Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/18/2010

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nehmen Sie bitte Platz. Wir beginnen unsere heutige Sitzung mit herzlichen Geburtstagsglückwünschen an die Kollegin Dr. Claudia Winterstein, die heute einen runden Geburtstag feiert und der ich dazu im Namen des ganzen Hauses herzlich gratulieren möchte. ({0}) Auf Vorschlag der Fraktion Die Linke soll die Kolle- gin Petra Pau anstelle des aus dem Deutschen Bundes- tag ausgeschiedenen Abgeordneten Oskar Lafontaine zum Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes gewählt werden. Als neues stellvertretendes Mitglied ist die Kollegin Kersten Steinke vorgesehen. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Heftiges Nicken insbesondere in den Reihen der vorschlagenden Fraktion, keine Einwände von anderer Seite. Damit sind die Kolleginnen Pau und Steinke in dieses Gremium gewählt. Es gibt außerdem noch eine nachträgliche Ausschuss- überweisung. Der Antrag der SPD-Fraktion mit dem Titel „Europa 2020 - Strategie für ein nachhaltiges Eu- ropa - Gleichklang von sozialer, ökologischer und wirt- schaftlicher Entwicklung“ auf der Drucksache 17/882 soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung über- wiesen werden. - Auch dazu gibt es offensichtlich Ein- vernehmen. Dann ist das so beschlossen. Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt I a und b - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 ({1}) - Drucksachen 17/200, 17/201 - b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 - Drucksachen 16/13601, 17/626 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({3}) Otto Fricke Roland Claus Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.13 auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drucksachen 17/610, 17/623 Berichterstattung: Abgeordnete Georg Schirmbeck Heinz-Peter Haustein Roland Claus Hierzu liegen Ihnen die Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses auf den Drucksachen 17/610 und 17/623 vor. Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Rolf Schwanitz für die SPD-Fraktion. ({4}) Redetext

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Guten Morgen! Sehr geehrte Frau Ministerin Aigner, ich will mich, einer guten Tradition folgend, zunächst einmal bei Ihnen recht herzlich für die Informationen und bei den Kolleginnen und Kollegen Berichterstatter für die kollegiale Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss bedanken. Ich möchte mich speziell bei Ihrem Haus bedanken. Die Informationen waren präzise und vollständig. Ich will das mit Blick auf andere Ressorts, zu deren Einzelplänen ich heute noch die Ehre habe zu sprechen, ausdrücklich loben und hervorheben. Ein Kompliment also an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich Ihnen, was die politische Bewertung des Einzelplanes 10 angeht, kein Kompliment machen kann. Nach meiner Einschätzung stehen drei Überschriften über diesem Einzelplan des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die erste Überschrift lautet: Klientel- statt Strukturpolitik. ({0}) Die zweite Überschrift lautet: Einsparungen an falscher Stelle. ({1}) Die dritte Überschrift lautet: Kein Zukunftskonzept für Verbraucherpolitik. - Das sind die drei Markenzeichen des Einzelplanes 10. ({2}) Ich will das kurz begründen. Zunächst zu der Überschrift „Klientel- statt Strukturpolitik“. Es wird Sie nicht wundern, dass ich in diesem Zusammenhang als Allererstes das Grünlandmilchprogramm erwähne. Denn was machen Sie damit? Unter dem Deckmantel der Krisenhilfe - die Situation ist in der Tat nicht einfach - wird ein gigantisches Klientelprogramm organisiert. Ich will daran erinnern, dass wir im Haushalt 2010 400 Millionen Euro dafür finden; im Jahr 2011 werden noch einmal 300 Millionen Euro dazukommen. Der Deutsche Bauernverband hält überall Veranstaltungen ab und spricht - unter Einbeziehung der Absenkung der Agrardieselsteuer - von einer Subventionierung im Umfang von 1,3 Milliarden Euro in den Jahren 2010 und 2011 zusammen. ({3}) Gegen echte Krisenhilfe wäre nichts einzuwenden. Das ist auch der Grund, aus dem die Sozialdemokraten sich bei den Haushaltsberatungen dem Liquiditätshilfeprogramm in Höhe von 25 Millionen Euro nicht verweigert haben; wir haben es vielmehr unterstützt und mitgetragen. Dieses Geld kommt an der richtigen Stelle an; das ist in Ordnung. Aber Sie machen etwas völlig anderes. Sie legen ein Subventionsprogramm mit einer durchsichtigen regionalen Schlagseite im südwestdeutschen Raum und in Bayern auf. Das ist Gießkannenförderung statt problembezogene Hilfe, beispielsweise bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Sie sorgen auch nicht für schnelle Hilfe; denn zentrale, wichtige Dinge werden erst im vierten Quartal 2010 fällig. Aus meiner Sicht am problematischsten ist aber, dass Sie rein konsumtiv hinter der Marktentwicklung herfördern. Es wird also gegen den Markt ansubventioniert, statt Vorschläge für eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik aufzugreifen; meine Kollegin Wolff wird darauf noch näher eingehen. ({4}) Früher hat man so etwas als Danaergeschenk bezeichnet. Denn die Bauern, die landwirtschaftlichen Betriebe werden für die verpasste Chance einer in die Zukunft gerichteten Subventionspolitik in Form eines viel höheren Anpassungsdrucks teuer bezahlen müssen, wenn sich die Lage nach 2013 grundsätzlich verändert. Deswegen handelt es sich um Klientelpolitik statt um gezielte Subventionspolitik. Die zweite Überschrift, die über Ihrem Haushaltsplan steht, lautet „Einsparungen an der falschen Stelle“. Was meine ich damit? Sie schütten nicht nur Geld aus, sondern sammeln auch Geld ein, kürzen und sparen ein. Vor allem geschieht das bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz. Ich erinnere mich noch sehr gut daran - das betrifft allerdings nicht den Kollegen Schirmbeck -, dass in der ersten Lesung auch die Ministerin noch gepriesen hat, dass der Plafond von 700 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe erhalten bleibt. ({5}) Sie haben gesagt, das sei eine große Leistung und gut eingesetztes Geld, Frau Aigner. In Ihrem Koalitionsvertrag steht sogar etwas von der Absicht einer Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe. All dies geschieht aber nicht. Sie senken den Plafond um 25 Millionen Euro ab und - das finde ich ganz besonders bitter kürzen die Verpflichtungsermächtigungen um 5,2 Millionen Euro, gegenüber dem Entwurf von Peer Steinbrück sogar um 7,2 Millionen Euro. Diese Kürzung wirkt sich übrigens schwerpunktmäßig im investiven Bereich aus; denn darin sind Kürzungen von Investitionsmitteln in Höhe von 15,5 Millionen Euro enthalten. Sie haben also eine interessante Doppelstrategie: Auf der einen Seite werden mit der Kuhschwanzprämie konsumtive Subventionen ausgereicht, auf der anderen Seite werden Investitionsmittel zusammengestrichen. Das sind Kürzungen an der falschen Stelle. ({6}) Besonders bitter ist aus meiner Sicht das, was bei den Verpflichtungsermächtigungen geschehen ist. Sie haben, genau wie wir, Briefe der Landwirtschaftsminister aller 16 Länder bekommen, in denen sie ausdrücklich auf die große Bedeutung der Verpflichtungsermächtigungen für die Bindung europäischer Mittel hingewiesen haben. Das alles haben Sie ignoriert. Mit Ihren Einschnitten ist ein Sinkflug bei der Gemeinschaftsaufgabe in den nächsten Jahren vorprogrammiert. Das halten wir für falsch. ({7}) Die dritte Überschrift lautet „Kein Zukunftskonzept bei der Verbraucherpolitik“. Das von Ihnen selbst in Auftrag gegebene Gutachten, wonach die Verbraucherpolitik umfinanziert und verursachergemäß aufgebaut werden muss, wonach Betriebe, die die Verbraucherrechte missachten, Strafgebühren zahlen müssen, ist längst auf dem Tisch. Sie haben dieses Gutachten ignoriert. Frau Aigner ist wie immer auf den Zug aufgesprungen und hat gesagt, dass sie das auch gut findet. Als wir einen konkreten Vorschlag gemacht haben, haben Sie ihn schlicht und einfach abgelehnt. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Verbraucherpolitik bei Ihnen, Frau Aigner, eine folgenlose Ankündigung bleibt, dann werden Sie scheitern. ({8}) Der Einzelplan 10 hat drei Überschriften: Klientelpolitik statt Strukturpolitik, Einsparungen an der falschen Stelle und null Zukunftskonzeption bei der Verbraucherpolitik. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU hat am Montag wunderbarerweise von einem „Gesamtkunstwerk“ gesprochen. ({9}) - Kollege Barthle, das wird ein richtiger Klassiker. - Mir fällt dazu nur die wunderbare Sendung „Kunst & Krempel“ des Bayerischen Rundfunks ein. Ihr Haushalt hat allerdings weniger mit Kunst, dafür mehr mit Krempel zu tun. Schönen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zur weiteren Erläuterung des Gesamtkunstwerks erhält jetzt der Kollege Georg Schirmbeck von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist heute ein schöner Tag. Draußen haben wir ein klasse Wetter, eine nette Kollegin hat heute einen runden Geburtstag - wir werden heute noch feiern -, und wir dürfen einen Einzelplan vorstellen, der den Wünschen der Fachleute aus dem Fachausschuss und des Berichterstatters aus dem Haushaltsausschuss entspricht. Wir können all das debattieren, was wir schon in der ersten Beratung debattiert haben. All die alten Sprüche werden aber durch mehrmaliges Wiederholen nicht besser. In der zweiten Beratung muss es doch eigentlich darum gehen, was sich durch die Beratungen im Ausschuss geändert hat. Wir halten schließlich eine Haushaltsberatung ab und kein allgemeines Palaver. ({0}) - Frau Künast, wenn Sie ausgeschlafen sind und etwas fragen wollen, dann stehen Sie auf und stellen eine ordentliche Frage, ansonsten schweigen Sie. ({1}) Wir dürfen feststellen, dass sich nur wenige Punkte geändert haben. Was hat sich geändert? Wir mussten im Einzelplan - das gilt für alle anderen Einzelpläne auch Einsparungen vornehmen. Wir haben diese Einsparungen im Bereich der GAK vorgesehen. Herr Kollege Schwanitz hat eben richtigerweise ausgeführt - wer mir bei der ersten Beratung richtig zugehört hat, der hat das kommen sehen, ich habe deutlich darauf hingewiesen -, dass wir Einsparungen machen müssen. Das machen wir bei der GAK. ({2}) Ich habe schon damals erläutert, dass das auch deshalb gerechtfertigt ist, weil einige Länder in der Vergangenheit nicht gegenfinanzieren konnten und die Mittel also nicht überall in den Ländern gerecht verteilt worden sind. Von daher ist unser Vorgehen richtig. ({3}) Wenn Sie nun sagen, das sei ein falsches Zeichen, dann sage ich Ihnen: Die GAK ist in den letzten Jahren - auch in der Großen Koalition - durch unser Zutun aufgewachsen. Wir haben, wenn wir den Haushalt in der vorliegenden Form beschließen, mehr Geld, als wir nach Künast jemals gehabt haben. Das ist also eine positive Sache. ({4}) Sie behaupten, wir hätten im Bereich Verbraucherschutz nichts getan. Wir werden dafür kritisiert, wenn wir einen Aufwuchs bei den Planstellen haben. ({5}) Es wurde die Zahl von 1 000 zusätzlichen Planstellen genannt. Ich weiß nicht, woher diese Zahl kommt. Es gibt Journalisten, die offensichtlich alles schreiben. ({6}) Die Realität ist, dass wir 1 600 Stellen einsparen, aber wir bekommen für den wirtschaftlichen Verbraucher2836 schutz zusätzlich drei Stellen für den höheren und drei Stellen für den gehobenen Dienst. Wir setzen also einen Schwerpunkt. Das haben wir versprochen, und wir halten Wort. ({7}) Ich möchte mich bei meinem Kollegen Peter Haustein herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Wir besprechen und analysieren die Situation mit den Fachleuten in aller Ruhe. Dann bringen wir unsere Vorhaben auf den Weg, und der Ausschuss ist uns mit großer Einmütigkeit gefolgt. Wir werden das auch weiterhin so machen. Ich möchte mich, nicht nur weil es guter Brauch ist, sondern weil es in der Tat Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern gibt - das kann man im Haushaltsausschuss durchaus vergleichen -, bei der Ministerin für die vorzügliche Zusammenarbeit bedanken. Auf CDU/CSUSeite war sie meine Vorgängerin, was die Haushaltsberichterstattung angeht. Sie hat das Ganze nicht verlernt. Sie weiß, wie man mit Haushältern umgeht. Verehrte Frau Ministerin, herzlichen Dank für diese Zusammenarbeit! ({8}) - Ein bisschen mehr Stimmung, Kameradinnen und Kameraden! ({9}) Das gilt ganz besonders für die Haushaltsabteilung des Ministeriums. Ich darf das einmal sagen: Auf Ulli Kuhlmann und seine Mannschaft ist immer Verlass. Die angeforderten Ausführungen sind immer hundertprozentig korrekt und sind schnell da. Damit kann man im Ausschuss überzeugen. Damit kann man dieses Ergebnis erzielen. ({10}) Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass heute ein schöner Tag ist, weil wir das Ganze so auf den Weg bringen können. ({11}) Ich sage aber auch: Ich habe vernommen, wer uns in der Zeit zwischen der ersten Beratung und jetzt an der einen oder anderen Stelle mit Hinweisen kritisch begleitet hat. In den Haushaltsdebatten werden wir auf der einen Seite dafür kritisiert, dass wir zu viele Schulden machen, aber auf der anderen Seite werden wir für jeden Sparvorschlag, den wir machen und durchsetzen, kritisiert. ({12}) Auf der einen Seite wird uns vorgeworfen, dass wir zu viel Personal haben, auf der anderen Seite wird uns vorgeworfen, dass wir Personal abbauen. Alles wird durcheinandergerührt, sodass in der Öffentlichkeit nachher - das muss man realistischerweise sagen - kaum noch einer den Überblick hat. Dazu sage ich Ihnen eines: Wer mich ein bisschen länger kennt, der weiß, dass ich alle Kritik, die uns berechtigterweise vorgehalten wird, ({13}) sehr aufmerksam speichern kann. Der eine oder andere, der uns auf einer Biomesse vorwirft, wir würden im Biobereich jetzt den totalen Kahlschlag machen, der muss es sich auch gefallen lassen, dass wir uns bei den nächsten Haushaltsberatungen jeden einzelnen Antrag einmal ganz genau ansehen - gleich, ob es um 1 000, 10 000 oder 100 000 Euro geht - und schauen, was mit diesem Geld gemacht wird. Wie effizient wird da gearbeitet? Das Etikett „Bio“ oder „Öko“ bedeutet nicht, dass man mit Geld generös umgehen und es einfach unter die Leute streuen kann. ({14}) Jeder, der uns kritisiert, ({15}) muss dann auch akzeptieren, dass wir ganz gezielt hinsehen, was an der einen oder anderen Stelle gemacht wird, und muss sich von uns gegebenenfalls Vorhaltungen machen lassen. Ein Aspekt, der vollkommen untergeht: Wir setzen nicht nur beim wirtschaftlichen Verbraucherschutz einen neuen Schwerpunkt. Es geht auch um die nationale Sicherheit unserer Küstenländer, wenn wir in den Küstenschutz investieren. Wir haben ein nationales Programm aufgelegt: jährlich 25 Millionen Euro über das hinaus, was wir über die GAK finanzieren. Das ist doch eine Leistung. Wir müssen den norddeutschen Ländern sagen, dass wir hier etwas für die Länder tun. Wenn ich nur das Geschwafel von einer Schlagseite Richtung Süden höre: All die Zahlen, die Sie bringen könnten - Sie bringen aber gar keine Zahlen -, geben das überhaupt nicht her. Von daher darf ich sagen: Danke an das ganze Haus, dass es möglich ist, dies auf den Weg zu bringen. Minister Seehofer hat vor einigen Jahren ein ganz neues Thema aufgegriffen und hier in die Diskussion eingebracht: die Breitbandverkabelung. Mittlerweile weiß jeder, dass das gerade für den ländlichen Raum eine ganz wichtige Sache ist. Deshalb haben Sie, Frau Ministerin, unsere volle Unterstützung, wenn Sie auch bei diesem Thema künftig mit großem Engagement dabei sind. Es darf nicht sein, dass der ländliche Raum, wo es in vielfacher Hinsicht sehr innovative Köpfe gibt, von neuen Technologien abgeschnitten wird. Das würde dazu führen, dass wir die volkswirtschaftliche Wertschöpfung, die wir in diesem Bereich generieren könnten, nicht generieren. Von daher müssen wir hier eine ganze Menge auf den Weg bringen. ({16}) Sie wissen, dass ich mich in meiner Freizeit - wenn Sie so wollen, ist das mein besonderes Hobby - für die deutsche Forstwirtschaft engagiere. ({17}) Ich darf Ihnen sagen: Auch die Ansätze im Einzelplan 10, die im Vorgriff auf das Jahr des Waldes 2011 eingebracht worden sind, stimmen mich heute Morgen froh. Wir haben heute mehr Unterstützung, als wir jemals für die deutsche Forstwirtschaft gehabt haben. Dass der Wald-Klima-Fonds jetzt wächst bzw. auf den Weg gebracht wird, ist eine positive Meldung, die die Bevölkerung einmal hören darf. Auch hier wird also ein Schwerpunkt gesetzt. Es wird etwas gemacht. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich darf Ihnen aber auch sagen: Nachdem die Holzabsatzförderung per Gesetz nicht mehr möglich ist, ({18}) nachdem das Bundesverfassungsgericht das in seiner unendlichen Güte gekippt hat, ist es uns gestern Abend gelungen, im Bereich der deutschen Forstwirtschaft auf freiwilliger, privater Basis einen neuen Fonds oder eine neue GmbH in die Welt zu setzen. Ich darf mich bei allen, auch denen aus dem Ministerium, bedanken, die mitgeholfen haben, dass das möglich wird. In der nächsten Woche werden Ullrich Huth und ich einen entsprechenden GmbH-Vertrag unterzeichnen. Dann geht es auch mit der Holzabsatzförderung in Deutschland weiter. Auch das ist ein gutes Beispiel für die Politik, die wir hier machen. ({19}) Meine Damen und Herren, ich habe eben schon angesprochen, dass wir bei den Haushaltsplanberatungen für 2011 sicherlich an der einen oder anderen Stelle intensiver über die Haushaltsansätze sprechen müssen, weil wir - das hat ja eigentlich jeder gesagt - nicht jedes Jahr 80 Milliarden Euro Neuverschuldung haben können. Das heißt, auch im Einzelplan 10 werden wir zukünftig überlegen müssen: Was ist wichtig, was ist ganz wichtig, und was kann man vielleicht für eine gewisse Zeit oder ganz einsparen? Wir werden in allen Bereichen eine höhere Effektivität erreichen müssen. Es kann nicht sein, dass jemand wilde Briefe oder Presseartikel schreibt und aufgrund dessen dann mehr Geld erhält. ({20}) Ich glaube, dass hier eine ganze Menge einzusparen ist. Ich zeige Ihnen das an einem Beispiel; darüber können Sie gleich wieder lachen. Es gibt Initiativen im Land, die fordern, dass wir im Bereich Ernährung und Bewegung aufklären und mehr tun. Auch ich bin der Meinung, dass wir da mehr tun müssen. Aber ich frage mich, ob wir dafür mehr öffentliche Mittel brauchen. Dass wir uns mehr bewegen müssen, ({21}) dass wir uns vielleicht anders ernähren müssen und dass wir vielleicht weniger essen müssen, weiß jeder. Aber ich habe große Zweifel, ob wir dafür Ansätze in Millionenhöhe im Bundeshaushalt brauchen; dies ist nur ein Beispiel. ({22}) In jedem Dorf und in jeder Stadt bei uns gibt es Sportvereine. Man muss nur rein in die Sportvereine, ({23}) sich dort engagieren und bewegen und ein bisschen mehr darüber nachdenken, was man isst. Dafür braucht man keine Haushaltsansätze. ({24}) Es ist vielleicht ein populäres, aber konkretes Beispiel dafür, wie wir im Bundeshaushalt einsparen können. ({25}) Meine Damen und Herren, ich darf es noch einmal sagen: Wir sind mit diesem Einzelplan zufrieden. Ich darf mich bei allen, die mitgeholfen haben, bedanken. Wir sehen der Entwicklung im ländlichen Raum positiv entgegen; denn wir wissen, dass wir gerade im ländlichen Raum die innovativen Köpfe haben, die unsere Gesellschaft braucht. Es hilft nicht, zu jammern, sondern man muss morgens früh aufstehen, früh mit dem Tagwerk anfangen, hart arbeiten und kreativ sein, dann haben wir auch eine gute Zukunft im ländlichen Raum und in ganz Deutschland. Herzlichen Dank. ({26})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich werde die Propaganda erst einmal beenden und zum Thema kommen. ({0}) Wir wollen in Deutschland und Europa eine multifunktionale Landwirtschaft; da sind sich alle Fraktionen einig. Für die Linke heißt das: Die Landwirtschaft soll viele, sehr unterschiedliche Aufgaben im Interesse der gesamten Gesellschaft erfüllen. Dazu gehört erstens die Sicherung der Versorgung mit gesunden, möglichst regional erzeugten Nahrungsmitteln zu bezahlbaren Preisen statt Agrarexport zulasten armer Länder und Öko- und Sozialdumping auf einem spekulativen Weltagrarmarkt. Dazu gehören zweitens existenzsichernde Einkommen und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft statt Niedriglöhne, Selbstausbeutung, Höfesterben und Verdrängung in den Nebenerwerb. Dazu gehört drittens eine nachhaltige Biomasseproduktion zur regionalen Sicherung der Energieversorgung statt fondsfinanzierte Großanlagen. Dazu gehört viertens die Schonung der natürlichen Lebensgrundlagen, des Wasserhaushalts und des Klimas statt kurzfristiger Kapitalrenditen. Dazu gehört fünftens die Sicherung sozial und kulturell lebendiger ländlicher Räume statt Abwanderung und Dörfersterben. Dazu gehören sechstens der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft statt Verödung und Verwaldung. Dazu gehört siebtens die Verbesserung der Artenvielfalt auf und neben den Äckern statt Monokulturen und Agrogentechnik. ({1}) Die existenzielle Voraussetzung zum Erreichen dieser Ziele sind starke und vielfältige Agrarbetriebe, die flächendeckend und nachhaltig wirtschaften, und das klare Bekenntnis der Politik zu den Menschen, die in den Dörfern und kleinen Städten leben und arbeiten wollen. Für die Linke ist der Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen nicht verhandelbar. Von landwirtschaftlicher Arbeit muss man leben können. Daran muss sich auch der Agrarhaushalt orientieren, erst recht angesichts der aktuellen tiefen Agrarkrise. Aber die Koalition versagt als Krisenmanager. Die Kuhschwanzprämie wird de facto zum Stallfenster hinausgeworfen. ({2}) Nur ein kleiner Teil der Verluste der Betriebe wird kompensiert, und die Ursachen der Krise werden nicht beseitigt. Im Gegenteil: Die Auslieferung der Agrarbetriebe an den hochspekulativen Handel mit Nahrungsmitteln und Ackerböden wird vorangetrieben, bei uns, in der EU und weltweit. Statt diesen Systemfehler zu korrigieren, wird versucht, die Bäuerinnen und Bauern mit Trostpflastern und Durchhalteparolen zu beruhigen. Dabei stehen viele Agrarbetriebe seit Monaten mit dem Rücken an der Wand. Für sehr viel und sehr harte Arbeit wird oft nicht einmal ein existenzsicherndes Einkommen erzielt. Der Grund sind die nicht kostendeckenden Erzeugerpreise. Für Mecklenburg-Vorpommern wurde für 2009 vorläufig errechnet, dass im Durchschnitt mit jedem Liter Milch 10 Cent Verlust gemacht wurden, Liter für Liter. So verloren die Milchbetriebe innerhalb von einem Jahr 45 Prozent ihres ohnehin nicht üppigen Einkommens. Selbst ein Vorzeigebetrieb mit 2 000 Kühen in meinem Heimatwahlkreis hätte ohne Biogasanlage finanziell nicht überlebt. Wenn Gülle mehr wert ist als Milch, läuft etwas schief. ({3}) Die Milch ist nur die Spitze des Problemberges. Insgesamt sanken die Erzeugerpreise um 10 Prozent. Dafür stiegen die Kosten für Diesel, Futter, Dünger und Strom um 10 Prozent. Wer kann das auf Dauer kompensieren? Der kleine Familienbetrieb in Süddeutschland nicht, weil er auch mit Selbstausbeutung aller Familienangehörigen das Existenzminimum nicht mehr erreicht, die größeren Agrarbetriebe in Ostdeutschland nicht, weil sie selbst die niedrigen Löhne nicht mehr zahlen können. Hohe Kreditbelastungen, gestiegene Kosten für Pachten und Flächenzukäufe ziehen die Betriebsabschlüsse weiter in den Keller. Ganz nebenbei: 500 Millionen Euro Gewinn hat die BVVG 2009 in Ostdeutschland durch den Verkauf ehemals volkseigener Äcker im Auftrag des Bundes verdient. Das sind 500 Millionen Euro, die von den klammen Landwirtschaftsbetrieben erwirtschaftet und in die Kassen des Bundesfinanzministers umverteilt wurden. Was passiert mit den Agrarbetrieben, die diesen Verdrängungswettbewerb verlieren? Landwirtschaftsfremde Kapitalgeber werfen mit fragwürdiger Motivation Rettungsringe aus und übernehmen die Betriebe. So wird über den spekulativen Handel mit Nahrungsmitteln und Ackerflächen nach WTO- und EU-Regeln bäuerliches Eigentum in rasanter Geschwindigkeit enteignet. Die Linke wird alle unterstützen, die sich dem konsequent entgegenstellen. ({4}) Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik. Zum Beispiel müssen in die Handelsregeln der EU und der WTO soziale und ökologische Standards einbezogen werden. Wir brauchen die Stärkung der Rechtsposition der Agrarbetriebe gegenüber Dünge- und Pflanzenschutzmittelherstellern, der Verarbeitungsindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel, die ja sehr gut verdienen. Dabei müssen Lebensmittel nicht teurer werden, sondern sie müssen bezahlbar bleiben. Damit auch der Agrarhaushalt zur Problemlösung beitragen kann, haben wir Änderungsanträge eingebracht. Aus dem Grünlandmilchprogramm sollten 60 Millionen Euro in die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen umgelenkt werden; denn zur Überwindung der Krise brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Betriebe. ({5}) Abgelehnt! Die Mittel für das Bundesprogramm Ökolandbau wollten wir von 16 auf 25 Millionen Euro aufstocken. Dafür sollten 3 Millionen Euro EU-Agrarexportförderung gestrichen werden, ({6}) ebenso die geplante Aufstockung der Förderung nachwachsender Rohstoffe. ({7}) Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Leider haben auch die Grünen nicht zugestimmt. ({8}) Fazit: Der Agrarhaushalt des Bundes für das Jahr 2010 wird für viele Betriebe allenfalls eine Sterbehilfe sein. Die Folge: Immer mehr bäuerlich bewirtschaftete Agrarflächen werden über den Markt enteignet. Weil der Haushaltsplan daran nichts ändert, wird die Linke ihm nicht zustimmen. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Heinz-Peter Haustein ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. ({0})

Heinz Peter Haustein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident Lammert! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf den Besuchertribünen! Der Einzelplan 10, der des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, spricht für sich: Es geht um Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Ernährung eines Landes ist die Grundlage jeder Gesellschaft. Die Ernährung ist nicht alles, aber ohne Ernährung ist alles nichts. ({0}) Manchmal sagen wir den Satz „Unser täglich Brot gib uns heute“ wahrscheinlich nur so daher, ohne uns darüber im Klaren zu sein, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir genug zu essen und zu trinken haben. ({1}) Zuerst bedanke ich mich bei meinen Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, besonders bei Schorsch Schirmbeck, für die gute Zusammenarbeit und das gute Miteinander. Natürlich bedanke ich mich auch beim Ministerium, den kompetenten Mitarbeitern und der dynamischen Ministerin Ilse Aigner. Es war ein gutes Miteinander. ({2}) Der Einzelplan 10 ist von Sozialausgaben geprägt. 64,4 Prozent der Mittel werden für Soziales aufgewandt. Das sind im Einzelnen 2,28 Milliarden Euro für die Alterssicherung, 44,5 Millionen Euro für die Renten der Kleinlandwirte und 24,5 Millionen Euro für die Zusatzaltersversorgung der Arbeitnehmer. Das ist recht und billig. Um die Sozialsysteme zu stabilisieren, erhält nämlich auch die gesetzliche Rentenkasse einen Zuschuss, und zwar von über 80 Milliarden Euro. - Ein weiterer Zuschuss von 1,25 Milliarden Euro geht an die Krankenversicherungsträger. Auch die landwirtschaftliche Unfallversicherung, durch die nicht nur Wegeunfälle und Arbeitsunfälle, sondern auch Renten abgesichert werden, wird mit 200 Millionen Euro bezuschusst. Das machen wir als christlich-liberale Koalition deshalb, weil wir die Lohnnebenkosten konstant und stabil halten wollen. ({3}) Ein Landwirt ist ein Unternehmer. Ein Unternehmer muss rechnen, er muss sehen, wie er zurechtkommt in diesem weltweiten Wettbewerb der Dienstleistungen und Waren. Wenn die Lohnnebenkosten steigen, steigen die Kosten des Unternehmers. Damit sinkt sein Gewinn. Wenn sein Gewinn sinkt, zahlt er weniger Steuern. Genau diese Steuern brauchen wir aber, um die Sozialsysteme zu stabilisieren. Wir haben des Weiteren, um die landwirtschaftlichen Betriebe besser auszustatten, eine Liquiditätshilfe von 25 Millionen Euro bereitgestellt, die, wie ich höre, sehr gut angenommen wird. Wir helfen auch den gebeutelten Milchbauern ({4}) mit 300 Millionen Euro für das Grünlandmilchprogramm. Das alles ist wichtig, um dem Unternehmer Landwirt zur Seite zu stehen und zu helfen. ({5}) Dann ist da noch der Bereich Verbraucherschutz. Der Verbraucherschutz ist wichtiger denn je. Bei Verbraucherschutz denkt man zuerst an Lebensmittelkontrolle. Es geht bei Verbraucherschutz aber auch um eine Kontrolle des Finanzmarktes. Deswegen ist es schön, dass Leute eingestellt wurden, die verhindern, dass faule Angebote unterbreitet werden und Menschen ihr Geld verlieren. Alles in allem kann man sagen: Dieser Haushalt ist ausgewogen und ausgeglichen. Noch ein Wort zu den Linken. Die Linken haben von Enteignung gesprochen. Da kann ich nur zurückgeben: Mit Enteignung kennt ihr euch aus. ({6}) Zu DDR-Zeiten, in den 60er-Jahren, habt ihr sämtlichen Bauern Grund und Boden weggenommen und die Betriebe verstaatlicht. Das nur zur Klarstellung. ({7}) Zusammenfassend ist zu sagen: Heute ist ein guter Tag für unsere Landwirtschaft. Wir können uns freuen, einen so schönen Haushalt zu haben. Es wird Zeit, dass frischer Wind über unsere Scholle, über unsere Weinberge und Seen weht, dass es aufwärts geht in diesem Land. ({8}) Zum Schluss, liebe Freunde, noch ein Spruch: Das beste Wappen in der Welt ist der Pflug im Ackerfeld. In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erzgebirge! ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch schön und ermutigend, zu beobachten, wie man auch drögen Einzelplanberatungen eine gewisse philosophische Tiefe abgewinnen kann. ({0}) Um die Fortsetzung dieser Bemühungen darf ich jetzt den Kollegen Alexander Bonde für die Fraktion Die Grünen bitten. ({1})

Alexander Bonde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003509, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt keine Bauernweisheiten zum Besten geben, ich will mich als Hauptberichterstatter bei den Kollegen, beim Haus und bei der Ministerin für die gute Zusammenarbeit ganz herzlich bedanken. Ich will dazu sagen: Dieser Dank gilt nur dem Verfahren und der Information, nicht dem Inhalt dieses Einzelplanes und nicht für das, was die schwarz-gelbe Koalition im Einzelplan für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Ernährung im Laufe dieser Beratungen angestellt hat. Wir haben ja erlebt, dass das Stiefkind dieses Ministeriums weiterhin der Verbraucherschutz ist; durch Fernsehinterviews zum Thema Google wird die Welt nicht verändert. ({0}) Die Fragen sind: Welche Konsequenz ziehen Sie eigentlich aus der Finanzkrise? Wo sind die qualitativen Verbesserungen gerade in den Bereichen Verbraucherberatung und Verbraucherschutz bei den Finanzdienstleistungen? - Überall dort passiert in Ihrem Haus nichts. Auch in Bezug auf die Vorschläge, die wir in diese Haushaltsberatungen eingebracht haben - von den sogenannten Watchdogs, also den Marktwächtern, bis hin zur Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes -, ist nichts passiert, und dazu findet sich in dem, was Sie heute als Haushalt verabschieden wollen, nichts wieder. ({1}) Sie haben das Stiftungskapital bei der Stiftung Warentest erhöht. Das ist gut und richtig, aber das reicht eben nicht. Das ist keine Verbraucherschutzpolitik. ({2}) Kommen wir zum Bereich der Landwirtschaftspolitik. Sie haben in diesem Haushalt viele Umschichtungen vorgenommen: hier genommen, da gegeben. ({3}) Wenn man sich genau anguckt, wie die Linie verläuft, dann wird deutlich, welche ideologische Wegmarke diese Koalition setzt. Es geht immer darum, die Industrialisierung der Landwirtschaft voranzutreiben, es geht um Masse, Masse, Masse, und es geht um Export statt Qualität. Das sieht man besonders, wenn man sich anschaut, was Sie unter dem Stichwort Grünlandmilchprogramm gemacht haben: Kuhprämie, Stärkung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung usw. usf. All diese Maßnahmen sind nichts anderes als eine Brücke hinüber zur nächsten Stufe des Höfesterbens, weil Sie am Kernproblem, an der Überproduktion, überhaupt nichts ändern und weil Sie auch nicht bereit sind, etwas zu ändern. Wenn man sich anguckt, was durch Ihr Grünlandmilchprogramm eigentlich passiert, dann sieht man - ich will das einmal klar sagen, Frau Ministerin -: Durch die übermäßigen Kürzungen bei der Förderung erneuerbarer Energien im Solarbereich, die Sie als Landwirtschaftsministerin im Kabinett mit zugelassen haben, wird den meisten Höfen in dieser Republik auf Dauer mehr geschadet, als ihnen durch die Almosen geholfen wird, die Sie ihnen hier für das Grünland geben. ({4}) Sie wagen sich nicht an die Ursachen des Problems in der Landwirtschaft heran, und Sie gehen nicht gegen den Preisverfall durch Überproduktion vor. Zum Schluss betreiben Sie eine Dumpingpolitik, mit der Sie nicht nur den Bäuerinnen und Bauern im Inland schaden, und zwar insbesondere den kleinen Betrieben der bäuerlichen Landwirtschaft in schwierigen Regionen - nicht nur bei mir im Schwarzwald, aber auch da -, sondern mit der Sie auch international Schaden anrichten. Denken Sie nur einmal daran, welche massiven Verwerfungen im Landwirtschaftsbereich durch Ihre Exportstrategie in den Ländern der Dritten Welt hervorgerufen werden. ({5}) Die Exportförderung ist ja die große neue heilige Kuh dieser schwarz-gelben Koalition. Überall, wo Sie in diesem Haushalt etwas getan haben, ging es darum, die Exportförderung wieder zu stärken, hier noch einen zu finden, der ein bisschen Überschuss in die dritte Welt liefern kann, und dort noch einen zu finden, der die Industrialisierung der Betriebe vorantreibt, damit man aus jedem Acker und jedem Tier noch ein bisschen mehr herausholt. ({6}) Das genau sind die Veränderungen, die Sie in diesem Einzelplan geschaffen haben. Damit gehen Sie am Kern des Problems vorbei. Interessant ist ja, wie Sie versucht haben, das gegenzufinanzieren. Sie haben die Verpflichtungsermächtigungen beim Bundesprogramm Ökologischer Landbau und die Mittel zur Absicherung der Forschungsprojekte zu nachwachsenden Rohstoffen gekürzt. ({7}) Es gab dann massive Proteste von uns. Das war der Punkt, an dem deutlich wurde: Eine wachsame Opposition zahlt sich aus. - Sie mussten dann zurückrudern. ({8}) - Jawohl, Genosse Schirmbeck, Sie sind in der Bereinigungssitzung zum Glück umgekippt. ({9}) Diese falschen Kürzungen haben Sie revidiert. Hier sind Sie zurückgerudert, und das war richtig so; das attestiere ich Ihnen ausdrücklich. ({10}) Der Punkt ist: Sie sind dann in den nächsten Fettnapf reingetreten, weil Sie, um Ihre Exportförderung finanzieren zu können, dann die Verpflichtungsermächtigungen bei der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz“, der zweiten Säule der Agrarförderung, kürzen mussten. Dort geht es um die Agrarstrukturen, um ökologische Produktion, um den Erhalt von Kulturlandschaften und um den ländlichen Raum. ({11}) Das sind genau die Bereiche, die jetzt eigentlich im Fokus einer verantwortungsvollen Landwirtschaftspolitik stehen müssten, und genau hier haben Sie gekürzt, um Ihren blinden Exportwahn gegenzufinanzieren. Diese Koalition hat nicht kapiert, wie die Lage in der Landwirtschaft ist. Da machen sich manche lieber vom Acker, anstatt die bäuerliche Landwirtschaft zu unterstützen. Ihre Exportstrategie führt in eine Sackgasse. Im Kern wissen Sie das auch. ({12}) Frau Aigner, als Verbraucherschutzministerin sind Sie auch für die Frage des Etikettenschwindels zuständig. Bitte klären Sie endlich auf: Was hier die ganze Woche als christlich-liberal gefeiert wird, ist am Ende doch nur schnödes Schwarz-Gelb. Herzlichen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Bundesministerin Ilse Aigner. ({0})

Ilse Aigner (Minister:in)

Politiker ID: 11003028

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich der Meinung des Kollegen Schwanitz an: Heute ist „ein schöner Tag“. Hier geht es - Herr Schwanitz, Sie haben es erwähnt - um ein „Gesamtkunstwerk“. ({0}) Ich nehme gern stellvertretend für mein ganzes Haus, für die Haushaltsabteilung, aber auch für die Parlamentarischen Staatssekretäre, den Dank für die gute Zusammenarbeit entgegen. Diese ist für meine Begriffe eine Selbstverständlichkeit; denn der Haushalt ist eines der Kernstücke der parlamentarischen Tätigkeit. Ich kann den Dank nur an alle Berichterstatter und den Fachausschuss zurückgeben. Es war wirklich eine sehr gute Zusammenarbeit. Sehr geehrter Herr Schwanitz, auch ich habe drei Überschriften, die erwartungsgemäß anders als Ihre lauten; das ist im parlamentarischen Raum die normale Verteilung. Bei uns heißt es: erstens Vertrauen schaffen und Versprechen halten, zweitens in der Krise helfen, drittens in die Zukunft investieren. Beim Thema Vertrauen schaffen gehe ich gerne auf die mehrfachen Anspielungen betreffend den Verbraucherschutz ein. Sie können sich noch so ärgern; aber wir haben in diesem Bereich wahnsinnig viel auf den Weg gebracht. ({1}) Wir haben manchmal vielleicht einen anderen Ansatz als Sie, wenn es um die Verbraucher geht: Wir wollen die Verbraucher nicht bevormunden, sondern ihnen helfen, mündig zu entscheiden. Dazu braucht man Hilfestellungen wie klare, transparente Regeln und Entscheidungshilfen. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. ({2}) - Wir haben, übrigens noch in unserer gemeinsamen Regierungszeit, ein Beratungsprotokoll auf den Weg gebracht. ({3}) - Moment! Ich wollte es nur sagen; denn Sie können schlecht auf sich selbst schimpfen. ({4}) Das war nur ein Punkt, einer von mehreren Bausteinen. Wir haben jetzt, ohne einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht zu haben, alle Banken dazu gebracht - das ärgert Sie vielleicht -, einen sogenannten Beipackzettel vorzulegen. ({5}) - Ich weiß, dass Sie das ärgert; aber ich finde, das ist schon eine reife Leistung. ({6}) - Schauen Sie es sich einfach einmal an! Ich kann Ihnen garantieren: Auch wir werden uns diese Beipackzettel genau anschauen. Das ist jetzt sozusagen erst einmal ein Entwurf. ({7}) Wir werden uns das gemeinsam anschauen; ich werde nicht lockerlassen, bis alle Angaben, die wir uns vorgestellt haben, im Beipackzettel auftauchen. Das ist unsere Aufgabe; da werden wir sehr wachsam sein. ({8}) Wir wissen sehr wohl, dass das nur eine Etappe sein wird. Die nächste Aufgabe wird sein, die Finanzaufsichtsbehörden zu stärken. Da sind wir gemeinsam mit den Finanzfachleuten auf einem guten Weg. Übrigens - vielleicht haben Sie das noch gar nicht gemerkt - hat der Bundesfinanzminister schon ein Eckpunktepapier zu diesem Bereich vorgelegt, das wesentliche weitere Schritte enthält. ({9}) Sie sehen also: Wir gehen im Bereich der Verbraucherfinanzen Schritt für Schritt vor, um hier wieder das Vertrauen in diese Branche und auch die Verbraucher selbst zu stärken. Wir werden die Lücken auf dem grauen Kapitalmarkt schließen. Wir werden die Fragen in Angriff nehmen: Wie muss sich ein Berater qualifizieren? Wie sieht es mit der Haftung aus? Das ist wirtschaftlicher Verbraucherschutz; so werden wir Schritt für Schritt vorangehen. ({10}) Aber es geht über die reine Gesetzgebung hinaus. Das Bewusstsein der Finanzdienstleister dafür, dass der Kunde König ist und dass sich die Vertriebsstrukturen und die Anreizsysteme am Blickwinkel des Kunden statt an internen Abläufen orientieren müssen, kann ich schließlich nicht gesetzlich verordnen. Aber wir werden ihnen auf die Finger schauen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt: Der Kunde muss im Mittelpunkt stehen. ({11}) - Nein. Was die Frage angeht, wie wir den Kunden stärken können, haben wir bei der Stiftung Warentest etwas umgesetzt, was andere lange versprochen haben. ({12}) Wir haben das Stiftungskapital im ersten Schritt - es kommen noch zwei weitere Tranchen dazu - auf 20 Millionen Euro aufgestockt. Das haben viele, auch eine Vorgängerregierung, versprochen. Sie haben es nicht geschafft. Wir haben es jetzt umgesetzt. ({13}) Wir haben auch schon die ersten Schritte in die Wege geleitet, um gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband eine Stiftung zu gründen und das Stiftungskapital zu erhöhen. ({14}) Wir werden auch nicht lockerlassen, in diesem Bereich weiter voranzugehen. ({15}) Ein weiterer Punkt ist die Hilfe in der Krise. Um es noch einmal klarzumachen: Das Sonderprogramm für die Landwirtschaft wurde nicht durch irgendwelche Umschichtungen finanziert, lieber Kollege Bonde, sondern es sind 750 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt worden. Ein Programm in dieser Größenordnung hat es noch nie gegeben. Wir haben das im Koalitionsvertrag versprochen, und wir haben es jetzt auch sehr schnell umgesetzt. ({16}) Das Programm heißt Grünlandmilchprogramm. Die Schwerpunkte liegen auf Grünland ({17}) und Milch. Das sind die beiden Komponenten. ({18}) - Übrigens, Herr Schwanitz, wenn Sie schon auf Bayern abzielen: Bayern liegt nicht im Südwesten; dort liegt Baden-Württemberg. ({19}) Aber hier geht es um das Grünlandmilchprogramm. Wir haben es so schnell und effektiv umgesetzt, wie es unter europarechtlichen Gegebenheiten möglich ist. Das war eine reife Leistung. Dafür kann ich meinem Haus einen großen Dank aussprechen. In drei Wochen ein solches Programm auf die Beine zu stellen, ist eine riesige Leistung. ({20}) Die Verlässlichkeit kommt bei den Bauern sehr wohl an. Die Erhöhung des Zuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung war für alle Landwirtinnen und Landwirte ein ganz zentraler und entscheidender Punkt, der schnell und effektiv umgesetzt wurde. Die Bescheide sind verschickt worden. Bei mir ist große Dankbarkeit dafür angekommen, dass wir nicht nur etwas versprochen, sondern es auch gehalten haben. ({21}) Ein weiterer wichtiger Baustein war das Liquiditätshilfeprogramm. Ich bin froh, dass wir uns wenigstens in diesem Punkt einig sind. Wie nötig es war und ist, zeigt der Abruf. Start des Antragsverfahrens war am 1. März. Schon am 9. März mussten wir es wegen der enormen Nachfrage schließen. Wir bräuchten noch viel mehr Geld dafür. Es zeigt sich aber, wie wichtig es war, die Mittel in diesem Bereich einzusetzen. Deshalb werden wir uns gemeinsam mit den Haushältern damit befassen müssen, wie wir das Programm möglichst schnell und effektiv umsetzen können. Insgesamt ist festzustellen, dass die Maßnahmen greifen. Sie werden zügig und unbürokratisch umgesetzt. Wir unterstützen die Betriebe in einer Situation, in der sie diese Unterstützung dringend brauchen. Der nächste Punkt sind die Investitionen in die Zukunft. Georg Schirmbeck hat die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ angesprochen. Ich war unter Rot-Grün Haushaltssprecherin in diesem Bereich. Wissen Sie, wie hoch der Ansatz damals war? Es waren 615 Millionen Euro. Deshalb muss ich mir von Ihnen nicht sagen lassen, dass unser Ansatz jetzt zu niedrig ist. ({22}) Um das Ganze noch einmal zusammenzufassen: Sie haben einen Finanzierungsvorschlag gemacht, die Verstärkungsmittel für andere Zwecke zu verwenden. Wir haben sie für die Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen. Ihr Vorschlag hätte zu dem geführt, was wir jetzt aufgrund der haushaltspolitischen Rahmenbedingungen machen müssen. ({23}) Schauen Sie ganz genau hin. Wir haben die Verstärkungsmittel für die Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen. Das ist jetzt Fachchinesisch der Haushälter, aber das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Ich bedanke mich, dass wir die Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe verstetigen konnten. Gemeinsam mit den Haushältern der christlich-liberalen Koalition war das eine hervorragende Zusammenarbeit. Herzlichen Dank dafür. ({24}) Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe; dabei bleibe ich. Natürlich bin ich über alle Erhöhungen der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe froh. Darüber freue ich mich immer. Auf alle Fälle ist das ein wichtiger Punkt - auch da sind wir uns Gott sei Dank einig - zur Stärkung der ländlichen Räume, aber auch für die Finanzierung eines aktiven Beitrags im Bereich von Klimaschutz, Artenvielfalt, Ressourcenschutz und auch von Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Ich halte das nach wie vor für eines der zentralen Programme. Deshalb werden wir darauf weiterhin unser Augenmerk legen. Wichtig für die ländlichen Räume ist, nebenbei bemerkt, auch die Breitbandverkabelung. Für dieses Jahr stehen dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung. Ich hoffe und gehe davon aus, dass die Länder und Kommunen diese Mittel auch abrufen. Gerade im Bereich der ländlichen Entwicklung müssen wir die Schwerpunkte setzen. ({25}) Aber zur Zukunftsfähigkeit möchte ich noch eines sagen: Natürlich hat Zukunftsfähigkeit auch damit zu tun, dass man Produkte verkauft. Das kann man nur, wenn sie eine gute Qualität haben. Mit Verlaub: Das gilt im Inland wie im Ausland. Deshalb halte ich es nicht für ehrenrührig, dass man landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland weltweit exportiert und für ihre hervorragende Qualität wirbt. Das halte ich für einen richtigen Ansatz. ({26}) Es ist doch auch eine Frage der Verlässlichkeit, wenn wir in schwierigen Zeiten, in denen der Absatzförderfonds aus Gründen, die wir heute nicht mehr erörtern müssen, zusammengebrochen ist, für eine Übergangsphase unterstützend tätig sind. Deshalb ist es wichtig gewesen, auch in diesem Bereich einen kleinen Schwerpunkt zu setzen und zu sagen: Es ist uns wichtig, dass die guten Produkte auch international vertrieben werden können. Das ist meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt - auch das möchte ich am Schluss noch sagen - geht es um Zukunftsinvestitionen im Bereich der Forschung. Ich sage mit großem Stolz: Unser Ministerium hat eine sehr große Ressortforschungseinrichtung. Aber dieser Bereich ist nicht nur groß, nämlich der viertgrößte, sondern auch gut. Das ist das Entscheidende. Ich habe mich gestern mit den Spitzen der Forschungscommunity getroffen. Dabei wurde uns bestätigt, dass unsere Ressortforschungseinrichtung qualitativ auf einem sehr hohen Niveau ist. Dass wir in den Neubau des FriedrichLoeffler-Instituts auf der Insel Riems investieren, nämlich 300 Millionen Euro, ist ein hervorragendes Zeichen, nicht nur für die Forschung, sondern, mit Verlaub, auch für die Region. Es ist richtig, hier einen Schwerpunkt zu setzen. Das war eine ausgezeichnete Entscheidung. Ich freue mich, dass wir den Neubau dieses Jahr einweihen können. ({27}) Die christlich-liberale Regierung, die Koalition, hat hier die richtigen Weichenstellungen vorgenommen. Wir sind auf einem guten Weg. Er führt in die Zukunft. Ich kann immer nur sagen: Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sind Zukunftsthemen. Wir werden sie gemeinsam gestalten. Herzlichen Dank. ({28})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ulrich Kelber ist der nächste Redner für die SPDFraktion. ({0})

Ulrich Kelber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003450, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Attackiert, befürchtet, bemängelt, drängt, fordert, gibt zu bedenken, hinterfragt, ist verärgert, kritisiert, kündigt an, lehnt ab, macht Druck, regt an, schimpft über, schlägt vor, verlangt, verspricht, will, sollte, müsste, könnte dieser Überblick, Frau Ministerin Aigner, über die wunderbare Vielfalt unserer schönen deutschen Sprache stammt aus Ihren Medienauftritten der letzten drei Wochen. Kein Notizblick, kein Mikrofon, keine Kamera ist vor Ihnen sicher. ({0}) Allerdings vermisse ich die entscheidenden Sätze, für die Sie gewählt wurden und für die Sie bezahlt werden - wir können gemeinsam üben -: Ich habe einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich habe durchgesetzt. Ich habe erreicht. ({1}) Dafür sind Sie gewählt worden. Dafür werden Sie bezahlt. Innerhalb dieser Nichtregierungsorganisation, die auf den Plätzen der Bundesregierung Platz genommen hat, sollten Sie eigentlich die Ministerin für Verbraucherschutz sein. Sie sind eine tatenlose Ankündigungsministerin. ({2}) Herr Kollege Bleser von der CDU, wenn man einen solchen Vorwurf macht, muss man ihn belegen; das ist mir klar, das tue ich gerne. Lassen Sie uns über die Untätigkeit von Frau Aigner und ihre Nebelkerzen bei der Finanzierung des Verbraucherschutzes reden. Schauen wir auf die Zögerlichkeit beim Kampf gegen Gebühren an Geldautomaten, über die sich sogar der Koalitionspartner zu Recht aufregt. Aufmerksamkeit verdient auch die Totalverweigerung der Ministerin beim Verbraucherschutz im Finanzsektor. Der Kampf gegen falsche Lebensmittelkennzeichnung findet im Wesentlichen in den Medien statt. Bei den Verbraucherrechten im Gesundheitssektor ist die Ministerin ein Totalausfall, ausnahmsweise auch medial. Beim Datenschutz stürzt sie sich auf die öffentlich leicht erklärbaren Vorgänge, obwohl Verbraucherschutzverbände und Datenschutzbeauftragter bei anderen Themen weit mehr Handlungsbedarf sehen als bei Google Street View. Krönender Abschluss ist: In Bayern ist die CSU-Politikern Aigner gegen Gentechnik. In Berlin fährt sie als Ministerin einen Zickzackkurs, und in Brüssel unterstützt sie unbeirrt die Gentechniklobby. ({3}) Erstes Beispiel, die Finanzierung des Verbraucherschutzes. Am Tag vor Heiligabend erklärt die Ministerin lauthals: Wir geben der Stiftung Warentest einmalig einen Zuschuss in Höhe von 50 Millionen Euro. - Nicht erwähnt wird, dass man den jährlichen Zuschuss um 2,5 Millionen Euro kürzt. In den Haushaltsberatungen gibt das Ministerium dann zu: Ja, es kommt plus/minus null heraus, wenn die Stiftung jährlich 5 Prozent Gewinn plus Inflationsausgleich erwirtschaftet. - Alle Experten sagen, dass das völlig unrealistisch ist. In Wirklichkeit wird es bereits 2011 eine reale Kürzung geben. 2012 fehlt der Stiftung Warentest ein Betrag in Millionenhöhe. Ich habe noch gut im Ohr, wie die Ministerin Ende 2009 gesagt hat: Die Bußgelder aus den Kartellrechtsverfahren verwenden wir für die Finanzierung des Verbraucherschutzes. - Die SPD hat die Probe aufs Exempel gemacht und genau das in den Haushaltsberatungen beantragt. Das wurde von Schwarz-Gelb wie erwartet abgelehnt. Nun muss ich Sie fragen: Frau Ministerin, haben Sie sich nicht durchsetzen können, oder waren Ihre Ankündigungen wertlos? Zweites Beispiel, der Verbraucherschutz im Finanzsektor. Sie haben zu Recht erwähnt, was die Große Koalition gemacht hat. Ich frage mich aber, was danach passiert ist. Wir haben damals die Dokumentationspflicht bei der Kundenberatung und die Verlängerung der Verjährungsfrist bei Falschberatung gegen anfänglichen Widerstand von CDU/CSU durchsetzen können. Alles andere durfte aufgrund des Widerstands der CDU/ CSU nur als Prüfungsauftrag beschlossen werden. Was ist daraus geworden? Im Zwei-Wochen-Rhythmus kündigt die Ministerin Gesetzentwürfe an. Sie legt aber keine vor. Aus Verzweiflung schmücken Sie sich jetzt mit Informationsblättern, die aufgrund von EU-Vorgaben sowieso bald notwendig sind. Weil Sie kein Gesetz beschlossen haben, hat jede Bank ein eigenes Informationssystem entwickelt. Einige dieser unterschiedlichen Informationssysteme sind nach wie vor so unverständlich, dass sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen Vorteil bringen werden. ({4}) Drittes Beispiel, die irreführenden Lebensmittelkennzeichnungen. Das ist ein besonders trauriges Kapitel. Das Ministerium von Frau Aigner selbst hat eine Umfrage bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern gemacht, welche Form der Kennzeichnung wichtiger Inhaltsstoffe sie sich wünschen. Über 80 Prozent sagen: Ich bevorzuge eine farbliche Kennzeichnung nach dem Ampelprinzip; ich verstehe sie und halte sie für erfolgbringend. - Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Ministerium von Frau Aigner selbst durchgeführt hat. Die Ministerin hält aber der Lebensmittelkonzernlobby die Treue und verhandelt in Brüssel dagegen. CDU/ CSU- und FDP-Abgeordnete des Europaparlaments versuchen, die Ampelfarbenkennzeichnung zu Fall zu bringen. ({5}) Bei Imitatkäse und -schinken brauchten Sie fast ein Jahr, um es in Brüssel zur Sprache zu bringen. Dabei hatte Frau Aigner hier doch Unterstützung durch das mediale Dauerfeuer Ihrer neuen Staatssekretärin Klöckner, die versucht, Frau Aigner den Rang als tatenlose Ankündigungsweltmeisterin streitig zu machen. Sie haben ein Jahr gebraucht, nicht um es zu regeln, sondern um es zur Sprache zu bringen. Auch bei einer anderen Sache warten wir seit einem Jahr auf eine nationale Regelung, die Sie schon längst hätten auf den Weg bringen können. In den Regalen der Supermärkte steht Milch als Frischmilch, obwohl es sich gar nicht um Frischmilch handelt. Vor einem Jahr haben Sie gesagt: Das wollen wir verhindern. Wir können das national regeln. - Bis heute ist nichts passiert. ({6}) Viertes Beispiel, die überhöhten Gebühren an Bankautomaten. Frau Ministerin, Sie haben diese Gebühren zu Recht kritisiert. Die Frage ist aber: Was tun Sie? Gestern hat sich Herr Goldmann von der FDP, Ihrem Koalitionspartner, öffentlich über die „Zögerlichkeit“ der Ministerin beschwert. Die Rache erfolgte sofort. Herr Schirmbeck hat ja gesagt: Wer uns kritisiert, muss damit rechnen, dass wir ihn auseinandernehmen. - Herrn Goldmann ist das gestern passiert. CDU/CSU und das Ministerium haben nach seiner Äußerung das Fachgespräch des Verbraucherausschusses boykottiert. Peinlicher geht es nicht mehr. ({7}) Einer Opposition fällt das politische Leben sicherlich leichter, wenn eine Regierung ablehnt, zu regieren. Für das Land ist das nicht ganz so gut. Die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen Taten im Verbraucherschutz und keine folgenlosen Ankündigungen. Setzen Sie nicht auf die Vergesslichkeit, Frau Ministerin! Die SPD hat in dieser Woche die erste Ausgabe des Schwarzbuches Ilse Aigner vorgelegt. Wir werden es regelmäßig aktualisieren und Ihre Versprechen und Ankündigungen prüfen. Ich glaube, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht: dass die Ministerin den Fachabteilungen ihres Ministeriums endlich die gleiche Zeit widmet wie dem Pressestab und den Imageberatern. Vielen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Der Kollege Hans-Michael Goldmann spricht jetzt für die FDP-Fraktion. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Geburtstagskind! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann noch so viel drum herumreden: Es ist ein Superhaushalt, den wir hier heute verabschieden. Es sind sehr starke Säulen darin, die die Landwirtschaft braucht. Ich nenne zum Beispiel die soziale Säule. Andere träumen davon, dass im Haushalt 750 Millionen Euro bereitgestellt werden, um Schwächen des einen oder anderen landwirtschaftlichen Betriebs, zum Beispiel eines Milchviehbetriebs, aufzufangen. Wenn mir einer damals gesagt hätte, dass wir aus dem Gespräch mit Frau Aigner - es war 10 Uhr abends im Büro von Frau Aigner ({0}) mit 750 Millionen Euro herausgehen - auch Herr Ripke war dabei -, dann hätte ich gesagt: Du träumst. Wir haben die Summe zum Beispiel für die Unfallversicherung verwendet. Das ist eine Supersache, gerade für die Familienbetriebe. Wir haben ein Kredithilfeprogramm aufgelegt, und wir haben etwas für die Grünlandbetriebe gemacht. Liebe Freunde, lassen Sie uns doch aufhören mit Nord und Süd, Ost und West, Groß und Klein. Das ist alles Kappes. Es geht darum, dass wir die landwirtschaftliche Struktur in Deutschland insgesamt erhalten, dass wir eine solide Basis haben, um uns den wirklichen Zukunftsaufgaben zuzuwenden, die in einem Maß auf uns zurauschen, dass wir im nächsten Jahr noch unser blaues Wunder erleben werden. Wenn es darum geht, zum Beispiel die Mittel für unsere ländlichen Räume auf der europäischen Arbeitsebene zu erkämpfen, dann müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Deswegen sollten wir heute den Haushalt nicht zerreden, sondern wir sollten ihn mit Freuden zur Kenntnis nehmen. Er setzt genau die richtigen Akzente: eine starke Säule für die Landwirtschaft, eine starke Säule für den ländlichen Raum, eine starke Säule für Familienbetriebe, die nachhaltig wirtschaften. ({1}) Lassen Sie mich noch etwas zur Ampelkennzeichnung sagen. Ich glaube, Sie, Herr Kelber, kommen aus Bonn. Mit Haribo haben Sie es vielleicht nicht so, da Sie Haribo als Lebensmittelkonzernlobby bezeichnen. Das mag Ihre Einschätzung sein, aber Sie wissen genau, dass die Lebensmittelwirtschaft klassisch mittelständisch strukturiert ist. ({2}) Da muss man sich fragen, ob man den Mut zur Fachlichkeit hat oder ob man Botschaften hinterherläuft. Ich sage Ihnen, Herr Kelber: An dieser Stelle muss man den Mut zur Fachlichkeit haben. ({3}) - Herr Kelber, Sie brüllen immer so. Überlassen Sie das mir. Ich habe das Mikro. ({4}) Sie sind doch nicht ernsthaft davon überzeugt, dass eine Ampelkennzeichnung - rot, gelb, grün -, bei der CocaCola mit drei grünen Punkten und einem roten Punkt erscheinen würde, die Qualitätsantwort auf die Interessen der Verbraucher ist, denen es darum geht, zu wissen, was wirklich in den Produkten ist. Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass das etwas Gutes ist. ({5}) Sie wissen, dass die Kennzeichnung, die jetzt auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht wird, Inhaltsstoffe, auch allergene Inhaltsstoffe umfasst und die Qualität eines Produktes zum Ausdruck bringt. Damit sind wir genau auf dem richtigen Weg. Wir müssen dem Bürger keine Lösungen vorgaukeln ({6}) - ganz ruhig, Herr Kelber -, wir müssen für den Bürger Lösungen entwickeln. Sie müssen schlicht und ergreifend Ihre Meinung korrigieren. ({7}) Nun will ich etwas zu den Bankgebühren sagen. Schauen Sie in die Pressemitteilung, dann werden Sie feststellen, dass der Journalist meinte, feststellen zu müssen, dass die Vorgehensweise von Frau Ministerin in diesem Punkt zögerlich ist. Ich habe einen ganz anderen Ansatz. Ich führe solche Fachgespräche als Ausschussvorsitzender mit Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss - wenigstens ist das die Regel -, um uns für ein schwieriges Thema zu konditionieren. Ich freue mich, dass meiner Einladung zehn Cracks aus der Bankwirtschaft sowie aus dem Verbraucherschutzbereich und den Gewerkschaften gefolgt sind und uns informiert haben. Wir sollten den richtigen Weg des Miteinanders praktizieren. Frau Aigner, ich werde Ihnen das Protokoll des gestrigen Gesprächs zuleiten; denn es sind sehr viele gute Anregungen gekommen. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die CDU/CSU aus Termingründen abgesagt hat. ({8}) So sollte mit dem Ausschuss und dem Ausschussvorsitzenden nicht umgegangen werden. Das schadet unserer Arbeit im Ausschuss. Ich mache manchmal Fehler; aber andere machen auch Fehler. Wir sollten an einem Strang ziehen und die Dinge gemeinsam voranbringen. ({9}) Herr Kelber, ich will noch etwas zu Ihrem Schwarzbuch sagen: Das ist doch wohl der größte Witz des Jahrhunderts. Nach zig Jahren Regierungsverantwortung kommen Sie vier Wochen nach Beginn der gemeinsamen parlamentarischen Arbeit mit einem Schwarzbuch. In diesem Buch bringen Sie zum Ausdruck, dass Verbraucherpolitik in Ihrer Zeit dunkel und schwarz war. Unsere ist christlich-liberal. Wir machen eine zukunftsorientierte Politik, die wir weiterhin konsequent betreiben werden. Herzlichen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Caren Lay für die Fraktion Die Linke. ({0})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wohl dem Weltverbrauchertag zu verdanken, dass wir heute zur Kernzeit zum Thema Verbraucherpolitik sprechen können. Den Rest der Zeit bleibt die Verbraucherpolitik für die Bundesregierung eher eine Nebensache; dieses Thema wird gern in die Abend- und Nachtstunden verbannt. Wir haben zwar eine Verbraucherministerin, die immer häufiger in Funk und Fernsehen überaus markige Forderungen verkauft - das hat heute mehrfach eine Rolle gespielt -, ({0}) so häufig, dass man leider immer wieder vergisst, dass Ihr Ministerium in den wesentlichen Punkten gar nichts zu entscheiden hat, sondern bestenfalls mitsprechen darf; aber egal ob es um den finanziellen, um den wirtschaftlichen oder um den digitalen Verbraucherschutz geht, um Fahrgast- oder Patientenrechte: Zuständig für die harten Fakten sind immer die anderen Ministerien. Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben so die Randfiguren der Regierungspolitik. ({1}) Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Frau Aigner, Ihre PR in eigener Sache steht in keinem Verhältnis zu den Zahlen und Fakten Ihres Haushaltsentwurfs. Schauen wir uns die Zahlen einmal an: Von Ihrem Gesamtetat von fast 6 Milliarden Euro planen Sie für verbraucherpolitische Maßnahmen gerade einmal 2,5 Prozent ein; das sind 148 Millionen Euro. Das steht in keinem Verhältnis zu den anderen Aufgaben Ihres Ministeriums. Noch deutlicher wird die untergeordnete Stellung verbraucherpolitischer Maßnahmen durch einen Vergleich mit dem Etat des Wirtschaftsministers Brüderle, der hauptsächlich für die unternehmerische Seite der Märkte verantwortlich zeichnet. Wirtschaftsminister Brüderle kann dieses Jahr allein 230 Millionen Euro, also deutlich mehr Mittel, als für den Verbraucherschutz zur Verfügung stehen, für das Nationale Weltraumprogramm ausgeben. Es ist schön und sicherlich überaus zeitgemäß, dass die Bundesregierung in die bemannte Raumfahrt investiert; aber mit dem unterirdischen Stellenwert, den die Verbraucherpolitik für sie hat, können wir uns als Linke nicht zufriedengeben. ({2}) Wir sagen: Verbraucherpolitik darf nicht länger eine Nebenrolle spielen. Die Finanzkrise hat es gezeigt: Verbraucherinnen und Verbraucher sind den windigen Geschäftspraktiken der Banken ausgeliefert. Da ist es unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, die Märkte verbrauchergerecht zu regulieren. Wir können diese Verantwortung nicht einfach auf die Menschen abwälzen. ({3}) Es gibt sehr viele Vorschläge, wie das geschehen soll, beispielsweise die Einrichtung eines Marktwächters wie in Großbritannien oder einer Behörde für finanziellen Verbraucherschutz, wie in den USA geplant. Nichts von alledem finden wir in Ihrem Haushalt. Sie können sich nicht länger davor drücken, Verbraucherinnen und Verbraucher vor betrügerischen Praktiken von Unternehmen zu schützen. Mit freiwilligen Infoblättern ist es hier nicht getan. ({4}) Ich freue mich sehr, dass Verbraucherministerin Aigner immer häufiger die Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen sucht - das ist gut und schön -; aber es kann nicht sein, dass eine Bundesregierung immer stärker auf den Sachverstand und den Service von Verbraucherschutzorganisationen zurückgreift, ohne ihnen gleichzeitig auch nur einen einzigen Cent mehr zur Verfügung zu stellen. ({5}) Allein mit der Anschubfinanzierung für die Verbraucherstiftung ist es hier sicherlich nicht getan. Das ist nichts anderes als eine Auslagerung des Problems, zumal man jetzt noch nicht einmal alle Gelder, die tatsächlich zur Verfügung gestanden hätten, zur Verfügung stellt. Wir Linke fordern mehr Geld für die Arbeit der Verbraucherorganisationen, insbesondere für den Bereich finanzielle Verbraucherberatung. Wir erinnern uns: Innerhalb von nur wenigen Tagen war es der Bundesregierung in der Krise möglich, einen Schutzschirm für Banken im Umfang von 470 Milliarden Euro zu spannen. Dagegen sind die 10 Millionen Euro, die wir heute für die Verbesserung der finanziellen Verbraucherberatung beantragen, doch wirklich ein Klacks. ({6}) Wer Banken aus der selbstverschuldeten Krise retten kann, der kann und darf beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sparen. Auch an anderer Stelle wäre mehr Geld für die Verbesserung des Verbraucherschutzes notwendig gewesen: zur Verbesserung der Forschung, für notwendige Aufklärungsarbeit, für ein Siegel „Ohne Gentechnik“, für eine Ampelkennzeichnung oder für Modellprojekte, die sich vielleicht auch einmal an einkommensschwache Haushalte richten. An all diesen Stellen wird gespart. Hierfür ist kein Geld vorhanden. Wir Linke wären offen gewesen für die Erschließung alternativer Einnahmequellen. Es könnten sich ja auch einmal die Unternehmerinnen und Unternehmer an der Finanzierung des Verbraucherschutzes beteiligen. ({7}) Wenn man bedenkt, wie viele Beratungen die Verbraucherzentralen machen müssen, um die Verbraucher allein über Fallen im Bereich Internet und Telekommunikation aufzuklären, wäre das nicht zu viel verlangt gewesen. Verbraucherschutz ist eine öffentliche Aufgabe, ist eine notwendige Aufgabe. Wer hier spart, der spart an der falschen Stelle. Vielen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ulrike Höfken ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen! Die Dankbarkeit, die empfunden werden soll, Herr Schirmbeck, weil mehr Geld im Haushalt ist als zu Zeiten von Frau Künast, beschränkt sich wohl auf diejenigen, die profitieren, ist also die Dankbarkeit der Funktionäre, aber ganz gewiss nicht die des Volkes. ({0}) Ganz ernsthaft: Wenn Sie Drohungen gegen die Ökolandwirtschaft ausstoßen und fordern, dass sie für die Almosen, die sie bekommt, auch noch auf die Knie fallen soll, mag das Ihren Vorstellungen von der gekauften Republik entsprechen. ({1}) In diesem Haushalt findet sich kein roter Faden und erst recht kein grüner Faden, sondern Schwarz-Gelb betreibt eine aggressive Industrialisierung, eine massive Exportorientierung und eine Förderung der Agrogentechnik, und zwar zulasten von Verbrauchern, Arbeitnehmern, Mittelstand und Steuerzahlern, von Umwelt und Klima. Mit Markt hat das nichts zu tun. Da ist so viel Markt drin wie früher in der DDR. ({2}) Fünf Beispiele: Erstens. Das 750-Millionen-Euro-Milchpaket, worüber ja schon viel gesagt wurde, ist ein verantwortungsloser Umgang mit Steuermitteln, weil Sie nämlich nicht an die Ursachen der Misere herangehen. Im Bereich des Milchmarktes wären vernünftige Marktanpassungsinstrumente nötig. Sie aber wollen bewusst Überschüsse herbeiführen und tun das politisch auch. Das hat nichts mit Markt zu tun. Wie groß die Not ist, das sieht man an dem entsprechenden Programm der Rentenbank: Die vorgesehenen Liquiditätsmittel waren innerhalb von 16 Stunden weg. Das war ein unwirksames Programm zulasten der Milchbetriebe genauso wie der Steuerzahler. ({3}) Zweitens, das Thema Exportförderung. Wunderbar, sie wäre - das hat der Kollege Bonde ja geschildert fast noch zulasten der paar Forschungsmittel für den Ökolandbau gegangen. Auf Vieh- und Fleischtagen wird der Entwicklung der Exportraten gehuldigt. Zugleich bringen es die Referenten des Bauernverbandes fertig, kein einziges Wort zur Einkommenssituation zu sagen, die sich gleichzeitig verschlechtert. Sie betreiben eine aggressive Exportpolitik. Zu Recht sagen andere europäische Länder wie auch Drittstaaten, dass das zu ihren Lasten geht. ({4}) Das verharmlost Herr Schäuble mit dem Fußballbeispiel. Ich finde, eine solche Politik ist international nicht tragbar. ({5}) Drittens, die Agrogentechnik. 9,5 Millionen Euro mindestens sind dafür im Haushalt veranschlagt. Das ist deutlich mehr, als für den Ökolandbau vorgesehen ist, und das, obwohl dieser Bereich durch die Verunreinigungen einen ungeheuren wirtschaftlichen Schaden anrichtet, der in die Milliarden geht, obwohl er von den Verbrauchern und vom Markt nicht gewollt ist, obwohl er keine Erfolge auf der technischen Ebene zeigt. Mit der Amflora-Kartoffel wurde ein Kniefall vor der BASF gemacht, und es ist ein veraltetes Produkt; das sagt sogar Sonnleitner. Dafür geben Sie Geld aus. Viertens, zum Bereich Ernährung. Die Ministerin sagt, die Verpflegung an Kitas und Schulen solle deutlich verbessert werden. Aber: Es gibt unwürdige Verschiebebahnhöfe zwischen Bund und Ländern zulasten der Länder, zum Beispiel bei Schulobst. Wir Grüne fordern ein Bund-Länder-Programm. Sie haben die Verantwortung angesichts der 100 Milliarden Euro Kosten für ernährungsbedingte Krankheiten, aber auch angesichts der Situation von Kindern und Jugendlichen, die schon im Vorschulalter an Diabetes und Herzkrankheiten erkranken. Ich finde es fahrlässig, das lächerlich zu machen, indem Sie einfach sagen, die Kinder sollten sich ein bisschen mehr bewegen, Herr Schirmbeck. Es ist die Verantwortung der Politik, eine vernünftige, flächendeckende Kindergarten- und Schulernährung zu entwickeln und zu garantieren. ({6}) Fünftens, zur Verbraucherpolitik. Es gab Ankündigungen zu verschiedenen Punkten: ESL-Milch-Kennzeichnung, „Ohne Gentechnik“-Programme, Google Street View, Süßigkeiten an der Kasse. Dann haben Sie, Frau Ministerin, von den schönen Beipackzetteln der Banken gesprochen. Wir konnten ja am Weltverbrauchertag erleben, wie diese vom Verbraucherzentrale Bundesverband in den Schredder gepackt wurden, und zwar völlig zu Recht. Wir brauchen keine „Wächterin“, als die Sie sich in den Zeitungen bezeichnet haben - Sie sind auch leider keine Marktwächterin, sondern Ihre Politik ist eine Politik der Nachtwächter -, ({7}) sondern wir brauchen eine Politik, die sich an den neuen Herausforderungen orientiert: Klimaschutz, umweltund tiergerechte Erzeugung, eine gute Ernährung für die Bevölkerung, Ernährungssicherheit, besonders für die Kinder und Jugendlichen, ein vernünftiges Einkommen auch auf dem Land, eine gute Energie- und Klimapolitik und eine moderne Verbraucherpolitik. Dafür stehen wir Grüne, und dafür werden wir auch weiter kämpfen. Danke schön. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Peter Bleser für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es wurde hier ja in sehr vielen Details herumgewühlt, ({0}) allerdings eher unkoordiniert in Richtung Verwirrung als koordiniert in Richtung höhere Transparenz. Ich will noch einmal unsere Linie aufzeigen, ({1}) damit Sie wissen, wohin wir wollen und mit welchen Instrumenten wir unsere Ziele verfolgen. ({2}) Wir haben schon in den Koalitionsverhandlungen zwei wichtige Grundsätze festgelegt: Erstens soll unsere Politik auf eine wettbewerbsorientierte Landwirtschaft ausgerichtet sein, und zweitens sollen neue, innovative Technologien auf wissenschaftlicher Basis bewertet werden. ({3}) Nur mit diesen Grundsätzen wird man das Verständnis der Bevölkerung erreichen und die Grundlage für Hilfen für zusätzliche Leistungen im Umweltschutz, im Tierschutz und beim Erhalt der Kulturlandschaft schaffen können. Diese Linie fahren wir im Grunde genommen schon seit dem Regierungswechsel 2005 konsequent. Wir haben damals mit dem Ende der rot-grünen Politik die Hebel umgelegt, eine neue Richtung eingeschlagen und entlang der genannten Linie Politik gemacht. Wenn heute hier die minimalen Verpflichtungsermächtigungen und die damit verbundenen Einschränkungen im Agrarhaushalt kritisiert werden, dann muss man noch einmal daran erinnern, woher wir kommen. Unter Frau Künast gab es ständig Steinbrüche im Agrarhaushalt, von der Agrardieselvergütung bis hin zur Reduzierung der Mittel für die GAK. Wir gehen den umgekehrten Weg. Wir haben in den letzten Jahren die investiven Mittel erhöht. ({4}) Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Das Milchprogramm, das vorhin genannt worden ist, dient ebenfalls dazu, uns im Wettbewerb zu halten. Es gibt dazu eine einfache Zahl: Trotz der schweren Krise in der deutschen Milchwirtschaft und trotz miserabler Preise haben die deutschen Milcherzeuger ihre Produktion um 2,8 Prozent gesteigert. ({5}) Die Franzosen, die sich im Wettbewerb nicht so gut aufgestellt haben, haben eine Reduktion der Produktion um 4,1 Prozent zu verzeichnen. ({6}) Wenn jetzt jemand behauptet, man hätte damit der Milchmengensteuerung das Wort geredet, dann muss ich sagen: Das ist nicht der Fall. Unter den Bedingungen, die ich genannt habe - auch andere Länder haben zugelegt -, haben wir in der Europäischen Union im letzten Jahr eine Reduzierung der Milcherzeugung zu registrieren gehabt. Das heißt, wir sind im Wettbewerb besser geworden. Unser Ziel ist, Marktanteile zu halten, damit wir die Beschäftigung in Deutschland auch in Zukunft sicherstellen können. ({7}) Deswegen ist es richtig, dieses Hilfsprogramm aufzulegen. Frau Tackmann hat hier einen einzigen richtigen Satz gesagt. ({8}) Sie hat nämlich festgestellt, dass die Einkommen der Milcherzeuger drastisch zurückgegangen sind. Das Hilfsprogramm hilft den Bäuerinnen und Bauern, die in diesem Bereich im letzten Jahr mit 19 000 Euro Gewinn pro Arbeitskraft zurechtkommen mussten. Das ist nicht nur eine soziale Hilfe, sondern auch vor allen Dingen eine Hilfe, um das wirtschaftliche Tal zu überwinden. Damit stellen wir Beschäftigung weit über den Bereich der Milcherzeugung hinaus sicher. Das ist unser Ziel. ({9}) Obwohl ich Sie, Frau Tackmann, persönlich schätze, muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie eine Politik machen, in die ich mich nicht hineindenken kann. ({10}) Sie haben sich hier als Anwalt der bäuerlichen Landwirtschaft und der kleinen Betriebe dargestellt. Wenn ich als Mitglied einer Nachfolgepartei der SED hier sitzen würde, würde ich mich wegen der Enteignung und der Zwangskollektivierung in den 50er- und 60er-Jahren im Nachhinein schämen. ({11}) Ich freue mich deshalb, dass der Bauernbund jetzt ein Denkmal für die Geschändeten in diesem Bereich errichtet hat, damit die Öffentlichkeit und die Nachwelt darauf aufmerksam gemacht werden, welches Leid dort zugefügt worden ist. ({12}) Frau Ministerin Aigner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Mittel des Hilfsprogramms in wenigen Tagen ausgeschöpft waren. Auch das ist ein Zeichen, dass die Menschen in diesem Bereich an die Zukunft glauben. Sie investieren, aber sie verkonsumieren das Geld nicht. Das ist für mich ein gutes Zeichen der Hoffnung. Es wurde kritisiert, dass wir über Verpflichtungsermächtigungen aus dem Ökolandbaubereich versucht haben, die Aufgaben der Exportförderung zu finanzieren. Diese Kritik war zwar unberechtigt. Trotzdem haben wir diese Regelung fallen gelassen. Es sollte von Anfang an kein einziger Euro aus diesem Bereich wegfallen. Die nicht ausgeschöpften Mittel hatten uns zunächst dazu veranlasst, diese Form der Gegenfinanzierung zu wählen. ({13}) Wir lassen es nun, damit hier nicht ein falscher Eindruck entsteht. Mir ist wichtig, dass wir zwischen ökologischer und moderner Landwirtschaft unterscheiden. ({14}) Wir behandeln beide Strategien gleich. Die nächsten Monate werden entscheidend dafür sein, wie die Agrarpolitik der Europäischen Union nach 2013 aussehen wird. Deswegen sind wir als Union sehr darauf bedacht, die ernährungspolitischen Ziele, die wir für die deutsche Landwirtschaft für das Jahr 2020 anstreben, sehr früh zu definieren. Wir haben in der Union schon präzise Festlegungen getroffen. Wir wollen eine Sicherstellung der Ernährung der europäischen Bevölkerung. Wir wollen, dass die Einkommen der Bauern adäquat bleiben. Wir wollen, dass die multifunktionale Landwirtschaft und die flächendeckende Landwirtschaft mit ihren Tierschutz- und Umweltzielen erhalten bleiben. Wenn wir diese Ziele gesellschaftlich verankern können, dann bin ich sehr sicher, dass wir es verhindern können, dass der Agrarhaushalt der Europäischen Union als Steinbruch für andere Politikfelder genutzt wird, was einige vorhaben. Lassen Sie uns gemeinsam diese öffentliche Diskussion führen. Jetzt haben wir noch Einfluss, bevor die ersten Festlegungen in dieser Richtung vorgenommen werden. Ich muss - ich tue das auch sehr gerne - noch etwas zum Verbraucherschutz sagen. ({15}) Wir, die Union, machen Verbraucherpolitik aus der Sicht des Betroffenen heraus. ({16}) Das greift in viele Politikfelder ein und führt dazu - das kennen wir noch aus der vorherigen Koalition, Frau Drobinski-Weiß -, dass die Kompetenzen in verschiedenen Häusern angesiedelt sind. Ich bin deshalb froh, dass der Finanzminister jetzt nicht ohne Unterstützung unserer Ministerin Aigner im Finanzmarktbereich aktiv wird und einen Gesetzentwurf für mehr Anlegerschutz und zu anderen Fragen im Finanzbereich vorlegen wird. Dass wir den Grauen Kapitalmarkt transparent machen müssen, ist unstrittig. Dass wir Anlegerprotokolle brauchen, ist unstrittig. ({17}) Ich rufe, weil wir eine Vertrauenskrise in der Finanzwelt haben, die Branche auf, ({18}) wie bei den Beratungsprotokollen mit uns vor gesetzlichen Maßnahmen aktiv zu werden; dann braucht das nicht geregelt zu werden. ({19}) Aber wenn es nicht geschieht, dann werden wir handeln. Ich stelle deshalb die klare Forderung auf:

