Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/25/2013

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zu einer jedenfalls im Sitzungs- ablauf etwas ungewöhnlichen Zeit. Die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung auf Verlangen der Koalitionsfraktionen einberufen. Inter- fraktionell ist vereinbart worden, zusammen mit dem Ta- gesordnungspunkt 1 als Zusatzpunkt 1 den Antrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/13896 mit dem Titel „Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten“ sowie als Zusatzpunkt 2 den Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/14079 mit dem Titel „Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz ökologisch modernisieren“ aufzurufen. Ich vermute, dass Sie damit einverstanden sind. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe nun also die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 c sowie die gerade angekündigten Zusatzpunkte 1 und 2 auf: 1 a) Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin Bewältigung der Hochwasserkatastrophe - Rasche Soforthilfe und zügiger Wiederaufbau b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“ und zur Änderung weiterer Gesetze ({0}) - Drucksache 17/14078 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({1}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 ({2}) - Drucksache 17/14000 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten - Drucksache 17/13896 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({3}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz ökologisch modernisieren - Drucksache 17/14079 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({4}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Präsident Dr. Norbert Lammert Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. ({5})

Dr. Angela Merkel (Kanzler:in)

Politiker ID: 11001478

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem Hochwasser der letzten Wochen traf uns in Deutschland eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes. War am 29. Mai 2013 in ersten Meldungen noch einfach von einer Hochwasserlage in verschiedenen Regionen Deutschlands die Rede, so erwuchs daraus binnen weniger Tage eine Hochwasserkatastrophe, die die Pegelstände von 2002 zum Teil noch übertroffen hat. Sommerlicher Dauerregen verursachte innerhalb von nur elf Jahren eine zweite sogenannte Jahrhundertflut. Hauptbetroffen sind die Flussgebiete von Elbe und Donau. Aber auch zahlreiche andere Gebiete, etwa an Saale, Mulde, Havel und Neckar, hatten und haben unter dieser Katastrophe schwer zu leiden. Der erste Katastrophenalarm wurde am 1. Juni im Landkreis Leipzig ausgelöst. Wenige Tage später, am 5. Juni, gab es bereits in 43 Gebietskörperschaften Katastrophenalarm, am Ende in insgesamt 56 Städten oder Landkreisen. In acht Bundesländern mussten Menschen ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Der Höchststand der Evakuierungen war am 10. Juni erreicht: fast 85 000; das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl einer Großstadt. Am härtesten war Sachsen-Anhalt betroffen, mit 40 000 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. Die Gesamthöhe der Schäden können wir derzeit überhaupt noch nicht absehen. Beinahe sprachlos haben auch mich die Bilder gemacht, die sich mir bei meinen Besuchen vor Ort boten, aber auch die Eindrücke, die ich in Gesprächen mit Betroffenen gewonnen habe, in Passau, in Pirna, in Greiz, in Bitterfeld, in Wittenberge, in Lauenburg, in Hitzacker: Menschen, die vor ihren verwüsteten Wohnungen, Häusern oder Geschäften stehen, in ihrer Fassungslosigkeit und Verzweiflung, ihrer Angst, manche zum zweiten Mal innerhalb von elf Jahren, aber eben auch Menschen mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, sich trotz allem nicht unterkriegen zu lassen. Das sind Eindrücke, die ich nicht vergessen werde, und deshalb muss geholfen werden, schnell, direkt, unbürokratisch, nachhaltig. ({0}) Genau das tun wir: In der Stunde der Not ist unser Land fest entschlossen und in der Lage, schnell und unmittelbar zu helfen. So hat sich jetzt das nach 2002 für genau solche Katastrophen eingerichtete Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern bewährt. Dort gingen über 40 Hilfsanfragen der Länder ein, nach Sandsäcken, Transportleistungen, Hochleistungspumpen oder Personal. Was benötigt wurde, das wurde vermittelt, teilweise auch aus unseren Nachbarländern, wie zum Beispiel über 800 000 Sandsäcke aus Dänemark. Die Einsatzkräfte der Bundeswehr - es handelte sich zeitweise um den größten Einsatz, den sie je hatte -, des Technischen Hilfswerks und der Bundespolizei haben unermüdlich angepackt. Kluge Menschen haben ausgerechnet, dass Bundeswehr, THW und Bundespolizei insgesamt über 200 000 Einsatztage geleistet haben. Noch um ein Vielfaches mehr waren es aber bei den Angehörigen der Feuerwehren und aller anderen Hilfsorganisationen, die meisten von ihnen ehrenamtliche Helfer. Hier hat sich das Ehrenamt erneut als eine zentrale Stütze unserer Gesellschaft erwiesen. Herzlichen Dank! ({1}) Ich möchte auch ein Dankeschön an all die Betriebe sagen, die die ehrenamtlichen Helfer freigestellt und ganz unbürokratisch reagiert haben. ({2}) Nicht zu vergessen sind die Freunde, Verwandten und Nachbarn, die geholfen haben, die wildfremden Menschen, die plötzlich da waren und mit angepackt haben, oder die Jugendlichen, die sich über die sozialen Netzwerke zum Helfen verabredet haben. ({3}) Wir erleben einmal mehr: In der Stunde der Not stehen die Menschen in Deutschland zusammen. Sie packen gemeinsam an, sie stehen einander bei. Wir sind ein starkes Land. Der Zusammenhalt ist eine der größten Stärken unseres Landes. ({4}) Allen Helferinnen und Helfern danke ich von dieser Stelle aus noch einmal ganz herzlich, im Namen der ganzen Bundesregierung und - ich bin sicher - auch im Namen des ganzen Hohen Hauses. ({5}) Sie haben mit Ihrem persönlichen Einsatz für Ihre Mitmenschen noch Schlimmeres verhindert, Sie haben Leben gerettet. Das ist gelebte Solidarität. Zu dieser gelebten Solidarität leistet auch die Politik ihren Beitrag. Deshalb haben Bund und Länder über die akute Bewältigung der Katastrophe hinaus weitere Schritte unternommen: Erstens. Die Bundesregierung hat den Ländern sehr früh ihre Unterstützung bei den Soforthilfen zugesagt: Zu jedem Landes-Euro geben wir einen Bundes-Euro dazu. Über die Ausgestaltung ihrer Soforthilfeprogramme entscheiden die Bundesländer selbst. Das geht nur direkt vor Ort. Die Soforthilfen sollen Privathaushalten zugutekommen, etwa bei Schäden an Hausrat oder bei Ölschäden an Wohngebäuden. Sie sollen die erste Not der betroffenen Menschen lindern, sei es, um sich Kleidung zu besorgen, oder, um die Wohnung wieder bewohnbar zu machen. Mit den Soforthilfen soll auch Gewerbetreibenden und Unternehmen unter die Arme gegriffen werden, damit die Arbeit möglichst schnell wieder aufgenommen werden kann. Im Bereich der kommunalen Infrastruktur in den betroffenen Gemeinden dienen die Soforthilfen der schnellen Schadensbeseitigung, insbesondere an Schulen, Leitungen und Straßen. Die Menschen vor Ort müssen so schnell wie möglich wieder mobil sein, ihrer Arbeit nachgehen können und zur Normalität zurückfinden. Dringend gebraucht werden die Soforthilfen auch für die zum Teil massiv betroffene Landwirtschaft, wo ganze Ernten vernichtet wurden. Mit den Soforthilfen sollen die am stärksten betroffenen Betriebe schnell wieder auf die Beine kommen. Dies wird durch weitere Maßnahmen begleitet, zum Beispiel durch ein Förderprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Insgesamt rechnen wir derzeit mit einem Bundesanteil an den Soforthilfen in Höhe von 400 Millionen Euro. Zweitens. Neben der Soforthilfe muss ein zügiger Wiederaufbau gewährleistet werden; denn rasche Soforthilfen lindern zwar die erste Not, doch können sie nicht das ganze, das massive Ausmaß der Schäden beheben, die das Hochwasser bei Privathaushalten, Unternehmen und in der Infrastruktur von Bund, Ländern und Gemeinden verursacht hat. Für einen zügigen Wiederaufbau sind deshalb erhebliche finanzielle Anstrengungen notwendig. Entschädigungen und Wiederherstellung der Infrastruktur können nicht mit den bislang geplanten und gegenwärtig verfügbaren Haushaltsmitteln finanziert werden. Deshalb machen wir jetzt mit dem Aufbauhilfegesetz den Weg frei für einen Aufbauhilfefonds. Wie schon nach der Hochwasserkatastrophe 2002 wird auch dieser Fonds als Sondervermögen des Bundes errichtet. Das gibt uns die erforderliche Flexibilität. So können wir bedarfsgerecht und zielgenau die notwendigen Mittel bereitstellen. Die Mittel dieses Fonds wird der Bund vorfinanzieren. Der Fonds hat ein Ausgabevolumen von 8 Milliarden Euro. Das erforderliche Gesetzgebungsverfahren wollen und werden Bund und Länder bis zum 5. Juli abgeschlossen haben. Der genaue Schlüssel zur Verteilung der Hilfsmittel an die vom Hochwasser betroffenen Bundesländer wird dann mit einer Verordnung festgelegt. Dies kann erst geschehen, wenn wir die Schäden besser abschätzen können, aber dann muss und wird es geschehen. Der Fonds wird gemeinsam von Bund und Ländern getragen, die so ihrer gemeinsamen Verantwortung angesichts dieser nationalen Aufgabe auch finanziell gerecht werden. Die Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Bundesinfrastruktur, vor allem der beschädigten Straßen und Bahnschienen, übernimmt der Bund allein. Wir rechnen allein hier mit 1,5 Milliarden Euro. Für die anderen Leistungen wird es eine hälftige Aufteilung der Finanzierung geben. Die Länder werden ihren Anteil an den Kosten des Aufbaufonds, also Tilgung und Zinsen, über einen Zeitraum von 20 Jahren erbringen. Alle Bundesländer, direkt betroffen oder nicht, beteiligen sich an der Finanzierung. Auch hier stehen Bund und Länder solidarisch zusammen. ({6}) Der Bund wird den neuen Fonds nicht über Steuererhöhung vorfinanzieren, sondern über eine höhere Nettokreditaufnahme in diesem Jahr. Das können wir verantworten, und zwar guten Gewissens, weil der Bund durch den erfolgreichen Konsolidierungskurs der Bundesregierung solide Finanzen vorzuweisen hat. ({7}) Trotz der Hochwasserhilfen und der erhöhten Nettokreditaufnahme im Rahmen des notwendigen Nachtragshaushalts in diesem Jahr halten wir die Schuldenregel weiterhin mit deutlichem Abstand ein. ({8}) Morgen - das nur zur Information - beraten und beschließen wir im Kabinett einen strukturell ausgeglichenen Haushalt für 2014. Dank allen, die daran mitgewirkt haben! ({9}) Planungssicherheit besteht für die Länder und Kommunen jetzt auch über die künftige Höhe der sogenannten Entflechtungsmittel. Diese erhalten die Länder übergangsweise für zusätzliche Investitionen, vor allem in die Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gemeindeverkehrswege oder Wohnraumförderung. Auch dies kann natürlich dazu beitragen, die durch das Hochwasser zerstörte Infrastruktur wiederaufzubauen. Wir haben vereinbart, diese Mittel ab dem Jahr 2014 bis zu ihrem vorgeschriebenen Auslaufen im Jahr 2019 auf dem aktuellen Niveau fortzuschreiben. In diesem Zusammenhang haben sich die Länder bereit erklärt, dem Entwurf eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages im Bundesrat zuzustimmen. Das ist eine gute Nachricht. Damit bringen wir ein wichtiges Anliegen Deutschlands innerstaatlich zum Abschluss. ({10}) Drittens. Über die Soforthilfen und den Aufbaufonds hinaus wird die Bundesregierung auch ihre weiteren bereits begonnenen Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe fortführen. Weil gerade auch viele Unternehmen schweren Schaden erlitten haben, hat die Bundesregierung am 5. Juni 2013 ein ZehnPunkte-Programm verabschiedet, das zu einem großen Teil schon umgesetzt ist. So hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau ihre Förderprogramme für hochwassergeschädigte Unternehmen, Private und Kommunen geöffnet. Sie bietet Kredite zu einem Signalzins von 1 Prozent an. Das Gesamtvolumen der zinsverbilligten Kredite liegt bei circa 100 Millionen Euro. Zur Überwindung kurzfristiger Liquiditätsprobleme hilft die KfW außerdem mit der Möglichkeit der Stundung von Zinsen und Tilgungsleistungen sowie weiteren Flexibilisierungen. Die KfW hat hierzu eine Hotline geschaltet. Außerdem stützen wir in Not geratene Unternehmen schnell und wirksam durch ein Sonderprogramm zur Kurzarbeit. Über die bereits bestehenden Möglichkeiten hinaus übernehmen wir zusätzlich die Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten in der Kurzarbeit. So können Betriebe ihre qualifizierten Beschäftigten halten und müssen sie nicht wegen Arbeitsausfällen entlassen. ({11}) Noch etwas kommt hinzu: Arbeitnehmer, die bei Aufräumarbeiten helfen, verlieren nicht ihren Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Manche Betriebe mussten oder müssen vorübergehend schließen und haben Einbußen zu verkraften. Sie brauchen Zeit, um die notwendigen Sanierungs- und Finanzierungsgespräche zu führen. Diese Zeit