Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/24/2010

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Sitzung ist eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema ihrer heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin der Justiz, Sabine LeutheusserSchnarrenberger. Bitte, Frau Ministerin.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Minister:in)

Politiker ID: 11001336

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute auf meinen Vorschlag hin einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem wir ein gesetzliches Muster dafür einführen, wie Verbraucher bei Darlehensverträgen über ihre Widerrufsrechte informiert werden können. Wir schaffen damit Rechtssicherheit für die Kreditwirtschaft, und wir stärken den Verbraucherschutz. Die Bundesregierung erfüllt somit einen Auftrag des Deutschen Bundestages; denn als im Sommer 2009 die Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt wurde, hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, ein solches Muster für die Information über das Widerrufsrecht zu schaffen. Damit erhält die Kreditwirtschaft Rechtssicherheit; denn eine mangelhafte Information der Verbraucher über ihre Rechte führt dazu, dass die Verträge auch lange Zeit nach Abschluss widerrufen werden können und Abmahnungen im Raum stehen. Das Muster, das wir jetzt vorschlagen, wird als Anhang zum Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch angefügt. Wenn das Gesetz verabschiedet wird, hat es also den Rang eines formellen Gesetzes. Der Darlehensgeber bekommt Gewissheit; denn wenn er dieses Muster verwendet, dann erfüllt er damit seine gesetzlichen Informationspflichten. Verpflichtend vorgeschrieben ist die Anwendung nicht. Wenn der Darlehensgeber das Muster aber nicht verwendet, dann kann große Rechtsunsicherheit über das Widerrufsrecht entstehen und dann muss er sich gegebenenfalls darauf einstellen, dass der Vertrag lange Zeit nach dem eigentlichen Ablauf der Widerrufsfrist vom Darlehensnehmer widerrufen werden kann. Gerade das ist der Vorteil für die Verbraucherinnen und Verbraucher; die Rechtslage in diesem gesamten Bereich ist sehr kompliziert. Hier ihnen etwas an die Hand zu geben, das Rechtssicherheit schafft, ist äußerst wichtig. Ich hoffe, dass dieser Gesetzentwurf möglichst zügig beraten und verabschiedet werden kann. Vielen Dank.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Ministerin. - Ich bitte zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. - Das Wort zur ersten Frage hat der Kollege Raju Sharma.

Raju Sharma (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004156, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, vielen Dank für diese Informationen. Wir als Linke freuen uns, dass die Bundesregierung den Auftrag des Bundestages umsetzt. Bekanntermaßen ist es äußerst schwierig, Musterwiderrufe so zu gestalten, dass sie einerseits juristisch korrekt und andererseits verständlich sind. Deswegen haben Verbraucherverbände angeregt, zunächst eine Art Probelauf zu starten, um die Widerrufsinformationen daraufhin zu überprüfen, ob sie im Ergebnis tatsächlich verständlich sind. Sie haben gleich einen Gesetzentwurf vorgelegt. Meine Frage ist, ob Sie vorhaben, die durch die Einführung gemachten Erfahrungen nach einer gewissen Zeit auszuwerten und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Minister:in)

Politiker ID: 11001336

Die Verbraucherverbände und auch die Wirtschaftsverbände sind an der Formulierung dieses Musters beteiRedetext ligt worden. Wir haben uns bei dieser wirklich komplizierten und komplexen Rechtsmaterie gemeinsam um eine verständliche Sprache bemüht. Wenn das Gesetz in Kraft tritt - das wird hoffentlich im Sommer der Fall sein können -, werden wir sehen, wie damit umgegangen wird. Zur Gesetzgebung gehört, nach einer gewissen Zeit gerade mit denjenigen einen Austausch zu führen, die davon profitieren sollen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gibt es weitere Fragen? - Bitte, Kollege Ahrendt.

Christian Ahrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003729, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, die Widerrufsbelehrung ist oftmals sehr komplex. Ist vorgesehen, im Gesetz festzuschreiben, dass der Verbraucher eine zusätzliche Information erhält, um mit seinem neuen Recht besser umgehen zu können?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Minister:in)

Politiker ID: 11001336

Widerrufsbelehrung und Widerrufsinformation laufen nicht parallel. Aber bei komplexen Verträgen - zum Beispiel, wenn über das Internet etwas gekauft wird und gleichzeitig ein Darlehensvertrag notwendig wird - wird es beide Bereiche parallel geben, um den Darlehensnehmer und Käufer über seine Rechte umfangreich zu informieren. Ich kann noch ergänzen: Falls der Darlehensgeber Angaben vergisst, kann er sie nachholen; aber dann laufen auch längere Fristen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? Das ist nicht der Fall. Danke, Frau Ministerin. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Ich weiß jetzt nicht, wer von Ihnen der Erste war. Herr Beck, bitte.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da in unserer Geschäftsordnung nur von „vorrangig zur … Kabinettssitzung“ die Rede ist und auch andere Fragen zulässig sind, habe ich eine Frage, die heute nicht als dringliche Frage zugelassen wurde, obwohl sie im Spiegel und im Tagesspiegel erörtert wurde. Die Frage ist: Nach welchen Regularien verteilt das Auswärtige Amt Diplomatenpässe an Nichtmitglieder der Bundesregierung und Nichtmitglieder des Hohen Hauses? Das geht zurück auf den Sachverhalt, dass Herr Mronz im Jahr 2008 einen Diplomatenpass bekam. ({0}) - Einen Dienstpass. - Ich möchte wissen: Was war das besondere deutsche Interesse bei der Erteilung dieses Reisedokumentes, bzw. nach welchen Richtlinien erhalten Lebenspartner, Lebensgefährten oder Ehegatten von Mitgliedern des Deutschen Bundestages solche Dienstpässe?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der guten Ordnung halber halten wir erst einmal fest, dass es keine weiteren Fragen zu Themen der heutigen Kabinettssitzung gab. ({0}) - Doch? Dann hätten Sie sich vorher melden müssen. ({1}) Dann sind wir jetzt erst einmal bei den sonstigen Fragen. Bitte, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, der Kollege Staatsminister Hoyer ist auf dem Weg hierher und wird jeden Moment eintreffen. Weil es mir nicht möglich ist, diese Frage zu beantworten, muss ich Ihnen anbieten, sie schriftlich zu beantworten.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hätte gerne eine mündliche Antwort, sobald der Kollege Hoyer hier ist. Die Bundesregierung muss bei der Befragung vertreten sein, weil unsere Geschäftsordnung Fragen zu allen Bereichen zulässt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck, da der Kollege Hoyer auf dem Weg hierher ist, rate ich, dass Sie sich noch einmal melden, wenn er hier ist, um diese Frage zu stellen. In der Zwischenzeit können Sie dem Kollegen Ströbele die Gelegenheit geben, seine Frage zu stellen. Bitte, Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Ich habe zu dem Komplex, den der Kollege Beck angesprochen hat, eine Frage. Diese Frage stelle ich aber ebenfalls zurück, bis Herr Hoyer da ist. Ich habe aber noch eine weitere Frage zu einem ganz anderen Komplex, bei dem ich davon ausgehe, dass er Gegenstand der heutigen Debatte im Kabinett gewesen ist. Die Medien, unter anderem das Radio, berichten über einen Plan, den der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dem Kabinett vorgelegt hat. Danach soll die Zusammenlegung von GTZ, DED und anderen Organisationen vom Ministerium vorgesehen sein. Dazu habe ich eine Frage - ich weiß nicht, ob Sie, Herr von Klaeden, oder jemand anders diese Frage beantworten wollen; ich nehme an, Sie waren bei der Kabinettssitzung dabei -: Können Sie dem Hohen Hause Näheres dazu mitteilen, wie nach Vorstellung des Ministeriums und des vortragenden Ministers diese Zusammenlegung aussehen soll? Das heißt: Was für ein Konzept, was für eine juristische Konstruktion liegen dem zugrunde? Ich habe einem Brief des Ministers vom 2. März entnommen, dass mit Rücksicht auf die geplante Zusammenlegung der verschiedenen staatlichen Hilfsorganisationen bereits Veränderungen in den Ministerien - Umsetzungen, Neuorganisationen - vorgenommen werden. Wenn bereits jetzt im Ministerium Umorganisierungen durchgeführt werden, müsste dem Ganzen ein konkreter Plan zugrunde liegen. Was wurde über diesen Plan mitgeteilt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Ströbele, es ist richtig, dass der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, heute im Kabinett über dieses Vorhaben berichtet hat. Kern dieses Vorhabens ist, jetzt endlich das in die Tat umzusetzen, was Vorgängerregierungen immer wieder erfolglos versucht haben, nämlich die unterschiedlichen Ausführungsorganisationen zusammenzuführen, um zu mehr Effizienz zu kommen und Doppelarbeit zu vermeiden. Das soll selbstverständlich unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfinden. Es ist auch vorgesehen, dass die Standorte dieser Organisationen in Deutschland erhalten bleiben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie möchten eine Nachfrage stellen? - Dann tun Sie das bitte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es tut mir leid: Sie haben meine Frage noch nicht einmal im Ansatz beantwortet. Ich habe gefragt: Was für ein Organisationskonzept hat der Minister dem Kabinett vorgetragen? Wie soll die zukünftige juristische Konstruktion aussehen? Welche Ansätze gibt es dazu? Wenn im Ministerium bereits Veränderungen mit Rücksicht auf die Neuorganisierung durchgeführt werden, dann müssten dazu Vorstellungen vorhanden sein. Oder hat er dazu nichts gesagt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Ströbele, Sie haben mich nach dem Konzept und den zugrunde liegenden Prinzipien gefragt. Diese Frage habe ich Ihnen beantwortet. Ich bitte Sie, weitere Fragen im Ausschuss zu stellen oder sich mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden zu erklären.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist dazu heute nichts gesagt worden?

Not found (Gast)

Ich habe die Frage so beantwortet, wie es mir jetzt möglich ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Bundesregierung entscheidet erstens, wer antwortet, zweitens, was sie antwortet. Da sich der Kollege Beck gerade zu einem Geschäftsordnungsantrag meldet, muss ich Ihre Frage leider zurückstellen, Kollegin Koczy. Bitte, Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich beantrage, die Befragung so lange zu unterbrechen, bis auskunftsfähige Personen der Bundesregierung anwesend sind. Es kann nicht sein, dass als Antwort auf eine Frage an das Auswärtige Amt der Kollege aus dem Bundeskanzleramt zu Recht sagt, dass er dazu nichts weiß. Auch die Frage zur GTZ konnte nicht beantwortet werden, weil niemand von dem zuständigen Ressort anwesend ist. Lassen Sie uns so lange unterbrechen, bis die zuständigen Staatssekretäre eingetroffen sind, und dann fortfahren. ({0}) Durch Filibustern wird faktisch das Fragerecht des Deutschen Bundestages beschnitten. Das ist keine Frage von Mehrheit oder Minderheit, sondern das ist eine Frage des Interpellationsrechts des Parlamentes und kann auch dann, wenn die Mehrheit diesen Antrag ablehnt, nicht abgewürgt werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu diesem Geschäftsordnungsantrag verhandeln wir. Bitte, Kollege Grund.

Manfred Grund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002667, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Der Antrag des Kollegen Beck geht weit über unsere Geschäftsordnung hinaus. Hätte er recht, würde das bedeuten, dass am Mittwoch einer normalen Sitzungswoche ab 13 Uhr das gesamte Kabinett hier zu sitzen hat, ({0}) um sich irgendwelchen Fragen des Kollegen Beck zu stellen. ({1}) - Das hat er nicht gesagt. Er hat Ihnen die Auskunft gegeben, die zu geben ist, und den Kenntnisstand wiedergegeben, der im Kanzleramt vorhanden ist. Ich weise darauf hin, dass Ihre Forderung weit über das hinausgeht, was in der Geschäftsordnung vereinbart ist. ({2}) - Nehmen Sie sie wieder mit. Ich habe sie selber gelesen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Grund, es ist richtig, dass das unserer bisherigen Praxis widerspricht. Aber unsere bisherige Praxis besagt: Wenn eine solche Situation eintritt, entscheidet der Präsident/die Präsidentin. Ich unterbreche die Sitzung bis 13.25 Uhr. Wir schauen, wie wir dann weitermachen. ({0}) ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Das Wort zu einer Frage an die Bundesregierung hat der Kollege Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister Hoyer, ich habe eine Frage zu den Usancen bei der Ausgabe von Dienstausweisen durch die Bundesregierung an Personen, die nicht Mitglied des Hohen Hauses oder Mitglied der Bundesregierung sind. Meine Frage geht zurück auf die Vergabe eines Dienstausweises an Herrn Mronz im Jahre 2008. In welchem besonderen deutschen Interesse stand die Ausgabe dieses Dienstausweises? Nach welchen Usancen werden bei Lebensgefährten, Lebenspartnern oder Ehegatten von Mitgliedern des Deutschen Bundestages Dienstausweise vom Auswärtigen Amt ausgestellt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Beck, Sie hatten diese Frage als dringliche Frage eingereicht. Dementsprechend hat das Amt mich sauber auf die Beantwortung vorbereitet. Dann ist die Frage nicht zugelassen worden. Deswegen erwischen Sie mich jetzt ohne einen Stapel von Unterlagen zu diesem Thema, und ich kann nur recht allgemein antworten und Ihnen sagen, dass es eine entsprechende Verwaltungsvorschrift gibt, eine allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Ausgabe von Dienstpässen. Nach, ich glaube, § 3 dieser Vorschrift ist dieser Dienstpass ausgestellt worden. Weitere Details entziehen sich meiner Kenntnis. Sie wissen, dass dieser Vorgang zur Ausstellung eines Dienstpasses geführt hat, der später nie genutzt worden ist, weil die Reise, die angedacht war, nicht stattgefunden hat. Außerdem wurde dieser Dienstpass bereits im Jahr 2008 ausgestellt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Dienstausweis wurde abgeholt, ohne dass die Reise angetreten wurde?

Not found (Gast)

In der Tat. Der Dienstpass war auf ein Jahr ausgestellt. Die Reise, die Anlass für die Beantragung durch den Passinhaber gewesen ist, hat nicht stattgefunden.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Können Sie uns -

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Beck, das Wort erteile immer noch ich.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung!

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben jetzt die Möglichkeit, eine Nachfrage zu stellen. Dann haben wir noch weitere Wortmeldungen. Sie können sich natürlich auch im Rahmen unserer Fragestunde noch einmal melden. Bitte, Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, können Sie uns denn abstrakt die Frage beantworten, wie die rechtlichen Regularien sind, wenn es um Dienstausweise für Angehörige der Mitglieder des Deutschen Bundestages geht? Das mag ja auch für andere Kollegen von Interesse sein. Was ist da die Praxis, und wie sieht die Rechtssituation da aus?

Not found (Gast)

Das kann ich Ihnen nicht im Detail sagen. Sie wissen, dass Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages Anspruch auf einen Diplomatenpass haben. ({0}) Weitere Details sind mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt. Ich kann mir vorstellen, dass die damalige Bundesregierung gerade bei einer Reise in ein Land, das mit der Behandlung von Homosexuellen durchaus seine Schwierigkeiten hat, ({1}) vielleicht ein Interesse daran hatte, den reibungslosen Ablauf der Reise zu organisieren oder zu ermöglichen. Das ist durchaus ein legitimes Ansinnen. Wir würden vermutlich auch heute, wenn ein solcher Fall entsteht, Entsprechendes tun. Ich vermute einmal, dass Bundesminister Steinmeier aus diesem Grunde so entschieden hat. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich habe Sie gesehen, Kollege Ströbele; aber der Kollege Ahrendt war schneller mit seiner Meldung zu einer Nachfrage zu diesem Gegenstand. Bitte, Herr Ahrendt.

Christian Ahrendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003729, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, können Sie mir die Frage beantworten, wer im Jahr 2008, als der Dienstpass ausgestellt worden ist, im Auswärtigen Amt die Verantwortung trug?

Not found (Gast)

Ja. Ich habe den Namen von Bundesminister Steinmeier genannt, aber ich will ihn hier gar nicht in Haftung nehmen, weil das ein Vorgang ist, den ich nachvollziehen kann. Dennoch haben Sie die Frage, wer damals im Amt war, zu Recht gestellt. Wir waren es zumindest nicht. ({0}) - Da ich hier gerade einen Zwischenruf gehört habe, möchte ich klarstellen: Die Ausstellung dieses Dienstpasses erfolgte nicht auf Antrag einer Fraktion.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Nachfrage hat der Kollege Hans-Christian Ströbele das Wort.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Vorhin war der Herr Staatsminister leider noch nicht hier, weshalb ich die Frage vorhin noch nicht stellen konnte. Ich habe nämlich auch eine Frage zu diesem Komplex. Alle warten - ich warte und viele andere auch - auf die Beantwortung der Frage: Nach welchen Kriterien kann man nicht als Bundestagsabgeordneter - hier weiß ich das -, sondern als Geschäftsmann, als Unternehmer in den Kreis derer kommen, die zu Reisen des Außenministers ins Ausland eingeladen werden und mitfliegen dürfen?

Not found (Gast)

Diese Frage betrifft ja den Gesamtzusammenhang der Zusammenstellung von Delegationsreisen. Auf diese Frage werden wir noch ausführlich zu sprechen kommen, aber ich bin gerne bereit, diese Frage bereits jetzt aufzugreifen ({0}) und zu sagen: Es gibt ein mehr oder weniger formalisiertes Verfahren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem für die Wirtschaftsdelegationsreisen zuständigen Referat stellen entsprechende Überlegungen an und stimmen sich mit den Botschaften des Gastlandes und auch mit dem Gastland selbst ab. Wenn hinreichend Zeit vorhanden ist, werden auch die Wirtschaftsverbände abgefragt und um Empfehlungen gebeten. Dann wird eine längere Liste aufgestellt. Es kann auch initiativ Interesse an der Teilnahme an solchen Reisen geäußert werden. Am Ende wird dann entschieden. Natürlich geht es darum, die besondere Kompetenz oder das besondere Interesse des Gastes hinsichtlich des Ziellandes zur Grundlage der Entscheidung zu machen; denn diese Reisen haben ja einen hohen Wert und einen großen Sinn, nämlich, insbesondere die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Land weiter auszubauen und gegebenenfalls - im Fall von Gästen aus dem Bereich der Wirtschaft - auch den Interessen der deutschen Wirtschaft und der Sicherung von Arbeitsplätzen den entsprechenden Rang einzuräumen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer weiteren Frage. Danach kommt der Kollege Gehrcke an die Reihe. - Bitte, Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, ich habe eine Zusatzfrage: War dieses Thema, das derzeit doch weite Teile in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt, heute Gegenstand der Kabinettssitzung, insbesondere in dem Zusammenhang, welche Industrievertreter oder Vertreter von Unternehmen der derzeitige Außenminister auf seinen letzten Reisen mitgenommen hat und ob die Beteiligung bestimmter Personen an diesen Reisen auf besonderen Wunsch des Ministers von der Auswahlkommission bzw. von der Auswahlstelle befürwortet worden ist?

Not found (Gast)

Nein. ({0}) - Die Frage war einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Genau das habe ich getan. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Ströbele, auch hier gilt: Das Wort erteile ich. ({0}) Die Bundesregierung entscheidet, was sie antwortet und in welcher Form sie antwortet. Sie sind dann wiederum in Ihrer Bewertung dessen frei. Jetzt hat der Kollege Wolfgang Gehrcke das Wort.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, dass der Hinweis darauf, dass auch bei vorangegangenen Außenministern - Herrn Steinmeier, Herrn Fischer; man könnte noch weiter zurückgehen - ähnliche Verfahren üblich waren, wenig überzeugend ist und dass es nach dem Kladderadatsch, zu dem es jetzt gekommen ist, notwendig gewesen wäre, die Richtlinien darüber, wer mitgenommen werden kann, warum er mitgenommen wird und unter welchen Bedingungen ein Diplomatenpass ausgestellt wird, endgültig neu zu regeln?

Not found (Gast)

Ich sehe diese Notwendigkeit nicht. Ich meine auch, dass man den Sinn solcher Delegationsreisen, den Sinn der Begleitung eines Bundesministers, der Bundeskanzlerin oder des Bundespräsidenten, nicht aus dem Auge verlieren sollte und ein Mindestmaß an Flexibilität im Umgang mit Gästen braucht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort zu der nächsten Frage hat die Kollegin Koczy. ({0}) - An die Bundesregierung. Die Bundesregierung entscheidet dann, wer antwortet. ({1}) - Das war der versteckte Hinweis. - Bitte, Kollegin Koczy.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Meine Frage richtet sich aber auch an den Staatsminister Hoyer. Denn er hat bei den Antworten auf die vorherigen Fragen den Eindruck erweckt, dass häufig ein Zusammenhang zwischen Interessen der Wirtschaft und Interessen der Bundesregierung besteht und dass das auch zukünftig gilt. Wir wissen ja, dass in Zukunft auch Hermesbürgschaften für Atomkraftwerke gewährt werden sollen. Da gibt es einen Zusammenhang mit der Reise des Außenministers nach Brasilien, Lateinamerika. Auf diese Reise ist auch ein Geschäftsführer von Areva - das ist ein Kernenergieunternehmen - bzw. Siemens mitgefahren. Meine Frage ist: Können wir davon ausgehen, dass im Rahmen der weiteren Billigung von Hermesbürgschaften für die Länder China, Russland und möglicherweise auch für andere Länder in Zukunft bei Delegationen die Geschäftsführer der jeweiligen Firmen dabei sein werden?

Not found (Gast)

Ich sehe den von Ihnen angesprochenen Zusammenhang eindeutig nicht. Es kann kein Grund sein, jemanden von einer Reise auszuschließen, weil er in einem Geschäftsfeld tätig ist, das einem Teil der Mitglieder des Deutschen Bundestages nicht passt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Kollegin Koczy hat dazu noch eine Nachfrage. Ich gehe davon aus, Kollege Ströbele, dass Sie dann Ihre Frage an die Kollegin Kopp wiederholen wollen, die inzwischen eingetroffen ist. Ist das richtig? ({0}) - Gut, dann kommt zunächst die Kollegin Koczy.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe doch noch eine Rückfrage. Denn es handelt sich ja um eine Bürgschaftssumme von 2,5 Milliarden Euro, die der deutsche Steuerzahler für den Bau eines Atomkraftwerkes in Brasilien eventuell aufbringen muss; und wir wissen nicht genau, ob es sich dabei mit Blick auf das veraltete Modell, um das es geht, nicht um eine Fehlinvestition handelt. Inwiefern wird denn vorher geprüft, ob die Geschäftsmodelle tatsächlich wirtschaftstauglich sind?

Not found (Gast)

Diese Frage wird im Zusammenhang mit der Unterstützung eines solchen Projektes durch die Bundesregierung - gegebenenfalls auch durch Hermesbürgschaften geprüft. Das ist aber nicht die Grundlage für die Entscheidung über die Beteiligung an einer Reise. Die Entscheidung, ob die Bundesregierung ein solches Projekt für gut befindet oder nicht, ist auf jeden Fall vorgelagert. Das ist nicht die Grundlage für die Entscheidung, wer auf eine Reise mitgenommen wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Kollege Hans-Christian Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Ich wiederhole die Frage, die ich vorhin gestellt habe, als Sie noch nicht da waren, Frau Kopp. Thema der Kabinettssitzung war nach den heutigen Presse- und Radiomeldungen unter anderem auch der Plan des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Zusammenlegung von staatlichen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, unter anderem von DED und GTZ. Ich frage die Bundesregierung: Was wurde dem Kabinett hinsichtlich der geplanten Organisationsform und juristischen Form vorgetragen, und welche Vorstellungen hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in diesem Bereich? Ich frage das insbesondere mit Blick auf einen Brief des Ministers, dem ich entnommen habe, dass unter Bezugnahme auf diese Planungen bereits Umorganisationen im Ministerium stattgefunden haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gudrun Kopp (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003160

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Ströbele, sehr geehrte Herren und Damen, ich bitte um Nachsicht, dass ich ein wenig verspätet hierher gekommen bin. Ich war bereits in einer anderen Veranstaltung und war der Meinung, dass das, was wir bereits vorgelegt und auch im Ausschuss beraten haben, hinreichend bekannt ist. Aber sehr gerne antworte ich auf Ihre Frage: Heute im Kabinett hat der Minister vorgelegt, was geplant ist: nämlich die Fusion von GTZ, InWEnt und DED. Das sind weltweit tätige Vorfeldorganisationen, die in 130 Ländern tätig sind und über circa 17 000 Beschäftigte verfügen. Das ist also keine kleine Organisation. Durch diese Fusion der Vorfeldorganisationen erhoffen wir uns sehr viel mehr Effektivität. Wir sind einen ganz neuen Weg gegangen, indem wir in einem ersten Schritt die drei betroffenen Organisationen selbst befragt haben und noch befragen, wie sie sich eine solche Zusammenführung vorstellen. Neu daran ist, nicht von oben vorzugeben, wie die künftigen Vorfeldorganisationen zu gestalten sind. Wir möchten vielmehr bei dieser notwendigen Umstrukturierung alle Organisationen mitnehmen. Das ist bisher schon sehr gut gelungen. Wir sind bereits mit den drei Organisationen etwa 80 Prozent des Weges hin zu einer Zusammenführung gegangen, sehr im Konsens mit den Mitarbeitern und allen betroffenen Einrichtungen. Es geht uns jetzt darum, im Laufe der nächsten Zeit das, was Sie angesprochen haben - die rechtliche Konstruktion, die Frage der Personalverträge, die Zusammenführung der verschiedenen Personalverträge bis hin zur neuen Bezeichnung - zu regeln. All das ist noch nicht geregelt. Es sind schwierige Fragen, die zu regeln sind. Dafür brauchen wir Zeit. Bitte bedenken Sie: Wir sind erst seit Ende des letzten Jahres dabei, diese Aufgaben anzugehen. Das war heute Morgen nicht Gegenstand der Kabinettssitzung, weil wir noch nicht so weit sind. Es ist ein erster Entwurf dessen, was bisher geleistet wurde. Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg, weil bis jetzt schon ein sehr großer Konsens hergestellt werden konnte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor ich Ihnen das Wort zu einer Nachfrage gebe, weise ich vorsorglich darauf hin, dass ich die Dauer der Unterbrechung der Sitzung auf die Zeit der Regierungsbefragung angerechnet habe, aber vorhabe, diese in 4 Minuten und 36 Sekunden zu beenden und zur Fragestunde überzugehen. Das heißt, die Kolleginnen Wilms und Koczy haben noch die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen, wenn es jetzt gelingt, kurze Fragen und kurze Antworten zu formulieren. - Bitte, Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Leider haben Sie meine Frage nicht beantwortet, die nämlich dahin ging, welche Vorstellungen der Minister und das Ministerium von der zukünftigen Organisationsform und juristischen Konstruktion haben. Wenn bereits jetzt im Ministerium Umorganisationen durchgeführt werden, dann muss es doch entsprechende Vorstellungen davon geben. Ich zitiere dazu die entsprechenden Sätze aus dem Schreiben des Ministers vom 2. März: Zu diesem Zweck strukturieren wir derzeit auch das Ministerium selbst um. In der neuen Struktur spiegeln sich die Schwerpunkte unserer Arbeit. Wenn Sie schon Umstrukturierungen im Ministerium vornehmen, dann muss es doch Vorstellungen von der neuen Organisationsform und der juristischen Konstruktion geben.

