Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu den Haushaltsberatungen
des Deutschen Bundestages.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
dem Kollegen Dr. Herbert Schui zu seinem 70. Geburtstag gratulieren, den er am vergangenen Wochenende begangen hat.
({0})
Herr Kollege Schui, im Namen des ganzen Hauses auch
für die nächsten 70 Jahre alle guten Wünsche!
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte I a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010 ({1})
- Drucksachen 17/200, 17/201 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013
- Drucksachen 16/13601, 17/626 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider ({3})
Roland Claus
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
- Drucksachen 17/601, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Carsten Schneider ({4})
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Dr. Dietmar Bartsch
Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Dann ist der Einzelplan 01 in der vom Haushaltsausschuss festgestellten Fassung angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
- Drucksachen 17/602, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Alexander Bonde
Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Damit ist auch der Einzelplan 02 mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
- Drucksachen 17/603, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Stefanie Vogelsang
Klaus Brandner
Redetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Dietmar Bartsch
Priska Hinz ({5})
Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Damit ist der Einzelplan 03 einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.4 auf:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
- Drucksachen 17/608, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Brackmann
Carsten Schneider ({6})
Dr. Gesine Lötzsch
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksachen 17/623, 17/624 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider ({7})
Roland Claus
Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir offenkundig so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Carsten Schneider für die SPDFraktion.
({8})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Bundesminister Schäuble, wir freuen uns, dass Sie
wieder unter uns sind - herzlich willkommen - und dass
wir heute die Gelegenheit haben, die Auseinandersetzung über den Haushalt 2010 und die Folgejahre zu führen. Sie sind mit vielen Vorschusslorbeeren - große Erfahrung, Weitsicht, politisches Gewicht ({0})
als Minister gestartet. Wenn ich den Haushaltsplan betrachte, Herr Kauder, dann stelle ich fest: Sie haben den
Bundesminister im Regen stehen lassen.
({1})
In der derzeitigen Wirtschaftskrise, die immer noch kritisch ist, tun Sie nichts, um die Konsolidierung der
Staatsfinanzen nach vorne zu bringen.
({2})
Im Ergebnis ist eine Nettokreditaufnahme von
80 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist die höchste Neuverschuldung, die es je in der Bundesrepublik gegeben
hat.
({3})
Das ist das Doppelte von dem, was einer Ihrer Vorgänger, Bundesminister Waigel, 1996 vorgesehen hatte. Es
ist richtig: Es hätte auch unter anderen Regierungen und
anderen Konstellationen eine hohe Neuverschuldung in
diesem Jahr gegeben.
({4})
Die Frage ist nur: Wäre sie auch so hoch, wenn es keine
korrigierte Haushaltsplanung aufgrund Ihrer Klientelgeschenke und der bewussten Wählermanipulation durch
die Zahlung von Spenden gäbe? Die Antwort ist: Nein.
Das belegen zwei Zahlen. Unter der Großen Koalition
waren im Haushalt von Peer Steinbrück 25,6 Milliarden
Euro als Konjunkturkomponente vorgesehen. Heute liegt
sie bei 13 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen, die der
Minister selbst vorgelegt hat. Im Gegensatz zum ersten
Regierungsentwurf enthält der zweite Regierungsentwurf, den Sie vorgelegt haben, aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage eine Entlastung von 10 Milliarden Euro. Was haben Sie gemacht? Haben Sie die
Neuverschuldung um 10 Milliarden Euro gesenkt, oder
haben Sie Steuergeschenke an Ihre Klientel, an Hotels,
an Erben und an Unternehmen verteilt? Letzteres haben
Sie getan, und das war der falsche Weg.
({5})
Es sind doch nicht die Opposition oder der Gewerkschaftsbund, sondern es ist der BDI, der Ihnen ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. Der Präsident des BDI
spricht von Orientierungslosigkeit, und das in einer Zeit,
in der es notwendig wäre, dass wir als größte Volkswirtschaft die Führung in Europa übernehmen. Auch die international angesehene Zeitung Newsweek kommt zu einem klaren Urteil und fragt: Wo ist Frau Merkel?
Irgendwann wird in Deutschland nicht nur die Frage gestellt: Wo ist der Bundespräsident?, sondern die BildZeitung wird auch fragen: Wo ist Frau Merkel? Hat sie
überhaupt eine Vorstellung davon, wie es in diesem
Land weitergehen soll? Hat sie eine Vorstellung davon,
wie viel Angst die Menschen vor Inflation haben, wie
viel Angst sie davor haben, dass die Leistung, die der
Staat derzeit noch erbringen kann, nicht mehr erreicht
werden kann?
Wenn ich mir Ihre Antworten betrachte - der Haushalt ist ja in Zahlen gegossene Politik, er ist das Schicksalsbuch der Nation -, dann muss ich sagen: Es sieht
sehr düster aus. Was tun Sie? Sie legen einen Haushalt
vor, der in maßgeblichen Bereichen Entlastungen aufgrund der Verbesserung der konjunkturellen Lage beinhaltet. Sie könnten die Neuverschuldung deutlich weiter
senken. Wir als SPD haben das vorgesehen. Wir kommen auf eine Neuverschuldung von 77 Milliarden Euro
Carsten Schneider ({6})
und würden nach unseren Planungen dabei auch noch
die Investitionen stärken und internationale Zusagen erfüllen. Sie hingegen verteilen Geschenke an Ihre Wählerklientel. Das hat nichts mit dem Gemeinwohl und
nichts mit Stimulierung der Wirtschaft in einer schwierigen Lage zu tun.
({7})
Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe. Bis 2016 werden die Zinsausgaben bei einem normalen Zinsniveau
- derzeit haben wir ein historisch niedriges Zinsniveau um 60 Prozent, von heute 37 Milliarden Euro auf über
62 Milliarden Euro, steigen. Dafür haben Sie keine Vorsorge getroffen. Sie haben keine Gegenfinanzierung.
Das Einzige, was die FDP vorträgt, ist ihre Mär von der
Steuersenkung, die angeblich Wachstum bringen soll.
({8})
Der Sachverständigenrat der Bundesregierung - dem
sollten Sie einmal zuhören - kommt zu dem Ergebnis,
dass das, was im Koalitionsvertrag vorgelegt wurde, keinerlei Konsolidierungserfordernissen entspricht. Er führt
aus, dass Steuersenkungen zwar eine kleine Wachstumswirkung haben - wie groß sie ist, ist umstritten -, es aber
keine Stimulierung gibt und auch keine komplette Gegenfinanzierung vorliegt. Was passieren wird, ist: Sie
werden für die Reichen die Steuern senken, so wie Sie es
im Wahlkampf versprochen haben, und bezahlen werden
es die Armen.
({9})
Wir sehen das schon heute im Haushalt. Was haben
Sie gemacht? Sie haben 900 Millionen Euro im Bereich
der aktiven Arbeitsmarktpolitik faktisch eingespart.
({10})
Herr Westerwelle hat eine Debatte über Sozialhilfe bzw.
Arbeitslosengeld II mit dem klaren Ziel der Stigmatisierung dieser Menschen, die nach Arbeit suchen, vom
Zaun gebrochen.
({11})
Und was ist das Ergebnis Ihrer Beratungen? 900 Millionen Euro - das sind über 10 Prozent der Mittel, die zur
Verfügung stehen, um Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um ihnen eine Chance zu geben sperren Sie. Sie glauben doch nicht im Ernst, liebe Kollegen von der Union, dass die FDP diese Mittel - sie
wollte sie früher immer halbieren - wieder freigeben
wird.
({12})
Das wird nicht der Fall sein. Die Arbeitslosen in diesem
Land werden für die Politik der CDU/CSU und der FDP
bluten.
Was Sie finanzpolitisch machen, ist eine Geisterfahrt;
man kann das nicht anders nennen. Ihre Aufgabe wäre
es, den Leuten zu Beginn Ihrer Koalitionszeit reinen
Wein einzuschenken. Zum Glück haben wir in der letzten Legislaturperiode eine Schuldenbremse eingeführt,
um die hohen öffentlichen Defizite zurückzuführen. Das
bedeutet, dass Sie ab 2011 jedes Jahr zwischen 10 und
15 Milliarden Euro - das hängt von der Zinsentwicklung
ab - kumuliert zurückführen müssen. Ich halte das für
unabdingbar; das ist notwendig. Haben Sie in den letzten
fünf Monaten irgendeine Antwort darauf gegeben, wie
Sie diese Herkulesaufgabe, die größte Aufgabe, vor der
diese Regierung und dieses Land stehen, bewältigen
wollen? Nein.
({13})
Sie haben drei Gesetze gemacht. Eines nennen Sie
„Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Das Gegenteil ist
der Fall: Es ist ein Klientelbeglückungsgesetz.
({14})
Sie haben ein Gesetz gemacht, das darauf zielt, die Umsatzsteuer noch unübersichtlicher zu regeln, sodass überhaupt keiner mehr durchblickt. Die FDP wollte immer
eine Vereinfachung; aber alles, was Sie bisher gemacht
haben, verursacht mehr Bürokratie, verunsichert die
Menschen und sorgt für weniger Durchsicht.
({15})
Ein Gesetz, das Sie beschlossen haben, das Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz, tragen wir in Teilen
mit, im entscheidenden Teil aber nicht, nämlich da, wo
es um die sogenannte Kuhschwanzprämie geht. Das sind
drei Gesetze in fünf Monaten. Neue Subventionen für
Bauern - das ist Ihre Priorität in diesem Land. So geht
das nicht weiter.
({16})
Wenn wir sehen, wo Sie gekürzt haben, dann fragen
wir uns schon, ob Sie wirtschaftspolitisch noch ganz bei
der Sache sind. Sie kürzen die Investitionen um
400 Millionen Euro. Wenn wir bisher eine bessere wirtschaftliche Entwicklung als prognostiziert hatten, dann
liegt das an den Maßnahmen - eigentlich soll man sich
ja nicht selbst loben -, die wir in der vergangenen Regierungszeit beschlossen haben. Das kommunale Investitionsprogramm, die Abwrackprämie und die Stimuli im
Bereich der Bezieher von kleinen Einkommen haben
dazu geführt, dass die Wirtschaft nicht so stark abgestürzt ist wie prognostiziert. Da besteht ein elementarer
Zusammenhang zu den Investitionen. Was Sie jetzt machen, ist, genau das zu konterkarieren.
({17})
Carsten Schneider ({18})
Dafür gibt es Belege:
Sie kürzen die Investitionen um 400 Millionen Euro.
Ökonomisch großartig! Große Leistung! Das führt dazu,
dass bei den Investitionen im Baubereich - Stichwort:
Nachfrage - bis zu 1 Milliarde Euro an öffentlichen Mitteln einschließlich Kofinanzierung fehlen wird.
Sie kürzen die Verpflichtungsermächtigungen, und
zwar auch für Aufgaben bzw. Aufträge der kommenden
Jahre, um 4 Milliarden Euro. Auch das wird aufgrund
der Kofinanzierung dazu führen, dass bis zu 10 Milliarden Euro zusätzlich verloren gehen. Ich frage mich: Lesen Sie eigentlich den Wirtschaftsteil der Zeitung? Wissen Sie eigentlich, wie es um dieses Land bestellt ist?
Wir sind in einer sehr kritischen Situation, und Sie machen nichts weiter als eine wirtschaftspolitische und finanzpolitische Geisterfahrt. Ich finde, das ist nicht hinnehmbar.
({19})
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auf vielen internationalen Gipfeln große Versprechen gemacht. Für die Entwicklungshilfe - Stichwort: ODA-Mittel - wollten Sie das haben Sie schon 2006 und später in vielen Sonntagsreden immer wieder gesagt - 0,51 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt ausgeben. Ich habe von Ihnen bisher noch
kein einziges Wort dazu gehört, dass Sie den Ansatz des
Jahres 2009 halten. Wir hätten eine Steigerung um mehrere Milliarden Euro gebraucht, um die gemachten Zusagen einzuhalten. Ich habe nicht gehört, was Sie dazu sagen. Kein Wort!
Im Bereich Klimaschutz haben Sie in Kopenhagen
eine feste Zusage gemacht. 2010 wollten Sie dafür
420 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Was steht im
Haushalt? 70 Millionen Euro! Frau Bundeskanzlerin, ich
erwarte, dass Sie dazu einmal klar Stellung nehmen, dass
Sie klar sagen: „Wir können uns das nicht mehr leisten“
oder etwas anderes.
({20})
Aber einfach abzutauchen, so zu tun, als würden diese
Zusagen nicht existieren, sich davor zu drücken, das ist
einer Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
nicht würdig.
Was macht der Bundesfinanzminister in dieser Situation? Er beginnt eine Debatte über einen europäischen
Währungsfonds. Zur Frage der Staatsfinanzierung
Griechenlands gab es gestern ein Treffen. Die Erkenntnisse dazu sind bisher rudimentär. Ich würde Sie bitten,
Herr Bundesminister Schäuble, dass Sie dem Deutschen
Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit klar sagen,
was dort gestern besprochen wurde und was auf
Deutschland zukommt. Müssen wir für Griechenland
bürgen? Müssen wir Kredite für Griechenland absichern? Gehen wir da selbst ins Risiko, oder ist die ablehnende Haltung, die die FDP immer wieder vorgetragen
hat, die maßgebliche in der Bundesregierung? Ich hätte
darüber gern Klarheit.
({21})
Dreimal haben wir dieses Thema im Haushaltsausschuss
angesprochen. Nichts ist uns dazu berichtet worden.
Doch es treibt die Menschen um.
({22})
Wir wollen wissen: Ist der Euro sicher? Ist er stabil?
Welche Antwort geben Sie darauf? Warum werfen Sie
als Nebelkerze die Idee eines europäischen Währungsfonds in den Raum, der in den nächsten 10 bis 20 Jahren
niemals Realität werden wird, wenn Sie nicht einmal
heute erklären können, was Sache ist?
({23})
Wenn Sie fragen, welches Instrument es sonst gibt,
kann ich Ihnen klar antworten. Es gibt bereits ein Instrument: den Internationalen Währungsfonds. Er ist genau dafür da. Die Etats wurden erhöht, um zusätzlich
eingreifen zu können. Wir sehen in Ungarn und im Baltikum, dass es funktioniert.
({24})
Ich frage mich: Warum nutzen Sie dieses Instrument
nicht auch hier, sondern verschlechtern mit Zusagen die
Refinanzierungssituation Deutschlands?
Wir haben ein sehr gutes Rating; wir stehen noch sehr
gut da. Wir nehmen pro Jahr Kredite in Höhe von
350 Milliarden Euro auf. Da ist jeder Zehntelprozentpunkt, den wir mehr bezahlen müssen, entscheidend.
Fragen Sie sich doch mal eines: Wenn Sie nicht mehr nur
den Bund, sondern auch noch Griechenland und alle anderen möglichen Länder mit betrachten, meinen Sie, es
wird dann teurer oder billiger für den Bund? Die Refinanzierung würde teurer werden. Deswegen sage ich:
Vorsicht an der Bahnsteigkante. Über die europäischen
Verträge und die Sanktionsmechanismen kann und muss
man reden. Man sollte aber nichts verschleiern, man
sollte nicht Mittel geben, ohne dies der deutschen Öffentlichkeit zu sagen. Ich möchte Sie bitten, an dieser
Stelle für Klarheit zu sorgen.
({25})
Wir als Opposition kritisieren vor allen Dingen, dass
Sie im Haushalt 2010 nicht sparen. Sie tun nur so. Ich
nenne Ihnen ein Beispiel: das Rüstungsprojekt A400M,
ein Transportflugzeug. Auch darüber haben wir immer
wieder Auskunft verlangt; aber sie ist bisher nicht gegeben worden. Dieses Projekt wird teurer. Das hat Minister
Guttenberg gesagt. Für die gleichen Stückzahlen müssen
wir nun mehr zahlen. Das führt dazu, dass sich der Preis
für die Flugzeuge erhöht. In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen ist so etwas natürlich sehr spannend.
Stellen Sie sich das einmal vor: Sie haben einen Vertrag
mit jemandem geschlossen, der dann vier Jahre später
liefert, und Sie müssen dann auch noch mehr zahlen, als
im Vertrag vereinbart ist, aber bekommen dafür nicht
mehr. Das ist finanzpolitisch großartig. Ich finde, Sie geCarsten Schneider ({26})
hen mit den Steuergeldern der Deutschen exzellent um.
Anders als mit Ironie kann man das wirklich nicht strafen.
Der Höhepunkt ist, dass Sie sagen, Sie würden an dieser Stelle 100 Millionen Euro im Haushalt sparen. Sie
wissen, dass Sie mehr ausgeben müssen. Der Staatssekretär sagt, dass Sie 350 Millionen Euro in diesem
Jahr zahlen müssen, und Sie kürzen um 100 Millionen
Euro. Was ist das? Das ist keine Kürzung; denn Sie werden diese 350 Millionen Euro zahlen müssen. Das ist
eine Fata Morgana.
({27})
Zum Schluss möchte ich diese Situation mit dem Start
der letzten schwarz-gelben Regierung vergleichen. Sie
hat ihren ersten Haushalt am 16. Dezember 1982 in
zweiter und dritter Lesung beschlossen. Am Tag danach
stellte der damalige Bundeskanzler Kohl im Deutschen
Bundestag die Vertrauensfrage nach Art. 68 Grundgesetz, und das Parlament sprach ihm das Misstrauen aus.
Frau Merkel, ich hätte nichts dagegen, wenn auch Sie
das morgen tun würden. Diese Koalition hat abgewirtschaftet, bevor sie richtig begonnen hat.
({28})
Das Misstrauen in der Koalition ist mit Händen zu greifen. Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Vertrauen
mehr zu dieser Chaostruppe des permanenten Selbstwiderspruchs. Dieses Land hat eine bessere Regierung verdient. Ich sage Ihnen: Meine Stimme hätten Sie morgen
nicht.
({29})
Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser heute ersten, von Polemik geprägten
Rede des haushaltspolitischen Sprechers der SPD,
({0})
der ganz offensichtlich aufgrund des Wahlschocks die
haushälterischen Grundregeln vergessen und sich von allem verabschiedet hat, was er noch bis zum letzten Jahr
mitgetragen hat, möchte ich jetzt etwas zu dem Haushalt
sagen, den wir, die christlich-liberale Koalition, nach
langen, teilweise langwierigen und auch anstrengenden
Beratungen zur zweiten und dritten Lesung vorlegen.
Ich will gleich an dieser Stelle betonen, dass die Zusammenarbeit innerhalb dieser christlich-liberalen
Koalition
({1})
ausgesprochen konstruktiv
({2})
und harmonisch verlief - von Streit keine Spur.
({3})
In den Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, dafür
zu sorgen, dass wir heute ein Gesamtkunstwerk vorlegen,
({4})
das zwei sich teilweise widersprechenden Zielsetzungen
gerecht werden soll und auch gerecht wird.
({5})
Schon deshalb kann man zu Recht von einem Kunstwerk
sprechen.
({6})
Dieser Haushalt ist der Bekämpfung der Wirtschaftsund Finanzkrise gewidmet. Unser Land sicher durch
diese Krise zu führen, das ist und bleibt für die christlich-liberale Regierung oberste Priorität. Mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz und dem Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz hat diese Regierung
Handlungsfähigkeit bewiesen.
({7})
Wir werden die Bürgerinnen und Bürger bzw. die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein im Jahr 2010 um
rund 20 Milliarden Euro entlasten.
({8})
Wir haben damit weitere Wachstumsimpulse gesetzt und
zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes beigetragen.
({9})
Die Einzelteile, die Sie von der Opposition herausgreifen und hier vortragen, haben an dieser wirklich sehenswerten Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur einen marginalen Anteil.
({10})
Natürlich schlagen sich die Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Krise in einer für viele, auch für mich,
erschreckend hohen Nettokreditaufnahme in Höhe von
80,2 Milliarden Euro nieder; das ist unbestritten.
({11})
Wir nehmen zur Bekämpfung dieser Krise eine Verletzung der Maastricht-Kriterien in Kauf, liegen mit einer
Defizitquote von rund 5,5 Prozent aber immer noch
deutlich besser als viele mit Deutschland vergleichbare
Staaten um uns herum,
({12})
und das nur, weil wir vor der Krise gesamtstaatlich nahezu ausgeglichene Haushalte hatten.
Die zweite Zielsetzung, der wir gerecht werden, ist
der Kurswechsel hin zur Konsolidierung des Haushalts.
({13})
Deshalb haben wir die von Finanzminister Schäuble
schon eingeleitete Absenkung der Nettokreditaufnahme
gegenüber dem Entwurf von Herrn Steinbrück
({14})
intensiv fortgesetzt
({15})
und die Ausgaben - ich betone: die Ausgaben - um
5,6 Milliarden Euro reduziert.
({16})
- Herr Kollege, eine ähnlich hohe Absenkung der Nettokreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf gab
es zuletzt 1995,
({17})
und zwar in einer christlich-liberalen Koalition unter
Helmut Kohl.
({18})
Diese Koalition zeigt, dass sie in der Lage ist, zu sparen.
({19})
Wenn Sie mich fragen, wie das zustande kam, dann
will ich das gerne erklären.
({20})
Wir haben die sogenannten Schätzansätze abgesenkt
- das betrifft den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit und die Zinsaufwendungen -, weil sich der Arbeitsmarkt positiver als noch im Dezember letzten Jahres erwartet entwickelt hat. Wir fahren mit diesem Haushalt
sozusagen einen Teil der Ernte unserer guten Politik ein.
({21})
Aber wir bleiben an dieser Stelle nicht stehen. Wir haben mehr als 300 Änderungsanträge vorgelegt und
zusätzliche Einsparungen durchgesetzt. Bei den Verwaltungs- und Personalkosten der Bundesregierung
werden wir rund 500 Millionen Euro einsparen. Die Ressorts werden diese Leistung durch eine effizientere Bewirtschaftung erbringen müssen. Statt auf Staatskonsum
setzen wir auf Investitionen und auf Zukunftsprogramme.
({22})
Darüber hinaus haben wir für das Haushaltsjahr 2010
wieder eine pauschale Stelleneinsparung in Höhe von
1 Prozent in den Haushaltsentwurf aufgenommen.
({23})
Wir gewährleisten eine Gleichbehandlung aller Bereiche, indem wir die 0,4-prozentige Stelleneinsparung, die
im Entwurf schon vorgesehen war, ebenfalls fortschreiben. Damit, meine Damen und Herren, werden brutto
insgesamt 2 600 Stellen eingespart. Das ist eine beachtliche Größenordnung.
({24})
Leider ist der Großteil der Mittel des Haushalts vorgebunden. Trotzdem haben wir im sogenannten disponiblen Bereich, also überall dort, wo Bewegungsspielräume vorhanden sind, Kürzungen vorgenommen. Aber
wir sind nicht mit dem Rasenmäher vorgegangen, sondern haben uns alle Einzelpläne gesondert angeschaut
und uns große Mühe gemacht, um herauszufinden, welche einzelnen Ausgabenposten im Detail zu kürzen sind.
({25})
Das war beschwerlich, hat sich aber im Ergebnis gelohnt. So trägt dieser Haushalt die klare Handschrift der
christlich-liberalen Koalition.
({26})
Das ist gut für dieses Land.
({27})
Wenn ich mir die Änderungsanträge der Oppositionsparteien anschaue, muss ich leider feststellen: Eine klare
Linie kann man nicht erkennen. Im Gegenteil: SPD,
Grüne, Linke legen Änderungsanträge vor, die nur den
Zweck haben, die eigene Klientel zu bedienen.
({28})
Das ist, mit Verlaub, zu kurz gesprungen.
({29})
Der Kollege Schneider hat beklagt, dass wir nicht
eine um 10 Milliarden Euro niedrigere NKA aufweisen.
Schauen wir uns an, was die Änderungsanträge der SPD
unter dem Strich bedeuten: Sie wollen die NKA um
1,3 Milliarden Euro absenken - nicht um 10 Milliarden
Euro -, und dies nur, indem sie die Schätzansätze im
Einzelplan 32 und im Einzelplan 60, also dort, wo es
vorwiegend um Zinsbelastungen geht, schärfer kalkulieren als wir. Wir haben dort bewusst nicht so scharf kalkuliert. Wir hätten schärfer kalkulieren können, wir hätten die Nettokreditaufnahme unter 80 Milliarden Euro
drücken können; aber wir haben bewusst Puffer gelassen, um in den sozialen Bereichen auf der sicheren Seite
zu sein: dass wir über das Jahr hinweg sicherstellen können, dass das Geld, das in diesen Bereichen notwendig
ist, auch zur Verfügung steht. Das ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
({30})
Wir als christlich-liberale Koalition wollen und werden die Schuldenbremse einhalten, wir werden auch die
Maastricht-Kriterien wieder einhalten; das ist unsere
Zielsetzung. Deshalb muss man darangehen, die Vorbindungen für die künftigen Haushalte entsprechend zu
reduzieren. Das war der Grund, weshalb wir in einem
ersten Schritt bei den Verpflichtungsermächtigungen
ab einer Höhe von 10 Millionen Euro eine 10-prozentige
Kürzung bzw. Sperre vorgesehen haben. Dabei haben
wir zum Beispiel für Baumaßnahmen eine sachgerechte
Ausnahme gemacht. Bei allen Sparanstrengungen, die
wir unternommen haben, haben wir schon immer den
Blick in die Zukunft gerichtet.
Die Investitionsquote dieses Haushalts, lieber Kollege Schneider, beträgt 8,9 Prozent. Wir liegen bei den
Investitionen um über 1 Milliarde Euro höher als 2009.
Wir liegen bei der Investitionsquote besser oder zumindest ähnlich wie in den vergangenen Jahren. Schauen Sie
sich die Zahlen an; dann werden Sie mir das bestätigen
können.
Wir haben neue politische Aufgaben umgesetzt und
dennoch die Nettokreditaufnahme absenken können. Zu
diesen neuen Verpflichtungen gehören zum Beispiel die
Zusagen im Zusammenhang mit der Afghanistankonferenz, die wir mit immerhin 436 Millionen Euro abgebildet haben. Dies umfasst neue, zusätzliche Aufgaben für
unsere Soldaten und Soldatinnen.
Auch die Finanzierung des Fast-Start-Programms ist
berücksichtigt. Zusätzlich zu den schon im Entwurf eingepreisten Mitteln in Höhe von 350 Millionen Euro werden weitere 70 Millionen Euro bereitgestellt. Auch für
die Haiti-Konferenz Ende März haben wir haushaltstechnisch bereits Vorsorge getroffen. Darüber hinaus finden Sie in diesem Haushalt zusätzliche Impulse. Zum
Beispiel führen wir das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, das sich bewährt hat, nahtlos weiter, indem wir
400 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
Im 20. Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution und
des Mauerfalls dürfen die Folgen der SED-Diktatur nicht
verharmlost oder gar vergessen werden. Deshalb stellen
wir für die Rekonstruktion von Stasi-Unterlagen und für
die Gedenkstätten mehr Mittel zur Verfügung.
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen zu der wirklich falschen, unrichtigen Aussage, wir hätten bei den
Eingliederungsmaßnahmen gekürzt. Das Gegenteil ist
der Fall. Für diesen Bereich sind 6,6 Milliarden Euro
veranschlagt. 600 Millionen Euro davon bleiben vorläufig gesperrt. Weitere 300 Millionen Euro sind bei den
Verwaltungskosten vorläufig gesperrt. Diese Sperre
kann sofort aufgehoben werden, wenn die Ministerin
- das wird sie sicherlich alsbald tun - ein Konzept vorlegt, wie dieses Geld zielsicher, zielgenau, ökonomisch
effizient eingesetzt werden soll. Dann stehen 900 Millionen Euro mehr zur Verfügung, als im vergangenen Jahr
notwendig waren. Das ist alles andere als eine Kürzung.
Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie hier bewusst die Unwahrheit behaupten.
({31})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir
werden in dieser Woche nicht den Haushalt 2011 und
nicht den Haushalt 2012 beraten, sondern den Haushalt
2010. Nach dieser Beratung bitte ich um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank.
({32})
Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
für die Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! In einem Satz kann man den Bundeshaushalt so zusammenfassen: Er ist gut für Spekulanten und schlecht für Arbeitslose.
Noch im letzten Jahr hat die FDP ihr gelbes Sparbuch
in jede Fernsehkamera gehalten. Jetzt ist das gelbe Sparbuch wie vom Erdboden verschluckt.
({0})
Fast in jedem Ministerium wollte die FDP ein paar
Staatssekretäre einsparen. Nichts davon ist passiert.
Stattdessen ist die FDP dadurch aufgefallen, dass sie alten Freunden im Außenministerium und im Entwicklungshilfeministerium einen neuen Arbeitsplatz vermittelt hat. Sieht so liberales Sparen aus?
({1})
Unsere Hauptkritik an diesem Haushalt besteht darin,
dass die Bundesregierung es nicht für nötig hielt, die
Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise an den
Kosten der Krise zu beteiligen. Das ist ungerecht, und
das können die Menschen nicht akzeptieren.
({2})
Immer wieder haben wir von der Bundeskanzlerin,
Frau Merkel, kritische Worte über die Banken gehört.
Schon 2008 sollten die Verantwortlichen für die Finanzkrise zur Verantwortung gezogen werden. Nichts ist passiert. Im Bundestagswahlkampf war die Kanzlerin sogar
für eine Transaktionsteuer. Wieder ist nichts passiert. Im
November 2009 sagte Frau Merkel - ich zitiere -:
Wir sind mit dem Heraustreten aus der akuten Form
der Krise in einer Phase, wo manch einer im
Finanzsektor schon wieder, wie ich finde, eine
ziemlich große Lippe riskiert.
Frau Merkel hat aber nichts getan, außer diese Lippe zu
kritisieren. Als die Spekulanten gegen die griechische
Volkswirtschaft wetteten, wollte der Finanzminister die
Leerverkäufe verbieten. Doch wieder ist nichts passiert.
Ich finde, die Bundesregierung muss die Finanzwirtschaft mit eindeutigen Gesetzesinitiativen in die Schranken weisen. Das ist das Gebot der Stunde.
({3})
Die Linke hat einen Antrag für eine Bankenabgabe in
den Bundestag eingebracht, wie sie auch Präsident Obama in den USA plant. Bisher habe ich nur vernommen,
dass der Finanzminister über eine solche Abgabe nachdenkt. Ich denke, die Regierung muss endlich handeln.
Die Entlastung von Hotels und Großerben ging doch
auch ganz schnell.
({4})
Ich will hier ausdrücklich betonen, dass wir als Linke
in den Haushaltsdebatten im Plenum und in den Ausschüssen sehr viele Vorschläge zur Stärkung der Einnahmen gemacht haben. Allerdings wurden alle diese Vorschläge zur Stärkung der Einnahmen von der Koalition
abgelehnt.
({5})
CDU/CSU und FDP feiern als größten Erfolg der
Haushaltsberatungen Kürzungen von 3 Milliarden Euro
bei der Bundesanstalt für Arbeit. Um es ganz deutlich
zu sagen: Damit werden Westerwelles Pöbeleien gegen
Arbeitslose in diesem Haushalt schon in Zahlen gegossen.
({6})
Wofür braucht die FDP auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Qualifizierung von Arbeitslosen, wenn
die FDP der Meinung ist, dass die Arbeitslosen nur eine
Schippe oder einen Besen in die Hand zu nehmen brauchen, um die Straßen sauber zu halten? Nein, meine Damen und Herren, so können Sie das Vertrauen der Menschen in diesem Land nicht gewinnen.
({7})
Wir als Linke haben darauf bestanden, dass im Haushalt Vorsorge getroffen wird, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Hartz-IV-Regelsätzen umsetzen zu können. Auch dieser Vorschlag wurde von
Schwarz-Gelb abgelehnt. Offensichtlich wollen Sie es
mit einem Trick versuchen: Sie wollen eventuell höhere
Hartz-IV-Sätze für Kinder aus der Portokasse bezahlen,
oder - was noch gefährlicher ist - diese Regierung will
die Mehrausgaben für Kinder bei den Erwachsenen wieder kürzen. Das ist mit uns nicht zu machen; denn wir
teilen die Auffassung aller Experten, dass die Hartz-IVRegelsätze deutlich zu gering sind. Wir brauchen eine
Erhöhung, und wir fordern Sie auf, unserem Antrag dazu
in der nächsten Runde zuzustimmen.
({8})
Häufig hören wir von der rechten Seite des Hauses
den Vorwurf, dass eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes
nur dazu führen würde, dass es sich Menschen in der Arbeitslosigkeit bequem machen. Ich sage Ihnen aus meiner Lebenserfahrung: Dieser Vorwurf ist zynisch. Die
Mehrheit der Arbeitslosen will arbeiten, und sie kann
mit dieser Demütigung nur schwer umgehen.
Dieser Zynismus führt zu einer gefährlichen Resignation, aber auch zu Aggressionen bei Betroffenen. Das
kann im Sinne des Zusammenhaltes der Gesellschaft
nicht angestrebt werden. Wir brauchen endlich ein gerechtes System der sozialen Mindestsicherung. Dafür
setzt sich die Linke ein, und das wird sie auch in Zukunft
tun, bis wir das erreicht haben.
({9})
Der entscheidende Grund, Kollege Westerwelle, warum Sie die Debatte über die Hartz-IV-Empfänger angezettelt haben, ist doch nicht, dass Sie sich Sorgen um die
alleinerziehende Kellnerin machen, die Sie immer als
Beispiel genannt haben, sondern dass Ihre Freunde Ihnen gesagt haben: Sorg mal dafür, dass nicht mehr über
die Verursacher der Bankenkrise geredet wird. - Dieses
Manöver haben wir durchschaut. Wir finden: Die Verursacher der Bankenkrise müssen zur Kasse gebeten werden, und Pöbeleien gegen Arbeitslose und Hartz-IVEmpfänger müssen vom gesamten Deutschen Bundestag
deutlich und entschieden zurückgewiesen werden.
({10})
Natürlich sieht der vorgelegte Haushaltsentwurf, der
jetzt beschlossen werden soll, anders aus als der eingebrachte Haushaltsentwurf. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass nicht jede Kürzung eine echte Kürzung ist.
Schauen wir uns einmal den Einzelplan 14 - Verteidigung - an, der morgen ausführlich diskutiert werden
wird. In diesem Einzelplan haben die Regierungsfraktionen ein bisschen gekürzt. Das hört sich gut an, ist aber
eine Nebelkerze. Denn schon jetzt ist klar, dass am Ende
des Jahres zusätzliche Kosten entstehen werden. Die
Bundesregierung hat sich ja verpflichtet, weiterhin Geld
in den Militärtransporter A400M zu pumpen. Diesen
Militärtransporter braucht niemand, und wir haben auch
keine Lust mehr, uns von EADS erpressen zu lassen.
({11})
Wir haben einen ganz anderen Haushaltsansatz: Wenn
die Politik richtig ist, dann stimmt auch der Haushalt.
Ausgangspunkt unserer Politik ist, dass Menschen von
ihrer Arbeit leben können müssen. Dazu brauchen wir
endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.
({12})
Dieser würde dafür sorgen, dass Menschen in Würde leben können, und außerdem würde er - nach derzeitigem
Stand - den Bundeshaushalt um mindestens 10 Milliarden Euro entlasten. Wenn das nicht ein doppelter Nutzen
ist! Wir von der Linken haben Anträge gestellt, die von
der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Wenn
Sie unseren Anträgen zustimmen, dann handeln Sie im
Sinne der Mehrheit.
Vielen Dank.
({13})
Otto Fricke erhält nun das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Geschätzter Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Kollegin Lötzsch, das war vielleicht
eine schöne Parteitagsrede - die brauchen Sie auch noch -,
aber das war keine Haushaltsrede.
({0})
In die Richtung der SPD möchte ich sagen: Es ist schön,
was man nicht nur im Plenum, sondern auch an anderer
Stelle alles an Attacken und Schuldzuweisungen erleben
muss.
({1})
Herr Kollege Schneider, Ihr Beitrag hat mich überrascht und ein wenig enttäuscht. Bleiben Sie bei den
Fakten; bleiben Sie bei den Zahlen! Versuchen Sie nicht
immer irgendwelche Interpretationen.
({2})
Ich habe manchmal das Gefühl, dass, sobald der Frühling kommt, gesagt wird: Das ist der böse Klimawandel,
und schuld daran ist die Bundesregierung. - Ungefähr
auf diesem Level bewegt sich im Moment Ihre Argumentation.
({3})
Ich würde an Ihrer Stelle etwas leiser sein, sonst könnte
Ihnen noch der Vorwurf gemacht werden - das fände ich
allerdings falsch -, Sie wären rechthaberische Schreihälse. An Ihrer Stelle wäre ich da ganz vorsichtig.
({4})
Analysieren wir das Ganze doch einmal.
({5})
Wir haben - das muss für die Bürger draußen klar
sein - eine Rekordverschuldung, ohne jede Frage. Alle
von denen, die jetzt hier sitzen, hätten diese Rekordverschuldung ebenfalls gemacht, ob nun in dieser oder in einer anderen Weise. Das sollte man doch wenigstens anerkennen. Auch die SPD sollte zugeben: Wie war das
eigentlich mit dem Entwurf von Peer Steinbrück? Wie
hoch war der denn? Dies sollte man sich einmal unabhängig von der Frage, ob er richtig oder falsch war, vorlegen. Man sollte einfach sehen: Von wo kommen wir?
Der Kollege Schneider sagte, wir hätten das Geld nur so
rausgepulvert und es sei ganz schlimm, was wir gemacht
hätten.
({6})
Kann man in Bezug auf das Kindergeld denn vom Rauspulvern sprechen? Ist das für Sie etwa Klientelpolitik?
Für uns ist das Zukunftspolitik. Das ist es, was wir gemacht haben.
({7})
Herr Kollege Schneider, Sie sagen: Steuersenkungen
sind falsch. - Ist es nicht so, dass das Bürgerentlastungsgesetz eine wesentliche Steuerreform - übrigens
auch aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils und eine wesentliche Steuersenkung ist, die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist? Haben Sie diese
nicht mitbeschlossen? Bleiben Sie bei den Fakten! Und
erst dann kommen Sie mit Rückschlüssen! Versuchen
Sie aber nicht, die Fakten zu verdrehen, um unsere Haushaltspolitik falsch darzustellen.
({8})
Herr Kollege Fricke, lassen Sie Zwischenfragen zu?
Es kommt natürlich darauf an, von wem. Wenn es
aber die Kollegin Hagedorn sein sollte, dann würde ich
das natürlich tun.
({0})
Da sind Sie ja relativ nah an der Interessenlage. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Fricke, Sie haben gerade den zweiten
Regierungsentwurf - von Minister Schäuble - mit dem
ersten Regierungsentwurf der Großen Koalition - von
Peer Steinbrück - aus dem Sommer verglichen und diesen in einen Zusammenhang mit dem Haushalt gestellt,
den Sie am Ende dieser Woche beschließen sollen.
Ich habe eine Frage zu dem Vergleich mit der Nettokreditaufnahme, den Sie gezogen haben. Geben Sie mir
recht, dass ein wesentlicher Unterschied dieser Haushalte darin besteht, dass im Sommer im Steinbrück-Entwurf noch von 4,6 Millionen Arbeitslosen ausgegangen
worden ist und werden musste - das ergab sich aus den
Prognosen -, dass im Schäuble-Entwurf von 4,1 Millionen Arbeitslosen ausgegangen wird und dass am Ende
dieser Woche als neue Berechnungsgrundlage für den
Haushalt von 3,7 Millionen Arbeitslosen auszugehen
ist?
({0})
Geben Sie mir auch recht, dass diese Differenz von
900 000 Arbeitslosen ({1})
- weniger -, die das Ergebnis der hervorragenden Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition ist - das ist sicherlich nicht dieser Koalition zu verdanken; das können
Sie sich nicht an den Hut stecken -, automatisch, ohne
dass Sie irgendwo anders sparen müssen, allein im Bereich des Haushaltes für Arbeit und Soziales zu Einsparungen von über 10 Milliarden Euro führen wird? Denn
900 000 Arbeitslose kosten schlicht weniger Geld, und
zwar an vielen verschiedenen Haushaltsstellen. Kollege
Fricke, geben Sie mir recht, dass das der Unterschied
zwischen den beiden Haushaltsentwürfen ist?
({2})
Das scheint eher eine Rede für die SPD-Fraktion gewesen zu sein, aber trotzdem: Ja, ich gebe Ihnen recht,
und ich bin froh darüber,
({0})
dass wir so viele Arbeitslose weniger haben. Ich bin
auch froh darüber, dass das ein Teil der Ergebnisse der
Agenda 2010 ist. Umso mehr bin ich darüber enttäuscht,
dass trotz dieser guten Zahlen
({1})
die SPD jetzt verkündet: Wisst ihr, was? Die Agenda
2010 ist uns egal; die 900 000 Arbeitslosen weniger sind
uns egal. Wir machen das jetzt alles wieder rückgängig.
({2})
Was die Zahlen angeht, sage ich Ihnen unumwunden,
Frau Kollegin Hagedorn: Es ist völlig richtig, dass ein
Teil der verbesserten Haushaltszahlen und auch ein wesentlicher Teil des Rekordabbaus im Entwurf des Ministers Schäuble im Vergleich zu dem, was wir im Haushaltsausschuss beschlossen haben, darauf zurückgeht,
dass sich die wirtschaftliche Situation nicht so schlecht
darstellt, wie es beim Steinbrück-Entwurf und beim
Schäuble-Entwurf der Fall war. Es geht aber nicht allein
darum, das darzustellen, Frau Kollegin Hagedorn; die
Frage ist doch, was man daraus macht.
({3})
Wir haben etwas daraus gemacht.
({4})
Noch eine Bemerkung zur SPD: Eine neue Brille verschafft einem nicht unbedingt einen neuen Durchblick,
Kollege Steinmeier. Es zeigen sich allenfalls neue Zahlen, aber das war es dann auch für die SPD.
({5})
Was haben wir in diesem Haushalt des Überganges
gemacht? Wir haben die ersten Schritte unternommen.
Wir haben vorsichtig angefangen, dort zu sparen, wo es
möglich war. Wir haben aber auch darauf geachtet, dass
wir das zarte Pflänzlein, das gerade durch die Schneedecke kommt, nicht aufs Neue belasten dürfen.
Wir müssen sehen, dass wir an einem Punkt sind, wo
sich die Frage stellt: Was machen wir in Zukunft in
Deutschland? Wo sind die großen Märkte, und wohin
wird sich die Wirtschaft entwickeln? Da kann man keinen
neuen Arbeitsmarkt bilden und versuchen, 200 000 Menschen fiktiv in Arbeit zu bringen; vielmehr muss man
sich fragen, wohin sich die Wirtschaft entwickelt und
wie wir den Menschen helfen können.
Dabei sind die Zahlen jedenfalls schon ein bisschen
besser. Wir haben eine Zunahme der Auftragseingänge
und eine Steigerung der Kapazitätsauslastung zu verzeichnen. Wir haben - so sehe ich das jedenfalls - eine
Entwicklung, die zeigt: Die Bodenbildung ist da. Jetzt
müssen wir nach oben kommen. Die Frage ist, wie man
nach oben kommt. Das geht nicht nach dem Motto „Vorwärts, indem wir zurück in die Vergangenheit gehen“,
sondern wir müssen nach möglichen Ansätzen suchen,
um die Wirtschaft zu stabilisieren, zu motivieren und da
zu helfen, wo sie entsprechende Hilfe braucht.
Was haben wir gemacht? Frau Kollegin Lötzsch, Sie
haben gefragt: Was ist mit dem Sparbuch?
({6})
Unser Sparbuch ist der Haushalt 2010 in seinem ersten
Ansatz. Jetzt werden Sie sagen - ({7})
- Das war klar. Das ist typisch Opposition.
({8})
Dazu sage ich denen, die nicht im Haushaltsausschuss
waren, und der Bevölkerung draußen: Als wir die Bereinigungssitzung durchgeführt haben, haben wir noch
ziemlich viele Anträge eingebracht. Insgesamt waren es
310 Sparanträge. Wie hat denn die Opposition Donnerstagnacht reagiert? Wie, ihr macht Anträge? Wie, ihr
spart? - Ich gebe zu, dass sie nicht ganz dem entsprechen, was wir im Sparbuch vorgesehen haben, aber sehr
viel stimmt überein.
({9})
Es waren 310 Kürzungsanträge. Das heißt, der Gedanke
des Liberalen Sparbuchs lebt im Haushalt 2010 fort. Da
können Sie machen, was Sie wollen.
({10})
Das Allerbeste ist meiner Meinung nach, dass die Opposition heute in der Haushaltsdebatte sagt: Ihr habt ja
gar nicht gespart. Das ist euch ja alles nur zugeflogen. Dazu will ich Sie fragen: Wie war das denn in der Zeit
der Großen Koalition? - Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, aber das lag nicht
an Ihnen. - Wie war das denn, wenn Peer Steinbrück, der
dort hinten so schön in der Sonne sitzt, sagte: „Ich will
mehr sparen“ und es der Wirtschaft besser ging? In jedem Jahr, in dem die wirtschaftliche Entwicklung besser
wurde, wurden zwischen Entwurf und Beschluss die
Ausgaben erhöht, weil immer wieder neue Wünsche kamen. Das war die Methode der Großen Koalition.
({11})
Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das noch einmal
sagen muss. Es ist aber doch so, dass wir das nicht gemacht haben. Wir haben nicht wie Sie jedes Mal bessere
wirtschaftliche Zeiten dazu genutzt, um neue Ausgabenprogramme aufzulegen.
({12})
Der zweite Punkt, der mich bei der Opposition maßlos ärgert - das sage ich auch für die Zuhörer und Zuschauer -: Sie erleben jetzt eine Debatte, in der die
Haushälter der glorreichen Opposition uns vorwerfen:
Ihr habt nicht gespart! Dann wird es den ganzen Rest der
Woche Debatten geben, in denen die Fachpolitiker derselben Opposition fragen: Wie konntet ihr da sparen? Es
ist unverantwortlich, genau in diesem Haushalt zu sparen.
({13})
Diese Widersprüche werden wir in dieser Woche erleben. Ich bin gespannt, ob wir dann am Freitag in der
Schlussrunde wieder genau das Gegenteil hören. Was
wir hier erleben, ist keine Oppositionspolitik, sondern
Obstruktionspolitik, nichts anderes.
({14})
Ich gebe zu: Wir haben in zwei Bereichen vernünftigerweise nicht gespart, und zwar im Bereich Bildung
- das ist bekannt - und im Bereich Kultur. Bildung - das
wissen wir alle - ist unsere Zukunft. Kollege Schneider,
wenn Sie noch immer an einem industriellen Investitionsbegriff festhalten wollen, sei es drum. Dann sollten
Sie aber auch sehen, dass die Kürzung der Investitionen
um 400 Millionen Euro schlichtweg daran liegt, dass das
Bürgschaftsprogramm nicht so stark genutzt wird. Die
Kollegin Flach wird das nachher in der Debatte genauer
erklären. Investitionen sind eben nicht beschränkt auf
die klassischen Investitionen, sondern das sind auch Investitionen in Köpfe, in Professoren- und Doktorandenstellen. Das sind Investitionen in die Zukunft. Diesen
Bereich bauen wir aus.
Das Gleiche gilt für den Bereich Kultur. Denn wir
wissen genau, dass dieses Land bei der Frage, wo man
auch in Zukunft Geld verdienen kann, die Kultur als den
wesentlichen Humus brauchen wird. Wir werden es nur
als Kulturnation schaffen, uns neue Dienstleistungsbereiche zu erschließen. Ohne Kultur werden wir das nicht
schaffen. Deswegen haben wir auch im Kulturbereich
weniger hart gekürzt, als wir es in anderen Bereichen tun
mussten.
Ich komme zu dem Vorwurf, dieser Haushalt sei unsozial. Herr Kollege Schneider, auch wenn es mich nicht
freut: Das ist unsere Verantwortung in einer sozialen
Marktwirtschaft. Maßgeblich für die Frage, wie sozial
man ist, sind zwei wesentliche Zahlen. Die erste Zahl ist
die Sozialquote, das Verhältnis, wie viel Prozent des
Haushalts für Soziales ausgegeben wird. Bei der letzten
Regierung mit der SPD waren das 50 Prozent, bei uns
sind das 54 Prozent. Dann gucken wir uns doch einmal
die Steuerzahler an, die auch die Aufgabe haben, den
Schwachen in unserer Gesellschaft zu helfen und denjenigen, die nicht mehr arbeiten können, und fragen: Wie
ist das Verhältnis von Steuern zu Sozialausgaben? Bei
Ihnen waren das 64 Prozent, bei uns sind es gegenwärtig
81,7 Prozent.
({15})
- Ihnen sagt das gar nichts. Für uns heißt das, dass diese
Koalition in der Krise deutlich macht: Wir lassen die
Schwachen nicht im Stich. Aber wir sagen auch klar und
deutlich: Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die
die Karre aus dem Dreck ziehen, entlastet werden und
eine Zukunft haben, damit wir auch den Schwachen helfen können. Genau das ermöglicht diese Regierung.
({16})
- Ich merke, der Kollege Bonde will unbedingt reden.
Ich bin sicher, wir erleben gleich ein Aufregungsfeuerwerk des Kollegen von den Grünen.
({17})
- Frau Kollegin Künast, auch Sie können gerne reden.
Ob ich schnöselig bin oder nicht, hat mit der Sache
Haushalt nichts zu tun. Versuchen Sie es doch mit Inhalten und mit Stil. Der Kollege Bonde kann das ja gleich
mal machen.
({18})
Ich komme zum Schluss. Wir haben mit dem Haushalt 2010 einen ersten Schritt in die Richtung gemacht,
die uns die Schuldenbremse vorgibt. Sie haben uns nicht
zugetraut, dass wir die Ausgaben kürzen. Sie haben viele
unserer Kürzungsanträge abgelehnt. Die SPD zum Beispiel hat im Verteidigungshaushalt alle Kürzungsanträge
abgelehnt. Wir werden weitermachen. Ich sage Ihnen:
Mit dem Haushalt wird es so sein wie in dieser Woche
mit dem Wetter: Der Frühling fängt an. Und das liegt
auch an der Regierung.
Danke.
({19})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun
der Kollege Alexander Bonde das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Koalition will diese Woche eine Rekordverschuldung
in einer Dimension durchwinken, die diese Republik
noch nicht erlebt hat. Sie merken es den Reden der
Abgeordneten der Koalition nicht an, aber die Neuverschuldung in diesem Haushalt soll allein in diesem
Jahr 80,2 Milliarden Euro betragen. Die Koalition verschweigt, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist.
Drei Schattenhaushalte, die sich im Bundeshaushalt
nicht wiederfinden, verschweigen Sie. Wenn Sie sich die
separate, reale Verschuldung wegen Bankenrettung und
Konjunkturpaketen sowie die Risiken des Deutschlandfonds genau anschauen würden und ehrlich wären, würden Sie zugeben, dass die Rekordverschuldung nicht bei
rund 80 Milliarden Euro, sondern bei 126 Milliarden
Euro liegt. Damit das klar ist: Die bisherige Rekordverschuldung in Höhe von 40 Milliarden Euro im Rahmen
der deutschen Einheit verdreifachen Sie locker mit dem,
was Sie hier durchwinken wollen.
({0})
Es stimmt, dieser Haushalt wird in einer schwierigen
wirtschaftlichen Lage aufgestellt. Teilweise ist diese
große Verschuldung darauf zurückzuführen, dass Politik
reagieren muss. Aber die Höhe dieser schwarz-gelben
Rekordverschuldung hängt auch mit Ihrer Handlungsunfähigkeit zusammen. Sie sind nicht bereit, die Möglichkeiten, die dieser Haushalt eröffnet, zu nutzen. Ich
will Sie ehrlich fragen: Sie sind im Wahlkampf mit dem
Versprechen einer bürgerlichen Koalition angetreten. Ich
wüsste gerne, was bürgerlich an diesem blinden Schuldenmachen ist. Da Sie nicht mehr das Wort „bürgerlich“
verwenden und auch nicht von „schwarz-gelb“, sondern
von „christlich-liberal“ sprechen, will ich von Ihnen wissen: Was ist eigentlich christlich daran, unseren Kindern
und Enkeln diesen Schuldenberg vor die Füße zu kippen? Ich will von der FDP wissen: Was ist eigentlich liberal daran, die Zinskosten im Haushalt so hoch zu jagen, wie Sie das mit diesem Haushalt für die nächsten
Jahre und Jahrzehnte tun?
({1})
Der vorliegende Haushalt ist nicht alternativlos. Sie
lassen Chancen ungenutzt. Ich nenne als Beispiel den
Subventionsabbau. Allein im Bereich der ökologisch
schädlichen Subventionen haben Sie Handlungsmöglichkeiten: 42 Milliarden Euro. Das sage nicht ich, sondern das sagt das Umweltbundesamt. Wir haben Ihnen
einen Vorschlag zum Einstieg in den Subventionsabbau
gemacht, nach dem klima- und umweltschädliche Subventionen um 9 Milliarden Euro gekürzt werden sollen.
Aber Sie denken gar nicht daran, in diese Richtung zu
gehen. Jeder Euro, der umweltschädliches Handeln in
diesem Land fördert und steuerlich begünstigt, wird von
dieser schwarz-gelben Koalition verteidigt. Das ist die
Wahrheit. Das sind Ihre Prioritäten in der Klima- und der
Haushaltskrise.
({2})
Neben den ökologisch schädlichen Subventionen gibt
es eine Reihe anderer, über die man sprechen kann.
Symptomatisch für Ihren Haushaltsentwurf ist: Sie
denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie haben
keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Sie haben vergessen, einen einzubringen. Das halten wir für einen
eklatanten Verstoß gegen das Haushaltsrecht; darüber
haben wir schon oft diskutiert. Das wirklich Schlimme
ist: Ihr Haushaltsentwurf 2010 lässt an keiner Stelle erkennen, wie es weitergehen soll. Sie müssen ab 2011 anfangen, die Verschuldung jährlich um 10 Milliarden
Euro herunterzufahren, damit Sie die Maastricht-Kriterien und die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten
können. Aber in dieser Hinsicht gibt es keinerlei Vorbereitungen in diesem Haushaltsentwurf. Sie sorgen genauso wie bei den klimaschädlichen Subventionen nicht
für eine langfristige strukturelle Entlastung. Sie führen
keine Strukturreformen durch.
Dass Sie nicht verstehen, welche Aufgaben auf Sie
zukommen, machen die Anmeldungen für den Haushalt
2011 deutlich. Uns liegen endlich die Zahlen vor, aus denen hervorgeht, was alles die Ministerien bei Ihnen, Herr
Schäuble, angemeldet haben. Es wird deutlich: Sie haben ein Kommunikationsproblem in der Bundesregierung. Sie müssen 2011 die Verschuldung jährlich um
10 Milliarden Euro senken. Aber Ihre Kabinettskollegen
meinen offenbar, dass man die Verschuldung um 10 Milliarden Euro erhöhen müsste. Herr Schäuble, das passt
nicht zusammen. Es ist deutlich: Diese Koalition kann es
nicht. Sie haben die Schuldenreduzierung und die Konsolidierung weder im Plan noch im Griff.
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
Sie stellen sich hier hin und erklären, Sie hätten die Neuverschuldung wie geplant reduziert. Sie haben nichts anderes gemacht, als die konjunkturelle Entwicklung und
ihre positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in
Schätzansätzen zu berücksichtigen: 1,2 Milliarden Euro
virtuelle Einsparungen bei den Zinsen, 3,6 Milliarden Euro
virtuelle Einsparungen beim Arbeitsmarkt und 350 Millionen Euro virtuelle Einsparungen bei Bürgschaftsrisiken.
Das alles hat nichts mit Sparanstrengungen zu tun. Es ist
die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und Unternehmen, aber kein Stück Leistung von
Schwarz-Gelb, was Sie hier als Einsparungen verkaufen.
({4})
Ich warte wirklich darauf, dass Sie bei der nächsten Umstellung von Sommer- auf Winterzeit sagen, Sie hätten
eine Stunde Zeit eingespart. Das ist etwa so realistisch
wie das Sparpaket, das Sie hier zu schnüren versucht haben.
Schlimm an diesem Haushalt ist, dass Sie gar keine
Vorstellung davon haben, welche Maßnahmen in der
Krise wirklich wichtig sind, welche Maßnahmen uns in
einer solchen Situation wirklich voranbringen und auf
Dauer Mehrwert schaffen. Sie haben wegen Ihres
Gewurschtels aus Günstlingswirtschaft und Sich-nichtentscheiden-Können nie eine richtige Linie entwickelt.
Diese Rekordverschuldung ist in Zahlen gegossene Zauderei der Bundesregierung. Dafür gibt es genug Beispiele. Allein im Entwicklungsministerium schaffen Sie
20 neue Stellen für diese FDP-Kameradschaft, die da inzwischen Einzug gehalten hat; im Umweltministerium
ist der Umbau des Büros des Ministers wichtiger als die
Beantwortung der Frage, wie es mit den erneuerbaren
Energien und der Ökologisierung der Volkswirtschaft
weitergeht. Gleichzeitig begeht die Kanzlerin einen der
größten Wortbrüche,
({5})
die deutsche Regierungschefs auf internationaler Ebene
jemals begangen haben. In Kopenhagen hat sie den Entwicklungsländern 420 Millionen Euro pro Jahr für
Klimaschutzmaßnahmen versprochen, aber im Haushalt
wurden nur 70 Millionen Euro eingestellt. Das zeigt die
Verlogenheit dieses Haushaltsentwurfs.
({6})
Überall da, wo es um die Modernisierung unserer
Volkswirtschaft, die Märkte von morgen, die Ökologisierung unserer Produkte und um die Frage geht, wie wir
Wirtschaftswachstum auch in Zeiten der Klimakrise und
der Ressourcenknappheit organisieren können, haben
Sie Sperrungen und Kürzungen vorgenommen. Beim
Marktanreizprogramm, bei dem es wirklich konkret um
Projekte für mittelständische Unternehmen geht, wird
gekürzt und ein Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro
gesperrt.
({7})
Das geht so weiter. Bei den Kürzungen der Mittel für
den Arbeitsmarkt haben Sie verkündet, es handle sich
nicht um eine Kürzung, sondern um eine Sperre. Wir
werden schon genau aufpassen. Ich glaube, dass Sie gerade einen Testlauf machen. Ich glaube, dass Sie mit dieser Sperre austesten, ob Sie an die Mittel für den
Arbeitsmarkt herangehen können oder ob der öffentliche
Widerstand zu groß ist. Ich habe den Verdacht, dass
Sperrungen vor der NRW-Wahl in Kürzungen nach der
NRW-Wahl umschlagen. Wir haben Sie genau im Blick.
({8})
An der Stelle wird deutlich: Dieser Haushalt ist eine interessante Mischung aus Donald Duck und Dagobert
Duck. Der Kontostand von Donald und die Sozialkompetenz von Dagobert - das kann man wirklich besser
machen.
({9})
- Ich höre hier Widerspruch. Die Panzerknackerbande
habe ich noch nicht erwähnt. Wir wüssten, wo die hier
im Parlament sitzen würde.
Wir haben Ihnen bei den Haushaltsberatungen ein
grünes Haushaltskonzept vorgelegt, mit dem wir deutlich gemacht haben, dass man, wenn man bereit ist, an
den Subventionsabbau heranzugehen - wir haben Ihnen
knapp 9 Milliarden Euro vorgeschlagen -, und wenn
man bereit ist, die Frage der Priorisierung im Haushalt
ernst zu nehmen, anstatt Klientelgeschenke zu verteilen,
für die man das Geld nicht hat, rund 5 Milliarden Euro
sparen kann. Wir haben Ihnen auch belegt, dass es möglich und in einer solchen Krise geboten ist, mit gerechten
Mehreinnahmen einen Beitrag zu leisten, um von der
Rekordverschuldung herunterzukommen und gleichzeitig die notwendigen Investitionen in soziale Teilhabe, in
Klimaschutz und ökologische Modernisierung unserer
Wirtschaft zu tätigen und unsere internationalen Verpflichtungen im Bereich Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit zu erfüllen. Sie haben all diese
Möglichkeiten nicht genutzt. Diese Koalition will nicht
konsolidieren, und sie will sich in der Krise nicht auf die
notwendigen Dinge konzentrieren. In der Bundesregierung sitzen Gelbe, die froh sind, dass sie jetzt an der
Macht sind. Jetzt wird zugegriffen, koste es, was es
wolle.
({10})
Die Koalition ist verbraucht. Sie hat keine Vorstellung,
wohin dieses Land geht. Sie versteckt sich hinter der
Krise und entwickelt keinerlei Zukunftsperspektive, weder was die wirtschaftliche Dynamik noch was den gesellschaftlichen Zusammenhalt betrifft.
Dieser Haushalt bedeutet eine Rekordverschuldung,
die Schwarz-Gelb mutwillig produziert. Dadurch werden die Fehlanreize vergrößert. Ordnungspolitisch gesehen hat man keine Vorstellung davon, wohin es mit diesem Land gehen soll. Liebe Koalition, dieser Haushalt
beweist erneut: Sie können es einfach nicht.
({11})
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister
Dr. Wolfgang Schäuble.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Erlauben Sie mir, vorab eine kurze persönliche Bemerkung zu machen. Ich bin länger im Krankenhaus gewesen, als ich geplant habe. Das liegt daran, dass die
Wundheilungsprozesse bei Querschnittsgelähmten manchmal komplizierter sind und länger dauern, als man sich
das wünscht. Die Ärzte haben ihre Stirn ein wenig in
Falten gelegt, als ich gesagt habe: Ich muss jetzt aber gehen. - Sie haben mir gesagt, ich solle mich noch ein bisschen schonen. Deswegen möchte ich Sie für die nächsten Tage um Nachsicht bitten, wenn ich nicht die
Präsenz zeige, die eigentlich angemessen ist. Ich bedanke mich im Voraus für Ihr Verständnis.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben durch
das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Frau Hagedorn
und Herrn Fricke in dieser Debatte die Entstehungsgeschichte des Haushalts, den wir in dieser Woche verabschieden wollen, noch einmal aufgezeigt bekommen. Ich
möchte daran erinnern: Ende September vergangenen
Jahres haben Bundestagswahlen stattgefunden. Ende
Oktober vergangenen Jahres hat sich dieser Bundestag
konstituiert, und anschließend kam eine neue Regierung
ins Amt. Wir haben in ungewöhnlich kurzer Zeit einen
Haushalt aufgestellt und beraten. Wir befinden uns jetzt
in der zweiten und dritten Lesung. Ich möchte mich bei
allen, die daran so intensiv mitgewirkt haben, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss, bedanken. Ich glaube, es ist gut für unser
Land, dass wir in schwierigen, unsicheren Zeiten so zügig beraten haben und den Haushalt jetzt verabschieden
werden.
Die neue Bundesregierung ist bei der Aufstellung dieses Haushaltes von dem Entwurf ausgegangen, den wir
schon in der letzten Legislaturperiode aufgestellt hatten.
Wir haben die verbesserten Rahmendaten - Frau Hagedorn, sie sind doch gar keine Schande; wir alle sind froh
darüber, dass es so ist - genutzt, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortprogramm - das gefällt nicht
jedem in gleicher Weise; aber das ist so bei demokratischen Entscheidungen - zum 1. Januar 2010 ohne eine
Erhöhung der ursprünglich vorgesehenen Neuverschuldung umzusetzen. Verbessert haben sich insbesondere
die Prognosen für den Arbeitsmarkt, was ja erfreulich
ist. Wir haben schon in der Schlussrunde der ersten Lesung darüber gesprochen, dass die Entwicklung hoffnungsvoll ist. Wir haben die Haushaltsberatungen dazu
genutzt, maßvoll, nicht überzogen und unter Wahrung
der notwendigen Spielräume - die Zeiten sind nach wie
vor ungewiss - zu einer weiteren Reduzierung der trotzdem exorbitant hohen Neuverschuldung zu kommen.
Eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80 Milliarden
Euro macht uns Sorgen. Wir werden sie in den kommenden Jahren konsequent zurückführen müssen; das werden wir auch tun.
({0})
Das, was wir auf unserem Weg machen - daran will
ich erinnern -, ist das, was wir national, europäisch und
international angesichts einer ungewissen Zukunft als
Exit-Strategie verabredet haben. Sie alle haben gesehen:
Die konjunkturelle Entwicklung hat im letzten Quartal
eine gewisse Pause gemacht. Die erfreuliche Nachricht
ist, dass die Hauptursachen dafür von vorübergehender
Dauer sind: das Auslaufen der Umweltprämie; der Winter verlief strenger, als man es in den letzten Jahren gewohnt war. Das spricht dafür, dass dieser Konjunktureinbruch nicht nachhaltig ist. Wir sind aber in einer
unsicheren Zeit. Deswegen bleibe ich bei dem, was die
Bundeskanzlerin schon in der letzten Legislaturperiode
gesagt hat: Wir müssen in dieser Zeit auf Sicht fahren. Wir fühlen uns durch die aktuellen Entwicklungen in
dieser Haltung bestätigt.
({1})
- Deswegen halten wir die Augen, so gut wir können,
geöffnet. Manche setzen zur Verbesserung der Sehkraft
sogar eine Brille auf.
({2})
So etwas hängt manchmal vom Alter ab. Herr Bonde,
Sie werden es noch erleben; ich sage es Ihnen vorher.
Wir werden diesen Weg fortsetzen. Im Übrigen
möchte ich doch die Bemerkung machen - das spielt in
der jetzigen Debatte keine Rolle; wir werden es aber bei
anderer Gelegenheit vertiefen -: Wir haben eine Fülle
von Maßnahmen international im G-20-Prozess, europäisch und national auf den Weg gebracht. Damit ziehen
wir Schritt für Schritt die Lehren aus dieser fürchterlichen Finanz- und Wirtschaftskrise, damit sich nicht wiederholen kann, was sich so nicht wiederholen darf.
({3})
Wir sind aber nach wie vor in einer außergewöhnlich kritischen Situation. Wir müssen hier Schritt für Schritt
vorgehen. Ich möchte nur einige Stichworte nennen: Wir
haben die Einführung einer europäischen Finanzaufsicht beschlossen; dieses Vorhaben bringen wir voran,
wir setzen es um. Wir werden auch die nationale Finanzaufsicht so, wie wir es verabredet haben, umsetzen; daran arbeiten wir intensiv und mit Hochdruck. Wir haben
die gesetzlichen Grundlagen für eine Aufsicht über die
Ratingagenturen geschaffen. Wir verschärfen die Regeln
für riskante Bankgeschäfte. Wir haben die EmpfehlunBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
gen von G 20 und des Financial Stability Board für mehr
Nachhaltigkeit und gegen falsche Anreize bei den Vergütungssystemen umgesetzt. Außerdem haben wir einen
Gesetzentwurf auf den Weg gebracht - wir arbeiten mit
Hochdruck an der Umsetzung -, der dazu beitragen soll,
die sich aus spekulativen Geschäften ergebenen Risiken
zu verringern; das ist wichtig. Wir werden - ich sagte es
bereits - die Finanzaufsicht, wie es im Koalitionsvertrag
vorgesehen ist, bei der Bundesbank bündeln. Im Übrigen
wollen wir unter gemeinsamer Federführung von Justizund Finanzministerium Regeln für die geordnete Abwicklung von Banken schaffen. Auch das ist dringend
notwendig, und zwar - ich möchte die Bemerkung hinzufügen - nicht nur national oder europäisch, sondern
weltweit.
In den letzten Wochen haben wir genau beobachten
können, welche spekulativen Prozesse ablaufen. Angesichts dessen muss man bald darüber nachdenken, ob
man nicht die Nachrichtendienste mit der Beobachtung
beauftragt, wer sich da wo mit wem zu welchen spekulativen Prozessen verabredet. Das ist alles hochspannend.
Es scheint eine der neuen Sorgen zu werden, dass sich
die Spekulationen auch stärker gegen Währungen und
Staaten richten.
({4})
Glauben Sie ja nicht, dass europäische Währungen die
letzten sind, gegen die sich solche spekulativen Wellen
richten können.
({5})
Dass das nicht geschieht, ist keineswegs gewährleistet.
Das ist eine unserer großen Sorgen.
