Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile Ihnen mit,
dass der Kollege Hellmut Königshaus aufgrund seiner
Ernennung und gestrigen Vereidigung zum Wehrbeauftragten auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag
verzichtet hat. Als Nachfolger begrüße ich den Kollegen
Holger Krestel.
({0})
Herzlich willkommen und gute Zusammenarbeit!
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die zweite und dritte
Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme
von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus zu erweitern. Die Vorlage
soll heute als Zusatzpunkt 13 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 27 als erster Punkt mit einer auf zwei
Stunden verlängerten Debattenzeit beraten werden. Dazu
gibt es kein Einvernehmen. Deswegen wollen wir darüber in einer Geschäftsordnungsrunde diskutieren und
dann über diesen Antrag befinden.
Gegen diesen Aufsetzungsantrag hat sich die Kollegin Dagmar Enkelmann zu Wort gemeldet, der ich hiermit das Wort erteile.
({1})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke stimmt der Aufsetzung des
genannten Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung nicht
zu. Kommen Sie mir jetzt nicht mit der Verantwortung,
die wir für Europa zu übernehmen haben!
({0})
Das Verfahren in dieser Woche ist verantwortungslos.
({1})
Sie haben in dieser Woche in einem Schnellverfahren
über die Vergabe von über 100 Milliarden Euro entschieden. Das Parlament wird erneut zu einer Abstimmungsmaschinerie degradiert. Die Linke sagt: Damit muss
endlich Schluss sein.
({2})
Wir teilen ausdrücklich Ihre Kritik, Herr Präsident, an
diesem Verfahren, am Umgang der Regierung mit dem
Parlament. Wir, das Parlament, sind nicht das Marionettentheater der Regierung.
({3})
Im Übrigen will ich die Fraktionsvorsitzenden daran
erinnern, dass die Kanzlerin im Gespräch mit ihnen versprochen hat, dass die abschließende Lesung hier im
Bundestag erst stattfindet, wenn der europäische Vertrag
vorliegt. Der Vertrag liegt bis heute nicht vor.
({4})
Sie, meine Damen und Herren, geben sich jetzt mit Eckpunkten zufrieden. Wie diese Eckpunkte im Vertrag tatsächlich geregelt werden, ist bis heute völlig offen. Es ist
also die Frage, inwieweit die nationalen Parlamente beteiligt werden, inwieweit eine Kontrolle erfolgt. Das alles sind Fragen, die bis heute offen sind. Sie meinen
möglicherweise, das sei unwichtig. Die Linke sagt: Das
ist wichtig für die Entscheidung in diesem Hohen Hause.
({5})
Wir wollen nicht die Katze im Sack kaufen.
Das ist auch nicht durch Ihren im Ausschuss vorgelegten Änderungsantrag geheilt, in dem Sie sagen: Na
gut, wenn der Vertrag nächste Woche da ist, dann werden wir mal den Haushaltsausschuss informieren. - Hier
entscheidet heute dieses Parlament, der gesamte Bundestag, nicht der Haushaltsausschuss, der irgendwann mal
informiert wird.
Es wäre durchaus möglich, zum Beispiel eine Sondersitzung einzuberufen, wenn der Vertrag da ist. Das hätten
wir diskutieren können. Das haben Sie abgelehnt. Sie
Redetext
wollen dieses Schnellverfahren innerhalb von einer Woche. Nein, von einem seriösen Verfahren kann hier keine
Rede sein.
Es war keine Zeit, wirklich über Alternativen zu beraten. Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung völlig zu Recht festgestellt: Die Regierung behauptet, dieses Milliardenpaket sei alternativlos, und wir glauben
das alles. - Das heißt: Die Regierung stellt das Parlament de facto kalt, und das Parlament oder, sagen wir
mal so, eine Mehrheit in diesem Parlament lässt sich
auch noch kaltstellen.
Es war auch keine Zeit, die Verfassungsmäßigkeit
dieses Gesetzes zu prüfen. Die ersten Verfassungsklagen
sind angekündigt.
Es war auch keine Zeit, die Folgen oder die langfristigen Auswirkungen des heute vorliegenden Gesetzentwurfes zu prüfen, unter anderem zu prüfen, welche Belastungen künftig auf die Bürgerinnen und Bürger
zukommen. Es wird noch schlimmer! Schauen Sie sich
den Gesetzentwurf einmal an! Darin steht nämlich:
Die mittelbaren finanziellen Auswirkungen sind
nicht bezifferbar.
Das hätten wir als Linke mal in einem Antrag formulieren sollen! Das hätten Sie uns um die Ohren gehauen!
Die Regierung darf das ungestraft tun.
({6})
Nein, meine Damen und Herren, ein so unsolides, unseriöses Gesetzgebungsverfahren ist mit der Linken
nicht zu machen. Da wächst kein Vertrauen in die Stabilisierung des Euro, und da wächst auch kein Vertrauen in
diese Regierung. Das haben Sie längst verspielt. Ich
finde, Sie können einpacken.
({7})
Für die CDU/CSU-Fraktion erhält der Kollege Peter
Altmaier das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir beraten und entscheiden heute über eines
der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben der letzten
Jahre.
({0})
Gerade weil dies so ist, sollten wir im Interesse der Legitimation und der Legitimität dieses Parlaments gemeinsam das zum Ausdruck bringen, was über jeden Zweifel
erhaben ist: dass das Gesetzgebungsverfahren zwar zügig, aber in Punkt und Komma in Übereinstimmung mit
den gesetzlichen Vorschriften und den Vorgaben der Geschäftsordnung durchgeführt worden ist.
({1})
Wir haben es mit einem ganz normalen, regulären Gesetzgebungsvorhaben zu tun, wie es in der Geschichte
dieses Parlaments schon häufig vorgekommen ist.
({2})
Darum geht es Ihnen ja auch nicht, Frau Enkelmann.
Tun Sie nicht so! Führen Sie die Leute nicht hinter die
Fichte, indem Sie irgendwelche Quisquilien und technischen Argumente anführen!
Ich will Ihnen etwas vorlesen: Vertrag von
Maastricht, 1992: CDU/CSU, SPD, FDP: ja, Linke:
nein. Vertrag von Amsterdam, 1997: CDU/CSU, SPD,
FDP: ja, Linke: nein.
({3})
Vertrag von Nizza: CDU/CSU, SPD, FDP: ja, Linke:
nein.
({4})
Verfassungsvertrag - da hatten Sie keinen Fraktionsstatus, es waren nur zwei MdBs vertreten -: Stimmverhalten: nein. Vertrag von Lissabon: ebenfalls nein.
({5})
Heute reden wir über ein weiteres europäisches Vorhaben ersten Ranges, und Sie sagen wieder Nein.
Sehr geehrter Herr Gysi, sehr geehrte Frau
Enkelmann, wir haben eine Partei vor uns, die zutiefst
antieuropäisch empfindet und sich destruktiv verhält.
({6})
Solange Sie diese Haltung nicht ändern, werden wir Sie
im parlamentarischen Verfahren nicht als Partner akzeptieren.
({7})
Herr Präsident, meine Damen und Herren, soweit ich
weiß, wird sich Bündnis 90/Die Grünen heute Morgen
dem Antrag der Linkspartei anschließen.
({8})
Ich will hier in aller Deutlichkeit sagen, Herr Trittin: Im
Gegensatz zur Linkspartei ist die europäische Überzeugung von Bündnis 90/Die Grünen über jeden Zweifel erhaben.
({9})
Das haben Sie in den letzten Jahren in diesem Parlament
wiederholt bewiesen, zuletzt bei der Verabschiedung des
Griechenland-Paketes. Das ist auch ein Beweis für demokratische Reife.
({10})
Nur, Herr Trittin, ich habe nicht verstanden, wie Sie
bei der Frage des Griechenland-Paketes ein mutiges Signal Ihrer europäischen und demokratischen Reife geben
konnten und jetzt, 14 Tage später, so tun können, als hätten Sie mit all dem nichts zu schaffen, und dies unter Berufung auf zugegebenermaßen wichtige, aber technische
Fragen im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsvorhaben.
({11})
Wir haben im Haushaltsausschuss mit Ihrer Unterstützung die Beteiligungsrechte des Parlamentes verschärft.
Die Bundesregierung ist ihrer Verpflichtung nachgekommen. Wir haben Ihnen die Eckpunkte der Zweckgesellschaft vorgelegt. Wir haben darauf hingewiesen, dass es
in der Sache keine Änderungen und keine Regelungen
geben wird, die dem Parlament nicht vorher mitgeteilt
werden.
({12})
Ich kann Ihnen sagen, was seit der Entscheidung zu
Griechenland geschehen ist: Die SPD hat sich damals in
die Büsche geschlagen, und nun hoppeln Sie in die
Büsche hinterher. Nur - das sieht man in NordrheinWestfalen - ist die SPD schon längst einen Busch weiter.
({13})
Deshalb sage ich Ihnen: Sie sollten sich an Ihrem Altmeister Joschka Fischer orientieren. Ich bin davon überzeugt, dass Joschka Fischer, wenn er in dieser Situation
Vorsitzender der Grünenfraktion wäre, sagen würde: Wir
können doch in einer politischen Gestaltungsfrage ersten
Ranges nicht über eine haushaltsrechtliche Einzelfrage
den Kurs der Grünen bestimmen.
({14})
Wenn er heute Morgen vor dem Fernsehschirm sitzt,
wird er Ihnen - wahrscheinlich nicht der Fraktion, aber
den beiden Fraktionsvorsitzenden - vermutlich seinen
Lieblingsspruch zurufen: Avanti Dilettanti!
({15})
Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Herr
Steinmeier ist nicht da, Herr Gabriel ist nicht da.
({16})
- Wunderbar. - Ich will am Ende noch einmal einen Appell an die sozialdemokratische Partei in diesem Hause
richten. Wir haben seit den 50er-Jahren alle grundlegenden Fragen der europäischen Integration bei vielerlei
Unterschieden im Detail gemeinsam diskutiert und gemeinsam entschieden. Sie haben sich bei der Griechenland-Frage für Enthaltung entschieden. Sie haben gesagt: Wir wollen ein klares Signal, dass die Märkte und
die Banken an den Kosten der Krise beteiligt werden.
Das war auch unser Anliegen.
({17})
Wir - CDU/CSU und FDP gemeinsam - sind Ihnen in
dieser Frage mit einer klaren Aussage entgegengekommen. Die Märkte haben das realisiert. In ganz Europa
wird die Bundesrepublik Deutschland als Vorkämpferin
für eine bessere Regulierung und eine vernünftige Eindämmung der Spekulationen angesehen.
({18})
Nur Sie wollen das nicht wahrhaben, weil Sie glauben,
dass Sie damit die eine oder andere Stimme gewinnen
können.
({19})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir entscheiden heute über sehr viel Geld. Es ist eines der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben, nicht nur, weil es um
Geld geht, sondern weil es im Kern um die Frage geht,
ob wir es schaffen, unser Modell der sozialen Marktwirtschaft in einer globalen Welt zu verteidigen. Dazu sind
wir bereit, und dafür möchte ich Sie noch einmal um
Ihre Unterstützung bitten.
Vielen Dank.
({20})
Der Kollege Thomas Oppermann erhält nun für die
SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Altmaier, natürlich ist das Verfahren nicht irregulär.
Sie halten die Fristen ein, und Sie haben das Recht, diesen Punkt heute auf die Tagesordnung zu setzen.
({0})
Wir werden dem nicht widersprechen. Wenn die Regierungsmehrheit heute über diese Frage entscheiden will,
dann sollen Sie darüber nach unserer Überzeugung auch
entscheiden dürfen.
({1})
Aber das ist noch lange kein angemessener Umgang mit
diesem Parlament.
({2})
Wir sollen heute über Bürgschaften in Höhe von
148 Milliarden Euro entscheiden, aber wir kennen noch
nicht die vertraglichen Grundlagen, nach denen diese
Kredite bzw. Bürgschaften vergeben werden. Ich finde,
das ist für jeden Abgeordneten in diesem Haus eine Zumutung.
({3})
Wir sollen schnell entscheiden. Ich frage Sie, Frau Bundeskanzlerin: Warum haben Sie denn nicht gemeinsam
mit den Regierungen in Europa schneller gearbeitet?
({4})
Ist es denn unzumutbar, dass die Regierungen zwei Wochen lang Zeit haben, eine vertragliche Regelung herbeizuführen, damit die Parlamente entscheiden können?
Das ist doch das Selbstverständlichste von der Welt.
({5})
Es fällt auf, dass ohnehin mit sehr unterschiedlichen
Geschwindigkeiten gearbeitet wird,
({6})
je nachdem, welcher Gegenstand betroffen ist. Heute sollen wir innerhalb einer Woche entscheiden. Aber in Ihrer
Vorhabenplanung, Frau Bundeskanzlerin, steht: Umsetzung der Bankenrichtlinie: geplant für September 2010;
({7})
Gesetz zur Verstärkung des Anlegerschutzes: geplant für
Februar 2011;
({8})
Bankenabgabe: Verabschiedung geplant für Februar 2011.
({9})
Es fällt, wie gesagt, auf, dass mit verschiedenen Geschwindigkeiten gearbeitet wird, je nachdem, ob es darum geht, Banken zu retten oder nervöse Finanzmärkte
zu beruhigen, oder ob es darum geht, die Bürgerinnen
und Bürger durch Finanzmarktregulierungen vor diesen
Finanzmärkten zu schützen.
({10})
Ich sage Ihnen, Frau Bundeskanzlerin: Wir werden es
nicht hinnehmen, dass Sie aus dem Deutschen Bundestag ein Parlament der zwei Geschwindigkeiten machen.
({11})
Glauben Sie nicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern
nicht auffällt, dass das eine ganz schnell geht und das andere unendlich lange dauert?!
Es ist in der Tat so: Wir haben heute eine der schwierigsten Entscheidungen zu treffen, die der Deutsche
Bundestag jemals treffen musste. Dies ist die vierte gravierende Entscheidung in dieser Wahlperiode. Ich muss
Ihnen das einmal in Erinnerung rufen: Die erste Entscheidung war das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit dem 1 Milliarde Euro für die Hotelketten bewilligt wurde; das war die Mövenpick-Milliarde.
({12})
Die zweite gravierende Entscheidung war der Haushalt 2010. Wir haben einen Haushalt mit einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 80 Milliarden Euro verabschiedet, der höchsten Nettokreditaufnahme in der Geschichte
der Bundesrepublik.
({13})
- Ganz ruhig. Nur weil Sie eine Tu-nichts-Regierung
sind, sind wir noch lange kein Abnickparlament.
({14})
Bei der dritten gravierenden Entscheidung ging es um
die 22 Milliarden Euro, die wir vorvergangene Woche
für Griechenland bewilligt haben.
({15})
Heute geht es um 148 Milliarden Euro. Ich sage Ihnen:
Über insgesamt mehr als 250 Milliarden Euro haben Sie
in den ersten sechs Monaten dieser Wahlperiode zusätzlich entschieden.
({16})
Das ist eine Viertelbillion Euro, Frau Bundeskanzlerin.
Damit sind Sie schon heute die Schuldenregierung, die
Regierung, die in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland die meisten Schulden gemacht hat.
({17})
Ich bitte Sie: Machen Sie jetzt endlich Ihre Hausaufgaben, damit Sie nicht schon bald das nächste Rettungspaket schnüren müssen. Sie haben Ihr Konto maßlos
überzogen.
({18})
Das Wort erhält nun der Kollege Jörg van Essen für
die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben heute eine schwere Entscheidung zu treffen. Wir
alle sind in der Verpflichtung, auch in der Diskussion
dieser besonderen Situation gerecht zu werden.
({0})
Ich werbe nachdrücklich dafür, dass wir das auch nach
außen hin deutlich machen.
Es ist doch schon erstaunlich: Über Wochen wirft die
Opposition der Regierung vor, dass sie nicht schnell genug entscheidet, dass sie bestimmte Entscheidungen
nicht schnell genug herbeigeführt hat. Jetzt geht auf einmal alles viel zu schnell.
({1})
Gerade in schwierigen Zeiten ist es gut, wenn man dem
Rat folgt, den jemand gibt, der insgesamt großes Ansehen
genießt, und zwar berechtigt. In dieser Woche - ein Kollege hat es mitgeschrieben - ist in der Anhörung des
Haushaltsausschusses vorgetragen worden: „Es ist unabdingbar, am Freitag“ - am heutigen Tage also - „das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Es ist unabdingbar.
Man muss daher ohne Wenn und Aber in dieser Woche zu
Ende kommen, um weitere Skepsis und weitere Verunsicherungen zu vermeiden.“ - Das war die Empfehlung des
Präsidenten der Bundesbank.
({2})
Wir sollten genau dieser Empfehlung folgen.
({3})
Damit werden wir der Verpflichtung unseres Parlaments
gerecht.
Vielen Dank.
({4})
Der Kollege Volker Beck hat nun für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere
Fraktion widerspricht der Aufsetzung des Gesetzentwurfes auf die Tagesordnung am heutigen Freitag, und zwar
nicht, weil wir gegen den geplanten Stabilisierungsmechanismus wären, sondern weil wir ihn sorgfältig beraten und in Kenntnis aller Unterlagen und Grundlagen beschließen wollen. Diese Grundlagen liegen nicht vor.
Was uns vorliegt, ist ein kleiner Zettel mit ein paar Kriterien für den Vertrag über die Zweckgesellschaft.
Herr van Essen, Sie verlangen heute von uns - und
das ohne Not -, dass wir unsere Rechte auf Mitwirkung
in der Europäischen Union und unser Budgetrecht aufgeben und an die Regierung delegieren. Das ist hochgefährlich.
({0})
Es gibt bereits einen Abgeordneten von der Union, der
angekündigt hat, gegen das Gesetz zu klagen. Was bewirkt es für die Stabilisierung der Finanzmärkte, wenn
der Abgeordnete am Ende zu Recht die Verletzung seiner Organrechte vom Bundesverfassungsgericht bestätigt bekommt und Ihnen das Ganze um die Ohren fliegt?
Dann haben Sie mit Zitronen gehandelt und ein Desaster
für die Europäische Union angerichtet.
({1})
Das Gesetzgebungsverfahren hat schon auf der Ebene
der Europäischen Union mit einem ersten Verfassungsbruch begonnen: Am 7. Mai wurden Sie darüber unterrichtet, dass man dringend einen solchen Mechanismus
schaffen muss. Frau Bundeskanzlerin, haben Sie den
Deutschen Bundestag unverzüglich darüber unterrichtet?
Nein. Am 9. Mai waren nämlich Wahlen in NordrheinWestfalen. Sie haben abgewartet; Sie haben dieser Verordnung zugestimmt, ohne dem Bundestag das Recht zur
Stellungnahme zu geben.
({2})
Damit haben Sie die Rechte dieses Parlamentes verletzt.
Heute wollen Sie eine Blankovollmacht für die weiteren Verhandlungen. Warum sollte die Opposition Ihnen
eine Blankovollmacht ausstellen? Sie sind uns am Anfang
der Woche entgegengekommen und haben gesagt, dass
am Freitag die Grundlagen vorliegen; sie liegen nicht vor.
Sie haben versucht, uns mit der Zusage zu locken, eine Finanzmarktsteuer einzuführen. Hinterher haben Sie uns
dann gesagt: Das könnte die Finanzaktivitätsteuer, die Finanztransaktionsteuer oder eine Kombination aus beidem
sein. Sie sind nicht entscheidungsfähig. Sie sind die
Bremse in Europa, wenn notwendige Maßnahmen rechtzeitig verabschiedet werden müssen. Das war bei der
Griechenland-Hilfe so, das ist bei der Finanzmarktsteuerung so. Warum sollten wir Ihnen hier einen Blankoscheck ausstellen?
({3})
Meine Damen und Herren, zahlreiche Fragen, die sich
im Zusammenhang mit dem geplanten Mechanismus
stellen, sind in dieser Woche nicht geklärt worden. Die
Kommission handelt hier - auf Wunsch der Bundesregierung - außerhalb des EU-Vertrages und offenbar im
Sinne der Unterstützung der Nationalstaaten. Wer kontrolliert die Europäische Kommission bei dieser Tätigkeit? Wenn wir Ihnen heute hinsichtlich dieser Fragen
einen Blankoscheck ausstellen, haben wir unsere Rechte
abgegeben; das Europäische Parlament ist nicht zuständig.
Zu der zwischenstaatlichen Vereinbarung zur Errichtung einer Zweckgesellschaft - wir kennen sie nicht, und
auf dem Zettel steht dazu nichts - stellen sich einige Fragen: Soll dies eine zivilrechtliche Vereinbarung nach lu4412
Volker Beck ({4})
xemburgischem Recht sein, bei der die Bundesregierung
den Bundestag nicht konsultieren muss? Oder ist nicht
doch eine völkerrechtliche Vereinbarung nötig und vorgesehen? Dann muss sie hier im Deutschen Bundestag
beraten werden. All diese Fragen haben Sie nicht geklärt, und Sie wollen die Klärung an die Bundesregierung delegieren. Das ist fahrlässig und entspricht nicht
der Seriosität dieses Parlamentes.
Wir schlagen vor, den Gesetzentwurf heute von der
Tagesordnung abzusetzen und den Bundestagspräsidenten zu bitten, dann, wenn die Grundlagen hierfür vorliegen, unverzüglich den Deutschen Bundestag, auch in der
Pfingstpause, einzuberufen, damit wir die notwendigen
Entscheidungen treffen. Andere Länder wie Frankreich
haben in dieser Woche auch nicht entschieden. Sie wissen doch: Der Mechanismus greift erst, wenn alle entschieden haben, die Vereinbarungen stehen und die Satzung für die Zweckgesellschaft vorliegt. Vorher kann
nichts greifen.
({5})
Bis dahin ist bereits eine Regelung in Kraft: 60 Milliarden Euro der Europäischen Union stehen für notwendige Maßnahmen unmittelbar zur Verfügung. Deshalb
droht, wenn wir die heutige Entscheidung vertagen,
keine Unsicherheit für die Finanzmärkte, es droht insbesondere keine verfassungsrechtliche Krise bei der Verabschiedung dieses Paketes, und wir, der Deutsche Bundestag, können diese Frage seriös in Verantwortung
gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern sowie den
Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern beraten und entscheiden und die Verantwortung für diese schwierige
Entscheidung dann gemeinsam tragen.
Sie wollen die Opposition daran hindern, hier mitzumachen. Aber darum geht es Ihnen gar nicht; das haben
wir am Mittwoch erlebt. Die FDP-Fraktion sagt uns ja:
Es ist uns egal, ob die Opposition dafürstimmt oder dagegenstimmt,
({6})
Hauptsache, wir bekommen das durch. - Dies liegt nur
an einem: Sie glauben, dass Sie Ihre Mehrheiten in der
nächsten oder übernächsten Woche womöglich gar nicht
mehr zusammenbekommen; denn das Misstrauen Ihrer
Fraktionen gegenüber der eigenen Regierung in diesen
Fragen ist ja sinnfällig; das hören wir aus Ihren Fraktionssitzungen.
({7})
Deshalb, aus Angst davor, dass Ihnen der Laden auseinanderläuft, drücken Sie das Ganze hier mit aller Gewalt
und gegen die Rechte des Deutschen Bundestages durch.
({8})
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Aufsetzungsantrag. Wer für den Aufsetzungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP stimmt, den bitte ich um
das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Damit ist der Aufsetzungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei
Stimmenthaltung der SPD-Fraktion angenommen.
({0})
Ich rufe nun den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 13
sowie die Tagesordnungspunkte 27 a bis 27 c auf:
ZP 13 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme von
Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus
- Drucksache 17/1685 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
- Drucksache 17/1740, 17/1741 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider ({2})
Roland Claus
Alexander Bonde
27 a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stabilisierung des Finanzsektors - Eigenkapitalvorschriften für Banken angemessen überarbeiten
- Drucksache 17/1756 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({3})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der
geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie
- Drucksachen 17/1720, 17/1803 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({4})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
c) Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Umsetzung der neu gefassten
Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie
- Drucksache 16/13741 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({5})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Präsident Dr. Norbert Lammert
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP liegen zwei Entschließungsanträge der
SPD-Fraktion sowie je ein Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen vor.
Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass wir
am Schluss dieser Debatte insgesamt vier namentliche
Abstimmungen durchführen werden, zunächst über den
Gesetzentwurf, dann über die beiden Entschließungsanträge der SPD-Fraktion und schließlich über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Dr. Michael Meister für die CDU/CSUFraktion.
({6})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als
christlich-liberale Koalition wollen ein lebendiges und
funktionierendes Europa, und wir stehen für einen stabilen Euro. Diese Verantwortung werden wir heute früh im
Deutschen Bundestag wahrnehmen. Ich würde mich
freuen, wenn auch die Kollegen der Opposition bereit
wären, Verantwortung für Deutschland und unsere gemeinsame Währung zu übernehmen, und nicht davonlaufen würden.
({0})
Herr Oppermann, Sie sollten sich die Frage stellen,
wie Ihre Absicht, sich zu enthalten, von Ihren Kollegen
im Europäischen Parlament und von den Regierungen,
die von mit Ihnen befreundeten Parteien in anderen europäischen Ländern gestellt werden, wahrgenommen wird.
Ich glaube, Sie geben ein Bild ab, das als schwer erträglich empfunden wird.
({1})
Wenn wir einen stabilen Euro haben wollen, dann
müssen wir aus meiner Sicht drei Maßnahmen ergreifen:
Erstens. Wir müssen den Euro wetterfest machen. Wir
haben festgestellt, dass die Regelungen, die der Vertrag
von Maastricht enthält, zwar auf dem Papier stehen,
aber bedauerlicherweise nicht eingehalten werden. Deshalb brauchen wir eine Stärkung des Maastrichter Vertrages. Dazu hat gestern Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble seinen Kollegen in der Euro-Gruppe Vorschläge gemacht. Heute Nachmittag wird damit begonnen, über Änderungen am Vertrag zu sprechen. Wir als
Fraktion wünschen ausdrücklich, dass diese Dinge energisch und zeitnah vorangetrieben werden, damit wir in
Zukunft ein festeres Fundament für den Euro gewährleisten können.
({2})
Zweitens. Wir brauchen eine Stärkung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften in der Euro-Gruppe.
An dieser Stelle müssen wir eine Debatte nach dem
Motto „Alle müssen stärker werden“ führen. Wir dürfen
keine Debatte nach dem Motto „Wie kann der Stärkere
schwach werden?“ führen. Wir müssen gemeinsam unsere wirtschaftliche Leistungskraft steigern. In diesem
Sinne müssen wir die Debatte bestreiten.
({3})
Das ist nicht ganz einfach, weil nicht alle dieselbe Philosophie haben. Deshalb sagen wir Ja zu mehr Koordination in der Wirtschaftspolitik, aber in richtig verstandenem
Sinne. Wir müssen auch in Zukunft wettbewerbsfähig
sein, nicht nur in, sondern auch über Europa hinaus, also
gegenüber China, Indien und den USA. Deshalb müssen
wir gemeinsam unsere wirtschaftliche Leistungskraft
stärken.
({4})
Drittens. Wir haben es gesehen: Wenn jemand
schwach ist, wird das von den Kapitalmärkten entdeckt.
Sie versuchen, Schwächen auszunutzen. Mit Blick auf
die Finanzkrise, die wir erlebt haben, und mit Blick auf
die Schuldenkrise, die wir gegenwärtig erleben, müssen
wir deshalb für eine bessere Regulierung der Kapitalmärkte sorgen.
Für diese drei Aufgaben brauchen wir zeitnahe Lösungen. Heute wird es keine Lösungen geben, aber wir
müssen darum ringen, dass sie möglichst schnell kommen. Damit wir die Zeit haben, Lösungen auf den drei
Problemfeldern zu erreichen, brauchen wir das Nothilfepaket, das heute auf dem Tisch liegt. Deshalb möchte ich
Sie alle bitten, dieses Paket zu unterstützen, damit wir
die Zeit haben, die richtigen Weichenstellungen in Europa treffen zu können.
({5})
Die Schuldenkrise in Europa hat aus meiner Sicht
zwei Ursachen. Eine Ursache ist die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der die Staaten zum einen durch die Rettung der Finanzinstitute und zum anderen durch die Stabilisierung der Konjunktur mittels staatlich finanzierter
Programme versucht haben, diese Krise abzumildern.
Die zweite Ursache liegt allerdings in der Struktur. Über
viele Jahre hinweg wurde in fast allen europäischen
Staaten mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Deshalb müssen wir eine Veränderung des Verhaltens herbeiführen. Ich bin der Meinung, wir sollten nicht auf andere schauen, sondern wir sollten bei uns beginnen. Wir
sollten ein Vorbild sein, eine positive Rolle spielen und
versuchen, unser Budgetdefizit strukturell auszugleichen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.
({6})
Ich bin sehr einverstanden mit unserer Position, die
die Frau Bundeskanzlerin vor zwei Tagen hier vorgetragen hat. Wir sprechen heute über die Frage: Sind wir mit
anderen Ländern in der EU solidarisch, die möglicher4414
weise noch nicht vollständig das realisiert haben, was
wir ab 2005 getan haben? Wir haben in Deutschland ab
2005 unseren Haushalt konsolidiert und dadurch dafür
gesorgt, dass wir heute in der Lage sind, Antworten auf
Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise geben zu können. Wenn wir diese Konsolidierungsleistung nicht erbracht hätten, könnten wir diese Antwort heute nicht geben.
Andere Länder haben diese Anstrengungen nicht
ganz in dem Umfang wie wir unternommen. Deshalb
muss man jetzt an dieser Stelle sagen: Solidarität mit anderen, ja, aber notwendigerweise verbunden mit der Forderung nach Solidität, damit das Ganze nicht zu einer
bedingungslosen Hilfsaktion wird, die dann letzten Endes dazu führt, dass wir alle nicht mehr leistungsfähig
sind. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass die jetzt
geleistete Solidarität dazu führt, dass alle miteinander
die Chance haben, leistungsfähiger zu werden.
({7})
Nun haben einige Kollegen kritisiert, dass eine wesentliche Vereinbarung bezüglich dessen, worüber wir
heute entscheiden, nicht vorliegt. Ich will zum einen
festhalten, dass es eine hervorragende Leistung von
Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble und der Bundeskanzlerin war, klare Eckpunkte dazu aufzustellen,
wie diese Zweckgesellschaft ausgestaltet werden soll.
({8})
Es ist wichtig, dass der deutsche Wunsch nach Stabilität
in diesen Eckpunkten deutlich zum Ausdruck gebracht
wird. So gibt es keine gesamtschuldnerische Haftung.
Die Nothilfen werden zeitlich befristet und eben nicht
als ein dauerhaftes Instrument eingerichtet. Die Auszahlung der Tranchen muss jeweils einstimmig erfolgen.
Schließlich wird sie an Konsolidierungsauflagen für die
betroffenen Länder gebunden. Ein entscheidender Punkt
aus meiner Sicht ist auch, dass wir den Internationalen
Währungsfonds für die operationelle Umsetzung mit
eingebunden haben.
Zum anderen sind die Auflagen in dem Gesetzentwurf, den wir heute debattieren, strenger als in dem Gesetz, das wir vor 14 Tagen mit Blick auf Griechenland
beschlossen haben.
({9})
Im vorliegenden Gesetzentwurf steht drin, dass eine unverschuldete Notlage eingetreten sein muss. Bei Griechenland stellte sich die Lage ja anders dar. Hier haben
wir also eine strengere Formulierung als bei dem, was
vor zwei Wochen in diesem Hohen Hause beraten worden ist.
Das sind die Eckpunkte. Jetzt kann man natürlich fordern: Wir wollen den genauen Text sehen. - Zu dieser
Forderung will ich klar und deutlich sagen: In dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, steht drin, dass es
nicht zu einer Auszahlung kommen wird und keine Garantien gegeben werden, bevor nicht der Vertragstext
dem Deutschen Bundestag bekannt ist. Das ist doch eine
klare Zusage. Wir kennen also, bevor das Gesetz zur Anwendung kommt, den genauen Text. Es ist eine Ausrede,
wenn einige von Ihnen, meine Damen und Herren, sich
auf diesen Punkt stützend versuchen, Ihre Nichtzustimmung oder Enthaltung zu rechtfertigen.
({10})
Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen. Dabei
geht es um die Frage, inwieweit das Ausräumen von
Vorbehalten des Haushaltsausschusses des Deutschen
Bundestages zur Bedingung dafür gemacht wird, dass
Zahlungen geleistet werden. Bei dieser Fragestellung
geht es zunächst einmal darum, ob denn nun das Paket,
das wir heute beschließen, für diejenigen, für die es gedacht ist, glaubwürdig ist; das heißt, die Kapitalmärkte
müssen überzeugt werden, nicht weiter gegen den Euro
zu spekulieren. Deshalb sollten wir aufhören, zu viele
Konditionalitäten zu setzen. Sonst legen wir schon in
dem Gesetz dessen eigenes Scheitern an.
Zum Zweiten ist es natürlich berechtigt - ich bin
überzeugter Parlamentarier -, zu sagen: Wir können über
solche Summen nicht entscheiden, wenn sie in Form von
Blankoschecks ausgereicht werden sollen. Ich glaube
jedoch, es ist den Haushältern bei ihren Beratungen in
sehr kluger Weise gelungen, eine gute Formulierung zu
finden: Man hat sich dabei nämlich an den Mitwirkungsrechten des Deutschen Bundestages bei europapolitischen Fragen orientiert und eine Formulierung gefunden, die auch im Zusammenhang mit dem LissabonVertrag und seiner Umsetzung hier gewählt worden ist.
Das ist aus meiner Sicht eine optimale Konstellation;
denn jetzt werden die Mitwirkungsrechte des Parlaments
gegen die eigentliche Zielsetzung dieses Gesetzes gewogen, nämlich eine glaubwürdige Antwort zu geben und
damit Spekulation zu beenden.
({11})
Ich will einen weiteren Punkt aufgreifen: Es wird jetzt
die Mär erzeugt, als müssten wir in Deutschland ob der
Griechenland-Hilfe und ob des Gesetzes, das wir heute
beschließen wollen, nun anfangen, zu sparen. Nein, wir
geben hier zunächst einmal Garantien. Diese sind nicht
der Grund, warum wir sparen müssen. Umgekehrt wird
ein Schuh daraus: Wir müssen sparen, damit wir nicht irgendwann selbst in die Lage kommen, von anderen Solidarität und Nothilfe einfordern zu müssen, damit wir
selbst als Staat handlungsfähig bleiben und damit künftigen Generationen noch ein finanzieller Handlungsspielraum verbleibt. Deshalb müssen wir in Deutschland sparen und nicht, weil wir hier Rettungspakete beschließen.
Es geht hier um unser Eigeninteresse und um ein eigenes
Ziel. So sollten wir das auch begründen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, dass das vorliegende Gesetzespaket auch das Thema
Finanzmarktreform beinhaltet. Es ist richtig - wir
müssen diesen Punkt ernst nehmen -, dass wir bezüglich
des Themas Finanzmarktreform technisch und administrativ keine einfachen Antworten finden werden. Denn
es ist ein hochkomplexes Thema, und es ist ungeheuer
schwer, es so zu kommunizieren, dass das, was richtig
und notwendig ist, von den Menschen draußen verstanden wird. Aber wir sollten uns dieser Aufgabe stellen
und versuchen, klarzumachen, was wir tun.
In diesen Tagen ist doch auf der Finanzmarktkonferenz, die Mitte dieser Woche im Bundesfinanzministerium in Vorbereitung auf den G-20-Gipfel im Juni stattfand, deutlich geworden, dass die Bundesregierung an
dieser Stelle das Thema inhaltlich nach vorne treiben
will. Durch die Verabschiedung der AIFM-Richtlinie,
nach der jetzt auch Hedgefonds in Europa beaufsichtigt
werden, ist deutlich geworden, dass Deutschland die
Entwicklung vorantreibt.
Wir sollten allerdings beachten, dass nicht alle dieselbe Sichtweise auf diese Themen haben. Hier erinnere
ich zum Beispiel an die Stellungnahme des kanadischen
Vertreters auf der Konferenz im Bundesfinanzministerium, die gezeigt hat, dass Kanada eine ganz andere
Sichtweise hat. Es löst doch nicht unsere Probleme,
wenn wir als Besserwisser auftreten, sondern wir müssen versuchen, mit Argumenten zu überzeugen und klarzumachen, dass wir in Europa und weltweit eine bessere
Regulierung brauchen. Dafür müssen wir entsprechend
streiten.
({13})
Wenn unsere Freunde von der Sozialdemokratie immer darauf hinweisen,
({14})
wie wichtig es ist, zu entsprechenden Steuern und besseren Regulierungen zu kommen, dann mache ich darauf
aufmerksam, dass es die Labour-Regierung in Großbritannien und auch die sozialistische Regierung in Spanien
waren, die am stärksten die Umsetzung dieser Maßnahmen behindert haben. Sprechen Sie also nicht mit uns!
Wir sind doch nicht das Hindernis! Wir wollen die Dinge
beschleunigen. Sprechen Sie mit Ihren eigenen Parteifreunden in der Sozialistischen Internationale, damit die
Regulierung der Finanzmärkte endlich vorangeht.
({15})
Liebe Freunde, zum Abschluss rufe ich Sie dazu auf:
Bedenken Sie Ihre Verantwortung für den Euro und für
die Menschen in Deutschland. Stimmen Sie deshalb diesem Nothilfepaket zu, damit die Möglichkeit besteht,
strukturelle Maßnahmen, Stärkung des Euro-Vertrages,
bessere Finanzmarktregulierung und Maßnahmen für
eine bessere Wirtschaftskraft in der Euro-Zone durchzusetzen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({16})
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nicolette
Kressl für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ausdrücklich begrüße ich auch den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz. Wir finden es gut, dass
er dieses Thema für so wichtig hält, hier anwesend zu
sein.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, es ist notwendig,
eine Brandmauer gegen einen bewusst gewollten oder in
Kauf genommenen Zusammenbruch der Euro-Zone aufzustellen. Und es ist richtig, diese oder ähnliche Instrumente dafür zu beschließen. Es ist richtig, durch die Bereitstellung von Krediten allen, die gegen Europa
spekulieren, deutlich zu machen: Wir werden uns entschieden wehren. Aber: Allein dieses dürre Skelett einer
Kreditermächtigung, allein dieses technokratische Instrument ist eben nicht im Geringsten ausreichend, um
das Vertrauen der Menschen in Europa zu sichern. Auch
darum muss es heute gehen.
({1})
Sie sind in der Verantwortung, liebe Kolleginnen und
Kollegen von den Regierungsfraktionen und in der Regierung, den Menschen ein Gesamtkonzept vorzulegen,
in dem klare Führung deutlich wird. Es braucht Initiativen, die sicherstellen, dass die Menschen und nicht die
Märkte in Europa Vorrang haben.
({2})
Dass Sie dies immer wieder betonen, hilft uns allen
nicht, weil Sie es nicht mit entsprechenden Taten unterlegen. Als die Kanzlerin in der letzten Debatte zu diesem
Thema am Mittwoch gesagt hat, wir müssten den Worten
endlich auch Taten folgen lassen, mussten Sie, die beiden Regierungsfraktionen, zum Applaus aufgefordert
werden. Das ist typisch für die Debatte, wie sie im Moment läuft.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa braucht
doch beides: Europa braucht ein aktuelles Krisenpaket,
aber eben auch eine gradlinige, klar erkennbare Entschlossenheit, alles dafür zu tun, dass die Länder der
Euro-Zone nicht Gefahr laufen, von einer Krise in die
andere zu schlingern. Das ist die Sorge, die wir hören,
wenn wir mit den Menschen reden. Bei diesem zweiten
Teil des Konzepts für den von Ihnen so oft zitierten Vorrang der Politik vor den Märkten versagen Sie völlig.
Heute liegt kein Gesamtkonzept vor.
({4})
Ich will Ihnen einmal deutlich machen, warum Sie die
Grundlagen für Vertrauen in Ihre Politik in den letzten
Tagen und Wochen fahrlässig verspielt haben. Fatalerweise haben Sie das Vertrauen gleichzeitig bei den europäischen Partnern, bei den Bürgerinnen und Bürgern und
hier im Parlament verspielt. In wenigen Tagen haben Sie
in dem Bereich alles kaputt gemacht.
({5})
Die Regierung, vor allem die Bundeskanzlerin, hat es
nicht vermocht, von Anfang an mit ruhiger, klarer Entschiedenheit zu sagen: Ja, wir wollen diesen Nothilfeplan, aber wir setzen uns auch mit aller Kraft dafür ein,
die Kosten nicht allein den Bürgern aufzubürden. Am
Anfang wollten Sie die Verursacher - in der Hoffnung,
dass niemand merkt, dass es nur Symbolpolitik ist - mit
einer Alibi-Bankenabgabe beruhigen. Das hat Ihnen niemand geglaubt.
({6})
Dann haben Sie - das war die Krönung - diesen lächerlichen freiwilligen Beitrag der Banken als den großen Durchbruch gefeiert. Auch das hat Ihnen niemand
geglaubt.
({7})
Ich will Ihnen sagen: Wir Sozialdemokraten wollen,
dass auf jedes spekulative Geschäft eine Steuer erhoben
wird, nämlich die Finanztransaktionsteuer. Dazu hätten Sie sich von Anfang an klar bekennen können.
({8})
Stattdessen haben Sie Ihre Kraft damit vergeudet, hier
Ihren Eiertanz aufs Parkett zu legen. Vor ganz langer
Zeit nannte die Bundeskanzlerin die Spekulationsbesteuerung eine charmante Idee. Dann - ich habe es schon gesagt - hofften Sie, dass die Menschen nicht erkennen,
dass diese Alibi-Bankenabgabe keine Lösung ist. Noch
am Wochenende hat die Bundeskanzlerin auf, wie ich
finde, schon fast herablassende Art den Gewerkschaften
gesagt: Sorgt ihr doch einmal auf internationaler Ebene
dafür, dass es durchgesetzt wird. Dann machen wir es
mit. - Was ist das für eine Führung?
({9})
Dann wurden Sie von der eigenen Fraktion zur Unterstützung dieser Finanztransaktionsteuer gedrängt. Jetzt,
in der Angst vor dem Koalitionspartner, trauen Sie sich
wieder nicht, es hier gemeinsam zu Papier zu bringen.
Was soll das eigentlich? Sie haben das Vertrauen verspielt. Das ist peinlich für die Regierung.
({10})
Auf diese Weise kann kein Vertrauen in Führung und
Geradlinigkeit entstehen. Wer das Hin und Her in dieser
Woche beobachten konnte, dem ist klar geworden: Der
Ursprung des momentanen Bekenntnisses der Bundeskanzlerin zur Finanztransaktionsteuer beruht nicht auf
einer tiefen inhaltlichen Überzeugung, sondern nur auf
den äußeren Umständen. Sie laviert so, wie es gerade erforderlich ist. Deshalb können wir Ihrem Wort, Frau
Bundeskanzlerin, allein nicht mehr vertrauen. Deshalb
erwarten wir, dass gemeinsam schriftlich fixiert wird,
dass Sie sich zur Finanztransaktionsteuer bekennen. Ich
frage Sie: Welchen Grund sollte es dafür geben, dies hier
nicht gemeinsam schriftlich zu fixieren? Haben Sie
eventuell vor, sich in zwei oder drei Tagen von diesem
Bekenntnis wieder zu verabschieden? Wir haben ja bereits genügend Kehrtwenden erlebt.
({11})
Zur Verlässlichkeit gehört auch, nicht verbale Nebelkerzen zu werfen, indem Sie - ich zitiere die Süddeutsche Zeitung - irgendeine „Finanzdingsbumssteuer“ in
die Diskussion bringen. Es gehört eine eindeutige inhaltliche Klarheit in der Analyse dazu. Die von Ihnen immer
wieder ins Spiel gebrachte Finanzaktivitätsteuer setzt
nicht daran an, dass Billionen Euro am Tag durch Spekulationen umgesetzt werden, sondern sie setzt an der
Lohnsumme an. Es ist also eine Lohnsummensteuer.
({12})
Soll diese Finanzaktivitätsteuer, die an der Lohnsumme
ansetzt, wirklich das richtige Instrument für unser deutsches Bankensystem sein, in dem viele Mitarbeiter beschäftigt sind? Darüber sollten Sie noch einmal ernsthaft
nachdenken.
Sie verweisen auf unseren Antrag. Darin ist ausdrücklich die Prüfung dieser Möglichkeit enthalten, weil wir
wissen, dass die Finanztransaktionsteuer bei den Spekulationen ansetzt. Alles andere müsste sehr genau an die
deutschen Verhältnisse angepasst werden. Dazu sind Sie
offensichtlich nicht in der Lage. Sie werfen nur mit Vokabeln um sich.
({13})
Weil Ihnen dieser inhaltliche Kompass fehlt und weil
Ihnen im Übrigen offensichtlich auch der ehrliche Wille
fehlt, die Opposition davon zu überzeugen, bei Ihrem
Vorgehen mitzumachen, ist Folgendes passiert: Am
Mittwoch letzter Woche hat Sie unser Fraktionsvorsitzender, Frank-Walter Steinmeier, gefragt: Wollen Sie
denn, dass die Opposition mitmacht? - Da es in diesem
Moment zufälligerweise ruhig war, konnte man aus der
FDP ein trotziges Nein hören.
({14})
Es wäre für die Regierung ein Leichtes gewesen, deutlich zu machen, dass dies eine Einzelmeinung ist. Aber
noch nicht einmal dazu hat Ihre Führungskraft gereicht.
({15})
Lassen Sie mich zusammenfassen: Die SPD war und
ist offen dafür, sich an Maßnahmen zu beteiligen, damit
die Menschen wieder mehr Zuversicht in das große und
wichtige Projekt Europa aufbringen können. Aber dafür
müssen Sie ein klares Signal geben, dass Sie den Menschen wirklich Vorrang vor den Märkten geben wollen,
dass sie nicht für die entstandenen Kosten aufkommen
müssen und dass die Wirtschaft in Zukunft durch einen
Rahmen zu einem vernünftigeren Wirtschaften gezwungen werden kann. Das können wir nicht erkennen.