Gudrun Kopp (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003160

Herr Kollege Ströbele, selbstverständlich findet seit einiger Zeit im BMZ eine organisatorische Umstrukturierung statt, die auch notwendig ist, weil wir auch an dieser Stelle moderne Elemente des Managements einführen wollen. Dies ist auch notwendig, um unsere Arbeit zielführend voranzubringen. Dennoch sind die Frage nach der juristischen Konstruktion und alle weiteren Fragen, die sich dazu stellen - sie betreffen unter anderem die Integration des Entwicklungshelfer-Gesetzes; Sie wissen, welche Problematiken sich damit verbinden -, noch nicht zu beantworten. Denn wir sind erst in der Phase der Aufnahme der Problemfelder. Wir sind noch nicht in der Phase der Umsetzung. Diese Fragen sind derzeit in der Pipeline. Sie werden sorgfältig geprüft. Wir machen dabei keine Schnellschüsse, sondern wir wollen, wie ich bereits sagte, zu einer Neukonstruktion kommen, die effektiv und effizient arbeitet und den größtmöglichen Nutzen für die Entwicklungszusammenarbeit bringt. Dabei ist das BMZ als Schaltzentrale sozusagen der Kopf, der auch effizient aufgestellt werden muss. Dabei sind wir schon ein großes Stück weiter. Alle anderen Fragen sind - auch wenn Sie das nicht zufriedenstellt - noch nicht beantwortet. Wir sind erst seit gut zehn Wochen dabei. Das ist ein großes Konstrukt. Sie wissen, dass auch schon Vorgängerregierungen versucht haben, eine solche Fusion hinzubekommen. Geben Sie uns bitte ein bisschen Zeit, eine Lösung zu finden, die uns in der Sache wirklich weiterbringt und in juristischer Hinsicht nicht auf wackligen Füßen steht. Wir wollen erst prüfen, dann Diskussionen über die Details führen und schließlich entscheiden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage an die Bundesregierung stellt die Kollegin Wilms.

Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Ich habe folgende Frage an die Bundesregierung: Aus welchen Gründen wurde der Geschäftsführer der Firma Far Eastern Fernost Beratungs- und Handelsgesellschaft mbH, Ralf Marohn, an der auch der Bruder des Bundesministers des Auswärtigen Anteilseigner ist, in dessen Delegation nach Japan und China im Januar 2010 eingeladen, und wer hat ihn für diese Delegation vorgeschlagen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Die Begründung ist glasklar: Herr Marohn ist einer der wesentlichen Experten für die Geschäftsanbahnung mit China. Er ist hoch anerkannt und kommt deshalb für eine solche Reise infrage. Er hat eine große Anzahl von Reisebegleitungen - auch für offizielle Delegationen gemacht und sich sehr sinnvoll eingesetzt, insbesondere für den Mittelstand im Chinageschäft. Ich kann Ihnen die konkrete Frage, woher ein Brief gekommen ist, mit dem angeregt wurde, dass Herr Marohn mitfährt, nicht beantworten. Wenn ich zuständig gewesen wäre, hätte es durchaus sein können, dass ich selber auf die Idee gekommen wäre, ihn zu fragen, ob er nicht bereit wäre, mitzufahren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt die Kollegin Koczy. Das ist die letzte Frage in der Regierungsbefragung.

Ute Koczy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003788, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin Kopp, ich will eine Nachfrage zur Reform der Vorfeldorganisationen stellen. Heute ist im Kabinett der erste Bericht zur Reform der Vorfeldorganisationen vorgelegt worden. Es handelt sich nicht um einen Entwurf, sondern um einen ersten Bericht. Meine Frage lautet: Wird diese Debatte in eine inhaltliche Diskussion über die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit eingebettet? Was uns vorliegt, zeigt, dass es sich bislang eher um eine technokratische Angelegenheit handelt. Es geht nur um die technische Zusammenarbeit, die in dieser Form noch nie so stattgefunden hat und nicht geplant war. Die vorherigen Fusionsplanungen liefen auf einer anderen Ebene. Die entscheidende Frage ist: Wird das BMZ eine Debatte über die inhaltliche Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Reform einplanen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gudrun Kopp (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003160

Danke sehr, Frau Präsidentin. - Selbstverständlich wird eine inhaltliche Diskussion im Zusammenhang mit der organisatorischen Neuordnung geführt werden. Ich weise aber darauf hin, dass wir schon sehr viele Debatten über eine inhaltliche Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit im Plenum, aber auch in den Ausschüssen geführt haben. Es geht uns darum, in besonderer Weise mit den Institutionen, aber auch mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten. Sie kennen sicherlich die Debatte über die Stärkung des Privatsektors und der Zivilgesellschaft. Konkret heißt das: Wir möchten zu einem Verhältnis von etwa zwei Dritteln bilaterale Zusammenarbeit zu einem Drittel multilaterale Zusammenarbeit - verstehen Sie das bitte nicht als starres Verhältnis kommen. Auch die multilaterale Zusammenarbeit muss gestärkt werden. Aber wir möchten einen anderen Akzent setzen. Es ist jedoch völlig klar, dass bei der Neuorganisation der Strukturen auch die inhaltliche Ausrichtung eine große Rolle spielt. Ich nenne als ein Beispiel einen wichtigen Punkt. Wir wollen einen zielgenaueren Einsatz der Mittel, ob personeller oder finanzieller Art, erreichen. Wir möchten die Prozesse sehr viel transparenter und effektiver gestalten. Wir sind der Ansicht, dass es in der Entwicklungszusammenarbeit sehr viel mehr Potenziale zu heben gibt, als das in der Vergangenheit der Fall war. Beides hängt zusammen. Beides sind wichtige Säulen einer schlagkräftigen Entwicklungszusammenarbeit. Seien Sie versichert: Die inhaltliche Ausrichtung wird mit der personellen zusammenhängen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Es gibt zwar noch Nachfragebedarf, aber die für die Regierungsbefragung vorgesehene Zeit ist schon überschritten. Danke, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 17/1107 Ich rufe die Fragen auf Drucksache 17/1107 in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Kathrin Vogler auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Auswirkungen der Honorarreform, die seit 1. Januar 2009 in Kraft ist, auf die Vergütung niedergelassener Kassenärztinnen und -ärzte in den einzelnen Bundesländern, und welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Verunsicherung vieler Ärztinnen und Ärzte insbesondere - aber nicht nur - in Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg zu beheben? Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Vielen Dank, Frau Präsidentin - Frau Abgeordnete Vogler, die Gewinnung von Erkenntnissen über die Auswirkungen der Honorarreform, die seit dem 1. Januar 2009 in Kraft ist, auf die Vergütung der niedergelassenen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte wird derzeit dadurch erschwert, dass der Bundesregierung trotz der geParl. Staatssekretär Daniel Bahr setzlich vorgegebenen Berichtspflicht der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen auf Bundesebene noch keine bzw. noch keine vollständig plausibilisierten Datenberichte für das erste Halbjahr 2009, das heißt für das erste Quartal und das zweite Quartal 2009, vorliegen. Der Datenbericht für das erste Quartal wurde von der KBV am 15. Februar 2010 vorgelegt. Die Daten sind aber unvollständig und weisen zudem eine Reihe von gravierenden Implausibilitäten auf, die bislang noch nicht aufgeklärt werden konnten. Der Datenbericht für das zweite Quartal wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Mitte April 2010 in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung nimmt die immer wieder geäußerte Kritik von Ärztinnen und Ärzten an den Auswirkungen der Honorarreform sehr ernst. Der Koalitionsvertrag der neuen Koalition sieht ja auch vor, dass die seit dem 1. Januar 2009 geltende Honorarreform nach einer kritischen Überprüfung zusammen mit den Beteiligten den erforderlichen Kurskorrekturen unterzogen wird. Eine sachgerechte Überprüfung der Honorarreform ist allerdings erst dann möglich, wenn die dafür erforderlichen Daten auch wirklich vorliegen. Diese müssen die Entwicklung in den einzelnen Regionen und Arztgruppen sowie den verschiedenen Versorgungsbereichen differenziert abbilden. Erst auf dieser Grundlage wird der konkrete Anpassungsbedarf einzuschätzen sein. Wegen der herausgehobenen Bedeutung der Datenberichte für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überprüfung der Honorarreform und die Entscheidung über die Einleitung konkreter Maßnahmen hat das Bundesministerium für Gesundheit die zuständige Selbstverwaltung noch einmal eindringlich darum gebeten, die auf gesetzlicher Grundlage angeforderten Daten so schnell wie möglich bereitzustellen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, in der Ärzte Zeitung vom Montag dieser Woche wird berichtet, dass der Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann, in Nordrhein-Westfalen sich die Argumentation der dortigen Kassenärzte zu eigen macht und sagt - ich zitiere -: Unser Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen ist sowohl im Krankenhaus- als auch im niedergelassenen Bereich zusammen mit Schleswig-Holstein das am schlechtesten bezahlte in ganz Deutschland. Angesichts dessen, was Sie gerade vorgetragen haben, frage ich mich, woher Minister Laumann diese Zahlen nimmt, ob es sich bei diesen Auslassungen nicht eher um Wahlkampfgetöse und den Versuch handelt, die Beunruhigung der Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen zu nutzen, um im Wahlkampf dort Punkte zu machen. Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen über Zahlen- und Datenmaterial verfügt, das Ihnen als Bundesregierung nicht vorliegt und aus dem Sie die Datenlage ableiten könnten, die der Minister in seinem Redebeitrag dargestellt hat?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor Sie antworten, Herr Staatssekretär, mache ich vorsorglich auf Folgendes aufmerksam: Im weiteren Verlauf der Fragestunde werde ich darauf achten, dass die Fragen mit einem solchen zeitlichen Volumen gestellt werden, dass es möglich wird, mit kurzen Antworten den Verlauf der Sitzung voranzutreiben. Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Mir liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass dem Landesminister für Gesundheit des Landes NordrheinWestfalen andere Daten vorliegen als die, die im Bundesministerium für Gesundheit vorhanden sind. Frau Kollegin Vogler, ich habe eben auch darauf hingewiesen, dass uns zwar Daten für das erste Quartal 2009 vorliegen, diese aber noch implausibel und nicht vollständig sind. Wir brauchen vollständige Daten, um sie richtig beurteilen zu können. Bevor wir diese nicht haben, kommen wir nicht zu Schlüssen, wie sie andere möglicherweise ziehen. Wir als Bundesministerium für Gesundheit können aufgrund der vorliegenden Daten noch keine sachgerechte Entscheidung treffen und keine sachgerechte Bewertung vornehmen. Aufgrund der vorläufigen Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, auf die sich einige politische Äußerungen in der Öffentlichkeit beziehen, können wir lediglich feststellen, dass es in den Jahren 2007 bis 2009 zu einem Honoraranstieg in Höhe von mindestens 3,5 Milliarden Euro bzw. 13 Prozent gekommen ist, wobei die Zuwächse in den Regionen in der Tat sehr unterschiedlich waren. Im Ergebnis profitieren die Ärztinnen und Ärzte in den Regionen am stärksten von der Honorarreform, in denen bislang weit unterdurchschnittliche Preise gezahlt wurden. Hierzu gehören vor allem die Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundesländer. Weil Sie sich auf den Landesgesundheitsminister Laumann bezogen haben, nehme ich einmal Bezug auf die bisher unvollständig vorliegenden Daten für Westfalen-Lippe und Nordrhein, die beiden Kassenbezirke in Nordrhein-Westfalen. Für die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe weisen die Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Vergleich des ersten Halbjahres 2007 und des ersten Halbjahres 2009 einen Honoraranstieg in Höhe von rund 20,1 Prozent aus; für die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein wird ein Honoraranstieg in Höhe von 12,1 Prozent ausgewiesen. Zusammengenommen erreichen die beiden Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein-Westfalens im ersten Halbjahr 2009 gegenüber dem ersten Halbjahr 2007 damit einen Anstieg in Höhe von 15,7 Prozent.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Frage.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank; das war sehr aufschlussreich. Landesminister Laumann rät den Ärztinnen und Ärzten im Bezirk Nordrhein - Zitat -: Vielleicht können Sie in den nächsten Wochen ja vergessen, die Beiträge an die KBV zu überweisen. Wie stellt sich die Bundesregierung zu dieser Aussage? Meiner Ansicht nach handelt es sich da um einen klaren Aufruf zum Rechtsbruch. Vielleicht sieht der Landesminister das als zivilen Ungehorsam. Aber nichtsdestotrotz glaube ich, dass da Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung besteht, um die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in ihre Schranken zu weisen, was den Aufruf an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zum Rechtsbruch angeht.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Ein solcher ernsthafter Vorschlag durch das Landesgesundheitsministerium Nordrhein-Westfalens ist uns nicht bekannt. Wir würden den Ärztinnen und Ärzten in Nordrhein-Westfalen einen solchen Vorschlag auch nicht machen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Weinberg das Wort.

Harald Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, auch wenn jetzt noch keine validen Daten für das erste Quartal - für das zweite Quartal ohnehin noch nicht - vorliegen, wie Sie sagen, so hat doch dieser ganze Prozess insgesamt zu einer großen Verunsicherung bei den Ärztinnen und Ärzten und damit auch bei den Patientinnen und Patienten geführt. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dieser Verunsicherung entgegenzuwirken?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich darf nur darauf hinweisen, Frau Präsidentin, dass diese Frage von Frau Kollegin Vogler gestellt wurde und ich sie so beantwortet habe, dass die Koalitionsvereinbarung dazu eine eindeutige Aussage enthält. Nach einer Auswertung der Honorarreform wird die Bundesregierung mit den Beteiligten die erforderlichen Kurskorrekturen vornehmen. Da uns noch nicht die vollständigen Daten vorliegen, die erst analysiert werden müssen, können wir die Kurskorrekturen noch nicht vornehmen. Aber die Empfehlungen des Koalitionsvertrages und die Vorgabe für die Koalition sind hier eindeutig. Das wird im Laufe dieser Legislaturperiode auch angegangen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Als Nächster hat der Kollege Christian Lange das Wort.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich beantrage namens der SPD-Bundestagsfraktion aufgrund der Antwort der Bundesregierung, die wieder einmal die Fragen der Kollegen unzureichend beantwortet hat, eine Aktuelle Stunde ({0}) zum Thema Gesundheitspolitik der Bundesregierung gemäß unserer Geschäftsordnung nach Ende unserer Fragestunde. ({1}) Herzlichen Dank.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fraktion der SPD hat zur Antwort der Bundesregierung eine Aktuelle Stunde verlangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache findet im Anschluss an die Fragestunde statt. Zur Erklärung für diejenigen, die heute zum ersten Mal einer Fragestunde des Deutschen Bundestages beiwohnen: Präsidentinnen und Präsidenten haben keinen Ermessensspielraum, wenn ein solcher Antrag nach Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde gestellt wird. ({0}) - Kollege Grund, ich habe zur Kenntnis genommen, dass der Kollege Christian Lange festgestellt hat, dass die Fragen der Kollegin Kathrin Vogler auch aus seiner Sicht unzureichend beantwortet wurden. Insofern hat er die Frage der Kollegin Vogler übernommen und die Aktuelle Stunde beantragt. Das ist korrekt und unterliegt ansonsten dann Ihrer Bewertung in den weiteren Auseinandersetzungen des Tages. Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Kathrin Vogler auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die immerhin durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Stefan Kapferer, im Vorstand des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWiG, vertreten ist, hinsichtlich der Kosten für die Überprüfung des Institutsleiters Professor Dr. Peter Sawicki, und stimmt der Bericht im Spiegel vom 14. März 2010 insoweit, als die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO den Auftrag zur Überprüfung im Wert von 20 000 Euro ohne Ausschreibung erhalten hatte, obwohl die Verfahrensordnung des Instituts ab 12 500 Euro eine Ausschreibung vorsieht?

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielleicht gelingt es mir erneut, die Frage der Kollegin Vogler so zu beantworten, dass sie sagt, die Antwort sei sehr aufschlussreich gewesen, wie es eben der Fall war. Die Beauftragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO verstößt entgegen der Vermutung in der Frage nicht gegen vergaberechtliche Regelungen und auch nicht gegen die interne Vergaberichtlinie des Instituts. Zu dieser Beauftragung bedurfte es keiner Ausschreibung, weil es sich bei der zu erbringenden Dienstleistung um eine Leistung handelte, die im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen - Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte seien hierbei genannt - angeboten wird. Derartige Dienstleistungen, die nicht unter den Anwendungsbereich der Verdingungsordnungen fallen, können grundsätzlich freihändig vergeben werden. Auch die interne Vergaberichtlinie des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sieht ausdrücklich vor, dass öffentliche Aufträge, die eine Leistung eines freiberuflich Tätigen zum Inhalt haben und, wie vorliegend, unterhalb der EG-Schwellenwerte angesiedelt sind, in der Regel grundsätzlich freihändig vergeben werden können. Der Vorstand der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat einvernehmlich vereinbart, dass keine Detailinformationen über die Beauftragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und deren Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben werden. Die Diskussion um nicht ordnungsgemäße Verwaltungsabläufe und ihre Überprüfung soll zum Schutz der Institutsarbeit und der Mitarbeiter nicht weiter angefacht werden. Eine Veröffentlichung der an die BDO geleisteten Zahlungen wäre im Übrigen auch nur mit deren Zustimmung möglich, weil das Auftragshonorar als Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis anzusehen ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, welche sachlichen Grundlagen liegen denn dieser Aufteilung des Verfahrens - freiberufliche Auftragnehmer einerseits und gewerbliche oder institutionelle Auftragnehmer andererseits - zugrunde, und in welcher Art und Weise hat die Bundesregierung, die durch Staatssekretär Kapferer im Vorstand des Instituts vertreten ist, darauf Einfluss genommen, dass diese Aufträge an die BDO erteilt worden sind?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Zum ersten Teil der Frage verweise ich auf meine Antwort von eben: Bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO handelt es sich um einen Wirtschaftsprüfer, also um einen freiberuflich Tätigen. Das heißt, Dienstleistungen wie die, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO erbringt, fallen eben nicht unter den Anwendungsbereich der Verdingungsordnungen und können deshalb grundsätzlich freihändig vergeben werden. Hier halten wir uns eindeutig an die Vorgaben, die an dieser Stelle auch erfüllt sind. Zum zweiten Teil der Frage - das war die Frage nach der Entscheidung der Stiftung -: Die Entscheidung des Stiftungsvorstandes wurde einvernehmlich gefällt und insofern auch von allen Beteiligten getroffen, die im Stiftungsvorstand sind, das heißt, Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen. Übrigens wurde auf Wunsch des Institutsleiters eine Prüfung durchgeführt. Das heißt, es war nicht alleiniger Wille des Bundesministeriums, sondern der einvernehmliche Wunsch der Beteiligten in dem Vorstand und auch der Betroffenen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. - Sie verzichten. Die Fragen 3 und 4 der Kollegin Dr. Martina Bunge werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Kathrin SengerSchäfer auf: Unter welchen Annahmen trifft die Einschätzung des Bundesversicherungsamtes zu, dass es in der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr eine Finanzlücke von etwa 6,4 Milliarden Euro geben wird bzw. das Defizit sogar auf 15 Milliarden Euro ansteigen könnte? Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich darf für die Bundesregierung sagen, dass konkrete Prognosen zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung derzeit lediglich für das Jahr 2010 möglich sind. Danach ist auf Basis der bisherigen Annahmen des Schätzerkreises unter Berücksichtigung des zusätzlichen Bundeszuschusses von 3,9 Milliarden Euro zum Ausgleich krisenbedingter Mindereinnahmen in diesem Jahr von einer Unterdeckung der voraussichtlichen Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber den Zuweisungen des Gesundheitsfonds in einer Größenordnung von circa 4 Milliarden Euro auszugehen. Für das Jahr 2011 sind derzeit keine validen Finanzschätzungen möglich. Der Schätzerkreis wird sich auf seiner Herbstsitzung erstmalig damit befassen. Da zum derzeitigen Zeitpunkt keine validen Annahmen über die Einnahme- und Ausgabenentwicklung im nächsten Jahr getroffen werden können, hat auch der Präsident des Bundesversicherungsamtes keine konkreten Prognosen über eine zu erwartende Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2011 in der Regierungskommission in der letzten Woche abgegeben, sondern er hat lediglich rein rechnerische Annahmen darüber getroffen, welches Finanzergebnis der gesetzlichen Krankenversicherung sich bei bestimmten Veränderungen der Einnahmen und Ausgaben ergäbe.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Kathrin Senger-Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004154, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Auch wenn jetzt noch keine validen Berechnungen vorliegen, wie Sie gesagt haben, würde es mich doch interessieren, wie das für das Jahr 2011 geschätzte Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt werden soll. Soll es durch Erhebung von Zusatzbeiträgen gedeckt werden, oder ist eine Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes vorgesehen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Genau diese Frage ist Gegenstand der Beratungen in der Regierungskommission, die ihre Arbeit aufgenommen, in der letzten Woche zum ersten Mal getagt und sich mit den Vorträgen des Präsidenten des Bundesversicherungsamtes und des Vorsitzenden des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen einen ersten Überblick über die Entwicklung verschafft hat. Das heißt, die Regierungskommission wird in den Beratungen zu konkreten Ergebnissen kommen, wie mit einem möglichen Defizit im Jahre 2011 zu verfahren ist. Vorentscheidungen über Beitragssatzentwicklung und Zusatzbeiträge können hier noch nicht getroffen werden. Im Übrigen gilt die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, der vorsieht, dass der schon in der letzten Legislaturperiode festgeschriebene Arbeitgeberbeitrag weiterhin fest bleibt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. - Sie verzichten. Dann rufe ich die Frage 6 der Kollegin Kathrin Senger-Schäfer auf: Ist es zutreffend, dass sich die Regierungskommission zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens - wie von der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Annette Widmann-Mauz, auf dem DAK-Pflegetag am 18. März 2010 angekündigt - auch mit Fragen der zukünftigen Ausgestaltung der sozialen Pflegeversicherung befasst, und, wenn ja, welchen inhaltlichen Umfang hat diese weiterreichende thematische Ausrichtung der Kommission? Bitte, Herr Staatssekretär.

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Gefragt war danach, ob sich die Regierungskommission, die in der letzten Woche zum ersten Mal getagt hat, auch mit den Fragen der Ausgestaltung der sozialen Pflegeversicherung befassen wird. In der Frage wird dabei auf Äußerungen meiner Kollegin, der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz, bei einer Veranstaltung am 18. März Bezug genommen. Ich darf nur sagen: Diese Wiedergabe der Äußerungen von Frau Widmann-Mauz ist nicht zutreffend. Die in der Frage formulierte Vermutung ist von der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz nicht geäußert worden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Nachfrage.

Kathrin Senger-Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004154, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Zur Konkretisierung: Wird sich demnach die Bundesregierung nicht in einer weiteren Kommission eigens mit der dem Koalitionsvertrag zu entnehmenden Neuausrichtung des solidarischen Pflegeversicherungssatzes befassen? Habe ich das richtig verstanden?

Daniel Bahr (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003495

Nein, Frau Kollegin Senger-Schäfer, das haben Sie insofern nicht korrekt verstanden, als der Unterschied darin besteht, dass wir im Bereich der Gesundheitspolitik eine Regierungskommission zur nachhaltigen Finanzierung im Gesundheitswesen einsetzen - so sieht es der Koalitionsvertrag vor -, während wir für den Bereich der Pflege vorsehen, die Pflegeversicherung vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung zukunftsfest und nachhaltig zu stabilisieren und dafür eine interministerielle Arbeitsgruppe einzusetzen. Es ist der Plan der Regierung, dass diese interministerielle Arbeitsgruppe im zweiten Halbjahr dieses Jahres eingesetzt wird. Diese interministerielle Arbeitsgruppe wird sich dann mit den Finanzfragen der sozialen Pflegeversicherung ausreichend beschäftigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie eine zweite Nachfrage? - Keine. Dann danke ich dem Herrn Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter auf: Inwieweit trifft es zu, dass gemäß der Anfang Februar 2010 veröffentlichten Ausschreibung „Begleitung/Beratung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({0}) bei der Vergabe von vier ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau“ das im Rahmen dieses Verfahrens ausgewählte Beratungsunternehmen - bzw. einzelne Mitglieder eines Beratungskonsortiums - bei anderen als den vom ausgeschriebenen Auftrag abgedeckten Projekten auch für Unternehmen - gegebenenfalls als Mitglieder von Konsortien arbeiten darf, welche als Bieter - gegebenenfalls in Konsortien - bei den A-Modell-Projekten beteiligt sind? Angesichts der komplizierten Fragestellung hoffe ich sehr, Herr Staatssekretär und Herr Abgeordneter, dass Ihre Antworten und Zusatzfragen mir ermöglichen, den tieferen Sinn dessen, wonach hier gefragt ist, noch zu ergründen. - Bitte, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Präsidentin, ich lade Sie gerne in den Verkehrsausschuss ein, damit Ihnen dieses Vokabular vertraut wird. Ich bemühe mich aber, für die Kolleginnen und Kollegen, die nicht im zuständigen Ausschuss sitzen, die Frage verständlich zu beantworten. Herr Kollege Hofreiter, das im Rahmen der Anfang Februar 2010 veröffentlichten Ausschreibung „Begleitung/Beratung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei der Vergabe von vier ÖPPProjekten im Bundesfernstraßenbau“ auszuwählende Beratungskonsortium darf zeitgleich für Unternehmen arbeiten, die als Bieter bei ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau beteiligt sind, sofern es sich dabei nicht um die in oben genannter Ausschreibung abgedeckten vier Projekte handelt. Vergaberechtliche Bedenken bestehen nicht. Jeder einzelne Berater muss im Falle der Beauftragung durch das BMVBS eine Erklärung über die Verpflichtung im Sinne von § 1 des Verpflichtungsgesetzes unterzeichnen. Die Berater sind insofern zur Geheimhaltung der im Zusammenhang mit diesem Auftrag erlangten Informationen im Sinne von § 353 b Abs. 2 Nr. 2 StGB verpflichtet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke schön. - Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die Bundesregierung geht also nicht davon aus, dass es sich um einen Interessenkonflikt handelt, wenn ein Mitarbeiter des Beratungsunternehmens oder des Beratungskonsortiums für eine Firma tätig ist, die auch Aufträge im Rahmen eines anderen PPP-Projektes annimmt - ich nenne zum Beispiel den Ausbau der A8 zwischen München und Augsburg -, und wenn er gleichzeitig die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für den Bund durchführt, ob PPP sinnvoll ist oder nicht sinnvoll ist. Habe ich es richtig verstanden, dass die Bundesregierung da keinen Interessenkonflikt sieht?