Es bleibt daher richtig, dass wir mit aller Entschiedenheit auf zweifache Weise den Weg einer ausbalancierten
Exit-Strategie fortsetzen, nämlich einmal durch allmähliche Rückführung der zu hohen Liquidität, die die Ursache für neue Blasenbildungen sein kann, und zum anderen durch allmähliche Rückführung der zu hohen
staatlichen Defizite, ohne dadurch die zarte Pflanze des
wirtschaftlichen Wiederaufschwungs zu ersticken. Das
ist genau die Gratwanderung, die wir auch bei den verschiedenen Etappen unserer Haushaltsberatungen in diesen Tagen versucht haben. Diesen Weg müssen wir fortsetzen.
Es ist übrigens auch richtig, an dem Ziel festzuhalten,
die Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Volkswirtschaften und damit der Europäischen Union insgesamt weiterzuentwickeln und zu verstärken. Das hat man
einmal Lissabon-Strategie genannt. Deswegen will ich
mit großer Klarheit, Ruhe und Gelassenheit die Kritik,
sei sie im Rahmen von G 20, sei sie in Europa, an denjenigen, die im Wettbewerb einigermaßen erfolgreich sind,
dass sie schuld an den Problemen anderer seien, zurückweisen. Ich habe meiner Kollegin Lagarde, mit der ich
sehr freundschaftlich und vertrauensvoll zusammenarbeite, gestern Abend, nachdem ich Entsprechendes gelesen habe, gesagt: Christine, ich bin Anhänger von Bayern München. Als in der Gruppenphase der Champions
League Bayern München zweimal gegen Olympique
Lyon ziemlich schlecht ausgesehen hat, habe ich mir gedacht, wenn Lyon nur etwas schlechter spielen würde,
hätten es die Bayern etwas leichter. - Aber auf dieser
Basis können wir keine Wettbewerbsordnung aufbauen.
Vielmehr müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit von Europa insgesamt stärken. Von diesem Ziel werden wir uns
auch nicht abbringen lassen.
({6})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kuhn, in der er wahrscheinlich das Thema
Champions League vertiefen möchte?
({0})
Bitte sehr, Herr Kollege Kuhn.
In der Frage Bayern München könnten wir uns
schneller treffen als bei anderen Fragen. Aber deswegen
habe ich mich nicht gemeldet.
Sie, Herr Finanzminister, haben gerade einige Maßnahmen, die EU-weit im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise auf den Weg gebracht wurden, angesprochen und auch das Thema Spekulationen angerissen.
Meine konkrete Frage ist: Warum treten Sie als Bundesregierung nicht dafür ein, dass die sogenannten Leerverkäufe verboten werden und dass Credit Default
Swaps, die nicht direkt der Versicherung von Risiken
dienen, sondern rein spekulativ sind, ebenfalls unterbleiben müssen? Dies sind die beiden Hauptinstrumente, mit
denen auch gegen Währungen spekuliert wird. Ich finde
es immer etwas untergenau, wenn man hergeht und sagt:
„Wir verbessern die Finanzaufsicht“, aber zu den Maßnahmen gegen spekulative Finanzinstrumente sagt,
das gehe so nicht, oder gar nichts dazu sagt. Meine Frage
ist daher: Wie ist da die Haltung der Bundesregierung?
Herr Kollege Kuhn, Sie haben wahrscheinlich mitverfolgt, dass die Bundeskanzlerin zusammen mit dem griechischen Ministerpräsidenten, dem französischen Staatspräsidenten und dem Präsidenten der Euro-Gruppe - das
ist der luxemburgische Premierminister - einen Brief an
den Kommissionspräsidenten Barroso geschrieben hat,
in dem zu den CDS genau das gefordert wird, was auch
Sie hier vorschlagen, nämlich eine Initiative der Kommission. Das heißt, wir stimmen hier überein. Es ist die
Position der Bundesregierung. Das können wir aber
nicht national machen, sondern das müssen wir europäisch machen.
Was das Verbot der Leerverkäufe anbetrifft: Ich habe
vorhin gesagt, Herr Kollege Kuhn - Herr Steinbrück erinnert sich besser daran als ich -, dass sie zeitweilig aus2600
gesetzt waren. Es war vereinbart, dass diese Regelung in
Europa auslaufen soll. Daran haben sich nicht alle gehalten. Wir haben sie aber auslaufen lassen. Ich habe dann
festgestellt, dass wir das korrigieren müssen.
({0})
Ich habe vorhin gesagt: Wir haben schon Anfang März
ein Eckpunktepapier herausgegeben. Wir werden noch
im Laufe des Frühjahrs einen Gesetzentwurf vorlegen,
mit dem das Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf nationaler Ebene erreicht werden soll. Wir werden das brauchen. Auch insofern stimmen wir also überein, Herr Kollege Kuhn.
({1})
Weil sich in diesen Tagen und Wochen die Spekulationen wieder und wieder gegen den Euro richten, was
den Europäischen Rat am 11. Februar in Brüssel sehr beschäftigt hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, im Zusammenhang mit Griechenland ein paar Sätze zu einer
Gerüchtelandschaft zu sagen, die ganz offensichtlich gezielt in Mitgliedstaaten - auch in Brüssel; das sage ich
mit großer Klarheit - geschürt wird. Es bleibt dabei:
Griechenland hat nicht um Hilfe nachgefragt. Deswegen
gibt es darüber keine Entscheidung, und es ist auch keine
Entscheidung getroffen worden. Es bleibt auch dabei:
Wenn eine unmittelbare Zahlungsunfähigkeit bevorstehen würde, dann müssten wir - das ist klar - im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Notsituation darauf reagieren, wie es der Europäische Rat gesagt hat. Er hat am
11. Februar entschieden: Die Mitgliedstaaten der EuroZone werden, wenn notwendig, entschlossene und koordinierte Maßnahmen ergreifen, um die finanzielle Stabilität der Euro-Area als Ganzes sicherzustellen. - Nicht
mehr und nicht weniger. Diese Lage ist nicht eingetreten.
Natürlich wird auf technischer Ebene daran gearbeitet das ist nicht neu, das geht seit Jahren so -, was man tun
würde, wenn die Lage eintreten würde. Sie ist aber nicht
da, und deswegen gibt es keine politischen Entscheidungen.
Bitte nehmen Sie das - aus der gestrigen Euro-Gruppen-Sitzung wurde zum Teil Verfälschendes über die
Nachrichtenlage gestreut -, was wir tatsächlich beschlossen haben. Wir haben einen Text, den der Präsident der Euro-Gruppe veröffentlicht hat, miteinander
verabredet und beschlossen. Da steht nichts anderes drin,
als dass diese Lage nicht eingetreten ist, dass keine Entscheidungen getroffen worden sind und dass wir vorbereitet sind, wenn die Lage eintreten würde. Daraus kann
aber nicht der Schluss gezogen werden, dass irgendeine
Entscheidung getroffen worden ist. Wir haben ausdrücklich noch einmal das bestätigt, was der Europäische Rat
am 11. Februar beschlossen hat.
Man muss auch mit großem Respekt die Maßnahmen
erwähnen, die Griechenland nicht nur angekündigt, sondern zum Teil schon gesetzgeberisch umgesetzt hat.
Wenn ich es richtig weiß, ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Griechenland bereits in Kraft getreten. Ich
bin übrigens derjenige gewesen, der in der vorletzten
Euro-Gruppen-Sitzung vor vier Wochen - das war die
Sitzung, nach der ich ins Krankenhaus gegangen bin vorgeschlagen hat, dass Griechenland seine Mehrwertsteuer erhöhen möge. Griechenland hat also Maßnahmen
ergriffen, die die Märkte bisher auch überzeugt haben.
Die griechische Anleihe vor 14 Tagen ist gut von den
Märkten aufgenommen worden. Deswegen besteht kein
Entscheidungsbedarf; es ist auch keine Entscheidung getroffen worden. Wir müssen aber im Sinne einer Ultima
Ratio vorbereitet sein.
Ich möchte dazu noch eine Bemerkung machen: Nach
Auffassung aller anderen - ich glaube, alle Zahlen belegen das - gehört Deutschland zu den Ländern, die seit
über zehn Jahren wirtschaftlich am meisten von der gemeinsamen europäischen Währung profitieren. Wir tragen also die nachhaltige Stabilität der gemeinsamen
europäischen Währung nicht anderen großzügig nach,
sondern müssen sie im wohlverstandenen eigenen Interesse auch in Zukunft gewährleisten. Natürlich gibt es dabei in Europa unterschiedliche Interessen; hier wird an
verschiedenen Stellen Druck aufgebaut. Ich glaube, für
uns ist wichtig - der Haushalt 2010, den wir in dieser
Woche beraten und den ich Ihnen zur Annahme empfehle, trägt dem Rechnung -, dass wir auf europäischer
Ebene und weltweit unseren Beitrag zu nachhaltigem
Wachstum und nachhaltiger finanzieller Stabilität leisten.
({2})
Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank.
({3})
Die Kollegin Nicolette Kressl ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal darf ich Ihnen, Herr Minister Schäuble, im
Namen der gesamten SPD-Fraktion alles Gute für die
weitere Genesung wünschen.
({0})
Zugleich möchte ich aber deutlich machen: Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein halbes Jahr nach der
Bundestagswahl zu Recht erwarten können, dass Sie ein
abgestimmtes Gesamtkonzept - wir sind in der allgemeinen Finanzdebatte - für die Haushalts-, Steuer- und
Finanzmarktpolitik auf den Weg bringen. Davon haben
wir nichts gehört.
({1})
Es ist aber auch klar: Wie sollen drei Themen - Steuerpolitik, Haushaltspolitik, Finanzmarktpolitik - aufeinander abgestimmt werden, wenn Sie sich innerhalb der
Fraktionen nicht einmal bei den einzelnen Themen einig
sind!
({2})
Herr Minister Schäuble, wie sollen wir es beispielsweise verstehen, dass hier noch kein Wort zum Thema
Steuerpolitik gefallen ist? Die Menschen haben ein
Recht darauf, dass Sie ihnen deutlich machen, wohin die
zukünftige Entwicklung gehen soll. Dazu haben Sie
nichts gesagt. Entlang welcher Grundlinie wollen Sie in
Zukunft dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden,
die Länder und der Bund die Aufgaben, die sie haben,
auch wirklich meistern können? Dazu haben wir heute
nichts gehört.
({3})
Sie haben auch nichts dazu gesagt, wie Sie gewährleisten wollen, dass die Gemeinden auch in Zukunft für Kinderbetreuung, Kinder- und Jugendschutz und soziale
Fürsorge genügend finanzielle Mittel haben. Das betrifft
doch die Menschen in ihrem Alltagsleben. Da brauchen
wir Vorschläge und Konzepte. Die haben heute aber völlig gefehlt.
({4})
Bleiben wir einmal beim Thema Steuerpolitik. In den
letzten Tagen wurden wieder die Steuerklassen III und V
hin- und hergeschoben; zu einzelnen Bereichen gibt es
Eckpunktepapiere. Sie haben aber heute mit keinem einzigen Wort gesagt, wie die angekündigten Steuermindereinnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro bei den
Kommunen, den Ländern und beim Bund ausgeglichen
werden sollen, ohne dass Sie massive Eingriffe im Sozialbereich oder bei den Bildungsinvestitionen auf den
Weg bringen. Davon haben wir heute nichts gehört.
({5})
Stattdessen gibt es die große babylonische Sprachverwirrung. Das zeigt schon der Blick auf eine Tickermeldung vom Sonntag: „Uneinigkeit in FDP über Zeitpunkt von Steuersenkungen“. Herr Lindner sagt, man
gehe erst 2012 von Steuersenkungen aus, während Frau
Homburger in der gleichen Tickermeldung von 2011
spricht. Andere sagen: Es sei gar nicht die FDP gewesen,
die über diesen Zeitpunkt gesprochen hat. Von der
Union, von der Kanzlerin und vom Finanzminister haben wir dazu auch heute nichts gehört. Was soll das für
ein Konzept sein? Das ist kein Konzept.
({6})
Die Linie der babylonischen Sprachverwirrung wird
auch im Finanzmarktbereich verfolgt. Einiges von dem,
was Sie ausgeführt haben, Herr Minister Schäuble, teilen
wir ausdrücklich, zum Beispiel was die Regulierung angeht. Aber wir sagen Ihnen: Wer blinkt, muss auch
irgendwann mal abbiegen. - Was wir derzeit erleben, ist
etwas anderes. Sie kündigen ein Eckpunktepapier für
den Bereich Finanzmarktregulierung an, während
Herr Solms von der FDP fast gleichzeitig ausführt, dass
im Zuge der Krisenbewältigung eine Sonderabgabe für
Banken nicht infrage kommt.
({7})
Zum gleichen Zeitpunkt kündigt Herr Brüderle ein Eckpunktepapier zum Thema Finanzmarktregulierung an.
Aber Sie stellen nicht beide das gleiche Papier vor, sondern jeweils ein anderes.
({8})
Glauben Sie ernsthaft, dass die deutsche Regierung auf
internationaler Ebene ernst genommen wird, wenn sie
sich nicht einmal auf ein Konzept einigen kann? Das
kann doch nicht wahr sein!
({9})
Das ist beim Thema Finanztransaktionsteuer genau
das Gleiche. Die Kanzlerin nennt die Finanztransaktionsteuer eine charmante Idee.
({10})
Die FDP legt sofort ihr Veto ein. Ich frage mich: Wer
soll die deutsche Bundesregierung bei internationalen
Verhandlungen ernst nehmen? Auch im Ausland liest
man doch Zeitung.
({11})
Das ist nicht der Weg, wie wir das, was notwendig ist,
gemeinsam erfolgreich umsetzen können. Sehen Sie zu,
dass Sie gemeinsame Konzepte auf den Weg bringen.
Vertreten Sie diese auf internationaler Ebene. Dann können wir über Unterstützung reden. Das Ankündigen von
verschiedenen Konzepten ersetzt keine solide Politik.
({12})
Wir fordern Sie auf: Verzichten Sie auf weitere Steuergeschenke. Was Herr Fricke eben ausgeführt hat, war
völlig absurd. Er hat behauptet, Sie würden auf Mehrausgaben in Teilbereichen verzichten. Wer durch Steuergeschenke für Hotels 1 Milliarde Euro Steuermindereinnahmen in Kauf nimmt und wer im Bereich der
Unternehmensteuerreform wieder Schlupflöcher öffnet,
was nach Aussage der kommunalen Spitzenverbände
insgesamt 1,7 Milliarden Euro kostet, der kann das nicht
ernsthaft behaupten. Das ist doch auch eine Form der
Mehrausgabe. Ganz so blöd sind die Menschen in
Deutschland nicht, dass Sie ihnen das ernsthaft verkaufen könnten.
({13})
Wir wollen, dass Sie Konzepte vorlegen, um die
Handlungsfähigkeit der Kommunen, der Länder und des
Bundes sicherzustellen. Wir wollen nicht, dass Sie die
Gemeinden weiterhin für teure Steuergeschenke ausbluten lassen, die im Übrigen nachgewiesenermaßen keinen
Wachstumseffekt haben. Wir wollen, dass Sie sich auf
gemeinsame Konzepte zur internationalen Finanzmarktregulierung und auf eine Finanztransaktionsteuer einigen. Ehrlich gesagt: Wenn das schon nicht in allen Bereichen funktioniert, dann einigen Sie sich wenigstens
auf einige wenige Bereiche. Lieber für einige Punkte gemeinsam eintreten und international Erfolg haben, als in
allen Punkten auseinanderzudriften! Das ist für unser
Ansehen wichtig.
({14})
Um es zusammenzufassen: Nur wenn endlich klare
Konzepte erkennbar werden, wird der faktische Stillstand der Politik, den wir im Moment erleben, aufhören.
Nur so kommen wir ein Stück voran. Wir Sozialdemokraten finden: Zeit dafür wäre es allemal.
Vielen Dank.
({15})
Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege
Dr. Volker Wissing.
({0})
Ich danke Ihnen, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, Sie wollen Konzepte. Ich sage Ihnen klar: Es gibt ein Konzept, auf das
sich die Koalitionspartner verständigt haben, und das ist
der Koalitionsvertrag.
({0})
Wir werden Ihnen konkrete Gesetzentwürfe vorlegen.
({1})
Wenn Sie diesen zustimmen wollen, sind Sie herzlich
dazu eingeladen.
({2})
Es war doch so: Ihr sozialdemokratischer Finanzminister hat vor etwa drei Jahren angekündigt, im Jahr
2010 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
Um das Ziel zu erreichen, haben Sie die Steuern auf Rekordhöhe getrieben: Mehrwertsteuer rauf, Versicherungsteuer rauf, Sparerfreibetrag gekürzt. Ihnen war alles
recht, Hauptsache, die Bürger wurden zur Kasse gebeten. Die Liste Ihrer Steuergrausamkeiten war lang und
dick. Das Ergebnis im Bundeshaushalt war mehr als
dürftig.
({3})
Spätestens jetzt, nachdem Sie mit Ihrer Politik und den
Konsolidierungsversuchen gescheitert sind, sollten Sie
eines verstanden haben: Mit Steuererhöhungen gelingt
Haushaltskonsolidierung nicht.
({4})
Sie haben die Steuerlast für die Menschen drastisch nach
oben getrieben, haben den Bürgern mehr und mehr Geld
genommen, und dann haben Sie es im Bundeshaushalt
versickern lassen.
Heute kritisiert die Opposition unsere Forderung nach
mehr Steuergerechtigkeit und nach Entlastung. Dabei
waren es doch Sozialdemokraten, die es trotz Rekordsteuererhöhung nicht geschafft haben, auch nur ein einziges finanzpolitisches Problem dieses Landes nachhaltig zu lösen.
({5})
Sie üben lauthals Kritik. Aber was haben Sie zustande
gebracht in elf Jahren SPD-Finanzpolitik? Sie haben es
nicht geschafft, den Haushalt zu konsolidieren. Sie haben es nicht geschafft, das Steuersystem einfacher, niedriger oder gerechter zu gestalten. Und Sie haben es
schon gar nicht geschafft - das sage ich, weil Sie das so
lautstark erwähnt haben -, eine funktionierende präventive Aufsicht der Finanzmärkte sicherzustellen.
({6})
Was Sie heute im Bereich der Finanzmarktkontrolle fordern, ist all das, was Ihnen in elf Jahren Regierungsverantwortung nicht gelungen ist. Wir stellen uns dieser
Herausforderung; der Bundesfinanzminister hat das angekündigt. Wenn Sie sich heute hier hinstellen und sich
gerieren als eine Art Jeanne d’Arc der Bürger gegen die
Macht der Banken, sage ich Ihnen: Die Wahrheit ist,
dass die SPD in elf Jahren Regierungsverantwortung
vielleicht das Schoßhündchen, aber nicht die Bändigerin
der Finanzmärkte war.
({7})
Sie haben gemeinsam mit den Grünen die Finanzaufsicht
in Deutschland zersplittert. Sie haben an genau den falschen Stellen dereguliert, und jetzt
({8})
sind wir es, CDU/CSU und FDP, die gemeinsam daran
arbeiten, eine schlagkräftige und effiziente Aufsichtsstruktur in Deutschland zu errichten.
Um noch einmal zur Steuerpolitik zurückzukommen:
Sie finden es offenbar vollkommen in Ordnung, wenn
Gehaltserhöhungen der Beschäftigten im unteren Einkommensbereich vor allem beim Finanzminister landen.
Eine Partei wie die SPD, die die kalte Progression elf
Jahre achselzuckend hinnahm, kann doch nicht ernsthaft
behaupten, Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu machen. Das ist doch unglaubwürdig.
({9})
Unter den Augen der Sozialdemokraten hat sich der Spitzensteuersatz in Deutschland zu einem Regelsteuersatz
für die Mitte entwickelt. Der Höchststeuersatz, der einst
nur für Manager und Geschäftsführer galt, ist unter Ihnen
zum Regelsteuersatz für Facharbeiter geworden. Nun sagen Sie vielleicht: Elf Jahre SPD-Finanzpolitik sind Geschichte, wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. - Man
könnte sagen: Schwamm über all Ihre finanzpolitischen
Fehler von gestern, blicken wir nach vorn. - Aber das
Schlimme ist: Sie haben Ihre Meinung bis heute nicht
geändert. Das ist doch das Verheerende.
({10})
Die Koalitionspartner haben vereinbart, die kalte Progression abzumildern und den Mittelstandsbauch abzubauen. Was rufen die Sozialdemokraten? „Nein!“, rufen
sie. Sie rufen: Nein, steuert den unteren Einkommen die
Überstunden weg! Kassiert den Facharbeiter mit Spitzensteuersätzen ab! Besteuert Handwerksmeister wie
Spitzenmanager! - Das rufen Sozialdemokraten.
({11})
Gleichzeitig stellen Sie sich hin und sagen, dass Sie die
Hartz-IV-Reformen korrigieren und unabhängig vom
Vermögen Sozialtransferleistungen bezahlen wollen.
({12})
Was ist denn das für eine Politik für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer? Ich glaube, bei Ihnen geht einiges
durcheinander.
({13})
Sie haben leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer jahrelang im Stich gelassen. Die FDP
wird das nicht tun. Wir werden die Abschaffung der kalten Progression in Angriff nehmen. Wir werden das
Steuersystem einfacher und gerechter gestalten, indem
wir den Mittelstandsbauch abbauen und für eine gerechte Steuerlastverteilung in diesem Land sorgen. Einer
muss sich schließlich um all die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land kümmern.
({14})
Wir haben mit einer gerechten Familienbesteuerung
angefangen. Jetzt sind die Bezieher und Bezieherinnen
niedriger und mittlerer Einkommen an der Reihe. Um sie
werden wir uns kümmern. Auf dem Weg zur Entlastung
gibt es eine ganze Reihe von Ballast, zum Beispiel von
bürokratischem Ballast, den Sie zum Teil aufgebaut haben und den wir beseitigen müssen. Auch diesen Weg
werden wir in dieser Koalition entschlossen gemeinsam
gehen.
({15})
Wir sind und bleiben der Auffassung, dass sich Leistung für alle Einkommen lohnen muss und dass sich soziale Gerechtigkeit nicht auf das Umverteilen von Steuergeldern beschränken darf. Nein, soziale Gerechtigkeit
ist immer auch eine Frage der gerechten Besteuerung.
Das alles ist kein Widerspruch zur Haushaltskonsolidierungspolitik. Im Gegenteil: Ein gerechtes Steuersystem
macht solide Haushalte überhaupt erst möglich.
Ich danke Ihnen.
({16})
Das Wort erhält der Kollege Axel Troost für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bisher ist mit keinem Wort die katastrophale Finanzlage
der Kommunen angesprochen worden.
({0})
Aber auch dies gehört dringend zur allgemeinen Finanzdiskussion über den Bundeshaushalt. Die Zahlen sind
alarmierend. Allein in diesem Jahr stehen die Kommunen
vor einem Rekorddefizit von schätzungsweise 12 Milliarden Euro. Auch in den Jahren 2011 bis 2013 werden in
jedem Fall zweistellige Milliardendefizite erwartet.
Angesichts der klammen Haushaltslage ist die thüringische Gemeinde Niederzimmern dazu übergegangen,
die infolge des harten Winters entstandenen Schlaglöcher in den Straßen zu verkaufen. Da fragt man sich:
Wie lange reicht der Zynismus, dass wir über derartige
in der Not geborene Lösungsmöglichkeiten überhaupt
noch schmunzeln können?
Die Wirklichkeit ist bitterernst. Viele Städte und Gemeinden können aufgrund der schwierigen Finanzlage
ihre öffentlichen Ausgaben kaum noch bewerkstelligen.
Dabei ist die Finanznot der Kommunen keineswegs
hausgemacht. Im Gegenteil: Hauptursache der prekären
Lage der Kommunalfinanzen sind die massiven Steuersenkungen in den letzten zehn Jahren von verschiedenen Bundeskoalitionen. Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, an diesen Koalitionen waren alle hier vertretenen Fraktionen außer der Fraktion Die Linke beteiligt.
({1})
Die Folgen sind eine gigantische Umverteilung von
unten nach oben und Einnahmeverluste in Milliardenhöhe für die öffentlichen Haushalte. Auch die jüngsten
Steuergeschenke der Bundesregierung - das ist schon
angesprochen worden - werden zu einem erheblichen
Teil die Kommunen aufbringen müssen. Zugleich wälzen Bund und Länder immer mehr Aufgaben und Lasten
auf die Kommunen ab.
Die Kommunen brauchen dringend verbindliche Zusagen statt sporadischer Kaffeekränzchen ihrer Verbandspräsidentinnen und -präsidenten auf Einladung der
Bundeskanzlerin. Die Schlaglöcher in den kommunalen
Haushalten sind zu groß, um sich im unverbindlichen
Miteinander darüber auszutauschen oder die Probleme
sogar auf die lange Bank zu schieben.
({2})
Die Bundesregierung muss endlich, und zwar auch in
diesem Haushalt, kurzfristig wirksame Maßnahmen zur
Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit
und Handlungsfähigkeit der Städte, Gemeinden und
Landkreise ergreifen. Hierzu gehört, die Gewerbesteuer
zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterzuentwickeln
und als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuerumlage an
den Bund abzuschaffen.
In der letzten Sitzungswoche hat sich die im Koalitionsvertrag vorgesehene Gemeindefinanzkommission
konstituiert. Die Bundeskanzlerin und die Regierungsparteien tun nun so, als würden sie sich um die Belange der
Kommunen kümmern. Liest man aber den Kabinettsbeschluss zur Einsetzung der Kommission, findet man den
folgenden Satz - ich zitiere -:
Dabei hat die Kommission auf die Vermeidung von
Aufkommens- und Lastenverschiebungen insbesondere zwischen dem Bund auf der einen und Ländern und Kommunen auf der anderen Seite zu achten.
Zu Deutsch: Alles soll beim Alten bleiben, und die Gemeinden erhalten am Schluss unter dem Strich keinen
Cent mehr. Das alles ist billiges Wahlkampfgetöse vor
der NRW-Wahl.
Es wundert auch nicht, wenn im Protokoll - wohlgemerkt im offiziellen Protokoll - dieser konstituierenden
Sitzung der Satz zu finden ist - ich zitiere -:
Es könnte befürchtet werden, dass der Bund bereits
einen Entwurf des Abschlussberichts verfasst, während sich die Länder- und Kommunalvertreter in
den Arbeitsgruppen abarbeiten.
({3})
Das heißt, es ist überhaupt nicht vorgesehen, hier über
wirkliche Veränderungen zu diskutieren. Deswegen rufe
ich an dieser Stelle die Kommunalpolitikerinnen und
Kommunalpolitiker aus allen Parteien auf: Lassen Sie
uns dafür sorgen, dass der gebildete Unterausschuss
Kommunalpolitik schnellstmöglich tagt
({4})
und dass den Kommunen spätestens mit dem Haushalt
2011 auch vom Bund wirklich geholfen wird.
Danke schön.
({5})
Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Bundeshaushalt 2010 steht im Zeichen einer bewusst antizyklischen Finanzpolitik. Die historisch
einmalige Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise machte
und macht es erforderlich, die sogenannten automatischen Stabilisatoren wirksam werden zu lassen.
({0})
Zudem mussten wir seit dem Herbst 2008, lieber Kollege Bonde, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Abwendung der größten Gefahren der weltweiten Finanz- und
Wirtschaftskrise ergreifen. Die finanziellen Dimensionen, die diese Maßnahmen erreicht haben, waren bis dahin unvorstellbar.
Heute können wir feststellen, dass diese Maßnahmen
ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Ohne sie hätte es
konjunkturelle Einbrüche ganz anderer Art gegeben, mit
verheerenden Folgen für die Bürger, insbesondere für
die Beschäftigten.
({1})
Heute bescheinigen Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft übereinstimmend, dass diese Maßnahmen und
das koordinierte Vorgehen der Regierungen und Notenbanken absolut richtig und im Grunde alternativlos waren.
Dass damit einhergehend die Verschuldung dramatisch angestiegen ist, wird nicht bestritten. Eigentlich
wollten wir entsprechend der früheren Finanzplanung
bereits im Jahre 2010 bei einer Nettoneuverschuldung
von nahe null sein. Stattdessen weist der Bundeshaushalt
für das Jahr 2010, wie schon erwähnt, nach den Beratungen eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80,2 Milliarden Euro aus.
({2})
Jetzt, am Ende der Krise, kommt es darauf an, dass behutsam, aber konsequent umgesteuert wird.
Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt und
- noch mehr - die Vorgaben unseres Grundgesetzes verpflichten uns zu einem strikten Kurs der Haushaltskonsolidierung. Die Haushaltspolitiker der Koalition haben
bereits im Rahmen der Ausschussberatungen ein wichtiges Signal für einen strikten Konsolidierungskurs gesetzt.
So ist es gelungen, die im Entwurf vorgesehene NettokreBartholomäus Kalb
ditaufnahme um 5,9 Milliarden Euro auf 80,2 Milliarden
Euro zu senken.
({3})
Gewaltige Konsolidierungsschritte, insbesondere im
Hinblick auf den Abbau des sogenannten strukturellen
Defizits, müssen in den nächsten Jahren folgen.
({4})
Wir sind Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
sehr dankbar, dass er in Brüssel keinen Zweifel daran gelassen hat, dass Deutschland die Stabilitätskriterien spätestens im Jahre 2013 in vollem Umfang erfüllen wird.
({5})
Im Übrigen ist die Einhaltung des Stabilitätspaktes
und der Vorgaben der Schuldenbremse kein Selbstzweck. Vielmehr geht es darum, dass wir nicht immer
mehr Lasten in die Zukunft verschieben dürfen. Die Zahl
der sogenannten erwerbsfähigen Personen in Deutschland wird in den nächsten Jahren dramatisch abnehmen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sinkt die
Zahl der 20- bis 64-Jährigen innerhalb von drei Jahrzehnten - das ist eine kurze Zeit - von derzeit 49,8 Millionen auf 38,4 Millionen. Diese Personen, die unseren
Wohlstand und unsere soziale Sicherung erwirtschaften
müssen, werden in der Zukunft die ganze Last zu tragen
haben.
Auch global gesehen hat Deutschland eine große Verantwortung. Deutschland muss der währungspolitische
Stabilitätsanker im Euroraum sein - die währungspolitischen Spannungen sind bekannt; ich brauche nur das
Stichwort „Griechenland“ zu nennen -; das allein wird
aber nicht reichen, um künftigen Fehlentwicklungen
vorzubeugen. Das heißt, einerseits müssen die Staaten
selbst ihre Hausaufgaben machen, und andererseits müssen, natürlich im internationalen Geleitzug, entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Es ist darüber hinaus wichtig, dass wir an die internationalen Märkte
gerichtet das deutliche Signal aussenden, dass Europa
aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung handelt.
Alle Bemühungen werden nichts nützen, wenn es auf
der internationalen Ebene nicht gelingt, dem Fehlverhalten und der Fehlentwicklung auf den internationalen
Finanzmärkten einen Riegel vorzuschieben. Es kann
nicht sein, dass Akteure mit Produkten und Transaktionen außerhalb des geregelten Marktes, meistens mit
fremdem Geld und ohne eigenes Risiko, in der Lage
sind, ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins zu
treiben.
({6})
Es müssen hier Regeln aufgestellt werden, es muss
Transparenz geschaffen werden. Das gilt für die Aktivitäten der Hedgefonds, das gilt für die Aktivitäten der
Private-Equity-Fonds, das gilt für Leerverkäufe, für Kreditabsicherungen und auch für die Rohstoff- und Energiemärkte. Dankenswerterweise hat Bundesminister
Schäuble auf die Zwischenfrage von Herr Kuhn hin bereits die entsprechenden Initiativen erläutert.
Es kann nicht richtig sein, dass Kreditabsicherungen
- die sogenannten Credit Default Swaps - in einem Volumen des 30- bis 40-Fachen dessen gehandelt werden,
wie es zur Ausfallabsicherung eigentlich notwendig
wäre. Es kann auch nicht richtig sein, wenn, wie der
Chef von Air France es kürzlich öffentlich dargestellt
hat, an einem Handelstag 40-mal so viel Rohöl gehandelt wird, wie physisch vorhanden ist. Das ist eine dramatische Fehlentwicklung.
({7})
Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft und
insbesondere den führenden Industriestaaten nicht gelingt, diesem Treiben ein Ende zu bereiten, könnte man
in Abwandlung des Spruches „Der nächste Winter
kommt bestimmt“ sagen: Die nächste Krise kommt bestimmt. - So viel sollten wir aus der jetzigen Krise gelernt haben, dass wir in der Lage sind, eine nächste Krise
abzuwenden.
Ich danke Ihnen.
({8})
Letzter Redner zu diesem Einzelhaushalt ist der Kollege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wenn ich mir die heutigen Beiträge der Opposition anschaue, muss ich feststellen, dass es drei Konstanten gibt.
({0})
- Auf Sie kommen wir gleich noch zurück, Herr Bonde. Erstens: Wir wollen wissen …! Zweitens: Ihr habt zu
wenig gekürzt! Drittens: Ihr gebt zu wenig aus!
({1})
- Herr Bonde, rufen Sie ruhig dazwischen! - Das wird
dann auch noch garniert damit, dass Sie der Kanzlerin
hier vorwerfen, wir würden internationale Verträge nicht
einhalten,
({2})
von „Wortbruch“ und von „Verlogenheit“ sprechen.
({3})
- Hätten Sie lieber in den Haushalt geschaut, Herr
Bonde, statt Donald Duck zu lesen! Dann wären Ihnen
nicht nur die 70 Millionen Euro aufgefallen, sondern
auch die 350 Millionen Euro, die aus dem Ressort erwirtschaftet werden sollen - da sind die 420 Millionen
Euro, die wir, wie auf der Klimakonferenz zugesagt, zusätzlich ausgeben. - Ihr Tun, meine Damen und Herren,
ist wenig verantwortungsvoll.
({4})
Schon Otto von Bismarck hat einmal gesagt:
Die Scheu vor Verantwortung ist die Krankheit unserer Zeit.
Mein Eindruck ist: Das ist auch heute so.
Die christlich-liberale Koalition hat sich ihrer Verantwortung gestellt. Konsolidierung in Verantwortung
kann aber nicht heißen, den Staat kaputtzusparen. Verantwortungsvoll ist vielmehr eine generationengerechte
Politik, die sich an der Zukunft orientiert.
({5})
Genau das ist die Politik der christlich-liberalen Koalition. Diese Verantwortung trifft nicht nur die Regierung,
nicht nur die Koalition, sondern uns alle, all diejenigen,
die den Anspruch erheben, für die Gemeinschaft unserer
Bürgerinnen und Bürger hier aktiv zu werden.
Der Bundeshaushalt 2010 ist der erste Haushalt, den
diese christlich-liberale Koalition vorlegt.
({6})
Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der die Übergangszeit
zwischen Krisenbewältigung und Sparzwang markiert.
({7})
Wir haben deshalb den Rotstift in ersten Schritten im
Personal- und Verwaltungsbereich angesetzt. Im Interesse einer weiteren Erholung der Wirtschaft haben wir
die Investitionen für die Zukunft gesichert. Das, meine
sehr verehrten Damen und Herren, nennen wir Verantwortung. Die Nettokreditaufnahme haben wir in den
Haushaltsberatungen im Ergebnis um 5,6 Milliarden
Euro auf 80,2 Milliarden Euro senken können. 5,6 Milliarden Euro weniger!
({8})
Nun werfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, uns vor, dass wir lediglich von der besseren Konjunktur profitieren.
({9})
Sollten Sie sich nicht vielmehr darüber freuen, dass es
mit der Konjunktur wieder besser geht?
({10})
Sollten Sie sich nicht darüber freuen, dass weniger Mitmenschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, als das vor
wenigen Monaten noch zu erwarten war? Können oder
wollen Sie diese Erfolge nur deshalb schlechtreden, weil
dies erste sichtbare Ergebnisse der erfolgreichen Politik
der christlich-liberalen Koalition in der Krisenbewältigung sind?
({11})
Die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Bürgern und Bürgerinnen haben, bleibt. Sie löst sich nicht,
indem gute Ergebnisse von Ihnen ins Schlechte geredet
werden.
({12})
Die christlich-liberale Koalition hat in den Beratungen drei Akzente gesetzt:
({13})
die Wirtschaftsbelebung, die soziale Sicherung zur Krisenbewältigung und auch den Sparwillen. Um weitere
Impulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise insbesondere für den Mittelstand zu geben, haben wir im
parlamentarischen Verfahren zum Beispiel zusätzlich
400 Millionen Euro für die Fortführung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms zur Verfügung gestellt und damit Wirtschaft, Mittelstand, Wachstum und Ökologie gefördert.
({14})
Die soziale Sicherung ist in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie mit so viel Geld unterfüttert worden wie von der christlich-liberalen Koalition.
({15})
Über 54 Prozent des Gesamthaushalts werden für soziale
Leistungen aufgewendet, angefangen bei Arbeitsmarktausgaben und Leistungen an die Renten- und Krankenversicherung über das Elterngeld bis hin zur landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Soziale Wärme und nicht
soziale Kälte ist daher die Wahrheit dieses Bundeshaushalts.
({16})
Lob von der Opposition dafür? Fehlanzeige!
({17})
Im Gegenteil: Herr Bonde spricht von blinder Schuldenmacherei.
({18})
Das ist doch die von Ihnen gelebte Solidarität mit denjenigen in der Bevölkerung, die auf Transferleistungen angewiesen sind und für die wir diese besagten 54 Prozent
aufbringen.
({19})
Sie werfen uns vor, dass wir 900 Millionen Euro für
die arbeitsuchenden Bürgerinnen und Bürger, die durch
Fortbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen wollen, und für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitslose gesperrt haben.
({20})
Keiner von Ihnen erklärt den Bürgern aber, was eigentlich dahintersteckt. Das tun Sie aus gutem Grund nicht,
weil diese Sperre nämlich keine Kürzung ist.
({21})
In 2009 hatten wir für diese Zwecke insgesamt
10,6 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant, tatsächlich
aber nur 10,1 Milliarden Euro gebraucht. 2010 haben
wir jetzt insgesamt 11 Milliarden Euro zur Verfügung
gestellt, also 900 Millionen Euro mehr, als wir im vergangenen Jahr tatsächlich gebraucht haben.
({22})
Wir wollen natürlich sicherstellen, dass dieses zusätzliche Geld auch zweckentsprechend eingesetzt und zielgerichtet und ökonomisch verwandt wird.
({23})
Dass eine Sperre keine Kürzung ist, sollten Sie als Haushälter wissen.
({24})
Sobald das Arbeitsministerium nachgewiesen hat, dass
mit diesem Geld tatsächlich mehr Menschen in den ersten Arbeitsmarkt kommen, werden wir diese Sperre auch
wieder aufheben.
({25})
Das ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem
Geld; denn jeder vierte Euro, den wir heute ausgeben,
müssen wir uns von kommenden Generationen leihen.
Deswegen ist das der erste Schritt hin zu einem vernünftigen finanziellen Verhalten.
({26})
Der Etat des Finanzministers ist eine gute Wegmarke.
Er ist zudem ein erstes Zeichen dafür, dass wir in einen
Konsolidierungsprozess eingeschwenkt sind. In 310 Änderungsanträgen der Koalition sind die Ausgabenansätze
um insgesamt 5,9 Milliarden Euro nach unten korrigiert
worden. Jedes Ressort wird im Verwaltungsbereich seinen eigenen Konsolidierungsbeitrag zu leisten haben.
Alleine die Personal- und die Sachkosten haben wir
um 500 Millionen Euro gekürzt. Insgesamt werden gegenüber dem Regierungsentwurf brutto circa 2 600 Stellen eingespart. Trotz dieser Leistung heulen Sie auf und
kritisieren Presseberichten zufolge unter anderem, dass
wir auch neue Stellen schaffen. Das ist richtig: Wir
schaffen dort neue Stellen, wo es notwendig ist, und wir
streichen Stellen dort, wo es möglich ist.
Ich möchte ein Beispiel nennen: Die Bekämpfung der
Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung hat für
uns eine hohe Priorität. Circa 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - das sind mehrere Hundert Milliarden
Euro - werden schwarz geleistet. Im Jahr 2008 ermittelte
die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung
eine Schadenssumme von rund 550 Millionen Euro, unter anderem wegen nicht gezahlter Steuern, Sozialversicherungsabgaben und Mindestlöhnen. Dabei handelt es
sich nur um die in Ermittlungsverfahren nachweisbaren
Schäden. Das sind Schäden für unseren Sozialstaat, dem
dadurch Einnahmen entzogen werden. Das ist eine
Schelte für die hart arbeitenden Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die ihre Steuern und Sozialabgaben ehrlich
zahlen. Wir werden deshalb in diesem Jahr das Personal
der Finanzkontrolle um 150 Stellen aufstocken. In den
nächsten Jahren werden jeweils 100 weitere Stellen folgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am besten gestaltet
man die Zukunft, indem man heute die richtigen Entscheidungen trifft.
({27})
Deshalb ist dieser Haushalt der erste Schritt auf dem
Weg in eine Zukunft mit einer geringeren Nettoneuverschuldung. Es ist ein Haushalt, der Wachstum fördert
und soziale Sicherheit gewährleistet. Es ist der erste
Haushalt dieser christlich-liberalen Koalition, ein Haushalt der Verantwortung.
({28})
Damit schließe ich die Aussprache.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst über
den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in
der Ausschussfassung.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für
den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1010? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion
abgelehnt. Dagegen hat die Koalition gestimmt. Enthalten haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Wir kommen jetzt zu Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist
der Einzelplan 08 bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und bei Ablehnung durch die Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.5 auf:
Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- Drucksachen 17/611, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Axel E. Fischer ({0})
Dr. Claudia Winterstein
Alexander Bonde
Zum Einzelplan 11 liegen ein Änderungsantrag der
Fraktion der SPD und ein Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie drei Änderungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.
Wir werden insgesamt drei namentliche Abstimmungen durchführen, wobei über zwei inhaltsgleiche Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zusammen in einer namentlichen Abstimmung abgestimmt werden soll. Weiterhin
liegt ein Entschließungsantrag der SPD vor, über den wir
am Freitag im Anschluss an die Schlussabstimmung abstimmen werden.
Interfraktionell ist verabredet, zu diesem Einzelplan
eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch.
Als erster Rednerin gebe ich das Wort der Kollegin
Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion.
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als zuständige Hauptberichterstatterin im Haushaltsausschuss für den größten Etat des Bundes, nämlich den des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der für
2010 mit rund 143 Milliarden Euro über 45 Prozent der
Gesamtausgaben umfasst, möchte ich mich nach harten
Verhandlungswochen zunächst bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Ministeriums und Frau von der
Leyen für die zügige Beantwortung von circa 50 Berichtsanfragen herzlich bedanken, die uns die parlamentarische Arbeit erleichtert hat. In diesen Dank für die
prompte Zuarbeit schließe ich ausdrücklich die Kolleginnen und Kollegen bei der Bundesagentur für Arbeit,
beim Finanzministerium, im Bundesrechnungshof und
im Haushaltsausschusssekretariat mit ein.
({0})
Mir würde dieser Dank allerdings heute noch erheblich fröhlicher über die Lippen kommen, wenn das Ergebnis der Schlussabstimmung im Haushaltsausschuss
für die Menschen, für die wir gemeinsam Verantwortung
tragen, Grund zu Freude und Zuversicht bieten würde.
Aber dem ist leider nicht so.
Was Schwarz-Gelb uns heute vorlegt, ist ein Haushalt
der verpassten Chancen. Insbesondere gegenüber der
jüngeren Generation ist es unverantwortlich, ohne Not
den vorhandenen Schuldenberg in dieser Größenordnung, um über 80 Milliarden Euro, zu erhöhen.
({1})
Das ist eine Verdoppelung der bisherigen Rekordmarke
von Theo Waigel von 1996, und es ist unverantwortlich,
was Sie damit der künftigen Generation hinterlassen.
Diese Koalition hat - das werden wir diese Woche
noch an vielen Stellen sehen - leider kein Konzept und
versucht, sich mit Hinweis auf die Finanz- und Wirtschaftskrise herauszureden und um eine stärkere Sparanstrengung herumzumogeln. In Wahrheit spannen Sie
in diesem Haushalt einen Schutzschirm auf - ja, das tun
Sie, aber nur für die eigene gut betuchte Klientel. Die
Arbeitsuchenden, die Familien mit Kindern und auch die
Kommunen lassen Sie schutzlos im Regen stehen.
({2})
Die SPD hat in diesen Haushaltsberatungen solide gerechnete Sparvorschläge gemacht und dennoch klare
Schwerpunkte zugunsten der Kommunen und der Bildung gesetzt. Wir Sozialdemokraten haben in diesen
Haushaltsberatungen entgegen dem, was wir gerade von
Herrn Brackmann gehört haben, bewiesen, dass wir auch
in der Opposition verantwortungsbewusste Vorschläge
machen und Populismus anderen überlassen.
({3})
Unbestreitbarer Fakt ist: Schwarz-Gelb spart bei weitem nicht genug, und da, wo Sie es dann tun, machen Sie
es auch noch am falschen Ende und sägen an dem Ast,
auf dem wir alle sitzen. Sie sparen zulasten von Kindern
in sozialer Not. Die Kindergelderhöhung, die gerade bei
den Kindern von Hartz-IV-Empfängern nicht ankommt,
ist bereits erwähnt worden. Sie haben sich ohne Not entschieden, in einer gewaltigen Rückrufaktion über 1 Million Bescheide zu korrigieren. Das hat die schwarz-rote
Regierung vor einem Jahr anders gehandhabt, und das war
angemessen gegenüber der Zielgruppe, den Hartz-IVEmpfängern und ihren Kindern, um die es hier geht.
({4})
Sie haben sich ohne Not an dieser Stelle für Bürokratieaufbau entschieden und mit dieser Rückrechnerei viele
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Argen völlig unnötig beschäftigt. Damit haben Sie im Endeffekt Bürokratiekosten verursacht, die weit über die 20 Euro pro
Kind, um die es bei der Rückrufaktion ging, hinausgegangen sind.
Sie sparen aber auch zulasten von Qualifizierung und
Weiterbildung am Arbeitsmarkt bei steigenden Arbeitslosenzahlen und einem Fachkräftemangel in wichtigen
Zukunftsbranchen für unser Land, der auf uns zukommt.
Die 900-Millionen-Euro-Sperre, auf die ich noch zu
sprechen komme, ist ein Indiz dafür.
Sie sparen aber auch zulasten der Städte und
Gemeinden, deren leere Kassen die Bildungschancen
unserer Kinder ebenso wie die bitter nötigen Investitionen in die Infrastruktur und damit unser aller Lebensqualität und Zukunft in Gefahr bringen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung, KdU, sind ein wichtiges Indiz
dafür. Sie haben in dem Haushalt von Herrn Schäuble
gegenüber dem Haushalt von Peer Steinbrück die KdU
um 600 Millionen Euro abgesenkt, und Sie haben die
Mittel jetzt nicht erhöht, obwohl Sie mit Ihrem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz - ich würde
es eher Schuldenaufbaugesetz nennen - sehr wohl Signale an die Kommunen gesandt haben. Aber diesen Signalen an die Kommunen ist bisher außer heißer Luft
nichts gefolgt.
({5})
Die SPD spannt einen Schutzschirm zur Rettung der
Kommunen auf, den wir in diesem Haushalt auch eins zu
eins abgebildet haben. Er bedeutet allein in diesem Etat
einen Aufwuchs um 400 Millionen Euro für die Kommunen. Sie sind diesem Vorschlag nicht gefolgt. Das ist
bitter für die Kommunen.
Das Schlimme daran ist: Wenn es den Kommunen
schlecht geht, dann spürt das jeder Mann, jede Frau und
jedes Kind in diesem Land, nämlich durch Gebührenerhöhungen, fehlende Kita-Plätze, steigende Elternbeiträge, geschlossene Schwimmbäder, Kürzungen bei
Theatern und Museen und Schlaglochpisten in den Städten und Gemeinden. An dieser Stelle haben Sie komplett
versagt.
({6})
Das größte Drama spielt sich aber bei den Agenturen
für Arbeit ab. Es geht darum, dass Sie, Frau Ministerin
von der Leyen, in diesem Jahr mit der notwendigen Umstrukturierung der Argen, die das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag aufgegeben hat, noch eine harte
Nuss zu knacken haben. Das Schlimme daran ist, dass
die CDU/CSU hier in den letzten zwei Jahren einen beispiellosen Zickzackkurs vorgelegt hat.
Den von Olaf Scholz schon vor zwei Jahren vorgelegten Gesetzentwurf für ein kooperatives Jobcenter, das
ohne eine Verfassungsänderung möglich gewesen
wäre, haben Sie abgelehnt. Den Gesetzentwurf, der eine
Verfassungsänderung vorsah und den wir schon im letzten Jahr vorgelegt haben und der im November von den
Arbeits- und Sozialministern aller Länder auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz befürwortet worden
ist, haben Sie vor einem Jahr ebenfalls abgelehnt. Im
Koalitionsvertrag haben Sie festgelegt, ohne eine Verfassungsänderung auskommen zu wollen. Jetzt wollen Sie
doch wieder eine Verfassungsänderung. Allerdings weiß
man nicht genau, wie.
Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen. Sie haben damit
die Menschen massiv verunsichert, und zwar nicht nur
die Arbeitsuchenden, die auf funktionierende und bewährte Strukturen angewiesen sind, sondern Sie haben
vor allen Dingen die Verunsicherung bei den 66 000
Mitarbeitern in den Argen, in den Jobcentern und in den
Optionskommunen auf die Spitze getrieben,
({7})
davon über 22 000 Mitarbeiter, die aus den Kommunen
kommen. Das ist in dieser Situation unverantwortlich.
({8})
Die SPD steht weiter dafür ein, dass wir Ihnen im
Sinne der Menschen für eine Verfassungsänderung die
Hand reichen wollen, allerdings nicht bedingungslos. In
den Eckpunkten, die wir dafür gesetzt haben, geht es insbesondere darum, dass für die Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt genug Mittel bereitstehen. In diesem Punkt hat unsere Hoffnung
auf Ihre Einsicht mit der 900-Millionen-Euro-Sperre leider einen herben Rückschlag erlitten.
Als Optimistin wünsche ich mir, dass bei CDU/CSU
bei dem Thema Arge-Reform endlich Vernunft einkehren möge, dass wir gemeinsam für über 7 Millionen Arbeitsuchende eine gute Lösung erreichen und dass die
246 Argen sowie die 69 Optionskommunen ihre bewährte Arbeit verfassungskonform auf Dauer fortsetzen
können. Aber als Realistin fürchte ich natürlich: Wer
schon zwei Jahre lang einen derartigen Zickzackkurs
fährt, der hat entweder den Kompass verloren oder das
Ruder nicht fest in der Hand. Da diese Koalition im Moment nicht so wirkt, als hätte sie den Kompass wiedergefunden, wird es, Frau Ministerin, an Ihnen sein, das Ruder fest in die Hand zu nehmen und diesen unsäglichen
Zickzackkurs im Sinne der Arbeitsuchenden zu beenden.
Aber die Zeit läuft.
({9})
Die Zeit wird auch bei einem anderen Thema knapp.
Ich komme nun zu der 900-Millionen-Euro-Sperre. Es
ist sicherlich purer Zufall, dass ausgerechnet heute die
Dortmunder Ruhr-Nachrichten - nun kann man sich
zwar fragen, wieso ausgerechnet Dortmund, aber die
NRW-Wahl lässt grüßen - schreiben, dass Sie eingesehen hätten - das ist wunderbar -, dass Ihre Sperre das
falsche Signal sei.
({10})
Dazu kann ich Ihnen sagen: Dabei können wir Ihnen
helfen. Es liegen je ein Änderungsantrag der SPD und
auch der Grünen vor, denen Sie in namentlicher Abstimmung zustimmen können.
({11})
Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann wird diese
Sperre gar nicht mehr in den Haushalt aufgenommen.
({12})
Damit wäre doch das Ziel erreicht. Aber bei Ihnen wird
es so laufen, dass Sie erst einmal diese Sperre ausbringen. Dann kann sie erst im April wieder aufgehoben
werden, nämlich dann, wenn das Haushaltsgesetz im Gesetzblatt steht. Die Ministerin hat dazu im Haushaltsausschuss gesagt, dass sie eine Aufhebung der Sperre im
April als letzten Zeitpunkt für notwendig hält,
({13})
weil sonst das Geld gar nicht mehr ausgegeben werden
kann.
An dieser Stelle sage ich Ihnen, Frau Ministerin: Sie
werden von uns daran gemessen, ob es Ihnen gelingt, zusammen mit Herrn Schäuble am 15. April im Haushaltsausschuss einen Entsperrungsantrag vorzulegen, und ob
es Ihnen gelingt, dass Sie gemeinsam mit der FDP diese
Sperre wieder aufheben. Schauen wir mal.
({14})
In Wahrheit ist es so, dass diese Sperre wie eine faktische Kürzung wirkt, wenn sie nicht aufgehoben wird.
({15})
- Herr Kollege Fischer, Sie sollten vielleicht öfter in die
Arbeitsagenturen vor Ort gehen. Die Arbeitsagenturen
im ganzen Land wissen schon jetzt, dass ihnen
900 Millionen Euro weniger zugeteilt werden.
({16})
Die Jobcenter und die Argen vor Ort sind schon heute
bei der langfristigen Planung von Maßnahmen vorsichtig, die dazu dienen, Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie haben wohl die Information, die wir Haushälter
bekommen haben, vergessen, dass Ende 2009 4,9 Millionen Erwerbsfähige im Arbeitslosengeld-II-Bezug waren und dass 835 000 von diesen 4,9 Millionen Arbeitsuchenden in Maßnahmen waren. Das bedeutet: Wenn Sie
diese Maßnahmen nicht fortführen, haben nicht nur die
betroffenen Menschen keine Chance auf Integration,
sondern dann wird sich auch die Zahl der Arbeitslosen
drastisch erhöhen. Mit anderen Worten: Sie ziehen es
vor, Arbeitslosigkeit anstatt Arbeit zu bezahlen. Das ist
das falsche Signal. Sie fahren mit Ihrer Sperre die
Instrumente zur Integration in den Arbeitsmarkt,
von der JobPerspektive bis zur Initiative „50 plus“, an
die Wand. Halten Sie ein, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Nur dann können wir davon ausgehen, dass alles vor Ort ankommt.
Ein letztes Wort zu den Trägern der beruflichen Weiterbildung in diesem Land. Sie sind es, die den Menschen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen.
Nicht nur bei mir, sondern wahrscheinlich auch bei Ihnen dürften die Telefonleitungen heiß gelaufen sein.
Selbstverständlich sind die Träger der beruflichen Weiterbildung in größter Sorge, dass sie in den nächsten Wochen und Monaten ihre wertvolle Arbeit - auch zulasten
ihrer eigenen Beschäftigten - nicht fortsetzen können.
Das ist ein Haushalt der Kälte, den Sie hier vorlegen.
Das ist ein Haushalt der Kurzsichtigkeit. Kehren Sie um!
Wir würden uns freuen.
({17})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der
Kollege Axel Fischer.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Worten
meiner Vorrednerin Hagedorn schließe ich mich an, zumindest was den Dank an das Ministerium angeht. Ich
möchte neben der Ministerin Frau von der Leyen besonders dem Staatssekretär Fuchtel für die gute Zusammenarbeit danken.
({0})
Für die Beantwortung von Fragen und Anregungen stand
er quasi Tag und Nacht zur Verfügung. So stellt man sich
eine gute Zusammenarbeit vor!
({1})
Der Haushalt 2010 orientiert sich noch an dem Entwurf der Großen Koalition. Der ehemalige Arbeitsminister Olaf Scholz hat diese Zahlen im Wesentlichen hier
hineingeschrieben. Insofern - ich will das gleich deutlich sagen - relativieren sich viele Äußerungen, Frau
Hagedorn, die Sie gemacht haben. Es ist uns gelungen,
einen geeigneten Mittelweg zwischen dem Sparsamkeitsgebot und den Erfordernissen, die unsere wirtschaftliche Schieflage mit sich bringt, zu finden. Es kann
letztlich nur verteilt werden, was auch erwirtschaftet
wird. Ich sage es noch einmal: Der Etat „Arbeit und Soziales“ trägt die Handschrift von Olaf Scholz. Umso
überraschter war ich über die Flut von Kürzungsanträgen der SPD im Haushaltsausschuss, beispielsweise bei
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
in Dortmund. Bei den Bezügen der Beamten und Angestellten, ja sogar die Forschungsmittel wollte Ihre Partei
kürzen, Frau Hagedorn.
({2})
Axel E. Fischer ({3})
Liebe Frau Hagedorn, solche Anträge sind nicht glaubwürdig, wenn man sie nur in Zeiten der Opposition
stellt, in der Hoffnung, dass die christlich-liberale Koalition sie dann schon ablehnt.
Im Wesentlichen setzt die christlich-liberale Koalition
die erfolgreiche Politik der Vorgängerregierung fort. Wir
wollen die Selbstheilungskräfte des Marktes kurzfristig nutzen. Wir setzen auf eine anspringende Wirtschaft
mit erhöhten Erträgen, und das mit Erfolg. Der Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit, für den im
Haushaltsentwurf noch 16 Milliarden Euro vorgesehen
waren, kann aufgrund besserer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf 12,8 Milliarden Euro reduziert werden.
Weniger Arbeitslose als erwartet, damit mehr Einnahmen aus den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für die
Bundesagentur für Arbeit, das ist ein Erfolg unserer Politik.
({4})
Der Haushalt ist kein Sparhaushalt. Er steht voll im Zeichen von Wachstumsbeschleunigung und zielt auf die
Ankurbelung unserer Wirtschaft. Deshalb konnten wir
dank Einsparungen im Sozialhaushalt die Neuverschuldung nur etwas drücken. Wir müssen uns aber vor Augen führen, dass 80 Milliarden Euro in diesem Haushalt
geliehenes Geld sind.
Ganz kurz zu den Eckdaten des Haushalts für Arbeit und Soziales. Das Volumen beträgt 143 Milliarden
Euro, davon sind knapp 81 Milliarden Euro Leistungen
an die Rentenversicherung, 23,9 Milliarden Euro sind
für das Arbeitslosengeld II, knapp 7 Milliarden Euro
sind Leistungen zur Eingliederung von Hartz-IV-Beziehern in Arbeit, und 8 Milliarden Euro stehen für die Beteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung zur Verfügung, um nur einige Hausnummern zu nennen. Das ist
fast der halbe Bundeshaushalt und weit mehr als die
Hälfte der Steuereinnahmen des Bundes. Es kommt
nicht von ungefähr, dass wir dieses Jahr eine Rekordverschuldung in Kauf nehmen. Auch in der derzeitigen
wirtschaftlichen Krise tragen die Aktiven von heute und
morgen weiter den Sozialstaat auf ihrem Rücken. Dieser
Haushalt belegt eindrucksvoll das enorme Ausmaß und
den großen Umfang, in dem unser Gemeinwesen für die
Erfüllung und den Fortbestand des Generationenvertrags
zwischen den aktiven und passiven Jahrgängen Sorge
trägt. Er zeigt eindrucksvoll die enormen Anstrengungen, die für erwerbsfähige Hilfsbedürftige gemacht werden. Hartz-IV-Beziehern wird nicht nur materiell geholfen, nein, mit der Eingliederungshilfe wird auch noch
eine milliardenschwere Hilfe zur Selbsthilfe für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vom Steuerzahler
finanziert.
({5})
Dieser Sozialhaushalt ist ein Beispiel gelebter Solidarität,
({6})
der Solidarität zwischen den Generationen und der Solidarität zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Aus
gutem Grund haben wir die Überprüfung von Leistungen
der Eingliederungshilfe gefordert. Immerhin sind
6,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt dafür vorgesehen. Ein Kernelement der christlichen Soziallehre ist der
Hinweis, dass es nicht immer am besten ist, alles zentral
zu regeln; denn es muss nicht unbedingt in Berlin entschieden werden, welche Maßnahmen für einen Bürger
in Emden, Mannheim oder Greifswald sinnvoll sein
könnten.
({7})
Aber wenn dann vermehrt Meldungen durch den Mediendschungel rauschen, dass diese Mittel der Steuerzahler falsch eingesetzt und das Geld verdummbeutelt wird,
dann haben die Steuerzahler einen Anspruch darauf, dass
vor Ort genau nachgeschaut wird, was schiefgelaufen ist,
dann haben sie einen Anspruch darauf, dass diese Missstände umgehend abgestellt werden.
({8})
Wir haben in diesem Haushalt einen deutlichen Aufwuchs der Mittel für die Eingliederungshilfe gegenüber
den Ausgaben im letzten Jahr. Dieses Geld soll arbeitswilligen Hartz-IV-Beziehern helfen, sich für eine Arbeit
zu qualifizieren. Diese Menschen haben Hoffnungen, die
sie in die Ergebnisse der Maßnahmen setzen. Umgekehrt
hat auch der Steuerzahler Hoffnungen und Erwartungen,
was die erfolgreiche Verwendung seines Geldes angeht.
All diese Menschen dürfen wir nicht enttäuschen.
({9})
Wir dürfen sie nicht dadurch enttäuschen, dass mit der
Eingliederungshilfe Dinge finanziert werden, mit denen
sich die Chancen für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht verbessern. Wir wollen Maßnahmen fördern,
die effektiv sind. Aber es stellt sich natürlich die Frage,
wie sichergestellt werden kann, dass diese Mittel auch
nutzbringend verwendet werden. Das Geld darf nicht in
nutzloser Beschäftigung versanden, sonst haben wir einen doppelten Schaden. Der Steuerzahler muss auf sein
Geld verzichten, und der Hilfsbedürftige ist frustriert.
Das kann und darf nicht unser Ziel sein. Wir müssen erreichen, dass die knappen staatlichen Mittel effektiv eingesetzt werden. Deshalb haben wir im Haushalt die Mittel für den Eingliederungshilfetitel teilweise gesperrt.
Sie dürfen erst dann ausgegeben werden, wenn ein Konzept zur besseren Integration von Arbeitslosengeld-IIEmpfängern in den Arbeitsmarkt vorgelegt wird; denn
letztlich sind diese Mittel Geld, das wir mit Schulden finanzieren. Die 80 Milliarden Euro Neuverschuldung zur
Finanzierung des Bundeshaushalts belasten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Zukunft. Das sind
die nachfolgenden Generationen. Wir können nicht von
Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit reden,
wenn wir nicht sorgsam mit diesem Geld umgehen. Das
Axel E. Fischer ({10})
ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wie auch der
Leiter der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, vergangene Woche betont hat.
({11})
Frau Kollegin Hagedorn, wir würden das zu Hause,
wenn wir ehrlich sind, doch genauso machen. Bevor wir
mehr Geld in die Nachhilfe unserer Kinder stecken,
schauen wir erst einmal nach, was die Nachhilfe bislang
bewirkt hat und wie man vielleicht bessere Ergebnisse
erzielen kann. Warum soll das bei öffentlichen Mitteln
nicht genauso sein? Wir halten das für einen ganz natürlichen Vorgang. Wir wollen eine Überprüfung und einen
Bericht, der uns zeigt, was gut läuft und wo man verbessern kann und muss, damit die Eingliederung optimiert
wird.
Vor Wahlen ist es üblich, staatliche Programme und
Beglückungen für alle und jeden zu fordern. Ganz besonders locker geht man damit auf Oppositionsbänken
um, nicht zuletzt in der Erwartung, diese Versprechen
nie einhalten zu müssen. Ich kann mich noch gut erinnern: In der letzten Legislaturperiode waren es vor allem
SPD-Minister, die die Realitätsferne der Linken geißelten.
({12})
Kaum sind sie auf den Oppositionsbänken angekommen,
schlagen sie ähnliche Töne an: Sie fordern nun die Verdoppelung der Bezugszeit für Arbeitslosengeld I und neue
staatliche Beschäftigungsprogramme für mehr als 3 Milliarden Euro. Auf eine Vermögensprüfung bei Hartz IV
wollen sie offensichtlich ganz verzichten. Heißt das
etwa, der hart arbeitende Steuerzahler bezahlt dem Banker, der schon mit 40 genügend auf der Bank hat und
nicht mehr arbeiten will, die Warmmiete für seine Wohnung und dazu noch den Regelsatz als Taschengeld?
({13})
Da fragt sich doch jeder, was das mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat.
({14})
Das ist mit heißer Nadel gestricktes Wahlkampfmaterial,
das nach der Wahl den üblichen Weg gehen wird.
({15})
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden
Bundeshaushalt spannt die christlich-liberale Koalition
unter Führung von Angela Merkel einen Schutzschirm
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
({16})
Wir halten durch den Einsatz von Steuermitteln die
Lohnnebenkosten stabil. Das sichert Arbeitsplätze und
hält die Gesellschaft zusammen. Die christlich-liberale
Koalition und auch Frau Ministerin von der Leyen sind
sich ihrer Verantwortung bewusst, ihrer Verantwortung
für soziale Gerechtigkeit und ihrer Verantwortung für
den sparsamen Umgang mit Steuermitteln. Beides gehört zusammen. Das zeigt der von Wolfgang Schäuble
vorgelegte Bundeshaushalt, den wir in dieser Woche beraten.
Herzlichen Dank.
({17})
Der Kollege Matthias W. Birkwald ist der nächste
Redner für die Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Sozial ist, was Würde schafft. Um
Würde geht es auch beim Umgang mit Rentnerinnen
und Rentnern. Die Angleichung der Rente in den neuen
Bundesländern an das Niveau im Westen ist ein Trauerspiel. 20 Jahre sind ins Land gegangen, bevor Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU, nun ein einheitliches Rentenrecht für Ost und West ankündigen.
Das fordern wir Linken schon lange. Es muss gelten:
gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Rente für
gleiche Lebensleistung - in Ost und West.
({0})
Die Lebensleistung einer Rentnerin in Frankfurt ({1})
verdient genauso viel Respekt wie die Lebensleistung eines Rentners in Frankfurt am Main. Ich weiß: Die Rentenwerte anzuheben, geht nicht über Nacht. Aber fangen
Sie jetzt damit an!
({2})
Meine Damen und Herren, sozial ist, was Würde
schafft. Erwerbsarbeit kann, muss aber nicht dazuzählen. Eine mies bezahlte Arbeit für 3 oder 4 Euro in der
Stunde, befristet, ohne Perspektive, eine Arbeit, in die
das Jobcenter Erwerbslose drängt, solch ein Job erscheint den Betroffenen sinnlos. Solch eine Arbeit
schafft keine Würde, solch eine Arbeit beseitigt Würde.
Das Gleiche gilt für Sozialleistungen: Hartz IV entwürdigt, Hartz IV demütigt und Hartz IV verformt die
Menschen zu willigen und billigen Verkäuferinnen und
Verkäufern ihrer Arbeitskraft. Statt „Fördern und Fordern“ hätte das Motto von Hartz IV eigentlich „Zwingen
und Schubsen“ heißen müssen. Das ist würdelos, und darum muss Hartz IV überwunden werden.
({3})
Stattdessen brauchen wir „gute Arbeit“, die niemanden zum seelenlosen Verkäufer herabstuft, und gute Sozialleistungen, die keine und keinen zum Bittsteller und
zur Verschiebemasse am Arbeitsmarkt herabwürdigen.
Darum schlagen wir Linken ein Zukunftsprogramm
vor, mit dem massenhaft neue, anständig bezahlte Arbeitsplätze entstehen könnten, zum Beispiel durch den
Ausbau der Kinderbetreuung, durch die Ausbildung von
Erzieherinnen und Erziehern, von denen wir viele und
gut qualifizierte brauchen, im Bereich der Gesundheitsförderung und der Prävention, in der Erwachsenenbildung und durch die Förderung der Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern.
Von Arbeit muss man leben können. Deswegen fordert die Linke einen flächendeckenden gesetzlichen
Mindestlohn, Herr Kolb, von 10 Euro brutto die Stunde.
({4})
Mit 10 Euro brutto wären auf einen Schlag bis zu
400 000 Aufstockerinnen und Aufstocker aus Hartz IV
raus, die heute, obwohl sie den ganzen Tag arbeiten,
nicht genug zum Leben haben, und eine weitere halbe
Million Menschen, die Vollzeit zu Hungerlöhnen arbeiten, aber Hartz IV nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie
aufstocken dürften, wären keine arbeitenden Armen
mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, seit
gestern schlagen Sie nun vor, die Bezugsdauer von
Arbeitslosengeld I auf bis zu 24 Monate zu verlängern.
Das findet die Linke gut, weil man auch damit das Abrutschen in Hartz IV zeitweise verhindern kann.