geben wir den Betrieben. Mit einer Änderung der Insolvenzordnung werden wir die gesetzliche Frist von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aussetzen, innerhalb der ein Unternehmen sonst einen Insolvenzantrag stellen müsste. Kein sanierungsfähiger Betrieb soll durch das Hochwasser in die Insolvenz gezwungen werden. ({12}) Die vom Hochwasser Betroffenen können auch mit steuerlichen Erleichterungen rechnen. Maßnahmen aus einem mit den Ländern abgestimmten Rahmenkatalog können kurzfristig umgesetzt werden. Zehn Länder haben bereits entsprechende Maßnahmen aus diesem Katalog auf den Weg gebracht. Zu den wichtigsten Möglichkeiten für Steuererleichterungen gehören unter anderem die Anpassung der Steuervorauszahlungen, die Stundung fälliger Steuern, der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge, die Bildung steuerfreier Rücklagen und Abschreibungserleichterungen bei Ersatzbeschaffungen oder die steuerliche Berücksichtigung der notwendigen Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung. Außerdem wollen wir die Spendenbereitschaft erhöhen. Hierzu hat das Bundesfinanzministerium den Ländern einen sogenannten Spendenerlass zur Abstimmung vorgelegt. Er enthält eine Vielzahl steuerlicher Verfahrenserleichterungen im Bereich des Spendenrechts. Ich möchte allen, die mit ihren Spenden dazu beigetragen haben, die Not zu lindern, ein herzliches Dankeschön sagen. ({13}) Viertens. Bund und Länder bekommen auch aus Europa Unterstützung. So hat die EU-Kommission bereits deutlich gemacht, dass der Solidaritätsfonds der Europäischen Union für Hilfen zur Verfügung steht. Der Fonds wurde nach dem Hochwasser 2002 geschaffen. Er hat bereits damals gute Hilfe geleistet, und er wird es auch heute wieder tun. Auch die Europäische Investitionsbank steht bereit, die Finanzierung von Wiederaufbaumaßnahmen zu unterstützen. Die Bundesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, europäische Instrumente schnell und wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Auch die Möglichkeiten im Bereich Strukturförderung müssen genutzt werden, um auf die Herausforderungen der Flut gezielt reagieren zu können. Fünftens. Im Bundesinnenministerium haben wir einen Stab „Fluthilfe“ eingesetzt, der unter anderem die aufseiten des Bundes erforderliche Steuerung und Koordinierung der Soforthilfe oder die Abwicklung des Fluthilfefonds übernimmt. Das Bundesinnenministerium hat im Internet eine Fluthilfeseite mit wichtigen Informationen für die Bürger freigeschaltet. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat auf seiner Internetseite einen Bürgerservice zur aktuellen Hochwasserlage mit Informationen über Hilfsangebote, Vorsorge und Möglichkeiten zur Selbsthilfe eingerichtet. Sechstens. So wichtig alle nationalen und europäischen Hilfen auch sind, es ist unumgänglich, unsere Hochwasservorsorge zu verbessern, und zwar deutlich. Wir müssen vorausschauend handeln. Wir müssen aus den sogenannten Jahrhunderthochwassern, die tatsächlich aber im Rhythmus weniger Jahre auftreten, die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Dabei ist zu differenzieren. Zum einen: Was hatten wir eigentlich geplant, konnte aber nicht umgesetzt werden, weil die Planungsverfahren zu kompliziert waren oder zu lange gedauert haben? Zum anderen: Wo brauchen wir neue Konzepte? Hierzu müssen alle ihren Beitrag leisten: Bund, Länder, Kommunen, Anwohner, Landwirte, Betriebe, alle. Der Aus- und Neubau von Deichen ist wichtig, aber er allein reicht nicht aus, um mit extremem Hochwasser fertig zu werden, wie wir es jetzt ja erlebt haben. Ganz banal: Das Wasser muss ja irgendwohin. Deshalb benötigen wir zum Beispiel mehr großräumige Rückhalteflächen. ({14}) Als erfolgreiches Beispiel hat sich die Überflutung der Havelpolder in Brandenburg erwiesen, die effektiv zur Senkung der Pegelstände geführt hat. Flüsse wie Donau und Elbe kann man nicht abschnittsweise betrachten. Sie enden nicht an Landesgrenzen. Mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten habe ich deshalb vereinbart, dass wir für Investitionen in den vorbeugenden Hochwasserschutz eine abgestimmte Strategie entwickeln. Ich begrüße sehr, dass sich der Bundesumweltminister mit seinen KolleBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ginnen und Kollegen der Länder dieses Themas angenommen hat und dies vorantreiben will. Ich begrüße auch sehr, dass die Koalitionsfraktionen eigene Vorschläge hierzu entwickelt haben. Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist noch zu früh für ein Fazit. Stattdessen gilt es, den Betroffenen weiterhin bei den Aufräumarbeiten zu helfen, rasche Soforthilfe und einen zügigen Wiederaufbau zu gewährleisten und die langfristig erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um uns alle noch besser vor solchen Katastrophen schützen zu können. Nach allem, was wir in den letzten Tagen an Solidarität bei den Bürgerinnen und Bürgern wie auch in der Politik, und zwar über Landesund Parteigrenzen hinweg, erleben durften, bin ich zuversichtlich, dass wir diese nationale Herausforderung gemeinsam bewältigen werden. Unser Land stellt einmal mehr unter Beweis, dass der so oft bemühte Begriff der Solidarität für uns keine Phrase ist. Ich finde, wir dürfen ein wenig stolz auf das sein, was unser Land ausmacht und stark macht. Denn immer dann, wenn es darauf ankommt, sind wir füreinander da. Herzlichen Dank. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer. ({0}) Malu Dreyer, Ministerpräsidentin ({1}): Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin! Meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Das jüngste Hochwassergeschehen an Elbe und Donau hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie existenziell gefährdend die Naturgewalten sein können. Wir Bundesländer, insbesondere auch Rheinland-Pfalz, können, selbst wenn wir dieses Mal nicht in besonderem Maße betroffen waren, die leidvollen Erfahrungen mit Hochwasser aus eigener Anschauung sehr gut nachvollziehen. Es war und ist für uns deshalb Verpflichtung und Selbstverständnis zugleich, solidarisch für die gemeinschaftliche Finanzierung der Hochwasserfolgen einzutreten. ({2}) Am Rhein sind wir diesmal vergleichsweise glimpflich davongekommen. Aber es hätte auch uns schlimmer treffen können. Wir müssen damit rechnen, dass es uns jederzeit wieder treffen kann. Die Bundesländer stehen auch deshalb solidarisch zueinander, selbst wenn es von allen Ländern, nicht nur von den aktuell betroffenen, eine große finanzielle Kraftanstrengung erfordert, diese Solidarität zu unterlegen. Die Länderhaushalte werden das, gerade vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, auch in den kommenden Jahren noch sehr deutlich spüren. Beim Hochwasserschutz ist Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren ein solidarischer Partner. Das gilt nicht nur für den Aufbauhilfefonds, den wir jetzt auflegen. Besonders gefreut hat mich, dass so viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen aus der gesamten Bundesrepublik in die Hochwassergebiete geeilt sind, zum Teil unter Einsatz ihres Urlaubs und ohne zu fragen, wer sie bezahlt. ({3}) Unser Gemeinwesen, das, was den Staat im Innersten zusammenhält, funktioniert; die Bundeskanzlerin hat es eben gerade gesagt. Das ist eine beruhigende und schöne Erkenntnis, trotz dieser großen Notsituation in manchen Bundesländern. ({4}) Aus unserer Verantwortung als Rhein-Anlieger, einer wirtschaftlichen, verkehrstechnischen und - auch das wollen wir nicht vergessen - touristischen und kulturgeschichtlichen Lebensader Deutschlands, wissen wir, dass Hochwasserschutz nur gemeinsam funktionieren kann. Unsere Flüsse machen eben nicht an Ländergrenzen halt. Solidarität wird am Rhein seit vielen Jahren großgeschrieben. Deshalb haben wir in den letzten Jahrzehnten konsequent Hochwasservorsorge betrieben und als vergleichsweise kleines Bundesland mit 900 Millionen Euro sehr viel Geld investiert, um Hochwasserschutzanlagen zu ertüchtigen und auszubauen. Genau wie wir mit unseren Poldern und Rückhalteräumen entlang des Rheins im Fall der Fälle zum Schutz von Köln und Düsseldorf beitragen können, sind wir dankbar dafür, dass unsere Nachbarn rheinaufwärts, in Baden-Württemberg und in Frankreich, dasselbe für uns tun. Diese gemeinsame Verantwortung tragen die Länder auch in finanzieller Hinsicht. ({5}) Nicht zuletzt angesichts der Herausforderungen für die Länderhaushalte setzt sich Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren auf Bundesebene dafür ein, dass sich der Bund auch bei der Prävention stärker engagiert: beim Deichausbau, beim Polderbau und bei den laufenden Unterhaltungsmaßnahmen. Dabei verkennen wir nicht die Zuständigkeiten der Länder für den Hochwasserschutz. Ich sage aber auch: Wenn Hochwasserkatastrophen wie diese den bundesstaatlichen Solidarfall auslösen, dann muss dies erst recht für die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Hochwasserschutz, also bei der Prävention, gelten. ({6}) Daran müssen wir arbeiten. Wir brauchen aus meiner Sicht einen nationalen Pakt für den Hochwasserschutz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer ({7}) Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen, der Rhein ist eine der Lebensadern im Westen Deutschlands, genau wie die Elbe und die Donau für den südlichen und östlichen Teil von überragender Bedeutung sind. Hier wie dort konzentrieren sich herausragende Natur- und Kulturlandschaften genauso wie bedeutende wirtschaftliche Infrastrukturen und Produktionsstätten. In einem vernetzten, hochtechnisierten Land wie dem unseren verursacht eine Naturkatastrophe vom Ausmaß des aktuellen Hochwassers nicht nur immense Schäden an Ort und Stelle, sondern hat auch Auswirkungen auf die überörtliche Infrastruktur wie Verkehrsachsen, auf Produktionen, die voneinander abhängen, kurzum: auf ganze Regionen, Länder, auf die gesamte Nation. Die Flut von 2013 hat uns erneut die Verletzlichkeit unseres Landes vor Augen geführt, genau wie 2002, und dies in einer vergleichsweise gesegneten Weltregion, was die Gefahr von Naturkatastrophen anbelangt. Auch aus diesem Grund analysieren wir sehr genau die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt. Auch wenn es zu früh ist, genaue Prognosen abzugeben, so müssen wir doch damit rechnen, dass die Zahl extremer Wetterereignisse zunimmt, Hochwasser öfter und vor allem in ihren Spitzen mit höheren Pegeln auftreten werden. Aus Verantwortung für das Heute und für die uns folgenden Generationen nehmen wir diese Herausforderung sehr ernst. Das Risiko steigt; das zeigt schon das vergangene Jahrzehnt. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen für den Hochwasserschutz intensivieren. Ich bin heute davon überzeugt, dass wir losgelöst von diesem aktuellen Ereignis die Verantwortung haben, beim Hochwasserschutz in Deutschland sehr viel enger zusammenzurücken. Wir benötigen einen nationalen Pakt für Hochwasserschutz, einen Pakt, der über Zusammenarbeit und Finanzierung im Hochwasserfall hinausgeht, einen Pakt im eigentlichen Wortsinne: ein Bündnis - getragen von Solidarität, Fürsorge und Rücksichtnahme - für mehr Hochwasserschutz. Sosehr ich mich freue, dass 2013 erneut die bundesweiten Hilfsmechanismen im Großen - wie beim Ausbauhilfefonds, diesmal auch mit den Stimmen der CDU/ CSU und der FDP - wie auch bei den nachbarschaftlichen, ehrenamtlichen Hilfen funktioniert haben, muss ich dennoch sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass wir mehr gemeinsame Verantwortung tragen müssen. Die Verantwortung von Ländern und Bund besteht darin, heute eine Bund-Länder-übergreifende Gesamtstrategie zu entwickeln, damit wir morgen oder übermorgen beim nächsten Hochwasser sagen können: Es ist weniger schlimm gekommen, als wir befürchtet haben. Es ist weniger schlimm gekommen, weil wir uns schon im Vorfeld aus gesamtstaatlicher Solidarität besser vorbereitet haben: weil wir ein Gesamtkonzept entwickelt und die Umsetzung kontinuierlich durch eine gemeinsame Finanzierung sichergestellt haben - für einen besseren Hochwasserschutz für die gesamte Republik. ({8}) Hochwasser, meine sehr verehrten Herren und Damen, wird sich nie ganz verhindern lassen. Aus den Erfahrungen in meinem Land kann ich jedoch sagen: Hochwasserschutz ist immer ein Bündel vieler Maßnahmen. Dazu gehören Prävention und Vorsorge, ein konsequentes Hochwasserrisikomanagement und technischer Hochwasserschutz durch Deiche, Polder und auch durch Überflutungsflächen. Im Vordergrund steht nicht zuletzt die Erkenntnis: Unser Hochwasserschutz muss nachhaltiger werden. Es ist keine neue Erkenntnis, dass wir den Flüssen mehr Raum geben müssen, um - was ich sehr schön umschrieben finde - mehr Breit- als Hochwasser zuzulassen. ({9}) Die Grundanforderungen an eine solche Strategie hat Rheinland-Pfalz in einem für den Bundesrat vorbereiteten Antrag skizziert. Es geht um folgende Bausteine in einem abgestimmten Gesamtkonzept: Flächenvorsorge durch Schaffung