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir wollen bei Geldautomaten die gleiche Transparenz wie bei Tankstellen. Man muss vorher wissen, was es kostet, nicht nachher. ({0}) Ich will ein Letztes dazu sagen. Wir sind uns alle einig, und ich habe nicht das Bedürfnis, hier über verschiedene Verfahrensweisen zu streiten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das geht auch gar nicht, Herr Bleser, weil Sie weit über die vorgesehene Redezeit hinausgegangen sind.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, das schützt meinen Kollegen Goldmann vor einer Bewertung seiner Aussage.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Sehen Sie, die Fürsorge des Präsidenten reicht präventiv auch in diese Richtung.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das nehme ich gerne als Hilfe in Anspruch. Ich will zum Schluss nur zur Kenntnis bringen, dass die Menschen sich in der Verbraucherschutz- und Agrarpolitik auf die Union verlassen können. ({0}) Dann wird auch da der Frühling sehr bald wiederkommen. Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Waltraud Wolff hat nun das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das staatstragende Mäntelchen, das Herr Bleser sich gerade umgehängt hat, ({0}) bedeutet nicht, dass die Politik, die mit diesem Haushalt gemacht wird, eine solide ist. Das werden wir ganz schnell aufzeigen. Das, was mein Kollege Rolf Schwanitz am Anfang zu „Klientel- statt Strukturpolitik“, zu „Einsparungen an der falschen Stelle“ und zu „Kein Konzept bei der Verbraucherpolitik“ gesagt hat, zieht sich, ohne dass wir uns abgesprochen haben, auch durch meine Rede und durch die gesamte heutige Debatte. Frau Aigner, Sie kommen bei der Verbraucherpolitik einfach nicht weiter. Bei der Agrarpolitik haben Sie sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Sie haben nur an einer Stelle richtig Geschwindigkeit aufgenommen: Eine solche Geschwindigkeit wie die, mit der Ihre Finanzpolitik hinfällig geworden ist, habe ich in elf Jahren Bundestag noch nicht erlebt. Sie haben uns bei der ersten Lesung des Haushaltes so viele Wohltaten versprochen. ({1}) - Dazu komme ich noch, Herr Schirmbeck. - Aber was ist bei der zweiten und dritten Lesung? - Sie legen uns die Streichliste vor. ({2}) Wir haben bereits bei der ersten Lesung deutlich gemacht, dass Sie ein 750 Millionen Euro teures Strohfeuer abbrennen. Davon geht weder für die Landwirtschaft noch für die ländlichen Räume ein wirklich nachhaltiger Effekt aus. Wir haben Ihnen damals schon gesagt, dass, erstens, man so etwas nicht auf Pump machen kann - Sie machen das auf Pump - und, zweitens, das vorrangig in Bayern - ich korrigiere: nicht im Südwesten der Republik - ankommt. ({3}) - Herr Schirmbeck, Sie haben selbst angekündigt, dass wir ab 2011 ganz genau hinschauen müssen, was wichtig ist. ({4}) Ab dann werden nach Ihrer Aussage die Einsparungen kommen. Das, was Sie jetzt auf Pump ausgeben, werden Sie ab 2011 einsparen müssen. Ich hätte nicht gedacht, dass uns schon in den Haushaltsberatungen deutlich gemacht werden würde, wie recht wir als SPD in der ersten Lesung hatten. ({5}) Das Ökolandprogramm sollte um 3,3 Millionen Euro gekürzt werden. Es bringt überhaupt nichts, wenn Sie, Herr Bleser, jetzt sagen, das sei alles nicht so gemeint gewesen. Schön, dass Ihnen das nicht geglückt ist. ({6}) Allerdings konnten wir nicht verhindern - das ist schon mehrfach angesprochen worden -, dass es bei der GAK Kürzungen in Höhe von 25 Millionen Euro gab. Waltraud Wolff ({7}) ({8}) Sie als Regierungskoalition setzen den Rotstift genau dort an, wo Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft und der ländlichen Räume gefördert werden. Das ist wirklich grandios. ({9}) Herr Goldmann hat vorhin gesagt, dass 750 Millionen Euro besonders für die landwirtschaftliche Unfallversicherung und für die Milchviehbetriebe vorgesehen sind. Ich komme aus dem Osten der Republik. Was kommt davon bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und bei den Milchbetrieben an? Gar nichts! Ich kündige hier und heute an, dass ich im Namen der SPD eine Aufstellung darüber verlange, wie die 750 Millionen Euro auf die Bundesländer aufgeteilt werden. Es wird sicherlich sehr interessant, sich das einmal anzuschauen. Liebe Frau Aigner, das Chaos, das Sie und Ihre Kabinettskollegen seit Beginn dieser Regierungskoalition veranstaltet haben, zeigt sich auch in Ihrem Haushalt. Sie wollen Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Beipackzettel - sprich: das Produktinformationsblatt stärken. Das ist völlig daneben. Wenn ich dem Bankenwesen bei der Formulierung freie Hand lasse, dann werde ich am Ende feststellen, dass kein Mensch die Informationen verstehen wird. Ich glaube, ohne Kriterien und gesetzliche Vorschriften werden sie völlig unverständlich geschrieben sein. Was ist mit der Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher? Ich glaube, dass gesetzliche Regelungen nötig sind, aber es passiert nichts. ({10}) Es gelingt Ihnen nicht, die Verbraucherverbände zu stärken. Sie treten deren Wünsche nach gentechnikfreien Lebensmitteln und der Nährwertampel mit Füßen, und Sie reißen - das ist schon angesprochen worden - mit dem Stiftungskapital für die Stiftung Warentest eine riesige Finanzlücke in der Zukunft auf. Man kann wirklich nicht behaupten, dass Sie die höchste Verbraucherschützerin sind. Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut gemacht, angekündigt ist noch lange nicht durchgesetzt. Ich möchte auf die 750 Millionen Euro zu sprechen kommen, die die Regierung zur kurzfristigen Beruhigung der Milchbauern in Bayern und auch zum Teil in Baden-Württemberg verteilt hat. Das macht deutlich - das kreide ich der schwarz-gelben Regierung ernsthaft an -: Sie verkaufen für Ihre Klientelpolitik die Zukunftschancen der ländlichen Räume. Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist ein Schuldenbeschleunigungsgesetz gewesen, das besonders die Länder und Kommunen trifft. ({11}) Darüber hinaus sind Sie dabei, mit der Kürzung der Einspeisevergütung für die Solarenergie eine Zukunftstechnologie und ein wichtiges wirtschaftliches Standbein aus den neuen Bundesländern zu vertreiben. Das hat verheerende Folgen für die Entwicklung der ländlichen Räume, besonders im Osten der Republik. Sie setzen noch eins drauf. Herr Schwanitz hat es gesagt: Die Landwirtschaftsminister der Länder haben deutlich belegt, dass eine Aufstockung bei der Verpflichtungsermächtigung in der Gemeinschaftsaufgabe nötig ist, weil andernfalls die Bindung der zusätzlichen EU-Mittel für die Umsetzung der Gesundheitsprüfung nicht möglich ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Wolff.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß, ich bin knapp über der Zeit, aber Herr Bleser eben war weit drüber. Ich möchte noch einen Satz sagen. ({0}) - Eine Frage? Ja, gerne. Eine Zwischenfrage bedeutet, dass ich noch länger sprechen kann. Wo kommt die her?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Schirmbeck möchte gerne Ihre Redezeit verlängern.

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Wolff, das von der CDU erfundene EEG soll von uns fortgeschrieben werden. ({0}) - Die Urfassung des EEG, das Stromeinspeisungsgesetz, ist von Minister Töpfer. Das ist so. Das müssen Sie einmal nachlesen. Das wissen Sie vielleicht nicht, aber es ist die Wahrheit. ({1}) Sie müssen das richtig in Ihr Schwarzbuch hineinschreiben. Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen, ob Sie es für richtig erachten, dass, wenn der vergleichsweise wohlhabende Georg Schirmbeck eine Fotovoltaikanlage baut und für sein Kapital eine Verzinsung von fast 10 Prozent bekommt, das dazu führt, dass sein Nachbar, ein kleiner Stromkunde, diesen ordentlichen Gewinn des Investors Schirmbeck bezahlen muss. Oder halten Sie es nicht für richtig, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man diese Verzinsung an die üblichen Marktzinsen anpasst?

Waltraud Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Schirmbeck, wir haben - ich kann mich sehr gut daran erinnern - das EEG unter Rot-Grün Waltraud Wolff ({0}) beschlossen. Ich war dabei und bin sehr stolz, dass wir das beschlossen haben. ({1}) Wenn ich in Ihre Reihen schaue, stelle ich fest, dass da Kollegen dabei sind, die mitgestimmt haben. ({2}) Ich glaube, Sie haben dagegen gestimmt. Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau daran, aber das ist ja auch egal. ({3}) Wir sind dabei, gerade im Bereich Fotovoltaik eine Branche aufzubauen. Ich will einmal den Vergleich zur Atomenergie bringen: Herr Schirmbeck, 40 Jahre lang hat diese Energiebranche Unterstützung und Förderung bekommen. ({4}) Ich habe die genaue Summe nicht im Kopf. Das waren 40 Jahre, in denen die Branche nicht gesagt hat: Wisst ihr, wir sehen ein, dass da ein Aufwuchs ist; wir könnten uns mit einer Schmälerung einverstanden erklären. Niemals ist das gekommen. Aber die ErneuerbareEnergien-Branche, darunter die Fotovoltaik- und die Solarenergiebranche, hat das, was ab Januar 2010 an Degression schon geplant war, sogar mitgetragen. ({5}) Das, was Sie hier machen, ist ein Einschenken in einer Art und Weise, dass die Branche kaputtgeht. ({6}) Q-Cells hat seinen Sitz in Sachsen-Anhalt. 400 Arbeitsplätze sind dort schon abgebaut worden. Ein Vorstandsvorsitzender hat in der letzten Woche seinen Hut genommen. ({7}) Ich glaube, wir sollten bei dieser Branche einen Schwerpunkt setzen, da sie uns weg von Atomenergie und fossilen Energieträgern hin zu dezentralen Lösungen führt, und nicht schon jetzt Kürzungen vornehmen, obwohl die Branche noch nicht einmal richtig etabliert ist. Schönen Dank, Herr Schirmbeck. ({8}) Ich sehe, dass Frau Aigner mit diesem Haushalt mit Vollgas gegen die Wand läuft, dass sich aber die Menschen in den ländlichen Räumen - leider - die blutige Nase holen. Das ist etwas, was wir nicht mittragen können. Die Regierungskoalition weigert sich, die nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Sie weigert sich, Verbraucher- und Kundenwünsche ernst zu nehmen. Sie weigert sich, echte Anwältin der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sein. Sie setzt auf Ankündigungsrhetorik. Die Menschen erwarten aber Taten. Ihre Politik ist rückwärtsgewandt. Das zeigt dieser Haushalt. Deshalb können wir als SPD dem nicht zustimmen. Vielen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Erik Schweickert für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Erik Schweickert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004151, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss am Anfang auf zwei Dinge eingehen. Liebe Kollegin Wolff, eine Streichliste gibt es nur dann, wenn man etwas von der Liste streicht, das man vorher draufgesetzt hat. Unsere Politik ist geprägt von „Versprochen - gehalten!“. ({0}) Wir haben nichts heruntergenommen. Frau Wolff, nehmen Sie einfach einmal ein paar Fakten zur Kenntnis: Die Mittel der GAK wurden nicht ausgeschöpft, nicht einmal von Schleswig-Holstein. Brandenburg hat im letzten Jahr 20 Millionen Euro gar nicht abgerufen. Machen Sie einen besseren Vorschlag. Dann können wir darüber reden. Statt mit Schwarzbüchern zu arbeiten - nach 130 Tagen -, würde es Ihnen besser zu Gesicht stehen, wirkliche Vorschläge zu unterbreiten, wie wir als FDP es in der Opposition mit unserem Liberalen Sparbuch gemacht haben. ({1}) - Wir kommen noch dazu, Herr Bonde. Wir haben ein paar Sachen umgesetzt. Werfen wir einen Blick auf die Ausschussanhörung. Wir schauen uns die Themen an. Dann führen wir zusätzlich Fachgespräche, daraus gewinnen wir Erkenntnisse. Herr Kelber, Sie haben das vorhin angesprochen. Was kam dabei heraus? Es kam heraus: Fremdgehen war schon immer teuer. Deswegen müssen wir schauen, dass wir die Interbankenentgelte gestalten. ({2}) - Nein, das ist kein Angriff auf Sie. Ich weiß nicht, ob Sie da aus Erfahrung sprechen. Ich weiß nur, dass man, wenn man an fremden Bankautomaten Geld abhebt, etwas dafür bezahlen muss. Es ist wichtig, dass der Wettbewerb gestärkt wird. Wettbewerb ist ein wichtiger Punkt der liberalen Verbraucherpolitik. Das ist effiziente Verbraucherpolitik. ({3}) Sie sehen das beispielsweise bei Mobilfunktarifen und Flugpreisen. Wo wir Wettbewerb haben, geht es dem Verbraucher gut. Deswegen werden wir uns als christlich-soziale und liberale Koalition in diesem Bereich dafür einsetzen, dass Wettbewerb wieder stattfindet. ({4}) - Das vergessen wir nicht. Herr Kelber, Sie haben vorhin ein paar Unterlagen vom Bankenverband hochgehalten. ({5}) Es gibt aber auch gute Beispiele. Deswegen ist der Weg, den die Ministerin geht, richtig. Ich habe hier ein paar Informationsblätter von der Sparkasse. Sogar Sie werden beim Durchlesen alles verstehen. Es gibt noch ein paar Verbesserungswünsche; die haben auch wir. Aber wir sind weiter, als wir jemals gekommen wären, wenn wir das alles durch ein Gesetz geregelt hätten. Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis - das geht an Frau Lay -: Bei Verbraucherpolitik geht es nicht darum, Almosen zu verteilen. In Ihrem Antrag vom 15. März schreiben Sie: Dabei ist insbesondere das Angebot für einkommensschwache Haushalte zu stärken. Wenn Sie Verbraucherpolitik als Sozialpolitik ansehen, haben Sie uns nicht auf Ihrer Seite; denn das gehört nicht hierher. ({6}) Bei Verbraucherpolitik geht es darum, die Verbraucherrechte zu stärken und Wettbewerb endlich wieder stattfinden zu lassen. ({7}) An diesem Punkt brauchen wir keine Schaufensterpolitik der Opposition, sondern müssen in der Verbraucherpolitik tatsächlich vorangehen. ({8}) Da ist die christlich-liberale Koalition Vorreiter. Wir schaffen mehr als Sie in elf Jahren Regierungsbeteiligung. Herzlichen Dank. ({9})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Franz Josef Holzenkamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003775, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie viel ist uns unsere moderne und leistungsstarke Landwirtschaft eigentlich wert? Diese Frage wird im diesjährigen Haushalt, über den wir hier debattieren, beantwortet. Dieser Haushalt zeigt insbesondere die große Wertschätzung dieser Koalition gegenüber der Landwirtschaft, gegenüber dem ländlichen Raum und gegenüber der Ernährungswirtschaft. Ich habe bei dieser Debatte den Eindruck, dass das leider nicht bei allen so ist. Deshalb will ich feststellen: Die Land- und Ernährungswirtschaft im ländlichen Raum ist der stabilisierende Faktor des ländlichen Raumes in der Krise. Wir sehen das beispielsweise an den Exportzahlen. Die Land- und Ernährungswirtschaft ist in ihrer Vielfalt, mit ihrer Tradition, vor allem aber auch mit ihren Innovationen die tragende Säule im ländlichen Raum. ({0}) Die Land- und Ernährungswirtschaft steht in der Krise vergleichsweise etwas besser da als andere Wirtschaftsbereiche; das wissen wir. Aber wir kennen auch Bereiche - sie sind schon angesprochen worden -, in denen es erhebliche Probleme gibt, beispielsweise bei der Milch. Wir wissen, dass wir über 100 000 betroffene Milchviehbetriebe in Deutschland haben, die im letzten Wirtschaftsjahr katastrophale Ergebnisse erzielten, insbesondere aufgrund von krisenbedingten Absatzproblemen, zum Beispiel in Osteuropa. Wesentliche tragende Strukturen im ländlichen Raum stehen und standen auf dem Spiel. Deshalb ist das Sonderprogramm richtig. Herr Schwanitz, wenn Sie von Klientelpolitik sprechen, muss ich fragen: Sind Landwirte schlechter als Banken oder sonstige Arbeitnehmer? ({1}) In dieser schweren Krise haben wir in der Großen Koalition die Finanzmärkte stabilisiert. Wir haben vor wenigen Wochen den Schutzschirm für die Arbeitnehmer gespannt. Wir haben auch das Sonderprogramm Landwirtschaft aufgelegt. Das alles, insbesondere das Letzte, ist wichtig für den ländlichen Raum. ({2}) Frau Wolff, nur ein Satz zur Fotovoltaik: Wir fördern sinnvoll, statt die Allgemeinheit abzuzocken, um das einmal klarzustellen. ({3}) Mir ist bei diesem Sonderprogramm wichtig, dass wir nicht nur Milchbauern sehen - auch da unterliegen Sie einem Irrtum, Herr Schwanitz; das wissen Sie als Haushälter eigentlich -, sondern wir stabilisieren auch die agrarsoziale Sicherung durch die Erhöhung der entspreFranz-Josef Holzenkamp chenden Mittel. Unsere Ministerin ist schon auf das Liquiditätsprogramm eingegangen. Hier hat man ein Programm schnell umgesetzt. Hier ist man effizient, unbürokratisch und wirkungsvoll vorgegangen. Herzlichen Dank an die Bundesregierung, insbesondere an unsere Ministerin, Ilse Aigner. Danke schön! ({4}) Ein Satz zum Verbraucherschutz. Die Verbesserung des Anlegerschutzes ist immer wieder angesprochen worden. Hier haben wir schnell reagiert; das ist gerade schon deutlich gemacht worden. Eines wissen wir alle: Es handelt sich beim Verbraucherschutz um einen Prozess, der ständig Anpassungen notwendig macht; das weiß jeder normal denkende Mensch. Entscheidend ist, dass diese Bundesregierung nicht redet, sondern anpackt. Das machen wir sehr erfolgreich. ({5}) Jetzt noch ein Satz zur Ampelkennzeichnung - davon, dass Sie Ihre Auffassung gebetsmühlenartig wiederholen, wird es wirklich nicht besser -: Sie wollen einen unmündigen Verbraucher produzieren. ({6}) Sie verbreiten in der Öffentlichkeit Falschinformationen, meine Damen und Herren von der Opposition. ({7}) Was haben Sie eigentlich für ein Gesellschaftsbild? ({8}) Ich will Ihnen deutlich sagen: Man muss das tun, worauf es ankommt, und nicht das, was in der Öffentlichkeit kurzfristig vermeintlich gut ankommt. Deshalb sind wir Regierung und Sie Opposition. ({9}) Ich möchte noch etwas zur Zukunft sagen, und zwar zur GAP-Reform 2013. Herr Kelber, Sie haben vorhin von Untätigkeit gesprochen ({10}) und gesagt, wir würden uns zu wenig kümmern. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. ({11}) Der neue EU-Agrarkommissar Cioloş ({12}) hat uns hier in Berlin besucht. Wir haben für unser Treffen etwa anderthalb Stunden Zeit gehabt. ({13}) Ich frage mich: Wo war eigentlich das Interesse der SPD? ({14}) Ich bin sehr froh, dass der Sprecher der SPD, Wilhelm Priesmeier, dabei war. Er war der einzige Agrarpolitiker der SPD, der anwesend war. Wenn Sie hier schon Sonntagsreden halten, sollten Sie auch einmal Interesse an der tatsächlichen Arbeit zeigen. So, meine Damen und Herren, geht es jedenfalls nicht. ({15}) Als letzten Punkt will ich den Export ansprechen. Wir wissen, dass es auf der nördlichen Welthalbkugel mehr Nutzfläche als auf der südlichen Welthalbkugel gibt. Wir wissen gleichzeitig, dass im südlichen Teil der Welt mehr Menschen leben als im nördlichen Teil der Welt. Es ist ganz einfach: Das bedingt Export. ({16}) Wir wissen auch, dass wir mittlerweile in fast allen Produktionsbereichen zu Nettoexporteuren geworden sind. Wir sind erfolgreich. Diesen Erfolg haben wir, insbesondere in den letzten Jahren, unserem Staatssekretär Gerd Müller zu verdanken, ({17}) der sich hier in ganz besonderer Weise engagiert hat. An dieser Stelle sage ich der Bundesregierung aus tiefster Überzeugung ein ganz herzliches Dankeschön. Meine Damen und Herren, wir sind für die Zukunft gut aufgestellt. Wir packen die Zukunftsthemen an. Wir entwickeln die erneuerbaren Energien weiter. Wir verstehen beispielsweise auch das Problem der Nutzungskonflikte. Wir wissen, dass wir bei der Biomassenutzung eine Kaskadennutzung - erst der Magen, dann die energetische Nutzung - auf den Weg bringen müssen. Hier sind wir gut aufgestellt. Wir wissen, dass sich die globale Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln wird. ({18}) Wir haben allerdings mit der Marktvolatilität zu kämpfen. In diesem Zusammenhang will ich noch das Stichwort Risikoausgleichszulage nennen, für die wir Agrarpolitiker uns einsetzen. Meine Damen und Herren, es gibt Zukunftsthemen ohne Ende. Bei diesen Themen sind wir sehr aktiv und produktiv. Es handelt sich um eine Wachstumsbranche und eine Zukunftsbranche. Dafür lohnt es sich zu arbeiten. Herzlichen Dank. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Präsident Dr. Norbert Lammert Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag auf Drucksache 17/1031. Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dafür? - Wer enthält sich? Damit ist der Änderungsantrag mit der Mehrheit des Hauses abgelehnt. ({0}) - Einigen wir uns auf hinreichend eindeutig. ({1}) Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1032? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Auch das war übersichtlich. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt gegen diese festgestellte Fassung? - Wer enthält sich? - Wer stimmt dafür? - Damit ist der Einzelplan 10 angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wegen der um 12 Uhr hier im Plenarsaal stattfindenden Feierstunde zum 20. Jahrestag der freien Wahl zur Volkskammer der DDR unterbreche ich die Sitzung bis 13.30 Uhr. Falls Sie vertrauliche Unterlagen oder private Dokumente auf Ihren Plätzen liegen haben, sollten Sie die besser mitnehmen, weil wir den Saal jetzt für die Feierstunde herrichten wollen. Die Sitzung ist unterbrochen. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern - Drucksachen 17/606, 17/623 Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Herrmann Dr. Peter Danckert Steffen Bockhahn Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem hat die Fraktion Die Linke einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Danckert von der SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Dieser Einzelplan 06, der Haushalt des Innenministeriums, ist sicherlich nicht der größte Haushalt, aber nach meiner Einschätzung einer der wichtigsten Haushalte, weil ein großer Teil des Haushaltes für Sicherheitsaufgaben, für die wir zuständig sind bzw. für die der Minister und sein Ministerium zuständig sind, etatisiert ist. Wir haben die Entwicklung aufmerksam verfolgt. Der erste Regierungsentwurf war noch ein gemeinsam mit uns erstellter, der Regierungsentwurf vom 16. Dezember dann ein Entwurf der neuen Koalition. Ich sage es ganz freimütig: Ich war sehr erfreut darüber, dass es einen Aufwuchs um 75 Millionen Euro gab, darunter 44 Millionen Euro für das Gebiet Migration - dazu wird die Kollegin Fograscher noch detaillierter ausführen; das ist sicherlich eine richtige Maßnahme, die wir billigen -, 20 Millionen Euro für die Luftsicherheit - das ist gewissermaßen ein durchlaufender Posten; hierdurch entsteht zwar der Eindruck, dass mehr ausgegeben wird, aber da diese Einnahmen von den Fluggästen kommen, stellt dieser Betrag keinen wirklichen Aufwuchs für den Haushalt dar - und 7 Millionen Euro für den von der Regierung verstärkten Einsatz in Afghanistan. Wenn man nun nach den Haushaltsberatungen einschließlich der Bereinigungssitzung einen Schlussstrich zieht, dann sieht man aber, dass nicht 75 Millionen Euro mehr, sondern 100 Millionen Euro weniger für den Haushalt veranschlagt sind. Das ist natürlich ein bedauerliches Zeichen, vor allen Dingen, weil es um Fragen der Sicherheit geht, aber auch - das ist mir aufgefallen und auch aufgestoßen -, weil offensichtlich der Minister selber von der Situation überrascht wurde, als dies in der Nacht von der Koalition beschlossen worden ist. Es muss ihn schwer treffen, wenn seine eigene Koalition, die ihn trägt, ohne Abstimmung mit ihm und ohne Abstimmung - das scheint mir in dieser Situation noch wichtiger zu sein - mit den betroffenen Bundesbehörden, zum Beispiel der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt, so etwas beschließt. Hier geht es um keine kleinen Beträge. Es sind Einsparungen in Höhe von 25 Millionen Euro im Personalbereich vorgesehen. Ich denke, das ist ein ganz bedenkliches Zeichen. Das fällt offensichtlich - das sage ich genauso offen mit der Situation zusammen, dass es Bemühungen gibt, eine Neuorganisation vorzunehmen, welche aber bisher keineswegs erfolgreich waren. Das kann man am besten nachvollziehen, wenn man sich darüber einmal mit den Personalvertretungen unterhält oder die entsprechenden Berichte dazu liest. Die Folgen, die darin beschrieben werden, sind, ehrlich gesagt, desaströs. Verehrter Herr Minister, ich glaube, Sie haben in Zukunft eine Herkulesaufgabe zu leisten, wenn Sie zum Beispiel die 40 000 Beamten bei der Bundespolizei davon überzeugen wollen, dass die Neuorganisation richtig ist, und ihnen gleichzeitig vermitteln wollen, dass ihre Arbeit Anerkennung findet. Wir haben in diesem Personalbereich - das ist nicht nur von der GdP oder anderen gewerkschaftlichen Vertretungen festgestellt worden - einen Anteil von Burnout-Syndrom-Betroffenen von 25 Prozent. Das ist eine katastrophale Situation. Hier muss man sich im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung um eine Verbesserung kümmern. Das Thema Sicherheit steht ja auch bei Ihnen hoch im Kurs. Aber es darf nicht nur eine Rolle spielen, wenn es darum geht, eine neue Spitze einzusetzen oder ein neues Polizeipräsidium in Potsdam zu bauen, was wir unterstützen werden, wenn es sich im Kostenrahmen hält. An dieser Stelle geht es auch darum, das Personal zufriedenzustellen - und das muss angegangen werden. Zu anderen wichtigen Aufgaben wird der Kollege Hartmann sich noch äußern. Von der Situation bei der Bahnpolizei ist die Bevölkerung unmittelbar betroffen. In diesem Bereich gibt es Polizeireviere, die überhaupt nicht besetzt sind. Das ist kein gutes Zeichen für den Umgang mit dem Personal. Aber obwohl vor Ort Personal fehlt, werden im Haushalt an dieser Stelle 25 Millionen Euro eingespart. Das ist eine Fehlentscheidung der Koalition, für die ich allerdings gar nicht den Minister selber verantwortlich machen will, da mit ihm darüber gar nicht bzw. erst in letzter Minute gesprochen worden ist, wie wir gehört haben. Ein anderes großes Thema, das in der Kürze der Zeit behandelt werden muss, ist der Digitalfunk. Ich darf mich in dem Zusammenhang bei den Berichterstattern bedanken, übrigens auch bei den zahlreichen Mitarbeitern Ihres Hauses, Herr Minister - bitte richten Sie den Dank aus -; ich habe das auch schon im Haushaltsausschuss angesprochen. Beim Digitalfunk sind wir jetzt einen ersten Schritt gegangen, indem wir die Mittel für den Regelbetrieb freigegeben haben. Das ist richtig, und das haben wir mitgetragen, weil wir nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollen, wenn Dinge, die seit zehn Jahren im Gespräch sind, nicht auf den Weg gebracht werden. Insofern muss ich einige Pressemitteilungen korrigieren, in denen behauptet wurde, die Verzögerung liege am Haushaltsausschuss; das war nicht der Fall. Der Umgang mit diesem Thema war unsäglich und kein gutes Beispiel für den Föderalismus in Deutschland, für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Hier ist viel Zeit vertan worden. Wir sind da Schlusslicht in Europa. ({0}) Alle Länder, auch Albanien, haben inzwischen den Digitalfunk, nur Deutschland nicht. Das ist kein sehr gutes Zeichen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch darauf richten, dass wir bei sehr vielen kritischen Punkten noch mit Kostensteigerungen rechnen müssen. Diese Punkte sind in den Berichten aus Ihrem Hause angemerkt, aber nicht quantifiziert worden. Da kann auf den Steuerzahler noch einiges zukommen. Das ist etwas, was wir als Haushaltsausschuss und Sie als Leiter des Ministeriums im Auge haben müssen. Zum Schluss eine Sache, die mich besonders beschäftigt hat. In dem Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt haben, ist eine kleine Position, der Goldene Plan Ost, gestrichen worden. Sie haben in den Beratungen im Haushaltsausschuss darauf hingewiesen, wie viel Sie im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm II getan haben. Das bestreitet niemand. Aber im ursprünglichen Haushaltsentwurf war der Haushaltstitel für den Goldenen Plan enthalten. Sie haben zum Ausdruck gebracht, dass - was ich Ihnen auch abnehme - die Streichung Sie besonders getroffen hat. Ich halte es für kein gutes Zeichen, wenn die Koalition eine so minimale Position in dem Haushalt des Ministers streicht, der für die neuen Länder als deren Beauftragter zuständig ist. Das hätte man verhindern müssen. Aber da mit Ihnen nicht gesprochen worden ist, Herr Minister, haben Sie das auch nicht im eigentlichen Sinne zu verantworten. Wir dürfen hier keine solchen negativen Zeichen setzen und das dann mit Konjunkturprogrammen verbrämen, die es zu dieser Zeit schon gab. Das wird, auch wenn es sich nur um eine minimale Position handelt, in den neuen Ländern sehr ernst genommen und von der Mehrheit dieses Parlaments als ein kritisches Zeichen gewertet. In diesem Sinne hätte ich mir gewünscht, dass Sie das hätten abwenden können. Aber wenn man als Minister nicht nach seiner Meinung gefragt wird, kann man das natürlich nicht abwenden. Herzlichen Dank. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Herrmann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jürgen Herrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003552, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über den Einzelplan 06, den Haushalt des Innenministeriums, schon zur Genüge diskutiert. Ich will an dieser Stelle trotzdem noch einmal klarstellen, dass es sich nicht nur um den Haushalt des BMI handelt, sondern auch um den von 17 nachgeordneten Behörden. Sie sehen also, wie umfassend dieser Haushalt ist. Mich wundert ganz besonders, wie Sie, Herr Kollege Danckert - wir haben in den Berichterstattergesprächen viel miteinander gesprochen -, auf die Idee kommen, dass wir, wenn es um Kürzungen im Haushalt geht, nicht mit unserem Minister sprechen würden. Wir stehen sehr wohl in ständigem Kontakt mit ihm. Wir haben alles abgesprochen. Dass es nicht immer ein Wunschhaushalt sein kann und dass man an der einen oder anderen Stelle, an der es der Minister nicht ganz so gerne sieht, streicht, ist klar. Dieses Recht des Parlamentes haben wir uns herausgenommen. Trotz allem gilt, dass wir sehr wohl diese Dinge mit ihm besprochen haben. Ihre Behauptung wird auch nicht dadurch wahrer, dass Sie sie fünf- oder sechsmal wiederholen. Ich denke, der Minister wird das nachher selber klarstellen. Der Entwurf für den Haushalt des BMI der christlichliberalen Regierung enthält einen Gesamtetat von circa 5,5 Milliarden Euro. Das ist ein im Vergleich zum Gesamthaushalt eher kleiner Haushalt. Er ist aber sehr wichtig, weil es auch um die innere Sicherheit geht. 50 Prozent des Haushalts entfallen auf Personalausgaben. Deswegen gibt es nur begrenzte Sparmöglichkeiten, was es schwieriger macht, zu sparen. Nichtsdestotrotz sind 12 Prozent dieses Haushalts für Investitionen vorgesehen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Diese Ausgaben sind sicherlich sehr wichtig. Wir haben uns mit dem Ministerium intensiv - damit knüpfe ich an den Anfang meiner Rede an - über eine Ausgabenkürzung in Höhe von 2 Prozent unterhalten. Wir Haushälter haben gemeinsam mit dem Koalitionspartner durchgesetzt, dass 2 Prozent eingespart werden. Das heißt, 110 Millionen Euro sind noch vom Ausgangsvolumen des Regierungsentwurfes abgezogen worden. Herzlichen Dank an Sie, Herr Minister, und an Ihr Haus für die Informationen und für die gute Zusammenarbeit, die insbesondere in den Berichterstattergesprächen zum Ausdruck kam. Wir haben viele Dinge angesprochen, und es sind viele Berichte - mehr als sonst angefordert worden. Es hat außerdem sehr viele Nachfragen insbesondere im allgemeinen Haushaltsgespräch gegeben. Diese Nachfragen betrafen den Digitalfunk, auf den ich gleich noch kommen werde, das Polizeipräsidium in Potsdam und den Einsatz unserer Polizisten in Afghanistan. Ich kann die Worte des Ministers im Berichterstattergespräch nur unterstreichen, dass nicht ungezügelte Ausgaben Sinn machen, sondern ein erfolgsorientierter und nachhaltiger Einsatz der Mittel. Ich glaube, das erreichen wir mit unserem Haushalt. Die Koalition hat 30 Änderungsanträge gestellt. Die Opposition hat deutlich mehr Anträge gestellt, von denen wir einigen zugestimmt haben. Es gab aber auch einige abstruse Anträge, die wir nicht annehmen konnten. Es freut mich deshalb umso mehr, dass von den 30 Anträgen, die wir gestellt haben, ein Großteil mit Stimmen aus der Opposition angenommen worden ist, teilweise sogar mit Zustimmung des gesamten Ausschusses. Ich möchte noch die Ausgaben für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Personalausweises ansprechen. Ja, wir sparen an dieser Stelle. Das geht zulasten - auch das ist eine Anmerkung, die der Minister gemacht hat - der Schulung derer, die in den Kommunen dafür verantwortlich sind. Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Zum 1. November dieses Jahres wird der elektronische Personalausweis eingeführt. Daran gibt es keinen Zweifel. Wir hatten Anträge für das Netz des Bundes und den Digitalfunk gestellt. Auch dort haben wir noch einmal eingespart, wohl wissend, dass wir in den nächsten Jahren in diesen Bereich investieren müssen. Auch bei der Ausstattung der Bereitschaftspolizei der Länder - das war ein Anliegen des Bundesrechnungshofes - haben wir gespart. Es gibt allerdings genug Querschnittsaufgaben, bei denen wir die Kosten nicht vollständig deckeln können, sondern gut beraten sind, die Länder zu unterstützen. Ein Anliegen bezüglich Haushaltswahrheit und -klarheit war für uns die Flexibilisierung. Am einfachsten wäre es natürlich - auch das Ministerium würde es gerne so sehen -, wenn das Ministerium den Haushalt in Gänze selbst aufstellen könnte, ohne dass wir bei einzelnen Positionen hineinreden können. Nichtsdestotrotz sind Flexibilisierungen in Teilbereichen natürlich sinnvoll; sie erleichtern die Verwaltungsarbeit. Hier haben wir uns auf die Fahne geschrieben, die Dinge dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, einzuschränken. Trotz der Kürzungen, die wir vorgenommen haben - da widerspreche ich Ihnen, Herr Kollege Danckert, ganz deutlich -, geben wir 67 Prozent des Haushalts für das BMI für den Bereich der inneren Sicherheit aus. Das sind 3,7 Milliarden Euro. Sie können also nicht behaupten, dass die eingesparten 110 Millionen Euro zulasten der Sicherheit gehen. Das ist bei weitem nicht so. ({0}) Kollege Danckert hat es eben angesprochen: Der Digitalfunk war Thema in mehreren Berichterstattergesprächen, und wir hatten eine Menge Fragen in Bezug auf Auftragsvergabe, Kosten und Struktur. Es gab hier eine lange Vorgeschichte. Otto Schily hat den Digitalfunk als damals verantwortlicher Innenminister im wahrsten Sinne des Wortes auf die falsche Schiene gesetzt. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn hat nicht funktioniert, und dadurch ist es zu erheblichen Verzögerungen gekommen, insbesondere bei der Aufarbeitung mit den Ländern. Die Beteiligung der Länder ist nun einmal ein wesentlicher Faktor in diesem Bereich. Ich bin froh, dass wir über den sogenannten Königsteiner Schlüssel zu einer Kostenverteilung gekommen sind. Wir haben uns auch über die einzuführenden Standards unterhalten und sind dabei, die Ausgestaltung des Kernnetzes voranzutreiben. Wir haben uns auf die Anzahl der Vermittlungsstellen, Basisstationen und Endgeräte festgelegt. Allerdings sage ich auch an dieser Stelle, dass ich nicht glaube, dass es möglich ist, heute eine zuverlässige Aussage über die Kosten für ein Projekt zu machen, das über mehr als zehn Jahre festgeschrieben wird. Von daher wird es sicherlich noch Nachbesserungen geben. Ich bin froh, dass wir auch Hinweise auf das Ausschreibungsverfahren bekommen haben. Wir haben daraufhin die Mittel entsperrt. Der Interimsbetrieb kann demnächst eingestellt und in den Regelbetrieb überführt werden. Das bedeutet eine Kostenersparnis von 7 Millionen Euro im Monat. Herr Minister, ich finde Ihren Entschluss richtig, den Digitalfunk vom Netz des Bundes abzukoppeln, weil wir doch erhebliche Sicherheitsprobleme haben. Wir werden in den nächsten Monaten noch einmal darüber diskutieren und haben das auch mit Sperrvermerken belegt. Ich bin mir aber sicher, dass dieses Projekt im Sinne einer besseren Ausstattung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsauftrag vor Ort äußerst wichtig ist. Lassen Sie mich auch noch etwas zu Afghanistan sagen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass auf der Londoner Konferenz Beschlüsse gefasst worden sind, die die Arbeit in Afghanistan auf militärischer, ziviler, aber eben auch auf polizeilicher Ebene voranbringen. Deutschland hat als Lead-Nation beim Aufbau der Polizei in Afghanistan in den zurückliegenden Jahren sicherlich das eine oder andere Problem gehabt. Aber wir sind bemüht, dieses Defizit aufzuarbeiten und stellen noch einmal zusätzliche 7,5 Millionen Euro für die deutsche Mission, aber auch für EUPOL, wo 45 Beamte eingesetzt sind, zur Verfügung. Wir werden die Zahl der Ausbilder auf 200 steigern. Das ist wichtig, damit die ANP, also die afghanische Polizei, demnächst auch selber ausbilden und ihre Aufgaben übernehmen kann. Das geschieht an den drei Standorten der Bundeswehr und in Kabul. Es ist ja nicht so, dass wir nicht erfolgreich gewesen wären. Seit 2002 haben circa 30 000 afghanische Polizeioffiziere und -beamte die Ausbildung durchlaufen; das ist sicherlich eine hohe Zahl. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den nächsten drei Jahren noch einmal 15 000 zu schulen. Wichtig ist, dass wir auch in diesem Bereich Hilfe zur Selbsthilfe leisten. 500 afghanische Ausbilder sollen demnächst die Arbeit der deutschen Ausbilder übernehmen. Das Ziel, 80 000 Mann im Dienste der afghanischen Polizei zu haben, ist sicherlich wichtig. Die Umsetzung des Focused District Development Program erscheint mir auch erforderlich, damit wir in die Fläche hinausgehen und diese Aufgabe vor Ort leisten können.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?

Jürgen Herrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003552, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, Sie nennen Zahlen zum Polizeiaufbau in Afghanistan. Ich war vor zehn Tagen dort und habe auch mit den Polizeiausbildern in Kunduz und Masar-iScharif gesprochen. Die Zahl von über 30 000 Beamten oder Angestellten der Polizei in Afghanistan, die Sie genannt haben, versehe ich mit einem großen Fragezeichen. Ich frage Sie: Können Sie etwas dazu sagen, wo die eigentlich geblieben sind? Wie viele sind nach Ihrer Kenntnis oder der des Bundesinnenministeriums nach wie vor als Polizisten in Afghanistan tätig und wo, und wie viele von ihnen waren „Schwund“? Man spricht von zwischen 30 und 50 Prozent. Entweder sind sie anschließend zu Hause geblieben, oder sie haben sich bei anderen afghanischen Sicherheitsbehörden verdingt oder sind sogar zu den Taliban gegangen. Können Sie darüber konkrete Auskunft geben? Nach dem, was mir dort gesagt worden ist, gibt es derzeit eine afghanische Polizei in Begleitung von deutscher Polizei in lediglich acht von 120 Distrikten und auch nur im Norden.

Jürgen Herrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003552, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Ströbele, 30 000 ist die Zahl, die mir vom Innenministerium genannt worden ist. Dabei handelt es sich um Sicherheitskräfte, die geschult worden sind. Wo die anderen geblieben sind, müssen Sie die afghanische Regierung fragen; denn wir führen keine Personalakten. Als Sie in Afghanistan waren, hätten Sie sicherlich die Gelegenheit gehabt, mit den afghanischen Entscheidungsträgern zu sprechen. Das Personalsystem in Afghanistan ist leider nicht so ausgefeilt wie hier. Denken Sie an die Probleme, die damals bei der Auszahlung des Lohnes aufgetreten sind. Das kann nicht bargeldlos erfolgen, sondern da wird das Geld direkt in die Hand gegeben. - Der eine oder andere wird sicherlich abhandengekommen sein. Entscheidend ist aber doch - das beantwortet auch Ihre Frage -: Es geht nicht nur darum, wer von der Fahne gegangen ist. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Qualität der Ausbildung, die wir zur Verfügung stellen, dazu führt, dass weniger Polizeioffiziere oder -beamte in Afghanistan getötet werden; denn wir haben im Bereich der Polizei höhere Verluste als beim Militär. Wenn Sie nähere Informationen möchten, dann wird Ihnen die afghanische Botschaft diese sicherlich zur Verfügung stehen. ({0}) Wir haben viel über die Polizeibeamten gesprochen. Ich möchte an dieser Stelle denjenigen meinen herzlichen Dank aussprechen, die ihren Dienst in Afghanistan freiwillig versehen. Das ist nicht immer ganz leicht; das sollte man an dieser Stelle unterstreichen. ({1}) Zum Schluss möchte ich noch auf ein Erfolgsrezept zu sprechen kommen, das möglicherweise demnächst sogar in China umgesetzt wird. Das hat mir zumindest der Präsident der Organisation gesagt, die auch im Inland ein sehr hohes Ansehen genießt. Ich spreche vom THW. Wir können es tagtäglich verfolgen: Egal welche Einsätze es wahrnimmt, ob der Einsturz des Stadtarchivs in Köln, beim Wirbelsturm Nargis in Myanmar, beim Erdbeben in China oder aktuell in Haiti und Chile, aber auch die kleinen Hilfseinsätze vor Ort - all das wird in Deutschland zur Kenntnis genommen. Es gibt ein hohes Aufgabenspektrum. Ich möchte an dieser Stelle lobend erwähnen, dass wir in diesem Bereich 80 000 ehrenamtliche Helfer haben; dem stehen lediglich 800 hauptamtliche Helfer gegenüber. Ich glaube, wenn man weiß, welche Arbeit von ihnen geleistet wird, dann kann man das gar nicht hoch genug schätzen. In den 668 Ortsverbänden wird her2860 vorragende Arbeit geleistet. Der Haushalt, der mit 178 Millionen Euro veranschlagt ist und noch einen kleinen Aufwuchs erfahren hat, ist damit sehr gut aufgestellt, insbesondere unter dem Aspekt, dass nur 25 Prozent des Etats für Personalausgaben eingestellt worden sind. Auf den Bereich Sport gehe ich nur noch am Rande ein; der eine oder andere Kollege wird dazu bestimmt gleich Stellung nehmen. Es ist ein wichtiges Thema, insbesondere nach den Winterspielen in Vancouver, aber auch im Hinblick auf die Paralympics, die derzeit stattfinden. Ich wünsche unseren Athletinnen und Athleten alles Gute und auch, dass sie noch viele Medaillen erringen. Das wird für die Zukunft wichtig sein; denn der Erfolg hängt eng mit der Bewerbung Münchens zusammen. Wenn wir uns in der Welt gut präsentieren, wird die Chance, dass wir die Olympischen Winterspiele 2018 nach München holen, sicherlich steigen. Ich weiß, dass wir in Zukunft sparen müssen - wir werden in diesem Jahr noch über die Haushaltsaufstellung für das Jahr 2011 diskutieren -, wenn wir die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhalten wollen. Das wird nicht einfach; aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir dies in gemeinsamer Arbeit auch mit dem Bundesinnenministerium bewerkstelligen können. Herzlichen Dank. ({2})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der Kollege Jan Korte. ({0})