({5})
Das finden wir auch deshalb gut, weil wir Linken schon
im Juni 2009 gefordert haben, die Bezugsdauer von
Arbeitslosengeld I auf 24 Monate zu verlängern.
({6})
Aber mit Ihrem neuen Hartz-IV-Light-Konzept springen
Sie viel zu kurz. Sie scheuen den klaren Bruch mit der
Hartz-Logik. Machen Sie doch endlich Nägel mit Köpfen, und verabschieden Sie sich endgültig von Herrn
Hartz und seinen Untaten!
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sozial ist, was
Würde schafft. Das gilt auch für Familien: Erstens. Kinder müssen frei von Armut aufwachsen können. Und
zweitens. Elternschaft darf kein Grund für Armut sein.
Darum muss der Kinderzuschlag deutlich angehoben
werden.
({8})
Die Würde von Kindern ist der Ausgangspunkt des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Kinder sind
keine kleinen Erwachsenen, und - das fügte das Gericht
hinzu - Erwachsene sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller, deren Existenz vom Wohlwollen der Familie, der
Nachbarschaft oder von gemeinnützigen Einrichtungen
abhängen darf. Jeder Mensch in unserem Land hat ein
Recht auf die Sicherung seines grundlegenden Bedarfs.
({9})
Dieses Recht darf nicht mit dem Verweis auf Pflichten
hintenherum wieder einkassiert werden. Darum treten
wir Linken für eine sanktionsfreie und für eine armutsfeste soziale Mindestsicherung ein. Darum darf der Regelsatz für Hartz-IV-Betroffene nicht zu niedrig angesetzt werden.
({10})
Bildung, Bildung, Bildung schallt es aus allen Ecken,
wenn Lösungsvorschläge gefragt sind. Aber wie viele
Euro sind im Regelsatz für Hartz-IV-Betroffene für Bildung vorgesehen? Nichts, nullkommanull, zero, nada,
niente. Ändern Sie das, und zwar sofort!
({11})
Meine Damen und Herren, wir alle sollten uns einig
sein, dass sich auch Hartz-IV-Betroffene gesund ernähren können müssen. Auch das ist eine Frage der Würde.
Auch darum ist die Anhebung des Regelsatzes dringend
notwendig, und zwar nicht nur auf 420 Euro, nicht nur
auf 440 Euro, sondern auf mindestens 500 Euro im Monat.
({12})
Sozial ist, was Würde schafft. Hartz IV ist bereits Armut per Gesetz. Flüchtlinge jedoch erhalten nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz noch ein Drittel weniger.
Das ist reine Willkür, und - lassen Sie mich das hier
auch sagen - das ist verfassungswidrig. Menschenwürde
zweiter Klasse darf es nicht geben.
({13})
Für uns Linke ist selbstverständlich: Würde ist keine
Frage der Staatsangehörigkeit. Das folgt auch aus dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Darum, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Schaffen
Sie dieses Sondergesetz für Flüchtlinge endlich ab!
Ich danke Ihnen.
({14})
Die Kollegin Dr. Claudia Winterstein hat das Wort für
die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Haushalt des Arbeitsministeriums ist, wie
hier schon gesagt wurde, der größte Einzeletat im Bundeshaushalt. Er macht 45 Prozent des Gesamtetats aus,
nämlich 143,2 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige
Summe. Dieser Etat verbraucht zwei Drittel der gesamten Steuereinnahmen des Bundes. Er ist im Laufe der
Jahre immer weiter angewachsen. 2006 lagen die Ausgaben noch bei 119,8 Milliarden Euro. Für dieses Jahr, für
2010, sollen sie, wie gesagt, bei 143,2 Milliarden Euro
liegen. Dass das so nicht weitergehen kann, muss uns allen aufgrund der immens hohen Neuverschuldung klar
sein. Auch dieser Etat muss seinen Beitrag bringen. Das
ist klar.
Wir haben in den Beratungen dieses Haushaltsplans
mit ersten Einsparungen ein richtiges Signal gesetzt.
Der Ansatz für diesen Haushalt liegt jetzt um 9,9 Milli2614
arden Euro niedriger als der des ersten Entwurfs, der
noch von Herrn Steinbrück stammte.
({0})
Er liegt auch 3,6 Milliarden Euro niedriger als der Ansatz des zweiten Entwurfs, den Minister Schäuble vorgelegt hat.
({1})
Aufgrund der besseren Arbeitsmarktzahlen gegenüber der Herbstprognose - jetzt spreche ich das an, was
Sie vorhin erwähnt haben - ist es so, dass die Bundesagentur für Arbeit 3,2 Milliarden Euro weniger benötigt
und dass wir für das Arbeitslosengeld II 400 Millionen
Euro weniger ansetzen können. Über diese Entwicklung
können wir uns freuen. Wir haben aber noch weitere Anträge gestellt, die zu Kürzungen von 26,2 Millionen
Euro geführt haben. Sie hätten gerne für diese Anträge
stimmen können, Frau Hagedorn. Ich kann mich sehr gut
daran erinnern, dass Sie das nicht getan haben.
({2})
Als deutliches Signal für einen sorgfältigen Umgang
mit Steuergeldern hat die Koalition außerdem beim Etatposten „Eingliederungsbudget“ eine Sperre von 900 Millionen Euro verfügt. Das ist schon vielfach erwähnt worden. Wir haben im letzten Jahr 10,1 Milliarden Euro in
diesem Bereich ausgegeben. Genau diese Summe kann
ohne Weiteres auch dieses Jahr ausgegeben werden.
({3})
Ich verstehe die Panikmache überhaupt nicht. Dieser Betrag steht ohne Wenn und Aber zur Verfügung. Es geht
lediglich um den Aufwuchs. Sie wollen hoffentlich nicht
behaupten, dass der Aufwuchs, der noch gar nicht beschlossen worden ist, im Prinzip schon ausgegeben worden ist.
({4})
Diese 900 Millionen Euro, die oben draufgesattelt
worden sind - das ist eine ganz beträchtliche Summe -,
werden mit einer Sperre versehen. Wenn Herr Schneider,
der leider nicht mehr anwesend ist und der schon seit elf
Jahren Mitglied im Haushaltsausschuss ist, den Unterschied zwischen einer Sperre und einer Kürzung nicht
kennt,
({5})
dann muss ich sagen, dass er im Haushaltsausschuss an
der falschen Stelle ist.
({6})
Frau Hagedorn, ich kann nur hoffen, dass Sie den Fehler
von Herrn Schneider nicht ebenfalls begehen, sondern
etwas klüger und ehrlicher sind und hier keine Verhetzungspolitik betreiben.
({7})
Sie sollten klar sagen, dass diese Sperre aufgehoben
wird, wenn wir vom Ministerium entsprechende Informationen bekommen und wenn ein Konzept vorgelegt
wird, durch das deutlich wird, dass wir die Mittel sorgfältig einsetzen.
({8})
Ich will an dieser Stelle Herrn Weise zitieren, der gesagt hat, er widerspreche Berichten, demzufolge die BA
im Zusammenhang mit der Haushaltssperre vor steigender Langzeitarbeitslosigkeit warne. Er unterstütze die
Auffassung des Haushaltsausschusses, wonach die Wirksamkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erhöht
werden könne.
({9})
Das ist genau unser Ziel. Deswegen werden wir warten
und schauen, wie das Konzept aussehen wird. Dann können wir diese Sperre aufheben. Es besteht also kein
Grund zur Panik. 10,1 Milliarden Euro stehen ohne Weiteres zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren Punkt, der uns alle sehr beschäftigt. Es geht um die
Frage, was eigentlich aus dem Eingliederungstitel bezahlt wird. Frau Hagedorn, Sie haben von Qualifizierungsmaßnahmen gesprochen. Schauen Sie einmal
genau hin: Qualifizierungsmaßnahmen machten nur
18,2 Prozent der Leistungen zur Eingliederung aus. Der
größte Posten im gesamten Instrumentenkasten waren
mit fast 37 Prozent die Ein-Euro-Jobs. Diese stehen nun
überall, auch bei der Opposition, in der Kritik. Das sollte
uns in der ganzen Debatte etwas vorsichtiger werden lassen.
Über Äußerungen aus der SPD zur gemeinnützigen
Arbeit bei Hartz IV ist ja in der vergangenen Woche
viel berichtet worden.
({10})
Herr Heil hat davon gesprochen, für deutlich mehr als
100 000 Langzeitarbeitslose mit schweren Beschäftigungshemmnissen müsse eine öffentlich bezahlte Beschäftigung außerhalb des regulären Arbeitsmarktes
geschaffen werden. Das haben wir schon, allerdings
ziemlich erfolglos. So hat Herr Müntefering 2008 ein
Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose mit
dem Titel „Kommunal-Kombi“ aufgelegt. Da hieß es
ebenfalls, es sollten 100 000 Jobs für Langzeitarbeitslose
geschaffen werden. Tatsächlich hat dieses Programm die
Erwartungen bei weitem nicht erfüllt.
({11})
Auch bei der JobPerspektive, die Ende 2007 aufgelegt
wurde, waren 100 000 Personen angepeilt. Auch hier ist
das Ziel bei weitem nicht erreicht worden.
Das gestern vorgestellte SPD-Konzept spricht jetzt
davon, mit Mehrausgaben von 3 Milliarden Euro
200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für
Arbeitslose zu schaffen. 3 Milliarden Euro Mehrausgaben! Ich möchte nur daran erinnern: Noch vor einer Woche hat Frau Kraft behauptet,
({12})
man werde eine Lösung ohne Mehrkosten für den Staat
finden. Diese Äußerung hatte also eine sehr kurze Halbwertszeit.
({13})
Im Übrigen hat die Bundesagentur zu Recht darauf
hingewiesen, dass es schon jetzt in erheblichem Umfang
gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose gibt, nämlich im Rahmen der sogenannten Ein-Euro-Jobs. Im Februar 2010 befanden sich 288 300 Personen in solchen
Arbeitsgelegenheiten. Natürlich muss man sagen: Bei
diesen Ein-Euro-Jobs gibt es erhebliche Probleme. Ich
will aus dem jüngsten Prüfbericht zitieren:
In etwa der Hälfte der geprüften Fälle konnte das
öffentliche Interesse und in zwei Drittel der Fälle
die Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität nicht
festgestellt werden.
({14})
Das Handwerk hat im Zuge dieser Debatte deutlich darauf hingewiesen, dass es schon lange schlechte Erfahrungen mit diesem Instrument sammelt. Herr Heil, Sie
reden hier über einen steuerfinanzierten Schattenarbeitsmarkt, über nichts anderes. Wir wollen in der Regierung
hingegen alles dafür tun, dass Menschen wieder im ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
({15})
Das einzige, was hier hilft, ist wirtschaftlicher Aufschwung mit neuen Arbeitsplätzen,
({16})
die von den Unternehmen geschaffen werden.
({17})
Genau das ist unser Ziel.
({18})
Vielen Dank.
({19})
Brigitte Pothmer hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorlage des Haushalts ist immer auch die materielle Antwort auf die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir
eigentlich leben? Dieser Haushaltsentwurf spiegelt eine
Gesellschaft wider, die große soziale Ungleichheiten fördert und erhält. Sie fördern mit diesem Haushaltsentwurf
und Ihrer Politik die soziale Spaltung. Sie tun leider
nichts, um - hier hat Deutschland das größte Problem die Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg zu verbessern.
({0})
Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohle der
Schwachen: Das wäre die richtige Ausgangsthese für die
in den letzten Wochen vor allen Dingen von der FDP so
ohrenbetäubend herbeigebrüllte Sozialstaatsdebatte gewesen. Was für eine Gesellschaft wünschen sich eigentlich diejenigen, die das Credo „Leistung muss sich wieder lohnen“ vor sich hertragen? Was bedeutet diese
These für die Arbeitslosen?
({1})
Was bedeutet das für die Behinderten und Flüchtlinge?
Das sind für Sie im Wesentlichen Kostenfaktoren. Was
bedeutet das zum Beispiel für die Friseurin in Sachsen
mit 3,06 Euro die Stunde? Bei Ihnen fangen Leistungsträger erst ab einer bestimmten Gehaltsgruppe an. Egal
ob sich die Menschen von morgens bis abends abplagen,
bei Ihnen kommen sie jedenfalls nicht in den Status eines Leistungsträgers.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie für diese Leute etwas tun
und zugleich den Haushalt entlasten wollen, dann führen
Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein!
({2})
Das IAB hat vorgerechnet: Schon bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro könnten im Aufstockerbereich
1,5 Milliarden Euro eingespart werden. So weit zu der
These, die Opposition mache nur Vorschläge, die den
Haushalt belasten. Das Gegenteil ist der Fall.
({3})
Ihre ideologische Bockbeinigkeit verhindert, dass wir in
diesem Haushalt Einsparungen erreichen.
({4})
Wenn eine freie Gesellschaft nicht den vielen helfen kann, die arm sind, kann sie auch nicht die wenigen retten, die reich sind.
Das hat John F. Kennedy gesagt; er war bekanntermaßen
kein Kommunistenführer. Vielleicht führt das dazu, dass
Sie ins Nachdenken kommen. Bis jetzt sieht das allerdings nicht so aus.
Ich komme zu Ihnen, Frau von der Leyen. Die Frage,
wie das mit den Regelsätzen weitergeht, wird irgendwann beantwortet werden müssen. Ich hatte mir - das
muss ich Ihnen sagen - allerdings erhofft, dass Sie die
Situation der Kinder im Härtefallkatalog deutlich verbessern. Aber Schulmaterialien und Schulverpflegung
sind von Ihrem Härtefallkatalog explizit ausgenommen.
Sie sagen, Sie wollen auf Infrastruktur setzen. Ich sage
Ihnen: Hier hätten Sie die Chance gehabt, einen Beitrag
dazu zu leisten und an dieser Stelle entsprechende Maßnahmen zu realisieren. Ich fürchte, dass die Kinder
längst aus der Schule raus sind, bis Ihren Worten Taten
folgen. Aber es ist so: Den Kindern knurrt heute der Magen. Die Kinder brauchen heute Unterstützung bei den
Schulmaterialien.
({5})
Frau Kollegin Pothmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weiß?
Ja, Herr Weiß. Ich dachte schon, es sei der Kollege
Kolb. Aber der hat sein Deputat an Fragen für diese Legislaturperiode schon erschöpft.
({0})
Bitte schön.
Frau Kollegin Pothmer, Sie reden sich so in Rage. Ich
habe eine kurze Frage: Können Sie mir aus der Regierungszeit von Rot-Grün einen Bundeshaushalt nennen,
in dem die Sozialausgaben sowohl in absoluten Zahlen
als auch in Prozent höher waren als im Bundeshaushalt
2010, den wir in dieser Woche beschließen?
({0})
Geschätzter Herr Weiß, die Frage ist nicht, welche absolute Summe für Sozialausgaben vorgesehen ist.
({0})
In den Sozialetat wird zum Beispiel auch hineingerechnet, was Sie für den Gesundheitsfonds, den wir überhaupt nicht brauchen und der teuer und schlecht ist, ausgeben wollen. Das macht den Sozialetat teurer. Es geht
doch darum, wie wir das Geld ausgeben und für wen wir
das Geld ausgeben. In dieser Hinsicht ist der vorliegende
Haushalt ein schlechtes Beispiel, deutlich schlechter als
es ein rot-grüner Haushalt jemals war.
({1})
Ich komme zu den 900 Milliarden - ({2})
Ich komme zu den 900 Millionen Euro, die bei der Förderung von Arbeitslosen eingespart werden sollen.
({3})
Herr Fischer, ich würde gerne von Ihnen wissen, ob Sie
eigentlich zu den Vorschlägen, die aus Ihrer eigenen
Fraktion kommen, nämlich diese Sperrung zurückzunehmen, stehen? Ich frage Sie: Weiß bei Ihnen eigentlich die
rechte Hand, was die linke tut?
({4})
Eines ist jedenfalls klar:
({5})
Wenn Sie diese Sperre nicht zurücknehmen, dann wird
eine große Zahl der Jobcenter ab Mitte des Jahres handlungsunfähig sein. Das ist Ihre Antwort auf das Krisenjahr 2010, Herr Fischer, aber das ist die falsche Antwort.
Diese Kürzung muss weg.
({6})
Sie haben nachher die Gelegenheit, diese Kürzung zurückzunehmen
({7})
und unserem Antrag zuzustimmen.
({8})
Zur JobPerspektive. Auch in diesem Bereich arbeiten
Sie mit List und Tücke. Sie sprechen sich zwar für die
JobPerspektive aus, aber Sie deckeln die Mittel für die
Jobcenter insbesondere in den Kommunen, in denen es
am besten läuft. Ein Beispiel: Ein Berliner Jobcenter
hatte hier in Planung, 500 Arbeitsplätze über die JobPerspektive zu schaffen. Jetzt haben Sie die Mittel für die
Berliner gedeckelt, und so wird es 290 Arbeitsplätze
nicht geben. Allein in einem Berliner Jobcenter werden
290 Menschen ohne Arbeit und ohne Perspektive sein.
Sie treten nicht für das Credo „mehr Gerechtigkeit“
ein, sondern Ihr Credo umfasst einen kruden Leistungsbegriff. Ihre Aufgabe wäre es, an anderer Stelle durchzuBrigitte Pothmer
greifen, nämlich dort, wo Schamlosigkeit, Gier und korruptes Verhalten bei den Eliten herrscht. In diesem
Bereich tun Sie nichts. Es wäre Ihr Auftrag gewesen,
hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen.
({9})
Indem Sie diesen Haushalt vorlegen, machen Sie offen
gestanden eine anstrengungslose Regierungspolitik. Das
ist nahe an spätrömischer Dekadenz.
Ich danke Ihnen.
({10})
Das Wort hat die Bundesministerin Ursula von der
Leyen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich dem Hohen Haus, aber auch
dem Haushaltsausschuss sowie den Berichterstatterinnen
und Berichterstattern für ausgesprochen konstruktive
Beratungen danken.
Noch ein Wort vorweg, weil mir die Themen „Bildung“ und „bedürftige Kinder“ am Herzen liegen: Frau
Pothmer, Sie wissen, dass wir das in diesem Jahr beraten
und abschließen müssen, weil das Urteil des Bundesverfassungsgerichts das ganz klar sagt. Insofern wird diese
Debatte geführt werden, wenn auch nicht heute. Im
Laufe dieses Jahres wird dieses Thema aber abgeschlossen sein.
({0})
Das zeigt, dass die Arbeits- und Sozialpolitik den
Blick vor allem nach vorne richten muss. Sie kann gestalten, sie kann bewegen, sie ist entscheidend, wenn es
darum geht - zumindest werden diese Fragen durch sie
beantwortet -, wie offen, wie stark, wie engagiert, wie
zukunftsgewandt, wie kommunikativ, wie optimistisch
eine Gesellschaft ist.
Nehmen wir ein Beispiel: Für das Umändern von
Arbeits- und Sozialpolitik in Zeiten der Krise ist das
Kurzarbeitergeld vielleicht ein Synonym. Das ist ein
arbeitsmarktpolitisches Instrument, das lange ein Schattendasein geführt hat.
({1})
Der beherzte Ausbau und Einsatz dieses Instruments hat
dazu geführt, dass Hunderttausende Arbeitsplätze in der
Krise gerettet worden sind, dass die Entstehung von
Langzeitarbeitslosigkeit verhindert worden ist, dass
Kaufkraft und Zuversicht erhalten worden sind. Deshalb
ist Deutschland im Augenblick wohl das einzige Land,
in dem die Krise auf dem Arbeitsmarkt emotional und
real nicht so stark durchschlägt wie in anderen Ländern.
({2})
Wir werden, wenn wir das weiter so gut machen, stärker
aus der Krise herauskommen als viele andere Länder.
({3})
Ich weiß, dass das Geld kostet. Aber es ist günstiger,
frühzeitig in die Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu investieren, als nachträglich Arbeitslosigkeit finanzieren
zu müssen und mit all ihren langwierigen materiellen
und psychologischen Folgen umgehen und diese kurieren zu müssen.
({4})
Deshalb möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Das
Vorurteil, dass das Kurzarbeitergeld Großkonzernen auf
Kosten des Mittelstandes geholfen hätte, stimmt nicht.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben jetzt die Zahlen für
das letzte Jahr. Die Daten, die vorliegen, zeigen, dass
56 Prozent der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in
mittelständischen Betrieben arbeiten, in Betrieben mit
zwischen 20 und 500 Beschäftigten. 15 Prozent arbeiten
in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten. Somit
zeigt sich ganz deutlich, dass sich dieses Kurzarbeitergeld ausgezahlt hat. Es ist beherzt investiert worden, und
es ist frühzeitig gehandelt worden. Wir haben vertraute
Pfade verlassen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
dem gesamten Hohen Haus danken; denn das ist ein Zeichen für den Zusammenhalt in der Krise gewesen. Die
Früchte davon ernten wir heute in hohem Maße.
({5})
Das zeigt sich auch beim Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: 143,2 Milliarden Euro.
Das sind 3,6 Milliarden Euro weniger, als ursprünglich
veranschlagt. Diese positive Entwicklung ist im Wesentlichen auf einen einzigen Faktor zurückzuführen, auf
den eben beschriebenen Erfolg, darauf, dass sich der Arbeitsmarkt in Deutschland besser gehalten hat, als dies in
anderen Ländern der Fall gewesen ist.
Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen: Wir gehen
zwar mit einer relativ starken Position in das Jahr 2010
- wir haben in Europa gewissermaßen die Pole Position
inne -, aber wir sollten uns nichts vormachen. Die größte
Wucht der Krise ist durch betriebsinterne Flexibilität
abgefedert worden. Das bedeutet für den Arbeitsmarkt:
Es wird noch lange dauern, bis Betriebe wieder einstellen werden. Wir sind noch lange nicht aus der Krise heraus. Wir müssen dies bei all den Diskussionen, die im
Augenblick laufen, gewissermaßen als Warnlampe innerlich mitführen.
Gerade angesichts der aktuellen Diskussion über die
Arbeitsmarktpolitik möchte ich klarstellen, dass für
mich in der Arbeitsmarktpolitik der Dreisatz gilt: Erst
einmal auf die Stärken der Menschen schauen. Dieses
Land braucht jeden und das, was er oder sie kann. Umgekehrt gilt: Jeder muss sich nach seinen Fähigkeiten
und Möglichkeiten einbringen, muss sich erst selbst anstrengen; denn erst dann hilft ihm der Staat und nicht
umgekehrt. Schlussendlich justiert Politik den Rahmen,
in dem dann die richtigen Anreize gesetzt werden. Deshalb ist es bei der Diskussion über die Haushaltsmittel so
wichtig, dass nicht nur die Höhe, sondern auch Zweck
und Ziel der Ausgaben debattiert werden.
Ganz entscheidend sind eine schnelle passgenaue Aktivierung und Arbeitsvermittlung. Das spart dem Sozialstaat Geld, weil Langzeitarbeitslosigkeit verhindert wird
und all die Folgen für die Familien nicht zu tragen sind.
Die Frage ist also immer: Wo können wir besser werden? Das beziehe ich auch ganz bewusst auf die Sperre
von 900 Millionen Euro im Eingliederungs- und Verwaltungsetat für Grundsicherung. Die Freigabe der Mittel ist
an die Vorlage eines Konzepts geknüpft. Ich nehme diesen Auftrag ernst und nehme ihn selbstverständlich an.
Kernziel ist und bleibt die Vermittlung in den ersten
Arbeitsmarkt.
({6})
Diesen Prozess, die schnelle Vermittlung, müssen wir
stringenter und systematischer organisieren. Die Menschen wollen arbeiten. Sie brauchen dazu passgenaue
Angebote. Keine Seite darf sich an die Arbeitslosigkeit
gewöhnen, weder die Arbeitslosen noch die Verwaltung.
Mit anderen Worten: Wo können wir besser werden?
Es gibt drei Felder, die mir wichtig sind.
Erstens die Passgenauigkeit und schnelle Taktung
der Angebote. Man muss von Anfang an klären: Wie ist
der Standort? Welche Stärken hat jemand? Wo sind die
Defizite? Wo gibt es Vermittlungshindernisse? Es muss
Sofortangebote und Termine in schneller Taktung geben,
damit sich klärt, wer wirklich arbeiten will und wer vielleicht vergessen hat, dass er woanders mehr Arbeit hat.
({7})
Es geht um die konsequente Bereitschaft zum Mitmachen, das konsequente Anbieten von Angeboten und
Qualifizierung sowie die Vermittlungsbemühungen; dies
zeigt sich in allen Daten. Das führt zum Erfolg, und zwar
für die Arbeitslosen, für die Arbeitgeber, für die Jobcenter und damit auch für den Sozialstaat.
({8})
Das zweite Feld, bei dem wir besser werden können
und müssen, betrifft die Alleinerziehenden. Arbeitslosigkeit hat immer eine Ursache. Aber wir können doch
nicht akzeptieren, dass die Ursache für Arbeitslosigkeit
ein Kind ist. Das ist die Kausalkette bei den Alleinerziehenden. 40 Prozent aller Alleinerziehenden sind in
Langzeitarbeitslosigkeit. Sie sind jünger und qualifizierter als der Durchschnitt der Langzeitarbeitslosen. Sie
bleiben länger in der Langzeitarbeitslosigkeit als alle anderen Langzeitarbeitslosen. Warum? Weil ihnen die Angebote für Kinderbetreuung oder Ganztagsschulplätze
fehlen. Da müssen wir besser werden. Es ist ein Armutszeugnis für ein Land, wenn ein Kind die Ursache für
Langzeitarbeitslosigkeit ist. Dies muss sich ändern.
({9})
Das dritte Feld, das mir wichtig ist, betrifft Jugendliche. Wir müssen neue Akzente bei der Vermittlung von
Jugendlichen setzen, indem wir den Blick auf Kontinuität und Verlässlichkeit schärfen. Es gibt gerade bei den
Jugendlichen viel zu viele Bruchstellen in der Kette der
Maßnahmen. Es gibt Berufsberatung in der Schule, die
Arbeitsvermittlung, die Berufsvorbereitung und die
Matching-Beauftragten bei den IHKs. Jeder ist vielleicht
an seiner Stelle richtig, aber zum Schluss ist es eine
Kette von Erlebnissen des Scheiterns für die Jugendlichen, wenn sie von einer Hand zur nächsten gereicht
werden. Wenn wir dieses große Wort „Hilfe aus einer
Hand“ ernst nehmen wollen, dann muss es vor allem bei
den jungen Menschen gelten, die einen Anker, einen
Mentor brauchen. Es ist der richtige Moment, das Konzept „Hilfe aus einer Hand“ in einer Person neu umzusetzen.
({10})
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass
ich nach wie vor der Überzeugung bin - das habe ich in
der kurzen Zeit in diesem Amt immer wieder betont -,
dass die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre in die
richtige Richtung gegangen sind. Sie hatten den Grundsatz, Menschen durch Aktivierung eine reelle Chance zu
geben, weil jeder Monat länger in Arbeitslosigkeit das
Risiko erhöht, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt. Ich nenne zwei Zahlen. 2005 waren 37 Prozent der
Menschen, die arbeitslos waren, länger als ein Jahr ohne
Arbeit. Dann kamen die Arbeitsmarktreformen. 2009,
mitten im Krisenjahr, waren es nur noch 29 Prozent, die
länger als ein Jahr arbeitslos waren. Das heißt, es waren
weniger. Jetzt können wir doch nicht die Rolle rückwärts
machen, indem wir wieder in die alten Fehler verfallen.
({11})
Deshalb, liebe SPD, ich hätte bezüglich des Konzepts
gestern mehr erwartet.
({12})
Dazu muss ich an dieser Stelle ein paar kritische Worte
sagen. Ich lese: länger Arbeitslosengeld bei Qualifizierung.
({13})
Ein Blick ins Gesetz genügt, um zu sehen: Das steht
schon drin. Das ist nichts Neues. Das ist ungefähr so prickelnd wie ein abgekautes Kaugummi.
({14})
Die Regelung, dass das Arbeitslosengeld I bei Qualifizierung länger bezogen werden kann, gibt es schon
heute. Im Extremfall geht das bis zu 36 Monate.
An einer anderen Stelle habe ich mir die Augen gerieben: Sie beklagen, dass es zu viel Teilzeit gibt. Wer hat
denn das Recht auf Teilzeit - übrigens vernünftigerweise, weil es kaum eine reelle Chance auf Vereinbarkeit
von Beruf und Familie gab - eingeführt?
({15})
Es war die SPD bzw. es war, um es korrekt zu sagen,
Rot-Grün. Jetzt läuft das. Die Menschen nehmen sich
das Recht auf Teilzeit. Die unbefristete Teilzeit - ich betone: die unbefristete - expandiert, nicht als Verdrängung der Vollzeit, sondern als Ergänzung der Vollzeit.
An den entsprechenden Arbeitsmarktzahlen lässt sich
ablesen: Oft ist die Teilzeit ein Übergang in die Vollzeit.
Nachdem sich der Erfolg nach einigen Jahren eingestellt
hat, kann es jetzt doch nicht heißen: Rein in die Kartoffeln und wieder raus aus den Kartoffeln. Das kann kein
Konzept für die Zukunft sein.
({16})
Mir ist wirklich an diesem Thema gelegen.
Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit Fehler gemacht haben. Diese Fehler muss man in der Zukunft korrigieren; das akzeptiere ich immer. Aber den Blick zurück zu werfen, wie Sie es bei den beiden Punkten, die
ich gerade exemplarisch genannt habe, vorschlagen,
kann keine Antwort sein. Wir leben in einer sozialen
Marktwirtschaft. Wir alle sind der festen Überzeugung:
Sie ist das Richtige. Sie zeichnet sich aus durch Wettbewerb und durch Freiheitlichkeit, aber mit Maß und
Mitte, mit Leitplanken. Unsere Aufgabe muss es sein,
diese richtigen Grundprinzipien heute in eine moderne,
in eine globalisierte Arbeitswelt zu übersetzen. Daran
möchte ich mit Ihnen gemeinsam arbeiten.
Vielen Dank.
({17})
Der Kollege Hubertus Heil hat das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Frau von der Leyen, die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und die arbeitsuchenden Menschen in diesem Land brauchen mehr als Ihre warmen Worte. Die
brauchen Taten. Sie sind Ministerin.
({0})
Sie beschreiben schön die Zusammenhänge.
({1})
Sie kritisieren, was andere wollen. Sie sagen aber nicht,
was Sie selbst wollen. Das ist für eine Bundesministerin
für Arbeit und Soziales ungenügend.
({2})
Gehen wir die einzelnen Punkte einmal durch. Es war
viel die Rede von Fördern und von Fordern. Auf einmal
heißt es wieder: Hilfe aus einer Hand. Herzlich willkommen im Klub! Vor ein paar Wochen haben Sie noch von
Hilfe unter einem Dach gesprochen. Es ist sehr vernünftig, dass Sie wieder auf sozialdemokratische Positionen
einschwenken, zumindest verbal. Bemühen wir uns, dass
wir das hinkriegen.
({3})
Aber was nützt die Hilfe aus einer Hand, wenn es eine
leere Hand ist? Herr Barthle, so einfach können Sie sich
das nicht machen. Sie haben im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ohne Not 900 Millionen Euro gesperrt.
({4})
Es ist zynisch, wenn die FDP so etwas beantragt und im
gleichen Zuge über die Arbeitsunwilligkeit von Langzeitarbeitslosen räsoniert. Wer denen die Chancen raubt,
der darf nicht über vermeintliche Arbeitsunwilligkeit räsonieren. Das wäre zynisch. Deshalb ist unser Antrag
heute klar: Heben Sie diese Sperre auf! Sie nimmt den
Menschen Chancen auf Arbeit. Den Menschen Chancen
zu geben, muss aber unser Ziel sein.
({5})
- Herr Barthle, es ist interessant, dass die Ministerin, sozusagen aus Ärger über die eigenen Haushälter, wieder
beim Haushaltsausschuss angekrochen kommen muss,
um die Aufhebung dieser Sperre zu beantragen. Aber
die Folgen in der Praxis - schauen Sie sie sich in den Argen an - sind frappierend.
({6})
Da Sie Herrn Weise zitiert haben, sage ich Ihnen: Ich
kann mir vorstellen, wie das gelaufen ist. Die Folgen der
Kürzungen, die Sie planen, sind in der Bundesagentur
für Arbeit berechnet worden. Vor Ort wird es 100 Argen,
100 Jobcenter geben, die in der zweiten Jahreshälfte
keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr machen können.
Das ist die Folge Ihrer Politik.
({7})
Frau von der Leyen hat wahrscheinlich Wut bekommen, dass die Bundesagentur die Wahrheit beschrieben
hat. Dann hat sie Herrn Weise angerufen, ihn zurückge2620
Hubertus Heil ({8})
pfiffen und ihn aufgefordert, sich freundlicher zu äußern,
da sie ja beantragen werde, dass die Sperre wieder aufgehoben wird.
({9})
Aber bis dahin herrscht in den Jobcentern Attentismus.
Die Maßnahmen für die zweite Jahreshälfte müssen beantragt werden, damit die Leute Chancen haben. Das
scheitert im Moment an Ihnen.
({10})
Ich will Ihnen eines sagen: Ich befürchte, das, was Sie
mit dieser Sperre versuchen, ist nur ein Wetterleuchten
für das, was Sie in der zweiten Jahreshälfte, vor allen
Dingen nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl,
im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik tatsächlich
vorhaben. Sie wollen für Ihre verfehlte Steuer- und
Klientelpolitik die aktive Arbeitsmarktpolitik zu einem
Steinbruch machen. Das heißt nichts anderes, als dass
Sie, um FDP- und CDU/CSU-Klientel zu bedienen, bereit sind, den Schwächsten der Schwachen die Chancen
zu rauben. Das geht so nicht, und wir werden das attackieren.
({11})
Frau von der Leyen, gänzlich geschwiegen haben Sie
heute wie so oft zum Thema „Recht und Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt“. Es ist vollkommen in Ordnung,
wenn Sie davon sprechen, dass unser Ziel nach wie vor
sein muss, wo immer es geht Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.
Aber Sie verschließen die Augen davor, dass in vielen
Bereichen die Arbeit prekär geworden ist und dass es politische Maßnahmen braucht, um dafür zu sorgen, dass
Menschen in ordentliche Arbeit kommen, in anständige
Arbeit, in Arbeit, von der sie leben können. Es ist ein
Zynismus sondergleichen, wenn FDP und CDU/CSU
Menschen, die Vollzeit arbeiten, Leistungsträger, zu
Leistungsempfängern machen, indem sie den Menschen
einen Mindestlohn nach wie vor vorenthalten und sie
dazu zwingen, zum Amt zu gehen und ergänzend
Arbeitslosengeld II zu beziehen. Machen Sie Schluss mit
der Aufstockerei! Sorgen Sie für Mindestlöhne, für anständige Löhne, für Löhne, von denen die Menschen leben können! Das ist die Aufgabe einer Arbeitsministerin.
({12})
Herr Kollege Heil, Ihr Kollege Schaaf würde Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen.
Gerne; herzlichen Dank!
({0})
Ich stelle normalerweise keine solche Zwischenfrage.
Aber die Ministerin hat in ihrer Rede zu den zentralen
Fragen, zum Beispiel zur Aufstockerproblematik - die
Sie, Kollege Heil, zu Recht angesprochen haben -, vor
allen Dingen aber zum Thema „Zeit- und Leiharbeit“,
insbesondere vor dem Hintergrund der Freizügigkeit,
nun wirklich überhaupt kein Wort gesagt.
Herr Kollege Heil, Sie haben vielleicht die Äußerungen des Arbeits- und Sozialministers von NordrheinWestfalen, Karl-Josef Laumann, CDU, wahrgenommen.
Herr Laumann hat am Wochenende gesagt: Wir müssen
gerade in diesem Bereich unbedingt handeln. Herr Heil,
stimmen Sie mit mir überein, dass Herr Laumann recht
hat? Würden Sie mir recht geben, dass wir in diesem Bereich unbedingt einen Mindestlohn brauchen?
Würden Sie mir darüber hinaus recht geben, dass es
die Unionsfraktion war, dass es Volker Kauder war, dass
es Staatssekretär Brauksiepe war, die in der letzten Legislatur verhindert haben, dass im Bereich der Zeit- und
Leiharbeit für Recht und Ordnung gesorgt wird?
Herr Kollege Schaaf, ich bin Ihnen sehr dankbar für
diese Frage.
({0})
- Ja; aber ich werde sie jetzt beantworten. Das ist mein
gutes Recht. - Dieses Thema spielt bei Frau von der
Leyen gar keine Rolle; aber es beschäftigt die Menschen da können Sie aus der Unionsfraktion noch so zurufen.
Es ist tatsächlich so, dass es ein System von der
Leyen gibt: Man informiert sich aus Umfragen, was die
Menschen wichtig finden, nimmt das als Aufreißer - und
wendet sich dann gleich dem nächsten Thema zu. So war
es auch im Fall Schlecker. Frau von der Leyen hat sich
groß aufgeblasen, die Zustände bei Schlecker seien ein
Unding XXL. Es geht aber nicht darum, moralische
Appelle vom Stapel zu lassen, es geht darum, für Recht
und Ordnung zu sorgen und gegen den Missbrauch von
Zeit- und Leiharbeit vorzugehen. Dafür muss man erstens den Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche, den
CDU/CSU und FDP verhindern, durchsetzen.
({1})
Zweitens muss man dafür sorgen, dass für Zeit- und
Leiharbeitnehmer wie für Stammarbeitnehmer der
Grundsatz gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das
schafft Sicherheit, das sorgt für Recht und Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt.
In Nordrhein-Westfalen, Herr Schaaf, läuft das gleiche System von der Leyen ab, nur dass da das Exemplar
Laumann heißt. In einem Interview für die aktuelle Ausgabe des Spiegel hat er sich gegen den Missbrauch von
Zeit- und Leiharbeit gewendet. Doch was machen seine
Parteifreunde in Berlin? Wir müssen Tatenlosigkeit feststellen.
Hubertus Heil ({2})
Frau von der Leyen, wo ist Ihr Konzept für den
Kampf gegen den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit,
gegen Scheintarifverträge, gegen Entwicklungen, die anständige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Bedrohung auf sich zukommen sehen, weil sie feststellen
müssen, dass ihre Rechte und ihre Löhne untertunnelt
werden durch den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit?
Sorgen Sie endlich für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt!
Herzlichen Dank, Herr Schaaf, für die Gelegenheit,
über diesen Punkt zu sprechen.
({3})
Herr Kollege Heil, auch Frau Winterstein hätte noch
eine Frage an Sie.
Ja, gerne.
Bitte schön.
Herr Heil, Sie haben gerade gesagt, dass die Argen
zur Jahresmitte hin keine Gelder mehr hätten, um dafür
Sorge zu tragen, dass ihre Mitarbeiter weiter beschäftigt
werden können.
Das habe ich nicht gesagt.
Meine Frage an Sie ist: Wollen Sie damit behaupten,
dass für die zweite Jahreshälfte nur noch 900 Millionen
Euro gebraucht werden
({0})
und in der ersten Jahreshälfte quasi 10,1 Milliarden Euro
schon ausgegeben worden sind?
({1})
Das wäre eine sehr seltsame Art des Wirtschaftens. Ich
glaube kaum, dass man in der zweiten Jahreshälfte mit
900 Millionen Euro auskommen kann.
Meine zweite Frage ist: Kennen Sie eigentlich den
Unterschied zwischen einer Sperre und einer Kürzung?
Wenn nicht, können Sie sich gerne bei uns erkundigen.
({2})
Frau Winterstein, danke für die Gelegenheit, diese
beiden Fragen zu beantworten; auch wenn Sie mir Sätze
unterstellt haben, die ich ausweislich des Protokolls
nicht gesagt habe.
Aber fassen wir es zusammen: Erstens. Sie haben eine
Haushaltssperre für zwei Bereiche beantragt, nämlich
für 300 Millionen Euro im Bereich der Arbeitsvermittler
und für 600 Millionen Euro im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Es gibt einen schönen Vermerk der Bundesagentur für
Arbeit, in dem die Folgen Ihres Tuns beschrieben werden; darin wird ausgeführt, was passiert, wenn die
Sperre nicht aufgehoben wird. Es wird beschrieben, dass
in der zweiten Jahreshälfte in über 100 Jobcentern in
Deutschland - das habe ich gesagt, und ich bleibe dabei keine zusätzliche Bestellung von aktiver Arbeitsmarktpolitik mehr möglich ist.
({0})
Sie wissen vielleicht - ich hoffe, Sie wissen es, ich
hoffe, dass Sie zumindest einmal in der Bundesagentur
in Nürnberg nachgefragt haben; es wäre ganz gut, wenn
sich Haushälter, die zuständig sind, in einem Jobcenter
auch einmal umschauen und mit Praktikern reden würden -,
({1})
dass die Maßnahmen für Langzeitarbeitslose in der
zweiten Jahreshälfte, die notwendig sind, um sie mit begleitenden Hilfen wieder in Arbeit zu bringen, jetzt bestellt werden müssen.
Frau von der Leyen hat vorhin davon gesprochen,
dass wir einen guten Service für Langzeitarbeitslose
brauchen und dass sie eine Betreuung aus einer Hand benötigen. Wir erreichen das nur, wenn die Relation zwischen der Zahl der Jobvermittler und der Zahl der Langzeitarbeitslosen besser wird. Auch hier setzen Sie mit
Ihrem Sparversuch die Axt an.
({2})
Ich sage Ihnen: Das, was Sie da gemacht haben, hat
sich schon jetzt als Unsinn herausgestellt. Deshalb haben
einige in der Union ein schlechtes Gewissen. Ich sage
Ihnen auch: Das ist nur das Wetterleuchten für das, was
Sie und Ihre Fraktion nach der NRW-Wahl vorhaben.
Wenn man Frau Homburger fragt, wo nach der Wahl gekürzt werden soll, dann sagt sie immer: in der Arbeitsmarktpolitik. Ich sage Ihnen, was Sie vorhaben: bei
Hoteliers Geschenke verteilen und in der Arbeitsmarktpolitik kürzen. Das nenne ich unanständig und verirrt,
diesen Vorwurf müssen Sie sich auch gefallen lassen.
({3})
Frau Winterstein, den Unterschied zwischen einer
Sperre und einer Haushaltskürzung kenne ich übrigens
sehr wohl, ich weiß aber auch, was an dieser Stelle dahintersteckt. Sie haben insgesamt ein Misstrauen gegen
aktive Arbeitsmarktpolitik.
Hubertus Heil ({4})
In Ihrer Fraktion laufen ja auch Debatten gegen die
Kurzarbeit. Das gilt auch für Teile des Wirtschaftsflügels der Union. Sie haben die Regeln für die Kurzarbeit
in diesem Bereich verschlechtert. Das hat Frau von der
Leyen ja verschwiegen. Die Kurzarbeit wurde gelobt.
Dieses Lob verdient Olaf Scholz. Sie haben sie zwar
fortgesetzt, aber die Dauer verkürzt, und Sie haben nicht
dafür gesorgt, dass die Remanenzkosten, also die Sozialversicherungsbeiträge, auch über den 1. Januar 2011 hinaus übernommen werden können.
Sie sagen nichts zu dem, was in der Metall- und Elektroindustrie vereinbart wurde, also zu der kleinen Kurzarbeit. Das bedeutet ein Stück Arbeitszeitverkürzung
und ein Stück Brücke in einer Zeit, in der wir Menschen
in Beschäftigung halten wollen. Auch hier versagen Sie,
weil Sie mit der Ideologie der FDP nicht zurechtkommen.
Dieser Koalitionspartner ist Ihr Problem, Frau Ministerin. Sie haben in früherer Funktion viel Richtiges
machen können, weil Sie die Unterstützung der SPDBundestagsfraktion hatte. Jetzt haben Sie die falsche Unterstützung. Deshalb kommen Sie nicht voran.
({5})
Frau Winterstein, habe ich das richtig mitbekommen,
dass Sie noch eine Frage stellen wollten?
({6})
- Okay, dann machen wir das das nächste Mal.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Voraussetzung für die Erreichung des Ziels, Menschen in
ordentliche Arbeit zu bringen, ist, dass es eine Bundesregierung gibt, die eine Konzeption in der Wirtschaftsund in der Arbeitsmarktpolitik hat. Wir werden gleich
über den Haushalt von Herrn Brüderle zu sprechen haben und dabei feststellen müssen: Es gibt keine Wachstumsstrategie dieser Bundesregierung in der Krise, es
gibt warme Worte und in vielen Bereichen mehr Mittelmaß als Mittelstandspolitik, und es gibt kein Konzept in
der Industriepolitik und kein Konzept in der Dienstleistungspolitik.
Die Beantwortung der Frage, wo die Arbeit von morgen entsteht, müsste das zentrale Projekt dieser Bundesregierung sein - mit einer aktiven Wirtschaftspolitik. Die
Beantwortung der Frage, wie wir die Menschen in die
Arbeit von morgen bringen, wäre eine Aufgabe der Bundesarbeitsministerin. Dies geschieht durch eine Beschäftigungspolitik, mit der Menschen qualifiziert werden
und mit der dafür gesorgt wird, dass sie Chancen im Leben haben - vor allen Dingen diejenigen, die lange keine
Chance hatten.
Frau von der Leyen, Sie sind vorhin auf billigste Art
und Weise über die Vorschläge der SPD zur Arbeitsmarktpolitik hergefallen.
({7})
Wir sagen ganz deutlich: Wir hatten den Mut zu
Arbeitsmarktreformen, die bitter waren. Wir haben
auch den Mut, weiterzudenken, wo ein Weiterdenken
notwendig ist. Ich glaube, beides unterscheidet uns von
Ihnen. Sie haben keine Ideen, und Sie haben keinen Mut,
Neues zu wagen.
({8})
Über Konzepte von anderen herzuziehen und hier keine
zu liefern, nenne ich billig, Frau von der Leyen.
Jetzt will ich Ihnen noch zu einem Punkt etwas sagen.
Ich habe gelesen, dass Ihre Kanzlerin - schönen Gruß an
sie - gestern behauptet hat, unser Vorschlag, keine Vermögensprüfung mehr durchzuführen, führe dazu, dass
Langzeitarbeitslose ihre sechs, sieben, acht Häuser behalten können. Ich will Sie eines fragen: In welcher
Welt, in der Langzeitarbeitslose sechs, sieben, acht Häuser haben, leben Sie eigentlich? Die Wahrheit ist doch:
Wir wollen gerade, dass diese entwürdigende Prüfung
nicht mehr stattfindet, weil sie in der Praxis, in der
Realität keine Rolle spielt und weil die Leute nicht wollen, dass sie die Hosen herunterlassen müssen, wenn sie
unverschuldet in Not geraten sind.
Ich sage Ihnen: Bauen Sie diese Bürokratie ab! Es ist
falsch, diesen Weg weiter zu beschreiten. Sie haben ja
schon mit dem Schritt beim Schonvermögen gezeigt,
dass Sie begriffen haben, dass es dort ein Problem gibt.
Seien Sie konsequent und kritisieren Sie nicht, was andere machen!
Konzeptionslosigkeit ist das eine, aber Ihr Prinzip,
Frau von der Leyen, ist das Prinzip einer Kängurupolitik.
Sie wollen mit leerem Beutel große Sprünge machen.
Das wird nicht funktionieren. Deshalb sage ich Ihnen:
Nachsitzen und Nachdenken ist das Mindeste, was wir
von Ihnen erwarten können.
Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Heil, es hätte mich gefreut, wenn Sie auch
zur Konzeption der FDP, die wir in der letzten Woche
vorgelegt haben, etwas gesagt hätten. Denn dabei handelt es sich um einen wirklich modernen Ansatz für die
Überarbeitung der von Ihnen zu verantwortenden HartzGesetze. Wir glauben nicht, dass es richtig wäre, den
Ansatz der Vergangenheit vollkommen über Bord zu
werfen. Man muss ihn aber weiterentwickeln. Dazu haben wir konkrete Vorschläge vorgelegt. Das hätte eine
Erwähnung Ihrerseits zumindest verdient.
({0})
Wir reden heute über den Einzelplan 11, der für sich
genommen mit 143 Milliarden Euro schon eine beeindruckende Größe hat. Ich möchte aber Folgendes ins Bewusstsein rufen: Der Einzelplan 11 ist nur ein Teil dessen, was wir in Deutschland insgesamt für soziale
Zwecke aufwenden. Im Jahr 2009 waren es - für alle öffentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen 750 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 1991, dem ersten
Jahr nach der deutschen Einheit, waren es 423 Milliarden Euro. Das ist ein Aufwuchs von 77 Prozent in knapp
20 Jahren. Es spricht viel dafür, dass wir in diesem Jahr
zusätzlich zu diesen 750 Milliarden Euro noch 20 bis
22 Milliarden Euro aufwenden müssen. Das kann man
allein an der Entwicklung des Einzelplans 11 erkennen,
der einen ganz erheblichen Teil dieses Gesamtansatzes
darstellt.
Das Paradoxe, Wundersame und Widersprüchliche
ist: Obwohl von Jahr zu Jahr mehr Geld ausgegeben
wurde - eine Ausnahme bildet das Jahr 2004; da handelte es sich allerdings nicht um einen echten Rückgang,
sondern eher um eine Stagnation -, gibt es in unserer
Gesellschaft das weit verbreitete Gefühl des Sozialabbaus. Jedenfalls besteht bei vielen Menschen der Eindruck, dass es in unserem Land trotz des erheblichen und
deutlich ausgeweiteten Mitteleinsatzes nicht gerechter
zugeht. Das gilt auch für den Bereich Hartz IV, der im
Moment besonders intensiv diskutiert wird. Im Rahmen
der Gesamtausgaben von rund 50 Milliarden Euro werden aktuell mindestens 8 Milliarden Euro mehr ausgegeben, als je für Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe aufgewendet wurde, als es noch getrennte Systeme waren. In
dieser Situation kommt es nicht darauf an - das hat Frau
Pothmer völlig zu Recht gesagt -, um wie viel Geld es
sich handelt, sondern darauf, was man damit macht.
Das SPD-Präsidium hat gestern beschlossen, noch
eine Schippe draufzulegen. Herr Heil, allein für die
Schaffung von 200 000 Beschäftigungsverhältnissen auf
dem sozialen Arbeitsmarkt sollen pro Jahr zusätzliche
3 Milliarden Euro aufgewendet werden. Herr Gabriel,
der Erzengel der Sozialdemokratie, hat noch hinzugefügt, dies sei sehr bescheiden. Es ist wohl so zu verstehen, dass das erst der Anfang ist und später noch nach
Belieben gesteigert werden kann. Wir halten das Konzept, das die SPD gestern vorgelegt hat, für falsch und
für rückwärtsgewandt. Herr Heil, das ist die perfekte
Rolle rückwärts, die Sie gestern, sieben Jahre nach der
Agenda-Rede des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, hier
vorgeführt haben.
Mühelos wickelt die neue SPD-Führung die
Agenda 2010 ab. Allein das Prinzip der Zusammenlegung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe halten Sie
noch als Monstranz hoch. In Bezug auf die Agenda 2010
bleibt aber kein Stein auf dem anderen, frei nach dem
Motto von Konrad Adenauer: Was kümmert mich mein
dummes Gesetz von gestern? So empfinden Sie es ganz
offensichtlich.
({1})
Wo bisher gefordert wurde oder gefordert werden
sollte, da wird künftig kräftig gepampert. Der anstrengungslose Wohlstand in sozialen Arbeitsverhältnissen
- natürlich mit einer Bezahlung, die Hilfebedürftigkeit
ausschließt; wenn ich Ihr Konzept richtig gelesen habe führt zu Kosten von 3 Milliarden Euro; ich habe das
nachgerechnet. Ich finde Ihr Konzept insgesamt sehr
enttäuschend. Ich frage mich wirklich, was eigentlich Ihr
Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier, der damals in seiner Funktion als Kanzleramtsminister einer
der Architekten der Agenda 2010 war, zu diesem Kurswechsel sagt.
({2})
Die Reaktion in den Medien heute ist jedenfalls verheerend. Die Welt nennt Sie zynisch; Sie hätten die Arbeitslosen nicht mehr im Blick. Es ist völlig richtig, was dort
geschrieben wurde. Die Rheinische Post schreibt über
den Abschied von der Regierungsfähigkeit. Sie sind gemeint, Herr Kollege Heil.
({3})
„Arbeitsmarktpolitik als Kuschelecke“, wie das Handelsblatt schreibt, und Retro-SPD: Das sind Urteile, die
heute über Sie gefällt worden sind. Sie hätten besser
noch einige Wochen nachgedacht, wie es offensichtlich
die Kollegen von der Union tun, um dann mit einem
neuen und besseren Vorschlag auf den Markt zu kommen.
Im Einzelnen will ich zunächst Ihr MindestlohnMantra ansprechen. Sie sind jetzt bei 8,50 Euro. Die
Kollegen von den Linken sind schon bei 10 Euro angelangt. Sie sollten einmal das alte Märchen von Wilhelm
Schröder nachlesen: Der Wettlauf von Hase und Igel auf
der Buxtehuder Heide. Das Rennen werden Sie nicht gewinnen, Herr Heil. Nach Untersuchungen der FU Berlin
und dem Ifo-Institut in Dresden kostet das 1,2 Millionen
Arbeitsplätze in Deutschland.
({4})
Wenn Sie wirklich das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgten, Herr Kollege Heil, dann müssten Sie schnellstmöglich von Ihren Plänen eines gesetzlichen Mindestlohnes Abstand nehmen.
({5})
Ihr Konzept der Leih- und Zeitarbeit ist falsch. Es
ist auch falsch, Herr Kollege Heil, wenn Sie uns unterstellen, wir würden die Augen verschließen. Wir haben
Anfang des Jahres, als klar wurde, worum es bei
Schlecker ging, sofort deutlich gesagt, dass wir das nicht
mitmachen werden. Wir arbeiten derzeit in Zusammenarbeit mit dem Ministerium an einem Konzept, um genau das zu ändern. Ich freue mich, dass es mittlerweile in
Deutschland auch Tarifverträge gibt - dabei sind nämlich zunächst einmal die Tarifpartner gefordert -, die den
Anwendungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags klar
begrenzen und besagen, dass im Falle einer systematischen Umgehung durch Zeitarbeit ein Abweichen vom
Prinzip des Equal Pay nicht vom Tarifvertrag gedeckt
ist.
Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I bei Bildungsmaßnahmen in Ihrer Intonierung halte ich für
falsch. Denn ich glaube, es ist wichtig und richtig, die
Menschen vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an optimal zu fördern
({6})
und von Anfang an darauf hinzuwirken, dass die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt möglichst unverzüglich
gelingt.
Ihre sehr großzügige Qualifizierung auf Kosten der
Beitragszahler, die Sie offensichtlich vorhaben, lässt
sich so nicht machen. Es ist zwar schön, wenn auch ein
40- oder 50-Jähriger noch einen Universitätsabschluss
erreichen kann.
({7})
- Das haben Sie in Ihrem Papier geschrieben, Frau Kollegin Mast. Lesen Sie es doch einmal! - Wenn das aber
auf Kosten der Beitragszahler erfolgen soll, dann weise
ich darauf hin, dass es wirklich nicht Aufgabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber in Deutschland ist,
Defizite in der Gesellschaft zu heilen, die schon früher
entstanden sind.
({8})
Insgesamt ist das, was Sie vorlegen, Herr Heil, ein
Kessel Buntes. „Wünsch dir was“ ist nichts gegen das,
was Sie präsentieren. Sie sind von allen guten sozialpolitischen Geistern verlassen. Deswegen ist es gut, dass Sie
bis auf Weiteres - ich wünsche Ihnen eine sehr lange Regenerationszeit - auf den Oppositionsbänken sitzen.
({9})
Den Wettlauf mit der Linken - das will ich abschließend
sagen - werden Sie mit solchen Konzepten allerdings nie
gewinnen können. Denn die sind immer einen Schritt
weiter, als Sie es sein können.
({10})
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen
Monat lang hat die FDP gegen Erwerbslose gehetzt und
Vorurteile verbreitet, und das mit wohlwollender Tolerierung der CDU/CSU und sogar unserer Bundeskanzlerin. Herr Fischer, wenn Sie von einem Haushalt des solidarischen Ausgleichs sprechen, dann haben Sie, denke
ich, ein falsches Verständnis von Solidarität.
({0})
Darüber sollten Sie sich einmal sachkundig machen.
Herr Barthle, Sie haben von einem Kunstwerk gesprochen. Die Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik bei
den Schwächsten der Gesellschaft sind in der Tat ein
Kunstwerk von Ihnen.
({1})
Was Sie mit diesem Haushalt vorlegen, ist eine beispiellose Frechheit gegenüber den Menschen in diesem
Land. Das werden wir als Linke nicht mitmachen.
({2})
Ich will mit dem Wichtigsten anfangen. Sie sperren
mal eben 900 Millionen Euro bei den Arbeitsmarktmitteln. Das ist Geld, das eigentlich für Fortbildungen, Umschulungen oder öffentlich geförderte Arbeitsplätze vorgesehen ist. Mit diesem Geld sollen nun die
Haushaltslöcher gestopft werden, die Ihre Steuersenkungspolitik für die oberen Zehntausend verursacht hat,
meine Damen und Herren der FDP und der Union.
({3})
Mit dieser Haushaltssperre machen Sie noch vor der
Nordrhein-Westfalen-Wahl deutlich, wohin die Reise
mit Ihnen gehen wird. Sie wollen die Arbeitslosenversicherung und die Arbeitsmarktpolitik nachhaltig schwächen, aber nicht mit der Linken.
({4})
- Hören Sie mir bitte zu, dann können Sie vielleicht etwas lernen.
({5})
Die Linke hat klare Alternativen. Erstens. Wir wollen den Bezug von Arbeitslosengeld I auf 24 Monate
verlängern, um den schnellen Absturz in Hartz IV zu
verhindern. Angesichts des gestrigen Vorschlags der
SPD wundere ich mich nur, dass Sie letztens gegen unseren Vorschlag gestimmt haben und jetzt auf einmal genau diesen Vorschlag auf die Tagesordnung setzten.
Zweitens. Wir wollen die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik erhöhen und damit auf die steigende
Zahl von Arbeitslosen reagieren. Sie sprechen immer davon, die Steigerung sei nicht so hoch. Aber die ArbeitsSabine Zimmermann
losigkeit steigt und die Langzeitarbeitslosigkeit noch
mehr.
({6})
Schauen Sie sich dazu einmal die Statistik an.
Drittens. Wir wollen mehr öffentlich geförderte, reguläre Arbeitsplätze statt dieser unsäglichen Ein-Euro-Jobs.
({7})
Gute Ansätze in einzelnen Bundesländern wie in Berlin werden derzeit von Ihrer Politik total torpediert.
Ein Beispiel: André ist 52 Jahre alt und arbeitet seit
etwa zwei Jahren in Berlin-Kreuzberg in einem Treffpunkt für Senioren und Flüchtlinge. Seine und die Stelle
anderer werden durch öffentliche Arbeitsmarktgelder finanziert. Die rot-rote Landesregierung hat im Rahmen
eines öffentlichen Beschäftigungssektors Tausende solcher Stellen eingerichtet: als reguläre Arbeitsplätze, tariflich bezahlt und armutsfest.
({8})
André ist stolz auf das Geschaffene und auch stolz auf
sich selbst. 1997 verlor er seinen Job als Betriebsschlosser. Damit begann für ihn der soziale Abstieg. Er sagt,
mit der Stelle habe sich sein Leben grundlegend geändert. Er hat eine neue Wohnung. Er hat eine Lebensgefährtin. Er konnte sogar den Führerschein machen. Er
kann in eine Zukunft blicken. Aber Sie sperren einfach
das Geld. Nun muss André Angst haben, dass er wieder
absteigt, weil seine Stelle im öffentlichen Beschäftigungssektor nicht weiter finanziert werden kann.
Es geht heute nicht nur um den Haushalt für das Jahr
2010. Es geht hier auch um eine grundlegende Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. Auch das ist ein Resultat der Agenda-2010-Politik der Schröder’schen Regierung. Herr Heil, hören Sie mir kurz zu. Sie sprachen
von prekären Arbeitsverhältnissen, daher frage ich Sie:
Wer hat denn das Tor dafür geöffnet? Das sind nämlich
Sie als SPD gewesen.
({9})
Ganz genau so war es. Lesen Sie das einmal nach.
({10})
Ich komme zum Schluss. Jeder, der in einem Betrieb
arbeitet, weiß: Die Farben Schwarz und Gelb sind ein
Hinweis für eine drohende Gefahr. Spätestens mit diesem Haushalt weiß jeder in diesem Land: Schwarz-Gelb
ist eine Gefahr für den sozialen Frieden.
Danke schön.
({11})
Der nächste Redner ist Markus Kurth für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige Debatte, insbesondere so, wie sie von
der Regierung geführt wird, beweist doch eine erhebliche konzeptionelle Armseligkeit; das muss ich schon sagen.
({0})
Was insbesondere die Ministerin hier zu bieten hatte,
waren, mit Verlaub, nur Allgemeinplätze. Da war von
der Stärkung der Menschen die Rede, davon, dass sich
die Menschen erst einmal selber anstrengen sollen,
({1})
von passgenauen Hilfen und enger Termintaktung.
({2})
Ich bitte Sie. Wenn man hier in diesem Hause einige
Jahre Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gemacht hat, dann
weiß man, dass diese Dinge Selbstverständlichkeiten
sind.
({3})
Es wird doch erst dann interessant, wenn man diese
Ansprüche der Stärkung der Menschen und der Passgenauigkeit mit den konkreten Vorhaben und der Praxis
Ihrer Politik vergleicht.
({4})
Ist denn etwa eine Stärkung der Menschen möglich,
wenn Förderprogramme unter dem Damoklesschwert
der Kürzung des Eingliederungstitels stehen? Ist es denn
möglich, die Eigenverantwortung der Menschen zu fördern, wenn Programme wie die JobPerspektive, durch
die Menschen neue Hoffnung geschöpft haben, mir
nichts, dir nichts über Nacht eingestellt werden und die
Menschen systematisch enttäuscht werden?
({5})
Sind denn mehr Eigenverantwortung und die Stärkung
der Menschen möglich, wenn geplant wird - dazu haben
wir heute nichts gehört -, die Erhöhung des Regelsatzes
so umzusetzen, dass man den Menschen Gutscheinhefte
in die Hand drückt und nur noch Sachleistungen bewilligt? Ist denn eine passgenaue Förderung angesichts einer Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit
möglich, die nach wie vor in den allermeisten Fällen
dazu führt, dass die Weiterbildungsträger und die Beschäftigungsgesellschaften Dumpinglöhne zahlen?
({6})
Angesichts des Auftrittes von Ihnen, Herr Heil - das
kann ich mir nicht verkneifen -, kann ich auch die SPD
nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben elf
Jahre lang die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur für Arbeit gehabt. Sie haben gegen unseren
fortwährenden Widerstand, solange wir in der Koalition
waren, es zugelassen und sogar gefördert, dass ein Nied2626
riglohnsektor in der Weiterbildungsbranche und bei den
Beschäftigungsgesellschaften entstanden ist.
({7})
Es machte Sie ein Stück weit glaubwürdiger, Herr Heil,
wenn Sie hier nicht nur selbstgerecht aufträten, sondern
dafür auch die politische Verantwortung übernähmen.
({8})
Das musste gesagt werden. Ich selbst habe das drei Jahre
mit Ihnen erlebt.
({9})
Es ist allerdings genauso wenig glaubhaft, verehrte
Kolleginnen und Kollegen von den Freien Demokraten,
wenn Ihr Generalsekretär Lindner bei einem sozialpolitischen Symposium, das in der letzten Woche stattgefunden hat,
({10})
die Resignation von Hauptschülern beklagt, die sagen,
ihre Perspektive sei nur Hartz IV, und Sie zugleich in
diesem Bundeshaushalt die Mittel für die Förderung kürzen. Es muss für diese jungen Menschen, die auf Förderung angewiesen sind, und auch für die Langzeitarbeitslosen, die arbeitswillig sind, sehr schal klingen, wenn Ihr
Generalsekretär davon spricht, die Menschen müssten
zwischen Lebensentwürfen wählen können oder - das
habe ich mir heute morgen noch im Internet angesehen sollten Autoren der eigenen Biografie werden. Dann
empfehlen Sie als Autorenschaft der eigenen Biografie,
Schneeschipper zu werden. Das ist paternalistisch, was
Sie den Menschen anbieten.
({11})
Sie reden von Eigenverantwortung. Aber in Wirklichkeit
kujonieren Sie sie.
Wir als Bündnis 90/Die Grünen haben Vorschläge zur
Regelleistung und zu einer intelligenten Förderung öffentlicher Beschäftigung gemacht. Wir halten einen Kombilohn, einen gezielten Lohnkostenzuschuss, der Produktivitätsnachteile ausgleicht und so Wettbewerbsverzerrungen
vermeiden hilft, für eine kluge Lösung. Wir wollen die
passiven Mittel in aktive Mittel überführen. Die Blaupause dafür gibt es bereits mit dem Programm „JobPerspektive“. Herr Schiewerling, Sie von der CDU/CSU
könnten als nachfolgender Redner erklären, warum Sie
faktisch die Mittel für die im Grundsatz in die richtige
Richtung weisende Koppelung von Transferleistungen
und Eigenleistungen kürzen, sich hinter der Aussage verstecken, Sie wollten eine gerechtere Mittelverteilung, und
gleichzeitig in einer Stadt wie Dortmund dafür sorgen,
dass nun 700 Menschen ihren Platz in der JobPerspektive
verlieren werden. So kommen Sie nicht weiter. Ich
möchte gerne hören, was Sie diesen Menschen sagen.
Setzen Sie Fördermittel intelligent ein! Folgen Sie unserem Konzept eines Progressivmodells sowie eines intelligenten Transfers passiver Mittel in aktive Mittel!
Dann wären Sie erheblich weiter.
Vielen Dank.
({12})
Der Kollege Karl Schiewerling hat das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kurth, wenn
ich mir die heutige Diskussion vor Augen führe, dann
habe ich den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen
Welten leben. Der Einzeletat der Bundesarbeitsministerin ist, gemessen sowohl am absoluten Umfang als auch
am prozentualen Anteil am Gesamthaushalt, der größte
Etat eines Arbeitsministeriums, den es in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland jemals gab.
({0})
In dieser Situation von Kahlschlag und sozialem Ende
zu sprechen, ist nach meinem Dafürhalten - das sage ich
Ihnen frank und frei - unverantwortlich.
({1})
Wir geben, um das in aller Deutlichkeit zu sagen,
81 Milliarden Euro für die Sicherung der Rente aus, wir
geben 12,5 Milliarden Euro für die Bundesagentur für
Arbeit aus, und wir geben 38 bis 39 Milliarden Euro für
die Grundsicherung aus, um nur einige wenige Punkte
zu nennen. Die 12,5 Milliarden Euro für die Bundesagentur für Arbeit - das sei der Wahrheit geschuldet, und
darauf können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und die Betriebe stolz sein - sind erst in diesem Jahr fällig; denn das wichtige Instrument der Kurzarbeit wurde
im vergangenen Jahr komplett aus Beitragsmitteln finanziert. Wir wollen den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung in der Größenordnung von 2,8 Prozent halten.
Wir geben in diesem Jahr zwar über 3 Milliarden Euro
weniger Zuschuss als geplant, weil er nicht notwendig
ist, aber wir geben den Zuschuss an die Bundesagentur
für Arbeit, damit wir das Instrument der Kurzarbeit in
diesem Jahr fortführen können. In dieser Situation von
Kahlschlag zu reden und den Eindruck zu vermitteln, als
wäre alles sozialpolitisch am Ende, halte ich schlicht und
einfach für unverantwortlich und an der Realität dieser
Welt vorbei.
({2})
Um auf die 900 Millionen Euro zu sprechen zu kommen: Die sind mit einer Haushaltssperre versehen.
({3})
Wir haben in vielen Beiträgen deutlich dargestellt, dass
wir in der Koalition in der internen Diskussion Klarheit
haben. Dass die Bundesarbeitsministerin ein gutes Konzept vorlegen wird, hat sie vorhin überzeugend skizziert.
Ich bin ganz sicher, dass wir in kürzester Zeit erleben
werden, dass die Sperrung aufgehoben wird.
({4})
Dazu bedarf es keiner namentlichen Abstimmung, dazu
bedarf es keines Tamtams. Diese Koalition ist intelligent
genug, die richtigen Schritte zu gehen.