von Retentionsräumen und Rückverlegung von Deichen, natürlicher Wasserrückhalt, mehr Raum für die Flüsse und Revitalisierung der Flussauen, technischer Hochwasserschutz, Bau und Ertüchtigung von Deichen und Poldern, Stärkung der Eigenvorsorge, Prüfung, wie eine Elementarschadensversicherung für alle Bürger und Bürgerinnen eingeführt werden kann, Bauvorsorge und Verhaltensvorsorge zur Minimierung des Schadenspotenzials, um Leib und Leben zu schützen, und funktionierender Katastrophenschutz. Um den letzten Punkt, meine sehr geehrten Herren und Damen, mache ich mir dabei die allerwenigsten Sorgen. Die Hochwassermeldedienste und der Katastrophenschutz von Feuerwehren, Polizei und THW haben auch dieses Mal ihre Leistungsfähigkeit vollständig unter Beweis gestellt. Dafür bedanke auch ich mich sehr herzlich. ({10}) Sehr viel langwieriger und auch kostenträchtiger wird die Realisierung der anderen Schritte sein. Neben einem Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz brauchen wir auch langfristige Sicherheit für die Finanzierung. Ehrlich verstandene Solidarität kann aus meiner Sicht keine Einbahnstraße sein. Hochwasserschutz kostet Geld, und zwar viel Geld. Er ist eine Form der Daseinsvorsorge nationalen Ausmaßes, wie es die Bereitstellung von Trinkwasser, Elektrizität und Wärme ist. Für die Finanzierung dieser gemeinschaftlichen Aufgabe verfügen wir über bewährte Strukturen. Die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bietet hierfür einen möglichen Rahmen. Es wäre ein erster wichtiger Schritt, einen eigenen Rahmenplan Hochwasser- oder Ministerpräsidentin Malu Dreyer ({11}) Binnenhochwasserschutz aufzulegen und zusätzliche Mittel - auch des Bundes - zu hinterlegen. Meine sehr geehrten Herren und Damen, für mich ist die zuletzt geübte Solidarität der Gradmesser für zukünftige Maßnahmen im Rahmen einer wirksamen Hochwasservorsorge. Letztlich profitieren alle auch vom Hochwasserschutz am Rhein, an der Mosel und an anderen Flüssen. Dass hierfür alleine in meinem Bundesland noch finanzielle Mittel in Höhe von rund 500 Millionen Euro notwendig sind, zeigt die Größenordnung, vor der wir alle heute in Zeiten der Schuldenbremse noch stehen. Ich sage ausdrücklich noch einmal: Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe. In der Notsituation sind alle vom Hochwasserschutz überzeugt. Wenn man allerdings zwei, drei oder vier Jahre später Deiche baut oder rückverlegt und sagt: „Wir investieren dauerhaft Geld in diese Vorsorge“ - das ist tatsächlich eine Gesamtleistung unseres Staates -, dann denkt kein Mensch mehr an Hochwasserschutz und hat Verständnis für entsprechende Maßnahmen. ({12}) Ich würde mich freuen, wenn wir beim Hochwasserschutz über die wichtigen Finanzierungsfragen hinaus, die uns heute beschäftigen - ich möchte hinzufügen, dass wir sehr froh sein können, diesen Solidarpakt geschaffen zu haben -, in Richtung einer abgestimmten Strategie vorankämen. Neben der Sofort- und Aufbauhilfe für die akut Betroffenen wäre das sicherlich das richtige Signal für die Menschen in unserem Land. Herzlichen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Patrick Döring von der FDP-Fraktion ist der nächste Redner. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder von den überfluteten Städten und Dörfern haben uns alle zutiefst bewegt. Menschen haben ihr Hab und Gut und manchmal auch Angehörige verloren. Wir haben aber auch gesehen: Die Menschen packen an. Sie verzagen nicht. Wir sehen diesen Zusammenhalt und das Miteinander. Das ist vorbildlich, macht Mut und zeigt: Wir leben in einer großartigen Republik mit einer lebendigen Bürgergesellschaft. ({0}) Das THW, das Rote Kreuz, die Feuerwehren und die vielen Organisationen und Freiwilligen vor Ort haben tapfer gekämpft und gearbeitet - bis zur Erschöpfung. Deshalb geht unser Dank an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer genauso wie an die vielen hauptamtlichen Helferinnen und Helfer. Unser Dank geht auch an die Soldatinnen und Soldaten. Diese vorbildliche Arbeit der Bundeswehr bei dieser Flutkatastrophe ist auch ein Verdienst unseres Bundesverteidigungsministers. Lieber Herr Minister de Maizière, Sie haben die Truppe besser im Griff, als mancher von der Opposition gelegentlich glaubt. ({1}) Wenn das Wasser, der Schlamm und die Sandsäcke weg sind, dann kommt die nächste Herkulesaufgabe; denn dann geht es um den Wiederaufbau. Wohnungen müssen renoviert und Betriebe müssen flottgemacht werden. Der geplante Fonds wird den Wiederaufbau in den Flutregionen erheblich erleichtern. Keiner soll nach der Flut materiell schlechter dastehen als vorher. Mit dem Nachtragshaushalt gehen wir auch einen haushalterisch vernünftigen Weg. Das zeigt, dass sich Konsolidierung und gutes Wirtschaften auszahlen. Frei nach Gerhard Schröder: Im Vergleich zu 2002 haben wir nicht alles anders, aber vieles besser gemacht. Wir müssen jetzt nämlich nicht befürchten, die Verfassung zu brechen und dass unser Haushalt in Schieflage gerät, wenn wir diesen Nachtragshaushalt beschließen, sondern wir können mit einem ausgeglichenen Haushalt 2014 weiter solide wirtschaften. Es zahlt sich eben aus - das zeigt diese Krise -, wenn man eine Wahlperiode maßhält. ({2}) Gelegentlich haben einige Ministerpräsidenten angesichts der Fluthilfen sogar Steuererhöhungen ins Gespräch gebracht. Das wäre in dieser ökonomischen Lage nun wirklich der falsche Weg gewesen. Es ist gut, dass es für diese Nothilfe bei der Schuldenbremse eine Ausnahme gibt. Es ist noch besser, dass die Bundesregierung morgen einen strukturell ausgeglichenen Haushalt für 2014 vorlegen kann. Das zeigt: Auch in schweren Zeiten geht beides. ({3}) Wir werden in der Zukunft aber auch darüber sprechen müssen, wie wir den technischen Hochwasserschutz in unserem Land verbessern. Wenn man hierzu von 2002 bis 2013 Bilanz zieht, dann muss man feststellen: Es hat nicht am Geld gemangelt, sondern es hat vielerorts am Willen gemangelt. Wir alle wissen, wie aufwendig und mühevoll ein Planungsverfahren ist. Wir alle, gerade wir Liberalen, wollen eine engagierte Bürgerbeteiligung, auch im Planungsverfahren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn alle Landwirte, alle Bewohner, alle Unternehmer, alle Träger der öffentlichen Belange in den Städten, die von Hochwasser betroffen sind, mit den Planungen zufrieden sind, dann darf es nicht sein, dass ein Funktionär in einem trockenen Büro in Berlin-Mitte über den Weg der Verbandsklage die Realisierung einer Hochwasserschutzmaßnahme verhindern kann. ({4}) Deshalb brauchen wir analog zur Planungsbeschleunigung, wie wir sie zur Bewältigung der Infrastrukturherausforderungen nach der deutschen Einheit geschaffen haben, ein Planungsbeschleunigungsgesetz für den technischen Hochwasserschutz: mit verkürzten Rechtswegen, nicht mit weniger Bürgerbeteiligung, aber mit weniger Funktionärsbeteiligung zum Wohle der Menschen in den betroffenen Städten. ({5}) Der Bundestag tagt heute an einem Dienstag; das ist außergewöhnlich. Aber außergewöhnliche Ereignisse erfordern auch außergewöhnliche politische Maßnahmen. Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, die betroffenen Gemeinden haben gezeigt: In Zeiten, in denen es schwierig ist, stehen wir zusammen. Wir arbeiten kooperativ. Das hat Tradition in dieser Republik. Wir alle, die wir Mitglieder dieses Hauses sind, können stolz darauf sein, dass uns das gelingt. Herzlichen Dank. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke. ({0})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So manchem Betrieb steht nach dem Hochwasser nun finanziell das Wasser bis zum Hals. So manches landwirtschaftliche Unternehmen ist existenziell gefährdet. Auch Hoteliers und Gastronomen sind betroffen. Viele Menschen haben während der Flut ihr Hab und Gut verloren. Diese Menschen brauchen nun Hilfe, und zwar unbürokratisch und schnell. Da werden wir die Bundesregierung beim Wort nehmen. ({0}) Noch ist das Ausmaß der Schäden nicht in Gänze abzuschätzen. Jetzt die Höhe des Fluthilfefonds definitiv auf 8 Milliarden Euro zu begrenzen, heißt, einen Deckel einzuziehen, wo eigentlich kein Deckel hingehört. 2002 betrug das Volumen des Hilfefonds 10 Milliarden Euro. Ich meine, zu gegebener Zeit wird man die Höhe des Fluthilfefonds noch einmal überprüfen müssen. Herr Döring, in einer solchen Situation ideologische Gesänge des Sparens und ideologische Gesänge für ein Verbot zur Aufnahme von Krediten anzustimmen, so wie Sie das hier gemacht haben, finde ich zutiefst unangemessen. ({1}) - Wenn das bei Ihnen unideologisch ist, dann will ich nicht wissen, was dabei herauskommt, wenn Sie so richtig ideologisch werden. ({2}) Ich habe mich mit Menschen unterhalten, die von der Flut direkt betroffen sind, und dabei so manchen guten Hinweis bekommen. Ich möchte nur einen nennen. Viele Menschen und Unternehmen, die innerhalb weniger Jahre zum wiederholten Male vom Hochwasser betroffen sind, wollen aus den direkt gefährdeten Gebieten wegziehen. Aber sie wollen eben in der Region bleiben. Diesen Menschen muss man jetzt Unterstützung anbieten, sei es durch die Ausweisung von neuen Gewerbegebieten, sei es in Form einer Entschädigung, um ihnen einen Neuanfang in der Region zu ermöglichen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit die Menschen aus den besonders gefährdeten Gebieten wegziehen, aber in der Region bleiben können. ({3}) Bei den vom Hochwasser Betroffenen sollte unser besonderes Augenmerk denen gelten, die ohnehin wenig haben, also Menschen, die kein Auto haben, um einfach wegzufahren, Menschen, die sich eben nicht für die Zeit der Flut ein Hotelzimmer leisten können, oder Menschen, die keine Verwandten haben, bei denen sie für einige Tage unterkommen können. Eine Kollegin aus Grimma hat mir erzählt, dass es zum Beispiel Flutopfer gab, die bis zu einer Woche in einer Notunterkunft in einer Turnhalle leben mussten, und zwar in dem Wissen, dass all ihr Hab und Gut währenddessen durch das Hochwasser zerstört wird. Insofern hat mich eine Geschichte besonders berührt. Eine sächsische Oberbürgermeisterin erzählte mir von einer recht armen Familie, die alle Materialien für die Schuleinführung ihrer Tochter im Keller gelagert hatte, und vom Ranzen bis zum Schreibheft war alles dem Hochwasser zum Opfer gefallen. Die Oberbürgermeisterin wollte nun bei der Neuanschaffung von Schulheften helfen, und sie sagte zu mir: Aber bei Geldspenden müssen wir davon ausgehen, dass das sofort auf die Sozialleistungen angerechnet wird. ({4}) Deswegen mussten wir einen Gutschein für einen Schreibwarenladen organisieren. Der örtliche Schreibwarenladen war aber auch von der Flut betroffen. ({5}) - Ja, zum Glück hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Fluthilfe und Spendengelder nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden müssen. ({6}) Aber es gibt bisher keine verbindliche Verordnung. Deswegen fordere ich in diesem Zusammenhang die Regierung auf: Sorgen Sie mit einer Verordnung dafür, dass es hier verbindliche Sicherheit gibt! Die Fluthilfe darf nicht auf Hartz IV angerechnet werden. ({7}) Nur ein kleiner Teil der Schäden ist versichert. Ich habe mit Interesse wahrgenommen, dass sich die Bundesregierung in einer Vorlage ganz klar gegen eine allgemeine Pflichtversicherung ausspricht. Darin heißt es: Das zu geringe Bewusstsein in der Bevölkerung soll durch Kampagnen geschärft werden. - Glauben Sie denn ernsthaft, dass das zu geringe Bewusstsein in der Bevölkerung das Problem ist? Allein in Sachsen gibt es 17 000 Wohngebäude, die als nicht versicherbar gelten. Deswegen lautet eine zentrale Erkenntnis der letzten Wochen: Wir müssen ran an die Versicherungsgesetze. ({8}) Es kann nicht sein, dass sich die Versicherungen einfach die Rosinen herauspicken. Wir brauchen eine allgemeine öffentliche Versicherung gegen Elementarschäden. Wenn wir jetzt über das Hochwasser sprechen, dann geht es natürlich zuallererst um schnelle Hilfe. Aber es geht auch um die Frage, wie wir in Zukunft solche großen Schäden vermeiden können. Beim Hochwasserschutz geht es nicht nur um das Bauen von Mauern und um mobile Schutzwände. Sie können kurzfristig helfen, aber sie bringen auch Probleme mit sich. In meiner Heimatstadt Dresden zum Beispiel konnte durch mobile Wände größerer Schaden verhindert werden. Im Ergebnis hat das aber die Fließgeschwindigkeit der Elbe erhöht, und andere Städte wie Magdeburg, die weiter nördlich liegen, waren dann deutlich stärker betroffen. Deswegen steht für uns als Linke eines ganz klar fest: Allein auf technischen Hochwasserschutz zu setzen, reicht nicht aus. Nachhaltiger Hochwasserschutz bedeutet nämlich vor allem eins: Wir brauchen Platz, damit Regenwasser versickern kann, und es braucht natürlichen Überflutungsraum. ({9}) Nach der Flut 2002 hat beispielsweise eine von der sächsischen Staatsregierung eingesetzte Expertenkommission die Empfehlung gegeben, allein in Sachsen 7 500 Hektar natürliche Überschwemmungsfläche zu schaffen. In