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Wir gehen davon aus und sind fest davon überzeugt, dass sich die Berater, die sich vorher verpflichtet haben, an diese Verpflichtung halten. Somit ist der Sachverhalt so, wie ich ihn in der Antwort dargestellt habe. Ja.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das bedeutet also, dass die Bundesregierung abstreitet, dass es für einen Berater sinnvoll sein kann, im PPPGeschäft für eine Firma tätig zu sein, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen - um die handelt es sich letztendlich - durchführt und die darüber entscheidet, ob die Bundesrepublik ein Verkehrsinfrastrukturobjekt - zum Beispiel eine Autobahn - mithilfe von PPP oder klassisch-öffentlich ausbaut. Es geht meistens um sehr viel Geld. Die Projekte haben einen Umfang zwischen 500 Millionen und über 1 Milliarde Euro. Trifft es also zu, dass die Bundesregierung bestreitet, dass es einen Interessenkonflikt gibt, wenn ein Berater die Bundesregierung in die Richtung berät, dass die Unternehmen, für die er sonst tätig ist, einen Vorteil haben? Die Unternehmen haben doch ein ganz großes Interesse, dass die Autobahnen in Form von PPP-Projekten ausgebaut werden und nicht klassisch. Diese Meinung haben die Unternehmen auch geäußert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege Hofreiter, Sie lassen in Ihrer Frage die Trennung von Ausschreibung und Beratertätigkeiten vermissen. Ich denke, dass ich in meiner Antwort unmissverständlich klargestellt habe, dass das unabhängig von den in der Ausschreibung abgedeckten Projekten ist und dass es eine Verpflichtung für die Berater gibt, diese Trennung bei ihrer Arbeit sehr sorgfältig zu beachten und umzusetzen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 8 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter: Inwieweit trifft es insofern zu, dass ein im Rahmen dieses Ausschreibungsverfahrens ausgewähltes Beratungsunternehmen beispielsweise bei kommunalen PPP-Projekten ein Bauunternehmen beraten darf, welches als Bieter - gegebenenfalls im Rahmen eines Konsortiums - an den Ausschreibungsverfahren für die A-Modell-Projekte teilnimmt? Bitte, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Diese Frage zu demselben Themenkomplex beantworte ich wie folgt: Berät ein Beratungskonsortium ein Bauunternehmen im Rahmen kommunaler ÖPP-Projekte, so schließt das eine Beauftragung im Rahmen der Anfang Februar veröffentlichten Ausschreibung nicht aus. Eine Beauftragung scheitert seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auch dann nicht, wenn das Bauunternehmen zeitgleich als Bieter - gegebenenfalls im Rahmen eines Konsortiums - an ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau beteiligt ist, sofern ein Interessenkonflikt ausgeschlossen werden kann, das heißt in diesem Falle, sofern ausgeschlossen ist, dass der Berater im Rahmen eines ÖPP-Projekts zeitgleich sowohl aufseiten der öffentlichen Hand als auch aufseiten der Privaten tätig wird.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Erst einmal vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die doch sehr eindeutigen Antworten. - Das heißt, die Bundesregierung geht davon aus, dass ein Berater gewissermaßen in schizophrener Art in der Lage ist, zwischen dem zu trennen, was er für das Bauunternehmen macht, und dem, was er für die Bundesregierung macht, und dies klar und sauber auseinanderzuhalten. Da solche Dinge zum Beispiel schon bei Banken scheitern, wenn es sich um unterschiedliche Abteilungen handelt - denken Sie an sogenannte Chinese Walls usw. -, wie wollen Sie dann in der Praxis sicherstellen, dass eine solche Trennung im Kopf der Leute stattfindet? ({0})

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Ihre Bemerkung nehme ich gerne auf, Herr Kollege Hofreiter. Über die psychischen Einschätzungen, die Sie in der Frage unterstellen, will ich mir jetzt kein Urteil erlauben. Danke für das Lob an das Haus, dass wir so eindeutig antworten. Wir machen das sehr gerne. Vom Inhalt her ist völlig klar, dass es um zwei verschiedene Mandate geht und dass die Berater dies trennen können. Dazu haben sie sich verpflichtet. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn die Berater angeblich so unabhängig agieren, dann können wir sicher davon ausgehen, dass wir im Verkehrsausschuss über die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zumindest nach Abschluss der Projekte - die ersten sind bereits im Bau - transparent diskutieren können. Wie steht die Bundesregierung dazu? Es geht also nicht um zukünftige Projekte, sondern darum, dass wir als Parlament die Projekte, die in der Vergangenheit stattgefunden haben und bei denen auch diese Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erstellt wurden, evaluieren und überprüfen können und darüber im Verkehrsausschuss in transparenter Weise diskutieren können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Andreas Scheuer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, die Bundesregierung ist immer um Transparenz bemüht. In diesem Sinne haben wir schon öfter im zuständigen Fachausschuss Ihre Anliegen aufgenommen. Ich habe Ihnen zugesagt, dass wir im Ausschuss eine separate Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten führen werden. Wir haben aber auch bestätigt, dass all das, was in die vertraglichen Ausgestaltungen hineingreift, natürlich nicht Gegenstand der Diskussion sein kann. Wir haben darüber intensive Diskussionen im Fachausschuss geführt; Sie erinnern sich sicher an die letzten Sitzungen. Wir können und müssen aber generell über die Wirtschaftlichkeit dieser für den Verkehrsbereich wichtigen ÖPP-Projekte diskutieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Vorerst herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir bleiben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen 9 bis 13 steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Lisa Paus auf: Bei welchen Aufträgen der Bundesregierung, nachgeordneter Behörden oder der von ihr beherrschten Unternehmen an die Bilfinger Berger AG seit dem Jahr 2000 sind der Bundesregierung Verdachtsfälle von Materialunterschlagungen, Manipulationen an der Bauausführung, überhöhten Abrechnungen oder korruptiven Praktiken bekannt geworden ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Präsidentin, die Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung bzw. das nachgeordnete EisenbahnBundesamt erteilen keine Aufträge im Eisenbahnbau. Vorhabenträger für Investitionen in die Bundesschienenwege ist die Deutsche Bahn AG. Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Eisenbahn-Bundesamt ist kein Verdachtsfall auf Korruption der Firma Bilfinger Berger AG vom Jahr 2000 bis heute bekannt. Die Deutsche Bahn AG kann in der Kürze der Zeit weder bestätigen noch ausschließen, dass ihr ein entsprechendes Vorkommnis bekannt ist.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Bilfinger Berger ist nicht nur im Eisenbahnbau tätig. Die Bundesregierung ist zum Beispiel am Bau des Berliner Flughafens Schönefeld beteiligt. Wenn ich richtig informiert bin - zumindest stand dies so in der Wirtschaftswoche -, ist im Rahmen des Bahnanschlusses und des Gesamtkomplexes Flughafen sehr wohl ein Auftrag an Bilfinger Berger erteilt worden. Von daher frage ich Sie: Haben Sie die Vorkommnisse, die - wie wir inzwischen leider feststellen mussten - keine Einzelfälle sind, sondern gehäuft aufgetreten sind, zum Anlass genommen, um laufende und auch kürzlich abgeschlossene Bauarbeiten, an denen die Bundesregierung beteiligt ist und die sich nicht nur auf den Eisenbahnbereich bezieLisa Paus hen, zu überprüfen? Sind Sie daraufhin auf neue Erkenntnisse gestoßen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Geschätzte Kollegin, zunächst muss ich Sie etwas korrigieren. Natürlich ist die Bilfinger Berger AG auch im Bahnbau und im Tunnelbau für Eisenbahnunternehmen tätig. Die Fälle, in denen eine Beteiligung vorliegt, werden von der Deutschen Bahn AG überprüft. Das hat bisher zu keinen negativen Erkenntnissen geführt. Im Übrigen baut die Bilfinger Berger AG unter anderem an U-Bahn-Schächten mit. Auch hier sind uns bis dato keine negativen Fälle bekannt geworden, sodass ich - nach unserem Kenntnisstand - ein Fehlverhalten ausschließen kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie keine weiteren Überprüfungen vorgenommen haben, obwohl die Bundesregierung selbst betroffen ist? Es liegt doch nahe, dass es nicht nur Einzelfälle in Düsseldorf, Köln, Nürnberg und München gegeben hat, sondern dass es eventuell auch bei anderen Bauprojekten, die von der Bilfinger Berger AG durchgeführt worden sind, Materialunterschlagungen, Manipulationen an der Bauausführung und überhöhte Abrechnungen gegeben haben kann. Ist es richtig, dass Sie keine eigenen Überprüfungen veranlasst haben?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Derzeit führen diese Überprüfungen diejenigen durch, die das Bauvorhaben als Bauherr begleitet haben. Wir finanzieren lediglich diese Vorhaben zum großen Teil, sind also nicht direkt an der Bauausführung bzw. an der Kontrolle beteiligt. Wir haben aber diejenigen, die am Bau beteiligt waren, gebeten, uns zu berichten, ob es Verfehlungen gegeben hat. Bisher ist uns nichts bekannt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Fragen 10 und 11 der Kollegin Dorothée Menzner werden schriftlich beantwortet. Diese befassen sich, ebenso wie die jetzt folgenden Fragen 12 und Frage 13 der Kollegin Sabine Stüber, mit Auflagen und Sicherheitsbestimmungen für deutsche Häfen, mit der Abwicklung von Transporten von plutoniumhaltigen Mischoxidbzw. von Uran-Brennelementen. Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Sabine Stüber auf: Welche Auflagen bezüglich des Durchlaufens einer Kalthantierung im Rahmen von Transporten von MischoxidBrennelementen bzw. Uran-Brennelementen gibt es für die einzelnen deutschen Häfen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Danke schön, Frau Präsidentin. - Die Frage beantworte ich wie folgt: Auflagen bezüglich der Durchführung von Kalthandhabung für Häfen gibt es nicht. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Transporte von Kernbrennstoffen wird geprüft, ob der Transport in Übereinstimmung mit den einschlägigen Regeln des Gefahrgutrechts und des Atomrechts durchgeführt werden kann. Diese Prüfungen können auch die Durchführung einer Kalthandhabung beinhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. - Sie verzichten auf die Nachfrage. Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Sabine Stüber auf: Welche deutschen Häfen haben bereits eine Kalthantierung mit Mischoxid- bzw. Uran-Brennelementen durchlaufen?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich gebe folgende Antwort: In Cuxhaven wurde die Abwicklung eines Transports mit Mischoxid-Brennelementen geprüft. In Bremerhaven wurden solche Transporte bereits mehrfach durchgeführt. Transporte mit Uran-Brennelementen werden in verschiedenen deutschen Häfen regelmäßig umgeschlagen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sabine Stüber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004171, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Bitte spezifizieren Sie, welche verschiedenen deutschen Häfen das sind.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das kann ich so nicht spezifizieren. Ich muss die Frage schriftlich beantworten, weil das nicht in der Kompetenz des BMVBS liegt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie noch eine zweite Nachfrage? - Nein. Ich gehe davon aus, dass die entsprechenden Informationen Sie erreichen werden. Die Frage 14 der Kollegin Bärbel Höhn wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zu den Fragen 15 bis 22, welche sich mit Kriterien für die Besetzung der dem Bund zustehenden Sitze im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG befassen. Die Fragen 15 und 16 des Kollegen Thomas Lutze werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Ingrid Remmers auf: Wie viele Frauen waren bislang Aufsichtsräte der Kapitalseite seit Gründung der Deutschen Bahn AG Anfang 1994, und hat die Bundesregierung für den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG die Möglichkeit einer Frauenquote in Erwägung gezogen, wie sie jüngst in Frankreich allgemein für Verwaltungsräte und jüngst im Fall des Telekom-Aufsichtsrates beschlossen wurde, oder besteht zumindest ein Frauenförderplan? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Dazu gebe ich folgende Antwort: Bislang gab es eine weibliche Mandatsträgerin aufseiten der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG. Die Besetzung der Aufsichtsräte ist im Bundesgremienbesetzungsgesetz geregelt. Darüber hinausgehende Regelungen für die Deutsche Bahn AG bestehen nicht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Ferlemann, ich hätte gerne einmal gewusst, ob es generell Überlegungen in der Bundesregierung gibt, Frauen in dieses Amt zu berufen, für diese Aufgabe auszuwählen. Oder gibt es dahin gehend überhaupt keine Vorschläge und Überlegungen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Es gibt immer die Überlegung, fachlich hochqualifizierte Frauen in Führungsgremien und Aufsichtsräte zu berufen. In diesem Fall haben wir eine entsprechende Kandidatin nicht vorgesehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage. - Sie verzichten. Jetzt stellt die Kollegin Sabine Leidig eine Zusatzfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte Ihnen die Frage stellen, ob Ihnen bewusst ist, dass die Deutsche Bahn im Nahverkehr überwiegend und im Fernverkehr etwa zur Hälfte von Frauen genutzt wird. Ich möchte ferner fragen, wie Sie sicherstellen wollen, dass die Interessen von weiblichen Bahnnutzern auch im höchsten Aufsichtsgremium der Bahn repräsentiert werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich freue mich außerordentlich über die Zahlenangaben, auch wenn ich sie so nicht bestätigen kann. Wenn es so sein sollte, dass überwiegend Frauen mit der Bahn fahren, begrüße ich das außerordentlich. Wir freuen uns über jeden Fahrgast, ob männlich oder weiblich, der das Eisenbahnsystem nutzt, weil das der Strategie der Bundesregierung entgegenkommt, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Interessen von Frauen werden in den Aufsichtsgremien der Bahn sehr gut vertreten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vertreter im Aufsichtsgremium männlich oder weiblich sind. Wichtig ist, dass die Interessen der Frauen bei der Beurteilung der Aufgaben deutlich gesehen werden, und das kann ich garantieren. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Enkelmann das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Könnte Norwegen möglicherweise ein Vorbild für die Bundesrepublik sein? Immerhin ist dort vorgesehen, dass mindestens 40 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen Frauen sein müssen.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Geschätzte Frau Kollegin, das entspricht nicht ganz dem Aufgabenfeld des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Gleichwohl will ich die Frage gerne beantworten: Ich finde das prima. Je mehr Frauen in Leitungspositionen sind, umso besser ist das wenn sie die fachliche Qualifikation dazu und den entsprechenden beruflichen Hintergrund haben. Danach haben wir die Kandidatinnen und Kandidaten jeweils ausgesucht. Natürlich kann man sehen, wie im europäischen Ausland mit solchen Quotierungen umgegangen wird. Ich halte grundsätzlich nichts von Quoten, von festen Rahmen. Gleichwohl bin ich ein Vertreter derjenigen, die sehr dafür sind, auch Frauen in Führungspositionen zu berufen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ausnahmsweise gibt es jetzt noch die Möglichkeit zur zweiten Nachfrage, auf die Sie vorhin verzichtet haben, Kollegin Remmers. Das ist dann die letzte zur Frage 17.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich danke dafür, Frau Präsidentin. - Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, Kollege Ferlemann, lag zur Besetzung des Aufsichtsrats nicht eine einzige weibliche Bewerbung vor.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Man kann sich bei uns nicht einfach so bewerben - nach dem Motto: Ich schicke einmal eine Bewerbungsmappe hin und kann dann berufen werden -, sondern es wird gezielt nach Personen gesucht, die aus fachlichen Gründen für diese Gremien infrage kommen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen zur Frage 18 der Kollegin Ingrid Remmers: Vizepräsidentin Petra Pau Aufgrund welcher Erfahrungen hält die Bundesregierung Professor Dr. Dr. h. c. Utz-Hellmuth Felchts Qualifikation für die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden für ausreichend, wenn dieser zwei Wochen vor seiner ins Auge gefassten Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden bekannt gibt, sich im Besitz einer Modelleisenbahn zu befinden, selbst „kein Bahnfachmann“ zu sein und zur aktuell maßgeblichen Frage der möglichen Trennung von Netz und Betrieb „einfach noch keine Linie“ zu haben ({0})? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich gebe folgende Antwort: Mit Utz-Hellmuth Felcht hat die Bundesregierung einen erfahrenen Wirtschaftsfachmann mit exzellenten Referenzen und herausragenden Managementqualitäten für den Aufsichtsrat der DB AG gewonnen. Herr Felcht ist eine Persönlichkeit mit vielfältigen Erfahrungen in großen Industrieunternehmen, sowohl als Aufsichtsrat als auch im operativen wie auch im strategischen Geschäft.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich setze meine Frage in Bezug zur vorherigen Frage. Der Aufsichtsrat ist überwiegend mit Vertretern aus der Wirtschaft besetzt. Sie haben eben festgestellt, dass man sich für diese Aufgabe im Vorstand nicht einfach bewerben kann. Ich ziehe daraus jetzt den Schluss, dass sich in der gesamten deutschen Wirtschaft keine annähernd qualifizierte Frau für diese Aufgabe finden lässt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die rhetorische Frage kann ich so nicht stehen lassen. Wir sind der Überzeugung, dass wir für diese Aufgabe mit Utz-Hellmuth Felcht einen exzellenten Mann haben gewinnen können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine zweite Nachfrage.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir haben festgestellt, dass Herr Felcht nach eigenen Angaben keine näheren Kenntnisse über das neue Betätigungsfeld hat. Sein eigenes Zitat: „Ich bin kein Bahnfachmann.“ Er hat keine eigene Linie zu der Frage, ob bei der Bahn Netz und Betrieb getrennt werden sollen. ({0}) Das heißt, wir haben hier jemanden, der sich mit der Materie, mit der er sich in Zukunft beschäftigen soll, bis jetzt noch nicht beschäftigt hat. Ich muss noch einmal nachhaken. Hat sich bei dieser Anforderung an die Qualifikation für dieses Amt oder für andere Posten im Aufsichtsrat keine Frau gefunden?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Wir haben für diese Position genau diesen Mann gesucht und gefunden ({0}) und haben nicht aktiv nach einer weiblichen Person Ausschau gehalten. Auf Ihre Frage, ob Herr Felcht Erfahrungen im Bahnsektor hat, antworte ich: Er hat sehr wohl Erfahrungen. Uns lag im Wesentlichen daran, dass auch diejenigen, die ein Bahnsystem nutzen, den Aufsichtsgremien angehören. Jemand, der ein großes Chemieunternehmen geführt hat und dort in verschiedenen Bereichen tätig war, ist ein großer Nutzer von Bahninfrastruktur und Bahnbetrieben. Daher liegen bei Herrn Felcht schon naturgegeben große Erfahrungswerte vor. Deswegen ist gerade er für die Position prädestiniert. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich habe den Wunsch nach zwei Nachfragen gesehen, nämlich von der Kollegin Leidig und von der Kollegin Menzner. Danach gehen wir zur nächsten Frage über. Bitte, Kollegin Leidig.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie sprachen gerade von der Eigenschaft des Herrn Felcht als Nutzer der Bahn, indem er in seiner Verantwortung für einen großen Chemiebetrieb Güter von der Bahn transportieren ließ. Sehen Sie auch die Eigenschaft des Herrn Felcht als Mitglied des Direktoriums eines der größten Baustoffkonzerne der Welt, nämlich des CRH, welches auch im Tiefbau tätig ist? Sehen Sie darin eine besondere Qualifikation, weil möglicherweise Geschäftsbeziehungen zur Deutschen Bahn AG geknüpft werden können?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Es geht nicht um die Eigenschaften von Herrn Felcht als Person, sondern natürlich als jemandem, der einem Unternehmen vorgestanden hat. Aus dieser Beziehung heraus gewinnt natürlich jemand, der solche Managementfunktionen wahrgenommen hat, die notwendige Erfahrung im Umgang auch mit der Eisenbahninfrastruktur und mit dem Unternehmen Eisenbahn. Die Frage, ob hier Befangenheit oder Ähnliches vorliegt, kann ich eindeutig verneinen. Im Übrigen ist es so, dass jedes Mitglied in einem Aufsichtsrat zu Beginn seiner Tätigkeit eine Erklärung nach dem Public Corporate Governance Kodex zu unterschreiben hat. Damit sind solche Verdächtigungen, wie Sie sie angedeutet haben, von vornherein haltlos.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zur Frage 18 stellt die Kollegin Dorothée Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, laut Aktiengesetz hat der Aufsichtsrat die Pflicht, die Interessen des Eigentümers zu vertreten. Im Fall der DB AG ist die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland der Eigentümer. Wir als Parlament bzw. die Regierung sind ihre Vertreter. Sie haben eben ausgeführt, dass Sie es für ein lässliches Problem halten, wenn dort eine große Eigentümergruppe, zum Beispiel Frauen, nicht vertreten sind. Wie gewährleisten Sie in der Gesamtheit des Aufsichtsrates, dass die Interessen der Eigentümer, sprich der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten werden, wenn doch nach so strengen Kriterien, wie Sie sie eben ausgeführt haben, ausgewählt wird?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wir halten die Auswahl des Aufsichtsrates für exzellent und glauben, dass wir hervorragende Fachleute gefunden haben. Wir gehen davon aus, dass die Interessen der Eigentümer, in diesem Fall vertreten durch die Bundesregierung, natürlich mit kontrolliert durch den Deutschen Bundestag, stellvertretend für die Gesamtbevölkerung, ausreichend und gut vertreten werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Sabine Leidig auf: Wie kann die Bundesregierung glaubhaft vermitteln, dass Professor Dr. Dr. h. c. Utz-Hellmuth Felcht als Aufsichtsratsvorsitzender der DB AG das öffentliche Interesse vertritt und nicht in Interessenkonflikte gerät mit seiner Funktion als Managing Director der Investmentgesellschaft One Equity Partners, OEP, die die Unternehmen Travelport, Travel Acquisitions Group und Carlson Wagonlit Travel kontrolliert, die maßgeblichen Einfluss im weltweiten Management von Geschäftsreisen haben, oder mit seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Süd-Chemie, eines Unternehmens mit großem Schienengüterverkehrsaufkommen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Die Frage 19 beantworte ich wie folgt: Die Besetzung der Aufsichtsräte ist im Bundesgremienbesetzungsgesetz geregelt. Alle Mandatsträger müssen nach dem Public Corporate Governance Kodex das Interesse des Bundes angemessen berücksichtigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch einmal nachfragen, ob Ihnen bekannt ist und ob Sie sich mit diesem Problem inhaltlich beschäftigt haben, dass Herr Felcht nicht nur in den Aufsichtsräten großer Bau- und Chemieunternehmen sitzt, sondern zugleich Managing Director eines Unternehmens namens OEP ist, welches Reiseunternehmen kontrolliert und einer der größten Organisatoren von Management-/Geschäftsreisen ist. Meine Frage lautet also: Sind Sie sich darüber im Klaren und halten Sie es für realistisch, dass ein einzelner Mensch in der Lage ist, in mindestens vier bis fünf Aufsichtsräten großer Konzerne zu sitzen und zugleich eine gute Aufsichtsratsarbeit bei der Deutschen Bahn AG zu leisten?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Präsidentin, ich habe jetzt ein Problem, weil ein Teil der Nachfrage die nächste Frage ist. Den entsprechenden Teil möchte ich gern nach dem Aufruf der nächsten Frage beantworten, sodass ich jetzt, wenn Sie einverstanden sind, nur den Teil beantworte, der sozusagen neu gefragt worden ist. Es geht um die Frage, ob man gute Arbeit leisten kann, wenn man in vier bis fünf Aufsichtsräten sitzt oder anders wirtschaftlich tätig ist. Klare Antwort: Ja, das kann man. Es ist sogar von Nutzen, wenn man über Erfahrungen aus verschiedenen Branchenunternehmen verfügt, um den Aufsichtsratsvorsitz in einem solch großen Konzern, wie es die DB AG nun einmal ist, wahrzunehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie noch eine zweite Nachfrage? ({0}) Die Kollegin Remmers hat eine Nachfrage.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Ferlemann, ich streite ja nicht ab, dass es durchaus von Nutzen ist, wenn man vorher Erfahrung in Aufsichtsräten gesammelt hat. Hat die Bundesregierung jemals darüber nachgedacht, dass aber spätestens zum Zeitpunkt der Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes in einem großen öffentlichen Unternehmen - das ist keine Aufgabe, die man nebenher erledigt - andere Aufgaben niedergelegt werden sollten, damit man sich voll und ganz auf diese Aufgabe konzentrieren kann und damit Interessenkonflikte, die möglicherweise entstehen könnten - das bezieht sich auf die nächste Frage -, vermieden werden?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Bundesregierung hat bei jeder Besetzung sehr intensiv und gut nachgedacht und ist zu einem klugen Ergebnis gekommen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Sabine Leidig: Warum besetzt die Bundesregierung weiterhin sechs von zehn dem Eigentümer zustehenden Sitzen des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG mit Vertretern aus der Wirtschaft, bei denen eigene wirtschaftliche Interessen dem öffentlichen Auftrag zuwiderlaufen könnten, und warum werden weder unabhängige Eisenbahnexperten noch Vertreter von Fahrgast-, Umwelt- und Sozialverbänden benannt, um das öffentliche Interesse zu wahren? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Auf diese Frage gebe ich folgende Antwort: Herr Felcht ist aus Sicht der Bundesregierung ein ausgewiesener Experte mit hoher fachlicher Kompetenz. Die Bundesregierung geht von der Unabhängigkeit von Herrn Felcht aus. Die Möglichkeit von Interessenkonflikten ist in jedem Einzelfall vom Aufsichtsratsmitglied selbst zu prüfen und anzuzeigen. Sollte bei einer Aufsichtsratsentscheidung eine Interessenkollision auftreten, so hat der Mandatsträger die Pflicht, darauf hinzuweisen, und darf bei der Entscheidung nicht mitwirken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine erste Nachfrage nimmt den Teil der gestellten Frage auf, den Sie bis jetzt nicht beantwortet haben. Ich frage, warum in den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn weder Eisenbahnexperten noch Vertreter von Fahrgastverbänden, Umweltverbänden oder Sozialverbänden berufen werden, die das öffentliche Interesse, zu dessen Wahrung die Bahn verpflichtet ist, wahrnehmen könnten, und warum sich die Bundesregierung stattdessen darauf konzentriert, zusätzlich zu den Vertretern aus den eigenen Reihen ausschließlich Vertreter von Unternehmen in den Bahnaufsichtsrat zu berufen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Noch einmal: Wir halten die Besetzung für exzellent und freuen uns, dass wir diejenigen Personen gewinnen konnten, die wir vorgeschlagen haben. Dass es sich um Vertreter von Wirtschaftsunternehmen handelt, spielt für uns eine große Rolle, weil gerade die Industrieunternehmen, die Wirtschaftsunternehmen diejenigen sind, die im Rahmen von Güterverkehr und Logistik die Bahn nutzen, also große Kunden sind und wissen, welche Probleme das Eisenbahnsystem insgesamt, sei es Betrieb oder Infrastruktur, hat. Gerade das qualifiziert diejenigen, die wir dafür ausgesucht haben. Wir haben uns deshalb nicht für Vertreter von Fahrgastverbänden und anderen Verbänden entschieden, weil wir diesen Schwerpunkt ganz bewusst setzen wollten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Feststellung, dass der Kollege von der SPD, der vorhin eine Aktuelle Stunde beantragt hat, damit die von uns eigentlich vorgesehene Aktuelle Stunde zu diesem Thema verhindert hat. Meine Frage lautet, welche Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG eigentlich von SPDVerkehrsminister Tiefensee berufen worden sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Zur Frage, warum wer wie eine Aktuelle Stunde beantragt, kann ich aus Sicht der Bundesregierung natürlich nicht Stellung nehmen; das ist das vornehmste Recht des Parlaments. Gleichwohl mache ich aus meiner persönlichen Einstellung keinen Hehl. Ich glaube, dass eine solche Aktuelle Stunde nur dazu genutzt werden sollte, Menschen, die sich für eine Aufgabe in einem großen internationalen Unternehmen zur Verfügung gestellt haben, zu diskreditieren. Ich bedaure es ausdrücklich, dass die Fraktion Die Linke so etwas vorhatte. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Nachfrage hat die Kollege Dorothée Menzner das Wort. ({0}) - Die Bundesregierung entscheidet, was sie antwortet, und dann können Sie das bewerten. Aber Sie können jetzt nicht diese Debatte weiterführen. - Bitte, Kollegin Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben ausgeführt, wieso die Bundesregierung ausdrücklich und bewusst Vertreter großer Industrieunternehmen in den Aufsichtsrat berufen hat: weil der Güterverkehr - das ist unstrittig - einen großen Anteil der Tätigkeiten der DB AG ausmacht. Wie wollen Sie als Bundesregierung aber dem Verdacht entgegentreten, dass ein zweites großes und im öffentlichen Interesse liegendes Nutzungssegment der Bahn nicht vertreten wird, nämlich der private Personennahund -fernverkehr? Dazu haben Sie nichts gesagt. Ich hätte darauf gerne eine Antwort von Ihnen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Frau Kollegin, da Sie schon lange Mitglied des Verkehrsausschusses sind, ging ich eigentlich bis heute davon aus, dass Sie wissen, dass die Kompetenz für den regionalen Personennahverkehr mit dem Regionalisierungsgesetz in die Hände der Länder gegeben worden ist; das ist schon seit der Bahnreform 1994 der Fall. Insofern bin ich etwas erstaunt, dass Sie nicht über diese Kenntnisse verfügen. Ich erläutere Ihnen das. Hierfür sind die Länder zuständig, die als Besteller Unternehmen beauftragen, die den Personennahverkehr durchführen. Die Bundesregierung hat darauf keinen Einfluss, die DB AG letztlich nur als Anbieter von Verkehrsleistungen. Hier muss sie sich in Form einer Ausschreibung einem Wettbewerb stellen. Dann wird entschieden, welches Unternehmen die Ausschreibung gewinnt. Dieses Unternehmen führt dann den Verkehr durch. Darauf haben wir, wie gesagt, keinen Einfluss. Deswegen macht es auch keinen Sinn, dass ein Vertreter dieses Segments einen Sitz im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Wolfgang Gehrcke das Wort.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus einen einzigen Fakt mitteilen, der Sie zu der Mutmaßung berechtigt, dass die Linke mit einer Aktuellen Stunde irgendwelche Personen diskreditieren möchte? Ein einziger Fakt würde mir ausreichen. Ansonsten ist das eine unbewiesene und nicht statthafte Behauptung.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herr Kollege, ich habe die Fragen, aufgrund derer die Aktuelle Stunde beantragt wurde und durchgeführt werden sollte, bekommen. Wenn man die Fragestellungen liest, stellt man fest: Es geht nur darum, Konflikte um Personen und Gründe zu konstruieren, warum bestimmte Personen nicht in ein bestimmtes Gremium berufen werden sollten. Das halte ich schon für ziemlich diskreditierend. Wenn das in Form einer Aktuellen Stunde geschieht, wird das nicht weniger, sondern eher mehr, weil die Debattenbeiträge in einer Aktuellen Stunde wesentlich länger sind. Das hat mich zu dieser persönlichen Einschätzung gebracht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zur Frage 20 stellt die Kollegin Remmers.