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über den Einzelplan 06 mit einem Volumen von ungefähr 5,6 Milliarden Euro. Es geht um den Haushalt des Bundesministeriums des Innern. Deswegen verwundert es nicht, das zwei Drittel der Mittel für die innere Sicherheit vorgesehen sind. Ich kann hier und heute nicht über die gesamte verfehlte Innenpolitik der letzten Jahre referieren und will mich deshalb auf die besonders verfehlten Punkte Ihrer Innenpolitik konzentrieren. Man sieht dem Haushaltsentwurf an, dass mitnichten eine Änderung der Innenpolitik verfolgt wird, obwohl die FDP das angekündigt hat. Vielmehr wird fortgesetzt, was Schäuble und vorher Schily an Akzenten in der Innenpolitik gesetzt haben. Es gibt keine Kurskorrektur in der Innenpolitik, auch nicht mit der FDP in der Regierung. Das finden wir natürlich sehr schade. Namens des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus wird auch mit diesem Haushalt eine Politik fortgesetzt, die erstens auf Aufrüstung im Bereich der inneren Sicherheit, zweitens auf Zentralisierung und drittens auf Militarisierung der Innenpolitik setzt. Das kritisieren wir als Linke grundsätzlich. Eine Umkehr in der Innenpolitik wäre dringend nötig gewesen. ({0}) Statt Unsummen in neue technische Überwachungsmaßnahmen - Stichwort: Nacktscanner - zu stecken, wäre es vielleicht ratsam gewesen, mehr in Personal zu investieren. Sie haben das auf unsere Kleine Anfrage hin ja auch eingestanden. Wenn wir über öffentliche Sicherheit, zum Beispiel an Flughäfen, reden, dann müssen wir natürlich auch darüber reden, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren massiv privatisiert wurde. Eine Tätigkeit wie die Fluggepäckkontrolle, die früher insbesondere von Beamtinnen und Beamten - gut ausgebildet, immer wieder geschult und vor allem vernünftig bezahlt erledigt wurde, wird jetzt von privaten Dienstleistern zu Dumpinglöhnen ausgeübt. Das kann nicht sein. Hier wäre eine Umkehr nötig gewesen. Wir brauchen mehr Staat bei der Sicherheit und keine Dumpinglöhne; denn das führt zu weniger Sicherheit. Von einer solchen Umkehr ist in diesem Haushaltsentwurf aber nichts zu sehen. ({1}) Da wir immer differenzierte Sachpolitik machen, begrüßen wir ausdrücklich, dass es im Etat des Bundesbeauftragten für den Datenschutz einen gewissen Aufwuchs bei den Mitteln gibt. Das ist erst einmal erfreulich. Trotzdem - das gehört zu einer differenzierten Betrachtung natürlich dazu - steht das in überhaupt keinem Verhältnis zu den Skandalen und Sauereien, die wir im privaten Bereich in den letzten Monaten in der Wirtschaft vernommen haben. Wir hätten es für sinnvoll befunden, hier deutlich mehr Mittel einzusetzen, damit der Bundesdatenschutzbeauftragte in Zusammenarbeit mit seinen Länderkollegen auch einmal die staatliche Sammelwut stärker in den Fokus nehmen könnte. Das ist in der Tat zu wenig. Aber immerhin: Ein wenig mehr gibt es. Was ich an dem Haushaltsentwurf noch ganz spannend finde: Ich habe mir das FDP-Wahlprogramm angeschaut, ({2}) und ich habe mir den Koalitionsvertrag noch einmal angeschaut; man bereitet sich vernünftig vor. Groß angekündigt wurde - das ist interessant - die Bundesstiftung Datenschutz. Die wollten Sie; die haben Sie immer wieder propagiert. Im Haushaltsentwurf findet man 0 Cent dafür. 0 Cent sind für dieses Projekt angesetzt. ({3}) - Kollegin Piltz, vielleicht sagen Sie uns nachher einmal, was aus diesem spannenden Projekt werden soll. Ich möchte einen dritten Punkt zum Datenschutz kurz ansprechen. Nach dem Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung, die Sie nicht zu verantworten haben - das muss man der Fairness halber dazusagen -, wäre es an der Zeit gewesen, einmal innezuhalten, in sich zu gehen und zum Beispiel bei ELENA, der Vorratsdatenspeicherung für Sozialdaten, das Stoppzeichen zu setzen und dieses Vorhaben auf Eis zu legen. Wir fordern ein Moratorium für diese Massenspeicherung von Sozialdaten. Zum Glück haben schon 8 000 Leute Klage eingereicht. Stoppen Sie dieses Großprojekt! Es wird im Zweifel wieder kassiert werden. ({4}) Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herr Fromm, hat noch einmal begründet, warum man die Linke unbedingt weiter beobachten sollte. ({5}) Das wäre in der Tat ein ganz praktisches Einsparpotenzial von mehreren Millionen Euro. Das würden wir sofort mittragen. ({6}) Die Linke macht nicht ständig verfassungswidrige Gesetze, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um das einmal klar zu sagen. Stoppen Sie die Überwachung der Linken. Das ist eine antidemokratische Methode der politischen Auseinandersetzung. ({7}) Noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir reden hier über innere Sicherheit. Wenn man wirklich etwas für die öffentliche Sicherheit in diesem Land tun möchte, wäre ein verstärkter Kampf gegen den Rechtsextremismus vonseiten der Bundesregierung angebracht. ({8}) In diesem Bereich herrscht aber völlige Fehlanzeige. Das kann man daran erkennen, dass die Bundesregierung weder die Statistiken ihrer eigenen staatlichen Stellen zur Kenntnis nimmt noch auf Opferverbände hört und auch nicht zur Kenntnis nimmt - das hat die AmadeuAntonio-Stiftung gerade veröffentlicht -, dass seit 1990 in diesem Land 149 Menschen von Rechtsextremisten ermordet worden sind. Das wäre doch ein Grund gewesen, endlich aufzuwachen. Stattdessen schwafeln Sie von einem völlig unbelegten Extremismusbegriff. Sie haben keine Ahnung, was in einigen Gegenden in diesem Land abgeht. Hier wäre eine Umkehr nötig. ({9}) Deswegen fordern wir für das nächste Jahr mit Blick auf die Mittel für die Bundesprogramme, dass Sie umkehren. Sie sollten die vielen Organisationen, die in diesem Land eine hervorragende Arbeit machen, nicht immer wieder verunsichern, ob sie ihre Projekte weiterfinanzieren können, sondern endlich eine Garantie geben, dass diese Projekte dauerhaft auf einem hohen Level finanziert werden. Unsere Anerkennung haben diese Organisationen, die alltäglich gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfen. ({10}) Ich komme zu einem weiteren grundsätzlichen Punkt. Das BMI ist ja jetzt auch für Ostdeutschland zuständig. Ich sage das, weil das noch keiner mitbekommen hat. Hierzu mehrere Hinweise: Immer noch werden in Ostdeutschland geringere Löhne gezahlt. Das bedeutet vor allem eine Abwanderung von jungen Menschen aus Ostdeutschland. Ich erlebe das täglich in meinem Wahlkreis. Dies führt wiederum zu einem Ausbluten der ehrenamtlichen Strukturen, zum Beispiel beim THW und in anderen wichtigen Bereichen des Katastrophenschutzes. 1,7 Millionen Menschen in Ostdeutschland leben von Hartz IV. Jedes vierte Kind in Ostdeutschland wächst unter Armutsbedingungen auf. Der für Ostdeutschland zuständige Minister sagt dazu nichts. Der Vorschlag im Innenausschuss war, eine Arbeitsgruppe zu bilden und darüber zu diskutieren; das kann man im Protokoll nachlesen. Das ist, finde ich, etwas wenig. Vom zuständigen Minister, von dieser Bundesregierung kommt zum Thema Ostdeutschland überhaupt nichts: null Ansage, null Plan, keine Idee, am besten gar nicht darüber sprechen. In dem Zusammenhang würde mich interessieren - Sie reden ja gleich noch, Herr Minister -, was Sie zu den geplanten Kürzungen der Förderungen im Solarbereich sagen. Denn das ist insbesondere für Ostdeutschland schlecht. In Bitterfeld-Wolfen in meinem Wahlkreis sind die Industriearbeitsplätze, die in den letzten Jahren entstanden sind, allesamt in der Solarbranche entstanden. Mich würde interessieren, was der für Ostdeutschland zuständige Minister von diesen Plänen der Koalition hält. ({11}) Vielleicht sollten Sie Ihren Kollegen Seehofer unterstützen, der fordert, dass man diese Kürzungen so nicht durchführt. Wenn man über Ostdeutschland redet, ist ein weiterer Punkt, den ich mir angesehen habe, interessant. Es geht bei diesem Gesamthaushalt um Milliardenbeträge; da fallen 2 Millionen Euro nicht besonders auf. Wenn man in den Kommunen bis dato 2 Millionen Euro zur Förderung von ostdeutschen Sportstätten hatte, dann ist das in der Gesamtsumme nicht viel, aber für die einzelne Kommune, die einen Bolzplatz für Jugendliche und für Kinder und einen Sportplatz für den Breitensport unterhält, ist das sehr viel. Dass Sie ausgerechnet diese 2 Millionen Euro wegkürzen, können wir nicht verstehen. Das werden wir auch nicht akzeptieren. ({12}) Das kann nicht sein, wenn man sich ansieht - ich habe mir die Zahlen heute herausgesucht -, dass 60 Prozent der Sportstätten in Ostdeutschland sanierungsbedürftig sind. Man sollte diesen „Goldenen Plan Ost“ aufstocken, damit es auch für Kommunen im Westen Mittel gibt und die Kommunen im Osten weiterhin Mittel bekommen. Das wäre eine richtige Politik. Dass Sie ausgerechnet diese 2 Millionen Euro wegkürzen, ist absurd. ({13}) Das zeigt deutlich, was Sie für Ostdeutschland übrig haben, nämlich überhaupt nichts. Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte. Der Einzelplan 06, der darstellt, wie Sie sich die Innenpolitik der nächsten Monate weiter vorstellen, setzt die Politik des Abbaus der Grundrechte fort, hat null Interesse an Ostdeutschland, hat null Ideen für Ostdeutschland. Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, die eigentlich ein gesamtgesellschaftliches Projekt sein sollte von der Zivilgesellschaft bis in den Bundestag und die Bundesregierung, ist von Ihnen überhaupt nichts zu hören. Sie verharmlosen und nehmen nicht zur Kenntnis. Deswegen lehnt die Linke auch diesen Einzelplan aus tiefstem Herzen und aus tiefster Überzeugung ab. Wir fordern eine Umkehr in der Innenpolitik. Auf die FDP kann man in der Tat leider gar nicht setzen. Sie haben bis jetzt nichts durchbekommen. Das erste Projekt, bei dem Sie eine Umkehr hätten erreichen können, war SWIFT. Sie hatten keine Chance, das durchzusetzen. ({14}) Ich bin gespannt, was Sie im Bereich der Vorratsdatenspeicherung machen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wir werden Sie in Ihrem Kampf gegen Ihren eigenen Koalitionspartner auf jeden Fall unterstützen. ({15}) Wenn Sie eine Vorratsdatenspeicherung insgesamt verhindern wollen, haben Sie unsere volle Unterstützung. Ich hoffe, dass Sie sich durchsetzen werden. In diesem Sinne wünsche ich noch eine spannende Debatte. ({16})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Einzelplan 06 in der jetzigen Fassung ist ein gutes Gesamtkunstwerk. Er zeigt, dass man intelligent sparen kann, dass es möglich ist, innere Sicherheit zu gewährleisten, gleichzeitig den Datenschutz zu stärken und auch einen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushalts zu leisten. ({0}) Kollege Danckert, ich werde nicht müde zu sagen: Es kann nicht angehen, auch nicht für eine Oppositionsfraktion, dass die SPD in Gestalt des Kollegen Schneider am Dienstag sagt, wir würden zu wenig sparen, dass Sie, wenn wir es tun, aber am Donnerstag derjenige sind, der genau das kritisiert. ({1}) Das ist inkonsequent. Sprechen Sie in Ihrer Fraktion miteinander, und verhalten Sie sich in dieser Hinsicht ein wenig konstruktiver. ({2}) - Kollege Danckert, aus Sicht der Fachpolitiker gibt es fast nur Sonderthemen. ({3}) Ich glaube, dass wir hier eine andere Denkweise brauchen. Es geht nicht um die Frage „Wie viel?“, sondern es geht um die Frage: Was wird mit dem Geld gemacht, und was wird mit dem Geld erreicht? ({4}) Sicherheit ist für diese Koalition kein Selbstzweck. Sie ist kein Spielfeld, auf dem man mit Symbolik operieren kann. Sicherheit eignet sich auch nicht für Spiele mit den Ängsten der Bürger, sondern sie dient der Verwirklichung der Freiheit der Bürger, sie dient unserer freiheitlichen Ordnung. ({5}) Diesen modernen Sicherheitsbegriff vertreten wir. In diesem Sinne kümmern wir uns auch nicht darum, uns neue Gesetze, Eingriffsbefugnisse oder Überwachungsmaßnahmen auszudenken, sondern wir tun ganz praktische Dinge. ({6}) - Kollege Danckert, wir haben keine Stellen eingespart, wie Sie es gesagt haben. ({7}) Wir haben lediglich Personalkosten, die nicht benötigt werden, eingespart, ({8}) aber Stellen ausdrücklich nicht. Es gibt im Haushalt eine pauschale Stelleneinsparung, von der der gesamte Bereich der Sicherheit ausgenommen ist. Ich glaube, das wissen Sie auch. Deswegen sollten Sie hier nichts von Stelleneinsparungen erzählen. Wir tun andere Dinge. Wir bringen nun endlich ein Projekt auf den Weg, das im Grunde eine Altlast ist - der Kollege Herrmann hat es schon angesprochen -: den BOS-Digitalfunk. Unsere Sicherheitsbehörden brauchen diese modernen Funksysteme; das ist völlig unbestritten. ({9}) Es ist allerdings ziemlich ernüchternd, festzustellen, wie weit wir bei diesem Projekt bisher sind und was alles noch aussteht. Dieses Projekt hat diese Koalition geerbt. Jetzt kümmern wir uns darum, dass die Sicherheitsbehörden mit einem entsprechend guten Digitalfunk ausgestattet werden. ({10}) - Womöglich, Kollege Danckert, hat dieses ganze Missmanagement auch unter Beteiligung Ihrer Fraktion stattgefunden; aber sei es drum. ({11}) Wir sollten den Blick nach vorne richten. Natürlich gibt es einige Bereiche, in denen wir Haushälter erwarten, dass das Management besser wird. Herr Minister, es muss zum Beispiel ermöglicht werden, dass Erfahrungen, die dort, wo Digitalfunksender bereits installiert sind, gemacht werden - beispielsweise ob die Dichte der installierten Anlagen ausreicht, um die Netzabdeckung zu gewährleisten, oder nicht -, sofort in die Planungsverfahren in ganz Deutschland eingearbeitet werden, damit es hier nicht zu weiteren Verzögerungen oder unangenehmen Überraschungen kommt. Das Management in diesem Bereich kann und muss noch besser werden. Außerdem müssen wir alle Bundesländer ermuntern - ich glaube, hier sind wir uns einig -, das Ihre dazu beizutragen, dass diese Anlagen installiert werden können. Die Situation ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Ich glaube, auch hier gibt es Defizite. Mit den Bundesländern, die in diesem Bereich Nachholbedarf haben, werden wir deutlicher reden müssen, als es bisher der Fall gewesen ist. ({12}) Das sind im Übrigen Punkte, an denen man etwas Konkretes für die Sicherheit tun kann, ohne ständig neue Gesetze auf den Weg zu bringen, die eher eine symbolische Bedeutung haben. Die Polizeiausbildung in Afghanistan ist bereits angesprochen worden. Ich glaube, das ist eine besonders wichtige Aufgabe. Ich kann mich dem Dank des Kollegen Herrmann an die Beamten, die dort tätig sind, nur anschließen und das Ministerium bitten, weiterhin darauf zu achten - ich weiß, Sie tun das -, dass diejenigen, die sich für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt haben, auch Vorteile davon haben, wenn sie wieder in Deutschland sind, und zwar nicht nur in materieller bzw. finanzieller Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf ihre Laufbahn. Wir werden 100 neue Ausbilder für die Polizeiausbildung in Afghanistan bereitstellen und damit endlich die internationalen Verpflichtungen erfüllen, die Deutschland schon vor Jahren eingegangen ist. Das ist ja keine neue Aufgabe für Deutschland, sondern etwas, was eigentlich schon vor Jahren hätte geschehen müssen, aber nicht geschehen ist. Es wird also etwas nachgeholt. Auch hier hat diese Koalition ganz konkrete Verbesserungen erzielen können. Darüber hinaus stärken wir den Datenschutz. Kollege Korte, die Stiftung Datenschutz wird gegründet; das ist fest vereinbart. Da Sie diese Stiftung so vehement gefordert haben, rechne ich damit, dass Sie an dem Tag, an dem wir sie einrichten - das ist in Arbeit -, ({13}) nicht nur eine Einladung bekommen, sondern dass Sie uns, da Sie ja - wie wir Sie kennen - eine ganz konstruktive Opposition sind, ({14}) auch loben werden, sobald wir dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt haben. Damit rechne ich, wie gesagt, fest und freue mich bereits auf diesen Tag. ({15}) Wir haben auch die Stellung des Bundesdatenschutzbeauftragten gestärkt; das hatte die FDP übrigens schon in den vergangenen Haushaltsberatungen gefordert. ({16}) Der EuGH hat geurteilt, dass die Stellung des Datenschutzbeauftragten so angelegt sein muss, dass dessen Unabhängigkeit sichergestellt ist. Wir werden uns überlegen müssen, Herr Minister, wie wir die Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz so gewährleisten können, dass erfüllt wird, was das europäische Recht von Deutschland fordert. Etliche Projekte im Haushalt haben eine hohe Datenschutzrelevanz. Ich erwähne den elektronischen Personalausweis. ({17}) Wir haben an dieser Stelle, wie die FDP das immer wollte, dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeitsarbeit auf das beschränkt wird, was nötig ist, nämlich eine sachliche Information. ({18}) - Kollege Wieland, ich darf Sie darauf hinweisen - nur dass Sie auf dem Informationsstand eines Haushälters sind -: Die Grünen - fragen Sie Ihren Kollegen! - wollten, dass wir 3,5 Millionen Euro streichen. Wir haben 4 Millionen Euro gestrichen. ({19}) Wir sind also über das, was die Grünen in ihrem Antrag gefordert haben, hinausgegangen. ({20}) Insofern dürfte sich Ihr Zwischenruf an dieser Stelle in der Sache erledigt haben. Informieren Sie sich, sprechen Sie miteinander! Wir haben mehr gemacht, als die Grünen beantragt haben. ({21}) Sie sollten uns loben, statt uns Vorwürfe zu machen! ({22}) - Kollege Danckert, es ist ja schön, dass ich Sie so herausfordere. Aber ich darf Sie darauf hinweisen: Dass der elektronische Personalausweis kommt, steht im Gesetz. Das hat nicht die FDP beschlossen, das haben andere Mehrheiten beschlossen. ({23}) Es ist bemerkenswert, dass Sie das uns vorwerfen. Wir haben natürlich bestimmte Anforderungen an den elektronischen Personalausweis. Deswegen sagen wir: Da muss nachgesteuert werden. Mit einer absoluten Mehrheit würden wir über den elektronischen Personalausweis vielleicht anders entscheiden. Aber wir sind eine Rechtsstaatspartei; deswegen müssen wir, ob es uns gefällt oder nicht, durchführen, was Sie ins Gesetz geschrieben haben. ({24}) Dabei will ich nicht verhehlen, dass wir als FDP an dieser Stelle etwas anderes gemacht hätten. ({25}) Es gibt im Bereich Datenschutz weitere Aufgaben. Weil meine Redezeit fast abgelaufen ist, will ich nur noch das Projekt Arbeitnehmerdatenschutz ansprechen. Wir wollen den Arbeitnehmerdatenschutz stärken. Das ist ein Projekt, das die FDP-Fraktion mit hoher Priorität verfolgt. Nachbesserungsbedarf sehen wir auch beim Thema ELENA. Auch dort gibt es Entwicklungen, die wir mit einarbeiten müssen, wie das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung. Es gibt im Bereich Datenschutz also noch viele Dinge, die diese Koalition aus Sicht der FDP-Fraktion anpacken muss. Insgesamt bietet der Haushalt die Grundlage dafür, dass wir innere Sicherheit und Datenschutz sowie die Rechte und Freiheiten der Bürger gut miteinander in Einklang bringen können. Wir werden dem Haushalt selbstverständlich zustimmen. ({26})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Wolfgang Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der nächste Redner.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Herrmann, Herr Kollege Toncar, ich bin Ihnen richtig dankbar. Ich habe gestern zugehört, als die Kanzlerin geredet hat. Sie sprach von der „Herkulesaufgabe“, den Haushalt zu sanieren. Der Bundesfinanzminister kündigte an, er wolle das Steuer radikal in Richtung Sparen herumreißen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wo denn eigentlich? Wo sind die Sparschritte? Nun haben Sie mich aufgeklärt, Herr Kollege Herrmann, dass wir sie hier finden, dass die 110 Millionen Euro, die Sie als Haushälter gegenüber dem Ansatz des Ministeriums eingespart haben, der entscheidende Schritt seien. Wie soll das sein angesichts der 80 Milliarden Euro - wir rechnen sogar mit 100 Milliarden Euro -, die der Haushalt diesmal in die Miesen geht? ({0}) - Frau Piltz, zu Ihnen komme ich noch in aller Ausführlichkeit. Diese Regierung, diese Koalition verhält sich wie ein Automobilkonzern, der ankündigt, dass er neue Sparmodelle vorstellt. Dann zieht der Vorstandsvorsitzende am Vorhang, und da stehen die alten Spritschleudern mit neuen Chromleisten. Auf Fragen sagt er: Die Sparmodelle kommen nächstes Jahr. Auf die Frage, ob er nicht einen Prototyp oder wenigstens eine Skizze hat, sagt er: Die Skizze kommt im Mai; denn dann haben wir die neueste Ölpreisschätzung. So glauben Sie sich drücken zu können vor der Aussage, wo Sie denn sparen wollen ({1}) und was das denn bedeutet für die innere Sicherheit. Tun Sie hier doch nicht so, als ob Sie wirklich konsolidieren und dabei den Bereich innere Sicherheit ausnehmen könnten. Sämtliche Bundesländer haben immer, sozusagen litaneiartig, erklärt: An der inneren Sicherheit wird nicht gespart. - Genau das haben Sie getan, und Sie wissen es auch. Sie versuchen, die Stunde der Wahrheit vor sich herzuschieben. Diese Stunde wird aber kommen. Dann werden wir sehen, was diese Koalition zu leisten in der Lage ist. ({2}) Mit diesem „Ab morgen wird gespart, und darauf gebe ich heute noch einen aus“ können Sie uns nicht überzeugen, selbst wenn wir uns - und das tun wir - über mehr Mittel für den Datenschutzbeauftragten freuen und wenn wir auch sagen, für die Polizei im Ausland müsse mehr getan werden. Das alles ist ja richtig, aber das ist nicht die Herkulesaufgabe, von der die Kanzlerin geredet hat. Geld auszugeben, ist einfach, ({3}) Geld einzusparen, ist es nicht. Hier hören wir bisher nur Rhetorik. Wir hören auch nur rhetorische Girlanden hinsichtlich der angekündigten bürgerrechtlichen Wende. Das hat Ihre Fraktionsvorsitzende Homburger gestern ja gesagt: Wir balancieren Freiheit und Sicherheit neu aus. Wo geschieht das denn? ({4}) Erstes Beispiel. Die Kollegin Piltz hat nicht etwa erklärt: „Wir informieren jetzt korrekt und objektiv über den E-Personalausweis“, sondern sie hat in der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt: Wir wollen ihn für ganze zehn Jahre bis 2020 aussetzen. - Die Internetgemeinde hat gleich Hurra gebloggt und geschrieben: Deswegen haben wir die FDP gewählt. - Ja, und was machen Sie heute? Sie heben heute die Hand für mehr Planstellen beim Bundesverwaltungsamt, für Forschung auf dem Gebiet der Biometrie und für eine abgespeckte staatliche Propagandaoffensive hinsichtlich dieses E-Personalausweises. Das ist angewandte Schizophrenie. Sie reden von einem Unsicherheitspapier und bewilligen das Geld dafür. ({5}) Das zweite Beispiel, das BKA-Gesetz, wurde hier auch schon angesprochen. Herr Toncar sagt stolz: Die Planstellen, die wir dafür vorgesehen haben, wird es geben. - Für die neue Aufgabenwahrnehmung werden es dann insgesamt 130 Planstellen mehr beim Bundeskriminalamt sein - allesamt für Befugnisse, die die FDP bekämpft hat und gegen die die FDP durch ihre famosen Vertreter Baum und Hirsch - leider nicht mehr ganz aktuell, aber immer noch famos - in Karlsruhe vor Gericht zieht. ({6}) Diese Methode von Ihnen, sowohl auf Klägerseite als auch auf Beklagtenseite zu sein, soll jetzt offenbar die ständige Praxis werden. Forensisch können Sie damit nur gewinnen, weil Sie auf beiden Seiten sind. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit verlieren Sie aber, und zwar rasant. ({7}) Frau Kollegin Piltz, das muss ich Ihnen hier so sagen, weil Sie uns hier jahrelang erklärt haben, welche Versager die Grünen auf bürgerrechtlichem Gebiet sind. ({8}) Sie haben mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger geradezu darum gerangelt - das ist noch kein Jahr her -, wer vor den Booten der Piratenpartei vor dem Schöneberger Rathaus die Seeräuber-Jenny spielen darf, ob Sie oder Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Ja, das ist noch kein Jahr her. Jetzt müssen die Gondeln der FDP Trauer tragen. ({9}) Wir tun das allerdings nicht. Wir halten es mit Lothar de Maizière, der heute Freiligrath zitiert hat: Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht. - Unser die Welt trotz alledem. Das wird heute um 15 Uhr vor dem Brandenburger Tor gesungen werden, und wir werden hier im Herbst wieder eine Demonstration „Freiheit statt Angst“ von den vielen erleben, die diese Wende erzwingen wollen und die mit dem, was Sie bisher geboten haben, wirklich nicht zufrieden sind. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, das Wort.

Not found (Minister:in)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus, die Mitglieder des Haushaltsausschusses, hat sich bei meinen Mitarbeitern und mir für die professionelle Zuarbeit bedankt. Ich will das gerne zurückgeben und mich für die konstruktive und professionelle Beratung dieses Einzelplans sehr herzlich bedanken. Herr Abgeordneter Danckert, damit hier kein Missverständnis aufkommt: Dazu gehört auch, dass sämtliche Anträge, die die Koalition beschlossen hat, dass sämtliche Beschlüsse vorab mit mir besprochen worden sind. ({0}) - Nein, nein, ehrlich gesagt: Wann wir das besprechen ({1}) - vielen Dank -, das ist Datenschutz. ({2}) Richtig ist, dass alle Ressorts eine Kürzungsauflage von 2 Prozent erhalten haben. Wir sind hier ja unter uns: Ich kann Ihnen verraten, dass wir als Exekutive uns auch überlegt haben, wo diese 2 Prozent so einzusparen sind, dass die Aufgabenerfüllung gerade nicht beeinträchtigt wird. Im Bereich des Personalhaushalts der Bundespolizei ist es zum Beispiel so, ({3}) dass der Abstand zwischen den Soll-Ausgaben und den Ist-Ausgaben der vergangenen Jahre es ermöglicht, die von Ihnen genannte Summe einzusparen, ohne dass eine Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern einzige Stelle gestrichen, ohne dass die öffentliche Sicherheit ein einziges Mal gefährdet und ohne dass die Bundespolizei auch nur im Ansatz in ihrer Aufgabenerfüllung beeinträchtigt wird. Es handelt sich um eine Einsparung von Soll-Ausgaben, die die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet. Deswegen habe ich dem zugestimmt. ({4}) Am Schluss meiner Rede werde ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, bei dem ich anderer Meinung war. Es geht dabei um den Goldenen Plan Ost, über den wir im Ausschuss auch gesprochen haben.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Danckert?

Not found (Minister:in)

Gern.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte sehr.

Dr. Peter Danckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003066, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, trifft es zu, dass der von Ihnen vorgelegte Einzelhaushalt keine Einsparungen, sondern einen Aufwuchs von 75 Millionen Euro aufwies? Wie lässt sich das mit Ihrer Aussage vereinbaren, auch Sie hätten Einsparauflagen gehabt? Ihr Haushalt ist doch um 75 Millionen Euro höher als der alte. Das sind keine Einsparungen, sondern zusätzliche Ausgaben. Ich verstehe Ihre Aussage deshalb nicht.

Not found (Minister:in)

Herr Danckert, der Haushalt, den wir eingebracht haben, beinhaltete einen Aufwuchs. ({0}) Manches davon waren auch Einmaleffekte oder Ähnliches. Er beinhaltete auch Verringerungen, da im letzten Jahr Bundestagswahlen waren; das habe ich in der ersten Lesung vorgetragen. Dann hat der Haushaltsausschuss - wie bei allen anderen Ressorts - entschieden, dass 2 Prozent eingespart werden müssen. ({1}) Dazu kommen noch die Stelleneinsparungen. Wir haben das so verträglich umgesetzt, dass die Aufgabenerfüllung für den gesamten Bereich, für den ich verantwortlich bin, nicht beeinträchtigt wird. Deswegen ist dieser Haushalt für mich eine gute Arbeitsgrundlage. ({2}) Erlauben Sie mir, zu einigen Schwerpunktaufgaben der kommenden Jahre, die zwischen der ersten, zweiten und dritten Lesung diskutiert wurden, Anmerkungen zu machen. Ich kann und will dabei aber nicht auf alle Argumente, die hier vorgetragen wurden, eingehen. Zunächst möchte ich die Evaluierung der Sicherheitsbehörden erwähnen; das hat auch ein bisschen mit dem, worüber Sie gesprochen haben, zu tun. Der Bundesfinanzminister und ich werden zunächst die Sicherheitsbehörden des Bundes evaluieren. Dazu gehören die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, der Zoll sowie die Lage auf Flughäfen, Bahnhöfen und Häfen. Wir wollen Doppelarbeiten vermeiden. Wir wollen die Zusammenarbeit verbessern. Wir wollen Redundanzen vermeiden, damit die Arbeit besser wird und gegebenenfalls das eine oder andere effektiver geleistet werden kann. Die Bundesregierung wird sich in diesem Prozess von Experten beraten lassen. Es handelt sich dabei um folgende Herren: ({3}) Vorsitzender wird der ehemalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Herr Werthebach. Zu den weiteren Mitgliedern zählen der ehemalige Staatssekretär im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Riotte, der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts Dr. Ulrich Kersten, der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm, außerdem Professor Dr. Rolf Ritsert von der Deutschen Hochschule der Polizei sowie der in einigen Wochen in den Ruhestand tretende Präsident des Zollkriminalamts, Karl-Heinz Matthias. ({4}) Ich bedanke mich bei allen, die bei dieser Arbeit mitmachen. ({5}) - Ich weiß gar nicht, warum Sie da so aufgeregt sind. ({6}) - Es ist ein Mangel, dass keine Frau dabei ist; das mag sein. Wenn aber Menschen, die diesem Land treu gedient haben, nach Abschluss ihrer Dienstzeit der Bundesregierung ihren unabhängigen Rat zur Verfügung stellen, dann ist das Lob wert und nicht Tadel. ({7}) Ich werde sie bitten, bis zum Herbst Vorschläge vorzulegen. Daraus werden wir dann unsere Schlussfolgerungen ziehen und sie gemeinsam beraten. Zum Digitalfunk ist viel gesagt worden. Ich teile alle Auffassungen, die hier vorgetragen wurden. Er ist spät eingeführt worden. Die Einführung wurde durch Bund und Länder sowie durch den Parforceritt meines Vorvorgängers auf komische Weise vorangebracht. ({8}) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern Wir sind jetzt gemeinsam dabei, es auf die richtige Schiene zu setzen. Wir brauchen eine konstruktive und kritische Begleitung dieses Projekts, einschließlich eines externen Controllings. Ich finde es sehr gut, dass wir das machen, und hoffe, dass wir auf diese Weise vorankommen. Ich möchte einen weiteren Punkt vortragen, nämlich den Abschluss der Tarifverhandlungen, den Sie alle mitverfolgt haben. Es wurde eine Tariferhöhung um 1,2 Prozent in diesem Jahr und um 1,1 Prozent im nächsten Jahr beschlossen. Zusammen mit einer Einmalzahlung führt das für die Beschäftigten zu einer Einkommenssteigerung in der Größenordnung von 2,7 Prozent über eine Laufzeit von 26 Monaten. Linear sind es 2,3 Prozent. Ich halte diesen Tarifabschluss für verantwortbar, für auskömmlich und im Lichte dessen, was in der Privatwirtschaft verabredet worden ist, auch für gut. Deswegen wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der diesen Tarifabschluss inhaltsgleich und zeitgleich auf die Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger überträgt, allerdings unter Beachtung der bisher beschlossenen beamtenrechtlichen Regelungen. Das bezieht sich etwa auf die Abschläge im Versorgungsausgleich und Ähnliches. Wir werden den Gesetzentwurf schnellstmöglich einbringen. Ich glaube, die Angestellten und die Beamten sollten in dieser Frage gleichbehandelt werden. Die Einführung des neuen Personalausweises - das hat Herr Toncar zu Recht festgestellt - steht im Gesetz. Darin wird auch ein Datum genannt. Ich werde mich als Bundesinnenminister an das Gesetz halten und den neuen Personalausweis zum 1. November dieses Jahres einführen. ({9}) Von der Deutschen Islam-Konferenz war bisher noch nicht die Rede. Ich glaube, Sie haben Anspruch darauf, dass ich etwas dazu sage. Ich möchte die IslamKonferenz, die mein Vorgänger begonnen hat, fortsetzen. Sie hatte mit der ersten Phase insoweit einen gewissen Abschluss gefunden, als man sich auf gemeinsame Erklärungen, Bekenntnisse und eine Grundlage des weiteren Dialogs verständigt hat. Deswegen ist mein Ziel in der zweiten Phase der Deutschen Islam-Konferenz, unter Wahrung und Beachtung der dort gemeinsam erarbeiteten Grundlagen die Arbeiten konkreter und praktischer zu machen. Deswegen wird auch die Teilnahme kommunaler Vertreter und von Ländervertretern ausgeweitet. Ich bin insbesondere den Einzelpersönlichkeiten dankbar, die bisher an der Deutschen Islam-Konferenz beteiligt waren, dass sie auch weiter zur Verfügung stehen. Genauso dankbar bin ich, dass wir neue Persönlichkeiten gefunden haben, die in diesem Dialog das ganze vorhandene Spektrum von den sogenannten islamkritischen Vertretern bis hin zu anderen abdecken, sodass wir einen repräsentativen Querschnitt der Debatte haben, auch was die Einzelpersönlichkeiten angeht. Ich habe auch den bisher vertretenen Verbänden bis auf eine Ausnahme die Mitarbeit angeboten. Den besagBundesminister Dr. Thomas de Maizière ten Verband habe ich nicht etwa, wie es zum Teil gesagt worden ist, von einer weiteren Mitarbeit ausgeschlossen; vielmehr bin ich, solange erhebliche, schwerwiegende strafrechtliche Ermittlungen gegen einen dieser Verbände durchgeführt werden, die keine einzelnen Mitglieder, sondern die Arbeit des Verbandes im Kern betreffen, nicht bereit, mich mit Vertretern solcher Verbände an einen Dialogtisch zu setzen. ({10}) Das heißt aber nicht, dass die Tür geschlossen wird: Sie bleibt offen. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer konstruktiven und guten Fortsetzung der Deutschen Islam-Konferenz kommen. Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Sport. Ich habe gesagt, dass ich die Maßnahmen, die zur Kürzung des Regierungsentwurfs geführt haben, die die Koalition beschlossen hat, in allen Punkten teile, mit einer kleinen Ausnahme, dem Goldenen Plan Ost. Dabei geht es nicht um die Summe - im Kern sind es 2 Millionen Euro, um die gestritten wird -, sondern ich bedauere in der Tat die damit verbundene Symbolik. ({11}) Allerdings möchte ich eines hinzufügen, Herr Danckert, und diejenigen, die aus westdeutschen Wahlkreisen kommen, mögen mir das verzeihen: Nach wie vor ist - das haben auch die Ergebnisse von Vancouver gezeigt -, repräsentativ gesehen, der Anteil der erfolgreichen ostdeutschen Sportler deutlich höher als der der westdeutschen. ({12}) Das ist auch ein Reflex der Spitzensportförderung, die wir betreiben, die sich auch infrastrukturell weit überproportional stärker in den ostdeutschen Ländern als in den westdeutschen auswirkt. Auch das gehört zur Wahrheit der Spitzensportförderung dieser Bundesregierung. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kunert?

Not found (Minister:in)

Gerne.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Bitte.

Katrin Kunert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003795, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, vielleicht teilen Sie die Auffassung, die ich Ihnen jetzt vortragen werde. Es ist so, dass wir im Sportausschuss immer darüber reden, dass wir eine Sportfamilie sind und dass wir bei anstehenden Entscheidungen immer im Interesse der Sache beschließen. Ein Kollege im Haushaltsausschuss hat im Sportaus2868 schuss vehement dafür geworben, 2 Millionen Euro für die Ski-WM 2011 einzustellen. Als darüber gesprochen wurde, es solle eine Sondermünze geben, haben wir als Fraktion Die Linke gesagt: Jawohl, wenn wir eine WM in Deutschland austragen, dann möge sich der Bund an der Finanzierung der Sondermünze beteiligen, zumal es zu zusätzlichen Einnahmen kommt. - Dazu, dass aber ausgerechnet dieser Abgeordnete, der für die Sondermünze geworben hat, den Antrag stellt, den Goldenen Plan zu beerdigen, muss ich sagen: Da kommt es im Ausschuss schon zu Missstimmungen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Unsere Haushälter haben den Zusammenhang hergestellt, dass die Ski-WM auf Kosten des Goldenen Plans Ost finanziert wird. Das kann nicht sein. Zum guten Ton gehört: Wenn man im Haushaltsausschuss Anträge stellt, dann muss man sie zumindest im Fachausschuss ankündigen. Deshalb bedaure ich sehr, dass das hier anders gelaufen ist. Aber wir geben Ihnen natürlich die Möglichkeit, Herr Barthle, unserem Antrag zuzustimmen, wonach 20 Millionen Euro für den Goldenen Plan und damit für die ostdeutschen Kommunen eingestellt werden. Ich sage Ihnen: Der Spitzensport kann nur dann gedeihen, wenn wir in den Breitensport investieren. Ich frage Sie, Herr de Maizière: Stimmen Sie mir in diesem Punkt zu?

Not found (Minister:in)

Frau Kollegin, ich habe schon auf die Frage gewartet, die dann zum Schluss kam. Ich will darauf gerne antworten und wäre darauf auch ohne Ihre Frage eingegangen. Wir haben in Vancouver großartige Sportlerinnen und Sportler erlebt. ({0}) Wir erleben im Moment - wie soll ich sagen? - fast noch großartigere Sportlerinnen und Sportler mit körperlicher Behinderung, die das Beste leisten, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. ({1}) Das ist - Herr Herrmann hat es schon gesagt - die beste Werbung für die Bewerbung um die Olympischen Spiele in München. ({2}) Was hat das mit dem zu tun, was Sie sagen? Ich sage Ihnen Folgendes - das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt -: Wenn das irgendeine Ski-WM - die Garmischer mögen mir verzeihen - in irgendeinem Jahr gewesen wäre, hätte ich gesagt: Sie brauchen kein Geld für ein Kulturprogramm. Es gibt viele Weltmeisterschaften in Deutschland. Auch bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in unserem Land haben wir, die Bundesregierung und der DFB, auf ein Kulturprogramm verzichtet. ({3}) Aber die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen findet im Winter 2011 statt. Im Sommer 2011 entscheidet das Olympische Komitee, ob die Olympischen Winterspiele 2018 in München, Garmisch-Partenkirchen und Umgebung stattfinden. Deswegen, ich sage: und nur deswegen, weil die Veranstaltung exakt dort stattfindet, wo wir uns um die Olympischen Spiele bewerben, sind in diesem Fall diese Mittel gerechtfertigt und gut, begründen aber keinen Anspruch darauf, dass in Zukunft auch alle anderen Weltmeisterschaften teure Kulturprogramme bekommen. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage. ({4}) Ich wünsche mir, dass es uns bei allem innenpolitischen Streit, den wir haben - da wende ich mich insbesondere auch an die Grünen -, ({5}) auf Regionalebene, nicht auf Bundesebene, gelingt, in einer erstklassigen Weise professionell, finanziell und in der Art, wie wir uns um diese Olympischen Spiele bewerben, alles daranzusetzen, was vertretbar ist, um im Juli 2011 die Nachricht entgegennehmen können: Die Olympischen Spiele 2018 finden in Deutschland, in München, Garmisch-Partenkirchen und Umgebung, statt. Das wünsche ich mir. Im Übrigen wünsche ich mir bei allem Streit, dass wir in diesem Haus in dieser Frage einen Konsens erzielen. Ich bitte herzlich um Zustimmung zum Einzelplan 06. ({6})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Bundesminister, Sie sind zwar am Ende Ihrer Rede, aber der Kollege Barthle möchte noch gerne eine Zwischenfrage stellen. ({0}) Darf ich ihm dazu die Möglichkeit geben?

Not found (Minister:in)

Gerne.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Redezeit ist noch nicht zu Ende. Auch Herr Jerzy Montag möchte Ihnen anschließend eine Zwischenfrage stellen. - Herr Kollege Barthle.

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. - Herr Minister, können Sie mir erstens bestätigen, dass der Goldene Plan Ost ursprünglich eine andere Intention hatte, als er über die Jahre bekommen hat? Die Mittel dafür wurden sukzessive abgebaut, bis sie schließlich auf dem Level von 2 Millionen Euro gelandet waren. ({0}) Können Sie mir dazu bestätigen, dass über die Konjunkturprogramme für die neuen Bundesländer ein Betrag von rund 600 Millionen Euro zur Verfügung steht und dieser Betrag nicht in vollem Umfang abgerufen werden kann, weil den Kommunen die Möglichkeiten zur Kofinanzierung fehlen? ({1}) Angesichts dieser Tatsache ist der Betrag aus dem Goldenen Plan Ost eine wirklich zu vernachlässigende Größe und ist insofern wirklich nur Symbolik. Diese Symbolik hat 20 Jahre nach der Wiedervereinigung vielleicht nicht mehr die Strahlkraft, die sie einmal hatte. ({2}) Können Sie mir zweitens bestätigen, dass ich nicht Mitglied des Sportausschusses bin und dementsprechend nicht an dem Beschluss beteiligt war, der im Sportausschuss mit den Stimmen der Linken getroffen wurde, für die Ski-WM 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen? Können Sie mir drittens bestätigen, dass wir Haushälter, weil wir sparsam sind, diesen Betrag um eine halbe Million unterschritten haben und nur 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben? ({3})

Not found (Minister:in)

Ich kann Ihnen alles bestätigen. Ich finde es nur etwas seltsam, dass Sie eine Bestätigung brauchen, dass Sie nicht Mitglied des Sportausschusses sind. ({0}) Das ist sicherlich wahr. Ich finde es falsch, einen Zusammenhang zwischen der Kürzung der Mittel für den Goldenen Plan Ost und den Mitteln für die Ski-WM herzustellen. Einen solchen Zusammenhang gibt es nicht. Ich habe ausdrücklich begründet, dass ich das eine nicht schön und das andere trotzdem richtig finde. Ich füge aber eines hinzu: Der Bund ist nach der verfassungsmäßigen Ordnung - ich sage ganz leise: wenn überhaupt - für die Förderung des Spitzensportes und nicht für die Förderung des Breitensportes zuständig. Die Förderung des Goldenen Plans Ost war aufgrund des Nachholbedarfs und des Erfordernisses des Zusammenwachsens im Sport - ähnlich wie im Kulturbereich nach 1990 geboten, erforderlich und sinnvoll. Aber man muss fairerweise sagen, dass das nicht ganz der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Minister, eine weitere Zwischenfrage stellt der Kollege Montag.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Bundesinnenminister, Sie haben explizit die bayerischen Grünen angesprochen.

Not found (Minister:in)

Ich habe es angedeutet.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da ich im Moment der einzige Grüne aus Bayern im Saal bin, fühle ich mich angesprochen. Ich frage Sie, ob Sie die Debatte, die die bayerischen Grünen über die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2018 führen, überhaupt kennen. Uns geht es darum, dass diese Spiele so ökologisch wie möglich sind, dass die Eingriffe in die Alpen durch diese Olympischen Spiele so gering wie möglich sind und dass die öffentliche Infrastruktur dadurch keinen Nachteil, sondern einen Fortschritt erfährt. Wissen Sie eigentlich, dass diese Debatte dazu geführt hat, dass sich die Grünen, die in München für die Bewerbung zuständig sind und seit 20 Jahren mit der SPD in der Stadt regieren, im Münchener Stadtrat einstimmig für die Bewerbung ausgesprochen haben und sich die Münchener Grünen auf einer Vollversammlung mit Mehrheit dafür entschieden haben? Wir werden aber die Diskussion, ob diese Bewerbung letztendlich zu ökologisch nachhaltigen Spielen führen wird oder nicht, weiterführen.

Not found (Minister:in)

Herr Montag, ich begrüße Ihre Klarstellung ausdrücklich. Ich wollte die Grünen nicht tadeln und aus dem Konsens über die Bewerbung quasi herausnehmen. Vielmehr wollte ich versuchen, sie komplett mitzunehmen, auch die Landtagsfraktion der Grünen in Bayern. Unsere Bewerbung wird überhaupt nur eine Chance haben, wenn wir auf Nachhaltigkeit setzen. Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Bewerbung ist es gerade, dass vorhandene Sportstätten so genutzt werden sollen, wie es noch nie zuvor bei Olympischen Spielen der Fall war; das ist ein Markenzeichen. Wir wollen in München zum Beispiel alles fußläufig machen. Wir können uns bei der Nachhaltigkeit höchstens gegenseitig überbieten. Aber darüber, dass diese Olympischen Spiele nachhaltig sein sollen, kann es keinen innenpolitischen Streit in Deutschland geben. Da wir uns darin offenbar einig sind, bitte ich Sie alle - bei allem Streit über die öffentliche Sicherheit, den Datenschutz und den Goldenen Plan Ost - herzlich, in dieser Frage an einem Strang zu ziehen. Ich bedanke mich herzlich. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist Kollegin Gabriele Fograscher für die SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Fograscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade in einer Gedenkstunde die Arbeit der 10. Volkskammer gewürdigt. Die Volkskammer war fleißig und hat in nur sechs Monaten 164 Gesetze verabschiedet. Sie, die schwarz-gelbe Koalition, haben in vier Monaten nichts vorgelegt, auch nicht in der Innenpolitik. Wenn wir von der Tagesordnung für den Innenausschuss und das Plenum in der nächsten Sitzungswoche die EUVorlagen und die Initiativen der Opposition wegnähmen, bliebe nichts mehr zur Beratung übrig. ({0}) Nun könnte man sagen: Die Vorgängerregierungen haben alles zum Thema Innenpolitik geregelt, es gibt nichts mehr zu tun. - Aber so ist es nicht. Vielmehr sind Sie konzeptionslos, ideenlos, oder Sie blockieren sich gegenseitig, zum Beispiel beim Thema Vorratsdatenspeicherung. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts machen Sie, Herr Innenminister, massive Sicherheitslücken aus, die schnell geschlossen werden müssen, die Justizministerin aber will sich Zeit lassen und nationale Alleingänge und Schnellschüsse verhindern. Sie, Herr Innenminister, wollen Integrationspolitik zu einem Schwerpunktthema machen. Sie erhöhen die Mittel für die Sprachkurse, aber damit sichern Sie nur den Status quo. Mehr Qualität, mehr Kursangebote für spezielle Gruppen und bessere Stundenlöhne für die Lehrer lassen sich damit nicht finanzieren. ({1}) Unser Antrag greift diesen Mangel auf, und wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. Außerdem war die Neubesetzung der Leitung der Abteilung „Migration, Integration, Flüchtlinge, Europäische Harmonisierung“ im Bundesinnenministerium mit einer entlassenen Staatssekretärin aus Sachsen schon sehr zweifelhaft. Wir bezweifeln, dass Sie es mit Ihrer Schwerpunktsetzung wirklich ernst meinen. Sie haben zur Islamkonferenz gesprochen. Wir werden uns dazu äußern, wenn Sie Ergebnisse vorlegen; aber Voraussetzung dafür wäre, dass Sie die Ziele benennen, die Sie erreichen wollen. ({2}) In der ersten Lesung zum Bundeshaushalt haben Sie, Herr Innenminister, erklärt - ich zitiere -: Die erste Aufgabe eines demokratischen Staates ist, Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten. Das spiegelt auch unser Haushalt wider. Wie können Sie sich dann erklären - Sie haben vorhin versucht, es zu erklären -, dass die Mitglieder der CDU/ CSU und der FDP im Haushaltsausschuss die Kürzung des Personaletats bei der Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt durchgesetzt haben? ({3}) Ein Beitrag zu mehr Sicherheit ist das sicherlich nicht. Was Sie erklärt haben, ist einigermaßen absurd: Sparen durch Nichtbesetzung von Stellen. ({4}) Sie, Herr Innenminister, sprechen nicht mehr von innerer Sicherheit, sondern von öffentlicher Sicherheit. Neue Begriffe sind leider keine neue Politik, ({5}) und Sie haben heute nicht erklärt, was das heißt und wie sich das in Ihrem Haushalt widerspiegelt. Politischer Extremismus ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die Demokratie. Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischer Extremismus sind aber von der Qualität und von der Quantität her völlig unterschiedliche Bedrohungen. ({6}) Ihnen muss mit unterschiedlichen Konzepten und Instrumenten begegnet werden. Glauben Sie denn wirklich ernsthaft, dass sich mit den Modellprojekten, die zur Bekämpfung des Rechtsextremismus entwickelt worden sind und die im Bundesfamilienministerium angesiedelt sind, auch der islamistische Extremismus oder der Linksextremismus effektiv bekämpfen lässt? Wäre es nicht sinnvoller, anstatt im Einzelplan 17 die vorhandenen Mittel auf alle Formen des Extremismus auszuweiten und damit die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu schwächen, in Ihrem Hause Konzepte zu entwickeln, wie den unterschiedlichen Formen des Extremismus begegnet werden kann? ({7}) Neu im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums ist der Aufbau Ost. Doch was machen Sie da? Wo sind Ihre Konzepte? Was tun Sie gegen die Abwanderung? Wie wollen Sie gegensteuern, damit nicht so viele junge Menschen die neuen Bundesländer verlassen? Wie wollen Sie dort neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen? Bisher sind von Ihnen noch keine Antworten auf diese Fragen gekommen. Die große gesellschaftliche Bedeutung des Sports war in den vergangenen Jahren die Begründung für den Goldenen Plan Ost. Jetzt - wir haben es schon gehört und darüber hier diskutiert - ist er ersatzlos gestrichen. Herr de Maizière, Sie sind jetzt auch Beauftragter für die neuen Länder. Es gibt inzwischen aber auch in den alten Bundesländern erhebliche Probleme mit dem Erhalt und dem Neubau von Sportstätten. Hier wäre Ihre Initiative gefragt gewesen. Sie sind nicht nur für die Spitzensportförderung zuständig, sondern Sie sind auch Kommunalminister und damit zuständig für die Kommunen. Die schlechte finanzielle Situation der Kommunen in Ost und West sollte auch Ihr Thema sein. ({8}) Erfolge haben Sie, Herr Minister, bisher nicht vorzuweisen. Ich nenne nur das Stichwort „SWIFT“: Die Art, wie das Ganze gelaufen ist, war ein ziemliches Desaster. ({9}) Das werden wir Ihnen auch in Zukunft vorhalten. Es gab nämlich kein gemeinsames und kein abgestimmtes Verhalten innerhalb der Bundesregierung. ({10}) Sie hatte einen schlechten Start, und es geht auch nicht viel besser weiter. ({11}) Die Bürgerinnen und Bürger wissen überhaupt nicht mehr, was diese Bundesregierung plant oder will. Jeder in dieser Regierung sagt etwas anderes, will etwas anderes. Thema „elektronischer Personalausweis“: Keiner weiß Bescheid. Eine Forsa-Umfrage bescheinigt Ihnen: Nur noch 8 Prozent der Deutschen haben den Eindruck, dass in dieser Koalition an einem Strang gezogen wird. ({12}) Das ist kein gutes Ergebnis. ({13}) Es wird Zeit, dass Sie der Verantwortung, die Ihnen von den Wählerinnen und Wählern übertragen worden ist, gerecht werden: dass Sie nicht nur ankündigen, zum Beispiel ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, sondern dass Sie uns hier etwas vorlegen. Der Bundeshaushalt und der Haushalt des Bundesinnenministers werden den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht, und deshalb werden wir das Haushaltsgesetz ablehnen. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Piltz für die FDP-Fraktion. ({0})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innenpolitik ist - das weiß hier jeder - Verfassungspolitik. Der Innenminister ist auch Verfassungsminister, und der Innenhaushalt ist der Verfassungshaushalt. Daher muss es darum gehen, die richtigen Rahmenbedingungen auch über den Haushalt zu schaffen. Dazu gehört aus unserer Sicht die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Ich glaube, wir haben angefangen, dieses Ziel zu erreichen, und wir sind mit dieser christlich-liberalen Koalition auf einem guten Weg. ({0}) Wir setzen nämlich neue Akzente. ({1}) - Wenn Sie das so machen wie immer, müssen Sie sich von mir auch gefallen lassen, dass es so wie immer kommt. Ich möchte einmal ein Wort an die SPD richten. Sie haben in den letzten elf Jahren Verantwortung in der Innenpolitik getragen - vier Jahre lang waren Sie in der sogenannten Großen Koalition mit der CDU/CSU -, und Sie haben die Justizminister gestellt. Sie haben etliche Gesetze beschlossen, die vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand gehabt haben. Ich verweise darauf, dass vor gut zwei Wochen das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, für die Sie Verantwortung tragen. ({2}) Wenn nun Herr Gabriel sagt, die FDP sei eine Partei mit Führungspersonen, die - ich zitiere wörtlich - „jung“, „gnadenlos“, „rücksichtslos“ und „verfassungsfeindlich“ sind, ({3}) dann muss ich sagen: Ich freue mich über die Bezeichnung „jung“ - vielen Dank! -; aber der Rest ist einfach politische Amnesie. Eines ist klar: Sie haben das entsprechende Gesetz verabschiedet und nicht wir. ({4}) Wer, wenn nicht Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hat denn das verfassungswidrige Luftsicherheitsgesetz eingeführt? Wer hat denn die Vorratsdatenspeicherung hier mitzuverantworten? Wer hat die Pendlerpauschale zu verantworten? Wer hat die Beschneidung der Minderheitenrechte im Visa-Untersuchungsausschuss und der Parlamentsrechte bei den AWACS-Einsätzen zu verantworten?

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin.

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das waren stets Sie, und das müssen Sie sich auch vorhalten lassen. Wenn Frau Fograscher uns hier auffor2872 dert, uns einmal unsere Regierung vorzunehmen, dann kann ich Ihnen nur eines sagen: Ich warte auf den Tag, an dem sich die SPD endlich wieder zu dem bekennt, was sie hier gemacht hat. Es schadet nämlich der Demokratie, wie sie hier mit ihren eigenen Entscheidungen umgeht. Es geht nicht um das, was man in der Opposition sagt, sondern um das, was man in Regierungsverantwortung gemacht hat. ({0}) Dazu müssen Sie stehen. Das tun Sie nicht, und das werden Sie nicht tun. Das ist unser Problem. Sie spielen in der Demokratie nämlich eine schlechte Rolle. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Piltz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hartmann?

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kollegin Piltz, da wir ja beim Thema Bekenntnisse und Amnesie sind, möchte ich Sie fragen: Fällt Ihnen denn das Bekenntnis leicht, dass es das Land Nordrhein-Westfalen mit einem FDP-Innenminister war, der die Onlinedurchsuchung ins Gesetzblatt schreiben wollte und dafür zu Recht vom Verfassungsgericht, das dieses ablehnte, abgewatscht wurde?

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Hartmann, was mir zum Thema „Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zu den von NRW vorgeschlagenen Onlinedurchsuchungen“ vor allen Dingen einfällt, ist, dass der damalige Innenminister Herr Schily ({0}) - vielen Dank -, SPD, ({1}) sich auf Bundesebene nicht einmal bemüht hat, das Ganze, obwohl es verfassungswidrig war, per Gesetz zu regeln, sondern geglaubt hat, das Ganze mit einer internen Verwaltungsanweisung regeln zu können. Erst als die FDP Druck gemacht hat, nachdem wir es im Haushalt gesehen hatten, wurde das überprüft. Der Anstoß dazu kam nicht von Ihnen. Sie haben das mitverantwortet; ({2}) wir haben es kritisiert. Das fällt mir dazu ein. Das müssen Sie sich vorhalten lassen, meine Damen und Herren von der SPD. ({3})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Korte?

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, macht Spaß, vielen Dank.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Korte, bitte.

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Liebe Kollegin Piltz, vielleicht können wir uns darauf einigen, dass Sie beide in der Innenpolitik Mist gebaut haben. ({0}) Mich würde jetzt interessieren, dass Sie als FDP-Abgeordnete, deren Partei ja an der Bundesregierung beteiligt ist, dem Bundestag mitteilen, was Sie nun zu tun gedenken mit den ganzen Sachen, die mistigerweise beschlossen worden sind. ({1}) Danach möchte ich fragen. Es wäre doch Aufgabe des Mitglieds einer der Koalitionsfraktionen, das dem Bundestag einmal mitzuteilen. ({2})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich danke Ihnen für die Frage. Ich könnte jetzt unfairerweise den Rest meiner Rede auf Ihre Kosten halten. Aber da ich Ihnen ersparen möchte, noch 3 Minuten und 53 Sekunden zu stehen, verspreche ich Ihnen schon jetzt, dass Sie gleich erfahren, was wir wollen. Damit ist, wie ich glaube, die Frage beantwortet. Herr Kollege Wieland, ({0}) Sie sind doch jetzt mein persönlicher Mackie Messer. ({1}) Das, was Sie hier gemacht haben, ist nachvollziehbar, aber auch sehr durchsichtig. ({2}) Ich muss die Grünen jetzt doch wieder fragen - ich hatte es mir heute eigentlich ersparen wollen -: ({3}) Was ist denn mit dem Luftsicherheitsgesetz, das Sie verabschiedet haben? ({4}) Was ist mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses, die Sie vorgenommen haben? Was ist mit den sogenannten Otto-Katalogen, die Sie mitverabschiedet haben ({5}) und durch die das Trennungsgebot aufgeweicht wurde, mit denen Sie eine Vorverlagerung strafrechtlicher Ermittlungen, biometrische Datenerfassung eingeführt haben, mit denen Sie den Verfassungsschutz ausgeweitet und, zur Krönung, noch die Weitergabe von PNR-Daten an die USA ermöglicht haben? Dem hat Ihr damaliger Außenminister Fischer zugestimmt. Nur so viel zu Ihrer tollen Bilanz als Bürgerrechtspartei. Das müssen Sie sich sagen lassen. Was Sie da gemacht haben, war nichts Konstruktives. Sie wollen dazu nicht wirklich etwas sagen. Sie können dazu nichts sagen. Auch zu diesem Haushalt haben Sie nichts Konstruktives gesagt. Das ist leider Ihre Bilanz. ({6}) Wir, die Koalition von CDU, CSU und FDP, haben uns vorgenommen, den Datenschutz zu verbessern. Das ist ja etwas, was die SPD in elf Jahren nicht geschafft hat. Wir haben endlich eine personelle Aufstockung beim Bundesdatenschutzbeauftragten durchgesetzt. Herr Wiefelspütz hat das witzigerweise immer nach den Haushaltsberatungen gefordert, konnte sich damit aber nie durchsetzen. So kann man das auch machen. Zur Stiftung Datenschutz. Wir arbeiten gerade daran, aber, Herr Korte - das müssen Sie sich sagen lassen -, zur Haushaltswahrheit und -klarheit gehört auch, dass man erst dann Beträge in den Haushalt einsetzt, wenn die Mittel dafür auch benötigt werden. ({7}) Wir gehen davon aus, dass wir die entsprechenden Regelungen bis Ende dieses Jahres verabschiedet haben. Dafür werden wir dann im nächsten Haushalt entsprechende Mittel ansetzen. ({8}) Wir setzen darüber hinaus auch auf die Arbeit von engagierten Polizistinnen und Polizisten, die in ihrer täglichen Arbeit Recht und Gesetz selbstbewusst anwenden. Deshalb haben wir - das fällt ja in den Bereich des Bundes - die operative Einsatzbereitschaft des BKA durch Bereitstellung zusätzlicher Mittel verstärkt. Dass das bisher nicht geschehen ist, haben wir in der Vergangenheit ja immer kritisiert. Das erfolgt nun.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin Piltz, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? Sie sehen das zwar nicht, weil die Kollegen nicht aufstehen, wenn sie sich zu Wort melden. Das wäre vielleicht eine gute Anregung.

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Also ehrlich, ich finde, ein bisschen Respekt könnte Mackie Messer seiner Seeräuber-Jenny schon entgegenbringen. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Der Kollege Wieland möchte eine Zwischenfrage stellen; sie wird offensichtlich gestattet. - Bitte, Herr Kollege. ({0})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, das Fernsehen ist dabei. Ich bin ja für Datenschutz.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin Piltz, ich habe so großen Respekt vor Ihnen, dass ich mich nicht hinstellen wollte, bevor Sie meine Zwischenfrage zulassen. Nun, wo Sie es getan haben, tue ich das gerne. Sie haben eben zu Recht darauf hingewiesen, dass RotGrün ein Luftsicherheitsgesetz beschlossen hat, das vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hatte. Ist Ihnen aber entfallen, dass bei den sogenannten Otto-Katalogen insbesondere das von Ihnen gerügte, angeblich verfassungswidrige Eindringen in das Bankgeheimnis vom Bundesverfassungsgericht gerade nicht so gesehen wurde, wie Sie es sehen? Vielmehr wurde hier Rot-Grün in der Ansicht bestätigt, dass man in bestimmten Fällen den Strömen des Geldes folgen kann und muss, auch wenn es einer bestimmten Klientel und einer Partei, die sich immer zur Schutzpatronin dieser Klientel macht, wehtun mag. ({0})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Wieland, wenn ich das mit einer uncharmanten Gegenfrage beantworten darf, ({0}) dann frage ich Sie, ob Ihnen entfallen ist, dass die FDP immer der Ansicht war, dass nicht alles, was das Bundesverfassungsgericht für machbar erklärt hat, auch umzusetzen ist. ({1}) Das ist unsere Maxime, und das gilt in diesem Fall wie auch bei allen anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. ({2}) Ob Ihnen die Frage damit beantwortet scheint oder nicht, Herr Wieland, weiß ich nicht; aber mehr werden Sie, so leid es mir tut, dazu von mir nicht hören. ({3}) Die Bundespolizei ist hier schon angesprochen worden. Leider ist sie nach der letzten Reform, die wir nur kritisieren konnten, noch nicht ganz zur Ruhe gekommen. Aber - das ist hier heute schon gesagt worden - mit dem Einsatz in Afghanistan tragen die Kolleginnen und Kollegen Mitverantwortung für den Polizeiaufbau in der dortigen Region. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir hier mehr Mittel zur Verfügung stellen. Im Zusammenhang mit mehr Mitteln frage ich mich, was die Opposition eigentlich will. Wenn wir mehr Mittel für irgendetwas zur Verfügung stellen, werden wir von Ihnen kritisiert. Aber wenn wir sparen, werden wir ebenfalls kritisiert. Ich finde, das passt alles nicht zusammen, was Sie hier machen. ({4}) Das ist nicht klug, sondern eher langweilig für uns. ({5}) Die christlich-liberale Koalition hat sich auch auf die Fahne geschrieben - dazu hat der Minister bereits vorgetragen -, die Sicherheitsarchitektur auf Doppelzuständigkeiten und Reibungsverluste zu überprüfen. Denn es macht keinen Sinn, dass man sich an der einen Stelle auf die Füße tritt, während anderswo Personal gebraucht werden könnte. Wenn wir nur wenige Mittel zur Verfügung haben, müssen wir sie effektiv einsetzen. Auch das ist ein gemeinsames Ziel, das wir jetzt in Angriff nehmen. Zur Achtung der Grundrechte und des Rechtsstaates gehört aus unserer Sicht auch die politische Bildung. Hier werden die Grundlagen für unsere Verfassung und unsere Gesellschaft geschaffen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Bundeszentrale für politische Bildung mit 3 Millionen Euro mehr ausstatten. Das ist übrigens mehr, als von der SPD in den letzten Jahren zu diesem Thema zu hören war. ({6}) Denn auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion in der letzten Legislaturperiode antwortete das Justizministerium zwar, dass politische Bildung notwendig sei ({7}) möglicherweise ist da bei Ihnen schon ein Fortschritt zu erkennen -, aber beim Haushalt hörte Ihre Liebe wohl auf. Das bedauern wir. Zum Schluss noch kurz zum Sport; das Beste kommt immer zum Schluss. Hier ist viel über den Goldenen Plan Ost gesprochen worden. Ich glaube, es macht Sinn, auch einmal zu schauen, für was der Bund wirklich zuständig ist und ob er auf ewig für Breitensportförderung in den Kommunen zuständig ist. ({8}) Auch das gehört zur Ehrlichkeit. Wir freuen uns darüber, dass wir die Großereignisse unterstützen können. Über die Auflage einer Münze könnten sie sich fast selbst finanzieren. Wir werden alles dafür tun, dass die Olympischen Spiele 2018 nach Deutschland kommen. Wir freuen uns auf die nächsten dreieinhalb Jahre und würden uns auch über eine konstruktive Opposition freuen. ({9}) Vielen Dank. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich an die Themen Goldener Plan Ost und Ski-WM anknüpfen. Ich sage das einmal aus haushalterischer Sicht: Sie haben einen investiven Haushaltstitel gestrichen und dafür einen konsumtiven Haushaltstitel aufgesetzt. ({0}) Wenn die Veranstaltung in Garmisch so lukrativ ist - übrigens so lukrativ, dass dort in umfangreicher Form Bergwald gerodet wurde -, verstehe ich nicht, warum sich nicht ausreichend Sponsoren finden lassen, um das Kulturprogramm für diese Veranstaltung zu finanzieren. ({1}) Es ist natürlich richtig, dass der Breitensport eine Angelegenheit der Kommunen ist. Wenn aber die schwarzgelbe Bundesregierung den Kommunen jeden finanziellen Spielraum, um überhaupt in ihre Sportstätten investieren zu können, raubt, dann ist das keine gute Voraussetzung und schafft auch keine guten Bedingungen für spätere Entwicklungen im Bereich des Spitzensports. So viel dazu. ({2}) Ich möchte zu dem Aspekt kommen, dass der Minister die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der neuen Länder sozusagen geerbt hat. Ich finde, es ist grundsätzlich eine richtige Entscheidung, dass nicht mehr das Verkehrsministerium, sondern das Innenministerium dafür zuständig ist. Wir betrachten also das Thema Aufbau Ost nicht mehr durch eine reine Infrastrukturbrille. Richtig ist auch, die Förderinstrumente für den Aufbau Ost zu evaluieren. Das haben Sie sich ja vorgenommen, Herr Minister. Ich denke, das ist richtig und notwendig. Es darf natürlich nicht nur bei wissenschaftlichen Analysen und Forschungsprogrammen bleiben. Auch teilen wir die Ansicht, dass die Gießkanne kein geeignetes Förderinstrument ist. Wir meinen, dass es eine stärkere und flexiblere Akteurs- und Innovationsförderung gerade für kleine und mittelständische Unternehmen in den neuen Bundesländern geben muss. ({3}) Sie haben sich als Schwerpunkt Maßnahmen zur Stärkung der Strukturen und Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft gesetzt. Nun ist die Fotovoltaik eine der wichtigsten Industrien in Ostdeutschland mit einem ausgeprägten Spitzencluster Solarvalley Mitteldeutschland und mit großer wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Bedeutung. Es gibt mehr als 55 000 Arbeitsplätze und eine breite Forschungslandschaft. Es heißt ja immer, im Osten würden nur verlängerte Werkbänke stehen. Das ist in diesem Fall nicht so. Ostdeutschland hat sich zu einem der weltweit bedeutendsten Standorte für die Produktion von Solaranlagen entwickelt. 90 Prozent der Produktion in Deutschland kommen aus den neuen Bundesländern. 20 Prozent der weltweiten Produktion fallen auf die fünf neuen Bundesländer. In vielen Bereichen sind wir da Weltmarktführer. Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen der Solarförderung gefährden diese aufgebauten Strukturen. Sie werden Arbeitsplätze kosten und vor allen Dingen den Einstieg von chinesischen Billigprodukten bedeuten. ({4}) Es geht hier um Industriepolitik und Technologieförderung in den neuen Bundesländern. Insofern wundert es mich, Herr Minister, dass Sie dazu kein Wort verloren haben. ({5}) Ich hätte erwartet, dass Sie sich als Minister, der für die neuen Bundesländer zuständig ist, gegen eine überhöhte Kürzung bei der Einspeisevergütung ausgesprochen hätten. Es ist ganz klar: Aufgrund der Kürzung zum 1. Januar 2010 und der jetzt geplanten Kürzung müssten die Unternehmen eine Produktivitätssteigerung von 30 Prozent innerhalb eines Jahres schaffen. Das ist sicherlich nicht machbar. Die Kürzung in dieser Form würde bedeuten, dass das, was als Pflänzchen in den neuen Bundesländern aufgeblüht ist, wieder verwelkt. Ich erwarte von Ihnen als Minister, dass Sie sich hörund sichtbar - ähnlich wie Ihre Landeskollegen - gegen diese überzogene Kürzung aussprechen. ({6}) Zum Schluss möchte ich noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das Kollegen vor mir schon angesprochen haben und das sehr wesentlich ist. Sie haben eine Haushaltstiteländerung vorgenommen. Sie klingt zunächst einmal recht unspektakulär: „Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“ heißt jetzt „Förderung von Projekten für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in Ostdeutschland“. Sie haben lautstark verkündet: Damit ist keine Kürzung des Programms verbunden. In der Erläuterung zum Berichterstattergespräch heißt es aber: Die in Planung befindlichen Programmansätze sind nicht auf eine Bekämpfung des Rechtsextremismus beschränkt. - Das bedeutet bei gleichem Haushaltsansatz eine Kürzung der Mittel für Projekte gegen rechts, und nichts anderes. ({7}) Obwohl alle 26 Minuten in Deutschland eine rechtsextremistische Straftat begangen wird - 20 000 im Jahr 2008 -, obwohl über 100 Todesopfer von Gewalttaten mit rechtsmotiviertem Hintergrund zu beklagen sind, werfen Sie rechten und linken Extremismus in einen Topf. ({8}) Das ist meines Erachtens nicht verantwortbar. Herr Minister, Sie kommen wie ich aus Sachsen und kennen die Situation vor Ort. Gemessen an der Einwohnerzahl werden die meisten rechtsextremistischen Straftaten in Ostdeutschland verübt. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. In der Sächsischen Schweiz oder im Muldentalkreis haben wir kein Problem mit Islamismus oder Linksextremismus. Aber in den NPD-Hochburgen haben wir ein großes Problem mit Rechtsextremismus. ({9}) Die Arbeit gegen Rechtsextremismus braucht einfach langfristige Sicherheiten vom Bund, damit lokale Initiativen gegen rechts, mobile Beratungsteams, Opferberatungsstellen und Bildungsprojekte arbeiten können. Diese lassen Sie jetzt im Unklaren; dafür habe ich kein Verständnis. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, meine Damen und Herren. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Hans-Peter Uhl für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Rückgang der Haushaltsmittel des BMI um 128 Millionen Euro wird sicher schwierig umzusetzen sein; aber es wird nur der Einstieg in eine ganze Kette von Reduzierungen unserer Haushalte, auch des Haushalts des BMI, sein. Deswegen halte ich es für richtig, Herr Minister, dass Sie eine Kommission einrichten werden, die sich die Sicherheitsarchitektur zumindest des Bundes, aber wohl auch in ganz Deutschland, vornimmt. Wir haben - daran wollen wir natürlich nichts ändern die Hoheit der Länder über die Polizeien. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran arbeiten wir! Dennoch muss man sehen, dass bei 16 Bundesländern auch gewisse Zentrifugalkräfte wirken. Das ist wohl systemimmanent, und deswegen muss man sehen, wie man in einer Sicherheitsarchitektur, die in unsere Zeit passt, Synergieeffekte erzeugen und Einsparungen erzielen kann, das heißt, mit gleichen Haushaltsmitteln mehr Sicherheit organisieren kann als zuvor. Wir haben im Bereich der IT-Kommunikation mit dem IT-Planungsrat bereits einen ersten Schritt getan. 18 Milliarden Euro werden durch den Bund, die Länder und die Kommunen jedes Jahr für IT-Beschaffungen ausgegeben. Das heißt, hier ist ein weites Feld für Koordination und Zusammenarbeit, hier kann man sparen, wenn man sich auf die richtigen Systeme verständigt, die dann auch von allen Sicherheitsbehörden genutzt werden können. E-Government wird unsere Welt revolutionieren. Dem werden wir Rechnung tragen. Wir werden auf andere Weise mit den Behörden beim Bund, bei den Ländern und den Kommunen kommunizieren können. Das Ganze wird benutzerfreundlicher, und dies ist gut so. Das De-Mail-Gesetz, das wir mit der SPD in der letzten Wahlperiode nicht mehr verabschieden konnten, gehen wir jetzt energisch an. Es wird dazu beitragen, dass wir zertifizierte, sichere E-Mails versenden können, sowohl im geschäftlichen Bereich als auch im Umgang mit Behörden. Die Wirtschaft legt größten Wert auf dieses Gesetz. Die deutschen Versicherer versenden pro Jahr circa 800 Millionen Briefe. Sie könnten also durch einen sicheren E-Mail-Verkehr einen großen Teil dieser Briefe elektronisch versenden. Dies bedeutet, dass dadurch allein für die Versicherungswirtschaft Einsparungen von mehreren Hundert Millionen Euro erzielt werden könnten. Der elektronische Personalausweis ist hier schon mehrfach angesprochen worden; er wird kommen. Dazu läuft gerade ein Countdown ab, der seinen Höhepunkt am 1. November haben wird, wenn der elektronische Personalausweis eingeführt werden wird. Er wird ein Mehr an Sicherheit bringen. ({0}) - Auch Sie, Herr Wieland, werden mit einem solchen Ausweis sicher identifiziert werden können, auch im Internet. ({1}) - Obwohl man Sie kennt, wird es auch Ihnen nichts schaden. In München kennt Sie Gott sei Dank niemand, und da brauchen Sie einen solchen Ausweis. Dieser Ausweis wird kommen. 13 000 Kommunen sind dabei, sich darauf vorzubereiten. Über 100 Firmen sind jetzt schon dabei, zu investieren. Das lässt sich nicht rückgängig machen, denn das löst Schadenersatzprozesse in horrendem Ausmaß aus. Das will auch niemand rückgängig machen, das kommt zum Vollzug. ({2}) Lassen Sie mich noch einen Satz zur Vorratsdatenspeicherung sagen. ({3}) Das Urteil dazu haben wir zur Kenntnis genommen; wir haben es in gewisser Weise sogar vorausgesehen. ({4}) Ich habe immer gesagt - bei irgendeiner Fernsehsendung habe ich sogar eine Wette abgeschlossen -: Das Bundesverfassungsgericht wird diese Vorratsdatenspeicherung, das Speichern von Verkehrsdaten dem Grunde nach für verfassungsgemäß erklären - das hat es getan -, wird aber wohl sagen, dass es mit Blick auf die Anwenderseite vielleicht da und dort doch zu weit gehe; auch dies hat es getan. Dies setzen wir jetzt um. Jetzt erzähle ich Ihnen etwas. Gestern war der Präsident des Bundeskriminalamtes bei uns und hat von einem erschütternden Fall berichtet. Ein Mann missbraucht permanent seine beiden minderjährigen Töchter, rühmt sich im Pädophilen-Chat fortlaufend mit dieser Tat und kündigt an: Ich mache das auch am kommenden Wochenende. Das Bundeskriminalamt will diesem Verbrecher auf die Spur kommen und versucht, seine IPAdresse zu bekommen. Wäre sie gespeichert, könnte das Bundeskriminalamt diesen Mann festnehmen und diese unerträglichen Verbrechen sofort stoppen. Aber er hat uns nachweisen können, dass die IP-Adresse vom Provider nicht gespeichert wird. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf die Information auch nicht abgerufen werden, selbst wenn sie gespeichert worden wäre. ({5}) - Herr Wieland, ich werde es Ihnen schriftlich geben, damit Sie den Ernst der Lage erkennen. Die Äußerung der Linken, wir sollten bei solchen Verbrechen erst einmal innehalten, wird zu einer Zumutung für jeden Bürger, der sich an die Regeln unseres Rechtsstaates hält. ({6}) Wir werden uns von den Sicherheitsbehörden Fälle dieser Art berichten lassen. Wir werden keine Ruhe geben, bis Fälle dieser Art in unserem Land gestoppt werden und bis die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt werden, durch Heraussuchen dieser Vorratsdaten solchen Verbrechern das Handwerk zu legen. Dazu sind wir verpflichtet, egal in welcher Partei man ist. ({7}) Ich freue mich, dass wir ein sehr viel weicheres Thema hier bereits mehrfach besprochen haben. Deswegen kann ich mich kurzfassen. Die Winterolympiade 2018 sollte nach München und Garmisch kommen. Wie ich mitbekomme, sind alle dabei, dieses Vorhaben zu unterstützen. Das ist gut so. Das Mini Bid Book ist beim Internationalen Olympischen Komitee eingegangen. Die weiteren Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Alle machen mit: auf Bundesebene federführend der Bundesinnenminister, der Bundesfinanzminister mit Unterstützung des Bundesverteidigungsministers durch die Bereitstellung der Flächen für das Olympische Dorf. Weil alle mitmachen, bin ich zuversichtlich, dass wir im Wettbewerb mit Südkorea und Frankreich am 6. Juli nächsten Jahres die Nase vorn haben und sagen können: Der Zuschlag geht an Deutschland. Ich danke allen Mitgliedern dieses Parlaments für jedwede Unterstützung dieses Vorhabens. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Michael Hartmann für die SPD-Fraktion. ({0})

