheit der Kinder erhält allerdings nur Kindergeld; laut der Einkommensteuerstatistik 2001 waren es 86 Prozent. Wer gar Hartz IV oder Sozialhilfe bezieht, geht völlig leer aus. ({8}) Das ist ein riesengroßer Skandal. Herr Schäuble, ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie erhöhen das Kindergeld für die Kinder von Millionären um 37 Euro pro Monat, Sie erhöhen das Kindergeld zum Beispiel für die Kinder einer Lehrerin um 20 Euro pro Monat, aber eine arbeitslose alleinerziehende Mutter bekommt null Komma nichts. Das haben Sie eben „sozial ausgewogene Politik“ genannt. Wo leben Sie denn? Was haben Sie denn für christliche Vorstellungen? ({9}) Die großen Unternehmen dagegen werden durch Ihren Gesetzentwurf mit Steuergeschenken in Höhe von 2,4 Milliarden Euro bedacht. Damit knüpfen Sie nahtlos an die Politik von Rot-Grün und der Großen Koalition an. Große Unternehmen werden seit zehn Jahren immer mehr aus der Steuerpflicht entlassen. Allein die Senkung der Körperschaftsteuer im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 entlastete die großen Unternehmen um über 10 Milliarden Euro. Nun werden selbst die wenigen Maßnahmen, die zur Gegenfinanzierung dieser Unternehmensteuerreform verabschiedet wurden, von Ihnen aufgeweicht oder abgeschafft. So werden die Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen entschärft, was zu Steuervermeidung und Steuerhinterziehung geradezu einlädt. Zur Erinnerung: Die Zinsschranke sollte verhindern, dass Konzerne zwecks Steuerersparnis die Verluste im Inland geltend machen und die Gewinne ins Ausland transferieren. Die Höhe der alten Zinsschranke beträgt 1 Million Euro. Laut Schätzung des DIW waren von den 3,5 Millionen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland nur etwa 1 000 - das sind nicht einmal 0,03 Prozent von der Zinsschranke betroffen. Jetzt soll die Zinsschranke bei 3 Millionen Euro dauerhaft bleiben. Dann sind noch viel weniger Unternehmen von der Zinsschranke betroffen. Und das nennen Sie Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen? Das ist ab308 surd; diese Unternehmen haben doch überhaupt nichts davon. ({10}) Zudem sollen die großen Unternehmen jetzt auch noch die Möglichkeit bekommen, Zinsaufwendungen über fünf Jahre so zu verrechnen, dass sie noch weniger Steuern zahlen. Die Erbschaftsteuer höhlen Sie weiter aus. Dabei wäre gerade die Erbschaftsteuer ein zentrales Instrument für steuerliche Mehreinnahmen und für mehr Gerechtigkeit. Auf diesem Wege könnte man erreichen, dass auch die Vermögenden ihren Beitrag zur Bezahlung der Zeche für die Krise leisten. Doch das wollen Sie nicht, da trauen Sie sich nicht ran. Wenn wir eine hohe Verschuldung haben, brauchen wir doch Instrumente, um das Steueraufkommen zielgerichtet wieder zu steigern. Vermögensteuer als Millionärsteuer, Börsenumsatzsteuer, Erbschaftsteuerreform - von all dem lassen Sie die Finger, weil Sie sich da in Ihrer Klientelpolitik nicht herantrauen. ({11}) Alles in allem muss man sagen: Schwarz-Gelb bleibt seinem Ruf treu. Die Reichen sollen ungestört reicher werden, der Rest zählt nicht; soll er doch sehen, wo er bleibt. Ich sage Ihnen: Mit uns nicht. Herr Schäuble, Sie treiben die Staatsverschuldung in schwindelerregende Höhen - auf Kosten der Länder, der Kommunen und der Mehrheit der Bevölkerung. Wir werden Ihnen weiter aufzeigen, wo und wie Sie Geld einnehmen können, um mehr soziale Gerechtigkeit zu erzielen. Wir lassen Sie da nicht in Ruhe; das verspreche ich Ihnen von dieser Stelle aus. Was es mit Ihrer Auffassung von sozial ausgewogen auf sich hat, werden wir hier weiter entlarven. Ich danke Ihnen. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Thomas Gambke von Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thomas Gambke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004037, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist meine erste Rede vor diesem Hohen Haus. Bitte gestatten Sie mir deshalb, gleichsam als eine kurze Vorstellung, mit einer persönlichen Bemerkung anzufangen: Ich bin vor vier Jahren in die Politik gegangen, nach mehr als 20 Jahren Tätigkeit für einen internationalen Technologiekonzern. 15 Jahre davon habe ich ein internationales Geschäft aufgebaut. Eine Erfahrung habe ich dabei gemacht, die immer wieder bestätigt worden ist: Wer ein erfolgreiches Geschäft aufbauen will, der muss die Märkte kennen und zielgerichtet die in diesen Märkten nachgefragten Produkte entwickeln, produzieren und vertreiben. Herr Bundesminister Norbert Röttgen hat gestern gleich zu Beginn seiner Ausführungen deutlich gemacht, dass Wirtschaftskrise und ökologische Krise in einer engen Verbindung stehen. Er hat einen sehr richtigen Satz gesagt: Nur mit Innovationen und Nachhaltigkeit können wir die neuen Märkte entwickeln, können wir die Krise überwinden. ({0}) - Jetzt hören Sie einmal zu! - Innovation und Nachhaltigkeit: Finden wir hierfür wirklich Substanz in Ihrem Koalitionsvertrag? ({1}) Wirkt so das Wachstumsbeschleunigungsgesetz? Das Credo des Bundeswirtschaftsministers in seinem überaus kurzen und nicht gerade von Inhaltsschwere gekennzeichneten Vortrag war, ({2}) der Schlüssel zum Wachstum liege in der Steuerpolitik. Schauen wir uns doch einmal Ihre steuerpolitischen Details anhand einiger Beispiele an. ({3}) Abmilderung der Zinsschranke: Im Prinzip ist das eine richtige Entscheidung. ({4}) Gerade in Zeiten mit zusätzlichem Fremdkapitalbedarf müssen wir weg von einer Substanzbesteuerung. Aber ohne Gegenfinanzierung entziehen Sie den Kommunen damit das Geld, das gerade die Kommunen für eine nachhaltige Bildungspolitik und für die energetische Sanierung kommunaler Gebäude so dringend brauchen. ({5}) Ich bin Stadtrat in Landshut. Am Dienstag fand die erste