({5})
Herr Kollege Kurth, um Ihnen die Antwort auf die
Frage nach der „JobPerspektive“ zu geben: Das betrifft
nicht nur Dortmund, sondern das betrifft viele Regionen
in Nordrhein-Westfalen. Wir werden die Arbeitsmarktpolitik auch nach der Entfristung und selbst dann, wenn
es keine Entfristung gäbe - aber es wird eine Entfristung
geben; davon bin ich fest überzeugt -, aktiv weiter fortführen, und wir werden erleben, dass in Dortmund, Bielefeld und in vielen anderen Städten eine erfolgreiche
Arbeitsmarktpolitik, auch mit Unterstützung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, fortgesetzt werden
wird. Das Programm „JobPerspektive“ wird weiterentwickelt, und wir werden erleben, dass die Instrumente
greifen.
({6})
Die Finanzkrise und in deren Folge die Wirtschaftskrise, die sich bislang Gott sei Dank in glimpflicher
Weise entwickelt hat, ist eine Herausforderung für die
Arbeitsmarktpolitik und die Finanzpolitik gewesen, wie
wir sie in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik
noch nicht erlebt haben. Ich sage sehr deutlich: Wir stecken noch mitten in dieser Krise. Von dieser Krise sind
alle betroffen: Betriebe, Arbeitnehmer, Staat und Gesellschaft. Die Krise ist so lange nicht vorbei, wie nicht die
Betriebe, die davon betroffen sind, wieder Tritt gefasst
haben, und Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren drohen, nicht wieder gesicherte Arbeitsplätze und gesicherte Perspektiven haben.
Deswegen haben wir den Schutzschirm nicht nur über
Banken und Betriebe gespannt, sondern auch über die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben in dieser Koalition auch beschlossen, dass dieser Schutzschirm bis Ende 2010 gespannt bleiben wird. Nach meiner festen Überzeugung ist es notwendig, dann, wenn
wir feststellen, dass die Wirtschaftskrise, die aufgrund
der Finanzkrise entstanden ist, noch nicht vorbei ist und
sie bestimmte Branchen noch fest im Griff hat, für diese
Branchen den Einsatz des Instruments der Kurzarbeit
auch über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern. Ich sage
Ihnen: In dieser Koalition werden wir unsere Aufgabe
wahrnehmen. Der Staat steht diesen Menschen, aber
auch der Wirtschaft, den Unternehmen und den mittelständischen Betrieben bei, um die Krise gemeinsam für
eine gute Zukunft zu überwinden.
Der Sozialstaat hat durch seine Strukturen und durch
seine Hilfesysteme - auch das sei in der Debatte heute
Morgen noch einmal deutlich betont - wesentlich dazu
beigetragen, dass wir besser als andere Länder dastehen
und dass wir vor allem im Ausland bewundert werden.
Ich kann mich nur darüber wundern, wie wir hier im
deutschen Parlament diskutieren, während der Begriff
„Kurzarbeit“ mittlerweile als feststehender Begriff wie
das Wort „Kindergarten“ in den Wortschatz der Amerikaner übergegangen ist. Wir machen uns den Erfolg, den
wir miteinander erwirtschaftet haben, selbst kaputt, und
das Ausland kann nur staunend auf unsere Mentalität
schauen.
({7})
Ich sage allerdings auch in aller Klarheit: Was mich
sehr wurmt, ist, dass wir für die Überwindung dieser
Krise viel Geld in die Hand nehmen müssen. Ich bedauere sehr, dass wir das Geld leider nicht von denen zurückbekommen, die uns die Krise eingebrockt haben,
mit deren schlimmen Konsequenzen wir es jetzt zu tun
haben.
({8})
Wahr ist aber auch: Der Sozialstaat muss finanzierbar
bleiben. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität,
das bedeutet auch, dass man erwarten kann, dass jeder
tut, was er kann. Der Staat ist kein Selbstbedienungsladen. Er ist kein Selbstbedienungsladen für diejenigen,
die Steuern hinterziehen
({9})
und so ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, und er ist
kein Selbstbedienungsladen für diejenigen, die glauben,
sie könnten sich Sozialleistungen erschleichen.
({10})
Tragen muss die gesamte Last hinterher die breite Mittelschicht unseres Landes. Sie zu stärken, das ist unsere
Aufgabe. Ich bezeichne das in aller Deutlichkeit als einen wichtigen Teil unserer Arbeitsmarktpolitik.
Wir stehen vor der Aufgabe, jetzt das zu tun, was notwendig ist, um einen bestimmten Teil der Sozialpolitik
wieder auf ordentliche organisatorische Grundlagen zu
stellen: das im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch verankerte Arbeitslosengeld II. Die Bund-Länder-Kommission ist dabei, dies zu tun. Ich erlebe dort sehr viel
konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin in dieser Frage
hoffnungsfroh. Darüber hinaus müssen wir, wie vom
Bundesverfassungsgericht gefordert, die Bedarfssätze
überprüfen. Wir werden uns zügig an diese Aufgabe machen. Das betrifft übrigens auch das in der Öffentlichkeit
sehr intensiv diskutierte Geld für die Kinder, die durch
Ferienjobs Geld erwirtschaftet haben.
({11})
Wenn ich mir diese Debatte anhöre, dann habe ich
den Eindruck, dass 2002, 2003, 2004 bis Mitte 2005
Herr Bundeskanzler Schröder allein regiert hat.
({12})
Man tut so, als hätte er hier im Parlament allein gesessen
und sämtliche Gesetze allein verabschiedet. Die Grünen
machen sich vom Acker, die SPD macht sich vom
Acker.
({13})
Keiner will’s gewesen sein. Herr Schröder habe sie alle
unter Druck gesetzt und an die Kandare genommen; er
habe ihnen Entscheidungsfreiheit genommen. Ich habe
das Gefühl, in einer anderen Republik zu sein. Ich sage
mit Blick auf die SPD, auf die Grünen und ausdrücklich
auch mit Blick auf den Teil, der die CDU/CSU und die
FDP betrifft: Bekennen wir uns zu dem, was mit den Änderungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erreicht
wurde. Die Arbeitsmarktreform war eine gute, zwingend notwendige Entscheidung. Nachdem ich Ihr Papier
gelesen habe,
({14})
rate ich Ihnen, den Erfolg Ihrer Arbeit nicht durch fundamentale Strukturveränderungen, zum Beispiel durch die
Nichtanrechnung der Vermögensgrenzen, zu konterkarieren und so kaputtzumachen.
({15})
Ich rate Ihnen: Lassen Sie nicht die Vernunft aus wahltaktischen Gründen hintenan! Bleiben Sie bei dem, was
Sie gemacht haben!
({16})
Meine Damen und Herren, die Koalition wird die großen Herausforderungen anpacken, gemeinsam mit unserer Bundesarbeitsministerin, Frau Dr. Ursula von der
Leyen, die an die Dinge auf ihre eigene Art mit Verve
und Engagement herangeht. Ich sage ihr unsere Unterstützung zu. Sie ist übrigens in einem von Männern dominierten Arbeitsministerium diejenige, die durch ihre
Art zwar harte Themen anpackt, diese aber leicht verdaulich macht.
Ich hoffe, dass wir miteinander die Herausforderungen anpacken werden. Darauf freue ich mich und danke
Ihnen für Ihre Unterstützung.
({17})
Die Kollegin Katja Mast hat jetzt das Wort für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Kollege Karl Schiewerling, es ist
ja schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede gerade
eben in der Debatte über den Bundeshaushalt zu dem
Thema Lohnnebenkosten, die wir gemeinsam erfolgreich zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung von
6,5 Prozent auf 2,8 Prozent abgesenkt haben, nichts darüber gesagt haben, was denn nächstes Jahr mit dem
Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit
passiert und ob Sie auch im nächsten Jahr den Satz von
2,8 Prozent bei der Arbeitslosenversicherung halten werden.
({0})
Dieser Haushalt ist nämlich nur Stückwerk. Er regelt
nichts über den Tag hinaus. In ihm wird vor allen Dingen
das verschwiegen, was nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai kommen wird. Ich sage Ihnen schon jetzt auf den Kopf zu, Frau von der Leyen auch Sie haben sich ja heute zu diesem Thema ausgeschwiegen -: Sie werden gemeinsam mit der ganzen Regierung die Lohnnebenkosten erhöhen, und zwar deutlich. Das wird Arbeitsplätze vernichten; das sorgt nicht
dafür, dass Menschen in Arbeit kommen. Deswegen
kann ich Ihnen heute schon sagen: In dieser Frage werden wir nicht an Ihrer Seite sein.
({1})
Dieser Haushalt, der Stückwerk ist, nichts über den
Tag hinaus regelt und all das verschweigt, was nach der
Wahl in Nordrhein-Westfalen kommt, bringt dann auch
noch Kürzungen für diejenigen mit sich, die auf unsere
Solidarität angewiesen sind, bzw. genauer: Die Kürzungen werden durch eine Haushaltssperre in Höhe von
900 Millionen Euro, die hier ja schon angesprochen
wurde, auf die Zeit nach April vertagt. Damit werden
Mittel für diejenigen, die unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen und denen unser besonderes Engagement gelten sollte, damit sie in Arbeit vermittelt werden,
weggenommen.
Ich will das noch einmal am Bundesprogramm
„JobPerspektive“ klarmachen. Ein gemeinsamer Erfolg
der rot-schwarzen Regierung war es, dass Langzeitarbeitslose mit vielfachen Vermittlungshemmnissen, die
ganz am Rand des Arbeitsmarktes stehen und die schon
von vielen aufgegeben worden waren, durch die JobPerspektive mithilfe eines Beschäftigungszuschusses in Arbeit gebracht wurden und dass ihnen Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht wurde. Was machen Sie heute? Sie
machen einen ganz billigen Haushaltstrick. Sie erhöhen
formal die Mittel von 540 Millionen auf 700 Millionen
Euro, verteilen die Mittel aber so, dass nicht nur zum
Beispiel entsprechende Projekte in Bielefeld und Dortmund nicht fortgeführt werden können und damit auch
entsprechende Arbeitsverträge nicht verlängert werden,
sondern dass auch dieser zusätzliche Arbeitsmarkt für
Langzeitarbeitslose vernichtet wird. Damit nehmen Sie
Menschen mit vielfachen Vermittlungshemmnissen die
Perspektive.
Als Sozialpolitikerin und Sozialdemokratin kann ich
Ihnen sagen: Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen in der Republik das erfahren. Es geht nicht, dass
wir uns nur um diejenigen kümmern, die einfach in Arbeit vermittelt werden können - dass wir uns um sie
kümmern, ist gut; denn wir möchten, dass jeder gute Arbeit hat -, sondern wir als Sozialdemokratische Partei
wollen, dass auch Langzeitarbeitslose mit vielfachen
Vermittlungshemmnissen gute Arbeit erhalten.
({2})
An der Stelle geht es aber noch weiter: Wie werden
Sie mit dem im Ausschuss für Arbeit und Soziales kontrovers diskutierten Thema der Härtefallregelung für
Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfänger
umgehen? Wir wollen, dass das Thema Härtefallregelung federführend im Fachausschuss von den Sozialpolitikern mit Vertretern des Sozialministeriums diskutiert
wird. Wenn es einen Punkt gibt, den uns das Bundesverfassungsgericht klar mit auf den Weg gegeben hat, dann
ist es doch der, dass es um das kulturelle und soziale
Existenzminimum geht, das notwendig ist, um in Würde
in Deutschland leben zu können. Mit diesem Thema dürfen wir nicht einfach buchhalterisch umgehen und es den
Finanzpolitikern überlassen, sondern hier ist unsere
sozialpolitische Kompetenz gefragt. Da erwarte ich von
Ihnen, Frau von der Leyen, von Ihrem Ministerium, von
der CDU/CSU-Fraktion und von der FDP-Fraktion, dass
Sie mit einem eigenen Gesetzentwurf dafür sorgen, dass
wir als fachpolitisch zuständige Sozialpolitiker dieses
Thema diskutieren.
({3})
Ich sage dies auch deswegen, weil heute schon klar
ist, dass das, was Sie mit einem Volumen von 100 Millionen Euro vorgelegt haben, zu kurz gesprungen ist. Wir
brauchen mindestens 125 Millionen Euro. In Ihrem Vorschlag, den alle Fachverbände stark kritisieren, bedenken Sie von den Regierungsfraktionen nicht, dass neben
Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind,
auch Menschen mit einem Rollator eine Hilfe für den
Haushalt brauchen. Deshalb müssen wir Sozialpolitiker
selber eine Diskussion darüber führen.
Ich bleibe dabei: Mit dem Haushalt, den Sie vorgelegt
haben, kürzen Sie bei denen, die auf Solidarität angewiesen sind. Er ist Stückwerk und enthält keine Regelungen
über den Tag hinaus. Sie verschweigen, was nach der
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen passieren wird.
Sie werden die Lohnnebenkosten erhöhen, indem Sie
den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung anheben
werden. Aber Sie sagen heute nichts dazu. Ich fordere
Sie daher auf: Bestätigen Sie das, was ich gesagt habe,
oder dementieren Sie es einfach durch Ihren nächsten
Redner in dieser Debatte! Ich bin gespannt auf das, was
der Kollege, der nach mir sprechen wird, zu sagen hat.
({4})
Max Straubinger spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Als letzter Redner zu dem Haushalt für Arbeit und Soziales möchte ich zusammenfassend sagen, dass die Bundesregierung mit diesem Haushalt ihrer sozialen Verantwortung besonders gerecht wird.
({0})
Der Kollege Karl Schiewerling hat bereits darauf hingewiesen, dass es mit einem Volumen von 143,2 Milliarden Euro der größte Haushalt für Arbeit und Soziales
ist, den es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat.
Das bringt zum Ausdruck, dass die Bundesregierung ihrer sozialen Verantwortung gerecht wird und die Menschen unterstützt, die Hilfe bedürfen. Wenn wir noch die
Ausgaben für Gesundheit und Familien hinzurechnen,
dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass weit über
50 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes für soziale
Maßnahmen ausgegeben werden.
({1})
Dies zeigt sehr deutlich, dass wir unserer sozialen Verantwortung gegenüber den Menschen gerecht werden.
({2})
Dies wird insbesondere bei den Maßnahmen im Bereich Arbeit und Soziales deutlich. Für die gesetzliche
Rentenversicherung, für die Knappschaft und für die
landwirtschaftliche Alterskasse gibt es einen Zuschuss in
Höhe von 81 Milliarden Euro. Auch die Arbeitsmarktmaßnahmen, die letztendlich Ausdruck einer aktiven
Arbeitsmarktpolitik sind, zeigen, dass sich diese Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
und mit der neuen Bundesarbeitsministerin Frau Dr. von
der Leyen hier besonders verantwortlich fühlt. Trotzdem
versucht die Opposition heute, an diesem Haushalt Kritik zu üben.
Diese vielfältigen Maßnahmen, die wir hier durchführen werden, sind für Menschen gedacht, die der Hilfe bedürfen. Das Beste, was wir für die Menschen in unserem
Land machen können, ist jedoch, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb war es goldrichtig, zum
1. Januar dieses Jahres das Wachstumsbeschleunigungsgesetz in Kraft zu setzen. Außerdem werden die
Bürgerinnen und Bürger entlastet, indem sie ihre Krankenversicherungsbeiträge von der Steuer absetzen können. Diese Gesamtentlastung der Bürgerinnen und Bürger in Höhe von über 20 Milliarden Euro ist Grundlage
für den wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land.
({3})
Damit schaffen wir mehr Arbeitsplätze. Das wiederum
versetzt die Menschen in die Lage, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Diesem Ziel hat sich die Bundesregierung verschrieben.
Wo sind die Alternativen der Opposition?
({4})
Angesichts der Anträge, über die wir noch namentlich
abstimmen werden, kann man sich nur die Augen reiben.
Frau Kollegin Hagedorn hat der Bundesregierung insgesamt vorgeworfen, eine unverantwortliche Haushaltspolitik zu betreiben und vor allen Dingen eine viel zu
hohe Nettoneuverschuldung einzugehen. Frau Kollegin
Hagedorn, auch uns stört die Nettoneuverschuldung in
ihrer Gesamtheit; aber die Ausgaben sind eine Antwort
auf die Herausforderungen der Finanzkrise, deren
wirtschaftliche Auswirkungen wir abzufedern haben,
mit der Verlängerung des Bezugs von Kurzarbeitergeld,
vor allem aber mit der Unterstützung der Wirtschaft, damit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit
betreiben wir eine verantwortbare Politik, der Krise entgegenzuwirken. Frau Kollegin Hagedorn, es ist also
keine unverantwortliche, sondern eine angemessene
Haushaltspolitik, mit der wir die Herausforderungen positiv in Angriff nehmen können.
({5})
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
es geht nicht, auf der einen Seite die Verschuldung zu beklagen, auf der anderen Seite aber Anträge in den Bundestag einzubringen, die die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II fordern. Die Grünen fordern eine Erhöhung
auf 420 Euro, die Linken auf 500 Euro; bei der SPD ist es
noch undefiniert.
({6})
Dabei geht es um Mehrausgaben, die den Bundeshaushalt mit bis zu 16 Milliarden Euro belasten würden, ohne
dass ein Finanzierungsvorschlag unterbreitet würde.
({7})
Das Beispiel zeigt sehr deutlich: SPD und Linke gleichen sich an, auch mit dem neuen Programm, dem sich
die SPD jetzt augenscheinlich verschrieben hat. Es ist
schon bezeichnend: Offensichtlich nimmt weder der
Fraktionsvorsitzende, Kollege Steinmeier, noch der ehemalige Bundesminister Franz Müntefering an der Debatte teil,
({8})
weil sie merken, dass dies eine Abkehr von der früheren
Politik ist, die dazu beigetragen hat, Langzeitarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit überhaupt zu bekämpfen.
Am Ende der rot-grünen Regierungszeit hatten wir in
unserem Land 5 Millionen Arbeitslose; jetzt sind wir bei
3,4 Millionen Arbeitslosen.
({9})
Das ist der Erfolg der bisherigen Politik. Wir werden
diese Politik fortsetzen, damit die Arbeitslosigkeit in unserem Land weiterhin bekämpft wird. Wir wissen nämlich, dass das die beste Fürsorge für die Menschen in unserem Land ist.
({10})
In diesem Sinne kann ich Ihnen nur empfehlen, diesem Bundeshaushalt die Zustimmung zu erteilen und
uns, die Bundeskanzlerin und die Bundesarbeitsministerin tatkräftig bei der Arbeit zu unterstützen, damit es den
Leuten besser geht. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden in dieser Koalition gemeinsam mit der
FDP nichts unversucht lassen, um mehr Arbeitsplätze in
unserem Land zu schaffen.
({11})
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({12})
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in
der Ausschussfassung. Dazu liegen fünf Änderungsan-
träge vor; über drei dieser Anträge werden wir nament-
lich abstimmen.
Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung.
Hier geht es um die beiden inhaltsgleichen Änderungs-
anträge der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1017
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 17/1018. Wir werden jetzt über beide Anträge ge-
meinsam abstimmen; dies ist interfraktionell so verabre-
det. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann
verfahren wir so.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das
scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstim-
mung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen.1)
Wir kommen direkt zur zweiten namentlichen Ab-
stimmung, nämlich zum Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1011. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer wiederum, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das
ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht
der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer wiederum,
mit der Auszählung zu beginnen.2)
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Anschluss
an die jetzt folgende namentliche Abstimmung weitere
Abstimmungen durchführen.
Jetzt kommen wir aber zunächst zur dritten nament-
lichen Abstimmung, und zwar über den Änderungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 17/1020. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer wiederum, die Plätze einzunehmen. - Sind
alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das scheint der Fall
zu sein. Dann ist die Abstimmung eröffnet.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ja, es gibt noch ei-
nige. - Ich frage ein zweites Mal: Ist ein Mitglied des
Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgege-
ben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die
1) Ergebnis Seite 2631 C
2) Ergebnis Seite 2633 B
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1)
Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort und kommen
zu einem weiteren Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1019. Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag abge-
lehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion.
Dagegen haben die Koalition und die SPD gestimmt.
Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke.
Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zum Vorliegen
der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen, damit
wir dann gemeinsam über den geänderten oder nicht ge-
änderten Einzelplan 11 abstimmen können.
1) Ergebnis Seite 2636 A
({0})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und
teile die Ergebnisse der drei namentlichen Abstimmungen mit.
Zunächst gebe ich das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der gemeinsamen namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge der
Fraktion der SPD und der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 - hier: Einzelplan 11, Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, diverse
Drucksachen - bekannt: abgegebene Stimmen 581. Mit
Ja haben gestimmt 265, mit Nein haben gestimmt 316,
Enthaltungen keine. Die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon
ja: 265
nein: 316
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Lothar Binding ({0})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({1})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({2})
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({3})
Hubertus Heil ({4})
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({5})
Frank Hofmann ({6})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({7})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({8})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({9})
Ullrich Meßmer
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht
({10})
Axel Schäfer ({11})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({12})
Werner Schieder ({13})
Ulla Schmidt ({14})
Silvia Schmidt ({15})
Carsten Schneider ({16})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({17})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({18})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({19})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({20})
Volker Beck ({21})
Cornelia Behm
hierse
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({22})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({23})
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Tabea Rößner
Claudia Roth ({24})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({25})
Manfred Behrens ({26})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({27})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({28})
Dirk Fischer ({29})
Axel E. Fischer ({30})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({31})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({32})
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder ({33})
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({34})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({35})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({36})
Nadine Müller ({37})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({38})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({39})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({40})
Anita Schäfer ({41})
Dr. Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({42})
Dr. Andreas Schockenhoff
hierse
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
({43})
Uwe Schummer
Armin Schuster ({44})
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({45})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({46})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({47})
Peter Weiß ({48})
Sabine Weiss ({49})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({50})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({51})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({52})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({53})
Michael Link ({54})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({55})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({56})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({57})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({58})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({59})
Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung, Haushaltsgesetz 2010 - Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales -:
abgegebene Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 70,
mit Nein haben gestimmt 502. Der Änderungsantrag ist
damit abgelehnt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 572;
davon
ja: 70
nein: 502
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({60})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
hierse
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({61})
Manfred Behrens ({62})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({63})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({64})
Dirk Fischer ({65})
Axel E. Fischer ({66})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({67})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({68})
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder ({69})
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({70})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({71})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({72})
Nadine Müller ({73})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({74})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({75})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({76})
Anita Schäfer ({77})
Dr. Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({78})
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
({79})
Uwe Schummer
Armin Schuster ({80})
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({81})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({82})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg ({83})
Peter Weiß ({84})
Sabine Weiss ({85})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Lothar Binding ({86})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({87})
Edelgard Bulmahn
hierse
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({88})
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({89})
Hubertus Heil ({90})
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({91})
Frank Hofmann ({92})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({93})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({94})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({95})
Ullrich Meßmer
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht
({96})
Axel Schäfer ({97})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({98})
Werner Schieder ({99})
Ulla Schmidt ({100})
Silvia Schmidt ({101})
Carsten Schneider ({102})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({103})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({104})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({105})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({106})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({107})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({108})
Michael Link ({109})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({110})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({111})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({112})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({113})
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({114})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({115})
Volker Beck ({116})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
hierse
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({117})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({118})
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Tabea Rößner
Claudia Roth ({119})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Haushaltsgesetz 2010 ebenfalls Einzelplan 11 -: abgegebene Stimmen 579. Mit
Ja haben gestimmt 133. Mit Nein haben gestimmt 446.
Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 577;
davon
ja: 133
nein: 444
Ja
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer ({120})
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({121})
Volker Beck ({122})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Undine Kurth ({123})
Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({124})
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Tabea Rößner
Claudia Roth ({125})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang T
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({126})
Manfred Behrens ({127})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({128})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({129})
Dirk Fischer ({130})
Axel E. Fischer ({131})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
hierse
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({132})
Dr. Egon Jüttner
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder ({133})
Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({134})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({135})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({136})
Nadine Müller ({137})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({138})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({139})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({140})
Anita Schäfer ({141})
Dr. Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({142})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
({143})
Uwe Schummer
Armin Schuster ({144})
Detlef Seif
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({145})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel ({146})
Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg ({147})
Peter Weiß ({148})
Sabine Weiss ({149})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Lothar Binding ({150})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({151})
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({152})
Michael Groschek
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({153})
Hubertus Heil ({154})
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({155})
Frank Hofmann ({156})
Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({157})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({158})
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({159})
Ullrich Meßmer
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht
({160})
Axel Schäfer ({161})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
({162})
Werner Schieder ({163})
Ulla Schmidt ({164})
Silvia Schmidt ({165})
Carsten Schneider ({166})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz ({167})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff
({168})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({169})
Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({170})
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth ({171})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner ({172})
Michael Link ({173})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({174})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({175})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({176})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({177})
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({178})
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11
ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt I.6 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
- Drucksachen 17/609, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Carsten Schneider ({179})
Roland Claus
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Carsten Schneider für die SPD-Fraktion das Wort.
({180})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums
knüpft nahtlos an die Debatte über den Arbeitsmarkt an,
weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt natürlich zusammenhängen.
Man fragt sich: Was hat diese Koalition, was hat dieser Minister in die Haushaltsberatungen eingebracht
oder getan, um die wirtschaftliche Situation in Deutschland zu verbessern? Wenn man sich den Etat anschaut,
muss man sagen: Die Antwort „gar nichts“ wäre noch
gut. Es ist aber viel schlimmer: Sie haben in Ihrem Etat
bei den Investitionen gekürzt. Sie haben Maßnahmen,
die Sie mit Ihrem „Möchtegern-Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ eingeführt haben, also Einzelsubventionen für Branchen wie die Landwirtschaft, aber auch das
Hotelgewerbe, ausgeweitet. Dabei hat die Koalition auch
noch einen Antrag zugunsten von Campingplätzen eingebracht. Campingplätze sind ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor.
({0})
Sie haben kein industriepolitisches Konzept. Für den
Mittelstand haben Sie nur warme Worte. Im Hinblick auf
die Kreditklemme, die die deutschen Unternehmen belastet und die Wachstumsentwicklung in diesem Jahr
wahrscheinlich frappierend beeinträchtigen wird, haben
Sie gar keine Ideen.
Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ - das
betrifft nicht Ihren Etat; es geht um 25 Millionen Euro
Investitionen - und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ - diese Gemeinschaftsaufgabe hat in
den vergangenen Jahren enorm dazu beitragen, dass wir
einen Beschäftigungsaufbau und eine Erneuerung der Industrieproduktion hatten und dass die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsposition verbessern konnte werden mit diesem Haushalt um 10 Millionen Euro gekürzt. Dadurch fallen auch die Kofinanzierungsmittel
der Länder in Höhe von 10 Millionen Euro weg. Man
muss auch bedenken, dass dadurch die entsprechenden
privaten Investitionen verlorengehen. Das ist ein klares
Zeichen, dass Sie nicht verstanden haben, in welcher Situation sich Deutschland gerade befindet.
({1})
Sie haben sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen
geschrieben. Gesehen hat man davon noch nichts.
({2})
Wenn ich mir die Erläuterungen des Finanzministeriums
zur Umsatzsteuerrichtlinie anschaue, insbesondere wie
das mit den Aufwendungen für Essen und Frühstück
funktionieren soll, muss ich sagen: Das ist eher eine Belastung, eher ein Aufbau von Bürokratie. Auch da, Herr
Minister Brüderle, sind Sie gescheitert.
({3})
Sie sagen nichts zum Thema Opel. Man hat den Eindruck, Sie würden dieses Thema am liebsten schnell beerdigt sehen. Wie ich schon gesagt habe: Industriepolitik
scheint nicht Ihr Thema zu sein.
Die Interessen der Solarindustrie, einer der Wachstumsmärkte gerade in Ostdeutschland, werden durch Ihren Partner in der Regierungskoalition mit Füßen getreten. Im Zusammenhang mit dem ErneuerbareEnergien-Gesetz werden extreme Kürzungen vorgenommen, was dazu führt, dass hier bis zu 5 000 Arbeitsplätze und viele Investitionen auf der Kippe stehen.
Diese Kürzungen betreffen nicht nur die Einspeisevergütung, sondern auch die direkten Maßnahmen hinsichtlich
der Absatzförderung. Auch die Mittel für das Marktanreizprogramm - auch das müsste Sie als Wirtschaftsminister interessieren - sind gekürzt bzw. gesperrt worden.
Das führt dazu, dass kein Umstieg erfolgt. Wir werden
keinen Energiemix bekommen, und Arbeitsplätze und
damit natürlich auch Exportanteile gehen verloren.
({4})
Herr Minister, das ist der Funktion eines Bundeswirtschaftsministers, so wie zumindest ich sie bisher interpretiert habe, nicht würdig.
Sie haben als Mitglied der FDP-Fraktion in den vergangenen Jahren viele Anträge eingebracht, was Kürzungen betrifft. Dabei ging es insbesondere auch um den
Bereich der Staatssekretäre. Wir haben Ihnen entsprechende Änderungsanträge vorgelegt. Sie haben keinem
einzigen dieser Änderungsanträge zugestimmt, geschweige denn dafür gesorgt, dass das, was Sie vor der
Wahl gesagt haben, auch nach der Wahl gilt. Bei dieser
Tatenlosigkeit, die von diesem Haus ausgeht, sollte man
eher den Minister als die Staatssekretäre abschaffen;
denn für die Unterschrift sind auch sie gut.
({5})
Stattdessen erhöhen Sie die Exportsubventionen bzw.
die Kreditermächtigungen für den Bau von Atomkraftwerken. Es ist eine Hermesbürgschaft im Umfang von
über 1 Milliarde Euro für ein nicht sicheres, unmodernes
Atomkraftwerk in Brasilien vorgesehen. Dafür haben Sie
sofort Unterstützung bereitgestellt. Zukunftstechnologien haben aber keine Chance. Die Atomwirtschaft ist
Ihre Klientel; das ist Ihr wirtschaftspolitisches Programm.
({6})
- Das ist eine strahlende Zukunft für Deutschland.
Dann fragt man sich, was Sie eigentlich im Bereich
der Kreditwirtschaft tun. Sie haben einen Kreditmediator eingesetzt. Die Lage am deutschen Bankenmarkt ist
prekär. Aufgrund der allgemeinen Eigenkapitalschwäche
hatten wir allein im letzten Jahr mit einem Zuwachs an
Unternehmensinsolvenzen von 11 Prozent zu kämpfen.
Carsten Schneider ({7})
({8})
Darauf gibt es bisher keine Antwort aus Ihrem Haus. Sie
führen einen Gipfel nach dem anderen durch. Das Einzige, was bisher daraus geboren wurde, war ein Kreditmediator, der nun seine Arbeit aufnehmen soll.
Er hat sieben Mitarbeiter und ist außergewöhnlich gut
bezahlt. Das an sich ist schon genug Anlass zur Kritik.
Er wird der Aufgabe aber überhaupt nicht gerecht. Ich
habe heute Morgen ein Interview dazu gehört, was er
machen will. Bis zu 10 000 Unternehmen, die Probleme
haben, sollen sich an ihn wenden können - und das bei
sieben Mitarbeitern. Schon das geht überhaupt nicht.
Die Unternehmen sollen darauf hingewiesen werden,
dass es im Zweifel bei der KfW eine 90-prozentige
Bürgschaft oder Absicherung gibt. Diese Information
steht im Internet; man kann sie dort ganz einfach erhalten.
Die Einsetzung eines Kreditmediators ist nichts weiter als ein Feigenblatt für einen Aktionismus, der zu
nichts führt, weil Sie nicht die Traute haben, den Banken
im Hinblick auf die Finanzierung auf die Finger zu
hauen und letztendlich dafür zu sorgen, dass sie ihrer
Aufgabe, der Kreditversorgung nachzukommen, auch
tatsächlich gerecht werden.
({9})
Hierzu höre ich nichts. Sie setzen auf Freiwilligkeit. Das
ist der falsche Weg.
({10})
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss, um zu zeigen, womit sich Ihr Haus beschäftigt. Ich habe im Internet nachgeschaut, was Sie in den letzten Tagen alles
gemacht haben, und eine Pressemitteilung des Parlamentarischen Staatssekretärs Burgbacher über den Campingtourismus in Deutschland gefunden.
({11})
Ich habe ja nichts gegen den Campingtourismus; aber
das darf nicht alles sein, womit Sie sich beschäftigen. Ich
zitiere:
Die Campingwirtschaft steht vor der Herausforderung, gleichzeitig der steigenden Nachfrage im Inland gerecht zu werden und für den dynamischen
europäischen Wettbewerb vorbereitet zu sein.
Umso wichtiger sind zuverlässige und gesicherte
Daten und Fakten für die zukunftsgerichtete und
nachhaltige Weiterentwicklung des deutschen Campingangebotes.
({12})
Das ist ein Armutszeugnis für das Wirtschaftsministerium der größten Volkswirtschaft Europas. So wird das
nichts. Deswegen werden wir diesen Haushalt auch ablehnen.
({13})
Das Wort hat nun Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schneider, das war ein Sammelsurium von wilden Anschuldigungen, mit denen man
eigentlich nicht ernsthaft in die Beratung eines so wichtigen Haushalts gehen kann.
({0})
Als ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister diesen Einzelplan aufgegeben hatte und die Große Koalition anfing, dort aufzuräumen, wurden uns allen - daran
erinnere ich mich als Haushälterin; damals begleitete ich
Sie noch aus der Opposition heraus - Unmengen an
kleinsten und winzigen Klientelprogrammen präsentiert. Diese sind schon damals unter der Großen Koalition wieder eingesammelt worden. Was Sie als durchgängige Industriepolitik bezeichnen, ist über die vielen
Jahre hinweg nichts anderes als Kleinstklientelpolitik
gewesen.
Sie muss jetzt endlich auf solide Füße gestellt werden.
Das heißt, wir fassen die einzelnen Programme zusammen. Im Mittelstand werden ganz bewusst neue Technologien gefördert, zum Beispiel Breitbandverbindungen.
Wir fördern übrigens auch einen der zukunftsträchtigsten Bereiche der nächsten Jahrzehnte: die Gesundheitswirtschaft. Es sind also völlig neue Projekte auf den Weg
gebracht worden, von denen Sie bei den Haushaltsberatungen aber offensichtlich nichts mitbekommen haben.
({1})
Ich möchte darauf eingehen, dass Sie sagen, es sei
nicht erkennbar, dass sich in diesem Haushalt überhaupt
irgendetwas ändere. Was haben wir gemacht? Wir haben
die schwierige Aufgabe, dass wir, aus einer wilden Krise
herauskommend, versuchen müssen, haushalterisch eine
Senkung der Ausgaben zu erreichen. Das versuchen
wir zurzeit.
({2})
Der Umfang des Einzelplans des BMWi ist mit
6 Milliarden Euro immerhin um 161 Millionen Euro geringer als der im Haushaltsentwurf und sogar niedriger
als das Soll im Jahr 2009. Die erste Aufgabe ist also erfüllt. Dies war in all den Jahren unter Ihrer Ägide nicht
der Fall. Es ist endlich einmal gespart worden, und zwar
überall, und nicht, wie Sie meinen, an wichtigen Stellen.
({3})
Ich möchte auf das Thema Investitionen zu sprechen
kommen. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen. Im
Jahr 2008 - einem normalen Haushaltsjahr vor der Wirtschaftskrise - lagen die Ausgaben für Investitionen bei
24,7 Milliarden Euro. Im Krisenjahr 2009 wurden die
Ausgaben durch die Konjunkturpakete auf 32,8 Milliarden Euro gesteigert. Hierzu gehört ein Darlehen in Höhe
von 4 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds, das
aber nicht abgerufen wurde. Im Entwurf 2010 sind die
Ausgaben für Investitionen immer noch 3,6 Milliarden
Euro höher als im Nichtkrisenjahr 2008, lieber Kollege
Schneider. Ein Teil der verbleibenden Kürzungen hat mit
rein technischen Veränderungen zu tun. Fast 400 Millionen Euro werden allein bei den Investitionen abgezogen,
weil Entschädigungszahlungen für Kreditausfälle im
Rahmen des Bürgschaftsfonds nicht gebraucht wurden.
Das, lieber Kollege Schneider, ist ein gutes und kein
schlechtes Zeichen.
Zudem hat die alte Bundesregierung, der bekanntlich
auch die SPD angehörte, über 2 Milliarden Euro an
Investitionsmitteln im Rahmen des Investitions- und Tilgungsfonds bereitgestellt. Diese Summe taucht im Haushalt nicht auf, wird aber 2010 zu großen Teilen in Investitionen abfließen. Das heißt, Ende des Jahres werden die
Ausgaben für Investitionen sogar höher sein als 2009.
Lieber Kollege Schneider, das, was Sie behauptet haben, nenne ich Verdrängung von Fakten. Das sind Märchen, die an keiner Stelle stimmen. Diese Regierung
steht für Investitionen und wird dafür sorgen, dass wir
einen soliden Weg aus der Krise in eine nachhaltige Zukunft einschlagen.
({4})
Das Wort hat nun Herbert Schui für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftspolitik muss sich unter den gegebenen Bedingungen vor allen Dingen darum kümmern, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Mit Arbeitsmarktpolitik
allein lässt sich das aber nun wirklich nicht realisieren.
({0})
Unser Problem besteht darin, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 5 Prozent gesunken ist.
Dafür bewundert uns das Ausland nicht, weder die Vereinigten Staaten - dort schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt nicht so stark - noch Frankreich. Wenn das Sinken
des Bruttoinlandsprodukts aber voll auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen wäre, dann hätten wir nun
1,8 Millionen Arbeitslose mehr.
Warum sind wir glimpflich davongekommen? Warum
ist die Beschäftigung einigermaßen stabil geblieben?
({1})
- Das ist nicht das Ergebnis irgendeiner klugen Politik. Der wesentliche Grund ist, dass die Arbeitsproduktivität
im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gesunken ist. Nun
könnte man natürlich denken, dass das daran liegt, dass
die Leistungsträger aufgrund lausiger Arbeitsbedingungen und niedriger Löhne pro Stunde weniger arbeiten.
Das stimmt aber nicht: Aufgrund der technischen Auslastung der Kapazitäten ist die Produktivität gesunken.
Das Arbeitsvolumen ist um 2,8 Prozent gesunken.
Das haben Sie weggeschoben, und zwar vor allen Dingen dadurch, dass im vergangenen Jahr aufgrund der
Zunahme von Teilzeitarbeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 26 auf 25 Stunden pro Woche
gesenkt worden ist. Auch das ist nicht weiter bewundernswert.
All das hat sich aufgrund der Hartz-Gesetzgebung
und durch den Umstand ergeben, dass die Produktionstechnik bei solchen Konjunkturabschwüngen zwingend zu einer Senkung der Produktivität der Arbeit
führt. Es ist also weder Ihr Verdienst noch ein politisches
Verdienst. Es hat sich nun einmal so durchgesetzt, aber
es ist nicht viel dabei.
Das einzige Vernünftige im vergangenen Jahr war die
Kurzarbeitergeldregelung. Wir sind dafür, dass diese Regelung fortgeführt und ausgebaut wird und dass der Bezug des ALG I verlängert wird. Auf diese Art und Weise
kann man spontan das Schlimmste abfedern.
({2})
Mehr kann man damit aber nicht erreichen. Notwendig ist eine Politik, die den Arbeitsmarkt aufgrund einer
gesteigerten Produktion wieder in Schwung bringt. Deswegen fordern wir ein Zukunftsprogramm mit einem
Umfang von 100 Milliarden Euro. Das kommt Ihnen
entsetzlich viel vor, aber damit könnte man im öffentlichen Dienst 2 Millionen Menschen zusätzlich beschäftigen. Zudem schaffen alle zusätzlichen öffentlichen Ausgaben durch die zusätzliche Staatsnachfrage mehr
Beschäftigung.
Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Dazu
findet sich in allen Haushaltsentwürfen nichts. Das
Ganze lässt sich durch eine Millionärsabgabe finanzieren, die locker 80 Milliarden Euro einbringen würde.
({3})
- Nun gut, es ist hart, als Grüner gegen einen Millionär
anzugehen. Das kann ich verstehen. Aber wir haben weniger Hemmungen als Sie. Das sollten Sie uns überlassen.
({4})
- Nein, warum sollten wir auch.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erhöhung der
Steuern auf Gewinneinkommen. In Deutschland werden
die Gewinneinkommen nach Eurostat gegenwärtig mit
25 Prozent besteuert. In Frankreich sind es 40 Prozent.
Würde man die Steuer auf den französischen Satz anheben, würden die Steuereinnahmen um 100 Milliarden
steigen. So lassen sich Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungspolitik finanzieren.
Sie setzen dagegen einzig auf den Export. Das ist Ihr
Problem. Wie viel müsste aber zusätzlich exportiert werden, um in diesem und im nächsten Jahr wenigstens ein
Wachstum von 1,5 Prozent zu erzielen? Wer soll das alles kaufen? Sollen die Chinesen doppelt so viel von uns
kaufen, wie es jetzt schon der Fall ist? Daran glauben Sie
doch selber nicht.
({5})
- Die Exporte steigen zwar um 2 Milliarden bis
3 Milliarden Euro pro Jahr, aber nicht um den Betrag,
der notwendig ist, um das Wachstum um 1 Prozent oder
1,5 Prozent zu erhöhen.
({6})
- Das reicht nicht aus. Bedenken Sie eines: Die Linke
hat immer wieder vorgetragen, dass wir eine verstärkte
Binnennachfrage brauchen.
({7})
- Sie sagen doch wohl nicht, dass die französische Wirtschaftsministerin, Frau Lagarde, ein IM gewesen ist. Das
glaube ich nicht. Sie hat diese Geschichte ausgegraben
und verlangt, dass Deutschland mehr importiert, damit
die Handelsbilanzungleichgewichte vor allen Dingen innerhalb der EU verschwinden.
({8})
Deutschland kann nur dann mehr importieren, wenn
die Löhne, Gehälter und Staatsausgaben insgesamt steigen. Das geht nur bei einer anderen Steuerlast und mit
höheren Löhnen. Anders ist das nicht zu schaffen.
({9})
Wenn wir das nicht hinbekommen, dann bringen wir
nicht nur unsere Konjunktur in Gefahr; dann ist die gesamte EU gefährdet. Das müssen Sie bedenken.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat nun Michael Luther für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle! Selten
waren Haushaltsberatungen so kurz wie in diesem Jahr.
Aber noch seltener ist, unter welchen Vorzeichen wir
den Haushalt beraten mussten. Es muss noch einmal klar
erwähnt werden: Wir haben es nach wie vor mit den Folgen einer Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun. Das hat
natürlich die Beratungen beeinflusst. Wir hatten einen
sehr engen Zeitplan. Aber wir haben den Haushalt trotzdem sehr intensiv und gut beraten und an vielen Punkten
überarbeitet und verändert.
Das Ziel, das wir uns als Koalition am Beginn der
Haushaltsberatungen gesetzt haben, war: Wir wollen von
der hohen Neuverschuldung etwas herunterkommen.
Das ist uns gelungen. Wir haben 5,6 Milliarden Euro
eingespart. Es hätte mehr sein können, aber das ist schon
etwas. Ich habe mir einmal ausgerechnet, was das bedeutet. Bei dem momentan geltenden Zinssatz bedeutet eine
Ersparnis von 5,6 Milliarden Euro 140 Millionen Euro
weniger Zinsen im nächsten Jahr. Das ist ungefähr so
viel, wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt
kostet. An dieser Stelle wird sehr deutlich, dass das Ziel
dieser Legislaturperiode für den Haushalt ganz klar sein
muss: Wir müssen von der Neuverschuldung herunterkommen, damit wir auch in Zukunft einen beherrschbaren Haushalt haben.
({0})
Dieses Ziel haben wir auch im Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums verfolgt. Es ist schon gesagt
worden: Der Umfang des Haushalts beträgt 6,1 Milliarden Euro, 160 Millionen Euro oder 2,6 Prozent weniger
als im Regierungsentwurf. Das sind rund 40 Millionen
Euro weniger als im Haushalt 2009. Ich denke, das ist
ein gutes Ergebnis.
Wie ist es zustande gekommen? Sicher, dazu haben
die sinkenden Ausgaben bei den Kohlebeihilfen beigetragen. Aber wir haben auch richtig gespart: zum einen
bei den Verwaltungs- und Personalausgaben und zum
anderen bei den Programmtiteln. Wir müssen in diesen
Zeiten - auch das muss gesagt werden - den Mut haben,
zu gucken: Ist das, was in unserem Programmhaushalt
steht, alles richtig, oder können wir in Zeiten knapper
Kassen den Umfang des einen oder anderen Programms
verringern und immer noch das erreichen, was wir erreichen wollen? Ich denke, gerade in den Zeiten knapper
Kassen ist diese Art der Prioritätensetzung sehr wichtig.
Trotzdem haben wir mit dem Haushalt 2010 Impulse
gesetzt. Es gibt ein durchgehendes Prinzip: Wir wollen
weg von alten, lediglich bestandserhaltenden Subventionen, und wir wollen hin zur Förderung von Innovation
und Technologie. Manchmal muss man es in diesem
Hause noch einmal sagen - auch ich verteile gerne und
würde gerne verteilen, wenn genügend Geld da wäre -:
Es gilt die Binsenweisheit: Bevor ich verteile, muss ich
mich erst einmal darum kümmern, etwas zu verdienen,
was ich verteilen kann.
({1})
Vor genau diesem Hintergrund sehe ich mir die vielen
Programmtitel im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums an und stelle fest, dass hier tatsächlich etwas für
unsere Zukunft, für Wachstum und Beschäftigung getan
wird.
({2})
Ich will hier ein paar Punkte nennen.
Erstens. Wir verstärken die Investitionen in neue
Technologien. Ich nenne hier zum Beispiel Luft- und
Raumfahrt, Energieforschung, Schifffahrts- und Meerestechnik. In diesen Hightechbereichen wollen und müssen wir in der Zukunft gut aufgestellt sein. Genau hier
wollen wir Wachstum generieren. Wir wollen weiter an
der Weltspitze mitspielen.
Zweitens. Auch in 2010 bildet die Förderung von Innovations- und Zukunftstechnologien ein wichtiges
Kernstück des Einzelplanes. 2,3 Milliarden Euro stehen
dafür im Haushalt. Entsprechend unserem Koalitionsvertrag werden als erste Tranche aus dem 12-MilliardenEuro-Paket 84 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung aus dem Einzelplan zur Verfügung gestellt.
Hiermit wollen wir die Bildungs- und Forschungslandschaft in Deutschland stärken und für die Herausforderungen der Zukunft fit machen.
Drittens. Im Zuge unserer Beratung haben wir in weiteren zukunftsgerichteten Bereichen zusätzliche Akzente
gesetzt. Ich nenne hier nur zwei: Breitbandtechnologie
bei Internetanschlüssen und das Thema Gesundheitswirtschaft. In diesen Bereichen wird das Geld zukünftig
gut angelegt sein.
({3})
- Danke. Frau Flach weiß wahrscheinlich noch besser,
was ich meine,
({4})
weil wir über diesen Etatentwurf sehr intensiv beraten
haben.
({5})
Viertens. Wichtig für unsere Volkswirtschaft ist der
Mittelstand. Hier leistet der Haushalt einen wichtigen
Beitrag. Es ist doch klar, dass sich gerade der Mittelstand
große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der
Regel nicht leisten kann. Deshalb muss hier die Zusammenarbeit mit den Forschungseinrichtungen und den
Hochschulen organisiert werden. Dafür steht Geld zur
Verfügung, nämlich 2010 fast 620 Millionen Euro. Ich
will an dieser Stelle erwähnen: Das wichtigste Programm
in diesem Zusammenhang ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM. Das ist das Basisprogramm
für die Förderung der mittelständischen FuE-Projekte. Es
wird von den Unternehmen angenommen. Es wird stark
nachgefragt. Es genießt hohe Wertschätzung. Ich sage
ganz klar: Ich werde mich dafür einsetzen, dass das auch
in Zukunft ein wichtiges Programm im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers sein wird.
({6})
Ganz besonders freue ich mich, dass es gelungen ist,
die Mittel für den Aufbau Ost zu verstetigen. Ich will es
wie folgt formulieren: Aufbau Ost heißt für mich zunehmend, den wirtschaftlichen Aufbau Ost zu forcieren und
noch besser zu organisieren. Gesamtwirtschaftlich wäre
es am besten, wenn die neuen Bundesländer genauso
leistungsfähig würden wie die alten. Hier ist in den letzten 20 Jahren wirklich viel erreicht worden. Wir haben
am Donnerstag die Feierstunde „20. Jahrestag der freien
Wahl zur Volkskammer der DDR“. Ich bin seit der Zeit
in der Politik und weiß, was alles in diesem Zeitraum
passiert ist. Aber wir sind noch nicht am Ziel.
({7})
Es ist wichtig, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um
den Aufholprozess zu unterstützen. Es ist klar: Es wird
nicht mehr um Großansiedlungen gehen. Thema wird
vielmehr sein, dass wir den mittlerweile entstandenen
und etablierten Klein- und Mittelstand wachsen lassen,
damit er größer wird. Genau das ist das Ziel des ZIM
und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.
({8})
Dieser Titel, dessen Mittel zu sechs Siebteln den neuen
Bundesländern zustehen, bleibt auf etwa gleichem Niveau erhalten.
({9})
- Es ist wahr, dass dort auch gekürzt wird.
({10})
Wenn man aber nirgendwo kürzt, dann kann man die
Haushaltskonsolidierung nicht bewältigen. Ich denke,
was wir hier gemacht haben, ist erträglich und erlaubt
trotzdem die von mir formulierte Schwerpunktsetzung.
({11})
Sechstens. Von 2003 bis 2008 war Deutschland Exportweltmeister. Letztes Jahr hat uns China überholt. Genau hier sehe ich die Herausforderungen für die Zukunft.
Deutschland ist die führende Exportnation in Europa.
Wir müssen mit der Konkurrenz aus den USA und China
auf Augenhöhe bleiben. Deshalb ist gerade die Außenwirtschaftsförderung so wichtig. Sie hat nun ein Volumen von rund einer Viertelmilliarde Euro. Das sind
20 Prozent mehr als im letzten Jahr. Es ist wichtig, dass
wir unsere Player in diesem Spiel, die Auslandshandelskammern und die Germany Trade & Invest, stärken. Genau das tun wir mit diesem Haushalt, um dem Ziel, außenwirtschaftlich besser aufgestellt zu sein, gerecht zu
werden.
Siebtens. Vorgestern, am vergangenen Sonntag, ist die
ITB, die größte Tourismusmesse der Welt, in Berlin zu
Ende gegangen.
({12})
Gerade diese Messe hat wieder gezeigt, wie wichtig der
Tourismussektor ist, und zwar auch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten. Herr Schneider, ich kann nur
ein kleines Detail herausgreifen. Ich bräuchte einen ganzen Tag, wenn ich alle wirtschaftlichen Bereiche aufzählen wollte, um ein Gesamtbild zu malen. Auf jeden Fall
ist der Tourismus ein wichtiger Baustein. Deshalb ist es
richtig, ihn weiter in vernünftigem Maße zu fördern.
Ich wäre kein Abgeordneter meiner Region, wenn ich
nicht ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, erwähnen würde, und zwar das Thema Wismut-Sanierung. Die Botschaft lautet: Für die weitere kontinuierliche Sanierung und Rekultivierung der ehemaligen
Uranerzbergbau-Flächen in Sachsen und Thüringen
durch die Wismut haben wir für das laufende Jahr das
Geld eingeplant, das wir brauchen. Ich will es an dieser
Stelle klar formulieren: Diese Sanierung, die über viele
Jahre geht, ist wirklich ein Erfolg. Sie kann sich sehen
lassen, und auf sie können wir stolz sein. Wir sollten das,
was in den nächsten Jahren noch geleistet werden muss,
fortsetzen.
Ich komme zum Schluss. Ich möchte mich bei all denen bedanken, die mitgeholfen haben, dass wir bei den
Haushaltsberatungen in der letzten Woche zu diesem Ergebnis gekommen sind. Ich möchte mich auch bei den
Mitarbeitern des Ministeriums und den Mitarbeitern des
Haushaltsausschusses bedanken, die uns - so sage ich es
einmal - zum Teil haben ertragen müssen. Solche Haushaltsberatungen sind ziemlich turbulent, und es muss
ziemlich viel möglichst gleichzeitig gemacht werden.
Sie haben Großes geleistet. Dafür recht herzlichen Dank.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({13})
Das Wort hat nun Alexander Bonde für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
reden über einen Wirtschaftsetat in schwierigen Zeiten.
Wir sind in einer Situation, in der viele kleine und mittelständische Unternehmen noch immer schwer zu kämpfen haben. Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt erheblich
unter der konjunkturellen Lage leidet und noch leiden
wird, wenn sich die wirtschaftliche Situation so weiterentwickeln wird. Umso erstaunlicher ist es, dass der
Wirtschaftsminister in der öffentlichen Diskussion
nicht auftaucht, dass die ordnungspolitische Linie, die er
und seine Partei noch im Wahlkampf vertreten haben,
abgemeldet ist. Außer dem fortlaufenden Steuersenkungsmantra und Wachstumsträumen gibt es von diesem
Minister keinerlei Beitrag zur wirtschaftspolitischen
Diskussion.
({0})
Jetzt sind wir zum Glück in der Situation, dass sich
die Wachstumserwartungen auf 1,4 Prozent verbessert
haben. Diese Erholung der Konjunktur tritt aber nicht
wegen dieser Koalition, sondern trotz dieser Koalition
ein. Die Wirtschaftsentwicklung beruht nicht auf der
Leistung des Wirtschaftsministers, sondern sie findet
trotz eines Wirtschaftsministers statt, der mit letzter
Kraft in dieses Amt gerobbt ist.
({1})
Wir haben in den Debatten während der Haushaltsberatungen erlebt, dass diese Bundesregierung gar keine Vorstellung hat, wo eigentlich in Zukunft Wertschöpfung als
Basis unseres Wohlstands entstehen soll. Sie hat keine
Vorstellung, wo eigentlich die Jobs von morgen mit den
Produkten von morgen geschaffen werden sollen. Der
Einzelplan ist ein wilder Bauchladen von Subventiönchen hier und Unterstützungen da, für alle ein bisschen,
aber es ist keine Linie darin.
({2})
Es fehlt eine Analyse, was man für eine Volkswirtschaft
wie unsere mit ihrem großen Exportanteil, mit Leitbranchen wie Automobil- und Maschinenbau, die von dem
Konjunktureinbruch, aber auch von strukturellen Problemen massiv betroffen sind, tun kann. Mobilität wird in
Zukunft andere Produkte als die erfordern, die die deutschen Automobilbauer produzieren. Die Branchen werden von den Veränderungen des Klimas und dem Ressourcenmangel massiv betroffen sein, wenn die Politik
nicht in der Lage ist, einen ordnungspolitischen Rahmen
zu entwickeln, mit dem eine ökologische Modernisierung unserer Wirtschaft erreicht werden kann.
({3})
Wir alle wissen, dass wir schon heute daran arbeiten
müssen, um Produkte für die Märkte von morgen zu entwickeln. Damit werden Arbeitsplätze schon heute erhalten. In dieser Hinsicht ist beim Wirtschaftsminister Fehlanzeige, es ist Fehlanzeige bei diesem Einzelplan, den
wir hier beraten.
Man hört von der Koalition, dass die erneuerbaren
Energien wichtig seien, aber Reden und Handeln passen
nicht zusammen. Überall dort, wo es um die Rahmenbedingungen geht, damit wir an der Spitze bleiben, machen
Sie mit Sperren, Kürzungen, Verzetteln und Umwidmen
genau diese Zukunftsbereiche kaputt, anstatt auf sie zu
setzen.
({4})
Ihre ordnungspolitische Verwirrung ist mit Händen zu
greifen. Wer von der FDP sich noch einmal traut, vom
Rednerpult aus von Bürokratieabbau zu sprechen, der
sollte eigentlich sagen, was das Resultat der Hotelkettensubventionsbeschleunigungsnummer ist. Ich nehme an,
Sie bekommen die gleichen Briefe wie ich von Mittelständlern und Steuerberatern, in denen geschildert wird,
welche Auswirkungen Ihre Politik hat. Ich verweise auf
einen dreiseitigen, klein geschriebenen Text. Einen solchen Umfang braucht es schon, um diese Auswirkungen
deutlich zu machen. Das Resultat für die Inhaber kleiner
und mittelständischer Unternehmen ist: Sie fahren steuerlich und abrechnungstechnisch besser, wenn sie Sorge
tragen, dass eine Hotelbuchung nicht von dem Mitarbeiter erfolgt, der später auf einer Dienstreise in diesem Hotel übernachtet. Steuerliche Subventionen wie Ihre Mövenpick-Nummer haben derartige Detailregelungen zur
Folge.
({5})
Das ist Bürokratiewahnsinn. Diesen Schuh müssen Sie
sich anziehen. Sie schaffen ein Privileg für wenige und
massive, unproduktive Bürokratie für viele. Das Ganze
geht auf den Staatssekretär dieses Wirtschaftsministers
zurück. Man kann nur sagen: ordnungspolitische Helden, bezüglich Bürokratieabbau Maulhelden. Zum
Schluss hat nämlich niemand etwas von Ihren Klientelgeschenken, die Sie hier machen.
({6})
Stichwort „Kreditmediator“: Sie trauen sich nicht, in
der Frage der Finanzierung deutlich zu machen, dass die
Banken, die durch die öffentliche Hand gerettet worden
sind, jetzt Verantwortung dafür tragen, mit Nachdruck
das Ziel zu verfolgen, die Realwirtschaft mit Krediten zu
versorgen. Stattdessen machen sie eine Alibinummer: Irgendein Kumpel aus Rheinland-Pfalz wird gut bedacht.
5 Millionen Euro werden aus dem Steuersäckel zur Verfügung gestellt. Herrn Metternich finanziert man die
Gründung einer GmbH, die dem Bund nicht gehört, auf
die er keinen Einfluss hat und bei der er nicht weiß, was
in ihr passiert. Das alles ist doch eine Wurstelei, die in
dieser Krise keinem Menschen hilft. Da hat sich die FDP
übernommen. Geben Sie es endlich zu, und lassen Sie so
einen Unfug!
({7})
Ein weiteres aktuelles Beispiel: A400M. Herr Minister, Sie stellen sich vor die Kameras, geißeln das amerikanische Handeln, da mit Protektionismus die amerikanische Luftfahrtindustrie gegenüber der europäischen
Konkurrenz bevorzugt werde. Wenn der Verteidigungsminister exakt das Gleiche macht, wenn EADS in Sachen A400M für unternehmerisches Versagen Steuermilliarden hinterhergeworfen werden, dann stellt sich die
Frage: Wo ist da der große Ordnungspolitiker? Wo ist da
der Wettbewerbshüter Brüderle? Abgetaucht, abgetaucht, abgetaucht! Herr Minister, es ist eine Schande für
ein Land wie die Bundesrepublik, einen Wirtschaftsminister zu haben, der in so einer Situation keine Rolle
spielt, nicht auftaucht und nicht seinen Job macht.
({8})
Ich finde, Sie müssen schnell Ihre Haltung ablegen,
dass Wirtschaftspolitik das Subventionsgießkännchen
für Bereiche ist, die einem besonders wichtig sind. Sie
müssen aus der Falle herauskommen, zu glauben, man
könne immer mehr Geld in alte Strukturen pumpen. Was
wir heute brauchen, ist ein Neuanfang. Die Politik hat
die wichtige Rolle, umzusteuern. Wer wie Sie, Herr
Lindner, Rüstungsexporte für einen guten deutschen
Beitrag zur Weltwirtschaft hält, der sollte lieber ruhig
sein. Wir glauben, dass man da auf einen neuen Weg
muss,
({9})
dass die Ökologisierung der Wirtschaft der richtige Weg
ist und nicht die Unterstützung der Buddys in der Rüstungsindustrie, die Ihnen so am Herzen liegen.
({10})
Das Wort hat nun Eduard Oswald von der CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Alexander Bonde, unser Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle macht einen guten Job.
Er zeigt Perspektiven auf. Er macht seine Sache sehr gut,
und er hat unser Vertrauen.
({0})
Drei Fragen sind es, die sich uns stellen:
Erstens. Wie machen wir unser Finanzsystem krisenfest, damit sich das, was sich ereignet hat, nicht noch
einmal ereignet? Dabei ist klar: Die Welt braucht Regeln
für das globale Wirtschaften, Regeln, deren Einhaltung
sichergestellt sein muss. Hier gilt es, das richtige Maß
von Freiheit und Reglementierung zu finden.
Zweitens. Gerade in einer Situation, in der die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Lage der öffentlichen Haushalte in Europa und in der Eurozone zunimmt, ist es wichtig, dass wir als großes Mitgliedsland
bei der Haushaltskonsolidierung mit gutem Beispiel vorangehen und mit unserer Haushaltspolitik als Stabilitätsanker dienen.
Drittens. Wie erhöhen wir die Dynamik der Realwirtschaft, weil sich ohne mehr Wachstum alle anderen Probleme erst recht nicht lösen lassen? Gerade hier, liebe
Kolleginnen und Kollegen, ist Optimismus angesagt.
Tatsache ist, dass die Zuversicht in der deutschen Wirtschaft wächst, wie auch die heutigen Meldungen in der
Wirtschaftspresse deutlich machen.
Nur wenn das Finanzsystem stabil ist, kann sich die
Wirtschaft positiv entwickeln. Die Banken haben sich
zu weit von der übrigen Wirtschaft entfernt. Wenn die
Banken den Bezug zur Realwirtschaft einbüßen, dann
bekommen wir ein Ergebnis wie gehabt. Banken müssen
verinnerlichen, in welch erheblichem Maße der Steuerzahler für ihre Rettung geradestehen musste. Deshalb
sind die Banken, die von den Maßnahmen des Staates
profitiert haben, an den Kosten des Staates, der Steuerzahler also, zu beteiligen.
({1})
- An der Stelle hätte eigentlich meine Fraktion auch mitklatschen müssen.
({2})
- Die holen das jetzt nach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist notwendig,
dass der Staat einen Ordnungsrahmen bietet, um Freiheit
zu lassen und Leben ohne staatliche Bevormundung zu
gestalten. Für uns ist Wirtschaft nicht Selbstzweck, sondern sie hat immer und in jeder Phase dem Menschen zu
nutzen. Ohne leistungsfähige Betriebe, ohne einen stabilen Mittelstand, ohne florierendes Handwerk, ohne innovative Forschung und Entwicklung gibt es keine stabile
Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Fähigkeit, Innovationen zu entwickeln und erfolgreich auf den Weltmärkten
zu vermarkten, entscheidet mehr denn je über den Wohlstand und die wirtschaftliche Dynamik. Nur mit hochmodernen Eigenentwicklungen wird die deutsche Wirtschaft auf den Weltmärkten Erfolg haben.
Wir brauchen in vielen Bereichen einen Mentalitätswandel. Wir müssen wieder mehr Mut zum Risiko zeigen. Wir müssen Neues wagen, an unsere Ideen glauben
und auch stärker auf die Chancen des Fortschritts setzen.
Wir brauchen für viele Bereiche eine neue Begeisterung.
({3})
Diese Begeisterung braucht man auch in den Bereichen
der Bildung und auch, um neue Zukunftstechnologien
umzusetzen.
({4})
- Das ist die Meinung dieser Koalition. Deshalb gerade
eben auch der Beifall.
Neue Technologien dürfen also nicht als Bedrohung
verstanden werden, sondern als Chance.
({5})
Deutschland muss wieder zum Gründerland werden. Unser Ziel ist es, jungen und innovativen Unternehmen alle
Startmöglichkeiten zu geben. Dazu zählt auch, sie von
unnötigen Bürokratielasten zu befreien.
({6})
Selbstständigkeit muss wieder attraktiver gemacht werden.
({7})
Eine neue Gründerdynamik muss angestoßen werden.
({8})
Das ist unser Auftrag, und der Bundeswirtschaftsminister ist dabei, dies auch zu entwickeln.
({9})
Wir haben die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln
für Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Innovationen und Investitionen in Forschung und Entwicklung sind treibende Kräfte und die zentralen Triebfedern
unseres gesamten wirtschaftlichen Wachstums. Ich persönlich werbe für eine steuerliche Förderung in Forschung und Entwicklung.
({10})
Die themenspezifische Projektförderung ist unverzichtbar. Sie muss aber durch das themenoffene, breitenwirksamere, branchenoffene und leicht darstellbare Instrument der steuerlichen Forschungsförderung ergänzt
werden. Nur wenn wir in Forschung und Technologie investieren, können wir unser Wohlstandsniveau erhalten.
Wir müssen alte Dinge beiseite legen und uns neuen
Dingen zuwenden.
({11})
Wir müssen auch junge Menschen hin zur Technik führen. Begeisterungsfähigkeit für technische Vorgänge
führt dann auch zum Ergreifen technischer Berufe.
({12})
- Ich freue mich, dass Sie bei all den Dingen dann auch
zustimmen.
So wie die Forschung für die Wirtschaft der Schlüssel
für eine bessere Anpassungsfähigkeit an den technischen
Fortschritt ist, ist Bildung für den Menschen der Schlüssel zum gesellschaftlichen Aufstieg. Die Chancen unserer deutschen Volkswirtschaft hängen in hohem Maße
von gut ausgebildeten Fachkräften ab. Nur hervorragend
qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können
deutsche Spitzenpositionen bei Technologie und Innovation sichern. Die Qualität der Bildung entscheidet über
unsere Zukunft.
Unser Schulsystem muss in der Lage sein, Qualifikationen, Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die
dann auch Grundlage für eine gute Ausbildung sind. Der
Betrieb und das berufliche Schulwesen können nicht der
Reparaturbetrieb für das sein, was im Pflichtschulbereich versäumt wurde. Hier haben die Länder durchaus
noch Hausaufgaben zu machen.
({13})
Wenn wir von Bildung reden, müssen wir auch sicherstellen, dass unser Bildungssystem mehr als bisher
wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt. Es muss
auch die Erkenntnis vermittelt werden, dass unsere ZuEduard Oswald
kunft ganz davon abhängt, ob wir es schaffen, eine
Chancengesellschaft zu sein, in der sich Leistung und
Anstrengung lohnen. Ich möchte, dass die Informationsund Kommunikationstechnologie zum Markenzeichen
der deutschen Wirtschaft gehört. Auch hier hat der Wirtschaftsminister Akzente gesetzt.
Bis Ende des Jahres soll eine flächendeckende Breitbandversorgung in ganz Deutschland sichergestellt werden.
({14})
Auch für meine Fraktion sage ich deutlich: Eine Zweiteilung von Räumen und damit von Chancen der Menschen
dürfen und werden wir nicht zulassen. Ländliche Räume
dürfen nicht vom technischen Fortschritt abgeschnitten
werden.
({15})
Wir werden mit großer Aufmerksamkeit darauf achten,
dass diese Möglichkeiten flächendeckend vorhanden
sind.
So wie der Mittelstand eine verlässliche und stabile
Säule der deutschen Wirtschaft ist, so ist in keinem anderen führenden Industrieland die Bedeutung der Industrie so hoch wie in Deutschland. Auch in Zukunft muss
Deutschland seinen Platz in der internationalen Arbeitsteilung über die Industrie definieren. Ziel muss es sein,
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auszubauen und so das Industrieland Deutschland als Ganzes
zu stärken. Übrigens: Die deutsche Exportquote ist das
Ergebnis von Innovation, Qualität und eines fairen Wettbewerbs.
Die Industrie ist nicht nur ein fester Bestandteil unserer kulturellen Prägung. Sie steht auch für knapp
8 Millionen Beschäftigte und bildet Hunderttausende
junge Menschen aus. Wir müssen deutlich sagen: Wir
haben die Krise so gut überstanden, weil sich die Industrie in unserem Lande als robust erwiesen hat.
({16})
Der heutige Haushalt baut auf dem soliden Fundament auf, den die beiden vorherigen Wirtschaftsminister
der Großen Koalition mit erarbeitet haben.
({17})
- Es gibt keinen Beifall aus den Reihen der Sozialdemokraten. Schade! - Dieser Haushalt ist eine gute Basis, damit unsere Unternehmen ihre Spitzenplätze auf den
Weltmärkten behaupten und neue Positionen erringen
können. Mit diesem Haushalt stärken wir das Wachstum
der Wirtschaft und damit den Standort Deutschland, um
Arbeitsplätze in Deutschland - darum geht es - zu sichern und zu schaffen.
Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort hat nun Garrelt Duin für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Kollege Oswald, durch unsere gemeinsame Arbeit im Ausschuss habe ich Sie als einen CSUPolitiker mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit kennengelernt. Aber der erste Satz in Ihrer Rede lässt Zweifel daran aufkommen.
({0})
Denn für Ihre Behauptung, dass der Bundeswirtschaftsminister Brüderle einen Superjob mache, führen Sie in
den knapp 10 Minuten, in denen Sie geredet haben, keinen einzigen Beweis an. Das zeigt nur, dass Sie selbst
nicht daran glauben, was Sie am Anfang Ihrer Rede gesagt haben, nämlich dass Brüderle ein guter Minister sei.
({1})
Natürlich muss man jedem Minister 100 Tage als Einarbeitungszeit zugestehen.
({2})
Inzwischen sind wir einen Monat weiter, Herr Brüderle.
Aber klare Ziele und wirkungsvolle Maßnahmen können
wir nicht zur Kenntnis nehmen. Nichts ist passiert. Bei
mir in Ostfriesland würde man dazu sagen: abwarten und
Tee trinken. Das ist, wenn man seinen Altersruhesitz auf
einem Gehöft hat, sicherlich auch ein probates Motto,
aber nicht für den Wirtschaftsminister einer der größten
Volkswirtschaften der Welt.
({3})
Sie lassen in Ihrem Ministerium Berichte erstellen,
Kommissionen einsetzen, Untersuchungen einleiten und
Fragen stellen. Aber nichts Konkretes passiert. Ich habe
mehrfach darauf gedrängt - der Ausschussvorsitzende
und die Kollegen im Ausschuss können das bestätigen -,
dass wir eine Arbeitsplanung des Ministeriums erhalten.
Diese haben wir durch das Ausschusssekretariat zugeleitet bekommen. Ich will Ihnen diese Arbeitsplanung optisch nicht vorenthalten.
({4})
Diese beiden Seiten sind die Arbeitsplanung des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie beginnt mit dem wichtigen
Punkt „Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. November 2006 zur Konstitution … der Internationalen
Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992“.
({5})
Mit ähnlich bedeutungsvollen Punkten geht es in dieser
Arbeitsplanung weiter. Herr Brüderle, ich weiß nicht, ob
Sie in diese Arbeitsplanung involviert sind und ob Ihnen
bekannt ist, was Ihr Ministerium da vorhat.
({6})
Es spottet jeder Beschreibung. Es ist ein Dokument der
Untätigkeit und der Ideenlosigkeit. Das darf man diesem
Minister und seinem Ministerium nicht durchgehen lassen.
({7})
Wir werden es gleich in der Rede wahrscheinlich zum
wiederholten Male feststellen - wir haben das schon bei
der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, in der ersten
Lesung und an anderer Stelle erlebt -: Es wird angekündigt; aber die Ankündigungen werden durch nichts hinterlegt; im Zweifel wird noch einmal vertagt.
Die großen Fragen bleiben unbeantwortet. Wie kriegen wir es zum Beispiel hin, eine neue Balance zwischen
dem erfolgreichen Export und der zu schwachen Binnennachfrage zu schaffen? Da erwarte ich Antworten des
Bundeswirtschaftsministers. Wie kriegen wir es hin, in
Deutschland eine neue Investitionskultur zu schaffen?
Welche Instrumente brauchen wir - zum Beispiel bessere Abschreibungsbedingungen und Investitionszulagen -, damit wir, um nur ein Beispiel zu nennen, die
ökologische Modernisierung des Maschinenparks in
Deutschland effektiv voranbringen? Wo sind die Jobs
von morgen? Mit welchen Leitmärkten wollen wir agieren? In welche Leitmärkte soll investiert werden? Wie
können wir die Förderung so punktgenau anbringen,
dass wir zum Beispiel die Gesundheitswirtschaft, die
Luftfahrt, die Mobilitätswirtschaft und die Chemie, aber
auch die Bio- und Nanotechnologie - ich erwähne sie
ausdrücklich, weil sie gerade in die Diskussion eingebracht wurde - entscheidend fördern? Nicht zuletzt stellt
sich die Frage: Wie kann eine Forschungsförderung aussehen, die sich - da gebe ich dem Kollegen Oswald ausdrücklich recht - nicht allein auf die Projektfinanzierung
konzentriert, sondern auch - Kollege Riesenhuber, wir
haben inzwischen mehrfach darüber gesprochen - mit
Steuergutschriften hantiert?
Ich wage, es vorauszusagen: Herr Brüderle wird hier
gleich in seiner Rede sagen, dass er dem Instrument der
Steuergutschrift grundsätzlich offen gegenübersteht. Er
ist jetzt aber lange genug im Amt, um endlich einmal einen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen, damit
wir die Forschungsförderung gerade auch für kleine und
mittelständische Unternehmen in Deutschland tatsächlich voranbringen und uns nicht nur in Ankündigungen
ergehen.
({8})
Sie sind ein „Man-müsste-mal“-Minister. Der „Manmüsste-mal“-Minister sagt: Man müsste mal dem Handwerk helfen. Aber das Einzige, was kommt, ist der
Vorschlag einer Nullrunde - Zurückhaltung in den Tarifverhandlungen - und Ähnliches. Durch Ihre kommunalfeindliche Politik würgen Sie die Beschäftigungsmöglichkeiten im Handwerk ab. Herr Fuchs und andere, Sie
werden sich erinnern: Wir haben das Konjunkturpaket II
in der Großen Koalition gerade mit Blick auf das Handwerk auf den Weg gebracht. Das, was Sie jetzt machen
- Sie drehen den Kommunen den Hahn zu -, schadet
dieser Gruppe von Unternehmen, nämlich dem Mittelstand und dem Handwerk vor Ort, das bestimmte Aufträge künftig nicht mehr bekommen kann. Drehen Sie
auf diesem völlig falschen Weg um!
({9})
Der „Man-müsste-mal“-Minister sagt: Im Bereich der
Energie müsste man mal neue Dinge voranbringen. Es
passiert aber nichts. Ihr Konzept soll irgendwann im
Sommer vorgelegt werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken?
Aber immer.
Herr Kollege Duin, Sie haben eben auf das Handwerk
verwiesen und verschiedene Dinge angemahnt. Sind Sie
bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der Präsident
des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks letzte
Woche im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse
in München sehr positiv über das geäußert hat, was die
Bundesregierung für das Handwerk und für die Wirtschaft im Allgemeinen leistet?
({0})
Sehr geehrter Kollege Hinsken, ich habe nicht nur
wahrgenommen, was er in München gesagt hat. Ich war
selbst in München und habe dort verschiedene Gespräche mit verschiedenen Vertretern geführt. In der abgelaufenen Woche war der Präsident des Zentralverbandes
des Deutschen Handwerks zufällig bei mir im Wahlkreis,
anlässlich der Verabschiedung des dortigen Präsidenten
der Handwerkskammer. Weil er dort wiederholte, dass
politisch manches zugunsten des Handwerks auf den
Weg gebracht worden sei, nutzte ich die Gelegenheit, ihn
konkret darauf anzusprechen und nachzufragen. Er hat
bestätigt, dass insbesondere das Konjunkturprogramm
der Großen Koalition dem Handwerk vor Ort, den kleinen und mittelständischen Unternehmen mit drei oder
vier Beschäftigten, genutzt hat und dass auch er mit großer Skepsis sieht, was jetzt veranstaltet wird. Das Handwerk hat nämlich überhaupt nichts von der Klientelpolitik, die Sie hier in den letzten Monaten auf den Weg
gebracht haben. Ich nehme also sehr wohl zur Kenntnis,
was der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen
Handwerks sagt, und bin mit ihm vollkommen einer
Meinung, dass es längst nicht ausreicht, zu sagen, was
Sie für den Mittelstand tun könnten. Herr Kollege Hinsken, „man müsste mal“ reicht dort eben nicht aus.
({0})
Ich war beim Thema Energie. - Herr Umweltminister
Röttgen ist auch da. - Er freut sich natürlich ein Loch in
den Bauch, dass das Wirtschaftsministerium in dieser
Frage nicht zu Potte kommt und sein energiepolitisches
Konzept erst im Sommer oder im Herbst vorlegen will,
weil er nun einige Eckpunkte vorgeben kann: zurück in
das Atomzeitalter und extreme Schwächung der Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Er gibt
keine Antwort auf die Frage, wie es mit den Netzen weitergehen soll. Wie soll die Steuerungsfähigkeit des Staates dabei sichergestellt sein? Das Einzige, was in der Arbeitsplanung dazu vorgesehen ist, ist ein großer Nebel.
Es lässt sich fast täglich nachlesen, dass auch in der Koalition das Thema Entflechtungsgesetz längst nicht zu
Ende diskutiert ist.
({1})
Ich will einen weiteren Punkt des „Man-müsste-mal“Ministers ausdrücklich ansprechen. Es geht um die
Frage, wie man mit Opel umgeht. Sie haben 36 Fragen
- nach anderer Zählweise, wenn man die übrigen Punkte
mitzählt, sind es 53 Fragen - gestellt. Natürlich ist es
richtig, dass man GM Fragen zur Zukunft des Unternehmens stellt. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie sich
Woche für Woche hinter diesen Fragen verstecken, obwohl Sie schon einige Antworten haben. Es ist ja nicht
so, dass sie en bloc beantwortet werden, sondern sie werden Punkt für Punkt abgearbeitet.
({2})
Sie verstecken sich dahinter, dass die Europäische Union
doch bitte ex ante eine Prüfung vornehmen solle, obwohl
die Europäische Union Ihnen klipp und klar gesagt hat,
dass sie dazu nicht bereit ist.
Vier Ministerpräsidenten aus verschiedenen Bundesländern haben darum gebeten, endlich zu einem Spitzengespräch zusammenzukommen, damit klar wird, welche
Strategie die Bundesregierung gemeinsam, am besten
Hand in Hand mit den betroffenen Bundesländern verfolgt. Nichts tun sie! Sie verfolgen eine Hinhaltetaktik
auf dem Rücken der dort Beschäftigten. Die Unsicherheit wächst jede Woche. Sie müssten sich als Bundeswirtschaftsminister endlich einmal an die Spitze der
Bewegung setzen und sagen: Ich versuche, die Dinge zu
regeln.
({3})
Ich versuche, um die Arbeitsplätze in Deutschland zu
kämpfen.
({4})
Ich will verhindern, dass Subventionen dazu verwendet
werden, dass Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut und
an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. - Das wäre
Ihre Aufgabe. Stattdessen tun Sie nichts, nicht nur in diesem Bereich, sondern leider in viel zu vielen Bereichen.
({5})
Lassen Sie mich abschließend zu diesem Haushalt sagen: Als „Man-müsste-mal“-Minister wollten Sie in einigen Bereichen aufstocken. Das ist alles wieder weg.
Ob es die Beratung zum Energieeinsparen ist, ob es die
Innovationsberatung Mittelstand oder die von den Berichterstattern hoch gelobten Wirtschaftsbeziehungen
zum Ausland sind - alles ist weniger geworden. Deswegen gebe ich einem Vertreter aus der Wirtschaft recht, in
diesem Fall dem Präsidenten des Bundesverbandes für
Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, BGA,
Herrn Anton Börner, der sagt:
Die Koalition sollte sich endlich an die Arbeit machen, statt sich mit weiteren Kindereien aufzuhalten.
Genau das ist es, was wir von Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, verlangen: Machen Sie endlich Ihre Arbeit!
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat nun Bundesminister Rainer Brüderle.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Frühjahr kommt, es vertreibt den Winter, und zwar auch den
Konjunkturwinter. Die Politik hat das Ihrige getan.
({0})
Wir sorgen für konjunkturelle Frühlingswärme.
({1})
Unsere Entlastungen haben der Wirtschaft geholfen. Die
Verbraucher, vor allem Familien und Mittelstand, haben
mehr Geld zur Verfügung. Das stützt die Binnennachfrage. Wir sorgen für Wachstum. Wir sind auf dem richtigen Weg. Im Januar haben sich die Auftragseingänge
und die Produktion wieder belebt. Der Arbeitsmarkt hat
dem strengen Winter getrotzt. Wir müssen diesen Weg
beherzt weitergehen. In der Sozialpolitik heißt das: Der
Status quo gehört auf den Prüfstand.
Die SPD wollte zuerst keine Debatte; jetzt zieht sie
mit einem Papier nach. Sieben Jahre nach der Agenda
2010 wollen Sie davon nichts mehr wissen. Jetzt wollen
Sie eine Agenda 1970,
({2})
als hätte es die Wiedervereinigung, die Europäisierung
und die Globalisierung nicht gegeben. Sie setzen auf die
Konzepte der 70er-Jahre, die von massiver Umverteilung geprägt waren. In wenigen Wochen streifen Sie elf
Jahre Regierungsverantwortung ab. Sie rechnen auch
nicht so schnell damit, in die Regierungsverantwortung
zurückzukommen; sonst hätten Sie deutlich gesagt, was
Ihre Vorschläge kosten. Das Wirtschaftsministerium hat
einen groben Kostenvoranschlag gemacht: Die Kosten
für die Realisierung Ihrer Vorschläge belaufen sich auf
mindestens 10 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte; das ist eher der untere Rand.
({3})
Sie versuchen offensichtlich gerade, oppositionsfähig zu
werden. Regierungsfähig sind Sie derzeit nicht.
({4})
Die Null-Euro-Jobs der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidatin werden jetzt „Programm für soziale Arbeit“ genannt. Im Klartext: Sie schreiben mindestens
200 000 Menschen als arbeitsunfähig ab. Das ist nicht
der Ansatz der Bundesregierung. Die Bundesregierung
will allen eine Chance auf Arbeit geben. Wir wollen niemanden ausgrenzen. Wir wollen Menschen aus ihrer Abhängigkeit vom Sozialstaat befreien. Das geht nur durch
effektive Betreuung der Arbeitslosen vor Ort und durch
bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten.
({5})
So können auch Langzeitarbeitslose Schritt für Schritt in
den ersten Arbeitsmarkt kommen. Es geht um eine Balance zwischen denen, die Leistung beziehen, weil sie
bedürftig sind, und denen, die Leistung erbringen. Diese
Balance haben Teile der Opposition offenbar aus dem
Blick verloren.
({6})
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine persönliche Anmerkung: Der Vorsitzende der SPD hat meiner Partei Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen.
({7})
Diesen Vorwurf halte ich für total daneben. Demokraten
sollten nicht auf diese Weise miteinander umgehen.
({8})
Ich bin der Letzte, der nicht weiß, dass man im Eifer des
Gefechts zugespitzt formuliert. Ich hoffe aber, Herr Gabriel findet die Kraft, sich für diese Äußerung zu entschuldigen.
Meine Damen und Herren, der deutsche Aufschwung
lebt vom Export. Fast die Hälfte unserer Wirtschaftsleistung hängt vom Export ab; das wissen Sie alle. Das mag
dem einen oder anderen Land in Europa nicht passen.
Ich persönlich freue mich über die Wettbewerbsfähigkeit
deutscher Produkte. Deshalb werde ich demnächst eine
Außenwirtschaftsoffensive vorstellen.
({9})
Nicht nur die internationalen Märkte für Güter und
Dienstleistungen müssen wir erschließen.
({10})
- Herr Duin, wir unterscheiden uns von Ihnen: Wir denken zuerst nach und handeln dann. Sie haben ja schon resigniert, wie Ihr Parteivorsitzender aus Niedersachsen.
({11})
Es geht dabei auch um den Zugang zu wichtigen Rohstoff- und Energiequellen. Die Schwellenländer holen
auf. Wenn wir nicht zurückfallen wollen, müssen wir aktiv bleiben.
Der Schwerpunkt wird natürlich auf Delegationsreisen liegen. Nichts ersetzt Kontakte vor Ort.
({12})
Ich finde es schädlich, wie Teile der Opposition Delegationsreisen für durchsichtige innenpolitische Kampagnen missbrauchen.
({13})
Ihnen ist offenbar gar nicht bewusst, welchen Schaden
Sie Deutschland und der deutschen Wirtschaft damit zufügen. Delegationsreisen werden weiterhin so zusammengesetzt, dass sie Deutschland nützen.
({14})
Firmen, die sich von Außenminister a. D. Dr. Joseph Fischer beraten lassen, werden genauso berücksichtigt wie
andere Mitbewerber.
({15})
Ich werde weiterhin im Ausland Unternehmen besuchen,
die sich von Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder vertreten lassen.
({16})
Nur gegen einen Rat von Frau Künast habe ich Vorbehalte. Sie hat empfohlen, Toyota zu fahren. Da klemmt
offenbar irgendwo ein Gaspedal.
({17})
Der Bundesregierung geht es darum, deutsche Produkte und Dienstleistungen im Ausland zu fördern.
({18})
Teile der Opposition mögen da Beklemmungen bekommen. Für mich ist Wirtschaftspatriotismus kein Schimpfwort.
({19})
Deutschland lebt vom Freihandel, von offenen Märkten.
Das kann man nicht vom Schreibtisch aus unterstützen.
Im Bundeswirtschaftsministerium sind 144 Millionen Euro
für die Exportförderung eingestellt. Jeder Cent davon ist
gut angelegt.
({20})
Die Bundesregierung wird aber auch Maßnahmen zur
Stärkung der Binnenkonjunktur ergreifen. Wir sorgen
dafür, dass Energie bezahlbar bleibt. Als Brücke in das
regenerative Zeitalter brauchen wir die Kernenergie.
({21})
Wir brauchen Strom aus sauberer Kohle. CCS ist für
mich eine Zukunftstechnologie.
({22})
Sie darf aber nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der
Transrapid oder Teile der Biotechnologie. Wenn wir
überall die Technologieführerschaft abgeben, dann werden wir unseren Wohlstand auf Dauer nicht halten können, dann werden wir Arbeitsplätze nicht erhalten und
neue Arbeitsplätze nicht schaffen können.
({23})
Gerade bei der Energieerzeugung darf es keine Denkverbote geben. Wir werden den Energiemix in Richtung erneuerbare Energien umbauen. Wir werden das aber nicht
auf Kosten des Industriestandortes und der Verbraucher
tun.
Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen
im Ausschuss für die zum großen Teil konstruktiven
Haushaltsberatungen. Insgesamt ist der Einzelplan im
zweiten Regierungsentwurf um 160 Millionen Euro reduziert worden. Sie sehen, dass wir schon in diesem Jahr
ein kleines Sparsignal setzen. Die Konsolidierungsanstrengungen werden natürlich zunehmen und zunehmen müssen.
({24})
Wir haben einen klaren Wachstumskurs eingeschlagen.
Wenn es uns aber nicht gelingt, mehr Wachstum zu bewirken, werden wir die Haushalte nicht konsolidieren
können. Deshalb ist die Zwei-Schritt-Konzeption der
Bundesregierung richtig:
({25})
Wir müssen erst das Wachstum stärken, indem wir entlasten, und dann den Haushalt konsolidieren, damit es
nachhaltig wirkt.
Wenn die ausländische Presse heute in Überschriften
kritisiert, die deutsche Wirtschaft sei zu stark,
({26})
dann ist das ein Kompliment für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die Unternehmen und den Mittelstand, die die Restrukturierung in der deutschen Wirtschaft bewerkstelligt haben,
({27})
aber auch für die Bundesregierung, die die Weichen richtig gestellt hat. Wenn Sie das alles runtermachen, dann
werden Sie das Konjunkturpflänzchen, das wir haben
- es ist noch kein selbsttragender Aufschwung -, gefährden. Wenn Sie das alles zerreden, wenn Sie sagen, was
wir machen, sei Mist und verkehrt, dann ist das kein Beitrag, um den Aufschwung, den wir stärken müssen, zu
stärken. Sie sollten sich hinter die Konzeption der Bundesregierung stellen und ruhig einmal anerkennen, dass
wir etwas Vernünftiges machen.
({28})
Obwohl wir die Bürgerinnen und Bürger zum 1. Januar dieses Jahres bereits steuerlich entlastet haben - wir
streben insgesamt eine Entlastung um 24 Milliarden
Euro an -, legen wir einen Haushalt vor, der wichtige
Entscheidungen enthält, um die Verschuldung ein Stück
abzubauen. Damit setzen wir das Signal: Wir meinen es
ernst damit, einerseits das Wachstum zu stärken und andererseits zu konsolidieren. Das ist eine Doppelstrategie,
die genau das bewirkt, was Deutschland stark macht, offenbar so stark, dass selbst unsere französischen Freunde
sagen, wir seien zu stark. Wir sind auf dem richtigen
Kurs. Wir sollten das nicht zerreden. Wir sollten den
Kurs konsequent beibehalten.
Meine Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, dass Sie sich nach den miserablen Wahlergebnissen in einem Suchprozess befinden, verstehe
ich. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich wieder finden.
Aber Sie sollten das nicht zulasten der Chancen für mehr
Beschäftigung in Deutschland tun.
({29})
Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Bundesminister, warmen Wind haben Sie
angekündigt, warmen Wind haben Sie abgeliefert, aber
Ihrer Verantwortung als Bundesminister sind Sie mit der
Rede nicht nachgekommen. Das will ich Ihnen deutlich
sagen.
({0})
Wir haben bei der Debatte zum vorherigen Tagesordnungspunkt von der Koalition sehr oft erzählt bekommen, welch unendlich große Dimension der Sozialetat
hat. Was die Zahlen anbetrifft, stimmt das. Aber lassen
Sie uns das einmal anders betrachten. Wir brauchen so
unendlich viel Geld für den Sozialetat, weil es sich um
einen gigantischen wirtschafts- und sozialpolitischen
Reparaturbetrieb handelt. Wir betreiben hier soziale
Nachsorge. Sie haben die Gesellschaft mit Ihrer Politik
so kaputt gemacht, dass man hinterher so viel Nachsorge
braucht. In der Tat bringen Sie Wirtschafts-, Finanz- und
Sozialpolitik nicht zusammen. Das ist doch das Problem,
mit dem wir es hier zu tun haben.
({1})
Hätten wir armutsfeste Renten, hätten wir auskömmliche
Löhne und Gehälter und hätten wir Arbeit für alle, die
arbeiten wollen, bräuchten wir den Etat in dieser Größenordnung überhaupt nicht einzustellen.
({2})
Die Linke will eine Wirtschaftspolitik, die dem Mittelstand und Existenzgründern Zukunftschancen eröffnet
und nicht verbaut, die Arbeit schafft, von der Beschäftigte sorgenfrei leben können, und zu mehr wirtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit gleichermaßen
beiträgt. Kleiner geht es in der Tat nicht.
Die Realität des Jahres 2010 sieht völlig anders aus.
Wir haben es inzwischen mit einer doppelten Zukunftsangst zu tun. Da sind auf der einen Seite Existenzgründer und kleine Unternehmen, die nicht wissen, wie sie
ihren Betrieb in die nächsten Jahre führen sollen, und auf
der anderen Seite Beschäftigte, die zum Teil mit Armutslöhnen auskommen müssen. Heute hören wir, dass insbesondere Berufseinsteiger befristete Verträge inzwischen als Realität akzeptieren müssen.
Die Wahrheit in der Krise ist doch: Unsicherheit regiert die Arbeitswelt. Für den Erhalt der Jobs wird nahezu alles in Kauf genommen. Hier greift nicht nur die
staatliche Kurzarbeitsregelung - lügen wir uns doch
nicht in die Tasche -; in sehr vielen Betrieben, insbesondere im Osten, werden auch noch betriebliche Kurzarbeitsregelungen mit Lohnverzicht vereinbart, denen
die Belegschaften sogar zustimmen. Gleichzeitig ist jede
Menge Selbstausbeutung zu beobachten, gerade im Mittelstand, bei Geschäftsführern, bei leitenden Angestellten, die den Banken machtlos gegenüberstehen. Deshalb
ist richtig: Erst wenn die Dominanz der sogenannten
Finanzwirtschaft über die sogenannte Realwirtschaft gebrochen ist, kann man überhaupt erst wieder von sozialer
Marktwirtschaft reden.
({3})
Schlimm genug, dass Ihnen das ein Sozialist erklären
muss! Zwar habe ich dieser Tage gelesen, dass auch Angela Merkel dies in Luxemburg gesagt hat; aber in der
praktischen Politik erlebe ich genau das Gegenteil.
Vor diesem Hintergrund bewerten wir auch Ihren Etat
und damit die Politik Ihres Ministeriums. Im Grunde beinhaltet dieser Etat die Verwaltung Ihrer Behörden und
einen gehörigen Lobbyismus. Gegen eine gute Behördenverwaltung ist nichts einzuwenden. Beim Bundeskartellamt würden wir sogar eine noch bessere Ausstattung befürworten, weil das Geld dort allemal wieder
hereinkommt. Der unverhohlene Subventionismus von
staatsnahen Monopolisten in der Flugzeugindustrie hingegen ist alles Mögliche; aber liberale Politik kann das
nicht sein.
({4})
Die Zeit, in der wir leben, ruft regelrecht nach einem
beherzten Wirtschaftsminister; aber die Koalition hat
uns mit Rainer Brüderle gesegnet. Herr Minister, man
kann Sie auch als Grußwortminister bezeichnen.
({5})
Egal von welchen Verbänden man eingeladen wird oder
ob man sich auf ein vernünftiges Gespräch bei einer
Konferenz oder am Abend freut, vorher wurde leider immer erst eine Brüderle-Rede auf die Tagesordnung gesetzt.
({6})
Herr Minister, ich muss Sie fragen: Wann machen Sie eigentlich Ihren Job?
Besonders fatal wirkt sich die unterlassene Wirtschaftspolitik in Ostdeutschland aus. In diesen Tagen
wurde eine Analyse der Wirtschaftsmedien unterbreitet,
und siehe da: Gerade einmal 1,5 Prozent der Unternehmen, die darin erwähnt werden, stammen aus Ostdeutschland. Im Osten gibt es nicht eine einzige Firmenzentrale.
Es ist nach wie vor so, dass die 100 leistungsstärksten ostdeutschen Unternehmen zusammen nicht einmal die
Hälfte der Leistungskraft von Daimler erreichen.
Um es an einem markanten Beispiel deutlich zu machen: Der Osten hat bei der Einführung erneuerbarer
Technologien einen Erfahrungsvorsprung. Das hat damit
zu tun, dass neue technologische Schritte immer auch
gesellschaftspolitische Veränderungen nach sich ziehen
und dabei auch Chancen im Osten genutzt wurden; ich
persönlich unterstütze das ausdrücklich in Sachsen-Anhalt. Obwohl der Osten in diesem Bereich vorn dabei ist,
werden ihm durch die Kürzungen im Bereich der erneuerbaren Energien die Zukunftschancen verbaut. Die
Proteste der ostdeutschen Landesregierungen haben Sie
bislang genauso ignoriert wie die Proteste der Opposition. Ich sage Ihnen: Hinnehmen werden wir das deshalb
noch lange nicht!
({7})
Besonders perfide ist, wie Sie so etwas begleiten. Sie haben einen neuen Begriff erfunden: Überförderung. Wer
will denn etwas überfördern? Sie haben diesen Begriff
erfunden, um einer modernen, zukunftsfähigen Branche
die Chancen zu nehmen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
({8})
Die wirtschaftspolitischen Vorschläge der Koalition sind
für uns nicht tragbar. Wir lehnen den Etat ab. Die wirtschafts- und sozialpolitische Initiative in diesem Land
hat einen Namen: die Linke in Ost und West.
({9})
Das Wort hat nun Ingrid Nestle für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle, Sie
wollen Weltmeister sein bei der Energieeffizienz - zu
Recht; denn die Energieeffizienz ist ein zentraler Baustein für Klimaschutz und Energiewende. Aber wo bleibt
der große Wurf in Sachen Energieeffizienz?
({0})
Ja, Sie haben in Ihrem Haushaltsplan verstreut ein paar
kleine Programme für Energieeffizienz; aber Sie haben
nichts, was der Größe dieser Herausforderung auch nur
annähernd gerecht werden könnte, nichts, was ausreichen würde, um die Ziele bei der Energieeffizienz, die
die Bundesregierungen seit Jahren verfehlen, zu erreichen.
Energieeffizienz unterstützt auch den Mittelstand. Wo
ist eigentlich Ihre Mittelstandspolitik? Erst letzten Freitag haben 150 Stadtwerke laut um Hilfe gerufen, weil
Sie, indem Sie die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängern wollen, die Investitionssicherheit hinwegfegen
und neue Investitionen erschweren.
Manchmal, Herr Minister, haben Sie durchaus recht.
Desertec und das Nordseenetz sind gute Ideen. Große
Netze, die verschiedene Regionen mit erneuerbaren Energien vernetzen, können dazu beitragen, dass Strom aus
erneuerbaren Energien immer zur Verfügung steht, nicht
nur dann, wenn bei uns der Wind weht oder die Sonne
scheint. In Ihrem Haushaltsplan findet man allerdings
keinen einzigen Euro für diese guten Ideen.
({1})
Ein lapidares „Private sollen das finanzieren“ reicht
nicht. Nein, Sie müssen auch öffentliche Gelder in die
Hand nehmen für Planung und Bau dieser Netze. Ich
will Ihnen drei Gründe dafür nennen.
Erstens. Bei allen Projekten für die Energiewende,
bei denen man auf das Geld der vier großen Energieversorger gesetzt hat, ging die Entwicklung entweder in die
falsche Richtung oder vollzog sich viel zu langsam. In
die falsche Richtung ging es zum Beispiel mit dem Bau
neuer Kohlekraftwerke, die auf Jahrzehnte viel zu viel
CO2 in die Atmosphäre entlassen werden.
({2})
Viel zu langsam vollzieht sich die Entwicklung zum Beispiel bei Offshore-Windparks. Die Bundesregierung hat
sich von den großen Energieversorgungsunternehmen
einen viel schnelleren Ausbau der Offshore-Anlagen erhofft. Ohne Subventionen des BMU wäre der erste Park
noch immer nicht am Netz. Wir können uns also nicht
darauf verlassen, dass die Supernetze ausgerechnet von
den Konzernen ausgebaut werden, die die Märkte lieber
abschotten, um für den Strom, den sie in ihren eigenen
Kraftwerken erzeugen, hohe Preise durchzusetzen.
({3})
Der zweite Grund, warum es sich lohnt, hierfür auch
öffentliche Gelder in die Hand zu nehmen: Wettbewerb.
Monopole gehören nicht in private Hand.
({4})
Der Aufbau neuer Netze ist eine Chance für den Staat,
Teile des Netzes wieder selbst in die Hand zu nehmen
und zu kontrollieren. Einen privaten Monopolisten, der
einem nie die vollständigen Daten und Fakten rechtzeitig
zur Verfügung stellt, zu regulieren, ist immer ineffizienter, als selbst den Betrieb zu übernehmen.
Der dritte Grund, warum es sich lohnt, hierfür staatliche Gelder in die Hand zu nehmen: Das ist endlich einmal eine Investition, die Gewinne für den Bundeshaushalt einspielen kann; denn die Renditen aus dem Betrieb
der Supernetze werden deutlich höher sein als die Zinsen, die wir zahlen müssen für das Geld, das wir aufnehmen, um diese Netze zu bauen. Endlich einmal haben
wir eine Investition, die künftige Haushalte entlastet.
({5})
Sie stocken die Mittel für die Luftfahrt um
50 Millionen Euro auf. Anstatt abzuheben, sollten Sie
lieber in den Ausbau der Stromnetze investieren. Nur so
können Sie die Energiewende voranbringen; nur so garantieren Sie Wettbewerb. Darüber hinaus können Sie
Gewinne für den Bundeshaushalt generieren.
Reden Sie nicht nur von nachhaltiger Energiepolitik,
sondern handeln Sie auch! Investieren Sie in den Ausbau
der Netze und in Energieeffizienz, und sorgen Sie für Investitionssicherheit, anstatt sie durch die Verlängerung
der Laufzeit von Atomkraftwerken zu verhindern.
Danke.
({6})
Frau Kollegin Nestle, dies war Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle
guten Wünsche für die weitere Arbeit!
({0})
Das Wort hat nun Michael Fuchs für die CDU/CSUFraktion.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist der
Kollege Schneider schon gegangen, obwohl man in einer
solchen Debatte üblicherweise dableibt.
({0})
Herr Duin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm ausrichten würden: Erstens habe ich heute den Eindruck gewinnen müssen, dass zwei Reden an einem Tag zu viel
für ihn sind. Zweitens habe ich den Eindruck gewinnen
müssen, dass er des Lesens nicht kundig ist; denn er
sprach von der Kreditklemme. Auf diese Kreditklemme
hat der Bundeswirtschaftsminister in der letzten Woche
fokussiert und ist sie richtig angegangen.
Ich habe mir das gerade einmal herausgesucht: Sowohl von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft als auch von den Spitzenverbänden der Banken
wurde gemäß dem Bundesfinanzministerium festgestellt
- Lesen bildet, Herr Duin; das sollte man vielleicht gelesen haben -, dass es keine flächendeckende Kreditklemme gibt.
({1})
Dies steht in dem Abschlusskommuniqué; das ist Ihnen
genauso zugänglich, wie es mir zugänglich ist. Deswegen ärgert es mich, wenn etwas dann einfach so behauptet wird. Das sollte man nicht tun.
Meine Damen und Herren, ich halte es für sehr wichtig, dass wir hier im Deutschen Bundestag nicht aus
durchsichtigen Gründen so tun, als gäbe es diese flächendeckende Kreditklemme; denn es ist natürlich nicht
in Ordnung, dass wir die Banken jetzt dafür beschimpfen, dass sie nicht genügend Risiko eingehen, während
wir sie vorher dafür beschimpft haben, dass sie zu viel
Risiko eingegangen sind. Hier sollten wir also genau
wissen, was wir tun.
Basel II ist richtig. Die Banken müssen die Kredite,
die sie an bestimmte Unternehmen vergeben, in dem einen oder anderen Fall nun mit mehr Eigenkapital unterlegen. Das ist von uns so gewollt; das haben wir hier gemeinsam so beschlossen. Deshalb sollten wir bitte dazu
stehen.
Nun aber zu einem anderen Thema. Gestern habe ich
zwei Dinge von Frankreich gelernt:
Erstens. Frankreich beschäftigt in der Exportförderung doppelt so viele Beamte wie Deutschland, doch der
Umfang der französischen Exporte beträgt gerade einmal die Hälfte.
Zweitens. Präsident Sarkozy hat am 4. März 2010
eine Conclusion des Etats Généraux de l’Industrie herausgegeben und dabei zusätzlich die Förderung der
französischen Exporte durch die EU gefordert. Außerdem habe ich die Worte von Frau Lagarde, der Finanzministerin, gehört, dass wir unseren Exportüberschuss
jetzt einmal zurückfahren müssten.
Das weise ich mit Nachdruck zurück.
({2})
Es ist absurd, dass Deutschland schwächer werden soll,
damit die Schwäche der Franzosen nicht auffällt. Anders
kann man das ja wohl nicht sagen.
({3})
Da die Franzosen in diesem Jahr ein Staatsdefizit
bzw. eine Nettoneuverschuldung von 8,2 Prozent haben
werden - wir haben mit unseren rund 5,5 Prozent auch
noch immer viel zu viel -, sollten sie sich erst einmal damit beschäftigen. Die Gewerkschaften, die Unternehmen
und die Arbeitgeberverbände in Deutschland haben in
den letzten Jahren eine vernünftige Tarifpolitik gemacht,
die dazu geführt hat, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit
international gestiegen ist. Wir haben unsere Hausaufgaben Gott sei Dank richtig gemacht. Das lasse ich mir von
niemandem verbieten. Das war eine krisenangepasste
Politik für die deutsche Wirtschaft, und das war auch gut
so. Dass wir dadurch exportfähig sind, muss so bleiben;
das brauchen wir.
({4})
Ich will sehr deutlich sagen: Das zeigt, dass wir keine
europäische Wirtschaftspolitik brauchen, wenn diese europäische Politik bedeutet, dass die stärkeren Länder
schwächer werden müssen, weil die schwächeren Länder keine Lust haben, stärker zu werden. Das kann es
nicht sein; das kann keine europäische Wirtschaftspolitik
sein. Das müssen wir verhindern.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Exportwirtschaft war in den letzten Jahren die stützende, die tragende Säule unseres Wirtschaftswachstums. Wenn wir
sie nicht gehabt hätten, dann würde nicht rund ein Drittel
der Arbeitsplätze mittlerweile im Bereich des Exports zu
finden sein. Genau das brauchen wir. Deutschland kann
nicht ohne den Export leben. Wir haben hochinteressante
und spezialisierte Produkte, die wir nicht alleine in
Deutschland verkaufen können. Wir müssen sie auch auf
den Weltmärkten verkaufen.
Deswegen finde ich es richtig, dass der Haushalt stark
exportorientiert ist. In diesem Haushalt werden insgesamt 255 Millionen Euro für die Exportförderung veranschlagt. Ich bin froh, dass wir Hermesbürgschaften,
Außenhandelskammern, Auslandsmessen etc. fördern.
Diese Außenwirtschaftsförderung - dafür bin ich dem
Wirtschaftsminister ausgesprochen dankbar - muss so
weiterlaufen.
Ich halte es auch für dringend notwendig, dass der
Wirtschaftsminister mit Delegationen ins Ausland reist.
Ich selber habe an einer solchen Reise mit Herrn Brüderle teilgenommen. Sie war sehr erfolgreich, und zwar
auch in Ihrem Sinne, im grünen Sinne. Wir waren zusammen mit Siemens in China. Siemens baut in China
jetzt die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Leitung - HGÜ; das ist ein kompliziertes Wort -,
eine Technologie, die vollkommen neu ist und dazu
führt, dass vom Drei-Schluchten-Damm, wo aus Wasserkraft Strom hergestellt wird, Strom in Richtung Shanghai übertragen wird.
Nebenbei: Die Chinesen haben sich vorgenommen,
das innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Das muss
auch unsere Aufgabe in diesem Hause sein. Herr Minister, wir müssen dafür sorgen, dass so etwas auch in
Deutschland innerhalb von zwei Jahren möglich ist.
Auch bei uns muss die neue Schnellbauweise von Netzen möglich sein. Es kann nicht sein, dass es hier aufgrund von Planfeststellungs- und Baugenehmigungsverfahren zig Jahre dauert.
Wenn wir mit erneuerbaren Energien erfolgreich sein
wollen, dann müssen Transportmöglichkeiten ins Landesinnere vorhanden sein. Es muss selbstverständlich werden, dass Offshore-Energie aus der Nord- oder Ostsee
nach Bayern oder Baden-Württemberg transportiert
wird, sonst kann das mit den erneuerbaren Energien
nicht funktionieren.
({6})
Wir müssen uns eine Scheibe von dem, was die Chinesen machen, abschneiden. Denn sie sind im Hinblick
auf die Energieversorgung vorbildlich. Sie haben erkannt, dass die Wirtschaftspolitik nur dann richtig funktionieren kann, wenn die Energiepolitik ebenfalls funktioniert.
Dies ist aber nur bei Preisen realisierbar, die es ermöglichen, dass die Wirtschaft funktioniert. Darauf müssen
wir uns auch hier verständigen. Ich bin absolut dafür, dass
wir eine Energiepolitik betreiben, die sich immer daran
orientiert, dass Deutschland ein Industrieland ist. Meine
Vorstellung von Deutschland ist die eines Industrielands.
Nur wenn Deutschland das bleibt, macht es Spaß, hier zu
leben. Wir brauchen die deutsche Wirtschaft und die deutsche Industrie. Dafür werden wir kämpfen, und dazu
gehören Energiepreise, die in Deutschland die Schwermetallindustrie, die Zinkverhüttung oder die Aluminiumund die Papierindustrie nach wie vor ermöglichen und
auch für den Verbraucher bezahlbar sind.
Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hempelmann?
Wenn es denn sein muss.
({0})
- Sicher. Ich war aber fast fertig.
Bitte.
Vielleicht mache ich Ihnen eine Freude mit der Zwischenfrage.
({0})
Sie haben sich eben darüber ausgelassen, was in China
alles geht und in Deutschland nicht. Als Beispiel haben
Sie die HGÜ-Leitung genannt. Daher meine Frage: Hat
es einen Mentalitätswandel in Ihrer Fraktion gegeben?
Wir haben nämlich im letzten Jahr über das Energieleitungsausbaugesetz verhandelt. Unser Vorschlag war,
auch in Deutschland die Türen für ein erstes Referenzprojekt in Sachen HGÜ zu öffnen. Das ist damals von Ihrer Seite abgelehnt worden. Meine Frage ist also: Hat ein
Mentalitätswandel stattgefunden? Gehen Sie davon aus,
dass wir in nächster Zeit etwas auf den Tisch bekommen?
Wir sind durchaus der Meinung, dass es, wenn wir ein
komplettes Netzwerk aufbauen müssen, notwendig ist,
Strom, der beispielsweise in Offshore-Parks entsteht, in
die Region zu bringen, in der er verbraucht wird; das
habe ich eben bereits gesagt. Anders macht es keinen
Sinn. Denn wir werden diesen Strom wahrscheinlich
nicht auf Norderney oder auf Sylt brauchen. Ich gehe
also davon aus, dass es notwendig ist, den Strom in die
Regionen zu bringen, in denen er auch wirklich benötigt
wird. Deswegen müssen diese Leitungen gebaut werden.
Wenn wir mit HGÜ mittlerweile eine Technologie haben, durch die es auf einer Strecke von 1 000 Kilometern
zu einem Stromverlust von nur 2 bis 3 Prozent kommt,
dann kann ich sagen: Das macht Sinn.
({0})
Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass das ermöglicht
wird.
Weiter zu den Energiepreisen. Die Energiepreise in
Deutschland müssen konkurrenz- und wettbewerbsfähig
sein. Es kann nicht sein, dass wir aufgrund des Einsatzes
von erneuerbaren Energien so hohe Preise haben, dass in
Deutschland Arbeitsplätze wegfallen. Ich möchte das an
einem Beispiel aus meinem Wahlkreis verdeutlichen. In
Koblenz gibt es eine Firma, die Kimberly-Clark heißt.
Sie ist besser bekannt unter dem Namen Kleenex und
stellt Papier im großen Stil her. Sie hat in ganz Europa
baugleiche Papiermaschinen. In Koblenz verbrauchen
diese Maschinen bei einer Laufzeit von 365 Tagen rund
26 Millionen pro Jahr. In Frankreich steht eine baugleiche Maschine, die nur 17 Millionen verbraucht. Irgendwann einmal wird unter Umständen der amerikanische
Mutterkonzern beschließen: Wir packen die Maschine
und schieben sie dahin, wo der Strom billiger ist. Das
kann nicht unser Ziel sein. Daran müssen wir arbeiten.
Ich betone noch einmal: Ich möchte, dass Deutschland
ein Industriestandort bleibt.
Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit noch ein bisschen verlängern? Die Kollegin Höhn möchte eine Zwischenfrage stellen.
Ich habe bis heute Abend Zeit.
Bitte schön.
Herr Kollege Fuchs, wenn Sie den Standort in Ihrem
Wahlkreis erhalten wollen und über zu hohe Energiepreise klagen, frage ich Sie: Sind Sie mit uns der Meinung, dass die hohen Energiepreise daher rühren, dass
wir keinen Wettbewerb haben, sondern dass es vier
große Energiekonzerne gibt, die in den letzten fünf Jahren zulasten der Bevölkerung ihren Gewinn von
12 Milliarden auf 18 Milliarden Euro gesteigert haben,
und dass die viel zu hohen Energiepreise den Standort
des von Ihnen genannten Unternehmens gefährden?
Wollen Sie mit uns zusammen mehr Wettbewerb einführen und damit die Macht der vier großen Energiekonzerne kappen, statt die Laufzeiten für Atomkraftwerke
zu verlängern? Denn genau damit verlängern Sie die
Monopole, steigern die Energiepreise und belasten damit
das Unternehmen in Ihrem Wahlkreis.
({0})
Frau Kollegin, ich bin gerade nicht Ihrer Meinung. Wir
haben vier Energiekonzerne, aber es war beispielsweise
Rot-Grün, die zu einer Verstärkung der Monopolisierung
beigetragen haben. Ich sage nur Ruhrgas, STEAG etc.
({0})
Das haben Sie damals mit einer Ministererlaubnis ermöglicht. Ich verstehe nicht, warum Sie sich über etwas
beschweren, was Sie selbst gemacht haben.
({1})
Wir sollten uns aber auch um die Binnennachfrage
kümmern. Wir haben mit den Gesetzen, die zum
1. Januar 2010 in Kraft getreten sind, die Binnennachfrage gesteigert. Wir haben das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gemacht, und wir haben noch mit Ihnen zusammen das Bürgerentlastungsgesetz gemacht. Das war
auch sinnvoll. Seit dem 1. Januar 2010 ist den Bürgern
ein Entlastungsvolumen von rund 22 Milliarden Euro
zugutegekommen. Wir haben den Kinderfreibetrag auf
7 008 Euro erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht,
worüber sich der eine oder andere beschwert hat. Ich
halte es für richtig, dass wir kinderreiche Familien unterstützen.
Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt erst ab einem Einkommen von rund 30 000 Euro Steuern. Wir haben etliches für die Unternehmen getan. Wir haben den Fehler
bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern, den wir gemeinsam gemacht haben, wieder bereinigt. Das war
schon ein Ansatz zum Bürokratieabbau. Wir müssen
selbstverständlich auf diesem Sektor noch weitermachen.
Etliche Punkte müssen noch verstärkt werden. Das
wissen wir, und das weiß der Bundeswirtschaftsminister.
Das werden wir gemeinsam machen. Vor allen Dingen
auf dem Sektor Bürokratieabbau wird sich auch in diesem Jahr noch etliches tun.
Ich bin relativ optimistisch. Der Bundeswirtschaftsminister hat ein Wachstum von 1,4 Prozent prognostiziert. Lieber Herr Brüderle, ich glaube, es wird mehr.
Denn mittlerweile gehen sämtliche Banken von rund
2 Prozent aus. Wir sind auf einem guten Weg. Lassen Sie
uns diesen Weg verstetigen und verstärken. Dann werden wir allesamt erfreut auf die Wirtschaftsleistung dieses Landes blicken können.
({2})
Das Wort hat nun Wolfgang Tiefensee für die SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Gäste! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle! Wir diskutieren den Haushalt des Wirtschaftsministeriums in schwieriger Zeit. Er besteht zu einem Teil
aus der Fortschreibung dessen, was die vorherige Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, und er ist ergänzt um etwas, das Sie in diesen Haushalt eingebracht
haben.
Ich fasse für mich zusammen: Das Gute in diesem
Haushalt ist nicht neu, weil es fortgeschrieben ist, und
das Neue, das Sie einbringen, ist nicht gut. Ich möchte
das an einigen Beispielen belegen.
Aber zuvor, sehr verehrter Herr Minister, möchte ich
Ihnen nicht durchgehen lassen, was Sie in Ihrer Rede,
die sich zum Teil auch mit der Wirtschaft beschäftigt hat,
über die Vorhaben der SPD und über die Erfolge der gegenwärtigen Regierung gesagt haben. Herr Minister, es
geht nicht an, dass Sie sich mit fremden Federn schmücken, dass Sie sich die Erfolge, zum Beispiel die Erfolge
einer starken Wirtschaftspolitik seit 1998, an den Hut
heften und gleichzeitig die SPD für neue Vorschläge diffamieren. Das geht nicht. Das lassen wir Ihnen nicht
durchgehen.
({0})
Wenn Sie über die Agenda 1970 sprechen - ich
möchte mich eigentlich nicht mit der Vergangenheit aufhalten - und unsere Vorschläge als rückwärtsgewandt
bezeichnen, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass alles das, was Sie jetzt an Erfolgen aufführen und was aus
Frankreich zu uns herüberschwappt, nicht der Erfolg der
FDP-Politik, sondern der Erfolg der vorhergehenden Regierung unter starker Beteiligung der SPD ist.
({1})
Jetzt schauen wir uns den Haushalt im Einzelnen an!
Das Neue ist nicht gut.
Erstes Thema: Wie ist es um die Wirtschaftsförderung
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
regionalen Wirtschaftstruktur“ bestellt? Herr Dr. Luther,
Sie haben dieses Thema angesprochen. Ich verstehe
nicht, wie Sie sagen können: „Wir bleiben auf dem gleichen Niveau; wir tun etwas für die Ost-Förderung“,
wenn Sie im gleichen Atemzuge sagen müssen: Es werden 10 Millionen Euro dieser Sonderförderung eingespart.
({2})
Das Fazit: Die Ost-Förderung wird zurückgefahren. Das
ist kein guter Weg. Wir können Ihnen dafür nicht unsere
Zustimmung geben.
({3})
Die SPD würde das anders machen. Wir müssen hier
weiter investieren.
({4})
Zweites Thema: Opel. Ich weiß nicht, ob Ihnen die
Namen „Lewald“ und „Lieske“ etwas sagen, Herr Brüderle. Herr Lewald ist der Geschäftsführer des OpelWerks in Eisenach, Herr Lieske der Betriebsratschef. Sie
sind noch nie dort gewesen; anderswo sind Sie gewesen.
({5})
Machen Sie einmal eine Reise dorthin und schauen Sie
sich an, wie mit den Arbeitern und Arbeiterinnen dort
umgegangen wird, auch nach Ihrem Motto: „Leistung
muss sich lohnen“! Was können Sie diesen Arbeitern
heute bieten? Sie ducken sich weg, wenn es darum geht,
einen Vorschlag aufzugreifen, der besagt: Wir müssen
dringend einen runden Tisch einberufen, an dem die
Länder, die Gewerkschaften, die Unternehmen, der Minister und Vertreter von GM sitzen. - Sie dürfen das
nicht auf die Beamten abschieben. Sie dürfen den Fragenkatalog nicht ständig erweitern. Sie dürfen nicht die
Europäische Union mit der Ex-ante-Regelung vorschieben, sondern Sie müssen endlich handeln. Ducken Sie
sich nicht weg, sondern kümmern Sie sich persönlich um
dieses Problem! Berufen Sie noch in diesem Monat einen runden Tisch ein und fahren Sie dorthin, um einmal
zu sehen, worum es in einem solchen Werk wie Eisenach
geht!
Kollege Tiefensee, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Luther?
Selbstverständlich.
Lieber Kollege Tiefensee, ich möchte auf das Thema
Gemeinschaftsaufgabe zurückkommen und nur etwas
zur Klarstellung sagen. Die 10 Millionen Euro werden
nicht bei dem 81er-Titel - das ist der mit den 670 Millionen Euro - gekürzt,
({0})
sondern bei dem 82er-Titel. Das betrifft also das Konjunkturpaket. Dort ist die Verteilung wie folgt: Hälfte
West und Hälfte Ost. Es ist also kein reiner Ost-Titel.
Das ist für meine Begriffe möglich, weil genau dort noch
Luft ist. Geben Sie mir also in dem Punkt recht, dass das
keine Reduzierung ist, die rein den Osten betrifft?
Herr Dr. Luther, ich halte erstens fest, dass bei der GA
gekürzt worden ist, nämlich bei dem Sonderprogramm
um 10 Millionen Euro. Das muss man so deutlich sagen,
weil Sie in Ihrer Rede vorhin den Anschein erweckt haben, als bliebe das gleich.
({0})
Der zweite Punkt. Es ist ein Teil des Konjunkturpakets, übrigens des Konjunkturpakets, das nicht von
dieser Regierung auf den Weg gebracht worden ist. Dieses Konjunkturpaket hat gerade den Sinn, Investitionen
dort auszulösen, wo ein Vervielfacher - mal sieben oder
mal acht - wirkt, der die Wirtschaft anspringen lässt, wo
es darum geht, sie zu stabilisieren, vorwiegend in Ostdeutschland, nämlich zu sechs Siebteln in Ostdeutschland und zu einem Siebtel in Westdeutschland. An dieser
Stelle zu kürzen, ist kontraproduktiv. Deshalb sage ich:
Das Konjunkturprogramm in Gang zu setzen, sich darauf auszuruhen, sich mit diesen Federn zu schmücken,
ist das eine; das andere ist, einen neuen Aspekt hinzuzufügen, nämlich den der Kürzung, und das Konjunkturpaket damit zu konterkarieren. Das halten wir nicht für
richtig.
({1})
Nächstes Thema ist die Solarförderung. Auch hier,
sehr verehrter Herr Minister, ist wieder ein Wegducken
zu erkennen. Wenn Sie sich anschauen, wie die Industrie
auf die kurzatmigen und plötzlich unterbreiteten Vorschläge reagiert, müssen Sie doch zur Besinnung kommen und einsehen: Wir müssen zunächst einmal eine
Anhörung durchführen, um genau zu erfahren, ob nicht
Arbeitsplätze wegfallen, die wir dringend benötigen. Eine solche Anhörung haben wir vorgeschlagen.
Was soll das allgemeine Gerede von der Förderung
des Mittelstands, wenn Sie durch die Kürzung bei der
GA den Mittelstand schwächen, wenn Sie - Stichwort
Opel - einen mittelgroßen Mittelständler in Eisenach
- und anderswo - gefährden? Was soll das Gerede vom
Mittelstand, wenn Sie bei der Solarförderung plötzlich
eine über die beschlossene degressive Senkung hinaus2658
gehende Kürzung in Ihrem Etat vorsehen? Das ist genau
das Gegenteil von dem, was Sie postulieren.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Flach?
Selbstverständlich.
Danke schön. - Herr Tiefensee, Sie sind ja kein Haushälter. Deshalb möchte ich Sie auf einen Umstand hinweisen und Sie fragen, ob Ihnen dieser Umstand bei Ihrer Behauptung, dass bei der GA ein Schaden erzeugt
würde, vielleicht nicht bekannt gewesen ist: Der Mittelabfluss im Jahre 2009 betrug 86,33 Millionen Euro von
immerhin 100 Millionen Euro. Das heißt, der Mittelabfluss war deutlich geringer als das, was wir angesetzt
hatten. Dass in einem solchen Fall die Haushälter dafür
sorgen - wir alle in diesem Land sind aufgefordert, auch
im Hinblick auf die Schuldenbremse zu sparen -, dass
hier entsprechend zurückgefahren wird, ist ein ganz natürliches Verfahren im Haushaltsprozess. War Ihnen das
nicht bekannt?
Mir ist der Vergleich zwischen Soll und Ist durchaus
bekannt, Frau Kollegin Flach. Es gibt zwei Wege, auf so
etwas zu reagieren. Sie haben den einen gewählt. Sie
schauen sich das Ist an, vergleichen es mit dem Soll und
kürzen, wenn eine Differenz vorhanden ist. Wie wäre es,
wenn Sie den zweiten Weg gingen? Sie sollten sich fragen: Warum ist der Mittelabfluss gerade im Jahre 2009
so schlecht? Warum klappt die Kofinanzierung der Länder nicht? Wie Sie wissen, ist die Gemeinschaftsaufgabe eine Angelegenheit der Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder. Hier besteht kein Rechtsanspruch
wie bei der Investitionszulage. Das heißt, hier ist ein Mechanismus in Gang zu setzen. Sie wissen genauso gut
wie ich, dass das Jahr 2009 alles andere als günstig für
Investitionen der Unternehmen gewesen ist. Der erste
Weg, zu kürzen, weil es eine Differenz zwischen Soll
und Ist gibt, ist falsch. Der richtige ist, ab 2010 dafür zu
sorgen, dass die Gelder abgerufen werden; denn dieses
Geld hat - ich habe es bereits angesprochen - mindestens den achtfachen Nutzen.
({0})
Frau Flach, ich darf Sie darüber hinaus daran erinnern, dass die Investitionszulage abgeschmolzen wird.
Meine Frage an Sie und den Herrn Minister lautet: Wie
wollen Sie die Investitionszulage, die das Pendant zur
Gemeinschaftsaufgabe bildet, kompensieren, wenn Sie
die Mittel für diesen Titel in Zukunft kürzen?
({1})
Denken Sie darüber nach, damit wir in Zukunft darüber
diskutieren können.
Ich komme zu einem anderen, konkreten Thema, der
Elektromobilität; auch darüber haben wir schon diskutiert. Herr Oswald, ich kann vielen Ihrer allgemeinen
Äußerungen zustimmen, nicht aber, wenn es konkret
wird. Deutschland ist bei der Elektromobilität nicht gerade der Vorreiter. Was erleben wir? Es wird ein kleiner
Zirkel von Beamten, eine Geschäftsstelle gebildet, die es
richten soll. Der Minister kümmert sich nicht darum. Da Sie auf der Regierungsbank murmeln, das sei
Quatsch, bitte ich Sie, die Unternehmen, die in den Bereichen Elektromobilität sowie Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung tätig sind, zu fragen, wie diese über
eine solche Geschäftsstelle denken, die seit Ewigkeiten
auf sich warten lässt und ihre Arbeit nicht aufnimmt.
Summa summarum - sehr verehrter Herr Brüderle,
ich rede Ihnen ins Gewissen -: Kümmern Sie sich selbst
um die Sachen! Schauen Sie sich das genau an, und machen Sie es zur Chefsache, damit hier nicht Stillstand
herrscht! Hoffen Sie nicht auf einen allgemeinen Frühlingswind, sondern nutzen Sie die Zeit, die Wirtschaft
voranzubringen! Ansonsten läuft Ihnen die Zeit davon.
Vielen Dank.
({2})
Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun das Wort
Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte am Ende der Debatte über den Einzelplan 09 auf den Sinn dieser Debatte zurückkommen. Es
geht um den Haushalt 2010. Manche Dinge sind offenbar etwas durcheinandergekommen.
Wir sind noch immer mitten in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise. Es geht darum, mit diesem
Haushalt zu stabilisieren und neue Impulse für die Zukunft zu setzen. Damit haben wir 2008/2009 gemeinsam
begonnen. Das führen wir in diesem Jahr in neuer Konstellation fort, um die Voraussetzungen für ein selbsttragendes Wachstum zu schaffen. Es geht darum, mit diesem Haushalt gerade im Wirtschaftsbereich zu säen,
sodass wir in den nächsten Jahren die Früchte ernten
können. Wir haben bereits konkrete Schritte unternommen. Weitere sind vorgesehen.
Nehmen wir als Beispiel den Wettbewerb. Durch
Wettbewerb werden neue Dienstleistungen und Arbeitsplätze im Postbereich generiert. In der Großen Koalition
ist es nicht gelungen - weil Sie sich leider verweigert haben, meine Damen und Herren von der SPD -, für eine
Gleichbehandlung bei der Umsatzsteuer zu sorgen. Das
hätten wir eigentlich schon im letzten Jahr machen können. Es war bisher so - das haben wir erst in der letzten
Sitzungswoche geändert -, dass nur die Post AG von der
Umsatzsteuer für Universaldienstleistungen befreit war,
die anderen Postdienstleister aber nicht. Es gab sogar
den Postmindestlohn - der wurde jetzt per Gerichtsbeschluss aufgehoben -, der zu Entlassungen und Arbeitsplatzabbau geführt hat. Das ist ein Sektor, in dem wir
jetzt die Grundlagen für Wachstum und Beschäftigung
gelegt haben. Wir machen dasselbe auch im Telekommunikationsbereich. Das Stichwort „Breitband“ ist bereits angesprochen worden. Auch im Bahnbereich wird
mit der Einführung einer Anreizregulierung in dieser Legislaturperiode die Saat dafür gesät, dass wir später Arbeitsplätze ernten können.
Das ZIM-Programm ist schon angesprochen worden. Es ist auf den Mittelstand, die KMU, zugeschnitten,
einfach in der Handhabung und ermöglicht Kooperationsmodelle zwischen mittelständischen Unternehmen
und einzelbetriebliche FuE-Projekte. Wir haben jetzt
mehr als doppelt so viele Anträge wie zuvor, nämlich
8 400. 775 Millionen Euro sind bewilligt, die direkt in
die Innovationskraft unserer mittelständischen Unternehmen fließen und damit Arbeitsplätze schaffen.
Die steuerliche Forschungsförderung ist angesprochen worden. Wir bereiten gerade konkrete Modelle vor,
wie wir sowohl den Mittelstand als auch die Großunternehmen einbeziehen können und Standortnachteile, die
wir gegenüber anderen Ländern haben - vorhin wurde
Frankreich erwähnt -, abbauen können. Das ist die beste
Politik, um zukünftig Forschung und Entwicklung zu
stärken und damit Arbeitsplätze und Wachstum zu generieren.
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen,
der mir heute Morgen in der Debatte und in der letzten
Woche aufgefallen ist. Ich wende mich an die Kolleginnen und Kollegen der SPD. Ich habe wirklich den Eindruck, als ob Ihr Motto lautet: Vorwärts, zurück in die
Vergangenheit!
Wie Sie sich in der letzten Woche von der Gesundheitspolitik der letzten Legislaturperiode distanziert und
in Anwesenheit Ihrer früheren Ministerin das Gegenteil
dessen propagiert haben, was Sie noch vor einem halben
Jahr selber beschlossen haben, war schon atemberaubend.
({0})
Wenn ich den Kollegen Heil heute Morgen und die
Vorschläge zum Arbeitsmarkt richtig verstanden habe,
dann stellen Sie die erfolgreichen Reformen der
Agenda 2010 auf den Kopf. Sie wollen die Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes I von zwölf auf 24 Monate verlängern.
({1})
Dabei ist die bisherige Regelung nun nachweislich in der
Sache und auch politisch - das dachte ich jedenfalls unstrittig eine der erfolgreichsten Komponenten der
Agenda 2010. Der Anteil der Menschen, die über ein
Jahr arbeitslos sind, betrug im Jahr 2005 37,4 Prozent,
aber im Jahr 2009, mitten in der größten Wirtschaftsund Finanzkrise, die wir jemals hatten, 29,7 Prozent.
Jetzt wollen Sie diese erfolgreiche Hauptkomponente
der Agenda 2010 wieder rückgängig machen. Ich muss
Ihnen dazu sagen: Das ist nicht nur in der Sache falsch,
sondern ich frage mich auch, welche politische Botschaft sich dahinter verbirgt. Ist das jetzt eine Generalabrechnung der SPD mit elf Jahren Regierungsverantwortung,
({2})
mit sich selbst, mit Gerhard Schröder, mit Wolfgang Clement und wem auch immer, der diese Politik vertreten
hat?
({3})
Der Kollege Schneider, der jetzt wieder da ist, hat in
seiner Rede das Thema Industriepolitik angesprochen.
Die Industriepolitik von Rot-Grün haben wir am Beispiel von Holzmann erlebt. Es wurden Steuergelder eingesetzt, aber nachher war das Unternehmen pleite, das
Geld war weg, und die Arbeitsplätze waren weg.
So etwas werden wir bei Opel nicht machen.
({4})
Wir haben gemeinsam eine Überbrückungsfinanzierung
ermöglicht. Dieses Geld wurde zurückgezahlt. Jetzt beginnen die Verhandlungen von neuem. Es sind noch
Zweifelsfragen offen.
({5})
Opel hat bisher nicht nachgewiesen, wie die Abgrenzung
zum Mutterkonzern in den USA abschließend geregelt
wird. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Opel durch die
Lizenzen und die Gebühren, die dann anfallen, schlechtergestellt werden soll als zu dem Zeitpunkt, als Magna
noch im Spiel war. Wir werden für solche Dinge nicht
leichtfertig deutsches Steuergeld hinauswerfen.
({6})
Wir werden das Ganze also sehr genau prüfen. Wenn die
offenen Fragen geklärt sind, werden wir dieses Unternehmen so wie die anderen Unternehmen behandeln. Sie
fordern hier Industriepolitik zugunsten von Opel ein; so
habe ich Sie vorher verstanden.
({7})
Erneuerbare Energien wurden angesprochen. Ich
kann nur wenige Punkte streifen. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm war ein Kernbestandteil unserer
Politik seit 2005. Wir haben dieses Programm verlängert, verstetigt, ausgebaut, und zwar so erfolgreich, dass
wir es im letzten Jahr zum ersten Mal erreicht haben,
dass an mehr als 5 Prozent - 5,8 Prozent - der Gebäude
eine energetische Gebäudesanierung vorgenommen worden war. Dennoch haben Sie im Haushaltsausschuss der
Aufstockung der Mittel für die CO2-Gebäudesanierung
nicht zugestimmt. Da frage ich mich, wie das zu erklären
ist.
({8})
Ich muss sagen: Ich verstehe es weder politisch noch in
der Sache. Herr Brüderle, Sie haben vorhin auf die
Agenda 1970 hingewiesen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der es bei der SPD vorangeht, habe ich den
Eindruck, dass wir bald über den Austritt aus der NATO
oder über die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien sprechen.
({9})
Jetzt sind wir bald bei der Agenda 1957; das ist so langsam mein Eindruck.
Herr Pfeiffer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Aber es gab noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Nein, den nehmen wir nicht mehr entgegen.
Das ist aber ausgesprochen schade.
Sie haben Ihre Redezeit schon länger überschritten.
Insofern kann ich nur sagen: Man ist bei uns gut aufgehoben. Deutschland ist mit einer christlich-liberalen
Koalition in guter Hand. Wir werden noch Gas geben,
damit all das, was wir gesät haben, im nächsten Jahr geerntet werden kann.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:
Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
- Drucksachen 17/612, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dr. Claudia Winterstein
Stephan Kühn
Zum Einzelplan 12 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir am
Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs von der
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir diskutieren jetzt den Einzelplan des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Mit 26 Milliarden Euro ist er der viertgrößte Einzelhaushalt und der größte Investitionshaushalt des Bundes.
Mein Vorredner hat zum Einzelplan Wirtschaft einen
Haufen Unsinn erzählt, auch was das CO2-Gebäudesanierungsprogramm angeht. An dieser Stelle will ich
das einmal richtigstellen: Wir Sozialdemokraten haben
im Haushaltsausschuss selbstverständlich dagegengestimmt, weil die Koalition dieses Programm weder solide durchfinanziert hat noch einen vernünftigen Weg
aufgezeigt hat, wie es mit diesem Programm in der Zukunft weitergehen soll.
Wie ist denn die Realität? Alle Titel zusammengerechnet, beträgt der Umfang dieses Programms jetzt
knapp 1,5 Milliarden Euro. Im letzten Jahr gab es einen
Ausgabenblock von deutlich über 2 Milliarden Euro.
Jetzt überlegt man sich: Woher kommt das Geld, das die
Koalition gefunden hat? Es ist nicht so, dass sie frisches
Geld genommen hat, um dieses wirklich wegweisende
und gute rot-grüne Programm fortzusetzen, nein, sie hat
Mittel aus dem Jahre 2011 vorgezogen.
({0})
Das heißt, im Jahre 2011, Herr Kollege, wird es so sein,
dass Ihnen nicht diese 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, sondern deutlich weniger als 1 Milliarde
Euro, und dann müssen Sie frisches Geld zur Verfügung
stellen. Dann hat der Minister nur das Problem, dass er
im nächsten Jahr erstens keine Konjunkturmittel mehr in
dem Umfang hat und zweitens der Bundesfinanzminister
ihm Geld nehmen wird und, wenn es so weiterläuft im
Haushaltsausschuss, die Kollegen der Koalition ihm
noch mehr Geld klauen werden, nachdem sie es in diesem Jahr schon fleißig getan haben.
({1})
Das alles ist eine Zwickmühle. Im Ausschuss befragt,
wie er dazu stehe, hat der Minister gesagt: Na ja, dann
läuft die Programmförderung eben im April aus.
Wenn man so mit einem Programm umgeht, das wir
alle für richtig, wichtig und gut halten, dann darf man
sich nicht wundern, dass wir als Koalition dem nicht zustimmen.
({2})
Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir
gefordert haben, deutlich mehr Geld hierfür vorzusehen.
Wir haben auch gesagt, woher es kommen soll.
({3})
- Aber aus nichtgenutzten Mitteln.
({4})
- Lesen bildet, Denken hilft. Ich helfe Ihnen immer
gerne dabei.
({5})
Das heißt also, dass man in diesem Fall vernünftig und
solide vorgehen sollte.