({16})
Kein Vertrauen, kein Gesamtkonzept, keine Linie,
keine Führungskraft - dazu können Sie unsere Zustimmung nicht ernsthaft einfordern.
Vielen Dank.
({17})
Das Wort erhält nun der Kollege Otto Fricke für die
FDP-Fraktion.
({0})
Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Versuchen wir es doch heute
einmal mit Zuhören. Vielleicht klappt das ja.
({0})
Man muss den Bürgern sagen, dass dieser Weg, den
wir heute beschreiten werden, schwer ist und dass die
Zustimmung zu diesem Schritt keinem leichtfallen wird.
({1})
Aber wir wissen genau, dass alle anderen Alternativen
- insofern muss man aufhören, zu sagen, dass dieser
Schritt alternativlos sei - wie Verschieben und Abwarten, was mit den Ländern passiert, um ein Vielfaches
schwerer durchzuführen wären. Wir sind uns sicher, dass
alles andere um ein Vielfaches schlimmer wäre: für unsere Währung, für den Kleinsparer, für die Wirtschaft,
für mittelständische Familienunternehmen, für Arbeitsplätze, für unsere Sozialsysteme und damit letztlich für
unser Land.
({2})
In den Briefen, die wir bekommen, und in den Gesprächen, die wir mit den Bürgern führen, ist eine Sorge
groß: Haben denn die Märkte jetzt mehr Macht als die
Politik?
({3})
Bei dem, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt haben, könnte man dieses Gefühl haben.
({4})
Wenn man der Meinung ist, dass das so ist, geschätzte
Opposition, dann muss man doch alles tun, um der Politik in einer Demokratie und damit dem Bürger die Macht
zurückzugeben.
({5})
Dazu dient dieses Gesetz.
({6})
Die zweite Frage, die oft von Bürgern gestellt wird,
will ich ebenfalls gerne beantworten: Wie konnte es
denn sein, dass Märkte so viel Macht hatten und haben?
Sie bemühen dann immer Verschwörungstheorien.
({7})
Ich sage Ihnen nur eines: Verschwörungstheorien können Sie nicht als Basis für politisches Handeln nehmen,
sondern Sie müssen Folgendes sehen: Ein Staat, eine
Europäische Union, eine Euro-Zone, die sich mit ungeheuren Summen bei den Märkten verschuldet, begibt
sich in die Hände dieser Märkte. Es gilt, zu unterbinden,
dass wir uns selber durch Verschuldung in die Hände
derjenigen begeben, von denen wir uns das Geld ausleihen müssen. Die Verschuldung ist die Ursache für das
Übel. Dieses Übel gilt es abzustellen.
({8})
Ich will auch deutlich sagen: Es sind die Verschuldung und vor allen Dingen auch die Aufweichung des
Stabilitätspaktes, die diese Schwäche noch verstärkt
und erst erkennbar gemacht haben. Es ist dieses Aufweichen der Grundeinstellung, dass Sparen etwas Richtiges
und Gutes ist. Schließlich sagen viele: Was soll’s! In
schlechten Zeiten gebe ich ein bisschen mehr Geld aus
und hoffe darauf, dass in guten Zeiten gespart werden
kann. - Das funktioniert nicht. Wer sparen will, der muss
das konsequent tun, und zwar ohne jegliche Möglichkeit,
dem auszuweichen.
({9})
Wir müssen deswegen zwei Dinge tun. Erstens. Wir
müssen die Verschuldung abbauen. Das wird schwierig
werden und nicht einfach sein. Aber wir müssen das
Sparen, das wir begonnen haben, weiter fortsetzen.
({10})
Ich darf ausdrücklich sagen, Herr Finanzminister: Ich
begrüße das Schreiben Ihres Staatssekretärs, in einem
ersten Schritt bei allen Ressorts an die flexiblen Ausgaben heranzugehen. Weitere Schritte werden dem folgen
müssen, um all das zu erreichen, was wir gemäß Verfassung erreichen müssen.
({11})
Zweitens müssen wir dem Finanzmarkt klare Grenzen
aufzeigen.
({12})
- Wenn Sie lachen, zeigt das nur, dass Sie das nicht ernst
nehmen. Es stimmt: Sie haben diese Frage elf Jahre lang
einfach nicht ernst genommen, auch Ihre Finanzminister
nicht. Sie haben elf Jahre lang nichts getan, gar nichts.
({13})
Ich will das für die Bürger draußen an einem Beispiel
aus dem Bereich des Fußballs veranschaulichen - die
Frauen waren gestern übrigens mal wieder erfolgreich -:
({14})
Es kann doch nicht sein, dass wir auf nationaler Ebene
mit Schiedsrichtern spielen, es auf europäischer Ebene
nur noch einen Schiedsrichter gibt und wir auf internationaler Ebene keine Schiedsrichter haben. Es wird die
Aufgabe sein, das auf internationaler Ebene hinzukriegen.
({15})
Das ist die Verantwortung, die alle Regierungen, alle Nationen dieser Welt haben, weil sie nur dann auf Dauer
mit dem Finanzmarkt klarkommen werden.
({16})
Als Opposition Verantwortung zu übernehmen, hieß
für die FDP immer, dass man auch in schwierigen Zeiten, wie bei der Frage des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben damals zugestimmt und im Rahmen der Beteiligung
des Parlamentes gegenüber der Großen Koalition noch
einiges erreicht.
Ich sage das jetzt bewusst an die Adresse der Grünen:
Ich lobe ausdrücklich den Einsatz der Haushälter für
mehr Beteiligung und insbesondere für die Aufnahme
der Pflicht der Bundesregierung zur Vorlage des umstrittenen Vertrages beim Haushaltsausschuss. Dafür haben
sich die Grünen effektiv eingesetzt und haben den Antrag mitgezeichnet. Ich begrüße das ausdrücklich; denn
es ist essenziell, dass wir diese Vorlagepflicht bekommen und eine starke Beteiligung des Haushaltsausschusses haben.
({17})
Ich bin mir sicher, dass der Finanzminister uns jederzeit, so, wie er es in den vergangenen Wochen und Tagen
getan hat, Unterlagen vorlegen wird, die Aufschluss über
den Zwischenstand geben. Das war ein sehr transparentes Verfahren. Die englischen Vorlagen erhielten wir
schon vor der Übersetzung. Ich muss ausdrücklich sagen: Der Vorwurf, alles sei geheim, stimmt nicht. Herr
Trittin, Herr Oppermann, fragen Sie einmal Ihre Haushälter, was sie alles bekommen haben. Dann werden Sie
das schon erkennen.
({18})
Dennoch will ich den Grünen eines nicht ersparen:
Herr Trittin, Sie haben gesagt, wir sollten froh sein, dass
Rot-Grün den Stabilitätspakt damals aufgeweicht hat,
weil wir sonst Ärger mit Brüssel bekommen hätten.
({19})
Herr Trittin, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte lieber
Ärger mit Brüssel bekommen als diese Finanzkrise, die
wir jetzt haben. Das ist der eigentliche Grund.
({20})
Ich finde die Widersprüchlichkeit der Grünen sehr
schade. Im Haushaltsausschuss sind sie konstruktiv, hier
aber destruktiv. Vorher sagten sie: „Oh, das, was die
Bundeskanzlerin da gemacht hat, hat alles viel zu lange
gedauert“, aber jetzt sagen sie auf einmal: „Nein, so
schnell wollen wir das auch nicht machen.“ Das sind
doch Krokodilstränen, Herr Trittin.
({21})
Warum sind es Krokodilstränen? Nicht nur, weil Krokodile grün sind, sondern auch, weil Sie das grundsätzlich
nicht wollen. Sie wollen Ihre Verantwortung an dieser
Stelle nicht wahrnehmen.
Ich komme zum Schluss. Der Kollegin Kressl will ich
ausdrücklich Folgendes sagen - Frau Kollegin Kressl,
nicht nur Sie haben das noch einmal angesprochen, sondern auch Herr Steinmeier und der Kollege Schneider
versuchen immer wieder, das Thema hochzuziehen -:
Erstens. Bei der Griechenland-Hilfe bleibt es bei
22,4 Milliarden Euro. Das wissen wir. Das Gesetz ist beschlossen.
({22})
Versuchen Sie nicht, hier irgendwelche … Ich sage es
lieber nicht.
Zweitens, und das ist mein letzter Satz.
Herr Kollege Fricke, Sie wollten zum Schluss kommen. Das wird durch den Beginn einer Aufzählung von
offenkundig zahlreichen, vorbereiteten Punkten nicht
sonderlich plausibel.
Präsident Dr. Norbert Lammert
({0})
Herr Präsident, da haben Sie vollkommen recht. Deswegen gibt es ja auch nur noch einen Punkt.
Meine Damen und Herren von der SPD, nehmen Sie
Ihre Verantwortung wahr,
({0})
und zwar nicht, weil eine andere Fraktion das will - das
wäre ein falsches Verständnis von Demokratie -, sondern weil Sie zu der Erkenntnis gekommen sind, dass
das, was wir machen, heute richtig ist. Auf dieser Enthaltung kann man kein europäisches Haus bauen.
Herzlichen Dank.
({1})
Der Kollege Gregor Gysi ist der nächste Redner für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Altmaier, ich habe Ihnen sehr genau zugehört und war
einigermaßen erstaunt. Wenn ich das richtig verstehe, ist
man Ihrer Meinung nach proeuropäisch, wenn man für
Aufrüstung, für Sozialabbau und für eine falsche Verschuldung ist, und antieuropäisch, wenn man für Frieden, Abrüstung und jeden Verzicht auf Sozialabbau ist.
Ich kann dem nicht folgen, überhaupt nicht.
({0})
Wir sind für die europäische Integration, aber für eine
vernünftige.
({1})
Wahr ist, dass wir heute über eine Schicksalsfrage
entscheiden, und zwar für unsere Gesellschaft und für
Europa.
Ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Bundestag bei
der Finanzkrise innerhalb einer Woche entschieden hat,
einen Rettungsschirm für Banken und Versicherungen
im Umfang von 480 Milliarden Euro aufzuspannen, ich
darf Sie daran erinnern, dass dieser Bundestag innerhalb
einer Woche beschlossen hat, einen Rettungsschirm für
Griechenland im Umfang von 110 Milliarden Euro mit
einem deutschen Anteil von über 22 Milliarden Euro
aufzustellen,
({2})
und ich darf Sie daran erinnern, dass heute, wieder innerhalb einer Woche, dieser Bundestag eine Euro-Rettung im
Umfang von 750 Milliarden Euro mit einem deutschen
Beitrag von 148 Milliarden Euro beschließen will. - Frau
Bundeskanzlerin, Sie lesen meine Rede nachher sowieso
heimlich; hören Sie doch lieber gleich zu.
({3})
Einmal abgesehen davon würde ich Ihnen gerne eines
sagen: Wenn wir hier im Bundestag einmal um 1 Million
Euro für einen sozialen oder einen kulturellen Zweck
kämpfen, dann dauert es neun Monate, bis wir das
„Nein“ hören. Wenn es aber um zig Milliarden Euro
geht, dann wird in diesem Bundestag alles innerhalb einer Woche entschieden. Das müssen Sie der Bevölkerung einmal erklären.
({4})
In diesen Wochen wurde zwar immer über viel Geld
entschieden, aber es wurde nie entschieden, endlich eine
Regulierung der Finanzmärkte einzuführen. Die Leerverkäufe, die spekulativen Kreditausfallversicherungen,
die Hedgefonds: Alles lief weiter wie vorher auch. Damit haben Sie die Spekulanten und Banker doch animiert, auf erhöhte Staatsschulden zu wetten. Die gegenwärtige Krise ist die logische Konsequenz aus der
Finanzkrise vom Oktober 2008 und Ihrer falschen Bewältigung, weil Sie eine riesige Staatsverschuldung organisiert haben, die jetzt von den Spekulanten und den
Bankern wieder genutzt wird.
({5})
Das erste Opfer in der EU war übrigens gar nicht
Griechenland, sondern die ersten Opfer waren Ungarn,
Rumänien und Lettland. Sie waren am Ende, und dann
gab es Milliarden vom Internationalen Währungsfonds
und von der EU.
Lettland hat daraufhin genau den Kurs beschritten,
den Sie jetzt auch Griechenland, Spanien und Portugal
vorschreiben. Dort wurden die Löhne um 25 Prozent gekürzt - in der Privatwirtschaft sogar um 30 Prozent -,
die Mehrwertsteuer erhöht und die Zuschüsse für Krankenhäuser um 43 Prozent gesenkt. Die Folge ist ein
Rückgang der Nachfrage im Einzelhandel um 30 Prozent, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 22 Prozent
- das ist der höchste Stand in der EU - und ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung.
Hier stellt sich die Frage - man muss sie der Bevölkerung einmal beantworten -, warum wir uns hier trotzdem
nicht mit Ungarn, Rumänien und Lettland beschäftigt
haben. Das geschah aus einem Grund nicht: Sie haben
keinen Euro und konnten ihre Währungen uns gegenüber
abwerten. - Das funktioniert bei Griechenland, Spanien
und Portugal nicht; denn wir haben eine Binnenwährung
gemeinsam mit ihnen.
Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass wir hier
Schilder mit der Aufschrift „Euro - so nicht“ hochgehalten haben. Wir haben niemals „Euro - nein“ gesagt. Wir
haben „Euro - so nicht“ gesagt, weil wir vorher eine
Steuerharmonisierung und eine Harmonisierung der sozialen und ökologischen Standards sowie der Löhne gefordert haben. Sie alle waren aber schlauer und haben
gesagt: Das alles brauchen wir nicht. Wir führen den
Euro gleich ein. - Jetzt bekommen wir die Quittung dafür. Sagen Sie hier doch einmal ehrlich: Die Linken hatten recht, und wir hatten unrecht. - Das müssten Sie einmal über Ihre Lippen bringen.
({6})
Jetzt verlangen Sie von Griechenland, Portugal und
Spanien - das habe ich ja schon gesagt -, dass sie den
Weg gehen, den Lettland schon falsch gegangen ist. Wissen Sie, wie das Ganze aussieht? - Ein Beispiel: Ein Bäckermeister, der fast pleite ist, bittet um einen Kredit. Sie
sagen: Ja, du bekommst den Kredit, aber unter zwei Bedingungen: Erstens musst du deine beiden Verkäuferinnen entlassen, und zweitens musst du von deinen zwei
Backöfen einen verkaufen. - Hinterher ist er dann noch
mehr pleite als vorher. Das ist die Art von Politik, die Sie
betreiben, und das kann nicht gut gehen; denn der Sozialabbau ist nicht nur ungerecht, sondern dadurch wird
auch die Wirtschaft gedrosselt.
Was ist denn, wenn sich ein Land immer stärker verschuldet? - Man braucht dann doch Wachstum, um die
Schulden zurückbezahlen zu können. Wenn Sie die
Wirtschaft aber drosseln, dann heißt das, dass Sie gar
nicht in der Lage sind, die Schulden zurückzubezahlen,
es sei denn, Sie nehmen neue Schulden auf. Wenn Sie
dann neue Schulden aufnehmen, dann wird die Verschuldung immer größer, und die Spekulanten und Banken
wetten und zocken dann gegen dieses Land, wie wir es
jetzt erleben. Wir kennen das auch aus Mexiko und aus
anderen Ländern.
Was passiert dann? - Dann wird der Weg beschritten,
die Schulden teilweise zu erlassen. Das ist auch interessant: Darüber sprechen ja nur Josef Ackermann, Thomas
Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, und wir,
die Linken. - Es ist auch interessant, warum das so ist.
Ich kann Ihnen den Grund dafür erzählen: Das geschieht,
weil schon durch die öffentliche Debatte darüber eine
neue Spekulationswelle ausgelöst werden kann und
weil Ackermann und andere durchaus daran interessiert
sind, dass es eine neue Spekulationswelle gibt.
Warum? Wenn die Staatsverschuldung sozusagen gestrichen wird, dann bekommen sie ihre Verluste voll
erstattet, weil sie Kreditausfallversicherungen abgeschlossen haben. Selbst wenn sie keine Kreditausfallversicherung haben, haben sie etwas davon, weil sie zusammen mit anderen bei den Staatsanleihen darauf gewettet
haben, dass Griechenland und andere Länder nicht
pünktlich zurückzahlen. Auch dann kriegen sie ihre
Marge. In beiden Fällen nutzt es ihnen, aber nur ihnen.
Insofern kann ein Schuldenerlass zwar sinnvoll sein,
aber nur unter der Bedingung, dass wir vorher eine Regulierung vornehmen, die ausschließt, dass solche Spekulationsgewinne entstehen. Genau das muss passieren,
und das fordern wir ein.
({7})
Denn alles andere bedeutete, dass die Mittel, die wir
heute beschließen, wieder nur zugunsten der Banken und
Spekulanten fließen. Genau das können wir nicht zulassen.
({8})
Frau Bundeskanzlerin, Sie müssen doch merken, dass
Sie am Nasenring durch die Manege geführt werden.
Man muss sich das klarmachen: Die EU-Finanzminister
müssen bis zu einer bestimmten Uhrzeit eine Entscheidung treffen, weil dann die Tokioter Börse öffnet. Merken Sie denn nicht, dass das die Demokratie beschneidet?
({9})
Warum sind wir von einer Börse abhängig? Warum
können wir nicht wieder die Herrschaft der Politik
über die Finanzwelt begründen?
({10})
- Nein, die Linke hätte Regulierungsmaßnahmen beschlossen, die uns längst aus der Situation herausgebracht hätten.
({11})
Im Unterschied zur FDP hätten wir darauf geachtet,
durch ein Primat der Politik über die Wirtschaft und Finanzwelt die Demokratie wiederherzustellen.
({12})
Ich komme aber noch auf die Alternativen zurück.
FDP und Union haben in einem Punkt recht: Die
Hedgefonds, die Leerverkäufe und die gesamte Deregulierung des Finanzmarktes sind von SPD und Grünen
eingeführt worden.
({13})
Die ehemalige Staatssekretärin Hendricks hat uns dafür
kritisiert, dass wir das sagen, ohne hinzuzufügen, dass
die Hedgefonds in Deutschland besonders reguliert sind,
während das in Großbritannien nicht der Fall ist. Liebe
Frau Hendricks, dazu muss ich Ihnen sagen, dass Ihr damaliger Parteivorsitzender Müntefering hinsichtlich der
deutschen Hedgefonds darauf hingewiesen hat, dass
diese wie Heuschrecken wirken. Die Kritik kam gar
nicht von uns. So toll war Ihre Regulierung keineswegs.
({14})
Sie sind noch einen anderen falschen Weg gegangen.
Sie sind nämlich den Weg der Staatsverschuldung durch
falsche Steuersenkungen gegangen. Ich darf Sie daran
erinnern, dass Sie die Körperschaftsteuer von 45 auf
25 Prozent gesenkt haben. Sie haben den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Sie haben keine Börsenumsatzsteuer eingeführt,
und Sie haben auf die Vermögensteuer verzichtet. Das
alles hat zu einer gigantischen Verschuldung geführt.
Die Große Koalition von Union und SPD ist diesen
Weg weitergegangen. Sie haben die Körperschaftsteuer
von 25 auf 15 Prozent gesenkt.
({15})
Nun macht Ihre Koalition das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und schenkt den Hotels und Unternehmen
weitere 2,4 Milliarden Euro. Genau so haben Sie die
Staatsverschuldung verursacht.
({16})
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Hendricks?
Ja, selbstverständlich.
Das, was Sie gerade zu den Steuersenkungen im Hotelgewerbe gesagt haben, ist völlig richtig. Darin stimme
ich Ihnen vollständig zu.
({0})
Ich darf Ihnen aber trotzdem einen kleinen Hinweis
geben: Die Finanzmarktsituation ist vielfältig und kaum
durchschaubar. Deswegen will ich Sie darauf hinweisen,
dass sich der Begriff Heuschrecken, der in diesem Zusammenhang von Franz Müntefering geprägt wurde und
der sich völlig zu Recht durchgesetzt hat, nicht auf
Hedgefonds, sondern auf Private Equity Fonds bezogen
hat. Franz Müntefering hat darauf hingewiesen, dass die
Private Equity Fonds kommen, die mittelständischen
Unternehmen aussaugen, um sie dann fallenzulassen und
weiterzuziehen. Das sind nicht die Hedgefonds, sondern
die Private Equity Fonds.
Schönen Dank für Ihren Hinweis. Aber die Hedgefonds betreiben genau dasselbe. Auch dass die Situation
unübersichtlich ist, verdanken wir übrigens Ihnen. Ihr
damaliger Bundesfinanzminister hat mir gegenüber gesagt
({0})
- ich bin gleich fertig mit der Antwort -, dass es bei der
Zulassung von Hedgefonds und Leerverkäufen nur um
die Frage ging, ob wir Kreisklasse bleiben oder Weltklasse werden. Nun sind wir in einer Weltklassekrise.
({1})
Ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb:
Deutschland wurde zu einem Niedrigsteuerland und liegt
nun am Ende der Europäischen Union beim Steueraufkommen. Hätten wir nur Steuereinnahmen im EUDurchschnitt, hätten wir 120 Milliarden Euro jährlich
mehr. Dann kamen die Milliardenbeschlüsse für Banken
und Versicherungen. Diese haben dann eine gigantische
Staatsverschuldung ausgelöst, auf die nun Banker und
Spekulanten setzen.
Nun gibt es eine neue neoliberale These. Frau Bundeskanzlerin, Frau Bundeskanzlerin! Sie sagen im Ernst,
Jahrzehnte hätten wir über unsere Verhältnisse gelebt,
und erklären den Satz gar nicht. Was meinen Sie eigentlich? Was glauben Sie, wie ein solcher Satz auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf Renterinnen und
Rentner, auf Arbeitslose, auf Hartz-IV-Empfängerinnen
und Hartz-IV-Empfänger wirkt? Wen meinen Sie denn:
die Rentnerinnen und Rentner, die in den letzten fünf
Jahren real über 8,5 Prozent an Rente verloren haben?
Meinen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
die in den letzten zehn Jahren real 11,3 Prozent an Löhnen verloren haben? Meinen Sie die Beschäftigten in
prekären Beschäftigungsverhältnissen, also die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die befristet Beschäftigten,
die Teilzeitbeschäftigten, die Aufstockerinnen und Aufstocker oder die Minilohnbeschäftigten? Meinen Sie die
1-Euro-Jobberinnen und -Jobber, oder meinen Sie die
7 Millionen Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IVEmpfänger? Ich finde es einen Skandal, diesen Menschen zu erklären, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt
hätten.
({2})
Was mich wirklich ärgert, Frau Bundeskanzlerin, ist,
dass Sie nicht einmal sagen: Die Bestverdienenden, die
Vermögenden, die Banker und die Spekulanten haben
über ihre Verhältnisse gelebt. Das ist doch unser Problem und nichts anderes.
({3})
Wir brauchen bei uns - genauso wie in der gesamten
EU - Steuergerechtigkeit. Es gibt heute nicht nur mehr
Armut. Auch der Reichtum ist angewachsen. Wer bezahlt das Ganze? Die durchschnittlich Verdienenden tragen die Hauptlast. Das sind die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Das sind die Handwerksbetriebe. Das
sind kleine und mittelständische Unternehmen. Ich
nenne nur den Steuerbauch als Beispiel. Unsere Einkommensteuerbelastung verläuft nicht geradlinig, sondern
sie hat einen Bauch. Die durchschnittlich Verdienenden
müssen mehr zahlen, weil Sie den Spitzensteuersatz gesenkt haben. Genau das ist nicht hinnehmbar. Lassen Sie
uns den Steuerbauch überwinden! Aber dann müssen wir
den Spitzensteuersatz erhöhen, weil es sich anders überhaupt nicht rechnet.
({4})
Jetzt haben Sie ungedeckte Leerverkäufe verboten.
Dazu habe ich eine Frage. Die ungedeckten Leerverkäufe sind zuerst von Rot-Grün erlaubt worden. Dann
waren sie verboten. Dann, lieber Herr Bundesfinanzminister, waren sie ab Januar aus mir unerklärlichen Gründen wieder erlaubt. Jetzt haben Sie sie wieder verboten,
aber befristet. Warum denn nicht endgültig? Sagen Sie
doch endlich: Schluss, wir wollen diese Art der Spekulation nicht; sie ist für immer verboten.
({5})
Nun wird über eine Finanztransaktionsteuer geredet; das ist wirklich spannend. Zuerst haben nur wir sie
vorgeschlagen. Inzwischen sind alle für eine Finanztransaktionsteuer.
({6})
- Ja, ich weiß, Attac hat einen Teil vorgeschlagen. Ich
freue mich für Attac. Aber die SPD stand bei dieser
Frage ganz hinten, um das hier ganz offen zu sagen.
({7})
Ich möchte aber von der Bundeskanzlerin wissen: Ist
das nur Gerede, oder kommt diese Steuer tatsächlich?
Wenn sie tatsächlich kommt: Kommt dann die Variante
der FDP? Eine reine Gewinnsteuer können Sie doch vergessen. Da wird doch dann geschummelt, was das Zeug
hält. Oder erheben wir endlich eine Steuer auf alle nationalen und internationalen Finanzgeschäfte? Dann sind
auch die Börsenumsatzsteuer und die Tobin-Steuer einbezogen. Dann haben wir eine sehr vernünftige Finanztransaktionsteuer, die nicht nur hohe Einnahmen bringt,
die wir dringend benötigen, sondern auch die Spekulation endlich begrenzt. Das muss unser Ziel sein.
({8})
Nun kommt das bekannte Gegenargument, das gehe
nur, wenn es weltweit oder zumindest in ganz Europa
geschehe. Der österreichische Bundeskanzler Faymann
hat dazu Folgendes gesagt - ich darf zitieren, Herr Präsident -:
Aber man soll die internationale Ebene nicht als
Ausrede verwenden, nur weil man verschleiern
will, dass man nichts aus der Krise gelernt hat und
Spekulanten verschonen will.
Recht hat der österreichische Bundeskanzler in dieser
Frage! Recht hat er!
({9})
Ich werde Ihnen auch begründen, warum. Die Finanzwelt kann weder die Börse in New York noch die in
Tokio noch die in London noch die in Frankfurt am Main
ignorieren. Bekanntlich verlässt die internationale Finanzwelt auch nicht die Schweiz; darin werden Sie mir
sicherlich recht geben. Ich nenne Ihnen zwei Länder, die
eine Börsenumsatzsteuer eingeführt haben: Großbritannien und die Schweiz. Das Gerede, dass deshalb die Finanzwelt verschwindet, ist einfach albern; es stimmt
nicht.
({10})
Es kommt noch etwas hinzu: Wenn eine Bank mit
Euro handeln will, dann braucht sie eine Lizenz der
Europäischen Zentralbank. Wenn Banken Europa also
Richtung Japan und USA verlassen sollten, dann entziehen wir ihnen einfach die Lizenz. Was glauben Sie, wie
schnell sie zurück sind! Das ist ganz einfach.
({11})
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nur
zwei Möglichkeiten gibt: Entweder lässt sich die Bundesregierung weiterhin von den Bankern und Spekulanten treiben, oder sie begründet endlich wieder eine politische Herrschaft über die Finanzwelt, das heißt, die
Demokratie wird gestärkt. Entweder Sie haben endlich
den Mut, die Banken, die großen Unternehmen, die
Bestverdienenden und die Vermögenden gerecht zu besteuern, oder Sie sorgen dafür, dass auch in Deutschland
eine Politik des sozialen Kahlschlags betrieben wird,
eine Politik, die nicht nur grob ungerecht ist, sondern
auch die Nachfrage so zurückgehen lässt, dass die Binnenwirtschaft unermessliche Schäden erleidet.
Die Folgen für die Gesellschaft sind überhaupt nicht
absehbar. Nur wenn Sie die Finanzmärkte regulierten
und garantierten, weder die Mehrwertsteuer zu erhöhen
noch Sozialabbau zu betreiben, könnte man über eine
Zustimmung zu Ihren verschiedenen Paketen nachdenken. Solange es aber dabei bleibt, dass nicht Sie, sondern
die Banker und Spekulanten regieren, solange Sie sich
weder trauen, gerechte Steuern zu erheben, noch Sozialabbau auszuschließen, kann es von uns nur ein Nein
geben.
({12})
Wie gesagt: Es geht heute um eine Schicksalsfrage für
unsere Gesellschaft und für Europa. Sie entscheiden
heute mit darüber, ob es wieder eine Herrschaft der Politik gibt, ob wieder Demokratie herrscht oder ob es bei
der Herrschaft der Spekulanten und Banken bleibt, sodass es kaum Demokratie gibt. Das ist die Frage, um die
es heute hier geht.
Danke.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wenn man Politik - wie wir Grünen - europäisch ausrichtet, dann muss man feststellen, dass dieser
Krisenfonds ein wichtiger Schritt zur Abwehr der Spekulationen und zur Verteidigung Europas ist. Dieser Krisenfonds ist ein richtiger Schritt in Richtung eines Europäischen Währungsfonds. Auch wenn dies ein Fonds der
nationalen Regierungen ist, gilt: So kann man Spekulationen abwehren. Aus diesem Grund unterstützen wir im
Grundsatz, dass dieser Fonds jetzt eingerichtet wird.
({0})
Das bisherige Verfahren ist gründlich schiefgelaufen.
Wir finden gut - das möchte ich ausdrücklich feststellen -,
dass im Haushaltsausschuss die reine Unterrichtungspflicht in eine Einvernehmensbemühung verwandelt
worden ist; deswegen haben wir dabei mitgewirkt. Ansonsten hat die Regierung bei der Vorlage dieses GesetzFritz Kuhn
entwurfs und im parlamentarischen Verfahren grobe
Fehler gemacht, die ein Parlament einfach nicht hinnehmen kann:
({1})
Erstens. Die Bundeskanzlerin hat einen Verfassungsbruch begangen. Sie hat am vorletzten Wochenende
Art. 23 Grundgesetz eindeutig verletzt. Sie hätte dem
Bundestag die Gelegenheit zur Stellungnahme geben
müssen, ehe sie an einem Rechtsetzungsakt der Europäischen Union mitwirkt. Dies hat sie nicht gemacht.
Zweitens. Sie hat den Fraktionsvorsitzenden am darauffolgenden Montag versprochen, den Vertrag über die
Zweckgesellschaft vor der zweiten Lesung vorzulegen.
Herr Altmaier, ich sage Ihnen klar und deutlich - man
kann nicht darüber streiten, ob es sich um Formfehler
oder um technische Fragen handelt; Sie haben sich entsprechend geäußert -: In einer Demokratie sind das
korrekte Verfahren, der korrekte Umgang mit der Verfassung, die Frage, ob man sich auf das Wort der Bundeskanzlerin verlassen kann,
({2})
keine technischen Petitessen, sondern elementare Angelegenheiten.
({3})
Trotz inhaltlicher Akzeptanz und sogar Zustimmung
zu dem Krisenfonds kommen die grünen Parlamentarier
zu der Auffassung, dass für sie eine Enthaltung das
Beste ist. Das ist keine Drückebergerenthaltung; vielmehr wird dadurch darauf reagiert, dass die Bundesregierung im Verfahren mit diesem Parlament schäbig
umgeht. So etwas habe ich eigentlich noch nicht erlebt.
({4})
Dazu gehört, wie wenig sich die Bundeskanzlerin in
Reden wie ihrer Regierungserklärung tatsächlich um die
Zustimmung des Parlaments bemüht hat. Ich meine dieses nicht in dem Sinn: „Mutti, sei nett zu uns Kindern;
dann werden wir schon zustimmen“, sondern in einem
politischen Sinn: Wer von diesem Parlament heute eine
Ermächtigung für Bürgschaften im Umfang von 148 Milliarden Euro bekommen und mit diesen Risiken die Politik zukünftiger Generationen einschränken will - wir reden ja nicht über kleine Beträge -, der muss in einer
anderen Weise, als die Kanzlerin es getan hat, um die
Zustimmung des Parlaments werben.
({5})
Da die Kanzlerin schon wieder nicht auf der Regierungsbank sitzt, sondern herumrennt, will ich an dieser
Stelle sagen: In dieser Debatte, die Herr Altmaier und
andere als die wichtigste seit vielen Jahren beschrieben
haben, ist ein solcher Umgang mit dem Parlament
({6})
- wenn ich sehe, wie sie da hinten steht und hektisch telefoniert, habe ich Angst, dass das nächste Krisenpaket
heranrollt -, in einem demokratischen Verfahren nicht
angemessen. Richten Sie ihr das aus, wenn sie das
nächste Mal per Telefon eine Bürgersprechstunde oder
eine Abgeordnetensprechstunde durchführt.
({7})
Frau Merkel ist die Regierungschefin. Deswegen
kann sie sich an einem Tag wie heute der Kritik nicht
entziehen. Ich will drei Punkte ansprechen:
Erstens. Sie hat zu lange gezögert, als die Finanzmarktkrise auf uns zugerollt ist. Sie hat die Probleme
verdrängt. Dies kostet die Steuerzahler viele Milliarden
Euro.
Zweitens - ein ganz wichtiger Punkt -: Es fehlt ihr
die elementare europäische Grundüberzeugung, die
Überzeugung von der europäischen Idee.
({8})
Wer etwas von Europa will, liebe Kolleginnen und Kollegen, der muss für Europa auch etwas tun. Die Haltung
der Bundeskanzlerin ist eher: Deutsche Interessen sind
verwirklicht, wenn man Deutschland vor Europa
schützt; so hat sie in den letzten Wochen agiert. Wir haben die Haltung: Europa liegt im deutschen Interesse.
Das ist ein fundamentaler Unterschied zu der Ängstlichkeit und Zögerlichkeit der Bundeskanzlerin.
({9})
Die Bundeskanzlerin lässt sich gerne als Physikerin,
als analytisch, vom Ende her denkende Frau darstellen.
In diesem Fall muss man klar feststellen: Sie hat die
Dinge nicht vom Ende her durchdacht. Zum Beispiel hat
sie das Ansinnen, einen Europäischen Währungsfonds
einzurichten - die Einrichtung eines solchen Fonds hat
der Finanzminister früh vorgeschlagen -, zunächst abgewehrt. Deswegen war sie in der Brüsseler Sitzung unvorbereitet, als es um den Europäischen Währungsfonds
ging und dieser, zumindest im Kern, entstanden ist. Die
Bundeskanzlerin hat sich auf diese Situation nicht vorbereitet. Das war ein schwerer Fehler, den man ihr an dieser Stelle vorhalten muss.
Drittens. Wer in Europa etwas erreichen will, muss
seinen eigenen Laden im Griff haben. Dies richtet sich
an die Koalitionsfraktionen: Wer sich getrieben sieht von
Koch auf der einen Seite und von Seehofer auf der anderen Seite ({10})
- doch, von den Grünen auch -,
({11})
wer sich im Umgang mit der FDP vor den Wahlen eingegrenzt sieht, der hat keine Möglichkeit, in Europa
vernünftig und richtig zu agieren. Ich nenne Ihnen ein
Beispiel: Ihren Umgang mit der Finanzmarkttransaktionsteuer. Wie wollen Sie nach dem Herumgeeiere der
Kanzlerin in Europa - ich rede jetzt nicht von der Runde
der G 20 - eine Finanzmarkttransaktionsteuer durchsetzen, wenn Ihre Regierung nicht einmal in Deutschland in
der Lage ist, eine klare Konzeption zu entwickeln?
Nach der Sitzung des Koalitionsausschusses vom
18. Mai hat Herr Kauder vorgetragen - ich zitiere -:
Wir haben im Koalitionsausschuss vereinbart, die
Bundesregierung aufzufordern, sich über die Bankenabgabe hinaus für eine europäische, globale Beteiligung
der Finanzmärkte einzusetzen, das heißt, für Finanztransaktionsteuer oder Finance Activities Tax. - Wie
wollen Sie, wenn Sie hier einen Katalog ganz unterschiedlicher Steuerarten vorlegen, damit in Europa irgendeine Durchschlagskraft entfalten, Herr Kauder?
({12})
Die Botschaft dieses Textes und Ihrer Redeweise in den
letzten Wochen ist: Sie wissen nicht, was Sie wollen;
aber Sie wollen es in Europa durchsetzen. Damit machen
Sie sich lächerlich und schwächen Ihre Glaubwürdigkeit.
({13})
Herr Kauder, Sie schütteln den Kopf. Die Leute draußen im Land fragen: Wann kommt der nächste Finanzmarktrettungsschirm? Wie geht es eigentlich weiter?
Habt ihr die Dinge noch im Griff? - Sie verlangen zu
Recht von der Regierung, dass sie endlich Maßnahmen
ergreift, damit dieser Spekulationswahnsinn aufhört und
nicht die kleinen Leute die Zeche für den Unsinn, den
Sie angerichtet haben, bezahlen.
({14})
Da können Sie nicht mit Sätzen wie „Ich weiß nicht genau, wie meine Steuer heißen soll“ kommen. Da wird
entschlossene, inhaltlich klare Politik gefragt sein, die
Sie in den Tagen, die wir hinter uns haben, nicht geliefert
haben.
Eine Bemerkung zum Abschluss: Es geht wirklich um
die Frage, ob wir von den Märkten getrieben werden
oder ob wir klare Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte setzen können, damit diese wiederum ihre Aufgabe, nämlich der wirtschaftlichen Investition zu dienen,
wahrnehmen können.
({15})
Dazu ist es jetzt notwendig, dass wir uns auf einen langen Weg machen und eine vernünftige, langfristige Politik betreiben. Das heißt auch Sparpolitik, aber wenn
ganz Europa jetzt spart - das ist wichtig -, dann gehen
wir wirtschaftlich in die Knie. Wir haben die Botschaft:
Wir müssen sparen und investieren, und zwar an den
richtigen Stellen, sonst machen wir haushaltspolitisch einen Stich, aber wirtschaftspolitisch verlieren wir und
vergrößern die Arbeitslosigkeit. Ich finde, dass wir über
Konzeptionen und darüber, dass die Politik das Primat
über die Märkte bekommt, jetzt hier reden müssen, aber
nicht unverbindlich, Herr Kauder, sondern mit dem klaren Willen, der Bevölkerung zu sagen: Die Politik macht
sich daran, wieder die Hoheit über die Finanzmärkte
zu bekommen. Dazu sind das, was Sie vorgelegt haben,
und die Diskussion der letzten Wochen nicht geeignet.
Aber wir werden Sie nicht in Ruhe lassen.
Eine allerletzte Bemerkung: Ich habe mir gestern
Abend noch einmal Ihren Koalitionsvertrag durchgelesen.
({16})
- Freuen Sie sich nicht zu früh. - Ich kann Ihnen nur sagen: Dieses Ding ist acht Monate alt. Aber wenn Sie es
auf die heutigen Probleme beziehen, dann kommen Ihnen die Tränen, wenn Sie sehen, welche Ignoranz dieser
Vertrag gegenüber den heutigen Problemen offenbart.
Sie sollten eine ganz andere Geschäftsgrundlage wählen.
Ich danke Ihnen.
({17})
Für die Bundesregierung erhält nun der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe
dafür, dass wir angesichts der Bedeutung, der Tragweite
und der Schwierigkeiten dieser Entscheidung nicht den
Eindruck erwecken, als seien die taktischen Finessen das
eigentlich Dominierende. Herr Kollege Kuhn, wenn Sie
so überzeugend sagen, dass dieses Programm und diese
Maßnahmen im Grunde richtig sind, dann würde ich
doch dafür werben, dass Sie überlegen, ob Sie nicht
mehr der Substanz als den taktischen Argumenten, die
ich verstehen kann, Rechnung tragen.
Ich will gleichwohl Ihre Hauptargumente, warum Sie
trotz Ihrer Zustimmung in der Sache glauben, heute
nicht zustimmen zu können, aufgreifen, so gut ich kann.
Der erste Punkt ist: Sie sagen, die Bundesregierung habe
der Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament
nicht ausreichend Rechnung getragen. Ich will Sie auf
Folgendes aufmerksam machen: Sie wissen, wie die Entscheidungsfindung von Freitag bis Sonntagnacht und
Montagmorgen abgelaufen ist. Am Freitag haben wir
über das Griechenland-Paket diskutiert, anschließend
gab es Telefonkonferenzen der G-7-Finanzminister. Wir
waren mit einer Situation konfrontiert, dass es beim
Treffen der Staats- und Regierungschefs am Freitagabend schon gar nicht mehr in erster Linie um die Finalisierung und die abschließende Inkraftsetzung des
Griechenland-Pakets ging, weil es inzwischen äußerst
deutliche Signale gab, dass unmittelbar eine weltweite
Krise der Finanzmärkte droht. Deswegen war rasches
Handeln über das Wochenende unausweichlich.
Die formelle Entscheidung über die Rechtsverordnung des Rates - sie bezieht sich auf die 60 Milliarden
Euro, nicht auf die 440 Miliarden Euro; das muss man
auch einmal sagen - ist am Dienstag in einem Europäischen Rat getroffen worden. Am Montag sind die Fraktionsvorsitzenden durch die Bundesregierung unterrichtet worden.
({0})
- Frau Kollegin Künast, der Kollege Thomas de
Maizière, der mich dankenswerterweise in diesen Tagen
vertreten hat, hat mir eben noch einmal bestätigt, dass
bei der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden am
Montag in keinster Weise irgendeine Einwendung gegen
die Prozedur erhoben worden sei.
({1})
Ich bin nicht dabei gewesen; Sie können das untereinander ausmachen. Das ist ein nachgeschobenes Argument.
Sie müssen das gegen sich gelten lassen.
({2})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Trittin?
Bitte, ja.
Herr Kollege Schäuble, ich will Ihnen zugutehalten,
dass Sie an dem Termin ja nicht teilnehmen konnten. Ich
will Sie deswegen davon unterrichten - und Sie fragen,
ob Ihnen das niemand gesagt hat -, dass auf die Frage, wie
wir verfahren, ich die Bundeskanzlerin gefragt habe: Werden wir vor der Beschlussempfehlung das Vertragswerk
über die Zweckgesellschaft vorgelegt bekommen? - Die
Bundeskanzlerin hat dies in Anwesenheit von mir und
den anderen Fraktionsvorsitzenden ausdrücklich zugesagt. Bevor Sie hier unterstellen, dass wir - ({0})
- Vor der zweiten Lesung, Frau Bundeskanzlerin. - Das
heißt, das war das Verfahren, und dieses Verfahren ist
von dieser Bundesregierung nicht eingehalten worden.
Das heißt, die Bundeskanzlerin hat ihre Zusage gegenüber den Fraktionsvorsitzenden nicht eingehalten.
({1})
Wollen Sie bitte zweitens zur Kenntnis nehmen, dass
nach dem Grundgesetz - Sie waren mal Verfassungsminister - und nach einfachgesetzlichen Regelungen die
wichtige und richtige Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden - für die bin ich auch dankbar; das habe ich der
Bundeskanzlerin sogar geschrieben - eine Beteiligung
des Deutschen Bundestages nicht ersetzt? Das ist die
verfassungsrechtliche Realität in diesem Lande.
({2})
Herr Kollege Trittin, Sie machen jetzt wieder den
Trick, dass Sie zwei Dinge verwechseln, vermischen.
({0})
- Entschuldigung! Ich erkläre es Ihnen. - Der Vorwurf
des Verfassungsverstoßes kann sich nur auf die Rechtsverordnung des Europäischen Rates bezüglich der europäischen Fazilität in Höhe von 60 Milliarden Euro beziehen. Sie reden jetzt von den 440 Milliarden Euro
Kreditermächtigung bzw. Gewährleistungsermächtigung.
Das sind zwei verschiedene Dinge.
Nehmen Sie den Vorwurf des Verfassungsverstoßes
zurück,
({1})
dann können wir darüber reden, ob die Bundeskanzlerin,
ob wir aus welchen Gründen - ({2})
- Nein, er ist nicht zugegeben worden; ich habe ihn gerade widerlegt,
({3})
weil ich Ihnen gesagt habe, dass die Unterrichtung vor
der Beschlussfassung im Europäischen Rat stattgefunden hat.
({4})
Jetzt kommt der zweite Punkt, den ich Ihnen in der
Sache sagen wollte. Ich bin wirklich dafür, dass wir die
Dinge in der Sache so gut wie möglich klären, damit
Klarheit auch bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern herrscht.
({5})
Sie sagen: Wir wissen nicht wirklich, worüber wir
entscheiden. - Das ist doch vorgeschoben, mit Verlaub.
Es ist in dem Beschluss doch klar angelegt, dass wir
- zunächst einmal - auf der Grundlage von Art. 122
Abs. 2 des europäischen Vertrags 60 Milliarden Euro zur
Verfügung stellen, unter den Voraussetzungen, die genau
definiert worden sind. Die europarechtliche und verfassungsrechtliche Begründung dieser Maßnahme ist einwandfrei: weil sich durch das Überschwappen der Wirkungen aus der Griechenland-Krise auf andere Länder
eine von den einzelnen Mitgliedsländern im Sinne von
Art. 122 Abs. 2 des Vertrages nicht verschuldete Situation ergeben hat. Deswegen befinden wir uns bei diesen
60 Milliarden Euro auf einer einwandfreien rechtlichen
Grundlage. Das ist der Beschluss des Europäischen Rats.
Darüber hinaus haben die Mitgliedsländer der EuroGruppe verabredet - - Das muss man rechtlich unterscheiden; das ist für die Bevölkerung vielleicht nicht
ganz so wichtig, aber wenn Sie so argumentieren, will
ich das doch ganz korrekt darlegen, damit klar ist: Im
Verfahren ist es so korrekt, wie es in der Sache notwendig ist, was wir heute entscheiden.