Verhandlung über den nächsten Haushalt statt. ({6}) Der Kämmerer hat seinen Offenbarungseid für die Jahre 2011 und 2012 schon angekündigt. Die Zahlen in der Bundesrepublik sind schon erschreckend. Den deutschen Kommunen fehlen bei der Gewerbesteuer in diesem Jahr voraussichtlich 7,4 Milliarden Euro - das sind 18 Prozent von den bisherigen 41 Milliarden Euro -, und da kommen Sie mit Gesetzentwürfen, durch die die Kommunen noch einmal erheblich belastet werden! Damit werden Sie Ihrer Verantwortung für das gesamte Gemeinwesen dieser Republik in keinster Weise gerecht. ({7}) Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen: Wachstumsimpuls? - Fehlanzeige! Soziale oder ökologische Lenkungswirkung? - Fehlanzeige! Steuervereinfachung? - Fehlanzeige! Im Gegenteil: Das Steuersystem wird komplizierter. Ich bin gespannt auf die Darstellung des zusätzlichen Bürokratieaufwandes bei der Abrechnung der Reise- und Bewirtungsrechnungen. ({8}) Die Steuerung der Konjunktur durch die Mehrwertsteuer ist schlicht Unsinn. Dieser Gesetzentwurf ist nicht nachhaltig, er hat keine konjunkturelle Wirkung, und er ist ordnungspolitisch kontraproduktiv. ({9}) In Ihrem Koalitionsvertrag beschreiben Sie richtigerweise Handlungsbedarf beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Wenn Sie da herangehen wollen, brauchen Sie aber klare Grundsätze; sonst landen Sie da, wo Sie heute schon sind und wo Sie mit der vorgeschlagenen Regelung noch tiefer hineinkommen: in einem Wirrwarr von Regelungen, das von einzelnen Lobbygruppen bestimmt wird. ({10}) Zum Schluss eine Bemerkung zum Stufentarif. Sie haben uns jetzt ja einen ganz bunten Strauß an Vorgehensweisen vorgestellt. Die FDP sagt, er komme. In dem Koalitionsvertrag steht ganz präzise, er solle möglichst zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Der Finanzminister sagt: Er kommt nicht in der nächsten Legislaturperiode. - Frau Merkel sagt in ihrer Regierungserklärung, dass er kommt, schweigt sich aber über die Details aus. ({11}) Ich kann nur eines sagen: Wenn Sie sich des Problems der kalten Progression wirklich annehmen wollen, dann verbauen Sie sich gerade mit dem vorgelegten Wachstumsbeschleunigungsgesetz und den daraus resultierenden Belastungen für die Haushalte die Möglichkeit, irgendetwas in Richtung einer gerechteren Einkommensteuer zu tun. Sie werden so nichts erreichen. ({12}) Übrigens sehe ich in Ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz durchaus schon einen Stufentarif, nur in einer vollkommen falschen und unsozialen Art. Ich meine die soziale Schieflage bei der vorgeschlagenen Anhebung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes. 1,8 Millionen Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften leben, erhalten nichts. Kinder in Familien mit mittlerem Einkommen erhalten monatlich zusätzlich 20 Euro, und mit der Anhebung des Kindergeldfreibetrages erhalten Kinder in wohlhabenden Familien zusätzlich rund 40 Euro im Monat. ({13}) Jetzt wissen wir, wie sich Schwarz-Gelb einen Stufentarif vorstellt. Dieser ist aber alles andere als gerecht und keinesfalls sozial. ({14}) Meine Damen und Herren, wir fordern die Bundesregierung auf, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit der Klientelpolitik und den ordnungspolitisch unsinnigen Steuerregelungen schnellstmöglich zurückzuziehen. Stattdessen wollen wir das Kindergeld für Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften leben, um 20 Euro erhöhen. Dies wäre unmittelbar wirksam für die Konjunktur. Es würde die Haushalte weit weniger belasten als die teuren Steuergeschenke, die Sie vorhaben, und es wäre vor allem ein Schritt in Richtung von mehr sozialer Gerechtigkeit. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Gambke, ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses zur Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch! ({0}) Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik wird zweifellos das zentrale Themenfeld der Politik in dieser Legislaturperiode sein. Schon in den letzten 15 Monaten hat uns die Haushalts- und Finanzpolitik in besonderer Weise beschäftigt. Ich denke dabei an die Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung, zur Stützung der Konjunktur und zur Abwendung der schlimmen Folgen der Wirtschaftskrise. Hier haben Regierung und Parlament auch in den zurückliegenden Monaten ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein an den Tag gelegt und entsprechend gehandelt. Man würde sich wünschen, dass so manche Akteure auf dem Finanzmarktsektor zumindest jetzt Konsequenzen zögen und in ähnlicher Weise bereit wären, verantwortungsbewusst zu handeln, um Gefahren und solche Ereignisse, wie wir sie erlebt haben, für die Zukunft abzuwehren. ({0}) Jetzt geht es darum, dass die erkennbaren wirtschaftlichen Erholungstendenzen gestützt werden und dass wir die Wachstumskräfte, die sich zeigen, stärken. Wir müssen jetzt alles daransetzen, dass die Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes und die Vorschriften unseres Grundgesetzes zur Schuldenbegrenzung so bald wie möglich eingehalten werden. Deswegen sind wir Bundesminister Schäuble sehr dankbar, dass er in Brüssel deutlich gemacht hat, dass spätestens ab 2013 die Kriterien des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingehalten werden. ({1}) Ich denke, das steht auch uns Deutschen in besonderer Weise gut an; denn wir waren es, oder, genauer gesagt, der damalige deutsche Finanzminister Theo Waigel war es, der den Stabilitäts- und Wachstumspakt in Europa konzipiert hat. ({2}) Ich füge hinzu: Die Bürger erwarten von uns zuallererst - noch vor der Frage der Steuersenkungen und der Leistungsausweitungen -, dass wir alles tun, um Inflationsgefahren abzuwehren und