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, ich möchte an dieser Stelle zunächst einmal vorwegschicken, dass ich keinesfalls das Ziel verfolge, hier irgendwelche Personen zu diskreditieren. Wenn jemand wie Herr Felcht in so vielen Aufsichtsräten wirklich namhafter und großer Unternehmen sitzt, bei deren Entscheidungen es um sehr viel Geld geht, müssen Sie sich aber die Nachfrage gefallen lassen, ob es hier nicht zu Interessenkonflikten kommen kann. Daran schließt sich meine Frage an: Ist irgendwann einmal eine Form von Kontrolle vorgesehen worden? Wir alle wissen: Das sind Menschen, und hier geht es, wie gesagt, um viel Geld. Da ist die Frage zu klären: Wie kann man vermeiden, dass es zu Interessenkonflikten kommt? Es geht nicht darum, irgendjemanden zu diskreditieren.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bevor Sie antworten, Herr Staatssekretär, sei mir ein Hinweis gestattet, den ich im Verlauf dieser Fragestunde schon zweimal gegeben habe. Da aber nicht alle Kolleginnen und Kollegen schon anwesend waren, wiederhole ich: Die Fragestunde zeichnet sich dadurch aus, dass Fragen gestellt werden, die eine übersichtliche Satzlänge haben und die es den antwortenden Mitgliedern der Bundesregierung wiederum ermöglichen, die Frage in angemessener Zeit zu beantworten. Ein noch angenehmerer Effekt einer solchen Verfahrensweise ist, dass möglichst viele der gestellten Fragen im Rahmen der Fragestunde bearbeitet werden können und entsprechende Nachfragen gestellt werden können. Danke. Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Ich will noch eine Antwort nachliefern, weil ich vorhin hörte, dass ein Teil nicht beantwortet war; das betraf die Frage der Kollegin Leidig danach, ob bestimmte Personen schon früher - von dem Vorgänger des heutigen Bundesverkehrsministers Dr. Ramsauer - berufen worden sind. Ja, das ist der Fall; das sind all diejenigen, die von der Kapitalseite wieder berufen worden sind. Zu der Frage der Kollegin Remmers. Frau Kollegin Remmers, ich bin sehr dankbar, dass Sie niemanden diskreditieren wollen; das begrüße ich außerordentlich. Natürlich machen wir uns Gedanken darüber, wen wir wann warum wo wie berufen. Gerade deshalb, weil wir Personen gesucht haben, die über einen großen, breiten Erfahrungsschatz auf der Nutzerseite, in der Wirtschaft, insbesondere im Bereich Güterverkehr und Logistik, verfügen, haben wir diese Personalentscheidung so gefällt. Das Gegenteil ist also der Fall: Je mehr Erfahrung, je mehr Wissen da ist, umso besser ist es für die Aufsichtsgremien auch bei der Deutschen Bahn AG. Gerade das zeichnet ja Herrn Felcht besonders aus. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Herbert Behrens auf: Warum ist Dr. Jürgen Großmann für den Bund im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, und besteht nicht vielmehr ein Interessenkonflikt mit seiner Funktion als Alleineigentümer der Georgsmarienhütte, zu der mindestens fünf Unternehmen zählen, die Zulieferer oder Dienstleister für die Deutsche Vizepräsidentin Petra Pau Bahn AG sind, zu denen auch zwei Hersteller respektive Lieferanten von Rädern und Radsatzwellen - Bochumer Verein Verkehrstechnik GmbH und Radsatzfabrik Ilsenburg GmbH gehören? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich gebe folgende Antwort: Herr Großmann ist aus Sicht der Bundesregierung ein ausgewiesener Experte mit hoher fachlicher Kompetenz. Die Bundesregierung geht von der Unabhängigkeit von Herrn Großmann aus. Die Möglichkeit von Interessenkonflikten ist in jedem Einzelfall vom Aufsichtsratsmitglied selbst zu prüfen und anzuzeigen. Sollte bei einer Aufsichtsratsentscheidung eine Interessenkollision auftreten, so hat der Mandatsträger die Pflicht, darauf hinzuweisen, und darf bei der Entscheidung nicht mitwirken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Ferlemann, Sie haben erwähnt, dass die Seite der Nutzer der Bahn eine wichtige Rolle spielt bei der Besetzung des Aufsichtsrates, offenbar auch die der Lieferanten. Ist Ihnen bekannt, dass Herr Dr. Großmann einem Firmenimperium vorsitzt, in dessen Holding die Radsatzlieferanten der Bahn zu finden sind wie auch Firmen, die diese Radsätze überprüfen? Wir haben an Herrn Dr. Großmann selber die Frage gerichtet, wie er sich denn verhalten wird, wenn - das ist ja die Gefahr - in seiner künftigen Aufsichtsratsposition vergleichbare Entscheidungen zu fällen sind. Er sagte, er würde sich dann der Stimme enthalten. Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, in wie vielen Fällen sich Herr Dr. Großmann, der ja schon dem letzten Aufsichtsrat angehörte, bei Entscheidungen der Stimme enthalten hat?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Das ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre zweite Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ist Ihnen die Information bekannt, dass Herr Dr. Großmann für die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden vorgesehen war und möglicherweise aufgrund der eben beschriebenen wirtschaftlichen Zusammenhänge diese Funktion dann doch nicht übertragen bekommen hat?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Bei der Auswahl der Personen ist die Bundesregierung frei und kann sich für die Person entscheiden, die sie berufen will. Da gibt es sicherlich eine Auswahl unter mehreren Personen. Wir haben uns für Herrn Felcht entschieden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Damit kommen wir zur Frage 22 des Kollegen Herbert Behrens: Wie kann die Bundesregierung, die sich zu einer nachhaltigen Energieerzeugung verpflichtet hat und die den Ausstieg aus der Atomenergie gesetzlich vereinbart hat, glaubhaft vermitteln, dass Dr. Jürgen Großmann als Bahnaufsichtsrat nicht in Interessenkonflikte mit seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des RWE-Stromkonzerns kommt, dessen Strommix vor allem auf Atom und Kohle basiert, wie leider auch der der Deutschen Bahn AG? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich beantworte die Frage wie folgt: Wie alle Mandatsträger muss auch Herr Großmann nach dem Public Corporate Governance Kodex das Interesse des Bundes angemessen berücksichtigen. Ich darf auf meine Antwort zu Frage 21, der vorigen Frage, verweisen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ihre erste Nachfrage.

Herbert Behrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004007, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für problematisch, dass Herr Dr. Großmann auch Vorsitzender der RWE AG ist, da die RWE AG unter anderem Stromlieferant ist - maßgeblich auch von Atomstrom - und die Bahn im Betrieb leider noch maßgeblich von Atomstrom abhängig ist? Vorstandsvorsitzender Grube hat gesagt, der Anteil von erneuerbaren Energien ließe sich nur begrenzt erhöhen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, auch den Anteil von erneuerbaren Energien zu erhöhen, oder ist es möglicherweise mit der Person von Dr. Großmann verbunden, dass es diese Entscheidung nicht gibt?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich halte die Berufung von Herrn Großmann nicht für problematisch, sondern begrüße sie im Gegenteil außerordentlich. Ich habe im Grunde auch nichts gegen Strom, der durch die Kernkraftindustrie gewonnen wird. Ich halte das für eine gute und saubere Energieerzeugung und kann deswegen Ihre Frage nicht verstehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. - Sie verzichten. Dann hat die Kollegin Dorothée Menzner das Wort zu einer Nachfrage.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, an dieser Stelle möchte ich dann doch noch einmal einhaken. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bei der DB AG deutlich unterdurchschnittlich ist. Gibt es die Absicht der Bundesregierung - und, wenn ja, welche Initiativen -, den Anteil erneuerbarer Energien bei der DB AG zu erhöhen, oder gibt es sie nicht?

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Danke für die Frage. - Wir wollen den Anteil erneuerbarer Energien am Strommix deutlich erhöhen. Das gilt auch hinsichtlich der Gewinnung des Bahnstroms. Wie Sie wissen, hat die DB AG vor kurzem einen eigenen Windpark erworben, das heißt, sie arbeitet selber daran, den Strommix zu verändern. Wie wir als Bundesregierung die erneuerbaren Energien insgesamt fördern wollen, so wollen wir sie auch hinsichtlich des Bahnstroms fördern. Das sehen wir ausdrücklich vor. Initiativen dazu gibt es eine ganze Reihe. Diese werden wir unter anderem dem Management der DB AG vortragen. Wir werden darum bitten, dass diese Erkenntnisse und Wünsche dort umgesetzt werden. Wir bringen sie aber auch über die Aufsichtsgremien ein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Vogel das Wort.

Volkmar Uwe Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, der neue Aufsichtsratsvorsitzende der DB AG unterstützt das neue Konzept der Bahn zur Unterstützung des Kerngeschäfts, das da heißt: Eisenbahnfahren in allen seinen Facetten. Dies muss - insbesondere mit Blick darauf, dass die Sicherheit weiter an Bedeutung gewinnen muss - mit einer entsprechenden Personalausstattung im Servicebereich und im Wartungsbereich einhergehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich kann das, was Sie sagen, nur bestätigen. Genau das ist der Punkt, warum wir sehr froh darüber sind, dass Herr Felcht bereit ist, diese Funktion zu übernehmen. Das Konzept der Bahn, sich natürlich auf die Kernkompetenz zu konzentrieren, ist das, was wir als Bundesregierung in dieser Legislaturperiode in der Verkehrspolitik besonders nach vorne stellen wollen. Ich weise allerdings auch darauf hin, dass ein zweiter Punkt wichtig ist. Die Bahnverkehre werden heute europaweit organisiert. Deswegen ist es wichtig, dass die DB AG auch in der Lage ist, als großer europäischer Player im Eisenbahnsektor tätig zu sein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zur Frage 22 stellt die Kollegin Leidig.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch einmal auf die Frage zurückkommen, warum die DB AG nicht in vorbildlicher Weise schnell auf Energiegewinnung mittels regenerativer Energien umstellt und sich stattdessen an einem der größten Kohlekraftwerksprojekte, nämlich in Datteln in Nordrhein-Westfalen, beteiligt. Kann es hier eine Verbindung mit den Interessen von Eon geben? Eon ist der mehrheitliche Eigentümer dieses Kohlekraftwerks, an dem sich die DB AG beteiligt, und Christoph DänzerVanotti, Vorstandsmitglied von Eon, ist von dieser Regierung auch in den Aufsichtsrat der DB AG berufen worden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich habe diese Frage schon mehrfach beantwortet: Einen Interessenkonflikt sehe ich nicht. Zum Thema Strommix möchte ich darauf hinweisen, dass diejenigen, die das Bahnsystem nutzen, ein großes Interesse daran haben, dass der Strom möglichst günstig bezogen wird. Daher ist es natürlich Aufgabe des Bahnvorstandes, den Strom für das Bahnsystem möglichst günstig einzukaufen. Naturgemäß muss es einen Energiemix geben, um ein vernünftiges Preisniveau zu erreichen. Denn wir haben ja ein Interesse daran, dass möglichst viele mit der Bahn fahren. Dabei spielt natürlich der Preis, den der Transport kostet, eine gewisse Rolle.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir kommen damit zur Frage 23 der Kollegin Heidrun Bluhm: In welchem Vertragsverhältnis mit der Deutschen Bahn AG befindet sich der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG Hartmut Mehdorn - bitte auch derzeitige Bezüge angeben -, und würde er auch noch in der Zukunft Bonuszahlungen erhalten, wenn es zu einer Teilprivatisierung der DB AG bzw. einer Subholding käme? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Diese Frage beantworte ich wie folgt: Herr Mehdorn befindet sich derzeit in keinem Vertragsverhältnis mit der Deutschen Bahn AG und erhält keine Bezüge. Bei einer Teilprivatisierung der DB AG oder einer Konzerntochter würde er keine Bonuszahlungen erhalten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. - Sie verzichten. Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Heidrun Bluhm auf: Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Bezüge der 20 Aufsichtsräte - je 10 der Kapital- und 10 der Arbeitnehmerseite - der Deutschen Bahn AG ausweislich der Geschäftsberichte 2004, 2005 und 2008 im Jahr 2004 noch 281 000 Euro betrugen, im Jahr 2005 bei 303 000 Euro, 2007 bei 873 000 Euro und 2008 bei 1 003 000 Euro angelangt sind, und ist es richtig, dass diese Verdreifachung der Aufsichtsratsbezüge damit begründet wurde, sie geschehe im Vorgriff auf eine Bahnprivatisierung, vor dem Hintergrund, dass die Bahnprivatisierung im Sommer 2008 abgesagt wurde und auch die gegenwärtige Bundesregierung erklärt, eine Bahnprivatisierung sei „nicht aktuell“? Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Die Frage nach der Höhe der Aufsichtsratsbezüge beantworte ich wie folgt: 2006 wurde eine erfolgsabhängige Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG eingeführt. Die in der Frage genannte Zahl aus dem Jahr 2008 bezieht sich auf den gesamten DB-Konzern. Für die DB AG allein betrug die Höhe der Vergütung 831 000 Euro.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage. Bitte.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Staatssekretär. - Ich habe eine erste Nachfrage. Nach unseren Recherchen sind die Aufsichtsratsbezüge - ob leistungsabhängig oder nicht - in den Jahren von 2004 bis 2008 verdreifacht worden. Das heißt, im Durchschnitt - einzeln aufgeschlüsselt ist das sicherlich anders - erhält ein Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bahn AG circa 45 000 Euro im Jahr. Kann die Bundesregierung erklären, warum das allgemeine Lohn- und Gehaltsniveau der Bahnbeschäftigten im unteren und mittleren Einkommenssegment im Zeitraum von 2005 bis 2008 im Wesentlichen stagnierte, während sich die Aufsichtsratsbezüge fast verdreifachten?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Wenn erfolgsabhängige Vergütungen für Aufsichtsräte eingeführt werden, dann profitieren diese natürlich auch vom Erfolg. Wenn man sich die Bilanzen der Deutschen Bahn AG der letzten Jahre anschaut, dann stellt man fest, dass zum Teil hohe Gewinne ausgewiesen wurden. Diese Bilanzen sind eine Grundlage für den Anstieg der Aufsichtsratsbezüge. Insofern spiegelt der Anstieg der Aufsichtsratsbezüge auch die Erfolgsstory wider, die die Bahn in diesem Bereich geschrieben hat.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe eine zweite Nachfrage: Herr Ferlemann, teilen Sie nicht die Auffassung, dass an diesem Erfolg im Wesentlichen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG beteiligt sind? Glauben Sie nicht, dass der Leistungsanreiz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch weiter ausgeprägt werden könnte, wenn man sie am Unternehmensgewinn beteiligte?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Jedes Unternehmen - so auch die Deutsche Bahn AG kann stolz auf den Fleiß und die gute Aufgabenerfüllung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein. Das gilt insbesondere für dieses manchmal sehr im öffentlichen Fokus stehende Unternehmen. Insofern sind wir sehr dankbar dafür. Wir wissen das auch sehr zu schätzen. Für die Aushandlung von Tarifen sind allerdings nicht wir zuständig, sondern Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, die die Löhne und Gehälter in Verhandlungen festlegen. Das ist eine Frage der Tarifautonomie. Da wird sich die Bundesregierung nicht einmischen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine weitere Nachfrage stellt die Kollegin Dorothée Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben ausgeführt, dass die Aufsichtsratsmitglieder eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten. Ist vorgesehen, dass im Falle von Misserfolg oder schlechten Ergebnissen die Bezüge wieder gekürzt werden? - Ich frage das vor dem Hintergrund, dass wir in den letzten Wochen und Monaten feststellen mussten, dass ein Teil des Erfolges offensichtlich nur ein zahlenmäßiger Erfolg in den Büchern war und auf Kosten von Qualität und Service erzielt wurde.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Letztlich misst sich der Erfolg an den Zahlen. Die Zahlen werden in den Bilanzen vorgelegt. Die Interpretation, wie die Zahlen zustande gekommen sind, kann jede Fraktion für sich selbst vornehmen. Aber letztlich werden sich Vergütungsmaßstäbe immer an den Bilanzen ausrichten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Nachfrage zur Frage 24 stellt die Kollegin Leidig.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sie würden also aufgrund der Zahlen der Ansicht sein, dass die S-Bahn Berlin eine Erfolgsstory ist? Würden Sie auch die Tatsache, dass bei einem großen Teil der ICE-Flotte die Räder und Radsatzwellen ausgetauscht werden müssen und es in einer erheblichen Größenordnung zu Zugausfällen kommt, als Erfolgsstory bezeichnen?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Herr Staatssekretär.

Enak Ferlemann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003525

Ich gebe ehrlich zu, dass mich die Frage ein bisschen verwundert. Ich habe doch deutlich ausgeführt, dass sich der Erfolg an den Bilanzzahlen bemisst, und danach richtet sich auch die Vergütung. Sicherlich gibt es in einem so großen Unternehmen auch Problembereiche, die behoben werden müssen. Dazu gehören insbesondere die beiden Bereiche, die Sie angesprochen haben. Wir drängen mit Hochdruck darauf, dass schnell Lösungen gefunden werden, die diese Probleme aus der Welt schaffen, weil sie in Zukunft auch die Bilanz belasten können. Es ist also gerade das Gegenteil der Fall: Wir wollen zwar insgesamt den Erfolg der DB AG anerkennen, aber es gibt Teilbereiche, in denen die Bundesregierung mit den bisherigen Ergebnissen unzufrieden ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Für die Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Dirk Becker: Welchen rechtlichen Stellenwert misst die Bundesregierung dem Atomkonsens jeweils vor und nach der Novelle zum Atomgesetz im Jahr 2001 zu, und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus jeweils für beide Seiten? Frau Staatssekretärin.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Präsidentin, ich beantworte die Frage des Kollegen Becker wie folgt: Die Bundesregierung hat die Kernenergievereinbarung vom 14. Juni 2000 von Anfang an als eine rechtlich nicht verbindliche politische Vereinbarung im Sinne eines Gentlemen’s Agreement eingestuft. Die Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insbesondere durch eine Änderung des Atomgesetzes, die 2002 in Kraft getreten ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Würden Sie mir aber insofern recht geben, dass der Atomkonsens zumindest eine Art Geschäftsgrundlage für die anschließende Änderung des Atomgesetzes dargestellt hat?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die von Ihnen als Konsens bezeichnete Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen sehen wir - ich glaube, darin haben wir eine grundsätzlich unterschiedliche Auffassung - nicht als rechtlich bindend, sondern als eine politische Abrede.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage?

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Heißt das, dass eine politische Abrede für Sie nicht bindend ist und dass das, was dort in beide Richtungen vereinbart worden ist, eigentlich nichts anderes als ein Goodwillpapier ist, das in beide Richtungen, also auch für die Atomwirtschaft, als nicht besonders bindend gilt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Rechtlich bindend wäre ein Vertrag. Das ist es offensichtlich nicht. Letzten Endes gilt die Gesetzgebung, die auf die damalige rot-grüne Bundesregierung zurückgeht. Insofern ist die Vereinbarung in der Tat kein rechtlich bindendes Konstrukt, sondern eine Abrede zwischen der damaligen Bundesregierung und den EVUs.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Zu einer Nachfrage hat der Kollege Kelber das Wort.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, zur Einschätzung des Rechtsstatus einer Vereinbarung ist nicht Ihre persönliche Vorliebe ausschlaggebend, sondern eine Rechtsüberprüfung. Existiert ein internes oder externes Rechtsgutachten zur Frage des Rechtsstatus dieser Vereinbarung, mit der die Bundesregierung eine Verpflichtung eingegangen ist? Sind Sie bereit, dies dem Deutschen Bundestag zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Von einem solchen Gutachten ist mir nichts bekannt. Sollte uns eines vorliegen, bin ich bereit, es Ihnen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte aber auf etwas anderes hinweisen - es werden sicherlich noch viele unterschiedliche Fragen von den Kolleginnen und Kollegen kommen -: Sie haben immer wieder das Wort „Konsens“ strapaziert. Ich möchte aus der Vereinbarung zitieren, wo ganz klar Folgendes festgehalten ist: Unbeschadet der nach wie vor unterschiedlichen Haltung zur Nutzung der Kernenergie respektieren die EVUs die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen. Das ist sicherlich das Gegenteil von Konsens. Allerdings haben die EVUs zu Recht den Primat der Politik anerkannt; das muss auch so sein. Gleichwohl führt das Wort „Konsens“ in die Irre. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass Herr Töpfer und Frau Merkel jeweils zu ihren Zeiten als Bundesumweltminister tatsächliche Energiekonsensgespräche geführt haben, in die jeweils die Opposition - damals die SPD - einbezogen war. Das ist 1998 beendet worden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Hendricks, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ausgeführt, eine Vereinbarung sei nicht bindend; dafür bedürfe es eines Vertrages. Nun werden Sie sicherlich mit mir einer Meinung sein, dass eine Regierung keinen bindenden privatrechtlichen Vertrag mit Privatunternehmen schließen kann, genauso wenig wie Privatunternehmen einen Staatsvertrag mit einer Regierung. Deswegen liegt es nahe, eine Vereinbarung zu schließen, auf deren Basis dann ein Gesetz verabschiedet wird. Dieses Gesetz ist natürlich bindend, solange es gilt. Wenn diese Bundesregierung beabsichtigt, mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen das Gesetz zu ändern, darf sie das natürlich. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die Vereinbarung auf Seite 14 unter dem Datum vom 14. Juni 2000 von vier Vertretern der Energiewirtschaft, nämlich von Eon AG, RWE AG, Energie Baden-Württemberg AG und Hamburgische Electricitäts-Werke AG, die mittlerweile in Vattenfall aufgegangen ist - im Prinzip handelt es sich um die vier Player, die wir noch heute haben -, und von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesminister Jürgen Trittin und Bundesminister Dr. Werner Müller unterschrieben worden. Wollen Sie weiterhin ernsthaft behaupten, dass dies alles das Papier nicht wert sei, auf das es geschrieben worden ist, oder was wollen Sie diesem deutschen Parlament hier nahebringen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die von Ihnen unterstellte Behauptung habe ich nicht aufgestellt. Insofern weise ich sie zurück. Sie müssen mir zugestehen, dass ich Ihren Versuch, eine politische Abrede zum Vertrag zu erklären oder zu verklären, nicht unterstützen kann. Sie wollen auf eine rechtliche Bindung hinaus, die es nie gab.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen nun zu Frage 26 des Kollegen Dirk Becker: Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass ein neuer Konsens über die Laufzeit von Atomkraftwerken eine förmliche Aufhebung des Atomkonsenses aus dem Jahr 2000 verlangt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die Frage kann ich sehr kurz beantworten: Nein, dieser Auffassung stimmen wir nicht zu.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine Nachfrage, Herr Kollege.