({6})
Also, zu dieser Maßnahme haben sich die Euro-Länder
intergouvernemental verabredet: bis zu 440 Milliarden
Euro Finanzfazilitäten für notleidende Länder zur Verfügung zu stellen, unter den Voraussetzungen, die in dem
Beschluss sehr genau definiert sind und die im Übrigen
in unserem Gesetzentwurf, den wir jetzt verabschieden
wollen, wofür wir um Ihre Zustimmung bitten, genau
enthalten sind, und zwar in § 1.
Voraussetzungen: Es muss erstens festgestellt werden,
dass ein Land der Euro-Zone notleidend ist; an diesem
Beschluss wirkt dieses Land nicht mit. Es muss zweitens
klargestellt sein, dass die Mittel aus der Europäischen
Kommission, also die 60 Milliarden Euro, nicht ausreichen. Es müssen drittens Konditionalitäten wie bei Griechenland vereinbart sein. Es müssen viertens EU-Kommission, EZB und IWF genauso beteiligt sein wie bei
Griechenland.
Unter diesen Voraussetzungen stellen die Euro-Länder über eine zu gründende Gesellschaft - die hat aber
nur den Auftrag der technischen Durchführung und keinen Auftrag der materiellen Gestaltung - Kreditfazilitäten in einer Höhe von bis zu 440 Milliarden Euro zur
Verfügung, die pro rata bei den einzelnen Anleihen
durch die Mitgliedstaaten garantiert werden. Das ist der
Regelungsgehalt. Dafür haben Sie alle genauen Eckpunkte zur Verfügung gestellt bekommen, durch mich
persönlich übermittelt. Wir haben auch unmittelbar nach
meiner Rückkehr aus Brüssel am Dienstag miteinander
telefoniert; ich glaube, sogar schon auf der Fahrt zum
Flughafen in Brüssel. Deswegen sollten Sie die Dinge
nicht falsch darstellen.
In der Sache ist klar, was zur Entscheidung ansteht.
Natürlich ist dieser Gesellschaftsvertrag noch nicht abschließend formuliert. Wir haben die Eckpunkte Montagnacht in der Euro-Gruppe genau vorgegeben. Das muss
politisch entschieden werden. Wir haben den Auftrag erteilt. Wir werden heute Mittag am Rande unseres Treffens in der Van-Rompuy-Gruppe sehen, wie weit man
dort gekommen ist. Ich habe zugesagt, dass ich zu jedem
Standpunkt jede mir zugängliche Information auch allen
Fraktionen des Bundestags zur Verfügung stelle. Aber
Sie haben keine Ausrede, um in der Sache eine Entscheidung zu verweigern; das haben Sie nicht.
({7})
Nun will ich eine dritte Bemerkung machen. Es wird
gesagt: Warum machen wir das so schnell? Ja, wir sind
dieses Mal das erste Land, das, soweit parlamentarische
Entscheidungen notwendig sind - die sind nicht in allen
Ländern notwendig; in Deutschland sind sie notwendig -,
entscheidet. Aber es ist nun einmal so: Wir haben ja gesehen - bei Griechenland, aber auch nach der Entscheidung des Europäischen Rats -, dass zwar am Montag die
Märkte ein wenig reagiert haben; aber seit Dienstag haben wir wieder eine Entwicklung gehabt, dass der Euro
rückläufig gewesen ist. Deswegen ist eben entscheidend,
dass wir zwei Dinge machen:
Erstens müssen wir wirklich dafür sorgen, dass die
Ursachen der Spekulationen bekämpft werden, das heißt
die Reduzierung der Defizite durch alle Länder der
Euro-Zone.
({8})
Dafür haben Spanien, Portugal und andere Länder Maßnahmen beschlossen, und auch wir werden unseren Teil
dazu beizutragen haben. Die Debatten darüber, wie sich
die Schuldenbremse des Grundgesetzes im Haushalt
2011 und im mittelfristigen Finanzplan auswirkt, stehen
uns bevor. Wir müssen unseren Beitrag leisten. Alle sind
dazu entschlossen.
Zweitens. Wir müssen das Instrumentarium des Stabilitäts- und Wachstumspakts schärfen. Dazu sind Vorschläge gemacht auf Anstoß der Bundesregierung. Ich
habe Vorschläge veröffentlicht. Die Bundeskanzlerin hat
im Europäischen Rat am 25. März durchgesetzt, dass die
Arbeitsgruppe der Finanzminister unter dem Vorsitz des
Ratspräsidenten eingesetzt wird. Das hat den Sinn, dass
wir nicht nur innerhalb der europäischen Verträge reden
können, sondern dass wir in der Van-Rompuy-Gruppe
auch über Vertragsänderungen sprechen können. Darüber haben wir noch keinen Konsens mit allen Mitgliedstaaten; das ist wahr. Aber heute Mittag um 14 Uhr
fangen wir an. Wir haben Vorschläge gemacht. Die
Kommission hat Vorschläge gemacht - die wir lange
eingefordert hatten -, wie man das Instrument des Stabilitäts- und Wachstumspaktes schärft. Das ist der eine
Punkt.
Der andere Punkt ist: Wir müssen in Kraft setzen, was
wir im Europäischen Rat verabredet haben. Denn die
Märkte vertrauen erst, wenn das tatsächlich in Kraft ist.
Es ist eine Realität, dass die Märkte stärker auf Deutschland schauen als auf Zypern oder Malta, die auch MitBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
glied der Euro-Zone sind. Deswegen ist es richtig - um
Vertrauen auf den Märkten zu gewinnen, damit die Maßnahmen wirken -, dass wir so schnell entscheiden, wie
wir es uns vorgenommen, wie wir es verabredet haben.
({9})
Deswegen ist das nicht Taktik oder irgendetwas anderes,
sondern es ist in der Sache geboten, wenn wir das erreichen wollen, was Sie ja im Prinzip als richtig erklärt haben, nämlich das Paket zur Stabilisierung der europäischen Währung. Nehmen Sie das also nicht als
Argument, um nicht zuzustimmen, sondern stimmen Sie
zu.
({10})
Übrigens will ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen: Wir hatten gestern im Finanzministerium eine Finanzmarktkonferenz, um einen Beitrag zur Vorbereitung
des G-20-Gipfels im kommenden Monat in Kanada zu
leisten. Das hat insofern gut gepasst, als wir von allen
anwesenden G-20-Staaten gehört haben, dass auch Asien
mit großer Besorgnis darauf schaut, dass es gelingt, die
Krise um den Euro zu stabilisieren, weil die Gefahr von
Folgewirkungen auf das gesamte Weltwährungs- und -finanzsystem bestanden hätte. Deswegen haben wir diese
große Verantwortung.
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland zu?
Bitte, Herr Wieland.
Herr Bundesminister, da Sie uns ja vorgeworfen haben bzw. an uns appelliert haben, nicht wegen taktischer
Mätzchen das Ja zu verweigern, frage ich Sie: Stimmt es,
dass Sie in Brüssel dafür geworben haben - sich bei Ihren Kolleginnen und Kollegen aber nicht durchgesetzt
haben -, dass der Bundestag vor der Übernahme einer
jeden Garantie ein Veto bekommt, und können Sie es mit
Ihrem Verständnis des Parlamentes vereinbaren, dass das
Parlament sein Budgetrecht so weit auf die Exekutive
überträgt, dass nur noch eine Bemühenszusage der Bundesregierung herausgekommen ist?
Ich frage jetzt ganz zugespitzt, gerade weil der Kollege van Essen vorhin den Bundesbankpräsidenten zitiert hat: Sollen die Finanzmärkte dann auch noch die
Demokratie bestimmen? Sollen sie auch noch über unser
Budgetrecht bestimmen? Ist ein Parlament noch ein Parlament, wenn es sich insoweit seines vornehmsten Rechtes entäußert?
({0})
Herr Kollege Wieland, es ist genau gegenteilig. Ich
habe mich in der Sitzung der Euro-Gruppe dafür eingesetzt, dass wir dieses Instrument so gestalten, dass es auf
den Finanzmärkten seine Wirkung erzielt. Was dazu erforderlich ist, hat Bundesbankpräsident Weber - Herr
van Essen hat es zitiert - in der Anhörung des Finanzausschusses gesagt. Sie könnten Herrn Trichet fragen,
Sie könnten Herrn Strauss-Kahn fragen, wen immer Sie
wollen. Die werden Ihnen alle das Gleiche sagen.
Die Wahrheit ist umgekehrt. Als ich von Bemühungen, die ich sehr respektiere, gehört habe, jede einzelne
Entscheidung von der Zustimmung des Parlaments abhängig zu machen, habe ich sehr darum gebeten, dass
wir diesen Weg nicht gehen. Das hat uns ein paar zusätzliche Gespräche eingebracht; das ist immer gut. Jetzt haben wir uns auf eine Regelung verständigt - sie steht in
der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses -,
der Ihre Fraktion im Haushaltsausschuss zugestimmt
hat:
({0})
dass wir genau die Regelung übernehmen, die wir in
dem Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen der
Bundesregierung und dem Bundestag in europäischen
Fragen am 25. September 2009 festgelegt haben. Besser
kann man es gar nicht machen, meine Damen und Herren.
({1})
Ich würde gerne noch eine Bemerkung zu dem Thema
„Besteuerung des Finanzsektors“ machen. Ich finde,
wenn wir ehrlich mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgehen, dann können wir erstens zugeben,
dass es unterschiedliche Meinungen über die Wirkungsweise und Wirkungskraft einer Finanztransaktionsteuer gibt. Die gibt es in der Welt, die gibt es immer.
({2})
- Ja, einverstanden.
Wir können zweitens sagen, dass es jedenfalls eine
Übereinstimmung gibt. Die Bundeskanzlerin hatte mich
im Übrigen beauftragt. Hören Sie sich doch einmal bei
Ihren Kollegen in der Euro-Gruppe, im Ecofin, um, wie
sie diese Fragen beurteilen. Die Antwort habe ich auch
im Haushaltsausschuss sehr präzise gegeben und dort
berichtet. Es gibt niemanden, der in Europa national eine
Finanztransaktionsteuer einführen will - kein Land.
({3})
- Nein, kein Land, kein Staat, kein Mitgliedstaat der Europäischen Union - das ist meine Antwort auf den Unterrichtungsauftrag der Bundeskanzlerin -, weil sie alle
sagen: Das macht keinen Sinn. Alle sagen mehr oder
minder: Ja, wenn es global geht, ist das gut. Das ist übrigens seit langem die Position der Christlich-Demokratischen Union, insbesondere auch ihrer Vorsitzenden, der
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wenn es global geht:
Ja. Die Frage: „Geht es global?“, wird von vielen sehr
skeptisch beurteilt; das wissen auch Sie.
({4})
- Ja, das wissen wir auch. Ich gehe gerade Schritt für
Schritt vor. Seien Sie ganz geduldig! So wie ich im
Haushaltsausschuss präzise war, will ich es auch hier
sein.
Die Staats- und Regierungschefs haben im G-20-Prozess in Pittsburgh verabredet: Bis zum nächsten Gipfel
im Juni 2010 - er findet demnächst in Kanada statt wollen wir geklärt haben: Gibt es eine Chance, die
Steuer weltweit einzuführen? Wenn es diese Chance
gibt, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen.
({5})
Wenn nach dem G-20-Gipfel in Kanada im Juni feststeht, dass es diese Chance auf absehbare Zeit nicht gibt,
dann - und nur dann - besteht eine reale Chance, in Europa eine Antwort von den anderen Staaten zu bekommen: Gibt es eine Chance auf eine europäische Finanzmarkttransaktionsteuer? Die Bundesregierung wird sich
dafür einsetzen.
({6})
So ist es gesagt, und so ist es geklärt.
Damit Sie nicht hinterher sagen, das hätten wir nicht
gesagt, sage ich Ihnen eines vorher. Es wird dann in Europa eine ganz zentrale Frage sein: Geht eine solche
Steuer nur unter Einschluss des größten Finanzplatzes,
London, oder geht sie notfalls, wenn es europaweit kein
Einvernehmen gibt, auch ohne ihn? Die Haltung des
Vereinigten Königreichs - es hat eine ganz neue Regierung; dort gab es vor kurzem Wahlen - ist in der Frage
nicht völlig klar. Besser wäre eine Regelung für ganz
Europa. Aber wenn eine Regelung für ganz Europa nicht
möglich ist, werden wir über die Frage zu entscheiden
haben: Gibt es eine Chance, das im Euro-Bereich einzuführen? Auch dafür werden wir uns einsetzen;
({7})
aber ob wir dafür eine Mehrheit im Euro-Bereich bekommen, kann ich Ihnen heute nicht versprechen. Das
ist die Haltung der Bundesregierung; so ist es präzise.
({8})
- Entschuldigung! Um diese Frage so klar zu beantworten, hat sie ihren Finanzminister beauftragt, das erst einmal zu klären;
({9})
er gibt Ihnen jetzt die Antwort. Das können Sie nicht der
Bundeskanzlerin vorwerfen.
({10})
Nachdem dies alles geklärt ist, verehrte Kolleginnen
und Kollegen, können wir doch jetzt zur Sache zurückkehren.
({11})
SPD wie Grüne sagen: Eigentlich ist es richtig; eigentlich ist jede andere Alternative - die gibt es immer - viel
schlechter und viel gefährlicher, also müssen wir es machen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen
Sie uns wieder gemeinsam unseren Mitbürgerinnen und
Mitbürgern sagen, warum wir dies tun. Wir tun dies eben
nicht aus Großzügigkeit gegenüber anderen, sondern wir
tun es in unserem besten, wohlverstandenen nationalen
Interesse. Dieses nationale Interesse heißt: eingebunden
bleiben in das weiter zusammenwachsende Europa.
({12})
Die gemeinsame europäische Währung und die Wirtschaftsgemeinschaft sind für Deutschland von ganz
überragendem Vorteil. Man muss sich einmal die Zahlen
anschauen: Wenn man Exporte und Importe zusammenrechnet, dann erkennt man, dass der Anteil unserer Verflechtung in den globalisierten Welthandel doppelt so
groß ist wie beim nächsten großen Welthandelsland Japan; so stark sind wir davon abhängig. Fast zwei Drittel
unserer Exporte gehen in die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion. Hätten wir keine gemeinsame
Währung, hätten wir eine viel geringere wirtschaftliche
Leistungskraft, weniger Wohlstand und weniger soziale
Sicherheit. Deswegen ist die Verteidigung des Euro, der
Stabilität unserer europäischen Währung, ein Akt unserer eigenen Verantwortung für unser gemeinsames Europa.
({13})
Im Übrigen: Wenn wir Defizite reduzieren, dann ist
das nicht etwas, was uns Brüssel auferlegt, sondern es ist
im Interesse der Nachhaltigkeit unvermeidlich. Deswegen fangen manche Mitgliedstaaten an, darüber nachzudenken, ob die deutsche Schuldenbremse im Grundgesetz nicht auch deswegen klug ist. Natürlich kann man
den Stabilitätspakt auch so ausgestalten, dass er eine europäische Schuldenbremse ist. Aber die nationale Verankerung in der nationalen Verfassung hat den Sinn, der
Bevölkerung klarzumachen: Wir tun das nicht für andere; wir tun es für uns selbst, im Interesse künftiger Generationen, im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Finanzpolitik. Auch dies muss man sehen.
({14})
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das, was
wir entscheiden, ist keine Kleinigkeit. - Im Übrigen geben wir nicht Steuergelder aus, sondern wir ermächtigen
für die Garantie von Krediten. Das ist schon ein Unterschied. Die Haushaltsprobleme für den Haushalt 2011,
für die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung
und für die Einhaltung der Schuldenbremse bestehen
völlig unabhängig von dem, was wir heute zu entscheiden haben, und sie sind groß genug. Das will ich nicht
kleinreden. Wir sollten das nicht vergessen. - Es ist
keine Kleinigkeit. Aber das ist die Konsequenz einer
Entscheidung, mit der wir sagen: Wir setzen auf ein
handlungsfähiges, starkes Europa, und wir setzen auf die
Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung.
Dafür sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Ich hoffe, das gilt nicht nur für die Koalition, sondern
auch für alle anderen, die sich in diesem Hause für europäische Politik einsetzen.
Herzlichen Dank.
({15})
Das Wort erhält nun der Kollege Sigmar Gabriel für
die SPD-Fraktion.
({0})
Das müssen Sie doch verstehen; die rechte Seite ist
ein bisschen angeschlagen. Damit kennen Sie sich doch
aus, oder nicht?
({0})
Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Meine Damen
und Herren!
(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Gute
Besserung!
- Herr Westerwelle wünscht mir gute Besserung; politisch wünsche ich Ihnen das auch.
({1})
Aber im Ernst, Herr Schäuble: Was sollen wir Ihnen
denn nun eigentlich glauben? Sie sagen im März: Es gibt
keine Chance zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Am 18. Mai im Deutschlandfunk machen Sie
die Einführung noch völlig davon abhängig, dass sie
weltweit erfolgt, weil sonst die Gefahr einer Abwanderung in die USA und nach Asien bestehe, und heute erklären Sie nun, Sie seien - ich habe genau zugehört - sogar bereit, es nur im Euro-Raum zu versuchen.
Meine Frage an Sie ist: Wenn dies ein ernsthafter
Meinungswandel bei Ihnen ist, warum, Herr Kollege
Schäuble, beschließen wir es dann nicht einfach heute
hier im Deutschen Bundestag? Warum?
({2})
Sie haben vor zwei Wochen hier im Haus der SPD ein
Zitat aus der Bergpredigt entgegengehalten: „Euer Ja sei
ein Ja, euer Nein ein Nein.“ Herr Kollege Schäuble, so
richtig bekomme ich Ihre 180-Grad-Wendung mit diesem Zitat nicht zur Deckung; das muss ich offen sagen.
({3})
So ist das, wenn man die Bergpredigt ins Parlament einführt: Irgendwann schlägt sie zurück.
({4})
Also, Herr Kollege Schäuble, mich würde wirklich
interessieren: Was ist denn nun eigentlich die Position
der Regierung und der Koalitionsfraktionen, und warum
beschließen wir die Steuer heute nicht? Ich kann ja verstehen, dass inzwischen selbst in Ihren eigenen Reihen
große Zweifel - übrigens auch an Ihrer persönlichen
Glaubwürdigkeit, Herr Schäuble - existieren.
({5})
- Sie sagen „Unverschämtheit“. Das müssen Sie Herrn
Seehofer sagen. Er sagt das heute in der Süddeutschen
Zeitung.
({6})
- Das sagen wir doch nicht. Wenn Sie danach rufen,
dann zitiere ich ihn. Es ist doch Ihr Ministerpräsident. Er
fragt heute in der Süddeutschen Zeitung, warum Finanzminister Schäuble die Finanztransaktionsteuer infrage
stellt, obwohl die Koalition sie doch will. Seehofer:
Wenn der Koalitionsausschuss sagt, die Steuer
kommt, und der Finanzminister gleichzeitig sagt,
sie kommt nicht, dann fühlt sich doch die Bevölkerung verhöhnt. … Ich muss mich
- so Seehofer schon manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus
der Haut zu fahren.
Das geht uns auch so, meine Damen und Herren. Das
geht uns ganz genauso.
({7})
Ein paar von Ihnen haben eben dazwischengerufen:
die Haltung der SPD zum Euro. Jetzt sage ich Ihnen mal
eins: Ein Teil Ihrer eigenen Koalition klagt gegen Ihre
Gesetze vor dem Verfassungsgericht und ein anderer erklärt, Sie seien führungsschwach und wüssten nicht, wie
das Ganze zusammengehen soll. Sie haben ein Problem
in der europäischen Debatte, nicht wir!
({8})
Aber so geht das ja nun schon seit Monaten. Vor genau zwei Wochen berieten wir im Deutschen Bundestag
nach wochenlangen Dementis von Wolfgang Schäuble,
Angela Merkel und vielen anderen Koalitionären über
22,4 Milliarden Euro Garantierahmen für Griechen4430
land - und keinen Cent mehr, so der Parlamentarische
Geschäftsführer der FDP, Herr Fricke.
({9})
- Darauf habe ich gewartet, Herr Kollege Fricke. Ich
will nicht sagen: dümmere - - Aber es wird Ihrer intellektuellen Fähigkeit nicht gerecht, sich mit der Ausrede
zufriedenzugeben.
({10})
Wir haben hier im Deutschen Bundestag und in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert: Kann das eigentlich
Folgewirkungen in anderen Ländern haben? Wann kommen die Nächsten? Da haben Sie gesagt: Keinen Cent
mehr, und zwar ohne die Einschränkung zu Griechenland. Das ist Ihre Position, die Sie hier eingenommen haben.
({11})
Herr Fricke, Sie sollten sich nicht davon distanzieren.
Sie sind, jedenfalls nach Ihrer Auffassung, in guter Gesellschaft; denn Herr Brüderle hat am 5. März auf ntv bereits verkündet: Wir haben nicht die Absicht, Griechenland einen Cent zu geben. - Am gleichen Tag, als wir
hier entschieden haben, als Herr Fricke für keinen Cent
weitere Zugeständnisse machen wollte, flog Frau Merkel
nach Brüssel, um über 123 Milliarden Euro - Herr
Fricke, das sind 12,3 Billionen Cent - mehr zu verhandeln.
({12})
Jetzt gibt es zwei Rückschlüsse. Entweder die Regierung hat am Freitagmorgen vor 14 Tagen dem Parlament
gegenüber nicht die ganze Wahrheit gesagt, oder - und
das ist vermutlich die weitaus schlimmere Nachricht und
Wahrheit - sie hat wirklich nicht gewusst, was auf sie in
Brüssel zukommt. Die Kanzlerin der größten Volkswirtschaft Europas, die Regierungschefin eines der wichtigsten Motoren der Europäischen Union, kommt auf einen
EU-Gipfel und wird von Frankreich und allen anderen
Mitgliedstaaten
({13})
vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist die Realität,
die Sie uns heute hier versuchen, zu erklären.
({14})
Vorsicht, wenn Sie das bestreiten! Dann bleibt nur die
Alternative, dass Sie es wussten, uns es aber nicht gesagt
haben.
Das hatte einen anderen Grund - das muss man einmal aussprechen -: Die anderen EU-Staaten hatten die
Nase gestrichen voll von Ihrer Taktiererei, Frau Bundeskanzlerin.
({15})
Die Staats- und Regierungschefs wollten den Euro nicht
ein zweites Mal aufs Spiel setzen, nur um Ihren taktischen Winkelzügen in der Innenpolitik folgen zu müssen. Sie hatten es satt. Das ist der Grund, warum sie Sie
vor vollendete Tatsachen gestellt haben.
({16})
Frau Bundeskanzlerin, seit Konrad Adenauer ist nie ein
deutscher Bundeskanzler in Europa so vorgeführt worden. Seit Konrad Adenauer hat noch niemand die
deutsch-französische Achse so grundlegend ruiniert, wie
Sie das in den letzten Monaten getan haben.
({17})
Nun kommen Sie in den Deutschen Bundestag und
fordern all das, was Sie vor der Blamage in Brüssel hier
im Parlament und in der Öffentlichkeit noch vehement
abgelehnt haben. Ich frage Sie nur mal eins: Wer soll eigentlich der immer schnelleren Folge Ihrer Regierungserklärungen noch Glauben schenken? Das machen doch
offensichtlich, siehe Seehofer, nicht einmal Ihre eigenen
Leute. Aber ich will ja von Herrn Schäuble und anderen
nicht mehr Überzeugungsfähigkeit erwarten, als ihrer eigenen Kanzlerin zur Verfügung steht. Von daher waren
meine Erwartungen an die heutige Debatte nicht allzu
groß.
Aber was Sie sich am letzten Sonntag, Frau Bundeskanzlerin, beim DGB-Bundeskongress erlaubt haben,
ist schon einmalig. Es war Ihnen offensichtlich nicht einmal peinlich, den DGB-Vorsitzenden bei der Debatte,
wie man die Kapitalmärkte endlich zur Kasse bittet, damit die Kosten bezahlt werden, die dort angerichtet wurden, aufzufordern, er möge doch dafür sorgen, dass alle
20 Gewerkschaftsbünde der G-20-Industriestaaten ihre
Staats- und Regierungschefs dazu bringen, die Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer zu unterstützen.
({18})
Dann seien auch Sie dafür und würden die Steuer fordern. Frau Dr. Merkel, Sie haben wirklich ein seltsames
Rollenverständnis: Sie müssen kämpfen, nicht andere.
Sie müssen vorgehen, nicht andere.
({19})
Sie sind doch nicht Deutschlands oberste politische Animateurin, die andere auffordert. Sie selber müssen doch
führen und handeln. Aber genau hier liegt der Unterschied zwischen Ihnen und anderen Regierungschefs in
der Europäischen Union.
({20})
Wenn Sie das jetzt kurz nach dem DGB-Kongress
wirklich ernst meinen und für die Finanztransaktionsteuer kämpfen wollen, wenn Sie für diese Steuer
auf einmal sogar - ich zitiere Sie noch einmal - „Rabatz
machen“ wollen, wie Sie vorgestern erklärt haben, dann
frage ich Sie: Warum beschließen wir das nicht heute
hier im Parlament?
({21})
Sie sind ja nicht einmal bereit, dem sehr knapp gefassten
Entschließungsantrag der SPD zuzustimmen, der in großen Teilen wörtlich Ihrer Regierungserklärung vom Mittwoch - für den Fall, dass Sie sich daran nicht mehr erinnern - entnommen ist. In ihm wird ohne große Schnörkel
gefordert - Herr Schäuble, hören Sie genau zu -: Zuerst
soll die Bundesregierung bei G 20 für die Beteiligung
der Kapitalmärkte kämpfen und, wenn die nicht mitziehen, es in Europa alleine machen. Das hatten Sie doch
eben hier versprochen.
({22})
Das ist doch das Versprechen der Bundeskanzlerin.
Warum wehren Sie sich eigentlich so heftig, dass das
deutsche Parlament dieses beschließt und Ihnen damit
den Rücken stärkt? Warum sind Sie eigentlich dagegen?
({23})
Die Antwort ist einfach: weil Sie in Wahrheit nichts als
einen faulen Formelkompromiss mit Ihrem Wunschpartner FDP hinbekommen haben, ohne substanziellen Willen der gesamten Bundesregierung, auch wirklich dafür
einzutreten. Herr Westerwelle ist als Außenminister auch
bei diesem Kampf für eine angemessene Beteiligung der
Kapitalmärkte ein Totalausfall für Deutschland und
Europa.
({24})
Da lobe ich mir wahrhaft standhafte Konservative wie
Jean-Claude Juncker aus Luxemburg. Er sagt öffentlich: Ja, er ist bereit, wenn zum Beispiel die Briten nicht
mitmachen, es dann alleine in der Euro-Zone zu machen.
Der hat Mumm. Der kuscht nicht vor ein paar Drohungen dieser Nieten in Nadelstreifen,
({25})
denen immer ein neues Argument einfällt, wenn es darum geht, sich selbst davor zu schützen, dass sie die
Kosten tragen, die sie selber zu verantworten haben.
({26})
- Es geht nicht um einen Luxemburger, es geht um den
Vorsitzenden der Finanzminister des Euro-Rates. Scheinbar scheint Ihnen der nichts wert zu sein.
({27})
- Wir sollten die Zwischenrufe, die hier ja aufgezeichnet
werden, einmal den Kollegen in Europa zuschicken. Mal
sehen, wie die darauf reagieren.
Frau Bundeskanzlerin, ich habe Sie in der Umweltpolitik als mutig erlebt.
({28})
Glauben Sie wirklich, dass es den Emissionshandel in
Europa gäbe, wenn Deutschland dazu nicht Ja gesagt
hätte, wenn wir nicht gegen die Lobbyisten im eigenen
Land, gegen die Zauderer und Zögerer während unserer
EU-Ratspräsidentschaft Druck gemacht und den Emissionshandel verschärft hätten? Ich sage Ihnen: Nichts anderes erwarten wir auch von Ihnen. Wir müssen mutiger
sein und in Europa vorangehen. Aber Sie waren wohl
nur so lange eine mutige Kanzlerin, solange Sie von Sozialdemokraten bewacht wurden.
({29})
- Man kann sich auf Ihre Zwischenrufe verlassen.
In den letzten zwei Regierungserklärungen, Frau
Bundeskanzlerin, haben Sie sich ins Pathos geflüchtet.
({30})
Aber wie sieht eigentlich die Realität aus? Was haben
Sie eigentlich in den letzten sieben, acht Monaten bei der
Finanzmarktregulierung getan?
({31})
Vor lauter internem Streit und Taktieren vor der Landtagswahl in NRW hat Ihre schwarz-gelbe Wunschkoalition in den sieben, acht Monaten genau drei Vorhaben
auf den Weg gebracht, die sich mit dem Thema Finanzmarktregulierung befassen. Alle drei beschränken sich
auf die Umsetzung von EU-Recht, und, übrigens, keines
dieser Verfahren ist abgeschlossen. Nur zum Vergleich:
Zwischen Ende 2008 und Sommer 2009 hat der sozialdemokratische Finanzminister Peer Steinbrück - übrigens meistens gegen energische Widerstände aus der
Union - ein Gesetz zur Regulierung der Vorstandsvergütung, zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, zur bilanziellen Aufdeckung der Zweckgesellschaften, zur
Verschärfung der Haftung der Manager, zur Erhöhung
der Transparenz bei Unternehmensbeteiligungen sowie
Maßnahmen zur Begrenzung der Vergütung in der Finanzbranche durchgesetzt und dazu zahlreiche Maßnahmen auf EU-Ebene vorangebracht,
({32})
übrigens immer gegen den erbitterten Widerstand der
FDP. Das, Frau Bundeskanzlerin, ist die Bilanz, wenn
man wirklich handelt. Was haben Sie in Ihrer Regierungserklärung gesagt? - „Es ist Zeit zum Handeln.“
Das finden wir auch. Wir haben es getan. Wann tun Sie
das endlich, anstatt immer nur Ankündigungen zu verbreiten?
({33})
- Ich weiß gar nicht, was die Zwischenrufe sollen. Sie
sind doch selber stolz auf die Zeit, als Sie mit uns regiert
haben. Sie haben in dieser Woche die Broschüre
„Deutschland gestärkt aus der Krise führen - Jahresbericht der Bundesregierung“ an die Abgeordneten verschickt.
({34})
Schlagen wir sie auf. Wer ist zu sehen? - Angela Merkel
und Frank-Walter Steinmeier.
({35})
Frau Merkel sagt gerade, das waren noch schöne Zeiten.
Da haben Sie recht, Frau Merkel. Ich verstehe, dass Ihnen der Kollege zur Rechten inzwischen auf den Geist
geht, aber dann lösen Sie sich irgendwann von ihm! Das
verstehe ich ja alles.
({36})
Herr Westerwelle, angesichts des Fotos würde ich mir
ernsthafte Sorgen machen.
({37})
Im Ernst: Wir haben eine Menge geleistet, und jetzt
wird nur angekündigt.
Frau Bundeskanzlerin, einen Tag vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs - ein Schelm, wer Böses dabei
denkt - erklären Sie, dass die BaFin angewiesen worden
sei, die Leerverkäufe zu verbieten. Ich frage Sie genau
wie der Kollege Gysi und andere: Warum haben Sie eigentlich Leerverkäufe, deren Verbot Peer Steinbrück
schon durchgesetzt hatte, überhaupt erst wieder erlaubt?
Offensichtlich brauchen Sie immer öffentlichen Druck
und den Druck der Opposition, damit Sie überhaupt
irgendetwas machen. Alleine bringt diese Regierung
nichts zustande.
({38})
Frau Bundeskanzlerin, bis heute haben Sie von sich
aus kein Konzept für die Überwindung der Krise vorgelegt. Stattdessen passen Sie sich immer den neuen Stimmungen in der Koalition an, anstatt klar Stellung zu
beziehen und verbindliche Vorstellungen über Ihr beabsichtigtes Engagement im Parlament vorzulegen und beschließen zu lassen. So jedenfalls kann man kein Land
regieren, und so führt man auch kein Land aus der Krise
heraus, sondern immer tiefer hinein. Stattdessen erleben
wir Sie und Ihr Kabinett in Zeitlupe. Seit September
letzten Jahres führen Sie Tag für Tag neue Koalitionsverhandlungen. Seit Jahresbeginn eilen Sie der Realität an
den Märkten hinterher. Sie sind längst zur Getriebenen
geworden, zur Getriebenen der Märkte, der europäischen
Partner, Ihres liberalen Wunschpartners, inzwischen sogar Ihrer eigenen Fraktion und am Ende notfalls durch
die Medien. Sie haben keine Linie, Sie haben kein Ziel,
und Sie wissen nicht, wohin mit diesem Land und mit
Europa. Das ist die Bilanz Ihrer Regierung nach sieben
bis acht Monaten in diesem Land.
({39})
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben vorgestern unzählige Male eine neue Stabilitätskultur in Europa
angemahnt, offenbar ein neues Lieblingswort Ihrer Redenschreiber. Wir haben gar nichts gegen eine neue Stabilitätskultur, aber uns würde es schon reichen, wenn Sie
diese zunächst in Ihrer eigenen Koalition einführen würden.
Nur am Rande: Sie tun jetzt öffentlich so, als ob das
Taktieren, das Abwarten keine Folgen hätte. Sie erklären
sogar mokant, Langsamkeit sei eine Tugend. Das liegt
natürlich daran, dass Sie die Kosten dieser Langsamkeit
nicht zu bezahlen haben. Sie kündigen ja schon ein eisernes Sparprogramm an. Für wie dumm halten Sie die
Menschen eigentlich? Erst versprechen Sie monatelang
gemeinsam mit der FDP Milliardensteuergeschenke bei
gleichzeitiger Entschuldung des Landes, und kaum ist
die Landtagswahl in NRW am 9. Mai vorbei, da kassieren Sie alle Steuersenkungsvorhaben und kündigen stattdessen entschiedene Sparprogramme an. Mich würde es
übrigens nicht wundern, wenn das Versprechen eines
milliardenschweren Steuersenkungsprogramms kurz vor
der nächsten Bundestagswahl wieder als Hauptforderung
von Union und FDP das Licht der Welt erblickt. Ich sage
Ihnen: Zweimal die gleiche Wahllüge, das geht mit Sicherheit schief. Darauf können Sie sich verlassen, Frau
Bundeskanzlerin.
({40})
Dann versuchen Sie auch noch dreist, die Verantwortung zu verschieben. Auf dem Kirchentag sagten Sie,
die Deutschen würden über ihre Verhältnisse leben, man
lebe auf Pump. Ich weiß nicht, in welchem Land Sie
leben. Meinen Sie mit denen, die laut Ihnen über ihre
Verhältnisse leben, die Bevölkerung Ihres Landes? In
Deutschland gibt es 5 Millionen Menschen, die für weniger als 8 Euro in der Stunde arbeiten.
({41})
1,3 Millionen Menschen gehen nach der Arbeit zum Sozialamt. Wenn Sie über Kredite und Schulden reden,
möchte ich Ihnen einmal sagen, wer hier Schulden
macht. Das sind zum Beispiel die Studenten, deren Eltern nicht genug Geld haben, die durch Ihre Studiengebühren 20 000 oder 30 000 Euro Schulden machen müssen und nach dem Studium keinen Job bekommen. Das
sind die, die in Deutschland auf Pump leben müssen,
weil Sie die Politik so gestalten. Das ist der eigentliche
Hintergrund dessen, was hier passiert.
({42})
Wir in diesem Land sitzen nicht alle in einem Boot.
Es gibt einige, denen steht das Wasser bis zum Hals, und
ein paar wenige sind mit der Luxusyacht unterwegs. Das
ist die Realität, die Sie verdrängen wollen. Hier haben
nur ganz wenige über ihre Verhältnisse gelebt. Das sind
die, die permanent öffentlich erklären: „Privat vor Staat“
und sich hemmungslos mit Ihrer Hilfe weiter bedienen
dürfen. Das sind die, die hier über ihre Verhältnisse gelebt haben.
({43})
Wissen Sie, Ihre Forderung, wir müssten den Gürtel
enger schnallen, und Ihr Nichtstun gegenüber den
Finanzmärkten sind ja nicht nur ungerecht, sondern vor
allen Dingen politisch falsch. Denn eine der zentralen
Ursachen für die gegenwärtige Krise ist, dass wir die
Geburtsfehler der Währungsunion, nämlich das Fehlen
einer echten Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und
Finanzpolitik, nicht endlich beseitigen.
({44})
Man stelle sich einmal vor, die damals existierenden
Bundesländer hätten 1948, als in Westdeutschland die
Währungsreform durchgeführt wurde, komplett auf eine
gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik verzichtet. So verrückt ist damals niemand gewesen. Jetzt
haben wir die Chance, diesen Geburtsfehler zu korrigieren. Aber Sie, Frau Kanzlerin, sind die Erste, die wieder
einmal „Madame No“ gespielt hat, als der spanische Ministerpräsident Zapatero zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft genau diese Koordinierung gefordert hat.
({45})
Dafür, dass Sie das nicht wollen, gibt es einen Grund.
Denn wenn man über diese Koordinierung reden würde,
würde natürlich auch der deutsche Anteil an der Krise
deutlich werden. Darüber müssen wir hier offen reden.
Der deutsche Anteil besteht darin, dass wir in Deutschland eben nicht über unsere Verhältnisse leben. Das Gegenteil ist der Fall: Wir leben seit Jahren wirtschaftspolitisch unter unseren Verhältnissen.
({46})
Seit Jahren hält die Lohnentwicklung in Deutschland
nicht Schritt mit der Produktivitätsentwicklung. 10 Prozent der Bevölkerung besitzen weit mehr als 60 Prozent
des Vermögens, und 27 Prozent unserer Bevölkerung besitzt gar kein Vermögen. So hat sich Ludwig Erhard die
soziale Marktwirtschaft nicht vorgestellt.
Wer wie CDU/CSU und FDP auf Mindestlöhne verzichtet, Leih- und Zeitarbeit zu Armutslöhnen weiter
ausbauen möchte und jetzt auch noch bei Bildung, Sozialausgaben und Investitionen sparen will, der, Frau
Bundeskanzlerin, bringt einen Treibsatz in diese Entwicklung und übrigens auch einen Sprengsatz in unsere
Gesellschaft. Das ist die Wahrheit, die sich hinter Ihrem
unsinnigen Satz verbirgt, wir alle müssten sparen, wir
lebten auf Pump und über unsere Verhältnisse. Das, was
Sie da vorhaben, geht schief.
({47})
Das Gegenteil wäre richtig: Wir brauchen endlich wieder eine angemessene Lohnentwicklung orientiert an der
Produktivitätsentwicklung unseres Landes. Der Wettbewerb um niedrige Steuern, niedrige Löhne zwingt die
anderen Länder geradezu, mitzumachen, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen. Im Ergebnis versuchen
sie dann, sich über Verschuldung den Wohlstand zu kaufen, den wir ihnen nicht ermöglichen, weil wir permanent den Druck auf die Löhne in Europa erhöhen. Das
müssen wir ändern. Darum geht es in Wahrheit in der
Auseinandersetzung.
({48})
Kollege Gabriel, achten Sie bitte auf das Signal.
Ja. - Wenn wir über die Finanzmarkttransaktionsteuer
streiten, dann streiten wir nicht über ein Instrument, sondern über die Frage, in welche Richtung wir Europa führen möchten. Wir wollen ein gemeinsames und soziales
Europa, ein Europa, das mehr ist als der Binnenmarkt.
Deshalb brauchen wir mehr und nicht weniger Europa.
Wir sind nicht gegen das Rettungspaket, schon deshalb
nicht, weil es nicht Ihre Idee ist. Es ist ja gegen Sie
durchgesetzt worden. Aber weil der Rest Ihrer Politik
nicht verlässlich ist, weil sie unklar ist und aus Ankündigungen besteht, weil Ihre ganze Richtung weiterhin
falsch ist, können wir Ihnen heute nicht zustimmen. Deshalb, Herr Kollege Schäuble, geht es bei unserer Nichtzustimmung zu Ihrem Gesetzespaket nicht um Taktik
und auch nicht um Verfahrensfehler.
({0})
- Nein, taktiert haben Sie vor der Nordrhein-WestfalenWahl. Das hat Ihnen jeder in Deutschland bestätigt.
({1})
Uns geht es darum, dass wir endlich in der Europapolitik
und in der deutschen Wirtschaftspolitik eine andere
Richtung einschlagen. Dafür streiten wir. Das ist ein langer Weg. Er ist schwierig. Aber wir sind bereit, ihn zu
gehen. Wir wollen jedoch nicht den Weg gehen, der an
seinem Ende zu sozialen Kürzungsmaßnahmen quer
durchs Land führt, weil Sie sich nicht trauen, die wahrlich Schuldigen in Deutschland endlich zur Kasse zu bitten.
Viele Dank.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Guido Westerwelle.
({0})
Frau Präsidentin! Herr Kollege Gabriel, noch einmal
in aller Form: Gute Besserung! Das ist an den Menschen
adressiert. Da Sie frisch operiert sind, dürfen Sie das kollegial hinnehmen, ohne gleich so zu reagieren, als wäre
in diesem Hohen Hause alles politisch gemeint.
({0})
Herr Kollege Gabriel, Ihre heutige Rede war für die
Motivlage Ihrer Entscheidungsfindung sehr erhellend,
und zwar für alle hier im Hause und für alle, die uns zuschauen.
({1})
Sie haben hier eine innenpolitische Generalabrechnung
mit der Bundesregierung gemacht. Das ist Ihr Recht als
Opposition. Das ist auch Ihre Pflicht als Opposition.
Aber es geht doch heute nicht darum, ob Sie die Regierung gut finden. Es geht darum: Wie stehen Sie zu Europa? Darüber wird heute entschieden.
({2})
Sie haben hier wunderbare Argumente eingeführt,
etwa dass im Jahresbericht der Regierung 2009 das Foto
von Herrn Steinmeier und nicht meines zu sehen ist. Ich
hätte Sie einmal sehen und hören wollen, wenn im Jahresbericht 2009 mein Foto zu sehen gewesen wäre.
({3})
Dann hätten Sie uns Steuergeldverschwendung vorgeworfen.
({4})
Herrgott noch mal! Ich kann Sie aber trösten: All das
sind doch Lappalien.
Dann haben Sie Bilanz gezogen. Sie haben gesagt:
Das Land ist in Armut, die Löhne sinken, die Spaltung
der Gesellschaft wird immer größer. - Entschuldigen Sie
bitte, Herr Kollege Gabriel. Was ist das für eine entsetzliche Bilanz für den Vorsitzenden einer Partei, die
Deutschland elf Jahre lang regiert hat!
({5})
Ich sitze seit ein paar Monaten auf der Regierungsbank
und soll für Ihre elf Jahre Regierungszeit haften. Das
geht zu weit.
({6})
Ich möchte auf eine Sache eingehen, nämlich auf die
Frage des Verfahrens selber. Ich habe die letzten elf
Jahre hier als Abgeordneter im Deutschen Bundestag die
ehrenwerte Aufgabe der Opposition wahrnehmen dürfen, denn zu jeder Demokratie gehört beides. Beide Aufgaben, Regierung und Opposition, sollte man ernst nehmen.
({7})
Ich kann Ihnen aber sagen: Ich habe hier in mehreren
Situationen erlebt, dass eine Regierung schnell handeln
musste. Ich erinnere mich beispielsweise auch daran
- ich bin damals Vorsitzender der FDP-Fraktion in der
Opposition gewesen -,
({8})
wie im Bundestag am 15. Oktober 2008 über das große
Bankenrettungspaket verhandelt worden ist.
({9})
- Ja, es ist richtig: Eine Woche ging das Verfahren; Herr
Kollege Gysi erinnert sich auch. Es war genauso wie
heute. Wir haben gemerkt: Das ist eine unglaublich
ernste Situation. Wir haben in der Nacht vom 9. auf den
10. Mai, morgens um halb drei die letzte Telefonkonferenz gemacht, weil wir schnell entscheiden mussten. Wir
haben unverzüglich, am nächsten Tag, nachmittags, die
Partei- und Fraktionsvorsitzenden eingeladen und sie unterrichtet. Wenn Sie behaupten, Sie seien nicht informiert worden, ist das nichts anderes als eine Täuschung
der Öffentlichkeit.
({10})
Herr Kollege Trittin, damals ist genau das verteilt
worden.
({11})
Vier von Ihren Repräsentanten saßen damals da, zwei
Parteivorsitzende und zwei Fraktionsvorsitzende. Zu
viert sind Sie angefahren. Jeder von Ihnen hat dieses
komplette Heft mit den Unterlagen bekommen. Zwei Erklärungen sind abgegeben worden. Staatssekretär
Asmussen hat auf die Frage: „Können Sie sicherstellen,
dass die Verträge über die sogenannte Zweckgesellschaft
dann schon schriftlich vorliegen?“ gesagt: Das kann ich
nicht sicherstellen, weil die Verhandlung mit allen Staaten geführt werden muss.
({12})
Bezüglich der Richtlinie ist die Frage gestellt worden:
Haben Sie das? Daraufhin ist das verteilt worden. Es ist
verteilt worden. Wenn Sie sagen, die Verfassung sei verBundesminister Dr. Guido Westerwelle
letzt worden, dann ist das nichts anderes als die Suche
nach einem innenpolitischen Grund, weil Sie heute keine
Verantwortung übernehmen wollen. Das ist in Wahrheit
der eigentliche Grund.
({13})
Ich möchte einmal das zitieren, was der damalige Finanzminister als Vertreter der Regierung gesagt hat. Ich
war damals ebenso wie die Kollegen von den Grünen
und von der Linkspartei in der Opposition. CDU/CSU
und SPD hatten eine riesige Mehrheit im Deutschen
Bundestag. Wir haben das damals verstanden. Wir haben
dem Bankenpaket zugestimmt. Wir haben gesagt: Wir
wissen, dass das notwendig ist. Auch wir waren damals
mit Ihrer Regierungspolitik nicht einverstanden, aber wir
haben gewusst: Es geht um Deutschland; jetzt muss man
stehen. Enthaltung ist aber kein Stehen. Das ist wankelmütig.