den letzten zehn Jahren hat das von der CDU regierte Sachsen gerade einmal 111 Hektar Überflutungsfläche geschaffen. Wenn wir so kleckern, dann werden wir den drohenden Gefahren von Hochwasser wahrlich nicht gerecht. ({10}) Meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, in der extreme Wetterlagen zunehmen und Jahrhunderthochwasser zu Jahrzehnthochwassern werden. Das ist auch eine Folge von globaler Erwärmung, und die ist von Menschen gemacht. Klimaschutz und die Reduktion von CO2 galten lange Zeit als ein Thema allein für Ökos oder, uncharmant ausgedrückt, für Körnerfresser. Ich denke, inzwischen kann niemand mehr die Augen vor der folgenden Tatsache verschließen: Wer beim Klimaschutz und beim nachhaltigen Hochwasserschutz spart, bekommt eine Rechnung präsentiert, die unbezahlbar ist. Klimaschutz und nachhaltiger Hochwasserschutz sind von enormer Bedeutung für uns alle. Deswegen dürfen sie nicht auf dem Altar von Profitinteressen geopfert werden. ({11}) Abschließend möchte ich mich auch im Namen der Linken bei allen Helferinnen und Helfern bedanken, den hauptamtlichen wie auch den ehrenamtlichen, sowie dem Technischen Hilfswerk. Ihrem selbstlosen Einsatz ist es zu verdanken, dass sich die Schäden in Grenzen gehalten haben. Ihr Einsatz war praktizierte Solidarität. Sie, die jenseits der Kameras und jenseits der medialen Öffentlichkeit geschuftet haben, sind die wahren Heldinnen und Helden der Fluthilfe. Ihnen gehört unser Dank. Herzlichen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich. ({0}) Stanislaw Tillich, Ministerpräsident ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Genauso wie 2002 hat uns im Sommer 2013 ein schweres Hochwasser getroffen, und zwar nicht Sachsen allein. Am Ende waren 11 von 16 Bundesländern von diesem Hochwasser ernsthaft betroffen. Die Rekordpegelstände von 2002 - es war ein sogenanntes Jahrtausendhochwasser - wurden vielerorts übertroffen, in einigen Regionen sogar weit darüber hinaus. Die Schadensbilder des Jahres 2013 gleichen denen des Jahres 2002. Menschen wurden zu Zehntausenden evakuiert. Die Menschen standen und stehen noch immer fassungslos vor ihren verwüsteten Häusern und Wohnungen. Der Vollständigkeit halber sei nur erwähnt: Mit der Auszahlung der Soforthilfen im Freistaat Sachsen am 6. Juni war zwischen der Bundesministerin Frau von der Leyen und dem Freistaat Sachsen geregelt, wie mit Hartz-IV-Empfängern bei den Soforthilfen umzugehen ist. Diese Hilfen werden nicht angerechnet. Die Bilder vom Hochwasser 2013 gleichen sich von Passau über Meißen, Bitterfeld und Magdeburg bis nach Fischbeck. Es ist eine Naturkatastrophe nationalen Ausmaßes. Während des Hochwassers waren Tausende von professionellen, ehrenamtlichen und freiwilligen Hilfskräften im Einsatz. Auch mehr als 19 000 Soldaten, unter ihnen Soldaten aus den Niederlanden und aus Frankreich, haben bei der Bewältigung bzw. der Bekämpfung des Hochwassers geholfen. Ihnen gilt unser Dank. ({2}) Die Feuerwehren hatten bis zu 75 000 Mann im Einsatz. Es ist die Rede von dem größten Feuerwehreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Hinzu kamen Einsatzkräfte der Bundespolizei, vom Technischen Hilfswerk, der Rettungsdienste und auch natürlich der Polizeien. Ministerpräsident Stanislaw Tillich ({3}) Meine Damen und Herren, es war überwältigend, zuerst zu sehen und dann selbst zu erleben, wie über soziale Netzwerke aus virtueller Freundschaft und unverbindlichen Likes verbindliche Absprachen wurden. Aus Aktivitäten in den virtuellen Netzwerken wurde reale Hilfe für Menschen in Not. Dafür gebührt den vielen jungen Menschen unser Dank. ({4}) Dieses gegenseitige Füreinander-Dasein ist nicht nur für mich persönlich als Ministerpräsident eines betroffenen Landes ein großartiges Zeichen eines starken gesellschaftlichen Zusammenhalts. Deswegen an dieser Stelle noch einmal: Allen Helfern gilt mein herzlicher Dank. Danke Deutschland! ({5}) Wir wissen: Die Beseitigung der neuen Hochwasserschäden und der Wiederaufbau übersteigen die Leistungsfähigkeit der einzelnen betroffenen Länder. Deshalb erfordern sie eine gesamtstaatliche Kraftanstrengung. Das ist auch der Grund für diese Sondersitzung des Bundestages. Frau Bundeskanzlerin, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihre Regierungserklärung. Sie haben sich vor Ort selbst ein Bild über die Schäden gemacht, gerade als die Situation in Pirna am schlimmsten war und die Menschen noch auf den Hochwasserscheitel warteten. Wir debattieren heute über die Einrichtung eines Aufbauhilfefonds. Auch dafür gilt Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und allen anderen Mitgliedern der Bundesregierung, aber auch allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages mein herzlicher Dank; denn was jetzt erforderlich ist, ist ein schnelles Startsignal für den Wiederaufbau in den betroffenen und durch das Hochwasser geschädigten Gebieten. ({6}) Jetzt sind Länder und Bund gefordert, Hand in Hand die Voraussetzungen für den Wiederaufbau zu schaffen, genauso wie es die Fluthelfer getan haben, indem sie die Sandsäcke von Hand zu Hand weitergereicht haben, um das Hochwasser zu bekämpfen. Beim Flutgipfel am 13. Juni im Kanzleramt haben Länder und Bund gemeinsamen den Rahmen abgesteckt. Vereinbart wurde der Aufbauhilfefonds 2013 mit einem Volumen von 8 Milliarden Euro zur Beseitigung der Hochwasserschäden, finanziert jeweils zur Hälfte vom Bund und von den Ländern. Das Ergebnis ist gut. Es ist allerdings eine Kraftanstrengung für alle, sowohl für den Bund als auch für die Länder. Aber auch hier haben wir wieder deutlich gemacht: Es geht eben nur gemeinsam. Für alle Betroffenen - nicht nur in Sachsen - sind das Fluthilfegesetz und der Aufbauhilfefonds eine Initialzündung für den Wiederaufbau. Diese setzt Kräfte frei, auf die es jetzt ankommt, und darauf warten alle. Die Mittel aus dem Aufbauhilfefonds werden wirken. Sie werden Mut machen zur rechten Zeit, und sie werden neue Hoffnung wecken, weil sie den Menschen eine neue Perspektive, eine neue Chance eröffnen. Ich sage ihnen für den Freistaat Sachsen zu: Jeder Euro, der zur Verfügung steht, wird so angelegt, dass er der Beseitigung der Schäden und dem Wiederaufbau, aber auch dem zukünftigen Hochwasserschutz dienen wird. Beides ist förderwürdig; dafür werben wir. Beides gehört zusammen. ({7}) Unser Ziel in Sachsen ist, dass es keinen Wiederaufbau nach Schema F gibt nach dem Motto: Alles genauso wie vorher und an der gleichen Stelle, wie es einmal war. - In diesem Zusammenhang wollen wir mit den beteiligten Ländern und dem Bund darüber sprechen, dass die Entschädigungssummen von den Betroffenen auch für den Neuanfang - weg vom Wasser - verwendet werden können, damit sie beim nächsten und übernächsten Mal nicht wieder betroffen sind, was ja andernfalls nicht ausgeschlossen ist, und so enorme Schäden wieder auftreten. Der Freistaat Sachsen hat aus dem Hochwasser 2002 seine Lehren gezogen. Ich möchte unseren Elbnachbarn und hier insbesondere der Tschechischen Republik, der dortigen Verwaltung und dem dortigen Ministerpräsidenten, für die Zusammenarbeit danken. ({8}) Sie haben in einer entscheidenden Sekunde den Ablauf an der Moldau-Kaskade angehalten und damit letztendlich nicht nur Prag, sondern auch Dresden und die Unterlieger geschützt. ({9}) Wir haben die Kommunikation deutlich verbessert und damit die Vorwarnzeiten erheblich verlängert. Wir haben vielerorts den Hochwasserschutz verbessert, indem Retentionsflächen und weitere Überschwemmungsflächen geschaffen worden sind. Wir werden auch aus dem Hochwasser 2013 lernen. Da, wo schon Baurecht besteht, muss der Hochwasserschutz rasch umgesetzt werden. Der Hochwasserschutz muss weiter beschleunigt werden. Wir brauchen Vorfahrtsregeln für den Hochwasserschutz, genauso wie das heute bei den erneuerbaren Energien der Fall ist oder wie es in der Vergangenheit beim Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz nach der deutschen Einheit möglich wurde. ({10}) Präventiver Hochwasserschutz muss für jede Kommune zum Standard werden. Wir wollen noch mehr Retentionsflächen schaffen. Da, wo es geht, sollten zum Beispiel Industriebrachen an Flussläufen geräumt werden, um dem Wasser mehr Raum zu geben. Ich will aber auch deutlich machen: 72 Prozent der Landesfläche waren bei diesem Hochwasser 2013 im Freistaat Sachsen überschwemmt. Breiter geht es kaum noch. Ministerpräsident Stanislaw Tillich ({11}) Uns allen ist klar, dass das, was wir heute hier beraten und was der Bundestag und der Bundesrat in der kommenden Woche beschließen werden, nicht selbstverständlich ist. Dabei sind mir zwei Punkte besonders wichtig. Erstens: Alle Mittel aus dem Aufbauhilfefonds sind Hilfe zur Selbsthilfe. Zweitens: Die betroffenen Länder leisten ihren Beitrag. Das ist Ausdruck eines föderalen Systems. Denn entgegen manch anderslautenden Stimmen hat bei den Verhandlungen über den Aufbauhilfefonds keine Seite die andere übervorteilt. Alle Länder übernehmen für den Zeitraum von 20 Jahren die Tilgungs- und Zinslasten. Die Lasten sind dabei anteilig verteilt. Auch das ist Ausdruck unseres föderalen Systems. Ich danke als Ministerpräsident eines vom Hochwasser betroffenen Landes dem Bund für seinen Beitrag an dieser gemeinsamen Kraftanstrengung. Die Übernahme der Kosten für die Einsätze der Bundeswehr und des THW sowie die langfristige Finanzierung des Fonds sind für mich Ausdruck seiner Bereitschaft, den Ländern in dieser Notsituation beizustehen. Das ermöglicht es den Ländern, Solidarität zu üben und das gemeinsam gesteckte Ziel der Schuldenbremse zu erreichen. Der Wille zum Wiederaufbau nach dem Hochwasser 2013 ist in allen Städten und Gemeinden in den betroffenen Gebieten vorhanden. Er ist nach wie vor ungebrochen, bei allen. Schlimm hat es aber die Gastronomie und das Übernachtungsgewerbe erwischt. Für sie darf nach der Flutwelle nicht noch eine Stornierungswelle kommen. Die meisten Gaststätten und Hotels, Cafés und Ferienwohnungen auch im Freistaat Sachsen waren überhaupt nicht betroffen. Deswegen mein Appell, der gleichzeitig auch eine Einladung ist: Kommen Sie nach Sachsen und in die anderen vom Hochwasser betroffenen Regionen Deutschlands! Es lohnt sich. ({12}) Meine Damen und Herren Bundestagsabgeordnete, lassen wir die Menschen nicht im Stich. Geben wir ihnen eine neue Chance zum Wiederaufbau. Ich bitte Sie um die Zustimmung zum Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“. Vielen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gut, es ist richtig, dass wir heute alle gemeinsam denjenigen danken, die schnell geholfen haben, die unmittelbar bereit waren, loszugehen. Dank gilt nicht nur denjenigen, die das professionell tun - dem THW, der Feuerwehr, der Bundeswehr -, sondern auch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich über die sozialen Netzwerke ganz schnell verabredet haben. Für sie war das übrigens kein Neuland; sie haben das einfach gemacht, wie sie das immer tun. Insofern herzlichen Dank an die Helferinnen und Helfer! ({0}) Ja, es ist notwendig, dass wir jetzt über schnelle Hilfe beim Wiederaufbau reden. Deswegen begrüßen wir den 8-Milliarden-Euro-Hilfsfonds. Wir werden seiner Einrichtung zustimmen können, übrigens auch deswegen, weil er zumindest einigermaßen solide finanziert ist, anders als manche Versprechen, die in diesen Tagen von Ihrer Seite gemacht werden. ({1}) Jetzt heißt es ja, die Lage in den Hochwassergebieten sei entspannt; das hören wir alleweil in den Nachrichten. Das Gegenteil ist der Fall: Für viele Betroffene zeigt sich erst jetzt das Ausmaß der Katastrophe. Das heißt, sie müssen ihren kompletten Hausrat entsorgen. Alles, was sie nicht retten konnten - Sofas, Kühlschränke, Betten, Spielzeug, Wände, Parkettböden -, ist nur noch Müll; was gerade noch blühende Gärten waren, sind jetzt Schlammwüsten. Manche müssen ihre Häuser für immer verlassen. Nicht wenige Unternehmerinnen und Unternehmer, ob in Grimma, in Lauenburg, in Deggendorf oder in Treben, stehen vor erheblichen Einbußen. Manche haben auch das Gefühl, dass sie vor dem Aus stehen, weil ihre Ware wegschwamm, weil die Produktionsräume geflutet sind, weil die Computer abgesoffen sind. Auf Wochen und Monate hinaus sind Betriebe lahmgelegt; Hotels und Gaststätten fehlt es an Urlaubern. Für viele geht es nicht nur um den Besitz und die Frage, wie sie dazu wieder kommen, sondern um die pure Existenz. Man könnte denken, das war 2002 schon so ähnlich. Trotz der großen Solidarität damals wie heute gibt es etwas, das ist anders: Damals sprachen wir von einer Jahrhundertflut; jetzt, nur elf Jahre später, haben viele Menschen zum zweiten Mal Hab und Gut verloren. Ihnen fehlt heute der Mut, weil sie sich fragen: Sollen wir noch einmal alles aufbauen?

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin, ich habe hier den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Kurth von der FDP.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Bitte schön, Herr Kollege.