Michael Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003549, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lag in der Natur der Sache, dass bei der heutigen Debatte über den Haushalt des Innenministers viel von innerer Sicherheit und der Polizei die Rede war. Ich möchte in diesem Zusammenhang an ein schreckliches Ereignis erinnern, dass sich gestern in meinem Heimatbundesland Rheinland-Pfalz zugetragen hat. Dort wurde ein Beamter des SEK von einem Hells Angel ohne Vorwarnung, ohne Androhung und ohne erkennbare Gefährdung durch die geschlossene Tür erschossen. Er war trotz Schutzweste und allem anderen, was an Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen wurde, sofort tot. Es steht uns gut zu Gesicht, einen Moment an ihn und seine Angehörigen zu denken und uns gemeinsam vor Augen zu führen, dass Polizist bzw. Polizistin zu sein ein lebensgefährlicher Beruf sein kann. Deshalb hat die Polizei, egal wo sie eingesetzt ist, unsere volle und uneingeschränkte Unterstützung verdient. ({0}) Den größten Polizeikörper in Deutschland unterhält der Bund mit seiner Bundespolizei. Rund 40 000 Beamtinnen und Beamten sind dort beschäftigt und versehen pflichtbewusst ihren Dienst. Es wird ihnen aber seit 2008 mit dem, was sich Reform nennt, nicht leichter gemacht, ihren Dienst pflichtbewusst und korrekt zu versehen. Wir haben am 1. März 2008 ein Gesetz verabschiedet - auch mit Stimmen der Sozialdemokratie -, das eine Reform der Bundespolizei auf den Weg bringen sollte. Reform bedeutet Verbesserung. Es soll besser werden, auch wenn es beim Umorganisieren da und dort rumpelt. Wir sind nun bei der Evaluation. Dem Innenausschuss wurde ein Bericht zugeleitet. Gott sei Dank haben wir als Sozialdemokraten im Jahr 2008 gefordert, dass diese Evaluation durchgeführt wird. Die Widerstände - ich erinnere mich sehr gut an einzelne Diskussionen und Verhandlungsrunden - bei unserem damaligen Koalitionspartner waren alles andere als gering. ({1}) Es war aber richtig, diese Evaluation durchführen zu lassen. Nun liegt uns der Bericht vor. Herr Minister, über diesen Bericht müssen wir intensiv und detailgenau reden. Das sind wir den Beamtinnen und Beamten schuldig. Lassen Sie mich eines sehr deutlich feststellen - viele von uns haben Standorte der Bundespolizei in ihren Wahlkreisen; Sie wissen deshalb, dass ich das nicht leichtfertig oder aus einer einseitig gefärbten, parteipolitisch geprägten Sicht der Dinge heraus formuliere -: In diesem Bericht ist nur eine Feststellung richtig. Sie lautet: Die personalwirtschaftliche Umsetzung der Neuorganisation dauert noch an. Selbst diese Formulierung ist beschönigend und bemäntelnd. Das weiß man, wenn man sich anschaut, wie sehr diese Reform eine misslungene ist. Sehr geehrter Herr Minister, wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass diese engagierte Polizeieinheit, die größte in der Bundesrepublik Deutschland, noch weiter beschädigt wird durch große organisatorische und strukturelle Fehler, die dieser Reform immanent sind. ({2}) Ich will das im Einzelnen begründen - ich nenne einige wenige Punkte, die wichtig genug sind -: Erstens. Die Aussage Ihres Vorgängers war: mehr Polizei in der Fläche. Rund 1 000 Polizeibeamtinnen und -beamte mehr sollten in der Fläche tätig sein und die Bundespolizei bei bahnpolizeilichen und sonstigen Aufgaben offensiv unterstützen. Tatsächlich ist es so, dass Michael Hartmann ({3}) rund 1 200 Beamtenplanstellen - davon war schon die Rede - nicht besetzt sind. Wo ist mehr Polizei in der Fläche? Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben weniger Polizei in der Fläche als zuvor. Allein das ist ein Punkt, der beweist, dass diese Reform eine misslungene ist, Herr Minister. ({4}) Wir haben tatsächlich einzelne Dienststellen, einzelne Inspektionen, die mehr als 40 Prozent Personal zu wenig haben. Das ist keine Zahl, die ich erfunden habe. Dem steht entgegen, dass wir die Anzahl der Plätze in den Direktionen, in den Leitungsstäben und anderswo zum Teil um bis zu 200 Prozent aufgestockt haben. Das ist ein krasses Missverhältnis und steht im Gegensatz zu dem, was damals ausgesagt wurde und angeblich Ansatz der Polizeireform war. ({5}) Zweitens. Es werden derzeit, um die Zahlen zu schönen, sogenannte Fahndungsschwerpunkte - ich sage: künstlich - gesetzt. Da wird angeblich intensiv ermittelt und gefahndet zu Verstößen gegen das Ausländerrecht. Das ist eine Holkriminalität: Wenn man die Beamtinnen und Beamten losschickt, dann ermitteln die - notgedrungen - und finden auch etwas. Die Art und Weise des Vorgehens ist zum Teil fragwürdig. Dafür können die Beamtinnen und Beamten nichts. Zum anderen werden dadurch, dass man künstlich diesen Fahndungsschwerpunkt setzt, wichtige Aufgaben im bahnpolizeilichen und sonstigen Bereich vernachlässigt. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Reform eine misslungene und zu korrigierende ist, Herr Minister. ({6}) Es gibt also entgegen der Ankündigung weniger Präsenz in der Fläche. Es gibt eine Organisationsstruktur, die bezogen auf die breite Fläche misslungen ist. Dort, wo jetzt Inspektionen sind, wären Reviere vielleicht angebrachter und vice versa. Das sagen Ihnen alle Leute, die sich fachlich und im Detail mit der Bundespolizei beschäftigen. Last not least, Herr Minister: Die Sozialverträglichkeit der Umsetzung war eine große Überschrift bei dieser ganzen Reform. Ich selbst und sicher auch viele Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen haben eine Vielzahl berechtigter Beschwerden und Klagen von Beamten erhalten, die aus sozialen Gründen nicht versetzt werden wollen, die aber versetzt werden sollen, um die Fehlorganisation auszugleichen. Das kann es nicht sein. Helfen Sie bitte mit - gemeinsam in diesem Haus -, damit den Beamtinnen und Beamten Recht widerfährt und das Versprechen von der sozialverträglichen Umsetzung eingehalten wird. ({7}) Diese Reform war die dritte in 15 Jahren, die über die Bundespolizei hinweggezogen ist, und wahrhaftig nicht die gelungenste. Ich denke, ich konnte das begründen und ausführen. Herr Minister, ich habe die herzliche Bitte an Sie, weil ich weiß, dass Sie ein sachlich abwägender Mensch sind und Fakten zu werten und zu gewichten wissen: Gehen Sie raus zu den Polizeidienststellen. Hören Sie sich auch an, was die einzelnen Beamtinnen und Beamten Ihnen zu sagen haben. Lesen Sie nicht nur das, was Ihnen das Präsidium aufschreibt. Lassen Sie uns im Innenausschuss offen über diesen wirklich an den Tatsachen vorbeigehenden Bericht diskutieren, und machen Sie das Ganze zur Chefsache. Revidieren Sie diese Reform, Herr Minister. Das ist meine herzliche Bitte an Sie am heutigen Tage. Sie haben vor kurzem in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung - ich befürchte, zu Recht - gesagt: In der Koalition wird zu viel herumgequatscht und zu wenig … gearbeitet. Herr Minister, solange dieser Satz - leider - wahr ist, werden wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen können. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Reinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Korte, ich finde, an einem historischen Tag wie dem heutigen kann man Ihnen Ihre Bemerkungen über die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz so nicht durchgehen lassen. ({0}) Es sind gerade der Berliner Innensenator Körting und die Berliner Verfassungsschutzchefin Schmid - ich nehme Berlin als Beispiel, weil dort die Linkspartei sogar mit in der Verantwortung ist -, ({1}) die uns seit Monaten darauf aufmerksam machen, dass die linksextremistischen Gewalttaten nicht nur hier in Berlin massiv zunehmen. Sie weisen auch darauf hin, dass es Verbindungen zwischen der Linkspartei und militanten Gruppen gibt. ({2}) Ich darf darauf verweisen, dass es Ihre Abgeordnete Frau Höger war, die laut der Tageszeitung am 17. Oktober 2009 die Verurteilung von Brandstiftern aus dem Kreis der militanten Gruppen mit den Worten kritisiert hat: „Gegen die aggressive deutsche Kriegspolitik sind viele Initiativen nötig.“ ({3}) Das ist eine Verharmlosung von Gewaltanwendung, die völlig unerträglich ist. ({4}) Ich will daran erinnern, Herr Korte, ({5}) dass am Ende der Rede des israelischen Präsidenten hier in diesem Parlament eine Reihe von Abgeordneten der Linkspartei demonstrativ sitzen geblieben ist. ({6}) - Ich kann Ihnen genau sagen, was das damit zu tun hat. - Danach haben mehrere Pfarrer aus dem Wahlkreis der Kollegin Dağdelen, die sitzen geblieben ist, einen offenen Brief geschrieben und darauf hingewiesen, dass Frau Dağdelen an Demonstrationen gegen Israel beteiligt war, wo unter anderem Rufe wie „Tod Israel“ ausgebracht worden sind. ({7}) Die Pfarrer schreiben: Früher liefen sie mit, heute bleiben Sie sitzen, es widert uns an. Die Kirchen, die wir bespielen, sind Kirchen der Kulturen, es sind offene Häuser, und manche Gespräche werden darin so offen geführt, dass es weh tun kann. Auch Sie sind hier zu Gast gewesen. Sie werden es nicht mehr sein, Sie sind uns nicht erwünscht. Sie haben denen, die überlebt haben, den Respekt verweigert, unseren haben Sie restlos verloren. Es gibt einen Haufen Gründe, die Linkspartei vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. ({8}) Frau Kollegin Fograscher, Sie haben die Deutsche Islam-Konferenz angesprochen. ({9}) Ich möchte die Unterstützung der CDU/CSU für die Entscheidung des Bundesinnenministers über die Neuausrichtung der Deutschen Islam-Konferenz ausdrücklich betonen. Das gilt für deren Zusammensetzung, aber vor allem für deren Inhalte. Ich finde es bemerkenswert, dass die Mitgliedsverbände des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland überlegen, sich dem Dialog in dieser Islam-Konferenz zu entziehen, gerade wenn es konkret wird, wenn über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Imamausbildung und den Religionsunterricht oder auch eine klare Abgrenzung zum islamistischen Extremismus gesprochen werden soll. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime nennt das, was wir da vorhaben, heute in der Süddeutschen Zeitung „Diskussionsspektakel“. Der Mann hat nichts begriffen. Ein Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime hat gesagt, die Verbände wollten das Recht auf ihr religiöses Leben durchsetzen. Ich habe nichts dagegen, dass wir intensiv darüber diskutieren, dass religiöses Leben von Muslimen in Deutschland möglich sein muss. Nur die Grundlage unserer Debatte muss klar sein. Es kann kein Recht darauf geben, Frauen zu unterdrücken und jungen Mädchen ihre schulischen und beruflichen Perspektiven zu nehmen. ({10}) Es kann kein Recht darauf geben, dass Religionsunterricht nur noch in Koranschulen stattfindet. ({11}) Es muss Grundlage unseres Dialogs sein, dass man sich klar vom islamistischen Extremismus distanziert. Über diese konkreten Fragen müssen wir bei der Deutschen Islam-Konferenz sprechen. ({12}) Ich will hier erwähnen, dass Necla Kelek in der FAZ in dieser Woche völlig zu Recht darauf hingewiesen hat, dass zum Koordinierungsrat der Muslime auch DITIB gehört, die deutsche Vertretung der türkischen Religionsbehörden. Es ist insofern eine Mitentscheidung der türkischen Regierung, ob die muslimischen Verbände bei der Deutschen Islam-Konferenz mitmachen. ({13}) Unsere Bundeskanzlerin wird Ende des Monats in die Türkei fliegen. Ich erwarte, dass die türkische Regierung noch vor diesem Besuch ihren Einfluss geltend macht und erwirkt, dass sich die muslimischen Verbände dem Dialog über konkrete Fragen, die für das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland von entscheidender Bedeutung sind, nicht verweigern. ({14}) Ich will ein weiteres Thema ansprechen, das sehr wichtig ist und das der Kollege Wieland mit der Frage nach der Freiheit im Netz bereits indirekt aufgegriffen hat. Wir alle sind von den vielen Fällen, in denen Kinder in Internaten verschiedenster Träger missbraucht worden sind, schockiert. Es ist gut, dass diese Fälle jetzt aufgearbeitet werden, damit sich so etwas nie wiederholt. Aber ich will bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass sich Kindesmissbrauch in schrecklichster Art und Weise jeden Tag aufs Neue im Internet wiederholt. Jeder Klick ist eine Anstiftung zu neuerlichem Missbrauch. Wir müssen uns in diesem Haus darin einig sein - Freiheitsdemo hin oder her, Herr Kollege Wieland -, dass wir das, was wir in der realen Welt bekämpfen, in der virtuellen Welt nicht einfach so hinnehmen dürfen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Versuche, den Zugriff auf solche Seiten zu erschweren, durch Vergleiche mit Internetzensur diskreditiert werden. Wir lernen jetzt immer mehr, dass das Löschen solcher Seiten ausgesprochen schwierig ist und sich diese Seiten ohnehin janusköpfig im Internet verbreiten. Ich räume ein: Auch das Sperren ist sicher kein Königsweg. Aber mit ideologischen Grabenkämpfen helfen wir den Kindern nicht. ({15}) Auch die Freiheit im Netz muss Grenzen haben. Wir müssen umfassende Strategien zur wirksamen Bekämpfung der Kinderpornografie im Netz erarbeiten, von der Prävention über die Strafverfolgung bis zum Opferschutz. Wir brauchen nicht nur eine nationale, sondern wir brauchen auch eine internationale Strategie. Insofern ist auch dies eine Aufgabe der Europäischen Union. Wir müssen national prüfen, ob wir die Strafandrohung dem Schutzgut, um das es hier geht, der körperlichen und seelischen Unverletzlichkeit von Kindern, anpassen müssen. Wir müssen etwas tun. Wir brauchen Runde Tische nicht nur zum Schutz der Kinder in der realen Welt, sondern wir brauchen sie auch zum Schutz der Kinder in der virtuellen Welt, die aber immer einen sehr realen und schrecklichen Hintergrund hat. Ich rufe dazu auf, dass wir uns der Herausforderung stellen, die Kinder zu schützen, auch mit Maßnahmen, die in der virtuellen Welt zum Tragen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich der letzte Redner in dieser Debatte bin, will ich besonders gerne betonen: Erstens. Wir stimmen dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern zu. Zweitens. Lieber Herr de Maizière, herzlichen Glückwunsch zu einem, wie ich finde, guten Start im neuen Amt. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1033? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei Stimmenthaltung der Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1034? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den gleichen Mehrheitsverhält- nissen wie zuvor abgelehnt. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da- gegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt I.15 auf: a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz - Drucksachen 17/607, 17/623 - Berichterstattung: Abgeordnete Alexander Funk Florian Toncar Manuel Sarrazin b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht - Drucksachen 17/623, 17/624 Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider ({0}) Otto Fricke Roland Claus Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das Wort. ({1})

Ewald Schurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Hauptberichterstatter zum Einzelplan des Bundesjustizministeriums möchte ich zunächst einmal meiner Überzeugung nachkommen und der Frau Bundesministerin sowie ihrem Haus - der Leitungsebene, aber auch den Mitarbeitern ganz herzlich danken für die guten Arbeitsvorlagen und für die gute Vorbereitung der Berichterstattung. Den Kolleginnen und Kollegen aus der Berichterstatterrunde möchte ich für die kollegiale Zusammenarbeit danken. Der Justizhaushalt ist eine übersichtliche Veranstaltung, aber deswegen nicht minder bedeutend für das Rechtsleben und die Funktionsfähigkeit der Justiz in der Republik. Ausgaben von 489 Millionen Euro stehen Einnahmen von 409 Millionen Euro gegenüber. Das ist eine Deckungsquote von sage und schreibe 83 Prozent. Eine so hohe Finanzdeckung mit eigenen Mitteln zu erreichen, das ist im Bundeshaushalt ein Novum. Geprägt ist dieser Haushalt durch die Personalausgaben; sie machen 78 Prozent aus. Dem Wesen der Materie entsprechend muss das Personal hochqualifiziert sein. Ich habe es schon gesagt: Für die Funktionsfähigkeit des Justizwesens ist dieser Haushalt von großer Bedeutung. Bedeutend ist er aber auch dafür - ich möchte das unterstreichen -, wie die Bürgerinnen und Bürger die Rolle der Justiz in der Gewaltenteilung, die wir in unserer Demokratie haben, wahrnehmen. Das BMJ nimmt hoheitliche Verfassungsaufgaben wahr. Unter anderem stellen die ihm zugeordneten Gerichte den Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger sicher, und der Generalbundesanwalt gewährleistet die Strafverfolgungspflicht. Dies sind eminent wichtige Güter für das Rechtsleben einer demokratischen Kultur und eines demokratischen Staatswesens. Der größte und vielleicht markanteste Bereich in diesem Hause ist das Deutsche Patent- und Markenamt in München mit Außenstellen in Berlin und in Jena. 2 500 hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken hier und erteilen und verwalten gewerbliche Schutzrechte und geben Informationen über gewerbliche Schutzrechte in Deutschland heraus. Ich habe jüngsten Recherchen entnehmen können, dass es im letzten Jahr 60 000 Patentanmeldungen gab. Heute hat das Frühstücksfernsehen aktuell beigesteuert, in der europäischen Rangliste des Patentanmeldens belege Deutschland damit den dritten Platz. Das DPMA ist die Zentralbehörde auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, also eine eminent wichtige Institution. Es erwirtschaftet 72 Prozent aller Einnahmen im Bereich des BMJ und trägt so dazu bei, dass diese hohe Gegenfinanzierungsquote erreicht wird. Im Jahr 2007 neu geschaffen wurde das Bundesamt für Justiz, Kapitel 0708. Mit dem Bundesamt für Justiz, dessen Aufbau über Jahre geplant worden war, wurde eine neue, zentrale Dienstleistungsbehörde der Bundesjustiz geschaffen, die, wie ich nachvollziehen konnte, zur Entlastung anderer Bundesbehörden in dem Bereich „Justiz und Recht“ geführt hat. Im Haushalt 2010 stehen Ausgaben von 41,6 Millionen Euro Einnahmen von voraussichtlich 70 Millionen Euro gegenüber. Das Bundesamt für Justiz schafft größere Transparenz und Bürgernähe. Es hat zentrale Aufgaben im Bereich Registerwesen, Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, allgemeine Bundesjustizverwaltung und dergleichen. Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs: Was mich als Haushälter überrascht hat, ist, dass in diesem Einzelplan 07 - Bundesjustizministerium - über die Jahre eine relativ hohe Rate an Ausgaberesten aufgebaut wurde. Dazu gehören Stellen, die ausgewiesen, aber nicht besetzt wurden, aber auch verschobene IT-Projekte und Bauvorhaben. Angesichts der dramatischen Haushaltssituation müssen diese Ausgabereste in den nächsten Jahren selbstredend sinnvoll verwirtschaftet, sinnvoll eingesetzt werden, beim Personal oder bei notwendigen Investitionen. Lassen Sie mich einen Titel aufgreifen, der für mich politisch eine besondere Sensibilität darstellt, in Anlehnung an die Diskussion zum Einzelplan 06: In dem Kapitel für das Bundesamt für Justiz sind im Titel 681 01 Härteleistungen für Opfer aller extremistischen Übergriffe vorgesehen. Dieser Titel wird um 700 000 Euro auf 1 Million Euro aufgestockt. Werte Kolleginnen und Kollegen - vielleicht auch über alle Parteigrenzen hinweg -, ich möchte an dieser Stelle sagen: Man sollte niemals den Fehler machen, die Übergriffsarten gegeneinander auszuspielen. Es ist vorhin gesagt worden: Flächendeckend ist der Rechtsradikalismus in Deutschland die Bedrohung mit den meisten, signifikant nachvollziehbaren Opferzahlen. Das kann man nicht kleinreden. Dennoch würde ich niemals auch einen vorhandenen Linksradikalismus kleinreden wollen. Zur Gewichtung dieser Formen sage ich zum Schluss aber ganz klar: Vergessen Sie bitte nicht, dass die rechtsextreme Gewalt in Teilen des Landes mittlerweile flächendeckend vorhanden ist, wie in Teilen Sachsens oder in Teilen Brandenburgs. Das sollte und kann man in keiner Weise kleinreden, auch wenn so etwas auch in München oder sonst wo vorkommt. ({0}) Der Bezug ist, dass es darum geht, Programme weiter zu evaluieren und zu entwickeln, die in den letzten Jahren über das Familienministerium und über das BMI entsprechend aufgebaut worden sind. Für die Entwicklung des Justizwesens auf europäischer Ebene ist es noch wichtig, das Europäische Geldsanktionsgesetz zu erwähnen. Wir sind eines der letzten Länder in Europa, die die entsprechende Richtlinie umsetzen. Hier geht es um die gegenseitige Anerkennung von rechtskräftigen Entscheidungen über die Zahlung von Geldstrafen und Geldbußen. Wenn ich richtig informiert bin, soll das hier am 1. Oktober 2010 Gültigkeit erlangen. Die entsprechenden Aufgaben können nur erfüllt werden, wenn es an dieser Stelle einen Personalaufwuchs um 99 Stellen gibt, die in diesem Haushalt bereits induziert und geplant sind. Die Hochrechnungen besagen, dass es dann per annum in etwa 100 000 Verfahren oder auch mehr geben wird. Das würde für die Gegenfinanzierung Mehreinnahmen von circa 7 Millionen Euro bedeuten. Für die Anfinanzierung dieses Projektes stellen die Ausgabereste, die ich vorhin erwähnt habe, sicherlich eine gute Möglichkeit dar. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen. Frau Ministerin, ich darf Sie selbst noch auf etwas ansprechen, was für mich im politischen Bereich von großer Bedeutung ist. Sie persönlich waren innerhalb der FDP ja immer - das sage ich mit Anerkennung - eine Fachfrau, die man mit Bürger- und Verbraucherrechten verbunden hat, und Sie sind es auch jetzt. Das meine ich so, wie ich es sage. Trotzdem habe ich einige Ängste und auch ein schlechtes Gefühl, wenn ich mir das Ungefähre des Koalitionsvertrages hinsichtlich des Mietrechts anschaue. Sie beabsichtigen, eine Grundkoordinate der Gesellschaft, die auch die Funktion des sozialen Ausgleichs haben muss, zu verändern, um das Mietrecht unter Umständen einseitig zulasten bzw. zuungunsten der Mieterinnen und Mieter zu verschieben, ({1}) was für die soziale Sicherheit gerade von Familien und anderen Lebensrealitäten und deren Haushalte im Lande sicherlich keine gute Sache wäre. ({2}) Deswegen will ich Sie fragen - das ist dann eine Sache des Dialoges -, warum die FDP das Mietrecht eigentlich immer nur von der Seite der Vermieter aus denkt. ({3}) Ist es denn so, dass durch die zugegeben natürlich auch vorhandene kriminelle Energie von wenigen Mietnomaden - das bewegt sich im Promillebereich - der Schutz von Millionen von Menschen ausgehöhlt werden muss, die auf ein anständiges Mietrecht mit guten Kündigungsfristen angewiesen sind? ({4}) Diese Frage darf man doch höflich und bestimmt stellen, weil sich die Antwort darauf in dieser doch nicht einfachen Konstruktion von Schwarz-Gelb - wir alle wissen, dass Sie sich hier nicht sehr leicht tun - vielleicht auf Ihre weitere Meinungsbildung auswirkt. ({5}) Zum Schluss ist es für die Öffentlichkeit auch noch wichtig, zu wissen - auch das macht mir, wiewohl nicht Jurist, als Bundestagsabgeordneter, als Politiker und auch als Bürger schon ein bisschen Sorge -, dass Sie künftig auch Privatisierungen im Bereich des Rechtswesens vorsehen. Sie wollen zum Beispiel das Gerichtsvollzieherwesen privatisieren. Ich frage mich: Zu was soll das führen? Glauben Sie, dass durch Privatisierungen in der Rechtspolitik mehr Sicherheit geschaffen wird? Glauben Sie, dass damit die Durchsetzung von Recht und Gesetz verbessert wird? Glauben Sie, dass dadurch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat gestärkt wird? - Ich glaube das nicht. Sie stellen Analogien zu anderen Ländern her, in denen es - das ist bei uns nicht der Fall - fragile zivilgesellschaftliche Strukturen gibt. Ich darf Ihnen das so sagen: In diesen Ländern ist dies eher vorzufinden, während das in unserem Rechtswesen nicht passend ist. ({6}) Deswegen glaube ich, dass es nicht notwendig und politisch auch ein Fehler ist, die Aufgaben des Nachlassgerichtes auf Notare zu übertragen. Sie wollen vermeintliche Einsparungen bei den Zwangsvollstreckungsverfahren erwirken, aber damit geben Sie eine hoheitliche staatliche Aufgabe in private Hände. Das ist mit uns Sozialdemokraten nicht zu machen. Wir werden uns dagegen entsprechend wehren. Ich komme zu meiner Schlussaussage: Verschlechterung des Mietrechts oder Privatisierungen, wie sie hier aufgezeigt wurden, leisten meiner Meinung nach keinen Beitrag dazu, das Vertrauen der Menschen in die Politik oder in das Rechtswesen, also in die juristischen Vollzüge und die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, zu erhöhen. Ich möchte Sie bitten, in diesem noch laufenden Prozess nachzudenken und einen politischen Konsens mit uns Sozialdemokraten zu suchen. Wir sind für Beratungen immer zu haben, vor allen Dingen wenn es um die Verbesserung der Sache geht. Ganz herzlichen Dank. ({7})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun die Bundesministerin der Justiz, Frau Leutheusser-Schnarrenberger. ({0})

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Minister:in)

Politiker ID: 11001336

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auch mit Dank beginnen. Ich danke den Haushaltsberichterstattern der Koalition, Herrn Funk und Herrn Toncar, sowie den Berichterstattern der Opposition, also dem Hauptberichterstatter Herrn Schurer, Herrn Sarrazin und Herrn Bockhahn. Ich bedanke mich außerdem für Ihren Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums. Sie sollen wissen, dass wir Ihnen offen gegenüberstehen, wenn Sie Informationen oder Begründungen für Ansätze in unserem Haushalt, der wirklich sehr überschaubar und dennoch sehr wichtig ist, benötigen. Lassen Sie mich mit drei kurzen Bemerkungen zum Haushalt beginnen. Ich möchte als Erstes mit dem Punkt beginnen, den Sie, Herr Schurer, angesprochen haben, nämlich den Titel für Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe. Dieser Titel ist deutlich aufgestockt worden, und zwar um 700 000 Euro auf 1 Million Euro. Wir haben im Haushaltsausschuss mit den Haushaltsberichtserstattern intensiv darüber gesprochen. Es muss sich daher niemand Sorgen machen, dass aus diesem Titel keine ausreichenden Gelder gewährt werden können, um die Opfer, die rechts- oder linksextremistische Gewalt erfahren mussten, zu entschädigen. Wir haben die entsprechenden Richtlinien für die Verwendung dieser Gelder angepasst. Ich möchte mich außerdem - das ist meine zweite Bemerkung - ganz herzlich dafür bedanken, dass für unsere zukünftige Aufgabe nach dem Geldsanktionsgesetz, das wir nach der Bildung der Koalitionsregierung zügig auf den Weg gebracht haben, die Stellenausstattung im Haushalt mit dem Tag des beabsichtigten Inkrafttretens, dem 1. Oktober 2010, gesichert ist. Herr Schurer, Sie haben die Grundlage für diese Berechnung bereits vorgetragen. Es ist eine wichtige Aufgabe. Wir sind verpflichBundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger tet, diese EU-Vorgabe umzusetzen. Das ist in der letzten Legislaturperiode nicht mehr passiert. Als dritte Bemerkung möchte ich das Präventionsprojekt Dunkelfeld der Charité Berlin erwähnen, das seit dem Jahr 2008 durch den Haushalt des Bundesjustizministeriums mit jährlich 250 000 Euro gefördert wird. Meine Vorgängerin hat es zusammen mit den Haushaltsberichterstattern in den Haushalt eingestellt bekommen. Ich bin froh, dass die Förderung dieses Jahr fortgesetzt wird. Für das nächste Jahr ist die Finanzierung aber überhaupt nicht gesichert. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über Missbrauch in Institutionen von katholischen, evangelischen und anderen Trägern ist es in meinen Augen ganz entscheidend, dieses Projekt weiterzuführen. Am besten wäre es, es nicht nur weiterzuführen, sondern sogar auszubauen. Denn es handelt sich um ein Projekt, das Männern, die die Gefahr ihrer pädophilen Neigung erkennen, die Möglichkeit gibt, sich an fachkundige Berater zu wenden und entsprechende Therapien zu machen, bevor etwas passiert. Ich werbe daher schon jetzt dafür. Es wäre in unserem gemeinsamen Interesse, wenn eine Fortsetzung des Projekts gesichert werden könnte. ({0}) Wenn das nicht möglichst bald in Aussicht gestellt wird, dann werden viele Therapien nicht mehr angewandt werden können, weil sie über einen längeren Zeitraum und somit über den Jahreswechsel hinaus andauern würden. Lassen Sie mich zur aktuellen Debatte über Missbrauch und insbesondere über die vielen Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahrzehnten kommen. Ich habe mich als Bundesjustizministerin von Anfang an mit dem Gesichtspunkt eingebracht, der mich als Ministerin besonders zu beschäftigen hat, nämlich die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Genau das habe ich eingefordert. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass von allen Verantwortlichen in Institutionen bei Anhaltspunkten, die sich etwas verdichten, die Informationen an die Staatsanwaltschaft gehen, ohne dass wir wieder eine strafbewehrte Anzeigepflicht für alle Delikte in unser Strafgesetzbuch einführen. Ich habe heute zur Kenntnis genommen und freue mich darüber, dass gerade in Bayern von Erzbischof Marx öffentlich gesagt wurde, dass er sich dafür einsetzt, dass die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz genau in diesem Punkt entsprechend geändert werden sollen. Wir haben uns in der Bundesregierung - um auch hier gleich Spekulationen und weiteren Überlegungen den Boden zu entziehen -, nachdem ich diejenige war, die als Erste einen runden Tisch ins Gespräch gebracht hat, auf einen gemeinsamen runden Tisch verständigt, der in die Zukunft blickt, aber auch zurückblickt und sowohl das Thema Prävention als auch rechtliche Fragen wie die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs behandeln wird. Von daher mündet das, glaube ich, in eine positive Entwicklung ein, die auch - das muss unser Anliegen sein - den Opfern von Missbrauch aus der Vergangenheit da, wo Verjährung eingetreten ist, aber auch im Hinblick auf Verhinderung Rechnung trägt. ({1}) Wir haben ein umfangreiches rechtspolitisches Programm, das sehr klar macht, dass wir sehr wohl in einigen Punkten Korrekturen vornehmen. Wir werden nach der Sommerpause im Kabinett den ersten Gesetzentwurf, der sich mit dem Schutz der Berufsgeheimnisträger befasst, nach Abstimmung mit den Ländern und auch mit den Ressortkollegen beschließen und ihn diesem Haus zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen. Wir müssen uns auch ausführlich und intensiv mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung befassen, nicht nur im Hinblick darauf, was das für uns in Deutschland heißt und was dort kritisiert wird, und nicht nur im Hinblick auf Gesetzesformulierungen, die man nicht einmal aus dem Urteil abschreiben kann, sondern auch im Hinblick auf Datensicherheit und die Bereiche, die ausgenommen werden sollen. Parallel dazu findet auf EU-Ebene derzeit eine Evaluation statt, an der wir uns zu beteiligen haben, was wir auch tun. Die Prüfung erfolgt auch auf der Grundlage der EU-Grundrechtecharta, die in Kraft getreten ist. Von daher werden wir und werde ich als zuständige Ministerin sehr verantwortungsvoll mit diesem so sensiblen Thema umgehen, wobei wir uns aber auch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in ihrer gesamten Tragweite auch im Hinblick auf zukünftige Projekte immer bewusst machen müssen. ({2}) Herr Schurer, Sie haben einige Punkte angesprochen, auf die ich nur sehr kursorisch eingehen kann. Das allgemeine Gespenst der Privatisierung muss hier nicht an die Wand gemalt werden. Ich sage ganz deutlich: Alles, was nur mit einer Grundgesetzänderung möglich ist - dazu haben wir eine pauschale Aussage in unserem Koalitionsvertrag -, werden wir nicht vorrangig als Thema der Koalitionsregierung und der Fraktionen angehen. Das haben wir ausdrücklich so vereinbart, sodass wir uns damit befassen werden, was außerhalb der Ebene einer Grundgesetzänderung möglich ist. Ich glaube, das kann schon als eine gewisse Bewertung aufgenommen werden. Aber wir müssen uns auch mit einer Fülle von Vorschlägen aus den Ländern - über Ländergrenzen hinweg, nicht nur aus Ländern, in denen wir eine CDU/FDP-Regierung oder CSU/FDP-Regierung haben - befassen und gerade auch das Testamentsregister als erstes Projekt forcieren. Das werden wir intensiv tun. Zum Mietrecht haben wir viele Punkte vereinbart. Dort werden wir und werde ich genau hinsehen: Was gehen wir zuerst an? Natürlich gehen wir das Thema Mietnomaden an. Dabei geht es um das Berliner Modell oder darum, eine deutliche Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens zu erreichen. Das dient allen. ({3}) Natürlich werden wir uns auch mit Luxussanierungen beschäftigen. Ich sage ganz klar: Was die Kündigungsvorschriften im Mietrecht angeht, werde ich überhaupt nur dann aktiv, wenn alle Koalitionsfraktionen voller Herzblut sagen: Genau das muss jetzt geschehen. ({4}) Von daher wenden wir uns zunächst einmal den anderen Punkten zu. Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. Danke schön. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Nešković für die Fraktion Die Linke. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Ministerin! Das waren zum Schluss optimistische Worte. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. ({0}) Der Philosoph Ernst Bloch prägte einst das Bild vom aufrechten Gang: Ihn zu lernen, sei schwer, aber möglich. Zwei Lasten verwehren es den Menschen, aufrecht zu gehen. Auf ihren seelischen Schultern lasten Ungleichheit und Unfreiheit. Auf der einen Schulter lasten soziale Not und Verelendung, auf der anderen Schulter staatliche Bevormundung und Entrechtung. Aufrecht wollte Bloch uns sehen. Doch wirklich aufrecht geht der Mensch nur als Freier unter Gleichen. Freiheit und Gleichheit sind die tragenden Prinzipien unseres Grundgesetzes. Politik, insbesondere die Rechtspolitik, bewegt sich innerhalb dieser Grenzen. Der Rechtsstaat und die Freiheitsrechte des Grundgesetzes sollen es jedermann ermöglichen, sich gegen staatliche Entrechtung zur Wehr zu setzen. Die Grundrechte als Freiheitsrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Sie stellen institutionalisiertes Misstrauen gegen einen unvernünftigen Staat dar. Das Sozialstaatsprinzip hingegen verpflichtet den Staat zum sozialen Ausgleich und zur Schaffung einer gerechten Sozialordnung, oder - um es mit den Worten von Heribert Prantl auszudrücken -: Der Sozialstaat ist mehr als der liberale Rechtsstaat, er ist der Handausstrecker für die, die eine helfende Hand benötigen. ({1}) Im über 60 Jahre alten Verfassungstext schlummert eine unverwirklichte Utopie: der soziale Rechtsstaat. Er ist ein gutes Wegstück auf der Reise in eine humane Gesellschaft. Diesen Weg müssen wir beschreiten, wenn wir uns beim Gang in die Zukunft aufrichten wollen. Doch die neoliberale Politik der letzten zwei Jahrzehnte hat die Utopie unserer Verfassung missachtet. ({2}) Sie hat die Lasten auf den Schultern der Menschen vermehrt. Sie lässt zu, dass sich die Schere zwischen Reich und Arm täglich vergrößert. Freiheit hält sie für Wirtschaftsliberalismus. Gleichheit ist für sie ein Fremdwort. Die neoliberale Politik hat mit den technischen Mitteln der Informationsgesellschaft - das war die vorherige Diskussion - begonnen, einen Überwachungsstaat zu errichten, der den Bürger mit immer neuen Unfreiheiten beschwert. Am ferneren Ende dieses Weges dieser neoliberalen Politik werden wir eine andere Gesellschaft haben. In ihr werden Armut und Wut der Gebückten für soziale Kämpfe sorgen. Wir werden sehen, ob dann die Instrumente des Überwachungsstaates genutzt werden, um den sozialen Protest der Menschen zu unterbinden. All das ist nicht die Vision des Grundgesetzes. Die Vision des Grundgesetzes besteht darin, die Ideale von Freiheit und Gleichheit miteinander zu vereinen; denn es gibt keine wirkliche Freihheit ohne Gleichheit. Die Linke - Sie werden das verstehen - hält es da mit Rosa Luxemburg: Freiheit ohne Gleichheit ist Ausbeutung. Gleichheit ohne Freiheit ist Unterdrückung. ({3}) Wenn Sie das aufregt, dann lesen Sie doch Urheber desselben Gedankens. Sie müssen nicht Rosa Luxemburg glauben, ({4}) Sie müssen auch nicht Ernst Bloch verstehen; Sie brauchen nur die Texte des Verfassungsgerichtes zu lesen. ({5}) Am 17. August 1956 formulierten die Richter des Bundesverfassungsgerichts: Die freiheitliche Demokratie ist von der Auffassung durchdrungen, daß es gelingen könne, Freiheit und Gleichheit der Bürger trotz der nicht zu übersehenden Spannungen zwischen diesen beiden Werten allmählich zu immer größerer Wirksamkeit zu entfalten - jetzt kommt es und bis zum überhaupt erreichbaren Optimum zu steigern. Wolfgang Neškoviæ So wörtlich das Bundesverfassungsgericht. Das ist der Auftrag unseres Grundgesetzes. Das haben uns die Verfassungshüter in unser politisches Stammbuch geschrieben. 54 Jahre später hält Herr Westerwelle die Umsetzung dieses Auftrages für spätrömische Dekadenz. Herr Westerwelle vergleicht - das ist ein unglaublicher Zynismus - die Lebenswirklichkeit von Hartz-IV-Empfängern mit der Dekadenz der römischen Oberschicht in der Spätantike. ({6}) Spätrömische Dekadenz existiert in diesem Land, fürwahr. Nie zuvor gab es in der Bundesrepublik so viel Reichtum in den Händen weniger, Reichtum, der nutzlos an den Börsen dieser Welt verzockt wird, zulasten der Allgemeinheit. Wenn Herr Westerwelle also wissen will, wie die Dekadenz der römischen Oberschicht in etwa ausgesehen haben mag, dann sollte er das Lebensumfeld einiger Menschen untersuchen, die seiner Partei ständig Großspenden zukommen lassen. ({7}) Seine von historischer Ahnungslosigkeit geleitete Aufregung hatte allerdings Gründe. Sein aggressiver Eifer wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV entfacht. Wieder hatte das Gericht über den Wert der Gleichheit in unserer Gesellschaft zu entscheiden. Am 9. Februar 2010 stellte es fest, dass die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze gegen den vornehmsten Artikel unseres Grundgesetzes und gegen eines seiner tragenden und unveränderlichen Prinzipien verstößt: gegen die Menschenwürde und gegen das Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass ein einklagbarer Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besteht. Dieser Anspruch ist laut Bundesverfassungsgericht unverfügbar, also nicht kürzbar, und muss stets gewährleistet sein. Das war eine kleine juristische Revolution im Namen der Gleichheit. Wir benötigen jedoch größere juristische Revolutionen, um endlich den aufrechten Gang im Bloch’schen Sinne zu erlernen; denn die Vision des Grundgesetzes scheitert daran, dass die Mehrheit in diesem Hause sich dieser Vision in trotziger Uneinsichtigkeit verschließt. Sie übersieht den sozialen Gehalt unserer Verfassung. Dieser Ignoranz muss auch ohne Hilfe des Bundesverfassungsgerichts begegnet werden. Deswegen benötigen wir Texte im Grundgesetz, die das Sozialstaatsprinzip präzisieren. Wir benötigen auch konkrete soziale Grundsätze. ({8}) Wir benötigen zum Beispiel Formulierungen wie diese: Arbeit ist die Quelle des Volkswohlstandes und steht unter dem besonderen Schutz des Staates. ({9}) - Sie werden sich gleich noch wundern, Herr GrosseBrömer. Ich fahre fort: Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle ({10}) - ich wundere mich, dass Sie so empört sind, wenn es darum geht, dass es allen gut gehen soll und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten. Ich betone: aller Volksschichten. Weiter heißt es - das geht an die Adresse der Damen und Herren von der FDP -: Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft. Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaffung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller Bewohner. Jetzt müssten Sie alle eigentlich klatschen, besonders die Kolleginnen und Kollegen aus Bayern; denn es handelt sich um Zitate aus der aktuellen bayerischen Verfassung. Das muss man zur Kenntnis nehmen. ({11}) In dieser Verfassung steht nichts davon, dass das Geld und der Geldkreislauf den Bedürfnissen einiger weniger dienen sollen. Es ist also nicht richtig, dass Herr Ackermann schon wieder 10 Millionen Euro einsacken darf, während andere Menschen in diesem Staat um ihr Geld betteln müssen. Die bayerische Verfassung enthält in der Tat Vorstellungen für eine humanere Gesellschaft. Sie enthält die Utopie, von der man auch in Bayern weit entfernt ist. Das heißt jedoch nicht, dass man sich von dieser Utopie verabschieden sollte. Die Linke jedenfalls wird sich von dieser Utopie, in der es darum geht, Freiheit und Gleichheit miteinander zu verbinden, nicht verabschieden. Das ist im Bloch’schen Sinne der Weg zum aufrechten Gang der Menschen. Das ist genau der Weg und der Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht beschrieben hat. Diesen Weg beschreitet die gegenwärtige Koalition nicht. Sie hat Angst, die Banken an den Kosten der Rettungspakete zu beteiligen. Sie zaudert und geizt bei den sozialen Ausgaben. Sie lehnt einen flächendeckenden Mindestlohn ab. Sie befürwortet damit die Ausbeutung der Menschen. Sie hat im Koalitionsvertrag Vorstellungen zum Mietrecht offenbart, die den sozialen Zorn von Millionen Menschen in unserem Land schüren werden. Die Kündigungsfristen im Mietrecht zulasten der Mieter zu verkürzen und die Mieter auch noch an energetischen Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen, sind Ausdruck einer Klientelpolitik. Das ist die Politik des kalten Herzens. Die Koalition hat auch vor, das moderne Jugendstrafrecht von seinem Erziehungsgedanken zu entfernen. Hier sollen wieder die deutschen Stammtische die Ober2886 Wolfgang Neškoviæ hand erhalten. Herr Koch lässt grüßen. Wir halten daran fest: Bei Jugendlichen geht Erziehung vor Strafe. ({12}) Diese Koalition steht trotz der von mir sehr geschätzten Justizministerin weiterhin für eine freiheitsbedrohende Sicherheitspolitik. ({13}) Diese Politik ist für die Menschen in unserem Lande ein Debakel. Das liegt schon an den politischen Grundvorstellungen, die beide Parteien in die Regierung einbringen. Die CDU/CSU ist mit ihrer Sicherheitspolitik kein Freund der Freiheit. Bei ihr gilt immer noch der Grundsatz: Im Zweifel für die Sicherheit und nicht für die Freiheit. Die FDP dagegen ist kein Freund der Gleichheit. Sie ist eher ihr Feind. Diese beiden Partner treffen nun in einer Wunschehe aufeinander. Die FDP trifft dort einen Partner, der kein Freund der Freiheit ist. Die CDU/CSU trifft einen Partner, der ein Feind der Gleichheit ist. Die Folgen für die Menschen sind bitter. Diese Koalition ist eine Koalition aus Unfreiheit und Ungleichheit. ({14}) Sie bringt den Menschen den gebückten Gang, nicht den aufrechten Gang. ({15}) Sie führt uns weg vom Auftrag des Grundgesetzes, und sie entfernt uns von der humanen Utopie unserer Verfassung - hoffentlich nur für knappe vier Jahre. Ich halte es da mit der Hoffnung. Das war das Lieblingswort von Ernst Bloch. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Kollege Alexander Funk für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesen philosophischen, absurden und utopischen Ausführungen komme ich wieder zu der Haushaltsberatung zurück. ({0}) Ich möchte mit einem Dank für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erstellung des Justizetats beginnen, der nicht spektakulär, aber deshalb nicht minder wichtig ist. Wir haben in drei Sparrunden das vorgegebene Sparziel erreicht. Das Ministerium selbst hat Vorschläge erarbeitet, der Regierungsentwurf enthielt weitere Sparvorschläge, und in der Bereinigungssitzung haben wir weitere Ressourcen erschlossen. Mit anderen Worten: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Ausgaben sind im Vergleich zum Jahr 2009 um 2,23 Prozent gesunWolfgang Nešković ken, was bei einem klassischen Verwaltungshaushalt mit hohen Personalkosten, die allein 78 Prozent der Ausgaben ausmachen, nicht ganz einfach ist; denn die Zahlung von Gehältern und Löhnen können wir schlecht auf das nächste Jahr verschieben. Herr Schurer, Sie haben einen Punkt aus dem Etat herausgegriffen, nämlich den Fonds für Opfer extremistischer Gewalt, der um 700 000 Euro ansteigt und einen Betrag von 1 Million Euro beinhaltet. Ich gebe Ihnen recht, dass es nicht darum geht, die Opfer rechter Gewalt gegen die Opfer linker Gewalt auszuspielen. Genau deshalb haben wir diesen Fonds nun für die Opfer jeglicher extremistischer Gewalt umgewidmet; denn für das Opfer macht es sicherlich keinen Unterschied, ob es von einem Baseballschläger eines Rechten oder von einem Molotowcocktail eines Linken verletzt wurde. Dem haben wir Rechnung getragen. ({1}) Die vergangenen Wochen haben jedem, auch wenn er sonst mit dem Justizwesen wenig zu tun hat, klargemacht, wie wichtig Rechtsetzung und Rechtsprechung in einer Demokratie sind. Seit der ersten Lesung des Haushaltsplans gibt es einige Beispiele dafür, wie Rechtsprechung Medien und Menschen bewegt. Heftig gestritten wurde und wird über die zukünftige Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II. Die Diskussion ist das Ergebnis einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und wird nach unseren Vorstellungen in eine Änderung des Grundgesetzes münden. Das höchste deutsche Gericht hat mit seiner Entscheidung zur Höhe des Regelsatzes für Hartz IV neue Maßstäbe gesetzt, die wir nun umsetzen müssen. Ich warne aber vor einem populistischen Schnellschuss, der nur auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen ausgerichtet ist. Wenn die SPD nun ihren Ausstieg aus den Arbeitsmarktreformen verkündet, dann tut sie das mit haltlosen und nicht finanzierbaren Versprechen. Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Dass die SPD von den Linken getrieben wird, ist unübersehbar. Nur frage ich mich in diesem Zusammenhang, wie es um das Seelenleben von Frank-Walter Steinmeier bestellt ist, einem der Väter von Hartz IV. Der frühere SPD-Popbeauftragte Gabriel demontiert mit einer atemberaubenden Radikalität sein Lebenswerk. Die einzige Reaktion des Oppositionsführers ist eine neue Brille. Sein Sichtfeld mag sich damit verändern, vielleicht sogar verengen; aber für seriöse Politik ist das zu wenig. ({2}) Wir brauchen erst einmal die erforderlichen Daten des Statistischen Bundesamts, dann können wir vernünftigerweise die Regelsätze für Hartz IV berechnen und einen Gesetzentwurf vorlegen, der den betroffenen Menschen gerecht wird und den Vorgaben des Verfassungsgerichts entspricht. Schließlich müssen wir uns mit der sogenannten Vorratsdatenspeicherung befassen, nachdem Karlsruhe das entsprechende Gesetz für null und nichtig erklärt hat. In diesem Zusammenhang stellt sich aber nicht nur die Frage, welche Daten der Staat sammelt, sondern es geht auch darum, wie ernst es die Bürgerinnen und Bürger und vor allem bestimmte Unternehmen mit der informationellen Selbstbestimmung nehmen. Der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat gesagt: Wir stellen nicht erst seit gestern fest, dass dem Grundrecht auf Datenschutz nicht nur von staatlicher, sondern auch von privater Seite Gefahren drohen. Er meinte damit die Daten privater Unternehmen, die ihre Beschäftigten ausspähen. Ebenso leichtfertig gehen aber diejenigen mit ihren persönlichen Daten um, die ihre Brieftaschen voller Bonuskarten haben; denn bei jedem Einkauf hinterlassen sie Spuren. Anschließend beschweren sie sich über die vermeintliche Datensammelwut des Staates. Diese Koalition muss sehr besonnen die Schutz- und die Freiheitsrechte der Bevölkerung abwägen, bevor ein neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung unternommen wird. Ausdrücklich begrüße ich den Vorschlag von Innenminister de Maizière, einen Datenbrief einzuführen. Danach sollen Unternehmen ihren Kunden einmal jährlich Auskunft über die gesammelten Daten geben. Wer seine Daten schützen will, muss wissen, welche Daten über ihn kursieren; hier gebe ich dem Innenminister ausdrücklich recht. Den Hinweis auf Kosten für die Unternehmen kann ich in diesem Zusammenhang nicht gelten lassen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist allemal das höhere Gut. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Funk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Notz, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Konstantin Notz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004123, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, Sie haben den Datenbrief angesprochen. Ich selbst finde das Wort „Datenbrief“ ebenfalls attraktiv und interessant; das klingt nach einer guten Lösung. Wie soll das Ganze in der Praxis aussehen? Nehmen wir nur einmal die Daten, die ein soziales Netzwerk wie Facebook über uns gespeichert hat: Soll man jedes Jahr Dutzende von ausgedruckten Seiten - sie würden unter anderem Fotos und Textkommentare enthalten von Facebook zugeschickt bekommen? Wie soll sich das konkret darstellen? Glauben Sie tatsächlich, dass es dem Datenschutz dient, wenn man Unternehmen dazu verpflichtet, persönliche Daten für einen solchen Datenbrief zusammenzuführen? Ist nicht vielmehr das Zusammenführen personalisierter Daten selbst ein Datenproblem?

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da Sie selbst wissen, welche Daten Sie im Internet veröffentlichen, haben Sie Kenntnis darüber, welche Daten in einem solchen Datenbrief enthalten wären; deshalb brauchen Sie darüber nicht informiert zu werden. Beim Datenbrief geht es um etwas ganz anderes: Die Unternehmen sollen Auskunft darüber erteilen, welches Kundenprofil sie erfasst haben; die jeweiligen Daten sollen sie übermitteln. Dementsprechend kann der Kunde selbst entscheiden, ob diese Daten gelöscht werden. Genau darum geht es. Es handelt sich hier um einen Vorschlag, der diskutiert wird und den ich für ausgesprochen sinnvoll erachte. Ein deutsches Sprichwort besagt: Es genügt nicht, recht zu haben; man muss es auch bekommen. Das gilt für jeden Einzelnen, der sein vielzitiertes gutes Recht gegenüber dem Staat geltend machen kann und manchmal machen muss. Auch hier führe ich ein Beispiel an - es berührt die Sozialgerichtsbarkeit -: Bei den Sozialgerichten gingen 2009 insgesamt 193 981 Klagen gegen Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit Hartz IV ein; das waren 20 000 mehr als im Vorjahr. Der Präsident des Bundessozialgerichts, Peter Masuch, fordert von uns, also der Politik, die Erfahrungen der Verwaltungspraxis und die Gerichtsentscheidungen in die Gesetzgebung einzubeziehen. 193 981 neue Klagen, hinter dieser nüchternen Zahl verbirgt sich einerseits die hoffnungslose Überbelastung der Sozialgerichte; zugleich ist sie Ausdruck des Vertrauens, dass die Bürgerinnen und Bürger zu Recht in den Rechtsstaat und seine Gerichte setzen. ({0}) Ich will hier nicht in den Chor derer einstimmen, die der deutschen Gesetzgebung pauschal vorwerfen, sie habe sich von der Lebenswirklichkeit entfernt. Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass. Aber ich bin der Überzeugung, dass Recht dem Rechtsempfinden der Menschen nicht diametral gegenüberstehen darf; ({1}) dann nämlich wird es weder akzeptiert noch befolgt. Selbstverständlich muss Recht eine verlässliche Größe bleiben, an der sich die Menschen orientieren. Es darf nicht in opportunistischer Weise einem ständig wechselnden Zeitgeist angepasst werden. ({2}) Ein Thema, das uns alle in diesen Wochen bewegt, ist - ich formuliere es einmal juristisch - der Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbefohlenen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Übergriffe bekannt werden. Auch wenn die Fälle in der Regel Jahrzehnte zurückliegen, müssen sie schonungslos aufgeklärt werden. Darüber besteht Konsens. Ebenso wichtig ist es aber, künftige Übergriffe zu verhindern. Gesetze allein dürften hier nicht ausreichen. ({3}) Bei dem von der Bundesregierung angeregten runden Tisch müssen die Ursachen für die Misshandlungen und den Missbrauch von Kindern aufgeklärt werden. Nur so können wir Wege einer wirksamen Prävention finden. In der derzeitigen Diskussion wird versucht, die katholische Kirche als eine Einrichtung darzustellen, in der es, beispielsweise aufgrund des Zölibats, geradezu zum sexuellen Missbrauch von Kindern kommen müsse. Diese Versuche sind schlichtweg infam. ({4}) Ebenso infam könnte ich behaupten, dass die Grünen Mitverantwortung für Kindesmissbrauch tragen. Sie werden es nicht gerne hören, aber Tatsache ist: Im NRWWahlkampf 1985 forderte die Grünen-Arbeitsgruppe „Schwule und Päderasten“, kurz: „Schwup“, den sexuellen Missbrauch von Gefangenen und Kranken sowie Abhängigen, homosexuelle Handlungen an Jugendlichen sowie den sexuellen Missbrauch von Kindern straffrei zu stellen. ({5}) Sex mit Kindern sei, so formulierten die Grünen damals, „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd“. ({6}) Dass Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, nur ungern an solche Forderungen erinnert werden wollen, liegt auf der Hand.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Montag? ({0})

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Herr Kollege Funk, ich möchte Sie fragen, nachdem Sie uns Grüne angesprochen haben, ob Sie in dieser Runde auch erzählen können, welche unterschiedlichen Anträge im Laufe der Jahrzehnte in Gremien der CDU bzw. der CSU entworfen worden sind. ({0}) Haben Sie je davon gehört, dass irgendein Organ der Grünen, dass irgendein Parteitag der Grünen, dass irgendein Wahlkampfaufruf der Grünen solche absurden Forderungen beinhaltet hätte, wie Sie sie hier zitieren? Ich kann Ihnen versichern: In der Partei der Grünen gibt es niemanden, der sexuellen Missbrauch fördert oder bagatellisiert. Wir sind natürlich der festen Überzeugung, dass alle diese Dinge bekämpft und verurteilt werden müssen. Deswegen möchte ich Sie bitten, solche Anschuldigungen mit einem solchen Unterton gegen unsere Fraktion und meine Partei zu unterlassen. ({1})

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben mich an dieser Stelle missverstanden. Ich habe klipp und klar gesagt: Es wäre ebenso eine infame Unterstellung. Ich sage Ihnen auch, vor welchem Hintergrund ich dieses Beispiel angesprochen habe. Ich finde es als Katholik, ich finde es als ehemaliger Messdiener, ich finde es als Teil der katholischen Kirche unerträglich, wie gerade von Ihrer Fraktionsvorsitzenden Renate Künast die katholische Kirche angegangen wird. ({0}) Es geht nicht an, dass finanzielle Sanktionen gegen eine Institution für Straftaten Einzelner angedroht werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch klarstellen, dass die grüne Partei nicht in Haftung genommen werden kann und mit sexuellem Missbrauch in Verbindung gebracht werden darf, wenn einzelne Gruppen eine solche Forderung vor 25 Jahren gestellt haben. Darum geht es. ({1}) In Fällen von sexuellem Missbrauch darf es nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen gehen. Jeder einzelne Fall von Kindesmissbrauch ist verwerflich und schlimm. Das Tabu des Schweigens muss gebrochen, die Taten müssen aufgedeckt, die Opfer - soweit das überhaupt geht - entschädigt und die Täter bestraft werden. Wenn es notwendig ist, müssen wir auch die entsprechenden Verjährungsfristen verlängern. ({2}) Wichtig ist in dieser Debatte aber auch, dass wir nicht für die Straftaten Einzelner eine ganze Institution in Haftung nehmen. So schlimm und schmerzhaft diese Missbrauchsfälle sind, sie finden leider in allen gesellschaftlichen Gruppen statt, überwiegend in Familien. Es handelt sich also nicht um ein kirchliches oder ein katholisches Problem, sondern um ein gesellschaftliches Problem, das wir gemeinsam bekämpfen müssen. Hierzu fordere ich alle auf. ({3}) Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit verlängern?