({14})
Zu den Abläufen hat der damalige Finanzminister gesagt:
({15})
Ich weiß, das ist eine Zumutung; aber in ungewöhnlichen Zeiten, in denen wir sind, und bei dem Problemdruck, unter dem wir stehen, sind ungewöhnliche Verfahren erforderlich.
Ja, wir wissen, das ist auch für das Parlament eine ganz
schwere Belastung. Deshalb hat der Haushaltsausschuss
gemeinsam entsprechende Regeln verabschiedet. Sie suchen aber nach Ausflüchten, weil Sie in Wahrheit innenpolitisch mit der Regierung abrechnen wollen. Dies ist
aber nicht die Stunde, um uns zu sagen: Frau Merkel ist
furchtbar, Herr Schäuble ist furchtbar, ich bin furchtbar!
({16})
Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum: Finden
Sie, dass Europa stehen soll, oder finden Sie, dass es fallen soll? Darum geht es heute.
({17})
In welche Gesellschaft haben Sie sich begeben?
({18})
In ganz Europa gibt es in allen Parlamenten Gruppen,
die das Vorgehen im Augenblick ablehnen, Linkspopulisten und Rechtspopulisten. Das ist Ihre Gesellschaft.
({19})
Das ist eine traurige Entwicklung. Sie sind in ganz Europa isoliert, und Sie wissen das auch. Die anderen
kämpfen für Europa, während Sie es heute fallen lassen.
({20})
In Ihren gestrigen Reden hörte man noch, zum Beispiel zu KFOR, wie wichtig Europa für den Frieden und
den Wohlstand ist. Das, worüber wir hier reden, ist kein
Altruismus. Es geht nicht darum, dass wir anderen Ländern einen Gefallen tun. Es geht darum, dass wir unsere
Währung schützen, dass wir unser Land schützen, dass
wir Europa als große Friedens- und auch Wohlstandsregion schützen. Darum geht es.
Es ist so oft die Rede von den Ländern in der Welt,
aber wer weiß denn eigentlich, dass der Wirtschaftsaustausch mit den Niederlanden ein größeres Volumen als
der mit ganz China hat?
({21})
Der Wohlstand in Europa hängt auch von unserer Entscheidung heute ab. Der Wohlstand der Deutschen hängt
an einer klaren europäischen Stabilität, und um die gilt
es heute zu ringen.
({22})
Sie müssen sich entscheiden. Suchen Sie nicht nach
Gründen, warum Sie Nein sagen, sondern bekennen Sie
sich endlich zu einer Haltung. Wir erwarten von Ihnen
nicht, dass Sie die Regierung unterstützen, aber Europa
müssen Sie heute beispringen. Das ist das Einzige, worum es geht.
({23})
Europa liegt im deutschen Interesse, und es geht auch
um die Arbeitsplätze in unserem Land.
Von Herrn Kollegen Schäuble und auch von anderen
Rednern ist das, wie ich finde, sehr gut auf den Punkt gebracht worden: Natürlich gibt es Exzesse auf den Märkten, und natürlich müssen wir sie gemeinsam bekämpfen. Wir wollen aber eines nicht vergessen: Die
Hauptursache dafür, dass diese Spekulationswelle überhaupt greifen konnte, ist, dass zu viele Staaten in Europa
in zu kurzer Zeit zu viele Schulden gemacht haben. Die
Spekulationswelle konnte überhaupt nur deshalb verfangen, weil die Fundamente durch zu viel Schulden sandig
geworden sind.
Deswegen haben wir zwei Aufgaben, um aus dieser
Krise zu lernen:
Aufgabe Nummer 1. Wir müssen in ganz Europa zu
einer stabilen Haushaltspolitik zurückkehren.
Aufgabe Nummer 2. Wir müssen die Finanzmärkte
regeln und für entsprechende Regeln sorgen.
({24})
Ich komme jetzt noch einmal zur Aufgabe Nummer 1.
Da Sie damit angefangen haben, will ich das hier noch
einmal ganz klar sagen: Wir haben in Europa zu viele
Staaten, die zu viel Schulden gemacht haben. Dadurch
sind sie zu wackelig geworden. Eines wollen wir hier
aber festhalten: Das ist nicht nur das Ergebnis von einigen Ländern, die unsolide gewirtschaftet haben, sondern
dafür trägt auch Deutschland eine Verantwortung. Das
kann man ganz einfach sagen: Die Aufweichung des
Stabilitätspaktes, die unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossen worden ist, war ein historischer Fehler.
Dass Sie sich heute weigern, die Folgen dieses Fehlers
mit zu beheben, wiegt aber doppelt schwer.
({25})
Wir haben in Europa - das können wir gar nicht im
Alleingang - selbstverständlich auch Maßnahmen ergriffen. Deswegen ist es die richtige Entscheidung der Bundesregierung gewesen, dass wir nicht einfach einen
Scheck ausgestellt und gesagt haben, wir lösen die Probleme mit Geld, sondern dass wir gesagt haben: Wer unter den Schutzschirm will, der muss auch bereit sein,
seine Hausaufgaben zu erledigen und zu einer soliden
Haushaltspolitik zurückzukehren.
Sie waren diejenigen, die uns vor ein paar Wochen
gefragt haben, warum wir Griechenland nicht gleich
Geld gegeben haben. Das wäre ein Fehler gewesen. Man
gibt jemandem, der sich überschuldet hat, kein Geld,
wenn man nicht gleichzeitig von ihm verlangt, die Ursachen seiner Misere zu beseitigen.
({26})
Bei der Regulierung hat doch diese Regierung Tempo
gemacht.
({27})
Ich muss dazu einmal festhalten, was gerade auch von
Frau Hendricks und auch von anderen noch einmal eingeführt worden ist: Die Hedgefonds, die in Ihren Augen
ja kein Problem sind - das wollen wir hier doch bitteschön einmal festhalten -,
({28})
sind unter Ihrer Regierungszeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, zugelassen worden,
und zwar unreguliert.
({29})
Wir haben in unserer Regierungszeit dafür gesorgt, dass
es jetzt eine europäische Richtlinie gibt.
({30})
Innerhalb von wenigen Monaten ist eine Regulierung gelungen, die Ihnen in elf Jahren nicht ein einziges Mal gelungen ist.
({31})
Auch über das Verbot der ungedeckten Leerverkäufe
muss klar gesprochen werden. Das Verbot, das ausgesprochen worden ist - hier können Sie einmal auf Herrn
Gysi hören; Sie hören mittlerweile ja sowieso immer
mehr auf ihn -, war ein von Ihnen befristetes Verbot.
({32})
Es lief zum 31. Dezember 2009 aus. Wir haben in dieser
Regierung - auch der Finanzminister - mit Unterstützung der gesamten Koalition dafür gesorgt, dass dieses
Verbot der ungedeckten Leerverkäufe jetzt wieder eingeführt worden ist. Wir haben gehandelt und den Schaden
beseitigt, den Sie angerichtet haben.
({33})
Ich komme zum Schluss. Herr Kollege Gabriel, das
ist heute eine Entscheidung von einer wahrscheinlich
historischen Dimension,
({34})
und zwar weniger in der Frage des Geldes und der Garantien als vielmehr in der Frage: Was ist uns Europa
wert? Und: Ist unsere Generation, die den Krieg nicht
mehr erlebt hat, bereit, Europa auch in schweren Zeiten
zu verteidigen? Das wird die eigentliche Bewährungsprobe von Europa und für Europa sein.
Wir haben jedes Mal in den letzten zehn Tagen einen
Schritt auf Sie zugemacht. Sie sind jedes Mal einen
Schritt zurückgegangen.
({35})
Das war am Freitag, dem 7. Mai, so. Es war in dieser
Woche so, und es ist auch heute noch einmal durch die
Rede des Bundesfinanzministers deutlich geworden. Wir
gehen jedes Mal einen Schritt auf Sie zu. Sie wollen sich
heute nicht entscheiden, weil Sie wissen, dass es zu
Hause wegen der verantwortungsvollen Entscheidung
Ärger geben könnte.
({36})
Aber in solchen Stunden geht es darum, dass man darauf achtet, was für Deutschland und Europa richtig ist,
statt darauf, ob man zu Hause ein paar Stimmenvorteile
kriegen kann.
({37})
Innenpolitik ist Ihr Motiv, aber nicht die Verantwortung für unser Land.
({38})
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jürgen
Trittin das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Lieber Herr Westerwelle, Sie hätten
gar nicht so laut sprechen müssen. Es ist aber das erste
Mal, dass Sie öffentlich wahrnehmbar etwas zu dieser
Krise sagen.
({0})
Sie sind der erste Bundesaußenminister, der es fertiggebracht hat, im Angesicht der historischen Bedrohung des
Euro - da zitiere ich Ihre Kanzlerin - über Wochen hinweg sprachlos gewesen zu sein.
({1})
Sie haben bei den antieuropäischen Ausfällen Ihres
Stellvertreters Pinkwart geschwiegen.
({2})
Sie haben geschwiegen, als Ihr ehemaliger finanzpolitischer Obmann als Ratschlag zur Behebung der Griechenland-Krise erklärt hat, dann sollten doch die Griechen ihre Inseln verkaufen.
({3})
Zu all dem war der bekennende Europäer Guido
Westerwelle nicht zu hören, zu keinem Zeitpunkt.
Ich habe mich aber deshalb zu Wort gemeldet, weil
Sie mir etwas unterstellen, was ich mir nicht gerne unterstellen lasse.
({4})
Ich habe bei der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden durch die Bundeskanzlerin nicht Herrn Asmussen,
sondern die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik
Deutschland, Dr. Angela Merkel, gefragt: Ist das so, dass
wir vor der zweiten Lesung die Verträge bekommen? Sie
hat gesagt: Ja.
Das, was Sie mit lautem Getöse zu verstecken versuchen, ist der Wortbruch der Kanzlerin. Das kann man
nicht mit Lautstärke überdecken.
({5})
Sie müssen aufpassen bei den Vorwürfen, die Sie anderen gegenüber erheben. Ich will das nur an einem Beispiel deutlich machen. Sie haben hier die Opposition bezichtigt, wir würden uns vor Europa verstecken,
({6})
weil wir mit dem Argument, es lägen nicht alle Fakten
auf dem Tisch, nicht beschließen wollten. Schauen Sie
doch einmal auf das Europäische Parlament. Dort haben
die Liberalen zusammen mit den Konservativen gerade
eine Beschlussfassung genau aus diesem Grund abgesetzt. Sind auch Ihre liberalen Parteifreunde in Europa
Antieuropäer?
({7})
Letzte Bemerkung. Wer wie Sie von der FDP in einer
Situation, in der wir schon im Januar die Maastricht-Kriterien verletzt hatten, eine Steuersenkung mit einem
Umfang von 8,6 Milliarden Euro zugunsten von Besserverdienenden durchsetzt, von dem lassen wir uns über
Haushaltskonsolidierung und Sparpolitik nicht belehren. Das ist, als ob der Blinde von der Farbe spricht.
({8})
Kollege Westerwelle, Sie haben gleich das Wort. Ich
verrate Ihnen aber schon: Es gibt eine weitere Kurzintervention, und zwar der Kollegin Hendricks, nur damit Sie
sich darauf einstellen können.
Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Kollege, zuerst zur Tonalität: Sie
haben gesagt, ich sei Ihnen in meiner Rede zu laut gewesen. Ich glaube, wir beide haben gerade feststellen können: Wenn wir engagiert sind, sind wir beide möglicherweise etwas lauter, als es vielleicht im normalen
Gespräch der Fall ist. Ich ahne, dass Sie mir das nach Ihrer Kurzintervention nie wieder vorwerfen werden.
({0})
Meine zweite Bemerkung betrifft die Fachfrage. Sie
haben gesagt, ich hätte als Außenminister zur Politik geschwiegen. Es ist Ihr gutes Recht, das zu sagen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Ich habe in beiden dritten Lesungen hier - am Freitag, dem 7. Mai, und heute gesprochen. Ich habe in der letzten Woche in der Sendung Was nun? beim ZDF Rede und Antwort gestanden.
Genauso werde ich es weitermachen, nämlich dort zu reden, wohin es gehört. Ich glaube, solche Debatten gehören in den Deutschen Bundestag. Deswegen ist es richtig, dass ich hier als Außenminister das Wort ergreife.
({1})
Herr Kollege Trittin, ich möchte Sie übrigens gar
nicht von mir überzeugen.
({2})
Ich möchte Sie davon überzeugen, heute zuzustimmen,
nicht weil es um mich, Frau Merkel, Herrn Schäuble
oder die Regierungskoalition geht, sondern weil es um
die Frage geht: Stehen Sie heute zu Europa? Um nichts
anderes geht es.
({3})
Letzte Bemerkung zu den Abläufen. An der angesprochenen Sitzung hat der Kollege Schäuble nicht teilgenommen. Aber die Frau Bundeskanzlerin, Herr de
Maizière, meine Person und andere haben daran teilgenommen.
({4})
- Absolut. - Herr Asmussen hat dort ausdrücklich als
Staatssekretär auf Bitten der Bundeskanzlerin die Frage
beantwortet - das ist wichtig für alle Abgeordneten im
Umgang miteinander; das ist keine Kleinigkeit; für die
Bürger draußen ist es vielleicht nur eine Randnotiz; aber
für die Abgeordneten und das Parlamentsverständnis ist
das eine wichtige Erklärung -: Können wir sicherstellen,
dass das in dieser Woche auch schriftlich vorliegt? Er hat
gesagt: Es handelt sich hier um einen Vertrag zwischen
mehreren nationalen Regierungen; ich kann das nicht sicherstellen.
({5})
Genauso ist es geschehen, und genauso ist es dort gesagt
worden. Vielleicht haben Sie das Ihren Leuten gesagt,
({6})
damit sie sich heute ihrer Stimme enthalten und nicht
wie beim letzten Mal mit Ja stimmen. Aber mit der
Wahrheit hat das nichts zu tun; darauf lege ich hier Wert.
({7})
Zu einer Kurzintervention hat das Wort die Kollegin
Barbara Hendricks.
In der Tat, Herr Bundesaußenminister, Ihre Rede war
nicht nur engagiert, sondern auch laut. Sie hat dadurch
aber nicht an Wahrheitsgehalt gewonnen.
({0})
Da Sie mich persönlich angesprochen haben, möchte
ich auf das, was Sie gesagt haben, eingehen. Selbstverständlich sind im Jahre 2004 in Deutschland Hedgefonds per Gesetz zugelassen worden; das bestreitet niemand. Wären die Hedgefonds in der Welt und in Europa
so reguliert, wie sie es in Deutschland von Anfang an
waren, dann hätten wir jetzt kein Problem mit Hedgefonds. Das, was die europäischen Finanzminister in dieser Woche zur Regulierung der in Europa ansässigen
Hedgefonds auf den Weg gebracht haben, bleibt im Regelungsgehalt hinter dem zurück, was in Deutschland
schon immer gegolten hat. Ich weiß, Sie sind kein Finanzpolitiker; Sie müssen das nicht unbedingt wissen.
Aber wenn Sie es nicht wissen, behaupten Sie nicht einfach das Gegenteil.
({1})
Ich darf im Übrigen daran erinnern, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschaftsgipfel in
Gleneagles im Jahre 2005 die Regulierung der Finanzmärkte angemahnt hat und dass unsere angelsächsischen
Freunde - damals hatten die Briten den Vorsitz - noch
nicht einmal bereit waren, über dieses Thema auch nur
zu reden. Da wir im Jahre 2007 den Vorsitz der G 7/G 8
hatten, hat Bundesfinanzminister Steinbrück in den beiden vorbereitenden Treffen mit den Finanzministern in
Potsdam und in Essen die Weichen dahin gehend gestellt, dass bei der Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der G 7/G 8 in Heiligendamm - Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie erinnern sich an den
wunderbaren Strandkorb - über die Regulierung der Finanzmärkte zumindest gesprochen wurde; schließlich
hatte Deutschland die Hoheit über die Tagesordnung.
Aber es wurden gleichwohl noch keine wirklich bindenden Beschlüsse gefasst - unsere angelsächsischen
Freunde waren nämlich immer noch nicht so weit -, sondern es wurden Prüfungsaufträge an das Financial Stability Forum, das mittlerweile in „Financial Stability
Board“ umbenannt worden ist, erteilt. Dieses Gremium
hat mittlerweile in der Tat etwas mehr Einflussmöglichkeiten. Die sind noch dabei bedauerlicherweise, international voranzukommen.
Der Präsident der Bundesbank, Herr Professor Weber,
hat noch in dieser Woche öffentlich gesagt, Ende dieses
Jahres werde man Vorschläge machen können und er
hoffe, das 2012 implementieren zu können. Das beruht
in der Tat auf den Vorarbeiten der Großen Koalition und
der ihr vorausgegangenen rot-grünen Koalition. So lange
dauert es.
Herr Bundesaußenminister in Ihrer Eigenschaft als
FDP-Vorsitzender, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass
Ihrer Fraktion in all den Jahren jedes Finanzmarktgesetz
nicht liberal genug war. Was Ihre Fraktion stets wollte,
war die bloße Deregulierung.
({2})
Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist
richtig, dass der Bundesaußenminister heute gesprochen
hat. Aber was hat er denn zu Europa gesagt?
({0})
Was hat er denn dazu gesagt, was die heutige Entscheidung für die Zukunft Europas bedeutet? Schließlich wissen wir, dass es Vertragsänderungen brauchen wird und
dass jetzt eine Frist von drei Jahren beginnt, in der Europa das bereitgestellte Zeitfenster nutzen muss, um endlich stabile Strukturen zu schaffen. Was haben wir von
Ihnen, Herr Bundesaußenminister, dazu gehört? Nichts
haben wir dazu gehört, obwohl es Ihre Aufgabe gewesen
wäre, dazu heute Stellung zu nehmen.
({1})
Es ist doch müßig, dass Sie jetzt als Parteivorsitzender hier die Schlachten der Vergangenheit schlagen. Wir
brauchen jetzt einen Bundesaußenminister, der die Regelsetzung für die Finanzmärkte in Europa vorantreibt.
Tun Sie das? Nein, Sie tun es nicht! Wie können Sie angesichts der Beschlusslage Ihrer Partei jetzt für das, was
Mehrheitsmeinung in diesem Hause und in der Bevölkerung ist, nämlich für eine Finanztransaktionsteuer, eintreten? Sie treten dafür nicht ein.
Sie tun so, als seien Sie jetzt für eine bessere Regelsetzung in Europa. Die Fakten sprechen gegen diese
Bundesregierung und gegen diesen Bundesaußenminister. Nehmen Sie das zur Kenntnis!
Bei der Regulierung von Hedgefonds hat sich der
Rat diese Woche verständigt; aber er hat sich - unter
Mitwirkung dieser Bundesregierung - auf etwas verständigt, was weiter zulässt, dass Hedgefonds von den
Cayman Islands aus hier in Europa ohne Regeln ihre Geschäfte machen können und dass Hedgefonds aus Europa im Ausland in unregulierte Konstrukte investieren
können. Sie setzen gerade nicht die Regeln, die wir brauchen. Wenn Sie dies tun wollten, müssten Sie sagen: Die
Bundesregierung unterstützt die Position des Europäischen Parlaments. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ich
fordere Sie auf, im jetzt stattfindenden Trilog in Europa
die Position des Europäischen Parlaments zu stützen und
sich von der bisherigen Position der Bundesregierung zu
verabschieden: Legen Sie die Hedgefonds endlich an die
Leine!
({2})
Wo ist diese Bundesregierung, wenn es darum geht,
die Finanzmärkte, die Hedgefonds an die Kette zu legen,
bessere Regeln zu setzen? Wo ist diese Bundesregierung,
wenn es darum geht, eine europäische Finanzaufsicht zu
schaffen, die in der Lage ist, grenzüberschreitende Institute zu regulieren? Der entscheidende Blockierer in dieser Frage ist diese Bundesregierung. Machen Sie den
Menschen nicht vor, Sie seien für eine Regulierung der
Finanzmärkte! In Brüssel tun Sie immer das Gegenteil.
({3})
Wir diskutieren hier auch über neue Regeln für die
Banken; diesen Punkt haben wir sozusagen mit auf der
Tagesordnung. Sie reden immer davon, dass wir eine
Schuldenbremse für die Staaten brauchen. Genauso
brauchen wir eine Schuldenbremse für die Banken.
Doch auch im Hinblick auf neue Regeln für die Banken
steht die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Basel auf der Bremse. Nicht nur die Schulden der Staaten
müssen kontrolliert werden, sondern auch die Überschuldung im Bereich der Finanzmärkte, die uns diese
Krise eingebrockt hat. Ich fordere Sie auf: Machen Sie
endlich den Weg frei für eine klare Schuldenbremse für
die Banken!
({4})
Ich möchte ein Letztes sagen, zum Verfahren. Wissen
Sie, es ist ja nicht so, dass die Finanzmärkte nicht wüssten, was eine stabile Regelung ist und was nicht. Die
Frage ist doch: Wann steht die Zweckgesellschaft? Solange die Zweckgesellschaft nicht steht, können Sie uns
nicht vorwerfen, wenn wir sagen: Das müssen wir uns
erst anschauen. - Es kommt nun einmal darauf an, wie
die Regel wirklich aussieht. Solange das nicht klar ist,
gibt es keinen Druck für den Bundestag, zu entscheiden.
Sie instrumentalisieren die Finanzmärkte, um Ihre Fraktionen zu disziplinieren. Das ist eine ganz schofelige Geschichte.
({5})
Eines geht auch nicht - das muss man auch einmal
ganz klar sagen -: Sie tun hier so, als sei das mit dem
Vertrag eine Petitesse. Darum möchte ich für meine
Fraktion deutlich sagen: Es geht nicht an, dass Sie einerseits schimpfen, dass die Banker Produkte gekauft haben, die sie nicht kannten, und Zweckgesellschaften in
Irland gegründet haben, die sie nicht im Griff hatten, andererseits aber von uns verlangen, der Errichtung einer
Zweckgesellschaft in Luxemburg zuzustimmen, deren
Vertragswerk wir nicht kennen. So etwas geht nach unserer Meinung mit diesem Bundestag nicht.
({6})
Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zuallererst möchte ich meine größte Hochachtung für die Leistung zum Ausdruck bringen, die Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble in einer gesundheitlich schwierigen Situation im Dienste unseres
Landes erbracht hat.
({0})
Wir verbinden damit alle guten Wünsche für die Gesundheit und wünschen viel Kraft für alles, was in
nächster Zeit zu bewältigen sein wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bereits von vielen Rednern gesagt worden: Wir befinden
uns wieder in einer Situation, in der wir sehr schnell entscheiden müssen und sehr weitreichende Entscheidungen zu treffen haben, ähnlich wie vor zwei Wochen und
ähnlich wie im Jahre 2008, als wir in kürzester Zeit mit
intensivsten Beratungen das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Das sind weitreichende Entscheidungen.
({1})
Auch die dramatische Entwicklung vor 14 Tagen hat
dieses schnelle Handeln erforderlich gemacht. Trotz dieser schwierigen Situation müssen wir gründlich arbeiten.
Wir dürfen nicht die Grundpfeiler der europäischen
Währungsunion infrage stellen.
({2})
Deswegen ist es wichtig, dass es dabei bleibt, dass jedes
Mitgliedsland die Verantwortung für seine eigene finanzielle Situation übernimmt. Es ist wichtig, dass wir daran
festhalten, dass es zu keiner Transferunion kommt. Es
ist auch wichtig, dass der Europäischen Union oder der
Europäischen Kommission keine Verschuldungskompetenz eingeräumt wird. Darüber hinaus - darauf legen wir
ganz besonderen Wert - darf nicht in geringster Weise an
der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gezweifelt werden.
({3})
Ich denke, jedes Mitglied dieses Hauses macht sich diese
Entscheidungen nicht leicht, unabhängig davon, welche
Entscheidung letztlich getroffen wird. Es ist auch nicht
leicht, den Bürgern diese Entscheidung zu erklären. Wir
müssen aber deutlich machen, so wie es vorhin auch der
Bundesaußenminister getan hat: Es geht um unser Land,
es geht um unsere Währung, es geht um die Währung
unserer Bürger und damit auch um den Schutz all dessen, was die Menschen in unserem Lande geleistet haben, was sie erarbeitet und gespart haben.
({4})
Alle Fachleute haben uns in der Anhörung bestätigt,
dass es um nicht mehr und nicht weniger als darum geht
- lieber Kollege Barthle, so hat es Professor Weber zum
Ausdruck gebracht -, den Bestand und die Stabilität der
Währung zu sichern. Alle haben uns geraten, so zu handeln, wie es vorgesehen ist, und schnell zu handeln, also
heute zum Abschluss zu kommen.
({5})
Es muss noch einmal erklärt werden, dass wir, auch
wenn große Summen im Spiel sind, keine Zahlungen aus
diesem 480-Milliarden-Programm leisten, sondern dass
wir eine Gewährleistung geben, also einen Rettungsschirm aufspannen. Wir hoffen, dass durch die Maßnahmen, die Grundlage für die Inanspruchnahme dieser Gewährleistungen sind, Vorsorge dafür getroffen wird, dass
dieser Schirm hält und dass diese Risiken für die Mitgliedstaaten und Gewährleistungsgeber nicht schlagend
werden. Deswegen ist es auch so wichtig, dass der Internationale Währungsfonds eingebunden ist, dass die
Maßnahmen konditioniert sind und dass die Mitgliedstaaten selber bereit sind, einen Stabilitäts- und Konsolidierungskurs einzuschlagen. Ich freue mich über die
Meldung, die ich eben bekommen habe, dass auch Spanien gerade ein sehr strammes Sparpaket im Parlament
verabschiedet hat. Natürlich müssen die Maßnahmen
streng überwacht werden und weitere Leistungen an die
Fortschritte gekoppelt werden. Wir kommen nicht umhin, dass alle europäischen Mitgliedstaaten, aber besonders die von der Krise betroffenen Staaten, wieder zu einem überzeugenden Stabilitäts- und Wachstumskurs
zurückkommen. Dann sind wir insgesamt weniger angreifbar. Das ist das Erste.
Das Zweite ist: Es ist nicht zu leugnen, dass es diese
Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten gab und
dass viele Akteure, die sehr weit weg waren, mit sehr
viel Geld unser System infrage gestellt haben. Dem ist
Einhalt zu gebieten. Einer der Experten hat in den Anhörungen von einem Angriffskrieg gegen den Euro gesprochen. Diesen Mitteln und Methoden und diesen Akteuren muss Einhalt geboten werden. Die Bundesregierung
hat dazu sehr viel auf den Weg gebracht, im Gegensatz
zu dem, was Herr Oppermann vorhin gesagt hat, und
zwar auf der europäischen Ebene und auf der Ebene der
G 20. Wenn Herr Gabriel den Eindruck erweckt, wir hätten seinerzeit das Verbot der Leerverkäufe aufgehoben,
so muss ich ihn berichtigen. Die seinerzeitige Allgemeinverfügung, von der BaFin unter dem damaligen
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erlassen, war
zeitlich befristet.
({6})
Ich gebe zu, dass auch er sich an Recht und Gesetz, nämlich das Wertpapierhandelsgesetz, halten musste. Man
sollte aber nicht den Eindruck erwecken, diese Bundesregierung hätte das frühere Verbot aufgehoben. Ganz im
Gegenteil: Jetzt gab es wieder Anlass, eine neue Allgemeinverfügung zu erlassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke,
wir haben heute eine schwierige Entscheidung zu treffen, aber wir haben keine wirklich bessere Alternative,
weil nach meiner festen Überzeugung das Scheitern und
der Zerfall des Euro und damit in weiten Teilen auch der
Zerfall des geeinten Europas keine Alternative ist, die
man mit Blick auf die Interessen der Menschen und vor
dem Hintergrund der europäischen Geschichte verantworten könnte.
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat der Kollege Bernhard SchulteDrüggelte für die Unionsfraktion.
Vizepräsidentin Petra Pau
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das Ziel dieses Gesetzes noch einmal
deutlich beschreiben. Das Ziel des Gesetzes ist, die Stabilität der Währungsunion zu sichern. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass ein betroffener Mitgliedstaat zusammen mit dem IWF, der EU-Kommission und der
EZB ein Konsolidierungsprogramm erarbeitet. Das Ziel
dieses Programms ist, dass das betroffene Land wieder
kapitalmarktfähig wird. Das ist das Ziel, das wir in dieser Zeit haben.
Das ist auch die Chance dieser Krise. Ich will es deutlich sagen: Die Chance dieser Krise ist, dass durch
strikte Maßnahmen finanz- und wirtschaftspolitischer
Natur die Staaten wieder zu einer soliden Haushaltspolitik zurückkehren können.
Ich will auch noch eine andere Bedingung nennen, die
ich wichtig finde. Wichtig ist für mich, dass das Programm zeitlich befristet ist und dass wir nicht gesamtschuldnerisch handeln und haften. Ich weiß nicht, wer
von Ihnen das Motto der Musketiere noch in Erinnerung
hat. Es gilt nur zur Hälfte. „Alle für einen oder für zwei
oder drei“, das mag noch angehen, aber nicht - das will
ich ganz deutlich sagen - „einer für alle“.
({0})
Es geht nicht nur um einzelne Länder, es geht auch
nicht nur um Innenpolitik - das hat hier nämlich gerade
stattgefunden -, sondern es geht auch um die Zukunft
Europas. Die Ursachen sind angesprochen worden. Ich
will es noch einmal sagen. Es geht darum, die Staatsverschuldung aller Länder in Europa zu verringern, konsequent Gegenmaßnahmen einzuleiten und konsequent zu
konsolidieren.
({1})
Aber Europa braucht auch Solidarität, eine Solidarität, die nicht nur auf Rechten, sondern auch auf Pflichten
fußt. Man muss es noch einmal sagen: Europa ist keine
Schönwettergemeinschaft. Ich will an ein Wort unseres
Bundespräsidenten Köhler erinnern: Um den Teufelskreis immer größerer Finanzkrisen zu durchbrechen,
braucht man in bestimmten Fragen mehr Europa und
nicht weniger.
Ich will bekennen, dass wir uns hier in Deutschland
aber auch an unsere eigene Nase fassen müssen. Wenn
Vertrauen der Grundstock für die Märkte ist, dann hat allein schon die Vorstellung, die Währungsunion könne
zerbrechen, zu Verunsicherung geführt. Deshalb wäre es
auch gerade nach der vergangenen Diskussion ein starkes Signal für Europa, wenn das vorliegende Gesetz mit
einer großen Mehrheit verabschiedet werden könnte und
die Ausreden wegfallen.
({2})
Wir müssen auch einmal ganz klar sagen, dass
Deutschland vom Euro enorm profitiert hat.
({3})
Ich will kurz an die Geschichte erinnern. Vor zehn Jahren waren wir fast das Schlusslicht in Europa, und jetzt
stehen wir im Vergleich ganz oben. Ich will auch sagen,
welche Leistungen dafür maßgeblich waren: Es waren
die Leistungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch von tüchtigen Unternehmern, weitsichtigen Gewerkschaften und - ich will das überhaupt nicht
abstreiten - der Politik. Aus der Mitte des Parlaments
heraus hat sich in zehn Jahren Deutschland stark verändert. Die Relationen zwischen den Volkswirtschaften haben sich verändert. Diese Veränderung hat natürlich
auch zu Spannungen geführt; das hat Herr Trittin übrigens auch in einem Redebeitrag bei der ersten Lesung
deutlich gemacht. Als führendes Land in Europa haben
wir, auch im nationalen Interesse, Verantwortung für andere. Aber dann müssen auch Fragen beantwortet werden: Erstens. Gibt es in den Demokratien Europas eine
Kultur der Stabilität? Zweitens. Gibt es eine Nachhaltigkeit bei der Finanzierung der Staaten? Drittens. Gibt es
- das müssen wir auch für uns beantworten - eine Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen? Diese Fragen müssen wir uns stellen.
({4})
Vor gut zwei Wochen haben wir in einem ersten
Schritt Kreditgarantien ausgesprochen, um das Konsolidierungsprogramm in Griechenland zu unterstützen. Das
war dringend geboten. Heute soll in einem zweiten
Schritt ein Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen
verabschiedet werden. Das hat folgenden Grund: Es soll
eine unkontrollierte Eigendynamik verhindert werden,
die die Stabilität der Währungsunion insgesamt gefährdet. Das nämlich hätte erhebliche Konsequenzen für
die gesamte Weltwirtschaft. So kam es in der Stellungnahme der Bundesbank bei der Anhörung im Haushaltsausschuss am vergangenen Mittwoch zum Ausdruck.
Das ist die Lage, in der wir entscheiden müssen. Wir
müssen auch respektieren, dass viele Menschen Angst
haben, dass sie sich zu Recht Sorgen machen um die Stabilität der Währung, die Stabilität und Solidität der
Staatsfinanzen. Aber ich will auch eines sagen, an uns
und ebenso an die Opposition gerichtet: Die Parlamente
sind dafür verantwortlich; sie haben die Pflicht, die
Währung zu schützen.
({5})
Allen Unkenrufen zum Trotz sage ich ganz deutlich: Der
Euro ist stark, und das soll auch so bleiben. Ein stabiler
Euro ist in unserem nationalen Interesse.
Ich will im Rahmen dieser Debatte im Deutschen
Bundestag den früheren italienischen Botschafter in Berlin, Antonio Puri Purini, zitieren, der am 12. Mai dieses
Jahres in der Zeit Folgendes geschrieben hat - damit bekommen wir eine andere Sicht auf die Dinge -:
… ich denke, dass Ihr Deutschen noch immer bereit
seid, an ein gemeinsames europäisches Ziel zu
glauben. Ich denke auch, dass Ihr mehr als andere
in der Lage seid, Gefühl und Verstand zu vereinen:
Europa braucht beides …
Ich hoffe, dass das noch für dieses ganze Haus gilt. Jetzt
ist die Zeit, gemeinsam verantwortlich zu handeln, entschlossen und - das möchte ich hinzufügen - zuversichtlich.
({6})
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Gregor Gysi.
({0})
Herr Kollege Schulte-Drüggelte, ich habe eine Sache
satt, die auch Sie wiederholt haben, obwohl Sie gar nicht
dabei waren; deshalb will ich das einmal richtigstellen.
Sie werfen der Opposition hier faule Ausreden beim Abstimmungsverhalten vor. Da ich an der Beratung mit der
Bundeskanzlerin teilgenommen habe, will ich Ihnen drei
Dinge sagen:
Der erste Punkt. Damals wurde uns gesagt, es sei
nicht so eilig. Es war nie die Rede davon, dass innerhalb
einer Woche alles entschieden wird. Es hieß: die erste
Lesung in der Woche, und dann sehen wir einmal weiter,
wann die zweite Lesung stattfindet. - So war die Atmosphäre.
Das Zweite war, dass nicht nur der Kollege Trittin,
sondern alle Fraktionsvorsitzenden, übrigens auch Sie,
Herr Kauder, und auch Frau Homburger, darauf bestanden haben, dass wir den Vertrag zur Gründung der
Zweckgesellschaft zu lesen bekommen, bevor in zweiter
Lesung entschieden wird.
({0})
Damals, Herr Kauder - erinnern Sie sich! -, wollten Sie
das auch, und auch Frau Homburger wollte das. Warum
Sie sich jetzt haben umstimmen lassen, ist mir völlig
schleierhaft; das muss ich hier einmal sagen. Ich finde,
wir haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, auf welcher vertraglichen Grundlage das Ganze läuft.
({1})
Zum dritten Punkt. Mit diesem Gesetz geben wir der
Bundesregierung das Recht, ohne Befragung des Parlaments, nur mit nachträglicher Information über
120 Milliarden Euro zu entscheiden - das ist doch keine
Kleinigkeit! -,
({2})
und wir wissen nicht einmal, auf welcher vertraglichen
Grundlage.
({3})
Deshalb sind das keine Ausreden, sondern gewichtige
Argumente.
({4})
Zur Erwiderung Herr Schulte-Drüggelte, bitte.
Ich bedanke mich. - Ich freue mich, dass Sie einigermaßen gut zugehört haben. Aber das, was Sie behaupten,
habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass Sie sich vor
einer Sache drücken wollen. Vor einer wichtigen Frage,
die ganz Europa betrifft, wollen Sie sich mit formalen
Argumenten drücken.
({0})
Das machen wir nicht mit, und das werden wir Ihnen immer vorhalten.
Das Zweite. Als Mitglied des Haushaltausschusses
sage ich Ihnen: Wir haben intensiv beraten, und es ist dafür gesorgt worden, dass das Parlament bei allen Verfahren eingebunden ist. Dabei werden die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichtes, wie das Parlament mit der
Regierung in europäischen Fragen zusammenzuarbeiten
hat, beachtet.
({1})
So ist die Lage. Da können Sie nicht erzählen, dass das
nicht der Fall ist.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleis-
tungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungs-
mechanismus. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung, Drucksachen 17/1740 und
17/1741, den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/
CSU und FDP auf Drucksache 17/1685 in der Aus-
schussfassung anzunehmen.
Zunächst kommen wir zur einfachen Abstimmung.
Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu-
stimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Es ist beantragt, dass dazu eine
namentliche Abstimmung stattfindet. Sind an allen
Wahlurnen Schriftführer platziert? - Das scheint der Fall
zu sein. Ich eröffne die Abstimmung und bitte Sie, Ihre
Stimmkarten in die Wahlurnen zu werfen.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkar-
ten eingeworfen? - Das ist offenkundig der Fall. Dann
schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen.
Ich muss nachtragen, dass eine Reihe von persönli-
chen Erklärungen nach § 31 GO vorliegen, die wir zu
Protokoll nehmen.1)
Wir kommen nun zur Abstimmung über vier Ent-
schließungsanträge, wobei über drei Entschließungs-
anträge namentlich abgestimmt werden soll.
Als Erstes kommen wir zur namentlichen Abstim-
mung über den Entschließungsantrag der Fraktion der
SPD auf Drucksache 17/1809. - Ich sehe, die Plätze an
den Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm-
karte eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte, auszuzählen.2)
Wir stimmen nun über einen weiteren Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der SPD namentlich ab. Es
handelt sich um den Entschließungsantrag auf Drucksa-
1) Anlagen 2 bis 5
2) Ergebnis Seite 4451 D
che 17/1810. Ich eröffne die Abstimmung und bitte, die
Stimmkarten einzuwerfen.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm-
karte eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Ich
schließe die Abstimmung und bitte, auszuzählen.3)
Als Nächstes kommen wir zur Abstimmung mit
Handzeichen über den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 17/1811. Wer für diesen
Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um sein
Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist eindeutig abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur vierten namentlichen Abstim-
mung, und zwar über den Entschließungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es handelt sich um
den Entschließungsantrag auf Drucksache 17/1808. Ich
eröffne die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten ein-
zuwerfen.
Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkar-
ten eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Dann
schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Die
Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen werden Ih-
nen später bekannt gegeben.4)
Ich kann Ihnen schon das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung zum Gesetzentwurf bekannt geben:
abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 319,
mit Nein haben gestimmt 73, Enthaltungen 195. Der Ge-
setzentwurf ist angenommen.
3) Ergebnis Seite 4454 C
4) Ergebnis Seite 4456 D
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 587;
davon
ja: 319
nein: 73
enthalten: 195
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Manfred Behrens ({1})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({2})
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({3})
Dirk Fischer ({4})
Axel E. Fischer ({5})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({6})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({7})
Dr. Egon Jüttner
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({8})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
({9})
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({10})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({11})
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({12})
Nadine Müller ({13})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({14})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({15})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({16})
Anita Schäfer ({17})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({18})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({19})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({20})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({21})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({22})
Peter Weiß ({23})
Sabine Weiss ({24})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({25})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({26})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Pascal Kober
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({27})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({28})
Michael Link ({29})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabi Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({30})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({31})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({32})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({33})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({34})
Nein
CDU/CSU
Alexander Funk
Dr. Peter Gauweiler
Klaus-Peter Willsch
SPD
Wolfgang Gunkel
FDP
Dr. Lutz Knopek
Frank Schäffler
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({35})
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Sabine Zimmermann
Enthalten
CDU/CSU
Veronika Bellmann
Josef Göppel
Karl-Georg Wellmann
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({36})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({37})
Michael Groß
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({38})
Hubertus Heil ({39})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({40})
Frank Hofmann ({41})
Dr. Eva Högl
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({42})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({43})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({44})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({45})
Marlene Rupprecht
({46})
Axel Schäfer ({47})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({48})
Werner Schieder ({49})
Ulla Schmidt ({50})
Carsten Schneider ({51})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({52})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({53})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({54})
Volker Beck ({55})
Cornelia Behm
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({56})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({57})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({58})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Elisabeth Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({59})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({60})
Tagesordnungspunkt 27 a bis 27 c. Interfraktionell
wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen
17/1756, 17/1720, 17/1803 und 16/13741 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen beschlossen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 11 und 12 sowie den Tagesordnungspunkt 28 auf:
ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von
Städten, Gemeinden und Landkreisen
- Drucksache 17/1744 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({61})
Haushaltsausschuss
ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta
Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gewerbesteuer stabilisieren - nicht abschaffen
- Drucksache 17/1764 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({62})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
28 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({63}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert,
Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Für eine Verstetigung der Kommunalfinanzen Die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln
- Drucksachen 17/783, 17/1783 Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Tillmann
Dr. Axel Troost
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt
es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Katrin Kunert von der Fraktion Die
Linke das Wort.
({64})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
bedauere, dass die Situation in den Kommunen nicht
mindestens genauso wichtig ist wie die Rettung des Euros. In Quickborn leihen Bürgerinnen und Bürger ihrer
Stadt Geld. In der Gemeinde Niederzimmern in Thüringen werden über 250 Schlaglöcher verkauft, damit die
Straßen saniert werden können.
({0})
Die Stadt Remscheid hat bei einem Verwaltungshaushalt
mit einem Volumen von 320 Millionen Euro ein aufgelaufenes Defizit von 100 Millionen Euro. Selbst wenn
die Stadt ihr ganzes Personal entließe, würde sie auf
10 Millionen Euro Schulden sitzen bleiben. Darüber hinaus hat man der Stadt verboten, auszubilden, da das
eine freiwillige Leistung sei. Die Stadt Köln hat im März
dieses Jahres eine Bettensteuer beschlossen, um den
Haushalt etwas aufzumöbeln. Sie rechnet mit jährlichen
Zusatzeinnahmen in Höhe von 21 Millionen Euro. - Nun
könnten einige ganz Schlaue sagen: Na, seht mal, die
Kommunen lassen sich ja etwas einfallen und sind sehr
kreativ beim Finden von rechtlich zulässigen Steuern.
Diese Beispiele belegen jedoch die blanke Finanznot
der Kommunen. Hier müssen wir endlich tätig werden.
({1})
Milliarden zur Rettung von Banken, zur Rettung von
Griechenland und zur Rettung von ganz Europa werden
ganz schnell und ohne ausreichende Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen. Städten, Gemeinden und Landkreisen wird ständig vorgeschrieben,
was sie zu tun und zu lassen haben. Von kommunaler
Selbstverwaltung kann überhaupt nicht mehr die Rede
sein. 480 Milliarden Euro für die Banken, 22 Milliarden
Euro für Griechenland und jetzt über 140 Milliarden
Euro für die Rettung Europas: Den Bürgerinnen und
Bürgern vor Ort und den kommunalen Mandatsträgern
ist es überhaupt nicht mehr zu vermitteln, warum lebensnotwendige Dienstleistungen für die Leute vor Ort wie
zum Beispiel der öffentliche Personennahverkehr nicht
mehr finanzierbar sind.
Bisher haben Sie, meine Damen und Herren, hier immer eine sehr abstrakte Debatte über die Kommunalfinanzen geführt. Erinnern möchte ich nur an Ihre Einsparungsrhetorik bei den Kosten der Unterkunft. Sie haben
immer gesagt: Die Kommunen werden um 2,5 Milliarden
Euro entlastet. Das Defizit in Höhe von 15 Milliarden
Euro in diesem Jahr spricht eine eigene Sprache. Zur Entlastung ist es nie gekommen.
Bisher stehen die Kommunen in der Finanzierungskette in Deutschland ganz hinten. Aber müssten nicht die
Kommunen der eigentliche Ausgangspunkt im Finanzgefüge sein? Die Kommunen sind keine Behörde an sich;
sie sind vielmehr die einzige staatliche Ebene, wo Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger entsteht. Dafür sind Sie hier verantwortlich.
({2})
In den Städten und in den Gemeinden gehen die Kinder
in die Kindertagesstätten, sie lernen in den Schulen, sie
lernen Schwimmen, sie lernen Kultur und Sport selbst
kennen. Außerdem gibt es ein Netz von vielfältigen Beratungsangeboten. Was aber, wenn Schwimmbäder geschlossen werden, Bibliotheken oder Musikschulen ihre
Preise erhöhen? Die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen der Ausgangspunkt für eine solide und auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen sein.
Ich will auf zwei Aspekte eingehen. Zum einen haben
sich das Tempo und die Dynamik der Sozialausgaben in
den Kommunen rasant entwickelt. Während zwischen
1992 und 2002 die Sozialausgaben 6 Milliarden Euro betrugen, lagen sie im Zeitraum von 2003 bis 2009 schon
bei 10 Milliarden Euro, also fast eine Verdopplung der
Kosten in nahezu der Hälfte der Zeit. Hier müssen wir
endlich einmal wach werden.
({3})
Dafür tragen alle bisherigen Regierungskoalitionen in
diesem Hause die Verantwortung.
Ich will ein Zweites sagen: Die Dramatik besteht darin, dass die Kommunen, die schon mit wirtschaftlichen
Problemen zu kämpfen haben, auch die meisten Sozialausgaben schultern müssen. Die Kommunen sind daran
nicht schuld. Man muss auch hier sagen, dass die bisherigen Regierungskoalitionen daran die Schuld tragen und
noch nicht einmal im Ansatz den Versuch unternommen
haben, die Finanzierung wieder geradezurücken.