Wenn man sich den Haushalt anschaut, stellt man fest,
dass er sich gegenüber dem, den wir in der ersten Lesung
beraten haben, etwas verändert hat. Das liegt daran, dass
die Koalition den Haushaltsansatz gekürzt hat. Kürzen
ist immer eine feine Geschichte für Haushälter, es muss
aber auch Sinn machen. Schauen wir uns einmal an, wo
gekürzt worden ist. Daran kann man klarmachen, wo die
Unterschiede liegen:
Zunächst einmal wurde beim Denkmalschutzprogramm Ost und beim Denkmalschutzprogramm West
gekürzt. Als Mitglied des Deutschen Nationalkomitees
für Denkmalschutz kann ich das nicht gut finden. Wenn
man sich, jeder in seinem Wahlkreis, einmal anschaut,
welche Aufgabe in Deutschland dem Denkmalschutz zukommt und wie wichtig er für die Kommunen und die
Gemeinden ist, dann kommt man zu dem Schluss: Das
ist garantiert der falsche Ort; das ist Unsinn.
({6})
Weiterhin wurden beim Programm „Soziale Stadt“
20 Millionen Euro gestrichen. Das ist auch nicht wirklich toll.
Außerdem stellt man fest, dass die Etats der Programme für den kombinierten Verkehr um mehr als die
Hälfte gekürzt worden sind.
({7})
Das muss man sich einmal genauer anschauen. Der Minister - er sitzt ja dankenswerterweise da, obwohl er
nicht zuhört ({8})
hat hier beim letzten Mal groß verkündet, dass sein
Schwerpunkt die Schiene ist. Diesen Schwerpunkt
Schiene findet man im Haushalt allerdings nicht wieder.
„Schwerpunkt Schiene“ heißt doch, dass man dafür sorgen muss, dass es viele Möglichkeiten gibt, vom Lkw
auf die Schiene umzuladen, also kombinierten Verkehr
zu ermöglichen. Die Programme hierfür hat die Koalition um 65 Millionen Euro gekürzt. Es sind jetzt noch
knapp 50 Millionen Euro im entsprechenden Topf.
({9})
Das ist doch blanker Unsinn.
Die Kollegin von der FDP kommt ja immer und erzählt, dass für die Verwendung der Einnahmen aus der
Lkw-Maut gilt: Straße finanziert Straße. Das Geld aus
der Lkw-Maut soll also beim Verkehrsträger Straße bleiben. Was heißt denn das im Ergebnis? Im Ergebnis,
werte Frau Kollegin Winterstein, heißt das, dass für die
Wasserstraßen und für die Bahn weniger Geld da sein
wird.
({10})
Nun hat uns der Minister erzählt - wir haben das ja
alle erlebt -, dass es keine Streichlisten bei der Bahn
gibt.
({11})
Wir haben dann rauf und runter nachgefragt; auf einmal
ist der Bahnchef, nicht der Minister, nicht seine Staatssekretäre, sondern der Bahnchef, damit man gleich weiß,
wer in diesem Bereich die Hosen anhat, gekommen und
ist im Verkehrsausschuss die Streichliste mit uns durchgegangen und hat erklärt, was kommt, was vielleicht
kommt und was gar nicht kommt.
({12})
Dabei konnte man feststellen, dass zum Beispiel die
Y-Trasse nicht gebaut werden soll.
({13})
Uns allen jedoch hat der Minister erzählt, er möchte einen Großteil des Zuwachses beim Güterverkehr auf die
Schiene bringen. Der Bahnchef dagegen erzählt uns,
dass eine der wichtigsten Strecken, die genau für diesen
Zweck gebaut werden sollte, nämlich die Y-Trasse, nicht
kommt.
({14})
Was ist denn das für eine Wirtschaftspolitik?! Es geht
hier um einen Etat, der für die Infrastruktur und damit
für die Wirtschaftskraft Deutschlands wesentlich ist.
Aber genau bei diesem Etat wird gestrichen.
({15})
Das, worum es hier geht, nennt sich - das sei allen
Süddeutschen gesagt - Hinterlandverkehr. Dass die Infrastruktur hierfür vorhanden ist, ist für die Häfen wichtig, ist für Deutschland wichtig, nur sie wird nicht gebaut.
Wenn man sich die Lage nun genauer anschaut, wird
man feststellen, dass in 2011 und 2012 dem Minister
sehr viel Geld fehlen wird. Aus welchem Grunde? Das
Finanzministerium wird höchstwahrscheinlich seinen
Etat nicht weiter erhöhen, sondern weiter streichen; außerdem laufen Konjunkturmittel aus. Verzweifelte Versuche, an Geld zu kommen - derer gibt es viele -, werden wir nicht durchgehen lassen, weil dafür in der Regel
Schattenhaushalte eingerichtet werden.
Ich habe hier schon einmal etwas zum Thema PkwMaut gesagt. Der Minister hat sich dazu leider noch
nicht abschließend geäußert, obwohl das ganz schön
wäre. Wir jedenfalls sind dagegen.
Über ÖPP-Projekte kann man reden. Sie müssen
sich am Ende nur als kostenneutral für den Haushalt erweisen; denn, wie gesagt, Schattenhaushalte wollen wir
nicht. Wir wollen auch keine Finanzierungsmodelle finanzieren. Wir kennen das schon: Dabei werden häufig
Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert.
({16})
Das wollen die Menschen nicht mehr. Davon haben sie
die Schnauze voll.
Die VIFG, die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, ist ein weiterer Schattenhaushalt.
Wenn man in Zukunft am Finanzministerium und am
Haushaltsausschuss vorbei Geld aufnimmt, um mit diesem Geld bestimmte Dinge zu machen, dann baut man
weitere Schuldenberge auf. Wer wird das zahlen?
({17})
- Lesen bildet, Denken hilft. - Das heißt also, am Ende
brauchen wir das alles nicht. Wir müssen vielmehr
schauen, dass das, was wir machen, solide finanziert
wird.
({18})
Die Kameralistik wirkt manchmal langweilig. Aber
sie ist ehrlich. Das kann man von Ihrer Haushaltspolitik
nicht behaupten.
({19})
Bei der Kameralistik weiß man nämlich genau, was man
hat und wie es in der Zukunft aussieht. Deswegen sollte
man sich daran halten. Das ist alles wichtig, richtig und
gut.
Da meine Zeit an diesem Rednerpult ihrem Ende entgegengeht, will ich Ihnen noch kurz Folgendes mitgeben: Wenn man über Infrastruktur redet, dann muss man
sich über den Ausbau von Wasserstraßen, über die Elbvertiefung von Hamburg bis Magdeburg - Otterndorf
nicht zu vergessen, Herr Staatssekretär - unterhalten.
Wir müssen uns auch über die Zukunft der Wasser- und
Schifffahrtsdirektionen unterhalten, weil sie wichtig
sind. Man muss schauen, dass in diesem Bereich nicht
totgespart wird, sondern dass investiert wird, damit sie
ihre Arbeit vernünftig machen können.
Vielen Dank, viel Spaß und Glück auf.
({20})
Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb von der
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Kollege Kahrs, letzte Woche hatten Sie
noch Fieber, heute sind Sie quicklebendig. Aber nicht alles, was Sie gesagt haben, war richtig.
({0})
Der Etat des Bundesministers für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ist mit 26,3 Milliarden Euro einer der
größten Einzeletats und mit rund 14,7 Milliarden Euro
an Investitionen der Investitionshaushalt schlechthin.
Der größte Anteil davon ist wiederum für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen.
Eine moderne Gesellschaft, eine arbeitsteilige Wirtschaft und eine leistungsfähige Volkswirtschaft erfordern ein immer höheres Maß an Mobilität. Mobilität ist
einerseits Voraussetzung für die Sicherung des Wohlstandes, andererseits auch Ausdruck von Freiheit und
der Möglichkeit individueller Lebensgestaltung. Erfreulicherweise zählt die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland noch immer zu den positiven Standortfaktoren dieses Landes. Wir müssen aber alles unternehmen, um die
Qualität und die Leistungsfähigkeit dieser Infrastruktur
zu erhalten und weiter zu verbessern. Nicht ausreichende
Erhaltungsinvestitionen wären nichts anderes als eine
verdeckte Verschuldung und eine Lastenverschiebung in
die Zukunft.
Trotz des selbst auferlegten Zieles der Haushaltspolitiker der Koalition, schon im Haushalt 2010 den Sparkurs einzuleiten und ein deutliches Signal für den Konsolidierungskurs der nächsten Jahre zu setzen, haben wir
entschieden, keine Sparmaßnahmen zulasten von Investitionen insbesondere im Infrastrukturbereich zu tätigen. Mit den Ansätzen im Einzelplan 12 in Verbindung
mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem
Konjunkturprogramm wollen wir die Investitionen in die
Bundesverkehrswege, also Schiene, Straße, Wasserstraße, auf hohem Niveau fortsetzen.
Ich weiß, dass die Erwartungen und Forderungen aus
dem einen oder anderen Bereich sogar noch weit über
die Möglichkeiten des Bundeshaushaltes hinausgehen.
Deswegen wird es notwendig sein, alle Möglichkeiten,
die uns zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur zur
Verfügung stehen, optimal zu nutzen. Wir erwarten deshalb auch, dass nach Abschluss des Maut-Schiedsverfahrens die dem Bund zustehenden bzw. zufließenden
Mittel zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt werden. Wir wissen, wie schwierig das Verfahren
im Moment ist und dass es von der gegnerischen Seite
offensichtlich in die Länge gezogen wird.
Wir haben nach langen und intensiven Beratungen dafür Sorge getragen, dass die Transrapidversuchsanlage
im Emsland nicht am 30. April dieses Jahres den Betrieb
einstellt und stillgelegt werden muss. Wir wollen damit
sicherstellen, dass noch erforderliche Tests und Zertifizierungen durchgeführt werden können, um damit einer
in Deutschland mit 1,3 Milliarden Euro Forschungsgeldern entwickelten Technologie Vermarktungschancen zu
eröffnen.Wir haben uns diese Beratungen und die Entscheidungen darüber wirklich nicht leichtgemacht.
Es ist für mich sowieso unbegreiflich - ich sage das
mit Ironie -, dass wir Deutsche es immer wieder fertigbringen, mit viel Forschungsaufwand neue Produkte
und Technologien zu entwickeln, uns dann aber der Mut
verlässt und wir die Markteinführung, die Anwendung
und den Nutzen daraus anderen überlassen. Das gilt
nicht nur für die Magnetschwebebahntechnologie, sondern gleichermaßen für viele Bereiche der Luft- und
Raumfahrt, der Elektronik, der Datenkommunikation,
der Energie, der Kernenergie, der Kernfusion und der
Bio- und Gentechnologie.
Früher führte das Ministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung auch den Begriff Raumordnung in
seiner Bezeichnung. Damit war deutlich umschrieben,
dass der Bundesminister für Verkehr und Bau eben nicht
nur für diese Bereiche und den Bereich der Stadtentwicklung zuständig ist, sondern für die gute Entwicklung des ganzen Landes Verantwortung trägt. Früher gab
es heftige Diskussionen, ob man bei Investitionen in die
Infrastruktur mehr dem Bedarfsdeckungsprinzip oder
dem Erschließungsprinzip folgen sollte. Heute kann man
feststellen - ich sage das auch mit Blick auf die neuen
Bundesländer; denn ich komme selbst aus einem ehemals strukturschwachen Gebiet -, dass die Bereitstellung einer guten Infrastruktur die Voraussetzung für eine
gute Entwicklung auch dünner besiedelter Regionen, der
ländlichen Räume und der peripheren Gebiete ist.
({1})
Neben der Verkehrsinfrastruktur gewinnt auch die
Verfügbarkeit hochleistungsfähiger Datenkommunikationsnetze eine immer größere Bedeutung; wir haben
uns vorhin, bei den Beratungen zum Wirtschaftsetat,
darüber ausgetauscht. Ich mache keinen Hehl daraus,
dass die bisherigen Entscheidungen der Bundesnetzagentur nach meiner Ansicht dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit einem hochleistungsfähigen
DSL-Netz zuwiderlaufen.
Ich wäre dem Bundesminister sehr dankbar, wenn er
sich in der Bundesregierung, gerade im Interesse der
ländlichen Räume - er hat seine Verantwortung für die
ländlichen Räume besonders hervorgehoben - und der
Randregionen unserer Republik, dafür einsetzen könnte,
dass hier die erforderlichen Entscheidungen herbeigeführt werden. Wir können einer Abwanderung aus diesen Räumen und ihrer Entleerung nur durch die Bereitstellung dieser Infrastruktur entgegenwirken. Wenn wir
das nicht hinkriegen, werden gerade die qualifizierten
Menschen gezwungen sein, aus technischen Gründen die
nicht versorgten Gemeinden zu verlassen und in Siedlungsschwerpunkte abzuwandern. Das würde die Probleme, die sich für diese Regionen aufgrund der demografischen Entwicklung ohnehin ergeben, dramatisch
verschärfen. Dem Ziel folgend, ländliche Regionen zu
stärken, haben wir den Wunsch des Ministers aufgegriffen und ein Programm zur Förderung von kleineren
Städten und Gemeinden - Kollegin Raab hat sich in der
ersten Lesung in besonderer Weise dafür ausgesprochen - in die Tat umgesetzt, das wir neu in den Haushalt
aufgenommen haben.
Die Maßnahmen im Bereich der Städtebauförderung und des CO2-Minderungsprogrammes sind in
diesem Haushalt von besonderer Bedeutung. Durch Umschichtungen bzw. durch das Vorziehen von Verpflichtungsermächtigungen konnten wir sicherstellen, dass das
CO2-Minderungsprogramm der KfW auch in diesem
Jahr mit einem großen Bewilligungsrahmen ausgestattet
ist. Es gibt keinen Zweifel, dass dieses Programm einen
wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele
leistet und auch konjunkturell sehr positive Wirkungen
entfaltet, insbesondere für die Bereiche des Handwerks
sowie des Bau- und Baunebengewerbes.
Lieber Kollege Barthle, wir Haushälter dürfen andererseits die Vorbelastungen künftiger Haushalte nicht aus
den Augen verlieren.
({2})
Die Lösung, die wir hier gefunden haben, scheint mir
vertretbar zu sein. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, dass sie in dieser Frage
dem Vorschlag, den Frau Kollegin Dr. Winterstein und
ich der Arbeitsgruppe vorgelegt haben, gefolgt sind. Ich
sage dazu: Hätte uns etwas veranlassen können, diese
Maßnahmen nicht zu ergreifen, dann wären es die ungeheuer vielen Mails gewesen, die uns zu diesem Thema erreicht haben. Mir schreibt jemand - ich nenne den Namen
bewusst nicht, sonst fühlt er sich auch noch geehrt -, dass
mich nach seiner Zählung 19 335 E-Mails zum CO2Minderungsprogramm hätten erreichen müssen. Wer
mich und meine Mentalität kennt, der weiß, dass ich bei
solchen Versuchen, Druck auszuüben, eher auf stur
schalte und gar nicht mehr will. Wir haben uns der Sache
verpflichtet gefühlt und Vorschläge unterbreitet. Wir
konnten diese in der Koalition vereinbaren.
Zu Ihnen, Herr Kollege Kahrs, will ich eines sagen:
Die VIFG stellt bis jetzt keinen Schattenhaushalt dar.
({3})
Was wir tun müssen, haben wir in der Koalition vereinbart. Entweder müssen wir die VIFG zum Laufen bringen, sodass sie Effizienzreserven heben kann, oder wir
müssen eine andere Entscheidung treffen.
Auch beim kombinierten Verkehr haben wir nicht
mehr und nicht weniger getan, als die Mittel so umzuschichten, dass sie in anderen Bereichen verfügbar sind,
weil gerade das Jahr 2009 gezeigt hat, dass die Mittel
aus diesen Bereichen nicht abgeflossen sind.
({4})
- Weil es die konjunkturelle Situation nicht hergegeben
hat, dass die privaten Investoren die Mittel hätten abrufen können. Das ist der Sachverhalt. Wenn sich die
Dinge im nächsten Jahr bei den Haushaltsberatungen
wieder anders darstellen, dann werden wir alles daransetzen, dass die erforderlichen Mittel für den kombinierten Verkehr wieder bereitgestellt werden können.
({5})
Ich danke Ihnen sehr.
({6})
Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden
über den Etat mit dem größten Einfluss auf Investitionen
und Infrastruktur, und ich füge hinzu: nicht nur auf der
Ebene des Bundes. Es gibt keinen einzigen Bundestagswahlkreis, der nicht in der einen oder anderen Weise mit
diesem Etat verbunden wäre. Das war der Grund, warum
die Fraktion Die Linke diesem Etat gerne zugestimmt
hätte. Wir haben viele Vorschläge gemacht, aber wir sind
daran gescheitert, dass Sie in der Koalition die falschen
Signale setzen. Deshalb werden Sie heute unsere Zustimmung nicht bekommen.
Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung
und demokratischer Teilhabe aller an den Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeht. Kurz gesagt: Was
alle brauchen, muss öffentlich zugänglich sein. Mobilität
und urbanes Leben müssen bezahlbar sein. Einem solchen Maßstab entspricht der uns vorliegende Plan jedoch
nicht.
Ich will das an wenigen Beispielen kenntlich machen.
Herr Bundesminister Ramsauer, Sie werden nicht müde,
der Öffentlichkeit zu erklären, dass Sie das Verkehrswachstum bewältigen wollen. In Ihrem ganzen Denken
- wir haben das den Beiträgen der Koalition entnommen gehen Sie offenbar davon aus, dass ein solches Wachstum ungebrochen hingenommen und irgendwie bewältigt werden soll. Verkehrsvermeidung wäre die Lösung.
Verkehrswachstum ist das Problem. Lassen Sie sich das
gesagt sein.
({0})
Es ist völlig undenkbar, sich die Zukunft des internationalen Welthandels weiterhin als eine Expansion des
Güterverkehrs vorzustellen. Wir brauchen neue internationale Regeln des Welthandels, in denen festgelegt
wird, wie wir vom Güterhandel weg hin zu einem Handel mit Know-how und Brain kommen können und wie
wir die Bedingungen dafür schaffen.
Stichwort Deutsche Bahn. Trotz einiger lautstarker
und launiger Bekundungen gegen schnelle Privatisierungen haben Sie nicht die Courage aufgebracht, den Mehrheitsbeschluss des Bundestages aus dem Jahre 2008, der
der Regierung die Möglichkeit eröffnet, die Bahn teilzuprivatisieren, aufzuheben. Mit einem Antrag im Ausschuss haben wir von der Linken Ihnen einen solchen
Weg geebnet. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, diesen
Weg zu gehen. Es hilft uns nichts, Herr Minister, wenn Sie
sich in Ihrer schönen Heimat gegen den - so wörtlich Privatisierungswahn aussprechen, aber keine praktischen Schritte erfolgen. Es wäre an der Zeit, die Lehren
aus einer verfehlten Bundes- und Bahnpolitik zu ziehen
und zu sagen: Die Bahn soll in staatlicher Hand bleiben.
Das ist zumindest unsere Position.
({1})
Währenddessen hätschelt die Bahn ihre Prestigeprojekte mithilfe des Bundes weiter, und zwar zulasten flächendeckender Bahnverbindungen. Ich will gar nicht
über die Berliner S-Bahn reden, aber schon sagen, dass
wir eine Reihe von Lehren daraus zu ziehen haben. Zugleich ist es inzwischen so, dass viele ostdeutsche Großstädte vom Schnellverkehr, vom Intercityverkehr faktisch abgeschnitten sind.
Ich will Ihnen noch ein Beispiel aus dem Bereich
Bahn nennen: Es gibt eine Vielzahl kleinerer Bahnsicherungsunternehmen. Das sind Firmen, die auf Baustellen der Bahn die Sicherungen vornehmen. Wenn wir
Bahn fahren, sehen wir das alles. Inzwischen ist die Situation so, dass es im Großraum München solche Sicherungsfirmen faktisch nicht mehr gibt, diese aber aus Regionen wie Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern oder
aus Brandenburg bis München fahren, um dort für ein
Drittel des in München üblichen Lohnes diese Aufgabe
zu erfüllen. Ich nenne das volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich absurd. Das ist das Ergebnis Ihrer
Politik. Das müssen Sie sich hier von uns so sagen lassen.
({2})
Wir finden es auch nicht in Ordnung, dass Sie die
Flüsse im Osten offenbar auf Westniveau betonieren
wollen. Nach einer Reihe von Naturereignissen muss
man auch einmal die Frage stellen: Haben Sie denn gar
nichts dazugelernt? Nun weiß ich natürlich, dass man
mir da immer Vorwürfe machen kann, aber ich will dennoch sagen: In der DDR haben wir einige ökologische
Sünden nicht begangen, weil wir ökonomisch nicht dazu
in der Lage waren. Das muss faktisch aber nicht bedeuten, dass man jetzt, wo man ökonomisch dazu in der
Lage ist, ökologischen Unsinn betreibt und die Flüsse in
einer Weise zu betonieren versucht, wie das derzeit geschieht.
({3})
Ich sage deshalb: Der Saale-Ausbau für zig Millionen
Euro ist Unsinn. Es gäbe Alternativen. Sie liegen auf
dem Tisch und werden angeboten. Die Schubbootverbände wären eine solche Option. Sie sind nicht in der
Lage, auf diese Dinge einzugehen. Deshalb muss man
Ihnen immer wieder die alte Erkenntnis ins Stammbuch
schreiben: Es ist richtig, die Schiffe den Flüssen anzupassen und nicht die Flüsse den Schiffen.
({4})
Das würde aber bedeuten, in der Tat einmal etwas vom
Osten zu lernen.
Ich habe mich gefreut, dass mein Vorredner das
Maut-Schiedsverfahren angesprochen hat. Ich merke
eine gewisse Hoffnung, dass große deutsche Firmen, die
dem Steuerzahler ganz offenkundig noch eine Menge
Geld schulden, demnächst vielleicht doch noch zur
Kasse gebeten werden. Mein Vorschlag ist immer: Solange dieses Schiedsverfahren noch läuft, dürfen wir
nicht die gleichen Firmen subventionieren, was wir über
den Bundeshaushalt aber tun. Ich verspreche Ihnen:
Wenn wir dieses Verfahren anwenden würden, wäre das
Schiedsverfahren sehr viel schneller zu Ende.
({5})
Die Linke wird den Finanzplan des Bundesministers
besonders sorgfältig im Auge behalten. Es geht um einen
großen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bereits in wenigen Monaten reden wir über den Haushalt
von 2011. Das ist eine Chance für die Koalition und das
Ministerium, ihre heutigen Fehler zu korrigieren. Ich
sage das nicht leichtfertig daher. Ich bin voller Hoffnung,
weil ich das Verfahren kenne. Hier im Plenarsaal lehnen
Sie Anträge der Opposition ab, um sie im Gesetzgebungsverfahren wieder aufzugreifen. Deshalb hoffe ich, dass
wir bei der Beratung für den Haushaltsplan 2011 ein
Stück weiter sind.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winterstein von der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zunächst einmal können wir positiv festhalten:
Im Einzelplan 12 ist der Koalition eine gute Kombination aus wichtigen Wachstumsimpulsen und nötigen
Sparmaßnahmen gelungen.
Wir haben es geschafft, die Investitionen in die Verkehrswege auf einem hohen Niveau zu halten. Fast
15 Milliarden Euro können wir 2010 ebenso in den Ausund Neubau unserer Schienen, Straßen und Wasserwege
investieren wie in die Entwicklung unserer Städte und in
Zukunftstechnologien. Wir schaffen damit wichtige Impulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise und stärken
Mobilität und Wachstum in Deutschland. Auf der anderen Seite konnten wir durch maßvolles Einsparen ein
erstes Zeichen für die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen der nächsten Jahre setzen; denn die Schuldenbremse fordert eine deutliche Rückführung der Neuverschuldung bis zum Jahr 2016. Das wissen wir alle.
Deswegen brauchen wir Impulse für mehr Wachstum.
Wir leisten einen wichtigen Impuls zur Stützung des
Aufschwungs, indem wir in diesem Jahr 400 Millionen
Euro mehr für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm
zur Verfügung stellen. Damit stehen für 2010 insgesamt
1,5 Milliarden Euro für die Förderung der energetischen
Sanierung zur Verfügung. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag für Energieeinsparung und Klimaschutz im
Gebäudebereich.
({0})
Herr Kahrs - es wäre nett, wenn Sie mir ganz kurz zuhören würden -, ich verstehe ja, dass Sie sich noch nicht
so gut auskennen, weil Sie im Verkehrsbereich neu sind.
({1})
Ansonsten müsste Ihnen, wenn Sie kritisieren, dass wir
für dieses Jahr eine Summe aus dem Haushalt 2011 vorgezogen haben, klar sein, dass Ihre Fraktion genau das
im Jahr zuvor in der alten Legislaturperiode gemacht
hat. Sonst hätten wir in diesem Jahr sowieso 1,5 Milliarden Euro gehabt. Genau aus diesem Grund sind wir in
diesem Jahr gezwungen, aus dem Jahr 2011 etwas in das
Jahr 2010 vorzuziehen. Daher haben wir in diesem Jahr
überhaupt 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Im nächsten Jahr werden es etwa 900 Millionen Euro sein. Wir
werden dann sehen, wie viele Anträge vorliegen und inwieweit es notwendig sein wird, im nächsten Jahr noch
einmal zu handeln. Es war dieses Jahr wichtig, um den
Wachstumsschub zu nutzen, um möglich zu machen,
dass hier Investitionen getätigt werden.
({2})
Frau Kollegin Winterstein, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kahrs?
Ja, bitte.
Bitte, Herr Kahrs.
Frau Kollegin, Sie haben am Anfang gesagt, dass Sie
400 Millionen Euro draufgetan haben.
Vorgezogen.
({0})
So eng wollen wir das alles nicht sehen; Ihre Formulierung war eine andere. Wichtig ist die Feststellung: Im
letzten Jahr hatten wir 1,5 Milliarden Euro und sind auf
über 2 Milliarden Euro gekommen, weil der Bedarf so
war. Dass der Bedarf weiter ansteigt, wissen Sie und
weiß ich; das ist bekannt.
Das weiß keiner.
So sind jedenfalls die Prognosen. Das heißt, dass wir
für dieses Jahr mit einem Bedarf von über 2 Milliarden
Euro rechnen können. Jetzt sind Sie mit Ihren 400 Millionen Euro, die Sie aus 2011 genommen haben, wieder
knapp an 1,5 Milliarden Euro gekommen. Wie Sie auf
die 2,1 oder 2,2 Milliarden Euro, die gebraucht werden,
auffüllen, wissen Sie bis heute nicht. Das heißt, spätestens ab September oder Oktober ist sowieso Schluss. Im
nächsten Jahr - das haben Sie eben selber gesagt - haben
Sie noch maximal 900 Millionen Euro. Wie Sie das bei
knapper werdendem Geld bewältigen wollen, wissen Sie
nicht. So sieht Perspektivlosigkeit aus und nicht die Absicherung eines gut laufenden Programms. Das ist die
Tragik, oder sehen Sie das anders?
({0})
Selbstverständlich sehe ich das anders. Ich habe vorhin gesagt, dass wir in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro
zur Verfügung stellen und dass wir diese Mittel aus dem
Jahr 2011 in das Jahr 2010 vorziehen.
({0})
Wir wissen, dass zurzeit viele Anträge vorliegen. Darauf
reagieren wir. Wir wissen nicht, wie sich das in Zukunft
entwickeln wird. Wir warten erst einmal ab.
({1})
Mit den 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr sind wir in
der Lage, alle Anträge, die uns vorliegen, zu erfüllen
({2})
und die Menschen dazu zu bringen, dass sie in diesem
Jahr Investitionen tätigen. Wie viele Anträge dazukommen werden, wissen weder Sie noch weiß ich das. Das
wird sich im Laufe dieses Jahres oder zu Beginn des
nächsten Jahres zeigen. Wichtig ist, dass wir für das Jahr
2011 noch knapp 900 Millionen Euro zur Verfügung haben. Ich denke, das ist eine gute Summe, mit der man im
Jahr 2011 erst einmal arbeiten kann.
({3})
Kollege Kahrs hat noch eine Nachfrage; aber danach
sollte er bitte keine mehr stellen.
({0})
- Dann lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu. - Bitte
schön, Herr Kahrs.
Sie haben eben dankenswerterweise gesagt, dass Sie
vorhaben, alle Anträge zu erfüllen, die in diesem Jahr
gestellt werden. Das begrüße ich natürlich, weil es ein
gutes rot-grünes Programm ist. Wenn Sie das fortführen
wollen, ist das schön. Wir hatten im letzten Jahr Anträge
mit einem Volumen von circa 2,1 Milliarden Euro. Alle
Anzeichen deuten darauf hin, dass wir in diesem Jahr
wieder über 2 Milliarden Euro benötigen werden. Eben
haben Sie gesagt, dass Sie maximal 1,5 Milliarden Euro
für das Programm zur Verfügung haben. Wo wollen Sie
die 600 oder 700 Millionen Euro hernehmen, für die Sie
keine Vorsorge getroffen haben?
Wir haben im Moment noch nicht mehr Anträge vorliegen. Wir haben Anträge für genau diese Summe vorliegen. Sie haben vorhin den kombinierten Verkehr angesprochen und gesagt, wir hätten da gekürzt, das sei eine
ganz große Unverschämtheit.
({0})
Wenn Sie dieses Beispiel nennen, kann ich nur eines
dazu sagen: Im letzten Jahr sind lediglich 35 Millionen Euro abgerufen worden,
({1})
obwohl mehr Geld zur Verfügung stand.
({2})
In diesem Jahr stehen 54 Millionen Euro zur Verfügung,
also weitaus mehr als im letzten Jahr. Insofern sage ich:
Warten wir auch hier erst einmal ab. Vielleicht werden
auch in diesem Jahr nur 35 Millionen Euro abgerufen,
obwohl wir 54 Millionen Euro zur Verfügung gestellt
haben.
({3})
Wir müssen abwarten, welche Entwicklung sich zeigt.
Das können wir nicht von vornherein festlegen.
({4})
- Da Sie sich hingesetzt haben, muss ich jetzt mit meiner
Rede weitermachen.
({5})
Ich möchte die Wichtigkeit des Gebäudesanierungsprogramms deutlich machen. Da Sie gesagt haben, es
sei ein rot-grünes Projekt, stelle ich fest: Wir führen es
weiter, weil wir es für sinnvoll halten.
({6})
Bisher sind durch das Programm etwa 550 000 Wohnungen saniert bzw. energieeffizient gebaut worden - das
finden wir gut -, es wurden Investitionen in Höhe von
20 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, und es wurden 250 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es ist ein wunderbares Programm. Insofern freuen wir uns, dass wir dafür
1,5 Milliarden Euro zur Verfügung haben.
Weil Sie es so dargestellt haben, als hätten wir nur gekürzt, will ich deutlich machen: Auch in anderen Bereichen haben wir etwas getan. Bei der Stadtentwicklung
zum Beispiel haben wir 20 Millionen Euro zusätzlich
zur Verfügung gestellt.
({7})
Auch für den ländlichen Bereich haben wir 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Gegen die geplante
Halbierung der Zuschüsse im Hinblick auf den Finanzbeitrag an die Seeschifffahrt haben wir uns gewehrt.
({8})
Wir haben diese Kürzung nicht mitgetragen und auch
diese 57 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Es ist also nicht so, dass wir eine Kürzung nach der
anderen vollziehen. Vielmehr haben wir genau das getan, was ich zu Beginn dargelegt habe: Wir haben dafür
Sorge getragen, dass Wachstumsimpulse gegeben werden. Dort, wo es sich angeboten hat, haben wir Kürzungen vorgenommen.
({9})
- Beim kombinierten Verkehr stehen jetzt statt 35 Millionen Euro 54 Millionen Euro zur Verfügung, um das
einmal deutlich zu sagen.
({10})
- Es waren im Soll 110 Millionen Euro. Ich kenne die
Zahlen; denn ich bin Haushälterin.
({11})
Insofern ist festzustellen, dass wir in diesem Jahr mehr
Geld zur Verfügung haben, als im letzten Jahr verbraucht
worden ist. Das ist eine Tatsache.
({12})
Jetzt würde ich gerne fortfahren, statt immer auf Ihre
Zwischenrufe zu reagieren.
({13})
Ich will auf das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ zu sprechen kommen. Ich habe bereits gesagt:
Hier haben wir die Mittel um 20 Millionen Euro aufgestockt; insgesamt stehen jetzt 95 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel können von den Städten und Gemeinden genutzt werden. Ich denke, das ist sinnvoll.
Ich möchte auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen. In den Haushaltsplanberatungen gab es auch Diskussionen über die Zukunft der Magnetschwebetechnik
und die Weiterführung der Transrapidversuchsstrecke
im Emsland. Wir bedauern sehr, dass es trotz so vieler
Jahre der Forschung und Entwicklung nicht zu einem
Einsatz des Transrapids in Deutschland gekommen ist.
Wir haben die Finanzierung der Teststrecke noch einmal,
und zwar bis zum Jahresende, verlängert, um die Chancen
einer Vermarktung zu wahren, da es gewisse Interessenten gibt. Brasilien zum Beispiel arbeitet zurzeit an einer
Ausschreibung. Diese Chance wollen wir wahrnehmen.
Denn im Erfolgsfall würde das bedeuten, dass wir eine
einmalige Einnahme in Höhe von 100 Millionen Euro erhalten. Das würde dem Bundeshaushalt natürlich sehr
guttun.
In dieser Beziehung kann ich nur eines sagen: Herr
Minister Ramsauer, ich setze alle meine Hoffnungen auf
Sie, dass die Verhandlungen mit Brasilien ein Erfolg
werden, sodass wir dann sagen können: Es hat sich gelohnt, die Finanzierung der Teststrecke noch einmal um
ein Jahr zu verlängern. Allerdings müssen wir uns auch
überlegen: Was wird aus dieser Teststrecke? Ich erwarte,
dass Sie uns ein klares Konzept vorlegen, was mit dieser
Versuchsstrecke geschehen soll.
({14})
Es gibt sicher auch andere Gebiete, zum Beispiel den
Bereich der Elektromobilität, wo es sich lohnt, die Forschung fortzusetzen. Ich setze auf Sie, dass Sie entsprechende Konzepte entwickeln.
Wir Haushaltspolitiker haben uns das Ziel gesetzt, die
Neuverschuldung zurückzuführen. Insofern müssen wir
natürlich auch überlegen, wo es Einsparmöglichkeiten
gibt. Wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass die
Verkehrsinvestitionen unabhängiger von den Schwankungen des Bundeshaushaltes getätigt werden sollen;
das gilt sowohl für die Straße als auch für die Schiene.
Zum Thema Straße. Wir wollen - das haben Sie richtig gesagt - erreichen, dass die Einnahmen aus der LkwMaut vollständig in die Straße investiert werden.
({15})
Zudem soll die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft kreditfähig werden,
({16})
damit sie bei der Ausfinanzierung von Autobahnprojekten mehr Spielraum erhält.
({17})
Ein Wort noch zur Bahn. Es ist eine Tatsache, dass
für den Ausbau wichtiger Strecken nicht genügend Mittel im Haushalt vorhanden sind.
({18})
Wir reden über eine Summe von etwa 500 Millionen
Euro. Es ist auch eine Tatsache, dass diese Unterfinanzierung eine Erblast aus elf Jahren SPD-Führung im Verkehrsministerium ist.
({19})
Frau Kollegin Winterstein, bedenken Sie die Zeit!
Ja. - Exminister Tiefensee hat internationale Zusagen
gegeben, ohne die Ausfinanzierung zu überdenken.
({0})
Die neue Regierung muss jetzt mit dieser Situation zurechtkommen. Forderungen nach mehr Steuergeldern
verbieten sich. Insofern gehen wir davon aus, dass die
DB Netz AG, die für die Nutzung ihrer Trassen von anderen Unternehmen Gebühren erhebt und diese Gelder
bisher an den Mutterkonzern abgeführt hat -
Frau Winterstein, bitte!
Ja, ich komme gleich zum Schluss.
Nein, nicht gleich - sofort bitte!
({0})
Sie sind beinahe zwei Minuten drüber.
Ich weiß.
({0})
Ich hätte ganz gern eine weitere Minute gesprochen;
aber der Präsident ist sehr streng.
({1})
Vielleicht hätte mir Herr Döring sonst noch die eine oder
andere Minute geschenkt, wie es sonst Usus ist. Ich wünsche uns allen, dass wir hier zu guten Lösungen kommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran konstruktiv beteiligen.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn von Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Wer sich das Antragsvolumen beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm
im ersten Quartal anschaut und rechnen kann, weiß genau, dass wir mit den Mitteln, die im Haushalt eingestellt sind, bis zum viertel Quartal nicht hinkommen
werden.
({0})
Herr Minister Ramsauer, ich habe am Wochenende in
der taz ein interessantes Interview gelesen. Sie wurden
zitiert mit den Worten:
Auch die Grünen werden mich nicht davon abhalten, die Attraktivität der Schiene zu erhöhen.
Ich glaube, ich bin im falschen Film. Sie stehen sich
doch selber im Weg, haben kein Konzept, es bleibt bei
Ankündigungen.
Damit kommen wir zu dem Thema, um das es gerade
schon ging: kombinierter Verkehr. Im Ausschuss haben Sie gesagt, Sie seien überzeugter Verfechter des
kombinierten Verkehrs. Keine zwei Stunden hat es gedauert, da wurden - der Kollege Kahrs hat es angesprochen - über 50 Prozent der Mittel zusammengestrichen.
Jetzt wird argumentiert, die Gelder seien 2009 nicht abgerufen worden. Warum das 2009 so war, kann sich angesichts der konjunkturellen Situation jeder denken.
({1})
Aber ausgerechnet jetzt, wo wir eine konjunkturelle Erholung haben, wo es ein Potenzial für neue Arbeitsplätze
und neue Investitionen gibt, den Ausbau des kombinierten Verkehrs auszubremsen, das ist verkehrspolitisch
und wirtschaftspolitisch der falsche Weg.
({2})
Stattdessen stecken Sie Geld in den Weiterbetrieb des
Transrapids - in der naiven Annahme, dieses Jahr würden die Brasilianer kaufen. Ich denke, es wird eher so
sein, dass den Zug die Chinesen bauen und sie ihn den
Brasilianern verkaufen.
Dazu experimentieren Sie mit den sogenannten Longlinern herum. Herr Minister, sieht so Ihre Strategie aus,
mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern? Ich glaube, Sie sind uns die Antwort schuldig geblieben.
Wir brauchen mehr Investitionen in den kombinierten
Verkehr, auf dem Niveau, wie es im Haushaltsentwurf
ursprünglich stand. Wir brauchen mehr Geld für die Reaktivierung von Gleisanschlüssen für den Güterverkehr,
mehr Investitionen in die Schiene insgesamt, insbesondere für nichtbundeseigene Bahnen. Im Moment ist es
so, dass notwendige Investitionen in Schienenwege entweder verschoben zu werden drohen oder ihre Realisierung ganz offen ist.
Wir Grünen haben zum Abarbeitungsstand der Konjunkturprogramme eine Kleine Anfrage gestellt. In der
Antwort ist noch einmal deutlich geworden, dass die
Gelder, wenn sie nicht verfallen sollen, bis Ende 2010
abgerufen sein müssen. Schaut man sich die Liste der
Projekte an, muss man feststellen: Die Straßenprojekte
sind alle schön im Bau, während von den Schienenprojekten viele noch in Planung sind, noch kein Baurecht
haben. Ich möchte eine Strecke nennen, die für den Güterverkehr wichtig ist: die Verbindung Horka-Hoyerswerda-Polen. Wichtige Investitionen im Güterverkehr
stehen also auf der Kippe. Ein anderes Beispiel ist die
Elektrifizierung der Stecke von Reichenbach nach Hof.
Wir haben eine Liste der Deutschen Bahn, die Sie alle
in der Zeitung sicherlich schon nachvollziehen konnten,
in der 47 Projekte benannt sind, die bei Fortschreibung
des derzeitigen Ausbau- und Neubauetats von 1,2 Milliarden Euro - ohne die Konjunkturpaketmittel - bis 2025
nicht realisiert werden können, wenn wir nicht 500 bis
600 Millionen Euro pro Jahr mehr investieren. 2025:
Das sind zehn Jahre, nachdem das gemäß dem Bundesverkehrswegeplan eigentlich hätte realisiert werden sollen.
Herr Minister, Sie sind uns in den Haushaltsberatungen
bisher völlig schuldig geblieben, wo diese 600 Millionen
Euro, die mehr gebraucht werden, nach Ablauf der Konjunkturpakete herkommen sollen.
({3})
Während die Straßenbauinvestitionen sozusagen in
trockenen Tüchern sind, bestens ausgestattet sind, ist das
bei der Schiene nicht der Fall. Hier ist Deutschland europaweit Schlusslicht. Wir geben 47 Euro pro Kopf für die
Schiene aus. In Italien sind es 60 Euro, in Frankreich
sind es 80 Euro, in Großbritannien, das lange Zeit kein
Eisenbahnland gewesen ist, sind es 136 Euro, und in der
Schweiz - sicherlich das Vorbild - sind es 284 Euro pro
Einwohner. Deutschland ist europaweit Schlusslicht.
Angesichts dessen, dass 32 Prozent der CO2-Emissionen in Europa im Transportbereich verursacht werden
- mit wachsender Tendenz -, frage ich mich, wie Sie die
Klimaschutzziele, die die Bundesregierung insbesondere
für den Bereich Verkehr ausgeschrieben hat, erfüllen
wollen, wenn Sie nicht mehr in die Schiene investieren
und die Mittel entsprechend effektiv einsetzen. Kein
Konzept!
({4})
Notwendig wäre, dass wir auf Prestigeprojekte verzichten, dass wir Höchstbetragsvereinbarungen für Projekte abschließen und dass wir vor allen Dingen einen
integrierten Planungsansatz wählen, ein Gesamtkonzept
für Fahrplan und Infrastruktur, das, was wir Deutschlandtakt nennen. Wir müssen nahtlose Reiseketten,
Zughäufigkeiten und Qualität definieren und dann
bauen. Jetzt wird erst gebaut, und danach werden Linien
und Fahrpläne festgelegt. Dann wundern wir uns auch
noch, dass es mit den Anschlüssen und den Zielsetzungen in Bezug auf die Qualität hinten und vorne nicht
funktioniert!
Herr Minister, bei Ihnen hat die Straße weiterhin Priorität. Sie haben gesagt: Wir bauen keine Straßen mehr,
wenn das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mindestens vier beträgt. Das haben Sie gegenüber der Financial Times Deutschland geäußert. Bei
40 Prozent aller Maßnahmen gemäß dem Bundesverkehrswegeplan erreichen Sie diese Zielstellung nicht.
Wir bauen weiterhin Autobahnanbindungen in Regionen, in denen sich die Einwohnerzahl in den nächsten
30 Jahren halbieren wird, und wir bauen Bundesstraßen
in Regionen, wo sich sozusagen heute schon Hase und
Igel Gute Nacht sagen. Das ist die Realität
({5})
in vielen Teilen, beispielsweise im Osten der Republik.
In Bezug auf die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft ist schon einiges gesagt worden. Unabhängig davon, dass Sie aus haushalterischer Sicht
Schattenhaushalte produzieren: Sie sichern damit die Investitionslinie für die Straße, und die Schiene und alle
anderen Verkehrsträger werden je nach Haushaltslage
bedient. Angesichts dessen, was wir im Bereich der
Schuldenbremse tun müssen, wird das kein Vergnügen
werden.
Ein anderes Thema ist ÖPP. Alle Präsidenten der
Landesrechnungshöfe sagen: Hier werden die Finanzierungslasten in die Zukunft verschoben. Wenn die Investitionslast in Bezug auf die Instandhaltung nach 30 Jahren besonders groß ist, laufen diese ÖPP-Verträge aus.
Dann ist es wieder die Aufgabe der öffentlichen Hand,
für die Instandhaltung zu sorgen.
Herr Minister, Sie haben zwar eine Unterabteilung
Klima- und Umweltschutzpolitik im Ministerium einberufen, aber leider haben Sie vergessen, ein Konzept für
mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich aufzulegen. Sie
bleiben weiterhin ein Ankündigungsminister, wenn es
darum geht, mehr in die Schiene zu investieren.
({6})
Herr Kollege Kühn, ich gratuliere Ihnen im Namen
des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag.
({0})
Jetzt hat der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer das
Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich leide aufgrund der kurzen Redezeit unter
demselben Zeitmangel, unter dem alle Bundesminister
während der Etatberatung leiden. Ich weise darauf hin
- vielen Dank für das Nicken, lieber Herr Kahrs -, damit
hinterher nicht die Vorhaltungen kommen: Dazu haben
Sie nichts gesagt, zu diesem haben Sie nichts gesagt und
zu jenem auch nichts. Wir als Minister können nicht
mehr tun, als diese neun, zehn oder elf Minuten so gut es
geht zu nutzen.
Lieber Herr Kollege Kahrs, Ihnen kann man im
Grunde genommen ganz gut zuhören. Wenn man mit Ihnen unter vier Augen spricht, sind viele Dinge wirklich
klar, und man freut sich. Wenn Sie dann aber hier reden,
sieht die Welt ganz anders aus.
({0})
Dann sind Sie wie ausgetauscht. Ihre eben gehaltene
Rede kam mir vor, als würden Sie ein Grußwort bei
Verdi in Cuxhaven halten.
({1})
- Ja. Genau so kam mir das eben vor.
Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie die deutsche
Wissensgesellschaft heute Nachmittag mit einem grandiosen Satz bereichert haben, der da lautete: Der jetzt
vorliegende Haushalt ist ein anderer als derjenige, der
bei der ersten Lesung vorlag. Das ist ein großartiger
Satz. Ich kann nur sagen: Klar ist das ein anderer. Gott
sei Dank ist das ein anderer. In der ersten Lesung hatten
wir nämlich aus Zeitgründen in etwa den Entwurf vorgelegt, den wir von der Vorgängerregierung, der Großen
Koalition, übernommen hatten,
({2})
und zwar von einem SPD-Finanzminister, im Falle des
Einzelplans 12 von einem SPD-Bundesverkehrs- und
-bauminister. Wir waren es uns als christlich-liberale
Koalition aber schuldig,
({3})
diesen Entwurf zum Besseren zu verändern. Genau das
haben wir auch getan.
({4})
Lieber Herr Kollege Kühn, dass Sie mir vorhalten, ich
würde mich dem Thema Bahn zu wenig zuwenden, ist
kurios. Wie ist es denn dann zu verstehen, dass Ihre Kollegin Künast mir vor wenigen Monaten vorgehalten hat,
ich würde mich über die Möglichkeiten und Perspektiven der Eisenbahnen in Deutschland besoffen reden?
Lieber Herr Kühn, das passt beides nicht zusammen.
Von Ihnen lasse ich mir eine solche Vorhaltung gewiss
nicht gefallen.
({5})
Sie haben Stuttgart 21 angesprochen und gesagt,
dass wir uns bei solch großen Projekten auf einen festen
Zuschuss beschränken sollten. Genau das haben wir bei
Stuttgart 21 aber praktiziert. Dass Sie auch einmal darauf kommen, finde ich großartig.
({6})
Was Ihre Vorhaltungen anbelangt, wir würden - ich
formuliere es mit meinen Worten - Bundesfernstraßen
ins Nirwana bauen: Lieber Herr Kühn, Autobahnen und
Bundesfernstraßen haben nicht nur die Funktion, Metropolen und Städte miteinander zu verbinden, sondern
ganz klar auch die Funktion der Erschließung. Diese
Erschließungsfunktion gilt für jene Räume, bei denen
Sie beklagen, die Bevölkerung würde abwandern.
({7})
Unsereins hat einen anderen Bezug zu ländlichen Räumen. Wir brauchen die Metropolregionen. Wir müssen
sie verbinden und an die Netze anbinden. Wir müssen
aber auch die Erschließungsfunktion der Bundesfernstraßen für die strukturschwächeren Räume nutzen.
({8})
Wir legen mit diesem Haushalt ein klares Bekenntnis
zur Stärkung der Wachstumskräfte in unserem Land ab
und tragen damit zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Deshalb ist Verkehrs- und Baupolitik
auch ganz klar angewandte und praktizierte Wirtschaftspolitik.
({9})
Ich bin stolz darauf, dass wir in diesem Jahr auf einem
Rekordniveau investieren.
({10})
Ich bin auch stolz darauf - das sollten wir Verkehrs- und
Baupolitiker alle miteinander sein, die Fachpolitiker genauso wie die Haushaltspolitiker in diesem Bereich -,
dass wir mit diesem Einzelplan 12 den größten Investivetat aller Ressorts haben. 52 Prozent der gesamten Investitionen in diesem Bundeshaushalt entfallen auf diesen Einzelplan.
Von den 26,3 Milliarden Euro, die dieser Etat birgt,
fließen 14,7 Milliarden Euro und damit rund 56 Prozent
in Investitionen. Ich habe in meiner allerersten Rede als
Bundesminister an dieser Stelle gesagt, dass ich kein
Verwaltungsminister, sondern ein Investitionsminister
sein will. Das gelingt mit diesem Haushalt.
({11})
Von diesem Haushalt geht eine kraftvolle Lokomotivwirkung aus. Ich war in den Vieraugengesprächen auch
mit den Politikern der Opposition einig, dass dies so ist
und dass umgekehrt auch gilt, dass bei Einsparungen an
der falschen Stelle keine Lokomotivwirkung entfaltet
wird, sondern das krasse Gegenteil, nämlich Bremswirkungen.
({12})
Dessen müssen wir uns in der künftigen Planung dieses
Haushalts bewusst sein.
Der Kollege Schäuble hat heute in seiner Rede klargemacht, dass trotz allen Konsolidierungsdrucks das zarte
Pflänzlein konjunktureller Entfaltung, wie er es formuliert hat - der Kollege Brüderle hat es wiederholt, nicht
durch falsches Sparen kaputtgetreten werden darf
({13})
und dass die Haushaltspolitik in unserem Bereich eine
schwierige Gratwanderung ist. Insofern ein ausdrückliches Dankeschön an den Haushaltsausschuss, dass man
sich dieser Einsicht nicht verschlossen hat.
({14})
Ich folge dem Grundsatz, dass Mobilität bestmöglich
zu organisieren ist, weil sie eine unverzichtbare Voraussetzung für die persönliche Freiheit unserer Bürgerinnen
und Bürger und die Entwicklung unserer Volkswirtschaft
ist. Das heißt, eine bestmöglich ausgebaute verkehrliche
Infrastruktur ist das Fundament wirtschaftlichen Erfolgs.
Wenn wir alle Möglichkeiten in der Binnenwirtschaft
und alle Möglichkeiten, die wir als exportorientierte Nation in der Weltwirtschaft haben können, entfalten wollen, dann müssen wir schlicht und einfach die dazu erforderlichen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen tätigen.
({15})
Erhalten, Ertüchtigen und Ausbauen: Das sind die
drei Elemente, die wir brauchen, um den prognostizierten Anstieg aller Verkehrsarten verkraften zu können.
Lieber Herr Kollege Claus, Sie wissen aus langjähriger
guter Zusammenarbeit in vielerlei Funktionen, dass wir
im Vieraugengespräch immer gut zusammenkommen.
Sie wissen auch, dass man Verkehre, beispielsweise
Frachtverkehre, nicht beliebig manipulieren kann. Das
ist nicht möglich, wenn man nicht dem umgekehrten
Grundsatz wie dem meinen folgt, Mobilität zu ermöglichen. Es mag ein Stück Ihrer Ideologie sein, Mobilität zu
beschränken oder zu verhindern. Aber das kann nicht der
Ansatz einer freiheitlichen Wirtschafts- und Verkehrspolitik sein.
({16})
Wir werden also alles daransetzen, dem Anstieg der
Transportleistung Rechnung zu tragen. Wenn argumentiert wird, dass sich angeblich nur ein Teil des ansteigenden Güterverkehrs für die Schiene eignet, dann darf uns
das nicht resignieren lassen; das darf uns nicht ruhen lassen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, den
Zuwachs beim Güterverkehr schienentauglich zu gestalten und Verkehrssysteme auch für die Schiene zu entwickeln, damit wir den größtmöglichen Zuwachs auf die
Schiene bekommen - ich bleibe dabei und lasse mich
nicht beirren -, wenn wir keine Verkehrsinfarkte auf der
Straße erleben wollen.
({17})
Dazu gehört natürlich auch das Erschließen neuer Finanzierungsinstrumente. Ich sage klipp und klar: Mit
den herkömmlichen Finanzierungsmöglichkeiten unseres
Budgets werden wir das alles miteinander nicht schaffen.
Ich bedanke mich beim Kollegen Bartholomäus Kalb dafür, dass er auf diese Dinge und auf einige sehr zentrale
Begriffe hingewiesen hat. Dazu gehört der Begriff der öffentlich-privaten Partnerschaft. Dazu gehört natürlich
auch das Gängigmachen - so habe ich das verstanden der VIFG, der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft. Ich schlage vor, dass wir uns bereits im Zusammenhang mit der Beratung des Bundeshaushalts 2011
daranmachen - im Dienste einer innovativeren Verkehrsinfrastrukturfinanzierung.
Das Thema Transrapid ist von der Kollegin Winterstein und vom Kollegen Kalb angesprochen worden. Ich
bedanke mich beim Haushaltsausschuss noch einmal
ausdrücklich dafür, dass die Möglichkeit geschaffen
worden ist, die Versuchsstrecke bis zum Jahresende weiterzubetreiben.
Herr Minister, darf ich unterbrechen?
Ich weiß um die Knappheit des Gutes Zeit.
Darum geht es jetzt nicht. Ich will Sie darauf aufmerksam machen, dass die Kollegin Hagedorn Ihnen
gern eine Zwischenfrage stellen würde. Ich frage Sie
jetzt, ob Sie eine solche Frage zulassen.
Ja, gern.
Bitte schön.
Ich habe Ihren Hilferuf, dass Sie mit der kurzen Redezeit so unzufrieden sind, wahrgenommen, und darum
komme ich Ihnen an dieser Stelle zu Hilfe.
Auf Sie ist Verlass, Frau Kollegin Hagedorn.
({0})
Herr Minister, Sie haben gerade die ÖPP-Projekte
als ein Hilfsmittel im Hinblick auf die dramatisch unterfinanzierten Vorhaben im Verkehrsbereich erwähnt. Ich
möchte Sie auf ein Verkehrsprojekt ansprechen, das auch
auf der Streichliste der Bahn steht, von der Sie immer
gesagt haben, dass es sie gar nicht gäbe. Dabei handelt es
sich um das Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung.
Das ist zwar in meinem Wahlkreis, aber ich bin keine
Freundin dieses Projekts und habe ihm auch nicht zugestimmt.
Ich bitte Sie aber, kein Koreferat zu halten, sondern
eine Frage zu stellen.
Ich werde schon zu meiner Frage kommen, Herr Präsident; machen Sie sich keine Sorgen.
Es geht um ein Projekt, das nicht finanziert ist, mindestens 1 Milliarde Euro kosten wird - der Bundesrechnungshof spricht von 1,7 Milliarden Euro - und das ursprünglich, nämlich im Koalitionsvertrag der vorherigen
Koalition, als PPP-Projekt vorgesehen war. Es ist deshalb nicht als PPP-Projekt umgesetzt worden, weil es
keine Investoren gab, die bereit waren, ihr Geld in dieses
Projekt hineinzustecken. Das könnte dem Vernehmen
nach auch bei anderen Projekten so kommen.
Welche weiteren Vorstellungen haben Sie also im Hinblick auf die Streichliste und die Projekte, die finanziert
werden müssen, weil ein Staatsvertrag vorhanden ist?
Wie wollen Sie all das finanzieren - angesichts der Schuldenbremse und angesichts dessen, was Herr Minister
Schäuble Ihnen in den nächsten Haushaltsjahren weniger
wird zur Verfügung stellen können?
Sehr geehrte liebe Frau Kollegin Hagedorn, nicht nur
die gleiche, sondern genau dieselbe Frage haben Sie mir
bei den Beratungen der Ausschüsse in den letzten Wochen zweimal gestellt. Ich habe sie ausführlich beantwortet. Ich bitte Sie insofern, die Ausschussprotokolle
nachzulesen. Aber ich komme gern Ihrer Bitte nach und
antworte noch einmal darauf, um Ihre Befürchtung aufzunehmen, ich könnte mit meiner Redezeit nicht zurechtkommen.
({0})
Sie können sich aber gern setzen, Frau Hagedorn.
Die Redezeit ist ja jetzt angehalten, Herr Minister.
Zu diesem Zweck muss Frau Kollegin Hagedorn allerdings stehen bleiben. Wenn sie sich setzt, läuft die
Uhr weiter.
Solange Sie antworten, halte ich die Uhr an. Das ist
meine Sache.
Spaß beiseite! - Die feste Fehmarnbelt-Querung ist
ein Projekt, zu dem wir erst am 14. Januar, also ziemlich
genau vor zwei Monaten, den Staatsvertrag in Kraft gesetzt haben. Als verantwortlicher Fachminister - im Übrigen auch als Parlamentarier und als vertragstreuer
Mensch - halte ich nichts davon, wenn man einen solchen Staatsvertrag zwischen den beteiligten Staaten hier
im Parlament zwei Monate später infrage stellt.
({0})
Anstatt herumzunörgeln, würde ich mich lieber darauf
verlegen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Ziel zu
erreichen ist, bis 2018 dieses Infrastrukturprojekt einschließlich der Hinterlandanbindungen bis Puttgarden
fertigzustellen. Da Sie die PPP und den Zeitpunkt angesprochen haben: Wir werden alles tun, dass sich anlagesuchende Kapitalgeber, die in den letzten Jahren schlechte
Erfahrungen gemacht haben, guten Investitionsoptionen
in Deutschland zuwenden. Ich halte Investitionen in deutsche Verkehrsinfrastrukturprojekte, in die Straße oder die
Bahn, noch immer für rentabler und kaufmännisch solider
als irgendwelche spekulative Anlagen in Übersee, die
sich in der Vergangenheit als massive, verlustreiche Fehlinvestitionen erwiesen haben.
({1})
Jetzt bitte ich, allmählich zum Schluss zu kommen.
Bevor Frau Hagedorn ihre Zwischenfrage gestellt hat,
habe ich über das Emsland und den Transrapid gesprochen. Wir dürfen einem weiteren Export von technologischem Basiswissen aus Deutschland keinen Vorschub
leisten. Die Transrapid-, die Magnetschwebebahntechnologie, ist eine deutsche Basistechnologie. Wir dürfen
sie nicht billig exportieren. Das muss uns allen hier im
Hause klar sein. Ich glaube, das ist es auch.
({0})
Ich halte mit aller Unbeirrbarkeit und Entschlossenheit daran fest, allen Wünschen, die Sie an mich richten
- egal von welcher Fraktion -, im Bereich der Verkehrsinfrastruktur auf bestmögliche Weise nachzukommen.
Deswegen bitte ich das Parlament, genauso unbeirrbar
meinem Etat dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Vielen herzlichen Dank.
({1})
Das Wort hat jetzt der Kollege Sören Bartol von der
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, ein
kleiner Tipp vorweg: Wenn Sie mir jetzt zuhören, sind
Sie das nächste Mal nicht wieder bei Harald Schmidt zu
sehen. - Das hat offenbar niemand verstanden. Es ist
wichtig, die Sendung von Harald Schmidt zu schauen.
Herr Ramsauer, Sie können sehr froh sein, dass Sie mit
der nationalen Stadtentwicklungspolitik, den Programmen der Städtebauförderung, dem Investitionspakt und
dem Programm zur energetischen Gebäudesanierung ein
wirkungsvolles Instrumentarium für die Gestaltung der
Zukunftsaufgaben in unseren Städten und Gemeinden
von Ihrem Vorgänger übernehmen konnten. Ich hoffe
noch immer, dass Sie dies zu schätzen wissen. Immerhin
haben Sie den Haushaltsentwurf von Wolfgang Tiefensee
bei der Städtebauförderung fast - leider nur fast - unverändert übernommen. Es fehlt Ihrem Haushalt aber an
neuen Impulsen und - das sage ich hier ganz deutlich Ihnen als Minister an Durchsetzungskraft in den Haushaltsberatungen.
Ein Programm für die ländlichen Räume ist gut und
die folgerichtige Fortführung dessen, was wir mit den
Modellvorhaben und Forschungsprojekten zum demografischen Wandel im Rahmen von MORO, der Modellvorhaben der Raumordnung, begonnen haben. Schade
nur, dass Ihnen die erhoffte Aufstockung der Städtebauförderungsmittel um 20 Millionen bis 30 Millionen
Euro nicht gelungen ist, um dieses Programm zu finanzieren! Auch die Aufstockung der Mittel für das Programm „Soziale Stadt“, die Ihr Staatssekretär Mücke im
Ausschuss noch im Januar zugesagt hatte und die auch
so im Haushaltsentwurf stand, haben Sie wieder kassiert.
Sie haben sich eine globale Minderausgabe in Höhe von
100 Millionen Euro zur Finanzierung der gestiegenen
Wohngeldkosten in Ihren Haushalt schreiben lassen,
statt, wie es richtig gewesen wäre, durchzusetzen, dass
diese Folgekosten der Wirtschaftskrise voll vom Gesamthaushalt getragen werden.
Liebe Frau Winterstein und Kollege Kalb, die pauschale Kürzung aller Verpflichtungsermächtigungen
für die kommenden Jahre um 10 Prozent trifft sowohl
die Städtebauförderung als auch die energetische Gebäudesanierung. Deswegen kann ich es auch nicht mehr hören, wenn hier so getan wird, als ob die CO2-Gebäudesanierungsprogramme auf gleichem Niveau fortgeführt
würden.
({0})
Ich hoffe, dass Sie bei der Aufstellung des Haushalts
2011 stärkeren Einsatz für die Bau-, Wohnungs- und
Stadtentwicklungspolitik zeigen; denn wir alle wissen:
Dann geht es wirklich ans Eingemachte. Investitionspakt
und Konjunkturprogramme laufen aus, die Kommunen
bekommen die volle Wucht der Wirtschaftskrise und vor
allen Dingen Ihrer Steuerpolitik zu spüren, der absehbare drastische Einbruch bei den öffentlichen Investitionen schwebt als Damoklesschwert über der Branche.
Statt an einer verlässlichen finanziellen Basis für die
Kommunen zu arbeiten, bekommt die Gewerbesteuer
mit Ihrer Gemeindefinanzkommission ein Begräbnis erster Klasse. Sie und Ihre Regierung sind gefordert: Helfen
Sie den Kommunen schnell mit einem Rettungsschirm,
der die jährlichen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden
Euro aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
kompensiert! Stellen Sie die Kommunalfinanzen auf
eine verlässliche Grundlage stabiler Gewerbesteuereinnahmen und einer reformierten Grundsteuer! Bringen
Sie eine Neuauflage des dieses Jahr auslaufenden Investitionspaktes zwischen Bund, Ländern und Kommunen
zur energetischen Sanierung von Kitas, Schulen und
Sportstätten auf den Weg!
({1})
Geben Sie den Kommunen auch bei der Städtebauförderung Sicherheit, dass sie 2011 und danach mindestens
auf gleichem Niveau fortgeführt wird!
({2})
Das Prinzip der Drittelfinanzierung - Bund, Länder, Kommunen - in der Städtebauförderung hat sich
prinzipiell bewährt. Dennoch muss mit der Verwaltungsvereinbarung besser als bisher sichergestellt werden,
dass finanzschwache Kommunen nicht aus der Städtebauförderung herausfallen, weil sie ihren Eigenanteil
nicht aufbringen können; denn gerade dies sind die
Städte und Gemeinden mit geringer Wirtschaftskraft,
meist auch mit hoher Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen hohem Investitionsbedarf. Auch die verbleibenden
10 Prozent Eigenanteil sind für manche Kommune in
Haushaltsnotlage zu viel. Eine gestaffelte Regelung, je
nach Leistungsfähigkeit der Kommune, kann uns die
Kommunen auch in strukturschwachen Gebieten als
Partner in der Städtebauförderung erhalten. Dazu gehört
die stärkere Einbeziehung nicht nur privaten Kapitals,
sondern vor allen Dingen auch der Potenziale zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Ich freue mich, dass es insbesondere beim Stadtumbau großen Konsens darüber gibt, dieses Programm bis
2016 fortzuführen. Trotz der Erfolge der kombinierten
Strategie aus Rückbau und Aufwertung ist der Bedarf
nicht kleiner, sondern aufgrund der demografischen Entwicklung noch größer geworden. Heute haben wir
1 Million leer stehende Wohnungen, die im Schnitt mit
einer Restschuld aus DDR-Zeiten von je 4 000 Euro belastet sind. Bis 2020 werden weitere 430 000 Wohnungen leer stehen. Wichtige Erfolgsbedingung für den
Stadtumbau Ost war die ergänzende Altschuldenregelung. Nur wenn Sie, Herr Minister Ramsauer, hier zügig
eine Anschlussregelung vorlegen, werden sich die Woh2674
nungsunternehmen auch weiterhin am Stadtumbauprogramm beteiligen können. Sie haben angekündigt, sich
in Zukunft auch bei Ihren Kabinettskollegen für Verkehrsinfrastruktur einzusetzen. Herr Minister, tun Sie
das bitte auch für die Zukunft der Städte und Gemeinden. Es geht hier nicht nur um Investitionen in Gebäude,
sondern auch um Investitionen in den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Nur in einem lebenswerten Umfeld gelingt Integration, entstehen Kreativität und damit am
Ende auch Wirtschaftskraft. Herr Minister, ich bitte Sie,
das auch in Zukunft zu beachten.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
fand es im Anschluss an die Debatte über den Etat des
Kollegen Brüderle schon bemerkenswert, wie wenig insbesondere in der ersten Runde der Zusammenhang zwischen dem, was wirtschaftspolitisch erforderlich ist, und
dem, was verkehrs- und baupolitisch erforderlich ist,
hervorgehoben wurde. Sehr geschätzter Herr Kollege
Claus - den hat es schon zerrissen -, wo immer Sie jetzt
sind: Wer glaubt, die Arbeitsmarktprobleme und die
wirtschaftspolitischen Herausforderungen in den neuen
Ländern durch Verkehrsvermeidung lösen zu können,
gehört nun wirklich nicht mehr in diese Welt. So werden
wir es nicht schaffen, nicht in den neuen Ländern und
nicht in den alten Ländern, wenn wir Exportnation bleiben wollen.
({0})
- Er hat Verkehrsvermeidung angesprochen, unabhängig
vom Verkehrsträger. Sie, geschätzte Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, versuchen schon die ganze
Debatte, uns das Etikett der Schienenfeindlichkeit anzuhängen. Als ob diese Koalition schienenfeindlich sei!
Das Gegenteil ist der Fall.
({1})
Wenn Sie hier zu Recht die sogenannte Streichliste
ansprechen, dann halte ich für die Koalition fest: Es ist
Herrn Grube und dem Bundesministerium für Verkehr
zu danken, dass aufgeschrieben wurde, welche Verpflichtungen die konzeptionslose Planungsmittelversprechungspolitik der Vorgängerregierungen ausgelöst hat.
Das ist der Dank, den wir denjenigen, die diese Liste
aufgestellt haben, schulden. Ihr Minister Tiefensee hat
doch Planungsmittel versprochen, ohne auch nur einen
Hauch von Anschlussfinanzierung sicherzustellen. Ihr
Minister Tiefensee ist zehnmal irgendwo in Europa Verpflichtungen eingegangen, die nicht finanzierbar sind.
Uns jetzt vorzuhalten, dass wir das wenigstens aufschreiben und darüber diskutieren, ist doch wohl wirklich abenteuerlich.
({2})
Lassen Sie uns über die 500 Millionen Euro, die fehlen, reden - gar kein Problem! Das einfache Vorgehen,
über Steuermittel zu steuern, Herr Kühn, ist nicht ausreichend; das steht übrigens im Koalitionsvertrag. Wir sagen ganz offensiv: Wenn die DB Netz AG in diesem
Jahr zum wiederholten Male mehr als 600 Millionen
Euro Ertrag für den Konzern erwirtschaftet, dann ist es
die Aufgabe des Eigentümers Bundesrepublik Deutschland, das Unternehmen DB AG dazu zu verpflichten, die
Erträge der DB Netz AG in das Netz zu reinvestieren.
Dann haben wir in den nächsten zehn Jahren die fehlenden Investitionsmittel für diese Projekte. Das ist der
Weg, den wir gehen wollen.
({3})
Herr Kollege Döring, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kahrs?
Unbedingt.