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Ihre Aussage dahin gehend deuten, Frau Staatssekretärin, dass wir bei allen Vereinbarungen, die künftig eine Bundesregierung schließt, davon ausgehen müssen, dass die Partner einer solchen Vereinbarung im Endeffekt nur für maximal vier Jahre mit der Verlässlichkeit der Bundesregierung rechnen dürfen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Sie können meine Einlassung dahin gehend verstehen - das habe ich schon deutlich gemacht -, dass wir eine politische Abrede, eine politische Vereinbarung, eine politische Übereinkunft nun einmal als rechtlich nicht bindend ansehen und dass es jeder Regierung freisteht, eine gesetzliche Grundlage zu ändern. Das haben auch Sie damals mit der Änderung des Atomgesetzes getan.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie versuchen ständig, den Wert dieser Vereinbarung schlechtzureden; es sei nur eine lockere Verabredung. Sie haben auch ein Zitat gebracht, aus dem hervorging, dass es nach wie vor unterschiedliche Auffassungen gab. Das ist ein Satz aus einer langen Erklärung, in der auch steht, dass trotz dieser unterschiedlichen Auffassungen beide Seiten ihren Teil dazu beitragen werden, dass der Inhalt dieser Vereinbarung dauerhaft umgesetzt wird. Es tut mir leid, aber „dauerhaft umgesetzt“ heißt, dass sich beide bewusst waren, dass dieses Konstrukt - wie immer auch Sie es bezeichnen - mit den Unterschriften, die Frau Dr. Hendricks eben genannt hat, mehr ist als eine Absichtserklärung, nämlich die Grundlage für die spätere Änderung des Atomgesetzes. Das steht dort ausdrücklich: Das ist die Grundlage für die spätere Änderung des Atomgesetzes.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Es ist richtig, dass die rot-grüne Bundesregierung sich damals mit den EVUs auf diesen Weg geeinigt hat und danach eine Gesetzesänderung erfolgte. Aber ich verstehe Ihre Frage dahin gehend, ob ich diese Verabredung, diese Vereinbarung in irgendeiner Form qualifiziere. Ich nehme sie zur Kenntnis. Allerdings wird sich diese Bundesregierung vorbehalten, so wie das RotGrün damals auch gemacht hat, das Atomgesetz weiterzuentwickeln.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie möchten eine weitere Zusatzfrage stellen. Frau Hendricks, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, einer Vereinbarung messen Sie offenbar nur sehr geringen Wert - um nicht zu sagen: gar keinen Wert - bei. Wie will diese Bundesregierung den Bürgerinnen und Bürgern eigentlich klarmachen, dass auch das, was bei dieser Regierung bisher als Einziges als sicher galt, nämlich die Koalitionsvereinbarung, keinerlei Wert hat, sodass man überhaupt nicht mehr weiß, auf welcher Basis die Bundesregierung mit der Arbeit anzufangen gedenkt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Sie unterstellen mir Wertungen, die ich nicht getroffen habe, die auch diese Bundesregierung nicht getroffen hat. Ich habe lediglich auf den Unterschied zwischen einer Vereinbarung und einem Gesetz oder einer Vereinbarung und einem Vertrag hingewiesen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kelber.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Allerdings, Frau Staatssekretärin, haben Sie mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarung nicht rechtlich bindend ist und es einer Regierung nicht möglich ist, einen Vertrag mit Unternehmen zu schließen, sondern so etwas über ein Gesetz gemacht werden muss. Mehrere Mitglieder des Kabinetts und auch mehrere Ministerpräsidenten bzw. Exministerpräsidenten, die Ihrer Partei angehören - unter anderem Bundesumweltminister Röttgen, Ihr Minister, Ministerpräsident Koch und Exministerpräsident Oettinger -, haben zum Ausdruck gebracht, dass eine mögliche Gewinnabschöpfung aus einer möglichen Laufzeitverlängerung nicht gesetzlich geregelt werden könnte, sondern über eine Vereinbarung mit den Betreibern erfolgen sollte. Wäre auch eine solche Vereinbarung nicht rechtsverbindlich, und könnte sie vonseiten der Betreiber einseitig aufgekündigt werden?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wie Sie wissen, sehen wir die Kernenergie als Brückentechnologie. Wir sind jetzt bei der Erarbeitung eines Konzepts in der Frage, ob und, wenn ja, in welchem Umfang die Laufzeiten verlängert werden sollen. Im Rahmen der Erarbeitung dieses Konzepts werden wir auch darüber sprechen, ob Gewinne, die während der Laufzeitverlängerung anfallen - sie werden anfallen -, zum Beispiel für eine Unterstützung der erneuerbaren Energien genutzt werden können und, wenn ja, in welchem Umfang. Wir haben uns allerdings noch nicht intensiv mit der Frage befasst, auf welchem Wege dies geschehen kann. Dies wird im Rahmen der Gespräche und der Erarbeitung des Konzepts erfolgen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Lischka, bitte.

Burkhard Lischka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Rechtsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages bekannt ist. Deshalb frage ich noch einmal: Welche Voraussetzung sehen Sie bei dieser Vereinbarung als nicht erfüllt an, sodass Sie zu dem Schluss kommen, es handele sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, ich weise noch einmal darauf hin, dass es hier offenbar - das müssen wir an der Stelle zur Kenntnis nehmen - eine unterschiedliche Bewertung der damaligen Verabredung zwischen der rot-grünen Bundesregierung, der Regierung Schröder, und den EVUs gibt. Unsere Einschätzung ist die, dass hier keine rechtliche Bindung gegeben ist. Das können wir jetzt sicherlich noch ein paar Mal hin und her wenden. Ich denke, es bleibt bei dieser Einschätzung. Ich möchte noch einmal bekräftigen, dass es der damaligen rot-grünen Bundesregierung freigestanden hat und auch dieser Bundesregierung freisteht, bestehende Gesetze zu verändern und weiterzuentwickeln, worauf sich die Unternehmen dann einzurichten haben. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Dr. Miersch.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, hat Ihre Rechtsauffassung zur Folge, dass die Überlegungen der Bundesregierung, den Atomkonsens augenblicklich aufzuheben und die Laufzeiten um 20, 28 Jahre zu verlängern, auch nur auf ein Gentlemen’s Agreement hinauslaufen können mit der Folge, dass wir über den generellen Ausschluss der Atomtechnologie in Deutschland keine rechtsverbindliche Entscheidung treffen können?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wenn wir unser Energiekonzept diskutiert, vorgestellt und im Kabinett beschlossen haben, wird das zur Folge haben, dass Gesetze geändert werden, unter anderem das Atomgesetz. Diese Regierung - wie im Koalitionsvertrag beschrieben, angekündigt, festgelegt - bekennt sich dazu, dass wir die Kernenergie als Brückentechnologie weiterlaufen lassen wollen. In welchem Umfang, werden die wissenschaftlichen Studien, die wir jetzt in Auftrag geben, zeigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun kommen wir zur Frage 27 des Kollegen Gerd Bollmann: Wird die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluss über die Aufhebung der Konsensvereinbarung aus dem Jahr 2000 herbeiführen, und auf welcher Grundlage kann dies geschehen, da die Bundesregierung sich in dieser Vereinbarung verpflichtet hat, sie dauerhaft umzusetzen, inzwischen ins Amt eingetretene Kabinettsmitglieder also in rechtliche Pflichten eingetreten sind, die ihre Amtsvorgänger eingegangen sind?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Bollmann, ich möchte Ihre Fragen 27 und 28 gerne zusammen beantworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich auch die Frage 28 des Kollegen Gerd Bollmann auf: Wie unterscheiden sich die Rechtspflichten aus der Vereinbarung zum Atomkonsens von solchen Rechtspflichten, die die Bundesregierung oder ein ihr zugehöriges Ressort mit einer dritten Rechtsperson eingeht?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die Bundesregierung hat die Kernenergievereinbarung vom 14. Juni 2000 von Anfang an als eine rechtlich nicht verbindliche politische Vereinbarung im Sinne eines Gentlemen’s Agreements eingestuft. Die Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insbesondere durch eine Änderung des Atomgesetzes, die 2002 in Kraft getreten ist.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage, bitte.

Gerd Bollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003508, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, unabhängig von der rechtlichen Verbindlichkeit: Sieht die Bundesregierung es nicht als problematisch an, dass sich viele, beispielsweise die Stadtwerke, bei ihren Investitionsplanungen auf diese Vereinbarung, wie Sie sie auch immer nennen, verlassen haben?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die Planungen der Stadtwerke haben sich sicherlich auf die damalige und noch geltende gesetzliche Grundlage bezogen und auf den Beschluss der rot-grünen Bundesregierung, Kernenergie in Zukunft nicht mehr nutzen zu wollen, zugegebenermaßen für einen sehr langen Zeitraum; 32 Jahre haben sie vereinbart. Ich kann und werde Investitionen von Stadtwerken, die diese nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen, sondern vor allem im Hinblick auf Gewinnmöglichkeiten getroffen haben, nicht kommentieren. Allerdings begrüße ich es, wenn wir neben den vier großen EVUs starke Stadtwerke und Stadtwerkverbünde haben, die mit kleineren Einheiten auch dezentral zur Energieversorgung beitragen. Gerade die Stadtwerke haben in den letzten Jahren viele Modernisierungen vorgenommen und sind ein wichtiger Player im Konzert unserer Energieversorgung.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Nein? - Dann Herr Dr. Miersch, bitte.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie benutzen die Begriffe „Brückentechnologie“ und „Gesetzesänderung“, aber Sie beantworten nicht die Fragen. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Atomkonsenses auf Investitionsentscheidungen von Stadtwerken frage ich Sie noch einmal: Ist für die Bundesregierung vor dem Hintergrund dessen, was sie augenblicklich diskutiert, die grundsätzliche Frage: „Gibt es ein Ende der Atomtechnologie in Deutschland?“ eine Frage eines Gentlemen’s Agreements, oder gibt es eine Form von Verbindlichkeit, auf die sich alle Wirtschaftsbeteiligten verlassen können?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Diese Regierung hat von Anfang an klargemacht, dass wir eine andere Haltung zur Kernenergie haben als beispielsweise Ihre Fraktion. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag festgelegt, ein Energiekonzept zu erstellen - und daran arbeiten wir -, das neben dem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren auch die Kernenergie weiterführen wird, bis die erneuerbaren wettbewerbsfähig sind und wir einen überwiegenden Teil unserer Energie aus regenerativen Energien gewinnen können. Noch einmal: Es bleibt jeder Regierung unbenommen, gesetzliche Grundlagen zu ändern. Das kann in Bezug auf für die Zukunft getroffene Entscheidungen Unsicherheiten für die Investoren mit sich bringen; allerdings dürfen diese Änderungen nicht rückwirkend in Geschäftsmodelle eingreifen. Das werden sie auch nicht tun. Denn wir werden - da sind wir uns beispielsweise mit den Stadtwerken einig - darauf achten, dass die erneuerbaren Energien deutlich ausgebaut werden.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kelber.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben sich jetzt mehrfach dazu geäußert, dass Sie in der damaligen Vereinbarung der beiden Partner keine verbindliche rechtliche Wirkung sehen. Hier geht es allerdings um die Frage, ob der eine Partner, nämlich die Bundesregierung, nicht dauerhafte rechtliche Pflichten geschaffen hat. Sie kennen die aktuelle Studie des Verbands kommunaler Unternehmen, in der beispielhaft der Unterschied in den Renditeerwartungen einer bereits getätigten Investition bei Beibehaltung der damals festgelegten, in der Vereinbarung als dauerhaft rechtlich verpflichtend festgeschriebenen Rechtslage gegenüber einer von Ihnen beabsichtigten eventuellen Veränderung, die zu einer Minuserwartung in Bezug auf die Rendite führen könnte, dargestellt wird. Ist Ihnen als Staatssekretärin bekannt, dass die Bundesrepublik Deutschland internationale Vereinbarungen eingegangen ist, die den Schutz von Investitionen vor negativen gesetzlichen Veränderungen vorsehen, wenn die Renditeerwartungen, Herr Staatssekretär - des an dieser Stelle nicht beteiligten Ministeriums - Otto, in dem normalen Zeitraum dieser Investitionen von solchen Veränderungen negativ betroffen werden, sodass dies zu einer Minuserwartung führt? Gilt das auch in diesem Fall, und gilt die Rechtsverbindlichkeit für den einen Partner Bundesregierung nicht auch über Legislaturperioden hinweg?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kelber, Ihre Frage zielt im Kern darauf ab, ob zukünftige Bundesregierungen sich dauerhaft an politische Überzeugungen vorangegangener Bundesregierungen binden sollen, und dies halte ich nicht nur in diesem Fall, sondern auch für alle anderen politischen Felder für eine äußerst kühne Behauptung, der wir zumindest so nicht zustimmen können. Seitens des CDU/CSU-Teils, aber sicherlich auch der FDP kann ich sagen, dass schon in den vergangenen Jahren - auch zwischen 1998 und 2009 - klar war, dass die Union ein offeneres Verhältnis zur Kernenergie hatte und wir vor der Wahl mit Wahlaussagen, vor allem aber mit dem Koalitionsvertrag deutlich gemacht haben, dass wir Laufzeitverlängerungen in unser energiepolitisches Konzept einbeziehen. Wenn Sie jetzt verlangen sollten, dass jetzige und künftige Regierungen sich dauerhaft an das halten, wozu andere aus einer anderen politischen Konstellation und auch aus anderer - natürlich legitimer - politischer Überzeugung gekommen sind, hielte ich das für eine zwar interessante Haltung, muss Ihnen aber sagen: Das ist nicht unsere Haltung. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Bülow, bitte.

Marco Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003512, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin, Sie sind gerade auf die Stadtwerke eingegangen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, Sie würden sich darüber freuen, wenn die Stadtwerke sich zusammenschlössen, um wahrscheinlich auch - ich vermute, das steckt dahinter - den Wettbewerb zu stärken. Nun gibt es ein Gutachten, das Ihnen bekannt sein könnte, auf das sich auch die Stadtwerke berufen, in dem deutlich analysiert wurde, dass der Marktanteil der Kernkraftwerksbetreiber, also der vier großen Player in diesem Markt, den sie jetzt schon beherrschen, steigen würde und ihre Marktstellung, die mit über 80 Prozent Anteil immer noch sehr hoch ist, durch die Aufkündigung des Kompromisses gesichert oder sogar gesteigert würde. Ist Ihnen das bekannt, und fließt es in Ihre Analysen und Ihre Entscheidungen ein?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir kennen dieses Gutachten, ebenso die Auffassung der Stadtwerke. Ich kann dazu nur sagen, dass wir bei der Erarbeitung unseres Energiekonzepts sehr wohl darauf achten werden, dass am Ende drei Prämissen erfüllt werden, nämlich dass unsere Energieversorgung sicher, sauber und sozial erfolgt. Das bedeutet, dass sie klimapolitisch den Erwartungen entspricht, denen sich übrigens auch schon die Große Koalition verpflichtet gefühlt hat, dass sie sicher ist, dass also Investitionen erfolgen können, also auch und gerade Investitionen in erneuerbare Energien zukünftig erfolgen werden, und dass unsere Energieversorgung den Anforderungen hinsichtlich der Erzeugungssicherheit, mithin der Sicherheit im Sinne der Bereitstellung von Energie, genügt. Insofern werden wir, wenn die Szenarien vorliegen, auch mit der Öffentlichkeit und allen interessierten Teilnehmern sprechen, die bei uns die Energielandschaft mitbestimmen bzw. begleiten, und dies selbstverständlich berücksichtigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Hendricks. - Es hat sich erledigt. Dann Herr Kollege Becker.

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich komme noch einmal auf die Frage des Kollegen Kelber zurück. Sie haben völlig zu Recht darauf verwiesen, dass es natürlich jeder Bundesregierung freisteht, sich von Positionen der Vorgängerregierung abzugrenzen und Dinge anders zu bewerten. Aber die entscheidende Frage war ja nicht, ob Ihnen dieses Recht zusteht, sondern sie war: Wie bewerten Sie es, wenn Unternehmen - in diesem Fall Stadtwerke -, basierend auf einer gültigen Rechtslage, Investitionsentscheidungen getroffen haben und sie jetzt von einer Veränderung negativ beeinflusst werden? Das war ja der Punkt der Frage vom Kollegen Kelber. Sie haben darauf geantwortet: Eine Regierung muss die Möglichkeit haben, etwas politisch anders zu bewerten. - Es geht aber um die Folgewirkung für Unternehmen.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Veränderungen in der Gesetzgebung sind, wenn es um Investitionen geht, an der Tagesordnung. Ich erinnere mich daran, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam das Erneuerbare-Energien-Gesetz verändert und unter anderem Regelungen getroffen haben, die sehr wohl rückwirkend für bestimmte Branchen schwierig waren. Wir sind in dieser Regierung aufgefordert, Fehlentscheidungen zu korrigieren. Insofern ist eine Investition in der Tat mit einem Risiko behaftet. Wir wollen aber die Veränderungen im Energiekonzept so durchführen, dass wir ein ganz hohes Maß an Investitionssicherheit garantieren können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen nun zur Frage 29 des Kollegen Marco Bülow: Bestätigt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe im Fall der Atomkonsensvereinbarung durch entsprechende Willensbekundungen leitender Unternehmensvertreter seit dem Jahr 2000 vertragsbrüchig geworden sind, und, wenn nein, warum nicht?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Bülow, ich möchte auch Ihnen zusammenhängend auf die beiden Fragen 29 und 30 antworten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich auch die Frage 30 des Kollegen Bülow auf: Inwieweit hat die Bundesregierung die rechtliche Möglichkeit, Vereinbarungen zu treffen mit Akteuren, von denen ihr bekannt ist, dass sie durch öffentliche Willensbekundungen gegenüber der Bundesregierung vertragsbrüchig geworden sind, während die Bundesregierung zum gleichen Zeitpunkt den Vertrag eingehalten hat?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Den ersten Teil kennen Sie mittlerweile schon: Wir, vor allem aber auch die damalige Bundesregierung, haben die damalige Kernenergievereinbarung als rechtlich nicht verbindlich und als politisch angesehen. In der Einleitung zur Kernenergievereinbarung heißt es: Unbeschadet der nach wie vor unterschiedlichen Haltung zur Nutzung der Kernenergie respektieren die EVUs die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen. Abgesehen davon stellt eine Willensbekundung, eine Vereinbarung ändern zu wollen, keinen Vertragsbruch dar.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ihre Nachfrage.

Marco Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003512, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, Frau Staatssekretärin. - Bei dem Konsens oder bei der Vereinbarung, wie auch immer man das bezeichnen will, gab es Vorteile auf beiden Seiten. So hat auch die Atomwirtschaft davon profitiert, dass zumindest die Politik sich an die Vereinbarung gehalten und zum Beispiel die Rücklagen für die Atombetreiber genehmigt hat und ihnen auch bei anderen Vorteilen entgegengekommen ist. Hätten wir in der Großen Koalition beispielsweise versucht, diese Vorteile zu beschneiden, wäre die Union wahrscheinlich die Erste gewesen, die das verhindert hätte. Geben Sie mir da recht, und wie kann es sein, dass man zwar die Vorteile für die eine Seite beibehält, man sich also an die Absprachen hält, aber die Nachteile für diese eine Seite in neuen Konstellationen abstellen will? Machen dann solche Vereinbarungen jeglicher Art in Zukunft überhaupt noch Sinn?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir drehen uns hier leider ein bisschen im Kreis; aber dennoch erneut mein Versuch, unsere Haltung zu erläutern: Die Vereinbarung war eine politische Absichtserklärung, und Sie haben diese Absichtserklärung dann in ein Gesetz gegossen. Auch wir haben für diese Regierung eine Absicht geäußert, nämlich Erneuerbare auszubauen, CO2 vermeiden zu wollen und Kernenergie als Brücke zu nutzen, und wir werden die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen bzw. bestehende so weiterentwickeln, dass sie unseren Anforderungen genügen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kelber, bitte.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich respektiere Ihre Ansicht, dass es sich nicht um einen Vertrag handelt und man deswegen nicht vertragsbrüchig geworden sein kann, sondern nur um ein Gentlemen’s Agreement. Zentraler Punkt dieses Gentlemen’s Agreements war, dass man sich verpflichtet hat, trotz unterschiedlicher Sichtweisen zur Kernenergie die Festlegung des Gentlemen’s Agreements dauerhaft umzusetzen. Landläufig gilt jemand, der ein Gentlemen’s Agreement nicht einhält, nicht mehr als Ehrenmann. Einer der Unterzeichner vonseiten derjenigen, die das nicht dauerhaft umgesetzt haben, war Gerald Hennenhöfer. Können Sie mir erklären, warum Sie jemanden, den Sie mit Ihrer Argumentation nicht als Ehrenmann bezeichnen, vor wenigen Wochen als Abteilungsleiter für Atomtechnologie im Umweltministerium eingestellt haben?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die Bezeichnung, die Sie gerade Herrn Abteilungsleiter Gerald Hennenhöfer haben zuteilwerden lassen, ({0}) weise ich zurück. Noch einmal: Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte sich entschlossen, die Kernenergie nicht weiter nutzen zu wollen. Der damalige Bundeskanzler Schröder hat sich aus dem bestehenden Konsens der Regierung Kohl zwischen Regierung und Opposition, der darin bestand, dass man sich gemeinsam über Energiefragen verständigt, weil Energiefragen von solcher Bedeutung sind, dass sie der Zustimmung des ganzen Parlamentes bedürfen, verabschiedet. Den Versuch Ihrer Kollegen, durch wiederholtes Fragen zu der Kernenergievereinbarung im Nachhinein eine Überhöhung zu konstruieren, die da heißt „Es gibt eine rechtliche Vereinbarung, und jeder, der sich nicht daran hält, bricht sie“, weise ich zurück. Dies ist nicht unsere Auffassung. Was Herrn Hennenhöfer betrifft, möchte ich Ihnen sagen, dass er seine Funktion mit großer Sachkenntnis, Loyalität und Rechtstreue ausführt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Dr. Miersch.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, es war nicht der Kollege Kelber, der den Begriff Gentlemen’s Agreement benutzt hat, sondern es handelt sich um Ihre Auffassung zur Vereinbarung zum Atomkonsens. Wir haben mehrfach in unseren Fragen darauf hingewiesen, dass diese Vereinbarung auch die Unterschrift der vier großen Player im Stromgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland trägt. Herr Hennenhöfer war einer der Repräsentanten und ist jetzt in Ihrem Haus tätig. Ich frage Sie daher: Was muss man von jemandem halten, der eine solche Vereinbarung unterschreibt und der sie jetzt im Rahmen seiner Arbeit an verantwortungsvoller Position im zuständigen Bundesumweltministerium bricht?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Ich muss Sie leider enttäuschen. Der Begriff Gentlemen’s Agreement stammt nicht von mir, sondern war im Jahre 2001 auf den Seiten des Bundesumweltministeriums zu finden, offenbar mit Billigung des damaligen Staatssekretärs Baake. ({0}) An dem Zustandekommen des Papiers war unter anderem der damalige Wirtschaftsminister Müller beteiligt, der wiederum, als er noch für ein Energieunternehmen gearbeitet hat, die SPD und den damaligen Ministerpräsidenten Schröder in energiepolitischen Sachfragen unterstützt hat. Noch einmal: Abteilungsleiter Hennenhöfer, zuständig für die Reaktorsicherheit, führt sein Amt rechtstreu und mit großer Sachkenntnis aus.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir kommen zur Frage 31 des Kollegen Oliver Kaczmarek: In welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung mit den Unternehmen einen neuen Konsens über die Laufzeiten von Atomkraftwerken verbindlich zu vereinbaren, die durch ihren öffentlichen Einsatz gegen den gültigen Atomkonsens ihrer Verpflichtung zur dauerhaften Umsetzung der gültigen Vereinbarung nicht nachgekommen sind, und, sofern eine förmliche Neufassung des bestehenden Konsenses nicht vorgesehen ist, welche alternativen formalisierten Verfahren sind vorgesehen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Kaczmarek, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: In der Einleitung zur Kernenergievereinbarung heißt es: Unbeschadet der nach wie vor unterschiedlichen Haltung zur Nutzung der Kernenergie respektieren die EVUs … die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen. Abgesehen davon steht eine öffentliche Äußerung, eine Vereinbarung ändern zu wollen, der Umsetzung einer gültigen Vereinbarung nicht entgegen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage?

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank. - Der Kollege Becker hat gerade aus der Vereinbarung den Satz zitiert, dass sich beide Seiten dauerhaft dazu verpflichtet haben, diese Vereinbarung umzusetzen. Ich frage Sie, wie Sie bei zukünftigen Vereinbarungen - in welcher Form auch immer Sie diese mit den betroffenen Unternehmen schließen wollen - sicherstellen wollen, dass diese Vereinbarung tatsächlich dauerhaft umgesetzt wird. Wie wollen Sie Sicherheit für eine gemeinsame Vereinbarung mit den Energiekonzernen schaffen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir führen Gespräche, die dazu dienen, gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Es ist der ganz normale Weg, dass die Fachkreise in einem Ministerium mit Branchenvertretern zusammentreffen und man über die Weiterentwicklung von gesetzlichen Grundlagen spricht. Die andere Möglichkeit ist, dass sich das Parlament im Rahmen einer eigenen Initiative dazu entscheidet, die gesetzlichen Grundlagen weiterzuentwickeln. Dies ist tagtägliche Praxis. Wir beabsichtigen, sie weiterzuführen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch eine kurze Nachfrage: In welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung, das Parlament in diese Beratungen einzubeziehen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Ich vermute, dass Sie das Energiekonzept meinen.

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich meine die gerade von Ihnen geführte Diskussion über die Verlängerung der Restlaufzeiten von Atomkraftwerken.

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wir führen derzeit Diskussionen über ein Energiekonzept. Bedauerlicherweise interessiert sich die SPD anscheinend ausschließlich für die Kernenergie. Ich würde mich freuen, wenn auch die erneuerbaren Energien auf Ihr Interesse stoßen würden. ({0}) Wir haben in der letzten Zeit über Szenarien diskutiert. Die Aufträge zur Berechnung der Szenarien stehen kurz vor dem Abschluss. Wenn die Berechnungen vorliegen, werden wir daraus ein Konzept erarbeiten. Wir wollen im späten Herbst so weit sein, dass ein Konzept zur Beschlussvorlage umfänglich vorliegt. Die Zeit dazwischen wird dafür verwendet, mit den betroffenen Verbänden und selbstverständlich auch mit dem Parlament zu sprechen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Dr. Miersch, bitte.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie werden in der nächsten Sitzungswoche Gelegenheit haben, unsere Position in Fragen der erneuerbaren Energien sehr deutlich zu spüren; denn das, was vorgesehen ist, ist alles andere als zukunftsweisend. Ich frage Sie noch einmal nach Ihrer Auffassung, die Sie zum Atomkonsens haben: Ist es nach Ihrer Meinung überhaupt möglich, dass eine Partei, eine Regierung oder das Parlament einen rechtsverbindlichen Atomausstieg beschließen kann?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, die Rechtsverbindlichkeit entsteht dann - das habe ich jetzt mehrfach erläutert -, wenn sich eine gesetzliche Änderung ergibt. Wir werden so arbeiten, dass wir Veränderungen oder Weiterentwicklungen im Energiesektor gesetzlich absichern. Die Instrumente kennen Sie. Das werden wir weiter tun.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Becker, bitte.