Alexander Funk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Dann erteile ich Kollegen Jerzy Montag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde in meiner heutigen Rede die bayrische Verfassung nicht zitieren, obwohl ich sie ausgesprochen gut finde und sie im Studium immer als eine der besten Verfassungen angesehen habe. Aber auch ich werde, bevor ich mich dem Justizsektor zuwende, etwas über unseren Bundesaußenminister sagen müssen. Herr Westerwelle ist in der Kritik, und er antwortet auf diese Kritik. Er sagt uns, der Opposition, die Kritik an ihm sei unanständig, sie schade der Demokratie und sie beschädige die Demokratie. Dabei ist es so, dass wir - ich hoffe, Sie erinnern sich noch daran - den Bundesaußenminister Westerwelle gelobt haben. Wir haben ihn dafür gelobt, dass er zuerst nach Polen gefahren ist. Wir haben ihn dafür gelobt, dass er in der Vertriebenenstiftungsfrage hart geblieben ist. Aber wir kritisieren ihn auch, wenn er in der Bundesrepublik Deutschland Menschen beleidigt, die auf soziale Ausgleichsmaßnahmen angewiesen sind. Wir kritisieren ihn, wenn er Spenden entgegennimmt und dann die Spender mit Steuererleichterungen bedacht werden. Wir kritisieren ihn wegen seiner Vetterleswirtschaft bei seinen Auslandsreisen. Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht als Opposition, eine solche Kritik zu üben. ({0}) Aber eines ist auch klar: Unsere Kritik ist und wird nicht so verletzend, so bodenlos und so unanständig werden, wie sie in der Koalition gegenseitig ausgesprochen wird. Davon konnte man gestern - ich kann es Ihnen nicht ersparen - eine Kostprobe lesen. Zwei Abgeordnete, einer aus dem Bundestag und einer aus einem Landtag, einer aus der CSU und einer aus der FDP, haben gestern eine Unterhaltung geführt, und zwar über die Medien, in aller Öffentlichkeit. Diese Unterhaltung ging so: Der FDPler sagte: Bis auf die Schwarte werde ich auf die CSU eindreschen. Feuer frei auf sie! Ich freue mich über jede Sottise. - Antwort der CSU: Dem Kubicki ist wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. ({1}) Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen. - Antwort von Kubicki: BSE schlägt aufs Gehirn, nicht die Schweinegrippe. Diesen CSU-Generalsekretär - gemeint ist Dobrindt - werden wir uns als Ersten vornehmen. Feuer frei auf ihn! ({2}) - Das ist das Thema. ({3}) Sie, nicht wir, lassen die Menschen daran zweifeln, dass in den Parlamenten überhaupt noch ernsthafte Politik gemacht wird. ({4}) Sie zerstören das Vertrauen in die Volksvertreter, in uns, und in die Demokratie. Ihre Vorwürfe treffen nicht uns, sondern Sie selber. Sie liefern ein beschämendes Bild von Zerstrittenheit und Unfähigkeit. ({5}) Jetzt im engeren Sinne zum Thema. Wir reden über den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts und den des Bundesjustizministeriums. Ich will mit dem Bundesverfassungsgericht anfangen. Ich will Herrn Professor Dr. Papier meinen Dank aussprechen. Vorgestern hat die Stabübergabe in Karlsruhe stattgefunden. Ich will ihm für seine Tätigkeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichts danken. Daneben will ich den Glückwunsch an den neuen Präsidenten Professor Voßkuhle, den der Bundestagspräsident schon heute Vormittag ausgesprochen hat, erneuern und auch den neuen Richter Professor Paulus beglückwünschen. Der Dank gilt nicht allen Urteilen. Aber der Dank gilt der Gradlinigkeit und der Klarheit, mit der das Gericht über viele Jahre in Demokratiefragen, in Menschenrechtsfragen und in Bürgerrechtsfragen Kurs gehalten hat. Mal über Mal hat das Bundesverfassungsgericht - sogar noch vor einigen Tagen - die Menschenwürde und das Recht des Individuums hochgehalten und die Freiheit in der Abwägung von Freiheit und Sicherheit nicht unter die Räder kommen lassen. Deswegen will ich an dieser Stelle sagen: Jeder Cent und jeder Euro, den wir im Haushalt für das Bundesverfassungsgericht einsetzen, ist gut angelegtes Geld mit einer bürgerrechtlichen Dividende für alle Bürgerinnen und Bürger. ({6}) Da wir schon über Geld reden, will ich auch einen Posten im Haushalt des Bundesjustizministeriums erwähnen, der sich mit den Opfern rechtsextremistischer Gewalt beschäftigt hat und der sich nunmehr mit den Opfern extremistischer Gewalt beschäftigt. ({7}) Ich bin der Letzte, der Gewalt von linksextremer Seite beschönigen will. Ich bin der Meinung, dass die Straftaten von rechts wie von links verfolgt werden müssen. Aber, Herr Kollege Funk, weil Sie diesen Punkt angesprochen haben, will ich Ihnen sagen: Darum geht es bei diesem Topf überhaupt nicht. Es geht nicht um das Geld für die Verfolgung von Straftätern. Das Geld für die Verfolgung von Straftätern steht im Etat für das Innenressort und wird dafür ausgegeben, sowohl linksradikale wie auch rechtsradikale Straftäter zu verfolgen. Es geht bei diesem Topf um die Opferentschädigung. ({8}) Dafür haben wir ein Opferentschädigungsgesetz, das als Auffangposition allen Opfern rechtsextremistischer und linksextremistischer Straftaten zur Verfügung steht. ({9}) Es geht um etwas anderes. Es geht darum, dass wir seit 1989 die Situation haben, dass bei uns 150 Menschen von Rechtsradikalen ermordet worden sind und dass wir Hunderte, ja Tausende von Verletzten und Schwerverletzten durch die Übergriffe von Neofaschisten und Rechtsradikalen haben. Deswegen hat dieses Hohe Haus mit diesem Posten für die Opfer von rechtsradikaler Gewalt ein politisches Zeichen setzen wollen. Dieses politische Zeichen radieren Sie aus. ({10}) Sie behandeln gleich, was ungleich ist. Das ist der Fehler. Denn aufgrund des Ausmaßes und der Art und Weise, wie die Neonazis und die Rechtsradikalen unser Land bedrohen, Menschen Schaden zufügen und Menschen umbringen, haben wir es mit einer einzigartigen Gefahr zu tun. Es wäre schön, wenn diese Koalition das endlich begreifen würde. ({11}) Frau Bundesjustizministerin, Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit ein Interview im Stern gegeben und davon gesprochen, dass nun ein neuer Geist in der Rechtspolitik einkehrt, dass es einen Richtungswechsel in der Innen- und Sicherheitspolitik geben wird und dass das Ritual immer schärferer Gesetze durchbrochen wird. Sie wollten und wollen für mehr Bürgerrechtsschutz statt für mehr Überwachung sorgen. Ich habe das gerne gelesen. Aber mir war von Anfang an klar: Das wird die härteste Nuss mit diesem Koalitionspartner. So erweist es sich auch. Ich weiß, die Union ändert sich, die Union modernisiert sich mit Hängen und Würgen und unter Schmerzen. ({12}) Aber in Bürgerrechtsfragen und in Freiheitsfragen geht es bei Ihnen immer noch am langsamsten. ({13}) Deswegen sage ich: Jawohl, das ist für die Bundesjustizministerin eine harte Nuss. Die Koalition ist auch in der Rechtspolitik heillos zerstritten und völlig handlungsunfähig. In der kurzen Zeit kann ich es Ihnen nur mit einem Argument verdeutlichen: Die Rechtsausschusssitzung der letzten Sitzungswoche dauerte elf Minuten, weil es vonseiten der Koalition und der Regierung nicht eine einzige Vorlage gab. Auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses für die nächste Sitzungswoche gibt es überhaupt nur eine einzige Vorlage mit der Federführung des Rechtsausschusses, und das ist ein Antrag der Grünen. Von Ihrer Seite, von der Regierungsseite, von der Koalitionsseite gibt es keine einzige. Sie arbeiten nicht mehr, Sie bringen keine einzige Vorlage, und deswegen sagen wir Ihnen: Sie sind zerstritten, Sie leisten nichts, Sie bringen überhaupt nichts zustande. ({14}) Ich hätte hier gern noch ausgeführt, dass ich in einem gewissen Sinne darüber auch froh bin, ({15}) denn wenn ich mir vorstelle, dass Sie das Erscheinen und die Aussagepflicht bei der Polizei einführen wollen, dass Sie die Wiederaufnahme zulasten von Angeklagten einführen wollen, dass Sie das Jugendstrafrecht verschärfen und die Prozess- und die Beratungshilfe beschneiden wollen usw., dann bin ich in einem bestimmten Sinne auch froh, dass es bei Ihnen ganz langsam geht. ({16}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, bleiben Sie bitte bei den Zitaten, die ich aus Ihrem ersten Interview vorgetragen habe. Kämpfen Sie weiter für mehr Bürgerrechtsschutz und gegen mehr Überwachung, gegen das Ritual immer schärferer Gesetze und für einen Richtungswechsel in der Rechtspolitik. Wenn Sie das durchhalten, haben Sie uns auf Ihrer Seite, aber leider nicht bei dem Haushaltstitel Justiz; ihn werden wir ablehnen müssen. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Michael Grosse-Brömer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde auch Zeit, dass man hier einmal zu Wort kommt. Ich habe Ihre Vorlesung, Herr Nešković, wieder mit Wonne genossen. Sie haben ausnahmsweise Ihren Ankündigungen dann auch Taten folgen lassen. Ich habe mich in der Tat gewundert, als Sie gesagt haben, die CDU sei kein Freund der Freiheit. Ich erlaube mir, nur kurz daran zu erinnern, dass wir als CDU/CSU auch in diesem Bundestag bereits die Wiedervereinigung propagiert und uns dafür eingesetzt haben, dass alle Deutschen in Freiheit leben können, ({0}) bevor Sie überhaupt eine Stellungnahme dazu abgeben konnten. Unserer Fraktion vorzuwerfen, sie habe ein falsches Ideal von Freiheit und setze sich dafür nicht ein, das ist so unerträglich an der Sache vorbei, dass Sie künftig bei Ihren Vorlesungen darauf verzichten sollten. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nešković?

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, selbstverständlich.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Grosse-Brömer, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich mich natürlich freue, wenn Sie meinen Worten mit Andacht lauschen, und ich mich noch mehr freue, wenn das bei Ihnen auch einen gewissen Erfolg hat? Aber nehmen Sie bitte auch Folgendes zur Kenntnis: Im Jahre 1990 war ich Mitglied im Landesvorstand der SPD und zu diesem Zeitpunkt ungefähr zehn Jahre lang Landesvorsitzender der SPD-Juristen in Schleswig-Holstein. Da habe ich die gleichen Ideen und Vorstellungen wie Sie hinsichtlich der Wiedervereinigung gehabt. Also, das war wieder ein Fehlschlag.

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich habe Sie auch gar nicht persönlich gemeint; ich finde es toll. Das Einzige, was mich wundert, ist der Umstand, dass Sie, wenn Sie früher einmal so klug politisch aktiv waren, sogar mit einer juristischen Ausbildung in der SPD, dann diesen Fehler gemacht haben, jetzt bei der Linken mitzuarbeiten. Das verstehe ich dann nicht, aber das werden Sie sicherlich vor sich selbst verantworten müssen. ({0}) Ungeachtet dessen muss ich natürlich noch kurz zu dem Kollegen Montag kommen; ich hatte gar nicht so viel Platz, alle Stichworte aufzuschreiben. Ich freue mich ja auch, wenn Sie vermeintliche Diskurse zwischen FDP und CSU mit Interesse verfolgen. ({1}) - Ja, die gab es, bestimmt. Ich habe sie nicht richtig verfolgen können, aber ich glaube Ihnen natürlich. In diesem Zusammenhang sollte man noch erwähnen, dass zum Beispiel Rot-Grün von einer stetigen Harmonie geprägt war. Insbesondere der Außenminister und der damalige Kanzler haben sich gemocht und nie etwas Schlechtes übereinander gesagt. Vielmehr herrschte Eintracht; es war Friede, Freude, Eierkuchen, im Gegensatz zu anderen Geschichten. Was die Zerstrittenheit betrifft, würde ich ein bisschen tiefer stapeln, als das in Ihren Reden der Fall ist. ({2}) Mich wundert es, dass Sie immer die Opferentschädigung ansprechen. Sie beginnen Ihre Ausführungen immer folgendermaßen: Eigentlich gibt es keinen Unterschied. Wir bekämpfen linke Gewalt genauso wie rechte Gewalt. - Aber Sie finden es jedes Mal komisch, dass man die Opfer der jeweiligen Straftaten unterschiedlich behandelt. ({3}) Ich will Ihnen sagen, was wir gemacht haben. Wenn es das politisch eindeutige Zeichen gegeben haben soll ({4}) - doch, ich glaube, ich habe das verstanden -, nur Opfer rechtsextremistischer Straftaten zu entschädigen, dann finde ich es gut, dass wir jetzt das Zeichen gesetzt haben, dass es völlig gleichgültig ist, aus welchen politischen Motiven ein Mensch schwer verletzt wird. Es ist sinnvoll, hier keinen Unterschied zu machen und auch bei linksextremistischen Straftaten das politische Zeichen zu setzen, ({5}) dass man sie unterlassen soll und man die Opfer in identischer Art und Weise wie die von rechtsextremistischen Straftaten entschädigen sollte. ({6}) Wenn Sie so wollen, ist das ein politisches Zeichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass linksextremistische Straftaten eine wesentlich höhere Steigerungsrate haben als rechtsextremistische, was die Situation aber nicht besser macht. ({7}) Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nach dem Interview, das die Ministerin zu Beginn ihrer Amtszeit im Stern gegeben hat, festgestellt haben: Diese christlich-liberale Regierung ({8}) wird insbesondere im rechtspolitischen Bereich sehr erfolgreich sein, weil wir uns gut verstehen und uns vernünftig darüber unterhalten, was gemacht werden soll. Hierin unterscheiden wir uns vielleicht von Rot-Grün. Wir arbeiten nicht schnell, sondern wir arbeiten sorgsam, ({9}) dann muss man im Zweifel auch nicht so viel korrigieren. ({10}) Die Zusammenarbeit ist gut. Machen Sie sich keine Gedanken, dass wir in rechtspolitischer Hinsicht zu wenig machen. ({11}) Derzeit findet der Insolvenzrechtstag in Berlin statt. Wir sind mitten in der Arbeit. Sie werden noch früh genug Entwürfe bekommen, die dazu dienen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Im letzten Jahr gab es 33 000 Insolvenzen. Wir alle müssen daran arbeiten, dass Arbeitsplätze erhalten werden und Unternehmen nicht dadurch stigmatisiert sind, dass sie in Zahlungsschwierigkeiten kommen oder unter Umständen sogar Insolvenz anmelden müssen. Die Neufassung des Insolvenzrechtes ist eine große Aufgabe, die wir anpacken. Die Kollegin WinkelmeierBecker wird das für unsere Fraktion übernehmen. Ich glaube, es ist sinnvoll, Insolvenzplanverfahren zu straffen und zu vereinfachen. Es ist auch sinnvoll, über eine verbesserte Eigenverwaltung nachzudenken. Der Insolvenzrechtstag in Berlin ist ein guter Anlass, dieses Thema anzusprechen. Ich komme zum Thema Kindesmissbrauch; es ist mehrfach angesprochen worden. Es ist unstreitig, dass das kein spezifisches Problem der katholischen Kirche ist, sondern ein Problem von Einrichtungen, in denen Kinder betreut und erzogen werden. Die Mehrzahl der Fälle findet ohnehin im privaten Umfeld statt. Wenn wir eine positive Lehre aus den Vorfällen der letzten Zeit ziehen, dann ist es die, möglichst sensibel zu reagieren und zu überlegen, inwieweit dieser Missbrauch verhindert werden kann. Das betrifft vor allem die Sensibilität derjenigen, die in der Schule tätig sind. Vielleicht ist ein noch genaueres Hinsehen der Ärzte erforderlich. Ich finde es richtig, dass es - auch auf Initiative der Bundesjustizministerin - runde Tische gibt, wobei die Beteiligten sowohl zurückblicken, um zu überprüfen, was man noch an Entschädigung leisten muss, als auch nach vorne, um darüber nachzudenken, wie künftige Taten zu verhindern sind. Wir sind der Auffassung, dass man in diesem Zusammenhang Mängel im geltenden Recht beseitigen sollte; denn Zusehen und Bedauern reichen nicht mehr aus.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele?

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne, wenn sie nicht so lang ist, wie das sonst bei ihm der Fall ist. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, meine Fragen sind immer ganz kurz. Ich wollte diese Frage schon vorhin Ihrem Kollegen stellen. Sie kritisieren, dass nur eine Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche erfolgt, und weisen darauf hin, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in vielen Anstalten vorgekommen sind. Das ist ohne Zweifel richtig. Wir erfahren jeden Tag, dass Menschen aus allen möglichen Bereichen berichten, dass auch ihnen das passiert ist. ({0})

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist wieder eine sehr kurze Frage. Ich merke das schon.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die entscheidende Frage ist doch: Wie gehen die damit um? Die Kritik an der katholischen Kirche - gerade seitens katholischer Laienorganisationen, der Katholischen Jugend und anderer - betrifft den Umgang der katholischen Kirche damit, dass solche Vorwürfe gemacht werden und sich Opfer melden. ({0}) Darum geht es doch. Sie müssen einmal sagen, wie Sie sich dazu verhalten. Ich denke, in vielen Fällen wäre heftigere Kritik an der katholischen Kirche angebracht, sowohl ganz oben als auch ganz unten. Geben Sie mir da recht? Schließen Sie sich dem an?

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach meiner Kenntnis hat die katholische Kirche einen Sonderbeauftragten für diesen Bereich eingesetzt. Sie wird am runden Tisch teilnehmen. Bischof Marx ist zitiert worden. Ich glaube, damit ist alles gesagt. ({0}) Wir sind der Auffassung, dass Kindesmissbrauch künftig als Verbrechen behandelt werden muss. Ich glaube nicht, dass eine höhere Bestrafung per se der einzig wirksame Weg ist, um Straftaten zu verhindern, logischerweise. Deswegen sage ich ganz bewusst: Die Strafe muss mit Präventionsmaßnahmen einhergehen. ({1}) Wir müssen uns damit beschäftigen, wie man auch auf anderen Feldern sexuellen Missbrauch beseitigen kann. Ich bin aber zusammen mit meiner Fraktion der Auffassung, dass wir die Täter, diejenigen, die diese widerlichen Taten begehen, als das bestrafen sollten, was sie sind, nämlich als Verbrecher. ({2}) Gleichzeitig denken wir über die Verjährungsfristen nach. Das wissen Sie; das haben Sie den Zeitungen entnehmen können. Die Debatte darüber ist mittlerweile in vollem Gange. Wir wollen die strafrechtliche Verjährungsfrist verlängern, weil wir anhand konkreter Beispiele feststellen konnten, dass manche Opfer lange brauchen, um sich zu offenbaren. Insbesondere gilt dies aber auch für die zivilrechtlichen Verjährungsfristen; denn diese beginnen ab dem 21. Lebensjahr und betragen derzeit drei Jahre ab Kenntnis. Eine Verlängerung macht Sinn. Ich glaube, für das Opfer ist es wichtig, zu wissen, dass der Täter für diese elende Tat bestraft wird; aber mindestens genauso wichtig ist es, sagen zu können: Ich bekomme Schmerzensgeld, ich habe einen Anspruch auf Schadensersatz für mögliche Therapiekosten. Das sind sinnvolle Überlegungen in diesem Zusammenhang, die wir rechtspolitisch aufarbeiten müssen. Kollege Montag, weil wir ab und zu auch außerhalb des Plenarsaals diskutieren und fröhlich streiten, muss ich Ihnen sagen: An einer Stelle bin ich völlig entgegengesetzter Auffassung. Sie haben öffentlich gesagt, zahlreiche Missbrauchsfälle seien einer kinderfeindlichen und verklemmten Gesellschaft zuzuschreiben. Wörtlich: Wer eine verlogene Sexualmoral predigt, ist mitschuldig daran, dass hunderte, vielleicht tausende von Kindern und Jugendlichen in Schulen sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. ({3}) Ich halte diese Argumentation für sehr, ich sage einmal, nachdenkenswert. ({4}) Ich meine das in folgendem Sinne: Entlastet man nicht in Wirklichkeit die Täter, wenn man sagt: „Die Gesellschaft ist aufgrund ihrer falschen Moral schuld und nicht der Täter, der sich persönlich an den Opfern vergeht“? ({5}) Das ist die alte 68er-Debatte - ich dachte, wir hätten sie überwunden -: Die Gesellschaft ist schlecht und produziert dadurch Täter, die nichts dafür können. ({6}) Bei aller Liebe, darüber sollten wir wirklich einmal nachdenken. Wir sind der Auffassung, dass zivilrechtliche und strafrechtliche Verjährungsfristen angepasst werden müssten. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten müssen wir darüber nachdenken, wie wir das am besten machen. Das hätte einen Vorteil: Das Opfer müsste nicht zweimal vor Gericht erscheinen. Es gibt das Adhäsionsverfahren. Im Rahmen eines Strafverfahrens kann man gleichzeitig über Schadensersatz und Schmerzensgeld verhandeln. ({7}) - Das macht keiner. Das stimmt. Aber vielleicht ist das eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass es eigentlich sinnvoll wäre, das zu machen. Das Opfer nicht zweimal einer öffentlichen Verhandlung auszusetzen, ist nämlich auch eine Frage der Rücksichtnahme, die die Missbrauchten benötigen. Abschließend will ich auf die Vorratsdatenspeicherung eingehen; sie ist mehrfach angesprochen worden. Meist wird behauptet, dass das Bundesverfassungsgericht die Politik korrigiert. Ich erlaube mir nur den Hinweis darauf, dass das Urteil mit 4 : 4 Stimmen verabschiedet wurde - da gibt es noch Abstufungen -, ({8}) sodass das Gericht offenbar nicht vollständig überzeugt war, dass alles falsch ist. Wir christdemokratischen Rechtspolitiker sind jedenfalls der Auffassung, dass wir die Hinweise des Präsidenten des BKA - der Kollege Uhl hat in der vorherigen Debatte, glaube ich, auf ein Beispiel hingewiesen -, die er gestern in einer Sitzung unserer Fraktion gegeben hat, ernst nehmen sollten. Er sagte, dass man einen Sexualstraftäter eigentlich schon längst hätte dingfest machen können, wenn es die Vorratsdatenspeicherung gäbe. Nur weil wir sie nicht haben, ist er immer noch im Internet unterwegs und prahlt dort mit seinen sexuellen Übergriffen. Wir sind der Auffassung, dass wir schnell handeln müssen. Das Gericht hat ja bestätigt, dass die Vorratsdatenspeicherung an sich geeignet und zulässig ist. Nur bei der Datensicherheit und -verarbeitung muss nachgebessert werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie, bevor Sie zu Ihren Schlussworten kommen, eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland? Das verlängert Ihre Redezeit.

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie die Uhr dann auch anhalten?

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Sofort. ({0})

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Kollege Grosse-Brömer, Sie haben jetzt das Beispiel wiederholt, das der Kollege Uhl vorhin in der innenpolitischen Debatte genannt hat. Den Kollegen Uhl zu belehren, ist meist sehr schwierig bis unmöglich. Bei Ihnen versuche ich es einmal. ({0}) - Nein. - Wenn man das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes liest - das muss man natürlich machen ({1}) und versteht, sieht man, dass die IP-Adressen ausdrücklich unter keinerlei Schutz gestellt werden. Es wird gesagt: Die Vorratsdatenspeicherung bezogen auf IPAdressen ist - das kann man bedauern oder nicht - unverfänglich und darf durchgeführt werden. Die Aufforderung des Gerichtes zur Löschung hat sich deswegen auch nicht auf die auf Vorrat gespeicherten IP-Adressen bezogen. Wenn ein Betreiber das falsch verstanden hat, wäre es Ihre Aufgabe als Rechtspolitiker Uhl und als Rechtspolitiker Grosse-Brömer, sowohl das BKA als auch die Betreiber darauf hinzuweisen. Sehen Sie das so wie ich?

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich sehe ziemlich viele Sachen so wie Sie. In diesem Fall will ich Ihnen sogar zugestehen, dass Sie als Innenpolitiker im Zweifel noch mehr Spezialwissen haben als ich. Ich verlasse mich auf den Präsidenten des BKA und auf dessen Mitarbeiter, ({0}) der seit Jahren speziell in diesem Bereich arbeitet und recherchiert. ({1}) Wenn dieser Mitarbeiter, der täglich damit zu tun hat, mir erklärt, dass es mit der Vorratsdatenspeicherung möglich gewesen wäre, einen Täter zu identifizieren, dann glaube ich ihm das erst einmal, ohne Ihre hohe Kompetenz bei diesem Thema zu bestreiten. ({2}) - Wir wehren uns ja nicht dagegen, täglich klüger zu werden. Ich hoffe, das gilt für alle Fraktionen in diesem Haus. ({3}) Zum Abschluss möchte ich sagen: Ich freue mich, dass die Bundesjustizministerin zugesagt hat, die Hände in diesem Bereich nicht in den Schoß zu legen, sondern nachzuarbeiten. ({4}) - Ja, ich jedenfalls finde, das ist eine nette Zusage. ({5}) Es gibt dazu auch eine EU-Richtlinie. Durch gesetzgeberisches Unterlassen würden wir die Sicherheit der Menschen gefährden. Dazu sind wir als CDU/CSU nicht bereit. Abschließend möchte ich der Ministerin für die gute Zusammenarbeit herzlich danken. ({6}) Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Man merkt an den Reden und Feststellungen der Opposition, dass Sie das Gefühl haben, dass wir besser sind, als zurzeit bemerkt wird. ({7}) In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere gute Zusammenarbeit. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Jerzy Montag.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Lieber Kollege GrosseBrömer, Sie haben mich persönlich angesprochen und einen Artikel zitiert, den ich in der Presse veröffentlicht habe. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen zweierlei zu sagen. Als die schwarz-gelbe Koalition 1998 die Regierungsgeschäfte an Rot-Grün abgeben musste, haben Sie uns ein Sexualstrafrecht hinterlassen, das für den sexuellen Missbrauch von Kindern Geldstrafen vorsah und bei dem man von minderschweren Fällen ausging. Es befand sich auf dem niedrigsten Bestrafungsniveau, das es überhaupt in der BRD gab. Wir, Rot-Grün, haben das Sexualstrafrecht verschärft. Wir haben die Geldstrafe gestrichen. Wir haben die mittelschweren und die schwersten Fälle zu Verbrechen gemacht, die mit Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahre belegt sind. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, in diesem Bereich nicht wieder wie in einem Pawlow’schen Reflex erhöhte Strafen zu fordern. Zu dem Text, den Sie kritisiert haben: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft alles, was rechtsstaatlich möglich ist, tun müssen, um Sexualstraftaten aufzudecken. Die Täter müssen bestraft werden. Alle Straftaten geschehen aber in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Verhalten der Opfer, der Täter und der Organisationen, in denen sie geJerzy Montag schehen, ist Teil des gesellschaftlichen Kontextes. Warum haben sich Kinder und Jugendliche jahrzehntelang, bis sie Erwachsene im Alter von 30, 40 oder 50 Jahren waren, nicht getraut, über diese sexuellen Übergriffe zu reden? Meine These ist: Das hängt im Wesentlichen mit der verlogenen Sexualmoral in der Gesellschaft zusammen; das war zumindest in der Vergangenheit der Fall. Wir hören jeden Tag - ich nenne die katholische Kirche nur als Beispiel, nicht um sie anzuprangern -, dass solche Fälle in den 70er- und 80er-Jahren innerhalb der Kirche bekannt geworden sind und die Pfarrer in andere Bezirke oder andere Staaten versetzt wurden. Darüber hat man geschwiegen. Ich sage: Das hängt mit der verlogenen Sexualmoral bestimmter Organisationen und der Gesellschaft zusammen. Diese Situation hat sich gewandelt. Ich glaube, heutzutage werden solche Fälle häufiger angezeigt. Wir können sexuellen Missbrauch erfolgreicher bekämpfen, wenn wir über Sexualität offen reden. Wenn wir uns über dieses Thema in einer offenen Debatte austauschen, dann haben die Menschen nicht eine so große Scham, solche Vorfälle anzuzeigen. Kinder und Jugendliche müssen ertüchtigt werden, sich zu wehren und solche Vorfälle sofort bei einer Vertrauensperson anzuzeigen. Das habe ich gemeint, als ich geschrieben habe, dass die sexuelle Verklemmtheit und die verlogene Sexualmoral in den vergangenen Jahrzehnten eine Mitschuld daran hatten, dass diese Fälle so lange verschwiegen worden sind. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, bitte schön.

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Montag, mir ist diese Begründung immer noch zu einfach. Diese Opfer schämen sich nicht, weil sie nicht mit Sexualität umgehen können, sondern sie schämen sich, weil sie Opfer eines massiven kriminellen bzw. sexuellen Übergriffs wurden. Auch nach Ihren Erklärungen, die ein bisschen umfangreicher waren als das, was Sie geschrieben haben - der Satz alleine klingt ja ein bisschen anders -, bin ich der Auffassung, dass es sehr mutig ist, der Gesellschaft mit Verweis auf eine bestimmte Moralvorstellung die Schuld daran zu geben, dass sich Opfer nicht eher offenbaren. Ich glaube, wer Opfer einer Straftat wird - es muss sich dabei nicht unbedingt um eine Straftat mit sexuellem Hintergrund handeln, sondern es kann sich auch um einen Überfall handeln -, hat manchmal ein Problem damit, sich zu offenbaren, weil er dann die genauen Umstände und den Ablauf schildern muss. Das Problem ist, dass sich nicht nur Opfer sexueller Straftaten, sondern auch Opfer anderer Straftaten nicht offenbaren; dafür gibt es Beispiele. Ich glaube, dass es wichtig ist, im Strafrecht die Eigenverantwortung des Täters zu betonen. Wer Kinder belästigt oder sexuell missbraucht hat, darf sich nicht vom Acker machen, indem er sagt: Diese Gesellschaft hat mir gar keine andere Möglichkeit gelassen. - Das lasse ich als Entschuldigung nicht gelten. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Christine Lambrecht für die SPDFraktion. ({0})

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Grosse-Brömer, vorab möchte ich mich ausdrücklich für Ihre Einschätzung bedanken, dass eine Mitgliedschaft in der SPD eine vernünftige politische Ausrichtung ist. ({0}) - Natürlich, das hast du nicht gesagt. Es war aber genau so. Wir können das gerne im Protokoll nachlesen, ({1}) sofern du das noch nicht hast korrigieren lassen. ({2}) - Gesagt ist gesagt. Ich glaube, hinter dieser Einschätzung verbirgt sich viel mehr, nämlich der tief empfundene Wunsch, in eine Große Koalition zurückzukehren. ({3}) Die Große Koalition hat gerade auf dem Gebiet der Rechtspolitik unglaublich viel erreicht. Ich will nur einen Bereich nennen, in dem wir alle, das gesamte Haus, an einem Strang gezogen haben: das Familienrecht. ({4}) Wir haben das gesamte Familienrecht umgekrempelt und es den neuen Herausforderungen angepasst. Dabei hatten wir alle im Boot. ({5}) Wie geräuschlos ging das vonstatten! Das nenne ich sachgerechte Arbeit. ({6}) Wenn ich aber höre, dass der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier im Plenum sagt: „Im Zweifel arbeiten wir“, und weiter ausführt: „In dem Fall legt die Frau Ministerin nicht die Hände in den Schoß“, dann stellt sich mir die Frage: Im Zweifel arbeitet ihr? Wir haben große Zweifel daran, dass ihr arbeitet. Und wenn Sie sagen, dass die Frau Ministerin in dem Fall nicht die Hände in den Schoß legt, war das ein erneuter Angriff innerhalb der Koalition. ({7}) Ich fand es entlarvend, was in der heutigen Debatte vorgetragen wurde. ({8}) Traditionell ist es doch so, dass die Haushaltsdebatte zu Beginn der Legislaturperiode eine erste Möglichkeit bietet, ein Resümee zu ziehen: Was ist passiert? Was hat sich die Regierung vorgenommen? Ich hatte gehofft, heute passiert richtig etwas, heute wird etwas auf den Tisch gelegt, zu dem man sich positionieren kann. Die Frau Ministerin hat während ihrer Zeit als Oppositionspolitikerin, aber auch im Wahlkampf hohe Erwartungen geweckt: Kein Mast war zu hoch, um die Freiheitsfahne zu hissen. Jetzt, nach nur wenigen Monaten, muss man sagen: Diese Fahne wurde relativ schnell eingerollt. Angefangen hat das Ganze - ich muss das immer wieder erwähnen - mit der Positionierung zum SWIFT-Abkommen. Was haben Sie als Oppositionspolitikerin gegen dieses Abkommen gewettert! Auf keinen Fall wollten Sie dieses Abkommen durchgehen lassen. Es war mit Ihre erste Amtshandlung, in dieser Frage einzuknicken. Ich glaube, das ist typisch für das, was uns in den nächsten Monaten und Jahren erwartet. Sie haben in der Rechtspolitik kein abgestimmtes Konzept. Sie haben zwar einen Koalitionsvertrag; aber wahrscheinlich wird das, was in diesem Koalitionsvertrag steht, immer dann, wenn es darauf ankommt, nicht umgesetzt. Sie haben vorhin gesagt, dass ein Vorhaben nur zustande kommt, wenn alle drei Koalitionsfraktionen dem zustimmen. Wenn Sie etwas in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, dann muss man doch davon ausgehen können, dass Sie sich damals einig waren. Da können Sie doch jetzt nicht damit ankommen, eine Einigung müsse erst erreicht werden. Die Erklärung der Ministerin war also entlarvend. Wir werden viele Fragen - wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge - vor diesem Hintergrund beleuchten. Ich will anfangen mit einem Punkt, den Sie, Frau Ministerin, in der Öffentlichkeit gerne als eines Ihrer Projekte beschreiben, nämlich die Pressefreiheit zu stärken und Journalisten vor Beschlagnahme zu schützen. In Ihrer Regierungserklärung vom November haben Sie gesagt - das kann man nachlesen -, dass Sie sich sofort mit diesem Thema beschäftigen wollen. Heute mussten wir erfahren, dass es bis zur Sommerpause dauern wird, bis Sie etwas vorlegen. ({9}) - Bis zur Osterpause werden Sie etwas vorlegen? Na, dann ist ja nicht mehr viel Zeit. Wir sind gespannt darauf. - Ich befürchte aber, dass CDU, CSU und FDP in dieser Frage ähnlich wie in vielen anderen Fragen nicht unbedingt schnell zu einer Lösung des Problems kommen werden. Ich habe den Eindruck, das ist hier wie im richtigen Leben, wo Dreierbeziehungen auch immer ein Problem darstellen. Politische Dreierbeziehungen werfen offensichtlich noch viel mehr Probleme auf. Wir können uns viele weitere Themen anschauen. Es werden immer wieder runde Tische beschworen. Sie sind doch nicht dafür gewählt worden und Sie sind doch nicht dafür Justizministerin, um runde Tische einzurichten. Wenn man all die runden Tische, die von der Justizministerin, von der Familienministerin und von der Bildungsministerin eingerichtet werden, zusammenzählt, wird man feststellen, dass man damit einen Bankettsaal füllen könnte. Ich glaube, das ist nicht das, was die Politik machen sollte. Die Politik sollte Farbe bekennen, sie sollte Vorschläge unterbreiten, statt, wie ich es von den Koalitionspolitikern zu ganz vielen Fragen gehört habe, anzukündigen, über die Fragen mal nachdenken zu wollen. Ich will Ihnen einmal ein paar Punkte vorschlagen; dann werden wir sehen, ob Sie über das reine „Wir wollen mal darüber nachdenken“ vielleicht hinauskommen. Das Thema Kindesmissbrauch ist angesprochen worden. Es ist richtig und wichtig, dass wir uns mit diesem Thema in der gebotenen Ruhe beschäftigen und jetzt nicht populistisch irgendwelche Vorschläge unterbreiten. Wenn man sich die Fälle und insbesondere die Situation der Opfer anschaut, erkennt man, glaube ich, dass es wichtig ist, dass man über eine Verlängerung der Verjährungsfristen nicht nur nachdenkt, sondern Nägel mit Köpfen macht. Die Rechtspolitik kann ihren Teil dazu beitragen, dass solche Taten nicht vergessen werden, dass solche Taten geahndet werden und die Opfer zu ihrem Recht kommen. Sie sollten sich einmal mit dem Vorschlag der SPD auseinandersetzen, in Bezug auf das Zivilrecht über eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf 30 Jahre und in Bezug auf das Strafrecht auf 20 Jahre nachzudenken. Nehmen Sie diesen Vorschlag an! Machen Sie endlich etwas, statt mit Gemeinplätzen wie „Wir werden darüber nachdenken“ zu kommen. Ich glaube, es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass die Politik hier einmal klare Worte findet und dann auch etwas tut und sich nicht nur in Allgemeinplätzen verirrt. ({10}) Ein weiteres Thema, mit dem Sie sich in diesem Zusammenhang vielleicht beschäftigen müssen - hierbei möchte ich mich jetzt gar nicht zu runden Tischen auslassen -, ist die Frage, wie wir mit den Fällen umgehen, die bereits verjährt sind. Auch dazu gibt es Vorschläge. Diese würde ich Ihnen gerne unterbreiten, um auch dazu einmal Ihre Position zu erfahren. Was halten Sie beispielsweise davon, eine Untersuchungskommission hier im Deutschen Bundestag einzusetzen, die das ganze Ausmaß des Missbrauchs ermittelt, und zwar unabhängig, und die hierüber dann auch öfChristine Lambrecht fentlich Bericht erstattet? Warum ergreifen wir angesichts solcher Fälle, die uns alle berühren und betroffen machen, nicht die Möglichkeiten, die wir haben, um auch in den Fällen, die verjährt sind, nichtsdestotrotz zu ermitteln und sie aufzuklären? Ich glaube, das ist ein sehr konkreter Vorschlag. Denken Sie einmal darüber nach, und legen Sie vielleicht auch in diesem Fall nicht die Hände in den Schoß, sondern werden Sie mal ein bisschen aktiver. Es ist viel darüber geredet worden, was Sie alles vorhaben. Ich hätte heute gerne zu viel mehr Punkten ganz konkret Stellung bezogen. Leider fehlen uns momentan die Vorlagen, die alle angekündigt wurden - jetzt wieder eine. Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass Sie auch weiterhin nicht sonderlich viel dazu beitragen, weil die Zerrissenheit spürbar ist. Ich will dies an einem Punkt deutlich machen: Wir alle erinnern uns an die Frage, ob der Staat CDs, also Datenträger, kaufen darf, auf denen Daten über Steuerhinterzieher erfasst sind, und wie man in Zukunft damit umgeht. Gerade in der letzten Sitzungswoche gab es wieder einen schönen Chor von Stimmen aus der Koalition. Der Kollege Siegfried Kauder, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, hat gefordert, dass es in Zukunft verboten sein soll, solche CDs anzukaufen. Der Kollege Ahrendt von der FDP hat ihm sofort beigepflichtet und gesagt, dass dies jetzt ganz dringend geregelt werden muss. Das kann man auch verstehen; denn beide kommen aus Baden-Württemberg, und Baden-Württemberg verweigert sich dem Ankauf. ({11}) Schließlich sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, der für diesen Rechtsbereich zuständig ist: Es kommt überhaupt nicht infrage; über so etwas denken wir nicht einmal nach. Das ist Ihre Art, mit Themen umzugehen: Hü, hott! Hü, hott! Man weiß nicht mehr, wo man steht. Ich kann Ihnen nur sagen: Nehmen Sie Ihre Aufgabe endlich entsprechend verantwortungsbewusst wahr, und hören Sie auf, die Probleme in Ihrer Dreierbeziehung öffentlich auszutragen. ({12}) Machen Sie endlich eine richtige, eine sachgerechte Politik. Vielen Dank. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Florian Toncar für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine interessante Debatte. Sie pendelt sich ein bisschen so ein: Die Sozialdemokraten werfen uns vor, dass es die Gesetze, die sie gemacht haben, immer noch gibt. ({0}) Das ist ein bisschen schizophren, aber wir haben uns daran gewöhnt. Herr Nešković bietet eine Mischung aus Rechtspolitik und Klassenkampf, und Herr Montag wiederum ist sachfremd in die Debatte eingestiegen, aber das mit Kubicki war in der Tat wenigstens unterhaltsam. Herr Montag, ich kann Ihnen aber sagen: Erstens ist Kubicki nicht hier, ({1}) und zweitens ist das kein Fall für die Justiz und insofern auch noch nicht Gegenstand der Beratung hier, solange er das nicht wahrmacht, was Sie vorgelesen haben. Warten wir es doch einfach ab; schauen wir mal. ({2}) Ich möchte nun etwas zum Haushalt sagen. Wir haben hier zwar nicht viele Veränderungen vorgenommen, aber doch die eine oder andere. Die Ministerin hat das Thema der Entschädigung von Opfern extremistischer Gewalt angesprochen. Es ist schon wieder kritisiert worden Herr Montag, Sie haben es gesagt -, dass hier die Axt angelegt wird, weil jetzt Opfer jeglicher extremistischer Gewalt begünstigt werden können. Ich finde, dass Sie damit dem Titel und dem Thema nicht gerecht werden, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Zunächst einmal muss man sagen, dass die Mittel dieses Titels um das Vierfache ansteigen, nämlich von 250 000 Euro auf 1 Million Euro. Auch die Voraussetzungen dafür, diese Mittel zu erhalten, werden verändert. Das ist im Sinne der Betroffenen. Es wurde also keine Axt angelegt, sondern die Mittel steigen ganz beträchtlich, nämlich um den Faktor vier. - Das ist das eine. Das andere ist: Es geht am Ende doch darum, dass ein Opfer einer Gewalttat, das keinen Schadensersatz bekommt, weil man zum Beispiel den Schädiger nicht kennt, weil er entschwunden ist oder weil er keinen Schadensersatz leisten kann, diesen Schadensersatz aus Billigkeitsgründen erhält. Es wird zuerst geschaut: Bekommt er für die Tat einen Ersatz von dem dafür Verantwortlichen? Deswegen kann man heute noch gar nicht sagen, wie viele Betroffene im Jahr 2010 aufgrund linksextremistischer und wie viele aufgrund rechtsextremistischer Straftaten Leid erfahren und keinen Ersatz bekommen haben. Sie können das nicht sagen, und ich kann das nicht sagen. Es ist völlig überflüssig, zu spekulieren, welche Opfergruppe mit einer höheren Zahl vertreten ist. Wir wollen etwas für die Opfer extremistischer Gewalt tun. Dafür nehmen wir sehr viel mehr Geld in die Hand. Das ist gut und sollte hier nicht kleingeredet werden. ({3}) Der zweite Impuls, den wir als Koalition im Haushalt setzen, betrifft die internationale Partnerschaft, die Rechtsberatung der Bundesrepublik Deutschland zum Thema „Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft im Ausland“. Das ist ein wichtiges Anliegen. Wir können, glaube ich, sagen, dass das deutsche Recht - egal ob Strafrecht, Strafprozessrecht, Verwaltungsrecht oder Zivilrecht - im Ausland auf großes Interesse stößt. Wir können sehr viel zur Verbesserung der Situation in Entwicklungs- und Schwellenländern beitragen. Wir sollten stolz darauf sein, anstatt unseren Rechtsstaat - so ist es in dieser Debatte teilweise auch wieder passiert schlechtzureden. Das ist an vielen Stellen völlig maßlos. Wir sollten stolz sein. Unser Recht ist international gefragt, und das bildet diese Koalition im Haushalt ab. ({4}) Ich möchte noch auf einige rechtspolitische Themen eingehen. Aus liberaler Sicht ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung zu begrüßen. Wir haben diese Entscheidung erwartet, da sie der Argumentation unserer Fraktion, die wir in der Vergangenheit auch von diesem Pult aus vorgetragen haben, entspricht. Ich denke, dass dieses Thema bei der Ministerin in guten Händen ist. Das hat sie in der Vergangenheit gezeigt. Sie hat auch ein weiteres Thema auf die Agenda gesetzt - das wird von unserer Fraktion maßgeblich unterstützt -, und zwar die Reform des Insolvenzrechts. In der jetzigen Krise müssen wir uns überlegen: Ist unser Insolvenzrecht geeignet, den Erhalt von Arbeitsplätzen zu sichern, oder führt es dazu, dass Betriebe kaputtgehen? Ich glaube, dass wir uns mit den Überlegungen zur Stärkung des Insolvenzplanverfahrens und zu mehr Eigenverwaltung auf einem guten Weg befinden. Denn gerade in der Krise müssen für den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen bessere Rahmenbedingungen gesetzt werden. Folgende Frage hat die Ministerin dankenswerterweise in einer Rede in Hamburg angesprochen: Wie können wir das Insolvenzrecht in den Bereichen reformieren, in denen es heute nicht mehr richtig greift? Das gilt insbesondere für die Bankenkrise und den Umgang mit den sogenannten systemrelevanten Banken. Ich denke, dass es einer der wichtigen Aspekte dieser Insolvenzrechtsreform ist, sich zu überlegen, wie man mit diesem Problem umgeht und wie man wieder dazu kommt - das ist in einer Marktwirtschaft nur billig und gerecht -, dass jemand, der Fehler gemacht hat, auch die unternehmerische Haftung - das geht bis zum Risiko der Insolvenz dafür übernehmen muss. ({5}) Da Sie die Große Koalition so gelobt haben und Vorschläge verlangen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die Große Koalition gerade in diesem Punkt sehr unterschiedlicher Meinung war. Es gab einen Vorstoß von Frau Zypries und Herrn Steinbrück sowie einen von Herrn zu Guttenberg. Es hat aber eben nicht geklappt. Wir werden dafür sorgen, dass wir das Thema gemeinsam lösen. Was das Ziel angeht, sind wir uns einig. ({6}) Insofern ist das ein gutes Beispiel dafür, dass diese Koalition bestens funktioniert, Frau Kollegin Lambrecht. ({7}) Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der im Koalitionsvertrag enthalten ist. Es geht dabei um ein sehr wichtiges Thema, das Staatshaftungsrecht. Es ist interessant, dass wir in einem Land leben, in dem fast alles umfassend gesetzlich geregelt ist. Aber die Frage, wann der Staat seinen Bürgern Ersatz schuldet, wenn diese einen Schaden erleiden, ist nur fragmentarisch geregelt, und die entsprechenden Regelungen sind über etliche Gesetze verteilt, bis hin zum Grundgesetz, das zur Anwendung gebracht werden muss, da es keine speziellen Gesetze gibt. Diese Frage ist seit Jahrzehnten offen geblieben. Ich finde, ein Rechtsstaat schuldet es seinen Bürgern, ihnen klare Regeln bzw. Ansprüche für den Fall zu geben, dass dieser Staat sie geschädigt hat und Ersatz leisten muss. ({8}) - Ja. Jedenfalls wird das kommen, Frau Kollegin. Sie sind sicher froh, dass es diese Koalition jetzt aufgreift.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, was auch kommt, ist das Ende Ihrer Redezeit. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das Problem sind die vielen Zwischenrufe, Frau Präsidentin. ({0}) - Wir greifen das auf. Insofern ist die Dürre in der Rechtspolitik der letzten elf Jahre endlich vorbei. Wir werden das Thema lösen. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt spricht der Kollege Stephan Mayer für die CDU/ CSU. ({0})

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich komme nicht umhin, auf den Beitrag des Kollegen Nešković einzugehen. Sehr geehrter Herr Kollege Nešković, ich mache das nicht deshalb, weil ich den Beitrag so exzellent fand, sondern weil ich es für außerordentlich bemerkenswert halte, dass Sie die Dreistigkeit besitzen, diesen Redebeitrag ausgerechnet am heutigen Tag zu halten, dem 20. Jahrestag der ersten freien und gleichen Wahl zur Volkskammer in der DDR. Sie haben dem Bundesaußenminister historische Unkenntnis vorgeworfen. ({0}) - Ahnungslosigkeit. Ich kann diesen Vorwurf an dieser Stelle nur an Sie zurückgeben. ({1}) Es geht hier nicht um Sie persönlich; aber Sie sitzen auf der Bank einer Fraktion, die Mitglieder hat, die der ehemaligen SED angehört haben, die teilweise sogar informelle Mitarbeiter der Stasi waren, die also mit dazu beigetragen haben, ein Unrechtsregime über 40 Jahre aufrechtzuerhalten, das den Forderungen, die Sie hier von sich gegeben haben, gerade nicht Genüge getan hat, nämlich Gleichheit und Freiheit zum Durchbruch zu verhelfen. ({2}) Ich habe mir zufälligerweise heute Vormittag die Mühe gemacht, das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen zu besuchen. Es ist schon bemerkenswert, was man erfährt, wenn man dort durch die Zellen und Trakte geht. Man begreift: In einem Zeitraum von 40 Jahren waren dort insgesamt 17 Millionen Menschen eingezäunt und hinter Mauern gefangen; Hunderttausende Menschen wurden in der DDR tagein, tagaus bespitzelt; mehrere Tausend Menschen wurden geknechtet und gefoltert. Sie stellen sich jetzt hier hin und halten ein großes Plädoyer für Gleichheit und Freiheit und werfen uns vor, dass die Bundesrepublik Deutschland diesen Ansprüchen nicht genügt. ({3}) Sehr geehrter Herr Kollege, das halte ich, mit Verlaub, für außerordentlich dreist und kühn. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Wawzyniak zulassen?

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Halina Wawzyniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004185, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass sich Michael Schumann bereits 1989 im Namen der Partei beim Volk der DDR entschuldigt hat ({0}) und dass wir einen Beschluss zur Offenlegung unserer politischen Biografien gefasst haben? Ich frage Sie: Gibt es einen solchen Beschluss auch bei der CDU, die bekanntlich Mitglieder der DDR-CDU in ihren Reihen hat?

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, mir ist bekannt, dass die Linkspartei die Nachfolgepartei der SED ist, dass die SED insgesamt dieses Unrechtsregime aufrechterhalten, unterstützt und gefördert hat, dass es in Ihren Reihen nach wie vor Ewiggestrige gibt, die beispielsweise die wunderbare Gedenkstätte in Hohenschönhausen bekämpfen, lächerlich machen, ({0}) dass die rot-rote Regierung in Berlin nach wie vor nicht die erforderlichen Mittel für den Erhalt der Gedenkstätte beiträgt. Meine sehr verehrte Kollegin, das sind Dinge, die mir bekannt sind. Ich glaube, es ist richtig, gerade am 20. Jahrestag der ersten gleichen und freien Wahl der Volkskammer der DDR darauf hinzuweisen. Herr Nešković, vor diesem Hintergrund habe ich Ihren Beitrag wirklich als deplatziert empfunden. Sie hätten hier über jedes Thema sprechen können, aber nicht über dieses. ({1}) Da kann man nur sagen: Si tacuisses, philosophus mansisses. Frau Bundesjustizministerin, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Thema Kindesmissbrauch so exponiert dargestellt haben und Ihren Dank dafür zum Ausdruck gebracht haben, dass die bayerischen katholischen Bischöfe heute auf ihrer Frühjahrskonferenz in Vierzehnheiligen in Oberfranken deutlich gemacht haben, dass sie anregen werden, die diesbezüglichen Leitlinien zu novellieren. Wir müssen klarmachen, dass es keinerlei Tabuisierung geben darf, dass es keinerlei Toleranz gegenüber diesen schrecklichen, unmenschlichen, bar2900 Stephan Mayer ({2}) barischen Missetaten geben darf. Es ist mit das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann, wenn man ihm das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nimmt, wenn er Opfer eines entsprechenden Delikts wird. Hier ist der Staat gefordert. Natürlich gibt es berechtigte Fragen der Bürgerinnen und Bürger, wie der Staat darauf reagiert. Ich glaube, es ist richtig, deutlich zu machen, dass die katholische Kirche hier ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Ich sage aber auch ganz offen: Kindesmissbrauch gibt es nicht nur im Bereich der katholischen Kirche. Es gab auch Kindesmissbrauch - vielleicht gibt es ihn immer noch - in evangelischen und weltlichen Einrichtungen. Wir sollten auch deutlich machen, dass sich der Großteil der Fälle von Kindesmissbrauch - leider Gottes ist die Dunkelziffer hier offenbar erschreckend hoch - im familiären Bereich ereignet. Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, es ist richtig, hier einen runden Tisch zu bilden; ich bin Ihnen für Ihre Initiative dankbar. Es ist gut, dass sich hier die drei betroffenen Ministerien zusammentun. Sehr geehrte Frau Kollegin Lambrecht, ich sage Ihnen ganz offen: Ich halte nichts davon, jetzt eine Untersuchungskommission des Bundestags zu etablieren, weil - ich hege diesen Verdacht einfach - Sie mit dieser Forderung unterstellen, die katholische Kirche und alle anderen Bildungsträger seien nicht in der Lage, diese Untaten aufzuklären. ({3}) Dieser Auffassung bin ich dezidiert nicht. Ich habe Vertrauen in die katholische Kirche. Ich möchte an der Stelle auch deutlich machen, dass der Großteil der katholischen Pfarrer, Priester und Kaplane seiner Arbeit, auch seiner Jugendarbeit, vollkommen seriös und verantwortungsvoll nachgeht. ({4}) Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass von interessierten Kreisen durchaus ganz bewusst nicht nur auf diese Untaten und Verfehlungen hingewiesen wird, sondern versucht wird, der Institution katholische Kirche nachhaltig zu schaden und sie nachhaltig zu erschüttern. ({5}) Es ist richtig, dass der Staat seinem Strafanspruch gerecht wird. Es ist auch richtig, dass wir uns als Parlament Gedanken darüber machen, wie wir auf diese erschreckenden Enthüllungen - für mich ist das immer noch nicht fassbar - reagieren. Wir sind gut beraten, glaube ich, uns hier kein Stoppschild zu verpassen, sondern uns wirklich offen und vorurteilsfrei über alle möglichen Vorschläge und Diskussionspunkte Gedanken zu machen. Dazu gehört natürlich, dass man sich Gedanken darüber macht, sowohl die zivilrechtlichen als auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen zu verlängern. Dazu gehört natürlich auch, sich Gedanken darüber zu machen, ob man Verbesserungen erreichen kann, was den Schadensersatz oder den Täter-Opfer-Ausgleich angeht. Meines Erachtens gibt es noch eine sehr berechtigte Forderung: Es wäre richtig, den Kindesmissbrauch vom Vergehen zum Verbrechen hochzustufen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, es gibt noch einen weiteren Wunsch, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen, und zwar des Kollegen Sharma. Möchten Sie das zulassen?

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich. Sehr gern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Raju Sharma (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004156, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass die Bundesjustizministerin zu einem runden Tisch in dieser Angelegenheit eingeladen hat und die runden Tische auch zusammengeführt werden sollen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht nur zu einem runden Tisch eingeladen hat, sondern darüber hinaus die katholische Kirche aufgefordert hat, sehr eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten?

Stephan Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe die gesamte Debatte sehr intensiv zur Kenntnis genommen und habe mich in dieser Debatte in den letzten Tagen und Wochen auch immer wieder persönlich zu Wort gemeldet. Es ist richtig, glaube ich, dass die katholische Kirche und insbesondere die katholischen Bischöfe in Bayern heute deutlich gemacht haben, dass sämtliche Verdachtsfälle zur Anzeige gebracht werden. Es ist eine herausragende Leistung der katholischen Bischöfe, dass sie heute beschlossen haben: Auch wenn offenkundig schon die Verjährung eingetreten ist, sollen sämtliche Verdachtsfälle offen, vorurteilsfrei und schonungslos zur Strafanzeige gebracht werden. Insoweit steht einer konstruktiven Kooperation zwischen der katholischen Kirche und dem Staat überhaupt nichts im Wege. Auch wir als Parlament sollten die Debatte in diesem Sinne und in diesem Geiste führen und nicht so, wie es meines Erachtens einige Kollegen ganz bewusst und auch interessiert tun, indem sie nämlich die katholische Kirche insgesamt herabwürdigen, indem sie auch nicht davor zurückschrecken, sogar den Heiligen Vater zu diskreditieren und zu beleidigen. Das, sehr geehrter Herr Kollege, halte ich für bodenlos, für unanständig und für vollkommen unangebracht. ({0}) Daran, dass ich zum einen den Bundesaußenminister verteidigt habe, zum anderen die hervorragende, konStephan Mayer ({1}) struktive und sehr einvernehmliche Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium insgesamt, aber insbesondere auch mit der Spitze des Bundesjustizministeriums lobe, kann man sehen, dass die bürgerlich-christliche Koalition auf einem guten Weg ist, dass wir insgesamt, aber gerade auch im Bereich der Justizpolitik sehr gedeihlich und sehr einvernehmlich zusammenarbeiten. In diesem Sinne steht einer erfolgreichen Justizpolitik in den nächsten dreieinhalb Jahren nichts im Wege. Herzlichen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Professor Dr. Sensburg. ({0})

Prof. Dr. Patrick Sensburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Vorredner, zumindest diejenigen, die zum Haushalt gesprochen haben, bereits ausgeführt haben, konnte der Titel Justiz nach den Haushaltsberatungen um rund 5 Millionen Euro auf knapp 490 Millionen Euro heruntergesetzt werden. Wir reden damit über einen Haushaltstitel, dessen Anteil am Gesamthaushalt bei 0,15 Prozent liegt. Wir debattieren heute über einen Haushaltstitel, der große rechtspolitische Auswirkungen hat und bei dem alle Möglichkeiten der Einsparung genutzt worden sind. Die Justizministerin hat es bereits deutlich gemacht. Lediglich zwei Aufstockungen verzeichnet dieser Haushalt; der Kollege Toncar ist darauf kurz eingegangen. Zum einen ist im Haushalt eine Aufstockung der Mittel für die Beratungshilfe für den Aufbau von Demokratie und Marktwirtschaft vorgenommen worden. Hier geht es vor allem um die jungen Demokratien Mittelund Osteuropas sowie die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die deutsche Rechtsordnung ist ein internationaler Standortfaktor der Bundesrepublik Deutschland, den wir zugleich über diese Maßnahme weiter in den Fokus rücken wollen. Dass wir das bereits machen, beweist die Bundesratsinitiative der nordrhein-westfälischen Justizministerin Müller-Piepenkötter. Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen beinhaltet den Vorschlag, Rechtsstreitigkeiten auch auf Englisch als Gerichtssprache zu ermöglichen. Das ist eine konstruktive, wettbewerbsorientierte Rechtspolitik. Ich danke der nordrhein-westfälischen Justizministerin, dass sie hier Akzente setzt. ({0}) Zum anderen wird es eine Aufstockung beim bisherigen Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt geben, und er wird auf Opfer extremistischer Gewalt insgesamt ausgeweitet. Herr Montag - ich schätze Sie sehr als sachkundigen Europarechtler -, ich halte es für fatal, eine Unterscheidung zwischen Opfern zu treffen. Wir dürfen nicht den einen Opfern eine Entschädigung gewähren und den anderen nicht. Wenn Sie sich den Haushaltstitel genau anschauen, stellen Sie fest, dass diese Aufstockung nicht zulasten der Opfer rechtsextremistischer Gewalt geht. Vielmehr werden auch die Opfer linksextremistischer Gewalt berücksichtigt. Herr Toncar hat eben sehr gut ausgeführt, dass es notwendig ist, zwischen den Opfern nicht zu unterscheiden. Es darf keine Unterscheidung geben. ({1}) Die Zahlen sprechen für sich. So ist beispielsweise in Niedersachsen die Anzahl linksextremistischer Straftaten im Jahre 2009 um 15 Prozent gestiegen, genauso wie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Das werden wir spätestens im Mai bei der Vorstellung der PKS, der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik, sehen. Verfassungsschutzpräsident Fromm äußerte sich am vergangenen Montag in der Welt, bezogen auf die Gewalt von links, wie folgt: Dass die Militanz deutlich zugenommen hat, muss ich leider bestätigen. Auch die Zahl der gewaltbereiten Personen hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich erhöht. Gewalt auf der Straße und verdeckt geplante Anschläge nehmen zu … Auch der Angriff auf eine Polizeiwache im Dezember in Hamburg spricht für ein verändertes Niveau. Ein Rechtsstaat darf die Augen vor keiner Gewalt verschließen und muss sich gegen Extremismus von links wie von rechts wenden. ({2}) Mir scheint, dass gerade die Vertreter der Fraktion Die Linke immer wieder eine Verharmlosung linker Gewalt betreiben. Dazu kann ich nur sagen: Der Staat muss sich gegen jede Art von Extremismus richten. ({3}) - Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt dazwischenrufen, Frau Kollegin. Ich zitiere aus der Internetseite der Linken: „Es gibt keine linksextremistische Gefahr in Deutschland.“ In einer Pressemitteilung der Linken vom 19. Januar 2010 ist im Zusammenhang mit anwachsender linker Gewalt von einem Phantom die Rede. Ich frage mich daher, ob Sie auf einem Auge blind sind, ob es sich um reinen Populismus handelt oder ob Sie Klassenkampf führen wollen. ({4}) Die Aufgabe der Justiz muss es sein, klar für den Schutz unserer Vollstreckungsbeamten und insbesondere der Polizistinnen und Polizisten einzutreten. Sie sind immer wieder gewaltsamen Angriffen ausgesetzt. Die Angriffe steigern sich. Erschreckend ist hierbei, dass die Hemmschwelle sinkt und die Intensität der Taten zunimmt. Ich möchte die Relevanz an den Zahlen aus Nordrhein-Westfalen verdeutlichen. Alle 90 Minuten gibt es dort einen Übergriff auf Polizeibeamte. ({5}) Die Dunkelziffer ist - so die Deutsche Polizeigewerkschaft - weitaus höher. Die christlich-liberale Koalition steht an der Seite der Polizistinnen und Polizisten in unserem Land. Wir werden deshalb ihren strafrechtlichen Schutz im Strafgesetzbuch da, wo es nötig ist, verbessern. ({6}) Ich möchte denen, die dazwischenrufen, sagen: Gewalttaten gegen Polizeibeamte sind kein Kavaliersdelikt. ({7}) Jeder Polizist und jede Polizistin ist auch Familienvater bzw. Familienmutter. Der Staat muss den Schutz dieser Personen gewährleisten. Dafür müssen wir uns einsetzen. ({8}) Ich möchte noch zu einem weiteren Thema kommen, zum Europarecht. Durch den fortschreitenden europäischen Integrationsprozess kommen immer mehr Aufgaben auch auf das Bundesministerium der Justiz zu. Dies lässt sich - die Justizministerin hat es angesprochen zum Beispiel am Europäischen Geldsanktionsgesetz erkennen. Wenn mehr Aufgaben, insbesondere beim Bundesamt für Justiz, auf den Bereich des Titels 7 zukommen, dann müssen wir den Personalansatz erhöhen. Es war richtig, ihn um 99 Stellen zu erhöhen. In anderen Bereichen wurden Stellen gespart, und damit wurde der Haushalt ausgeglichen. Dieses Beispiel einer umzusetzenden Richtlinie zeigt, dass der Vertrag von Lissabon den nationalen Parlamenten mehr Rechte einräumt und sie stärkt. Gemeinsam mit den Kollegen des Europaausschusses und des Unterausschusses Europarecht des Rechtsausschusses arbeiten wir daran, die Subsidiaritätsprüfung ganz konkret vorzubereiten. Sie wissen, dass wir nur einen engen Zeitrahmen von acht Wochen haben, in dem wir die europäischen Vorhaben genauer unter die Lupe nehmen können. Parteiübergreifend möchte ich deutlich sagen: Der Bundestag sollte die durch den Vertrag von Lissabon eingeräumten Rechte selbstbewusst und intensiv nutzen. Wir werden das in der nächsten Zeit tun. Ich danke Ihnen. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Sensburg, das war Ihre erste Rede hier im Haus. Dazu gratulieren wir Ihnen alle sehr herzlich und wünschen Ihnen alles Gute für die Arbeit. ({0}) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1035? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Zugestimmt hat die einbringende Fraktion, alle übrigen Fraktionen haben den Antrag abgelehnt. Wer stimmt für den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen angenommen; dagegen haben die Oppositionsfraktionen gestimmt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I.16 auf: Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Drucksachen 17/616, 17/623 Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Mattfeldt Florian Toncar Sven-Christian Kindler Es fällt auf, dass die Berichterstatter für diesen Einzelplan nur Kollegen sind. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden wir morgen nach der Schlussabstimmung befinden. Zwischen den Fraktionen ist verabredet, dass hier eineinhalb Stunden lang debattiert wird. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Schwanitz für die SPD-Fraktion. ({1})