Herr Kollege Döring, Sie haben eben gesagt, dass die
Bahn dringend mehr Geld braucht. Sie gehören der FDP
an. Die Kollegin Winterstein hat bei der ersten Lesung
hier gesagt, sie möchte gerne, dass Straße Straße finanziert, dass die Lkw-Maut-Mittel für die Straße ausgegeben werden. Wenn Sie so großartige Befürworter von
mehr Geld für die Schiene sind, dann verraten Sie uns
doch, wo die für die Schiene fehlenden Mittel herkommen sollen?
Gleichzeitig haben Sie eben gesagt, dass der Eigentümer damit entsprechend umgehen soll. Das ist richtig.
Aber die Frage ist: Woher kommen die Gewinne der
Bahn? Natürlich müssen sie in die Schiene reinvestiert
werden. Aber das löst doch die Probleme nicht. Das
heißt, das, was Sie hier machen, ist: Sie kürzen beim
kombinierten Verkehr, erzählen uns, was Sie vielleicht
irgendwann einmal machen, aber Sie tun es nicht; dafür
regieren Sie. Gleichzeitig haben Sie sich hierhin gestellt
und klar gesagt, dass die Mautmittel nicht mehr für die
Schiene ausgegeben werden sollen. Das ist doch unlogisch.
Geschätzter Herr Kollege Kahrs, ich bin extrem dankbar, dass ich Ihnen das außerhalb meiner Redezeit erklären kann, zum wiederholten Male in diesem Hause.
Erstens. Selbst wenn man dazu kommt, dass die LkwMaut-Einnahmen vollumfänglich der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von
Straßen zur Verfügung gestellt werden, dann bedeutet
das im Umkehrschluss, dass die steuerfinanzierten MitPatrick Döring
tel für die Straße in dem Umfang, in dem zusätzliche
Mautmittel für die Straße zur Verfügung gestellt werden,
sinken und für die Eisenbahn zur Verfügung stehen.
Nichts anderes will diese Koalition.
({0})
- Ich sage es Ihnen ja. Ich habe es in der ersten Lesung
gesagt. Ich habe es bei der Beratung des Antrags zur Infrastrukturfinanzierung gesagt, und ich sage es jetzt hier
noch einmal. Sie können es dann nachlesen.
Zweitens. Die Erträge aus dem Netz basieren, wie
Sie und Ihre Kollegen wissen, auf Einnahmen aus Trassenentgelten, die alle, die das Schienennetz nutzen, entrichten. Bei der Schiene gibt es längst einen geschlossenen Finanzierungskreislauf, wie wir ihn bei der Straße
einführen. Wir, diese Koalition, nicht die Vorgängerkoalition, wollen als Eigentümer Bundesrepublik Deutschland die Infrastrukturgesellschaft verpflichten, diese
Mittel zusätzlich für diese Infrastrukturinvestitionen zur
Verfügung zu stellen. Das steht im Koalitionsvertrag:
Aufhebung der Gewinnabführungsverträge.
({1})
- Wir brauchen keinen Gesetzentwurf. Das entscheidet
nämlich der Aufsichtsrat, geschätzter Kollege. Das steht
im Aktiengesetz. Das brauchen wir dafür noch nicht einmal zu ändern.
Drittens. Dazu, dass hier bei einer 35-MillionenEuro-Abforderung der Mittel für den kombinierten Verkehr die Streichung eines Haushaltstitels, der ohnehin zu
hoch war, auf 54 Millionen Euro zu dem zentralen verkehrspolitischen Argument der SPD geworden ist, kann
ich nur sagen: Herr im Himmel, da hätten Sie sich etwas
Besseres aussuchen müssen. Nicht einmal die 54 Millionen Euro werden abfließen; wir bedauern das. Wir werden am Ende sicherstellen: Wenn 1 Euro mehr als
54 Millionen Euro beantragt wird, dann wird auch diese
Anlage zum kombinierten Verkehr gebaut. Glauben
Sie mir: Wir müssen hier kein verkehrspolitisches Problem lösen.
({2})
Überhaupt ist bemerkenswert, dass in dieser Haushaltsdebatte über diese kleinen Beträge diskutiert wird,
während am Ende deutlich wird, dass Sie der ganz klaren, ordnenden Strategie dieser Koalition dieses Hauses
sehr wenig entgegenzusetzen haben.
({3})
Der Kollege Bartol hat bisher als einziger Oppositionsredner dankenswerterweise eine sachliche Rede gehalten
und hat das Thema „Soziale Stadt“ angesprochen. Da
haben wir doch die gleiche Situation: Die Mittel aus dem
vergangenen Jahr sind nicht in dem Umfang abgeflossen, wie sie etatisiert waren. Jetzt kann man immer sagen: Daran ist die Wirtschaftskrise schuld. Meine Beobachtung, die Beobachtung meiner Kolleginnen und
Kollegen in den Wahlkreisen ist, dass viele Kommunen
jetzt mit dem Programm durch sind. Das Programm gibt
es seit vielen Jahren. Es war ein gutes Programm. Es gibt
aber nicht mehr den Bedarf, der hier gelegentlich an die
Wand gemalt wird.
({4})
Ich sage Ihnen auch - ich habe es schon im Ausschuss
gesagt, ich sage es hier noch einmal -: Wir wollen uns
darauf konzentrieren, mit dem Programm „Soziale
Stadt“ Investitionsmaßnahmen zu finanzieren. Die Zeit
der nichtinvestiven Maßnahmen, zum Beispiel zur Errichtung von Bibliotheken für Mädchen mit Migrationshintergrund, ist vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das gab es zu Zeiten einer anderen Koalition.
({5})
Wir wollen Investitionen mit dem Stadtumbauprogramm anschieben. Wir wollen, dass es leistungsfähige
Infrastruktur in den Städten gibt, und wir wollen weniger
Projekte fördern, die eigentlich andere aus ihren Haushalten bezahlen sollten bzw. müssten. Diese gehören
nicht in den Investitionshaushalt des Einzelplans 12.
({6})
Interessanterweise hat der Kollege Kahrs als engagierter Wahlkreisabgeordneter zwei wichtige Dinge aus
seinem Bereich angesprochen, nämlich zum einen das
Projekt der Vertiefung der Unterelbe, zu dem diese Koalition steht und das durchgeführt wird, und zum anderen
hat er einen Satz zu den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen gesagt. Nun habe ich das sehr genau und aufmerksam verfolgt. Es ist ja schon bemerkenswert, dass
Sie als einen der wenigen konkreten Haushaltsanträge
den Antrag stellen, in diesem Bereich wie auch in anderen Bereichen erhebliche Stellenhebungen vorzunehmen. Man kann das verstehen, wenn man annimmt, dass
Sie Ihr notdürftig zusammengehaltene Wählerklientel
bei Laune halten wollen.
Wir bleiben dabei: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Deutschland ist gut, aber sie ist gemessen an
dem Verkehrsaufkommen, das bei diesem Verkehrsträger festzustellen ist, zu groß.
({7})
Sie kann effizienter werden. Eine Aufgabe dieser Bundesregierung wird es auch sein, diese Effizienzreserven
zu heben, damit wir mehr Mittel für die notwendigen Investitionen in die Wasserstraßen erhalten. Das ist die
Aufgabe für 2011.
Über 2011 ist damit noch nichts gesagt. Die Haushälter, die Verkehrspolitiker, die Baupolitiker und das Haus
sind in guten Verhandlungen. Sie werden sehen, dass wir
etwas Gutes hinbekommen. Wenn Sie uns dabei unterstützen, werden Sie auch einsehen, dass wir, indem wir
vieles, was Ihre Hausleitung in der Vergangenheit falsch
in die Wege geleitet hat, korrigieren, mehr für die Bürger
erreichen, als wenn wir dem Alternativkonzept folgen
würden, das Sie hier in Ihren Reden vorgestellt haben.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Döring, Sie haben nicht automatisch recht, nur weil
Sie so laut in den Wald hineinrufen. An verschiedenen
Stellen gehe ich nachher noch einmal darauf ein.
Aber eines ist hier ganz deutlich geworden - da will
ich gleich am Anfang ansetzen -: Jetzt haben Sie das
wahre Gesicht der FDP in dieser Frage gezeigt.
({0})
Ich bin Ihnen sehr sehr dankbar dafür - jetzt werde auch
ich einmal laut -, dass Sie einfach einmal auf den Punkt
gebracht haben, was Sie vorhaben, wenn die NRW-Wahl
vorbei ist. Herzlichen Dank.
Schon mein Kollege Roland Claus machte hier soeben deutlich, dass diesem Einzelplan 12 das große
Potenzial innewohnt, wirklich gerechte, innovative, ökologische und damit zukunftsgerichtete Investitionspolitik
zu betreiben. Herr Minister, nüchtern analysiert ist das,
was Sie hier vorlegen, ein Weiter-so der Großen Koalition, nichts Neues, nur ein Verschiebebahnhof innerhalb
der einzelnen Haushaltsstellen.
({1})
Das, was hier vorliegt, ist alles andere als eine kraftvolle
Lokomotive, wie Sie es bezeichnet haben. So verpassen
wir eine wirkliche Wende bei den Verkehrsträgern
Straße und Schiene und vor allem hin zur Einführung
neuer Technologien und damit zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie haben kein Konzept. Es gibt keinen ganzheitlichen politischen Handlungsansatz. Es gibt keine Idee,
wie man mit dem Wohnungswesen und dem Städtebau
Zukunft für und mit den Menschen gestalten will. Es
gibt nicht einmal eine umfassende Bestandsanalyse der
dringend zu behebenden Mängel und Schäden auf der
Großbaustelle Wohnungswesen und Städtebau. Hierzu
exemplarisch zwei Denkrichtungen:
Erstens. Im Einzelplan 12 heißt es zwar „Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung“, dieser logische Zusammenhang wird aber offensichtlich nicht hergestellt. Rund
80 Prozent der Menschen leben in Städten oder in deren
Randgebieten. Ihr kulturelles Leben und ihre Arbeit finden sie aber oft an Orten weit außerhalb ihres Wohnumfeldes. Städtisches Wohnen in seiner heutigen Form
erzwingt daher Mobilität, leider auch allzu oft Automobilität mit all ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen
und umweltschädigenden Wirkungen.
Auch die Förderung von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung, Stichwort CO2-Gebäudesanierungsprogramm, ist ein viel zu kurz geratener Schritt,
wenn auch in die richtige Richtung. Ich will also gar
nicht fragen, ob der jetzt aufgestockte Titel aus Einsicht
in die Notwendigkeit oder auf Druck von Hauseigentümern oder der Bauwirtschaft zustande gekommen ist.
Was Sie, meine Damen und Herren der Regierung, nicht
sehen: Die Anstrengungen der energetischen Sanierung
werden relativiert und zum Teil durch das Fehlen von Investitionen zur Schaffung einer individualverkehrvermindernden Wohninfrastruktur konterkariert.
({2})
Im Gegenteil: Schulen werden geschlossen, die Schulwege für die Kinder werden immer länger, Kitas in
Wohngebieten werden weggeklagt und Supermärkte auf
der grünen Wiese vor den Städten gebaut.
Bau und Stadtentwicklung beschränkt sich nach unserem Verständnis nicht auf die Bereinigung des Wohnungsmarktes oder auf die finanzielle Begünstigung
privater Interessen. Wirkliche Stadtentwicklungspolitik
muss ihren eigenen Anspruch deutlich höher ansetzen,
als Sie es tun. Sie muss, ausgehend von den objektiven
ökologischen und demografischen Tendenzen und wissenschaftlich fundierten Prognosen, langfristige städtebauliche Entwicklungserfordernisse definieren, Zielsetzungen qualifizieren und in haushälterisch verbindliche
Zahlen gießen. Das tut dieser Einzelplan an keiner einzigen Stelle.
Zweitens. Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist für
die Linke zugleich auch immer Sozialpolitik. Nahezu
allen hier aufgeführten Titeln sind in ihrer Umsetzung
soziale Komponenten immanent. Damit kann man allerdings unterschiedlich umgehen. Meines Erachtens muss
man zum Beispiel bei der Förderung durch das CO2-Gebäudesanierungsprogramm die Kausalität von Sanierungsinvestitionen, die daraus folgenden Mietpreisentwicklungen, mögliche Veränderungen der Mieterstruktur
und damit die grundlegende Veränderung des Charakters
eines Quartiers, eines ganzen Wohnviertels bedenken.
Das wäre vorausschauend und politisch verantwortungsvoll. Das können die Menschen von einer Regierung
verlangen. Sie aber begnügen sich mit dem kurzfristig
angelegten Reagieren auf die gröbsten städtebaulichen
Missstände, blenden die sozialen Zusammenhänge fast
immer aus. Die Folgen eines solchen Handelns werden
oftmals in andere Haushaltsressorts verschoben.
Zum Schluss möchte ich noch - meine Redezeit geht
zu Ende - auf das Thema „Soziale Stadt“ zu sprechen
kommen. Herr Döring, Sie haben vorhin den Versuch
unternommen, uns zu erklären, warum Mittel, die nicht
abgerufen werden, einfach gestrichen werden. Aber auch
Herr Mücke hat im Ausschuss kein Wort dazu gesagt,
warum diese Mittel nicht abgerufen werden. Mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben Sie den Kommunen die Möglichkeit genommen, die Kofinanzierung
überhaupt erst auf den Weg zu bringen. Insofern finde
ich es arrogant und unverantwortlich, dass Sie gerade bei
den wenigen sozialen Teilen, die im Haushalt noch zu
finden sind, 20 Millionen Euro wegnehmen.
({3})
Meine Damen und Herren, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist eine äußerst komplexe Langfristaufgabe,
die man nicht kurzfristig mit kleinen Baustellen erledigen kann. So kann man Zukunft nicht bauen, so verbaut
man sie sich. Der Einzelplan 12 ist, um mit Franz
Müntefering zu sprechen, großer Mist.
Danke schön.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Daniela Wagner vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Zwei Dinge fallen beim Einzelplan 12 ins Auge. Zum einen klaffen Anspruch und Wirklichkeit erkennbar auseinander. Zum anderen bietet kaum ein anderer Einzelplan des Bundeshaushaltes ein solches Volumen mit der
Möglichkeit zum Umschichten und zur Kurskorrektur.
Das KfW-Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung ist zum Beispiel ein solches Thema.
Man hätte sich vorstellen können, dass sehr viel mehr
aus anderen Bereichen dorthin hätte umgeschichtet werden können.
Wir haben schon öfter darüber gesprochen, dass der
Gebäudebestand für etwa 40 Prozent der CO2-Produktion und -Emission verantwortlich ist und damit neben
dem Verkehr eine der Schlüsselrollen bei der CO2-Reduktion spielt. Die energetische Modernisierung des Gebäude- und Wohnungsbestandes ist daher unumgänglich,
und sie generiert Arbeitsplätze. Auch Sie, Herr Minister,
wissen das.
Mit dem Tempo, das wir zurzeit vorlegen, und der aktuellen Etatentwicklung werden wir - das habe ich neulich schon einmal gesagt - etwa 180 Jahre brauchen, um
den Gebäudebestand zu sanieren. Deswegen haben wir
Grüne in einem Antrag gefordert, die Mittel für das
KfW-Förderprogramm für energetische Sanierung auf
mindestens 2,2 Milliarden Euro zu erhöhen, und zwar
nicht im Vorgriff auf künftige Haushaltsjahre, sondern
durch tatsächliche Etatisierung.
({0})
Gleiches gilt für die Zuschüsse der KfW-Förderbank
zu Investitionen in die energetische Gebäudesanierung.
Die FDP erklärt: Die Mittel wurden gar nicht abgerufen.
Dazu muss ich sagen: Wenn Mittel nicht abgerufen werden, ist das in aller Regel ein Zeichen dafür, dass ein
Programm nicht gut angelegt ist, dass irgendetwas nicht
stimmt; entweder haben die Kommunen nicht mehr das
Geld für die Kofinanzierung oder die Anreizwirkung bei
den privaten Hauseigentümern und Wohnungsbaugesellschaften ist einfach zu gering. Wir sind der Auffassung,
dass die Haushaltsmittel für die Zuschüsse deutlich, auf
180 Millionen Euro, erhöht werden müssen,
({1})
statt sie - das geschieht jetzt - von 170 auf
150 Millionen Euro zu senken. Diese Förderung wirkt
natürlich auch nebenkostendämpfend; das ist gerade für
Mieterinnen und Mieter mit schmalem Geldbeutel ganz
wichtig.
Die Förderung des ökologischen Bauens und Sanierens sowie der Nutzung nachwachsender Baustoffe muss
dringend in die KfW-Förderprogrammatik integriert
werden. Man kann das subventionieren, indem man umweltschädliche Subventionen schlicht und ergreifend aus
dem Bundeshaushalt herausstreicht.
Beim Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“
- ich sagte es schon mehrfach - bedarf es zusätzlicher finanzieller Anstrengungen und vor allem mehr Einfallsreichtums. Wir müssen zivilgesellschaftliches Engagement einbinden. Auf keinen Fall dürfen wir damit
aufhören, mit diesem Programm auch personelle Maßnahmen zu fördern. Wir müssen die Menschen dort, wo
sie sind, mitnehmen, gerade in den Wohngegenden, in
denen Menschen an der Armutsgrenze bzw. einkommensschwache Haushalte leben.
({2})
Das ist bei diesem Programm das Entscheidende.
Sie haben umgeschichtet: 20 Millionen Euro werden
jetzt in die Förderung von aktiven Stadt- und Ortsteilzentren investiert. Ich würde überhaupt nicht sagen,
dass es falsch ist, das zu fördern; aber Sie unterlassen im
Gegenzug an anderer Stelle das viel Wichtigere. Das ist
ein Fehler.
({3})
Die Stadteile mit besonderem Entwicklungsbedarf haben
die Förderung wesentlich nötiger.
Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zum sozialen
Wohnungsbau sagen. Wir müssen bis spätestens 2013,
wenn die Finanzierungsansätze aus dem Bundeshaushalt
nach dem Entflechtungsgesetz auslaufen, dringend eine
neue Strategie für den sozialen Wohnungsbau entwickelt
haben;
({4})
denn ohne sozialen Wohnungsbau werden wir dem Wegfall von Sozialbindungen nicht entgegensteuern können.
Dann käme es zu der Situation, dass die Bevölkerungsgruppe, die sich nicht mehr aus eigener Kraft auf dem
Wohnungsmarkt versorgen kann, immer größer wird.
Deswegen brauchen wir dringend neue Strategien für
den sozialen Wohnungsbau.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Das Wort hat jetzt der Kollege Reinhold Sendker von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland stärken wir unseren Wirtschaftsstandort; genau das
tun wir mit dem vorliegenden Haushalt. Es ist uns gelungen, den Verkehrsetat 2010 auf dem gleichen Niveau wie
im Vorjahr zu halten. Das ist ohne jeden Zweifel ein Erfolg.
({0})
Insgesamt betrachtet, rechnen sich die Investitionen
auf den Rekordansatz von 12,6 Milliarden Euro. Das ist
ein starker Beitrag zur Generierung von Wachstum: Jeder im Bereich von Bau und Verkehr investierte Euro ist
ein Impuls für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt; im
Ergebnis bedeutet dies - das sei hier gesagt - erfolgreiche Krisenbewältigung.
Im Schienenbereich wollen wir weiter ins Netz
investieren. Dafür stehen 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung, zuzüglich 700 Millionen Euro aus den Konjunkturpaketen. Die Maßnahmen reichen von der Bahnstromversorgung bis hin zu wichtigen Hafenhinterlandanbindungen. Wir wollen die häufig nicht mehr tragbaren Zustände an verschiedenen Bahnhöfen durch ein
umfangreiches Bahnhofssanierungsprogramm nachhaltig verbessern. Das heißt im Ergebnis: grünes Licht für
laufende Bedarfsplanvorhaben. Das heißt: keine Kürzung, sondern Stärkung des Schienennetzes in Deutschland.
({1})
Was den Sektor Straße angeht, blicken wir auf eine
Reihe baureifer Bedarfsplanungen, Erhaltungsmaßnahmen und auf den Ausbau von Parkflächen an Bundesautobahnen, die wir gemeinsam mit den zuständigen
Kommunen nach vorne bringen wollen.
Die christlich-liberale Koalition fördert die dringend
notwendige Mobilität. Bei dieser Zielsetzung geht es
nicht um den Vorrang eines Verkehrsträgers, also nicht
um Schiene contra Straße. Vielmehr muss jeder Bereich
im Rahmen integrierter Verkehrspolitik das leisten,
was geht - so unser Minister. Auch in diesem Zusammenhang hat er völlig recht, und auch dabei unterstützen
wir ihn gerne.
Vor dem Hintergrund der exponierten Lage Deutschlands in der Mitte Europas und aufgrund der Perspektive
wachsender Verkehrsströme muss es unser Ziel sein, Bedarfsplanungen früher zu beginnen und schneller auszuführen. Genau das ist im Sinne einer zukunftsfähigen Infrastrukturpolitik für unser Land zielführend.
({2})
Auch für den Bereich Wasserwege steht im Haushalt
insgesamt über eine 1 Milliarde Euro für Investitionen
zur Verfügung. Weitere Entlastungen, auch für das Güterkraftverkehrsgewerbe, sind vorgesehen. Für das
Haushaltsjahr 2010 haben wir die laufenden Programme
zur Förderung von Umwelt und Sicherheit und zum Ausbau und zur Weiterbildung verlängert. Wir werden sie
noch einmal um 200 Millionen Euro aufstocken.
Es ist ebenso erfreulich, dass 2009 die Zahl der Verkehrstoten auf Deutschlands Straßen um rund 7 Prozent
gesunken ist. Dennoch: Jede im Straßenverkehr verletzte
oder getötete Person ist eine zu viel. Es ist uns daher ein
wichtiges Anliegen, die Sicherheit auf unseren Verkehrswegen mit einem neuen nationalen Programm weiter zu erhöhen.
({3})
Ferner hat die Förderung der Elektromobilität für die
christlich-liberale Koalition eine große Bedeutung. Es
geht vor allem um innovative Batterietechnologie. Batterien - platzsparend, gewichtsarm und letztlich mit akzeptablem Preis - schaffen Akzeptanz. Im Ergebnis können wir so den CO2-Ausstoß unserer Fahrzeugflotte
deutlich reduzieren. Mobilitätsforschung ist Zukunftsforschung. Dazu sagen wir ausdrücklich Ja.
Mit Blick auf zukünftige Haushaltsjahre verweise ich
nochmals auf den Haushaltsbegleitantrag der Koalitionsfraktionen. Gerade was die eben angesprochene
Schuldenbremse und das Auslaufen der Konjunkturprogramme angeht, ist es unser Ziel, die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen über dieses Jahr hinaus mittelfristig
auf hohem Niveau zu verstetigen, beispielsweise durch
die Hinwendung zu den schon diskutierten ÖPP-Projekten.
Im Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft betone ich nochmals unsere
Forderung nach Herstellung eines Finanzierungskreislaufes Straße. Das bedeutet - wie Herr Kollege Döring
eben sehr deutlich ausgeführt hat - keine Kürzung des
Schienennetzes, und es hat auch nichts mit Schattenhaushalt zu tun. Vielmehr geht es darum, bisherige
Schwächen abzustellen, sprich: die kontinuierliche Unterfinanzierung, die schwankenden Haushaltslinien und
die Transparenzdefizite abzubauen. Im Übrigen - lassen
Sie mich das deutlich sagen -: Die VIFG erfreut sich
nicht nur bei vielen Verkehrsexperten großer Zustimmung. Auch wir wollen sie in der heutigen Debatte ausdrücklich gestärkt wissen.
Der vorliegende Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zur Pkw-Maut ist in der
Methode nicht neu. In der Koalition gibt es keine entsprechenden Pläne. Weder Bundesregierung noch KoaliReinhold Sendker
tionsfraktionen haben Derartiges vorgeschlagen. Damit
erübrigt sich Ihr Antrag. Zu dem, was Sie hier inszenieren, kann ich nur sagen: Das ist Populismus pur.
({4})
Ich habe auch kein Interesse daran, solche Luftbuchungen zu diskutieren.
Mein Wahlkreis liegt im Münsterland. Bei uns sagt
man: Das ist ein starkes Stück Westfalen. Es freut mich,
dass wir jetzt einen Minister haben, der - wie er eben
ausgeführt hat - das ganze Land sieht. Dazu gehören
auch die ländlich geprägten Regionen.
({5})
Die Verkehrswege sind nun einmal die Lebensadern einer jeden Region. Politik muss daher alle Räume fördern, sowohl die Metropolregionen als auch die ländlichen Regionen. Das macht unser Land insgesamt
zukunftsfähig und stark. Dafür steht dieser Minister. Wir
unterstützen ihn dabei. Wir unterstützen auch den Verkehrsetat, der ausgewogen und nicht zuletzt zukunftsfähig aufgestellt ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Beckmeyer von
der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie sprachen vom Zeitmangel eines
Ministers. Ich glaube, es ist eher ein Schutz für Sie, dass
Sie wenig Zeit haben und hier nur kurz reden können.
({0})
Denn wer nichts zu sagen hat, spricht eher über Allgemeinplätze, als Konkretes anzukündigen.
({1})
Sie sagten, der Entwurf sei zum Besseren verändert
worden. Das ist mein zweites Stichwort. Ich frage mich,
wo. Beim KV-Terminal? Über den kombinierten Verkehr ist vorhin gesprochen worden. Ich muss ganz ehrlich sagen: Die Argumente, die von Ihnen, liebe Frau
Winterstein, und dem lieben Kollegen Kalb hier vorgebracht worden sind, stimmen nicht.
({2})
Sie sagen, dass beim KV-Terminal nicht ordentlich Geld
abgeflossen ist und dass Sie deshalb kürzen. - Ich will
Ihnen Folgendes sagen: Erkundigen Sie sich, bevor Sie
solche unglaubwürdigen Behauptungen hier im Bundestag aufstellen. Wenn Sie beim EBA nachfragen oder
wenn Sie bei der Wasserschifffahrtsdirektion West nachfragen, wird man Ihnen sagen, dass hinsichtlich der
Investitionen ein Nachfragestau in Höhe von 450 Millionen Euro vorliegt, und wir bieten diesen Nachfragern
nichts an.
Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und uns: Wir wissen um diese Belange. Es gibt inzwischen Firmen, die beim EBA und bei der Wasserschifffahrtsdirektion West Investitionen in dieser
Größenordnung angemeldet bzw. nachgefragt haben. Sie
antworten darauf mit Kürzungen im Haushalt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
CDU/CSU, merken Sie eigentlich gar nicht, dass Sie von
der FDP am Nasenring durch die Arena gezogen werden?
({3})
Hier wird von Wachstumsimpulsen und ordnendem
Handeln gesprochen. Ich denke, dass das, was hier passiert, etwas ganz anderes ist: Es ist der Versuch, Ihnen
eine FDP-ideologisierte Verkehrspolitik aufzuoktroyieren. Davor kann ich Sie nur warnen. Passen Sie auf,
meine sehr geehrten Damen und Herren von der christdemokratischen Union!
({4})
Herr Döring hat sich in seinem Redebeitrag bei der
Frage nach der Einschätzung des Programms „Soziale
Stadt“ demaskiert. Das, was dort zum Ausdruck gekommen ist, ist nämlich etwas ganz anderes als das, was von
der Koalition bisher zu hören war.
({5})
Herr Döring, ich kann nur sagen: Weiter so! Wir werden
aufmerksam beobachten, was Sie dazu zu erklären haben.
Besonders interessant fand ich Ihre Einlassungen zur
Wasserschifffahrtsverwaltung. „Zu groß“, haben Sie
gesagt. Wo wollen Sie denn sparen? In Würzburg?
({6})
In Hannover? In Münster? Wir werden darauf zurückkommen. Nein, „zu groß“ ist Ihrer Meinung nach nicht
das Problem. Das wahre Ziel, das Sie haben, ist die Privatisierung. Das ist das Ziel.
({7})
Was ist eigentlich seit der ersten Lesung passiert? Die
Koalition hat unsere Anträge zur Förderung zusätzlicher
Verkehre im kombinierten Bereich abgelehnt. Wir haben
eine Anpassung der Finanzierungslinie beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm an den Bedarf vorgeschlagen. Sie haben das abgelehnt. Wie hat sich das Haus2680
haltsvolumen entwickelt? Es ist nicht besser geworden.
Herr Minister, Sie ruhen sich auf dem aus, was Ihr Vorgänger Ihnen hinterlassen hat. Aber es kommen keine
neuen Impulse.
({8})
Wie hat sich die Personalausstattung dieses Hauses verändert? Unsere Anträge hierzu sind ebenfalls abgelehnt
worden. Wir hingegen haben den nachdrücklichen Eindruck, dass es aus sicherheitstechnischen Gründen wichtig ist, beim EBA etwas zuzulegen, dass wir bei der
Stellenbewertung der Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes Handlungsbedarf haben usw.
({9})
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
christdemokratischen Union, was ist eigentlich aus Ihrem eigenen Haushaltsbeschluss geworden? Sie haben
zum Beispiel gefordert, dass ein zukunftsweisendes und
nachhaltiges Gesamtkonzept vorgelegt wird. Haben Sie
das eigentlich bekommen? Ich suche noch immer danach. Den Beschluss habe ich aber wohlweislich auf
meinem Schreibtisch liegen lassen. Ich habe gedacht: Irgendwann kommen Sie damit.
Sie haben keine Transparenz. Sie haben keine Klarheit bei der mittelfristigen Finanzplanung. So etwas gibt
es nicht.
({10})
Das Problem ist: Ich sehe auch keine weiteren Erfolge
beim Minister. Fehlanzeige!
Eines will ich Ihnen sagen: Das, was beim kombinierten Verkehr geschieht, ist zwar nur eine Kleinigkeit,
macht aber eine Tendenz deutlich. Wir haben 170 Kombiverkehrsanlagen in Deutschland; aber ein Großteil davon ist veraltet. Es werden keine neuen Impulse gegeben, Frau Winterstein. Es gibt keine Impulse für neue
Verkehrsanlagen und für neue Logistikkonzepte. Das alles fehlt. Sie streichen das Geld zusammen, obwohl von
privaten Unternehmen Investitionen in Höhe von
450 Millionen Euro angefordert werden. Das ist schwierig.
({11})
In der Wirtschaftskrise, in der 25 Prozent des KV-Verkehrs wegbrechen, weil weniger transportiert wird, legen
Sie gleichzeitig ein Gigaliner-Programm auf, das den
Schienenverkehr erneut belastet.
({12})
Dazu kommt, dass Sie Mittel kürzen. Das nennen Sie die
entsprechende Förderung von Schienenverkehr. Sie machen genau das Gegenteil. Sie demontieren den Güterverkehr auf der Schiene. Das ist leider die entsprechende Konsequenz.
({13})
Wenn Sie dann auch noch sagen, wir hätten noch eine
Chance beim Transrapid, frage ich mich, was Sie bauen
wollen. Wollen Sie den Starnberger See umrunden mit
einer Gedächtnisbahn für Edmund Stoiber mit Halt in
Wolfratshausen, oder was soll daraus werden?
({14})
Es ist merkwürdig, dass Sie Geld für diese Verlängerung
haben.
Ich hätte das gern auf Bayrisch gesagt; das wäre ein
bisschen fröhlicher gewesen. Ich hätte gern auch noch
etwas zur DB AG, deren Aufsichtsrat und der Personalfindung dort, gesagt; aber das ist angesichts meiner fortgeschrittenen Redezeit nicht mehr möglich.
Unter dem Strich muss ich sagen: Dieser Haushalt ist
im Volumen geprägt durch den Vorgänger
({15})
und hat durch Sie eine Verschlechterung und keine Verbesserung erfahren. Sie haben wichtige Impulse nicht
gesetzt. Aus diesem Grunde kann ich Ihnen nur sagen:
Wir werden diesen Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt
und verschlechtert haben, ablehnen. Ich hoffe, dass Sie
bei der Frage der Pkw-Maut konsequent sind. Wir haben
einen entsprechenden Entschließungsantrag vorbereitet,
dem Sie zustimmen können. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
({16})
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
jetzt das Wort der Kollege Patrick Schnieder von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bundeshaushalt 2010 legt die Koalition ein Zahlenwerk vor,
das einerseits ihren Konsolidierungswillen bezeugt und
andererseits deutlich macht, dass wir weiterhin den
Wachstumspfad beschreiten. Die Folgen der Finanz- und
Wirtschaftskrise sind noch nicht überwunden. Deshalb
ist es wichtig, die Investitionen auf hohem Niveau zu
halten. Damit werden wir Wachstumsimpulse setzen
sowie Arbeitsplätze schaffen und sichern.
Deshalb kommt dem Einzelplan 12, der den größten
Investitionsetat des Bundes darstellt, besondere Bedeutung in konjunktur- und wachstumspolitischer Hinsicht
zu. Wir setzen das Signal auf Vorfahrt für Investitionen.
Wir machen mit diesem Haushalt deutlich: Es werden
wichtige und richtige verkehrs- und baupolitische AkPatrick Schnieder
zente gesetzt. Ich sage das deshalb in dieser Deutlichkeit, sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer,
({0})
verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weil
das, was Sie hier bisher präsentiert haben, ein Dreiklang
ist, der äußerst dissonant klingt. Sie lehnen alle Einsparvorschläge ab. Sie fordern Haushaltssanierung ein, aber
Sie wollen die Ausgaben ausweiten. Ich frage mich, wie
das zusammenpasst. Das hat mit der Realität nichts mehr
zu tun.
({1})
Sie können auch beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm diese Kluft in der Argumentation nicht überwinden. Wir setzen diese Erfolgsgeschichte fort. Deshalb ist
es richtig, dass wir das Volumen des Programms um
400 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro ausweiten.
Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Sie von der SPD
diese Ausweitung des Programms im Haushaltsausschuss abgelehnt haben.
({2})
- Das ist eine Ausweitung. 400 Millionen Euro plus ist
eine Ausweitung und keine Einsparung.
({3})
Wir brauchen eine Verstetigung dieser Mittel. Wir haben im Jahre 2009 einen Abfluss von über 2 Milliarden
Euro gehabt. Es gibt weiterhin großen Bedarf. Deshalb
werden wir für das Jahr 2010 1,5 Milliarden Euro vorsehen.
({4})
Wenn Sie das Ziel verfolgen würden, den Haushalt zu
sanieren und gleichzeitig Investitionsanreize zu schaffen, dann wären Sie, als es um diese Frage ging, mit dabei gewesen.
({5})
Denn dieses Programm hat sowohl klima- bzw. energiepolitisch als auch ökonomisch herausragende Bedeutung. In diesem Bereich können wir, jedenfalls nach Einschätzung der dena, bis zum Jahr 2020, verglichen mit
dem Jahr 2005, Energieeinsparungen in Höhe von etwa
19 Prozent generieren. Hier gibt es also erhebliche Klimaschutzpotenziale. Wenn der Bedarf im Moment groß
ist, dann müssen wir dem nachgehen.
Zum Zweiten werden mit diesen 1,5 Milliarden Euro
Investitionen in Höhe mehrerer Milliarden Euro angestoßen. Das trägt zur Stabilisierung der Konjunktur bei. Das
erhält und schafft Arbeitsplätze im Handwerk und im
Mittelstand.
Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache - auch das
sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben -, dass geringere
Energiekosten natürlich auch die Kaufkraft und Wirtschaftsleistung der Eigentümer und Nutzer erhöhen. Insofern hat dieses Programm durchaus auch eine soziale
Note.
Ich persönlich freue mich sehr darüber, dass wir mit
dem Städtebauförderprogramm für kleinere Städte
und Gemeinden den ländlichen Raum in den Mittelpunkt rücken. Als Abgeordneter eines sehr ländlich
strukturierten Wahlkreises weiß ich zu schätzen, dass wir
damit Defizite im ländlichen Raum ausgleichen und
Antworten auf den demografischen Wandel, die Alterung der Gesellschaft, den Bevölkerungsrückgang und
die Wanderungsbewegungen geben können.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass gerade in
dünn besiedelten Räumen kleinere Städte Ankerpunkte
sind, in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht. Wir stellen für dieses neue Programm zusätzliche
Mittel zur Verfügung, um diese Ankerpunkte in Zukunft
zu stärken.
Auch im Hinblick auf das Förderprogramm zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden gibt es eine große Nachfrage. Dieses Programm
ist heute deutlich überzeichnet. Deshalb ist die Aufstockung um 20 Millionen Euro mehr als geboten. Es ist
auch der ausdrückliche Wunsch der Bundesländer und
der kommunalen Spitzenverbände, dass hier zusätzliche
Mittel eingestellt werden. Im Übrigen setzen wir damit
sehr zügig eine Festlegung des Koalitionsvertrages zur
Stärkung der Innenentwicklung unserer Kommunen um.
Dieser Haushalt setzt unter dem Strich wichtige Akzente, sowohl im Verkehrs- als auch im Baubereich. Er
fördert Investitionen. Er stimuliert Wachstum. Er sichert
Arbeitsplätze.
({6})
Damit verfolgen wir wichtige Ziele in der Verkehrspolitik, sowohl was die Anbindung der Metropolregionen
angeht als auch - hier mit einem ganz neuen Akzent was die Anbindung der ländlichen Räume angeht. Wir
verfolgen wichtige Ziele im Bereich des Klimaschutzes.
({7})
Mit den Programmen im Bereich der Stadtentwicklung
werden wir dem demografischen Wandel erfolgreich begegnen.
Insofern sage ich Ihnen, lieber Herr Pronold von der
SPD: Die Koalition verfolgt weiter entschlossen ihre
Ziele in der Verkehrs- und der Baupolitik,
({8})
wir verfolgen unsere Ziele beim Klimaschutz
({9})
und bei der Bewältigung des demografischen Wandels.
Dabei setzen wir auf lebendige Städte und Gemeinden.
({10})
- Wenn Sie richtig zugehört hätten, Herr Kahrs, dann
hätten Sie das im Laufe dieser Debatte mitbekommen.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in der Ausschussfassung.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/1012? Ich bitte um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke
und Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einzelplan 12 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.8 auf:
Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
- Drucksachen 17/615, 17/623 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Heinz-Peter Haustein
Michael Leutert
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
Die Linke und ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor,
über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung
abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
anderweitige Meinungen, Widerspruch? - Nein. Dann
ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Sören Bartol von der SPD-Fraktion
das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In der ersten Lesung des Bundeshaushalts
2010, kurz nach der Klimakonferenz von Kopenhagen,
hat Bundesminister Röttgen verkündet: Jetzt erst recht
machen wir Klimaschutz.
Heute, am 16. März, acht Wochen und die Beratung
des Haushaltsplans später, müssen wir feststellen: Im
Haushaltsplan für das Jahr 2010 gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ankündigungen des Herrn Ministers mehr sind als leere Worte. Wo sind die 420 Millionen Euro, die Deutschland für den internationalen
Klimaschutz zur Verfügung stellen wollte? Was ist aus
der Zusage der Kanzlerin gegenüber der Welt geworden?
Nichts, was unserem eigenen Anspruch an nachhaltigen
Klimaschutz entspricht.
Am Tag der Bereinigungssitzung kam die Koalition
mit ihrem Vorschlag, wie sie die Zusagen, die in Kopenhagen gegeben worden sind, umsetzen will: für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern 35 Millionen
Euro im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und 35 Millionen Euro im Haushalt des Umweltministeriums. Da kann
man rechnen, so viel man will: Das ergibt nur 70 Millionen Euro, nicht aber 420 Millionen Euro. Das ist also gerade einmal ein Sechstel der zugesagten Summe.
({0})
Selbst dieses Geld haben Sie an anderer Stelle klammheimlich wieder kassieren wollen, und zwar ausgerechnet
dort, wo es um unsere weltweite Verantwortung für den
Klimaschutz geht: 35 Millionen Euro wollten Sie beim
weltweiten Umweltschutz im Entwicklungshaushalt kürzen, und 35 Millionen Euro wollten Sie bei den Investitionen in Klimaschutz und Schutz der Biodiversität im
Ausland kürzen. Das ist die Methode: Mit der einen Hand
geben, mit der anderen Hand nehmen.
({1})
Für wie dumm halten Sie die Menschen? Meinen Sie,
die würden das nicht merken?
({2})
Immerhin ist es dank unseres Einschreitens nicht so weit
gekommen.
({3})
- Die Sondersitzungen und Unterbrechungen sind mir
noch bewusst. Aber ich bin ja froh, dass die Koalition in
den Beratungen schließlich doch unserem Vorschlag gefolgt ist, wenigstens 70 Millionen Euro zur Verfügung zu
stellen. Diese 70 Millionen Euro bleiben aber ein SkanSören Bartol
dal; denn sie sind weit weniger als die angekündigten
420 Millionen Euro, die zusätzlich für den Klimaschutz
versprochen worden sind.
({4})
Nun aber zu einem weiteren Punkt: Förderung der
erneuerbaren Energien. Hier ist das, was Sie vorgeführt
haben, zwar bühnenreif, aber leider keine reife Leistung.
Zunächst war im Haushaltsentwurf für 130 Millionen
Euro zur Förderung erneuerbarer Energien eine Sperre
vorgesehen. Nach heftiger Diskussion im Haushaltsausschuss wurde diese Sperre mit Zustimmung aller Fraktionen aufgehoben. Es folgte eine erneute Beratung, in
der der Ansatz von der Koalition um 15 Millionen Euro
auf 452 Millionen Euro reduziert wurde. Davon haben
Sie in einem letzten Hauruckverfahren noch einmal
115 Millionen Euro mit einem Sperrvermerk versehen.
Das ergibt am Ende der Beratungen faktisch 130 Millionen Euro weniger als im Vorjahr - trotz all Ihrer Bekundungen im Vorfeld, trotz der Erklärungen der Koalition in
der ersten Lesung des Haushalts.
Der geschätzte Kollege Schulte-Drüggelte aus Ihren
Reihen hat das in der Sitzung am 21. Januar 2010 scharf
kritisiert. Er sagte - ich zitiere ihn -:
Wenn man das so wie jetzt geplant machte, würde
darunter das Marktanreizprogramm besonders leiden.
({5})
Das führte wieder zu einer Stop-and-go-Förderung.
Das wäre für dieses Programm nicht gut.
({6})
Die Sperre führt dazu, dass in diesem Jahr praktisch
keine neuen Anträge auf Solarkollektoren, effizientere
Wärmepumpen oder Pelletkessel angenommen werden
können. Damit wird es einen deutlichen Einbruch bei
den erneuerbaren Energien geben, und dieser Einbruch
wirkt nach. Dadurch wird das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Förderung untergraben. Hausbesitzer, Unternehmer und Kommunen werden künftig wieder ohne erneuerbare Energien planen, weil sie keine Hilfe bei der
Überwindung der Kostenklippe sehen. Sie, meine Damen und Herren der Koalition, verspielen mit einer solchen Entscheidung die Chance, die auch von Ihnen getragenen Klimaschutzziele zu erreichen.
Die Erlöse aus den Emissionszertifikaten sind aus
dem Umwelthaushalt in den Einzelplan 60 - Allgemeine
Finanzverwaltung - verlagert worden. Diese Entscheidung ist sachlich durchaus begründet, stellen diese Einnahmen doch einen Teil der generellen Einnahmen des
Bundes dar.
Damit war jedoch die Hoffnung verbunden, dass die
direkte Kopplung der Förderung erneuerbarer Energien
an die Erlöse aus dem Emissionshandel aufgehoben oder
gelockert wird. Leider haben sich Union und FDP zu
diesem sinnvollen Schritt aber nicht entschließen können. Die Kopplung an die Emissionshandelserlöse
bleibt uns erhalten, mit der fatalen Folge, dass mit sinkenden Erwartungen an die Erlöse auch die Investitionen
in die erneuerbaren Energien sinken. Statt ursprünglich
915 Millionen Euro erwartet die Regierung nur noch
Einnahmen in Höhe von 815 Millionen Euro. Wahrscheinlich werden es noch weniger. Damit steht auch
weniger für die Förderung erneuerbarer Energien zur
Verfügung. Eine aktive, vorausschauende Klimaschutzpolitik ist mit diesen Fußfesseln nicht möglich.
({7})
Meine Damen und Herren der Koalition, dass Sie
nicht vorhaben, erneuerbare Energien zu fördern, wissen
wir ja spätestens seit Ihren Überlegungen zu den Laufzeiten von Atomkraftwerken.
({8})
Herr Röttgen, Sie versuchen immerhin, den gröbsten
Auswüchsen zu begegnen und ganz langsam moderate
Laufzeitverlängerungen ins Gespräch zu bringen. An
den Reaktionen der Koalition zeigt sich, dass Sie mit
diesem Standpunkt in Ihren Reihen alleine dastehen.
Doch auch Ihre Haltung zur Atomenergie, Herr Röttgen, ist unverantwortlich; denn selbst für den bisher entstandenen Atommüll gibt es keine technisch ausgereifte
oder finanzierbare Endlagerung. Die Frage, wer die unweigerlich auf uns zukommenden Kosten für die Endlagerung tragen wird, ist nicht beantwortet. Sehenden Auges in die Katastrophe!
({9})
Jeder Tag längere Laufzeit bedeutet jeden Tag neuen
strahlenden Müll für unsere Kinder.
({10})
Minister Röttgen, wie soll es denn jetzt eigentlich mit
der Asse weitergehen? Experten empfehlen das Zurückholen des gesamten dort gelagerten Atommülls. In Ihrem
Haushalt zeigen Sie darauf aber keine Reaktion. Sie,
Herr Minister Röttgen, haben den Ansatz für die Asse
noch einmal um 20 Prozent auf 75 Millionen gekürzt wider besseres Wissen; denn im Grünbuch geben Sie ja
selber an, dass hierfür jährlich 98 Millionen Euro notwendig wären. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Sie
auch in dieser Frage, wie bei so vielen anderen, auf Zeit
spielen. Machen Sie sich bitte klar, dass die Zeit an dieser Stelle definitiv gegen Sie arbeitet und dass die Menschen und vor allen Dingen die Umwelt nicht beliebig
auf eine Lösung warten können.
({11})
Jetzt wollen Sie Gorleben wieder beleben und den
Atommüll ins Wendland kippen. Sie setzen auf ein totes
Pferd. In diesem Salzstock mit seiner unrühmlichen Geschichte sind bereits 1,5 Milliarden Euro verbaut wor2684
den. Für die von Ihnen geplante Erkundung - das sagen
Sie ja selbst - wird mindestens derselbe Betrag erforderlich sein. Das Problem der Endlagerung wird aber auch
dadurch nicht gelöst. Für dieses Problem gibt es einfach
keine Lösung. Allein schon deshalb können wir die
Atomkraft nicht weiter verantworten.
({12})
- So ist es.
Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu einem
scheinbar kleinen Detail des Haushalts. 106 neue Personalstellen werden gefordert. Das ist eine Steigerung der
Zahl der Stellen um fast 4 Prozent innerhalb eines Jahres.
Darunter befinden sich sieben neue Stellen für den Leitungsbereich. Ob diese Aufstockung angesichts der Haushaltslage wirklich nötig ist, sei einmal dahingestellt.
Zusätzlich wollen Sie Ihren Leitungsbereich umbauen. Das kostet - so ist es jetzt beschlossen worden die Kleinigkeit von 2 Millionen Euro. Das Geld dafür
kommt - jetzt frage ich einmal, wen das überrascht - aus
einer Kürzung der Mittel für die Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung der erneuerbaren Energien.
({13})
Das ist von der Größenordnung her vielleicht nicht die
bedeutsamste Position, doch sie ist bezeichnend für die
Umwelt- und Haushaltspolitik dieser Regierung und dieser Koalition: nicht in die gute Sache investieren, sondern in die eigenen Interessen.
Diese Haltung machen wir nicht mit. Deshalb werden
wir dem Haushalt 2010 und vor allen Dingen dem Einzelplan 16 unsere Zustimmung verweigern.
Vielen Dank.
({14})
Der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte spricht nun
für die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn bei allen bedanken,
die intensiv an den Beratungen teilgenommen haben,
auch bei Ihnen, Kollege Bartol. Bei den Beratungen haben Sie auch vernünftige Dinge gesagt; ich möchte das
nicht abstreiten. Man konnte das eben aber nicht so genau erkennen; deshalb will ich das einmal sagen.
({0})
- Ja.
({1})
Ich möchte ganz deutlich sagen, dass die Koalition
trotz der Wirtschaftskrise an ihren ambitionierten Zielen
festhält. Das bedeutet, dass die Treibhausemissionen bis
2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden
sollen. Dabei bleibt es bei aller Anstrengung um die
Konsolidierung des Bundeshaushalts.
Dass bei den Haushaltsberatungen eine Senkung der
Neuverschuldung um über 5 Milliarden Euro erreicht
wurde, ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Es ist
schön, zu sehen - als Mitglied des Haushaltsausschusses
und als jemand, der an den Beratungen teilnimmt, muss
ich das sagen -, dass dabei auch einmal etwas Vernünftiges herauskommt.
({2})
Es wurde bei allen Ressorts gespart. Trotzdem - ich
will das nicht so negativ sehen, wie Sie es gerade vorgetragen haben - erfährt der Haushalt des Umweltministers
einen leichten Aufwuchs, und zwar um 7,9 Millionen
Euro auf insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro,
({3})
und dies ganz besonders für den Klimaschutz. 1,6 Milliarden Euro hören sich vielleicht nicht nach einer besonders großen Summe an. Alle, die sich mit dem Thema
befasst haben, wissen aber, dass Umweltschutz eine
Querschnittsaufgabe ist und andere Ministerien beteiligt
sind. Wir haben gerade erst intensiv über die Mittel für
das Gebäudesanierungsprogramm diskutiert, die eine
ähnliche Größenordnung haben.
Herr Bartol, Sie haben gerade den Titel „Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern“ angesprochen. Im Haushaltsausschuss wurde darüber wirklich
sehr intensiv diskutiert. Dieser Titel wurde neu geschaffen. Im Umweltministerium wurden 35 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung noch einmal 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
({4})
- Das sage ich doch gerade. Insgesamt war ein Betrag
von 420 Millionen Euro angesetzt. 350 Millionen Euro
können aus bestehenden Haushaltstiteln finanziert werden.
({5})
70 Millionen Euro kommen dazu. Das ist ein erfreuliches Ergebnis dieser Haushaltsberatungen.
({6})
Das bedeutet, dass diese Koalition, was internationale
Verpflichtungen angeht, eindeutig zu ihren Aussagen
steht. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.
({7})
- Wieso ist das eine Lüge? Ich habe doch gerade erklärt,
wie das zusammenhängt.
({8})
- Er sollte das mal nachlesen.
Gelungen ist eine systematische Veränderung. Das
betrifft die Einnahmen aus dem Verkauf von CO2Emissionszertifikaten, die bisher im Einzelplan des
Umweltministeriums angesetzt wurden und jetzt zur Allgemeinen Finanzverwaltung gehören. Das war eine sehr
richtige Entscheidung. Dadurch wurde unter anderem
die Forderung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt,
nach der alle Einnahmen dem Gesamthaushalt zur Verfügung stehen müssen.
Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Die Haushaltstitel, die klimaschützende Maßnahmen betreffen, dürfen
nicht vom Auf und Ab der Börsen beeinflusst werden.
Der Handel mit Emissionszertifikaten darf die Investitionen in den Klimaschutz nicht beeinträchtigen. Das muss
man trennen. Das ist unsere klare Zielsetzung.
({9})
Ich zitiere dazu Kanzlerin Merkel:
Niemals dürfen wir zulassen, dass die weltweite
Finanz- und Wirtschaftskrise eine billige Ausrede
für mangelnden Schutz unserer Umwelt wird. Das
wäre einer der größten Fehler, die wir machen
könnten.
Das steht in der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom November 2009.
({10})
Es ist eine klare Ansage, die die Notwendigkeit unterstreicht, dass wir die Investitionen in den Klimaschutz
von den Schwankungen der Börse trennen müssen.
({11})
Im Einzelplan des Umweltministeriums wurden deshalb die Forschungsausgaben im Bereich der erneuerbaren Energien gesteigert. Es sind je 5 Millionen Euro
mehr für Forschung und Entwicklung sowie für Investitionszuschüsse vorgesehen. Dieser deutliche Anstieg der
Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren Energien ist richtig und wichtig für den Schutz des Klimas,
aber auch für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.
Ich möchte dem Umweltminister ausdrücklich zustimmen, wenn er sagt:
Wir brauchen die Innovationen und die Modernisierung … Es ist ein Prozess der ökologischen Veränderung, der Veränderung der Lebensweise und der
Art, zu wirtschaften. Am allermeisten ist es aber
auch ein Prozess der wirtschaftlichen Modernisierung unseres Landes.
Die Erzeugung erneuerbarer Energien muss kontinuierlich weiterentwickelt werden. Nur so können Kosten gesenkt und Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit
möglichst schnell hergestellt werden. Ein Schlüsselwort
in diesem Zusammenhang ist Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist in unserem ureigenen Interesse, auch in unserem ureigenen ökonomischen Interesse, um das ganz
deutlich zu sagen.
Wie aber auch angesprochen wurde, gibt es im Einzelplan 16 auch Einsparungen. Im Verwaltungshaushalt
haben alle Ministerien ihren Beitrag geleistet. Betroffen
war aber auch der Programmhaushalt des Umweltministeriums; das ist klar. Die Streichungen sind jedoch nicht
nach der Rasenmähermethode erfolgt.
Ich möchte einen Bereich besonders herausgreifen,
und zwar den Titel „Zuschüsse zum Kauf von Partikelfiltern“. Im vergangenen Jahr gab es hier einen Ausgaberest von 43 Millionen Euro, der 2010 genutzt werden
kann. Aufgrund dieser hohen Haushaltsreste konnte der
Ansatz 2010 gesenkt werden, ohne dass es dabei zu Beeinträchtigungen kommt.
Ich möchte aber auf das Problem hinweisen, dass
viele zu Beginn des Jahres, als der Haushalt noch nicht
verabschiedet war, im Vertrauen auf eine Förderung ihr
Fahrzeug mit einem Partikelfilter nachgerüstet haben.
Ich meine, dass alle diejenigen, die das getan haben,
nicht außen vor bleiben dürfen. Ich hoffe, dass zwischen
dem Umweltministerium und dem Finanzministerium
eine faire Regelung im Interesse derjenigen gefunden
wird, die Vertrauen in die Koalition gehabt haben.
({12})
- Welcher Minister?
({13})
- Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie den Finanzminister oder den Umweltminister meinen.
Einsparungen wurden auch beim Marktanreizprogramm und beim Endlager Morsleben vorgenommen.
Aber besonders die neue Veranschlagung der Einnahmen
aus dem Verkauf der Emissionszertifikate ist eine gute
Vorbedingung für nachhaltigen Klimaschutz, unabhängig von kurzfristigen Preisschwankungen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit dem
Bundeshaushalt 2010 ist deutlich geworden, dass die
christlich-liberale Koalition langfristig agiert und verlässliche Rahmenbedingungen im Bereich Umwelt und
Klimaschutz gesetzt hat. Ich setze mich mit meinen Kollegen dafür ein, dass das 2011 so weitergeht.
Danke schön.
({14})
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Eva
Bulling-Schröter das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Fraunhofer-Institut ist gerade in einem Gutachten zu
einem interessanten Ergebnis gekommen, nämlich dass
in der Bundesrepublik, will man die internationale
Marktfähigkeit der Fotovoltaikunternehmen hierzulande
erhalten, genau das Gegenteil von dem getan werden
muss, was die Bundesregierung vorhat. Schwarz-Gelb
will die Einspeisevergütung für Solarstrom über die
planmäßige Degression hinaus einmalig um 16 Prozent
kappen. Das aber wäre der GAU für viele heimische Solarunternehmen, gerade in Ostdeutschland, wo diese Betriebe vielfach über die EEG-Umlage hinaus zu Beginn
auch öffentliche Fördergelder der Länder erhalten haben,
aber auch in Westdeutschland, zum Beispiel in Bayern,
meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Was für
ein wirtschafts- und finanzpolitischer Unsinn; das muss
ich Ihnen einmal sagen! Denn am Ende gehen durch
diese Politik nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Steuereinnahmen verloren.
({0})
Wir sind für eine Absenkung; denn es stimmt, dass
die Produktionskosten deutlich stärker gesunken sind,
als das bei der garantierten Vergütung vorgesehen war.
Aber das Ausmaß der Minderung muss stimmen; es darf
eben nicht die Firmen killen. Das sollte auch die FDP
begreifen, die sich ja gern als Hüterin des Mittelstands
ausgibt. Laut Fraunhofer-Institut wären einmalig maximal 6 bis 10 Prozent an zusätzlicher Absenkung gerechtfertigt und nicht 16 Prozent. Wir unterstützen dies.
({1})
In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen sinnvoll, nicht jährlich, sondern quartalsweise abzusenken.
Gegen Jahresende drängeln sich die Aufträge für die
Handwerker enorm, nach Silvester ist dann erst einmal
monatelang Schicht im Schacht, und das macht keinen
Sinn.
Laut Fraunhofer-Institut sollte auch die deutsche Forschungs- und Entwicklungsförderung bei erneuerbaren Energien deutlich ausgebaut werden. Die deutschen
Hersteller, so heißt es, seien gegenüber den asiatischen
nur dann konkurrenzfähig, wenn sie die technologische
Führung innehätten. Der Bundeshaushalt sieht hier aber
keinerlei Aufstockung vor. Das wundert mich ein wenig;
denn Bundesumweltminister Röttgen verkündete ja gerade überall, was nach dem Scheitern von Kopenhagen
besonders wichtig sei, nämlich Umweltpolitik von unten. Vielleicht meint er nicht gerade, dass eine Blockade
vor einem Kohlekraftwerk organisiert werden sollte;
aber wenigstens sollten auf nationaler Ebene erneuerbare
Energien und Energieeffizienz vorangebracht werden,
egal was auf UN-Ebene herauskommt - er nickt -; denn
- so seine durchaus nachvollziehbare Logik -: Wenn wir
das Geschäft nicht machen, dann machen es die Chinesen.
Dann frage ich mich aber, warum die Mittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bei erneuerbaren
Energien nicht angehoben werden, sondern bei 65 Millionen Euro verharren. Die Linke fordert hier eine Verdreifachung. Dies nutzt langfristig Klimaschutz und Beschäftigung gleichermaßen.
Wenn wir schon bei den verschiedenen Umlagen und
Zuschüssen zur Förderung erneuerbarer Energien sind,
möchte ich eines sagen: Die Linke steht auch bei der
Branche der erneuerbaren Energien für gute Arbeit und
Mitbestimmung. Es kann nicht sein, dass hier manche
Firmen seit Jahren den Belegschaften Betriebsräte verweigern und Tarifflüchter sind. Ich sage an dieser Stelle
ganz deutlich: Wer bei den finanziellen Rahmenbedingungen keine FDP-Verhältnisse will, sollte sie auch seinen Beschäftigten nicht zumuten.
({2})
Das größte umwelt- und entwicklungspolitische Desaster dieses Haushalts findet sich in der Finanzierung
des internationalen Klimaschutzes. Bundeskanzlerin
Merkel hatte in Kopenhagen für die Schnellstartphase
2010 bis 2012 immerhin 420 Millionen Euro jährlich zugesagt. Das wäre unserer Ansicht nach zu wenig, aber
für den Anfang schon eine Hausnummer. Mit den Geldern sollen globale Klimaschutzprojekte im Süden finanziert werden. Das ist ein Teil des Deals, damit der
Norden mit seinen vielfach höheren Emissionen nicht
gleich seine Volkswirtschaften abwürgen muss, um das
2-Grad-Ziel einzuhalten. Darüber hinaus sollten damit
Maßnahmen zur Anpassung an den hauptsächlich von
uns verursachten Klimawandel bezahlt werden, der Bau
von Dämmen gegenüber Überschwemmungen etwa oder
die Entwicklung salzresistenter Getreidesorten.
Was ist nun dabei herausgekommen in der Nacht der
langen Messer? Gerade einmal 70 Millionen von den
420 Millionen Euro sind frisches Geld. Der Rest sind
nichts weiter als Mittel, die längst schon für andere Versprechen verplant waren,
({3})
beispielsweise für den internationalen Biodiversitätsschutz und für Regenwaldprojekte. Hier hat die Kanzlerin bei der CBD 2008 in Bonn ebenfalls großspurig Zusagen gemacht. Das alles wird miteinander verrechnet.
Ich meine, dies ist nicht Zahlenakrobatik, sondern Vorspiegelung falscher Tatsachen.
({4})
Kürzen Sie lieber bei solch überflüssigen Posten wie der
CDM/JI-Initiative des BMU. Mit Emissionsgutschriften
aus vermeintlichen Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern wird schon genug Geld verdient, und das,
obwohl viele dieser Projekte für keinen zusätzlichen Klimaschutz sorgen und überdies nicht nachhaltig sind.
Mir liegt eine aus Indien stammende Broschüre mit
dem Titel „Money for nothing“ zum CDM vor, die in der
nächsten Woche bei Misereor vorgestellt wird. Wir alle
sollten diese Broschüre genau lesen und die Konsequenzen daraus ziehen; denn wenn Geld für Klimaschutz eingesetzt wird, dann sollte es erfolgreich sein und nicht für
CDM ohne irgendwelche Wirkungen verprasst werden.
Danke.
({5})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Heinz-Peter Haustein das Wort.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Herrn Minister Röttgen und seinem kompetenten Team im Ministerium sowie bei meinen Kollegen für die Aufstellung
des Haushaltes bedanken. Wir haben hier eine ordentliche Arbeit geleistet. Ich bin froh und dankbar, dass ich in
einem Land leben darf, in dem Umweltschutz, Naturschutz und die Achtung vor der Schöpfung einen hohen
Stellenwert genießen.
({0})
Ich kenne das auch anders. In der ehemaligen DDR
hat man sich um den Umweltschutz überhaupt nicht geschert. Das letzte Mal habe ich Ihnen davon berichtet,
dass man Plaste und Teerpappe verfeuert hat. Das Ganze
wurde angereichert, und Dampf entstand. Heute möchte
ich über etwas anderes berichten. Mein damaliger Galvanikbetrieb, in dem Metalle veredelt wurden, hat Säuren und Spülstoffe einfach in einen Bach geleitet. Die
Folge war: Im Umkreis von 50 Kilometern gab es keinen
einzigen Fisch. Nur so viel, da sich die Linken immer so
über den Umweltschutz echauffieren.
({1})
Wir machen Umweltschutz mit Herz. Die christlich-liberale Koalition hat den Umweltschutz zur Herzenssache
erklärt.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, da wir in
den Haushaltsberatungen sind. Der Haushalt des BMU
hat ein Volumen von insgesamt 1,59 Milliarden Euro.
Davon entfallen 1,222 Milliarden Euro auf den Stammhaushalt. Für den Endlagerbereich sind 367 Millionen
Euro veranschlagt. Der Stammhaushalt gliedert sich in
den Verwaltungshaushalt mit einem Volumen von
261,9 Millionen Euro und den Programmhaushalt mit einem Volumen von 947,3 Millionen Euro. Hinzu kommen Querschnittsaufgaben in anderen Ministerien. Ich
möchte Ihnen wenigstens einige aufzählen. Für das Auswärtige Amt sind 88 Millionen Euro veranschlagt, für
das Finanzministerium 299 Millionen Euro - das betrifft
vor allem die Sanierung der Braunkohlenbergwerke -,
im Forschungstitel des Wirtschaftsministeriums 455 Millionen Euro für die Entwicklung eines Elektroautos, für
das Landwirtschaftsministerium 330 Millionen Euro, für
das Verkehrs- und Bauministerium 1,055 Milliarden
Euro - 460 Millionen Euro entfallen dabei auf die Gebäudesanierung - sowie für das BMZ, das Ministerium
unseres verehrten Herrn Niebel, 1,224 Milliarden Euro
für den Klima- und Umweltschutz. Da soll noch jemand
sagen, wir machten nichts.
({2})
- Wir machen viel mehr, als vorgegeben war.
Wir kämpfen um eine Umweltpolitik mit Herz. Wir
müssen von der grünen Ideologie wegkommen. Ideologie bringt uns nicht vorwärts. Es bedarf vielmehr Vernunft und Weitsicht. Dann kann man den Menschen umweltpolitische Maßnahmen viel besser vermitteln.
({3})
Es gibt auch noch den Naturschutz. Er ist immer dann
problematisch, wenn man übertreibt. Wenn man an der
A 17 südlich von Dresden eine Brücke für Fledermäuse,
die eigentlich fliegen können, baut - das ist passiert -,
dann ist der Naturschutz überzogen. Deshalb braucht
man auch dort Augenmaß und die Abwägung zwischen
wirtschaftlichem Erfordernis und Naturschutz.
Ich möchte in der Kürze der Zeit noch auf einige
Punkte eingehen. Für die Rußpartikelfilter gibt es, wie
mein verehrter Kollege Schulte-Drüggelte sagte, einen
Haushaltsrest von 43 Millionen Euro, 26 Millionen Euro
für dieses Jahr. Insgesamt haben wir 69 Millionen Euro
zur Verfügung. Wir werden auch Lkws bis 3,5 Tonnen
fördern, voraussichtlich mit 600 Euro. Das ist eine gute
Sache; das hilft dem Mittelstand und den Handwerkern.
({4})
Das Marktanreizprogramm haben wir angepasst.
({5})
Wir haben es mit einer Sperre versehen. Das beruht auf
unserem Weitblick. Für den Fall, dass wir genug Einnahmen haben, werden wir die Sperre auflösen. Aber von
vornherein Geld ausgeben, das wir nicht haben, geht
nicht. Das ist nicht die Politik der christlich-liberalen
Koalition.
({6})
Wir wollen nur das Geld ausgeben, das wir haben,
Freunde.
({7})
Anders geht es nicht. Immer nur Geld heraushauen, aber
nicht fragen, woher es kommt, damit habt ihr Erfahrung.
Ihr von der SPD habt uns 300 Milliarden Euro Schulden
hinterlassen. An eurer Stelle wäre ich ganz ruhig.
({8})
Umweltschutz und Naturschutz, das ist die Herzenssache unserer christlich-liberalen Koalition.
Ich danke mit einem herzlichen Glückauf aus dem
Erzgebirge.
({9})
Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist in aller Munde, und Klimaschutz ist - das wissen wir - ein Zukunftsthema. Wir wissen auch, dass das
nicht nur die größte ökologische Herausforderung unserer Zeit ist, sondern vor allen Dingen auch die größte soziale und ökonomische Herausforderung des 21. Jahrhunderts.
({0})
Das gilt insbesondere nach den enttäuschenden Verhandlungen von Kopenhagen. Dass dort kein internationales Klimaschutzabkommen ausgehandelt wurde, darf
allerdings kein Grund für uns sein, den nationalen und
internationalen Klimaschutz zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Gerade jetzt muss die Bundesrepublik Vorreiterin sein und mit einer ambitionierten Klimapolitik die
Chancen des sozialökologischen Umbaus von Wirtschaft
und Gesellschaft vorantreiben.
({1})
- Sie tun es eben nicht.
Dieser Tatsache wird die schwarz-gelbe Koalition mit
ihrem Gesetzentwurf zum Bundeshaushalt 2010 überhaupt nicht gerecht. Gerade wenn man sich den Haushalt
in Bezug auf den Klimaschutz anschaut, dann sieht man,
wie weit die Ankündigungen einerseits und das Handeln
andererseits auseinanderklaffen. Minister Röttgen hat in
seiner Regierungserklärung am 11. November 2009 angekündigt, dass es für ihn drei wichtige Themen in der
Umweltpolitik gibt: erstens Klimaschutz, zweitens Energiepolitik und drittens Schutz der biologischen Vielfalt.
Wenn man sich die drei Felder konkret anschaut, dann
sieht man, dass auf keinem der drei Felder Erfolge erzielt wurden. Auch im Haushalt spiegelt sich diese Priorisierung überhaupt nicht wider.
({2})
- Ich komme konkret dazu. - Selbst die bescheidenen
Zusagen von Kopenhagen, die Kanzlerin Merkel und
Minister Röttgen gemacht haben, werden nicht eingehalten, obwohl gerade Deutschland als Industrieland sich
seiner Verantwortung stellen müsste und den armen Ländern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind
und die schwersten Folgen zu tragen haben, aber am wenigsten dafür können, bei der Anpassung an den Klimawandel und beim Klimaschutz helfen müsste. Das ist
keine Frage von Wohltätigkeit, sondern das ist eine
Frage von Verantwortung und globaler Gerechtigkeit.