Dirk Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003736, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben auf die Frage des Kollegen Kaczmarek bezüglich der Gespräche über die Verlängerung der Laufzeiten darauf verwiesen, dass diese Frage im Spätherbst im Rahmen des Energiekonzeptes beantwortet werde. Heißt das, dass es gegenwärtig zwischen der Bundesregierung und der Atomwirtschaft keine Gespräche über die Verlängerung der Laufzeiten, über mögliche Rahmenbedingungen etc. gibt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Es gibt momentan keine Gespräche; das ist richtig. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kelber, bitte.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich hatte Sie vorhin informiert, dass die Bundesrepublik Deutschland verbindliche internationale Vereinbarungen zum Schutz von Investitionen eingegangen ist, die übrigens auch der Veränderung von nationalen Gesetzen eine Grenze zum Schutz getätigter Investitionen setzen. Haben Sie Rechtsgutachten in Auftrag gegeben oder beabsichtigen Sie, Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, die klären, ob bei einer eventuellen Beendigung des Atomkonsenses und einer Verlängerung der Laufzeiten Nachteile für Energieerzeuger entstehen, die keine Atomanlagen betreiben, aber bereits Investitionen getätigt haben, und ob diese die Möglichkeit der Klage und des Schadensersatzes gegenüber der Bundesrepublik Deutschland haben, und können Sie mir für den Fall, dass ein solches internes oder externes Rechtsgutachten bereits existiert, in Auftrag gegeben wurde oder in Auftrag gegeben werden soll, verbindlich zusichern, dass dies dem Deutschen Bundestag zur Überprüfung der Position der Bundesregierung vorgelegt wird?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Wenn wir in der Gesetzgebung sind, Herr Kollege Kelber, werden wir alle anstehenden Fragen und Interessen in diesem Prozess berücksichtigen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Dr. Ott.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich bin den Kolleginnen und Kollegen von der SPD sehr dankbar, dass sie dieses Thema hier in dieser Breite in das Plenum einbringen. Nach der Art und Weise, wie Sie den Komplex des Atomausstieges, der von Rot-Grün verhandelt und vereinbart worden ist, behandeln, scheint er ein Super-GAU für die umweltpolitische Handlungsfreiheit insgesamt zu sein. ({0}) Hier ist doch im Einvernehmen mit der beteiligten Industrie der Weg gewählt worden, eine Vereinbarung zu schließen. Beide Seiten haben gegeben und haben genommen. Nun ist es so, dass der Staat sehr viel gegeben hat, zum Beispiel Möglichkeiten der Rückstellung und sogar eine Art Bestandsgarantie, wenn man das so formulieren will, für Atomkraftwerke. Nun aber, da es eigentlich darum ginge, die eigenen Verpflichtungen zu erfüllen, ziehen sich die Industrie durch verschiedene Tricks und nun auch das Ministerium, also die Bundesregierung, aus diesen von einer Vorgängerregierung geschlossenen Vereinbarungen zurück. Ich frage Sie deshalb: Wie stellen Sie sich - Kollege Kaczmarek hat dies in seiner Frage angedeutet - eine Vereinbarung vor? Wenn man gesetzliche Maßnahmen vermeiden will, welche Handlungsmöglichkeiten hat die Bundesregierung denn dann noch, eine solche Vereinbarung zu treffen? Muss sie dann nicht ganz rigoros gesetzliche Maßnahmen treffen, ohne in einer Vereinbarung auf die betroffene Industrie einzugehen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, ich kann keine Frage erkennen. Sie haben lediglich ein Statement abgegeben. Ich sage Ihnen ganz klar: Selbstverständlich setzen wir auf gesetzliche Grundlagen, weil wir Rechtsverbindlichkeit sowie klare Richtlinien und Rahmenbedingungen brauchen. Ich bin davon überzeugt, dass eine klare Gesetzgebung am ehesten zu Rechtsfrieden und Investitionssicherheit führt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Oliver Kaczmarek auf: Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass Akteure im Strommarkt im Vertrauen auf die dauerhafte Umsetzung des Atomkonsenses Investitionen getätigt haben oder tätigen wollen, und entwickelt die veränderte Haltung der Bundesregierung zum Atomkonsens gegebenenfalls Regressansprüche solcher Akteure?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, Ihre Frage behandelt erneut - allerdings in anderer Form - die schon viel zitierte Energievereinbarung. Ich kann es Ihnen gerne noch einmal verlesen - ich befürchte, Sie können es bald mitsingen -: ({0}) Die Bundesregierung hat die Kernenergievereinbarung vom 14. Juni 2000 von Anfang an als rechtlich nicht verbindliche politische Vereinbarung eingestuft. Die Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insbesondere durch eine Änderung des Atomgesetzes. Wie jedes Gesetz kann auch das Atomgesetz geändert werden. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich Gesetze mit rückwirkenden Regelungen. Das haben wir an dieser Stelle - unter anderem beim Thema Stadtwerke mehrfach diskutiert.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie haben eine Nachfrage?

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich habe Ihre Ausführungen vorhin so verstanden, dass Sie nicht bestreiten, dass Unternehmen aufgrund der veränderten Grundlagen in der Energiepolitik möglicherweise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten. Meine Frage ist: Gibt es innerhalb der Bundesregierung - vielleicht auch in anderen Häusern - Überlegungen, Unternehmen, die Investitionsentscheidungen auf dieser Grundlage getroffen haben und nun in Schwierigkeiten geraten, zu unterstützen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, es ist häufig so: Durch Gesetzesänderungen - als Beispiel nenne ich das vielleicht nicht ganz so umstrittene Erneuerbare-Energien-Gesetz -, ({0}) die wir im Kern als positiv und förderlich empfinden, können die Gewinnerwartungen der Unternehmen geschmälert oder - bestenfalls - befördert werden. Ich darf an die vergangene Legislaturperiode erinnern, in der auf expliziten Wunsch der Sozialdemokraten im Bereich Biomasseanlagen Entscheidungen getroffen wurden, die die Betreiber von Biomasseanlagen in eine schwierige Situation gebracht haben. Wir haben diese Fehlentwicklung damals um des Koalitionsfriedens willen mitgetragen, aber jetzt korrigiert. Insofern glaube ich, dass Sie Krokodilstränen vergießen, wenn Sie sich um einzelne Unternehmen Sorgen machen. Noch einmal: Der Gesetzgeber darf nicht ohne weiteres rückwirkend Änderungen vornehmen. Für zukünftige Entscheidungen gilt das allerdings nicht. Wenn es Gesetzesänderungen gibt - und die gibt es laufend -, dann gibt es auch für Investoren immer ein gewisses Risiko.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte.

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn ich das richtig sehe, dann stützen sich die Wachstumsprognosen der vier am Atomkonsens beteiligten Konzerne auf Steigerungsraten durch die Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke. Wenn ich das richtig verstehe, dann handelt es sich bei den UnOliver Kaczmarek ternehmen, die möglicherweise in Schwierigkeiten geraten - wir wissen es noch nicht genau; aber es gibt Anzeichen -, meist um mittelständische Unternehmen und das Handwerk. Teilen Sie meine ökonomische Einschätzung, dass die Gefahr besteht, dass Sie eine Entscheidung zugunsten von Großkonzernen und zulasten von mittelständischen Betrieben treffen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, einen klaren Schwerpunkt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu legen. Hier handelt es sich ganz klar um mittelständische Strukturen. Wir werden weiterhin in den Klimaschutz investieren, unter anderem bei der Gebäudesanierung. Das ist ein klares Votum für die kleinen und mittelständischen Betriebe. Ich glaube, dass diese Regierung nicht nur ein sehr ausgewogenes Energiekonzept vorlegen wird, sondern auch eine sehr ausgewogene Haltung zu allen Mitspielern der Energiebranche hat. Es ist unser erklärtes Ziel - das hat nicht nur Bundesumweltminister Röttgen, sondern auch die Kanzlerin mehrfach ausgeführt -, die erneuerbaren Energien zielstrebig auszubauen, damit wir auf mittel- und langfristige Sicht unsere Energieversorgung mithilfe regenerativer Energien bewältigen können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Kelber, bitte.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine ganz kleine Korrektur zu Beginn: Frau Staatssekretärin, die von Ihnen gerade erwähnte Entscheidung aus dem Jahr 2008 zu Biogasanlagen war keineswegs Ergebnis einer Initiative der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, sondern des schwarz-gelb dominierten Bundesrates. Diese Entscheidung war übrigens richtig und ist am Ende durch das Bundesverfassungsgericht unterstützt worden. Sie haben das trotzdem nachträglich geändert. Das ist zwar Ihr gutes Recht; aber das sollte man dennoch festhalten. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie nicht zusagen wollen, mit Steuermitteln erstellte Rechtsgutachten der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zur Verfügung zu stellen. Sie haben diese Aussage gerade mehrfach in Bezug auf Anlagen zur Stromerzeugung gemacht. Weitere Akteure am Strommarkt sind die Netzbetreiber, die auf der Basis geltender Gesetze Investitionen getätigt haben: von der Verteilebene - Überlandnetze bis zum Einzelanschluss. Ein weiteres geltendes Gesetz bezieht sich auf die Stromaufsicht durch die Bundesnetzagentur. Sind sie bereit, das diesbezügliche Gesetz so zu verändern, dass Netzinvestitionen, die aufgrund des Atomausstiegs getätigt wurden und in Zukunft Stranded Investments sind, sich also nicht mehr rechnen, weiter nachträglich auf die Netzentgelte angerechnet werden können, oder haben auch diese Marktteilnehmer Pech gehabt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Kelber, im Rahmen des Energiekonzeptes werden die Stromnetze eine ganz zentrale Rolle spielen. Es ist ja das gemeinsame Ziel - Ihrer Fraktion ebenso wie unserer Fraktion -, den Bereich der erneuerbaren Energien auszubauen. Dazu brauchen wir mehr Leitungen. Wir brauchen einen konsequenten Leitungsausbau, intelligente Netze und Speicher. Über all das werden wir - inklusive der dazu notwendigen gesetzlichen Grundlagen - im Rahmen des Energiekonzeptes beraten.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Dr. Flachsbarth.

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, haben Sie Kenntnisse darüber, ob und in welchem Umfang die damalige rot-grüne Bundesregierung vor ihrer Vereinbarung mit den Energieversorgern Expertisen bezüglich der volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Entscheidung, die letztendlich in die Gesetzgebung eingeflossen ist, eingeholt hat, und wissen Sie, ob sie die Auswirkungen bezüglich der CO2-Emissionen Deutschlands und der Entwicklung der Strompreise, die für den Industriestandort Deutschland von herausragender Bedeutung sind, überprüft hat?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Kollegin Flachsbarth, solche Studien sind mir nicht bekannt. ({0}) Bekannt ist lediglich, dass im Vorfeld der Wahlen 1998 der damalige Staatssekretär im hessischen Umweltministerium, Herr Baake, gemeinsam mit dem niedersächsischen Umweltminister Jüttner Überlegungen zum gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kernenergienutzung angestellt hat, die dann offenbar eingeflossen sind. Allerdings ist uns nicht bekannt, dass es Studien zu den volkswirtschaftlichen Folgen eines Kernenergieausstiegs gegeben hat.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege Becker. ({0}) - Das hat sich erledigt. Dann Frau Kollegin Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002672, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich habe die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Bisher weiß man von der Bundesregierung, dass sie gedenkt, das Atomgesetz zu verändern und längere Laufzeiten zuzulassen. Wie genau, weiß man noch nicht. Aus all Ihren Antworten auf die vielen Fragen der Kolleginnen und Kollegen möchte ich vier Worte zitieren, die immer wieder genannt wurden, nämlich: im Rahmen des Energiekonzeptes. Das ist offenbar das von dieser Bundesregierung beabsichtigte, noch vorzulegende Energiekonzept. Können Sie für die Bundesregierung eine verbindliche Auskunft darüber geben, wann der Entwurf dieses Energiekonzeptes vorliegen wird?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Frau Kollegin Hendricks, ich habe vorhin den Zeitplan skizziert. Wir haben uns jetzt über die Rahmenbedingungen verständigt. Der Auftrag an die Gutachter geht in den nächsten Tagen raus. Ich habe weiterhin erläutert, dass wir im zweiten Quartal, im Mai, die Ergebnisse der Studien erwarten. Es ist unser Ziel, auf der Basis wissenschaftlicher Studien zu politischen Entscheidungen zu kommen. Das scheint mir ein Unterschied zur damaligen Verabredung der rot-grünen Bundesregierung mit den EVUs zu sein.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind immer noch beim gleichen Thema und kommen zur Frage 33 des Kollegen Ulrich Kelber: Wie bewertet die Bundesregierung das „Prinzip der Vertragstreue“ beim Atomkonsens im Hinblick auf getätigte bzw. beabsichtigte Investitionen durch Akteure im Strommarkt?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Kelber, ich verbinde meine Antwort auf die Fragen 33 und 34, die sich beide mit der Energievereinbarung befassen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann rufe ich auch die Frage 34 des Abgeordneten Kelber auf: Wie kann die Bundesregierung sicherstellen, dass der juristische Stellenwert von Kabinettsentscheidungen bzw. Vereinbarungen der Bundesregierung mit Folgewirkungen für Dritte nicht darunter leidet, dass die Inhalte der Vereinbarung aus dem Jahr 2000 trotz bereits eingetretener Folgewirkungen für Dritte geändert werden sollen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Ich wiederhole mich an dieser Stelle - das ändert nichts an unserer Rechtsauffassung -: Die Bundesregierung hat die Kernenergievereinbarung von Anfang an als eine rechtlich nicht verbindliche politische Vereinbarung im Sinne eines Gentlemen’s Agreement eingestuft. Die Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insbesondere durch eine Änderung des Atomgesetzes, die 2002 in Kraft getreten ist. Wie jedes andere Gesetz kann auch das Atomgesetz geändert werden. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich Gesetze mit rückwirkenden Regelungen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Haben Sie eine Nachfrage? - Bitte.

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für die verbundene Antwort. Der letzte Teil der zweiten Frage bezieht sich wie die Frage meiner Kollegin Flachsbarth auf die Folgewirkungen für Dritte. Frau Kollegin Flachsbarth hat gefragt, ob Ihnen Studien und Gutachten zu der Frage der positiven oder negativen Auswirkungen eines Atomausstiegs auf verschiedene Wirtschaftsbranchen bekannt sind. Sie haben darauf geantwortet, dass Ihnen diese Studien nicht bekannt sind. Gleichzeitig haben Sie darauf hingewiesen, dass die Rahmenbedingungen für das Energiekonzept schon erstellt sind. Sind Sie bereit, sich in das Archiv des Bundesumweltministeriums zu begeben und sich bis zur nächsten Befragung über die Ergebnisse der damaligen Studien und Gutachten kundig zu machen, oder halten Sie das nicht für nötig?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Kelber, Frau Kollegin Flachsbarth hat sich ausdrücklich mit der Zeit nach 1998 befasst. ({0}) In der Tat kenne ich solche Studien nicht. Fakt ist aber, Herr Kelber, dass sich der Strommarkt verändert hat. Beispielsweise wird im Vergleich zu 1998 sehr viel mehr regenerative Energie angeboten. Gerade heute hat der Bundesumweltminister die jüngsten Zahlen veröffentlicht: Erstmals erreicht der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromproduktion 16 Prozent. Der Anteil von erneuerbarem Strom am Endenergieverbrauch liegt bei 10 Prozent. All dies sind positive Veränderungen. Worauf die Kollegin Flachsbarth hingewiesen hat, Herr Kelber, ist, dass die damalige Entscheidung volkswirtschaftliche Implikationen hat. Ich habe die Frau Kollegin so verstanden, dass sie uns gebeten hat, bei entsprechenden Entscheidungen volkswirtschaftliche Implikationen nicht außer Acht zu lassen. Das werden wir tun, sowohl was die von Ihnen mehrfach zitierten Stadtwerke als auch die vielen mittelständischen Betriebe im Bereich der erneuerbaren Energien betrifft, aber natürlich auch die großen EVUs mit ihren großen Investitionen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wir sind fast am Ende der Fragestunde. Ich lasse noch die beiden gemeldeten Zusatzfragen zu. - Zunächst Herr Kollege Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, teilen Sie angesichts dieser Kaskade von Fragen der Kollegen von der SPD meine Hans-Joachim Otto ({0}) Auffassung als Abgeordneter dieses Hauses, dass es dem Demokratieprinzip und damit dem Grundgesetz widerspräche, wenn eine Bundesregierung, welche auch immer, dem Bundestag durch Verträge, Absprachen, Gentlemen’s Agreements oder Ähnliches das Recht nähme, neue Gesetze zu beschließen, und dass auch aufgrund enttäuschter Renditeerwartungen von Investoren dem Bundestag nicht die Möglichkeit genommen werden darf, neue Gesetze zu beschließen? ({1}) - Ich halte sie ein. ({2})

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege Otto, ich teile Ihre Auffassung. Das ist aber offenbar nicht nur die Auffassung dieser Bundesregierung, sondern war auch Auffassung vorheriger Bundesregierungen, die je nach politischer Überzeugung hier und da Enttäuschungen produziert haben. Ob das dem einen oder anderen Beteiligten immer recht gewesen ist, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Wir jedenfalls werden unsere energiepolitisch sehr ausgewogenen Konzepte gesetzlich umsetzen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort zur letzten Zusatzfrage hat nun der Kollege Dr. Ott.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich stelle fest, dass Sie meine vorherige Frage und auch die mehrfachen Fragen des Kollegen Kelber, die natürlich nervig sein können ({0}) - nachdrücklich nervig -, alle nicht beantwortet haben. ({1}) Deshalb möchte ich die Frage noch einmal andersherum formulieren. Ich kann für meine Partei, die Grünen, sagen, dass wir uns nie wieder auf eine solche Form der Regelung einlassen werden, wenn sie so leicht zu ändern ist. Wie wollen Sie gegenüber den Beteiligten in der Industrie sicherstellen, dass die Investitionssicherheit, die sie brauchen, in Zukunft gewährleistet ist? Wollen Sie mit Grundgesetzänderungen arbeiten? Meine Frage lautet: Wenn Sie dieses Instrument so diskreditieren, wie Sie es hier tun, was wollen Sie dann eigentlich machen?

Katherina Reiche (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003209

Herr Kollege, zunächst muss ich sagen, dass ich es schade finde, dass Sie das Recht der Parlamentarier, die Regierung zu befragen, als nervig bezeichnen. ({0}) Ich glaube, es ist für uns alle ein Gewinn, wenn in eine Debatte eingestiegen wird, wie Sie das ja machen. ({1}) Insofern müssten Sie jetzt unter sich ausmachen, ob der Begriff „nervig“ tatsächlich die Qualität Ihrer Fragen beschreibt. ({2}) Ich weise dies ausdrücklich zurück. Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, Herr Ott, was gerade vom Kollegen Otto sozusagen abschließend zu dieser Debatte gesagt wurde. Keiner Regierung und keinem Parlament wird man jetzt oder in Zukunft das Recht nehmen können, andere gesetzliche Grundlagen zu beschließen, die Einfluss auf Investitionen haben können. Wir beabsichtigen nicht, rückwirkende Rege- lungen zu treffen, weil für uns der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt. Das heißt aber nicht, dass Rechtslagen für die Zukunft unabänderlich sind. Wir werden uns mit allen Beteiligten in einen Dia- log begeben, um einen Weg zu finden, die rechtlichen Grundlagen so zu ändern, dass wir zukünftig den Ener- giemix für unser Land gestalten können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir haben den zeitlichen Rahmen voll ausgeschöpft. Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beant- wortung der Fragen. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet.1) Die Fraktion der SPD hat zur Antwort der Bundesregierung auf die Frage 1 auf Drucksache 17/1107 eine Aktuelle Stunde verlangt. Dieses Verlangen entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Deshalb rufe ich nun den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD zur Antwort der Bundesregierung auf die Frage 1 auf Drucksache 17/1107 Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Elke Ferner für die SPDFraktion. ({0})