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Traditionell beginnt man eine Debatte zu einem Einzelplan in der zweiten bzw. dritten Lesung mit dem Dank für faire Berichterstattung und für gute Information durch das Haus. Ich kann und will heute nur für die faire Berichterstattung danken. Das hat Gründe: Nach meinem Dafürhalten hat es, bezogen auf das Ministerium, Frau Ministerin Schröder, massive Defizite im Hinblick auf die gewährten Informationen gegeben. Da die Defizite so erheblich sind, will ich sie hier ansprechen: Das erste Beispiel betrifft die Ausgabereste bei den Titeln. Wenn ich es richtig sehe, ist Ihr Ministerium das einzige gewesen, das uns bei den Haushaltsberatungen nicht die nötigen Informationen über Ausgabereste bei den einzelnen Titeln gegeben hat. Das ist deswegen beRolf Schwanitz sonders schmerzlich, weil in der Bereinigungssitzung durch die Kollegen aus der Koalition vier Änderungsanträge gestellt worden sind, die mit dem Hinweis auf vorhandene Ausgabereste begründet wurden. Daraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass entweder die Begründungen für diese Anträge falsch sind - das wäre Ihnen gegenüber aus Sicht der Koalition nicht fair - oder dass die Kollegen aus der Koalition über Informationen verfügen, über die die anderen Berichterstatter nicht verfügen. ({0}) Das wäre eine Informationspolitik nach Gutsherrenart, nach Parteibuch, nach Fraktionszugehörigkeit, die nicht zu akzeptieren ist. Das müsste abgestellt werden. ({1}) Das zweite Beispiel betrifft eine mir gestern zur Kenntnis gelangte Vereinbarung bezogen auf den Zivildienst, genauer gesagt: auf die Jugendfreiwilligendienste im Ausland. Aus dieser Vereinbarung, die zwischen Vertretern der Träger der Jugendfreiwilligendienste im Ausland und Herrn Staatssekretär Hecken getroffen worden ist, geht hervor, dass diese Träger künftig, offensichtlich in 2010, 1 Million Euro zusätzliche Zuschüsse erhalten sollen. Ich spreche das deshalb an, weil die Frage, welche haushaltsseitigen Auffang-, Übergangs- und Zuwendungsregelungen man schon in 2010 wegen der Verkürzung der Zivildienstdauer braucht, in den Ausschussberatungen und in den Berichterstattergesprächen bisher immer unbeantwortet geblieben ist. Ich will den letzten Punkt dieser Vereinbarung zitieren: Beide Seiten - damit auch das BMFSFJ - betonen, dass die Abfederungen, um die es hier geht - 1 Million Euro -, von vornherein als notwendig erachtet werden. Es stellt sich hier die Frage: Wie kann eine solche Einschätzung in diese Vereinbarung hineinkommen, wenn man gegenüber den Berichterstattern die Auffassung vertritt, es bedürfe einer solchen Veränderung nicht? Auch hier sage ich: Es darf keine selektiven Informationen geben; eine Informationspolitik nach Gutsherrenart muss aufhören. ({2}) Frau Ministerin, nach der gestrigen Ankündigung bezogen auf die Verkürzung der Zivildienstdauer haben wir nach meiner Einschätzung eine völlig neue Lage. ({3}) Es gibt eine Ankündigung des Verteidigungsministers, die schon gestern bei der Beratung des Etats des Verteidigungsministeriums eine Rolle gespielt hat: Mittlerweile scheint klar zu sein, dass es die Verkürzung der Wehrdienstzeit nicht erst zum 1. Januar 2011, sondern bereits in 2010 geben wird. Die Verkürzung der Zivildienstdauer soll offenkundig sogar noch früher gelten. Ich will festhalten: Die Koalition hat in der Bereinigungssitzung eine globale Minderausgabe in Höhe von 14,2 Millionen Euro im Bereich des Bundesamts für Zivildienst beschlossen. Sie hat darüber hinaus einen Kürzungsvorschlag beim Sold gemacht - aber mit einer völlig anderen Begründung. Frau Ministerin, Sie haben in der ersten Haushaltsdebatte - das war vor fünf Sitzungswochen - der staunenden Öffentlichkeit zum ersten Mal gesagt: Diese Verkürzung wird zum 1. Januar 2011 kommen. - Das war Ihre Ankündigung. Auf alle von Kollegen und auch von mir gestellten Fragen, welche Auswirkungen diese Verkürzung 2010 hätte, hat Ihr Haus geantwortet: keine. Das war die Ansage im Berichterstattergespräch. Das war auch die Ansage in der Bereinigungssitzung. Jetzt kommt quasi einen Tag vor Abschluss dieser Beratungen die Information: Es ist alles anders. Die Verkürzung findet schon in 2010 statt. - Damit ist das, was wir hier im Kapitel „Bundesamt für den Zivildienst“ angesetzt haben, eigentlich Makulatur. ({4}) Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist ein gravierender Vorgang. So kann man miteinander nicht umgehen. Sie können weder bezogen auf die Fachpolitiker, die natürlich berechtigterweise fragen, wie das nun gehen soll, noch bezogen auf die Haushaltspolitiker erst bestimmte Informationen streuen, dann aber einen Tag vorher mit einer ganz anderen Information kommen. Das verändert die Situation grundlegend. Ich habe die Bitte, dass Sie sich zu diesem Vorgang hier erklären, ({5}) und zwar nicht nur fachlich-inhaltlich. Ich betrachte das wirklich als eine schwere Belastung. Es war immer Geschäftsgrundlage zwischen den Haushältern und der jeweiligen Ministeriumsführung gewesen, dass jeder Haushälter, jede Fraktion den gleichen Zugang zu Informationen zur Beratung des Haushalts bekommt. Ich habe die Bitte, dass Sie das hier klarstellen und sich dazu positionieren. ({6}) Wir definieren jetzt natürlich, was hier passieren soll. Im Bereich Zivildienst wurden in der Bereinigungssitzung insgesamt 18 Millionen Euro eingespart, während für die Freiwilligendienste 1 Million Euro draufgesattelt wird. Das ist eine interessante Relation. Ich bitte Sie, auch das einmal zu kommentieren. Die Sozialdemokraten und auch andere Fraktionen haben immer gesagt: Wenn es zu einer solchen Verkürzung kommt, dann muss dies mit einem signifikanten Aufwuchs bei den Freiwilligendiensten einhergehen. ({7}) Was jetzt hier passiert, ist, dass 94 Prozent der beim Zivildienst eingesparten Gelder verschwinden. ({8}) Wenn die gleiche Relation bei der Operation in 2011 angelegt wird, kann ich nur sagen: Gute Reise! Nachdem ich dargestellt habe, was uns ärgert, möchte ich noch eine Bemerkung zu dem Thema „Evaluation familienpolitischer Leistungen“ machen. Ich habe einmal bei Google die Wortgruppe „Evaluation familienpolitischer Leistungen“ eingegeben. Man erhält 217 000 Treffer, übrigens ohne Pressemeldungen, sondern rein informative Einträge auf Homepages im Internet. Da finden sich zum Beispiel Stellungnahmen des DIW zum Familiensplitting und zum Elterngeld, des Ifo-Instituts zum Familienleistungsausgleich, des IAB zu Familienpolitik und Beschäftigung sowie viele Stellungnahmen zur Finanzierung familienpolitischer Leistungen. Ihre Vorgängerin hat ein Kompetenzzentrum für familienpolitische Leistungen eingerichtet. Wichtige und honorige Professoren evaluieren dort unterstützend und begleitend, was Sie in diesem Bereich tun. Ich frage mich: Was soll eigentlich im Rahmen dieser neuen Evaluation geschehen; was soll da gemacht werden? ({9}) Wir haben diese Frage gestellt. Ihr Staatssekretär hat auch geantwortet. Inhaltlich erschließt sich mir das trotz der Antwort nicht. Was wollen Sie tun? Sie wollen jetzt 5,1 Millionen Euro für diese Evaluation aus dem Titel für Familien, Gleichstellung und Ältere zur Verfügung stellen. Die Kosten für diese neue Evaluation machen 28 Prozent des gesamten Titels aus. Da das Ganze gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium finanziert wird und bis 2013 gehen soll, wird diese Evaluation am Ende 16,6 Millionen Euro gekostet haben. Das wird eine Monsterevaluation von familienpolitischen Leistungen, nachdem hier schon jahrelang evaluiert worden ist. Für 16 Millionen Euro können Sie locker eine kleine Uni kaufen. Ich sage Ihnen: Was Sie dort tun wollen, werden wir uns im Haushaltsausschuss gemeinsam gründlichst anschauen; ({10}) denn es handelt sich um einen großen Batzen Geld, der nicht in eine bisher jedenfalls inhaltlich nicht untersetzte Aktivität münden soll. ({11}) Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren - meine Nachredner werden sicherlich auch noch darauf eingehen -: Das, was Sie im Bereich Rechtsextremismus tun, ist völlig unzureichend. Wir haben das kritisiert. ({12}) Ich versteife mich jetzt nicht darauf, dass Sie im Koalitionsvertrag wie eine Monstranz vor sich hertragen, dass künftig auch gegen Islamismus und Linksextremismus Projekte ins Leben gerufen werden sollen. Herr Staatssekretär Kues, habe ich gelesen, hat auf die Frage, was das inhaltlich heißen soll, geantwortet, bis zum zweiten Quartal wolle man dafür Ideen sammeln. Wir werden also sehen. Aber dass Sie im Gegensatz zu dem Etat der Bundesjustizministerin, die die Mittel dafür aufgestockt hat, den Plafond so gelassen haben, wie er ist, und dafür 2 Millionen Euro aus nicht verausgabten Mitteln für den Kinder- und Jugendplan nehmen, ist eine klare Drohung für die Zukunft.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Rolf Schwanitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002123, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Denn damit ist die Mittelkürzung vorprogrammiert. Da werden wir dranbleiben. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst, Frau Präsidentin: Auch Männer verstehen etwas von Familienpolitik. Ich denke, deshalb dürfen auch Männer heute zu diesem Thema sprechen. ({0}) Herr Schwanitz, Ihre Kritik an der Ministerin ist absolut nicht gerechtfertigt. Sie haben mehrfach die Möglichkeit gehabt, Fragen an die Ministerin zu stellen. ({1}) Ich habe von Ihnen im Ausschuss nicht viele gehört. Die Ministerin und der Staatssekretär haben alle Fragen der Berichterstatter und der Mitglieder des Haushaltsausschusses beantwortet. ({2}) Frau Ministerin, ich darf Ihnen Dank aussprechen für die gute Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss und insbesondere mit den Berichterstattern. Der Haushalt des Familienministeriums weist für das Jahr 2010 6,543 Milliarden Euro aus und zeigt damit eine absolute Kontinuität zu den vergangenen Jahren. In zahlreichen Ausschussberatungen haben wir in den vergangenen Wochen die einzelnen Posten des Entwurfes beraten und zum Teil hart, aber sachlich gestritten. In meiner letzten Rede zum Regierungsentwurf habe ich gesagt, dass wir sparen müssen, um unsere Kinder vor allzu großen Schulden zu bewahren. Ich habe aber auch gesagt, dass wir mit Verstand und vor allen Dingen an der richtigen Stelle sparen müssen, damit die Familien von uns die Unterstützung bekommen, die sie wirklich brauchen. Gerade deshalb, Herr Schwanitz, ist Evaluation so wichtig; denn so bekommen wir die Wirksamkeit unserer familienpolitischen Maßnahmen deutlich vor Augen geführt. ({3}) - Dem geht es leider schlecht, Frau Kollegin. Wenn wir über das Familienressort sprechen, sollten wir uns ein Beispiel an unseren Kindern nehmen. Bei meinen beiden Kindern sehe ich täglich, ({4}) wie sie ihr begrenztes Taschengeld zur Verwirklichung ihrer Wünsche einsetzen. Wenn am Monatsende kein Geld mehr da ist, müssen sie eben auf CDs, Süßigkeiten und die beliebte Jugendzeitschrift verzichten. Das haben sie sehr schnell gelernt; sie wissen mit ihrem Geld gut zu haushalten. Vor allen Dingen haben sie gelernt, ihr knappes Budget nicht für unnütze Dinge auszugeben. ({5}) Daran sollten und müssen wir uns ein Beispiel nehmen. Wir können den Bundeshaushalt nicht immer weiter ausufern lassen und neue Schulden machen, um Dinge zu finanzieren, von denen wir von vornherein wissen, dass wir sie uns nicht leisten können. ({6}) Dies gilt für alle Einzelpläne in diesem Haus, auch für den Einzelplan 17, den Haushalt des Familienministeriums. Nach den letzten, zugegebenermaßen äußerst anstrengenden Wochen der Haushaltsberatungen kann ich sagen: Der Spagat zwischen Begehrlichkeiten und Sparsamkeit ist uns Haushältern gemeinsam mit den Fachpolitikern und dem Ministerium gelungen. In einem gemeinsamen Kraftakt haben wir es geschafft, unseren Beitrag zur Konsolidierung des Haushaltes zu leisten. Darüber hinaus haben wir es geschafft, die Projekte, die in der Wirksamkeit für unser Land bedeutend sind, mit zusätzlichen Mitteln auszustatten. Mir ganz persönlich liegt am Herzen, zu erwähnen, dass es uns gelungen ist, die Nettokreditaufnahme um 5,6 Milliarden Euro auf immer noch 80,2 Milliarden Euro abzusenken. Ich sage ganz ehrlich: Mir ist es nicht leicht gefallen, meine Zustimmung zu dieser hohen Neuverschuldung zu geben. ({7}) Aber vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise führt - das sollten auch Sie begriffen haben - leider kein Weg daran vorbei. Das bedeutet aber auch, dass jeder Einzelne von uns die Verantwortung trägt, die Neuverschuldung nicht weiter ausufern zu lassen. Wir dürfen die aktuelle Krise nicht als Ausrede benutzen, alle Ausgabenwünsche, die an uns herangetragen werden, zu erfüllen. ({8}) Deswegen ist jedes Ministerium gefordert, seinen Beitrag zu leisten und auch das eine oder andere Mal Nein zu der einen oder anderen Begehrlichkeit zu sagen. ({9}) Auch das gehört zur Politik. Herr Bockhahn, ich habe Ihre Ausgabenwünsche gesehen. Sie sind ausufernd. Das darf ich Ihnen sagen. Wenn ich mir die Anträge, die die Linke in die Beratungen eingebracht hat, anschaue, dann kommen mir Zweifel, ob so Oppositionsarbeit aussieht. Während sich alle anderen Oppositionsparteien mehr oder weniger um Vorschläge für eine Gegenfinanzierung bemüht haben, ({10}) fehlt das bei Ihnen völlig, Herr Bockhahn. ({11}) Herr Bockhahn, Sie haben Anträge eingebracht, in denen doch tatsächlich gefordert wird, den Familienetat um 9,8 Milliarden Euro aufzustocken. ({12}) Das ist erheblich mehr als die 6,5 Milliarden Euro, über die wir jetzt diskutieren. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: So funktioniert Oppositionsarbeit nicht; so werden Sie nicht ernst genommen, nicht im Parlament und schon gar nicht von den Bürgerinnen und Bürgern. ({13}) Im Bereich des Familienetats ist es uns trotz eines hohen Anteils gesetzlich festgelegter Leistungen gelungen, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Wir haben es immerhin durch Einsparungen bei den unterschiedlichen Haushaltstiteln geschafft, ein Einsparvolumen von 17 Millionen Euro zu erbringen. Eigentlich wollten wir sogar 22 Millionen Euro einsparen. Allerdings haben wir in der Union es für sinnvoll gehalten, die Mittel für die Bundesstiftung „Mutter und Kind“ um 5 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf anzuheben. ({14}) Der Regierungsentwurf sah in diesem Bereich für 2010 92 Millionen Euro vor. Weil wir in der Union von der Wirksamkeit der Arbeit, die die Stiftung leistet, überzeugt sind, sind wir der Auffassung, dass diese Stiftung wie 2009 auch in diesem Jahr 97 Millionen Euro erhalten soll. Die Bundesstiftung hilft schwangeren Frauen in Notlagen ganz unbürokratisch. Sie unterstützt sie finanziell. Das Ziel der Stiftung ist es, das ungeborene Leben zu schützen und die Bedingungen für die Schwangere zu verbessern. Sie erleichtert unter ganz schwierigen Voraussetzungen nicht nur den Start in die Elternschaft, sondern trägt auch zur Armutsprävention bei. Außerdem leistet sie im System der Frühen Hilfen einen wertvollen Beitrag und kann so helfen, Kinder zu schützen. Deshalb haben wir diese 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. ({15}) Weiterhin unterstützen müssen wir die alleinerziehenden Frauen und Männer. Sie stehen mehr als andere vor dem Problem, Familie und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen. Auch deshalb gelingt es leider einem hohen Anteil Alleinerziehender nicht, sich aus der SGB-II-Bedürftigkeit zu befreien. Es ist unsere Pflicht, gemeinsam mit den Unternehmen die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass auch Alleinerziehende mit kleinen Kindern einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Stärkung von Erwerbsarbeit ist die beste Armutsprävention. ({16}) Deshalb ist es weiterhin von großer Bedeutung, dass wir unsere Kraftanstrengung fortführen und gemeinsam mit den Ländern und vor allem den Kommunen eine verlässliche und qualitativ gute Kinderbetreuung für alle Altersgruppen weiterentwickeln. ({17}) Wir müssen außerdem für flexible Arbeitszeitregelungen werben, damit es diesen Müttern und Vätern möglich ist, arbeiten zu gehen. Auf diese Weise können wir sie in den ersten Arbeitsmarkt zurückholen. ({18}) Wir können es uns allein aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht leisten, auf einen arbeitsfähigen Bürger und eine arbeitsfähige Bürgerin zu verzichten. Mein Fazit ist: Wenn es uns gelingt, die Rahmenbedingungen für alleinerziehende Mütter und Väter weiter zu verbessern und die Kinderbetreuung noch weiter auszubauen, dann wird das für die Sozialsysteme und vor allen Dingen auch für die Konsolidierung des Bundeshaushalts von enormem Nutzen sein. Übrigens gilt das auch für die kommunalen Haushalte. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Ausblick auf den nächsten Haushalt wagen. Für 2011 stehen wir vor der großen Herausforderung, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten. Das wird natürlich auch am Etat des Familienministeriums nicht spurlos vorbeigehen. Bei allen Ambitionen, die wir beim Sparen haben, müssen wir aber genau hinsehen, wo wir sparen. Durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verkürzung des Wehrdienstes und damit auch der Dauer des Zivildienstes werden in unserem Einzelplan - die Experten streiten sich noch - zwischen 150 und 200 Millionen Euro frei. Ich sage aber hier ganz deutlich: Ich halte es für äußerst gefährlich, Herr Schwanitz, dieses Geld ausschließlich zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes zu verwenden. ({19}) Ich werde mich dafür stark machen, dass diese Mittel zur Finanzierung von Anschlusslösungen sowie für die Stärkung der Freiwilligendienste eingesetzt werden. Wir müssen und werden den Zivildienstleistenden, die nicht direkt im Anschluss an ihren sechsmonatigen Zivildienst eine Lehrstelle oder einen Studienplatz bekommen, Möglichkeiten bieten, die biografische Lücke zu schließen. ({20}) Außerdem müssen wir die Lücke, die durch die Verkürzung der Zivildienstzeit entsteht, durch verstärkte Nutzung der Freiwilligendienste füllen. Die jungen Erwachsenen wollen ihren Beitrag für unseren Staat leisten. Damit sie dies können, sind wir alle hier gefordert, sie darin zu unterstützen, sich mit gesellschaftlichem Engagement für die Allgemeinheit einzusetzen. Von dem Engagement dieser jungen Menschen habe ich mich zusammen mit Herrn Dr. Kreuter, unserem Zivildienstbeauftragten, erst vor kurzem in einer Zivildienstschule überzeugen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sprechen in diesen Tagen viel vom Sparen. Andererseits wird gerade an uns Haushältern von allen Seiten eine Reihe von Begehrlichkeiten herangetragen. Ich sage es ganz deutlich: Wir alle in diesem Hause sind gefordert, nicht nur die Haushälter, sich zukünftig in einer gemeinsamen Kraftanstrengung darüber Gedanken zu machen, an der richtigen Stelle zu sparen. ({21}) Wir alle sollten und müssen unseren Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten. Lassen Sie uns gemeinsam diese Aufgabe bewältigen, damit auch kommende Generationen in unserem Land eine lebenswerte Zukunft haben. Vielen Dank. ({22})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke spricht Steffen Bockhahn. ({0})

Steffen Bockhahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004014, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schwanitz hat es angesprochen: Es gab durchaus Defizite bei den Berichten. Kollege Mattfeldt hat völlig zu Recht festgestellt, dass alle Anfragen beantwortet sind. Aber ich muss feststellen, dass die Antworten, die uns schriftlich überreicht wurden, offensichtlich nicht unbedingt mit dem Stand von heute übereinstimmen - und das ist ein Problem. ({0}) Wir haben in Deutschland leider auch heute noch die Wehrpflicht, also den Zwang für junge Männer, den Umgang mit Waffen, das Zerstören und Töten zu lernen. Aber zum Glück gibt es wenigstens einen Wehrersatzdienst, um stattdessen zu helfen, zu unterstützen und Gutes zu tun. Aber auch der Wehrersatzdienst ist ein Zwangsdienst. Herr Kollege Mattfeldt, ich kann mich noch sehr genau an meine Zeit in der Zivildienstschule in Barth/Pruchten - ohne den Zivildienstbeauftragten erinnern. Ich darf Ihnen sagen: Die wenigsten meiner Kolleginnen und Kollegen hatten das Gefühl, in erster Linie etwas für Deutschland zu tun. Die meisten haben gesagt: Ich muss meinen Zivildienst abreißen. ({1}) - „Ich muss meinen Zivildienst abreißen“ haben die meisten gesagt, weil es ein Zwangsdienst ist. - Dieser Zwangsdienst sollte abgeschafft werden. ({2}) Das ist aber gar nicht so einfach; denn wir haben es uns in unserer Gesellschaft mit den fleißigen und überaus preiswerten jungen Männern, die im Zivildienst tätig werden, bequem gemacht. Sie arbeiten in Kindergärten, in Alten- und Pflegeheimen, in Krankenhäusern und vielen anderen Einrichtungen. Dort leisten sie gesellschaftlich zwingend notwendige Arbeit. Wenn man sich von einem solchen System verabschieden will - die Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate kann nur als Einstieg in den Ausstieg vom Zivildienst betrachtet werden -, dann muss man dies rechtzeitig vorbereiten. Vor allen Dingen muss man anständige Alternativen schaffen. Genau das aber versäumt die Bundesregierung. Wenn man diese Verkürzung durchführt, muss man sich über Folgendes im Klaren sein. Es ist inzwischen offenkundig, dass die meisten Träger des Zivildienstes sagen: Mit sechs Monaten können wir nichts anfangen. Die Zeit, die die Zivildienstleistenden bei uns in den Einrichtungen sind, ist viel zu kurz. - In der Folge werden die Zivildienststellen abgebaut, aber die Aufgaben, die die Zivis erledigt haben, bleiben meistens liegen. Das ist zum Nachteil aller in Deutschland. Wenn man wenigstens die Freiwilligendienste erheblich ausbauen würde - wofür man Zeit bräuchte -, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. ({3}) Man könnte die Hoffnung haben, dass das passiert. Jedoch sollen mehr als 150 Millionen Euro beim Zivildienst eingespart werden; bei den Freiwilligendiensten kommt nur 1 Million Euro hinzu. Das Verhältnis stimmt nicht. - Ich habe noch eine tolle Idee der FDP kennengelernt: Wer Freiwilligendienst leistet, soll einen besseren Zugang zum Studium erhalten. Ich kenne das aus Gesprächen mit Menschen, die in der DDR bei der NVA waren. 18 Monate waren Pflicht, wer scheinbar freiwillig 36 Monate machte, hatte bessere Studienmöglichkeiten. Das kann doch nicht das Ziel der FDP sein. ({4}) Ich schlage Ihnen stattdessen vor: Machen Sie sich Gedanken über eine Alternative zum Zivildienst! Machen Sie sich Gedanken über einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor! Bezahlen Sie Arbeit statt Arbeitslosigkeit und finanzieren Sie so gesellschaftlich notwendige Arbeit. Nehmen Sie Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel; dort gab es das. Schauen Sie sich Berlin an; dort gibt es das. Das sind sehr gute Beispiele, die Ihnen allen helfen sollten, dieses Prinzip zu verstehen und einzusehen, dass Sie damit etwas für die gesamte Gesellschaft tun. ({5}) Ich füge hinzu: Wir sind völlig schmerzfrei, wenn Sie das als Ihr Programm ausgeben. Wir werden den Menschen zwar sagen, dass es nicht Ihr Programm ist, aber wir werden Sie dabei unterstützen, es einzuführen. Ich komme zu einem anderen Thema. Frau Gruß, bevor Sie sich wieder aufregen: Herr Toncar sitzt neben Ihnen. Er kann Ihnen das erklären. Im Einzelplan 17 des Bundeshaushaltes finden sich Extremismusprogramme wieder. Deshalb ist es richtig, wenn ich darüber spreche. ({6}) Die Bundesregierung hat - das ist heute mehrfach deutlich geworden - in allen Bereichen festgestellt, dass es keine Notwendigkeit gibt, eigenständige Programme gegen Rechtsextremismus zu führen. Es müssen immer Programme gegen Extremismus sein. Das offenbart einen großen Mangel an Problembewusstsein. Ich möchte Ihnen ein gravierendes Beispiel nennen. In LimbachOberfrohna in Sachsen gibt es ein erhebliches Problem mit rechtsextremistischen Gewalt- und Straftaten. Allein im letzten Jahr - die Zahl stammt vom Verfassungsschutz Sachsen, nicht von mir - gab es 37 eindeutig rechtsextreme Straftaten, keine einzige der Linken. ({7}) In Limbach-Oberfrohna gibt es ein Bündnis, das sich für Demokratie und Toleranz einsetzen möchte. Der CDULandtagsabgeordnete Hippold lädt zu diesem Bündnis das NPD-Mitglied des örtlichen Stadtrates ein, das mitgestalten soll, wie dieses Bündnis arbeiten möge. ({8}) Auf jede Kritik, auch der Kirchen, dass das doch wohl nicht sein könne, kommt die Reaktion, die NPD sei eine demokratisch legitimierte Partei, man dürfe sie nicht rausschmeißen, sondern müsse das mit ihnen zusammen regeln. Das ist fehlendes Unrechtsbewusstsein. ({9}) Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. ({10}) Verstehen Sie das endlich! Der Rechtsextremismus ist ein großes Problem. Frau Bär, wenn Sie meinen, Programme gegen Rechtsextremismus sei „Saufen gegen rechts“, dann glaube ich, dass Sie zu oft in Bayern unterwegs waren. ({11}) Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir haben ein Problem, das Sie offensichtlich unterschätzen. Der Rechtsextremismus in Deutschland ist eine Gefahr für die Demokratie und eine Gefahr für die Verfassung. Das sagen nicht nur Linke, das sagen auch der Präsident des Bundesverfassungsschutzes und viele andere. Reden Sie einmal mit Opfern rechtsextremer Gewalt, dann werden Sie begreifen, dass das, was Sie hier tun, eine Verharmlosung ist. ({12}) Wenn Sie sich anschauen, was in Dresden passiert ist und was am Wochenende wieder in Lübeck bevorsteht, dann werden Sie begreifen, warum der Kampf gegen Rechtsextremismus viel wichtiger ist als alles andere, was Sie in Sonntagsreden immer wieder einfordern. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat Florian Toncar das Wort. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bockhahn, wenn man Sie hört und vor allem auch sieht, dann muss man sagen: Das ist nicht nur eine Verunglimpfung von parlamentarischen Parteien, sondern auch eine ziemlich schamlose Instrumentalisierung des Extremismusproblems, was Sie hier betreiben. ({0}) Ich fordere Sie auf, dieses Thema in Zukunft vielleicht etwas sachlicher zu diskutieren. ({1}) Frau Präsidentin, was machen wir denn jetzt?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich nehme an, dass Sie jetzt erst einmal Ihre Rede halten. Wenn jemand eine Zwischenfrage stellen will, dann wird er die stellen. Wir werden im Protokoll nachschauen, was hier gesagt worden ist, weil wir nicht alles genau verstanden haben.

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gut, Frau Präsidentin. Die Familienpolitik der Bundesregierung ist ein Politikbereich, dem große Priorität beigemessen wird. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Erhöhung des Kindergeldes eine der Kernforderungen und eine der Kernmaßnahmen unseres Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gewesen ist, dass es mehr als die Hälfte des Entlastungsvolumens des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ausmacht und die Bundesregierung damit von Anfang an klargemacht hat, dass ihr die materielle Versorgung von Familien mit Kindern ein wichtiges Anliegen ist. ({0}) Die Kindergelderhöhung hat direkten Einfluss auf die Höhe des Kindesunterhalts. Das kann man in der Düsseldorfer Tabelle nachsehen. Die Sätze sind umgehend gestiegen. Das wirkt sich auch in unserem Bundeshaushalt aus, und zwar im Bereich der gesetzlichen Pflichtleistungen, beim Unterhaltsvorschuss. Daran kann man ablesen, welche Verbesserungen diese Koalition für die Familien geschaffen hat. Wir haben darüber hinaus zusätzliche Ausgaben beim Elterngeld veranschlagt. Diese Leistung wird mehr Geld in Anspruch nehmen, und zwar aus Gründen, die politisch gewollt sind. Die sogenannten Partnermonate werden heute stärker in Anspruch genommen als in der Vergangenheit. Aus diesem Grund haben wir höhere Ausgaben im Bereich der Pflichtleistungen. Das ist für die FDP eine erfreuliche Entwicklung. ({1}) Wir haben uns darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II mit der Situation von Kindern zu beschäftigen. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Das hat keinen Einfluss auf diesen Einzelplan, aber natürlich große Bedeutung für das, was wir an ergänzenden Maßnahmen im Familien- oder Jugendbereich zu vereinbaren haben. Für uns ist wichtig, dass es eine Neuberechnung der Regelsätze gibt, die nachvollziehbar ist und sich am eigenständigen Bedarf von Kindern orientiert. Um es deutlich zu sagen: Es ist völlig klar, dass ein Kind einen Bedarf an Windeln oder Schulmaterial hat, der eingerechnet werden muss, aber eine fiktive Einrechnung von anteiligen Ausgaben für Alkohol oder Tabakwaren nicht dazugehört. Das muss eigenständig und nachvollziehbar berechnet werden. Das wird diese Koalition machen. ({2}) Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, die Teilhabe an Bildung, die soziale und kulturelle Teilhabe dieser Kinder zu verbessern. Das müssen wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts machen. Das wollen wir auch tun - das ist jedenfalls die Vorstellung der FDP-Fraktion -, und zwar insbesondere in Form von Sachleistungen wie Schulessen oder Musikunterricht, um eine Mindestteilhabe dieser Kinder an Bildung und kulturellen Leistungen der Gesellschaft sicherzustellen. ({3}) - So steht es auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Übrigen Ihr Gesetz kassiert hat, nicht unseres. Eigentlich wollte ich nur einmal darstellen - auch wenn Sie das gar nicht mehr gewöhnt sind -, dass man lösungsorientiert denken kann. ({4}) Ich finde, Schulessen und Musikunterricht sollten Dinge sein, bei denen wir uns einig sind, dass Kinder sie bekommen sollen. Wir müssen uns frei von Vorbehalten einmal überlegen, wie wir sicherstellen können, dass das Geld, das wir dafür in die Hand nehmen, auch da ankommt und dafür verwendet wird. Das ist etwas, wo Sie nicht dazwischenrufen müssen, sondern sagen können, dass Sie das auch so sehen. ({5}) Wir haben uns darüber hinaus in diesem Jahr mit der Zukunft des Zivildienstes zu beschäftigen. Verschiedene Redner haben dieses Thema angesprochen. Der Koalitionsvertrag enthält die klare Aussage, dass die Verkürzung zum 1. Januar des Jahres 2011 in Kraft treten soll. Was das Ziel angeht, sind wir uns einig: Wir wollen die Verkürzung auf sechs Monate. ({6}) - Das ist das, was im Koalitionsvertrag steht. Sie haben die weitergehenden Wünsche der FDP verstanden. Die haben wir weiterhin. ({7}) Wir haben einen Kompromiss gefunden, der, wie ich glaube, an dieser Stelle mehr Freiheit für die Betroffenen bedeutet, jedenfalls besser ist als das, was heute Rechtslage ist. Insofern ist das ein gehöriger Fortschritt für die Betroffenen. ({8}) Wir wollen das machen, indem wir klare Daten nennen. Das ist so von uns im Koalitionsvertrag festgelegt. Es ist völlig klar, dass wir parallel zur Verkürzung des Zivildienstes die Freiwilligendienste stärken müssen. Es ist völlig klar, dass man das nicht ersatzlos wegfallen lassen kann. Das ist auch nicht geplant. ({9}) - Das spiegelt sich auch im Haushalt wider, Herr Kollege Rix. ({10}) Denn wir haben den Betrag für die Freiwilligendienste erhöht. Die Verkürzung tritt erst nächstes Jahr in Kraft; das wissen auch Sie. Insofern ist die Aufregung auch hier übertrieben und fehl am Platze. ({11}) Ich habe gesagt, dass der Koalitionsvertrag gilt. Das ist für mich die Grundlage dieses Haushalts. ({12}) Wir haben über das Thema Zivildienst auch unter der Frage zu diskutieren, ob es andere Instrumente geben soll, die ersatzweise greifen. Ich sage für die FDP-Fraktion: Eine mögliche freiwillige Verlängerung des Zivildienstes darf zu einem nicht führen: Es darf nicht zu einem faktischen Zwang des Zivildienstleistenden kommen, neun oder zwölf Monate arbeiten zu müssen, weil nur solche Stellen existieren und ausgeschrieben werden. Der entscheidende Unterschied zwischen Zivildienst und Wehrdienst ist, dass der Wehrpflichtige in eine konkrete Einheit einberufen wird - er kann sich das nicht aussuchen -, wohingegen der Zivildienstleistende dazu verpflichtet ist, sich eine Stelle zu suchen. Wenn diese nur für neun oder zwölf Monate ausgeschrieben werden, hat er im Endeffekt keine andere Wahl. Das wollen wir natürlich nicht; denn das würde dazu führen, dass Zivildienstleistende jedenfalls faktisch im Durchschnitt länger dienen müssten als Wehrdienstleistende. Wir werden darauf achten, dass eine solche Ungerechtigkeit nicht eintritt. Ich möchte für das Thema Familie, Beruf und Pflege auf die Rede der Kollegin Miriam Gruß verweisen. Wir haben etliche Baustellen im Bereich der Familienpolitik, der Politik für Senioren, für Frauen und für die Jugend. Wir als Koalition sind uns da einig und gut aufgestellt. Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich muss schon sagen, Herr Mattfeldt, Herr Toncar, Ihre schönen Sonntagsreden heute Abend können nicht verschleiern, dass auch in familien- und kinderpolitischen Fragen in erster Linie Zwist und Chaos in der schwarz-gelben Koalition herrschen. ({0}) - Ich werde Ihnen jetzt Beispiele nennen. Dann werden Sie selber sehen, wie ich darauf komme. Das erste Beispiel ist das Elterngeld. Von wegen Elterngeld verlängern, weiterentwickeln und ausbauen. Herr Wissing, immerhin Finanzexperte der FDP, stellt das Elterngeld sogar komplett infrage und bezeichnet es als eine unsinnige Leistung, die die breite Masse gerne einmal mitnehme. Das hört sich nicht gut an für das Elterngeld. In der Antwort auf meine schriftliche Frage in der letzten Woche zu den Plänen beim Elterngeld lese ich: Die Bundesregierung prüft, aber was es kosten soll, weiß sie noch nicht so genau. Das hört sich nicht gut an für das Elterngeld. Quo vadis, Elterngeld? ({1}) Das zweite Beispiel ist das Kindergeld. Von wegen Kindergelderhöhung. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen - er ist von der CDU -, ({2}) stellt das Recht auf Kindergeld komplett infrage, da wir in Deutschland - ich zitiere - „Kindergeld zahlen an Eltern, die das gar nicht nötig haben“. Ich finde, das hört sich nicht gut an für das Kindergeld in diesem Land. An einer Stelle hat der Ministerpräsident allerdings recht, und zwar wenn er bemängelt, dass die Kindergelderhöhung auf Hartz-IV-Leistungen komplett angerechnet wird und deshalb bei den Familien im Leistungsbezug nicht ankommt, obwohl besonders sie dies brauchen würden. Das ist vom Ministerpräsidenten sehr gut beobachtet, allerdings sagt er gleich dazu, dass er keine Lösung für dieses Dilemma hat. Wir Grüne haben eine Lösung für dieses Dilemma. Wir schlagen eine Kindergrundsicherung vor. Diese würde gewährleisten, dass die Kinderförderung in diesem Land endlich vom Kopf auf die Füße gestellt würde. ({3}) Das dritte Beispiel ist das Betreuungsgeld. Frau von der Leyen hat eigentlich das Richtige dazu gesagt. Sie hat gesagt, das wäre eine „bildungspolitische Katastrophe“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Deshalb sollte man es am besten sang- und klanglos beerdigen. Die geschätzten 2 Milliarden Euro jährlich, die uns das zukünftig kosten soll, sollte man besser in die Kitas investieren: in mehr Kitaplätze, in bessere Kitaplätze, beispielsweise in kleinere Gruppen, in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und auch in eine bessere Entlohnung dieser pädagogischen Fachkräfte, die eine höhere Wertschätzung in unserer Gesellschaft mehr als verdient hätten. Ich denke, darüber sind wir uns alle hier einig. ({4}) Die FDP hat in ihren Wahlprogrammen an diversen Stellen die Elternbeitragsfreiheit gefordert. Allerdings habe ich jetzt vernommen, dass Herr Wissing auch diese Leistung für unsinnig hält; darauf gehe ich an dieser Stelle aber nicht ein. Beitragsfreiheit - richtig so, sagen wir Grünen. Aber Fakt ist: Durch Ihre kommunalfeindliche Politik ({5}) haben Sie den Kommunen Milliarden Euro entzogen. ({6}) 20 Euro mehr Kindergeld, aber um 30 Euro höhere Kitagebühren, das ist die Folge schwarz-gelber Politik. Das ist das Gegenteil von familienfreundlich. ({7}) Zurück zum Betreuungsgeld. Statt es einfach zu beerdigen, geht es beim Betreuungsgeld richtig rund: Barzahlung, Gutscheine, Sachleistungen, Gutscheine für Hartz-IV-Beziehende, Barzahlungen für die anderen, Einbeziehung in ein Bildungskonto und jetzt - tatarata Rentenanwartschaften. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Elterngeld, Kindergeld, Betreuungsgeld - ich habe den Eindruck, in dieser Koalition darf jeder alles vorschlagen. ({8}) Jeder darf jederzeit alles sagen, alles infrage stellen, inklusive Koalitionsvertrag. ({9}) Jeder kann irgendwo ein Papier einreichen. Hauptsache, man steht damit dick in der Presse. ({10}) - Entschieden wird nicht, regiert wird nicht, und Ihre familienpolitische Agenda, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ist nicht bemerkenswert. Das Chaos, das hier produziert wird, ist bemerkenswert. Das ist aus meiner Sicht unübertroffen. ({11}) Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, nicht nur Frau von der Leyen tanzt Ihnen auf der Nase herum, sondern die halbe Koalition. Das muss ein Ende haben. Schaffen Sie endlich Klarheit, auf was sich die Familien in den nächsten Jahren tatsächlich einstellen können bzw. - das muss man fast so sagen - auf was sie sich bei dieser Regierung wohl einstellen müssen. Noch eine Anmerkung zu einem Thema, das uns alle sicherlich sehr beschäftigt: zu den vielen Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, die in letzter Zeit öffentlich wurden. Vor zwei Wochen - noch zu einem Zeitpunkt, als drei Ministerinnen meinten, Zeit damit verplempern zu können, indem sie darüber streiten, wer den schöneren runden Tisch veranstaltet - habe ich den Satz von Ministerin Schröder gelesen, es sei falsch, jetzt nur die katholische Kirche an den Pranger zu stellen. Es stimmt: Missbrauchsfälle kommen auch in Institutionen anderer Träger vor. Aber von 27 katholischen Bistümern sind - so viel wissen wir bis jetzt - 22 betroffen. Ich erwarte von der Familienministerin, da sie auch für Kinder zuständig ist, dass sie sich ganz eindeutig zur Anwältin der Kinder und Jugendlichen, zur Anwältin der Opfer dieser abscheulichen Verbrechen macht und sich nicht etwa in die Phalanx von Kleinrednern, Verharmlosern und Vertuschern einreiht. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zu meinem letzten Satz. - Meine Kollegin Renate Künast hat es in der gestrigen Debatte, wie ich finde, absolut richtig auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Die Kinder bedürfen des besonderen Schutzes der Gesellschaft und nicht der Papst. - Wir Grüne erwarten, dass Ministerin Schröder als zuständige Ministerin dem gerecht wird. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Kristina Schröder. ({0})

Dr. Kristina Köhler (Minister:in)

Politiker ID: 11003569

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut ist ein Kompromiss ja angeblich dann, wenn jeder glaubt, er hätte das größte Stück vom Kuchen bekommen. Dies mit Blick auf den Einzelplan 17, der ein Gesamtvolumen von 6,54 Milliarden Euro hat, zu behaupten, wäre sicherlich etwas gewagt. Für die Familien und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft haben wir dennoch gute Ergebnisse erzielt. Der Einzelplan 17 zeigt: Diese Koalition stärkt Familien den Rücken, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, und diese Koalition investiert in den Zusammenhalt der Gesellschaft, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. ({0}) Ich danke allen, die sich dafür in den Haushaltsverhandlungen der letzten Wochen eingesetzt haben. Mein Dank gilt den Mitgliedern des Familienausschusses und den Berichterstattern für die bisher konstruktive Zusammenarbeit. Herr Schwanitz, Sie haben gerade einige Punkte angesprochen. Zu § 14 c des Zivildienstgesetzes werde ich später noch etwas sagen. Was das Thema Zivildienst angeht, scheint mir allerdings wirklich ein Missverständnis vorzuliegen. Die Vorschläge, die der Bundesverteidigungsminister gestern präsentiert hat, besagen, dass die Verkürzung der Dienstzeit schon für die wirken soll, die zum 1. Oktober 2010 eingezogen werden. Ihr Dienst endet also nicht am 30. Juni 2011, sondern am 31. März 2011. ({1}) Auf den Haushalt 2010 hat die Verkürzung also keinerlei Auswirkungen. ({2}) Alles das, was Herr zu Guttenberg gestern vorgeschlagen hat, wird erst 2011 wirksam. Deswegen ging Ihre Kritik an diesem Punkt leider ins Leere. ({3}) Meine Damen und Herren, beginnen wir mit dem größten Posten im Einzelplan 17, nämlich dem Elterngeld. Mit den knapp 4,5 Milliarden Euro, die wir für das Elterngeld ausgeben, reagieren wir auf ein Bedürfnis junger Mütter und junger Väter. Wir treffen damit den Nerv der heutigen Elterngeneration. Das zeigt vor allen Dingen das hohe Interesse an den Partnermonaten, die mit 80 Millionen Euro mehr zu Buche schlagen als im letzten Jahr. Mit dem Elterngeld haben wir ein tiefes Bedürfnis von jungen Familien getroffen: das Bedürfnis, Zeit für familiäre Verantwortung zu haben, ohne den Beruf an den Nagel hängen zu müssen. ({4}) Das ist ein Bedürfnis von jungen Männern und von jungen Frauen. Deshalb werde ich bald, sehr zügig, einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem sowohl das geplante Teilelterngeld umgesetzt als auch eine Ausweitung der Partnermonate auf den Weg gebracht wird. ({5}) Kinder wiederum haben vor allen Dingen das Bedürfnis, behütet und geborgen aufzuwachsen und teilzuhaben am Wohlstand und an den Chancen unserer Gesellschaft. Das darf kein Privileg der Kinder starker Eltern sein. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung investieren wir gerade in die Bildungschancen derjenigen, denen diese Chancen nicht in die Wiege gelegt wurden. Insofern sehe ich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder auch einen familienpolitischen Auftrag, nämlich jedem Kind eine faire Chance zu geben. Es geht nicht nur um das finanzielle Existenzminimum - Nahrung, Wohnen, Kleidung, medizinische Versorgung -, es geht auch um faire Chancen auf Bildung und damit auch auf gesellschaftlichen Aufstieg. ({6}) Auch wir mussten einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbringen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir versucht haben, ausschließlich dort nach Einsparpotenzialen zu suchen, wo Kinder und Familien möglichst wenig betroffen sind. Die Einsparungen, die im Einzelplan 17 realisiert wurden, werden überwiegend durch Einsparungen beim Zivildienst bestritten. Die Ausgaben für den Zivildienst sinken wegen der geplanten Verkürzung der Wehrpflicht, die beim Zivildienst nachvollzogen wird, ohnehin. Weil wir aber unabhängig vom Zivildienst den Dienst junger Menschen am Gemeinwohl für sehr wichtig halten, werden wir auch die Förderung der Jugendfreiwilligendienste neu strukturieren. Junge Frauen und Männer wollen sich engagieren, und die Gesellschaft ist auf dieses Engagement angewiesen. Deshalb ist es das Ziel der Bundesregierung, die Freiwilligendienste erheblich auszubauen. ({7}) Den finanziellen Spielraum dafür eröffnet uns, insbesondere ab 2011, die geplante Streichung des § 14 c Abs. 4 des Zivildienstgesetzes. ({8}) Statt einer gesonderten Förderung für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die als Ersatz für den Zivildienst ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr ableisten wollen, wollen wir FSJ und FÖJ insgesamt besser fördern. Die dadurch frei werdenden Mittel von über 30 Millionen Euro sollen ab 2011 in vollem Umfang in die Förderung der Jugendfreiwilligendienste fließen. ({9}) Wichtig war mir dabei, dass die Träger der Freiwilligendienste in den Bereichen Sport, Ausland und Kultur nicht die Leidtragenden dieser Neustrukturierung sind; denn diese Träger sind zur Refinanzierung der Plätze besonders auf § 14 c Zivildienstgesetz angewiesen. Herr Schwanitz, deshalb haben wir immer gesagt, dass wir hier keine Übergangsregelungen, sondern eine Sonderregelung schaffen müssen. ({10}) In der letzten Woche ist es uns mit den Trägern der Freiwilligendienste gelungen, in den Bereichen Sport und Ausland eine solche Sonderregelung zu treffen, mit der ihr Platzangebot auf hohem Niveau abgesichert wird. ({11}) Diese Mittel für 2010 stammen aus den Mitteln gemäß § 14 c des Zivildienstgesetzes. Insofern sind das exakt die Mittel, die uns der Haushaltsausschuss für genau diesen Bereich gewährt hat. ({12}) Mit den Trägern im Kulturbereich sind wir noch in Gesprächen, aber ich bin mir sicher, dass wir auch hier eine gute Lösung finden werden. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Ministerin, Herr Schwanitz würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Kristina Köhler (Minister:in)

Politiker ID: 11003569

Ich will hier jetzt erst einmal im Zusammenhang vortragen. Danach können wir das gerne machen. Wenn wir über Investitionen in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft reden, dann sollten wir aber nicht nur an Geld denken, sondern für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird Zeit mehr und mehr zur zweiten Leitwährung. Deshalb wird allein mit Blick auf die Haushaltslage schon eines klar: Wenn wir unserer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen gerecht werden wollen, dann werden wir im nächsten Jahr nicht jedes Problem allein nur mit mehr Geld lösen können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie möchten eine Zwischenfrage auch jetzt nicht zulassen?

Dr. Kristina Köhler (Minister:in)

Politiker ID: 11003569

Neue Wege sind gefragt, um auf die Bedürfnisse von Kindern, von Eltern und vor allen Dingen auch von älteren Menschen reagieren zu können. Die Familien-Pflegezeit, für die ich mich einsetze, ist ein solcher neuer Weg. Ich möchte den Menschen damit Zeit für Verantwortung geben. Wir wissen, dass kranke und ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause bei der Familie bleiben möchten. ({0}) Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen demografiebedingt rasant ansteigen wird. Wir wissen, dass viele Menschen ihre betagten Angehörigen aus Verantwortung, aber vor allen Dingen auch aus Liebe zu Hause pflegen. Wir wissen, dass diese Menschen dabei ein großes Opfer bringen und dabei oft auch die Grenzen ihrer Belastbarkeit überschreiten. Wir wissen auch, dass die meisten dieser Menschen berufstätig sind, dass sie ihr Einkommen brauchen und dass es mit Mitte/Ende Fünfzig ein sicherer Weg in die Arbeitslosigkeit wäre, länger oder ganz aus dem Beruf auszusteigen. Weil wir all das wissen, dürfen wir die Menschen, die diese Doppelbelastung schultern, nicht alleinlassen. ({1}) Menschen, die ihr Leben lang viel gearbeitet haben, verdienen einen würdigen Lebensabend, und Menschen, die ihnen diesen würdigen Lebensabend schenken, verdienen unsere Unterstützung. ({2}) Deshalb hoffe ich auch auf Ihre Unterstützung und Ihre konstruktive Kritik, wenn ich diesen Vorschlag in die parlamentarischen Gremien einbringen werde, und ich hoffe, dass nicht nur solche Vorwürfe geäußert werden, wonach dem ein veraltetes Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild zugrunde liegt; denn ich sage Ihnen eines: Diese Menschen, die zu Hause ihre Angehörigen pflegen, brauchen unsere Unterstützung, aber bitte nicht den anmaßenden Vorwurf, sie hätten ein veraltetes Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild. ({3}) Es stimmt: Durch die Familien-Pflegezeit wird mehr Flexibilität von uns allen und insbesondere auch von den Arbeitgebern verlangt. Ich denke aber, dass die Unternehmen ein Interesse daran haben, nicht auf dem Höhepunkt des Fachkräftemangels auf ihre erfahrensten Mitarbeiter verzichten zu müssen. Mit der Familien-Pflegezeit gewinnen wir auf jeden Fall Zeit für Verantwortung. Damit tragen wir den unterschiedlichsten Bedürfnissen, die ich gerade aufgezählt habe, Rechnung. Diese Bedürfnisse werden wir mit Geld allein nie erfüllen können. Ich finde, gerade auch in einer Haushaltsdebatte können wir auch von der Opposition erwarten - das gehört zur Ehrlichkeit dazu -, dass sie ehrlich sagt, dass wir nicht alle Probleme mit Geld werden lösen können. Das erwarte ich gerade von einer Opposition, die in dieser Woche so wortreich einen konsequenten Sparkurs angemahnt hat. Der Austausch mit denjenigen, die von der FamilienPflegezeit unmittelbar betroffen sind, ist mir sehr wichtig. Das gilt auch bei anderen Themen. Denn ich glaube, dass wir in der Gesellschaftspolitik nur dann etwas bewegen können, wenn wir den Dialog mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen suchen. Angesichts der schockierenden Fälle von Kindesmissbrauch habe ich mich deswegen dafür eingesetzt, dass wir ein Gespräch mit Vertretern aller Institutionen führen, denen wir unsere Kinder anvertrauen. Meines Erachtens können wir nur so ein wirksames Konzept für die Zukunft entwickeln. Vielleicht sollte man aufgrund des Verlaufs dieser Debatte Folgendes sagen: Ob es um wirksamen Kinderschutz, um Pflege oder um gesellschaftliches Engagement geht: Neue Wege finden wir nur dann, wenn viele danach suchen. Neue Wege finden wir nicht, wenn einer sucht und die anderen damit beschäftigt sind, Barrieren aufzubauen. Deshalb sollten gerade wir Familienpolitiker mit unserem vergleichsweise kleinen Etat, mit dem wir auf eine Vielfalt von gesellschaftlichen Problemen reagieren müssen, offen sein für einen konstruktiven und sachlichen Austausch und eine konstruktive, sachliche sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit. Herzlichen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Sven-Christian Kindler das Wort.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin Schröder, Sie haben gerade von Ehrlichkeit und von einem konstruktiven Austausch gesprochen. Ich finde es wichtig, dass man diesen in der Politik pflegt. Sie haben gesagt, dass man neue Wege ausprobieren und Barrieren abbauen sollte. Ich frage mich allerdings, warum Sie nicht auf die Frage des Kollegen Schwanitz bezüglich der Ausgabereste eingegangen sind. Sie haben auch Zwischenfragen verweigert. Anscheinend können Sie oder wollen Sie sie nicht beantworten. ({0}) - Lassen Sie mich bitte ausreden. Wir haben am 5. Februar 2010 einen Bericht bekommen, in dem es heißt, dass wir bis zur Rechnungslegung warten müssen, die im April 2010 beendet wird. Erst dann könne man die Ausgabereste feststellen und sagen, wie hoch sie sind. Das BMU zum Beispiel hat uns die Ausgabereste bereits Anfang Januar zugestellt. Die Koalition hat innerhalb der Bereinigungssitzung mehrere Anträge gestellt, in denen zu lesen war, dass die Mittel gekürzt werden können, weil Ausgabereste vorhanden sind. Ich finde es ungeheuerlich, dass anscheinend nur der Koalition Informationen über die Ausgabereste zugeleitet wurden. Die Opposition wurde außen vor gelassen. ({1}) Neue Wege bedeutet für Sie anscheinend, die Koalition zu bevorzugen und die Opposition weiterhin auszuschließen. Das ist ungeheuerlich. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Ministerin, möchten Sie antworten?

Dr. Kristina Köhler (Minister:in)

Politiker ID: 11003569

Herr Kollege Kindler, ich kann leider nichts daran ändern, dass wir erst am Ende der Rechnungslegung, also Anfang April, einen vollständigen Überblick über die Restmittel im Haushalt vorlegen können. Ich weiß nicht, worauf Sie sich beziehen. ({0}) Ich kann daran leider nichts ändern. Ich halte nichts davon, Ihnen unvollständige, eventuell falsche oder noch nicht wirklich geprüfte Berichte zukommen zu lassen. Sie werden sie nach Ende der Rechnungslegung erhalten. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Sönke Rix hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben gerade davon gesprochen, neue Wege zu gehen, konstruktiv und offen zu sein; das ist gar keine Frage. Sie müssen uns aber genehmigen, dass wir Sie zumindest darauf aufmerksam machen, wenn Sie falsche Wege gehen. Wir wollen keine Barrieren legen, aber zumindest auf falsche Wege hinweisen. ({0}) Wir haben das Gefühl, dass insbesondere bei der Verkürzung des Wehrdienstes und damit auch bei der Verkürzung des Zivildienstes falsche Wege gegangen werden. Dass wir heute darüber diskutieren, liegt unter anderem daran, dass es sich um einen Posten im Haushalt von immerhin über 631 Millionen Euro handelt. Das ist nicht irgendeine Summe oder irgendein kleines Projekt am Rande, sondern eine erhebliche Maßnahme. Die Debatte kocht nicht nur aufgrund der Tatsache hoch, dass der Verteidigungsminister vorgeschlagen hat, die Verkürzung vorzuziehen. ({1}) Ich habe gelesen, dass Sie darüber nicht so erfreut sind und das unabgesprochen aus der Regierung gedrungen ist. So stand es zumindest in der Märkischen Allgemeinen Zeitung. ({2}) Ich wollte nur darauf aufmerksam machen. Ich kann es verstehen, dass Herr zu Guttenberg diese Diskussion lostritt - die Verteidigungspolitiker können wohl mehr dazu sagen -, um vielleicht von den Fehltaten seines Ministeriums im Rahmen der Kunduz-Affäre abzulenken. ({3}) Die Debatte über die Verkürzung des Zivildienstes ist aber nicht neu; sie ist nicht nur deshalb in Gang gekommen, weil Herr zu Guttenberg vorgeschlagen hat, es vorzuziehen; die Debatte über den Umgang mit diesem Thema ist schon älter. So sagte beispielsweise der Chef der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, bei einer reduzierten Wehrpflicht lohne sich die Ausbildung von Zivildienstleistenden für viele soziale Organisationen nicht mehr; man müsse mehr Geld in die Hand nehmen und überlegen, den Zivildienst auf freiwilliger Basis zu verlängern. Der dafür zuständige Kollege von der FDP, Florian Bernschneider, sagt: Der Vorschlag der Union bedeutet faktisch die Rückkehr zu einem Zivildienst, der länger als der Wehrdienst dauert. Ich kann Ihnen da nur zustimmen; Sie haben da vollkommen recht. Der Streit ist also mitten in der Koalition; ({4}) die Debatte, wie man in Zukunft mit dem Zivildienst umgeht, ist in vollem Gange. ({5}) - Ich verstehe Ihre heftigen Reaktionen gar nicht. Setzen Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an einen Tisch und machen Sie keine faulen Kompromisse! Es ist doch folgendermaßen: Die FDP möchte den Wehrdienst abschaffen; das kann ich durchaus verstehen. Die Union möchte den Wehrdienst, so wie er jetzt ist, erhalten. Aber es ist doch kein guter Kompromiss, den Wehrdienst dann einfach auf sechs Monate zu verkürzen. ({6}) Das ist doch ein Kompromiss, der absolut nach Hilfe schreit, ein fauler Kompromiss. ({7}) Die Einrichtungen, die Zivildienstleistende einsetzen, können in sechs Monaten gar nichts mit den jungen Männern anfangen. Ihre Idee ist konzeptlos. Hätten Sie sich doch auf unser Modell geeinigt! ({8}) Hätten Sie doch gesagt: Wir wollen beim Wehrdienst möglichst viel Freiwilligkeit einräumen und verstärkt die Freiwilligendienste ausbauen! Dann hätten wir erheblich mehr erreicht. ({9}) Sie haben es heute wieder in Ihrer Rede erwähnt - Frau von der Leyen hat das, glaube ich, auch erwähnt -: Die Mittel, die durch die Verkürzung des Zivildienstes frei werden, sollen quasi ungekürzt für die Freiwilligendienste zur Verfügung gestellt werden. ({10}) Es liegen immer noch keine Konzepte vor. Stattdessen hatten Sie die Idee - Sie haben das gerade angesprochen -, § 14 c Abs. 4 Zivildienstgesetz zu streichen. Damit haben Sie bei den Trägern der Freiwilligendienste in den Bereichen Kultur und Sport und bei den Auslandsdiensten für Unruhe gesorgt. Dann haben Sie in einer nächtlichen Sitzung eine Einigung mit den Trägern erzielt. Darüber ist die FDP wohl erst hinterher informiert worden, das Parlament in Gänze gar nicht. Sie gehen da mit Gesetzen und mit Mitteln in Millionenhöhe um; das betrifft den Haushalt. Heute sagen Sie, das werde nur für ein Jahr gelten; die Organisationen werden dann zu Recht wieder bei Ihnen auf der Matte stehen. Es ist wirklich ein Skandal, dass Sie hier am Parlament vorbeiagieren. ({11}) Gerade sind wir in der Debatte auf die Frage der Extremismusprogramme gekommen. Sie haben die Frage von Herrn Kindler, wie Sie mit den Haushaltsresten umgehen, nicht beantwortet. Es ist ein Skandal, dass Sie immer noch nicht erkennen: Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und die Bekämpfung von Linksextremismus sind völlig unterschiedliche Dinge. ({12}) Sie haben trotz der steigenden Zahl der Gewalttaten im rechtsextremistischen Bereich immer noch nicht erkannt, dass Sie die Mittel erhöhen müssen. Stattdessen bleibt es beim gleichen Betrag. Sie nehmen 2 Millionen Euro aus dem Kinder- und Jugendplan, um sie für zwei Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus - so heißt es, glaube ich, in Ihrem Titel - zu verwenden, die nicht einmal definiert sind, von denen man in Hamburg und Berlin, wo die Projekte angeblich umgesetzt werden sollen, noch nichts gehört hat. Frau Kollegin, Sie müssen hier schon deutlich machen, was Sie mit dem Geld - ({13}) - Entschuldigung. - Frau Ministerin, Sie müssen schon etwas deutlicher machen, wie Sie mit dem Geld im Haushalt umgehen, und nicht nur darauf verweisen, dass Ihre Ideen längst noch nicht umgesetzt sind. Einigen Sie sich mit dem Koalitionspartner in der Frage der Verkürzung des Zivildienstes! Einigen Sie sich endlich mit Ihrem Kollegen Verteidigungsminister, wann das umgesetzt werden soll, damit die Träger des Zivildienstes endlich Klarheit haben! Schönen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Miriam Gruß hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spie2916 len und erst recht nicht lernen. Das sage ich nicht nur heute anlässlich der Haushaltsdebatte, sondern das habe ich schon in den letzten Jahren immer wieder gesagt. Dieser Satz muss gerade für uns als Familienpolitiker, die hier die Zukunft der Familien gestalten, eine ständige Mahnung sein. Wir müssen darauf achten, dass wir die nächsten Generationen nicht mit einem Haushalt belasten, der ihnen Möglichkeiten nimmt und den Kindern Chancen verbaut. ({0}) Das gilt nicht nur für den globalen Haushalt des Deutschen Bundestages und dieser Koalition, sondern auch für den Etat der Familien. Es ist ganz klar - die Ministerin hat es schon gesagt -: Wenn jedem alle Wünsche erfüllt würden, hätten wir einen enormen Aufwuchs. Das geht nicht. Deswegen müssen wir auch in diesem Haushalt mit Maß und Ziel walten, und das haben wir getan. ({1}) Demgegenüber bauen andere Kolleginnen und Kollegen hier Luftschlösser auf. Das hilft nicht weiter. Wir haben uns an den Realitäten und an dem orientiert, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Damit komme ich schon zu den einzelnen Themen. Im Bereich Kinder und Jugendliche war es uns immer wichtig, eine eigenständige Jugendpolitik zu betreiben. Dazu bekennen wir uns weiterhin. Uns war aber auch wichtig, Kindern Schutz und Chancen zu bieten. Auch dieses Ziel verfolgen wir weiterhin. Beim Kinderschutzgesetz müssen wir überlegen, auf welche Bereiche es ausgeweitet werden soll. Nach wie vor stehen wir dazu, dass es ein Kinderschutzgesetz geben soll, und zwar mit den beiden Komponenten „Prävention“ und „Intervention“. Im Bereich der Familie stehen wir zu den Erkenntnissen, die das gesamte Haus in den vergangenen Jahren mehrfach von Experten geliefert bekommen hat: Familien brauchen vor allen Dingen Zeit, Geld und Infrastruktur. Diese drei Prinzipien haben wir realisiert. Wir werden das mit diesem Haushalt und mit den zukünftigen Haushalten weiterhin tun. „Zeit“ heißt, Zeit für Kinder zu haben, heißt aber auch, Zeit für Pflege zu haben. Deswegen ist es richtig und wichtig, hier eine Initiative zu starten und für Familien in allen Lebenslagen Möglichkeiten zu schaffen, Zeit zu haben. ({2}) Zur Infrastruktur. Nachdem wir in den letzten Jahren großen Wert darauf gelegt haben, die Quantität auszubauen, setzen wir nun auf die Qualität, aber natürlich auch weiterhin auf die Quantität. Wir müssen uns mit den Ländern darüber einig werden, wie wir im frühkindlichen Bereich einheitliche Standards schaffen und die frühe Phase der Kinder noch besser nutzen; denn in dieser Phase sind Kinder wie Schwämme, saugen alles auf, wollen alles wissen. Was wir im frühkindlichen Bereich investieren, wird sich später tausendfach auszahlen, werden wir als Staat später nicht ausgeben müssen. ({3}) Bei der Infrastruktur ist aber auch wichtig, dass wir die Arbeitszeit in den Blick nehmen. Da brauchen die Familien mehr Flexibilität, und da müssen wir mehr Unterstützung bieten. Im Übrigen geht es nicht nur um Kleinstkinder, sondern um Kinder in allen Lebensphasen. Auch Kinder im Alter von vier, fünf oder sieben Jahren brauchen Infrastruktur und Unterstützung. Deswegen müssen wir auch hier den Blickwinkel erweitern. Bezüglich der finanziellen Situation hat diese Koalition bereits gehandelt. Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Familien erheblich entlastet. ({4}) Wir haben das Kindergeld erhöht, die Freibeträge erhöht und damit ein Signal gesetzt, dass Kinder nicht einfach kleine Erwachsene sind, sondern einen eigenständigen Bedarf haben. So werden wir mit dem Thema auch umgehen, wenn wir in diesem Jahr die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Das Gericht hat uns den klaren Auftrag gegeben, die Kinder stärker in den Fokus zu nehmen. Das werden wir tun. In unsere Lösung werden wir insbesondere den Bildungsaspekt einbringen, was uns allen nur am Herzen liegen kann. Noch einmal zur finanziellen Situation. Es ist natürlich wichtig, zu wissen, ob die vielen familienpolitischen Leistungen, die wir gewähren, wirklich bei den Familien ankommen. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir weiterhin die Evaluation der familienpolitischen Leistungen vorantreiben. Ich finde es gut, dass wir den Haushalt so aufgestellt haben, dass wir Weichen stellen können. Die Erkenntnisse der Evaluation kommen uns zugute; denn nichts ist schlechter, als Geld als Monstranz vor uns herzutragen, während es bei den Familien nicht ankommt. ({5}) Gerade in den letzten Sitzungswochen wurde viel über das Thema Gleichstellung gesprochen. Wir achten darauf, dass die Gleichstellung in Unternehmen weiterhin im Blick bleibt. Wir haben das Modellprojekt Logib-D zum Laufen gebracht; ich finde das richtig und wichtig. Das Projekt ist bereits in den ersten Unternehmen gestartet. Auch diesen Aspekt behält die Koalition im Auge. Ich freue mich aber auch, dass es im Ministerium ein neues Referat gibt, das sich speziell mit Fragen der Jungen- und Männerpolitik befasst; denn eine solche Blickwinkelerweiterung brauchen wir. Das ist ganz wichtig. Wir werden weiterhin die Mädchen fördern und im Blick haben, aber auch die Jungen. Ich freue mich über dieses neue Referat in Ihrem Ministerium, sehr geehrte Frau Ministerin. Wir haben hier viel über den Zivildienst und den Extremismus debattiert. Da meine Redezeit leider abgelaufen ist, möchte ich nur noch Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege von der Linken, etwas sagen, weil Sie mich namentlich angesprochen haben. Ich weise ausdrücklich zurück, dass ich ein Problem damit hätte, gegen rechts zu kämpfen. ({6}) Ich weiß nicht, ob Sie über mein Leben Bescheid wissen. Aber Sie finden mich auch auf Demonstrationen gegen rechts, genauso wie viele andere Kolleginnen und Kollegen dieser Koalition. Deswegen weise ich Ihre Unterstellung auf das Äußerste zurück, dass wir den Kampf gegen rechts nicht mehr betreiben würden, nur weil wir unseren Blickwinkel erweitern. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich möchte auf einen Zwischenruf von vorhin zurückkommen. Das Protokoll liegt uns jetzt vor. Ausweislich des Protokolls hat der Kollege Peter Tauber gesagt: „Ihr seid doch die rot lackierten Faschisten!“. Herr Tauber, dafür erteile ich Ihnen eine Rüge und mache im Übrigen deutlich, dass Vergleiche mit dem Nationalsozialismus hier im Hause nichts zu suchen haben. ({0}) Ich gebe jetzt das Wort der Kollegin Heidrun Dittrich. ({1})

Heidrun Dittrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004028, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierung tönt lauthals: Die Familie ist das Kernstück der Gesellschaft. - Aber wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Können Kinder geplant werden, wenn befristete Beschäftigungsverhältnisse zur Normalität werden? Wird eine werdende Mutter wieder eingestellt, wenn ihr Arbeitsverhältnis durch Befristung ausgelaufen ist? Das Institut der deutschen Wirtschaft schreibt: 41 Prozent der unter 20-Jährigen haben eine befristete Stelle; bei den 20- bis 25-Jährigen ist es noch jeder Vierte. - Ungesicherte Arbeitsverhältnisse bedeuten unsichere Einkommen und im Allgemeinen schlecht bezahlte Arbeit. Hierzulande gehen Menschen arbeiten und sind trotzdem arm; sie müssen beim Jobcenter aufstocken. Die Familienministerin spricht gern von gleichen Chancen für alle Kinder. Aber welche Kinder und Familien werden gefördert? Die Einführung des Elterngeldes 2007 zeigt: die der Mittel- und Oberschicht. Zulasten der Erwerbslosen wurde die Bezugsdauer des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro monatlich um zwölf Monate verkürzt. Das ist ein Verlust in Höhe von 3 600 Euro für ein Jahr. Einkommensschwache Familien werden zum Spielball der Politik. Mit dem geplanten Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich ab 2013 werden einkommensschwache Familien dazu verführt, ihre Kinder nicht in einer Kita anzumelden, damit sie Betreuungsgeld anrechnungsfrei zusätzlich zu Hartz IV oder zum Minijob erhalten. Warum werden eigentlich pünktlich zum Ende der Elternzeit 150 Euro Betreuungsgeld gezahlt? Um die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen ab dem ersten Lebensjahr zu senken. Damit geben Sie zu, dass der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren nicht vorankommen soll. Das Sondervermögen in Höhe von über 4 Milliarden Euro für den Kita-Ausbau beinhaltet nur den Aufbau von Kindertagesstätten. Die Regierung investiert in Beton statt in Pädagogik. Für die Einstellung von Erzieherinnen fehlt das Geld. Dafür sind die Kommunen zuständig. Es fehlen aber bundesweit 80 000 Erzieherinnen. Die Kommunen können sich neue Personaleinstellungen nicht leisten, weil sich die Bundesregierung Steuergeschenke an Großbanken und Großkonzerne leistet. ({0}) - Und die Hotels. Danke. Das Vorzeigeprogramm der Familienministerin mit dem Betreuungsausbau für 35 Prozent aller Kleinkinder zwischen ein und drei Jahren ist gescheitert. Was geschieht nun mit den Kleinkindern, wenn das erste Lebensjahr zu Ende geht? Im Anschluss an das Elterngeld ist kein Krippenplatz in Sicht. Ist denn das Kind nach Ihrer Auffassung mit zwölf Monaten schon erwachsen? Muss es dann nicht mehr betreut werden? Auch geeignete Tagesmütter gibt es nicht flächendeckend, und sie werden schlecht bezahlt. ({1}) In Niedersachsen, woher ich komme, gibt es für unter Dreijährige eine Versorgerquote von nur 12 Prozent, in Nordrhein-Westfalen von nur 11,6 Prozent. Die Eltern in den alten Bundesländern müssen rumdümpeln, bis der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren greift. Der Fortschritt, dass im Jahr 2009 73 Prozent aller Väter immerhin zwei Monate Elternzeit nahmen, wird durch die fehlende Kinderbetreuung nach 14 Monaten komplett aufgehoben. Es werden wieder die alten Rollenverhältnisse zementiert; ({2}) denn ein Elternteil muss zu Hause bleiben und das Kind betreuen. Dieser Elternteil ist traditionell die Frau; denn die hat offensichtlich schon 12 Monate Elternzeit genommen. Obwohl das Elterngeld vorrangig Besserverdienende bedient, stehen auch diese Elternteile nach einem Jahr vor dem Nichts. Sie locken die Eltern damit in eine Falle: erst die Anreize und dann keine Anschlussbetreuung. Ihre Familienpolitik ist verantwortungslos, ({3}) gegenüber den Eltern und gegenüber den Kindern. Deshalb lehne ich diesen Familienhaushalt ab. Indem Sie den Armen den Kitaplatz abkaufen, werden die Integration der Kinder und ein gemeinsames Lernen, was zur Chancengleichheit führen könnte, von Anfang an unmöglich gemacht. ({4}) Die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit ist in den alten Ländern der Bundesrepublik seit über 60 Jahren nicht erreicht. Was in Frankreich seit den 50er-Jahren möglich ist, nämlich für jedes Kind ab dem dritten Monat einen Betreuungsplatz zu stellen, und was in der DDR für Kinder ab dem ersten Jahr möglich war, ist in der Bundesrepublik bis heute nicht möglich. Wer nicht arbeitet, kann keine Rente aufbauen. Die Altersarmut von Frauen ist vorprogrammiert. Sie erlegen die soziale Verantwortung für die Familie einseitig den Frauen auf. Das betrifft die Betreuung der Kinder und die Pflege. Sie kaufen den Frauen die Berufe ab. Hätten wir mehr Kinderbetreuung, könnten mehr Frauen arbeiten, und wir würden wieder Frauenberufe im öffentlichen Dienst einrichten, Stellen für Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen und Sprachlehrerinnen. Geld ist genug da. Es muss umverteilt werden. ({5}) Die Millionärsteuer ist nur ein Beispiel dafür, wie dieser Staat zu mehr Einkommen kommen könnte. Außerdem können Sie auch am Verteidigungsetat sparen. ({6}) Der beläuft sich nämlich auf 31 Milliarden Euro, während der kleine Familienhaushalt 2,56 Milliarden Euro beträgt. Damit möchten Sie den Zusammenhalt der Gesellschaft organisieren. Sie organisieren damit die Spaltung zwischen Arm und Reich. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Norbert Geis für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon wahr, was Sie sagen: Die Familie ist der Angelpunkt der Gesellschaft. Nur wenn es gelingt, die Bindekräfte der Familie zu erhalten, werden wir morgen noch Kultur haben, werden wir einen stabilen Staat und eine stabile Gesellschaft haben. Deswegen kommt es darauf an, dass unsere Generation ihrem Erziehungsauftrag gerecht wird. Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen zu freiheitsfähigen Menschen heranziehen. Nur dann werden wir morgen genügend Erfinder, genügend Firmengründer, genügend Arbeitsplätze und genügend Menschen, die in die Sozialsysteme einzahlen, haben. Wir werden nur dann genügend Nachfrager und genügend Anbieter haben. Wir werden auch nur dann unseren Staat und unsere Zukunft sichern, wenn wir unsere Gesellschaft in freiheitsfähige Hände weitergeben können. Deswegen kommt es entscheidend darauf an, dass die Familien ihren Auftrag erfüllen und ihre Kinder und Jugendlichen zu freiheitsfähigen Menschen heranziehen, zu Menschen, die in der Lage sind, die kulturellen Werte zu erkennen, die fest in unserer Gesellschaft verankert sind, und für die die Freiheit eine große Bedeutung hat. Die Staaten gäben ihre Zukunft in die Hände der Familien, schreibt der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof - und er hat recht. Die zentrale Funktion der Familien haben die Väter und Mütter unserer Verfassung erkannt. Deswegen haben sie in Art. 6 GG die Funktionsbedeutung der Familie in einer so herausragenden und hervorragenden Weise niedergelegt. Dort steht geschrieben, dass Eltern und Familien unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Der besondere Schutz gilt also auch für Eltern, die Verbindung von Mann und Frau auf Lebenszeit. ({0}) - Stöhnen Sie nicht! Das ist kein veraltetes Familienbild. ({1}) Ich zitiere das Urteil des Verfassungsgerichts zum Nachzug von Familien - wenn Sie das Verfassungsgericht nicht achten wollen, dann können Sie so stöhnen -: „Voraussetzung für die bestmögliche geistige und seelische Entwicklung von Kindern“ sind die Eltern. - Das sollten wir nicht missachten. Wer das missachtet, macht einen entscheidenden Fehler an dieser Stelle. ({2}) Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sagen: Sie sind mit der Elternschaft nicht gleichzustellen. ({3}) - Stöhnen Sie nicht! Genau so steht es im Urteil des Verfassungsgerichts zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. ({4}) Sie genießen nicht den Schutz der Verfassung. Das muss bei einer solchen Diskussion einmal klargestellt werden, weil es inzwischen vergessen wird. ({5}) Schutz von Ehe und Familie heißt nicht, dass in diesen Schutz Großeltern und Verwandte einbezogen sind; es geht nur um den Schutz der Kleinfamilie. In diesen Schutz einbezogen sind die alleinerziehenden Frauen und diejenigen Eltern, die nicht verheiratet sind; sie genießen den gleichen Schutz. ({6}) - Lassen Sie mich doch in Ruhe reden. Vielleicht ist es ganz günstig, wenn Sie ab und zu auch eine gegenteilige Meinung hören. Wenn Sie sie nicht hören wollen, dann können Sie hinausgehen. ({7}) Es muss in der Demokratie möglich sein, eine gegenteilige Meinung zu hören. Lassen Sie mich fortfahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schutzauftrag, wie er in der Verfassung niedergeschrieben ist, hat zwei Aspekte: Erstens. Der Staat ist nicht berechtigt, allzu schnell in die Freiheitssphäre der Familie einzugreifen. Der Staat ist beschränkt auf sein Wächteramt. Wenn sich irgendwo eine Gefährdung der Kinder abzeichnet, ist es deswegen nicht richtig, dass das Jugendamt sofort kommt und die Kinder wegnimmt. Das geschieht zurzeit in Deutschland. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich. ({8}) Zweitens. Der Staat muss die Familien vor allem fördern. Dabei geht es darum, dass er drei gegenläufige Ziele zu einem Ausgleich zu bringt. Das erste Ziel ist, dass Ehen geschlossen und Familien gegründet werden. ({9}) Das zweite Ziel ist, dass den jungen Menschen die Möglichkeit geboten wird, Geld zu verdienen und in der Wirtschaftsordnung ihre Frau oder ihren Mann zu stehen. Das dritte Ziel ist die Erziehung von Kindern. Berufsausübung und Erziehung von Kindern stehen oft im Gegensatz. Es ist Aufgabe der Politik, zu ermöglichen, dass beide Ziele vereinbar sind: zum einen die Familienpräsenz und zum anderen die Berufsausübung. ({10}) Um das zu gewährleisten, sind eine Menge Dinge zu erledigen. Für uns gilt insbesondere, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir dafür sorgen können, dass es mehr Zeitarbeitsplätze gibt. Ich denke an Telearbeitsplätze, die es den Frauen ermöglichen, daheim präsent zu sein. ({11}) - Das passt Ihnen nicht. Kita ist eine Hilfe, aber kein Ersatz für die Erziehung durch Familie. Wer das annimmt, der ist auf dem Holzweg. ({12}) - Ich weiß schon, was Sie sagen wollen; aber das ist mir ziemlich gleichgültig. Was die Linken sagen, ist hier sowieso ohne Bedeutung. ({13}) - Sie von der Linken haben ein völlig falsches Familienbild. Ihr Familienbild kommt aus dem Marxismus, und der gehört in die Mottenkiste des vorletzten Jahrhunderts. ({14}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wichtige Aufgabe ist es also, diese drei Ziele zu einem Ausgleich zu bringen. Nun kommt es darauf an, dass wir Ehe und Familie den richtigen Rang in unserer Gesellschaft einräumen. Ich glaube, dass dies ein wichtiger Auftrag an die Familienpolitik ist. Die Familienpolitik ist deshalb ein ganz zentrales Feld der Gesellschaftspolitik. Ich danke der Frau Ministerin, dass sie mit so viel Elan ihr Amt wahrgenommen hat. Sie haben unsere Unterstützung. Ich freue mich über den runden Tisch, den Sie zusammen mit Frau Schavan und natürlich auch mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger geschaffen haben. Ich hoffe, dass er zum Erfolg führt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Geis!