Patrick Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003900, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht mit Ihrer Analyse, dass die Computer weggeschwommen sind; Sie nannten Grimma. Warum ist Grimma abgesoffen? Haben dort Umweltschutzverbände für den Aufbau einer Deichwand eben nicht gesorgt? Sind sie dagegen vorgegangen? ({0}) Sie kommen - die Älteren wissen das - aus Thüringen. In Gera wurde eine zweite Spundwand nicht aufgebaut, weil Umweltschutzverbände gegen das Fällen von sechs Kastanien vorgegangen sind. In Riesa, also in Sachsen, wurde der Ameisenbläuling, eine Schmetterlingsart, gefunden. Deswegen konnte dort eine Deichwand nicht aufgebaut werden; man ist auch dagegen vorgegangen. ({1}) Ich weiß nicht, wie es den Ameisenbläulingen nach der Überflutung in Riesa jetzt geht. Aber ich möchte gerne von Ihnen wissen, wie Sie es finden - Sie benennen hier die richtigen Punkte -, dass Deichbauten, auch Deichrückbauten in den Gebieten, wo überflutet werden sollte, nicht durchgeführt wurden. In Sachsen gab es 30 entsprechende Vorhaben; nur zwei sind umgesetzt worden, weil man gegen die restlichen aus Umweltschutzgründen vorgegangen ist. Wie bewerten Sie diese Situation aus heutiger Sicht? ({2})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Das war jetzt Ihre Frage, Herr Kollege. - Bitte schön, Frau Göring-Eckardt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kurth, am liebsten würde ich jetzt sagen: Das ist eine Frage, die die Menschen, die jetzt in ihren Schlammhäusern sitzen, für ziemlich unangemessen halten. ({0}) Ich will Ihnen aber klar und deutlich sagen: Das Gegenteil ist der Fall. In den letzten Jahren ist an der einen oder anderen Stelle drastisch in den technischen Hochwasserschutz investiert worden. Der ökologische Hochwasserschutz aber ist hintangestellt worden. ({1}) Wir können das am Beispiel Sachsen-Anhalt sehen. Dort wurde 30-mal so viel in den technischen wie in den ökologischen Hochwasserschutz investiert. Auch in Sachsen und Bayern ist das der Fall. Solange wir keinen ökologischen Hochwasserschutz haben und wir immer höhere Deiche und Mauern bauen, so lange werden die Flüsse nichts anderes tun, als noch schneller zu fließen. Wir haben zu wenig Überflutungsflächen; das stimmt. Aber Maßnahmen scheitern nicht daran, ({2}) dass sich Leute Gedanken darüber machen, wie man einen Ausgleich zwischen ökologischen Vorhaben und ökologischem Hochwasserschutz herstellen kann. Sie scheitern vielmehr daran, dass wir immer nur kurzfristig handeln und immer nur bis zum nächsten Tag denken. Das langfristige Handeln findet eben nicht statt, Herr Kurth. ({3}) Es ist klar und eindeutig: Wir brauchen ein radikales Umdenken beim Hochwasserschutz. Die Anzahl der schweren Hochwasser hat sich in den letzten Jahrzehnten verdoppelt. Dass das der Fall ist, zeigt die Häufigkeit der Hochwasser in der letzten Zeit. Wir wissen, dass jeder Euro, der in den Hochwasserschutz investiert wird, 10 Euro für die Beseitigung der Schäden spart. Zur Vermeidung der Überflutungen müssen Bund und Länder sich endlich zusammentun. Meine Damen und Herren, die Flüsse kennen keinen Föderalismus. ({4}) Wir müssen dafür sorgen, dass tatsächlich oben am Fluss gehandelt wird, damit es unten am Fluss nicht zur Überschwemmung kommt. Dass jetzt viele hier sagen: „Für die Hilfsleistungen bedanken wir uns“, das ist gut, das ist richtig. Wir dürfen aber am Ende des Jahres nicht wieder vergessen haben, dass es auf die langfristigen Maßnahmen ankommt. Die kurzfristige Hilfe ist das eine; das Deichbauen das andere. Es sind die langfristigen Maßnahmen, auf die es ganz zentral ankommt. ({5}) Es geht dabei übrigens nicht nur um die Überflutungsflächen. Es geht auch um die Frage des Klimaschutzes. Im letzten Jahr hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung festgestellt, dass extreme Regenfälle und extreme Hitzewellen mit dem Klimawandel zusammenhängen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin, ich bin gezwungen, wenn eine Wortmeldung vorliegt, Ihnen dies mitzuteilen. Der Wunsch einer Wortmeldung besteht. Es handelt sich um eine Zwischenfrage des Kollegen Drexler von der FDP. Lassen Sie diese Zwischenfrage zu? ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe den Eindruck, dass es daran im Moment kein Interesse gibt. Deswegen fahre ich fort. ({0}) Wenn die FDP Herrn Drexler Redezeit geben will, kann sie das ja tun. Mir geht es darum, deutlich zu machen: Klimaschutz und Hochwasserschutz hängen sehr eng zusammen. Wir dürfen uns nicht nur auf die Folgen unserer Hochwasserkatastrophe konzentrieren, sondern müssen auch einmal dorthin schauen, wo die Folgen von Hochwasser noch viel drastischer sind, nämlich nach Indien. Im Norden Indiens sind derzeit Zehntausende von Menschen von einem Hochwasser betroffen. Es gibt inzwischen mehrere Hundert, womöglich sogar tausend Tote. Auch das hat mit der Versiegelung der Landschaft und mit mangelndem Klimaschutz zu tun. In Deutschland wird pro Sekunde eine Fläche von 12 Quadratmetern versiegelt. Durch intensive Landwirtschaft werden, gerade in den Flussauen, immer mehr Böden verdichtet. Die Erderwärmung führt dazu, dass es zu mehr Regenfällen kommt. Aus diesem Grund muss man sagen: Klimawandel und Hochwasserschutz hängen verdammt eng zusammen. Deshalb gehört das auf die politische Agenda. ({1}) Es macht wenig Sinn, dass die Bundesregierung im nationalen und europäischen Zusammenhang, beispielsweise bei der Reform des Emissionshandels, Klimaschutzmaßnahmen verhindert und weiter ausbremst. So werden wir das 40-Prozent-Ziel bis 2020 nicht erreichen. Wir haben übrigens einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgelegt. Wir werden sehen, wie Sie sich dazu verhalten. ({2}) Ich will klar und deutlich sagen: Die Sofortmaßnahmen, die wir heute ergreifen, sind gut und richtig. Wir werden darüber reden müssen, wie es, gerade in den Hochwassergebieten, eigentlich mit dem Versicherungsschutz steht, wo sich die Menschen überhaupt versichern können und was es bedeutet, eine hohe Selbstbeteiligung zu haben und sich diese schlichtweg nicht alle paar Jahre leisten zu können. Wir werden aber vor allem darüber reden müssen, wie wir die langfristigen Maßnahmen gestalten, wie wir das gemeinsam tun und wie wir das so machen, dass uns die Leute in den Hochwassergebieten nicht wieder fragen: Was habt ihr eigentlich in den letzten Jahren getan? ({3})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Göring-Eckardt. Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Jürgen Koppelin. Bitte schön, Kollege Jürgen Koppelin. ({0})

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte erst einmal den Betroffenen unsere Solidarität aussprechen. Ich glaube, die Betroffenen, die heute hier unsere Debatte verfolgen, sind weniger daran interessiert, Frau Kollegin von den Grünen, ({0}) das zu hören, was Sie heute vorgetragen haben; diese Menschen wollen hören, was wir für sie machen. ({1}) Diese Menschen haben schwere Tage erlebt, hatten Schäden an Haus und Hof und mussten gleichzeitig den Kampf gegen die Wassermassen aufnehmen. Insofern haben sie unsere Solidarität wirklich verdient. Wir sprechen nicht nur unsere Solidarität aus, sondern handeln auch: In dieser Woche und am heutigen Tag zeigen wir den betroffenen Menschen, dass uns das, was wir vor Ort gesehen haben - Frau Bundeskanzlerin hat das vorhin sehr deutlich geschildert -, nicht unberührt lässt. Wir helfen auch finanziell. Wir geben zu: Ja, wir nehmen neue Schulden auf. Aber es ist zum Wohle dieser Menschen; denn wir wollen sie nicht alleinlassen. Da ich gerade von Solidarität und Anerkennung spreche, sage ich jetzt einmal in Richtung der Linken: Es ist sehr nett anzuhören, dass Sie das THW loben. Aber warum fällt es Ihnen eigentlich so schwer, auch den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Ihren Dank auszusprechen? ({2}) - Frau Kipping, das gehört auch dazu. - Sie lehnen im Haushaltsausschuss immer alle Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr ab, ob es um Hubschrauber geht oder um ganz einfache Dinge, die die Bundeswehr braucht und die auch jetzt zum Einsatz gekommen sind. ({3}) - Entschuldigung, Frau Enkelmann, Sie haben sich noch nie damit beschäftigt. Sie sollten einmal Ihre Leute im Haushaltsausschuss erleben, wie sie die Beschaffung von allem, aber auch allem, was die Bundeswehr bekommen soll, ablehnen, selbst die Beschaffung der einfachsten Sachen. ({4}) - Sie offenbaren sehr deutlich, auch mit Ihren Zurufen, dass Sie überhaupt nicht gewillt sind, der Bundeswehr Dank auszusprechen. Ich will es tun. ({5}) Um eine Hausnummer zu nennen: Die Kosten bei der Bundeswehr und der Bundespolizei lagen bei etwa 100 Millionen Euro. Auch das trägt der Bund, und das ist selbstverständlich. Der Kollege Patrick Döring hat zu Recht darauf hingewiesen - das kann ich wiederholen -: Wir können all das jetzt machen, weil wir eine gute Konjunktur haben, weil wir solide Haushaltspläne aufgestellt haben. Ich sage in Richtung des Bundesrates: Ich würde mich freuen, wenn die Reihen des Bundesrates genauso gut besetzt wären, wenn wir die erste Diskussion über den Bundeshaushalt führen, damit Sie sehen können, wie man solide Haushaltspolitik macht. ({6}) Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam der Vorschlag, vielleicht die Körperschaftsteuer zu erhöhen oder den Solidaritätszuschlag anzuheben. Ich bin froh, dass wir das nicht machen. Denn mir ist schon klar: Hätten wir das gemacht, wären wir diese Erhöhung nie wieder losgeworden; das wäre nicht zeitlich begrenzt, sondern auf Dauer gewesen. Ich erinnere da an die Sektsteuer: Sie ist auch für eine bestimmte Sache eingeführt worden, und es gibt sie heute immer noch, obwohl die kaiserliche Marine - für sie waren die Einnahmen vorgesehen schon zweimal abgesoffen ist. ({7}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute vermutlich meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag. ({8}) Insofern freue ich mich, dass ich zu einem Punkt sprechen kann, bei dem überwiegend große Übereinstimmung herrscht. ({9}) Ich bin froh, dass diese Übereinstimmung herrscht. Weil in den Medienberichterstattungen manches anders aussieht, will ich einmal deutlich sagen: Es gab hier sehr oft große Übereinstimmung zwischen allen Fraktionen, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin auch sehr dankbar, dass ich Freundschaften zu Mitgliedern aller Fraktionen pflegen konnte. Ich erlaube mir, bei meiner letzten Rede zwei Geschenke zu machen. Das größte Geschenk geht natürlich an meine eigene Fraktion - das werden Sie verstehen -: Sie bekommen Wolfgang Kubicki als meinen Nachfolger. ({10}) Das zweite Geschenk geht an die Sozialdemokraten. Das meine ich sehr ehrlich, und das ist mir auch sehr wichtig, ({11}) denn ich habe gesagt: Ich habe Freundschaften zu Mitgliedern aller Fraktionen gepflegt; 23 Jahre war ich im Bundestag und 19 Jahre im Haushaltsausschuss. Ich habe unter anderem eine Freundschaft mit dem leider verstorbenen Peter Struck gepflegt. Von ihm bekam ich eines Tages etwas, was ich jetzt an die SPD zurückgeben möchte - vielleicht finden Sie eine Möglichkeit, es in der Friedrich-Ebert-Stiftung unterzubringen -: Es ist eine Pfeife von Peter Struck. Ich möchte diese den Sozialdemokraten zurückgeben. Herzlichen Dank. Ihnen allen alles Gute. ({12})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Dr. Jürgen Koppelin. Ganz persönlich alles erdenklich Gute. ({0}) Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Florian Pronold. Bitte schön, Kollege Florian Pronold. ({1})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Hochwasser, die Flut, hat viele Menschen vor Ort ihrer Existenz beraubt. Ich komme selber aus Deggendorf. Ich war öfter gemeinsam mit dem Kollegen Kalb vor Ort. Die Betroffenheit der Menschen dort ist kaum in Worte zu fassen. Beim Aufräumen vor Ort habe ich ein fast 90-jähriges Ehepaar kennengelernt, das nicht ihr Haus verlassen wollte. Sie hatten schon die Flut 1954 erlebt, die nicht so schlimm war. Abends sind sie in ihr Schlafzimmer im ersten Stock gegangen. In der Nacht ist das Wasser dann langsam gestiegen. Am nächsten Morgen wurde um sieben Uhr an ihr Fenster geklopft. Vor dem Schlafzimmerfenster befand sich ein Ruderboot, mit dem sie evakuiert werden sollten. Die alte Frau fragte: Wie sind Sie denn durch das Tor gekommen? Das war doch zu. - Dieses Beispiel zeigt, wie dramatisch die Situation ist. Wasserstände stiegen binnen weniger Minuten auf zwei, drei Meter. Wohnungen und Geschäfte sind vernichtet worden. Die Menschen sind verzweifelt. Das, was ihnen Hoffnung gegeben hat, ist die unglaubliche Hilfsbereitschaft. „Das Wir entscheidet“ - das ist das Motto der Hilfe, die vor Ort geleistet worden ist. Gerade junge Menschen, denen man immer unterstellt, sie hätten keinen Gemeinschaftssinn mehr, sind aktiv geworden. Die Studenten der Fachhochschulen haben in vielen Städten, beispielsweise in Passau und Deggendorf, Hilfe organisiert. In einer Stadt mit 30 000 Einwohnern wie Deggendorf haben sich 5 500 Menschen zum Helfen, zum Aufräumen gemeldet. Das ist eine tolle Leistung. ({0}) Ich habe gesehen, dass die Polizei, die Feuerwehr, das THW, die Bergwacht, das Rote Kreuz und die Bundeswehr, aber auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vor Ort alles Notwendige getan haben, um zu helfen. Sie haben rund um die Uhr gearbeitet. Sie waren völlig übermüdet. Sie haben wirklich Tolles geleistet. Dafür kann man ihnen im Namen des ganzen Hauses nur ein ganz herzliches Dankeschön sagen. ({1}) Der Kreisjugendring hat ein riesiges Lager organisiert, in dem unmittelbar benötigte Güter untergebracht wurden. Es ist so viel zusammengekommen, dass wir gar nicht alles verteilen konnten. Restaurants haben Essen für die Helfer gekocht. Insgesamt war eine unglaublich tolle Hilfsbereitschaft vorhanden. Ich wünsche mir, dass die von der Flut betroffenen Menschen und die Helfer diese Bundestagsdebatte verfolgen und sagen: Jawohl, wir haben das Gefühl, da wird geholfen, die kümmern sich. - Ich finde es gut, dass wir gemeinschaftlich den Flutopferhilfefonds beschließen. ({2}) Aber eines muss ich noch loswerden: Herr Döring und Herr Kurth, ganz ehrlich: Dass Sie in der Debatte über die Hochwasserhilfe versuchen, Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, das finde ich schäbig. ({3}) Wir Sozialdemokraten werden das anders machen als CDU/CSU und FDP im Jahr 2002.