sicherzustellen, dass unsere Währung stabil bleibt. Wir haben jetzt eine total veränderte Situation. Die demografische Entwicklung, die voranschreitende Globalisierung, die weltweit arbeitsteilige Wirtschaft und die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise werden uns vor völlig neue Herausforderungen stellen. Dadurch wird sich auch die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland neu stellen. Es ist wichtig, zu erkennen, dass unter dem Begriff Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr nur die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte gesehen werden muss, sondern dass es auch einen Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter geben wird. Deshalb kommt der Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik eine immer größere Bedeutung im Hinblick auf die dauerhafte Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu. Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik werden zum zentralen Schlüssel für die Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand für die Menschen in unserem Land. ({3}) Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz setzen wir das um, was wir zugesagt und worauf wir uns in der Koalition verständigt haben. Wir senden ein klares Zeichen an Wirtschaft und Bürger, damit sie wissen, woran sie sind, worauf sie sich einstellen müssen und worauf sie sich verlassen können. Es handelt sich also um ein Zeichen der Verlässlichkeit, das Vertrauen schafft. Der größte Posten ist - darauf wurde vorhin abgezielt die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages. Ich gebe offen zu, dass man als Haushälter zweimal durchatmet, wenn man die finanzielle Dimension sieht. Aber die Koalition wollte hier bewusst ein familienpolitisches Zeichen zur Stärkung der Familien setzen. Die Bedeutung der Familien ist vorhin zum Ausdruck gebracht worden. ({4}) Hier geht es um die Sicherung der Zukunft unseres Landes und aller Generationen. Ich finde es ganz schlimm, dass Sie, sehr verehrter Herr Kollege Scheelen, genauso wie andere Kollegen sowie die Financial Times sofort die Dinge auf den Kopf stellen und unterstellt wird, das Geld komme nicht bei den Familien und insbesondere bei den Kindern an. Ich wehre mich dagegen, immer nur die Problemfälle und nicht die ganz normalen Familien und Eltern im Blick zu haben, ({5}) die jeden Tag versuchen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und mit dem Geld, das sie einnehmen, auszukommen, die arbeiten und solide wirtschaften und ihrem Erziehungsauftrag gerecht werden. ({6}) Natürlich weiß ich als Kommunalpolitiker, dass es auch Problemfälle gibt. Auf diese müssen wir achten. Aber wir dürfen nicht die ganz große Mehrheit der Eltern und der Familien entmutigen, entmündigen, sie der Verantwortung berauben und bevormunden. Wir müssen ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Mut machen. Unsere Politik leistet einen Beitrag dazu. ({7}) Da viel Falsches zum Kindergeld und zum Kinderfreibetrag gesagt wurde, will ich daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht in den 90er-Jahren zu Recht entschieden hat, dass nicht jener Anteil des Einkommens besteuert werden darf, den andere, die nur von Transfereinkommen leben, steuerfrei bekommen, und dass die Besteuerung erst ab der Grenze des Existenzminimums einsetzen darf. Das ist der Hintergrund für die Anhebung des Steuerfreibetrages. Natürlich fragt man sich, wenn man Kinder hat, ob man selber dem Erziehungsauftrag gerecht wird. Ich halte es hier mit dem Grundgesetz. In Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes steht: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. So ist es, und nicht umgekehrt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kalb, bitte kommen Sie zum Schluss. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es tut mir leid, Frau Kollegin. Ich hätte Ihre Zwischenfrage gern noch zugelassen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Kalb, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Hendricks zur Kurzintervention, bitte schön.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kalb, ich möchte Sie und das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, dass die Begründung für die Anhebung des Kinderfreibetrages nicht das Existenzminimum ist. Es gibt nämlich keinen neuen Existenzminimumsbericht. Wenn Ihre Begründung tatsächlich zuträfe, müssten Sie unmittelbar die Transferleistungssätze für Kinder erhöhen; denn dann wäre das Existenzminimum für die Betreffenden nicht mehr abgedeckt. Ihre Begründung ist einfach falsch und nicht zutreffend. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wollen Sie erwidern, Herr Kollege Kalb? - Bitte schön.

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hendricks, das trifft momentan zu. Ich habe aber gesagt, dass diese Koalition bewusst einen familienpolitischen Akzent setzen will. Unabhängig davon habe ich den Hintergrund für die Existenz des Kinderfreibetrages dargelegt, nämlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. ({0}) Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Carsten Schneider von der SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind hier in der neuen Legislaturperiode in der Debatte im Anschluss an die Regierungserklärung. Herr Bundesminister Schäuble, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten für ein bisschen mehr Klarheit gesorgt und gesagt, worüber wir hier überhaupt reden. Sie haben keinerlei Zahlen genannt oder erklärt, vor welchen Aufgaben unser Land steht. Wir haben erlebt, dass Herr Fricke die Schuld für die ganze Last, die Sie nun als Koalition zu tragen haben, der SPD aufbürden will. Sei es drum, lieber Otto. Du bist dabei ja noch nicht einmal rot geworden. ({0}) Wir