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich freue mich über Ihre Initiative zur Familien-Pflegezeit. Wir werden Sie unterstützen. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kai Gehring hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Geis, ich habe mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass auch einem Großteil Ihrer Fraktion ein Teil Ihrer Ausführungen ziemlich peinlich gewesen ist. Ich kann das nachvollziehen. ({0}) Toleranz gegenüber Intoleranz gehört hier wirklich nicht ins Haus. Ich möchte sehr deutlich sagen, dass in RegenbogenFamilien, wo zwei Mütter oder zwei Väter womöglich ein Leben lang verbindlich Verantwortung für Kinder übernehmen und sich fürsorglich um ihre Kinder kümmern, ({1}) übrigens konservative Werte gelebt werden, die Sie eigentlich unterstützen müssten. ({2}) Diese Familien haben denselben Schutz des Grundgesetzes verdient und dieselbe Wertschätzung der Gesellschaft und des ganzen Parlamentes wie alle anderen Familien in diesem Land auch. ({3}) Solange Sie das nicht begreifen, sind Sie in der Neuzeit nicht angekommen. Nun zum Einzelplan 17. Er zeigt ja, dass es der Koalition und auch der Ministerin ziemlich schwerfällt, klare Entscheidungen zu treffen und richtige Prioritäten zu setzen. Es zeigt sich auch, dass die Leitung eines Ministeriums nicht mit der eines Ponyhofes gleichzusetzen ist. Ich wünsche Ihnen insofern künftig ein glückliches Händchen. Ich möchte ein paar kritische Punkte ansprechen. Ich finde es - das sage ich bewusst als Mann schlicht peinlich, dass sich Ministerin Schröder in der Frauenpolitik ausgerechnet von der Privatwirtschaft überholen und vorführen lassen muss. ({4}) Mit der Einführung einer Quote für das Management hat die Deutsche Telekom einen mutigen Schritt in Richtung Gleichstellung in der Privatwirtschaft getan. ({5}) Ministerin Schröder setzt weiterhin auf Unverbindlichkeit und warme Worte; das ist mehr als mutlos. Ich sage als männlicher Feminist für die grüne Bundestagsfraktion: ({6}) Ohne Quote bleiben Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit reine Lippenbekenntnisse. Deutschland kann es sich schlichtweg nicht leisten, die Talente von Frauen weiter zu vergeuden. Frau Schröder, Ihre Frauenpolitik ist von vorgestern. Packen Sie endlich die Gleichstellung in der Privatwirtschaft an! ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Gehring, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Gruß zulassen?

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne.

Miriam Gruß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003760, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Gehring, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass der Fall Telekom ja genau zeigt, dass man jenseits der Einführung einer gesetzlichen Quote Lösungen in Unternehmen finden kann und dass es auch zu diesen Lösungen kommt? ({0})

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich erkenne an und finde es auch toll, dass die Deutsche Telekom als erstes DAX-30-Unternehmen diesen Schritt macht. Dies sollten wir vonseiten der Politik unterstützen und begleiten und uns ganz klar im Sinne eines Gleichstellungsgesetzes auch für eine Quote in der Privatwirtschaft einsetzen. Wir müssen das unterstützen. Wir sehen doch, dass Frauen in Führungspositionen leider immer noch Seltenheitswert haben. ({0}) Es sollte uns allen am Herzen liegen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Deutschland ist hier aber gleichstellungspolitisches Entwicklungsland, was man sowohl in den Großkonzernen als auch in den Universitäten sehr deutlich sehen kann. ({1}) Deshalb muss man sich hier kluge Instrumente und Anreize überlegen, wozu wir immer wieder Vorschläge gemacht haben, die Sie von der Bundesregierung gerne aufgreifen können, um endlich Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Ich möchte noch andere aktuelle Punkte ansprechen. Sie sind eine Krach- und Chaoskoalition, wenn es um die Wehrpflicht geht. Vor lauter Pirouettendrehen allein in den letzten Tagen müsste Ihnen völlig schwindelig sein. Mir fällt es fast schwer, das alles mitzuverfolgen. Aber halten wir einmal fest: Die Union sind die letzten Mohikaner in diesem Parlament, die sich an der Wehrpflicht festklammern. Mit der FDP haben wir in der letzten Legislaturperiode noch gemeinsam für den Ausstieg aus der Wehrpflicht gekämpft. Jetzt ist sie in den Koalitionsverhandlungen umgefallen. Schade! Letztlich gab es mit der Verkürzung auf sechs Monate einen faulen Kompromiss. Ich erwarte aber, dass Herr zu Guttenberg und Frau Schröder sich da zusammensetzen, abstimmen ({2}) und diesem Parlament ein gemeinsames, einigermaßen schlüssiges Konzept vorlegen, statt in den Medien öffentlich herumzudilettieren. So geht das nicht weiter. Die Wehrpflicht ist ungerecht, sie ist sicherheitspolitisch überflüssig, sie ist unvertretbar teuer, und sie ist ein tiefer Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte junger Männer. Deshalb müssen wir da aussteigen. ({3}) Geben Sie endlich Ihr Wehrpflichtdogma auf! Gehen Sie die neuen Wege, die Sie eben angekündigt haben! Die Pflichtdienste haben keine Zukunft mehr, sondern die Zukunft liegt in den Freiwilligendiensten. ({4}) Ich sage Ihnen auch: Die Verlängerungsoption beim Zivildienst ist letztlich eine Verlängerung des Zivildienstes und eine Abkopplung von der Wehrpflicht. ({5}) - Von wegen Freiwilligkeit. Das setzt man dann noch davor. Aber es ist eine Krücke und keine Brücke, und Sie schließen damit auch keine biografische Lücke, wie hier angekündigt wird; das ist Unsinn. Das ist schon jetzt der Fall. ({6}) Sie schaffen es einfach nicht, die Frage nach dem Sinn zu beantworten, den ein sechsmonatiger Wehr- und Zivildienst haben soll. Statt diese Legislaturperiode mit Verkürzungs- bzw. Verlängerungsdebatten zu vergeuden, ({7}) sollten Sie endlich einen Ausstiegsbeschluss herbeiführen. Sie sollten dafür sorgen, dass aus den Pflichtdiensten ausgestiegen und endlich massiv in den Ausbau der Freiwilligendienste investiert wird. ({8}) Als einer der letzten Redner in dieser Debatte sage ich: Hören Sie auf, die Jugendlichen zu ignorieren! Jugendliche kamen heute noch gar nicht richtig vor. ({9}) Wertschätzen Sie zum Beispiel, dass Jugendliche sich beteiligen wollen, dass es ihnen um Partizipation geht. Neulich hatten wir die Abschlusskonferenz zum Bundesprogramm für mehr Jugendbeteiligung. Da erwartet man eigentlich, dass gesagt wird, dass man sich weiter um die Jugendbeteiligung kümmern will. Das ist aber nicht erfolgt. Was geschieht da jetzt? Die Jugendpolitik sollte unter Schwarz-Gelb nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Mit Sachsen wird offensichtlich das erste Bundesland aus der Jugendhilfe aussteigen. ({10}) Das sind sehr bedenkliche Entwicklungen. Man darf nicht auf dem Rücken der Jugendlichen den Haushalt zusammenstreichen. Das müsste eigentlich großer Konsens in diesem Haus sein. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Ich möchte mit einem Appell enden, auch aufgrund der Sprechblasen zum Thema Extremismus. Ich wünsche mir, dass hier endlich Konsens darüber herbeigeführt wird, dass man vor allem gegen Rechtsextremismus kämpfen muss. ({0}) - Gegen links auch.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber wenn im Jahre 2009 über 20 000 rechtsextreme Straftaten

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- ich komme zum Schluss

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Aber definitiv.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- laut Bundeskriminalamt begangen wurden, dann muss hierauf die Priorität liegen. Also hören Sie endlich auf, die Extremisten alle in einen Topf zu werfen, ({0}) und konzentrieren Sie sich auf das, was wirklich wichtig ist: den Kampf gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Thomas Jarzombek hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe in dieser Debatte zwei Beobachtungen gemacht. Erstens finde ich es ziemlich unglaublich, in welcher Art und Weise hier Linksextremismus verharmlost wird. ({0}) - Meine Damen und Herren von den Linken, dass Sie das nicht juckt, ist mir klar. - Aber dass die SPD das so sieht, wie sie es sieht, finde ich erstaunlich; da hätte ich persönlich mehr Anstand an dieser Stelle erwartet. ({1}) Anstatt sich aufzuregen, sollten Sie vielleicht den Vorschlag aufgreifen, den ein Kollege der Linkspartei in der ersten Lesung gemacht hat, nämlich endlich einmal Aussteigerprogramme für die Linkspartei zu etablieren. ({2}) Ich habe heute noch eine zweite Beobachtung gemacht. Wie es um die Familienpolitik bei der Opposition bestellt ist, zeigt die Tatsache, dass alle Vorredner von der Opposition mit Ausnahme des Kollegen Gehring nicht einen Satz zum Thema Kinder und Familie verloren haben. Wir haben hier offensichtlich ein Problem. Wir sind hier nicht der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Ich kann in diesem Zusammenhang nur den amerikanischen Juristen Darrow zitieren, der vor 100 Jahren mit satirischem Unterton sagte: Die erste Hälfte unseres Lebens wird von den Eltern ruiniert, die zweite von den Kindern. Kardinal Frings hat es so ausgedrückt: Die Zukunft des Volkes hängt nicht von der Zahl der Kraftwagen ab, sondern von der Zahl der Kinderwagen. Darüber müssen wir hier sprechen. ({3}) Jeder, der nur ein bisschen finanzpolitisches Gespür in seinen Fingern hat, der muss doch sehen, dass die Schulden dieses Landes nicht nur als Zahl im Haushalt stehen. Die Schulden dieses Landes spiegeln sich in den Geburtenstatistiken wider. ({4}) Wir haben heute eine Geburtenrate von 1,4. Die Frage ist, wie wir alle unsere Aufwendungen in der Sozialversicherung zukünftig decken können, wenn es so weiter läuft. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, da haben Sie, was diese Entwicklung betrifft, sieben Jahre verloren. Erst mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin und mit Ursula von der Leyen als Familienministerin ist hier etwas passiert. In diesen vier Jahren ist der Etat von 4,4 um 50 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro gestiegen. Tatsache ist doch: Unter Rot-Grün gab es für Familie und Kinder keine Lobby. ({5}) Gedönskanzler Schröder hat Ihre Familienpolitiker am langen Arm verhungern lassen. ({6}) Ich kann aus eigener Erfahrung in Nordrhein-Westfalen sagen, was 39 Jahre SPD-Politik für die Familien gebracht haben: eine Betreuungsquote für unter Dreijährige von 2,8 Prozent, die niedrigste in ganz Deutschland. ({7}) Mit Schwarz-Gelb haben wir es in Nordrhein-Westfalen geschafft, die Anzahl der Plätze in fünf Jahren nahezu zu verzehnfachen. ({8}) Wir mussten das aufräumen, was Sie hinterlassen haben. Wir werden an dieser Stelle weitermachen. Denn wir müssen etwas tun. Wir haben schon eine Menge getan, zum Beispiel für die Infrastruktur. Fast 10,5 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket werden bis 2013 in Betreuungsplätze für unter Dreijährige investiert. ({9}) Die rot-grüne Koalition hat im Jahr 2005 eine Quote von 13,7 Prozent hervorgebracht, was die Betreuungsplätze für unter Dreijährige betrifft. Dank Ursula von der Leyen haben wir heute eine Quote von 20 Prozent erreicht. Wir werden 35 Prozent in 2013 erreichen. Dafür steht auch dieser Haushalt. ({10}) Wir tun mehr für die Eltern. Wir als Union haben das Elterngeld eingeführt. Wir werden auch das Teilelterngeld einführen und damit eine gute Weiterentwicklung ermöglichen. Ich nenne weiterhin die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten und nicht zuletzt die Erhöhung des Kindergeldes, die wir mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorgenommen haben. Ich glaube, das ist richtig. Denn in sieben Jahren gab es keine Erhöhung des Kindergeldes, obwohl die Ausgaben für die Kinder von Jahr zu Jahr steigen. Der Focus hat vor einigen Wochen von der Familie eines Hochschuldozenten - er gehört also nicht zum Prekariat - berichtet. Er kann es sich noch nicht einmal erlauben, mit seinen drei Kindern in den Urlaub zu fahren. Es ist daher wichtig, dass wir mehr finanzielle Leistungen für Familien, die sich in der Mitte der Gesellschaft befinden, bereitstellen. ({11}) Damit kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt. Denn wir als Union sind die Einzigen, die den Eltern Wahlfreiheit lassen. Die Geburtenzahlen erlauben es uns nicht, aus ideologischen Gründen nur auf ein ganz bestimmtes Familienmodell zu setzen. ({12}) Wir müssen Eltern Wahlfreiheit bieten. Wenn das Betreuungsgeld - in welcher Form der Umsetzung auch immer - dazu beiträgt, dass insbesondere Familien mit mehreren Kindern, bei denen die finanzielle Lage möglicherweise auch aufgrund einer Teilzeitarbeit sehr schwierig ist, eine bessere Unterstützung von uns bekommen und das wiederum dazu beiträgt, dass wir eine höhere Geburtenrate und mehr Kinder bekommen, dann ist es genau die richtige Politik, die wir als Koalition verabredet haben. ({13}) Deshalb kann ich nach der heutigen Debatte nur das Fazit ziehen: Da, wo die Union regiert, hört man immer mehr Kinder schreien. Da, wo die Linken regieren, hört man höchstens noch die Eltern schreien. Vielen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Jarzombek, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. ({0}) Das Wort hat jetzt die Kollegin Caren Marks von der SPD-Fraktion. ({1})

Caren Marks (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003587, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jarzombek, Sie haben eben gesagt, da, wo die Union regiert, sei es um die Familienpolitik besonders gut bestellt. ({0}) In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo die Union regiert, ist es aber ganz besonders schlecht um den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung bestellt. Das ist und bleibt richtig. ({1}) Zu dem Betreuungsgeld will ich gar nicht mehr viel sagen. Da kann ich mich durchaus der vorherigen Familienministerin, Frau von der Leyen, anschließen. Es ist Unsinn und eine bildungspolitische Katastrophe, und das wird es auch bleiben. ({2}) Frau Ministerin Schröder, Politik ist eigentlich in der Verantwortung, klare Antworten auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu geben. Dies trifft ganz besonders auf unser Ressort, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zu. Die Bekämpfung der Kinderund Familienarmut, die Begleitung des demografischen Wandels, mehr Teilhabe für Jugendliche und die konsequente Gleichstellung von Männern und Frauen: Im Einzelplan 17 finden wir leider kaum Antworten auf diese und weitere Herausforderungen. Im Bereich der Gleichstellungspolitik wird das ganz besonders deutlich. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt skandalöse 23 Prozent. Der Frauenanteil in deutschen Vorständen und Aufsichtsräten ist lächerlich gering. Das schreit geradezu nach einer aktiven Gleichstellungspolitik. Doch was macht die Frauenministerin? - Die Telekom ist mit ihrer aktuellen Entscheidung für eine Frauenquote entschlossener als die zuständige Ministerin. Wer wie Frau Schröder unbeirrt auf Freiwilligkeit in der Wirtschaft setzt, nimmt die Realität in den meisten Unternehmen nicht zur Kenntnis. Die Zeit ist mehr als reif für verbindliche Regelungen. ({3}) Die SPD fordert eine gesetzliche Quotenregelung für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Ich höre schon die konservativen Bedenkenträger: Gibt es denn genügend qualifizierte Frauen für diese Posten? - Erstens ist das der Fall; es gibt sie. Zweitens, wer hat eigentlich nach der Qualifikation der Männer gefragt, meine Herren? ({4}) Bei der Überwindung der Entgeltungleichheit verlässt sich die Ministerin mit einem unverbindlichen Lohnprüfungsverfahren ebenfalls auf das rein freiwillige Handeln einzelner Unternehmen. Auch diesbezüglich gibt es kein entschlossenes Handeln, sondern nur Mutlosigkeit. Die SPD sagt: Wir brauchen endlich ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz. Gerade heute haben Sozialwissenschaftlerinnen noch einmal die Notwendigkeit eines Gesetzes betont. Die jetzige Bundesregierung hat ganz offensichtlich dringenden Beratungsbedarf in Sachen Genderkompetenz. Umso bedauerlicher ist es, dass die schwarz-gelbe Koalition die Förderung des Gender-Kompetenz-Zentrums Mitte des Jahres einstellt und künftig auf gute, wissenschaftliche Politikberatung verzichtet. Die Antidiskriminierungsstelle ist zwar mit genauso viel Geld wie im Vorjahr ausgestattet, ich habe allerdings große Zweifel, ob die Bundesregierung eine zielführende Antidiskriminierungspolitik wirklich will. Denn der Kurs, den Sie, Frau Ministerin, auf EU-Ebene verfolgen, ist ein Trauerspiel. Sie blockieren in Brüssel eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie. ({5}) Das ruft sogar öffentliche Proteste von Amnesty International hervor. ({6}) Über die 5 Millionen Euro für die Evaluation von familienpolitischen Leistungen kann man sich nur wundern. Mein Kollege hat das schon angesprochen. Vielleicht ist es ratsam, Frau Schröder, dass Sie mit Ihrer Amtsvorgängerin sprechen. Sie hatte eine solche Evaluation bereits in Auftrag gegeben, die Ergebnisse liegen massenweise vor und sind keineswegs veraltet. Es mangelt nicht an Daten, sondern an Ihrem politischen Gestaltungswillen. ({7}) Ja, es ist richtig: Familien wünschen sich bei der Pflege mehr Unterstützung. Im wahrsten Sinne des Wortes „sparsam“ ist das unausgereifte Konzept der Ministerin zur Pflegeteilzeit für pflegende Angehörige. Der O-Ton der Ministerin ist entlarvend. Sie sagt: Der Pflegeversicherung käme die Familienpflegezeit langfristig zugute; denn Pflege zu Hause koste weniger als im Heim. „Hört, hört!“, sage ich da nur. Erschreckend ist die fehlende Reflexion darüber, dass es in den allermeisten Fällen die Frauen sind, die Angehörige pflegen. Frauen sind häufig im Niedriglohnsektor zu finden. Wer von ihnen kann ohne Kompensation vier Jahre lang von 75 Prozent des Gehaltes leben? Das Angebot geht an der Lebenswirklichkeit vieler vorbei. ({8}) Ich frage mich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union, warum Sie die von der SPD geforderte bezahlte Pflegezeit von zehn Tagen nach wie vor ablehnen. Gerade zu Beginn der Pflege, die in der Regel von heute auf morgen notwendig wird, brauchen Familien Zeit, um Informationen und Hilfe zu suchen und sich auf die neue Situation einzustellen. Es bleibt festzustellen: Auch in der Haushaltspolitik entzieht sich die Bundesregierung der Verantwortung. Sie handeln nicht dort, wo es nötig ist, sie zaudern und prüfen, bestenfalls hören wir Appelle an Wirtschaft und andere. Ich wünsche mir für die Menschen in unserem Land, dass sich die Ministerin Schröder den Herausforderungen unserer Zeit stellt. Wir alle, vor allem wir Frauen, erwarten zu Recht konkretes Handeln statt ein Herumstochern im Nebel. Vielleicht wird es ja noch etwas. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1036? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke und Enthaltung der SPD-Fraktion. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 17 ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.17 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung - Drucksachen 17/620, 17/623 Berichterstattung: Abgeordnete Eckhardt Rehberg Ulrike Flach Priska Hinz ({0}) Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir am Freitag im Anschluss an die Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Klaus Hagemann von der SPD-Fraktion. ({1})

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt gleich 19.15 Uhr und wir beraten den Einzelplan 30, den Haushalt, der zukunftsgerichtet ist. Die Medien haben kein Interesse mehr. Ich freue mich, dass Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, noch so zahlreich hier sind und der Debatte folgen. ({0}) Man sollte vielleicht einmal überlegen, ob man dieses Thema im Rahmen der Beratungen des Haushaltes 2011 nicht etwas früher behandeln sollte. Bei diesem Haushaltsentwurf muss ich, wie in der ersten Lesung, feststellen: Viele Titel sind gesperrt. Sie sind während der Haushaltsberatungen nicht entsperrt worden, Frau Ministerin. Es sind sogar noch zusätzliche Sperren durch die schwarz-gelbe Koalition hinzugekommen. Weil nicht genügend ausgereifte Konzepte vorliegen, hat die Koalition entsprechende Sperren vorgenommen. Was nützen die schönen Ankündigungen, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben und in den Medien immer wieder dargestellt werden, und was ist das Gerede vom Gesamtkunstwerk wert - davon hat Kollege Barthle am Dienstag gesprochen -, wenn nicht konkrete Politik dahintersteht? ({1}) Man kann es als Mangel bezeichnen, wenn keine klaren Konzepte vorliegen und man nicht sehen kann, wie es mit den Projekten im Jahr 2011 überhaupt weitergehen soll. Wir wissen zwar, wie schwierig die Haushaltslage ist, aber es ist nicht gut, dass keine mittelfristige Finanzplanung vorgelegt worden ist. Dadurch entsteht gerade im Forschungsbereich und im Bildungsbereich, die auf unser Geld angewiesen sind, Unsicherheit, weil man nicht weiß, wie es mit der Finanzierung der Projekte weitergeht. Wir wissen, dass vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 ({2}) nicht gestrichen werden soll, jedoch keine Klarheit darüber herrscht, was danach geschieht. Ich sehe nur die Gefahr, dass das, was vor der Wahl gesperrt wurde - so hieß es dieser Tage -, nach der Wahl gestrichen wird. Ich frage: Ist es so? ({3}) Der Schuldenberg ist gewachsen. Sie legen noch einmal 80 Milliarden Euro obendrauf. (Patrick Meinhardt ({4}): Wie viel wollten Sie drauflegen? Sie müssen einmal die Zinsen bezahlen. Die Schuldenbremse greift außerdem im nächsten Jahr. Da sind mit 10 Milliarden Euro zusätzlichen Einsparungen schon erhebliche Dinge zu beachten. ({5}) - Ihr habt die Mehrheit, und ihr habt entsprechende Vorschläge zu machen. Doch die hat auch Herr Schäuble in seiner Rede am Dienstag nicht vorgetragen. Es ist kein klares Konzept vorgelegt worden. Die Financial Times Deutschland, nicht gerade der Hort der Sozialdemokratie, ({6}) schreibt, dass nicht einmal die Andeutung eines Konsolidierungskonzeptes durch den Finanzminister vorgelegt wurde. ({7}) In der 16. Legislaturperiode, also während der Großen Koalition, haben wir bei den Haushaltsberatungen - jetzt wollte ich den Kollegen Willsch als Zeugen aufrufen, aber er ist nicht da - immer noch Geld obendraufgepackt. ({8}) Ich verweise auf das BAföG. Dort haben wir im parlamentarischen Verfahren erhebliche Mittel obendraufgepackt. ({9}) Jetzt sind durch die Koalition sogar Mittel gestrichen worden ({10}) - ob das Ihre Leistung ist, weiß ich nicht -, beispielsweise beim Titel „Klimaforschung und Lebensraum Erde“ haben Sie 4,5 Millionen Euro gestrichen. Liebe Frau Flach, in den Bereichen, in denen es deutliche Kürzungen geben könnte, beispielsweise bei der Öffentlichkeitsarbeit oder beim Personalaufbau, haben Sie im Gegensatz zur Oppositionszeit jetzt keine Kürzungsanträge gestellt. Die hätten wir gerne unterstützt. Ich muss sagen: Die FDP ist als Tiger in der Opposition gestartet und als Bettvorleger in der Koalition gelandet. ({11}) - So ist es. Wenn man keine Konzepte hat, kann man das sagen, lieber Kollege Meinhardt. In den zurückliegenden Jahren hatte das Parlament 500 Millionen Euro mehr bewilligt, als im Laufe der Zeit ausgegeben worden sind. Da muss man noch einmal genauer hinschauen. Sie haben über die globale Minderausgabe hinaus nicht alles Geld, das das Parlament zur Verfügung gestellt hatte - in der letzten Legislaturperiode 500 Millionen Euro -, verausgabt. Das fehlt natürlich Kindern, Jugendlichen, Bildung und Forschung. Darauf müssen wir genauso hinweisen wie auf die Flops, die wir festzustellen haben. Die Forschungsprämie ist zu nennen. Ebenso das Technikum: 4 Millionen Euro Ausgaben, ein Praktikumsplatz, nein, zwischenzeitlich sind zwei entstanden, habe ich gehört. ({12}) Unter anderem ist auch - das ist nicht lächerlich; das ist alles vom Rechnungshof festgestellt - die fehlende Kontrolle der Bewilligungsbescheide durch das Ministerium zu nennen. Das alles müssen wir in Erinnerung rufen dürfen, lieber Kollege. ({13}) Wir dürfen darauf hinweisen, dass ihr von Schwarz-Gelb hier viel zu tun und im Ministerium darauf hinzuweisen habt. ({14}) Die Ausgaben für die atomaren Altlasten in den Forschungsreaktoren sind erneut gestiegen und steigen weiter. Sie steigen ins Unermessliche; mit 4 Milliarden Euro ist dafür zu rechnen. Die Atomwirtschaft in HammUentrop lässt grüßen. Sie wird nicht herangezogen, oder wenn, dann nur ein wenig. Diese Punkte sind als negativ herauszustellen. ({15}) In der Großen Koalition und auch unter Rot-Grün haben wir einiges bewegt und nach vorne gebracht, dessen Ernte Sie jetzt einbringen können. Die Exzellenzinitiative ist gestartet worden. Der Pakt für Forschung und Innovation wurde unter Rot-Grün gestartet. ({16}) Die Hightech-Strategie wurde in der Großen Koalition gestartet. Herr Fischer, der Rechnungshofbericht zur Umsetzung des Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität liegt jetzt vor. Da ist festzustellen, dass bisher nur wenig Geld verausgabt worden ist. Der Hochschulpakt I ist zu nennen. Mehr Studienplätze wurden geschaffen. Nordrhein-Westfalen ist dabei stark im Rückstand. Rheinland-Pfalz, mein Bundesland, hat 50 Prozent mehr Studienplätze geschaffen, als es sich verpflichtet hatte. Das muss positiv erwähnt werden. ({17}) Der Clusterwettbewerb und viele andere Punkte sind zu nennen. Ich darf noch einmal an das Ganztagsschulprogramm erinnern. Es ist notwendig, dies fortzusetzen. Das hat auch Frau von der Leyen am Dienstag gesagt. Das Ganztagsschulprogramm musste damals gegen heftigsten Widerstand von Union und FDP durchgesetzt werden. ({18}) Frau Schavan, ich finde es ganz toll, dass Sie im Handelsblatt dafür einstehen, für Grundschulen 1 Milliarde Euro mehr bereitzustellen. ({19}) Ich finde es gut, dass Sie das ankündigen. Aber Sie haben zurzeit keine Kompetenz, das durchzusetzen. Denn das Kooperationsverbot im Grundgesetz steht dagegen. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Kooperationsverbot aus dem Grundgesetz streichen. Dann kann das Versprechen von Frau Schavan auch umgesetzt werden. ({20}) Wir haben versucht, unser Wahlprogramm durch Haushaltsanträge umzusetzen. Wir haben Anträge eingebracht, in denen wir fordern, dass das BAföG deutlich erhöht wird und dass für eine „gute Lehre“ an den Hochschulen mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. ({21}) - Es ist gegenfinanziert, lieber Herr Kollege Schirmbeck.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Hagemann.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir hätten mit unserem Konzept sogar weniger Schulden aufgenommen als ihr. Wir sind nur - in Anführungszeichen - bei 77 Milliarden Euro gelandet, ({0}) während ihr bei 80 Milliarden Euro liegt - Schuldenrekord! ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir werden darauf hinarbeiten, dass unsere genannten Initiativen und Anträge berücksichtigt und in Politik umgesetzt werden. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hagemann, es ist immer sehr leicht, uns auf der einen Seite mangelnden Sparwillen vorzuwerfen - das haben Sie gerade wieder getan; aber Sie arbeiten mit Buchungstricks in den Einzelplänen 32 und 60 ({0}) und sich auf der anderen Seite zu beklagen, dass hier und da womöglich gestrichen worden ist. Dieser Haushalt, Einzelplan 30, ist ein Aufwuchshaushalt. Dieser Haushalt für 2010 wächst im Vergleich zu 2009 um 660 Millionen Euro. ({1}) Die Bundesregierung, die Regierungsfraktionen haben Wort gehalten. In der Krise wollen wir Bildung und Forschung stärken. Das ist die Überschrift für diesen Einzelplan. ({2}) Wenn wir als Haushälter uns darüber unterhalten, wie denn die Steuermittel, die im Einzelplan 30 im Bereich der Forschung eingestellt worden sind, eingesetzt werden und welche Wirkungen sie entfalten, dann muss man sich überlegen, Herr Kollege Hagemann, ob das wirklich die Ernte der Saat ist, die Sie in den Boden gebracht haben, oder ob das die Ernte ist, die seit dem Jahr 2005, seit Annette Schavan das Bildungs- und Forschungsministerium führt, in den Boden gebracht wurde. ({3}) Wenn man sich die Entwicklung im Bereich der Projektförderung ansieht, stellt man fest: Hier ist ein Aufwuchs zu verzeichnen. Im Jahr 2005 gab es 11 500 Einzelprojekte, heute gibt es 18 000. Das ist die erste Schavan-Kurve, die ich Ihnen aufzeige. ({4}) Noch deutlicher wird diese Entwicklung am Aufwuchs der Mittel für die Projektförderung. ({5}) Im Jahre 2004, also zu Ihrer Regierungszeit, waren es 1,8 Milliarden Euro, heute sind es 3,4 Milliarden Euro. Das ist die zweite Schavan-Kurve, die ich Ihnen vorhalte. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Betrag von 3,4 Milliarden Euro sagt eigentlich gar nichts aus. Die Frage ist doch: Welche Wirkungen entfalten diese Mittel? ({7}) Herr Kollege Hagemann, insgesamt 130 Berichte musste uns das Ministerium innerhalb weniger Wochen zustellen; fünf Berichtsanträge davon waren von der Regierungsfraktionen. Einer dieser Berichte ist hochinteressant. Darin geht es um die Wirkungen des 6-MilliardenEuro-Programms und der Hightech-Strategie. Wenn Sie sich diesen Bericht genau ansehen, stellen Sie fest, dass darin die Wirkungen für die einzelnen Bereiche aufgeführt sind: Umwelttechnologie 1,5 Millionen Arbeitsplätze, optische Technologien 110 000 Beschäftigte. Aber das ist nicht mein zentraler Punkt. Mein zentraler Punkt ist, dass von externen Gutachtern nachgewiesen wurde, dass mit jedem im Bundeshaushalt eingesetzten Euro im Durchschnitt 5,20 Euro aufseiten der Wirtschaft aktiviert wurden. Das heißt, 600 Millionen Euro, die im Jahre 2009 investiert wurden, haben aufseiten der Wirtschaft 3 Milliarden Euro aktiviert. Das ist aus meiner Sicht der Sinn von Politik: dass wir Mittel einsetzen und dadurch die Wirtschaft angeregt wird. In diesem Fall hat sie die von uns eingesetzten Mittel sogar verfünffacht. ({8}) Besonders abstrus finde ich in diesem Zusammenhang den Antrag der Linken. Darin wird ernsthaft vorgeschlagen, bei der industrienahen Innovationsförderung 216 Millionen Euro zu streichen. Das betrifft zwar den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums, das ZIM, aber ich frage Sie: Haben Sie sich wirklich gut überlegt, was Sie da formuliert haben, Herr Kollege Leutert? Sie schreiben, diese Mittel sollten für strukturschwache Regionen, für Klimaschutz und Ökologie zur Verfügung gestellt werden. Wissen Sie eigentlich, dass ein Drittel der ERP-Mittel in die Bereiche Ökologie und Klimaschutz fließt? Wissen Sie eigentlich - das sage ich im Hinblick auf die strukturschwachen Regionen -, dass im Jahr 2009 insgesamt 742 Millionen Euro aus dem ZIM abgeflossen sind und davon ein Drittel, also etwa 250 Millionen Euro, in die neuen Bundesländer geflossen ist? Das, was Sie in Ihrem Antrag zur Hebelwirkung bei den Arbeitskräften und zur Umsatzgenerierung schreiben, können Sie nicht ernst meinen. 80 Prozent der Mittel dieses Programms kamen kleinen und mittelständischen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten zugute. Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir das tun würden! Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Linken, ich kann Ihnen nur den Rat geben: Ziehen Sie diesen unsinnigen Antrag zurück. Diese Maßnahmen hätten verheerende Folgen, insbesondere für die neuen Bundesländer. ({9}) Wir haben etwas anderes getan - dafür bedanke ich mich ganz ausdrücklich beim Ministerium und bei den Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppen Bildung und Forschung von CDU/CSU und FDP -: Wir haben die Mittel für die Innovationsförderung in den neuen Bundesländern um 6 Millionen Euro aufgestockt; denn diese Mittel werden gut abgerufen. ({10}) Damit werden 17 Verbundprojekte in den neuen Ländern gefördert. Hinzu kommen die Hebelwirkungen, die ich dargestellt habe. Aufgrund der demografischen Entwicklung, des Rückgangs der Geburtenzahlen und des Rückgangs der Schulabgängerzahlen haben wir uns darüber hinaus Gedanken gemacht: Was können wir tun, damit auch die Hochschulen in den neuen Ländern Mittel und Möglichkeiten haben, für sich zu werben? Wir haben eine Hochschulmarketingkampagne speziell für die Hochschulen in den neuen Bundesländern initiiert und dafür 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Herr Kollege Hagemann, all das ist auch gegenfinanziert. Wir haben uns auch gefragt: Die Investitionen in welche Zukunftstechnologien müssen wir erhöhen? Die Mittel für die Entwicklung energieeffizienter Antriebstechnologien werden um 1 Million Euro, die Mittel für die Biotechnologie um 5 Millionen Euro und die Mittel für die biomedizinische Forschung um 3 Millionen Euro erhöht. Wir haben hier umgeschichtet und im Bereich der Forschung Prioritäten gesetzt, weil wir fest davon überzeugt sind, dass gerade der Bereich der Forschung gestärkt werden muss, damit Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit und seine Exportfähigkeit behält und ausbaut. ({11}) Herr Kollege Hagemann, damit hier keine Märchen aufkommen: Die nicht geprüften Verwendungsnachweise sind eine Erblast von Rot-Grün. Ich will Ihnen das ganz kurz mit einigen Zahlen belegen: 2005 waren knapp 4 000 Nachweise offen, 2009 noch 1 924, also knapp 2 000. Zugleich - ich habe das deutlich gemacht - hat sich die Anzahl der Projektförderungen in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Das heißt, das Schavan-Ministerium musste erst einmal den Müll aufräumen, den RotGrün hinterlassen hat. ({12}) Wenn Sie hier versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass diese offenen Nachweise ein Versäumnis des BMBF unter Annette Schavan sind, kann man entgegenhalten, dass diese Zahlen und der Bericht des Bundesrechnungshofes Ihre Behauptung deutlich widerlegen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Rehberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagemann?

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Hagemann, bitte.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Rehberg, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in dem abgestimmten Bericht des Bundesrechnungshofes - nach einer heftigen Diskussion im Haushaltsausschuss; Sie erinnern sich - auch steht, dass erneut Fälle dazugekommen sind und es noch einen riesigen Rückstand gibt, dass Bewilligungsbescheide nicht in der vorgeschriebenen Zeit kontrolliert worden sind? Wollen Sie das zur Kenntnis nehmen?

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das kann ich nicht zur Kenntnis nehmen; denn der Sachstand ist: 2005 waren 4 000 Nachweise offen, heute knapp 2 000. Das heißt, die Zahl der Altfälle wurde halbiert. Außerdem sind pro Jahr zwischen 3 000 und 4 000 neue Projektförderungen hinzugekommen. Das heißt, es müssen neue Nachweisprüfungen durchgeführt werden. Was Sie zu sagen versäumt haben: 2005 waren - nach meiner Kenntnis - nur noch ein oder zwei Mitarbeiter damit befasst, die Verwendungsnachweise zu prüfen. Die Personalaufstockung von heute dient unter anderem dazu, sicherzustellen, dass Projektförderungen sachgerecht geprüft werden können, und selbstverständlich vorab, damit überhaupt Projektförderungen initiiert werden können. Wir räumen hier in zweierlei Hinsicht die Altlasten weg, die Sie hinterlassen haben. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Rehberg, auch die Kollegin Sitte hat das Bedürfnis, Ihnen eine Frage zu stellen. Erlauben Sie das?

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege, ich möchte Ihnen keine Frage stellen, sondern, wie es nach der Geschäftsordnung möglich ist, eine Zwischenbemerkung machen. Sie haben vorhin kritisiert, dass wir in unserem Punkt 8 eine Kürzung bei der technologieorientierten Innovationsförderung vorgeschlagen haben. Erstens handelt es sich um eine Kürzung der Steigerung, die Sie vorgesehen haben. ({0}) - Ja, das muss man einmal sagen. - Zweitens haben wir uns vor allem auf die Bereiche konzentriert, in denen die Abflüsse in den vergangenen Jahren vor allem an große Unternehmen gegangen sind, die bereits technologiestark sind. Wir haben dann vorgeschlagen - damit mache ich Sie auf einen Fehler beim Lesen aufmerksam -, dass die Projektförderung des Bundes - ich zitiere - an Kriterien wie Unterstützung strukturschwacher Regionen, Klimaschutz, Ökologie und öffentliche Gesundheit gekoppelt werden. - Da gibt es, wenn ich Sie richtig verstanden habe, keine Differenzen. Sie haben aus diesem Antrag aber offensichtlich das Gegenteil herausgelesen. Insofern lege ich Wert auf diese Korrektur. Und Sie haben den letzten Satz unterschlagen. Wenn wir alle wissen, dass der Haushalt, der zur Verfügung steht, nicht unbegrenzt ist, muss man in der Tat politische Prioritäten setzen. Die politische Priorität, die wir setzen, besteht darin, diese Mittel umzuverteilen, sie dem Bildungs- und Hochschulsektor zugutekommen zu lassen. Wir wissen doch, dass dieser Sektor massiv unterfinanziert ist und in der nächsten Zeit, insbesondere auf dem zweiten Bildungsgipfel, über Verbesserungen verhandelt wird.

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Sitte, es tut mir leid: Ein Minus ist bei mir immer noch ein Minus. ({0}) Wir haben uns politisch dafür entschieden, die Mittel für die Innovationsförderung zu steigern. Wenn Sie vorschlagen, diese Mittel um 216 Millionen Euro zu kürzen, dann sind das 216 Millionen Euro weniger. ({1}) Frau Kollegin, Sie müssen doch bitte einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir im Bildungsbereich einen Aufwuchs um 400 Millionen Euro veranschlagt haben. ({2}) - Entschuldigung, 350 Millionen Euro. 400 Millionen Euro sind es bei der Forschung. Sorry, ich korrigiere mich hier gerne. Frau Kollegin Sitte, kommen Sie mir bitte nicht mit Haushalts- und Fiskalpolitik. Sie haben im Gesamtetat 2010 einen Aufwuchs von 45 Milliarden Euro beantragt. ({3}) Allein für den Einzelplan 30 haben Sie 1,3 Milliarden Euro mehr beantragt. Das halte ich nicht nur für politisch fragwürdig, sondern ich halte es auch für unverantwortlich, eine solche Politik auf Kosten der Kinder und Kindeskinder zu machen, Frau Kollegin Sitte. ({4}) - Herr Leutert, ich sage Ihnen nur eines losgelöst von der Bildungs- und Forschungspolitik: Allein der Zuschuss für den Gesundheitsfonds und die Arbeitslosenversicherung beträgt insgesamt 18 Milliarden Euro. Dafür verwenden wir Steuermittel, wodurch wir alles belasten: zum Beispiel Mieten und Pachten und insbesondere die hohen Einkommen, weil 60 Prozent der Steuern von den 10 Prozent der Steuerpflichtigen gezahlt werden, die am meisten Steuern bezahlen. Wir erhöhen eben nicht die Arbeitslosenbeiträge oder die Versicherungsbeiträge, wodurch der kleine Mann belastet würde. ({5}) - Nein, wir machen das ganze Gegenteil. In diesen 80 Milliarden Euro stecken die 18 Milliarden Euro sehr wohl mit drin. ({6}) Die ganze Gesellschaft hat eine Herausforderung zu bestehen, und zwar den massiven Rückgang der Zahl der Geburten und damit den massiven Rückgang der Zahl der Schulabgänger. In dem Haushalt werden genau hier Prioritäten gesetzt, obwohl - das sage ich ganz ausdrücklich - Schulpolitik nicht Bundessache ist. ({7}) Der Bund und die Koalitionsfraktionen stellen sich aber diesen Herausforderungen. Eine Herausforderung ist unter anderem - das hängt beides zusammen -, dass im Schnitt 8 Prozent der Schulabgänger - in der Spitze sind es 12,7 Prozent - keinen Schulabschluss haben. Die durchschnittliche Rate von Ausbildungsabbrüchen beträgt knapp 22 Prozent; es geht bis zu 26 Prozent. Gerade im Bildungsbereich müssen Sie sich die Aufwüchse anschauen. Herr Kollege Hagemann, es ist jetzt Mitte März. Vor fünf Monaten wurde die Bundesregierung gebildet. Deswegen bringen wir als Haushälter selbstverständlich Sperren aus - das ist unser gutes Recht -, ({8}) weil wir fragen wollen, wie effizient die Programme sind, die es geben wird. Ich denke, dass genau dies die richtigen Ansätze sind. Ich nenne zum Beispiel die Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens mit 95 Millionen Euro, die Sprachförderung, die außerschulische Bildung, die frühkindliche Bildung, die Gestaltung der neuen Ganztagsschulangebote, lokale Bildungsbündnisse und das Förderprogramm „Lernen vor Ort“. Daneben investieren wir 370 Millionen Euro in die berufliche Bildung. Wir wollen die Berufsorientierung nach der 7. Klasse stärken und fördern, damit es nicht mehr zu so vielen Abbrüchen kommt. Ich denke, genau dies ist die richtige Politik. Ein Letztes, das Thema BAföG. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Entschuldigen Sie einen kleinen Moment, Herr Kollege Rehberg. - Zwischenfragen sind erwünscht, aber wenn es zu viele werden, dann entsteht ein falscher Eindruck der Debatte. ({0}) Ich frage Sie jetzt noch einmal: Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rossmann?

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte jetzt zum Schluss kommen. ({0}) Da die Uhr weitergelaufen ist, Herr Präsident, erhöhe ich meine Redezeit mit Ihrem Einverständnis noch einmal um 30 Sekunden. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ja.

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ganz kurz noch zum BAföG. Da Sie sich als SPD hier hinstellen und über BAföG-Steigerungen reden, lassen Sie mich eines noch kurz andeuten: In Ihrer Regierungszeit stieg das BAföG für die Studierenden innerhalb von sieben Jahren um 34 Euro, unter Ministerin Schavan stieg es für die Studierenden innerhalb von fünf Jahren um 108 Euro. Das heißt, bei uns stimmen Anspruch und Wirklichkeit und bei Ihnen nicht. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der Kollege Rossmann wünscht jetzt das Wort zu einer Kurzintervention. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde darf ich Sie aber bitten, in Zukunft auf zu viele Zwischenfragen und Kurzinterventionen zu verzichten. ({0}) Herr Rossmann, Sie haben das Wort. Bitte.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, diese Kurzintervention ist darin begründet, dass wir als Opposition aufmerksam zuhören, wenn etwas gänzlich Neues verkündet wird. Eben war nämlich die Rede davon, dass es ein neues Ganztagsschulprogramm geben soll. Weil die Ganztagsbetreuung in Deutschland so wichtig ist und wir alle in diesem Hause wissen, dass sie mit Gerhard Schröder und Edelgard Bulmahn ihren Anfang genommen hat, die dafür 4 Milliarden Euro bereitgestellt haben, interessiert es uns natürlich, wenn ein Abgeordneter der hochmächtigen Regierungsfraktion jetzt ein neues Ganztagsschulprogramm ankündigt. Deshalb sind wir ausgesprochen interessiert daran, zu hören, mit wie vielen Milliarden Euro Ihr neues Ganztagsschulprogramm ausgestattet ist. Im Übrigen würde ich in dieser Kurzintervention gern noch darauf hinweisen, dass immer gesagt wird, es gebe einen Verzug in Bezug auf innovative Maßnahmen. Ich möchte die Kollegen der jetzigen Mehrheitsfraktionen daran erinnern, dass wir schon viel weiter gewesen wären, wenn Sie den Vorstoß, den Gerhard Schröder damals gemacht hat, mitgetragen und ihn nicht dreieinhalb Jahre blockiert hätten. Dieser sah nämlich vor, 6,6 Milliarden Euro aus der Eigenheimzulage in Innovation für Bildung und Forschung umzuwidmen. Wenn Sie diese Mittel freigegeben hätten, wäre das eine gute gemeinsame Bilanz geworden. ({0}) Wir dürfen mit Recht feststellen, dass wir gemeinsam für das BAföG streiten. Die ganze Wahrheit ist aber, dass es bei diesem Thema in der Großen Koalition gewiss ein bisschen Gerangel gegeben hat. Wenn aber jemandem das Verdienst gebührt, die BAföG-Reform der Großen Koalition gegen verschiedene Widerstände am Ende durchgesetzt zu haben, dann geht der Blumenstrauß an Peter Struck, den damaligen Fraktionsvorsitzenden. Er hat diesen Weg nämlich mit freigemacht. Es wäre nur ehrlich, dass wir anerkennen, es hat eine Leistung in der Großen Koalition gegeben, und Sie anerkennen: Da hat die SPD und ihr Fraktionsvorsitzender der Bundesbildungsministerin einen gehörigen Schub gegeben, als es darum ging, sich gegen den Finanzminister und dessen Kalkulationen durchzusetzen. Diese Ehrlichkeit darf man einfordern, wenn wir einen sachlichen Aussprachekreis in Bezug auf die Bildung und Forschung in den letzten Jahren und in der Zukunft pflegen wollen. Danke schön. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich erteile Herrn Rehberg zur Erwiderung das Wort.

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich halte mich, wie versprochen, kurz. Zum BAföG: Herr Kollege, ich bin immer dafür, dass wir unsere Erfolge gemeinsam verkaufen. Ich wende mich aber dagegen, dass man so tut, als ob man in Bezug auf das BAföG auf einmal den Stein der Weisen erfunden hat, und anderen vorwirft, nichts oder zu wenig zu tun. ({0}) Wir können beide gern in eine Diskussion über die Steuerpolitik von Rot-Grün einsteigen. Da fällt mir insbesondere ein Ereignis ein: ({1}) die Steuerreform 2000. Sie haben für die steuerliche Freistellung der Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gestimmt. Das Minus bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer betrug 24 Milliarden Euro. Kumulativ waren das 120 Milliarden Euro. Wenn Sie das nicht getan hätten, dann hätten Sie in Ihrer rotgrünen Zeit genug Geld gehabt, um mehr für Bildung und Forschung zu tun. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Michael Leutert von der Fraktion Die Linke. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, der hier vorgelegte Haushalt ist durch drei Merkmale gekennzeichnet. Erstens: Alte Probleme werden nicht angegangen. Zweitens: Fehlentwicklungen werden nicht korrigiert. Drittens: Sie verwechseln Überschriften mit Konzepten. Zum ersten Punkt: Seit Jahren ist allen das Problem des Fachkräftemangels bekannt. Lösen kann man es unter anderem durch Weiterbildung. Viele Menschen mit geringem Einkommen - das gilt insbesondere für die über 30-Jährigen - können sich die Weiterbildung aber nicht leisten. Genau aus diesem Grund brauchen wir ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz: um den Betroffenen finanziell unter die Arme zu greifen. ({0}) Das hat im Übrigen schon 2004 eine unabhängige Expertenkommission der Bundesregierung festgestellt. Sie hat den exakt gleichen Weg vorgeschlagen. Getan hat sich vonseiten der Regierung aber nichts. Wir Linken haben wiederholt einen Antrag gestellt, den Sie im Ausschuss aber leider abgelehnt haben. Ein zweites Beispiel für nicht angegangene alte Probleme ist der Hochschulpakt. Auch hier ist seit langem bekannt, dass es eine Diskrepanz zwischen ständig steigenden Studierendenzahlen und einer zu geringen Anzahl an zur Verfügung stehenden Studienplätzen gibt. Darauf wurde schon im Jahr 2006 durch die Hochschulrektorenkonferenz hingewiesen. Zur Lösung des Problems wurde ein Mehrbedarf von 2,3 Milliarden Euro - und zwar jährlich - festgestellt. Im vorgelegten Haushalt werden für die Verbesserung der Studienkapazitäten gerade einmal 250 Millionen Euro eingeplant. Aber auch hier haben Sie die Möglichkeit, dem Antrag der Linken zuzustimmen. Zum zweiten Punkt: Fehlentwicklungen, die nicht korrigiert werden. Seit Jahren weisen wir Linken darauf hin, dass es notwendig ist - Herr Kollege Rehberg, wir hatten das Thema gerade -, bei Förderinstrumenten auf Synergieeffekte zu setzen. Wenn man zum Beispiel beim Spitzenclusterwettbewerb Forschung und Entwicklung als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern will, dann sollte auch die Förderung strukturschwacher Regionen als Kernaufgabe enthalten sein. Wenn dem nicht so ist, gewinnen wirtschaftlich eh schon stark entwickelte Regionen. Man sieht das, wenn man einen Blick auf die Liste der Gewinner der zweiten Runde des Spitzenclusterwettbewerbs wirft: Dort ist kein ostdeutsches Projekt mehr vertreten. Wir sagen Ihnen deshalb ganz klar: Sie sollten die für den Spitzenclusterwettbewerb vorgesehenen zusätzlichen Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro besser für die Förderung der Forschung an Fachhochschulen ausgeben. Gerade in strukturschwachen Regionen trägt die anwendungsnahe Forschung zur Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen bei. ({1}) Zum dritten Punkt: Wo sind die Konzepte, die zu den Titeln gehören? Man muss schon sagen: Respekt! Ich habe es im Haushaltsausschuss ebenfalls angesprochen: Die Abteilung Überschriften hat zumindest in quantitativer Hinsicht sehr gut gearbeitet. Es ist die Rede von Bildungsbündnissen, -allianzen und -pakten, die geschmiedet werden sollen, von Zukunftskonten, Bildungsschecks usw. Die Konzepte dazu haben wir aber nicht bekommen. Wenn es Vorüberlegungen gibt, lassen sie nichts Gutes erahnen. Das möchte ich an zwei Beispielen aufzeigen. Erstens: die lokalen Bildungsbündnisse. Dafür wollten Sie 32 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Kollegen aus Ihren Fraktionen haben die Summe in ihren Verhandlungen schon auf 21 Millionen Euro zusammengekürzt. Bis heute habe ich auf meine mehrmaligen Nachfragen nach den Konzepten keine Antwort bekommen. Herr Kollege Rehberg, Sie hatten so schöne Schavan-Diagramme dabei; ich habe zwei Schavan-Berichte mitgebracht. Ich habe zum einen eine halbe DINA-4-Seite erhalten. Die Kernaussage steht im letzten Satz: Derzeit wird ein detailliertes Förderkonzept erarbeitet. Zweitens: Zukunftskonten. Hier liegt ebenfalls kein Konzept vor. In diesem Fall habe ich eine Antwort von nicht einmal einer halben Seite, den zweiten SchavanBericht, erhalten; ich habe ihn mitgebracht. Hier steht, dass Gelder für die vorbereitenden Aktivitäten zur Entwicklung eingeplant werden sollen. Hier wird allen Ernstes von uns erwartet, dass wir Projekten zustimmen, für die es keine Konzepte gibt und bei denen wir nicht wissen, wohin die Reise gehen soll. ({2}) Frau Ministerin, das, was man den knappen Zeilen der beiden Blätter entnehmen kann, zeigt allerdings, in welche Richtung in Ihrem Haus gedacht wird: Letztendlich planen Sie eine weitere Privatisierung der Bildungsvorsorge. Durch den ganzen Haushalt zieht sich der Gedanke: Wer Bildung will, soll in Zukunft dafür bezahlen. Es ist hier hinlänglich bekannt, dass Sie für Studiengebühren sind. ({3}) Ich halte es aber schon für ein starkes Stück, dass Eltern jetzt auch noch Bildungskonten für ihre Kinder - ähnlich der Riester-Rente oder einem Bausparvertrag - anlegen sollen. Dabei ist völlig ungeklärt: Was passiert eigentlich mit den Leuten, die nicht sparen können? Was ist mit den Leuten, die gespart haben, aber in Hartz IV fallen? Werden die Bildungskonten dann als Vermögen angerechnet und abgezogen? Wie sind da Ihre Vorstellungen? An anderer Stelle sprechen Sie davon, den Kindern Schecks für ihre Bildung auszuhändigen. Vielleicht ist das eine gute Vorbereitung auf Bildungsgutscheine, die sie später vom Amt erhalten könnten; aber ich glaube, das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Ich möchte gerne wissen, wer auf die Idee gekommen ist, einem Kind mit einem Scheck zu zeigen, was sein Schicksal der Gemeinschaft wert ist. Frau Ministerin, das, was Sie hier vorhaben, ist unsozial. Das kann man nur ablehnen; wir Linken werden es auch ablehnen. Um es zusammenzufassen: Der Haushalt setzt die falschen Schwerpunkte, ist nicht mit Konzepten untermauert und enthält stattdessen unsoziale Ideen. Aus diesen Gründen müssen wir diesen Haushalt ablehnen. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach von der FDPFraktion. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man kann in diesen Tagen sehr viel über die Koalition und ihre Außendarstellung lesen; man kann auch sehr viel darüber diskutieren. Eines kann man aber überhaupt nicht sagen: dass wir uns an der wichtigsten Stelle der deutschen Politik, bei der Stärkung von Bildung und Forschung, nicht einig sein sollten. Dieser Haushalt steht sozusagen als Leuchtturmprojekt für genau dieses Ziel. ({0}) Man kann sich natürlich in einzelnen Millionen und Milliönchen verfangen. ({1}) Fakt ist aber, dass wir in den Koalitionsverhandlungen ein Plus von 12 Milliarden Euro ausgehandelt haben. ({2}) Das unterscheidet uns beträchtlich von Ihnen. Lieber Herr Hagemann, Ihnen ist das nie gelungen. ({3}) Dieses Plus von 12 Milliarden Euro macht sich im Haushalt natürlich auch entsprechend bemerkbar; das ist doch gar keine Frage. Herr Rehberg hat bereits auf die 700 Millionen Euro zusätzlich in diesem Jahr hingewiesen - plus Verpflichtungsermächtigung! Wir Haushälter wissen, wie schwierig es ist, beim BMF Verpflichtungsermächtigungen durchzusetzen. Herr Hagemann, ich schätze Sie ja sehr, aber ich muss Sie doch einmal fragen: Wie kommen Sie auf die verwegene Idee, dass wir wegen einer Landtagswahl ein solch großes Projekt gefährden würden? ({4}) Es geht um ein Plus-Projekt, lieber Herr Hagemann, das selbstverständlich umgesetzt wird. Dafür stehen wir. ({5}) Warum sollten wir plötzlich auf die wirklich verwegene Idee kommen, zusätzliche Investitionen in Bildung und Forschung nach einer Landtagswahl zurückzunehmen? Bei aller Liebe und bei der Vorliebe der SPD im Augenblick zur Rumklopferei: Halten Sie uns für fahrlässig? ({6}) Das ist ein sehr ernstes Projekt. Jeder, der mich kennt - ich bin seit zehn Jahren im Bundestag -, weiß, wie sehr ich für Bildung und Forschung stehe und wie stolz wir darauf sind, dass wir das umsetzen. Sie haben mein Wort dafür, dass dies so sein wird. ({7}) - Ja, auch das Wort des Finanzministers. Wir haben hier eine Variante. In diesem Haushalt ist es zum ersten Mal so, dass das BMBF Mittel für FuE für andere Ministerien verteilen soll. Herr Rehberg und ich haben uns sehr intensiv dafür eingesetzt: ({8}) Wir sind stringent dafür, dass das in Zukunft direkt bei den anderen Ministerien angesiedelt wird, und zwar mit dem strikten Vermerk, den wir dem Finanzministerium erst abringen mussten, dass das ausschließlich für FuE eingesetzt wird, also nicht für Schreibmaschinen, nicht für Kaffeemaschinen und sonst etwas, sondern für Sachen, die wir in die Zukunft dieses Landes investieren wollen. ({9}) - Liebe Kollegen, ich habe einfach eine gewisse Sympathie für Sie. So ist das. ({10}) Lassen Sie mich aber etwas zu einem Punkt sagen, der mir schon Sorgen bereitet, über den wir seit vielen Jahren diskutieren und von dem Sie wissen, dass die Bildungspolitiker der FDP zu Teilen - nicht alle - immer der Meinung waren, dass es ein Fehler war: das Kooperationsverbot. Mein Hauptbemühen in den nächsten Monaten wird darauf liegen, gemeinsam mit Herrn Rehberg sicherzustellen, dass wir diese zusätzlichen Mittel auch wirklich in den Ländern anlanden können, ({11}) und zwar trotz des Fehlers, den Sie gemeinsam mit der CDU/CSU begangen haben. ({12}) Das ist des Mutes unserer Bildungsministerin wert, die an dieser Stelle bekanntlich über ihren Schatten springen muss. Das tut sie aber. Für uns ist wirklich entscheidend, dass wir das zusätzliche Geld in den Ländern anlanden können. Das ist gut für unsere Kinder, und dafür steht diese Koalition. ({13}) Wir als Haushälter haben noch eine weitere Erblast von Ihnen übernommen, nämlich den wunderbaren europäischen Windkanal. Herr Hagemann, Sie haben uns damals gefragt: Setzt ihr das jetzt wirklich um? Ich habe Ihr Scheitern in dieser Hinsicht noch gut in Erinnerung. Uns ist es gelungen. Wir setzen es um. Wir setzen es hin zum Wirtschaftsministerium. Dahin gehört es nämlich, weil es um Raum- und Luftfahrt geht. ({14}) Wir werden natürlich sehr stringent auf das Wirtschaftsministerium schauen; denn dort gibt es eine ganze Reihe von ähnlichen Projekten. Wir werden darauf schauen, dass das effizient eingesetzt wird. Wir werden darauf schauen, dass die Wirtschaft an dieser Stelle Geld ins System gibt, was die FDP seit vielen Jahren fordert. Lieber Herr Hagemann, das ist Ihnen nie gelungen. Sie haben immer nur gesagt: Die Wirtschaft profitiert davon. Nie haben Sie zusätzliches Geld hereinbekommen. Das ist aber unser Ziel, und wir sind jetzt den ersten Schritt gegangen. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Kollegin Flach, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hagemann?