Wir schlagen Ihnen fünf konkrete Maßnahmen vor, die
sofort umgesetzt werden können. Erstens: Rücknahme der
beschlossenen Unternehmensteuersenkungen und Verzicht
auf weitere Steuersenkungen. An die FDP gerichtet,
sage ich: Sie haben doch auf Ihrem Bundesparteitag einen
Antrag auf Senkung der Mitgliedsbeiträge mit der Begründung abgelehnt, dass sich durch Senkung des Mitgliedsbeitrages das Problem der Parteifinanzkrise nicht
lösen ließe. Sehen Sie also bitte auch in Zukunft von weiteren Steuersenkungen einfach ab.
({4})
Zweitens. Wir sind für die Entschuldung der hochverschuldeten Kommunen.
Drittens sind wir für die Entwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer.
Viertens wollen wir, dass der Anteil des Bundes an
den Kosten der Unterkunft, der Grundsicherung im Alter
und auch bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für Kinder unter drei Jahren erhöht wird.
({5})
Fünftens wollen wir ein verbindliches und einklagbares Mitwirkungsrecht für die Kommunen bei der Gesetzgebung des Bundes.
Ich wünsche mir wirklich, dass Sie sich genauso emotional und verantwortungsbewusst, wie Sie hier für Europa gesprochen haben, für die Kommunen einsetzen;
denn hier findet das Leben statt. Hier ist auch die Demokratie in Gefahr.
({6})
Das Wort hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg für
die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Kommunen sind - das ist unbestreitbar - tatsächlich in
einer sehr ernsten Lage, aber die Schnellschüsse, die Sie
uns heute auf den Tisch gelegt haben, sind kein Beitrag
zur Lösung dieser kritischen Lage.
({0})
Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als um
ein schlichtes Steuererhöhungspaket. Es werden neue
Steuern für die gesamten Freiberufler in dieser Republik
erfunden. Darüber hinaus fordern Sie Steuererhöhungen
zulasten des Mittelstands, vieler kleiner und mittlerer
Unternehmen und damit letzten Endes auch zulasten der
Arbeitsplätze in diesem Land.
Sie schreiben in Ihren Anträgen, dass Sie durch Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und durch verschiedene Hinzurechnungen die Situation der Kommunen verbessern würden. Das mag
sogar kurzfristig der Fall sein. Auf längere Sicht wird
das jedoch viele Unternehmen erdrosseln. Denn letzten
Endes wollen Sie Kostenpositionen, Mieten, Pachten,
Zinsen und anderes, stärker besteuern. Dann kommen
wir in eine Situation, in der Betriebe Steuern zahlen
müssen, obwohl sie gar keine Gewinne machen. Das
müssen Sie einmal unseren Zuschauern hier heute erklären, wie das funktionieren soll, dass Unternehmen, die
unter dem Strich keine Gewinne machen, trotzdem zur
Zahlung der Gewerbesteuer herangezogen werden. Hier
entstünde sogar die abstruse Situation, dass die Unternehmer, die an zwei verschiedenen Betriebsstandorten
tätig sind, im Hinblick auf die Gewerbesteuer noch nicht
einmal ihre Verluste und Gewinne miteinander verrechnen könnten, weil die Gewerbesteuer ja eine Realsteuer
ist, die eben am Ort erhoben wird. Ein kleiner Handwerksbetrieb würde dann unter dem Strich Verluste machen, weil er an dem einen Standort bei null und an dem
anderen Standort unter der Wasserlinie arbeitet. Dieser
würde nach Ihrem Modell unter dem Strich Gewerbesteuer zahlen.
({1})
- Sie können ja gleich darauf eingehen, Herr Sieling.
Wenn Gewinne und Verluste an verschiedenen Standorten also bei der Gewerbesteuer nicht miteinander verrechnet werden könnten, entstehen solche abstrusen Situationen. Gerade in dieser wirtschaftlich angespannten
Situation - deshalb haben wir ja über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gegengesteuert - würden Sie damit
viele Unternehmen in den Ruin treiben und massiv Arbeitsplätze vernichten.
({2})
Schon alleine deswegen können wir Ihren Anträgen hier
und heute nicht zustimmen. Unternehmen, die pleite
sind, kommen nämlich auf Dauer für Gewerbesteuerzahlungen nicht mehr in Betracht. Sie hätten dann die Steuerbasis zerstört.
Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz - das haben Sie gerade kritisch angemerkt, Frau
Kunert - dem Mittelstand in dieser kritischen Situation
Liquidität verschafft. Das hat viele mittelständische Unternehmen vor dem Exitus gerettet. Dies wird auf Dauer
die kommunale Steuerbasis nicht schwächen, sondern
stärken. Deswegen wird das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die kommunale Steuerbasis auf Dauer stärken und erhärten.
({3})
Ungefähr die Hälfte des Volumens des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes betrifft Kindergeld und Kinderfreibeträge, davon der ganz große Teil Kindergeld.
Auch das ist ein Beitrag, um die Kommunen zu entlasten. Denn gerade kinderreiche Familien sind gefährdet,
in die Grundsicherung abzudriften. Das verhindern wir
auch durch die Zahlung des erhöhten Kindergeldes. Insofern entlastet das viele Kommunen.
Sie haben ja zu Recht erwähnt, dass die Sozialausgaben für die Kommunen ein zunehmend größeres Problem darstellen. Die Leistungen zur Grundsicherung machen mittlerweile 24 Prozent der sozialen Ausgaben der
Kommunen aus. Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung des Kindergeldes ein ganz konkreter Beitrag, um
die Kommunen zu entlasten.
Die weiteren Beiträge sind - das haben wir gerade gemacht - die Einigung bezüglich der Jobcenter, an der Sie
mitgewirkt haben,
({4})
und die Verlängerung der Zahlung des Kurzarbeitergeldes. Die Kollegen von der SPD werden sicherlich gleich
sehr selbstgefällig gute Ratschläge geben, wie wir das
schon heute Morgen erlebt haben.
({5})
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass
Sie es unter Rot-Grün waren, die die Gewerbesteuerumlage, die ja jetzt abgeschafft werden soll, erhöht haben.
Darüber hinaus erinnere ich daran, dass Sie 2005 hier
den Antrag eingebracht haben, den Bundesanteil an den
Kosten der Unterkunft rückwirkend auf Null zu setzen.
({6})
Daran wollen wir - wir haben ja heute mehrfach von
verschiedener Seite Aufforderungen zur Ehrlichkeit bekommen - der Ehrlichkeit halber erinnern. Die Kommunen sind in einer kritischen ökonomischen Situation.
Dazu haben auch Bundesgesetze beigetragen; das dürfen
wir nicht in Abrede stellen. Auch das Bürgerentlastungsgesetz hat dazu beigetragen, dass sich die Situation in
den Kommunen verschärft hat.
Die Gewerbesteuer ist ein weiteres Element. Auch die
konjunkturelle Situation hat dazu beigetragen. Das ist
die andere Seite der Medaille, die im Moment für ungefähr 50 Prozent des Wegfalls der Einnahmen bei den
Kommunen verantwortlich ist. Die Einnahmen durch die
Gewerbesteuer sind in den verschiedenen Kommunen
um 30, zum Teil auch um 50 Prozent eingebrochen. Es
ist wichtig, jetzt nicht nur kosmetische Lösungen zu finden, sondern eine Lösung aus einem Guss. Wir brauchen
eine strukturelle Veränderung.
Es ist richtig, jetzt nicht den Weg über Ihre Schnellschüsse zu gehen, sondern über die Kommission, die der
Bundesfinanzminister eingerichtet hat und an der die
Länder und die kommunalen Spitzenverbände richtigerweise beteiligt sind. Wenn man nach dauerhaften stabilen Einnahmen für die Kommunen sucht, sollte man
auch sehr ernsthaft dem Vorschlag nachgehen, die Gewerbesteuer durch einen Anteil der Kommunen an der
Umsatzsteuer
({7})
und durch einen Zuschlag auf Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatzrecht zu ersetzen. Das
sollten wir ernsthaft und sorgfältig prüfen.
Diese Kommission hat einen weiteren Vorteil.
({8})
Sie nimmt auch die Kostenseite in den Blick. Das haben
Sie hier noch nicht erwähnt.
({9})
Es ist mir aber sehr wichtig, dass wir auch über die Kosten, also über das Sparen, reden. Wir dürfen nicht nur
darüber reden, wo man zusätzliche Einnahmen generieren kann, wie man womöglich die Bürger zusätzlich belasten kann, sondern wir müssen auch darüber reden, wo
gespart werden kann.
({10})
Deswegen ist es wichtig, dass sich die Kommission auch
mit den Ausstattungsstandards befasst. Das ist der richtige Weg, um zu einer nachhaltigen strukturellen Verbesserung zu kommen. Wir unterstützen die Kommission
des Bundesfinanzministers und werden über die Vorschläge, die sie vorlegen wird, sachlich und entspannt
diskutieren. Ihre Schnellschüsse von heute lehnen wir
ab.
Danke.
({11})
Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir beschäftigen uns heute, wie wir es eigentlich in jeder Sitzungswoche tun, mit der Situation der
Gemeinden. Ich finde es gut, dass das so ist. Im Finanzausschuss haben einige das bemängelt. Sie meinen, man
müsse ja nicht jede Woche darüber reden. Ich glaube, die
Lage der Kommunen ist so dramatisch, dass es sich
lohnt, jede Woche hier im Hohen Hause darüber zu sprechen.
({0})
Wir haben das auch in der letzten Sitzungswoche, also
vor zwei Wochen, getan. Das war der Freitag vor der
NRW-Wahl. Ich habe an diesem Pult gestanden und Ihnen am Ende meiner Rede ein Zitat über die Steuersenkungspartei FDP vorgelesen. Leider reichte meine
Redezeit nicht ganz aus, um das Zitat bis zum Ende vorzutragen. Deswegen nutze ich jetzt die Gelegenheit, das
nachzuholen.
({1})
Ich erspare Ihnen den Anfang. Aber es ist schon ganz
wichtig, zu wissen, was der Kommentator der Süddeutschen Zeitung vor zwei Wochen zu der Steuersenkungspartei FDP geschrieben hat. Er hat geschrieben:
Die Partei des Guido Westerwelle verspricht Steuersenkungen, wenn es dem Staat gut geht, weil
dann genug Geld dafür da sei. „Bürger am Aufschwung beteiligen“, heißt das dann. Und sie verspricht Steuersenkungen, wenn es dem Staat
schlecht geht, weil das angeblich die Wirtschaft
massiv ankurbele.
Bis dahin war ich gekommen. Jetzt kommt der Teil,
der noch gefehlt hat. Den finde ich auch wichtig:
Einen Grund, gegen Steuersenkungen zu sein, gibt
es für die FDP nicht. Wenn es darauf ankäme,
würde sie mit Steuersenkungen auch den internationalen Terrorismus oder isländische Vulkane bekämpfen.
Ich finde, der Kommentator hat völlig recht.
({2})
Das habe ich hier zwei Tage vor der NRW-Wahl vorgetragen. Jetzt wurde Ihnen bei der NRW-Wahl die rote
Karte gezeigt, und die schwarz-gelben Steuersenker sind
vom Platz geschickt worden. Das ist gut und richtig so.
({3})
Die Menschen haben gemerkt, was Ihre Steuersenkungsfantasien vor Ort anrichten. Dass wir über die Schließung von Theatern, von Schwimmbädern, von Büchereien und Ähnlichem reden müssen, dass, wie ich gerade
hörte, eine kleine Gemeinde im Münsterland - bisher
ging man davon aus, dass es denen noch gut geht - darüber nachdenkt, in der nächsten Ratssitzung eine Erhöhung der Grundsteuer um 50 Prozent beschließen zu
müssen, zeigt die Dramatik der Situation vor Ort. Daher
ist eine Diskussion über die Haupteinnahmequelle der
Kommunen eine Gelegenheit, die man nutzen sollte.
({4})
Ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit einen Hinweis
auf eine kleine Broschüre geben. Diese hat uns allen vor
zwei Tagen der Städtetag zukommen lassen. Sie heißt:
„Sozialleistungen der Städte in Not“. Das ist doppeldeutig, weil sich das „in Not“ sowohl auf Sozialleistungen wie auch auf Städte beziehen kann. Ich glaube, das
ist auch so gedacht. Es soll sich auf beides beziehen. Es
soll deutlich machen, dass die Städte in Not sind und
dass mit Städten in Not die Sozialleistungen nicht mehr
gewährt werden können.
In der Broschüre wird sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Soziallasten der Kommunen in den letzten
Jahren dramatisch angestiegen sind. Sie betragen mittlerweile über 40 Milliarden Euro, und zwar bei sinkenden Einnahmen. Das ist das Problem. Bis vor zwei Jahren liefen die Steigerungen der Ausgaben mit denen der
Einnahmen in etwa parallel.
({5})
In den Jahren 2007 und 2008 hatten die Kommunen in
Deutschland unterm Strich, alle zusammengenommen,
Überschüsse von knapp 8 Milliarden Euro. Im letzten
Jahr hatten die Städte ein Defizit zu verzeichnen.
({6})
- Wie ich sehe, möchte der Kollege Middelberg eine
Zwischenfrage stellen.
Wenn Sie gestatten, dann hat der Kollege Middelberg
jetzt das Wort.
Ja, gerne, Herr Kollege Middelberg.
Vielen Dank, Herr Kollege Scheelen. - Sie listen einige Fakten auf, die teilweise gar nicht bestreitbar sind
und die wirklich einen dramatischen Zustand kennzeichnen. Aber was uns natürlich interessiert, ist, was Sie
bzw. Ihre Fraktion - Sie haben schließlich in diesem
Hause elf Jahre lang den Finanzminister gestellt - konkret dazu beigetragen haben, um die Finanzsituation der
Kommunen zu verbessern, oder was Sie vielleicht auch
beigetragen haben, um diese dramatische Situation, die
Sie eben beschrieben haben, mitzuerzeugen. Ich denke
hier an die Sozialausgaben und die zusätzlichen Lasten
der Kommunen.
Herr Kollege Middelberg, Sie selber haben in Ihrer
Rede auf Dinge hingewiesen, die in den elf Jahren der
Regierungsbeteiligung der SPD beschlossen wurden. Ich
will Ihnen sagen, dass wir in den elf Jahren eine ganze
Menge für die Kommunen getan haben.
({0})
Wir haben die Gewerbesteuer erhalten und ausgebaut,
und zwar mit Ihnen gemeinsam. Wir haben zum Beispiel
die Elemente eingeführt, die Sie hier beklagen.
({1})
Sie haben sich eben hier hingestellt und gesagt, man
müsse den Leuten erklären, wieso man auf eine Miete
eine Steuer zahlen solle. Das Argument kenne ich. Das
klingt plausibel, aber man muss wissen, warum das so
ist. Das will ich Ihnen gerne ganz kurz erklären.
Wenn sich ein Unternehmen in eine Betriebs- und
eine Besitzgesellschaft aufteilt und die Betriebsgesellschaft an die Besitzgesellschaft Miete bezahlt, dann bezahlt sie sie aus ihren Gewinnen.
({2})
Sie zahlt sich sozusagen ihren eigenen Gewinn als Miete
in die eigene Tasche. Auf Mieten - das wissen Sie - werden keine Gewerbesteuern erhoben. Das heißt, das sind
Steuersparmodelle, von denen in den letzten Jahren und
Jahrzehnten massiv Gebrauch gemacht wurde. Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben. Das ist bei den
Kommunen sehr gut angekommen. Deswegen ist es ihnen bis 2007/2008 sehr gut gegangen. Das ist Folge von
rot-grüner, aber auch von schwarz-roter Politik.
({3})
- Liebe Kollegen von der Union, ich darf auf Folgendes
hinweisen: Wir standen vier Jahre gemeinsam in der
Verantwortung. Ich höre jetzt immer von der FDP, dass
die SPD an allem schuld ist, was in den letzten vier Jahren passiert ist. Dabei vermisse ich, dass Sie sich zu
Wort melden. Im Grunde werden auch Sie kritisiert, aber
Sie trauen sich nicht, etwas dagegen zu sagen, weil Sie
die Koalition nicht gefährden wollen. Aber die Kritik der
FDP richtet sich genauso gegen Sie.
({4})
Ich erwarte, dass Sie das, was wir gemeinsam sinnvollerweise beschlossen haben, hier verteidigen und dazu stehen.
({5})
In dieser Broschüre wird darauf hingewiesen, dass die
Soziallasten auf mittlerweile über 40 Milliarden Euro
mit einer kräftigen Dynamik in vielen Bereichen angestiegen sind. Ich will kurz vier Bereiche ansprechen, die
eine ganz besondere Dynamik aufweisen.
Der erste Bereich sind die auch von Ihnen erwähnten
Kosten der Unterkunft. Ich glaube, dabei sind wir noch
nicht am Ende der Diskussion. Das ist eine relativ neue
Geschichte. Wir haben diese Regelung vor fünf Jahren
eingeführt. Wir haben den Bund an den Kosten der Unterkunft beteiligt. In diesem Jahr zeigt sich, dass die
Krise dazu führt, dass die Zuschüsse des Bundes für die
Kosten der Unterkunft sinken werden, während gleichzeitig die Lasten für die Kommunen steigen.
Deswegen haben wir am 23. März dieses Jahres den
Antrag „Rettungsschirm für Kommunen“ in dieses Hohe
Haus eingebracht. Er enthält die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich Zurücknahme Ihres Beschlusses,
also der Absenkung des Kostenbeitrages um 400 Millionen Euro. Diesen Beschluss sollten wir als Erstes zurücknehmen, um den Kommunen die Gelegenheit zu geben, über die Krise hinwegzukommen, weil diese Mindereinnahmen der Krise geschuldet sind. Dem haben Sie
leider nicht zugestimmt.
Die zweite dynamische Ausgabenposition ist die
Grundsicherung im Alter. Sie ist in den letzten fünf
Jahren um 170 Prozent gestiegen. Das können wir nicht
einfach abtun, sondern das müssen wir zur Kenntnis
nehmen, um die Situation der Kommunen beurteilen und
daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können.
Der dritte Bereich ist die Eingliederungshilfe für
Behinderte. Das ist eine sinnvolle Maßnahme. Es geht
beispielsweise darum, Integrationshelfer in Schulen zu
finanzieren. Die Frage ist nur, ob die Kommunen das bezahlen müssen. Ist das nicht möglicherweise eine Länderaufgabe? Das ist ein Posten, der 11 Milliarden Euro
ausmacht und dramatische Steigerungsraten aufweist.
Auch da sind Antworten gefragt.
Dasselbe gilt - viertens - auch für die Erziehungshilfe für Kinder und Jugendliche, die ebenfalls eine
dramatische Steigerungsrate - 35 Prozent - aufweist.
Das heißt, die Schere zwischen steigenden Lasten und
sinkenden Einnahmen geht immer weiter auseinander.
Ihre Antwort darauf ist, eine Kommission einzusetzen.
Gegen das Einsetzen einer Kommission kann man zunächst einmal nichts sagen. Das kann ja durchaus sinnvoll sein. Wenn der Auftrag der Kommission aber so
lautet, wie er in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt
ist - Ersatz für die Gewerbesteuer prüfen -, dann haben wir große Bedenken und befürchten, dass dabei am
Ende nichts Sinnvolles und Richtiges herauskommen
kann. Bisher gibt es kein überzeugendes Modell, mit
dem die Gewerbesteuer ersetzt werden könnte. Nach außen erwecken Sie den Eindruck, dass es Modelle gibt,
die man überprüfen muss. Die Modelle sind alle nicht
neu. Sie sind alle seit 10 oder 15 Jahren auf dem Markt.
Sie sind alle schon mehrfach überprüft worden, unter anderem von der Kommission, die Hans Eichel 2002/2003
einberufen hat. Diese Kommission hat all das schon
überprüft, was Sie jetzt noch einmal überprüfen wollen.
Sie ist zu dem Ergebnis gekommen: Trotz aller Mängel,
die die Gewerbesteuer hat, gibt es keine bessere Möglichkeit zur Finanzausstattung der Kommunen. Sie hat
nämlich viele Vorteile, die die anderen Modelle nicht haben.
Ich will einen Hauptkritikpunkt an den Modellen,
die Sie prüfen wollen, kurz ansprechen. Jedes Modell,
das die Last der Gewerbesteuerzahlung von der Wirtschaft wegnimmt und auf Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
verteilt, wird unsere Zustimmung nicht finden. Es ist mit
Sozialdemokraten nicht zu machen, dass die Wirtschaft
entlastet wird und die Bürgerinnen und Bürger im Gegenzug als Verbraucherinnen und Verbraucher oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet werden.
Das geht mit uns auf gar keinen Fall.
({6})
Ein weiteres Problem wird sein, dass diese Modelle
zu Verschiebungen bezüglich des Steueraufkommens
in Deutschland führen. Die Verlierer werden eindeutig
die Kernstädte, die hohe Soziallasten zu tragen haben,
sein, aber auch der ländliche Raum; das haben die Untersuchungen 2003 schon gezeigt. Das heißt, wir werden
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland den verfassungsmäßigen Auftrag der Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse mit diesen neuen Modellen nicht erfüllen können.
Die Kommunen sind das Fundament der Demokratie.
({7})
Einige glauben, sie seien das Kellergeschoss. In das Kellergeschoss geht man nicht so gerne, weil es dort muffig,
kalt und feucht ist. Nein, sie sind nicht das Kellergeschoss. Sie sind das Fundament. Wenn das Fundament
eines Hauses brüchig ist, dann ist es um das Haus über
kurz oder lang nicht gut bestellt.
({8})
Deswegen sind wir gut beraten, zu gewährleisten, dass
die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Zu rotgrüner Zeit hatten wir diese Diskussion schon einmal.
Ich darf daran erinnern, da Sie, Kollege Middelberg, da
noch nicht hier waren. Damals hatten wir durchaus
ernstzunehmende Kräfte in der Regierung, die die Gewerbesteuer auch abschaffen wollten. Wer schon länger
hier im Hohen Hause ist, weiß, dass Rot-Grün, die Fraktionen, die Kraft gefunden hat, der eigenen Regierung
das Stoppschild vorzuhalten und zu sagen: So nicht. Wir
haben die Gewerbesteuer gerettet und gemeinsam mit
der CDU/CSU weiter ausgebaut.
({9})
Warum Sie das alles jetzt über Bord werfen wollen, kann
ich nicht verstehen. Mein Appell an Sie lautet: Haben
Sie den Mut, den Rot-Grün damals hatte.
Vielen Dank.
({10})
Ich komme zurück zu den namentlichen Abstimmungen und gebe das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmungen bekannt.
Ich komme zuerst zum ersten Entschließungsantrag
der SPD-Fraktion zum Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1809:
abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben 131, mit Nein
haben 328 gestimmt. Enthalten haben sich 128 Kolleginnen und Kollegen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 587;
davon
ja: 131
nein: 328
enthalten: 128
Ja
CDU/CSU
Josef Göppel
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({0})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({1})
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({2})
Hubertus Heil ({3})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({4})
Frank Hofmann ({5})
Dr. Eva Högl
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Vizepräsidentin Petra Pau
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({6})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({7})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({8})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({9})
Marlene Rupprecht
({10})
Axel Schäfer ({11})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({12})
Werner Schieder ({13})
Ulla Schmidt ({14})
Carsten Schneider ({15})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({16})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({17})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({18})
Manfred Behrens ({19})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({20})
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({21})
Dirk Fischer ({22})
Axel E. Fischer ({23})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({24})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({25})
Dr. Egon Jüttner
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({26})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({27})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({28})
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({29})
Nadine Müller ({30})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({31})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({32})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({33})
Anita Schäfer ({34})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Vizepräsidentin Petra Pau
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({35})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({36})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({37})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({38})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({39})
Peter Weiß ({40})
Sabine Weiss ({41})
Ingo Wellenreuther
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({42})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({43})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({44})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({45})
Michael Link ({46})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({47})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({48})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({49})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({50})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({51})
DIE LINKE
Sevim Dağdelen
Heike Hänsel
Enthalten
CDU/CSU
Karl-Georg Wellmann
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({52})
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({53})
Volker Beck ({54})
Cornelia Behm
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz ({55})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({56})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Vizepräsidentin Petra Pau
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({57})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({58})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Zweiter Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zum
Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1810: abgegebene Stimmen 582. Mit Ja haben gestimmt 128, mit Nein haben
gestimmt 330, und 124 Kolleginnen und Kollegen haben
sich enthalten.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 582;
davon
ja: 128
nein: 330
enthalten: 124
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({59})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({60})
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({61})
Hubertus Heil ({62})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({63})
Frank Hofmann ({64})
Dr. Eva Högl
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({65})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({66})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({67})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({68})
Marlene Rupprecht
({69})
Axel Schäfer ({70})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({71})
Werner Schieder ({72})
Ulla Schmidt ({73})
Carsten Schneider ({74})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({75})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({76})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({77})
Manfred Behrens ({78})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({79})
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({80})
Dirk Fischer ({81})
Axel E. Fischer ({82})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({83})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Vizepräsidentin Petra Pau
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({84})
Dr. Egon Jüttner
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({85})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina
Schröder({86})
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({87})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({88})
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({89})
Nadine Müller ({90})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({91})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({92})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Josef Rüddel
Albert Rupprecht ({93})
Anita Schäfer ({94})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({95})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({96})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({97})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({98})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({99})
Peter Weiß ({100})
Sabine Weiss ({101})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({102})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({103})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({104})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({105})
Michael Link ({106})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({107})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({108})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({109})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Vizepräsidentin Petra Pau
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({110})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({111})
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Alexander Bonde
Priska Hinz ({112})
Enthalten
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({113})
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({114})
Volker Beck ({115})
Cornelia Behm
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({116})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({117})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({118})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur
Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus, Drucksache 17/1808:
abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 59,
mit Nein 393. 131 Kolleginnen und Kollegen haben sich
enthalten. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 582;
davon
ja: 59
nein: 392
enthalten: 131
Ja
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({119})
Volker Beck ({120})
Cornelia Behm
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth ({121})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Kerstin Müller ({122})
Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Elisabeth Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({123})
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Aumer
Vizepräsidentin Petra Pau
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({124})
Manfred Behrens ({125})
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({126})
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({127})
Dirk Fischer ({128})
Axel E. Fischer ({129})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({130})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-TheodorFreiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({131})
Dr. Egon Jüttner
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({132})
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
({133})
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({134})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer ({135})
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({136})
Nadine Müller ({137})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({138})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({139})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({140})
Anita Schäfer ({141})
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({142})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Uwe Schummer
Armin Schuster ({143})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl ({144})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({145})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({146})
Peter Weiß ({147})
Sabine Weiss ({148})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({149})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({150})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Vizepräsidentin Petra Pau
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth ({151})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({152})
Michael Link ({153})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabi Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({154})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({155})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({156})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane RatjenDamerau
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({157})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Hartfrid Wolff ({158})
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({159})
Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Sabine Zimmermann
Enthalten
CDU/CSU
Veronika Bellmann
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({160})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({161})
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({162})
Hubertus Heil ({163})
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({164})
Frank Hofmann ({165})
Dr. Eva Högl
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({166})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({167})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({168})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({169})
Marlene Rupprecht
({170})
Axel Schäfer ({171})
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
({172})
Werner Schieder ({173})
Ulla Schmidt ({174})
Carsten Schneider ({175})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({176})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Stefan Schwartze
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({177})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Alexander Bonde
Vizepräsidentin Petra Pau
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing für die FDP-Fraktion.
({178})
Besten Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Nachdem wir uns heute Morgen schon
sehr intensiv mit finanzpolitischen Problemen in Europa
beschäftigt haben, ist es gut, dass wir heute auch einen
Blick auf die finanzpolitischen Probleme unserer Kommunen werfen. Insofern begrüße ich diese Debatte. Was
ich nicht begrüße, sind die Anträge, die Sie vorgelegt haben. Aber dazu komme ich gleich noch.
Herr Kollege Scheelen, Sie haben sich hier hingestellt
und ernsthaft gesagt: Jetzt sehen Sie, was Sie mit Ihrer
Steuerpolitik unter der christlich-liberalen Koalition bei
den Kommunen angerichtet haben.
({0})
Sie müssen erkennen, wie abwegig und falsch dieser
Satz ist.
({1})
Er ist so abwegig, dass noch nicht einmal Sie selber ihn
glauben.
({2})
Von 2008 bis 2010 sind die Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer unter Verantwortung sozialdemokratischer Finanzminister
({3})
um 14 Prozent gesunken; das war der Einbruch. 2008
hatten wir noch Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von
41 Milliarden Euro, und Ende 2009 betrugen die Gewerbesteuereinnahmen nur noch 35 Milliarden Euro.
Es wäre doch anständig, zu sagen: Wir haben es nicht
geschafft, mit der Gewerbesteuer die Einnahmen der
Kommunen zu stabilisieren.
({4})
Das wäre doch anständig gewesen; das wäre auch die
Wahrheit und richtig gewesen. Stattdessen lassen Sie
sich zu diesem Satz darüber herab, was wir mit unserer
Finanzpolitik angerichtet haben sollen. Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Finanzpolitik dieser Bundesregierung und der Situation der Kommunen.
({5})
Es gibt einzelne Kommunen, die massive Probleme
haben.
({6})
Manche haben sehr schwere und manche haben sogar
massive Einbrüche zu verzeichnen. Es gibt auch Kommunen, wie München und Frankfurt, die weniger starke
Probleme haben. Deswegen ist es auch gar nicht so klug,
dass, wenn es um die Reform der Kommunalfinanzen
geht, die Wortführer immer aus diesen Kommunen kommen. Wenn man sehr satt ist, dann ist man kein guter Anführer der Hungrigen.
({7})
Kollege Wissing, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Sieling?
Nein, das brauchen wir jetzt nicht.
({0})
- Nein, wir können das nachher machen, Herr Sieling;
denn sonst wird diese falsche Darstellung der SPD nie
richtiggestellt.
({1})
Deswegen möchte ich Ihnen das einmal klar sagen.
({2})
Einzelne Kommunen erlitten durch die Finanzpolitik,
die Sie, Herr Scheelen, mit hinterlassen haben, einen
Einnahmeeinbruch von teilweise 60 Prozent.
({3})
Was sind die Ursachen dafür? - Ich unterstelle Ihnen
noch nicht einmal, dass Sie den Kommunen etwas Böses
wollten. Die Ursachen sind, dass die Gewerbesteuereinnahmen in konjunkturellen Schwächephasen stark sinken, die Ausgaben der Kommunen aber latent eher steigen.
({4})
Deswegen ist die Gewerbesteuer als Jo-Jo-Steuer keine
sichere Einnahmequelle für die Kommunen. Das erzählen wir Ihnen schon seit Jahren, Sie wollen es aber nicht
glauben.
Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, sie müsse
durch gewinnunabhängige Elemente verstetigt werden.
({5})
Das ist Ihre Lösung; sie wurde schon angesprochen. Die
Kosten der Unternehmen haben Sie dabei in der Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Die Unternehmen müssen jetzt für ihre Ausgaben Gewerbesteuer bezahlen.
({6})
Das war eine schlechte Lösung; das haben wir Ihnen von
Anfang an gesagt.
({7})
Als sich die Krise zugespitzt hat, haben Sie selbst gemerkt, was Sie angerichtet haben. Sie haben nämlich Insolvenzbeschleuniger geschaffen. Dabei sollten Sie doch
die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
vertreten.
({8})
Deswegen sind Sie mit Ihrem Konzept dafür, wie man
den Jo-Jo-Effekt der Gewerbesteuer abmildert, gescheitert. Setzen, sechs!
({9})
Jetzt stellt sich die Frage, welche andere Lösung es
dafür gibt, stabile Kommunalfinanzen zu schaffen,
nachdem der sozialdemokratische Weg nachweislich gescheitert ist. Herr Scheelen, Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, was alles nicht gehe. Deswegen - das
muss ich Ihnen leider sagen - sind die Kommunen, wenn
es um ihre finanziellen Interessen geht, bei den Sozialdemokraten in schlechten Händen.
({10})
In dieser christlich-liberalen Koalition sind sie in guten
Händen.
({11})
Denn wir haben gesagt, dass mit diesem Jo-Jo-Effekt,
den wir nicht abmildern können, Schluss sein muss. Wir
brauchen eine solide Einnahmequelle.
Deswegen haben wir eine Kommission eingesetzt, die
sehr intensiv an einer Alternative zur Gewerbesteuer
arbeitet. Hier sind schon gute Vorschläge genannt worden. Es gibt Alternativvorschläge wie eine stärkere Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer oder Hebesatzrechte bei der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer. Dabei geht es nicht, wie Sie gleich
wieder unterstellen, um eine Verlagerung der Steuerlast
von den Unternehmen hin zu den Bürgerinnen und Bürgern.
({12})
- Darum geht es nicht, Herr Scheelen. Das hat auch nie
jemand gefordert. Hören Sie auf, ein völlig falsches Bild
darzustellen! Sie sind doch selbst in der Kommunalpolitik aktiv und wissen, wie wichtig die Situation für die
Kommunen ist.
({13})
- Ihre Vorschläge, Frau Kollegin, mit Mitgliedsbeiträgen
der Parteien Kommunalfinanzierung zu betreiben, sind
wirklich eine bemerkenswerte Expertise.
({14})
Herr Scheelen, lassen Sie uns dieses Thema ernst nehmen. Wirken Sie bei den anstehenden Beratungen konstruktiv mit! Wir wollen in dieser Legislaturperiode eine
Reform der Kommunalfinanzen ins Bundesgesetzblatt
schreiben.
Sie fordern immer wieder, mit den Steuerreformen
aufzuhören. Im Bereich der Gemeindefinanzen wird
deutlich, wie notwendig Steuerreformen in der Bundesrepublik Deutschland sind.
({15})
Wir haben eine Regierungskommission eingesetzt, die
ernsthafte Alternativvorschläge erarbeiten wird, die Sie
nicht haben. Mit Ihrer Lösung sind Sie gescheitert. Zu
allem anderen sagen Sie nur Nein.
({16})
Wenn uns ein Alternativvorschlag vorliegt, dann kann
den Kommunen geholfen werden. Ich hoffe, dass die
Kommission unter Leitung des Bundesfinanzministers
zügig vorankommt und gute Ergebnisse erzielt, sodass
wir dann das dringende Problem der Gemeindefinanzen,
das Sie nie in den Griff bekommen haben, in dieser Legislaturperiode bald lösen können. Das sind wir all den
Menschen schuldig, die vor Ort mit den Problemen konfrontiert sind.
({17})
Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Wissing, ich möchte zunächst an Ihren Beitrag anknüpfen. Wenn man in der Analyse davon
ausgeht, dass es sich bei einer strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen um ein Problem einzelner Kommunen handelt, dann hat man das Problem nicht
verstanden.
({0})
Ich versuche, das ganz sachlich zu sagen, obwohl ich
fast betroffen bin, dass Sie das als Vorsitzender des Finanzausschusses so analysieren.
In Nordrhein-Westfalen hat ein Drittel aller Kommunen Nothaushalte aufgestellt. Die Kassenkredite betragen mittlerweile 36 Milliarden Euro bei steigender Tendenz. Davon entfallen allein 15,9 Milliarden Euro auf
NRW.
Ich werde in dieser Debatte versuchen, die Frage zu
vermeiden, wer in den letzten fünf Jahren in NRW mitreBritta Haßelmann
giert hat und gerade wegen seiner kommunenfeindlichen
Politik abgewählt worden ist. Das war nämlich die FDP.
({1})
- Die Kommunen haben nicht mehr Geld bekommen,
Herr Flosbach. Wir können das gerne diskutieren. Beim
Landesverfassungsgericht sind mehrere Konnexitätsklagen anhängig. Auch das wissen Sie. Deshalb bitte ich Sie
an dieser Stelle, die Debatte etwas ernsthafter zu führen
und aufzuhören, so zu tun, als hätte die Situation der
Kommunen mit der „Farbenlehre“ der letzten ein oder
zwei Jahre zu tun.
Widmen wir uns einmal einer ausgewiesenen Analyse. Es geht den Kommunen doch nicht deswegen
schlecht, weil wir, die Grünen, die SPD und auch die
Linken eine Verstetigung der Gewerbesteuer fordern, die
gerade einbricht. Mein Gott, auf welchem Niveau diskutieren wir hier?
Wir haben zurzeit die Situation, dass bei den Kommunen drei Faktoren kumulieren. Das ist die dramatische
Situation aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, die
die Kommunen voll erfasst. Sie erfasst auch die Gewerbesteuer. Das ist doch völlig klar. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen fällt zwar unterschiedlich aus
- bei manchen Kommunen sind es 60 Prozent, bei anderen vielleicht nur 10 Prozent -, aber der Bundesdurchschnitt liegt bei 19 Prozent. Das ist dramatisch; das wissen wir. Aber daraus abzuleiten, dass wir uns für die
Abschaffung der Gewerbesteuer einsetzen sollten, ist ein
völliger Trugschluss.
({2})
Es gibt einen zweiten Faktor, der ganz erheblich zu
einer strukturellen Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden beigetragen hat, und zwar nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in der ganzen Republik: Das
sind die steigenden und nicht gegenfinanzierten Sozialausgaben. Schauen Sie sich an, was Sie allein in den
letzten Jahren veranlasst haben. Wie wir wissen, sind die
Kosten der Unterkunft gestiegen. Gleichzeitig haben Sie
den Bundesanteil gesenkt, und zwar mit Hinweis darauf,
dass wir irgendwann einmal unter Rot-Grün einen bestimmten Verteilungsschlüssel für die Kosten der Unterkunft in den Hartz-IV-Gesetzen beschlossen haben. Nun
will niemand mehr über den Verteilungsschlüssel reden.
Wer sagt Ihnen denn, Sie dürften über den Verteilungsschlüssel nicht reden? Wir sagen seit vier Jahren im Parlament: Lassen Sie uns den Verteilungsschlüssel ändern.
Er ist nicht adäquat und führt nicht zu einer tatsächlichen
Übernahme der Kosten. Das ist ein Grund, das zu ändern. Aber Sie tun so, als ginge das nicht.
({3})
Einen weiteren Faktor stellen die Auswirkungen der
Steuersenkungsgesetzgebung dar.
({4})
Es tut mit leid, aber ich kann Ihnen das nicht ersparen.
So zu tun, als wäre das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Beschleuniger für Geldvermehrung in den Kommunen gewesen, grenzt an Hohn.
({5})
Allein die Kommunen haben Mindereinnahmen in Höhe
von 1,6 Milliarden Euro durch die Beschlüsse zum
Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu verzeichnen.
({6})
Das sage nicht nur ich Ihnen. Das zeigen auch die Zahlen des Bundesfinanzministeriums. Schauen Sie sich die
Zahlen doch einfach an! Die Zahlen stammen nicht von
mir, sondern aus dem Bundesfinanzministerium. Wenn
man die finanziellen Auswirkungen Ihrer Beschlüsse zu
Steuergesetzgebung, Bürgerentlastung und anderen Bereichen berechnet, dann stellt man fest, dass die Kommunen allein in den letzten zwei Jahren ein Minus in
Höhe von 6,5 Milliarden Euro durch Steuersenkungsbeschlüsse zu verzeichnen hatten. Ich bin heilfroh, dass die
Kanzlerin und Herr Schäuble mittlerweile erklärt haben,
es werde mit der Union keine Steuersenkungen - obwohl
das der einzige Programmpunkt der FDP auf Bundesebene ist - mehr geben.
({7})
Hoffen wir, dass sich die Union an dieser Stelle durchsetzt und es zu keinen weiteren Steuersenkungen mehr
kommt.
({8})
Nun zu Ihrem Vorschlag. Ich bin gespannt, wie Sie
die Quadratur des Kreises durchhalten wollen. Wir brauchen - darin weiß ich mich mit vielen in diesem Hause
einig - eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen.
Herr Middelberg, über die Einbeziehung der Freiberufler
wird mittlerweile selbst in der Wirtschaft offensiv diskutiert. Niemand kann heute mehr erklären, warum es Ausnahmen gibt und gerade Anwaltskanzleien, Steuerberatungsbüros und viele Freiberufler keinen Beitrag zur
Daseinsvorsorge des Gemeinwesens über die Gewerbesteuer leisten. Das ist nicht vermittelbar; das wissen Sie
auch. Darüber wird längst in der Wirtschaft diskutiert.
Wir sind für eine Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen und nicht für eine Abschaffung der Gewerbesteuer.
({9})
Nun zu der vielgelobten Kommission und ihrem Auftrag. Es gibt wieder eine Kommission, und alles soll neu
erfunden werden. Wieder einmal wird über die Abschaffung der Gewerbesteuer diskutiert. Es geht um einen
aufkommensneutralen Ersatz der Gewerbesteuer. Das
heißt, es geht nicht um eine wundersame Geldvermehrung und auch nicht darum, dass der Bund den Ländern
oder den Kommunen mehr Geld zur Verfügung stellen
will. Hören Sie mit dieser Mär auf! Das müssen auch die
Städte und Gemeinden wissen. Der aufkommensneutrale
Ersatz der Gewerbesteuer soll durch Anteile an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer und Zuschläge auf die
Körperschaft- und Einkommensteuer erreicht werden.
Sie verweisen immer darauf, dass die Einnahmen aus der
Gewerbesteuer so konjunkturanfällig seien. Deshalb
wollen Sie sie durch die Körperschaftsteuer ersetzen.
Aber bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer sind
in der jetzigen Krisensituation Einbrüche in Höhe von
über 50 Prozent zu verzeichnen. Angesichts dessen können Sie die Gewerbesteuer nicht abschaffen mit der Begründung, die Einnahmen brächen ein und bestimmte
Kommunen seien besonders betroffen, und durch die Körperschaftsteuer ersetzen, deren Einnahmen um 50 Prozent
gesunken sind.
({10})
Sie wollen die Körperschaftsteuer von 15 auf 25 Prozent erhöhen. Das bringt maximal 13 Milliarden Euro.
Wenn Sie die Gewerbesteuer ersetzen wollen, sind aber
29 Milliarden Euro erforderlich. Woher kommen die
fehlenden 16 Milliarden Euro, etwa aus Anteilen an den
Einnahmen aus der Umsatzsteuer? Das Ganze soll doch
aufkommensneutral erfolgen. Die Anteile müssten von
2,2 auf 19 Prozent steigen, um diesen Fehlbetrag auszugleichen. Wem in den Städten und Gemeinden wollen
Sie das eigentlich erklären? Ich verstehe das nicht.
({11})
Im Raum steht auch ein kommunaler Zuschlag auf die
Einkommensteuer mit eigenem Hebesatz. Dadurch würde
der Wettbewerb der Kommunen doch nur angeheizt! Erklären Sie einmal den Kommunen, die Nothaushalte verabschiedet haben, in dieser schwierigen Situation, wie sie
mit kommunalen Hebesätzen ihre Wettbewerbsposition
verteidigen sollen. Wissen Sie, was die Städte im Bergischen Land und im Ruhrgebiet schon heute sagen? Sie
sagen: Wir sind durch die Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer am Ende der Fahnenstange;
der kommunale Wettbewerb darf nicht noch angeheizt
werden.
Mit diesem Modell treiben Sie die Kommunen noch
mehr in den Ruin. Deshalb sollten Sie überlegen, was
Sie da tun. Notwendig ist, dass in dieser Angelegenheit
sachlich diskutiert wird.
({12})
Das Wort hat der Kollege Andreas Mattfeldt für die
Unionsfraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
öffentlichen Haushalte befinden sich in einer schwierigen Situation; wer wollte das bestreiten. Durch die
schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg
und die damit verbundenen Einnahmeausfälle bei den
Steuern stehen alle - ich betone: alle - öffentlichen
Haushalte vor besonderen Herausforderungen. Dabei
trägt der Bund die Hauptlast der Krise. Das lässt sich am
vor kurzem verabschiedeten Haushalt 2010 ablesen.
Als verantwortlicher Bürgermeister war mir bereits
Ende 2008 klar, dass diese Krise auch an den Kommunen nicht spurlos vorübergehen wird. Bereits den
Gemeindehaushalt 2009 habe ich - wie viele andere
Kollegen - mit erheblichen Einnahmeverlusten und Unsicherheiten aufstellen müssen. Ich darf sagen: Wieder
einmal bedeutete diese Zeit für uns kommunale Vertreter
nichts Neues. Denn bereits die Jahre 2002 bis 2005 waren an finanziellen Grausamkeiten nicht zu überbieten auch ohne Weltwirtschaftskrise, Herr Scheelen.
({0})
Die finanzielle Situation in diesen Jahren unter rot-grüner Regierung war im Übrigen nicht nur für meine Gemeinde, sondern auch für viele andere weitaus schwerer
als das Jahr 2009.
Noch etwas darf ich Ihnen mit auf den Weg geben:
Mit starken Argumenten wurde 2002 von den Spitzenverbänden, auch von mir ganz persönlich als Kreisvorsitzenden eines Spitzenverbandes, an Ihre damalige
Regierung und auch an meinen damaligen Ministerpräsidenten Gabriel appelliert, die Kommunen nicht ausbluten zu lassen. Ich weiß, Frau Haßelmann, Sie hören das
jetzt nicht gerne: Ich habe seinerzeit von Rot-Grün noch
nicht einmal eine Antwort bekommen. An die Kollegen
der SPD gerichtet, sage ich: Wenn ich heute Ihren Parteivorsitzenden Gabriel als selbsternannten Retter der
Kommunen zu diesem Thema sprechen höre, dann
macht mir das Angst. Das Ganze ist einfach nur peinlich.
Denn dieser Mann hat mich, zumindest in meiner damaligen Funktion - ich war damals Bürgermeister -, noch
nicht einmal wahrgenommen, noch nicht einmal angehört. Wenn man sich seine heutigen Worte anhört, dann
wirkt das fast schon heuchlerisch.