befinden uns in der Situation, dass die öffentlichen Haushalte extrem angespannt sind. Wir haben vom Finanzminister ein Bekenntnis zur europäischen Verfassung, zu den Stabilitätskriterien und zum Grundgesetz gehört. Es wäre ja noch schöner, wenn Sie das nicht gemacht hätten. Sie haben aber keinen Ton dazu gesagt, wie Sie das Finanzierungsdefizit zurückführen wollen. Dazu kam kein Vorschlag, keine Ankündigung. Ich will Ihnen einmal die Zahlen nennen. Neben dem, was in der mittelfristigen Finanzplanung schon beschlossen wurde, was also die Vorgabe für die Kreditaufnahme ist, ist im Finanzplanungszeitraum noch eine Globale Minderausgabe von insgesamt 40 Milliarden Euro eingeplant. Dieses Geld müssen Sie aufbringen. Sie haben in Ihren Koalitionsverhandlungen nicht beschlossen, wie Sie diese Lücke decken. Sie haben vielmehr beschlossen, diese Lücke zu vergrößern, nämlich um noch einmal 38 Milliarden Euro. Das macht zusammen etwa 80 Milliarden Euro in vier Jahren. Nicht schlecht! Ich frage mich nur: Wie wollen Sie dies abtragen? Wie kann man sich dieser Notwendigkeit zu Beginn einer Koalition nicht stellen und stattdessen mit Schattenhaushalten arbeiten, obwohl doch alles auf den Tisch gehört? In der FAZ war richtigerweise von „SchwarzGeld“ die Rede. Von diesem Schwarzgeld hört man zwar nichts mehr, aber das steht immer noch im Koalitionsvertrag. Jetzt ist es an der Zeit, die Fakten auf den Tisch zu legen, Maßnahmen zu besprechen, sie durchzusetzen und der Bevölkerung zu erklären. All das tun Sie nicht. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem Amt. Ich glaube aber, dass Sie Ihrer Aufgabe auf dieser Grundlage nicht gewachsen sein werden. ({1}) Die Frage ist: Wer wird die Zeche bezahlen? Alles, was Sie bisher vorlegen, führt zu neuen Schulden. Ich will Ihnen nicht den Titel des Schuldenkönigs anhängen. Neue Schulden hätte es so oder so gegeben. Die FDP war ja immer für ein Verbot von Schulden. Ich frage mich, wie Sie das hätten durchsetzen wollen. Sie haben immer viel gefordert und jedes Jahr ein Buch mit Einsparvorschlägen vorgelegt, das Liberale Sparbuch. ({2}) Herr de Maizière hat im Fernsehen während der Koalitionsverhandlungen gesagt: Die FDP hat diese Vorschläge in die Verhandlungen noch nicht einmal eingebracht. ({3}) Carsten Schneider ({4}) Ich habe einmal in dieses Buch hineingeschaut, um zu sehen, was drinsteht. ({5}) Da steht, dass Sie die Zahl der beamteten Staatssekretäre verringern wollen. In Ihren Ressorts finden sich acht solcher Stellen. Sie haben sie alle besetzt. Herr Westerwelle hat darüber hinaus den dritten Posten eines Staatssekretärs im Auswärtigen Amt zur Koordinierung der Minister geschaffen. ({6}) - Natürlich, das gebe ich zu. Aber was war die Forderung? Abschaffen! Weg damit! Das brauchen wir nicht! Was macht Herr Westerwelle? Er besetzt diesen Posten mit seinem FDP-Büroleiter. So viel ist von Ihren Einsparungen übrig geblieben. Herzlichen Glückwunsch! ({7}) Darüber hinaus wollten Sie immer das Entwicklungshilfeministerium abschaffen. Ich gebe zu, für diese Forderung hatte ich sogar Sympathie. Sie wollten die Aufgaben dieses Ministeriums ins Auswärtigen Amt integrieren. Jetzt sind Sie mit an der Regierung. Was machen Sie? Es bleibt dabei: Es gibt einen neuen Minister. Herr Niebel wird entsorgt. Herzlichen Glückwunsch, liebe FDP. ({8}) Und wie wollen Sie aus der Krise herauskommen? Außer Sonntagsreden, in denen Sie zusagen, keine neuen Schulden zu machen und die Zukunft der Kinder nicht zu belasten, kommt nichts. Herr Fricke, Sie haben immer gesagt: Kinder können auf Schuldentürmen nicht spielen. ({9}) - Schuldenberge. - Das hat eine gewisse Logik. Jetzt beschließen Sie die Erhöhung des Steuerfreibetrages für Kinder. Man kann im Einzelnen darüber reden. Aber wo ist die Gegenfinanzierung? Wächst dadurch die Kreditaufnahme des Bundes, oder sinkt sie? Sie wächst. ({10}) Nichts von dem, was Sie in der Opposition angekündigt haben, haben Sie umgesetzt. Das ist ein Dokument des Versagens, liebe FDP. ({11}) Dann zur Steuerreform und zum Stufentarif. Der soll Wachstum bringen; darüber kann man im Einzelnen reden. Ich habe bisher noch nicht gehört, wo das Wachstum sonst herkommen soll. Bei der Finanzplanung haben Sie ein Wachstum von 2 Prozent unterstellt, und selbst bei dieser Annahme kommen Sie noch auf eine Kreditaufnahme von über 300 Milliarden Euro. Heute Morgen haben wir gehört, dass das Potenzialwachstum sinkt. Wie hoch ist denn das Potenzialwachstum in Deutschland derzeit? Es liegt unter 2 Prozent, und es sinkt noch, wie Herr Schäuble gesagt hat. Wie wollen Sie eine Wachstumswirkung erreichen, wenn Sie auf Steuereinnahmen aus rein ideologischen Gründen verzichten? Sie konterkarieren die Konjunkturmaßnahmen, die wir mit dem Programm zur Stärkung der Infrastruktur in den Städten und Gemeinden ergriffen haben. Sie entziehen ihnen jetzt durch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotels das Geld. Die Länder sprechen von 4 Milliarden Euro. Das hat Herr Schäuble auch noch begründen wollen. Er hätte besser dazu geschwiegen. Er sprach von Wettbewerb. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt für die Bereiche Kultur und Soziales und schafft einen Ausgleich. Das ist auch in Ordnung. Aber damit Hotelbetriebe im internationalen Maßstab wieder wettbewerbsfähiger werden? Meine Damen und Herren, das ist lächerlich, das ist grotesk. Streichen Sie das! ({12}) Schauen Sie auf die Homepage der Bundeskanzlerin. Da steht - Zitat -: Steuerermäßigungen führen nicht automatisch zu Preissenkungen. - Das wäre ein Argument; aber nicht einmal das fordern Sie von den Hotelketten und deren Investoren. Dies ist einfach nur ein Wahlgeschenk, das mit 4 Milliarden Euro dauerhaften Mindereinnahmen bezahlt wird. ({13}) Ich fordere Sie auf: Zahlen Sie wenigstens die Zinskosten an den Bund aus Ihren Parteikassen zurück! Es schadet nichts, wenn Sie ein paar Blättchen weniger drucken. ({14}) Wir werden eine Haushaltspolitik machen, die Substanz hat und auf Konsolidierung abzielt. Wir werden keine Voodoo-Ökonomie betreiben, sondern für uns gilt: Die öffentlichen Haushalte müssen stark bleiben. Wir brauchen einen Staat, der finanzkräftig ist und der nicht Ihrer puren Ideologie des schwachen Staates anheimfällt. Es wird sich die Frage stellen, wer wirklich die Zeche zahlt. Ich vermute, Ihre politische Strategie ist, irgendwie über die NRW-Wahl zu kommen, weil die wichtig ist, und mit dem Haushalt 2011 beginnen Sie dann. Die Frage ist: Wer zahlt es dann? Steuererhöhungen haben Sie ausgeschlossen. Wir haben hohe Defizite in den Sozialversicherungssystemen, angefangen von der Bundesagentur für Arbeit bis hin zur Rentenversicherung. Ich vermute, dass Sie, da aus dem Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit ein Zuschuss wird - das war die einzige Sparmaßnahme, die wir noch drin hatten -, an die Sozialversicherungsbeiträge gehen werden. Wie ist die ökonomische Wirkung, wenn Sie die Sozialversicherungsbeiträge erhöhen? Diejenigen, die wenig verdienen, zahlen am meisten, weil es bei der Sozialversicherung eine Beitragsbemessungsgrenze gibt. ({15}) Carsten Schneider ({16}) Das heißt, es werden vorwiegend diejenigen belastet, die ab dem ersten Euro Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Sie senken die Steuern für diejenigen, die viel zahlen. Wer viel Steuern zahlt, wer leistungsfähig ist, zahlt bei einer Entlastung natürlich weniger. Das ist logisch. Das heißt, es kommt zu einer Umverteilung von Arm nach Reich, und es kommt zu einer ökonomischen Wirkung, die vollkommen unsinnig ist; denn wer ohnehin viel hat, der spart und legt vielleicht noch bei Lehman an, möglicherweise verliert er dabei etwas, aber er wird jedenfalls nicht dafür sorgen, dass die Binnennachfrage gestärkt wird. Daran hat es in den letzten Jahren gekrankt, daran hat es unserem Land gefehlt. Die Stärkung der Binnennachfrage konterkarieren Sie. Dies ist kein Auftakt für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, dies ist bisher ein Zeichen der Mutlosigkeit, der Verzagtheit und der Zerstrittenheit. Sie werden sehen, dass Sie mit dieser Politik, die Sie hier eingeschlagen haben, nicht durchkommen werden. Das prophezeie ich Ihnen. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Frank Schäffler von der FDP-Fraktion. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schneider, Sie haben hier über Ihren Ordnungsrahmen gesprochen. Ich glaube, Sie haben, was soziale Marktwirtschaft betrifft, Heinz Erhardt mit Ludwig Erhard verwechselt. Das ist nicht die Art, wie wir die Probleme künftig lösen wollen. Ich glaube, wir müssen, wenn wir über den Ordnungsrahmen und über das reden, was wir jetzt auf den Finanzmärkten tatsächlich erreichen wollen, die richtigen Weichen stellen. Das macht dieser Koalitionsvertrag. Er macht es zum Beispiel, was die Bankenaufsicht betrifft. Wir ziehen die Lehren aus der Finanzkrise in Deutschland. Die zweigeteilte Bankenaufsicht, die wir in Deutschland erlebt haben, hat in verschiedenen Bereichen versagt. Deshalb haben wir gesagt: Wir müssen wieder eine konsistente Bankenaufsicht in Deutschland bei der unabhängigen Bundesbank haben. Das macht nicht nur im Hinblick auf die Solvenz der Institute Sinn, sondern auch aus geldpolitischer Sicht; denn die Bundesbank ist nach wie vor einer der Spieler, wenn es um die geldpolitischen Weichenstellungen in Europa geht. Erstens. Die weltweite Krise, die wir bisher erlebt haben, ist letztendlich eine Vermögensgüter-Preisinflation. Es ist richtig, dass diejenigen, die über eine Vermögensgüter-Preisinflation wachen müssen, künftig auch die Banken beaufsichtigen müssen. Entscheidend ist, dass wir die Bankenaufsicht ausschließlich bei der unabhängigen Bundesbank in Frankfurt ansiedeln. Zweitens. Wir benötigen im Bankenbereich ein konsistentes Insolvenzrecht. Dafür zu sorgen, ist etwas, was die alte Koalition nicht geschafft hat. Eine Lehre aus der Krise ist, dass wir es nicht geschafft haben, Eigentum und Verantwortung im Bankenbereich vernünftig in Einklang zu bringen. Man muss zweierlei feststellen: Wir müssen erreichen, dass die Sparguthaben der Sparer gesichert werden und dass gleichzeitig die Verantwortlichen in den Banken für ihre Fehlleistungen haften. ({0}) Angesichts der drohenden Kreditkrise - sie wird zwangsläufig eintreten, weil die Banken eigenkapitalschwach sind - müssen die Eigenfinanzierungskräfte in der deutschen Wirtschaft gestärkt werden. Es ist gut, dass wir die Instrumente der Förderpolitik nutzen und gleichzeitig die Wachstumskräfte hinsichtlich der Eigenfinanzierung stärken. Dazu gehört, dass wir das Beteiligungskapital in Deutschland ausbauen und die Substanzsteuer entsprechend dem Koalitionsvertrag mildern; dies geschieht mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs. Ein ganz entscheidender Punkt in dieser Phase ist, dass wir die Eigenfinanzierungskräfte der Unternehmen stärken. Drittens. Wir brauchen ein konsistentes Finanzmarktrecht. Durch die Schieflage eines letztendlich in Deutschland beheimateten Hedgefonds, K1, wird uns klar, dass die Marktanbieter Ausweichmöglichkeiten haben; denn wir haben kein einheitliches Versicherungsrecht, kein einheitliches Bankenrecht, kein einheitliches Recht in Bezug auf Zertifikate und den grauen Kapitalmarkt. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier ein einheitliches Regelwerk schaffen. ({1}) Entscheidend ist auch, dass wir dem kleinen Sparer in Deutschland in dieser Krise keine zusätzlichen Lasten aufs Auge drücken. ({2}) Das, was in der politischen Linken, aber teilweise auch bei Konservativen diskutiert wird - Finanztransaktionssteuer, Börsenumsatzsteuer, Tobin-Steuer; wie immer man es nennt -, ist im Kern der völlig falsche Ansatz; denn letztendlich muss diese Steuer der kleine Sparer, der Lebensversicherungssparer, der Riester-Sparer, der Fondssparer, zahlen. ({3}) Herr Fahrenschon, der bayerische Finanzminister, hat dargestellt, dass der durchschnittliche Riester-Sparer allein 5 000 Euro für eine solche Finanztransaktionssteuer zahlen müsste. Diese Steuer bezahlten am Ende also nicht diejenigen, die sie eigentlich treffen soll, sondern der kleine Sparer. ({4}) Das halten wir für ein falsches Konzept. Wir wollen den Rahmen für ein konsistentes Finanzdienstleistungsrecht in Deutschland schaffen. ({5}) Wir wollen keine zusätzlichen Steuern für die Bürger, sondern wir wollen sie von Steuern entlasten. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Leo Dautzenberg von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Leo Dautzenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003067, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute zum einen mit der Einbringung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes zu tun, zum anderen steht aber auch die allgemeine Aussprache zu den Bereichen Finanzmarkt, Finanzen, Steuern und Haushalt auf der Tagesordnung. Die Sofortmaßnahmen, die wir nun gemäß Koalitionsvertrag im steuerlichen Bereich ergreifen, sind die konsequente Umsetzung von dem, was wir kurzfristig für erforderlich halten. Es ist schon, verehrte Kollegen von der SPD, erstaunlich, dass Sie die Ergänzung dessen, was wir in der alten Koalition auch mit Wirkung zum 1. Januar 2010 auf den Weg gebracht haben, ({0}) nun nicht mehr für sinnvoll halten. Es muss mir mal jemand erklären, warum das jetzt so sein soll. ({1}) Die Bereiche, Herr Kollege Poß, die wir jetzt im Unternehmensrecht angehen - ({2}) - Was haben wir denn gemacht? Wir haben doch schon eine Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauches erreicht, indem wir die Rechtsverschiebung, wie es so schön heißt, innerhalb der Proportionalzone vorgenommen haben. ({3}) - Das ist schon einmal ein erster Ansatz. - So können doch die entlastenden Maßnahmen, die wir jetzt zusätzlich noch vorsehen, nicht falsch sein. ({4}) Zu dem, was wir jetzt im Bereich Unternehmensteuern - ein weiterer Bereich - machen, ist vom Grundsatz her zu sagen, dass das für uns von der Unionsfraktion nicht auf neuen Erkenntnissen beruht: Wir versuchen nur, die Folgen der Krise, die sich jetzt immer weiter verschärft, abzumildern. All dieses kannte ich schon aus früheren Diskussionen, aber diese Maßnahmen waren mit Ihnen nicht umsetzbar. ({5}) Deshalb müssen hier jetzt einige Punkte dringend korrigiert werden, damit sie nicht noch weiter krisenverschärfend wirken. ({6}) Wir haben also keinen neuen Erkenntnisstand. Diese Erkenntnisse gab es damals schon. Nur war damals alles der fiskalischen Zielsetzung unterworfen, dass eine Entlastung um maximal 5 Milliarden Euro vorgenommen wird. ({7}) - Auch jetzt haben wir fiskalische Ziele, Herr Kollege Poß. Sie haben sie eben gehört, von Herrn Meister und anderen. ({8}) Wir dürfen doch, wenn sich gewisse Dinge krisenverschärfend auswirken, nicht einfach zusehen, sondern wir müssen das korrigieren und abmildern. Deshalb sind die Maßnahmen, die wir im Bereich der Unternehmensteuern treffen, der richtige Weg. ({9}) Meine Damen und Herren, da es hier ja auch um die allgemeine Aussprache über den Finanzbereich geht, möchte ich mich noch auf einige Finanzmarktaspekte konzentrieren. Ich möchte zunächst feststellen, dass wir auch international überzeugend für unser Modell der sozialen Marktwirtschaft eintreten müssen. Mit diesem ist nämlich auch ein Ordnungsrahmen für internationale Finanzmärkte verbunden. Herr Minister, wir werden Sie und Ihre Regierung unterstützen, dass die Absichtserklärungen, die bisher im Rahmen von G 20 und anderen Treffen abgegeben wurden, in konkrete Maßnahmen münden. Wir müssen das Zeitfenster nutzen, denn der angelsächsische Raum ist jetzt noch offen für Maßnahmen zu mehr und besserer Regulierung. Wenn der angelsächsische Raum das demnächst nicht mehr sein sollte und sich dieses Zeitfenster wieder schließen sollte, werden wir es nicht mehr schaffen, all die vernünftigen Absichtserklärungen, die in die richtige Richtung gehen, in konkrete Maßnahmen münden zu lassen. Dann kann es sogar passieren, dass sich das in einer Art und Weise krisenverschärfend auswirkt, wie wir es bisher überhaupt nicht erwarten. ({10}) Deshalb gilt es, dieses Zeitfenster jetzt zu nutzen. Wir von deutscher Seite müssen zugleich bereit sein, in einzelnen Fragen - ich denke da zum Beispiel im Bankenbereich an die Frage der Eigenkapitalunterlegung und der Qualität des Eigenkapitals - nationale Interessen über die europäische Ebene gegenüber dem angelsächsischen Raum durchzusetzen. Es darf nämlich nicht dazu kommen - erste Ergebnisse der Basel-Verhandlungen deuten allerdings darauf hin -, dass die Qualität des Eigenkapitals, das Banken zur Unterlegung ihres Geschäftes aufbringen müssen, sogar für den deutschen und europäischen Bereich gesenkt wird. ({11}) Das Mezzanine-Kapital und stille Beteiligungen, die in unserem Bankensektor eine dominierende Größe haben, sollen zukünftig nicht mehr als sogenanntes Kernkapital berücksichtigt werden. Das dürfen wir nicht akzeptieren, sonst ist der deutsche und europäische Bankenbereich gegenüber dem angelsächsischen Bereich benachteiligt. ({12}) Wir haben zukünftig noch weitere Anforderungen, was die Unterlegung mit Eigenkapital angeht. Deshalb darf es für unsere Banken in diesem Bereich