Elke Ferner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000535, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin- nen! Eigentlich könnte man eine feste Institution daraus 1) Die Antworten auf die Fragen 87 der Abg. Ute Koczy ({0}), 91 des Abg. Dr. Hermann Ott ({1}) und 114 der Abg. Caren Marks werden zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt. machen und sich jede Sitzungswoche - es spielt eigentlich keine Rolle, ob am Mittwoch, Donnerstag oder Freitag - über die öffentlichen Äußerungen der Koalitionsparteien bzw. einzelner Mitglieder der Koalitionsparteien unterhalten. ({2}) Aber wir können uns hier nicht darüber unterhalten, was die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Bundestag eigentlich vorhaben. ({3}) Ich hatte die Hoffnung, dass Herr Söder Manns genug ist, ({4}) hier von der Bundesratsbank aus seine Position im Bundestag vorzutragen. Aber offenkundig ist er zurückgepfiffen worden. ({5}) - Nein, ich wollte nicht zur Honorarreform sprechen. Lesen bildet; schauen Sie sich an, was auf der Tagesordnung steht. ({6}) Es geht darum, dass Sie, Herr Lanfermann, den Menschen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht reinen Wein einschenken wollen. ({7}) Sie sagen nicht, was passieren soll und mit welchen Mehrbelastungen die Menschen zu rechnen haben. ({8}) - Nein, bei Ihrer Kopfpauschale, Herr Lanfermann. ({9}) Ich kann feststellen, dass die schwarz-gelben Chaostage weitergehen. Wenn es nicht eine grobe Beleidigung für die Familie Hempel wäre, könnte man sagen, dass es bei Ihnen zugeht wie bei Hempels unterm Sofa. ({10}) An diesem Wochenende ist deutlich geworden, dass in dieser Koalition zumindest in einem Punkt Einigkeit besteht, auch zwischen Bayern - sprich: München - und Berlin. Die Einigkeit besteht darin, dass Sie alle der Auffassung sind, dass die Arbeitgeberbeiträge dauerhaft eingefroren werden sollen. Das hat Konsequenzen; darüber muss man in diesem Haus sprechen können. ({11}) - Herr Lanfermann hat gerade gesagt, es habe positive Konsequenzen. Ich will Ihnen vorrechnen, mit welchen positiven Konsequenzen die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung rechnen können: ({12}) Das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags bedeutet, dass künftig die Versicherten alle Mehrkosten, die entstehen, tragen müssen: die Mehrkosten aufgrund der demografischen Entwicklung, aufgrund des medizinischen Fortschritts, aufgrund der Unfähigkeit dieser Bundesregierung, im Hinblick auf die Ausgaben auch nur irgendetwas zu unternehmen, ({13}) die Mehrkosten aufgrund der Einlösung der Versprechungen von FDP und CDU/CSU an ihre Klientel und aufgrund der Mindereinnahmen infolge der von Ihnen geplanten Ausweitung des Niedriglohnsektors. ({14}) All diese Kosten wollen Sie auf dem Rücken der Versicherten abladen. ({15}) Der BVA-Präsident hat letzte Woche geschätzt, dass das Defizit 15 Milliarden Euro betragen wird. Nach dem Modell Rösler, der Kopfpauschale, hätte dies zur Folge, dass jedes GKV-Mitglied 24 Euro im Monat zusätzlich auf den Tisch des Hauses legen müsste. ({16}) Das entspricht 288 Euro im Jahr. Allein dadurch wäre Ihre Kindergelderhöhung für Familien mit einem Kind schon verfrühstückt. ({17}) Über die Rentner und Rentnerinnen, für die dies de facto eine Rentenkürzung ist, habe ich bis jetzt noch gar nicht geredet, ({18}) auch nicht über die Studierenden und über die 40 Millionen GKV-Versicherten, die ein Einkommen von weniger als 2 500 Euro haben. Nach dem Modell Söder hätte das Defizit zur Folge, dass der Beitragssatz um 1,5 Prozentpunkte erhöht werden müsste; auch diese Beitragssatzerhöhung müsste allein von den Versicherten getragen werden. Bei einem Monatseinkommen von 2 000 Euro sind das schlappe 30 Euro im Monat, also 360 Euro im Jahr. ({19}) Herr Lanfermann, das sind Ihre „Segnungen“, das ist das „Gute“ und „Positive“, das sich aus diesen Vorschlägen ergibt. Das wird nicht reichen. Zum Thema „automatischer Sozialausgleich“ kann ich Ihnen nur sagen: Es ist völlig ungeklärt, wie er funktionieren und woher das Geld kommen soll. ({20}) Die Steuern wollen Sie ja nicht erhöhen. ({21}) Im Gegenteil, Sie wollen die Steuern sogar senken. Ich sage Ihnen: Sie sind ein Sicherheitsrisiko für unseren Sozialstaat. ({22}) Man erkennt auch an den aktuellen Umfrageergebnissen: Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Beliebtheit der schwarz-gelben Koalition genauso weit gesunken ist wie die Beliebtheit der Kopfpauschale, die übrigens nicht kommen wird. ({23}) Ich denke, in diesem Sinne können die Wähler und Wählerinnen in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai auch darüber abstimmen, ob sie 360 Euro im Jahr mehr bezahlen wollen oder nicht. Schönen Dank. ({24})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Ferner, erst ärgern Sie sich darüber, dass ein bayerischer Staatsminister mehr mediale Aufmerksamkeit bekommt als alle Gesundheitspolitiker der SPD zusammen, ({0}) und dann stellen Sie Markus Söder in den Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde. Ich muss sagen: Dass ich das noch einmal erleben durfte! Das ist eine innovative Therapieform: Markus Söder als Antidepressiva gegen die mangelnde mediale Wahrnehmung der SPD. ({1}) Das Thema ist ernst. Es geht um die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung. ({2}) Wir wissen, dass wir hier vor außerordentlich großen Herausforderungen stehen. Wir wissen auch, dass im kommenden Jahr ein Defizit zu erwarten wäre, wenn jetzt nichts getan würde. ({3}) Deshalb sind wir miteinander im Gespräch. Wir sagen: Eine Systemumstellung bedarf einer gründlichen Beratung. ({4}) Sie bedarf einer gründlichen Beratung im Hinblick auf die Finanzierung, und sie bedarf einer gründlichen Beratung im Hinblick auf den Bauplan. ({5}) Die zentralen Kriterien, an denen sich der Erfolg des Umbaus des Systems messen lassen muss, sind ein Mehr an Gerechtigkeit, ein Abbau der Bürokratie und eine Steigerung der Leistungsfähigkeit. ({6}) Das ist seit langem öffentlich bekannt. Hätten Sie das wissen wollen, hätte ein Telefonanruf bei mir genügt. ({7}) Ich hätte Ihnen das erklären können. Dafür braucht man keine Aktuelle Stunde. ({8}) Liebe Kollegen von der SPD, „Opposition ist Mist“, das hat vor einiger Zeit ein ehemaliger Parteivorsitzen3052 der von Ihnen zu Recht festgestellt. Ich kann durchaus verstehen, dass es Sie ärgert, nicht in der Regierungskommission mitgestalten zu können. ({9}) Ich sage Ihnen aber: Das geschieht zu Recht. ({10}) Denn mit der Geschwindigkeit, mit der Sie frühere Positionen räumen, sind Sie keine verlässliche Größe mehr in der Gesundheitspolitik. ({11}) - Hören Sie einmal zu! ({12}) Sie wollen den Sonderbeitrag, den Sie 2003 selbst eingeführt haben, abschaffen. ({13}) Sie wollen den Zusatzbeitrag zum Gesundheitsfonds, den Sie 2007 mit uns eingeführt haben, abschaffen. ({14}) Sie wollen die Praxisgebühr, die Sie 2003 selbst eingeführt haben, abschaffen und damit die Eigenverantwortung der Versicherten schwächen. ({15}) Was Sie hier aufführen - Positionen räumen und ständig Drehungen vollführen -, ({16}) ist allenfalls ein besonderes Subventionsprogramm für einen bestimmten Bereich der Pharmaindustrie, nämlich für den Teil der Pharmaindustrie, der Medikamente gegen Gleichgewichtsstörungen herstellt. ({17}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen ja selbst nicht, was gelten soll. ({18}) Seit vielen Jahren sprechen Sie davon, dass eine Bürgerversicherung eingeführt werden soll. Wie die Finanzierung aussehen und wo die Bemessungsgrenze liegen soll, wollen Sie nicht sagen. ({19}) Sagen Sie endlich: Muss der Rentner, muss die Rentnerin Mieteinnahmen, Sparzinsen oder die kleine Zusatzrente einbeziehen, wenn der Beitrag berechnet wird? Insofern ist Ihre Bürgerversicherung der beste Weg zu einer großangelegten Bürgerverunsicherung. Sie haben Staatsminister Söder angesprochen. Herr Söder hat mit seinen Äußerungen einen sensiblen Punkt angesprochen, nämlich den des regionalen Ausgleichs. ({20}) Eine Reihe von Bundesländern, vor allem im Süden unseres Landes, leisten einen erheblichen Solidarbeitrag innerhalb der GKV. Wie dieser Solidarausgleich in der richtigen Balance gehalten werden kann, darüber lohnt sich in der Tat eine Debatte. ({21}) Zu einer ernsthaften Debatte sind Sie aber nicht bereit. ({22}) Sie lamentieren und kritisieren; wir sorgen in dieser Koalition dafür, dass die Krankenkassen leistungsfähig bleiben. ({23}) Deshalb haben wir den gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr einen Solidarbeitrag von 15,7 Milliarden Euro aus der Steuerkasse gegeben - ohne Diskussion, kurzfristig, schnell und entschlossen. ({24}) Das ist der Unterschied: Sie lamentieren, wir regieren. Und das ist gut so. ({25})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Kathrin Vogler ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Volksmund sagt: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wer ist eigentlich der Dritte, der sich über den Streit der schwarz-gelben Koalition in Sachen Gesundheitspolitik, in Sachen Finanzierung der Krankenkassen freuen kann? Es lohnt sich, näher hinzusehen: Die Bundesregierung plant die schrittweise Einführung einer Kopfpauschale. ({0}) Wie hoch diese Kopfpauschale sein wird, das - die Kollegin Ferner hat das deutlich gemacht - wollen Sie nicht sagen. Alle bisher bekannt gewordenen Modelle bedeuten aber, dass die Beiträge vieler Versicherten steigen, außer die Beiträge derjenigen, die ein höheres Einkommen haben. Wer gut verdient, wird entlastet; die Zeche zahlen die weniger gut Betuchten. ({1}) Nun schießt die CSU aus Bayern dazwischen. Herr Söder markiert den starken Mann, indem er lautstark gegen das Kopfpauschalenmodell kämpft, will aber eine Ausweitung der Zusatzbeiträge. Der Kollege Zöller - Mitglied der CSU-Landesgruppe hier im Haus - hält das Ganze öffentlich für Kasperletheater. Beim Kasperletheater sollte man sich immer fragen: Wer ist hier eigentlich der Kasper, ({2}) wer die Gretel und wer der böse Hotzenplotz? ({3}) - Das Krokodil nicht zu vergessen. Man wundert sich ja schon, wie die Partner einer Koalition, zwischen die nach der Auffassung meines verehrten Kollegen Spahn von der CDU gar kein Blatt passt, in der Öffentlichkeit so laut über eines ihrer strategischen Projekte streiten können. Das sind aber nur Scheingefechte. ({4}) In einem sind Sie sich nämlich alle einig: Die Arbeitgeberbeiträge sollen eingefroren werden, künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen wollen Sie allein den Versicherten aufbürden, also den abhängig Beschäftigten sowie den Rentnerinnen und Rentnern, die Beitragsbemessungsgrenze, mit der die Beiträge von Besserverdienenden begrenzt werden, wollen Sie nicht antasten, und auch von einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze sind Sie weit entfernt. Wer ist beim CSU-Modell jetzt also der lachende Dritte? Kollege Singhammer hat das gerade ja mit beneidenswerter Offenheit angedeutet: Er möchte sozusagen die regionale Spaltung Deutschlands, also die Spaltung der Versicherten in den unterschiedlichen Bundesländern bzw. Regionen. Das heißt, da, wo die Menschen ärmer und kränker sind, sollen sie künftig mehr bezahlen. ({5}) Das ist „bayerische Solidarität“. Da machen wir nicht mit. ({6}) Ganz besonders freuen könnten sich aber die Konzerne, die private Krankenversicherungen anbieten; denn sie haben Angst vor der Rösler’schen Kopfpauschale, weil sie fürchten, dass ihnen ihre Kunden weglaufen, da sie von niedrigeren Beiträgen in die gesetzliche Krankenversicherung gelockt werden könnten, wenn die Beiträge der Gutverdienenden für die gesetzliche Krankenversicherung sinken. Wenn man dann weiß, dass die Allianzgruppe, der größte deutsche Versicherungskonzern, ihren Sitz in München hat und die CSU jedes Jahr mit großzügigen Spenden versorgt, ({7}) dann wird doch klar, dass nicht nur die FDP Klientelpolitik richtig gut kann. ({8}) Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Rolle der SPD. In Nordrhein-Westfalen sammelt sie gerade Unterschriften gegen die Kopfpauschale. ({9}) Auch das CSU-Modell - das haben wir gerade gehört stößt bei ihr nicht auf Begeisterung. Lieber Kollege Lauterbach, wo waren Sie denn am 31. Januar 2007, als der Gesundheitsausschuss den Gesundheitsfonds und damit auch die Zusatzbeiträge beschlossen hat, die doch die Grundlage für das jetzige Theater hier bilden? ({10}) Sie sind mit Ihrer Kritik an den schwarz-gelben Konzepten auch nur bedingt glaubwürdig; denn beinahe alles, was Sie hier und jetzt kritisieren, haben Ihre Bundesregierungen auf den Weg gebracht: ({11}) den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung, die Zusatzbeiträge und eine ganze Reihe von Leistungsausgrenzungen und Zuzahlungen, ({12}) wie zum Beispiel die Praxisgebühr. Dies führt schon jetzt dazu, dass die Versicherten, die Kranken, die Patientinnen und Patienten die größte Last der Gesundheitskosten tragen. Wir haben das ja schon gehört: Es ist Wahlkampf im bevölkerungsreichsten Bundesland. ({13}) Im Wahlkampf macht sich schon einmal ein Gesundheitsminister von der CDU zum Sprachrohr für das Gejammer der Ärzteschaft, die in Nordrhein-Westfalen angeblich am Hungertuch nagt. Ich komme aus NordrheinWestfalen. Mir ist da noch kein wirklich verhungert aussehender Doktor begegnet. ({14}) Dies tun Sie auch noch - das hat uns der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Gesundheitsministerium, Daniel Bahr, gerade bestätigt - auf der Basis von bloßen Schätzungen und nicht auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten. Was macht die SPD? Sie spielt in diesem Kasperletheater das niedliche kleine Gretchen, das ganz unschuldig und naiv dem schwarzen Hotzenplotz in die Hände gefallen ist. ({15}) Entschuldigung, aber das nehmen wir Ihnen nicht ab. Auch die Wählerinnen und Wähler in NRW werden wissen, dass es nur ein wirksames Rezept gegen Ihre Amnesie auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik gibt, nämlich eine starke Linke; ({16}) denn nur wir werden die Umverteilung von unten nach oben, die Selbstbedienung der Pharmaindustrie und die Privatisierung des Gesundheitswesens wirksam stoppen. ({17})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Heinz Lanfermann für die FDP-Fraktion. ({0})

Heinz Lanfermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002717, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat hier ein bisschen Verwirrung hineingebracht. Diese Aktuelle Stunde ist aus der Frage 1 der heutigen Fragestunde entwickelt worden: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Auswirkungen der Honorarreform, die seit 1. Januar 2009 in Kraft ist, auf die Vergütung niedergelassener Kassenärztinnen und -ärzte … Dazu hat Frau Ferner aber überhaupt nicht gesprochen. Das ist auch kein Wunder, weil Sie ja alles verdrängen, was die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auf den Weg gebracht hat. ({0}) Sie haben kein Wort darüber verloren, wie viel Verwirrung sie gestiftet hat, sodass sich kein Mensch mehr auskennt und wir erst einmal mühsam nachvollziehen müssen und prüfen müssen, was da eigentlich gelaufen ist und wie man die gröbsten Fehler beseitigen kann. ({1}) Die Kollegin Ferner hat aber Sehnsucht danach, hier jede Woche zu sprechen; das haben wir gehört. Sie möchte das sozusagen zur Institution machen, ({2}) wahrscheinlich mit Blick auf die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Dort wollten Sie mit einer Unterschriftenaktion, mit einer Mischung aus Halbwahrheiten und Hier-und-da-etwas-Weglassen die Leute gegen den „Weltuntergang“ mobilisieren, als den Sie die Kopfpauschale immer bezeichnen. Aber das ist ersichtlich falsch, weil das niemand will. ({3}) Bei Ihrer Unterschriftenaktion haben bisher unter 3 Promille der Wahlberechtigten unterschrieben. Etwas besser dürfen Sie am 9. Mai schon abschneiden. ({4}) Allerdings dürften die Hoffnungen begrenzt sein. Sie haben hier ja schon, sozusagen als freudsche Fehlleistung, die Falschmeldung, es gäbe eine Prämie in Höhe von 29 Euro, in 23 Euro umgewandelt. Das allerdings, Frau Ferner, war Ihr Bundestagswahlergebnis in Prozent - nur damit das noch einmal gesagt wird. ({5}) In dieser Aktuellen Stunde, haben wir gehört, wollen Sie den Vorschlag eines bayerischen Ministers diskutieren. Aber so aktuell ist dieses Thema nicht; denn seit fünf Monaten ist dieser Vorschlag Vergangenheit und absolut erledigt. ({6}) Hier im Raum sind mehrere Zeugen, die dabei gewesen sind. Der Vorschlag wurde im Oktober vorgelegt. Aber da er vorsieht, den Arbeitnehmerbeitrag einkommensabhängig auszugestalten, hat er sich erledigt; denn im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass langfristig eine Lösung mit einem einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrag erzielt werden soll. Darüber berät jetzt in aller Ruhe die Regierungskommission. ({7}) Es kann vielleicht sein, dass sein persönlicher Referent auf dieses A4-Blatt statt „Ablage“ versehentlich „Wiedervorlage Frühlingsanfang“ geschrieben hat. So ist es eben mit der Frühlingssonne wieder aufgetaucht und hat seinen Weg in die Medien gefunden. Aber, meine Damen und Herren, was ist denn der eigentliche Anlass für diese wöchentlichen Debatten, nach denen sich Frau Ferner so sehnt? ({8}) Es ist ein Versteckspiel, ein Theaterspiel. ({9}) Es ist aber kein Kasperletheater - darauf könnte man leicht kommen -, nein, es ist ein Theaterstück, abgeleitet von Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Aber hier heißt es: Warten auf Lauterbach. ({10}) Am 17. Dezember 2009, meine Damen und Herren, hat Herr Lauterbach von diesem Pult aus Folgendes vorgetragen: Ich komme nun zu den konkreten Vorschlägen der SPD: Wir werden einen konkreten, durchfinanzierten Vorschlag für eine Bürgerversicherung machen. Das kündige ich hiermit an. ({11}) Das war am 17. Dezember 2009. Am 4. März 2010 hat er das wiederholt. Inzwischen sind einige Monate vergangen, und gekommen ist nichts. ({12}) Ein Antrag wurde hier vorgelegt, den wir diskutiert haben. Darin stand: Wir wollen eine Bürgerversicherung, und wir fordern die Bundesregierung auf, uns hierfür ein Konzept vorzulegen. - Es ist ein einmaliger Fall, dass die Opposition die Regierung für sich arbeiten lassen will. Ich habe Sie schon damals in allem Ernst aufgefordert, Ihre Hausaufgaben doch bitte schön selber zu machen. ({13}) Gestern, meine Damen und Herren, hat die Kollegin Mattheis auf einer Podiumsdiskussion, die der BDI veranstaltet hat, gesprochen. Sie hat sich dazu geäußert, wann wir denn mit diesen Vorschlägen rechnen können. Sie können mich korrigieren, aber ich habe gehört, dass Sie von Juni gesprochen haben. Deswegen bitten wir Sie allen Ernstes - es sprechen ja gleich noch Redner aus Ihrer Fraktion hier am Pult -: Sagen Sie uns doch endlich, wann Sie diese Vorschläge vorlegen wollen, wann Sie den Bürgern sagen wollen, wie viel Prozent ihrer Mieteinkünfte Sie bei Ihrer Bürgerversicherung als zusätzlichen Beitrag erheben wollen. ({14}) Sagen Sie uns, wie viel Prozent von den Zinseinnahmen aller Bürger Sie zur Finanzierung Ihrer Bürgerversicherung als zusätzlichen Beitrag erheben wollen. ({15}) Geben Sie erst einmal Auskunft vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen, damit alle Menschen auch wissen, was sie zu erwarten haben, wenn Sie dort eine rot-rot-grüne Regierung installieren. ({16}) Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({17})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Birgitt Bender das Wort.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lanfermann, Sie knüpften vorhin an die Fragestunde an. Wenn die Frage heißt „Welche Erkenntnisse hat diese Regierungskoalition über die künftige Gesundheitspolitik?“, dann muss die Antwort heißen: keine. ({0}) Man kann in Ihre Richtung auch anders fragen: Üben Sie noch, oder regieren Sie schon? Man weiß es wirklich nicht. ({1}) Das ist inzwischen wie in einer Daily Soap, wobei man vergisst, dass man nicht vor der Glotze sitzt, sondern dass dies ein Parlament ist und das Geschäft eigentlich Regieren heißen soll. Aber entweder wollen Sie nicht, oder Sie können es nicht. ({2}) Die Frage richtet sich insbesondere an die CSU. Gewiss, der Unterhaltungswert ist nicht gering. Da hat es einen adrenalingepeitschten bayerischen Jungmann aus der Nachwuchsklasse, der täglich neue Schlachten ficht, und dann eine Landesgruppe der CSU aus gesetzten älte3056 ren Herren, die sich überlegt, woher sie jetzt ein Beruhigungszäpfchen nimmt und wie sie es appliziert. ({3}) Das ist alles gut und schön, aber es verdeckt das tieferliegende Problem. Das tieferliegende Problem ist, dass eine Partei Teil dieser Regierungskoalition ist, die sich vor allem als bayerische Regionalpartei sieht. Sie kämpft für bayerische Sonderinteressen. Was heißt denn das sogenannte Konzept von Söder? Er will die derzeit von den Versicherten allein zu tragenden 0,9 Prozentpunkte und die Zusatzbeiträge in einen zusätzlich zum üblichen einkommensbezogenen Beitrag von den Versicherten zu tragenden Extrabeitrag von 1,5 Prozent umwandeln. ({4}) Auf Deutsch, Herr Kollege Zöller, sind das 2 Milliarden Euro Mehrbelastung für die Versicherten bei eingefrorenem Arbeitgeberbeitrag. ({5}) Damit nicht genug, soll erstens das Geld, das die bayerischen Versicherten zahlen, in Bayern bleiben, und weil es so schön ist, soll es zweitens für Bayern noch einen zusätzlichen Zuschuss aus dem Gesundheitsfonds geben. Das bedeutet, die Versicherten in MecklenburgVorpommern zahlen etwas extra für die bayerischen Ärztehonorare. Ich gratuliere! ({6}) Dabei merkt man, dass es nicht darauf ankommt, wirklich etwas durchzusetzen. Denn das glaubt doch kein Mensch. So blöd sind selbst Sie nicht, wie Sie dort sitzen, dass Sie so etwas machen könnten; es kommt vielmehr auf den Gestus an. ({7}) Das ist die bayerische Variante der Soap Opera nach dem Motto „Hauptsache, wir haben es laut genug gesagt“. Wie sagte Seehofer mal so schön: Unser Arbeitsplatz ist München; unser Kampfplatz ist Berlin. - Die CSU will gar nichts anderes, als vor allem laut sein und mit großem Gestus Politik machen. Da zählt nicht die Frage, was sie durchgesetzt haben, sondern die Zahl der Medienauftritte. Sie sollten sich fragen, ob die Koalition damit regierungsfähig ist. Ich glaube, die Antwort heißt Nein. ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Jens Spahn für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Vogler, das ist kein Scheingefecht, sondern eine Scheindebatte, die wir hier führen. ({0}) - Liebe Frau Kollegin Ferner, Sie sind es, die uns jede Woche durch Ihre Anträge und das, was Sie hier diskutieren wollen, dazu bringen, dass wir darüber reden, und dann beschweren Sie sich. ({1}) Ich weiß nicht, welcher Anlass Sie noch dazu bringen könnte, Aktuelle Stunden zu beantragen: wenn sich rheinland-pfälzische Minister zum Walfang im Südpazifik oder Bremer Senatoren zur Mehrwertsteuer äußern? Das Problem ist, dass Ihnen kein Anlass klein genug ist, um nicht jede Woche die gleiche Debatte mit den gleichen Überschriften, aber leider mit wenig Substanz zu führen. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Es ist noch keine Woche her, seit ich schon einmal auf das Murmeltierphänomen hingewiesen habe. Man kommt sich vor wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Jede Woche führen wir hier die gleiche Debatte. ({3}) Das, was Sie mantraartig wiederholen, wird dadurch nicht richtiger. Unser Ziel ist es wert - zumindest, wenn man dies möchte und auch ein gewisses Interesse an den Sachfragen und daran hat, die Probleme zu lösen und die Herausforderungen zu bewältigen -, ({4}) darüber auch einmal sachlich zu diskutieren, statt einen Popanz aufzubauen, wie Sie es immer machen. ({5}) Der Sozialausgleich bzw. die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung darf nicht ausschließlich auf dem Rücken der 28 Millionen abhängig Beschäftigten und ihren Arbeitgebern ausgetragen werden. ({6}) Vielmehr muss es uns gelingen, eine breitere Grundlage für die Finanzierung, insbesondere für den Sozialausgleich zu finden. Deswegen wollen wir einen steuerfinanzierten Sozialausgleich, der alles umfasst. ({7}) - Liebe Kollegin Ferner, das ist insofern eine gewisse intellektuelle Herausforderung, als das Anliegen spannenderweise das Gleiche ist. Auch Sie wollen eine breitere Bemessungsgrundlage. Wir werden aber - ich glaube, das ist Ihr größeres Problem - in dieser bürgerlichen Koalition diesem Ziel wesentlich näher kommen, als Sie es in den letzten Jahren geschafft haben. Das beschäftigt Sie. ({8}) Die gestrige Podiumsdiskussion ist schon vom Kollegen Lanfermann angesprochen worden. Dort haben wir gelernt, dass die SPD seit 2003 ein Bürgerversicherungskonzept erarbeitet. Bis heute haben Sie es aber nicht geschafft, ein solches Konzept vorzulegen. ({9}) - Ihre Frau Kollegin Mattheis hat gestern gesagt, seit 2003 werde daran gearbeitet und Mitte dieses Jahres könnten wir vielleicht mit einem Ergebnis rechnen. ({10}) - Das hat sie ganz sicher gesagt, und zwar vor vollem Saal. Wenn Sie es von 2003 bis 2010 nicht schaffen, ein vernünftiges Konzept zu erarbeiten, dann geben Sie doch der Regierungskommission die paar Wochen, die sie braucht, um ein gemeinsam abgestimmtes Konzept vorzulegen, ({11}) mit dem wir das Ziel - hier sind wir eigentlich gar nicht so weit auseinander - erreichen wollen. Das wäre eine gewisse Fairness in der Diskussion. ({12}) - Da müssen Sie im Zweifelsfall den Kollegen fragen. Ich weise darauf hin, dass es das Anliegen aller drei die Koalition tragenden Parteien ist, ({13}) tatsächlich eine tragfähige, zukunftsfähige Finanzierung des Gesundheitswesens zu schaffen. Das eigentliche Problem ist, dass der demografische Wandel - wir alle werden immer älter; das ist etwas Schönes - und der medizinische Fortschritt - man kann heute in der Krebstherapie und der Krebsdiagnose Krankheiten behandeln und erkennen, die man vor 20 Jahren nicht behandeln bzw. erkennen konnte -, die das Gesundheitswesen teurer machen und die Ausgaben steigen lassen, nicht automatisch zu steigenden Arbeitskosten führen dürfen. Darüber, dass wir hier eine Entkopplung brauchen, herrscht Konsens bei allen drei die Koalition tragenden Parteien. Darüber sollten Sie sich keine Sorgen machen, liebe Frau Kollegin Ferner. ({14}) Frau Kollegin Vogler, zu den Ärztehonoraren. Wenn mich nicht alles täuscht, kommen Sie genauso wie ich aus dem Münsterland, einer ländlichen Region. Das, was wir bei der letzten Honorarreform gemacht haben, hat insbesondere darauf gezielt, die Situation der Hausärzte auf dem Land nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in anderen Regionen zu verbessern. Ich finde es daher bemerkenswert, dass Sie das so abtun, wie Sie es gerade getan haben. Das werden wir auch zu Hause kommunizieren; darüber machen Sie sich keine Sorgen. Man fragt sich, welche Interessen Sie hier vertreten. ({15}) Wenn der nordrhein-westfälische Landesminister darauf hinweist, dass NRW aufgrund historischer Zusammenhänge etwas anders dasteht und für einen gewissen Ausgleich kämpft, dann sollten Sie ihn auch und gerade in Wahlkampfzeiten unterstützen, anstatt solche Reden hier zu halten. ({16}) Auch das werden wir zu Hause kommunizieren. Worüber wir hier diskutieren, ist kein Selbstzweck. Uns geht es vielmehr um eine vernünftige finanzielle Grundlage für eine gute, flächendeckende medizinische Versorgung - auch in den ländlichen Regionen, auch im Münsterland -, die die Menschen beim medizinischen Fortschritt mitnimmt. Das ist aller Mühen wert. Ich bleibe dabei: Wir sind frohen Mutes an der Arbeit. ({17})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl Lauterbach für die SPD-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003797, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich dem Kollegen Zöller ganz herzlich danken. Er hat gestern vorgetragen, dass er von Herrn Söder die Schnauze voll hat. ({0}) Ich schließe mich ihm an. Er hatte in der gestrigen Sendung, in der ich auf ihn getroffen bin, schon Kreide gefressen. Heute ist er gar nicht da. Ich danke Ihnen für die Unterstützung, Herr Zöller. ({1}) Jetzt zu Ihnen, Herr Lanfermann. Was beobachten wir im Moment? Neue Vorschläge von Herrn Söder. Herr Söder gegen Herrn Friedrich. ({2}) Herr Friedrich gegen Herrn Zöller. ({3}) Bei der FDP: Rösler gegen den Landesminister im Saarland. Wir haben eine unglaubliche Verwirrung. ({4}) - Es ist doch Ihre eigene Verwirrung. Herr Lanfermann, Sie sind doch durch geringere Anlässe verwirrbar. ({5}) Denken Sie sich doch in unsere Situation! Uns wird von Ihnen jeden Tag eine andere fischige Geschichte, wie es weitergehen soll, aufgetischt. Als einzige Weisheit hören wir gelegentlich, dass wir alle älter werden und dass es technischen Fortschritt gibt, was wir gerade wieder von Herrn Spahn gelernt haben. Ich bitte Sie! ({6}) Wir wollten diese Aktuelle Stunde, weil wir wissen wollen, wie es de facto weitergehen soll. Anlass ist nicht Herr Söder, sondern das 15-Milliarden-Euro-Defizit, das wir im nächsten Jahr erwarten. Darum geht es. ({7}) - Sie belachen dies. Für diese herablassende Art, das Thema herunterzuspielen, bekommen Sie - Herr Lanfermann, erinnern Sie sich an meine Worte! - bei der NRW-Wahl die Quittung. ({8}) - Nein, wir kennen uns damit nicht aus. Herr Spahn, in Ihre Richtung sage ich: Sie verlangen von uns regelmäßig, dass wir jetzt ad hoc das Konzept der Bürgerversicherung, durchgerechnet, vorlegen. Herr Spahn, wovon gehen Sie aus? Gehen Sie von Neuwahlen aus? ({9}) Hält diese Regierung nicht durch, sodass wir hier zuzuliefern haben? Ist es das? Ich sage: Der Klamauk muss ein Ende haben. ({10}) - Der Klamauk auf Ihrer Seite. Die Späße müssen ein Ende haben. 15 Milliarden Euro Defizit. Wir hören: 29 Euro soll jetzt die kleine Kopfpauschale betragen. Die Leute werden verunsichert ohne Ende. ({11}) Das ist der Sonderbeitrag, der zu zahlen ist, weil Sie in fünf Monaten Regierungszeit nicht einen einzigen konkreten Vorschlag, kein einziges Konzept, nichts vorgelegt haben. ({12}) Das hat es in der Gesundheitspolitik noch nie gegeben. Die Kosten laufen davon. Es ist kein Ende in Sicht. ({13}) - Verunsichernd sind Ihre Vorschläge. Wir machen damit nur Wahlkampf, und das ist auch richtig so. ({14}) Wir machen Wahlkampf mit Ihrer Inkompetenz. Sie legen nichts vor. ({15}) Die Wahl in Nordrhein-Westfalen wird die Schicksalswahl für das solidarische Gesundheitssystem sein. Nur durch diese Wahl ist Ihrer Inkompetenz, Ihrer Zauderei, Ihrem Versuch, die Arbeitgeber im Hinblick auf die demografische Alterung zu entlasten, im Bundesrat Einhalt zu gebieten. Das machen wir zum Thema, ob Ihnen das gefällt oder nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({16}) Ich komme zum Abschluss. - Sie wollen - da treffen sich Herr Söder und Herr Rösler - die Arbeitgeber bei den Herausforderungen des technischen Fortschritts und der demografischen Entwicklung herausnehmen und entlasten, egal wie. Sie sind im Prinzip die Koalition des Schutzes der Arbeitgeber, mehr nicht. Sie sind sozusagen die Arbeitgeberkoalition. ({17}) Sie wollen aber von den Arbeitnehmern gewählt werden, und das wird Ihnen nicht gelingen. Es geht Ihnen nur darum, wie der Arbeitgeber entlastet wird. Soll der Sonderbeitrag steigen, wie von Herrn Söder vorgeschlagen, oder soll die Kopfpauschale kommen? Sie überlegen sich krampfhaft: Wie gelingt es uns, den Arbeitgeber aus der Verantwortung zu nehmen? In einer Zeit, wo zum Teil Hungerlöhne gezahlt werden, wo Sie Mindestlöhne blockieren, ({18}) haben Sie in der Gesundheitspolitik nichts anderes vorzutragen als die Frage, wie der Arbeitgeber entlastet werden kann. ({19}) Kein einziger Vorschlag zur Vorbeugepolitik! Kein einziger Vorschlag zur Qualität! Kein einziger Vorschlag zur Effizienz! Es geht nur darum, die Arbeitgeber zu entlasten. Mehr bringt diese schwarz-gelbe Koalition nicht zu Papier, und da ist sie noch zu feige, Ross und Reiter zu nennen, weil sie Angst hat - ich sage: mit Recht -, die NRW-Wahl zu verlieren. ({20}) Zum Abschluss, Frau Präsidentin, Folgendes: Die Lage ist die: Nicht nur Herr Zöller hat die Schnauze voll, nicht nur wir haben die Schnauze voll, sondern auch - schauen Sie in die aktuellen Umfragen - der Bürger hat die Schnauze voll. Das sage ich mit Recht. Das haben wir nicht verdient; das hat der Bürger nicht verdient. Herr Singhammer, wenn Sie meinen, dass wir medial nicht die Aufmerksamkeit haben, die Sie uns gönnen, ({21}) kann ich nur sagen: Machen Sie sich keine Sorgen;