({1})
Heute sieht es zum Glück anders aus. Zum ersten Mal
finden die Kommunen in einer schweren Krise Gehör.
Mit der Einberufung der Gemeindefinanzkommission
unter Führung von Bundesfinanzminister Schäuble wird
heute mit den und nicht über die Kommunen gesprochen. Dabei spielt deren Einnahme- und Ausgabensituation eine genauso wichtige Rolle wie mögliche Einsparungen durch Veränderungen von Verwaltungsverfahren.
Denkverbote in die eine oder andere Richtung führen
uns dabei überhaupt nicht weiter. Deshalb ist es unredlich, Frau Kollegin Haßelmann, hier zu suggerieren, die
Kommunen würden durch den Ersatz der Gewerbesteuer
Einnahmeverluste erleiden. Noch einmal: Wir als Union
sprechen vom Ersatz, von der Veränderung der Gewerbesteuer und nicht von einem Ausfall der Einnahmen.
({2})
Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass das derzeit
bei vielen Kommunen häufig erheblich schwankende
Gewerbesteueraufkommen für deren Finanzsituation
nicht nur nicht hilfreich, sondern vielfach langfristig sogar schädlich sein kann.
Meine Damen und Herren, wenn wir über die Finanzsituation der Gemeinden sprechen, gehört es zur Wahrheit, darauf hinzuweisen, dass die Einnahmen im Jahr
2008 so hoch wie nie zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik waren.
({3})
In den Jahren 2005 bis 2008 konnte die Verschuldung
sogar zurückgeführt werden. Ich denke, auch das sollte
einmal erwähnt werden.
({4})
Ich gebe zu: Die Kommunen hätten weitere Jahre zur
Gesundung brauchen können.
({5})
Nötig ist aber auch eine gewisse Selbstkritik der Kommunen. Ich finde es bemerkenswert, dass ausgerechnet
die Bürgermeisterkollegen, die im Supereinnahmejahr
2008 ihre Haushalte nicht ausgleichen konnten, heute
versuchen, alle Schuld, auch die für eigenes Versagen
und mangelnde Ausgabendisziplin, auf Bund und Länder abzuwälzen.
({6})
Auch wenn das nicht gerne gehört wird: Wer seinen
Haushalt schon 2008 nicht ausgleichen konnte, hat
grundlegendere Probleme als die, die sich aus der derzeit
zugegebenermaßen schwierigen Finanzsituation ergeben. Meistens ist ein Ausgabenproblem der Grund. Zur
Politik gehört - das predige ich seit Jahren -, häufiger
ehrlich zu sagen, warum wir nicht alle Wünsche - und
seien sie noch so berechtigt - erfüllen können. In der
Politik muss häufiger Nein gesagt werden. Der Weg weg
von investiven Ausgaben hin zu immer mehr konsumtiven Ausgaben ist ein Irrweg und kann nicht gutgehen.
Ich bin dankbar, dass sowohl die alte Regierung als
auch die christlich-liberale Koalition
({7})
die richtigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ergriffen haben. Diese richtigen Entscheidungen haben
sich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt und wirken
sich immer noch positiv aus. Ich denke, wir sind uns alle
einig: Es hätte vor allem am Arbeitsmarkt vieles schlimmer kommen können.
Als langjähriger Bürgermeister möchte ich der Bundesregierung danken, dass sie den Kommunen im Rahmen des Konjunkturpakets mit über 10 Milliarden Euro
unter die Arme gegriffen hat.
({8})
Zahlreiche Sanierungsmaßnahmen, die mit Sicherheit
erst in späteren Jahren oder gar nicht hätten umgesetzt
werden können, wurden so realisiert. Hierdurch wurden
nicht nur Arbeitsplätze gesichert, es wurden sogar Arbeitsplätze geschaffen. Wichtig ist vor allem, dass dieses
Paket erhebliche Einsparungen im energetischen Bereich
ermöglicht. Dies hat den Kommunen dauerhaft finanzielle Spielräume verschafft.
Meine Damen und Herren, jetzt, vor Abschluss der
Arbeit der Gemeindefinanzkommission, einzelne Maßnahmen zu beschließen, wäre töricht; denn eine positive
Veränderung der Finanzsituation der Kommunen sollte
auch - ich betone das noch einmal - durch eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und der Aufgabenwahrnehmung erfolgen. Dafür braucht es aber ein Gesamtpaket. Deshalb möchte ich Sie ermuntern, in den
kommenden Monaten gemeinsam mit uns, den Ländern
und den kommunalen Spitzenverbänden mit guten und
pragmatischen Ideen die Situation der Kommunen zu
verbessern.
Lassen Sie die Kommunen nicht zum Spielball der tagespolitischen Auseinandersetzungen werden! Strengen
wir uns an, kluge Lösungen zur Überwindung der kommunalen Probleme zu finden!
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich knüpfe an das Ende der Rede des Kollegen Mattfeldt
an. Den Appell, die Kommunen nicht zum Spielball der
Politik zu machen, haben Sie offensichtlich an die eigene Koalition gerichtet. Ich kann das nur unterstützen.
({0})
Wenn Sie das durchsetzen wollen, müssen Sie allerdings
viele Dinge und viele Pläne, die Sie haben, ändern.
Ich möchte Ihnen - dies richtet sich besonders an die
Koalitionsfraktionen - zwei Zitate vortragen. Das erste
Zitat lautet:
Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein,
alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung
zu regeln. … Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen
Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört
eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende
wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
Das zweite Zitat ist etwas kürzer. Es lautet schlicht:
Wir werden … den Ersatz der Gewerbesteuer durch
einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommenund Körperschaftsteuer … prüfen.
Sie haben wahrscheinlich erkannt, woher die Zitate
stammen. Das erste Zitat ist aus dem Grundgesetz,
Art. 28, das zweite Zitat findet sich auf Seite 14 des Koalitionsvertrages dieser Regierungskoalition. Wer die
beiden Zitate nebeneinanderlegt, der sieht, dass mit der
Passage des Koalitionsvertrags das Grundgesetz zumindest verdreht wird, wenn sie nicht sogar im Widerspruch
zum Grundgesetz steht. Denn wenn Sie an die Gewerbesteuer herangehen, werden Sie diese wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit eigenem Hebesatz angreifen.
Das geht nicht. Auch dieser Aspekt muss in die Diskussion eingeführt werden.
({1})
Ich will die Frage der Bedeutung der Gewerbesteuer
aufgreifen. Darauf will ich mich konzentrieren, weil das
der Kern Ihres Vorhabens ist. Sie wollen schon lange an
die Gewerbesteuer, und jetzt glauben Sie, dass Sie die
Chance haben. Kollege Wissing hat mir vorhin leider
nicht erlaubt, mit einer Zwischenfrage auf sein falsches
Argument hinzuweisen. Die Einnahmen aus der Erhebung
der Gewerbesteuer sind - Frau Kollegin Haßelmann hat
das schon angesprochen - laut Steuerschätzung in der
Tat gewaltig weggebrochen - um 8 Milliarden Euro -,
und zwar als Folge der Krise, aber auch als Folge von
Steueränderungen. Man muss die Zahlen einmal nebeneinanderstellen: Schon die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind kräftig eingebrochen, und zwar um
19 Prozent; das ist überhaupt keine Frage. Sie sind von
41 Milliarden Euro auf 33 Milliarden Euro gesunken.
Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer sind aber um
exakt 55 Prozent eingebrochen; Kollegin Haßelmann hat
das schon gesagt.
({2})
- So ist es. - Sie sehen also, welche gewaltigen Unterschiede es gibt. Kollege Wissing, genau diesen Punkt haben Sie nicht benannt. Sie haben über den Einbruch bei
der Gewerbesteuer in Höhe von 19 Prozent gesprochen,
aber die Körperschaftsteuer nicht erwähnt. Das geht
nicht. So kann man nicht argumentieren.
({3})
Wir diskutieren zurzeit viel über die Finanzmärkte.
Ich will einen gängigen Begriff aus dieser Diskussion
aufnehmen: Die Volatilität, also die Schwankungen, auf
den Finanzmärkten wollen wir abschwächen. Bei den
Einnahmen aus der Gewerbesteuer ist diese Volatilität
erheblich geringer als bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer. Wir richten unsere Politik darauf aus,
die Volatilität möglichst gering zu halten. Ich sage deutlich: Die Gewerbesteuer ist eine Stabilitätssteuer im Verhältnis zur Körperschaftsteuer.
({4})
Sie wurde auch deshalb zu einer Stabilitätssteuer, weil
die Maßnahmen, die von Rot-Grün angegangen worden
sind, von Schwarz-Rot fortgesetzt wurden. Mit politischen Maßnahmen ist dafür gesorgt worden, dass diese
Stabilität erreicht wurde. Natürlich war es richtig, dass
2008 hier im Deutschen Bundestag beschlossen wurde,
die Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten und Leasingraten hinzuzurechnen. Damit wurde die Verstetigung der
Gewerbesteuer erreicht. Ich würde mich freuen, wenn
ich heute einen Redner oder eine Rednerin der CDU/
CSU hören würde, der bzw. die sagt: Wir sind stolz darauf. Das war eine richtige Entscheidung, weil das dazu
führt, dass die Kommunen wenigstens etwas Stabilität
haben.
({5})
Was hören wir stattdessen? Wir hören, dass Sie mit
Ihren Plänen nicht nur die Einnahmeseite ins Auge fassen, sondern jetzt auch die Ausgabenseite. Kollege
Middelberg sprach davon, dass auch die Kosten ins
Auge gefasst werden. Vielleicht diskutieren Sie das einmal mit dem Kollegen Mattfeldt. Er verfügt als ehemaliger Bürgermeister über Kenntnisse auf diesem Gebiet.
Sein Nachfolger ist wieder ein Sozialdemokrat, was
mich persönlich sehr freut. Er ist, so glaube ich, noch
besser. Herr Mattfeldt ist im Bundestag gut untergebracht. Erklären Sie bitte dem Kollegen Middelberg - in
Ihrer Rede haben Sie das angesprochen -, wie eng die
Handlungsspielräume der Kommunen sind. Wer hier an
die Ausgabenseite herangehen will, der will weitere
Schwimmbäder und Bibliotheken schließen, der will
Theater schließen und kein Geld mehr für Jugendarbeit
und Kindergärten ausgeben. Wollen Sie das? Wollen Sie
die Linie Ihres Herrn Koch auch in der Kommunalpolitik
einführen? Ich bitte Sie: Lassen Sie die Finger von solchen Überlegungen und Plänen!
({6})
Ich möchte in der verbleibenden Zeit auf das eingehen, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung konzeptionell ins Auge fassen und was Sie angehen wollen. Es
sind unterschiedliche Modelle in der Diskussion. Ich
will an dieser Stelle vorwegnehmen, dass das Modell des
BDI und des VCI schon unter Rot-Grün geprüft worden
ist.
Kollege Mattfeldt, wenn Sie sagen, diesmal würden
die Kommunen beteiligt, will ich zumindest darauf hinweisen, dass natürlich auch damals die Kommunen an
der Kommission beteiligt worden sind. Es bestand sogar
ein wesentlicher Unterschied. Es gab nämlich die politische Festlegung in dieser Kommission: keine Entscheidung gegen die Kommunen. Das erwarte ich auch diesmal: keine Entscheidung gegen die Kommunen.
({7})
Setzen Sie das durch! Das wäre ein richtiger und wichtiger Schritt.
Schon damals ist dieses eine Modell gescheitert und
als nicht vernünftig beurteilt worden. Natürlich ist auch
damals richtig gerechnet worden. Der Herr Staatssekretär hat im Finanzausschuss vorgetragen, jetzt würde endlich mal richtig gerechnet.
({8})
- Behauptet oder vorgetragen. Ich habe den Zettel gesehen. Es ist vorgetragen worden, dass dies so sei.
Wie gesagt, natürlich ist auch damals gerechnet und
mit viel wissenschaftlichem Sachverstand diskutiert
worden. Das Modell trägt sich nicht. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn die Steuerpflicht - das ist ein Element
der Vorschläge - vom Ort der Betriebsstätte zum Wohnsitz der jeweiligen Gesellschafter eines Unternehmens
verlagert würde. Das wäre eine gefährliche Strukturverzerrung.
({9})
Das alles sind Detailpunkte und wichtige Elemente, die
Sie an der Stelle sehen müssen.
Die Kollegin Haßelmann hat schon auf einige Punkte
hingewiesen. Sie wissen doch, was Sie an Erhöhungen
und Aufschlägen bei den Hebesätzen durchsetzen müssten, wenn Sie das alles aufkommensneutral gestalten
wollen. Ich verstehe das nicht. Da weiß wieder die rechte
Hand nicht, was die linke Hand tut. Wenn Sie das so machen, wie Sie es jetzt planen, müssen Sie die Mehrwertsteuer deutlich erhöhen, auf bis zu 25 Prozent. Das hat
Herr Zimmermann vom DIW gerade vorgeschlagen.
Nicht mit uns! - Recht hat er, der Herr
Kampeter. Wenn das so ist, dann lassen Sie bitte die Finger von diesem Unsinn und schlagen Sie nicht vor, die
Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen! Das wäre für
die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Deutschland
schädlich. Das wäre nicht solide. Das müssen wir lassen.
({0})
Ihre Vorschläge - ich finde, wir müssen früh darüber
diskutieren - haben nicht nur negative quantitative Effekte auf der Einnahmeseite, sondern auch Struktureffekte, und zwar äußerst gefährliche. Ich will zwei davon
ansprechen.
Erstens. Der Wechsel vom Betriebsstätten- zum
Wohnsitzprinzip wird dazu führen, dass die großen
Städte weitere Einbußen bei ihren Einnahmen aus der
Erhebung der Gewerbesteuer erleiden. Die großen Städte
werden Probleme haben, höhere Hebesätze gegen die
Kommunen in eher ländlichen oder kleinstädtischen Bereichen drumherum durchzusetzen. Weil die großen
Städte aber höhere Lasten haben und Infrastrukturleistungen für die gesamte Region erbringen, ist das eine
Verzerrung. Frau Roth, CDU, Frankfurt, hat dies schon
deutlich gesagt. Das ist ein negativer Struktureffekt und
nicht vertretbar.
({1})
Ich will Sie als Zweites auf Folgendes hinweisen:
Wenn Sie das so machen und von diesen Prinzipien abgehen, wird es sich für keine Kommune mehr lohnen,
aktive wirtschaftspolitische Standortpolitik zu machen.
Sie haben nämlich keinen Anreiz mehr, Gewerbe anzusiedeln.
Herr Kollege Sieling, bitte.
Wenn dieser Anreiz fehlt, wird das dazu führen, dass
die wirtschaftliche Entwicklung abgeschwächt wird.
Deshalb: Lassen Sie das sein!
Die Gewerbesteuer ist eine stabile Steuer. Sie ist für
die Kommunen erprobt und sicher.
Herr Kollege Sieling, Ihre Redezeit ist lange abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss.
Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihre Geduld und
sage: Lassen Sie uns die Gewerbesteuer in Deutschland
erhalten!
({0})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Birgit Reinemund von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Oppositionsfraktionen beschäftigen uns Woche für Woche mit
mehr oder weniger gleichlautenden Anträgen zur Situation der Gemeindefinanzen. Natürlich werden wir dieselben Anträge immer wieder gerne debattieren. Die
Lage der Kommunen ist katastrophal. Genau deshalb haben wir die Gemeindefinanzreform als dringlich auf die
Tagesordnung gesetzt. Dazu hatten Sie jahrelang Zeit.
Die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen
wird am 8. Juli dieses Jahres ihren Zwischenbericht vorlegen. Ich erwarte, dass die Kommissionsmitglieder vorurteilsfrei ihre Aufgabe erfüllen.
({0})
Alle heute vorgebrachten Argumente sind bedenkenswert und nicht von vornherein falsch. Wir werden sie intensiv beraten, sobald das Konzept vorliegt. Vorfestlegungen, wie Sie sie jetzt wieder fordern, werden wir
auch heute nicht zustimmen.
({1})
- Ich bin Stadträtin in Mannheim. Da ist die Situation
ganz klar: Seit 2005 sind wir nah an der Zwangsverwaltung.
({2})
Alle vorliegenden Anträge setzen auf den alleinigen
Ausbau ausgerechnet der extrem konjunkturanfälligen
Gewerbesteuer. Das löst aber nicht die strukturellen Probleme. Diese Achterbahnsteuer ist, neben den rapide
wachsenden Ausgaben, gerade das Hauptproblem der
Gemeinden.
({3})
Wir sind uns doch alle in einem einig: Die Kommunen brauchen eine verlässlichere Einnahmequelle, als es
die Gewerbesteuer in den letzten Jahrzehnten war. Übrigens zahlen nur 38,8 Prozent aller Gewerbesteuerpflichtigen überhaupt Gewerbesteuer;
({4})
die übrigen 61,2 Prozent erwirtschaften keinen Gewinn
oder fallen schon heute unter die Freibetragsgrenze. Gerade einmal 0,1 Prozent dieser Gewerbesteuerzahler generieren über 50 Prozent des Gewerbesteueraufkommens.
Mit einer erweiterten Bemessungsgrundlage und
gleichzeitiger Erhöhung der Freibeträge würde dieses
Missverhältnis nicht kleiner. Viele Kommunen sind bereits heute von einzelnen großen Gewerbesteuerzahlern
abhängig und damit vom Wohl und Wehe einzelner
Branchen. Ich nenne nur die VW-Stadt Wolfsburg, SAP
in Walldorf und BASF in Ludwigshafen. Das erhöht
nicht gerade die Planbarkeit kommunaler Einnahmen.
Die Vorschläge von den Fraktionen der Linken und
der Grünen kennen nur zwei Stoßrichtungen:
Erstens. Wir lassen alles beim Alten und fordern einfach mehr Geld von Bund und Land. - Das funktioniert
nicht. Vielleicht haben Sie es schon bemerkt: Alle Ebenen kämpfen mit Haushaltsdefiziten.
Zweitens. Wir gehen immer stärker in die Substanzbesteuerung, also Hinzurechnung von Kreditzinsen,
Mieten, Leasingraten usw. - Sie besteuern damit Ausgaben und nicht Erlöse. Dies widerspricht einem Fundamentalprinzip der deutschen Besteuerung: dem Prinzip
der Leistungsfähigkeit. Jeder sollte nach Maßgabe seiner
individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen. Das erfolgt
durch die Besteuerung von Unternehmensgewinnen,
aber doch bitte nicht durch die Besteuerung von Ausgaben und Verlusten. Sie wollten vielleicht die Konzerne
treffen, Herr Scheelen; getroffen haben Sie aber den Mittelstand, den großflächigen Einzelhandel, innovative
Unternehmen, die auf Fremdmittel angewiesen sind.
({5})
Damit provozieren Sie, dass Unternehmen ohne Gewinn steuerpflichtig werden. Sie schwächen das Eigenkapital und verschlechtern die Kreditwürdigkeit. Sie
verhindern Investitionen und gefährden den Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze, und zwar Arbeitsplätze
vor Ort, in den Kommunen.
Glauben Sie, so die Finanzlage der Kommunen verbessern zu können? Die Gefahr ist groß, dass eher Steuerausfälle aufgrund von Insolvenzen und damit weniger
Sozialversicherungsbeiträge und höhere Kosten bei den
Sozialausgaben verursacht werden.
({6})
Die Kuh, die man melken will, sollte man nicht schlachten. Das weiß jeder Bauer.
({7})
Wer die Gemeindefinanzen zukunftsfest gestalten
will, muss offen in die Diskussion der vorgeschlagenen
Modelle gehen. Ich weise in diesem Zusammenhang auf
die Modellrechnungen der Stiftung Marktwirtschaft hin.
Entgegen aller Erwartungen hätte ein Ersatz der Gewerbesteuer zum Beispiel für die Großstadt Stuttgart keine
negativen Auswirkungen. Stuttgart hätte nach diesem
Modell im Jahr 2002 sogar 255 Millionen Euro mehr zur
Verfügung gehabt. Andere Kommunen haben in diesem
Modell schlechter abgeschnitten; auch das will ich nicht
verschweigen. Hier muss ein Ausgleich geschaffen werden. Das zeigt doch klar: Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung der Gemeindetypen und eine für alle
tragbare Lösung. Festgefahrene Denkmuster verschleiern den Blick in die Zukunft. Denkverbote darf es nicht
geben.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Axel Troost von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn im Hinblick auf die vorliegenden Anträge von
Schnellschüssen die Rede ist, ist diese Aussage sehr
stark zu relativieren. Die Diskussion über die Gewerbesteuer ist sehr alt. Der Wissenschaftliche Beirat beim
Bundesfinanzministerium hat 1980 ein Gutachten vorgelegt, in dem er empfohlen hat, die Gewerbesteuer zu einer Wertschöpfungsteuer weiterzuentwickeln, also im
Prinzip in die Richtung, über die wir seither diskutieren.
Um was geht es? Es ist eine neue Koalition gebildet
worden. Die FDP, die schon immer strikt für die AbDr. Axel Troost
schaffung der Gewerbesteuer war, ist Teil dieser Koalition.
({0})
- Sie wollen sie abschaffen und durch etwas anderes ersetzen; das ist klar. Darauf komme ich gleich zu sprechen. Aber zunächst einmal wollen Sie die Abschaffung
der Gewerbesteuer. - Diese Forderung konnte man natürlich nicht in dieser Form in den Koalitionsvertrag aufnehmen, weil es dagegen auch Widerstände gab. Also
hat man gesagt: Wir setzen eine Kommission ein. Dort
darf es keine Denkverbote geben. Alle Vorschläge müssen geprüft werden. Am Schluss müssen wir entscheiden, was zu tun ist.
Es sind schon einige Zahlen genannt worden. Herr
Schaidinger, Ihr Kollege von der CSU, der Oberbürgermeister von Regensburg und gleichzeitig Präsident des
Bayerischen Städtetages ist, hat einmal ausgerechnet,
was es Regensburg kosten würde, den Verlust seiner Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Er kam zu
dem Ergebnis, dass die Stadt Regensburg die gleichen
Einnahmen wie bisher nur dann erzielen würde, wenn
der Mehrwertsteuersatz nicht mehr 19 Prozent, sondern
24,3 Prozent betragen würde. Als er dieses Ergebnis auf
die Einnahmen aus der Einkommensteuer übertragen
hat, kam er zu dem Ergebnis, dass je Einkommensteuerzahlerin und -zahler im Durchschnitt 2 000 Euro mehr
im Jahr aufzubringen wären. Das sind die Größenordnungen, über die wir reden.
({1})
Weil das dem einen oder anderen vielleicht noch nicht
schlimm genug erscheint, möchte ich erwähnen: In irgendeiner Konstellation wird man sicherlich auch wieder an die Einkommensteuer herangehen und den
Waigel-Buckel abschaffen. Wir wissen, dass dies mit
Rieseneinnahmeverlusten verbunden wäre. Das würde
die Kommunen, wenn sie ausschließlich von den Einnahmen aus der Einkommensteuer abhängig wären,
massiv treffen. Insofern darf man in allen Berechnungen,
die man anstellt, nicht nur vom Istzustand ausgehen,
sondern muss auch fragen: Was wird im Einkommensteuerrecht zukünftig passieren, und welche Konsequenzen hat das für die Einnahmen der Kommunen?
Mit unserem Antrag orientieren wir uns im Wesentlichen an den Vorstellungen des Deutschen Städtetages.
Es geht wohlgemerkt nicht - das ist ja der Witz - um den
Erhalt der Gewerbesteuer, weil wir wissen, wie schwach
sie ist,
({2})
sondern es geht um eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer. Wir wollen gewährleisten, dass die Einnahmen
aus der Gewerbesteuer nicht mehr so konjunkturabhängig sind und dass man nicht von einzelnen Betrieben abhängig ist. Im Prinzip geht es um die Ausweitung der
Bemessungsgrundlage und um die Einbeziehung aller
unternehmerisch Tätigen in der Bevölkerung.
({3})
Ich möchte betonen: In der Finanzwissenschaft gab es,
zumindest zu meinen Studienzeiten, nicht nur das Prinzip
der Leistungsfähigkeit, sondern es gab im Kommunalbereich auch ein zweites Prinzip: das Prinzip der Äquivalenz. Unternehmen nutzen öffentliche Leistungen, zum
Beispiel Straßen, und dafür müssen sie als Äquivalent einen steuerlichen Beitrag leisten. Ich glaube, dass unser
Antrag in genau die richtige Richtung zielt. Wir wollen
alle unternehmerisch Tätigen, einschließlich freier Berufe wie Ärzte, Anwälte und vieler anderer, in die Steuerpflicht einbeziehen, natürlich mit steuerlichen Freigrenzen; das ist völlig klar.
Für den Einzelnen hat das übrigens nur eine bedingte
Mehrbelastung zur Folge, weil die steuerlichen Beiträge,
die in Form der Gewerbesteuer bzw. der Gemeindewirtschaftsteuer geleistet werden, mit der Einkommensteuer
verrechnet werden. Die zusätzliche Belastung ist also
gar nicht so hoch. Ich glaube, dass die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer der einzige Weg ist, zu einer wirklichen Stabilisierung der Kommunalfinanzen beizutragen.
({4})
Über den letzten Punkt, den ich ansprechen möchte,
wurde im Finanzausschuss besonders kritisch diskutiert:
Er hat dazu geführt, dass sich Grüne und SPD enthalten
haben. Die Antwort auf die Frage, was der Bund ganz
kurzfristig tun kann, um die katastrophale Finanzlage
der Kommunen zu verbessern, kann aus unserer Sicht
nur lauten: Wir müssen die Aussetzung der Gewerbesteuerumlage an den Bund beschließen. Das ist kurzfristig zu beschließen. Das bedeutet, dass sofort mehr Geld
bei den Kommunen bleibt.
({5})
Man muss das vielleicht nicht auf Dauer machen; aber in
der jetzigen Situation würde es erst einmal die katastrophale Lage der Kommunen wenigstens ein bisschen verbessern.
Danke schön.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Aumer von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle haben das gleiche Ziel.
({0})
- Sie glauben es nicht. - Das Ziel ist das Wohlergehen unserer Kommunen. Wenn Sie von den Linken das ideologisch sehen, dann kommen wir nie zu einer guten Lösung
zusammen. Wir ringen in der Regierungskommission da4468
rum, eine tragfähige, zukunftsfähige Lösung zu finden. Deswegen hilft Populismus in solchen Diskussionen nichts.
({1})
- Ich komme aus Regensburg.
Ich rede über die Anträge, die Sie gestellt haben. Das
Bundeskabinett hat am 24. Februar eine Regierungskommission eingesetzt. Wir arbeiten daran, dass wir bis
zum Sommer zukunftsfähige Vorschläge auf den Weg
bringen. Sie kommen aber mit Vorschlägen, die nicht
durchgerechnet und nicht durchdacht sind. Ich denke,
damit legen Sie ein Stück weit Populismus an den Tag.
({2})
Auf der Tagesordnung der eingesetzten Kommission
findet man - anders als in Ihren Anträgen - nicht nur
punktuelle Ad-hoc-Lösungen: Die Kommission kümmert
sich im Gesamtzusammenhang um unsere Kommunen.
Sie will - das ist ihr grundsätzlicher Ansatz - die Grundlagen der kommunalen Finanzen stärken, und zwar gleich
in mehrfacher Hinsicht. Es geht in diesem Zusammenhang um die kommunalen Finanzquellen, um größere Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume bei der Erfüllung der kommunalen Aufgaben sowie um größere
Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung. Genau
das brauchen unsere Kommunen. Entsprechende Vorschläge zu entwickeln, ist der Auftrag dieser Kommission.
Für die Kommunalfinanzen gilt: Viele Probleme sind
eine Folge der tiefgreifenden Finanz- und Wirtschaftskrise; wir haben aber auch ein strukturelles Problem, das
sich über eine längere Zeit entwickelt hat. Gerade deswegen ist es wichtig und richtig, dass die Aufarbeitung
dieser Probleme und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen gemeinsam mit Vertretern der Länder und
Kommunen sowie der kommunalen Spitzenverbände erfolgen; das ist das Ziel. Herr Dr. Troost, die kommunalen Spitzenverbände sind daher dabei. Die Einwände des
Regensburger Oberbürgermeisters sind berechtigt und
richtig. Wir müssen eine gute Reform auf den Weg bringen.
Es ist die Stärke der Gemeindefinanzkommission,
dass die Sachnähe und Kompetenz der Kommunen und
der kommunalen Spitzenverbände genutzt werden. Die
Gemeindefinanzkommission hat ihre Arbeit mit hoher
Dringlichkeit aufgenommen. Schon im Sommer sollen
erste Ergebnisse zur Neuordnung der Kommunalfinanzen vorgelegt werden. Schnelligkeit darf aber nicht vor
Sachlichkeit und Sorgfalt gehen.
Ziel der Arbeit der Gemeindefinanzkommission ist
es, zum einen für die Kommunen stabile und planbare
Einnahmen zu schaffen. Zum anderen soll und muss das
kommunale Selbstverwaltungsrecht erhalten bleiben.
Bei der ganzen Debatte um die Kommunalfinanzen ist es
aber auch wichtig, dass die lokale Bindung zwischen
Wirtschaft und Kommunen - Herr Dr. Troost, Sie haben
das Äquivalenzprinzip angesprochen - erhalten bleibt.
Dabei müssen zwei Anforderungen erfüllt werden:
Zum einen müssen die Einnahmen der Kommunen
unabhängiger von der konjunkturellen Entwicklung gemacht werden als bisher. Die Gewerbesteuereinnahmen
sind für die kommunalen Haushalte nicht immer planbar
und verlässlich. Deswegen müssen wir eine beständige
und verlässliche Grundlage schaffen.
Zum anderen dürfen aber Kapital und Liquidität der
Unternehmen in Verlustjahren nicht zusätzlich belastet
werden. Deswegen werden in der Kommission auch
Maßnahmen zur Aufkommensstabilisierung unter Fortbestand der Gewerbesteuer geprüft und erarbeitet, die
nicht zugleich die Attraktivität unseres Standorts beeinträchtigen.
In der Kommission werden alle Vorschläge auf ihre
Realisierbarkeit hin geprüft, und sie müssen gemeinsam
mit den Kommunen mit Blick auf die Umsetzbarkeit beraten werden. Wir, die CSU, haben uns festgelegt: Gegen
den Willen der Kommunen wird eine Neuordnung der
Kommunalfinanzen nicht Gesetz werden.
({3})
Dies halte ich für unseren Auftrag.
Zuvor hat Herr Scheelen über das Fundament gesprochen, das die Kommunen bilden. Ich habe vorhin im
Kürschner nachgeschaut, wie viele Kommunalpolitiker
in unserer Fraktion tätig sind. Ich halte es für unser aller
Anliegen, geordnete Verhältnisse der kommunalen Haushalte gewährleisten zu können. Deswegen ist diese Art
des Populismus, des Aufeinandereindreschens und des
Streits, wer denn da die besseren Lösungen findet, nicht
der richtige Weg. Wir sollten um die besten Lösungen
streiten. Dafür sind wir gewählt worden; dazu werden die
Kommission und auch wir einen Beitrag leisten. Ich
hoffe, dass wir dabei konstruktiv zusammenarbeiten und
die besten Lösungen finden können.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({4})
Abschließend hat die Kollegin Antje Tillmann von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Zuhörer! Herr Kollege Troost, Frau Kollegin
Kunert! Jetzt hätte ich gern noch den Kollegen Scheelen
angesprochen; der hat aber anscheinend keine Lust
mehr, über Kommunalfinanzen zu sprechen. Insgesamt
fällt auf, dass die SPD prozentual bei dieser Debatte am
schlechtesten vertreten ist.
({0})
Das zeigt ein bisschen, wie Ihr Interesse an den Kommunalfinanzen ist.
({1})
Lieber Kollege Troost, ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Ihrem Titel „Abgeordneter“ das Wort „Bundestag“ - Sie sind Bundestagsabgeordneter - vorangestellt
ist? Sie sind vorrangig Abgeordneter des Bundestages,
und das sage ich nicht deshalb, weil ich Ihnen vorwerfen
will, dass Sie sich für Kommunen engagieren. Nein, das
ist gut und richtig, das tun unsere Kolleginnen und Kollegen auch. Ich selber bin über lange Jahre Kommunalpolitikerin gewesen.
Es ist absolut richtig, auf die Situation der Kommunen hinzuweisen. Ein Schuldenstand von 110 Milliarden Euro bei den Kommunen ist bedrohlich. Es ist in
vielen Reden darauf hingewiesen worden, wie die finanzielle Situation ist. Ihr Engagement werfe ich Ihnen
nicht vor. Allerdings halte ich es für bedenklich, dass Sie
die Situation des Bundes in Ihrem Antrag mit keinem
einzigen Wort erwähnen. Ihr Antrag tut so, als könne der
Bund aus seinem großen Füllhorn von Einnahmen alle
Probleme der Kommunen ohne weiteres lösen, was aber
allein daran scheitere, dass wir böswillig die Kommunen
schlecht dastehen lassen wollen.
({2})
- Über das alles können wir gerne diskutieren; auch das
können wir in dieser Kommission gern bereden. In Ihrem Antrag steht das alles aber nicht. In Ihrem Antrag
steht in fünf Punkten, was Sie dem Bund zumuten wollen, damit die Situation der Kommunen verbessert wird.
Genau da werden wir uns nicht einig, Frau Kollegin
Kunert. Sie wissen doch selbst, dass der Bund bei einem
Defizit von 5 Prozent in diesem Jahr und bei einem Gesamtschuldenstand von 73 Prozent in einer noch sehr
viel schlechteren Situation ist als die Kommunen.
({3})
Daher meine ich: So einfach, wie Sie es in Ihrem Antrag
schreiben, ist es eben nicht.
Ich hätte dem Kollegen Scheelen auf seine Frage, ob
wir auf irgendetwas aus der Zeit der Großen Koalition
stolz sind, gern noch geantwortet: Ja, das bin ich. Dass
wir die Schuldenbremse zusammen beschlossen haben,
halte ich für eine gute Entscheidung. Aber die Schuldenbremse ist bisher nur Papier, und Sie müssen natürlich
mit uns gemeinsam diesem Papier auch Taten folgen lassen. Wir werden mit dem Haushalt 2011 in die Schuldenbremse einsteigen. Ich hoffe sehr, dass Sie sich noch
daran erinnern, dass wir das gemeinsam geschafft haben,
und dass Sie dann auch bei den Taten entsprechende Beschlüsse folgen lassen.
Der Antrag der Linken steht jedenfalls unter dem
Motto „Der Bund wird es schon richten“. Das beginnt
bei den Kosten der Unterkunft, bei denen Sie behaupten,
der Bund ziehe sich aus der Verantwortung. Tatsächlich
zahlen wir 26 Prozent der Kosten. Das ist der Anteil, für
den der Bund die arbeitsmarktliche Verantwortung trägt.
Wir sind zuständig für den Anteil, der sich an den Bedarfsgemeinschaften orientiert. Aber Sie wissen auch,
dass das Thema noch nicht gegessen ist. Im Vermittlungsverfahren werden wir selbstverständlich auch über
die Verteilung dieser Kosten noch einmal reden müssen.
Sie erwähnen als zweiten Punkt Soforthilfen für Kommunen. Sie nennen aber keine Summe. Ich nehme einfach
einmal den Betrag aus dem Konjunkturprogramm, den
wir den Kommunen als Soforthilfe zur Verfügung gestellt
haben. Die Kommunen haben im letzten Jahr 10 Milliarden Euro aus diesem Programm bekommen; diese Mittel
wurden um den Anteil der Länder, 3 Milliarden Euro, ergänzt. Sollten wir das erneut tun, würden wir unsere Verschuldung von 80 auf 90 Milliarden erhöhen. Das ergäbe
einen Anteil von 0,3 Prozent, den wir noch hinzurechnen
müssten. Dies bedeutete ein Scheitern bei der Schuldenbegrenzung, die wir zugesagt haben und wofür wir in der
Europäischen Union auch in der Verpflichtung stehen.
Ich bin auch sicher, dass es den Kommunen darauf
gar nicht ankommt. Die Kommunen wollen keine Zusatzprogramme des Bundes, bei denen wir im Deutschen
Bundestag festlegen, was sie mit diesen Mitteln tun müssen.
({4})
Selbstverständlich sind wir uns mit den kommunalen
Vertretern auch einig geworden, dass der Schwerpunkt
auf kindliche Bildung und Infrastruktur sinnvoll ist.
Aber tatsächlich wollen die Kommunen gerne selbst entscheiden - das können sie auch, weil sie näher an den
Menschen sind -, was sie mit ihren Einnahmen machen.
Sie brauchen eine Einnahmequelle, die nicht mit Programmen verbunden ist. So können sie vor Ort selber
verantwortlich reagieren.
({5})
Ein weiterer Punkt ist die Altschuldenhilfe. Welch intensive Mühe Sie sich bei der Erarbeitung Ihres Antrags
gegeben haben, kann man auch in diesem Punkt erkennen; denn es wird keine Zahl genannt. Sie schreiben mit
keinem Wort, wie Sie sich die Umsetzung vorstellen. Sie
schreiben nicht, ob es eine Zinshilfe oder eine Entschuldung sein soll. Soll der Bund nach Ihrer Auffassung die
Schulden der Kommunen in Höhe von 110 Milliarden
Euro übernehmen? In diesem Jahr hätten wir damit ein
Defizit von 200 Milliarden Euro und ein prozentuales
Defizit in Höhe von 9 Prozent, gemessen am BIP. Da ist
Griechenland nicht mehr weit.
Zu den völlig unüberlegten Vorschlägen, die Sie in Ihrem Antrag machen, gehört auch die Abschaffung der
Gewerbesteuerumlage von den Gemeinden an die Länder. Das ist der vierte Vorschlag in Ihrem Antrag. Ihnen
ist entgangen, dass der Deutsche Bundestag nicht auf
Einnahmen der Länder verzichten kann. Es geht also
schon rein rechtlich nicht, was Sie da verlangen.
Ich würde gerne Ihren Blick auf das Jahr 1970 lenken.
Im Jahr 1970 ist die Gewerbesteuerumlage nämlich nicht
auf Antrag des Bundes eingeführt worden, sondern auf
Antrag der Kommunen, die schon damals festgestellt ha4470
ben, dass die Gewerbesteuer sehr schwankungsanfällig
ist. Damals haben die Kommunen darum gebeten, einen
Anteil an der Einkommensteuer zu bekommen, die weitaus weniger schwankungsgefährdet ist.
Wenn wir die Gewerbesteuerumlage abschaffen wollten, dann müssten wir nicht nur sagen, wie die Mindereinnahmen in Höhe von 2 Milliarden Euro kompensiert
werden sollen, sondern wir müssten auch gleichzeitig
die Kommunen darüber informieren, dass ihr Anteil an
der Einkommensteuer mit dieser Vereinbarung obsolet
ist.
Ich nenne Ihnen ein praktisches Beispiel für die Folgen einer Abschaffung der Gewerbesteuerumlage. Da sie
prozentual aus den Einnahmen bestritten wird, sind natürlich jene Städte besonders bevorzugt, die am wenigsten Probleme mit der Gewerbesteuer haben. Wer die
höchsten Gewerbesteuereinnahmen hat, zahlt auch die
höchste Gewerbesteuerumlage. Ein kleiner Vergleich:
Die Stadt Coburg hat ein Gewerbesteueraufkommen von
2 668 Euro pro Einwohner und die Stadt Weimar von
191 Euro. Ich sehe nicht, dass die Stadt Weimar weniger
finanzielle Probleme hat als Coburg. Sie wollen mit der
Abschaffung der Gewerbesteuerumlage nur den reichen
Städten Geld zurückgeben. Das ist keine Lösung des
Problems.
({6})
Mein letzter Punkt sind die Hinzurechnungen. Ich
hätte auch da gerne den Kollegen Scheelen angesprochen, weil bei den Hinzurechnungen nicht das Problem
der Steuertrickserei und auch nicht das Problem der Gestaltungsmodelle existieren. Ein Ladenlokal, das vorübergehend Umsatzeinbrüche zu verzeichnen hat, aber
trotzdem die Mieten und Pachten zahlen muss, zahlt die
Gewerbesteuer aus der Substanz. Wenn man kein Geld
mehr nachschießen kann, dann ist die einfachste Lösung
die Entlassung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Deshalb bin ich beim Vorschlag, die Substanzbesteuerung auszudehnen, sehr vorsichtig. Ich will nicht verhehlen, dass es kurzfristig ein Erfolg sein kann, aber langfristig sollten wir Unternehmen nur dann mit Steuern
belasten, wenn Gewinne tatsächlich eingefahren werden.
({7})
Aus meiner Sicht ist Ihr Antrag keiner, den man aus
Sicht eines Bundestagsabgeordneten verantwortlich diskutieren kann. Das ist anders beim Antrag der Grünen. Frau Haßelmann hört gar nicht, dass ich ihren Antrag gerade lobe.
({8})
- Gut. - Im Antrag der Grünen gibt es selbstverständlich
Punkte, denen ich zustimmen kann. Ja, die Körperschaftsteuer ist ähnlich schwankungsanfällig wie die Gewerbesteuer. Ich kann sehr gut damit leben, dass wir überprüfen, ob Freiberufler in die Gewerbesteuer aufzunehmen
sind. Aber das Problem ist - Herr Troost hat eben darauf
hingewiesen -, dass eine Anrechnung auf die Einkommensteuer erfolgt. Mir als Steuerberaterin tut das nicht
weh, mich kostet die Gewerbesteuer keinen Cent. Ich
kann das bei der Einkommensteuer wieder abziehen. Es
kommen also auch in dieser Hinsicht erhebliche Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer auf uns zu.
Wir sollten das diskutieren. Dafür haben wir diese
Kommission auf Bundesebene eingesetzt. Zum Ergebnis
habe ich noch keine Meinung. Ich glaube, die Gewerbesteuer auch nach sieben Jahren zum fünften oder sechsten Mal zu diskutieren, ist richtig. Falls wir mit den
Kommunen zu keinem gemeinsamen Ergebnis kommen
- das steht bereits im Kommissionsbericht -, wird keine
Veränderung vorgenommen. Ich halte es für schwierig,
für die Gewerbesteuer einzutreten, aber immer dann,
wenn es Probleme gibt, den Bund aufzufordern, etwas
Geld nachzuschießen; denn das ist meist dann der Fall,
wenn dem Bund das Wasser ähnlich bis zum Halse steht.
Ich kann sehr gelassen den Bericht abwarten, der hoffentlich noch vor der Sommerpause als Zwischenbericht
veröffentlicht wird. Die Kommission hat gegenüber der
Debatte in diesem Haus den großen Vorteil, dass die Gemeinden mitreden können. Hier reden wir über die Gemeinden und nicht mit den Gemeinden. Ich würde sehr
gerne mit der Kommission und den Kommunen über die
Probleme reden. Ich glaube, wir sollten den Bericht abwarten. Wir werden die Vorschläge sehr intensiv diskutieren und feststellen, ob nicht der eine oder andere Vorschlag aus Ihrem Antrag, Frau Haßelmann, umzusetzen
ist, aber jeweils unter Berücksichtigung der Auswirkung
auf den Bundeshaushalt. Dazu gehört ehrlicherweise,
dass wir dann bei den Beratungen für den Haushalt 2011
für diese 3 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt wegfallen, eine Gegenfinanzierung finden müssen, damit wir
die Schuldenbremse, die bisher ja nur auf dem Papier
steht, auch tatsächlich mit Leben erfüllen. Ich glaube,
dass uns hier das Ergebnis der Kommission die richtige
Richtung weist.
({9})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/1744 und 17/1764 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem
Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel: „Für eine
Verstetigung der Kommunalfinanzen - Die Gewerbe-
steuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 17/1783, den Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/783 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP
Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau
bekämpfen
- Drucksache 17/1755 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({0})
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen
- Drucksache 17/1765 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({1})
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das
so beschlossen.
Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Manfred
Kolbe von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({2})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Taxes are what we pay for a civilized society - Steuern sind unser Beitrag für eine zivilisierte Gesellschaft. Das steht über dem Eingang der
amerikanischen Steuerbehörde IRS. Meines Erachtens
könnte diese Aussage auch über jedem deutschen
Finanzamt stehen: Steuern sind die finanzielle Grundlage unseres Gemeinwesens.
({0})
Das heißt auch: Eine zivilisierte Gesellschaft muss sich
gegen diejenigen wehren, die sie ausnutzen und schädigen, sowohl durch Steuerhinterziehung auf der Einnahmenseite als auch durch Leistungsbetrug auf der Ausgabenseite.
Die unionsgeführte Große Koalition und die jetzt regierende christlich-liberale Koalition haben deshalb
zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung auf den Weg gebracht,
deutlich mehr als die rot-grünen Vorgängerregierungen
von 1998 bis 2005.
({1})
Wir haben durch den neuen § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5
Abgabenordnung endlich eine wirksame Strafverfolgung
bei der bandenmäßigen Hinterziehung von Umsatz- und
Verbrauchsteuern.
Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung nimmt erstmals diesen qualifizierten Tatbestand in den Katalog des § 100 a Strafprozessordnung
auf, womit ohne Wissen der Betroffenen eine Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnung ermöglicht
wird. Damit haben wir erstmals im Steuerstrafrecht die
Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung für
besonders schwere Steuerhinterziehungstatbestände. Das
hat es vorher nicht gegeben. Wir haben die Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre erhöht.
Neben dem Gesetzgeber war auch die Steuerfahndung
in Deutschland erfolgreich. Jahr für Jahr haben wir rund
40 000 Verfahren, davon 17 000 Strafverfahren, und
Mehreinnahmen in Milliardenhöhe.