keine Nachteile geben. Der zweite wichtige Bereich: Regulierung, Aufsicht. Es ist schon gesagt worden, dass wir von der Union gemeinsam mit dem Koalitionspartner die Bankenaufsicht bei der Bundesbank ansiedeln wollen. Man muss sich darüber unterhalten, in welcher Organisationsform die Aufsicht erfolgen soll. Man kann vorschnelle Vorschläge des Bundesbankvorstandes, die kurzfristig erarbeitet worden sind, nicht eins zu eins übernehmen. Wir müssen sorgfältig beraten, wie wir hier vorgehen. ({13}) Wir müssen schauen, wie die Eingriffsverwaltung bei der Bundesbank erfolgen kann. Wir müssen zu einer qualifizierten und differenzierten Aufsicht kommen. Es ist ein Unterschied, ob eine Sparkasse, eine Genossenschaftsbank, die in der Fläche tätig ist, oder ob eine systemische Bank beaufsichtigt werden soll. ({14}) Wenn eine systemische Bank beaufsichtigt werden soll, dann müssen andere Kriterien gelten. Die Aufsicht muss durchaus Anmerkungen zur Geschäftspolitik und zu Geschäftsmodellen machen können, wenn die Gefahr besteht, dass Märkte nachhaltig gestört werden. Deshalb muss die Aufsicht die Frage prüfen: Muss ein risikoreicheres Geschäft nicht mit einem wesentlich höheren Eigenkapital unterlegt werden, als das bei Geschäften einer normalen Bank, die regional verankert ist, der Fall ist? Damit soll sichergestellt sein, dass das, was jetzt geschehen ist, in Zukunft nicht mehr passiert. Der dritte Bereich. Wir müssen den Verbriefungsmarkt stärken. Wir müssen von politischer Seite klarstellen, dass Verbriefung nicht gleich Verbriefung ist. Wir müssen unsere Expertise, die wir im Rahmen der TSI-Initiative im Pfandbriefbereich gewonnen haben, noch ausbauen. Es gilt die Aussage des Wirtschaftsministers, dass es auch Verbriefungsformen für den Mittelstandskredit geben soll. Aber was nicht akzeptiert werden kann, ist, dass die Banken diesen Markt teilweise mittels Garantien anschieben wollen. Nein, diese Verbriefungen müssen von der Qualität her so gut sein, dass keine Garantien benötigt werden. Wenn der Markt Vertrauen hat, dann brauchen wir keine staatlichen Garantien. Sie sehen, dass unsere Aufgaben ein breites Feld umfassen. Wir werden den Finanzminister, gerade was diese internationalen Aufgaben anbelangt, unterstützen. Ich lade die Opposition ein, konstruktiv mitzuarbeiten. Vielen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will zuallererst dem neuen Bundesfinanzminister zu dieser sicherlich nicht einfachen, aber hochinteressanten Aufgabe gratulieren. Es ist ein gutes Signal an die Öffentlichkeit, dass diese Debatte, die am Dienstagmorgen von der Bundeskanzlerin eröffnet wurde, nun vom Bundesfinanzminister heute sozusagen abgerundet wurde Das entspricht auch seiner herausgehobenen Stellung im Kabinett. Diese herausgehobene Stellung wurde im Koalitionsvertrag nochmals fest verankert. Denn darin heißt es ausdrücklich, dass sämtliche Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Dass der Finanzminister zudem noch aus dem für seine Sparsamkeit und für seine ausgeglichenen Haushalte bekannten Baden-Württemberg kommt, ist sicherlich auch keine schlechte Empfehlung. ({0}) Es ist auch ein wichtiges Signal nach draußen, dass in dieser Debatte ein Haushälter das letzte Wort haben darf. Ich will an dieser Stelle erinnern, dass das Hohe Haus das Königsrecht des Parlaments ausübt, nämlich das Haushaltsrecht. Das ist keine Kleinigkeit; denn wer eine demokratische Staatsform auf ihre Qualität hin überprüfen will, muss zuallererst schauen, wie es um das Budgetrecht bestellt ist. ({1}) Lassen Sie mich an dieser Stelle daran erinnern, dass bereits 1849 die Mitglieder der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche das Budgetrecht in der Verfassung verankert haben - das war ein wichtiger Schritt ({2}) und dass nicht durch Zufall die Nazis 1933 dies dem Parlament wieder genommen haben. An dieser Stelle wird also deutlich, wie wichtig dieses Budgetrecht für uns alle, für das Parlament ist. Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, auf einige grundsätzliche Zusammenhänge hinzuweisen; denn in dieser Woche wurde sehr viel von Wachstum gesprochen. Das hat sich wie ein roter Faden durch alle Debatten gezogen. ({3}) Die Bundeskanzlerin hat deutlich darauf hingewiesen, dass ohne Wachstum keine Investitionen, keine Schaffung neuer Arbeitsplätze, keine Bereitstellung von Mitteln für Bildung und keine Hilfen für die Schwachen möglich sind. Wachstum schafft die Voraussetzung für die notwendigen Spielräume in der Politik. ({4}) Wachstum ist für uns kein Selbstzweck, sondern der einzige Schlüssel, aus dieser Krise herauszukommen. ({5}) Gleichzeitig ist immer von Sparen die Rede. Lassen Sie mich deshalb die Ausgabenseite unserer Haushalte im Hinblick auf eine mögliche Haushaltskonsolidierung kurz beleuchten. Der Mann auf der Straße sagt immer zuerst: Spart einfach mal! Nun lernt man als Haushälter relativ schnell, dass sehr große Bereiche unseres Haushalts - 300 Milliarden Euro - festgeschrieben sind. Das ist kein großer Haufen Geld, in den man beliebig hineingreifen kann, sondern da gibt es zum Beispiel laufende Zuweisungen und Zuschüsse insbesondere zur Sozialversicherung bzw. zur Rentenversicherung. In diesem Jahr sind dadurch rund 175 Milliarden Euro sofort gebunden. Rechnet man dann die Zinsausgaben und die Personalausgaben - das sind noch einmal rund 70 Milliarden Euro - hinzu, so kommt man zu dem Ergebnis, dass ein relativ großer Teil des Bundeshaushalts festgeschrieben ist. Das heißt, die verfügbare Masse umfasst vielleicht noch etwa 20 Prozent. Dazu gehören Mittel für die Bildung sowie Investitionen in den Verkehr und in die Infrastruktur. Gerade dort wollen wir nicht sparen. Im Gegenteil, das wäre schädlich für jede