({3})
Versprochen hat die Regierung 420 Millionen Euro,
doch ursprünglich wollte sie gar kein zusätzliches Geld
in den Haushalt einstellen; Kollege Bartol hat das ausgeführt. Nur auf massiven Druck der Opposition in der Bereinigungssitzung hat sie 70 Millionen Euro eingestellt.
Aber auch das ist viel zu wenig, auch das ist ein klarer
Bruch der Kopenhagener Versprechen, und das ist eine
Bankrotterklärung für die deutsche Klimapolitik.
({4})
Vor allen Dingen ist das international eine totale Blamage, gerade für Angela Merkel. Das zeigt ganz deutlich: Angela Merkel ist die Antiklimakanzlerin, und sie
verspielt mit ihren billigen Taschenspielertricks das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf dem
internationalen Klimaparkett.
({5})
Auch bei der Energiepolitik versagt die Regierung.
Minister Röttgen drückt sich bisher, wahrscheinlich bis
zur NRW-Wahl, um eine eindeutige Stellungnahme pro
Atomkraft herum. Allerdings dürfen wir nicht vergessen,
dass sich Minister Röttgen schon für eine Verlängerung
der Laufzeiten der Atomkraftwerke von acht Jahren ausgesprochen hat.
Dieser Pro-Atom-Kurs kommt natürlich auch beim
Thema erneuerbare Energien zum Ausdruck. Röttgen inszeniert sich selbst gern als Einstiegsminister in die erneuerbaren Energien; doch in der Realität blockiert er
den Ausbau erneuerbarer Energien und tritt für Laufzeitverlängerungen ein. Das alles passt nicht zusammen.
({6})
Schauen wir uns das Ganze einmal konkret an: Anstatt das erfolgreiche Programm zur Förderung von erneuerbaren Energien fortzusetzen, auszubauen und damit Arbeitsplätze bei kleinen und mittelständischen
Unternehmen und die Arbeitsplätze im Handwerk zu sichern, kürzen Sie dieses Programm um fast 20 Millionen
Euro. Gut ein Viertel dieser Mittel, 115 Millionen Euro,
sind gesperrt, obwohl der Haushaltsausschuss diese
Sperre eigentlich schon aufgehoben hat. Auch die FDP
und die CDU/CSU haben damals für die Aufhebung der
Sperre gestimmt.
Ihre Prioritäten, Herr Röttgen, erkennt man, wenn
man sich anschaut, wofür Mittel, zum Beispiel solche
zur Förderung von Einzelmaßnahmen für erneuerbare
Energien, gekürzt worden sind: unter anderem für den
Neubau des Ministeriums und damit für Ihr neues schickes Ministerbüro. Nur weil sich der Minister eine teure
Kommunikationsabteilung leistet, wird jetzt bei einer erfolgreichen Klimaschutzinitiative und dem Marktanreizprogramm gekürzt. Das finde ich extrem dreist. Das
zeigt endgültig, Minister Röttgen: Sie sind kein Einstiegsminister in die erneuerbaren Energien; Sie sind ein
Minister für die Verlängerung von Laufzeiten von AtomSven-Christian Kindler
kraftwerken, und Sie sind ein Ausstiegsminister aus den
erneuerbaren Energien.
({7})
Kommen wir einmal zur biologischen Vielfalt. Was
passiert beim Schutz der biologischen Vielfalt? Man hält
schöne Reden - das muss man Ihnen lassen -; aber konkret passiert nichts. Seit 2008 hat Deutschland den Vorsitz der CBD, also der UN-Konvention zur Biodiversität.
Noch am 11. Januar 2010 hat Frau Merkel anlässlich der
Eröffnung des Internationalen Jahres der biologischen
Vielfalt gesagt:
Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt
hat dieselbe Dimension und Bedeutung wie die
Frage des Klimaschutzes.
Doch was ist bisher passiert? Gar nichts, also noch weniger als beim Klimaschutz. Im Koalitionsvertrag wurde
ein Bundesprogramm für biologische Vielfalt angekündigt. Nichts ist passiert. Die nötigen Mittel wurden nicht
in den Haushalt eingestellt. Auch hier konnte sich Herr
Röttgen in den Haushaltsverhandlungen nicht durchsetzen. Täglich verschwinden weiterhin bis zu 30 Arten
von der Erde. Damit muss endlich Schluss sein, Herr
Röttgen. Reden Sie nicht nur, handeln Sie endlich auch!
({8})
Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt handeln, und wir
müssen jetzt in die Zukunft investieren. Wir müssen
auch klimaschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen abbauen.
Kommen wir zur Gegenfinanzierung: Wir können in
unseren Anträgen auf Erhöhung von Mitteln im Bereich
Energieeffizienz, im Bereich Klimaschutz eine Gegenfinanzierung präsentieren, indem wir für den Abbau klimaschädlicher Subventionen eintreten. Das tun Sie nicht.
Sie bauen keine Subventionen ab. Sie legen einen Haushalt vor, durch den der Klimawandel nicht verlangsamt,
sondern beschleunigt wird. Immer noch werden Milliardensummen für schwere Dienstwagen mit hohem CO2Ausstoß ausgegeben, für Kohlesubventionen oder für die
Steuerbefreiung von Kerosin im Flugverkehr. Damit
muss Schluss sein. Der Klimawandel darf nicht weiter
mit Milliardensummen gefördert werden. Wir müssen
jetzt endlich in den ökologisch-sozialen Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft investieren.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Norbert Röttgen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Der Haushalt, den wir in dieser Woche in
zweiter und dritter Lesung debattieren, ist geprägt durch
die Finanzmarktkrise - es wird nicht der letzte Haushalt
sein, der dadurch geprägt ist -; er ist geprägt durch die
Rettungsmaßnahmen, veranlasst durch die Finanzmarktkrise. Er ist darum, nebenbei gesagt, in seiner Dimension, natürlich nicht in jeder Einzelheit, geprägt und verursacht durch die Entscheidungen, die in der Großen
Koalition von CDU/CSU und SPD ganz maßgeblich getroffen worden sind. Darum kann man sich als Opposition den fiskalischen Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen zur Abwendung der Krise jetzt nicht
entziehen.
({0})
Es gibt eine sehr wichtige Erkenntnis, die auf dem
Höhepunkt der Krise hier von diesem Pult immer wieder
auch von der Bundeskanzlerin vorgetragen worden ist
und die immer noch maßgeblich ist, nämlich dass wir
mit Entschlossenheit das Ziel verfolgen wollen, aus dieser Krise, so schlimm und so fundamental sie auch ist,
gestärkt herauszukommen.
({1})
Das heißt, dass wir diese Krise in ihren Konsequenzen
- wir befinden uns ja in den Haushaltsberatungen - nicht
nur fiskalisch erleiden dürfen, sondern dass wir sie auch
politisch zu gestalten haben. Das ist die Aufgabe, vor der
wir stehen.
Die ordnende Antwort - ich betone das besonders in
der Debatte um den Umweltetat; es ist aber genauso in
den Debatten über die anderen Haushalte angemessen auf den Exzess der Kurzfristigkeit, welcher die Finanzmarktkrise ja kennzeichnet, ist eine Politik der Nachhaltigkeit. Das ist die ordnende Antwort.
({2})
Diese ordnende Antwort, auf die Erfahrungen mit dem
Exzess der Kurzfristigkeit mit Nachhaltigkeit zu reagieren, hat ganz konkrete Konsequenzen für unsere politische Strategie.
Der Kollege Schulte-Drüggelte hat zu Recht ausgeführt: Es geht darum, dass wir begreifen, dass durch Klimaschutz, dass durch Ressourceneffizienz, dass durch
eine nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen gerade unsere wirtschaftliche Modernisierung betrieben wird.
({3})
Es geht gar nicht mehr darum, Ökonomie und Ökologie
zu versöhnen, es geht schon gar nicht mehr um den
scheinbaren Gegensatz von beidem, vielmehr ist das
eine die Bedingung des anderen. Das müssen wir verste2690
hen, meine Damen und Herren, und daraus politische
Konsequenzen ableiten.
({4})
- Ich komme gleich zu den konkreten Punkten.
Der übergreifende Gesichtspunkt lautet von daher:
Nachhaltigkeit ist Zukunftsverantwortung. Ich möchte
anhand von drei Feldern, über die schon debattiert worden ist, zeigen, wie diese Bundesregierung in ihren ersten Monaten auf dem Gebiet der Umweltpolitik, der Klimapolitik und der Nachhaltigkeitspolitik konkret ihre
Verantwortung wahrnimmt. Ich nehme die Punkte atomares Endlager, erneuerbare Energien und Klimaschutz.
Ich fange mit dem ersten Punkt an, weil es ja hierzu
eine jüngst von mir verkündete Entscheidung gibt, und
möchte aufzeigen, wie wir aus dem Gesichtspunkt der
Verantwortung mit der Frage der atomaren Endlagerung umgehen. Ich versuche es einmal ganz ruhig und
Schritt für Schritt vorzutragen. Ich weiß zwar, dass es
zwischen uns durchaus Unterschiede in der grundsätzlichen und auch aktuellen Einschätzung der Kernenergie
gibt - diese darf es geben; das ist völlig legitim -, aber
zugleich gibt es auch bestimmte Verantwortungsfolgen,
denen wir uns vernünftigerweise nicht entziehen sollten.
Deshalb sollten wir uns auch die Frage stellen, inwiefern
wir trotz Aufrechterhaltung unserer kontroversen Positionen gemeinsam Verantwortung übernehmen können,
weil das im Interesse dieses Landes und insbesondere
ein Gebot der Verantwortung gegenüber den nächsten
Generationen ist.
({5})
Damit komme ich zu der ersten Feststellung, für die
ich hoffe, Konsens zu finden, nämlich dass es unabhängig von der Frage, wie man inhaltlich zur Kernenergie
steht, eine Verantwortung für atomare Endlagerung gibt,
der wir nicht entfliehen können. Bärbel Krauß hat in der
Stuttgarter Zeitung zu Recht gesagt: Angesichts der Probleme eine „Vogel-Strauß-Politik“ zu betreiben bzw. den
Kopf in den Sand zu stecken, ist verantwortungslos.
({6})
Deshalb müssen wir alles tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Wir müssen damit aufhören - ich sage bewusst: wir -,
die Frage der Endlagerung als taktisches Spiel zwischen
den Parteien zu betreiben. Das hat nämlich nur zu dem
Ergebnis geführt, dass wir das Thema ungelöst der
nächsten Generation vor die Schuhe kippen, meine Damen und Herren. Damit muss Schluss sein. Das widerspricht unserer Auffassung von Verantwortung.
({7})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Ja, bitte.
Bitte.
Herr Bundesminister, Sie haben eben ja - ({0})
Die Technik ist nicht auf Ihrer Seite; aber das wird
sich noch finden.
({0})
Sie sind ja jetzt für die Energie zuständig; insofern:
Danke schön.
Schon funktioniert es, Frau Kollegin.
Ja, genau. Aber Sie sehen, manchmal hakt es bei Ihnen auch mit der Energie.
Ja, aber etwas mehr bei den Grünen.
Momentan wollen wir vielleicht erst einmal bei den
Fakten bleiben.
Herr Bundesminister, Sie haben eben von der Verantwortung gesprochen. Da haben Sie absolut recht. Wir
Grüne waren immer gegen Atomkraftwerke. Trotzdem
sind wir bereit, die Verantwortung für den Atommüll zu
übernehmen.
Ich möchte Sie fragen, ob es mit Ihrer Verantwortung
und Ihrer Überzeugung von Nachhaltigkeit zusammenpasst, wenn diese Bundesregierung, der Sie als Bundesminister angehören, dafür plädiert, Atomkraftwerke
länger laufen zu lassen. Denn dadurch wird erheblich
mehr Atommüll produziert, der den nachfolgenden Generationen - um Ihre vorherigen Worte zu benutzen vor die Füße gekippt wird. Was hat das mit Nachhaltigkeit und Verantwortung zu tun?
({0})
Frau Kollegin Höhn, ich möchte folgende Feststellungen dazu machen. Als die Grünen und die rot-grüne Regierung im Jahr 2002 den Atomausstieg beschlossen haben, waren sie der Meinung, man könne nicht sofort aus
der Kernenergie aussteigen, sondern man brauche eine
Übergangszeit von 20 Jahren. Sie selber haben damit
eine Laufzeitverlängerung von 20 Jahren beschlossen.
({0})
- Natürlich! Es mag Ihnen nicht gefallen, wenn ich sage:
Sie sind nicht ausgestiegen, sondern Sie haben damals
gesagt: Wir können bei der Energieversorgung im Moment auf Kernenergie nicht verzichten.
({1})
- Natürlich haben Sie das gesagt, ansonsten wären Sie
doch ausgestiegen. - Das ist ja auch völlig richtig.
({2})
Es ist doch gar nicht zu bestreiten, dass es im Jahre
2002 ohne die Kernkraftwerke zu einer Lücke bei der
Stromversorgung gekommen wäre. Das Gegenteil wollen Sie doch im Ernst nicht behaupten. Sie haben daher
gesagt: Wir brauchen die Kernenergie, um unsere energiepolitischen Ziele zu erreichen. - Meine Kritik an diesem Beschluss ist, dass Sie das Datum 2020 nicht seriös
berechnet haben.
({3})
Es war vielmehr eine willkürliche Terminsetzung, die
Ihnen politisch gepasst hat. Das ist doch der Punkt.
({4})
- Frau Präsidentin, ich möchte die Frage noch zu Ende
beantworten.
Wenn sich die Kollegin hinsetzt, dann können Sie mit
Ihrer Rede fortfahren. Bis jetzt habe ich die Uhr angehalten.
({0})
- Ich mache darauf aufmerksam, dass der Bundesminister im Moment das Wort zur Beantwortung der Zwischenfrage hat. Wenn Sie, Frau Kollegin Höhn, der Auffassung sind, die Frage sei beantwortet, dann können Sie
sich hinsetzen. Andernfalls bleiben Sie bitte stehen und
lassen den Bundesminister Ihre Frage zu Ende beantworten.
({1})
Ich will die Antwort abkürzen. Erstens. Die Frage der
Verantwortung für die Laufzeitverlängerung stellt sich
heute unabhängig davon, ob man jemals für oder gegen
Kernenergie war. Zweitens. Als Sie an der Regierung
waren, haben Sie deswegen nicht „Schluss mit Kernenergie“ gesagt, weil die Kernenergie für unsere Energieversorgung noch gebraucht wird. Sie haben daher gesagt: noch 20 Jahre Laufzeit.
Was wir jetzt vertreten, basiert auf dem gleichen Mechanismus: Wir brauchen die Kernenergie als Brückentechnologie. Wir haben eine klare Vorstellung von dem
Ziel, das wir erreichen wollen. Das Ziel ist die Versorgung mit erneuerbaren Energien. Dahin wollen wir. Die
Kernenergie ist die Brücke dorthin. Die Verantwortung,
die sich aus der Benutzung dieser Brücke für Sie wie für
uns stellt, besteht darin, ein Endlager zu organisieren.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bemühen um
Konsens will ich jetzt keine Schärfe in die Debatte bringen. Aber ich glaube, die Feststellung darf erlaubt sein,
dass das zehnjährige Moratorium, das Rot-Grün gegenüber Gorleben verhängt hat, nicht Ausdruck von Entschlossenheit war, diese Verantwortung wahrzunehmen.
Ich möchte es einmal so zurückhaltend formulieren.
({1})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Kotting-Uhl?
Bitte sehr.
({0})
Machen Sie sich mal keine Sorge um die Antwortfähigkeit Ihres Ministers. - Herr Minister, zum Moratorium komme ich später noch. Ich möchte Sie jetzt fragen, ob Sie damals, als Rot-Grün die Verhandlungen mit
den Energiekonzernen geführt hat, tatsächlich nicht aufgepasst haben oder ob es einen anderen Grund gibt, dass
Sie einen Beweggrund für das damalige Handeln von
Rot-Grün angeben, der de facto nicht existiert hat. Ent2692
spricht es nicht auch Ihrer Erinnerung, dass die Begründung für die lange Ausstiegszeit nicht die Überzeugung
war, man brauche die Kernenergie als Brückentechnologie, um Ihre Formulierung zu benutzen, sondern dass dahinter das übliche Erpressungspotenzial der Energiekonzerne stand?
Die damaligen Verhandlungen hat Ihr heutiger Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Herr Hennenhöfer, für die
Energiekonzerne geführt. Er hat damals ausgehandelt,
dass es eine Übergangszeit von 20 Jahren geben muss, es
sei denn, die Bundesregierung würde hohe Entschädigungsleistungen zahlen, die sie aber aus Nachhaltigkeitsgründen nicht verantworten konnte. Stimmen Sie
mit mir in dieser Einschätzung überein?
({0})
Ich hatte die freundlichere Variante versucht. Sie geben gerade zu, dass Sie erpresst worden sind. Ich sage
Ihnen: In der demokratischen Politik gibt es keine Erpressung durch Dritte.
({0})
Damit Erpressung funktioniert, muss man sich erpressen
lassen; dazu hat hier keiner das Recht. Sie sagen hier mit
einer Leichtfertigkeit, dass Sie erpresst worden sind; das
möchte ich, auch zu Ihren Gunsten, nicht akzeptieren.
({1})
Ich habe unterstellt, dass Sie so realistisch sind, einzusehen, dass es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich
war und zum heutigen Zeitpunkt, zehn Jahre später,
nicht möglich ist, sofort aus der Kernenergie auszusteigen, und zwar nicht nur aus rechtlichen Gründen, sondern vor allen Dingen, weil es aus energiewirtschaftlicher Sicht nicht zu verantworten ist. Ich glaube, darüber
braucht man seriöserweise gar nicht zu streiten; das wäre
ein falscher Streit.
({2})
Ich komme zu meinem Punkt. Es ist vielleicht
schwierig; aber dennoch besteht eine Verantwortung für
die Endlagerung. Diese Verantwortung wird nicht durch
Moratorien und Blockaden wahrgenommen. Darum ist
es richtig, diese zu beenden und die Suche nach dem
Endlager, die Erkundung, zu gestalten.
Eine weitere Feststellung, die uns hoffentlich gemeinsam ist - jedenfalls ist es meine Feststellung -: Wenn es
in Gorleben zu einem atomaren Endlager kommen
sollte, dann geschieht dies nur und ausschließlich auf der
Grundlage eines atomrechtlichen Zulassungsverfahrens, mit allen Instrumenten, die dort vorgesehen sind,
von der Bürgerbeteiligung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bis zum gerichtlichen Rechtsschutz. Selbstverständlich wird dies nicht ohne ein atomrechtliches
Zulassungsverfahren geschehen. Bevor es dazu kommen
kann, sind Erkenntnisse und weitere Erkundungen notwendig, sozusagen zur Vorbereitung eines solchen Verfahrens.
Ich sichere hier noch einmal zu - damit wende ich
mich an die Betroffenen vor Ort, deren Emotionen ich
vielleicht nachvollziehen kann; jedenfalls glaube ich,
mich in ihre Lage hineinversetzen zu können - ({3})
- Wenn man selbst nicht betroffen ist, fällt es immer
leicht, zu sagen: Ich kann mich hineinversetzen. Es geht
aber auch um deren Heimat. - Ich sichere zu, in jedem
Stadium des Verfahrens auch über das rechtlich Gebotene hinaus volle Transparenz, Bürgerbeteiligung und
Information zu gewährleisten. Ich bitte, diese ausgestreckte Hand anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir einer Meinung sind; aber das Angebot der Transparenz
steht, und zwar in jeder Phase, voll und uneingeschränkt.
({4})
- Wir disponieren nicht: Wir sind in einem Rechtsstaat,
in dem die Regierung nicht über die Rechtslage disponiert. Vielmehr beschließt das Parlament die Rechtslage,
die die Verwaltung anzuwenden hat.
({5})
So ist es bei jeder Regierung.
Es handelt sich um ein offenes Verfahren mit einem
offenen Ausgang. Es gibt keine Präjudizierung, sondern
Offenheit. Ich glaube, dass das eine faire Basis ist; es ist
eine verantwortungsvolle Grundlage, der sich keiner entziehen sollte. Ich appelliere, die gemeinsame Verantwortung zu erkennen und zu versuchen, ihr gerecht zu werden.
Ich möchte jetzt den zweiten Punkt ansprechen, die
erneuerbaren Energien. Die Entsorgungsfrage, die Endlagerfrage ist mit der Nutzung der Kernenergie untrennbar verbunden. Die Kernenergie ist nach dem energiepolitischen Konzept, das wir in diesem Jahr erarbeiten
werden, eine Brückentechnologie. Sie ist eindeutig davon geprägt, dass sie die Brücke in das Zeitalter der
erneuerbaren Energien ist.
({6})
Wir können aus Klimaschutzgründen nicht dauerhaft auf
die fossile Energieversorgung setzen. Darum sind die erneuerbaren Energien unser Ziel.
Sie sind schon heute unser Weg. Vorhin habe ich von
der Krisensituation gesprochen. Erneuerbare Energien
leisten in der Krise einen stabilisierenden Beitrag; denn
sie bergen ein positives Innovations- und Wachstumspotenzial. Darum ist schon in der Krise merklich fühlbar,
dass erneuerbare Energien auch in wirtschaftlicher Hinsicht einen vernünftigen Weg darstellen, der zudem die
natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt.
({7})
Gerade weil das so ist, weil wir auf erneuerbare Energien setzen, muss es darum gehen, erneuerbare Technologien in den Markt einzuführen.
({8})
Die Vorstellung, dass erneuerbare Technologien als
Dauersubventionstatbestand zu verstehen sind, ist zum
Scheitern verurteilt.
({9})
Spanien ist ein Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist: Wir mussten dort erleben, dass die
nicht limitierte Förderung, die nicht der Markteinführung diente, zu einem Kollaps geführt hat. Markteinführung ist also das Instrument, das die erneuerbaren Energien für den Markt fit macht; denn dort müssen sie ihre
Bringschuld einlösen.
({10})
Darum ist es kein guter Dienst an erneuerbaren Energien, wenn man sie mehr fördert, als der Markt zulässt
und verlangt.
({11})
Mein dritter Punkt ist der Klimaschutz. Dieser Etat
- das ist doch gar nicht zu bestreiten, jeder Regierung
ginge es so - findet in dem fiskalischen Umfeld von
80 Milliarden Euro neuen Schulden statt. Man kann die
eine oder andere Stelle für falsch halten, aber die Größenordnung ist rezessions- bzw. finanzmarktkrisenbedingt. Das ist gar keine Frage. Dass es im Umfeld eines
solchen Haushalts durch den Einsatz der Haushälter - in
diesem Punkt sind durchaus Gemeinsamkeit vorhanden gelungen ist, eine Etatsteigerung von knapp 8 Prozent zu
realisieren, ist ein Erfolg.
({12})
- Ja, auch das gehört dazu, wobei die Endlager von den
Verursachern zu fast 100 Prozent finanziert werden. Das
ist ausnahmsweise keine Aufgabe des Bundeshaushaltes.
Ich hätte mir auch für andere Positionen gewünscht,
mehr Mittel zu bekommen. Das ist keine Frage; auch das
verbindet uns.
Bei all dem Streit darüber - das ist völlig in Ordnung,
das ist die Aufgabe der Opposition - steht fest: Der Klimaschutz wird entschlossen vorangetrieben. Wir sind ein
führendes Land in Sachen Klimaschutz.
({13})
Wir haben übrigens viel mehr Einfluss, als es unserer
geopolitischen Lage entspricht. Diesen Einfluss nehmen
wir wahr, auch durch internationale Kooperation. Wir
werden uns an der französisch-norwegischen Waldschutzinitiative beteiligen.
({14})
Wir laden eine repräsentative Gruppe von Experten auf
den Petersberg nach Bonn ein, um den Weg zur Erreichung unserer Ziele zu ebnen. Die Ziele behalten wir im
Blick. Wir geben sie nicht auf, aber wir stehen vor der
Notwendigkeit, nicht nur abstrakt über Ziele zu diskutieren; wir müssen vielmehr konkrete Handlungspläne für
den Klimaschutz entwickeln. Das wird ein neuer Ansatz
sein, zu dem auch Deutschland einen besonderen Beitrag
leisten wird. Wir tun das aus ethischer Verantwortung
und der Überzeugung der ökonomischen Richtigkeit,
({15})
weil wir im Wettbewerb der globalen Modernisierung
weiter vorne liegen wollen.
Dafür brauchen wir Haushaltsmittel. Unser Haushalt
ist mit 1,59 Milliarden Euro einer der kleineren. Das ist
nicht das Entscheidende in der Umweltpolitik, aber ohne
Mittel geht es nicht. Darum möchte ich mich für die
Kooperation im Berichterstattergespräch und im Ausschuss, für die Unterstützung der wichtigen Ziele und
auch für eine gute Debatte sowie für die Unterstützung,
die die Umweltpolitik und auch ich persönlich in diesen
Beratungen bekommen haben, sehr herzlich bedanken.
Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Kooperation.
Danke sehr.
({16})
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
Dr. Matthias Miersch.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Bundesminister Röttgen, das war, glaube ich, die
dritte Rede von Ihnen, die ich gehört habe. Ich finde,
man muss jemandem immer eine Chance geben, man
sollte allerdings prüfen, ob Worte und Taten zusammenpassen. Ich muss feststellen: Ihre Worte passen nicht zu
den Taten, die wir in diesem Haushalt feststellen können.
({0})
Sie haben vieles, was verhandelt werden sollte, wegen der Finanzmarktkrise zurückgefahren. Ich sage Ihnen: Niemand hat Sie, meine sehr verehrten Damen und
Herren von CDU/CSU und FDP gezwungen, den Staat
in dieser schwierigen Phase weiter zu schwächen, indem
Sie Steuergeschenke an Hoteliers und Besserverdienende verteilen.
({1})
Niemand hat Sie gezwungen, dass Sie Steuererleichterungen machen sollten, was die Folge hat, dass Sie elementare Versprechungen, die Sie auf internationaler
Ebene gemacht haben, nicht einhalten können.
({2})
Lieber Herr Bundesminister, Sie haben den Begriff
„nachhaltige Entwicklung“ mehrfach benutzt. Ich habe
vier Jahre als Sprecher meiner Fraktion im Deutschen
Bundestag gearbeitet. Ich kann Ihnen nur sagen: Nachhaltigkeit ist etwas anderes als das, was Sie im vorliegenden Haushalt präsentieren. Nachhaltigkeit bedeutet,
sich darüber Gedanken zu machen, welche Folgen unterlassene Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten Jahrzehnten haben werden, Folgen, die weitaus bedeutender
sein werden als all das, worüber wir hier in dieser Haushaltsdebatte sprechen. Das wäre nachhaltige Politik.
({3})
Niemand zwingt Sie dazu. Es hat nichts mit der Finanzkrise zu tun, dass Sie den Cheflobbyisten der Atomindustrie zu Ihrem Abteilungsleiter machen,
({4})
von dem ich nicht hoffe - Sie haben eben von Erpressung gesprochen -, dass er den Atomkonsens mit erpresserischen Mitteln ausgehandelt hat. Das ist ein völlig falsches Signal. Auch hier passen Worte und Taten nicht
zusammen. Das ist ein wichtiges Signal; denn Sie zeigen
schon durch Ihre Personalpolitik, dass Sie es nicht ernst
meinen.
({5})
Niemand zwingt Sie, bei der Suche nach einem Endlager nicht schon jetzt das Atomrecht zugrunde zu legen,
den Menschen nicht schon jetzt verbriefte Klage- und
Eingriffsrechte zu geben. Niemand zwingt Sie dazu, das
Atomrecht beiseitezuschieben und dann so zu tun, als ob
es wirkliche Bürgerbeteiligung gäbe. Ich rufe Sie dazu
auf: Wenden Sie das Atomrecht schon jetzt an. Dann findet eine tatsächliche Öffentlichkeitsbeteiligung statt.
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Niemand zwingt Sie, schon jetzt anzufangen und das Ergebnis des Untersuchungsausschusses nicht abzuwarten.
({6})
Es gibt doch Hinweise, dass die Entscheidung für Gorleben manipuliert worden ist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse übersehen bzw. beiseitegeschoben wurden.
({7})
Keiner zwingt Sie dazu, sich schon jetzt einseitig auf
Gorleben festzulegen.
({8})
Niemand zwingt Sie dazu, in dieser Zeit, in der wir
wissen, dass andere Gesteinsformationen - Granit und
Ton - infrage kommen, einseitig auf Salzstöcke zu setzen und eine Vorfestlegung zu treffen, von der Sie vielleicht in einigen Jahren sagen werden: Das war falsch!
Das wäre dann unverantwortlich, eine Haltung, die Sie
uns jetzt unterstellen.
Kollege Miersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Grindel?
Gerne.
Herr Kollege, weil Sie wie der jetzige SPD-Vorsitzende im Bundestagswahlkampf behaupten, es sei Einfluss genommen worden auf die fachliche Aussage eines
Gutachtens aus dem Jahre 1983, als es um die Frage der
untertägigen Erkundung in Gorleben ging, frage ich:
Können Sie mir bitte erklären, warum sich in der
Anlage 4 des Ausstiegsvertrages der rot-grünen Bundesregierung die Erklärung findet, dass man keine Zweifel
an der Eignungshöffigkeit von Gorleben hat?
({0})
Wenn Sie das alles, was Sie jetzt hier vortragen, schon
damals in den Akten hatten, wie kann es dann sein, dass
Rot-Grün damals die Eignungshöffigkeit von Gorleben
erklärt hat?
Lieber Herr Kollege Grindel, wir beide sind Juristen.
Sie haben sicherlich auch irgendwann einmal die Arbeit
des Rechtsanwalts gelernt. Dann weiß man, wie man angreifen muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie
sich die Entwicklung ganz genau an. Wir haben diese
Hinweise später erhalten. Sie haben uns jetzt dazu veranlasst, den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stellen.
({0})
- Jetzt lassen Sie mich ruhig antworten. Das müssen Sie
aushalten. - Ich finde, Sie müssen dieses Urrecht der
Opposition bzw. des Parlaments jetzt ernst nehmen. Ein
Minister, der, ohne abzuwarten, was bei der Untersuchung von solchen Vorwürfen, die im Raum stehen, herauskommt, schon jetzt auf das vermeintliche Projekt
Gorleben setzt, handelt fahrlässig und alles andere als
verantwortlich.
({1})
Nun zum Haushalt. Sie haben über den internationalen Klimaschutz gesprochen. Lieber Herr Kollege Röttgen, wie wollen Sie in Bonn in diesem Jahr eigentlich
glaubwürdig an die internationale Staatengemeinschaft
herantreten? 420 Millionen Euro haben Sie zugesagt. Sie
haben das nicht eingehalten. Damit haben Sie sehr viel
Glaubwürdigkeit in der Welt verspielt. Aus meiner Sicht
ist das eine wirkliche Katastrophe für den internationalen Prozess, weil Deutschland diesen Prozess bis jetzt,
jedenfalls in den letzten Jahren, progressiv und konstruktiv begleitet hat. Dieser Wortbruch wird uns - das
glaube ich jedenfalls - im internationalen Prozess noch
teuer zu stehen kommen. Das ist ein wirklicher Skandal
der Politik der Regierung Merkel.
({2})
Ich war in den vergangenen Tagen in Washington. Ich
habe mit progressiven Politikern aus den Reihen der Demokraten und der Republikaner gesprochen. Sie alle haben gesagt: Bitte, tut uns den Gefallen und löst das, was
ihr in Kopenhagen zugesagt habt, ein. Wir warten auf
euch, damit wir die ewigen Verhinderer hier nach vorne
schieben und ihnen sagen können: Schaut euch die Europäer an. Schaut euch die Deutschen an. - Die Chance,
Vorbild im internationalen Prozess zu sein, verspielen
Sie mit diesem Haushalt, weil Sie Wortbruch begehen.
Das ist ein Skandal.
({3})
Wenn Sie Klimaschutz und Energiepolitik erwähnen, dann erinnere ich Sie an Ihre letzte Haushaltsrede
vor wenigen Wochen, in der Sie gesagt haben:
Die Stellschrauben sind klar: Sie heißen Energieeffizienz, und sie heißen erneuerbare Energien.
Lieber Herr Kollege Röttgen, was machen Sie? Genau
an diesen Stellschrauben drehen Sie nicht nach vorne,
sondern zurück, indem Sie eine Sperre haben und sogar
noch Kürzungen vornehmen. Das kann doch keine
glaubwürdige Politik sein. Das muss man, finde ich, als
Opposition hier benennen. Ich hätte mir gewünscht, dass
die Koalitionsfraktionen die Kraft gehabt hätten, hier
deutliche Veränderungen vorzunehmen. Dies ist jedenfalls ein Drehen in genau die andere Richtung; das ist
rückwärtsgewandt.
({4})
Welche Maßnahmen treffen Sie? Wo ist die Sperre
hergestellt worden? Herr Schulte-Drüggelte, Sie haben
das Fallen der Sperre bei Applaus von Abgeordneten
von CDU/CSU und FDP vor einigen Wochen angemahnt. Sie haben gemeint, dass es um die Mini-KWKAnlagen geht, um kommunale Klimaschutzmaßnahmen,
bei denen es wichtig ist, Sensibilität vor Ort zu schaffen.
Sie als Umweltpolitiker haben das gesehen, und Sie haben den Applaus Ihrer Fraktionen bekommen.
Ich habe einmal das Struck’sche Gesetz gelernt: Wenn
etwas schiefläuft in der Regierung, dann kann das Parlament gegensteuern. - Was haben Sie in den letzten Wochen geleistet? Das Mindeste wäre, dass man hier klipp
und klar sagt: Wir haben diesen Prozess verloren. Wir
wollten mehr, aber haben es nicht bekommen, weil andere diese Notwendigkeit nicht gesehen haben. - Sie
kürzen an den zentralen Punkten. Auch dies ist ein
Schritt zurück in der deutschen Energie- und Klimapolitik.
({5})
Bei den Positionen, über die Sie augenblicklich diskutieren - Stichwort: Emissionshandel -, werden die Haushaltspositionen mittlerweile vermischt. Die Einnahmen
und die Ausgaben sind nicht mehr dem Haushalt des
Bundesumweltministeriums zugeordnet, sodass aus meiner Sicht letztlich eine Trennung zwischen den Einnahmen aus dem Emissionshandel und den Maßnahmen
beim Klimaschutz droht. Auch dies, liebe Kolleginnen
und Kollegen von CDU/CSU und FDP, sollten Sie sich
sehr genau überlegen. Ich vermute, dass eine organisierte Unverantwortlichkeit dahintersteckt, die wir uns in
der Klima- und Energiepolitik nicht leisten können.
({6})
Wir sehen an diesen Haushaltspositionen, Herr Minister, dass Worte und Taten weit auseinanderliegen. Ich
finde, um glaubwürdig zu sein - das ist wichtig in diesem Prozess -, müssen Sie tatsächlich Butter bei die
Fische geben, müssen Sie den Menschen in diesem Land
zeigen, dass diese Regierung es ernst meint. Was in einer
Regierungserklärung gesagt wird, Herr Schulte-Drüggelte, spielt keine Rolle. Die Menschen verlangen Taten.
Damit kann Politik Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Mit diesem Haushalt kann sie es nicht.
({7})
Ich bin mir sicher: Unsere Reden der Opposition hier
werden Sie nicht mehr überzeugen. Das Kind ist zumindest für diesen Haushalt im Brunnen. Aber Sie haben
eine Chance, das, was die Regierung augenblicklich
macht, an entscheidender Stelle zu korrigieren. Wir haben eine Diskussion über das Erneuerbare-EnergienGesetz. Wir werden am 21. April dieses Jahres eine Anhörung durchführen, wenn Sie sich bei der Kürzung der
Förderung für Solaranlagen nicht anders besinnen. Ich
will Sie auf einen Antrag des Bundeslandes Bayern hinweisen - vielleicht überzeugt Sie das mehr als eine
Stimme aus der Opposition -, der im Bundesrat vorliegt
und in dem es heißt - ich darf zitieren -:
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die kurzfristige Umsetzung dieser Pläne
- Ihrer Pläne 2696
die Anpassungsfähigkeit der deutschen Solarwirtschaft an das veränderte Umfeld überfordern
könnte.
Eine zu abrupte und drastische Kürzung birgt die Gefahr
schwerer Marktverwerfungen und bedeutet den Verlust
wertvoller Arbeitsplätze in einer hochmodernen Branche.
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich diese
Sätze noch einmal auf der Zunge zergehen und ändern
Sie, was die Regierung vorhat. - In dem Antrag heißt es
weiter:
Dies wiederum würde den europäischen Produktionsstandort schwächen und zu einer Stärkung der
ostasiatischen Mitbewerber führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies macht deutlich
- hier gebe ich Ihnen, Herr Bundesumweltminister, vollkommen recht -: Die Frage, um die es hier geht, ist nicht
nur eine ökologische, sie ist eine ursoziale und eine urökonomische. Wenn wir das nicht verstehen, diesen
Haushalt weiterhin so strapazieren, wie wir ihn strapaziert haben, und die Chancen der Klimapolitik nicht sehen, dann, so glaube ich, gehen wir in die falsche Richtung, auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht.
Heute werden wir nichts mehr verändern können.
Aber ich fordere Sie auf: Lassen Sie den Begriff Nachhaltigkeit bei den nächsten Haushaltsplanberatungen
Realität werden. Der Haushaltsentwurf, der uns vorliegt,
ist alles andere als nachhaltig.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Opposition sitzt heute wieder auf einem ganz hohen Ross.
Herr Miersch hat die Koalition kritisiert, weil sie Geld
ausgegeben hat, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher
Hotels zu stärken. Er sagte, es sei kein Geld da, und wir
würden die ostasiatischen Wettbewerber stärken.
({0})
Diese Kritik wurde von dem Vertreter einer Partei geäußert, die für 5 Milliarden Euro die Abwrackprämie auf
den Weg gebracht hat, durch die insbesondere die Marktanteile ostasiatischer Konkurrenten hochgetrieben worden sind und bei der ökologische Fragen keine Rolle gespielt haben. Hätten wir das zu verantworten, würden Sie
uns wahrscheinlich vorwerfen, wir hätten wegen Spenden so entschieden. Wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie
in den Jahren 2005 bis 2009 einen Betrag von 1,8 Millionen Euro von der Automobilindustrie bekommen haben. Das ist nicht unser Stil.
({1})
Ich denke, Sie sollten endlich damit aufhören, permanent
solche Anschuldigungen in Richtung dieser Koalition zu
äußern.
({2})
Zurück zu dem hohen Ross, auf dem Sie sitzen. Herr
Kindler, der Kollege von den Grünen, hat uns vorgeworfen, wir würden beim Naturschutz nicht genug tun. Da
gerade die Artenschutzkonferenz in Doha stattfindet,
sollten wir uns einmal anschauen, welche Ziele sich
Deutschland in diesem Bereich gesetzt hat. In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahre 2002
wurde das Ziel festgelegt: Stopp des Verlustes der Artenvielfalt bis 2010. Ich kann nur feststellen: Die SPD war
elf Jahre an der Regierung, die Grünen waren sieben
Jahre an der Regierung, aber passiert ist nichts. Wir haben den Verlust der Artenvielfalt nicht gestoppt. Sagen
Sie also nicht: Wir Grüne sind die, die für den Naturschutz stehen; ihr Christlich-Liberalen seid die, die
nichts tun.
({3})
Wir haben dieses Ziel gemeinsam nicht erreicht. Deshalb
müssen wir den Naturschutz jetzt gemeinsam voranbringen. Kommen Sie endlich runter von diesem hohen
Ross! Das steht Ihnen nämlich nicht zu.
({4})
Mit diesem Haushalt entwickeln wir das Grüne Band
weiter. Diese Koalition hat entschieden, ein Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ auf den Weg zu bringen.
Wir gehen allerdings klug vor. Wir schmeißen das Geld
nicht erst aus dem Fenster und überlegen uns dann, wofür wir es verwenden wollen. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt: Wir werden dieses Programm zusammen mit den Naturschutzverbänden und zusammen mit
den Nutzern von Natur entwickeln. Wenn wir geeignete
Kriterien und eine Konzeption erarbeitet haben, dann
werden wir auch die Haushaltsmittel bereitstellen.
({5})
- Es mag ja sein, dass Sie die Probleme der Welt in
100 Tagen lösen. Wir machen seriöse Politik.
({6})
Wir schießen nicht aus der Hüfte. Wir haben in
100 Tagen eine ganze Menge getan.
({7})
Wir haben die rückwirkenden Eingriffe der SPD in die
Investitionsbedingungen bei den erneuerbaren Energien
zurückgenommen, um nur ein Beispiel zu nennen.
({8})
Unsere Bilanz ist ganz gut und kann sich sehen lassen.
({9})
Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen:
Was ist mit Blick auf den Haushalt 2011 zu tun? Es ist
richtig, dass wir, wenn es beispielsweise um den internationalen Waldschutz geht, die Zusammenhänge zwischen Klimaschutz und biologischer Vielfalt deutlicher
hervorheben müssen. Wir müssen deutlich machen, welche Mittel sowohl für den Klimaschutz als auch für den
Schutz der biologischen Vielfalt etwas bringen. Wir
müssen Transparenz schaffen bei den Mitteln, die wir
den Entwicklungsländern zusagen. Deutschland ist im
internationalen Vergleich ganz vorne, wenn es darum
geht, den Klimaschutz und die biologische Vielfalt in
den Entwicklungsländern zu fördern. Wir sollten unsere
gemeinsamen Leistungen nicht permanent schlechtreden.
({10})
Wenn es um den Artenschutz geht, können wir gerade
von Rot und Grün keinen Nachhilfeunterricht gebrauchen. Heute hat es eine Obleutebesprechung im Europaausschuss gegeben; es ging um das weitere Verfahren im
Hinblick auf den EU-Beitritt Islands. Island will eine
Ausnahme: Man will weiterhin Wale fangen dürfen. Ich
sage ganz klar: Diese Koalition wird es nicht hinnehmen, dass von einem EU-Mitgliedstaat Walfang betrieben wird. Ihre Obleute haben heute versucht, uns die
Möglichkeit zu nehmen, im Umweltausschuss über diese
wichtige Tierschutzfrage zu beraten. Sie wollten den
Beitritt Islands durch den Bundestag prügeln, ohne dass
die Fachausschüsse diese Frage hätten klären können.
Das haben wir zu Recht nicht mitgemacht.
({11})
Wir sind also diejenigen, die in diesem Haus für das
Walfangverbot streiten.
({12})
Meine Damen und Herren, diese Koalition steht für
Verantwortung. Deshalb ist in diesem Haushalt ein Stellenaufwuchs vorgesehen. Dieser Stellenaufwuchs ist
vorhin kritisiert worden. Ich sage nur: Es handelt sich
beispielsweise um Stellen, die wir brauchen, um unabhängig von einer Laufzeitverlängerung sicherzustellen,
dass das Bundesamt für Strahlenschutz auch in Zukunft
die Atomaufsicht seriös ausüben kann. Dann dürfen wir
aber nicht sehenden Auges Leute in Pension gehen lassen, ohne dass wir Nachwuchs haben. Es muss auch in
Ihrem Interesse sein, dass die Reaktorsicherheit in
Deutschland auf Augenhöhe ist mit den Unternehmen,
({13})
die die Reaktoren betreiben. Deshalb ist es wichtig, dass
hier Stellen geschaffen werden.
({14})
Verantwortung zeigt sich auch daran, wie man mit der
Frage der Endlagerung umgeht. Die Politik von Rot
und Grün war organisierte Verantwortungslosigkeit. Sie
haben zehn Jahre lang die Hände in den Schoß gelegt.
Herr Miersch kommt jetzt damit an, da seien noch andere Gesteinsformationen, die man beobachten und erforschen müsse. Ich kann nur sagen: Das hätte Herr Gabriel in den letzten Jahren tun können. Er hat immer nur
geredet, aber nichts getan. Wir handeln, meine Damen
und Herren.
({15})
In diesem Sinne wird die Koalition ihre Umweltpolitik
in diesem Jahr voranbringen - im Interesse der Umwelt
und der Verantwortung für kommende Generationen.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen
und Kollegen! Man gibt ja die Hoffnung nicht auf. Folglich habe ich mir das Werk die letzten Nächte relativ umfänglich angeschaut. Man erwartet auch, vielleicht einmal positiv überrascht zu werden. Mein Fazit lautet
schlussendlich: Das ist eine Geschichte aus einem fernen
Land vor unserer Zeit, als das Wünschen offensichtlich
noch geholfen hat.
({0})
Ich möchte das an drei Beispielen festmachen. Erstens. Wenn man auf Seite 161 nachschlägt, findet man
zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen den Satz
- ich finde ihn sehr schön -: Ab 2010 werden sich
33 kerntechnische Anlagen im Stilllegungsverfahren befinden, 19 Leistungs- und Prototypreaktoren, 10 Forschungsreaktoren usw. Jetzt könnte man meinen, Sie hätten dazugelernt, und es würde mir gefallen, wenn Sie
denn wirklich damit anfangen würden, Atomkraftwerke
stillzulegen. Allein, mir fehlt der Glaube. In den letzten
Wochen haben wir Schwarz-Gelb permanent über Laufzeitverlängerungen debattieren hören gegen den Widerstand von Bürgern und von Initiativen, aber auch von regionalen Stromerzeugern wie den Stadtwerken, wie wir
es gestern vernehmen konnten. Ich habe den Eindruck:
Entweder Sie haben schlicht und ergreifend aus dem
letzten Haushalt abgeschrieben, oder Sie wollen die
Katze vor der NRW-Wahl nicht aus dem Sack lassen.
Zweitens, zur Asse. Wenn ich weiter hinten nachlese,
kann ich feststellen: Der Haushaltsansatz ist ungefähr in
der Höhe wie in den letzten Jahren, und das, obwohl wir
seit Monaten hören - auch im Untersuchungsausschuss
in Niedersachsen; die Öffentlichkeit nimmt das ebenso
wahr -, dass das Desaster der Asse deutlich größer ist,
als wir noch vor Wochen befürchteten, und relativ unabsehbar ist. Als Grund für dieses Desaster stellt sich immer Verantwortungslosigkeit und Profitgier heraus. Die
Kosten, die daraus folgen, wird der Steuerzahler eines
Tages zu tragen haben, egal welche Option gewählt
wird. Es ist also nichts mit dem billigen Atomstrom!
Wir haben den Optionenvergleich vorliegen und in
den letzten Wochen immer wieder darüber diskutiert.
Vorgeschlagen ist eine Rückholung der Abfälle. Wir alle
wissen, dass die Zeit drängt und dass das sehr viel Geld
kosten wird. Der Ansatz beträgt im Moment rund
3 Milliarden Euro. Nach übereinstimmenden Aussagen
von Fachleuten bleiben uns rund zehn Jahre. Wenn die
Bundesregierung sagt, dass sie das optimal Sichere für
die Bevölkerung vor Ort tun und Vertrauen wiedergewinnen will, dann frage ich mich, wieso ich im Haushalt
keinerlei Mittelansatz finde, um diese Rückholung anleiern zu können. 3 Milliarden Euro geteilt durch zehn
wäre doch schon eine erkleckliche Summe. Die müsste
sich ja irgendwo finden lassen.
Last, but not least zu Gorleben. Sie haben eben angesprochen, dass wir eine Verantwortung für die Endlagerung haben. Das ist so weit in Ordnung. Aber wieso bitte
schön beenden Sie vorzeitig das Moratorium und setzen
Sie wieder nur auf einen Salzstock, von dem bekannt ist,
dass es Probleme gibt und dass er höchstwahrscheinlich
ungeeignet ist?
({1})
Wenn das alles so dringend ist: Wieso kommen Sie nicht
zu dem Schluss, dass eine vergleichende Untersuchung
notwendig wäre, und eröffnen Sie nicht dieses Verfahren? Vor allem frage ich: Wieso geschieht das nach der
alten Rahmenbetriebsordnung, nach dem alten Bergrecht, wodurch die Bürgerbeteiligung eingeschränkt ist?
Wenn Sie denn schon weiter erkunden wollen, dann
frage ich mich, wieso die Hinweise, die hier im Textteil
zu finden sind, nicht auch im Haushaltsansatz vorhanden
sind. Im Textteil heißt es, 4 Millionen Euro würde die
Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten kosten. Das
wären sozusagen die Anlaufkosten. Die Erkundung
würde jährlich 25 Millionen Euro kosten. Das findet sich
auch nicht in Ihrem Haushaltsansatz.
Von daher kann ich nur sagen: Offensichtlich ist hier
noch eine ganze Menge im Argen. Manches will man
vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vielleicht
nicht benennen. Das macht einen hinsichtlich dessen,
was uns hier noch erwartet, wirklich bösgläubig.
Ich danke Ihnen.
({2})
Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Röttgen, der Umwelthaushalt weist
tatsächlich einen kleinen Aufwuchs aus. Schaut man genauer hin, stellt man auf den zweiten Blick aber fest,
dass sich dieser kleine Aufwuchs ausschließlich bei dem
Ansatz für die sich jetzt langsam darstellenden Kosten
der Endlagerung abzeichnet. Die Kosten für die Endlagerung machen inzwischen fast ein Viertel des gesamten
Umwelthaushaltes aus. Ich denke, dadurch zeigt sich
mehr als deutlich, dass die angeblich so billige Atomenergie, der billige Atomstrom, zumindest am Ende eine
ziemlich teure Angelegenheit ist.
({0})
Bis auf 75 Millionen Euro sind die Kosten für die Asse
dabei überhaupt noch nicht in diesen Haushalt eingestellt.
Im Koalitionsvertrag haben Sie, FDP und Union, festgeschrieben, dass Sie die Energieversorger an den Kosten für die Sanierung der Asse beteiligen wollen. Wir
wissen bisher nicht, wie; aber ich glaube, es ist nicht
allzu weit hergeholt, wenn ich vermute, dass das mit der
gewünschten Verlängerung der Laufzeiten „verdealt“
werden soll. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern:
86 Prozent des radioaktiven Potenzials der Asse stammen aus Atomkraftwerken, zum größten Teil über den
Umweg über die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe.
Die ursprüngliche Betreibergesellschaft der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe war eine Tochter der Energieversorger. Die Energieversorger haben damals mit
ihrer eigenen Tochter einen Vertrag zulasten des nicht
anwesenden Dritten, des Steuerzahlers, geschlossen.
Dieser Vertrag sah vor, dass die spätere Last, nämlich
der wertlose Müll, neben den Wertstoffen, die an die
Energieversorger zurückgingen, im Besitz der Wiederaufarbeitungsanlage und damit in der öffentlichen Hand
bleibt. So kam dieser Müll in die Asse. 1976 wurden
dann auf Betreiben diverser AKW-Betreiber die Einlieferungs- und Einlagerungsbedingungen in die Asse entschärft. Die Standards wurden abgesenkt. Heute stellen
sich diese Energieversorger hin und haben nichts, aber
auch gar nichts mit der katastrophalen Situation in der
Asse zu tun. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
({1})
Herr Minister Röttgen, ich sage Ihnen, was Ihre Aufgabe
in diesem Fall ist: Holen Sie den Müll aus der Asse
zurück, und beteiligen Sie die Energieversorger in angemessenem Umfang entsprechend dem Verursacherprinzip an den Kosten, und zwar ohne weitere Gegenleistung.
({2})
Lassen Sie mich zu einem aktuellen Thema kommen,
den weiteren Erkundungen in Gorleben. Sie nennen es
verantwortlich, Gorleben weiter zu erkunden, und zwar
ergebnisoffen, transparent, unideologisch und verantwortungsvoll. Im Gegensatz dazu nennen Sie diejenigen,
die das Moratorium verhängt haben, feige und verantwortungslos. Dieses Moratorium war aber zum damaligen Zeitpunkt bitter notwendig und hat seinen Zweck erfüllt. Niemand hat während dieser zehn Jahre die Hände
in den Schoß gelegt. Es wurde der AK End eingesetzt,
der Kriterien für eine ergebnisoffene und echte Endlagersuche erarbeitet hat, die die Bevölkerung auf ihrer
Seite hat und sie nicht gegen sich aufbringt. Später wurden Sicherheitskriterien für die Endlagerung erarbeitet.
Das ist in dieser Zeit passiert. Als Ergebnis des Moratoriums haben Sie jetzt das Rüstzeug für eine echte Endlagersuche, mit der ein Standort gefunden werden könnte,
der von der Bevölkerung akzeptiert wird, weil er nachweislich der am besten geeignete ist und nicht aus politischen Gründen gewählt wurde. Sie haben es in der Hand,
diese Entscheidung zu treffen.
({3})
Sie treffen sie aber nicht, sondern sagen: Wir gehen
zurück. Wir tun so, als habe es diese zehn Jahre nie gegeben. Wir gehen zurück auf null. Wir schließen da an,
wo die Kohl-Regierung aufgehört hat. - Das ist verantwortungslos, Herr Minister Röttgen.
({4})
Ich möchte Ihnen auch sagen, was feige ist: Feige ist es,
den Konflikt mit den Energieversorgern zu scheuen und
ihnen nicht das Geld für eine echte Endlagersuche abzutrotzen. Das ist feige und verantwortungslos.
({5})
Ich möchte noch einen Satz zum Rahmenbetriebsplan sagen. Den Rahmenbetriebsplan müssen Sie bis
zum Jahre 2017, also die nächsten sieben Jahre, anwenden. Sie wollen ihn nach altem Bergrecht, welches seit
20 Jahren außer Kraft ist, verlängern. Selbst das neue
Bergrecht schreibt eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor.
Kollegin Kotting-Uhl, ich bin ein geduldiger Mensch.
Ein Satz war angekündigt. Dieser ist aber nicht endlos
hinauszuzögern.
Ich bin beim letzten Gedanken und versuche, ihn in
einem Satz zu beenden. - Wenn Sie es mit der Transparenz und der Einbindung der Bevölkerung ernst meinen,
dann bieten Sie ihr nicht eine Beteiligungsgruppe, eine
Begleitgruppe an, und definieren Sie oder Herr Hennenhöfer dann nicht, wie sie informiert wird. Beteiligen Sie
die Öffentlichkeit; wenn schon nicht nach Atomrecht,
dann wenigstens nach neuem Bergrecht. Das ist das
Mindeste, was Transparenz und ehrlich gemeinte Öffentlichkeitsarbeit verlangen.
({0})
Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren!
Liebe Frau Kotting-Uhl, ich schätze Sie persönlich sehr;
aber das, was Sie heute in dieser Debatte abgeliefert haben, ist unglaublich.
({0})
Die Legendenbildung, die Sie in Bezug auf das Moratorium in Gorleben an den Tag legen, ist bemerkenswert.
Es wäre ehrlich gewesen, wenn Sie zugegeben hätten,
dass Sie um die Eignungshöffigkeit Gorlebens gewusst
haben und dass Sie deshalb alles getan haben, um zu vermeiden, dass man irgendwann feststellt, dass Gorleben
geeignet ist. Darum ging es doch letztendlich. Denn Sie
brauchen die Legende - die Legende des Fliegers ohne
Landebahn -, dass Kernenergie deshalb unverantwortlich ist, weil es diese Endlagerung letztlich nicht gibt.
({1})
Sie geben mir wahrscheinlich an der Stelle wieder recht.
Ich frage mich aber - das mache ich ein bisschen weniger vornehm als der Bundesumweltminister vorhin -,
wie Sie damals dazu gekommen sind, vor der Wahl
durch die Lande zu ziehen und den sofortigen Ausstieg
aus der Kernenergie zu fordern mit der Begründung,
dass sie unverantwortlich ist, dass Kinder an Krebs sterben etc. pp., um dann nach der Wahl zu beschließen, die
Laufzeit der aus Ihrer Sicht unverantwortlichen Technologie um 20 Jahre zu verlängern.
({2})
Ich sage Ihnen offen: Das ist scheinheilig.
({3})
Wenn Sie heute sagen, Sie seien erpresst worden,
dann frage ich Sie, welches empfindliche Übel Ihnen damals angedroht worden ist. War es die Nichtbeteiligung
an der Bundesregierung, der drohende Verzicht auf einen
Dienstwagen, oder worum ging es den Grünen? Wenn
man wie Sie der Auffassung ist, dass diese Technologie
nicht zu verantworten ist, dann gilt das aber grundsätzlich und nicht erst nach 20 Jahren.
({4})
Sie können diese Frage doch nicht danach entscheiden,
ob Sie in der Opposition sitzen oder ob Sie zufällig an
der Regierung beteiligt sind, wie wir es von Ihnen kennen. Das verstehe ich beim allerbesten Willen nicht.
Uns vorzuhalten - das haben Sie vorhin wortwörtlich
gemacht -, wir würden den Konflikt mit den Energieversorgern scheuen, aber selber vorher zu erklären, man
habe im Konflikt mit den Energieversorgern klein beigegeben
({5})
und als Grüne die Kleinigkeit einer 20 Jahre längeren
Laufzeit einfach hingenommen, ist für mich beim allerbesten Willen nicht als Politik zu verstehen.
({6})
Ich würde mich schämen,
({7})
oder ich würde meine Auffassung revidieren und zugeben, dass das, was Sie immer über die Kernenergie und
ihre Risiken behaupten, offenkundig falsch ist und dass
Sie es selber nicht glauben. Das können Sie auch gerne
tun.
Wenn wir über die Energiepolitik diskutieren, wäre es
eigentlich schön, gemeinsam festzuhalten, dass es einen
Konsens darüber gibt, dass wir die erneuerbaren Energien nach Kräften ausbauen wollen.
({8})
Jetzt kommt aber sofort reflexartig die Frage nach der
Fotovoltaik.
({9})
Ich sage Ihnen offen: Das Thema Fotovoltaik gefährdet
das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wenn wir nicht verantwortungsvoll mit dieser Thematik umgehen.
({10})
5 Prozent des Aufkommens an erneuerbarem Strom und
45 Prozent der Differenzkosten hält dieses Gesetz nicht
aus. Es wird zerrissen, wenn wir nicht gemeinsam in einem Miteinander der Branche und der Politik einen Weg
finden, relativ schnell zur Netzparität zu kommen, indem
die Bürgerinnen und Bürger für die Fotovoltaik eine Einspeisevergütung in der Höhe bekommen, wie sie selber
für den Strom aus der Steckdose bezahlen. Das ist ein
entscheidender Weg.
({11})
Darum ringen wir innerhalb der Koalition ernsthaft und
auch durchaus kontrovers. Das ist nicht so einfach. Wir
brauchen einerseits Vertrauensschutz, ohne auf der anderen Seite einen Anreiz zu bieten, noch schnell mitzumachen.
Wir wollen weg von der Ackerlandthematik. Auch
das ist übrigens ein Bereich, in dem Sie sich seinerzeit
um die Verantwortung gedrückt haben, als Sie das auf
bestem Ackerland machen wollten, um nicht mit dem
Naturschutz in Konflikt zu geraten. Für dieses Wegnehmen des Ackerlands brauchen wir einen adäquaten Ersatz, damit es bei uns noch genügend Freiflächen gibt.
Dabei geht es uns auch um den Export.
Wir werden selbstverständlich auch über die Frage
diskutieren müssen, wie es insgesamt weitergeht.
({12})
Vorhin war wieder einmal von der Förderung asiatischer
Module etc. die Rede. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
ist kein Subventionsgesetz, sondern es ist sehr marktnah.
Wir steuern nur in einem wichtigen Punkt, nämlich dass
mittelständische, dezentrale Anbieter eine Chance haben, in dieses Geschäft hineinzukommen, weil sie einen
Anspruch auf Einspeisung und staatliche Vergütung haben. Das ist völlig unumstritten. Es wäre schön, wenn
Sie auch erwähnen würden, dass wir da auf einem guten
Weg sind.
({13})
- Ich habe vorhin gesagt, Herr Kelber, dass wir ernsthaft
um die Frage ringen, wie mit dieser ganzen Thematik
umzugehen ist.
Ich habe vorhin auch die Kritik zum Marktanreizprogramm vernommen. Das ist kein Wunschhaushalt,
wie die Verschuldung zeigt. Es ist aber auch kein Wünschehaushalt - das sage ich ganz offen -, in dem man
dieses und jenes noch machen könnte; überhaupt nicht.
Dieser Haushalt ist der Krise geschuldet. Insbesondere
die SPD weiß das; denn die Grundlagen für diese Situation - nicht für die Krise, sondern für die Bewältigung
der Krise - haben wir gemeinsam gelegt.
Wer - wie die Grünen - kritisiert, dass jetzt auch das
Marktanreizprogramm von der Haushaltssperre betroffen ist,
({14})
der soll bitte einmal in die eigene Regierungszeit
schauen. Wer das nämlich tut, wird feststellen, dass das
Marktanreizprogramm im Jahr 2001, in der rot-grünen
Zeit, den Maximalwert von 136 Millionen Euro hatte.
Wenn wir heute bei einer Größenordnung von 300 bis
400 Millionen Euro sind, ist das also erheblich mehr.
Deshalb wäre ich an Ihrer Stelle ganz ruhig und würde
die Umweltpolitik dieser Regierung mit großem Beifall
bedenken.
Vielen herzlichen Dank.
({15})
Das Wort hat der Kollege Ulrich Petzold für die
Unionsfraktion.
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesminister Röttgen hat seine Haushaltseinführungsrede unter das Motto „Jetzt erst recht!“ gestellt
und sich dabei auf das enttäuschende Ergebnis von Kopenhagen bezogen. Dieses „Jetzt erst recht!“ kann, ja,
muss man auch auf die gegenwärtige Weltwirtschaftssituation beziehen; denn die Sorge vieler ist: Wenn die
Weltwirtschaft und die Sozialsysteme wanken, muss der
Umweltschutz darunter leiden. - Wir sagen also: Jetzt
erst recht!
Auch nach einem Haushaltsaufwuchs um 56,3 Prozent im letzten Jahr verweilt unser Haushalt im Jahr
2010 nicht im Stillstand, sondern legt erneut um gut
100 Millionen Euro und damit 7,9 Prozent zu. Der letzte
von Herrn Trittin vorgelegte Haushalt des BMU, nämlich für das Jahr 2005, umfasste - Herr Kindler, Sie waren da vielleicht noch ein bisschen jung ({0})
gerade einmal 769 Millionen Euro und damit nicht einmal die Hälfte der 1,58 Milliarden Euro des vorliegenden Haushalts. Herr Kindler, im Jahr 2005 hatte Herr
Trittin den Haushalt des Umweltministeriums um
2,6 Prozent zurückgefahren. Wir haben einen Aufwuchs
um gut 7 Prozent.
({1})
Doch die 1,58 Milliarden Euro - das ist hier auch
schon angeklungen - sind beileibe nicht die gesamten
Umweltausgaben dieser Bundesregierung. Zählt man die
Ausgaben aller Ressorts für diesen Bereich zusammen,
kommt man auf 6,3 Milliarden Euro. Wenn nun aus der
Opposition die Kritik kommt, dass von dieser Summe
viel zu viel in die Kernenergie fließt, erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass wir in diesem Haushalt, 20 Jahre
nach Herstellung der deutschen Einheit, immer noch
300 Millionen Euro für die Altlastensanierung der
DDR ausgeben müssen - allein in unserem Haushalt
300 Millionen Euro!
({2})
Ich würde Ihnen empfehlen, doch einmal nach Ronneburg zu fahren und sich das anzusehen, was wir dort in
den letzten Jahren gemeinsam geleistet haben. Darauf
können wir vom Umweltausschuss stolz sein.
({3})
Genau solch ungeordnete Hinterlassenschaft wollen
wir zukünftigen Generationen nicht aufbürden. Deswegen ist es nur richtig, dass sich der Aufwuchs mit
127,4 Millionen Euro auf die Herrüstung des Schachtes
Konrad als Endlager für schwach radioaktive Abfälle
konzentriert. Das sind Mittel, die von den Betreibern von
Kernenergieanlagen auch noch refinanziert werden. Es
ist also nicht so, dass das endgültig aus unserer Tasche
geht.
Lassen Sie mich bitte noch darauf hinweisen, dass der
Stand des Umweltschutzes eines Staates nicht allein
nach den Umweltschutzinvestitionen des Staates selbst,
sondern in erster Linie nach den Investitionen der Verursacher zu bewerten ist. Hier muss Deutschland infolge des hohen Umweltschutzbewusstseins seiner Bürger, aber auch seiner Unternehmer mit an führender
Stelle genannt werden. Deswegen gilt mein Dank heute
im Rahmen der Haushaltsberatung auch allen Bürgern
und Unternehmen, die sich in ihrem täglichen Handeln
dem Umweltschutzgedanken verpflichtet fühlen. Es gilt,
gerade dies zu stützen und zu fördern.
Deswegen ist ein Schwerpunkt im Umweltschutzhaushalt, die Anreizförderung, zum Beispiel betreffend den
Einbau von Partikelfiltern, weiterzuführen. Es wurde gesagt, dass wir dort eine Kürzung vornähmen. Dazu muss
ich ausführen, dass wir durch den Überhang in Höhe von
140 Millionen Euro, die wir aus dem letzten Jahr mitnehmen, in diesem Jahr mehr Mittel für diesen Titel einstellen als im letzten Jahr.
Ein, wenn nicht der Renner im Rahmen der Anreizförderung ist das Marktanreizprogramm mit einem
Volumen von 468 Millionen Euro für die Förderung von
Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien.
Allerdings liegt auf diesem Titel - das ist hier schon angeklungen - ein Sperrvermerk in Höhe von 130 Millionen Euro. Dieser Sperrvermerk ist den nicht sicher abschätzbaren Einnahmen aus dem Emissionshandel geschuldet. Dass dieses Einnahmerisiko allein auf dem
BMU-Haushalt und hier wiederum nur auf der Anreizförderung lastet, entspricht eigentlich nicht der Haushaltsgepflogenheit der allgemeinen Deckung. Deswegen finde ich es außerordentlich gut, dass sich unser
Kollege Schulte-Drüggelte mit aller Kraft dafür eingesetzt hat, dass es auch in diesem Titel eine allgemeine
Deckung gibt. Herzlichen Dank, Bernhard!
({4})
Durch deinen Einsatz werden wir in Zukunft das Marktanreizprogramm auf einem hohen Niveau fortführen
können.
In den letzten Jahren hatte ich immer wieder Probleme beim Personalhaushalt angesprochen. Deswegen
freut es mich, dass doch eine ganze Zahl von befristeten
Stellen in diesem Haushalt zu Dauerstellen umgewandelt
wird. So kann endlich der Wissensverlust bei vielen Umbesetzungen beendet werden. Ich bin trotzdem etwas irritiert, dass im refinanzierten Bereich immer wieder
neue Probleme bei der Stellengenehmigung auftreten.
Ob beim Pflanzenschutzgesetz, Biozidgesetz, Batteriegesetz oder bei der Einbindung des Luftverkehrs in den
Emissionshandel, es kommt darauf an, dass Unternehmen für ihre Gebühren schnelle, kompetente Auskünfte
bekommen. Dienstleister müssen ausreichend mit Personal ausgestattet sein. Kameralistik und Beamtendenken
haben dort nichts zu suchen.
Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik ist ein Feld, das zu Recht unsere ganze
Aufmerksamkeit einfordert. Es ist richtig, dass wir im
Ministerium und in den zugeordneten Behörden dafür
neue Stellen geschaffen haben. Welche kriminelle Energie auch im Datenbereich „Umwelt“ vorhanden ist,
wurde uns spätestens durch das unbefugte Eindringen in
das Emissionshandelsnetz bewusst. Wir sollten jedoch
für die Zukunft über eine stärkere Bündelung der Kräfte
im Ministerium und in den Behörden auf diesem Gebiet
nachdenken.
({5})
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich habe immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es im BMU-Haushalt Wirtschaftlichkeitsreserven gibt. Es gibt den Vorschlag, eine erweiterte Kameralistik einzuführen bzw. die Vor- und Nachteile einer
Doppik zu prüfen. Wenn das UBA die Mittel für einen Erweiterungsbau in Dessau aus dem eigenen Haushalt erwirtschaftet hat, ist das nicht wegen, sondern trotz der Kameralistik geschehen. Man hätte sich allerdings die vielen
unproduktiven Verhandlungsstunden beim BMF sparen
können. Ich glaube daher, dass wir in den Beratungen
über den Haushalt 2011 noch das eine oder andere Vernünftige aus diesem Haushalt herausholen können.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1013? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Antragsteller
bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1014? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1021? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der antragstellenden
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 16 ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion
gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 17. März 2010,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.