Auch die Rechtsprechung bekämpft die Steuerhinterziehung energisch. Der Bundesgerichtshof hat jetzt die
Strafzumessungsregelungen bei der Steuerhinterziehung
präzisiert. Der Strafrahmen von zehn Jahren ist nach Ansicht unserer Fraktion ausreichend; aber bei dem einen
oder anderen Urteil empfindet man mitunter dessen Ausschöpfung als etwas unzureichend. Der Bundesgerichtshof hat deshalb jetzt entschieden, dass Freiheitsstrafen bereits ab Hinterziehungssummen von 50 000 Euro möglich
sind, ab Hinterziehungssummen von 100 000 Euro unerlässlich sind, allerdings beim Ersttäter noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei Hinterziehungen in
Millionenhöhe schließt der Bundesgerichtshof künftig
die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung
aus. Wer also Steuern in Millionenhöhe hinterzieht, sitzt
tatsächlich.
Steuerhinterziehung findet nicht nur im nationalen
Bereich, sondern auch im internationalen Bereich statt,
weil grenzüberschreitend steuerliche Sachverhalte natürlich schwieriger zu erfassen sind und sogenannte Steueroasen dies bisher durch eine Verweigerung der Zusammenarbeit begünstigt haben.
Zentrales Ziel aller Bundesregierungen war es deshalb,
den sogenannten OECD-Standard möglichst weitgehend
durchzusetzen, wonach für die Besteuerung relevante Informationen auf Ersuchen ausländischer Steuerbehörden
zur Verfügung gestellt werden müssen. Zwar akzeptierte
die Mehrzahl der Steueroasen den OECD-Standard, verweigerte dann jedoch dessen Umsetzung.
Hier haben wir auf dem G-20-Gipfel im April 2009 einen Durchbruch erzielt. Durch die Androhung „schwarzer“ bzw. „grauer“ Listen haben sich jetzt alle bedeutenden internationalen Finanzzentren bereit erklärt, diesen
OECD-Standard anzuerkennen. So weit unser Tätigwerden auf internationaler Ebene.
Ich sage Ihnen auch, was wir auf internationaler
Ebene im Gegensatz zum vorherigen Finanzminister
nicht tun werden. Wir werden nicht mehr völlig Unschuldige und an Steuerhinterziehung völlig Unbeteiligte wie etwa die Indianer oder die Republik Burkina
Faso mit ihrer Hauptstadt Ouagadougou beleidigen. Das
ist - das sagen wir ganz deutlich - nicht unsere Politik.
({2})
Suaviter in modo, fortiter in re - maßvoll im Ton, hart in
der Sache: So ist die Politik der christlich-liberalen Bundesregierung.
({3})
Gerade in jüngster Zeit haben die Bundeskanzlerin
und auch der Bundesfinanzminister beim Ankauf der
Steuersünder-CD sofort energisch gehandelt. Sofort
nachdem dies bekannt geworden ist, hat die Bundeskanzlerin am 1. Februar gesagt - ich zitiere -:
Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant
sind, auch in ihren Besitz kommen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass Steuerziehung geahndet
werden muss.
So weit das Zitat der Bundeskanzlerin. Hier wurde also
nicht moderiert, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, sondern Führungsstärke bewiesen.
Der Ankauf dieser CD ist natürlich nicht ganz unproblematisch. Die Frage, ob fehlerhaft gewonnene Beweise, hier ein rechtswidrig gewonnenes Beweisstück,
prozessual verwertet werden dürfen oder ob wir zu einem sogenannten Beweisverwertungsverbot kommen,
ist natürlich eine schwierig zu beantwortende Frage des
Strafrechts und des Strafprozessrechts. Aber wir haben
diese Frage entschieden, und zwar richtig.
Mittlerweile werden die deutschen Finanzämter aufgrund dieser ersten CD sowie weiterer angebotener CDs
mit Selbstanzeigen geradezu überflutet. Seit Jahresbeginn sind knapp 20 000 Selbstanzeigen eingegangen.
Diese sollen bisher zu Mehreinnahmen von rund 4 Milliarden Euro geführt haben. Nur rund 15 Prozent dieser
Selbstanzeigen stehen im direkten Zusammenhang zu
den angekauften CDs. 85 Prozent sind reine Folgewirkungen aufgrund der Möglichkeit der strafbefreienden
Selbstanzeige.
Damit ergibt sich unserer Ansicht nach auch ganz klar
die Antwort auf die Frage, wie wir mit dem Gesetzentwurf der SPD verfahren sollen, der ja die strafbefreiende
Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung ersatzlos abschaffen will. Dies lehnen wir ab. Wir meinen, der Gesetzentwurf ist etwas schlicht. Man muss sich Gedanken
machen
({4})
über die strafbefreiende Selbstanzeige, über die kriminalpolitischen Zielsetzungen einerseits und die fiskalpolitischen Zielsetzungen andererseits. Diese stehen
- das sei zugegeben - zum Teil im Widerspruch. Aber
einfach zu sagen „Weg damit!“, damit machen Sie es
sich etwas zu einfach. Das ist nicht unser Weg.
({5})
Ich möchte kurz an die Historie erinnern - Frau
Kressl, Sie werden es noch wissen -: Als Rot-Grün noch
regierte, wurde ein völlig anderer Weg gegangen. Ich erinnere an die Brücke in die Steuerehrlichkeit. Das war
die Amnestie aus dem Jahre 2003.
({6})
Auch Herr Schick sollte hier einmal zuhören.
({7})
Das war eine Maßnahme der rot-grünen Regierung. Damals wollte man Steuerhinterziehern bei einer strafbefreienden Erklärung einen ermäßigten Steuersatz von
25 bzw. 35 Prozent einräumen. Wenn wir das jetzt vorschlagen würden, würden Sie uns in der Luft zerreißen.
Das war rot-grüne Steuerhinterziehungsbekämpfungspolitik.
Meine Fraktion geht seit jeher den richtigen Mittelweg.
({8})
Wir treten einerseits für die grundsätzliche Beibehaltung
der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abgabenordnung ein, möchten aber andererseits dort, wo die
Selbstanzeige mit krimineller Energie von Anfang an bereits Teil einer Hinterziehungsstrategie ist, engere
Schranken setzen.
Die strafbefreiende Selbstanzeige ist der verfassungsrechtlich anerkannte Weg zurück in die Steuerehrlichkeit. Die Regelungen des § 371 Abgabenordnung beruhen sowohl auf fiskalpolitischen als auch auf
kriminalpolitischen Zielsetzungen. Fiskalpolitisch wollen wir damit bisher verheimlichte Steuerquellen erschließen, die auch eine verstärkte Finanzverwaltung
nicht aufspüren könnte. Kriminalpolitisch wird damit
dem Prinzip der tätigen Reue Rechnung getragen. Wer
die Wirkung einer Tat rückgängig macht, wird milder
behandelt. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist kein
deutsches Sonderrecht, sondern es gibt sie in ähnlicher
Form auch in den meisten anderen europäischen Staaten
und den USA. So weit zur grundsätzlichen Bejahung des
§ 371 Abgabenordnung.
Wir sagen aber auch: Die Flut der Selbstanzeigen
- gerade nach dem Ankauf der CD mit Daten über Steuersünder - zeigt, dass nicht immer, um es vorsichtig zu
sagen, nur ehrliche Reue der ausschlaggebende Grund
für die Steuerehrlichkeit war. Vielmehr war es oft die
Angst vor Entdeckung oder das Nichtaufgehen einer
kühl kalkulierten Hinterziehungsstrategie. Wir wollen
die Erkenntnisse aus den letzten Monaten dazu nutzen,
das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige zu überprüfen. Wir wollen dieses Institut erhalten, aber es darf
nicht mehr als Mittel einer Hinterziehungsstrategie missbraucht werden. Deshalb haben wir in unserem Antrag
einige Prüfwünsche und mögliche Änderungen aufgezeigt. Wir bitten die Bundesregierung, diese Vorschläge
mit ihrem Sachverstand, sicherlich gemeinsam mit den
Ländern, zu prüfen.
Erstens. Wir wollen die Teilselbstanzeige ausschließen. Wer Selbstanzeige erstattet, muss sich vollständig
offenbaren. Er darf nicht scheibchenweise nur die Taten
nennen, deren Entdeckung er möglicherweise befürchtet,
sich beispielsweise, wenn das Land A gerade besonders
im Fokus ist, nur für das dort deponierte Geld erklären,
das Geld in Land B und C aber weiterhin verheimlichen.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Montag, Herr Kolbe?
Jawohl.
Herr Kolbe lässt die Zwischenfrage zu. - Bitte.
Danke, Herr Präsident. - Herr Kollege, ich habe über
Ihre Idee mit Interesse gelesen. Da Sie sie jetzt wiederholen, habe ich sie nun auch mit Interesse gehört. Ich
wollte Sie fragen, wie sich Ihre Fraktion die Lösung dieser Problematik vorstellt. Ich nenne eine ganz klare Konstellation: Jemand hat Steuern hinterzogen, indem er
Geldbeträge in zwei ausländischen Staaten deponiert hat.
Jetzt macht er eine Selbstanzeige und zeigt den Sachverhalt A an. Von dem Sachverhalt B weiß niemand. Er erklärt, dass es eine vollständige und richtige Anzeige ist.
Dann wird er so behandelt, als habe er eine vollständige
umfängliche Selbstanzeige gemacht. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Strafbefreiung in einer solchen
Konstellation nicht gewährt wird, wenn der zweite Sachverhalt weder den Ermittlungsbehörden noch den Finanzbehörden noch sonst jemandem bekannt ist?
Herr Kollege, erstens tun Sie mir und meiner Fraktion
zu viel der Ehre an, wenn Sie sagen, das sei unsere Idee.
Hierbei handelt es sich um eine in der Literatur heftig
umstrittene Frage. Wir wollen überprüfen, ob dies helfen
kann, Hinterziehungsstrategien einzugrenzen. Denn es
ist ganz klar kein Fall von tätiger Reue, wenn jemand
Schwarzgelder in den Ländern A, B und C hat, A erklärt,
aber B und C für sich behält. Wie weit das im Einzelnen
geht und ob wir da eventuell Probleme mit der Rechtskraft bekommen, soll im Rahmen des Prüfauftrags detailliert geprüft werden. Wir legen heute keinen abschließenden Gesetzentwurf vor. Wir zeigen Wege auf, wie
man zu einem sachgerechten Mittelweg kommt, also Erhaltung des Instituts, aber Verhinderung des Missbrauchs. - Danke für die Frage.
({0})
Zweitens. Wir wollen über den Zeitpunkt der Tatentdeckung nachdenken. Wann ist eine Tat entdeckt? Ist
dazu die vollkommene Ausermittlung des Sachverhaltes
erforderlich, wie es derzeit die Rechtsprechung fordert,
oder reicht dazu ein tatsachengestützter Anfangsverdacht? Ein anderer Fall ist die Betriebsprüfung. Muss
der Betriebsprüfer erst erscheinen - dazu gibt es nette
Klausurfälle, denn manchmal wird ihm am Gartentor die
entsprechende Selbstanzeige übergeben und je nach
dem, ob die Selbstanzeige vor oder hinter dem Gartentor
stattfand, ist zu entscheiden, ob die Strafbefreiung eintritt oder nicht -, oder reicht der Zugang der Betriebsprüfungsanordnung aus?
Drittens. Wir denken auch über einen Zuschlag zu
den Hinterziehungszinsen nach,
({1})
damit derjenige, der hinterzieht, nicht besser als derjenige behandelt wird, der zwar deklariert, aber aus irgendwelchen Gründen nicht zahlt.
Das ist eine Reihe von Prüfaufträgen an das BMF, die
uns in den nächsten Monaten beschäftigen wird, aber die
eine gute Lösung dieses Problems in Aussicht stellt.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass natürlich
trotz internationaler Finanzkrise ein einfaches, niedriges
und gerechtes Steuersystem ein Beitrag zur Bekämpfung
der Steuerhinterziehung ist.
({2})
Ich zitiere den deutschen Nationalökonomen Hans-Karl
Schneider, der einmal gesagt hat:
Wer mehr als die Hälfte seines Einkommens an das
Finanzamt abführen muss, ist mehr darauf bedacht,
Steuern zu sparen, als darauf, Geld zu verdienen.
Auch daran ist etwas Wahres.
Zu einer Bekämpfung der Steuerhinterziehung gehört
deshalb auch ein Steuersystem, das von den Bürgerinnen
und Bürgern akzeptiert wird, in dem sie zwar nicht gerne
ihre Steuern zahlen - das wäre vielleicht zu viel verlangt -,
in dem sie aber den Sinn und Zweck einsehen, nämlich
die finanzielle Grundlage unseres Gemeinwesens zu
schaffen.
In diesem Sinne werden wir unseren Antrag beraten
und hoffen auf eine möglichst breite Zustimmung.
Danke.
({3})
Das Wort hat der Kollege Martin Gerster von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dem Kollegen Kolbe zuhört, dann gewinnt man den Eindruck, dass die schwarz-gelbe Koalitionszusammenarbeit eine neue Speerspitze im Kampf
gegen Steuerhinterziehung ist.
({0})
Aber wenn man nicht nur kurz hinschaut, sondern auch
ein bisschen am Lack kratzt, also sich die vorliegenden
Anträge genauer ansieht, dann stellt man fest: große Erwartungen, große Ziele. Aber was steckt dahinter?
In der Gemengelage der parlamentarischen Initiativen
sehen wir: Die SPD-Fraktion legt einen Gesetzentwurf
vor, in dem ganz konkret etwas gefordert wird. Von den
anderen Fraktionen gibt es Anträge. Die Fraktion Die
Linke hat ihren Antrag mit den Worten überschrieben:
„Den Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht dem Zufall überlassen“. Wie in einem Überbietungswettbewerb
heißt es als Überschrift in dem Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen: „Steuerhinterziehung wirksam
bekämpfen“. Sie von der Koalition setzen noch eins
drauf und titeln in Ihrem Antrag: „Steuerhinterziehung
wirksam und zielgenau bekämpfen“.
({1})
Wenn man sich aber Ihren Antrag anschaut, dann
wird sehr schnell deutlich, dass die Wunschehe von
Union und FDP zerrüttet ist. Es gibt kein Thema, bei
dem das so deutlich wird wie beim Thema Steuern und
Steuerhinterziehungsbekämpfung.
({2})
Deswegen sage ich: Das, was Sie hier machen, ist
Schaumschlägerei.
Herr Kolbe, Sie selber haben das Thema Steuer-CD
angesprochen. Das, was in Baden-Württemberg veranstaltet wird, ist wirklich nicht toll. Zuerst sagt die Landesregierung: Wir wollen die Steuer-CD erwerben. Dann
erklärt der FDP-Justizminister Goll: Das wollen wir
doch nicht machen. Bis heute ist noch nicht geklärt, was
mit der angebotenen Steuer-CD und den darauf befindlichen Daten von Steuerhinterziehern passieren soll. Auf
die Frage, ob sie nun erworben wird oder nicht, sind Sie
die Antwort schuldig geblieben.
({3})
Konkret zu Ihrem Antrag „Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen“ sage ich: Je ambitionierter die Überschrift, desto weniger Inhalt. Zwar ist Ihr
Antrag umfangreich und umfasst viele Seiten, Herr
Kolbe, aber eigentlich ist das ein Nichtantrag. Viel von
dem Wenigen, das Sie darin formulieren, kennen wir aus
der letzten Legislaturperiode. Motor war dabei aber
nicht die Unionsfraktion, sondern die SPD-Fraktion mit
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.
({4})
Sie von der Union waren die Bremser, und die FDPFraktion hat immer dagegen gestimmt. Insofern verstehe
ich gar nicht, wie Sie sich überhaupt darauf einigen
konnten, dies als Pluspunkte in Ihren Antrag zu schreiben.
In der Tat ist es so, dass Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück und die SPD-Fraktion einiges Gute auf den
Weg gebracht haben. Ich denke an das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, an die Durchsetzung der
OECD-Standards und die Austrocknung der Steueroasen, aber auch an die Veränderung der Fristen für die
Verjährung in Bezug auf die Verfolgung, die wir im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 vorgenommen haben. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Sie schmücken
sich in diesem Antrag mit fremden Federn. Es wäre
schön gewesen, wenn Sie gesagt hätten, wer bei dieser
Entwicklung Motor und wer Bremser war.
Herr Kolbe, wenn man schaut, was konkret in Ihrem
Antrag steht, dann wird es wirklich dünn.
Herr Gerster, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kolbe?
Ja, gerne.
Bitte schön.
Herr Gerster, Sie haben zugegeben, dass wir eine
lange Liste mit dem füllen können, was unionsgeführte
Bundesregierungen seit 2005 zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung unternommen haben. Können Sie aus
dem Stegreif eine ebenso lange Liste mit den Maßnahmen anfüllen, die Rot-Grün in der Regierungszeit von
1998 bis 2005 zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung
ergriffen hat?
Da ist ebenfalls einiges passiert, Herr Kolbe.
({0})
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Im Rahmen der Großen
Koalition kamen die Initiativen von Herrn Steinbrück
und von der SPD-Fraktion. Sagen Sie doch einmal, welche Initiative in der Zeit der Großen Koalition aus der
Feder des Wirtschaftsministers gekommen ist. Von dort
habe ich Initiativen vermisst. Von dort ist gar nichts gekommen.
({1})
- In der Anhörung, die ja noch ansteht, können wir gerne
noch einmal darüber beraten. Da gibt es einiges, das ich
Ihnen dann sicherlich mitteilen kann.
({2})
Schauen wir doch einmal konkret in Ihren Antrag. Er
ist Beratungsgegenstand und nicht die Vergangenheitsbewältigung. Das, was Sie da vorschlagen, ist wirklich
dünn. Ich halte es für abenteuerlich, wenn Sie im Antrag
behaupten, dass Steuersenkungen als Maßnahme gegen
Steuerhinterziehungen gelten können. Es ist ja wirklich
unglaublich, dass hier das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz aufgeführt wird und ganz gezielt
darauf verwiesen wird, dass es als Maßnahme gegen
Steuerhinterziehung gelten soll. Ich frage mich, ob die
Zusatzsubventionen für Hoteliers die Steuerehrlichkeit
in Deutschland fördern können. Wie soll denn das funkMartin Gerster
tionieren? Das steht in Ihrem Antrag. Das ist doch ein
zusätzlicher Aufbau von Steuerbürokratie und lädt geradezu dazu ein, keine richtigen Angaben zu machen. Insofern sage ich: Das, was Sie in Ihren Antrag geschrieben haben, ist lachhaft.
Ansonsten enthält der Antrag eine Reihe von Prüfaufträgen. Herr Kolbe, Sie haben darauf hingewiesen, dass
die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Abschaffung
der Straffreiheit bei Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung eingebracht hat. Ich bin überrascht, dass Sie das
nicht aufgreifen; denn noch im Februar hieß es in der
Augsburger Allgemeinen Zeitung wie folgt:
Die momentane Entwicklung der Selbstanzeigen
„pervertiere den Sinn des Gesetzes“ …
- so Ihr Fraktionskollege Michelbach wörtlich Sie zeige, dass Selbstanzeigen nicht aus Reue, sondern aus Angst vor Entdeckung vorgenommen würden. Michelbach forderte daher die Abschaffung
der Regelung.
Ehrlich gesagt vermisse ich das in Ihrem Antrag.
Schade, dass Sie die Anregung vom Kollegen
Michelbach nicht aufgenommen haben. In der Anhörung
werden wir die Experten, beispielsweise von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hören. Sie werden uns sagen, wie wir an dieser Stelle vorgehen sollen.
({3})
Wir von der SPD-Fraktion stehen dazu: Wir wollen
die Straffreiheit bei Selbstanzeige abschaffen. Wir wollen die Steuerfahndung ausbauen. Letztendlich wollen
wir - ich glaube, das ist in diesem Zusammenhang wichtig - den Verfolgungsdruck auf diejenigen erhöhen, die
systematisch und mit krimineller Energie Steuern hinterziehen. Das ist unser Auftrag.
Deswegen sage ich: Wir von der SPD-Fraktion sind
mit unserem Gesetzentwurf aus meiner Sicht auf dem
richtigen Weg. Ihr Antrag besteht aus vielen Prüfaufträgen - aus einem bunten Kessel -, und eigentlich ist nicht
wirklich etwas dabei, was man greifen kann.
Aber es gibt ja noch die Anhörung Ende Juni. Dort
werden wir ein paar Stunden lang beraten und die Sachverständigen hinzuziehen. Ich freue mich auf diese Diskussion und natürlich auch auf die Diskussion im Finanzausschuss.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing
von der FDP-Fraktion.
({0})
Ich danke Ihnen. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wenn man eine so angespannte Haushaltslage hat, wie wir sie gegenwärtig haben,
({0})
dann haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, dass unser Steuerrecht stringent vollzogen wird.
Weil hier im politischen Raum immer wieder die Behauptung laut wird, dass Steuerhinterziehung nicht bekämpft und viel Populismus mit diesem Thema betrieben wird,
({1})
haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt,
damit die Bürgerinnen und Bürger auch einmal sehen,
was dieser Staat in der Vergangenheit alles getan hat, um
Steuerhinterziehung stringent zu verfolgen; denn das
sind wir den ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig.
({2})
Gleichwohl gibt es das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige, und viele verstehen nicht, warum es
das gibt. Wir verzeichnen 18 000 Selbstanzeigen, mit denen Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,25 Milliarden
Euro verbunden sind. Das spricht eine klare Sprache.
Deswegen kann man sagen, dass sich die Möglichkeit
der strafbefreienden Selbstanzeige im deutschen Steuerrecht bewährt hat. Deswegen wollen wir daran festhalten.
Wir wollen die Verfolgung von Steuersündern nicht
erschweren, sondern wir wollen sie vereinfachen. Kaum
dass Sie jetzt in der Opposition sind, stellen Sie sich,
nachdem Sie die strafbefreiende Selbstanzeige elf Jahre
lang, als Sie die Regierungsverantwortung hatten, aus
guten Gründen nicht abgeschafft haben, hier hin und
schreien laut: Das muss weg.
({3})
Herr Kollege Gerster, in unserem Steuerrecht wird auf
Kooperation gesetzt. Das ist ein sehr kompliziertes Steuerrecht. Das ist etwas, was man an anderer Stelle diskutieren muss. Es setzt auf Kooperation, die nicht nur freiwillig ist. Die Steuerbürger müssen den Steuerbehörden alle
Informationen mitteilen, auch wenn sie in der Vergangenheit falsche Angaben gemacht haben.
Wir haben ein Strafrecht, das besagt, dass sich niemand selbst belasten muss. Wenn Sie jetzt die strafbefreiende Selbstanzeige abschaffen und die Kooperationspflicht im Steuerrecht beibehalten, dann frage ich:
Können Sie mir einmal sagen, wie das gehen soll?
({4})
Deswegen gibt es nicht nur Gründe der Vereinfachung und fiskalpolitische Gründe dafür, dass die strafbefreiende Selbstanzeige richtig und wichtig ist. Es gibt
auch verfassungsrechtliche Gründe dafür, warum wir sie
brauchen. Deswegen wollen wir sie auch nicht infrage
stellen.
Jetzt sind Sie also doppelt des Populismus entlarvt.
Herr Kollege Wissing, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gerster?
Ja.
Bitte schön, Herr Gerster.
Herr Kollege Wissing, ich bin jetzt doch etwas überrascht, dass Sie die strafbefreiende Selbstanzeige als bewährtes Instrument bezeichnen. Mir liegt hier ein Artikel
aus dem manager magazin vom 19. Februar 2010 vor.
Darin war zu lesen:
Auch der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Volker Wissing ({0}), stellt … das Instrument der Selbstanzeige infrage. Wissing beklagt
demnach, das Gesetz werde
- so wörtlich „oft missbraucht“, es bestehe eine „krasse Gerechtigkeitslücke“.
Können Sie mir Ihre Rolle rückwärts in diesem Punkt
erklären?
({1})
- Das war vor der NRW-Wahl.
Das kann ich Ihnen erklären, und das hätte ich jetzt
auch noch weiter ausgeführt. Im Übrigen können Sie das
auch dem Antrag entnehmen, in dem ganz klar steht
- das steht auch in dem Artikel, den Sie zitiert haben;
wenn sie ihn vollständig zitiert hätten, dann hätten Sie
das auch vorgelesen -, dass ich das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige nicht aufgeben möchte. Wir
sind es den Menschen aber schuldig, kontinuierlich zu
überprüfen, ob es einen Reformbedarf, einen Verbesserungsbedarf oder einen Präzisierungsbedarf gibt, weil es
immer das Ziel sein muss, die Einhaltung der Steuergesetze stringent zu beachten und diejenigen, die sie nicht
beachten, stringent zu verfolgen.
Nichts anderes habe ich in der Öffentlichkeit gesagt,
und nichts anderes sage ich heute an diesem Mikrofon.
({0})
Herr Kollege Gerster, Sie sind in doppelter Hinsicht
des Populismus entlarvt: zum einen, weil Sie in elf Jahren Regierungsverantwortung nicht umgesetzt haben,
was Sie heute fordern, und zum anderen, weil es nicht
sinnvoll ist. Deswegen sagen auch die noch verbliebenen
SPD-Finanzminister in den Ländern - es gibt ja nicht
mehr viele -, dass erst die Straffreiheit Steuersündern einen Anreiz bietet, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Durch die Straffreiheit eröffnet sich für den Staat
die Chance, Einnahmen zu erzielen. Das sagt Ihr Finanzminister in Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl, und er hat
recht.
Aus diesem Grund haben auch die Bundesfinanzminister der SPD diesem Mann nie widersprochen, sondern
sie haben genau dasselbe getan wie der Finanzminister
in Rheinland-Pfalz, nämlich sich für den Erhalt der strafbefreienden Selbstanzeige eingesetzt.
Also bleibt festzuhalten: Die Sozialdemokraten haben
elf Jahre lang an dem Instrument festgehalten. Die sozialdemokratischen Finanzminister halten an diesem Instrument fest. Es passt in unsere Rechtsordnung, und
deswegen hält auch diese Koalition an diesem Instrument fest.
Das heißt noch lange nicht, dass man nicht die Diskussionen verfolgt, die sich um die Anwendung dieses
Rechtsinstruments drehen. Der Kollege Kolbe hat bereits darauf hingewiesen, dass darüber diskutiert wird,
ob es im Einzelfall ausreicht, die strafbefreiende Selbstanzeige an der Gartentür abzugeben, oder ob man das
noch an der Wohnungstür machen kann bzw. ob der Vorgarten oder der Pfad zwischen Vorgarten und Haustür
die entscheidende Schwelle ist, und dass überlegt wird,
diese Situation abzuschaffen, weil sie unwürdig ist.
Denn hinter der strafbefreienden Selbstanzeige verbirgt
sich auch eine gewisse Großzügigkeit.
Wir wollen nicht, dass jemand eine strafbefreiende
Selbstanzeige neben der Haustür liegen hat, um sie
schnell zu holen, wenn er erwischt wird, und sich Straffreiheit zu verschaffen; einstweilen genießt man die Vorteile der Steuerhinterziehung. Das wollen wir nicht, weil
wir immer dafür eingetreten sind, die Steuergesetze
stringent zu vollziehen und weil es für uns eine zentrale
Frage für die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft ist.
Aber man muss eine kluge und sinnvolle Regelung
finden, die auch rechtsstaatlich in Ordnung ist und die
fiskalpolitischen Interessen des Staates wahren muss.
Das macht diese Koalition.
Wenn Sie regieren würden, dann hätten Sie einen solchen Antrag niemals vorgelegt.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Nur zwei Dinge auf Erden sind uns
ganz sicher: der Tod und die Steuer“, sagte einst der
amerikanische Präsident Benjamin Franklin. Mit dem
ersten Punkt hatte er recht. Beim zweiten konnte er sich
offensichtlich nicht vorstellen, dass es Zeitgenossen geben würde, die eine ungeheure Fantasie und Energie entfalten, ihrer staatsbürgerlichen Verpflichtung zur Zahlung der Steuer zu entgehen. Diese handeln nach dem
Motto „Steuern zahlen nur die Dummen“ und hoffen darauf, dass man zu dumm ist, um ihnen auf die Schliche
zu kommen. Meistens haben sie leider recht.
Die Ausmaße der Steuerhinterziehung sind im Zuge
der Affäre um den Ankauf der Steuer-CD aus der
Schweiz mehr als deutlich geworden. Laut Medienberichten haben sich bis jetzt mehr als 18 000 Steuerkriminelle selbst angezeigt und dem Fiskus 1,25 Milliarden Euro zurückgezahlt. Dabei ist die Schweiz auch
nur eine der sogenannten Steueroasen auf dieser Welt.
Wir müssen endlich alle Steueroasen austrocknen, wenn
wir mehr Steuergerechtigkeit erreichen wollen.
({0})
In Anbetracht dieser immensen Summen aus der
Steuerhinterziehung und der dramatischen Situation der
öffentlichen Haushalte - wir haben heute schon über die
Kommunalfinanzen diskutiert - begrüßen wir grundsätzlich alle Initiativen, die das Ziel haben, Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen. Bei der Regierungskoalition bleibt die Frage, warum sie nicht schon früher mehr
unternommen hat und ob tatsächlich mehr herauskommt
als vollmundige Ankündigungen. Denn es reicht nicht,
immer nur den Mund zu spitzen. Wer den Mund spitzt,
muss auch pfeifen.
({1})
Hellhörig werde ich, wenn im Antrag der Regierungskoalition davon die Rede ist, dass zur Umsetzung der
OECD-Standards bestehende Doppelbesteuerungsabkommen nicht angepasst werden müssten. Die bestehenden
Regelungen zum Informationsaustausch seien ausreichend, heißt es in Ihrem Antrag, soweit der Abkommenspartner in Bezug auf den Zugang zu Bankinformationen
keinen Beschränkungen aufgrund seines nationalen
Rechts unterliege. Das Problem dabei ist jedoch, dass die
Bestimmungen im OECD-Musterabkommen zum Informationsaustausch nicht geeignet sind, unserer Steuerverwaltung die notwendigen Informationen über die Geldanlagen der Steuerkriminellen zu verschaffen. Da liegt
doch der Hund begraben. Die Länder, die als Steueroasen genutzt werden, können nämlich OECD-Standards
akzeptieren und gerade so weitermachen wie bisher;
denn sie können sich darauf berufen, dass ihre Verwaltungen gar keine Informationen von den Banken erheben
und sie durch Art. 26 Abs. 3 des OECD-Standards explizit davon enthoben sind, ihre Verwaltungspraxis ändern
zu müssen. Das wissen Sie doch ganz genau. Sie wollen
uns und den Menschen im Land Sand in die Augen
streuen. Das ist doch ein Skandal.
({2})
Die Linke fordert, die betreffenden Staaten nicht nur
zur Umsetzung der OECD-Standards zu verpflichten,
sondern mit ihnen zu vereinbaren, funktionierende innerstaatliche Mechanismen zu schaffen, die zur Erlangung der von unserer Steuerverwaltung angefragten Informationen unerlässlich sind. Kommt der betreffende
Staat dieser Vereinbarung nicht nach, so ist das Abkommen mit ihm zu kündigen, dieses Land als nicht kooperativer Staat zu definieren und die Verordnung zur
Steuerhinterziehungsbekämpfung anzuwenden.
Zum Thema der strafbefreienden Selbstanzeige. Kaum
hatte eine Oppositionsfraktion hier im Haus den Antrag
gestellt, diese abzuschaffen, kommt die Regierungskoalition mit ihrem Prüfauftrag an die Regierung, wie die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige verschärft werden könnten. Das kennen wir schon aus der
Märchenwelt: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann
prüfen sie noch heute.
({3})
Damit Sie mich nicht missverstehen: Aus meiner juristischen Sicht und Praxis sind vernünftige Vorschläge dabei. Aber warum soll geprüft und nicht sofort umgesetzt
werden? Sie selber haben doch auf die vielen Vorschläge
in der juristischen Literatur hingewiesen. Ich habe kein
Vertrauen, dass Sie das zügig umsetzen. Auch die Menschen im Land glauben Ihnen nicht.
Es gäbe noch viel zu diesem Thema zu sagen. Aber
ich sehe, dass meine Zeit abgelaufen ist - die Zeit der
Steuerhinterzieher hoffentlich auch bald.
({4})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
das Wort der Kollege Dr. Gerhard Schick von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Uns liegen heute zwei Anträge - einer von den Koalitionsfraktionen und einer von Bündnis 90/Die Grünen vor. Der Gesetzentwurf der SPD steht heute nicht zur
Diskussion. Über ihn werden wir demnächst im Ausschuss diskutieren.
Was den Antrag der Koalitionsfraktionen betrifft: Sie
waren sehr fleißig und haben auf zehn Seiten eine umfassende Zusammenschau gemacht. Ich wünschte mir,
dass auch Kleine Anfragen so ausführlich beantwortet
würden. Aber Sie schreiben eigentlich nichts Entscheidendes zu dem, was die Bundesregierung auf nationaler
Ebene vorhat. Dort, wo es um nationale Angelegenheiten geht, schreiben Sie plötzlich etwas über Umsatzsteuerbetrug. Das hat mit Einkommensteuerhinterziehung überhaupt nichts zu tun. Im Endeffekt handelt es
sich bei Ihrem Antrag um eine Fleißaufgabe mit angehängtem Prüfauftrag. Das ist für Regierungsfraktionen
schwach.
Ihr Antrag geht aber auch inhaltlich an der Sache vorbei. Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich in der
vorhandenen Form doch nicht bewährt. Sie hat vielmehr
falsche Anreize gesetzt und dazu geführt, im Zweifelsfall zuzuwarten. Bevor der Ermittler vor der Tür steht,
erhalten die Betreffenden häufig Hinweise von den geprüften Kreditinstituten oder - wie bei den Steuer-CDs aus der Öffentlichkeit. Die Möglichkeit, Reue zu zeigen,
wird häufig instrumentalisiert, um noch besser Steuern
zu hinterziehen. An dieser Stelle besteht Korrekturbedarf. Als wir vor kurzem eine Kleine Anfrage gestellt
haben, war noch nicht die Rede davon, dass Sie korrigie4478
ren wollen. Nun wollen Sie das prüfen. Ich sage an die
Adresse der Bundesregierung: Es ist notwendig, hier
sehr genau zu präzisieren. Es reicht nicht aus, wie Herr
Wissing zu argumentieren, dass es ein gewisses Aufkommen durch die strafbefreiende Selbstanzeige gibt.
Vielmehr muss man schauen, wo die strafbefreiende
Selbstanzeige vielleicht dem guten Anreiz entgegensteht, steuerehrlich zu sein. Diese beiden Sachverhalte
sind gegeneinander abzuwägen. Wir jedenfalls sehen erheblichen Korrekturbedarf.
In unserem Antrag geht es allerdings nicht nur darum.
Wir schlagen darüber hinaus eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, von denen bei Ihnen nicht die Rede ist, obwohl an den entsprechenden Stellen dringend etwas getan werden müsste.
Erstens. Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz
ist immer noch ein stumpfes Schwert, ein Schwert, das
nicht wirkt, weil Sie es nicht anwenden. Das muss korrigiert werden.
({0})
Zweitens. Was die Bundessteuerverwaltung angeht,
ist es nicht so, wie Sie es schreiben: dass steuerlich relevante Informationen ohne Mithilfe der Beteiligten nicht
aufgeklärt werden können. Die Frage ist, ob wir unsere
Verwaltungen in die Lage versetzen, Aufklärung zu betreiben. Die Vorkommnisse in Hessen zeigen uns, wie
CDU/FDP-Regierungen manchmal mit denjenigen umgehen, die Aufklärung leisten wollen.
({1})
Auch die CDU/FDP-Regierung in Baden-Württemberg
will Möglichkeiten, eine Sache ohne die Mithilfe der Betroffenen aufzuklären, anscheinend gar nicht nutzen,
weil es nicht in ihrem politischen Interesse ist.
Ich will noch auf einen anderen Punkt eingehen. Alle
schweigen zu der Rolle deutscher Banken in dieser
Frage. Wir Grüne tun es nicht. Ich glaube, es täte uns in
der Diskussion mit unseren Nachbarstaaten gut, einmal
zu sagen, dass deutsche Banken mit ihren Tochtergesellschaften auf diesem Gebiet ebenfalls aktiv sind. Dann
wäre man ehrlich, und dann müsste man in Deutschland
beim Kreditwesengesetz ansetzen. Man sollte dafür sorgen, dass es sowohl bei uns als auch in anderen Staaten
unmöglich ist, mithilfe unserer Kreditinstitute Steuern
zu hinterziehen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
({2})
Auch an dieser Stelle zeigt sich, ob man dem Sachverhalt ernsthaft gegenübertritt oder ob es nur darum geht,
der Aufregung in der Bevölkerung und sinkenden Umfragewerten kurzfristig etwas entgegenzusetzen.
In unserem Antrag werden weitere Vorschläge gemacht. Der Ausschuss wird eine Anhörung zu dem Gesamtkomplex durchführen. Ich glaube, das ist nötig. Ich
fordere Sie auf, ehrlich der Frage nachzugehen, was in
unserem Land eigentlich passiert. Gerade die Eliten, gerade die Leistungsträger entziehen sich häufig über Jahre
in großem Umfang der Beteiligung an unserem Gemeinwesen.
({3})
Es passiert das Gegenteil dessen, was Sie, Herr Kolbe,
gesagt haben. Häufig schreien manche Personen, auch
aus Ihren Fraktionen und Parteien. Sie sind zwar hart im
Ton, aber leider sehr moderat in der Sache. Wir wollen
das ändern und in der Sache klar vorankommen.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/1755 und 17/1765 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anton
Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Das Risiko von Altersarmut durch veränderte
rentenrechtliche Bewertungen von Zeiten der
Langzeitarbeitslosigkeit und der NiedriglohnBeschäftigung bekämpfen
- Drucksache 17/1747 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern - Risiken der Altersarmut verringern
- Drucksache 17/1116 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({1})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Risiken der Altersarmut verringern - Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen
- Drucksache 17/1735 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({2})
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Juratovic von der SPD-Fraktion.
({3})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Kolleginnen und Kollegen! Heute hat der Deutsche Bundestag Maßnahmen zur Sicherung des Euro und der Finanzwelt beschlossen. Es wird behauptet, dass die Finanzkrise alle Staaten des Euro-Raums verursacht haben,
weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben. Für Staaten
mag dies zutreffen, aber für alle Bürger auf keinen Fall.
Wir dürfen eines nicht vergessen: Die globale Finanzund Wirtschaftskrise war möglich, weil Spekulanten im
internationalen Finanzkasino Geld verjubelten, das von
Arbeitnehmern unter größten Anstrengungen erwirtschaftet worden war.
({0})
Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland für
Hungerlöhne, während ihr Arbeitsleben immer stärker
gekennzeichnet ist durch Leistungsverdichtung, Stress
und Lohnzurückhaltung. Andere Menschen wiederum
haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil Heuschrecken
ihr Unternehmen aufkauften und große Rendite machten, indem sie Massenentlassungen vornahmen. Wir stehen nicht nur in der Verantwortung, dass wir künftig luftige Finanzspekulationen unterbinden, sondern auch,
dass wir den Menschen Sicherheit geben, die für den
Wohlstand hier in Deutschland hart arbeiten oder die
trotz größter Anstrengungen und Weiterbildungen für
mehrere Jahre keinen Job finden.
({1})
Das bedeutet einerseits, dass wir für mehr Fairness auf
dem Arbeitsmarkt sorgen müssen. Um prekären Löhnen
einen Riegel vorzuschieben, brauchen wir so schnell wie
möglich einen flächendeckenden Mindestlohn.
({2})
Das bedeutet andererseits, dass wir die Menschen, die
von prekärer Beschäftigung und Langzeitarbeitslosigkeit
betroffen sind, vor unwürdiger Altersarmut bewahren
müssen.
Die Erwerbsbiografien sind heute anders als vor 20 Jahren: Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Arbeitnehmer von der Lehre bis zur Rente im selben Betrieb arbeiten. Es wird für die Arbeitnehmer zu einer allgemeinen
Erfahrung, dass man im Erwerbsleben auch Zeiten der
Arbeitslosigkeit und Zeiten prekärer Beschäftigung hat.
Deswegen muss der Staat eingreifen.
Wir Sozialdemokraten fordern in unserem Antrag, dass
die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, um die Altersarmut von morgen zu vermeiden. Das bedeutet, dass wir
rückwirkend Änderungen bei der Rentenberechnung
brauchen.
Erstens müssen Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit
besser bewertet werden, und zwar unabhängig davon, ob
Leistungen nach dem SGB II bezogen wurden. Wer aufgrund des Einkommens des Partners keine Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhält, darf bei
der Rente nicht bestraft werden. Konkret fordern wir,
dass Zeiten nach dem 1. Januar 2000, in denen Arbeitslosenhilfe oder Grundsicherung bezogen wurde, in der
gesetzlichen Rentenversicherung als beitragsgeminderte
Zeiten gewertet werden.
Zweitens wollen wir, dass die Rentenansprüche von
Arbeitnehmern, deren Einkommen unter 75 Prozent des
Durchschnittsverdienstes liegt, angehoben werden, wie
es für Beitragszeiten von vor 1992 gilt. Konkret soll dafür die Regelung über die Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt bis zum Ende dieses Jahres verlängert werden.
Diese Änderungen werden nicht für umsonst zu haben sein.
({3})
Es geht dabei jedoch nicht nur um den Schutz von Einzelschicksalen, sondern auch um die Bewahrung des sozialen Friedens. Ist es den Menschen in unserem Land zu
vermitteln, dass Bankenmanager trotz Finanzkrise wieder Millionengehälter einstreichen, während der rechtschaffene Arbeitnehmer immer mehr leisten muss und
dennoch den Gürtel immer enger schnallen soll? Ist es
gerecht, dass immer mehr Menschen zu Dumpinglöhnen
beschäftigt werden oder unverschuldet arbeitslos sind
und einer Armutsrente entgegensehen?
Nein, werte Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen
gegensteuern: Wir müssen die Arbeitswelt humanisieren.
Dazu gehören gute Löhne und eine gute Altersabsicherung. Dazu gehören auch bessere und gesündere Arbeitsbedingungen. Meine Kollegen am Fließband können unter den heutigen Umständen nicht bis 67 arbeiten, häufig
auch nicht bis 65 und oft auch nicht bis 60.
({4})
Deshalb werden wir Sozialdemokraten dieses Jahr ganz
genau hinschauen, wenn die Bundesregierung aufgrund
der Überprüfungsklausel über die Rente ab 67 berichtet.
Wir werden es nicht hinnehmen, wenn aus der Anhebung des Renteneintrittsalters eine indirekte Rentenkürzung wird. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft,
die jedem Menschen ein würdiges Leben - während der
Beschäftigung wie während der Rente - gewährleistet.
Werte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, bekennen Sie Farbe! Unterstützen Sie unse4480
ren Antrag, um nicht nur ein leistungsstarkes, sondern
auch ein sozial gerechtes Deutschland zu ermöglichen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Weiß von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich denke, zuerst muss man etwas feststellen, was auch
im SPD-Antrag erfreulicherweise ganz vorne steht: Es
ist eine großartige Leistung unseres deutschen Rentensystems, dass heute nur 2,3 Prozent der Rentnerinnen
und Rentner wegen zu geringer Alterseinkünfte auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen sind.
({0})
Zur Erinnerung: Vor dem Jahr 1957, in dem - eine der
großen Leistungen Konrad Adenauers - die dynamische
Rente eingeführt worden ist, waren in Deutschland über
70 Prozent der Rentnerinnen und Rentner auf Sozialhilfe
angewiesen, weil sie zu wenig zum Leben hatten. Es ist
eine erstaunliche Entwicklung, die wir in den Jahrzehnten seitdem hinbekommen haben, auf die wir Deutsche
zu Recht stolz sein können.
({1})
Aber richtig ist auch: Wenn wir diese großartige Leistung unseres Sozialstaats für die Zukunft erhalten wollen,
dann müssen wir auch die Gefahren sehen, die uns drohen. Sie drohen uns deswegen, weil die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt, weil zu wenig in der Rentenkasse angespart wird, weil nicht gesicherte Selbstständigkeit
zunimmt und weil unterbrochene Erwerbsbiografien zunehmen, und das bei einem sinkenden Niveau der gesetzlichen Rente. Deshalb haben wir, CDU, CSU und FDP, in
unserem Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung
festgeschrieben - ich zitiere -:
Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch
veränderte wirtschaftliche und demographische
Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden
Altersarmut besteht. Deshalb wollen wir, dass sich
die private und betriebliche Altersvorsorge auch für
Geringverdiener lohnt und auch diejenigen, die ein
Leben lang Vollzeit gearbeitet und vorgesorgt haben,
ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung
erhalten, das bedarfsabhängig und steuerfinanziert
ist.
Ich halte das für das zentrale und wichtigste rentenpolitische Vorhaben dieser Koalition, das wir zum Erfolg
führen wollen.
({2})
Altersarmut muss auch für künftige Generationen weitestgehend ein Fremdwort bleiben. Das ist das Ziel unserer Alterssicherungspolitik.
({3})
Um nun eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Lösung zu finden, bedarf es aber nicht der Umsetzung vieler
Einzelanträge, wie sie uns jetzt vorliegen, sondern eines
Gesamtkonzepts. Deshalb haben wir vereinbart, dass wir
dazu eine Regierungskommission einsetzen, auch mit
wissenschaftlicher Unterstützung. Wir sind mit Frau
Bundesministerin Ursula von der Leyen übereingekommen, dass diese Kommission zu Beginn des Jahres 2011
eingesetzt wird, sodass wir im kommenden Jahr aufgrund
eines konkreten, wissenschaftlich fundiert erarbeiteten
Vorschlags ein Gesamtkonzept zur Sicherung gegen Altersarmut hier im Parlament beraten und beschließen können.