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003797, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- die Aufmerksamkeit, die Sie haben, haben wir allemal. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Erwin Lotter für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Erwin Lotter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003895, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war Heiner Geißler, der 1974 zum ersten Mal von einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen gesprochen hat. Weil die Gesundheitskosten ganz eng an die Arbeitskosten geknüpft sind, waren alle bisherigen Gesundheitsreformen im Wesentlichen Kostendämpfungsgesetze. Diese Kostendämpfungsgesetze haben im Laufe der Zeit dazu geführt, dass das Gesundheitssystem immer mehr reguliert wurde und dass die Bürokratie ein Ausmaß angenommen hat, das man wirklich nur noch als absurd bezeichnen kann, wenn man sieht, dass zum Beispiel ein Apotheker einen Kostenvoranschlag erstellen muss, wenn er eine Urinflasche für 10 Euro abgeben will, oder dass ich einen eigenen Antrag stellen muss, wenn ich einen Rehaantrag für einen Patienten stellen will. ({0}) Dabei wurden die eigentlichen Probleme dieses Gesundheitssystems nicht gelöst und die eigentlichen Herausforderungen nicht angegangen, nämlich die demografische Entwicklung, die Frage, wie der medizinische Fortschritt für alle bezahlbar bleiben kann, und die Frage, wie die Versorgung mit Haus- und Fachärzten in der Fläche sichergestellt werden kann. Das wird in der Zukunft das große Problem und die große Herausforderung werden. ({1}) Der vorläufig letzte Versuch, das Gesundheitswesen neu zu ordnen, war der Gesundheitsfonds, ein untaugliches Instrument, das zu regionalen Verwerfungen und Verwerfungen innerhalb der Facharztgruppen geführt hat. ({2}) - Natürlich! ({3}) - Sprechen Sie doch mit den Kollegen in NRW, Frau Ferner! Sprechen Sie mit den Kollegen in Bayern! Sprechen Sie mit den Hausärzten in Berlin! ({4}) Sie werden Ihnen alle das Gleiche sagen. Es hat zu Verwerfungen geführt. Darüber hinaus ist dieser Gesundheitsfonds absolut unterfinanziert. In diesem Jahr fehlen 8 Milliarden Euro, sodass 3,9 Milliarden Euro Steuermittel zugeschossen werden müssen. Für das nächste Jahr wird ein Defizit von 6, ({5}) wahrscheinlich 11 und, wenn man die ungünstigsten Prognosen zugrunde legt, 16 Milliarden Euro an Steuermitteln, die in den Gesundheitsfonds fließen müssen, prognostiziert. Wie sollen die Zahlen dann erst im Jahr 2012 aussehen? ({6}) So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Es besteht Handlungsbedarf. ({7}) In dieser Situation ist der Vorschlag von CSU-Gesundheitsminister Söder eher kontraproduktiv. Er läuft auf ein forsches „Weiter-so!“ hinaus. Es ist eine Fortschreibung der jetzigen Finanzierung des Gesundheitswesens mit allen eklatanten Problemen. Der Gesundheitsfonds soll erhalten bleiben. Eine Entkoppelung der Gesundheits- von den Arbeitskosten findet nicht statt. Im Gegenteil, die Versicherten sollen einkommensabhängige Zusatzbeiträge zahlen, und zwar bis zu 1,5 Prozent ihres Einkommens. Das ist ein ungeeignetes Konzept. Es ist auch keinerlei Fortschritt gegenüber der verkorksten Gesundheitspolitik der Opposition. Es war ja die SPD, die uns maßgeblich den Gesundheitsfonds eingebrockt hat. ({8}) Es war die SPD-Ministerin Ulla Schmidt, die neun Jahre lang ungerührt Zentralismus und Bürokratie wuchern ließ. Es ist auch die SPD, die noch heute mit dem untauglichen Konzept der Bürgerversicherung eine langfristige Stabilisierung der Finanzen im Gesundheitswesen verhindern wollen würde. ({9}) Das ist erst recht keine Lösung der drängenden Probleme. Die Gesundheitsprämie ist eindeutig der bessere Weg. Die Arbeitskosten werden von den Gesundheitskosten - ({10}) - Das legt diese Kommission fest. Ja, das entwickelt die Kommission. Das ist aber allgemein bekannt, Frau Ferner. ({11}) Die Arbeitskosten werden von den Gesundheitskosten weitgehend unabhängig, und das halte ich für enorm wichtig, weil damit wirklich Druck aus dem System herausgenommen ist. Ein Sozialausgleich für die Schwächeren findet im Steuersystem statt, dort, wo er auch hingehört. Durch die schrittweise Einführung der Prämie wollen wir verhindern, dass der Bundeshaushalt überfordert wird. ({12}) Wir werden sehen, Frau Ferner, was die Regierungskommission zur Gesundheitsreform empfehlen wird. Es kann nur besser sein als die hilflosen und halbherzigen Vorschläge der SPD. ({13}) Diese Vorschläge gehen zulasten der Patienten und der Heilberufe. Wir als Freie Demokraten werden sie nicht mittragen. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort die Kollegin Dr. Carola Reimann für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Carola Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003434, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich erinnere mich, dass wir vor wenigen Wochen eine Aktuelle Stunde zur schwarz-gelben Gesundheitspolitik hatten. ({0}) Damals dachte ich, dass das Erscheinungsbild der Regierung insbesondere im Bereich der Gesundheitspolitik nicht schlimmer werden kann. Aber ich muss feststellen: Ich habe die Söders, Seehofers, Röslers und Kubickis unterschätzt; sie können noch schlimmer. ({1}) Während die CSU keine Gelegenheit auslässt, die Kopfpauschale zu kritisieren, womit sie ja recht hat, lässt Minister Rösler einen Testballon nach dem anderen aufsteigen: Einmal ist es eine Kopfpauschale von 29 Euro, einmal kostet der Sozialausgleich 10 Milliarden Euro im Jahr, dann wieder nur 5 Milliarden. Ich nehme an, demnächst gibt es einen Vorschlag, dass er gar nichts mehr kostet, weil er einfach gestrichen wird. ({2}) Ab und an verkündet dann der Minister via BILD-Zeitung, dass man bald oder demnächst, auf jeden Fall ziemlich schnell und unmittelbar in den nächsten Wochen, direkt vor Ostern oder später, etwas zu den Arzneimitteln vorlegen wolle; aber von der Regierungskommission dürfe man erst einmal keine Ergebnisse erwarten. Wer jetzt dachte, dass angesichts dieser Ankündigungen nun die große Ruhe und Besonnenheit aufkommt, der kennt die schwarz-gelben Koalitionäre schlecht: Kubicki will auf die CSU einhauen - O-Ton -, bis die Schwarte kracht, und Herr Söder sorgt gleich einmal am Anfang der Woche dafür, dass Herrn Kubickis Gewaltfantasien weiter Nahrung finden. ({3}) Während sich die Regierungskommission gerade noch vom anstrengenden Fototermin letzte Woche erholt, prescht Söder mit einem Bayern-Konzept vor. Den Grund dafür liefert er wieder via Presse - O-Ton -, die FDP-Kopfpauschale sei nicht umsetzbar, ({4}) und es sei - ein weiteres Zitat - „falsch, wenn man 80 Millionen Deutsche sozusagen zu Versuchskaninchen von Gesundheitsideologie macht“. ({5}) Einen Tag später ist es aber gar kein Bayern-Konzept mehr, sondern - so Landesgruppenchef Friedrich - nur noch eine „Ideenskizze“ von Söder. Diese, so beklagt dann der Kollege Straubinger in der Thüringer Allgemeinen, ({6}) hätte besser in der Kommission besprochen werden sollen. Gemeint ist aber nicht die Regierungskommission, um das eben schnell klarzustellen, sondern die CSU-Gesundheitskommission. Die gibt es auch noch, und ihr Vorsitzender ist Söder. ({7}) - Ja, das stiftet Verwirrung. Heute hören wir von Herrn Singhammer, dass er dem Söder-Vorschlag noch zu Teilen zustimmt. ({8}) Dieses ganze „Kasperletheater“ - so nennt es ja Herr Zöller - könnte ganz amüsant sein, ginge es dabei nicht um die Zukunft der Krankenversicherung von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, und da hört der Spaß dann doch auf. ({9}) Das scheint auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung so zu sehen, der eben mit diesem „Kasperletheater“ zitiert wird, ebenso mit den Worten, die hier auch schon gefallen sind, dass er davon „die Schnauze voll“ hat. Wenn ein so ruhiger und besonnener Mensch wie Kollege Zöller solche Ausdrücke verwendet, was sollen dann die Menschen, die Millionen von Versicherten denken? Ich bin mir sicher - das sind nicht meine Worte; ich bleibe bei den Worten von Herrn Zöller -, dass sie ebenfalls die Schnauze voll haben: von den immer neuen Ankündigungen und von endlosen Debatten in immer schrilleren Tönen, bei denen am Ende nichts, aber auch gar nichts herauskommt. ({10}) Deshalb kann ich Ihnen nur raten: Beenden Sie dieses Kopfpauschalenchaos und kümmern Sie sich endlich um die wirklichen Probleme und Herausforderungen im Gesundheitswesen, statt sich krampfhaft aus Angst vor Gesichtsverlust an Ihrer Kopfpauschalenideologie festzuklammern. Schon jetzt ist der Schaden groß, den diese Kopfpauschalendebatte angerichtet hat. Sie verunsichert die Versicherten und raubt den Verantwortlichen die Zeit, sich wirklich um die drängenden Fragen zu kümmern. ({11}) Zu zentralen Aufgabenfeldern der Gesundheitspolitik hören wir nichts, weil die schwarz-gelben Entscheidungsträger mit sich selbst und mit der Kopfpauschale beschäftigt sind. ({12}) Ein Konzept zur drängenden Frage der Gesundheitsversorgung auf dem Land? - Fehlanzeige. Ideen zur Stärkung der Prävention, die laut Ihrem Koalitionsvertrag ein Schwerpunkt sein sollte? - Fehlanzeige. Ich kann die Liste problemlos weiter fortsetzen: Krankenhäuser, Drogen- und Suchtpolitik, Patientenrechte, Pflege? - Fehlanzeige. Weiterentwicklung der Honorarreform? Das haben wir heute erlebt: Fehlanzeige. Bei den Arzneimitteln reden wir schon seit Ende letzten Jahres über den Handlungsbedarf, und noch immer haben wir aus dem Ministerium kein Konzept vorgelegt bekommen. Ihre Debatten lähmen die Gesundheitspolitik, und das Schlimme ist: Bei all dem Gezänk merken Sie nicht einmal, dass Ihnen das komplett aus dem Ruder läuft. Das Gesundheitssystem wartet nicht, bis Sie mit Ihrem Kopfpauschalen-Klein-Klein zu Ende sind. Beenden Sie das Kasperletheater und packen Sie die wirklichen Probleme an. Danke. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat der Kollege Max Straubinger für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir immerwährende Anträge - in diesem Fall von der Linken-Fraktion - mit der pauschalen Überschrift „Hartz IV muss weg“. ({0}) In dieser Legislaturperiode bekommen wir offensichtlich die ständige Wiederholung von Anträgen der SPD-Bundestagsfraktion zur Gesundheitspolitik. Die einzige Änderung besteht darin, dass einmal der Kollege Lauterbach und einmal die Kollegin Ferner eröffnet. Der Inhalt ist letztendlich Inhaltslosigkeit bei der SPD. ({1}) So haben wir damit auch diese Debatte zu bestreiten. Es wäre gelegentlich für die SPD sicherlich besser angelegte Zeit, mehr über ihr schon lange angekündigtes Gesundheitskonzept nachzudenken. Wenn viele immer sagen, als Regierung und die sie tragenden Fraktionen seien wir in der Bringschuld, dann mag ich dem zwar zustimmen; nur bin ich überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen auch auf die Ergebnisse der Kommission von der SPD und auf ihre Vorschläge gespannt sind. ({2}) Aber sie werden wohlweislich verschwiegen. In der vergangenen gesundheitspolitischen Debatte hat auf eine diesbezügliche Anfrage des Kollegen Lanfermann die Kollegin die entsprechende Antwort missen lassen. Sie hat nur dargelegt: Kommt Zeit, kommt Rat. Das erinnert mich an ein anderes Sprichwort - ({3}) - Wenn es Zeit ist, haben Sie gesagt, Frau Kollegin Ferner. ({4}) Das zeigt aber sehr deutlich, dass Sie ideenlos und konzeptlos sind. ({5}) Das wird auch heute wieder zutage gefördert. ({6}) Die CSU steht und stand in der Vergangenheit für Solidarität in der Krankenversicherung. Besonders wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frau Kollegin Vogler, haben diese Solidarität den Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern zuteil werden lassen, nämlich bei der Wiedervereinigung, damit auch die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern an einem modernen medizinischen Versorgungswesen teilhaben können ({7}) und nicht in einem Gesundheitssystem leben müssen, in dem letztendlich die Funktionäre auf Westarzneimittel zurückgreifen konnten, während die anderen die Gelackmeierten waren. ({8}) Deshalb wird sich die CSU auch zukünftig nicht in Solidarität und solidarischer Finanzierung des Gesundheitssystems übertreffen lassen. ({9}) Aber wenn heute hier angeführt worden ist, dass die Abkopplung von Lohn und Gehalt angeblich sehr schlimm sei, so muss man eben darstellen, dass es auch um den Erhalt der Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft geht. Deshalb gibt es, Herr Kollege Lauterbach, keinen Dissens zu den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in unserem Land. ({10}) Wir sind darauf angewiesen, viele qualifizierte Arbeitsplätze in unserem Land zu haben, damit die hochwertige medizinische Versorgung der Menschen überhaupt gesichert werden kann. ({11}) Sie wollen in diesem Haus künstlich einen Gegensatz aufbauen. ({12}) Damit wollen Sie kundtun, dass die Solidarität nicht mehr gegeben ist. Dass wir über 15 Milliarden Euro Steuermittel in das Gesundheitssystem geben, zeigt die Solidarität der Besserverdienenden in unserem Land mit den anderen Bürgerinnen und Bürgern. ({13}) Daher akzeptiere ich solche Konstrukte, die Sie hier darzulegen versuchen, in keiner Weise. Es geht natürlich um die Frage: Wie können wir das zukünftige Gesundheitssystem solidarisch, aber auch zukunftsfest finanzieren? Das ist eine spannende Frage, die die Regierungskommission mit dem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler an der Spitze beantworten muss. Die CSU ist an dieser Kommission mit Ilse Aigner an der Spitze beteiligt. Meines Erachtens ist es wichtig, erst die Ergebnisse abzuwarten und dann darüber zu reden. ({14}) Letztendlich geht es darum. Ich sage aber auch: Manche Dinge sind in der Theorie leichter zu formulieren, als in der Praxis umzusetzen. ({15}) Das mag für ein prämiengestütztes System genauso gelten. Vor allen Dingen sollte man nicht die Hoffnung hegen, dass dadurch eine Verbilligung des Systems erreicht wird. ({16}) Wir wissen auch, dass in der Schweiz, wo es seit 13 Jahren ein Prämiensystem gibt, die Kosten genauso, vielleicht sogar stärker gestiegen sind als in unserem Land. Wir setzen auf Kostendämpfung. Wir setzen darauf, dass bei den Arzneimitteln eine Kostenreduzierung eintritt. ({17}) Hier werden Vorschläge vom Bundesgesundheitsminister, von der CDU/CSU-Fraktion und von der FDP-Fraktion gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht. ({18}) Sie können die Beratung dieser Vorschläge begleiten. Wir laden Sie dazu herzlich ein. ({19}) Sie sollten konstruktive Vorschläge machen und nicht Polemik mit Blick auf die Landtagswahl in NordrheinWestfalen betreiben. Ihr Anliegen ist, die Bürgerinnen und Bürger vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl zu verunsichern. Sie glauben, so die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. ({20}) Ich bin überzeugt, da erliegen Sie einer Fehlkalkulation. ({21}) Herzlichen Dank. ({22})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Hilde Mattheis. ({0})

Hilde Mattheis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003588, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier wird versucht, mit Lautstärke und mit Ankündigungen ({0}) eine Verteidigungslinie aufzubauen, die spätestens morgen von Ihren eigenen Leuten wieder eingerissen wird. ({1}) Denn Herr Söder und Herr Seehofer werden sich mit Sicherheit nicht an das, was Sie hier appellativ von sich gegeben haben, halten, sondern sie werden weiterhin über die Presse, wie sie es seit Montag getan haben, ihre eigenen Forderungen stellen. Sie konnten sich noch nicht einmal auf eine gemeinsame Gesundheitskommission einigen. ({2}) Da muss jemand in München und da muss jemand in Berlin tagen. ({3}) - Augenblick, Herr Straubinger. - Sie werden mit Sicherheit in den Medien weiterhin Ihre Kämpfe austragen zulasten der Seriosität unserer Politik. ({4}) Das Ansehen der Politik wird durch Ihr Handeln deutlich geschädigt. ({5}) Denn die Regierung ist nicht in der Lage, eine einheitliche Sprache zu finden und einen Diskussionsprozess zu gestalten. Vielmehr werden über die Medien Punkte gesetzt und Hahnenkämpfe ausgetragen und nichts anderes. Die bisherigen Konzepte, die Sie versucht haben vorzulegen, sollen eines vertuschen: Es sind zwei Varianten einer völlig ungerechten und unsolidarischen Lösung. ({6}) Denn es geht Ihnen darum, dieses System, das von vielen international bewundert wird, zu zerschießen. Sie wollen schlicht und ergreifend ({7}) die Solidarität in diesem Land für dieses Versicherungssystem auflösen. ({8}) Was ist das denn anderes, wenn Sie Arbeitgeberbeiträge einfrieren wollen, ({9}) wenn Sie entweder über eine Kopfpauschale die Kostensteigerungen auffangen wollen oder in der zweiten Variante - der von Herrn Söder - darangehen wollen, neben diesem Bundeseinheitssatz einen speziellen Einheitsbeitrag einkommensabhängig einzuführen? Es ist nichts anderes, als die Solidarität der Gesunden mit den Kranken sowie der Reichen mit den Armen in diesem Land aufzubrechen. ({10}) Diese Solidarität ist international zum Vorbild genommen worden. Jenseits des Teiches hat man gegen Lobbytruppen erkämpft, ({11}) dass es endlich ein Gesundheitssystem für alle gibt. Man hat dazu bei uns in Europa, in Deutschland Anleihe genommen. Sie machen das genau Umgekehrte: Sie zerschießen das, was sich andere zum Vorbild genommen haben. Ich glaube, dass die Bevölkerung dies erkennt, egal ob der Einzelne der FDP oder der CDU/CSU zugeneigt ist. ({12}) Die Frage der Gerechtigkeit ist der Mehrheit der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen, egal welcher Partei der Einzelne zuneigt. Deshalb müssen Sie sich genau überlegen, welche Konzepte Sie vorlegen ({13}) wenn Sie überhaupt eines vorlegen - und ob Sie Ihre innerparteilichen und innerfraktionellen Kämpfe in dieser Art und Weise in aller Öffentlichkeit darstellen. ({14}) Ich rate Ihnen: Kommen Sie endlich aus Ihrer Startphase heraus; denn sogar der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates hat heute Morgen im Morgenmagazin gesagt: Diese Regierung ist enttäuschend. ({15}) Sie sind nicht aus der Startphase herausgekommen. Ich finde das erstaunlich. Die Enttäuschung hat zwei Farben: schwarz und gelb. ({16}) Sie sollten sich Ihrer Verantwortung als Regierungsfraktionen sehr wohl bewusst sein. ({17}) Vorhin in der Fragestunde haben wir über die Atompolitik gesprochen. ({18}) Da haben Sie sich noch nicht einmal an Ihre Koalitionsvereinbarung erinnert. Das Gleiche passiert jetzt bei der Gesundheitspolitik. Sie erinnern sich neben all den Ankündigungen noch nicht einmal daran, was Sie im November miteinander vereinbart haben. ({19}) Ich glaube, dass die Bevölkerung ein Anrecht auf Verlässlichkeit in der Politik hat, zumindest darauf. Noch nicht einmal das bieten Sie. Von daher: Nehmen Sie Vernunft an, ({20}) und versuchen Sie zumindest, den Zwist, den Sie jetzt in der Öffentlichkeit austragen, an einen runden Tisch zu bringen. Glauben Sie mir, die Bevölkerung will ein anderes Konzept als das der Kopfpauschale. ({21}) Sie will ein anderes Konzept als diesen zusätzlichen prozentual abgeleiteten Beitrag des Herrn Söder.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, ich muss Sie auf die Redezeit aufmerksam machen.

Hilde Mattheis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003588, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie will eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und in der alle Einkommensarten zur Beitragsbemessung herangezogen werden. Ich glaube, die Zukunftsaufgabe dieses Parlaments ist es, für diese Solidarität zu sorgen. Danke. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Lothar Riebsamen für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Lothar Riebsamen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004135, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich bin ich bisher davon ausgegangen, dass eine Aktuelle Stunde etwas mit aktuellen Themen zu tun hat. ({0}) Bisher habe ich von Ihnen nur das gehört, was wir immer von Ihnen hören. Sie wollen Verwirrung stiften. Sie verwenden den Begriff Kopfpauschale in Verbindung mit der angeblichen Abkehr von der Solidarität. Das ist nicht aktuell, sondern das sind Themen von gestern. ({1}) Das Einzige, was aktuell ist, ist die Tatsache, dass die Gesundheitspolitik bei uns in guten Händen ist und in guten Händen bleibt. ({2}) In Wahrheit geht es Ihnen um etwas ganz anderes. Es geht Ihnen darum, Ängste zu schüren, indem Sie mit Begrifflichkeiten wie Kopfpauschale jonglieren. ({3}) Sie errichten einen Popanz. Sie machen einen Wirbel um dieses Thema. Sie brauchen diesen Wirbel, um von Ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. ({4}) Das ist keine Aktuelle Stunde, das ist ein durchschaubares Manöver. ({5}) Das einzig Gute an dieser Debatte ist, dass wir Gelegenheit haben, das eine oder andere mit großer Geduld und in kleinen Schritten geradezurücken, und zwar so lange, bis es jeder von Ihnen - jeder von Garmisch bis Flensburg - verstanden hat. ({6}) Ich will einige wichtige Punkte anführen: Der Begriff Kopfpauschale ist falsch. ({7}) Wir reden nicht von einer Kopfpauschale. Auch die Behauptung, wir verließen das Solidarsystem, ist falsch. Die Vorstellung, die bisherige sogenannte solidarische Finanzierung sei rein solidarisch gewesen, ist erst recht falsch. ({8}) Bitte wachen Sie auf, und erkennen Sie endlich den Ernst der Lage. Eine Kopfpauschale steht nicht zur Debatte. Eine Kopfpauschale würde bedeuten, dass jeder - vom Kind bis zum Greis - den gleichen Beitrag in dieses System einzahlen muss. Das wollen wir nicht. Das will niemand. ({9}) Stattdessen wollen wir einen über die Progression im Steuersystem finanzierten effizienten und gerechten Sozialausgleich. ({10}) Sie sollten den Menschen keinen Sand in die Augen streuen und nicht Begriffe verdrehen. ({11}) Es wäre viel vernünftiger, Sie würden Ihre Energie in eine sachliche Debatte investieren; ({12}) aber Sie haben selber kein Konzept. Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, das Richtige zu tun. ({13}) Besonders tragisch ist, dass immer wieder der Eindruck erweckt wird, als sei bereits die jetzige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung rein solidarisch. ({14}) Sie wissen ganz genau, dass es aufgrund der mehr oder weniger willkürlich gewählten Beitragsbemessungsgrenze eine Tatsache ist, dass ein Angestellter, dessen Gehalt nahe an der Beitragsbemessungsgrenze liegt, unter Umständen seinen Chef, der doppelt so viel verdient, und seine Familienversicherung subventionieren muss. Das ist eine Tatsache. Genau das wollen wir verbessern. ({15}) Weiterhin geht es darum, die steigenden Lohnnebenkosten zu senken. ({16}) Es geht nicht darum - wie es bei Ihnen immer anklingt -, die Arbeitgeber zu entlasten. ({17}) Wir wollen nicht die Arbeitgeber entlasten, sondern die Lohnnebenkosten senken, ({18}) um gerade in Zeiten der Krise - aus der wir uns wieder herauszukommen bemühen müssen - Arbeitsplätze zu sichern. ({19}) Das Fazit ist: An wirklichen Reformen kommen wir nicht vorbei. Es gibt kein bloßes Weiter-so. Diesen Eindruck erwecken Sie bei den Menschen, und das ist nicht richtig. Wir stehen vor enormen Herausforderungen. Das wissen wir als Koalition, und das wissen wir auch innerhalb der Union. Aber Sie sind nicht an Lösungen interes3066 siert, sondern Sie haben Freude daran - man könnte auch meinen, Schadenfreude -, dass es ein durchaus steiniger Weg ist, auf den wir uns begeben. ({20}) Dessen sind wir uns sehr wohl bewusst. Wir gehen die Probleme an, wir wollen sie lösen, und wir stellen uns den Herausforderungen. ({21}) Darum ist die Verantwortung bei uns in weit besseren Händen. Wir wollen ein Gesundheitssystem mit mehr Transparenz für mündige Bürger, die sich mit ihrer Versicherung identifizieren. Identifizieren können sie sich mit ihrer Krankenversicherung aber nur, wenn sie sie auch verstehen. ({22}) Deswegen brauchen wir dringend mehr Transparenz und weniger Beschäftigungsfeindlichkeit. Dann werden wir letztlich auch ein gerechteres System haben. Dafür arbeiten wir. ({23}) Politik ist die Kunst des Möglichen. Ich bin mir sicher: Die Regierungskommission wird sogar das vermeintlich Unmögliche möglich machen. Herzlichen Dank. ({24})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 25. März 2010, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe die Sitzung.