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Kollege Florian Pronold, Kollege Drexler möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese? ({0})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich gestatte sie nicht. ({0}) Sie können ja im Anschluss eine Kurzintervention machen, wenn Sie das Spiel fortsetzen wollen. Ich will auf die Fakten eingehen. Fakt ist, dass wir 2002, beim letzten Hochwasser, einen riesigen Streit hatten über die Frage, wie die Beseitigung der Schäden finanziert werden soll. Auch diesmal gab es eine Debatte darüber, ob es sinnvoll ist, das auf Pump zu finanzieren. Und jetzt stellen Sie sich hierhin, sagen, dass wir in den nächsten Jahren einen strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen würden, ({1}) und behaupten, die Fluthilfe sei dabei schon finanziert. Damit belügen Sie die Menschen. So ist das nämlich nicht. Diese Fluthilfe wird auf Pump finanziert. Dieses Geld wird in den nächsten Jahren fehlen. Die nächsten Generationen sind in zweifacher Hinsicht belastet: Zum einen müssen sie die Risiken des Klimawandels tragen, und zum anderen erfolgt die Finanzierung dieser Flutopferhilfe erst in den nächsten Jahren. ({2}) Diese Flutopferhilfe wird auf Pump finanziert. Wir haben 2002 die Soforthilfe in Höhe von 7 Milliarden Euro hier im Deutschen Bundestag sauber gegenfinanziert. ({3}) Damals hat die FDP dagegen gestimmt und die CDU/ CSU sich enthalten. Wir werden dieses Thema jetzt nicht nutzen, um eine Debatte darüber zu führen, wie man richtig finanziert. Wir wollen, dass den Menschen geholfen wird. Deswegen werden wir heute dieser Finanzierung zustimmen, auch wenn sie nicht unseren Vorstellungen entspricht. ({4}) Die Infrastruktur ist in hohem Maße betroffen. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen, dass die Notwendigkeit, Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, auch jenseits der Aufbauhilfe enorm groß ist. Jetzt geben Sie den Ländern - berechtigterweise - die sogenannten Entflechtungsmittel bis zum Jahr 2019. Diese Entflechtungsmittel waren eigentlich vorgesehen, um vor Ort den sozialen Wohnungsbau zu fördern und den öffentlichen Personennahverkehr zu finanzieren. Es muss jedem klar sein: Wenn das die Gegenfinanzierung ist, dann fehlt das Geld nachher an anderer Stelle. ({5}) Deswegen wäre es klug gewesen, auf ein paar Steuergeschenke zu verzichten und das Betreuungsgeld nicht einzuführen. Das Geld hätte man verwenden sollen, um den Menschen jetzt zu helfen, und zwar nachhaltig. ({6}) Was viele Betroffene vor Ort wirklich beschäftigt - das ist heute schon mehrfach angesprochen worden -, ist die Frage des Versicherungsschutzes. Viele, die in Hochwassergebieten leben, haben die Erfahrung machen müssen, dass sie entweder keine Versicherung mehr bekommen, dass ihnen die Versicherung nach dem ersten Hochwasserschaden gekündigt worden ist oder dass sie Beiträge zahlen müssten, die so hoch sind, dass sie sich eine Versicherung nicht leisten können. Wir haben bereits 2002 und 2004 über diese Frage diskutiert. Die Bundesregierung hat im Finanzausschuss eine Stellungnahme abgegeben, nach der sie eine Versicherungslösung ablehnt. Ich glaube, wir stehen in der Verantwortung und müssen uns bemühen, eine Versicherungslösung für Elementarschäden, und zwar für alle Elementarschäden, auf den Weg zu bringen. ({7}) Denn auch bei einer kleinen Flut, über die nicht im Deutschen Bundestag diskutiert wird, gibt es Menschen, die um ihre Existenz gebracht werden. Dann gibt es aber keine Hilfsprogramme. Für diese Menschen müssen wir genauso etwas tun wie für diejenigen, die wiederholt von Flut betroffen sind. Deswegen müssen wir alles dafür tun, eine bezahlbare, vernünftige Elementarversicherung für alle Menschen in diesem Land, die eine solche Versicherung brauchen, zu schaffen. ({8}) Heute stellen wir zwar gemeinschaftlich Geld zur Verfügung; aber auf das Morgen kommt es an. Wir müssen morgen nämlich deutlich mehr tun als in der Vergangenheit. Wir müssen nicht nur Geld für die Beseitigung von Hochwasserschäden zur Verfügung stellen, sondern wir müssen aus der Erfahrung, dass Jahrhunderthochwasser nicht nur einmal im Jahrhundert auftreten, auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und mit allem Nachdruck dafür sorgen, dass solche Katastrophen nicht mehr vorkommen. Wir haben gesehen, dass die Situation an den Stellen, an denen man sich in den letzten zehn Jahren um den Hochwasserschutz gekümmert hat, deutlich besser war. ({9}) - Es gibt bestimmte Regionen, in denen das verdammt schwierig ist. Da Sie Passau ansprechen, sage ich dazu: Dort fließen drei Flüsse zusammen. Dort werden Sie Hochwasser nie verhindern können. - In anderen Städten sind aber eine ganze Menge Maßnahmen unternommen worden, die dazu geführt haben, dass die Folgen des Hochwassers dort nicht so schlimm waren, wie sie sonst gewesen wären. Die Menschen vor Ort haben nicht vergessen, dass wir 20 Jahre lang über den Donau-Ausbau diskutiert haben. Den Menschen in Niederalteich zum Beispiel wurde immer gesagt: Einen Hochwasserschutz gibt es erst, wenn auch Staustufen gebaut werden. Erst vor einem halben Jahr wurde diese Position von der Staatsregierung aufgegeben. Das war aber zu spät, um für Hochwasserschutz zu sorgen. Jetzt sind sie besonders betroffen. Deswegen haben wir eine besondere Verantwortung, dort zu helfen. ({10}) Wir müssen den Hochwasserschutz - das ist heute schon angesprochen worden - länderübergreifend regeln. Ich glaube, der Bund hat dabei, auch wenn die Zuständigkeiten klar verteilt sind, eine koordinierende Funktion. Denn wenn in einem Land etwas gemacht wird, bedeutet das, dass in einem anderen Land vielleicht ein stärkeres Hochwasser entsteht, wenn dort weniger gemacht wird. Deswegen muss man dies länderübergreifend angehen. Nur 5 Prozent der Flächen, die 2002 als Retentionsflächen, als Rückzugsräume für die Flüsse im Falle eines Hochwassers, vorgesehen waren, werden heute dafür genutzt. Dieses Projekt müssen wir wieder nachhaltig angehen. Wir müssen auch über Planungsbeschleunigungen nachdenken. ({11}) Natürlich müssen wir uns auch über den Widerstand vor Ort unterhalten; das ist überhaupt keine Frage. Aber das, was Sie von der FDP hier gerade gemacht haben - Sie haben nicht nur die Umweltschutzverbände, sondern auch den Bauernverband, der vor Ort immer heftig dabei ist, ins Abseits gestellt -, halte ich für nicht in Ordnung. ({12}) Wir brauchen einen ökologischen Hochwasserschutz, und die betroffenen Menschen vor Ort müssen einbezogen werden, damit es vernünftig funktionieren kann. Ich bitte Sie, über die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nachzudenken. ({13}) Das sind diejenigen, die vor Ort bei Hochwasser helfen. Sie haben eine Reform gemacht, durch die die Leute vor Ort abgezogen werden. Das darf nicht sein. ({14}) Ich bitte Sie, das Forschungsprogramm KLIWAS wieder aufzugreifen. Nur 22 Millionen Euro werden zur Verfügung gestellt, um den Zusammenhang zwischen dem Entstehen von Hochwasser und dem Klimawandel zu erforschen. Sie lassen dieses Programm 2014 auslaufen. Es muss wieder installiert werden, damit wir einen vernünftigen Hochwasserschutz bekommen. ({15}) Stärken Sie die Kommunen! Tun Sie alles dafür, dass wir den Betroffenen mit einer Elementarversicherung für alle vorsorgend helfen! ({16})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Florian Pronold. - Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön, Kollege Norbert Barthle. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die CDU/CSU-Fraktion sagen, dass unser allererster Gedanke in dieser Parlamentsdebatte den Betroffenen, den Opfern dieses Hochwassers gilt. Dies erfordert unser Mitgefühl. Wir stehen auch zu der notwendigen Hilfsbereitschaft. Unser zweiter Gedanke gilt den vielen, vielen Helfern aus den Hilfsorganisationen, aber auch den freiwilligen Helfern, die vor Ort sofort unbürokratisch zu Hilfe geeilt und füreinander eingestanden sind. Ihnen gilt unser zweiter Gedanke. Es wurde schon erwähnt: Allein das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr haben bisher zusammen rund 215 000 Mann- respektive Frautage geleistet; die Arbeit der sonstigen Hilfsorganisationen ist in dieser Berechnung noch nicht enthalten. Wir, der Bund, haben sofort entschieden, die Kosten hierfür - sie betragen rund 100 Millionen Euro - allein zu tragen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Notfälle und Naturkatastrophen sind normalerweise die Stunden der Regierungen. Deshalb will ich an dieser Stelle meinen ganz herzlichen Dank auch an die unionsgeführte Bundesregierung aussprechen, besonders an Bundeskanzlerin Angela Merkel und an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die schnell und zeitnah verhandelt und sich mit den Ländern auf eine Finanzierung geeinigt haben, um aktuell Soforthilfe leisten zu können und später auch die Folgen dieser Katastrophe bewältigen zu können. ({0}) Solche Zeiten sind nicht die Zeiten für parteipolitische Auseinandersetzungen. Diese Woche ist die Woche des Parlaments. In diesem Parlament herrscht eine große Einigkeit darüber, dass wir diesen Nothilfefonds einrichten und damit solidarisch den Opfern beistehen und dafür sorgen, dass die Folgen beseitigt werden können. Wenn irgendwo in Europa, wenn irgendwo in Deutschland eine Notsituation eintritt, dann ist der Bundestag in der Lage, schnell und kurzfristig Hilfe zu leisten. Wir werden alle Gesetzgebungsmaßnahmen in dieser einen Sitzungswoche durchziehen, um den Weg frei zu machen, damit der Bundesrat abschließend am 5. Juli entscheiden kann. Ich danke deshalb nochmals allen Fraktionen, die in dieser Debatte ihr Einverständnis erklärt haben, dem zuzustimmen. Aber auch in solchen Zeiten muss es erlaubt sein, dass man einige Fakten zur Finanzierung sagt. Zur Finanzierung muss gesagt werden, dass der ursprüngliche Vorschlag der Länder zur Finanzaufteilung bedeutet hätte, dass allein der Bund die Kosten trägt. Ich glaube, das kann nicht der richtige Weg sein; denn Solidarität ist keine Einbahnstraße, wie schon erwähnt wurde, sondern da sind alle gefordert. ({1}) Nach den Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin haben nun einige Länder gemeint, sie könnten die notwendigen Kosten nicht - wörtlich zitiert - „einmal eben so ausschwitzen“. Auch der Bund kann die Kosten nicht einmal eben so ausschwitzen. Nein, wir errichten einen Sonderfonds in Höhe von 8 Milliarden Euro. Davon abziehen werden wir 1,5 Milliarden Euro, für die wir alleine einstehen, nämlich für die dem Bund gehörende Infrastruktur. Der Rest wird zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Länder beteiligen sich dann noch mit 3,25 Milliarden Euro an der Abfinanzierung, an der Verzinsung und der Tilgung, dieses Sonderfonds, über 20 Jahre hinweg gestreckt. Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Finanzsituation des Bundes und der Länder - das wird in der Öffentlichkeit häufig übersehen - so aussieht, dass es den Ländern in ihrer Gesamtheit im Schnitt besser geht als dem Bund. Der Bund ist höher verschuldet als die Länder. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch erwähnen, dass die derzeit hohen Steuereinnahmen in der Regel zwischen Bund und Ländern hälftig aufgeteilt werden. Auch die Länder profitieren also von der derzeit guten Situation; das wird in der Öffentlichkeit relativ häufig übersehen und falsch dargestellt. Deshalb fand ich es auch unpassend, dass sich der Finanzminister eines Landes - ich will jetzt keinen Namen nennen - während der Verhandlung darüber beklagt hat, dass der Bund nicht solidarisch sei. Das, meine Damen und Herren, war absolut unangemessen. Wir sind wirklich solidarisch und übernehmen den Großteil der Kosten. ({2}) Der Bund kann sich das - ich sage es etwas salopp auch leisten. Was heißt das? Wir können diese 8 Milliarden Euro schultern, zulasten neuer Schulden im Jahr 2013. Die Neuverschuldung wird dieses Jahr, im Jahre 2013, auf 25,1 Milliarden Euro - statt auf 17,1 Milliarden Euro - ansteigen. Wir können diese 8 Milliarden Euro schultern, weil die notwendigen Risikopuffer in unseren Haushalten enthalten sind. ({3}) Wir haben in vier Jahren die im Jahre 2010 vorgesehene Nettokreditaufnahme, damals noch 86 Milliarden Euro - es war übrigens ein Steinbrück-Haushalt, Herr Pronold, in dem diese 86 Milliarden Euro Neuverschuldung vorgesehen waren -, auf nur noch knapp 6 Milliarden Euro im kommenden Jahr reduziert. Also 80 Milliarden Euro weniger Neuverschuldung innerhalb von vier Jahren - das müssen Sie erst einmal nachmachen. ({4}) Das sorgt dafür, dass wir jetzt den notwendigen Puffer haben, um diese 8 Milliarden Euro aufnehmen zu können, ohne dass die Schuldenbremse tangiert wird. Im Gegenteil, wir haben eigentlich noch relativ viel Luft, was die Schuldenbremse anbelangt. ({5}) Wir müssen noch nicht einmal die Nothilferegelung der Schuldenbremse in Anspruch nehmen, die in der grundgesetzlichen Formulierung enthalten ist. Wir nehmen sie, wie gesagt, nicht in Anspruch; denn wir haben uns die notwendigen Puffer erarbeitet. An dieser Stelle erlaube ich mir den zarten Hinweis, dass es schön wäre, wenn sich alle Bundesländer - nicht nur einige wenige, sondern alle Bundesländer - jetzt auf den Weg machen würden, für die Einhaltung der Schuldenbremse Vorsorge zu treffen und sich die notwendigen Puffer zu erarbeiten, damit man in Notsituationen wie der heutigen nicht sagen muss: Es sollen bitte andere helfen; wir können es nicht. ({6}) Meine Damen und Herren, es sollte auch erwähnt werden, dass im Zuge dieser Vereinbarungen auch über die Entflechtungsmittel gesprochen wurde. Die Entflechtungsmittel werden nun bis Ende 2019 fortgeschrieben, und zwar in der derzeitigen Höhe von jährlich 2,6 Milliarden Euro. Also, von Entflechtung kann eigentlich keine Rede sein; denn die Verflechtung bleibt da. Die Entflechtungsmittel werden vom Bund geleistet. Sie wären eigentlich 2014 ausgelaufen. Sie werden jetzt bis 2019 fortgeschrieben. Damit hat sich ein weiteres Mal ein Phänomen gezeigt, das wir in den vergangenen Monaten immer wieder beobachten konnten: Beispielsweise hat der Bundesrat seine Zustimmung zum Fiskalpakt mit Leistungen des Bundes verknüpft. Auch an dieser Stelle wurde die Zustimmung an eine Leistung des Bundes geknüpft, die mit der Fluthilfe direkt eigentlich nichts zu tun hat. Das hat für mich, meine Damen und Herren, einen leicht negativen Beigeschmack. ({7}) Positiv festzuhalten ist, dass damit für den Bund, die Länder und die Kommunen für die kommenden Jahre Planungssicherheit gegeben ist, sodass die notwendigen Schutzvorkehrungen, was den Hochwasserschutz anbelangt, getroffen werden können. Lassen Sie mich abschließend noch einmal all den freiwilligen, ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie den Helferinnen und Helfern aus den verschiedenen Hilfsorganisationen meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. Die Fluthilfe und die Beseitigung der Folgen der Flut sind nationale Aufgaben. Wir stehen den betroffenen Menschen zur Seite, wir lassen sie mit ihrem Schicksal nicht allein. Wir können, glaube ich, als Nation ein Stück weit stolz darauf sein, dass - das muss man zum Schluss auch einmal feststellen - diese Ehrenamtskultur bei uns so gut ausgeprägt ist wie kaum irgendwo anders auf dieser Welt. Ein herzliches Dankeschön dafür! ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. - Nächster Redner für die Fraktion Die Linke: unser Kollege Jan Korte. Bitte schön, Kollege Jan Korte. ({0})