Das braucht einen gewissen Vorlauf, und man braucht
dafür, wie man neudeutsch sagt, Manpower. Deshalb
möchte ich mich bei Frau Ministerin Ursula von der
Leyen ausdrücklich dafür bedanken, dass sie bereits im
Frühjahr dieses Jahres in ihrem Haus ein neues Referat
mit dem Titel „Bekämpfung von Altersarmut“ eingerichtet hat. Das zeigt wieder einmal: Die Regierung ist etwas
schneller, als die Opposition erlaubt.
({4})
Ich möchte ausdrücklich für die Kommission sagen,
dass wir selbstverständlich all die Vorschläge, die jetzt in
Oppositionsanträgen als Wünsche an die Regierung herangetragen werden, damit sie in die Gesetzgebung einfließen, unvoreingenommen prüfen werden. Aber der
wichtigste Punkt - er wird durch die Vorschläge leider
nicht erfasst - ist, wie wir wirklich zielgenau und bedarfsgerecht helfen. Zum Beispiel: Natürlich ist die
Rente nach Mindesteinkommen mit einer Höherwertung
von Entgeltpunkten etwas, mit dem man dem einen oder
anderen Arbeitnehmer hilft, über das Grundsicherungsniveau hinauszukommen; aber einige bleiben trotzdem zurück. Natürlich ist die Zahlung eines höheren Beitrags für
Langzeitarbeitslose in die Rentenkasse eine Möglichkeit,
die dem einen oder anderen hilft, über das Grundsicherungsniveau hinauszukommen; aber viele andere bleiben
dahinter zurück, sie müssen trotzdem Grundsicherung im
Alter beantragen. Deshalb sollten wir genau prüfen, wie
wir wirklich sicherstellen können, dass jemand, der sein
ganzes Leben fleißig gearbeitet und Beiträge gezahlt hat,
sicher sein kann, dass er am Schluss, wenn er in Rente
geht - das ist der wichtige Punkt -, von diesem Alterseinkommen, das er insgesamt hat, leben kann und nicht
Grundsicherung beziehen muss. Das ist unser Ziel.
({5})
Diese Zielsetzung darf sich aber nicht allein auf die
gesetzliche Rente beschränken; denn, verehrte KolleginPeter Weiß ({6})
nen und Kollegen vor allen Dingen von der SPD und den
Grünen, in Ihrer Regierungsverantwortung haben Sie
massiv die Veränderung des deutschen Alterssicherungssystems hin zu einem Dreisäulensystem vorangetrieben.
({7})
Dazu gehört, dass in Zukunft die Alterssicherung nicht
allein aus der gesetzlichen Rente, sondern genauso aus
der betrieblichen Altersvorsorge und der privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge erfolgen soll. Deshalb müssen wir in ein Gesamtsystem auch die Leistungsfähigkeit
der betrieblichen und der privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge einbeziehen. Diese beiden Säulen müssen
ebenfalls einen Beitrag zur Verhinderung von Altersarmut leisten.
({8})
Das gilt auch für den Antrag, der zur Erwerbsminderungsrente vorgelegt wird. Selbstverständlich, wir müssen etwas tun, damit jemand, der erwerbsgemindert ist,
angesichts des sinkenden Rentenniveaus nicht automatisch in die Grundsicherung - früher nannte man das
„Sozialhilfe“ - für Ältere fällt. Aber dazu müssen auch
die private, kapitalgedeckte und die betriebliche Altersvorsorge eine zusätzliche Leistung erbringen. Das gehört
in ein Gesamtkonzept, das wir einführen wollen.
Ein solches Gesamtkonzept rät uns letztlich auch der
Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Ich darf
aus einem Aufsatz von Herrn Dr. Herbert Rische vom
Beginn dieses Jahres zitieren:
Die Zahlen verdeutlichen, dass die Lebensstandardsicherung bei Eintritt der vollen Erwerbsminderung
- ebenso wie bei der Altersrente - vor dem Hintergrund der Entwicklung des Rentenniveaus künftig
im Regelfall nicht mehr allein durch die Leistungen
der gesetzlichen RV gewährleistet werden kann,
auch wenn die gesetzliche RV die stärkste Säule der
Sicherung bei Alter und Erwerbsminderung bleiben
wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der
Ansatz bei den Minirenten, deren Zahl in der Tat zunimmt, führt uns nicht in die richtige Richtung; denn
Minirenten entstehen nicht nur, weil jemand sein ganzes
Leben lang wenig in die Rentenkasse eingezahlt hat,
sondern Minirenten entstehen in zunehmendem Maße
auch dadurch, dass Menschen ihre Beschäftigungsverhältnisse verändern, nach einigen Jahren als Angestellte
oder Arbeiter selbstständig werden und sich dort eine
gute Altersversorgung aufbauen oder nach einigen Jahren in ein Beamtenverhältnis wechseln oder vielleicht
auch aus einem Beamtenverhältnis ausscheiden. Deshalb
ist die entscheidende Frage nicht: „Ist bei der Deutschen
Rentenversicherung nur eine Minirente notiert?“, sondern: Hat jemand außer dieser Minirente keine andere
Form von Altersversorgung?
„Bedarfsgerecht“ heißt für mich: Demjenigen, der im
Alter tatsächlich zu wenig hat, wollen wir zielgerichtet
helfen, damit er möglichst nicht auf Grundsicherung im
Alter angewiesen ist. Die Rente desjenigen, der aus anderen Versorgungssystemen schon genug oder ausreichend hat, brauchen wir nicht noch zusätzlich aufzuwerten.
({9})
Genau dies wird in den Oppositionsanträgen leider nicht
bedacht. Wir wollen eine bedarfsgerechte und damit
zielgenaue Sicherung gegen Altersarmut. Das ist die
Aufgabenstellung.
({10})
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, um es
zusammenzufassen: Wir werden die Vorschläge, die gemacht worden sind, in der Kommission, die wir nächstes
Jahr einsetzen werden, allesamt aufgreifen. Wir von der
christlich-liberalen Koalition wollen - das ist ein zentrales Anliegen unserer Rentenpolitik - das deutsche Alterssicherungssystem mit einer zusätzlichen Sicherung
gegen Altersarmut versehen. Das ist notwendig und richtig. Das wird eine der großen Aufgaben dieser Koalition
werden, und ihr werden wir uns stellen.
So darf ich heute zum Schluss Ihnen allen ein frohes
und gesegnetes Pfingstfest wünschen. Noch ein Tipp:
Weichen Sie dem Heiligen Geist nicht aus!
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Birkwald von
der Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Gute Arbeit, gute Löhne, gute
Rente - das ist der Dreiklang, an dem wir Linken unsere
Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ausrichten.
Altersarmut ist - leider - wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen: als Mangel an Einkommen und
als Angst um die Zukunft. Schon heute sind die Menschen im Osten stärker von Armut betroffen als die im
Westen, und das wird auch künftig so bleiben, wenn wir
nicht gegensteuern. Ob in der Kindheit, im Erwerbsleben
oder im Alter: Armut zu vermeiden, muss für eine demokratische Sozialpolitik selbstverständlich sein, und dafür
kämpft die Linke.
({0})
Der Schlachtruf, mit dem die neue Sozialdemokratie
ihren Angriff auf den Sozialstaat ritt, war - ich zitiere -:
„Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit.“ Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder hier in
Deutschland und Tony Blair in Großbritannien wollten
Ende der 90er-Jahre einen dritten Weg, und sie ebneten
die Fläche für Niedrigstlöhne. Sie behaupteten fälschlicherweise - ich zitiere -:
Teilzeitarbeit und geringfügige Arbeit sind besser
als gar keine Arbeit, denn sie erleichtern den Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung.
Das heißt, die Hungerpeitsche treibt die Menschen in
mies bezahlte und darüber hinaus sinnentleerte Arbeit.
Wer Minijobs sät, wird Altersarmut ernten. Dieser Weg
ist eine Sackgasse.
({1})
An ihrem Ende stehen unwürdige Jobs und Altersarmut.
Ich sage Ihnen: Arbeit darf nicht arm machen. Von Arbeit muss man leben können - jetzt und im Alter.
({2})
Wir Linken wollen eine Rente, die den Lebensstandard
sichert und die vor Altersarmut schützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen in der SPD, Armut
und Rentenklau sind nicht das Ergebnis von Naturgewalten, sondern das Ergebnis politischer Irrwege. Die können und müssen wir schleunigst verlassen.
({3})
Wir Linken fordern deutlich höhere Rentenansprüche
für Langzeiterwerbslose. Noch Mitte der 90er-Jahre
wurden in der Arbeitslosenhilfe pro Kopf durchschnittlich 236 Euro an die Rentenkasse gezahlt. Heute, unter
Hartz IV, sind es klägliche 40 Euro. Nach einem Jahr
Hartz IV ergibt das einen Rentenanspruch von 2,09 Euro.
Hier wird ein gesellschaftliches Problem schamlos auf
die Betroffenen abgewälzt. Das ist höchst unanständig.
({4})
Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund
fordern wir, für Langzeiterwerbslose statt 40 Euro künftig 250 Euro in die Rentenkasse zu zahlen. Das ergibt
dann nach aktuellen Rentenwerten 13,60 Euro im Westen und 12,10 Euro im Osten Deutschlands. Das ist übrigens ein weiterer Grund, endlich die Rentenwerte Ost
auf Westniveau anzuheben.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns
nichts vor: Höhere Beiträge für Langzeiterwerbslose
sind nur ein Baustein für einen neuen, sozial gerechten
Weg in der Alterssicherung. Niedrige Einkommen müssen aufgewertet werden. Geringe Einkommen müssen
nach unten begrenzt werden. Der Gewerkschaftsvorsitzende Klaus Wiesehügel von der IG BAU hat den richtigen Weg gewiesen.
({6})
Er fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. Folgen Sie einem Mann, der weiß,
wovon er spricht!
({7})
10 Euro Mindestlohn sind ein durch nichts zu ersetzender Baustein, um Altersarmut wirklich und wirksam
zu vermeiden. Lassen Sie die Rentnerinnen und Rentner
nicht die Suppe auslöffeln, die ihnen Ihre verfehlte Politik eingebrockt hat!
Den Lebensstandard sichern und Armut vermeiden,
das muss selbstverständlich für alle gelten. Das gilt auch
für all die, die aus gesundheitlichen Gründen nicht oder
nicht mehr arbeiten können. Gegen das Schicksal der Erwerbsminderung abzusichern, war schon immer eine
Hauptaufgabe der Rentenversicherung. Rot-Grün hat
hier ebenfalls die Lage der Betroffenen auf eine Weise
verschlechtert, die gegen jegliches Gerechtigkeitsempfinden verstößt. Wer aus gesundheitlichen Gründen vor
dem 63. Lebensjahr nicht mehr arbeiten kann, wird mit
Rentenkürzungen bis zu 11 Prozent bestraft. Das ist
falsch und nicht zu rechtfertigen. Das ist schlicht ungerecht. Ändern wir das!
Damit Sie sich hier nicht einfach schön zurücklehnen,
meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der
FDP: Sie haben das im Bundesrat alles mitbeschlossen;
also stecken Sie genauso mit drin wie Rot-Grün.
Diese Irrwege müssen wir verlassen. Nur einzelne
Schlaglöcher auszubessern, reicht nicht. Der ganze Weg
ist falsch. Die Richtung müssen wir ändern. Links herum, bitte!
({8})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von
der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Linksverkehr, Herr Birkwald, ist gefährlich, wenn er
nicht koordiniert stattfindet.
({0})
Dann gibt es nämlich Frontalzusammenstöße in großer
Zahl. Deswegen, meine ich, sollten wir vorerst bei den
bestehenden Verkehrsregeln bleiben; die sind so schlecht
nicht.
Ich werte die Anträge, die von der gesamten Opposition heute hier vorliegen, so, dass das Thema Altersarmut jetzt auch von der aktuellen Opposition bearbeitet
wird, nachdem die Koalition sich dieses Thema in ihrem
Koalitionsvertrag angenommen hat.
({1})
Ich will auch darauf hinweisen, dass die FDP-Bundestagsfraktion als erste Fraktion in diesem Haus in der letzten Legislaturperiode schon sehr intensiv an diesem
Thema gearbeitet und auch Anträge dazu eingebracht
hat.
Wenn wir jetzt diesen Diskussionsprozess anfangen,
sollten wir uns noch einmal vor Augen führen, was Armut eigentlich bedeutet. Wir haben zum einen den Begriff der absoluten Armut. Absolute Armut im Alter
wird mit der Grundsicherung - das war ja damals auch
der Ansatz von Rot-Grün - in Höhe von etwa 660 Euro
im Monat vermieden. Zum anderen haben wir eine Armutsrisikogrenze; diese liegt höher, und zwar bei
60 Prozent des bedarfsgewichteten Medianeinkommens, also bei 880 Euro.
Ich glaube, wenn wir darüber reden, wie Altersarmut
zu vermeiden ist, dann geht es darum, die Lücke zwischen absoluter Armut und Armutsrisikogrenze möglichst zu schließen und dafür zu sorgen, dass das Gesamtalterseinkommen der Menschen über dieser Grenze
liegt. Es darf gerne auch mehr sein; das will ich ganz
deutlich sagen. Aber die Aufgabe des Staates kann nur
sein, das Risiko der Armut im Alter und natürlich auch
während der Erwerbsphase zu vermeiden. Ich denke, es
ist wichtig, dies vorab sehr deutlich zu sagen.
({2})
Wir können feststellen - das ist ein Erfolg unseres
Sozialstaates -, dass Altersarmut heute kein verbreitetes
Phänomen ist. Im Gegenteil, das Armutsrisiko für Ältere
ist zwischen 1984 und 2003 sogar deutlich zurückgegangen. Der Anteil der Menschen im Alter von
65 Jahren und darüber, der auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen ist, beträgt 2,3 Prozent; das sind, in absoluten Zahlen, 371 000 Menschen. Jeder Einzelfall ist relevant und
muss uns sorgen. Wir müssen diese Armut ernst nehmen.
Weil der Kollege Birkwald gesagt hat, Altersarmut sei
in der Mitte der Gesellschaft angekommen, will ich darauf hinweisen: Ich glaube, dass die Altersarmut zunehmen wird, und zwar aus den Gründen, die bereits
genannt worden sind; dazu gehören beispielsweise gebrochene Erwerbsbiografien insbesondere in den neuen
Bundesländern. Aber ich glaube auch, wir können glücklicherweise davon ausgehen, dass die Mehrzahl der
Menschen in unserer Gesellschaft künftig ein ausreichendes Alterseinkommen hat.
Es ist wichtig, dass wir in dieser Diskussion nicht nur
auf die Alterseinkommen abstellen. An dieser Stelle ist
das richtig, was der Kollege Weiß gesagt hat: Nicht jeder, der eine niedrige Rente hat, hat im Alter auch ein
niedriges Gesamteinkommen, sondern viele Menschen
haben nur deshalb relativ geringe Anwartschaften in der
Rentenversicherung, weil sie im Laufe ihres Arbeitslebens in andere Alterssicherungsformen gewechselt
sind, beispielsweise in berufsständische Versorgungswerke.
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen: Das Einkommen im Alter sollte nicht losgelöst von dem Vermögen,
das Menschen im Alter aufgebaut, das sie geerbt und das
sie anderweitig zur Verfügung haben, betrachtet werden.
Deswegen ist es wichtig, zielgenau anzusetzen und zielorientiert zu handeln, sodass nur derjenige, der ein niedriges Einkommen hat und nicht aufgrund eigenen Vermögens in der Lage ist, sein Auskommen zu gestalten,
vom Staat eine ergänzende Hilfe bekommt.
Ich glaube, wir können durchaus sagen: Die Gefahr
der Altersarmut lässt sich auf bestimmte Personengruppen typisierend eingrenzen. Vor allen Dingen sind es alleinerziehende Frauen, Soloselbstständige, Menschen,
die in ihrer Erwerbsbiografie Phasen der Langzeitarbeitslosigkeit hatten, und Menschen, die von Erwerbsunfähigkeit betroffen sind. Wir müssen jeden Einzelfall
sehr differenziert betrachten. Das vermisse ich bei Ihnen.
Was beispielsweise die Soloselbstständigen angeht,
so glaube ich nicht, dass man das Problem lösen kann,
indem man einem Menschen, der selbstständig erwerbstätig sein will, vorschreibt, wie er für sein Alter vorsorgen soll; ich bin also nicht für eine Versicherungspflicht
in der Rentenversicherung. Aber es muss eine Pflicht zur
Versicherung geben. In jedem Jahr, in dem jemand arbeitet, muss er einen Teil seines Einkommens für seine Altersvorsorge verwenden, damit er am Ende seines Erwerbslebens nicht der Gesellschaft zur Last fällt.
({3})
Meine Damen und Herren, den jungen Menschen
müssen wir das Signal geben: Eigene Vorsorge muss
sich lohnen. Das heißt, jedem, der heute mit 16 oder
17 Jahren in einen Betrieb kommt und sich fragt: „Soll
ich einen Riester-Vertrag abschließen: ja oder nein? Soll
ich in eigener Anstrengung etwas für meine Altersvorsorge tun?“, muss man sagen: Tu das auf jeden Fall.
Denn erstens ist die gesetzliche Rentenversicherung
keine Lebensstandardsicherung mehr, sondern sie sichert
das Existenzminimum. Zweitens wird es sich auf jeden
Fall für dich lohnen, selbst dann, wenn du in deinem
weiteren Erwerbsleben Schwierigkeiten haben solltest.
Wir von der FDP haben Vorschläge vorgelegt, was zu
tun ist, damit sich die Altersvorsorge lohnt. Wir wollen
sagen: Auf jeden Fall wirst du von dem, was du an eigener Vorsorge geleistet hast, einen höheren Betrag behalten dürfen. - Wir wollen einen Freibetrag in Höhe von
100 Euro und darüber hinaus nur eine Teilanrechnung
dessen, was jemand aus privater und betrieblicher Vorsorge zur Verfügung hat. Das ist ein Element, mit dem
die Lücke, von der ich am Anfang gesprochen habe, geschlossen werden kann.
Herr Kollege Schaaf - Sie werden noch nach mir
sprechen -, ich glaube, dass die Vorschläge, die die Opposition hier heute auf den Tisch gelegt hat, nicht wirklich zielführend sind, weil sie nicht ausreichend differenzieren. Die Anträge sind ein Stück weit Ausdruck Ihres
schlechten Gewissens. Ich finde es interessant, dass Sie
heute die Anwartschaften von Langzeitarbeitslosen verbessern wollen, nachdem Sie die Beiträge für Langzeitarbeitslose in Zeiten der rot-grünen Koalition halbiert
haben, mit dem Ergebnis - Herr Birkwald hat das gesagt
-, dass ein Langzeitarbeitsloser aktuell für ein Jahr der
Langzeitarbeitslosigkeit 2,09 Euro Rente erhält. Übrigens, Herr Kollege Birkwald, lagen Sie an einer Stelle
falsch: Für Sozialhilfeempfänger wurden nach meiner
Kenntnis nie Rentenversicherungsbeiträge gezahlt; das
muss man an dieser Stelle deutlich machen.
({4})
Herr Kollege Schaaf, ich glaube, Sie werden ein
Stück weit von Ihrem schlechten Gewissen getrieben.
Man muss Ihrem Ansatz an einer Stelle widersprechen.
Sie wollen einen nachsorgenden, kompensatorischen
Ansatz zur Vermeidung der Altersarmut; wir wollen einen präventiven, vorsorgenden Ansatz. Mit der Rente
nach Mindestentgelt wollen Sie hier am Ende nichts anderes als einen Reparaturbetrieb einführen. Das kann
man aber nicht wirklich und tatsächlich der Rentenversicherung auferlegen. Die Rentenversicherung ist mit
guten Gründen eine beitragsfinanzierte, äquivalenzorientierte Leistung. Das, was Sie wollen, ist Umverteilung
in einem beitragsfinanzierten System. Das kann nicht
funktionieren. Sie organisieren prozentuale oder auch
absolute Erhöhungen. Dabei läuft man aber immer Gefahr, dass im System Überholprozesse stattfinden. Das
heißt, die Umsetzung der Vorschläge, die Sie auf den
Tisch gelegt haben, könnte immer wieder zu neuen Ungerechtigkeiten führen.
Ich glaube deswegen, dass die Anträge, die Sie von
der Opposition hier heute eingebracht haben, nicht der
Weisheit letzter Schluss sind. Sie sind gut beraten, auf
das zu warten, was Herr Weiß schon angekündigt hat:
die Ergebnisse der Arbeit der Regierungskommission.
Das wird uns endlich voranbringen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Das Wort hat der Kollege Dr. Strengmann-Kuhn für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer mit offenen Augen durch das Land, durch die Großstädte geht, der sieht, dass die Altersarmut schon da ist;
sie ist nicht nur ein Problem der Zukunft. Man sieht
schon jetzt zunehmend ältere Menschen, die in Altglascontainern und Mülleimern herumstochern. Wir haben
schon jetzt eine zum Teil extreme Altersarmut. Die Zahl
der Grundsicherungsbezieher im Alter ist tatsächlich
noch nicht sehr hoch; aber sie ist in den letzten Jahren
kontinuierlich angestiegen.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs: Trotz der Verbesserungen, die wir unter Rot-Grün in diesem Bereich herbeigeführt haben, ist der Anteil der verdeckten Armut im
Alter immer noch hoch. In dieser Altersgruppe ist die
Spanne zwischen der Quote der relativen Einkommensarmut und der Quote der Grundsicherungsbezieher - das
kann man im Antrag der SPD nachlesen - sehr groß.
Schätzungen gehen davon aus, dass auf eine Person, die
im Alter Grundsicherung bezieht, immer noch - früher
waren es mehr - zwei bis drei weitere Personen kommen, die unter Altersarmut leiden. Dann ist man nicht
mehr bei 300 000, sondern bei 1 Million betroffenen
Menschen. Wenn man die Einkommensarmutsgrenze berücksichtigt, kommt man auf anderthalb bis 2 Millionen
Menschen. Das ist keine kleine Gruppe; man müsste eigentlich schon jetzt etwas für sie tun. Man muss es betonen: Die Altersarmut ist schon da.
Die Altersarmut wird ansteigen - das wurde von allen
Rednern gesagt -, wenn wir jetzt nicht gegensteuern. Die
Rente ist ein langsam treibendes Schiff. Das heißt, wir
müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Altersarmut,
die wahrscheinlich in zehn bis 15 Jahren besonders stark
ansteigen wird, einzudämmen.
({0})
Es geht aber um noch mehr - ich sehe hier diverse
junge Leute -: Es geht um das Vertrauen in die Alterssicherung insgesamt. Wir müssen da unbedingt herangehen. Viele Menschen glauben nicht mehr, dass sie im Alter eine armutsfeste Rente erhalten werden. Hier müssen
wir ansetzen: Wir brauchen eine Rente, die erstens armutsfest ist, zweitens auf einfachen Regeln basiert - wir
wollen keine undurchschaubaren Regelungen, wie es sie
jetzt teilweise gibt - und drittens mit einer entsprechenden Finanzierung unterlegt ist. Das sind die drei wesentlichen Punkte, die wir bei der Rente erreichen müssen,
um Altersarmut zu vermeiden; das sind für uns Grüne
die wesentlichen Kriterien.
({1})
Wenn ich mir die Anträge anschaue, die von SPD und
Linken vorgelegt werden, erkenne ich, dass sie diese
Kriterien - ich muss das sagen - leider nicht erfüllen. Ich
mache das einmal am Beispiel der Rente mit Mindesteinkommen deutlich, die in beiden Anträgen vorkommt und die meines Erachtens zu Recht ein Auslaufmodell ist. Es ist nicht armutsfest; es beschränkt sich auf
eine Gruppe, die 35 Jahre eingezahlt hat. Bei ihnen werden eben Rentenansprüche aufgestockt, wenn sie im
Durchschnitt unterhalb von 0,75 Entgeltpunkten liegen.
Rechnet man dies um, bedeutet es, dass auch Leute,
die länger als 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben und dann eine Aufstockung erhalten, nicht unbedingt eine armutsfeste Rente bekommen, denn 75 Prozent von einem Entgeltpunkt mal 35 Jahre ist gerade
eben existenzsichernd, wenn man an die Grundsicherung
herangeht. Herr Kolb hat gesagt, eigentlich müsste man
für Armutsfestigkeit noch höher gehen. Wenn man nach
den Maßstäben der Linken geht, müsste man noch deutlich höher gehen.
Die Rente mit Mindesteinkommen ist also auch nicht
unbedingt armutsfest. Das ist relativ kompliziert zu berechnen - wer weniger als 0,75 Entgeltpunkte kriegt, bekommt auf die eigenen Entgeltpunkte die Hälfte noch
einmal drauf - und für die meisten Leute nicht wirklich
durchschaubar. Es ist also meines Erachtens nicht der
richtige Weg. Außerdem ist es beitragsfinanziert; auch
das halte ich nicht für vernünftig, weil die Umverteilung
zur Sicherung vor Altersarmut steuerfinanziert sein
sollte. Das ist auch die Maßgabe bei unseren Vorschlägen.
({2})
Die Rente mit Mindesteinkommen wirkt dabei also nicht
unbedingt.
Bei den Vorschlägen, die Sie hinsichtlich der Langzeitarbeitslosen machen, ist es ähnlich. 0,5 Entgeltpunkte sind noch weniger als 0,75; da brauchte man
60 Jahre, um eine existenzsichernde Rente zu bekommen. Das hilft den Langzeitarbeitslosen natürlich ein
bisschen - wir wollen das durchaus auch anheben -, ist
aber nicht armutsfest. Finanzierungsvorschläge machen
Sie hierzu auch nicht.
Da ich jetzt nur noch eine Dreiviertelminute habe,
ganz kurz unsere Vorschläge zur Erwerbsminderungsrente; das müssen wir dann im Ausschuss diskutieren.
Unsere Vorschläge entsprechen diesen Maßstäben: Wir
brauchen eine Rente, die armutsfest ist. Wir wollen jetzt
mit Leuten anfangen, die langjährig versichert sind, und
zwar 30 Jahre. Da sollte der Maßstab eine Rente sein,
die höher ist als die Grundsicherung, also in der Größenordnung von etwa 30 Entgeltpunkten, und es sollte steuerfinanziert sein. Wir nennen das Garantierente. Das ist
der erste Punkt, der wichtig ist, um eine armutsfeste
Rente zu erzeugen. Das kostet knapp 5 Milliarden Euro
Steuermittel. Das halte ich für machbar.
Zweiter Punkt: Bei den Langzeiterwerbslosen wollen
wir zu der Situation vor der Halbierung zurückkommen.
Das heißt, wir wollen Langzeitarbeitslose mit Menschen
gleichstellen, die 400 Euro Einkommen beziehen. Das
ist übrigens auch ein Punkt, der bei beiden Vorschlägen,
bei SPD und Linken, noch nicht berücksichtigt ist. Wenn
man für die Langzeitarbeitslosen auf 0,5 Entgeltpunkte
hochgeht, muss man natürlich überlegen: Was ist denn
mit Erwerbstätigen, die weniger als 0,5 Entgeltpunkte
haben? An dieser Stelle empfinde ich Ihre Vorschläge als
einfach noch nicht zu Ende gedacht. Es ist nicht wirklich
armutsfest, es ist zu kompliziert, und die Finanzierung
ist auch nicht geklärt. Deswegen werden wir dazu noch
unsere eigenen Vorschläge vorlegen, die besser als die
von SPD und Linken geeignet sind, Armut im Alter zu
bekämpfen.
Herzlichen Dank.
({3})
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die
Unionsfraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Es wurde schon einiges zu den Anträgen der Linkspartei und auch der SPD gesagt. Ich stelle
fest, nachdem ich die Anträge durchgeschaut habe, dass
hier zumindest von der Linken ein absoluter Systemwandel gewünscht wird: Träger der Grundsicherung nach
dem SGB II übernehmen für die Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs die Beiträge nach der Hälfte des
Durchschnittsentgeltes. Das heißt, diejenigen, die die
Grundsicherung bezahlen müssen, müssen in Zukunft
auch die Rentenbeiträge bezahlen. Damit wenden Sie
sich vom Äquivalenzprinzip ab - darauf hat der Kollege
Kolb von unserem Koalitionspartner bereits hingewiesen und wollen jetzt schon in die steuerfinanzierte Rente einsteigen, unbeschadet der Tatsache, dass wir jetzt - auch
das ist für die Zuschauer interessant zu wissen -, also
auch heuer, bereits über 80 Milliarden Euro als Zuschüsse aus steuerfinanzierten Mitteln in die Rentenkasse geben müssen.
Wir halten von einem Systemwandel letztendlich
nichts. Deshalb werden wir Ihre Anträge selbstverständlich ablehnen, was Sie nicht völlig überraschen dürfte.
Die Linke will nicht anerkennen, dass die Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zumindest erfolgreich war. Sie reden das System immer wieder
schlecht; Sie sagen nicht, was anstelle der Sozialhilfe
kommen soll. Der Kollege Weiß hat schon darauf hingewiesen, dass die Sozialhilfeempfänger vor der Zusammenlegung in dem SGB-II-Bereich keine Arbeitsangebote
und keine Einbeziehung in die Vermittlungsmöglichkeiten hatten. Das würden Sie dann konsequenterweise wieder abschaffen wollen.
Bis 2004 hatten wir 2,95 Millionen Menschen in Sozialhilfe. Sie haben überhaupt nicht in die Rentenversicherung und oft auch nicht in die Krankenversicherung
eingezahlt. Es wäre also der völlig falsche Weg, das System, das wir gemeinsam mit der SPD in der Großen Koalition in den letzten vier Jahren fortentwickelt haben,
wieder abzuschaffen; dies gäbe den Menschen Steine
statt Brot.
({0})
Auch die private Vorsorge zu diskreditieren, ist absurd. Es mag den Fall geben - vor einigen Monaten
wurde in der Presse groß darüber berichtet -, dass der
eine oder andere von seiner Riester-Rente, nachdem sie
im Alter verrechnet werden soll, keinen nennenswerten
Erlös zu erwarten hat. Was haben wir daraufhin mit unserem sozial orientierten, liberalen Koalitionspartner gemacht?
({1})
- Das ist der Vorgriff auf Pfingsten. Bei uns ist der Heilige Geist schon angekommen. - Wir haben das Schonvermögen verdreifacht, von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr, das heißt, ein 50-Jähriger hat jetzt schon in
einer der Riester-Rente ähnlichen Anlageform die Möglichkeit, gut 37 000 Euro für das Alter zurückzuhalten.
Auch das ist eine Möglichkeit, alterssichere Renten zu
gewährleisten, um Armut im Alter zu vermeiden.
({2})
Das halten wir für wichtiger und effizienter, als jetzt
durch einen Etikettenschwindel, durch großes Umschichten von der einen öffentlichen Kasse in die andere
öffentliche Kasse, so zu tun, als ob eine geringer werdende Schicht unserer Bevölkerung in wenigen Jahren
locker die anstehenden Renten überhaupt bedienen kann.
({3})
Durch die demografische Entwicklung haben wir
mittlerweile mehr Ältere und weniger Jüngere. Das ist
der Grund, warum wir den Nachhaltigkeitsfaktor und
den Riester-Faktor in den letzten Jahren ein Stück weit
in die Rentenberechnungen einbeziehen mussten. Wir
haben weniger junge Menschen, die in Zukunft noch
mehr die Lasten der alten Menschen tragen müssen. Das
kann auf Dauer nicht funktionieren.
Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen machen.
Wir haben, wie in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben, vor, einen wesentlichen Ausgabenposten für
das Alter umfassend zu reformieren, und zwar ist das die
eigengenutzte Immobilie. Wenn ein junger Mensch mit
20, 30 Jahren halbwegs vernünftig verdient, sich eine Eigentumswohnung kauft oder ein Häuschen baut, Schulden hat und sie im Laufe von 20 Jahren abzahlt, kann er
dieses Häuschen, unbeschadet der Größe, auch im Alter
behalten. Das heißt, wir werden ihm in Zukunft auch in
diesem Bereich des Ausgabenblocks, der das Alter betrifft, die entsprechende Zeit belassen. Wenn ein Mensch
das Pech hat, mit 40, 50 Jahren für längere Zeit arbeitslos zu sein, muss er als Langzeitarbeitsloser sein Häuschen nicht verbraten, um Hartz IV zu bekommen. Auch
dafür haben wir gesorgt.
Wir wollen aber auch für die jungen Leute Anreize
schaffen. Wir haben vor wenigen Wochen gemeinsam
mit der SPD-Fraktion - lieber Anton Schaaf, das habt ihr
gut gemacht, Katja Mast hat darauf beharrt - die Hinzuverdienstmöglichkeiten von Kindern in Hartz IV verbessert.
({4})
Man muss sehen: Es lohnt sich, etwas zurückzulegen. Es
lohnt sich, 1 200 Euro in vier Wochen Ferien anzusparen. Das verhindert zwar noch nicht die Altersarmut,
aber es ist auf jeden Fall ein Anreiz: Der Staat sorgt mit
steuerfinanzierten Mitteln dafür, dass du nicht verhungerst, dass es dir nicht schlecht geht. Der Staat lässt dir
das Geld, wenn du dich entsprechend anstrengst.
Fordern und Fördern ist das Prinzip von Hartz IV.
Kollege Peter Weiß hat darauf hingewiesen: Wir werden
die Auswirkungen auf das Rentensystem im Blick behalten müssen. Da gebe ich Ihnen recht. Wir müssen aufpassen, wie sich das entwickelt. Ich bin nicht der Auffassung, Herr Kollege Birkwald, wie Sie das ausgeführt
haben, dass die Hungerpeitsche zu Niedriglöhnen treibt.
10 Euro Mindestlohn sind nicht das probate Mittel, eine
existenzsichernde Rente zu bekommen.
({5})
- Langsam.
Ich bin gespannt - der Kollege Schaaf spricht nach
mir -, wie hoch Mindestlöhne Ihrer Vorstellung nach
sein sollten. Mittlerweile haben wir einen Überbietungswettbewerb. Der DGB hat sie von 7,50 Euro auf 8,50 Euro
angehoben. Nächste Woche sind wir bei 9,50 Euro. Ich
warte darauf, dass Sie 11 Euro vorschlagen. Wir sind
nicht auf dem persischen Markt, nach dem Motto „Wer
bietet mehr?“, „Wer hat höhere Ansprüche?“.
({6})
Wir wollen keinen Staatsdirigismus, wie ihn die SED,
Entschuldigung Linkspartei - beinahe hätte ich PDS gesagt -, will, sondern wir wollen das Prinzip der sozialen
Marktwirtschaft möglichst auch in diesem Bereich fortentwickeln. Sozial ist, was wir in den nächsten Jahren
auf den Weg bringen wollen. In den letzten Jahren haben
wir einiges auf den Weg gebracht, das in die richtige
Richtung ging, lieber Kollege Schaaf. Wir haben, Herr
Kollege Kolb, in den letzten Monaten schon einiges auf
den richtigen Weg gebracht.
Ich gehe davon aus, dass hoffentlich alle Parteien in
diesem Haus in den nächsten Tagen, zu Pfingsten, den
vom Kollegen Peter Weiß gewünschten Heiligen Geist
in ausreichendem Umfang erwarten dürfen, damit wir
uns mit den richtigen Entscheidungen nach den Pfingstferien wiedersehen.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Peter Weiß, in der Tat ist es so, dass die Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung eine Erfolgsgeschichte ist, insbesondere bei der Frage der Armutsbekämpfung. Da sind wir uns völlig einig, und das
ist völlig klar.
({0})
Die Opposition zielt mit ihren Anträgen darauf ab - so
habe ich sie jedenfalls verstanden -, dass das auch so
bleibt. Das ist genau der entscheidende Punkt.
({1})
Allen Anträgen gemeinsam ist die Absicht, dafür zu sorgen, dass das so bleibt.
Absehbar ist doch - das ist doch Ihnen allen bekannt -, dass es eine massive Zunahme von Altersarmut
vor dem Hintergrund des Istzustandes geben wird, also
nicht vor dem Hintergrund dessen, was irgendwann in
Zukunft passieren wird, sondern vor dem Hintergrund
des Istzustandes. Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre
Beschäftigung tragen zum Beispiel dazu bei - um sie
geht es in den Diskussionen ja im Wesentlichen -, dass
Menschen in Zukunft im Alter arm sein werden. Sie antworten, bisher zumindest, in keiner Weise darauf, wie
Sie damit umgehen wollen.
({2})
Da macht sich dann die Opposition in diesem Hause
trotz aller Differenzen, die es hier gibt, Gedanken darüber, wie man die Situation, die da absehbar ist, für die
Betroffenen zumindest ein Stück weit verhindern kann.
Darum geht es bei dieser Geschichte.
Der Verweis darauf, es gebe eine Kommission und
man rede da miteinander, irgendwann werde schon etwas kommen - ({3})
- Ja, ja, das habe ich Ihnen, Herr Kolb, ja bei der Debatte
über die Angleichung von Ost- und Westrenten, die gestern stattgefunden hat, schon gesagt, wie es sich verhält:
Sie sagen, wir müssen in diesem Jahr loslegen, Ihre Ministerin aber sagt, in diesem Jahr machen wir gar nichts,
weil wir mit dem SGB II so viel zu tun haben.
Ich befürchte, Sie werden in dieser Legislaturperiode
bei der Frage der Vermeidung von Altersarmut auch
nichts zustande bringen, zumal, Peter Weiß, die Unterschiede in der Koalition ja offensichtlich sind: Die einen
setzen auf gnadenlose Privatisierung und Individualisierung der Risiken. Das macht die Union dagegen in weiten Teilen nicht - Gott sei Dank.
({4})
Es besteht aber eine unvorstellbar große Differenz
zwischen den beiden Koalitionsfraktionen in der Frage,
wie es zukünftig mit der Alterssicherung weitergehen
soll. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man hier zu
schlüssigen Konzepten kommen wird. Ich befürchte
eher, das werden wieder Wischiwaschikonzepte. Ich
habe nämlich schon erkannt, worauf das hinauslaufen
kann. Peter Weiß stellt sich hier hin und sagt: Wer lebenslang Vollzeit gearbeitet hat, muss ein Alterseinkommen erhalten, das zumindest oberhalb der Grundsicherung liegt. - Wer ein Leben lang, 40, 45, 50 Jahre lang,
gearbeitet hat, dessen Renteneinkommen sollte nicht
knapp oberhalb der Grundsicherung liegen. Vielmehr
sollte er ein vernünftiges Auskommen, und zwar nur
über die Rente, haben. Darum geht es,
({5})
und damit zusammen hängen die Fragen nach dem Leistungsniveau.
Kollege Birkwald, ich weiß ja, dass einige Ihrer Fraktionskollegen sich im Wesentlichen in Abgrenzung zur
SPD verstehen. Das ist auch in Ordnung. Wo Kritik berechtigt ist, nehme ich die auch hin. Sicherlich ist ein
Teil der Gesetze, die wir gemacht haben, mitverantwortlich dafür, dass der Niedriglohnbereich gewachsen ist.
({6})
Man muss sich aber genau anschauen, warum. Nehmen
wir einmal das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Im Gesetz steht: gleiches Geld für gleiche Arbeit vom ersten
Tag an. Dann haben wir im guten Glauben und in Absprache mit den Gewerkschaften eine tarifliche Öffnungsklausel in das Gesetz aufgenommen. Die hat uns in
diesem Bereich das Genick gebrochen. Das gebe ich ja
zu. Das hat aber niemand von den Akteuren, die damals
daran beteiligt waren, in irgendeiner Form gewollt.
In Kombination mit den Zumutbarkeitskriterien im
SGB II wurde das natürlich zu einem echten Problem.
Im Gesetzentwurf der damaligen rot-grünen Regierung
stand allerdings drin: Zumutbar ist Arbeit, die tariflich
oder ortsüblich entlohnt wird. Erst die unionsgeführten
Länder im Bundesrat haben aus „tariflich oder ortsüblich“ „sittenwidrig“ gemacht. Sonst hätten wir damals
die Arbeitsmarktreform gar nicht umsetzen können.
({7})
In dieser Kombination ist der Niedriglohnbereich zum
Problem geworden. Das müssen wir konstatieren.
Jetzt stehen wir hier und bieten Lösungen an, damit
die Menschen, die sich in solch prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden, nicht im Alter arm sind.
Das kann man uns nicht zum Vorwurf machen. Vielmehr
könnte man uns zugestehen, dass wir aus den Folgen
dessen, was da passiert ist, gelernt haben und daraus die
Konsequenzen ziehen. Sich immer in Abgrenzung zu
verstehen, ist ein ziemlich einfacher Politikstil. Das
wollte ich Ihnen einmal gesagt haben.
Die Frage nach einem schlechten Gewissen, Herr
Kolb, stellt sich mir an dieser Stelle gar nicht. Vielmehr
stelle ich fest, dass der derzeitige Zustand dazu führen
wird, dass viele der Soloselbstständigen von Altersarmut
betroffen sein werden, wenn wir nicht damit umgehen.
Ich stelle fest, dass es im Osten der Republik Löhne
gibt, die bestimmt kein vernünftiges Rentenniveau garantieren werden, wenn wir damit nicht in irgendeiner
Form umgehen.
Ich stelle auch fest, dass wir immer noch 3,5 Millionen Arbeitslose haben, die auch von Altersarmut betroffen sein werden, wenn wir nicht damit umgehen.
All das stelle ich schlichtweg fest. Vor diesem Hintergrund machen wir Vorschläge. Da brauche ich gar kein
schlechtes Gewissen zu haben. Vielmehr führt uns die
Betrachtung des Istzustandes zu der Forderung, jetzt
endlich zu handeln.
Vor dem Hintergrund eines höheren Renteneintrittsalters - das ist uns völlig klar - müssen wir uns noch ein4488
mal genau anschauen, ob wir die Regelungen zur Erwerbsminderungsrente - das wird in unserem Antrag ja
nur angedeutet - so lassen können, wie sie sind. Im europäischen Vergleich stellen wir fest, dass die Möglichkeit
des Zugangs zur Erwerbsminderungsrente in Deutschland ein Flaschenhals ist. In allen anderen Ländern ist
der Zugang zur Erwerbsminderungsrente besser und einfacher. Das müssen wir schlichtweg konstatieren. Damit
muss man umgehen. Ich bin vorsichtig, ob man alles
gleichzeitig regeln sollte: die Abschlagsregelung in
Höhe von maximal 10,8 Prozent, wenn man früher als
mit 63 Jahren in Rente geht, die Zurechnungszeiten und
die Zugangsmöglichkeiten. Bezüglich der Erwerbsminderungsrente ist es so, dass das Zugangsalter bei durchschnittlich deutlich unter 50 Jahren liegt. Da zieht die
Zurechnungszeit bis 60 Jahre, die wir genau dafür eingeführt haben, dass die Menschen im Alter ein brauchbares
Auskommen haben. Dass das im Einzelfall nicht immer
passt, ist völlig klar. Deshalb müssen wir darüber reden,
wie wir die Erwerbsminderungsrente vor dem Hintergrund des höheren Renteneintrittalters stabiler, besser
und verträglicher für die Menschen machen. Deswegen
steht es auch in unserem Antrag.
Gespannt sind wir darauf - dazu gibt es ja auch eine
Kleine Anfrage -, wie es mit der Überprüfungsklausel
bezüglich der Rente mit 67 aussehen wird. Welche Kriterien legt die Bundesregierung an?
({8})
- Ja, darauf sind wir sehr gespannt. - Man muss den Istzustand konstatieren. Wir haben eine massive Wirtschafts- und Finanzkrise, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Hier haben wir gemeinsam verhindert,
dass da alles wegbricht. Aber die Langzeitfolgen sind
noch nicht absehbar. Deswegen müssen wir uns das noch
einmal genau anschauen, wie sich die arbeitsmarkt- und
sozialpolitische Situation der Älteren, insbesondere der
Älteren mit Handicap, mit Erwerbsminderungshintergrund oder Ähnlichem, darstellt. Vor diesem Hintergrund müssen wir dann entscheiden, wie wir mit der
Rente mit 67 umgehen.
Ich freue mich auf die Ausschussberatungen zu den
Anträgen und warte gespannt auf die Vorschläge der Regierung. Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochenende, ganz besonders Ihnen, Herr Kolb. Wenn man vor
dem Hintergrund dessen, was man real tut, bezüglich der
politischen Stimmung bei 3 Prozent liegt, dann hat man
allen Grund, am Wochenende einmal über sich selbst
nachzudenken.
({9})
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die
Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/1747,
17/1116 und 17/1735 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf.
Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Ge-
setzes zur Änderung des Weingesetzes
- Drucksache 17/1749 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Es han-
delt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen: Gustav
Herzog für die SPD, Dr. Erik Schweickert für die FDP,
Alexander Süßmair für die Linke, Ulrike Höfken für
Bündnis 90/Die Grünen und die Parlamentarische
Staatssekretärin Julia Klöckner für die Bundesregie-
rung.1)
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/1749 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b auf.
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Krista Sager, Priska Hinz ({0}),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gute Lehre an allen Hochschulen garantieren - Eine dritte Säule im Hochschulpakt
verankern und einen Wettbewerb für herausragende Lehre auflegen
- Drucksache 17/1588 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({1})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Qualitätsoffensive für die Lehre starten - Einheit von Forschung und Lehre sichern
- Drucksache 17/1737 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({2})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
Auch hier wird interfraktionell vorgeschlagen, die
Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu
geben. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es han-
delt sich um folgende Kolleginnen und Kollegen:
Monika Grütters und Tankred Schipanski für die
1) Anlage 6
Vizepräsidentin Petra Pau
Unionsfraktion, Swen Schulz für die SPD, Dr. Martin
Neumann für die FDP, Nicole Gohlke für die Fraktion
Die Linke und Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.1)
Auch hier wird interfraktionell vorgeschlagen, die
Vorlagen auf den Drucksachen 17/1588 und 17/1737 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
1) Anlage 7
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Juni 2010, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen erholsame Feiertage und allen, die
es nötig haben, gute Genesung.
({3})
Die Sitzung ist geschlossen.