konjunkturelle Entwicklung. Nichtsdestotrotz werden wir im kommenden Bundeshaushalt jede Ausgabenposition sorgfältig dahin gehend überprüfen, ({6}) ob es noch Einsparmöglichkeiten gibt; das ist gar keine Frage. Wenden wir uns jetzt der Einnahmeseite zu. Bei den Einnahmeverbesserungen gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: Erstens. Man könnte Steuern und Abgaben erhöhen. Zweitens. Man könnte sich weiter verschulden. Drittens. Man kann Wachstum generieren. Das Erstere - neue Steuern - haben wir, die christlich-liberale Koalition, vor der Wahl deutlich ausgeschlossen. Dabei bleibt es. ({7}) - Der kommt schon. Das Zweite - höhere Schulden - ist nur begrenzt möglich. Wir wollen die Verschuldung zurückführen; das haben wir uns selbst auferlegt. ({8}) Die Schuldenbremse steht unverrückbar im Grundgesetz. Diese Schuldenbremse ist - erlauben Sie mir diese Anmerkung -, historisch betrachtet, wahrscheinlich die größte Leistung der vergangenen Koalition. ({9}) Wir haben nun die Aufgabe, eine mit dieser Schuldenbremse zu vereinbarende Lösung für die im kommenden Jahr sicherlich exorbitant hohe Neuverschuldung zu finden, um wieder auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Das wird nur möglich sein, wenn wir um den Krisenherd herum sozusagen eine Umgehungsstraße bauen. Dafür braucht es die Kreativität von uns Haushältern genauso wie die des Finanzministers. ({10}) Nun komme ich zur dritten und letzten Möglichkeit, zum Wachstum. ({11}) Die ersten zwei Wege sind uns ja nahezu versperrt. Deshalb lautet die Faustformel: Wachstum generieren. Das Bundesfinanzministerium sagt uns immer: 1 Prozent Wachstum erzeugt mindestens 1 Prozent höhere Steuereinnahmen. ({12}) Schaut man sich das gute Wachstumsjahr 2006 an, so stellt man fest: Da war das sogar deutlich mehr. Lieber Herr Kollege Bonde, Sie haben in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass wir absurd hohe Wachstumsraten bräuchten. Erinnern Sie sich bitte an das Jahr 2006. Da hat uns das Wachstum Steuermehreinnahmen in Höhe von fast 40 Milliarden Euro beschert. Das waren um 2,5 Prozent höhere Steuereinnahmen pro ProzentNorbert Barthle punkt des Wachstums: eine wunderschöne Rate, die zu höheren Steuereinnahmen geführt hat. Das Schöne ist: Wachstum wird auch auf der Ausgabenseite wirksam, weil wir weniger Geld zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit und der sozialen Sicherungssysteme benötigen. Wachstum ist also der Schlüssel zum Erfolg. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Barthle, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber immer.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Schneider.

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Barthle, Sie haben eben gesagt, 1 Prozent Wachstum führe zu 1 Prozent Steuermehreinnahmen. Die Quelle dieser Angaben im Finanzministerium ist mir bisher verborgen geblieben. Ich möchte es ökonomisch betrachten: 1 Prozent Wachstum bedeutet, dass das Bruttoinlandsprodukt insgesamt um etwa 25 Milliarden Euro steigt. Die Steuerquote liegt bei etwa 25 Prozent, also etwa bei einem Viertel. Wie kommen Sie dann darauf, dass die Selbstfinanzierung höher ausfallen soll? Mir ist das jedenfalls nicht bekannt. Bisher wurde das von keinem Ökonomen in irgendeiner Art und Weise bestätigt. ({0}) Ist es richtig, dass der Finanzplan, den die Große Koalition mit der Kanzlerin an der Spitze beschlossen hat, von einer realen Wachstumsquote von 2 Prozent ausgeht, das Potenzialwachstum aber darunter liegt? Wie wollen Sie dann die Steuermehreinnahmen darstellen?

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schneider, wenn Sie sich beim BMF oder bei den einschlägigen Wirtschaftsforschungsinstituten kundig machen, werden Ihnen alle sagen, dass die Faustformel gilt: 1 Prozent Wachstum erzeugt etwa 1 Prozent Steuermehreinnahmen. Genau dies habe ich dargelegt; so finden Sie es in allen Unterlagen wieder. ({0}) Ich habe dargelegt, dass diese Quote im Jahr 2006 mit seinem Ausnahmewachstum sogar höher war: In diesem Jahr gab es ein Wachstum von 3 Prozent, aber Steuermehreinnahmen von annähernd 40 Milliarden Euro. Damit hat 1 Prozent Wachstum in diesem Jahr 2,5 Prozent Steuermehreinnahmen erzeugt. Das war eine Ausnahmesituation; aber auch eine solche Quote ist möglich. Genau das habe ich eben dargestellt. Es ist also unser Bestreben, möglichst hohe Wachstumsraten zu erzielen. Wenn wir im kommenden Jahr eine Wachstumsrate zwischen 1 und 2 Prozent erzielen, dann führt dies zu entsprechend höheren Steuereinnahmen. Die Größenordnung der Mehreinnahmen ist zwar nicht vorhersehbar, aber möglicherweise erreichen wir wieder die Quote aus dem Jahr 2006, als 1 Prozent Wachstum zu 12 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen geführt hat. ({1}) Wenn wir im kommenden Jahr 2 Prozent Wachstum erreichen, können wir etwa 24 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen erzielen; das wäre eine tolle Sache. ({2}) Lassen Sie mich zur Frage eines nachhaltigen, verantwortlichen Wachstums zurückkommen. Ein solches Wachstum kennt nur Gewinner: uns, die Menschen in diesem Lande. Ich komme zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurück, das hinsichtlich des Wachstums als Treibsatz wirken wird. Dieses Gesetz entlastet insbesondere die Familien. Wer sich das Finanztableau anschaut, der sieht sehr schnell, dass der größte Teil des Geldes, das wir in die Hand nehmen, bei den Familien landet. ({3}) Die Entlastungen werden also bei den Menschen in diesem Lande wirksam und führen zu einem größeren Wachstum. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/15 und 17/16 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. November 2009, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.