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Natürlich. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Herr Hagemann.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Flach, Sie haben richtig gesagt, dass wir uns da bemüht haben. Sind Sie bereit, auch mitzuteilen, dass Sie eine kräftige Morgengabe, ein Hochzeitsgeschenk, nämlich 800 000 Euro, mitgegeben haben, damit die Zuständigkeit für den Windkanal von einem Ministerium zum anderen wechseln kann?

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Hagemann, Sie machen jetzt Wind. ({0}) Wenn der Windkanal im Wirtschaftsministerium ordnungsgemäß angesiedelt wird, dann ist sicherlich ein Investitionszuschuss notwendig. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Natürlich mangelt es beim Windkanal an Investitionen. Das BMBF hat es nicht leisten können. Im BMWi werden wir nun dafür sorgen, dass es passiert. ({1}) - So ähnlich. Unter dem Strich sind sich die Haushälter der Koalition mit diesem Haushalt der Verantwortung für die Zukunft dieses Landes voll bewusst. Ich will bei dieser Gelegenheit auf das BAföG verweisen. Ich habe genauso wie Herr Rossmann und die meisten anderen noch erlebt, dass Frau Bulmahn mit ihrem Korbmodell scheiterte. Ich bin froh und glücklich, dass es jetzt offensichtlich mit der Mehrheit dieses Hauses gelingt, das BAföG auf solidere Beine zu stellen. Ich kann Ihnen für die FDP sagen, dass das wahrscheinlich noch nicht das Ende vom Lied ist; denn es kommt darauf an, dass wir Menschen unterstützen, die sich sonst keine Bildung leisten können. Dazu gehört zwingend das zweite Bein, nämlich Stipendien. Ich will genauso wie beim letzten Mal an dieser Stelle darauf verweisen, welch ein erfolgreiches Modell wir hier auf den Weg bringen. ({2}) Da Sie so gerne nach den Prozenten fragen: Die neueste Prozentzahl für NRW besagt, dass 37 Prozent der Geförderten aus bildungsfernen Schichten kommen und einen Migrationshintergrund haben. Lieber Herr Rossmann, was wollen Sie eigentlich noch mehr? ({3}) - Noch mehr? Das ist ja toll. Wir sind gerne bereit, noch mehr zu tun. Aber Ihre Modelle haben null Prozent gebracht. ({4}) Wir bringen hier ein Modell auf den Weg, welches dazu führen wird, dass auch bildungsferne Schichten Bildung bekommen. Das ist nach rund zehn Jahren SPDRegierung auch dringend notwendig. ({5}) Wir werden uns in den nächsten Monaten auf ausdrücklichen Wunsch der Gesundheitspolitiker mit dem Fakt befassen, dass der Hochschulpakt offensichtlich dazu tendiert, Studienplätze nicht im teuren, sondern im preisgünstigen Bereich in den Ländern zu fördern. Ich bitte Sie hier um Ihre Unterstützung; ({6}) denn wir brauchen Ärzte in diesem Land. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir hier gemeinsam etwas auf den Weg bringen müssen. Nordrhein-Westfalen hat einen Vorschlag gemacht. Ich bitte Sie alle, sich in Ihren Ländern diesen Vorschlag anzuschauen und darüber nachzu2934 denken, wie wir gemeinsam die medizinische Versorgung in diesem Land verbessern können. ({7}) Lassen Sie es uns anpacken, Herr Gehring. Das wird helfen. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Krista Sager von Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat angekündigt, sich mit 40 Prozent an der Deckung der Finanzierungslücke beim Zehn-ProzentZiel im Bereich Forschung und Bildung zu beteiligen. Schauen wir uns die Entwicklung genau an. Als Erstes wird in Kumpanei von Bund und Ländern die Finanzierungslücke schöngerechnet. Sie wird um ungefähr 10 Milliarden auf 13 Milliarden Euro heruntergerechnet. Das bedeutet für den Bund eine Reduzierung seiner Verpflichtungen um 4 Milliarden Euro bis 2015. Das ist nicht gerade wenig. Sie können die Finanzierungslücke zwar schönrechnen, aber die Probleme im Bildungssystem werden dadurch nicht geringer. ({0}) Die Geldlücke korrespondiert leider mit ganz konkreten Defiziten bei der Kinderbetreuung an den Hochschulen. Durch Rechentricks verschwindet kein einziges Defizit. ({1}) Wenn aber 85 Prozent der öffentlichen Bildungsausgaben von Ländern und Gemeinden geleistet werden, dann ist es von zentraler Bedeutung, ob das Geld, das der Bund mehr ausgeben will, überhaupt dort ankommt, wo die Hauptprobleme in unserem Bildungssystem bestehen. Herr Rehberg, Sie haben hier schlicht die Unwahrheit gesagt. Das Ganztagsschulprogramm von Rot-Grün läuft aus, und es gibt keine Fortsetzung. ({2}) Was findet stattdessen statt? Die Bundesministerin denkt sich stattdessen ein teures Begabtenförderungsprogramm aus, ({3}) das an den Hauptproblemen vorbeigeht, will aber, dass die Länder dieses mitfinanzieren. ({4}) Das heißt, dass die Länder noch weniger Geld zur Verfügung haben, um die eigentlichen Hauptprobleme im Bildungssystem zu bearbeiten. Sie schließen hier nicht eine Lücke, sondern Sie schaffen zusätzliche Probleme. So sieht es nämlich aus. ({5}) Jetzt haben Sie - das konnte man heute in den Zeitungen lesen - angekündigt, Sie wollten die Steuerreform doch ganz schnell vorziehen und auf den Weg bringen. Diese Ankündigung ist ein direkter Anschlag auf die Bildungspolitik in den Ländern und Gemeinden. ({6}) Wir alle wissen doch, wie es in den Haushalten der Länder und Gemeinden aussieht. Es ist die Rede von 10 bis 20 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch diese Steuerreform. Frau Flach, ich frage Sie: Wo ist denn da das Leuchtturmprojekt für die Bildung? Sie reißen eine riesige Lücke und sagen dann, dass Sie sich am Lückenschluss beteiligen. Das kann doch wohl kein Leuchtturmprojekt sein. ({7}) Die Konstruktionen, mit denen Sie versuchen, die Barrieren zu umschiffen, die Sie sich mit der Föderalismusreform selber aufgebaut haben, sind inzwischen nur noch peinlich und an Abenteuerlichkeit kaum noch zu überbieten, ({8}) ob das das Konjunkturprogramm oder Ihre Bildungsbündnisse vor Ort sind. Inzwischen sind ganze Heerscharen von Beamten in Bund und Ländern nur noch damit beschäftigt, zu klären, wie man Verfassungsprobleme löst, statt damit, wie man die Probleme in der Bildung löst. Das ist wirklich absurd. ({9}) Jetzt wird es interessant: Frau Schavan - das hat man jetzt lesen können -, Sie haben sich in der Frage der gesamtstaatlichen Verantwortung für die Bildung gewissermaßen von der Saula zur Paula gewandelt. ({10}) Dass Sie irgendwann merken, dass Sie als Bundesministerin nicht die ganze Zeit mit Ihrer baden-württembergischen Landesbrille herumrennen können, war abzusehen; ({11}) denn schließlich kann man nicht jahrelang als Bundesbildungsministerin erklären, dass man für die Hauptprobleme im Bildungssystem keinerlei Zuständigkeit hat. Wir alle machen Fehler. Leider ist es aber so, dass Herr Müntefering und Herr Stoiber - das sind nämlich die Hauptverantwortlichen gewesen - sich mit dem Grundgesetz eine ziemlich schlechte Spielwiese zum Begehen von Fehlern ausgesucht haben, weil man die Fehler leider nur schwer rückgängig machen kann. ({12}) Interessant finde ich schon, dass Sie, Frau Schavan, Ihre Revision in dem Moment besonders laut verkünden, da Sie mit der FDP in einem Boot sitzen, wobei die Liberalen die Allerletzten sein werden, die kapieren, dass der Föderalismus und der Wettbewerb nicht alle Probleme in diesem Land lösen. ({13}) Frau Flach, Sie sind offensichtlich die Einzige in diesem Saal, die nicht mitbekommen hat, dass die FDP als Allererstes gegen diesen Meinungswandel von Frau Schavan protestiert hat. ({14}) Frau Schavan, Sie haben jetzt drei Dinge erreicht: Sie haben sich erstens aus der öffentlichen Schusslinie gebracht, Sie haben zweitens sicher die Mehrheit der Bevölkerung in dieser Frage auf Ihrer Seite, und Sie haben drittens erreicht, dass die FDP als die Blöde dasteht. ({15}) In dieser Hinsicht haben Sie eines mit der Bundeskanzlerin gemeinsam. Sie haben bewiesen, dass Sie intelligenter und wendiger als Ihr Koalitionspartner sind. Aber wo ist die Lösung des Problems? Sagen Sie nicht nur, dass Sie etwas dazugelernt haben, sondern ergreifen Sie eine ernst zu nehmende politische Initiative, um an die Lösung dieses Problems heranzugehen! Das ist für die Bildung in diesem Staat dringend erforderlich. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Annette Schavan. ({0})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Derzeit findet in Köln Europas größte Bildungsmesse, die didacta, statt. Wer sich das Programm mit vielen Veranstaltungen über fünf Tage ansieht, der weiß, dass Deutschland für viele, auch aus benachbarten Ländern, ein attraktiver Standort geworden ist, um über Perspektiven in Bildung und Wissenschaft zu diskutieren. Für diejenigen, die da ausstellen, diskutieren und präsentieren, ist es ein ermutigendes Signal, dass diese Bundesregierung der Bildung und der Wissenschaft Priorität einräumt. Der Haushalt 2010 ist ein deutliches, starkes Signal an alle in Deutschland, die in Bildung und Bildungspolitik engagiert sind. ({0}) Das bezieht sich auf die Summen. Herr Hagemann, ich musste eben schon ein bisschen schmunzeln. Ich bin gar nicht geneigt, über die letzten vier Jahre zu schimpfen, auch wenn ich von Ihnen immer wieder kritisiert werde. ({1}) Da bin ich fast gezwungen, irgendwie zu antworten und zu sagen: Es war doch nicht alles Mist! Ich finde eigentlich, das ist den Menschen gegenüber irgendwie blöd; sie verstehen uns nicht. Zu Ihrem Beispiel mit der mittelfristigen Finanzplanung: Eine solche Planung haben wir doch in den letzten vier Jahren nie gehabt. ({2}) Es gab jedes Jahr das Theater, dass all das, was im Haushalt des Vorjahres veranschlagt worden war, im darauffolgenden Haushalt nur fortgeschrieben wurde. Es musste jedes Mal beim Punkt null angefangen werden. Jedes Mal hat der Finanzminister einen blauen Brief an die Bildungsministerin geschrieben - er ging natürlich zeitgleich an die Presse -, um deutlich zu machen, dass diese Ministerin wieder viel zu viel fordert. Dieses Theater ist in dieser Legislaturperiode erstmals beendet. ({3}) Ja, es ist beendet. - Dieser Haushalt soll in der mittelfristigen Finanzplanung um 12 Milliarden Euro aufwachsen. Der Finanzminister hat vor Beginn der Verhandlungen über den Haushalt 2010 ganz deutlich gemacht, dass zeitnah die ersten 750 Millionen Euro und im nächsten Jahr die nächsten 750 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Durch dieses Aufwachsen wird der Haushalt jetzt einen Gesamtumfang von 12 Milliarden Euro erreichen. ({4}) - Ich verstehe, dass Sie neidisch sind. Wie Sie wissen, hat er es genau so gesagt. Das ist der große Unterschied zu vorher. Bleiben Sie doch einfach ein bisschen näher an der Wahrheit. Das dient eher der Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. ({5}) Die Überzeugungskraft dieses Haushalts hat aber nicht nur etwas mit seinem Aufwuchs zu tun - durch ihn sind wir übrigens international ebenfalls in einer interessanten Position; die Wirtschaftskrise hat in vielen Bereichen zugeschlagen; viele sagen, Deutschland gehe den richtigen Weg, da es an den Vorhaben festhalte, die Priorität hätten -, sondern auch mit den Konzepten, die dahinterstehen. Wir beteiligen uns so konsequent wie nie zuvor an der Umgestaltung und Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung. Ob das die Bildungshäuser sind, ob das das Haus der kleinen Forscher ist, ob das Erzieherinnenfortbildungen sind, ob das flächendeckende Sprachförderungen sind: So konkret war es nie. Da Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, rate ich Ihnen, sich die konkreten Fortschritte vor Ort anzuschauen. Viele Partner machen mit. Die frühkindliche Bildung bei uns wird sich in einer Schnelligkeit wie nie zuvor entwickeln. ({6}) Wir arbeiten an lokalen Bündnissen für mehr Bildungsgerechtigkeit. Ich kann gut verstehen, dass man einer Bildungsministerin, die zehn Jahre Kultusministerin war, diese zehn Jahre und das damit verbundene Selbstbewusstsein immer wieder einmal in Erinnerung ruft; das finde ich in Ordnung. Ich stehe nämlich dazu. Ich habe nicht für das Kooperationsverbot gesorgt. ({7}) Sie werden keinen einzigen Satz von mir finden, mit dem ich zum Ausdruck gebracht habe: Föderalismus heißt Kooperationsverbot. Föderalismus heißt: Jeder muss wissen, wofür er Verantwortung trägt; keiner kann seine Verantwortung an einen anderen abgeben; es gibt nach der Verfassung eine klare Aufgabenverteilung. Wir sollten an der für moderne föderale Systeme kennzeichnenden klaren Verteilung von Verantwortung festhalten; denn es macht überhaupt keinen Sinn, wenn der Bund für die Finanzierung aufkommt, wenn die Länder dies nicht mehr leisten können. Wenn dies geschieht, kann das Ziel von 10 Prozent nicht erreicht werden. Stattdessen kommt es dann zu einer Verschiebung und zum Ausschluss einer zentralen politischen Ebene. ({8}) Deshalb habe ich mich in diesem Sinne ausgedrückt. Ich werde für ein realistisches Vorgehen werben. Ich weiß genau, wie es weitergeht: Die parlamentarische Opposition wird mich irgendwann mit einem Antrag dazu auffordern, zu sagen, ob ich meine Ankündigung einhalte. Dieses wunderbare Spiel können wir gern spielen; das machen wir auch. ({9}) - Das ist in Teilen ein Spiel. Sie wissen genau, dass wir jetzt die Zeit nutzen. ({10}) - Wie hieß der Kovorsitzende? Fragen Sie einmal den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten! Er hat mir noch vor einigen Wochen gesagt, er werde sich nach der Verabschiedung des Ganztagsschulprogramms kein zweites Mal in sein Land hineinregieren lassen. Das Ganztagsschulprogramm sei der Sündenfall gewesen, so lautete die Argumentation aus der SPD. Also tun Sie nicht so scheinheilig! ({11}) Ich glaube, dass wir in unserem Koalitionsvertrag deutlich gemacht haben, dass es eine Menge Dinge gibt, die wir gemeinsam tun können und auch gemeinsam tun werden. ({12}) Das bezieht sich aber nicht allein auf die Projekte im Koalitionsvertrag, sondern dazu gehören auch die großen Pakte. Hierzu muss ich einmal sagen: Über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, wurde darüber geredet, dass die Lehre ein Stiefkinddasein an den deutschen Universitäten friste. ({13}) - Und, was haben Sie gemacht? ({14}) - Auf den Satz habe ich gewartet. Dazu kann ich nur sagen: Eine Ministerin setzt entweder ein Projekt so um, dass es nicht beim Bundesverfassungsgericht landet, oder sie setzt sich nicht durch. Jetzt liegt der erste Vorschlag auf dem Tisch, die Säule „Hochschulpakt“ als dritte Säule zu verankern. ({15}) Es gibt den Vorschlag zu einer Säule, die ausschließlich auf die Lehre konzentriert ist. Die Verhandlungen mit den Ländern laufen wunderbar. Wir werden erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht nur viel Bundesgeld in die Forschung investieren, sondern viel Geld, nämlich genauso hohe Milliardenbeträge wie für die schon bestehende Exzellenzinitiative, für die Lehre in die Hand nehmen. Das sind unsere starken Signale auch an die Studierenden. ({16}) Zum BAföG ist schon viel gesagt worden. Wir erhöhen es und modernisieren es. Ich erinnere mich noch gut an die Debatte, als hier an meinem Platz Peer Steinbrück gestanden hat und vor allen Dingen an die Adresse seiner eigenen Fraktion gerichtet erklärt hat, dass er doch zugeben müsse, dass es Frau Schavan war, die die BAföG-Erhöhung gewollt habe. ({17}) - Weil Sie Druck gemacht haben auf Ihren Finanzminister? Na gut, das ist eine neue Variante. Die Variante ist klasse: SPD macht Druck auf Steinbrück, und dann kommt das, was die Bildungsministerin immer schon wollte. So war das bei der Lehre, genauso war das beim BAföG! ({18}) Die BAföG-Erhöhung ist, wie Frau Flach eben gesagt hat, ein wichtiges Instrument der Grundsicherung. Deshalb wird es kontinuierlich weiterentwickelt. Wir werden nicht sieben oder acht Jahre lang nichts tun und keinerlei Anpassungen an die Lebenshaltungskosten vornehmen, und erst recht werden wir, wenn wir das BAföG erhöhen, nicht das machen, was Sie während Ihrer Regierungszeit gemacht haben: Sie haben nämlich das Geld, das Sie für die BAföG-Erhöhung benötigt haben, den Studenten an anderer Stelle wieder weggenommen. ({19}) Wir werden die Hightech-Strategie auf die Bereiche Gesundheit, Klima und Energie, Mobilitätssicherheit und Kommunikation konzentrieren. Wir werden sie auch nach Europa tragen. Ich glaube, es ist ein ganz zentraler Punkt, dass wir unsere forschungspolitischen Erfahrungen in die Europäische Union einbringen. Das Gleiche, was für Deutschland gilt, gilt nämlich auch dort: Wir brauchen insgesamt mehr Investitionen in die Forschung. Wir müssen Unternehmen in diesem Sinne mobilisieren. Das Gleiche gilt auch für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir sind verlässliche Partner der Hochschulen und der Forschungsorganisationen in den neuen Ländern. Ich weiß, warum Sie das nicht wahrnehmen; denn nur wer in die neuen Länder fährt, mit Rektoren und Verantwortlichen in unseren Forschungsinstituten spricht, der bekommt das mit und erfährt, dass Kontinuität in der Förderung und bei den Konzepten viel bewirkt. Deshalb werden wir mit großer Konsequenz bei all dem, was die neuen Länder und den Pakt für Forschung und Innovation angeht, weitermachen. Damit entstehen genau die Leuchttürme, die in den strukturschwachen Regionen notwendig sind. ({20}) Wir stärken nicht nur die Allianzen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, den Spitzencluster-Wettbewerb und die Innovationsallianzen, sondern wir arbeiten auch - das steht ebenfalls im Koalitionsvertrag - daran, wie wir steuerliche Anreize für Investitionen unserer Unternehmen in Forschung und Entwicklung schaffen können. Das ist auch ein völlig neues Instrument, das es bislang in Deutschland nicht gegeben hat. Auch damit werden wir den Forschungsstandort Deutschland stärken. ({21}) Nachdem wir über zehn Jahre lang über die Abwanderung von Spitzenforschern diskutiert haben, kommt jetzt schon die zweite Runde an Spitzenforschern über Humboldt-Professuren nach Deutschland. Sehen Sie sich einmal die Listen an: Das sind absolute Spitzentypen aus allen Regionen der Welt. Dafür ist viel investiert worden. Ich glaube, das ist eine Investition, durch die Menschen nach Deutschland geholt werden, die im Übrigen auch für unsere Studierenden und für unsere Hochschulen interessant sind. Wir holen nämlich die Besten nach Deutschland, weil wir immer wieder neue Akzente brauchen.Wir wollen, dass dieses Land eine Talentschmiede ist. Wir haben schon manches erreicht und werden genau auf diesem Weg weitergehen. Wenn Sie sich ewig über Eliten- und Begabtenförderung aufregen - ich habe überhaupt nicht verstanden, welchen Zusammenhang Sie eben zwischen Schluss mit Ganztagsschulen und Begabtenförderung herstellen wollten -, dann kann ich nur sagen: Ich stehe zur Talentförderung. Ich stehe zu Spitzenforschern. Ich bin der Meinung: Wer sich um die Spitze nicht kümmert, der wird auch dauerhaft die Breite nicht mehr mit Bildung und Wissenschaft erreichen. ({22}) Wir bauen die Internationalisierung unserer Bildungsund Forschungspolitik konsequent aus. ({23}) Wenn wir eine solche Debatte führen, dann sollten wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen und auch die Verantwortung wahrnehmen, Herr Hagemann, die über Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein hinausgeht. Die Internationalisierung, die sich auf die Schwellen- und Entwicklungsländer bezieht, ist für uns ein Schwerpunkt. Auch hierzu finden Sie in diesem Haushalt erste Ansätze. ({24}) - Ich kürze nicht, sondern wir verstärken. Was die Ganztagsschulen angeht - Herr Rehberg hat es angesprochen -, ist der Wunsch ({25}) der über 7 000 erfüllt worden, Herr Hagemann. Wir werden, wenn die Phase des Bauens zu Ende geht, den Schulen in jedem Land die Servicestelle zur Verfügung stellen, die Schulentwicklung ermöglicht und begleitet. Das sind nicht Milliarden, sondern Millionen; aber auch das ist eine richtige Antwort auf Schulentwicklung in Deutschland und ein Beispiel für Zusammenarbeit. Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und den Regierungsfraktionen dafür, dass ein solcher Haushalt entstehen konnte, dessen Wachstumsrate höher ist als die Wachstumsrate des Bundeshaushaltes. Das ist ein gutes Zeichen und ein starkes Signal. Herzlichen Dank. ({26})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Ziegler von der SPD-Fraktion. ({0})

Dagmar Ziegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht können wir uns in dieser Debatte wenigstens auf eines einigen: Alle Bildungspolitikerinnen und -politiker in diesem Haus eint die Überzeugung, mit ihrer Arbeit etwas für die Zukunft unseres Landes zu leisten. Bildung hat eine Schlüsselfunktion für die Lebenschancen der Menschen und auch für den Wohlstand von morgen. ({0}) Dass wir uns trotzdem in der Bildungspolitik immer wieder streiten müssen, liegt daran, dass man in zentralen Grundsatzfragen ganz unterschiedlicher Überzeugung sein kann: Sehe ich Bildung als öffentliches Gut an, oder sehe ich es mehr als Privatangelegenheit an? Möchte ich die Chancengleichheit verbessern oder aber bestimmte Gruppen bevorzugen? Das sind Grundsatzfragen, auf die Union und FDP andere Antworten geben als die Sozialdemokratie. Das Ergebnis ist - wie in fast allen anderen Politikfeldern auch - eine schwarz-gelbe Klientelpolitik, die die Bildungschancen privatisiert, die Zukunft der Menschen deren Herkunft überlässt und die enormen sozialen Ungleichheiten in der Bildung verfestigt, ({1}) statt Bildungspolitik am Ziel gleicher Chancen auf beste Bildung für alle auszurichten. ({2}) Herr Leutert hat die Stichworte heute schon genannt: Studiengebühren, Stipendien, Bildungssparkonten, Betreuungsgeld. Weil aber auch Schwarz-Gelb weiß, dass eine solche Politik schnell als sozial kalt erkannt werden könnte, wird das „Hauptgericht“ der Bildungsprivatisierung mit ein bisschen Sozialsymbolik und Fürsorgerhetorik garniert, in der Hoffnung, dass die Menschen nicht merken, was ihnen da tatsächlich serviert werden soll. Außerdem ist die Bildungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung bislang über Ankündigungen nicht hinausgekommen. Ihre Gestaltungskraft erschöpft sich in ganzen Ketten von Ankündigungen - manchmal sogar falscher -, etwas tun zu wollen, ohne dass sie konkret sagen würde, was. Bildungssparen, lokale Bündnisse, Ausbildungsschirm, Weiterbildungsallianzen, Bologna-Mobilitätspaket - statt diese Vorhaben und Projekte hier zur Debatte zu stellen, finden sich nur marketingoptimierte Überschriften und Etiketten. ({3}) Wir hätten unsere Rede fast gemeinsam schreiben können. ({4}) - Genau. ({5}) Meine Damen und Herren, mit dem gescheiterten Bildungsgipfel vom Dezember letzten Jahres ist der Bildung mindestens ein halbes Jahr verloren gegangen. ({6}) Jetzt richten sich die Erwartungen auf das nächste Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten im Juni. Liebe Ministerin, es wird höchste Zeit, dass Sie liefern und wir hier im Bundestag endlich einmal wieder über konkrete Vorschläge der Bundesregierung diskutieren können. ({7}) Ich habe die Befürchtung, dass beim dritten Bildungsgipfel einmal mehr über Finanztransferwege gestritten, aber wieder nicht über Bildung geredet wird. Dabei glaube ich, dass der Bildungsgipfel 2010 nach den beiden glücklosen Anläufen 2008 und 2009 tatsächlich eine echte Chance bieten könnte: für substanzielle Schritte, für mehr Chancengleichheit und für substanzielle Vereinbarungen zur Bekämpfung von Bildungsarmut. Das Bundesverfassungsgericht hat uns die Bekämpfung von Bildungsarmut als Auftrag gegeben. Heute gab es von der Ministerin kein Wort dazu. Eigenständige Kinderregelsätze, die die gleiche Teilhabe an Bildung für alle Kinder und Jugendlichen auf der materiellen Seite absichern, sind die eine Seite der Medaille. Die andere Seite lautet: Stärkung der Bildungsinfrastruktur. ({8}) Nun hat auch die Bundesbildungsministerin das Wort Bildungsarmut neuerdings in ihren Wortschatz aufgenommen. Mir ist aber noch nicht klar geworden, was sich eigentlich hinter ihren „Bildungsbündnissen“ verbergen soll. Auch dazu hat sie keine Ausführungen gemacht. Sehr wohl ist mir aber klar, was die Bundesregierung machen müsste, wenn sie es mit der Bekämpfung von Bildungsarmut ernst meinen würde: Sie müsste alles daransetzen, gemeinsam mit den Ländern eine verbindliche nationale Initiative zur Stärkung und Verbesserung der Bildungsinfrastruktur zu vereinbaren. ({9}) Konkret müsste das bedeuten: Erstens. Verbindliche Vereinbarungen für den weiteren Ausbau und einheitliche Qualitätsstandards in der frühkindlichen Bildung. ({10}) Zweitens. Verbindliche Vereinbarungen für den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulangebote. Drittens. Verbindliche Vereinbarungen für eine bessere Personalausstattung von Kitas, Kindergärten und Schulen. ({11}) Viertens. Verbindliche Vereinbarungen für eine Fachkräfteoffensive bei Erzieherinnen und Erziehern. Fünftens. Verbindliche Vereinbarungen für Gebührenfreiheit von Anfang an. ({12}) Und schließlich: Verbindliche Vereinbarungen für ein kostenloses warmes Mittagessen in allen Kitas und Schulen, für Lehrmittelfreiheit und kostenlosen Förderunterricht überall und für flächendeckende Schulsozialarbeit. ({13}) Wenn Sie diese Schwerpunkte setzen würden - mit dem Fokus auf starke Institutionen und funktionierende Infrastrukturen, abgesichert durch Rechtsansprüche -, dann hätten Sie unseren ehrlichen Respekt und unsere volle Unterstützung. Sie brauchen nur den politischen Gestaltungswillen und den richtigen Ansatz. ({14}) Eine letzte Bemerkung zum Stichwort Symbolpolitik. Politik sollte nicht nur lernfähig, sondern immer auch glaubwürdig sein. Wenn Frau Schavan neuerdings beim Thema Bildungsföderalismus mit der Forderung, das schon so oft zitierte Kooperationsverbot aufzuheben, Lernfähigkeit unter Beweis stellen möchte, dann kann das nur glaubwürdig sein, wenn sie diesem Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf für eine Grundgesetzänderung vorlegt. ({15}) Wenn Sie, Frau Ministerin, das nicht tun, werden wir es tun. Vielen Dank. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Meinhardt von der FDP-Fraktion. ({0})

Patrick Meinhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003807, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bildung ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Gerade weil dies so ist, gerade weil wir Bildungsarmut in diesem Land wirksam bekämpfen müssen und gerade weil die Schaffung von mehr Bildungsgerechtigkeit die Perspektive dieser Regierung der Mitte ist, werden wir in den kommenden vier Jahren 12 Milliarden Euro mehr in die Hand nehmen. Dies ist ein historisches Wachstum für den Bildungsbereich. Dies ist die Botschaft dieser Bundesregierung: Wir werden in Deutschland für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen. ({0}) Der von der Regierung der Mitte eingebrachte Bundeshaushalt ist ein deutliches Zeichen des Aufbruchs, ein deutliches Zeichen der Modernisierung unseres Landes. Mit einem Plus von 750 Millionen Euro, einer Steigerung von 56 Prozent bei der Begabtenförderung, von 69 Prozent bei der Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, von 54 Prozent beim lebenslangen Lernen setzen wir ein glasklares Zeichen: Bildung und Forschung haben für uns oberste Priorität. ({1}) Mit diesen Maßnahmen schlägt die Bundesregierung der Mitte ein neues Kapitel für eine moderne Bildungsund Forschungspolitik auf. Um eines sehr deutlich zu sagen: Der Unterschied zwischen Ihrer Bildungspolitik, meine Damen und Herren auf der linken Seite dieses Hauses, und unserer Bildungspolitik ist in erster Linie eine Frage der Geisteshaltung. ({2}) Wir wollen kreative Kräfte in unseren Kindergärten, Schulen und Hochschulen freisetzen und fördern. Sie wollen Dirigismus und bürokratische Hürden. ({3}) Wir wollen faire Möglichkeiten für öffentliche und freie Schulen und Hochschulen, während Sie immer noch an Ihren staatsgläubigen Konzepten aus dem 19. Jahrhundert festhalten. ({4}) Wir wollen Selbstverantwortung und Chancengleichheit am Start an den Bildungseinrichtungen in Deutschland. Sie wollen Leistung bestrafen und neue Hürden aufbauen. ({5}) Kurz: Sie glauben immer noch an zentrale Steuerung. Wir setzen auf individuelle Förderung und die Vielfalt der Bildungswege; das ist auch der richtige Weg. ({6}) Bei der Forschung legen wir dynamisch zu. Der gerade veröffentlichte Europäische Innovationsanzeiger spricht eine ganz klare Sprache. Deutschland zählt neben den skandinavischen Ländern und Großbritannien zu den innovativsten Ländern in der EU. Im internationalen Standortwettbewerb ist es für uns Deutsche außerordentlich wichtig, alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren. Deswegen wollen wir den Forschern bereits in diesem Jahr ermöglichen, ihre Forschungsergebnisse auf eine mögliche spätere Anwendung hin zu untersuchen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, den nächsten Schritt zu gehen, nachdem sie ihre eigentlichen Entdeckungen in der Grundlagenforschung abgeschlossen haben. Daher werden wir noch in diesem Jahr - das ist, wie Sie gesehen haben, im Haushalt verankert - das Instrument der Validierungsförderung als eigenständige Förderlinie einführen. Das ist ein enorm wichtiger Ansatz in der Forschungspolitik. ({7}) An dieser Stelle möchte ich auch auf die neue Hightech-Strategie der Regierung der Mitte zu sprechen kommen. Ein Beispiel für das Neue ist das Instrument der Innovationsallianzen, in denen bei Forschung und Entwicklung Wirtschaft und Wissenschaft bei bestimmten anwendungsnahen Themen zusammenarbeiten. Genau so muss es gehen. ({8}) Konkret schlägt sich das bereits im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität nieder. Wir wollen die Forschung und Entwicklung, die Marktvorbereitung und die Markteinführung von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen voranbringen. Jetzt werden wir die Entwicklung verstetigen und dem Technologiefortschritt anpassen. An vielen Stellen dieser Wertschöpfungskette gibt es noch erheblichen FuE-Bedarf, Optimierungsbedarf und Vernetzungsbedarf. Auch dabei haben wir uns in dieser Koalition gemeinsam auf einen erfolgreichen Weg gemacht. ({9}) Ich bin mit dem Tempo dieser Regierung bei Bildung und Forschung sehr zufrieden. Erst haben wir die Bildungsprämie auf 500 Euro verdreifacht. Fragen Sie vor Ort in Ihren Wahlkreisen nach. Jetzt haben wir eine deutlich attraktivere Höhe. Diese Entscheidung war goldrichtig. ({10}) Dann kommt die BAföG-Modernisierung mit der Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze, dem Ende für die Altersgrenze von 30 Jahren bei der Masterförderung und für die Benachteiligung bei einem Fachrichtungswechsel, mit einer besseren Anerkennung von Kinderbetreuungszeiten, einem Abbau von Bürokratie, einer Vereinfachung des Verfahrens und der klaren Ansage, alle zwei Jahre eine Anpassung vorzunehmen. Das bedeutet in vier Jahren circa 1,6 Milliarden Euro mehr. Das ist ein wirkliches Aufwuchsprogramm für die Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland. ({11}) Im gleichen Atemzug werden wir eine unglaubliche Ungerechtigkeit in diesem Land beenden. 98,1 Prozent der Studierenden wird die Chance auf ein Stipendium vorenthalten. Das ist durch und durch unsozial. Wir wollen die Rate der Stipendien verfünffachen und damit endlich die rote Laterne bei der Begabungsförderung abgeben, damit in diesem Land wieder mehr Bildungsgerechtigkeit bei der Talentförderung herrscht. ({12}) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir glauben an die Menschen in unserem Land, an ihre Talente, an ihre Kreativität und an ihre Leistungsbereitschaft. Wir wollen den Menschen mit diesem Haushalt ein Zeichen geben: Macht was aus euch. Wir investieren in eure Köpfe. Denn wir trauen euch was zu. Vielen herzlichen Dank. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Dr. Rosemarie Hein von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Rosemarie Hein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004053, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen in der Bundesrepublik Deutschland künftig für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Das scheint ein ehrgeiziges Ziel zu sein; denn Deutschland liegt hier immer noch unter dem OECD-Durchschnitt. Gleichzeitig wird landauf, landab die große Abhängigkeit des Bildungszuganges von der sozialen Herkunft beklagt, was offensichtlich auch die Bundesbildungsministerin umtreibt. Darum begründet sie einen Großteil der Finanzposten im Bildungshaushalt - wie mein Kollege Vorredner auch - mit der Absicht, einen Nachteilsausgleich für die Schwächeren leisten zu wollen, um soziale Gerechtigkeit herzustellen. Doch bleiben wir zunächst bei den Zahlen: 10 Prozent im Bundesdurchschnitt. Man wolle den Ländern helfen - so war zu lesen und zu hören -, dieses Ziel ebenfalls zu erreichen. Schon diese Formulierung macht deutlich, worum es geht: Nicht der Bund will zahlen, sondern die Länder sollen zahlen. Zur Illustration möchte ich Ihnen drei Zahlen nennen: 11, 23 und 3. Nein, meine Damen und Herren von der FDP, das ist nicht das neue Steuerkonzept der Linken ({0}) - das würde Sie wundern, mich auch -, sondern das sind die Bildungsanteile in den aktuellen Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen. Mehr als 11 Prozent wendet meine Heimatstadt Magdeburg in diesem Jahr für die Bildungsfinanzierung auf, und zwar ohne Kinderbetreuung, über 23 Prozent das Land Sachsen-Anhalt, aus dem ich komme, und gerade einmal 3 Prozent stehen im Bundeshaushalt zur Verfügung. Der Haushalt des BMBF umfasst knapp 11 Milliarden Euro. Allein für das geplante Steuersenkungspaket will die Bundesregierung ab 2011 mehr als das Doppelte ausgeben. Oder: Für die Bildung will der Bund jährlich im Durchschnitt 3 Milliarden Euro mehr ausgeben, achtmal so hoch sollen die Steuergeschenke ab 2011 ausfallen. Man darf gespannt sein, in welcher Größenordnung dieses Steuerpaket, das Sie bereits angekündigt haben, ausfallen wird. Wie wäre es damit: Lassen Sie es einfach. Geben Sie dieses Geld in die auskömmliche Finanzierung von Bildung. ({1}) Das wären zusammen 27 Milliarden Euro mehr pro Jahr, und damit würden wir den nötigen Zielzahlen ein gutes Stück näherkommen. ({2}) Wer 3 Milliarden Euro zusätzlich in die Bildung investieren will, aber Steuergeschenke in Höhe von 24 Milliarden Euro macht und dann noch behauptet wie Sie eben, Herr Meinhardt -, dass mit dem Haushalt den sozialen Ungerechtigkeiten im Bildungssystem entgegengewirkt werden soll, ({3}) der hat offensichtlich ein komisches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit. ({4}) Sie haben die 1,3 Milliarden Euro, die wir beantragt haben, kritisiert. Dabei waren wir noch bescheiden gewesen. Aber auch 11 Milliarden Euro sind ja nicht nichts. Man kann auch damit Vernünftiges tun. Schauen wir uns die Details an: Für den Nachteilsausgleich ist der Bundesregierung etwas Seltsames eingefallen: ein nationales Stipendienprogramm. ({5}) Herr Meinhardt hat eben darüber gesprochen. Das hört sich zunächst gut an. Ein Leistungsstipendium soll es sein, ganz nach dem Motto: Leistung muss sich wieder lohnen. ({6}) - Sie klatschen an der falschen Stelle. - Die Chance, ein Leistungsstipendium zu erhalten, haben nur diejenigen, die die Hürde genommen haben, ein Studium finanzieren zu können; aber daran scheitern viele in diesem Land. Dort liegt die soziale Ungerechtigkeit. ({7}) Was glauben Sie, wie es Jugendlichen aus Hartz-IVFamilien oder aus Familien mit geringem Einkommen gelingen soll, ein Studium zu finanzieren? Von einem Leistungsstipendium haben nur diejenigen etwas, deren Eltern so viel verdienen, dass sie das Studium finanzieren können, oder diejenigen, die nur wenig jobben müssen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denen kann ein Leistungsstipendium vielleicht helfen, aber nicht denen, die es wirklich nötig haben. ({8}) Das Programm des Bundes wirkt fast wie eine Gelddruckmaschine; denn der Bund finanziert das Stipendium mit einem Anteil von nur 75 Euro - das entspricht einem Viertel -, weitere 75 Euro sollen von den Ländern kommen und die Hälfte aus privater Hand. Für den Bund nenne ich das eine ordentliche Rendite, praktisch gesehen ist es aber ein weiterer Einstieg in die Privatisierung der Bildungskosten. Die Mittel für dieses Programm wären besser im BAföG-System für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende aufgehoben; denn darauf gibt es wenigstens einen Rechtsanspruch. ({9}) Doch an das BAföG gehen Sie sehr vorsichtig heran. Bis heute gibt es kein auskömmliches Angebot. Man darf gespannt sein, was Sie noch vorlegen werden. Wir brauchen die Aufstockung der Beträge, die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten und die Beendigung der Rückzahlungspflicht. Das wäre ein wirklicher Nachteilsausgleich. Das Stipendienprogramm ist es nicht. ({10}) Nehmen wir den Bereich der beruflichen Bildung, den die Bundesministerin gern als das Flaggschiff des deutschen Bildungswesens bezeichnet. Dafür gibt es sogar noch Bundeszuständigkeiten. Wir werden Anfang April den Berufsbildungsbericht erhalten. Der wird uns den Spiegel vorhalten: Immer noch sind es 1,5 Millionen junger Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wir werden wohl erstmals mit Zahlen über die Bugwelle konfrontiert werden, also mit der Zahl jener Jugendlichen, die sich in Schulen weiter in Warteschleifen befinden und gar nicht erst einen Ausbildungsplatz erhalten. Ihre Projekte dort wirken wie eine Notfallambulanz: Übergangsmaßnahmen, am Mangel wird herumgedoktert, eine konjunkturunabhängige Ausbildungsfinanzierung steht nicht zur Debatte. Ganz peinlich wird es, wenn man auf die Felder schaut, bei denen die Bundesregierung überhaupt keine Kompetenzen hat. Gegen die lokalen Bildungsbündnisse ist eigentlich nichts zu sagen, wenn es um die Öffnung von Schule geht; aber Sie wollen leistungsschwache Kinder und Jugendliche stärker fördern. Förderunterricht wollen Sie anbieten. Aber individuelle Förderung ist ein Auftrag an die Schule und nicht an zusätzliche private Anbieter. Wenn Sie auf diesem Gebiet etwas tun wollen, muss das Geld in die Schulen fließen. Das Ganztagsschulprogramm ist auch ein Problem. Jetzt planen Sie 6,3 Millionen Euro ein. Was wollen Sie damit eigentlich finanzieren? Für Besichtigungsreisen wird es wahrscheinlich reichen, für mehr aber nicht. Ich bleibe dabei: Das Kooperationsverbot war der schwerste bildungspolitische Fehler in der jüngeren Geschichte. Darum, Frau Schavan: Nutzen Sie einfach den Antrag der Linken, der in der nächsten Sitzungswoche im Plenum behandelt wird. Legen Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Wir wollen für alle drei Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - die gleiche Verantwortung bei der Finanzierung. Mit „11, 23 und 3“ muss Schluss sein. Wir wollen eine Gemeinschaftsauf2942 gabe Bildung, und die kann nur in gleicher Verantwortung finanziert werden. Dafür treten wir ein. Das, was Sie leisten, reicht bei weitem nicht aus. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Kai Gehring vom Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schavan, ich möchte direkt auf Ihre Rede reagieren, weil ich finde, dass das, was Sie hier zur Föderalismusreform vorgetragen haben, so nicht stehen bleiben kann. Das war Geschichtsklitterung. Das waren Halbwahrheiten. Das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen. ({0}) Sie waren damals für das Kooperationsverbot. Dazu gibt es Äußerungen von Ihnen. Zum Beispiel im Ausschuss und auch öffentlich haben Sie sich dazu geäußert. ({1}) Dazu sollten Sie stehen und nicht einfach das Gegenteil vorgaukeln. Das wäre dann eine Stärke von Ihnen. Dann könnte man sagen: Von Saula zur Paula. Lasst uns gemeinsam etwas machen und dieses unsinnige Kooperationsverbot wieder aufheben. ({2}) Sie haben es doch dem damaligen Einsatz von Opposition und SPD zu verdanken, dass Sie nicht Ihr halbes Ministerium schließen mussten; dann wären Sie nur noch Forschungsministerin. Ohne uns und ohne die Aufweichung des Kooperationsverbotes im Wissenschaftsbereich gäbe es doch heute gar keinen Hochschulpakt. ({3}) Das ist auf unserem Mist gewachsen. Ich finde, Sie sollten einen Vorschlag vorlegen, das konkret ändern und dieses Kooperationsverbot aufheben. Dann kann man einen gesamtstaatlichen Bildungsaufbruch auch wirklich organisieren. ({4}) Ich finde es schon witzig, dass Sie landauf, landab mit der rosaroten Brille der Ministerin herumlaufen und überall „12 Milliarden Euro für Bildung“ promoten. Dabei stehen im Haushalt 2010 lediglich 700 Millionen Euro, und das auch noch als ungedeckte Schecks, da sie mit Sperrvermerken und Ländervorbehalten versehen sind. Allein deshalb muss man fragen: Wie wollen Sie das eigentlich über die Dauer einer Legislaturperiode hinbekommen? Dazu kann man nur sagen: Die schwarzgelbe Bildungsrepublik bleibt offensichtlich eine Fata Morgana. ({5}) Was für den Haushalt 2010 gilt, wird beim Haushalt 2011 noch viel schlimmer: Wir haben eine explodierende Schuldenlast. Sie haben eine nie da gewesene Rekordneuverschuldung beschlossen. Es gibt eine Schuldenbremse, die Sie einhalten müssen. Also müssen Sie ab dem nächsten Jahr um mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr kürzen. Dann gibt es noch den Steuersenkungsfetischismus der FDP. Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund das 12-Milliarden-Euro-Ziel erreichen? Eine Antwort darauf fände ich sehr interessant. ({6}) Wir Grüne haben verschiedene Finanzierungsvorschläge gemacht. Bei einem hoffe ich immer noch, dass er irgendwann aufgegriffen wird: beim Bildungssoli. Mit dem Bildungssoli ließe sich ein gesamtstaatlicher Bildungsaufbruch organisieren. Geld ist das eine; das andere ist die Prioritätensetzung. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen einen Aufstieg durch Bildung statt einer blockierten Gesellschaft. Wir brauchen ein gerechtes Bildungssystem statt des weit verbreiteten Schubladendenkens. Wir brauchen mehr Akademiker und keinen immer größeren Fachkräftemangel. Diese Prioritäten setzen Sie von Schwarz-Gelb leider überhaupt nicht, sondern Sie stellen die Weichen falsch. Ein Beispiel dafür ist die Studienfinanzierung. Sie veranschlagen 300 Millionen Euro öffentliche Mittel für ein nationales Stipendienprogramm, das aus unserer Sicht weiterhin ungeeignet ist, deutlich mehr junge Menschen für ein Studium zu gewinnen. Das ist die falsche Priorität. ({7}) Wenn Sie für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen wollen, sollten Sie stattdessen Ihre Sparstrumpfnovelle beim BAföG aufbessern und es um mindestens 5 Prozent erhöhen. Dann wäre der Bildungsgerechtigkeit viel mehr Genüge getan als mit dem Stipendienprogramm. ({8}) Die zentralen Projekte, die Sie ansprechen, sind unausgegoren und unterfinanziert. ({9}) Ich nenne zwei Beispiele dafür. Was genau steckt im Bologna-Qualitätspaket, das Sie nach zwei Bildungsstreiks angekündigt haben? ({10}) Wie wollen Sie die Studienbedingungen und die Qualität der Lehre tatsächlich verbessern? Wie viel Geld legen Sie auf den Tisch? Sind auch die Länder bereit, Geld in die Hand zu nehmen? Es reicht an so einer Stelle nicht, Ankündigungsministerin zu bleiben und durch die Presselandschaft zu stolzieren. Hierbei ist vielmehr ein ganz konkretes Konzept gefordert, das Sie dem Bundestag vorlegen müssen. ({11}) Das zweite Beispiel ist der Hochschulpakt. Es müssen dringend mehr Studienplätze aufgebaut werden; aber der Studienplatzaufbau verläuft schleppend. Die Zwischenbilanz ist alarmierend. Man muss nur einmal nach Nordrhein-Westfalen schauen. ({12}) Gerade die schwarz-gelb regierten Länder müssen hier in die Puschen kommen. Absolutes Schlusslicht ist NRW. ({13}) Dort müssen noch 15 000 Studienplätze aufgebaut werden. Dort hat man bisher nur 40 Prozent der zwischen Bund und Ländern verabredeten Zielzahl erreicht. Das ist ein Armutszeugnis. ({14}) Dort ist Alarmstufe gelb angesagt. Man kann das nicht als Erfolgsmeldung bezeichnen. An den Universitäten in NRW sind sogar 7 000 Studienplätze abgebaut worden. Das ist eine schlechte Bilanz. Das zeigt, dass der Hochschulpakt I weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und dass Worte und Taten massiv auseinanderklaffen. ({15}) Wenn Sie eine dritte Säule im Hochschulpakt schaffen wollen, finden wir das erst einmal vielversprechend; denn wir haben hier vor drei Jahren Anträge gestellt, die ähnliche Vorschläge enthielten, wie man die Lehre deutlich stärken und verbessern kann. Ich hoffe, dass das ernst gemeint ist und nicht die schwarz-gelb regierten Bundesländer vor der Blamage bewahren soll, dass sie keine Studienplätze aufbauen. Diese Säule muss ein Meilenstein und eine echte Qualitätsoffensive für die Lehre werden; das ist uns wichtig. Wir wollen einen echten Pakt für die Studierenden, der deutlich mehr Studienplätze, gute Studien- und Lehrbedingungen, eine bessere Studienfinanzierung und einen Abbau der Zugangshürden vorsieht. Auf dem nationalen Bologna-Gipfel im Mai und auf dem Bildungsgipfel im Juni dieses Jahres - Sie gipfeln ja jetzt wieder ganz viel

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss. ({0})

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- müssen Sie verbindliche Beschlüsse fassen, statt uns weiterhin halbherzige Ansätze zu präsentieren. An den Ergebnissen Ihrer Gipfel werden wir Sie messen. Danke. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir erleben derzeit unter Ministerin Schavan eine historische Aufholjagd der deutschen Forschung zurück an die Weltspitze. Das Herzstück ist die Hightech-Strategie. Die institutionelle Förderung und die Projektförderung befinden sich auf sehr hohem Niveau. Bei den Spitzenclustern setzen wir europaweit Maßstäbe. Deutschland ist Weltspitze bei der medizinischen Forschung. Deutsche Forscher sind auf dem Weg, die Alzheimer-Krankheit früher zu erkennen und zu behandeln. Deutsche Forscher sind auf dem Weg, neue Verfahren im Kampf gegen Krebs zu finden. Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen: Wir sind Weltspitze, und Forschung kommt auch bei den Menschen an. ({0}) Ich glaube, wir alle wären gut beraten, diese Leistungen stärker hervorzuheben und den Menschen Hoffnungen zu machen, statt das Wertvolle durch Kleinkrämerei und irrationale Technikfeindlichkeit schlechtzureden. ({1}) Wir sind Weltspitze in der Bildungsforschung, in der optischen Forschung, der Klimaforschung, der Umweltforschung, der Agrarforschung, der biochemischen Forschung und der Materialforschung, um nur einige Bereiche zu nennen. ({2}) Die von Ministerin Schavan ins Leben gerufene Exzellenzinitiative hat an den Hochschulen - das wurde in mehreren entsprechenden Untersuchungen dokumentiert nachweislich einen Motivationsschub ausgelöst. ({3}) Das Fördersystem der DFG ist absolute Weltspitze und hat Weltruf. All das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde, auch von der Bundespolitik, hart erarbeitet. Albert Rupprecht ({4}) ({5}) Das ist eine außerordentliche Leistung von Ministerin Schavan. ({6}) Man muss schon ein ziemlicher Kleingeist sein, um all das zu unterschlagen, wie es die Opposition in dieser Haushaltsdebatte tut. Klar ist: Man muss Spitzenleistung, Exzellenz und Elite auch wollen. Wir wollen Spitzenleistungen, ({7}) weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir den Schwachen nur dann helfen können, wenn sich die Starken entfalten und einen großen Beitrag zur Solidargemeinschaft leisten können. ({8}) - Das geht auch nicht auf Kosten der Schwachen, sondern wir müssen alle Gruppen der Gesellschaft, Starke und Schwache, stärken und stabilisieren. ({9}) Das geht aber nicht, indem wir alle gleichmachen und die Starken schwächen. ({10}) Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt - das gehört zur Klarheit und Wahrheit dazu - noch eine große Schwachstelle: ({11}) die Umsetzung dieser Spitzenforschung in neue Unternehmen und neue Produkte. Das ist in den nächsten Monaten die große Aufgabe der christlich-liberalen Koalition. Wir werden in den nächsten Monaten wichtige Maßnahmen, die beschlossen und im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurden, in Angriff nehmen: Erstens. Wir schaffen einen attraktiven Wagniskapitalmarkt. Zweitens. Wir werden in den nächsten Wochen einen Vorschlag zur steuerlichen Forschungsförderung vorlegen. Drittens. Es kann nicht sein, dass die Fraunhofer- und Max-Planck-Institute großartige Ideen für neue Produkte in der Schublade verschwinden lassen, weil es ihnen zu oft verboten ist, junge Unternehmen zur Vermarktung zu gründen. ({12}) Deswegen müssen wir auch im Bereich der Wissenschaftsfreiheit neue Wege gehen. Die Wissenschaft braucht mehr Freiheit. ({13}) Viertens. Wissenschaftler müssen schneller erkennen, ob ihre Forschungsergebnisse marktfähig sind. Deswegen wird die Ministerin in den nächsten Tagen als neue Maßnahme die Validierungsförderung vorstellen. ({14}) All diese Maßnahmen sind ein historisch einzigartiger Kraftakt. Im Haushalt für das Jahr 2005, also unter RotGrün, waren für Bildung und Forschung 7 Milliarden Euro veranschlagt. Im Haushalt für Bildung und Forschung für das Jahr 2010 sind es beinahe 11 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung um 57 Prozent. Was für den Bereich der Forschung gilt, gilt auch für die Bildung. Ihr Vorwurf, die Regierung mache hier zu wenig, ist absurd. Der Hochschulpakt war richtig und wichtig. Jetzt kommen neue Maßnahmen hinzu: der Qualitätspakt Lehre, die BAföG-Erhöhung, lokale Bildungsbündnisse, die Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes und vieles andere mehr. Die Bundeskanzlerin hat den Ländern angeboten - das ist absolut außergewöhnlich -, 40 Prozent der Kosten der Maßnahmen, die auf dem Bildungsgipfel beschlossen werden, zu tragen, und das, obwohl der Bund nur 8 Prozent der Bildungskosten zu tragen hätte, da dies eigentlich in der Zuständigkeit der Länder liegt. Das ist ein Angebot an die Kinder dieses Landes, das ist ein Angebot an Eltern und Lehrer, aber das ist auch ein Angebot an die Ministerpräsidenten. Von den SPDMinisterpräsidenten höre ich bis dato aber herzlich wenig. Sie äußern sich weder zu den Inhalten noch geben sie die Zusage, dass auch sie die notwendigen Landesmittel zur Verfügung stellen, damit wir das 7-ProzentZiel erreichen. ({15}) Wenn der SPD die Bildung so wichtig ist, dann ist der Bildungsgipfel der Tag der Bewährung. Am 10. Juni kommt es zum Schwur. Die christlich-liberale Regierung will die Bildungsrepublik Deutschland. Unser Angebot steht. Jetzt ist die SPD gefragt, jetzt sind ihre Ministerpräsidenten am Zuge. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Swen Schulz von der SPDFraktion.

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht in der Einleitung zum Bildungskapitel Folgendes: Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit am Start, Durchlässigkeit und faire Aufstiegschancen für alle ermöglichen. Wir wollen Deutschland zur Bildungsrepublik machen, mit den besten Kindertagesstätten, den besten Schulen und Berufsschulen sowie den besten Hochschulen und Forschungseinrichtungen. ({0}) Was da im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP steht, ist ein großartiges Ziel. Die Frage ist aber: Was passiert konkret? Uns liegt der erste Haushalt dieser Regierungskoalition vor. Der Haushalt ist ein Gradmesser dafür, was tatsächlich passiert. Der Haushalt ist das Buch der Wahrheit. Wenn man sich den Haushalt genau anschaut, muss man feststellen: Die großen Worte, die im Koalitionsvertrag stehen, sind reine Lippenbekenntnisse, nichts Konkretes steckt dahinter. Natürlich stehen im Haushalt auch ein paar gute Dinge. ({1}) - Sie bauen durchaus auf der richtigen Politik von RotGrün und der Großen Koalition auf; das will ich der Fairness halber sagen. ({2}) Aber die Frage ist doch: Was macht die neue Regierungskoalition an eigener Politik? Schauen wir uns den Bereich der Hochschulen an: Frau Schavan hat eine große Initiative für eine bessere Lehre angekündigt, und zwar 2 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Doch was steht in diesem Haushalt? Kümmerliche 2 Millionen Euro. Unseren Antrag, diesen Titel aufzustocken, hat die Regierungskoalition abgelehnt. Das war also nicht gerade ein Glanzstück der Regierungskoalition. ({3}) Oder nehmen wir das BAföG: Wir haben eine starke Ausweitung des BAföGs beantragt. Die Regierungskoalition hat das abgelehnt, sie will nur eine kleine, moderate Anpassung vornehmen, und für die möchte sie sich auch noch feiern lassen. Da Herr Rehberg, Frau Schavan und Frau Flach in dieser Debatte behauptet haben, im Vergleich zu Rot-Grün würden sie auf großartige Weise mit dem BAföG umgehen, will ich daran erinnern, wie das mit dem BAföG war: Unter der Regierung Kohl - CDU, CSU, FDP, mit dem zuständigen Minister Rüttgers - wurde das BAföG kurz und klein gehauen. ({4}) Rot-Grün - wir - mussten das BAföG erst mühsam wieder aufbauen, und das in einer Situation, in der uns die Bundesratsmehrheit von CDU/CSU und FDP jeden erdenklichen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. In der Großen Koalition musste die SPD das BAföG gegen anfänglichen Widerstand von Frau Schavan und der CDU/CSU sichern und konnte erst spät eine Verbesserung des BAföGs durchsetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, ich finde, Sie sollten beim Thema BAföG ganz ruhig sein, statt sich hier aufzuspielen. ({5}) Wir freuen uns, wenn wir einen Erkenntnisgewinn beobachten können wie bei dem, was Sie jetzt beim BAföG planen; das ist wenigstens etwas. Leider gibt es Themen, über die Frau Schavan zwar viel redet, für die sie aber nichts tut. Beispiel Schule: Sie wollen jetzt die Grundschulen unterstützen, insbesondere Grundschulen in sozialen Brennpunkten. Das ist ein sehr diskutabler Ansatz. Sie brauchen dafür aber eine Änderung des Grundgesetzes. Wenn man das, was Frau Schavan in der Öffentlichkeit gesagt hat, ernst nehmen darf, sind Sie inzwischen dazu bereit. Aber wo bleibt die konkrete Initiative, wo wird das, was Sie sagen, handfest? Frau Schavan, Sie sind Bundesministerin, und Sie sind auch Abgeordnete. Ergreifen Sie die Initiative und machen Sie einen konkreten Antrag! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Lassen Sie uns gemeinsam Butter bei die Fische geben, lassen Sie uns gemeinsam hier im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Kooperationsverbotes einbringen! Ich werde Sie anschreiben und Ihnen das entsprechend vorschlagen. Dann wollen wir einmal sehen, ob Sie es ernst meinen, liebe Frau Schavan. ({6}) Dann gibt es Themen, Frau Schavan, zu denen Sie sich, obwohl diese Themen bildungspolitisch wichtig sind, nicht einmal äußern, etwa zur Frage des Betreuungsgeldes. Das ist für viele Kinder, die in schwierigen familiären Verhältnissen leben, eine Maßnahme zur Verhinderung von Bildung. Frau Schavan, ich behaupte, Sie sind klug genug, um das zu wissen. Trotzdem schweigen Sie zu diesem Thema. Aber den Grundschülern helfen wollen! Dabei müssen Förderung und Unterstützung vor der Schule einsetzen. Das blenden Sie aus. Hier verletzen Sie Ihre Pflicht als Bildungsministerin, Frau Schavan. ({7}) Nun zur Finanzsituation der Länder und Kommunen. Diese sind ja nun hauptsächlich für die Bildung zuständig. Sie brauchen dringend Geld für eine bessere Bildung, aber die Regierungskoalition haut den Ländern und Kommunen mit einer verantwortungslosen Steuer2946 Swen Schulz ({8}) politik finanziell die Beine weg. Sie sind nicht mehr in der Lage, eine vernünftige Bildungspolitik zu machen. Wir wollen das ändern; wir stehen dagegen auf. Aber wo sind Sie, Frau Schavan? Wo sind Sie bei dieser bildungspolitisch so wichtigen Frage? Immer dann, wenn es wirklich ernst und hart wird, tauchen Sie ab, Frau Schavan. Das ist einer Bildungsministerin nicht würdig. ({9}) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie ruhen sich auf den Erfolgen, die Sie gemeinsam mit der SPD errungen haben, aus. Sie verabreichen noch ein paar Beruhigungspillen, finden salbungsvolle Worte oder ducken sich ganz weg, aber eines machen Sie nicht: die Probleme tatsächlich anpacken. Das wird klar, wenn man in den Haushalt sieht. Das sind die Fakten. Darum können Sie nicht herumreden. Wir von der SPD wollen keine Klientelpolitik machen, so wie Sie es tun, sondern wir wollen gute Bildung für alle. Dafür haben wir entsprechende Änderungsanträge zum Haushalt gestellt. Diese haben Sie abgelehnt. Deswegen ist dieser Haushalt nicht zustimmungsfähig. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Michael Kretschmer von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Kretschmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was bleibt am Ende dieser Debatte? Es bleiben viel Gutes, eine positive Bilanz und traurige, reflexhafte Kritik der Opposition. Das ist schade, weil Sie damit den Blick auf ein wirklich großartiges Ergebnis verstellen, das seine Ursache und seine Begründung natürlich in dieser Koalition hat. ({0}) Letzten Endes ist das das Ergebnis einer Zusammenarbeit über viele Jahre. Viele Ideen - auch von Kollegen, die nicht der Regierung angehören - sind hier eingeflossen. Es ist schade, dass Sie darüber den Stab brechen. Das spricht nicht für Sie. ({1}) CDU/CSU und FDP sind es gewöhnt, dicke Bretter zu bohren. ({2}) Das ist gerade im Bereich der Bildung und der Forschung notwendig, wenn man erfolgreich sein will. Wir haben einen Aufwuchs von 3 Milliarden Euro in nur fünf Jahren durchsetzen können. Das ist eine gewaltige Zahl. Wir planen weitere Projekte. Dazu gehört das Wissenschaftsfreiheitsgesetz. ({3}) Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode gelungen, vieles in diesem Bereich zu bewegen; aber wir wollen noch mehr. Unser Standort soll noch attraktiver werden. Das geht nur, wenn man gemeinsam - Bund und Länder - in den Facharbeitsgruppen zusammenarbeitet. Ich erinnere mich: Als ich zum ersten Mal Mitglied des Deutschen Bundestages war - damals regierte RotGrün -, gab es Befristungsregeln und den DudenhausenErlass. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen atmen auf. Das ist das Ergebnis einer Politik, die auf Leistung setzt und den Hochschulen und Forschungseinrichtungen Freiheit gibt. ({4}) - Herr Hagemann, ich finde es sehr traurig, dass Sie das alles immer nur kritisieren. Natürlich haben viele Kollegen mitgewirkt. Ich bin bereit, das zuzugestehen, weil ich mich über die Fachdiskussion freue. Ich kann Sie nur einladen, auch in Zukunft mitzuarbeiten, zum Beispiel am Stipendienprogramm. Wir haben gesagt: In diesem Land gibt es keine Stipendienkultur. - Wir haben das über viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, gemeinsam kritisiert. Jetzt macht diese Regierung einen wirklich großartigen Vorschlag, nämlich ein Stipendienprogramm für einen großen Teil der Studierenden. ({5}) Insgesamt 10 Prozent wollen wir erreichen. Ich glaube, man sollte das gut finden und mit daran arbeiten, dass am Ende tatsächlich 10 Prozent der jungen Leute ein Stipendium erhalten können. Sie sollten nicht den Stab darüber brechen und nicht sagen - denn es stimmt nicht -, dass Menschen aus sozial schwachen Familien keine Chance haben. Im Gegenteil: Es gibt in diesen Familien einen unglaublichen Leistungswillen. Wir wollen hoffen, dass viele von ihnen ein solches Stipendium bekommen. ({6}) Wir haben die zweite Phase der Exzellenzinitiative gestartet. Wir sagen ganz klar: Es kann nicht sein, dass eine Spitzenuniversität nicht auch in der Lehre spitze ist. Deswegen wird es diese dritte Säule, die die Bundesministerin angekündigt hat, geben. 200 Millionen Euro pro Jahr für mehr Qualität in der Lehre sind eine klare Ansage und ein deutliches Zeichen. ({7}) Das BAföG wurde angesprochen. Dazu muss man sagen: Es ist ungerecht, die Ankündigungen in Bausch und Bogen kleinzureden. Es wird eine Erhöhung um 2 Prozent und eine umfassende Reform geben. Eine solche Modernisierung ist in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Wir sehen konkrete Änderungen beim BAföG vor, so zum Beispiel bei der Altersgrenze, und wir erweitern die Möglichkeit, mit Kind zu studieren. All das ist notwendig. Die jungen Leute, die BAföG beziehen, werden es uns danken. Diese Kritik werden sie nicht verstehen. ({8}) Herr Kollege Rupprecht hat den Wissenstransfer angesprochen. Das wird in der nächsten Zeit ein wichtiges Thema für uns sein. Gestern war ich beim Senat der Leibniz-Gemeinschaft; der Kollege Hagemann war dabei. Dort wird ganz selbstverständlich über Netzwerke zur Verwertung gesprochen. Es gibt zum Beispiel ein Translationszentrum. Es ist dort angekommen, dass wir wollen, dass das Wissen, das wir mit staatlichen Mitteln möglich machen, auch zu neuen Produkten führt. Auch in dieser Hinsicht sind wir erfolgreich gewesen. Die Politik der vergangenen Jahre hat sich ausgezahlt und zahlt sich weiterhin aus. Darauf kann man stolz sein. ({9}) Wir können mittlerweile sagen - auch die Forschung sieht das so -: Wir haben Amerika überholt. Im Jahr 2000 lagen wir bei der Produktion von forschungs- und wissensintensiven Gütern noch hinter Amerika. Mittlerweile liegen wir vorn. ({10}) Das ist ein großer Erfolg. Wir werden die Gespräche über die steuerliche Forschungsförderung in diesem Jahr abschließen. Die steuerliche Forschungsförderung ist ein sehr wichtiges Instrument, mit dem wir den Forschungsstandort Deutschland international wettbewerbsfähig halten können. ({11}) Für uns ist wichtig, dass wir denjenigen, die es schwer haben, helfen. Bei den Reformen von Hartz IV, im Rahmen der Neuberechnung und der Neuausrichtung, werden wir mehr für die Bildung von Kindern tun. Ich glaube, wir werden deutlich über das hinausgehen, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat. Ich finde es richtig, dass dies auch in Form von Sachleistungen geschieht, zum Beispiel bei Nachhilfe oder bei der Förderung von Mitgliedschaften in Vereinen; dafür bitte ich um Unterstützung. Die jungen Leute brauchen das. Wir können nicht zulassen, dass auch in Zukunft 20 Prozent der unter 15-Jährigen zu einer Risikogruppe gehören und irgendwann die Schule abbrechen. Die Bildungsrepublik Deutschland braucht jedes Talent. Jeder braucht eine Chance. Gerade dort, wo es notwendig ist, müssen wir helfen. ({12}) Wir sind auf einem guten Weg und werden auch in den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen. Alle sind eingeladen, daran mitzuwirken. Es lohnt sich, sich für Forschung und Entwicklung einzusetzen. Denn für eine Wissensgesellschaft sind dies die zentralen Investitionen, wenn sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein will. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung - in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 19. März 2010, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.