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich den Präsidenten des THW, Herrn Broemme, herzlich begrüßen. Schön, dass Sie bei dieser Debatte anwesend sind. Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen vielen Dank für die geleistete Arbeit! ({0}) Bei uns in Sachsen-Anhalt beginnen die Aufräumarbeiten, und es wird Bilanz gezogen, vor allem in Magdeburg und Halle. Besonders betroffen sind zurzeit noch Fischbeck und auch mein Wahlkreis, zu dem unter anderem der Raum Bitterfeld/Bernburg gehört. Auch in Aken sieht es nicht gut aus. Frau Bundeskanzlerin, Sie waren in meinem Wahlkreis in Bitterfeld zu Gast. Ich persönlich fand, das war eine gute Geste. Andere vor Ort fanden das nicht so hilfreich; aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, ist, welche Schlussfolgerungen wir aus der Hochwasserkatastrophe ziehen. Ich finde, der neue Bundestag sollte in einem Jahr erneut hier zusammenkommen, und dann sollte darüber diskutiert werden, was erledigt wurde und was noch offen ist. Das sollten wir heute hier festhalten und dem neuen Bundestag mit auf den Weg geben. ({1}) Ich habe in der vergangenen Woche mit vielen Einsatzkräften und mit vielen Ehrenamtlichen vor Ort gesprochen. Ich möchte vier ganz konkrete Punkte einmal ansprechen, auf die es nicht sofort Antworten gibt, aber über die wir nachdenken müssen und für die wir Regelungen finden müssen - einiges ist schon angesprochen worden -: Erstens. Wir müssen ganz klar dazu kommen, den Deichbau und den Deichschutz bundeseinheitlich zu regeln. Wir brauchen einen Bundesplan, der im Übrigen auch die Bergbaufolgelandschaften gerade in SachsenAnhalt und Sachsen mit in den Blick nimmt und integriert. Da hat der Bund jetzt eine Verpflichtung. ({2}) Viele Helfer haben mir gesagt: Im Katastrophenfall gibt es nur einen Deich. - Genauso muss es im Katastrophenfall einen Krisenstab geben. Wir mussten erleben, dass es in vielen Gebieten zwischen Ländern, Landkreisen und anderen hin und her ging. Das müssen wir ändern. Im Katastrophenfall muss gelten: Es gibt einen Deich, es gibt einen Stab. ({3}) Zweitens will ich zumindest kurz ansprechen: Als die Flut kam, war natürlich noch nicht absehbar, welche katastrophalen Folgen sie haben wird. Als sich dies dann langsam herausstellte, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, anfangs vorgeschlagen, wir müssten 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Mittlerweile sind wir erfreulicherweise dazu gekommen, dass doch ein bedeutend höherer Betrag - ich fürchte, er wird nicht ausreichen - zur Verfügung gestellt wird. Eine Anmerkung will ich trotzdem machen: In meinem Wahlkreis ist es für die Leute nur relativ schwer nachvollziehbar, dass wir für die Banken hier in einer Woche Milliarden zur Verfügung stellen ohne große Debatte. Dass es in diesem Fall so lange gedauert hat, sollte uns ein wenig zu denken geben, und das sollten wir in Zukunft korrigieren. ({4}) - Das kann man doch einmal ansprechen. - Ich will auch erläutern, warum ich glaube, dass - das ist schon angesprochen worden - auch diese 8 Milliarden Euro nicht ausreichen werden. In Sachsen-Anhalt, in Thüringen und Sachsen - auch in meinem Wahlkreis - müssen die Bauern enorme Ernteausfälle beklagen. Darüber müssen wir nachdenken. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie es im Hinblick auf die Infrastruktur ehrenamtlich tätiger Vereine, vor allem Sportvereine, weitergeht. In Aken konnte vor einigen Jahren für 30 000 Euro ein neuer Fußballplatz angelegt werden. Er ist nun komplett zerstört. Man weiß in Aken nicht - auch Sie kennen die Finanzlage der Kommunen -, wie man das nötige Geld zusammenbekommen soll. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir Sondermittel zur Verfügung stellen können, damit die Ehrenamtlichen weiterarbeiten können. ({5}) Drittens möchte ich die Situation der freiwilligen Feuerwehren ansprechen. Sie sind extrem wichtig, gerade bei Katastrophenlagen. Wir müssen darüber nachdenken, ob es richtig war, dass wir den Bundesanteil bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge immer weiter reduziert haben. Wir müssen hier dringend eine Umkehr einleiten und die Geräte der freiwilligen Feuerwehren in einen Topzustand versetzen. ({6}) Ich will in diesem Zusammenhang noch - viertens einen Punkt ansprechen, der Ostdeutschland besonders betrifft: Viele freiwillige Feuerwehren, gerade im ländlichen Raum, haben das Problem, dass die Einsatzmindeststärke kaum noch zu gewährleisten ist, weil so viele junge Leute weggezogen sind bzw. zum Arbeiten in den Westen fahren. Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir den jungen Leuten dort eine Perspektive verschaffen können, damit auch dort der Katastrophenschutz über die freiwilligen Feuerwehren weiter gewährleistet wird. Das ist eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe, die wir angehen müssen. ({7}) Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Selbstverständlich geht mein Dank an die freiwilligen Feuerwehren, das THW, die Kommunen, die Bundeswehr und übrigens auch an die Wasserwehren, bei denen vor allem ältere Feuerwehrkollegen - auch im Alter von über 65 Jahren - aktiv sind, die oftmals zuerst vor Ort waren. All diesen müssen wir danken. Vor allem danke ich auch den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern, die in den letzen Wochen Enormes geleistet haben. ({8}) Auch bei mir vor Ort war es in der Tat bemerkenswert und bewegend, zu erleben, wie viel Solidarität organisiert wurde und real geworden ist - vor allem von jungen Leuten. Ich glaube, dass die Politik verpflichtet ist, diese Solidarität, die in diesem Land vorhanden ist, zu fördern und auszubauen und den Leuten Mut zu machen, selber mit anzupacken und die Entwicklung dieser Gesellschaft in ihre Hände zu nehmen. Auch das sollte eine Lehre aus der Flutkatastrophe sein. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. ({9})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Jan Korte. - Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen unsere Kollegin Frau Priska Hinz. Bitte schön, Frau Kollegin.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass es in den Hochwassergebieten so viel Solidarität mit der Bevölkerung von Freiwilligen gegeben hat, die in diese Gebiete gereist sind. Deswegen ist es auch richtig, dass es eine schnelle Einigung zwischen dem Bund und den Ländern über die Hochwasserhilfe und darüber gegeben hat, wie sie zu finanzieren ist. ({0}) Der Bund trägt die Hauptlast; das ist richtig. Ich halte es, wie meine gesamte Fraktion, allerdings für richtig, dass wir diese Hauptlast tragen, weil die Länder in einer anderen Finanzklemme als der Bund stecken, auch wenn wir - Kollege Barthle, das ist richtig - einen höheren Schuldenberg als die Länder insgesamt zu verkraften haben. Aber es ist auch so, dass der Bund den Ländern in den letzten vier Jahren durch die Steuergesetze von Schwarz-Gelb systematisch Steuern entzogen hat. ({1}) Deswegen halten wir es für richtig, dass wir als Bund hier stärker eintreten, und im Gegensatz zu der Opposition in 2002 werden wir die Finanzierung auch mittragen. ({2}) Ich glaube nicht, dass die Betroffenen irgendein Verständnis dafür hätten, wenn wir hier in Parteitaktik verfallen und uns gegenseitig vorwerfen würden, dass die Finanzierung nicht gut genug ist. Den Betroffenen muss jetzt schnell und unbürokratisch geholfen werden. Deswegen gilt ihnen auch unsere Solidarität. Wir haben im Haushaltsausschuss ja auch schon zu erkennen gegeben, dass wir den interfraktionellen Antrag für den Aufbauhilfefonds mittragen werden. ({3}) Ich möchte aber trotzdem deutlich machen, dass wir anders als der Kollege Döring, der Kollege Barthle und auch die Kanzlerin die Nettokreditaufnahme von 25 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht für einen Pappenstiel halten. Ich glaube auch nicht, dass man so nonchalant sagen kann: Na ja, wir halten ja die Schuldenbremse ein, also ist alles Paletti. Außerdem haben wir den Bundeshaushalt wunderbar konsolidiert; da fällt das nicht weiter ins Gewicht. - Dass Sie das hier vortragen, ist nun wirklich hanebüchen. Wir alle wissen doch, dass es mit der Konsolidierung des Haushalts nicht weit her ist und dass der Bund das jetzt nur gut tragen kann, weil das Zinsniveau so niedrig ist, wir eine gute konjunkturelle Lage haben ({4}) und weil Sie für 2013 zusätzlich 5 Milliarden Euro aus den Sozialversicherungen entnommen haben. ({5}) Deswegen kann man das so gut verkraften. ({6}) Wenn wir eine schlechte konjunkturelle Lage hätten, dann sähe das schon ganz anders aus. Deswegen muss man sagen: Ihre Haushalte sind nicht auf finanzielle Vorsorge abgestellt. Wenn wir schwierige Zeiten hätten, dann müssten wir über ganz andere Maßnahmen der Gegenfinanzierung reden, als wir das heute im Rahmen der Fluthilfe tun. ({7}) Es ist auch nicht so, dass die zu beschließenden Änderungen des Entflechtungsgesetzes, die mitverabschiedet werden sollen, eine neue Wohltat des Bundes darstellen. Die Länder haben Änderungen in diesem Gesetz schon im letzten Herbst rund um den Fiskalvertrag mit der Bundesregierung ausgehandelt. Lange hat sich die Koalition geweigert, diese Änderungen im Gesetz auf den Weg zu bringen. Jetzt wird es gemacht. Das halten wir für richtig. Das Geld müssen wir aufwenden, um die jetzigen Schäden gemeinsam zu reparieren. Wir brauchen aber einen vorsorgenden Hochwasserschutz, damit wir künftig nicht mehr so viel Geld für Reparaturmaßnahmen bereitstellen müssen. Wenn wir jetzt mehr Geld für den vorsorgenden Hochwasserschutz zur Verfügung stellen, dann müssen die Menschen bei der nächsten Hochwasserkatastrophe nicht mehr so sehr leiden. Das wäre ein richtiger Schritt. Ich hoffe, die Solidarität unter uns hält so lange an, um einen solchen Hochwasserschutzplan gemeinsam auf den Weg zu bringen. Danke schön. ({8})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Priska Hinz. - Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion der FDP: unser Kollege Hans-Michael Goldmann. Bitte schön, Kollege Hans-Michael Goldmann. ({0})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich als Vorsitzender des Agrarausschusses ein paar Worte an Sie richten kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Bundeskanzlerin Merkel heute in besonderer Weise auch die Landwirte angesprochen hat, die unter dieser Situation ganz besonders leiden: persönlich, für ihre Tiere, ihre Äcker, die Investitionen, die sie getätigt haben. Ich kann Ihnen sagen: Diese Ansprache tut den Bauern in der jetzigen Situation unheimlich gut, in der sie in vielfältiger Form ungerechtfertigt an den Pranger gestellt werden, auch von einigen hier im Parlament. Ich war schon erschüttert, als Sie, Frau GöringEckardt, in der Sendung Günther Jauch erklärten, dass die intensive Landwirtschaft für die Hochwasserstände sozusagen verantwortlich ist, weil dies zu einer Verdichtung der Böden führt. Eine ganz kurze Belehrung: Vielleicht fahren Sie einmal mit einem Rennrad mit einer schmalen Bereifung durchs Land und dann noch einmal mit einem Mountainbike mit einer breiten Bereifung. Wenn Sie sich einmal die Reifen der Fahrzeuge der Landwirte ansehen, die heute auf solchen Flächen im Einsatz sind, dann werden Sie feststellen, dass dort überhaupt keine Verdichtung stattfindet. ({0}) Wenn Sie ab und zu auch einmal Stöckelschuhe tragen, dann müssten Sie eigentlich wissen, dass der Stöckelschuh zu einer stärkeren Verdichtung führt als ein Schuh mit flacher Sohle. ({1}) - Ja, Frau Göring-Eckardt, da fassen Sie sich an den Kopf. Ich kann Ihnen nur sagen: Auch ich habe mich an den Kopf gefasst, als ich Sie in der Sendung Günther Jauch erlebt habe. Sie haben diese Behauptung heute wiederholt. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den Landwirten in der Region. Das ist auch unchristlich, was Sie machen. ({2}) Wenn Sie dann einem Kollegen von meiner Fraktion, Herrn Kurth, vorwerfen, er sei nicht an der Sache orientiert, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie nicht an der Sache orientiert sind. Das, was Sie im Moment machen, nämlich sich nach hinten umzudrehen und mir noch nicht einmal zuzuhören, ist flegelhaft. So viel präsidiale Verantwortung sollten Sie schon an den Tag legen. ({3}) Ich weiß, dass das nicht in Ihre aktuelle Anti-BauernKampagne passt. Im Moment greifen die Grünen die Bauern überall dort an, wo das nur möglich ist. ({4}) Ich finde, es ist ungehörig, so etwas zu machen. Die Bauern sind diejenigen, die unter dem Hochwasser am meisten gelitten haben. Die Bauern leiden auch langfristig darunter. ({5}) Ich lade Sie ein, mich auf meinem Rückflug zu begleiten. Wenn ich am Freitag mit einem relativ kleinen Flieger nach Hause fliege, dann können wir über das Gebiet der Elbe fliegen. Dann werden Sie feststellen, dass die gesamte Region verölt ist. Dann werden Sie auch feststellen, dass dieses Öl aus dem Wasser in die Böden eingedrungen ist und diese belastet. Dadurch wird eine langfristige Perspektive für die Bauern schwierig. Ich finde, in einer solchen Situation ist das, was Sie heute als fachlichen Beitrag geleistet haben, ein Skandal und offenbart ein erschreckendes Maß an Unwissenheit. ({6}) Ich will deutlich sagen: Ich bin froh. Auch in Osnabrück gibt es Probleme. Das Gute war, dass die Osnabrücker und die emsländischen Feuerwehren geholfen haben. Dafür sollten wir dankbar sein. Ich bin dankbar dafür, dass sich so viele Menschen mobilisiert fühlen. Ich bin dankbar dafür, dass wir das Geld bereitstellen. Ich bin dankbar dafür, dass wir im Ausschuss jede Form von Weichenstellung, ob Rentenbank, agrarsoziales Sicherungssystem oder Solidaritätsfonds, angesprochen und auf den Weg gebracht haben. Wir helfen den Bauern, weil die Bauern ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind: Sie pflegen den Boden und die Tiere und sorgen dafür, dass es uns gut geht. Herzlichen Dank. ({7})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aussprache ist für den Bundesrat Dr. Marcel Huber, der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit des Freistaates Bayern. Bitte schön, Dr. Marcel Huber. ({0}) Dr. Marcel Huber, Staatsminister ({1}): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das erste Juniwochenende mit der Flutkatastrophe, die über dieses Land hereingebrochen ist, hat auch Bayern erwischt, nach wochenlangem Dauerregen - ein Starkregenereignis, wie die Fachleute es bezeichnen. In Aschau im Chiemgau sind in 90 Stunden 400 Liter auf den Quadratmeter geregnet. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Es ist mehr als die Hälfte dessen, was sonst im ganzen Jahr niedergeht. Die Folge war Hochwasser. Daraus folgten Deichbrüche, Überflutungen und große Not für viele Menschen. Ich erinnere mich noch gut an die erste Phase, die heiße Phase, die Phase der Lebensgefahr, als ein Polizeihubschrauber bei Winzer einen Bauern vom Dach eines Traktors retten musste, als Menschen von Dächern geborgen werden mussten und viele, viele Deiche bis zur Erschöpfung der Einsatzkräfte verteidigt werden mussten. Es wurden auch Deiche aufgegeben und Ortschaften evakuiert. Mitten in der Nacht klopfte jemand an die Tür und sagte: Ihr müsst alle raus in die Notunterkunft. Es wird hier lebensgefährlich. Staatsminister Dr. Marcel Huber ({2}) Nach dieser dramatischen Phase kam die Phase des Zurückgehens des Wassers. Man sieht erst dann das Ausmaß der Verwüstungen; die Schäden werden offensichtlich. Das, was man sich mühsam über die Jahre aufgebaut hat - Möbel, Inventar, einen Betrieb -: alles nur noch Sperrmüll. Häuser, Betriebe, Bauernhöfe sind durchweicht, nass und dreckig, stinkend nach Fäkalien, aber auch nach Öl. In dieser Situation sind Menschen verzweifelt gewesen. Manche hatten nur noch das, was sie am Leibe trugen, bei sich, und manche Existenz ist heute zerstört. Haus und Betrieb sind nur noch Ruinen. Das hat die Menschen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht. Hier ist es notwendig, zu helfen. Das haben auch viele gemacht. Es haben schon viele angesprochen, welch fantastische Solidarität in diesem Lande zu beobachten war. Es ist eben kein Land, das nur aus einer Fit-und-Fun-Gesellschaft besteht, aus „Ichlingen“, die nur an sich selber denken. Auch die Jugend verbringt ihre Zeit nicht nur in virtuellen Welten vor dem PC. Sie haben gezeigt, dass sie innovativ mit den sozialen Netzwerken helfen können. Es wurde heute schon angesprochen. Es hat mich äußerst beeindruckt, was eine junge Studentin erzählt hat: In deren Vermittlungsstelle in Deggendorf haben Leute angerufen, die einen Betriebsausflug geplant hatten. Es waren zwei Busse voll Menschen, die eigentlich einen schönen Tag verbringen wollten und sich dazu entschlossen haben, zu helfen. Aber fahren Sie einmal in ein Krisengebiet und sagen Sie: Ich habe zwei Busse voll Helfern mitgebracht! - Durch Facebook und das Internet wurden diese Menschen an Häuser verwiesen, wo dringend Hilfe notwendig war. ({3}) Ein schönes Beispiel gelebter Solidarität! Junge Menschen mit ihren neuen Methoden, ältere Menschen, die bereit sind, den Nachbarn zu helfen, egal wie: Das ist doch eine sehr erfreuliche Beobachtung. ({4}) Natürlich gab es auch die hochprofessionelle Hilfe der Menschen vor Ort: Die Mandatsträger, Bürgermeister und Landräte haben hervorragende Arbeit geleistet. Ich war auch selbst in Verbindung. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Staatssekretär Scheuer um 2 Uhr in der Früh über die Lage in Passau. Aber auch all die, die sich quasi professionell im Ehrenamt damit befassen: Feuerwehr, Rotes Kreuz, Johanniter, Malteser, Wasserwacht, DLRG und auch die Bergwacht mit einer großen Zahl von Menschen, die aus dem ganzen Land gekommen sind, um zu helfen: ein wunderschönes Bild. An dieser Stelle möchte ich mich als Landesvertreter aber auch bei den Bundesstellen ganz herzlich bedanken: bei Bundespolizei, dem THW, aber auch der Bundeswehr. Fantastisch, wie man sich hier in die örtlichen Einsatzstäbe eingegliedert hat und wie selbstverständlich alle zusammengearbeitet haben. Herzlichen Dank hierfür. ({5}) - Dazu komme ich gleich. Dank auch für die politische und moralische Unterstützung, Frau Bundeskanzlerin und Herr Bundespräsident. Es muss nicht jeder mit Schaufel und Besen helfen. Auch die moralische Unterstützung ist wichtig. Sie zeigt, dass sich die politische Führung dieses Landes für die Menschen interessiert, Zuspruch gibt und auch Hilfe zusagt. Das hat den Menschen sehr geholfen. Ohne Geld geht es nicht. Wir müssen beim Wiederaufbau große Summen in die Hand nehmen. Wir haben zum Beispiel in Bayern noch in der Hochwasserwoche Soforthilfe gewährt. Am Mittwoch hat das Kabinett getagt. Bereits am Nachmittag wurde das Geld überwiesen, und am Donnerstag wurde die Soforthilfe in Höhe von 1 500 Euro bzw. 5 000 Euro ausgezahlt. Herzlichen Dank dafür, jetzt diese Aufbauhilfe von Bundesseite zu unterstützen. Die Initiative, die Sie heute hier auf den Weg bringen, ist für uns alle von größter Bedeutung. Aber genauso wichtig ist es, sich dem zu stellen, was auf uns wartet; denn der Klimawandel wird uns solche Ereignisse in Zukunft wahrscheinlich häufiger und mit noch größerer Intensität bescheren. Wir müssen uns dringend vor neuen Ereignissen dieser Art wappnen. Wichtig ist auch die sofortige Reparatur. Mein Finanzminister hat mir 25 Millionen Euro zur Beseitigung der Flutschäden zur Verfügung gestellt. Aber es geht nicht nur um das Flicken. Wir müssen schnellstmöglich den Stand der Technik - HQ 100 plus 15 Prozent Klimaaufschlag - erreichen. Wir ziehen die Lehren aus den Geschehnissen. Technischer Hochwasserschutz hat Vorrang, um Ansiedlungen zu schützen oder große Schäden zu vermeiden. Wir sehen aber: Allein eine Kanalisierung reicht nicht. Wir müssen Fläche schaffen. Wir müssen Retentionsräume schaffen. Dabei hilft eine Konfrontation zwischen natürlichem Hochwasserschutz und technischem Hochwasserschutz nicht weiter. Wir brauchen natürliche Retentionsräume, Deichrückverlegungen, Auwaldvernässungen, Moorrenaturierungen, Uferaufweitungen und vieles mehr. Gezeigt hat sich aber auch: Das wichtigste Hilfsmittel, das wir benötigen, sind gesteuerte Flutpolder, die so dimensioniert sind, dass sie Hochwasserwellen wirklich brechen können. Dafür brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens. Hier dürfen Naturschützer nicht gegen Bauern und Bürgerinitiativen nicht gegen Kommunen ausgespielt werden. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, sodass wir jetzt entsprechende Maßnahmen ergreifen können, damit wir in Zukunft gegen solche Ereignisse gewappnet sind. In Bayern stehen dafür Mittel in Höhe von 230 Millionen Euro pro Jahr bis 2020 zur Verfügung. Damit können wir einiges machen. Aber wir müssen die Maßnahmen auch umsetzen können. Deshalb bin ich dankbar für die Unterstützung durch Maßnahmen zur Beschleunigung entsprechender Verfahren. Staatsminister Dr. Marcel Huber ({6}) Abschließend: Danke dafür, dass sich der Bundestag heute mit diesem Thema befasst, für die Regierungserklärung und für die Aktion, über einen großen Fonds Hilfe zur Verfügung zu stellen. Ich bedanke mich für die Gelegenheit, vor Ihnen sprechen zu dürfen. ({7})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion von CDU und CSU: unser Kollege Dr. Michael Luther. Bitte schön, Kollege Dr. Michael Luther. ({0})

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hochwasser ist ein Naturereignis. Hochwasser gibt es immer wieder einmal, gab es und wird es auch in Zukunft geben. Hochwasser hat die dumme Eigenschaft, dass es, wenn es besonders hoch ist, eine ganze Menge Schäden anrichten kann und dass es dann viele Betroffene gibt, die unter dem Hochwasser zu leiden haben. Ich bin nicht bange um Deutschland; denn ich habe gesehen, was in der Zeit des Hochwassers alles möglich war, wie viel Hilfe möglich war, wie viele Menschen sich sehr schnell entschlossen haben, einfach zu helfen; das wurde heute schon von vielen erwähnt. Ich will an dieser Stelle den vielen freiwilligen Helfern, die da tätig geworden sind, recht herzlich Dank sagen. Dank auch den vielen privaten Spendern, die in ihre Tasche gegriffen haben und für andere Menschen in unserem Land Geld ausgegeben haben. Dafür herzlichen Dank! Auch herzlichen Dank den professionellen Helfern von Bundeswehr, THW, Feuerwehr, Bundespolizei und den vielen anderen aus den Nachbarländern, die gekommen sind, um in Deutschland zu helfen. Herzlichen Dank dafür. ({0}) Ich will an dieser Stelle aber auch mein Mitgefühl denjenigen aussprechen, die betroffen sind. Sie stehen jetzt vor einer schwierigen Situation. Ich kann mich noch gut an das Jahr 2002 entsinnen, als viele gefragt haben, wie es weitergeht. Durch den Fonds, den wir heute auflegen, kann diesen Menschen geholfen werden. Ich bin dankbar dafür, dass es in diesem Bundestag offensichtlich eine große Solidarität in schwieriger Stunde gibt und dass wir sagen: Wir wollen 8 Milliarden Euro bereitstellen - das ist eine ganze Menge Geld -, um dann, wenn die Ausmaße der Flutkatastrophe vollständig bekannt sind und man weiß, was im Einzelnen gemacht werden muss, die Maßnahmen unbürokratisch umzusetzen. An dieser Stelle ein ganz besonderes Dankeschön der Regierung, der Frau Bundeskanzlerin, aber auch den Bundesländern. Ich hoffe, wir können uns selber danken, wenn wir am Freitag die Maßnahmen auf den Weg gebracht haben werden. Es gibt aber noch etwas, was an dieser Stelle erwähnt werden sollte. Es geht darum, ob man etwas in Zukunft tun kann, damit keine Schäden in diesem Ausmaß entstehen. Ich spreche vom technischen Hochwasserschutz. In diesem Zusammenhang, Herr Pronold, habe ich Ihren Redebeitrag nicht richtig verstanden. Kollege Kurth von der FDP hat vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Jahr 2002 erwähnt, dass auch damals über den technischen Hochwasserschutz geredet worden ist. Er ist an vielen Stellen umgesetzt worden, und das war hilfreich. Die Frage aber muss erlaubt sein: Warum ist er nicht überall umgesetzt worden? Denn wenn man eine Lehre ziehen will, muss man fragen, was falsch gemacht worden ist, was verändert werden muss. ({1}) Das, was unbedingt gemacht werden muss, ist: Es muss schneller gehen. Viele, die 2002 dem Eindruck erlegen sind, es sei ein Jahrhunderthochwasser, und gedacht haben, es treffe sie in ihrem Leben nicht noch einmal, ({2}) haben erfahren müssen, dass es doch schneller geht. Deswegen muss das Hochwasser von 2013 dazu führen, dass ein vernünftiger Hochwasserschutz beschleunigt durchgeführt wird. Da gilt für mich ganz klar die Regel: Die Städte müssen geschützt werden. Man muss auch überlegen, ob es Flächen gibt, die als Polderflächen zur Verfügung stehen können, die also integriert werden können. Es muss auch die Frage erlaubt sein, ob es kleine Siedlungen gibt, die möglicherweise aufgegeben werden müssen, weil es keinen Sinn macht, diese alle 5, 10 oder 20 Jahre erneut aufzubauen. - So weit der Teil meiner Rede, der den Inhalt dieser Debatte betrifft. Ich bin 1989 im Rahmen der Herbstrevolution in die Politik geraten. Ich war Mitglied der Volkskammer und seit dem 2. Dezember 1990 Mitglied des Bundestages. Ich habe den Volkskammersaal kennengelernt, den alten Reichstag, das Wasserwerk, den neuen Plenarsaal in Bonn und jetzt den neuen Reichstag. Ich habe den Einigungsvertrag erleben dürfen, die staatliche Einheit, die Umsetzung des Ganzen bis hin zur Einführung des Euro. Ich finde den Euro gut und will das an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Ich habe Deutschland erlebt, als es noch unter dem Viermächtestatus stand, und lebe heute in einem geeinten Deutschland, anerkannt in der Welt. Das war eine tolle geschichtliche Zeit. Ich bin für diese Zeit dankbar. Ich scheide freiwillig aus dem Deutschen Bundestag aus, weil ich mich dazu entschlossen habe; denn es gibt auch eine Zeit nach der Politik. Ich mache das gerne; wir hatten aus diesem Anlass gestern in der Landesgruppe einen schönen Abend. Ich wünsche Ihnen alles Gute und möchte mich bei allen recht herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. ({3}) Gestern hat ein Kollege gesagt, ich sei dafür bekannt, ein Familienmensch zu sein. Lassen Sie mich deshalb einen letzten Wunsch äußern: Familie und Politik müssen vereinbar bleiben. ({4}) Ich habe bis heute nicht verstanden, warum man Politik nicht an sechs Tagen in der Woche betreiben kann und warum man unbedingt den Sonntag für alle möglichen Klausurtagungen braucht. Danke schön. ({5})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Michael Luther. Das haben sicher viele gehört, die uns immer zu Terminen am Sonntag einladen. ({0}) Dr. Michael Luther, von mir ganz persönlich alles Gute. Nächster Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Georg Schirmbeck für die CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön. ({1})

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich selbstverständlich den Dankesworten an alle an, die in der Not geholfen haben. Es ist schön, dass wir festgestellt haben, dass Deutschland in der Not wirklich zusammenhält und sich wechselseitig hilft. ({0}) Wenn wir allgemein über die Dinge reden, sind wir uns einig. Aber das Leben ist konkret, und wenn wir ganz konkret über die Dinge reden, sind wir uns eben nicht einig. Das hat man beispielsweise gesehen, als der Vizepräsidentin Göring-Eckardt aus den Reihen der FDP ganz konkrete Fragen gestellt wurden. Fragen dieser Art stellen sich, und über diese Fragen müssen wir auch zukünftig reden. Denn es gibt, wie wir auch jetzt gesehen haben, allerhand zu tun, da das eine oder andere nicht richtig gelaufen ist. Es gibt auch solche in unserem Land, die in den letzten zehn Jahren sinnvollen Maßnahmen im Wege gestanden haben. Auch darüber muss man sprechen. Ist es nicht richtig, dass wir in weiten Teilen unseres Landes Wasserschutzgebietsgrenzen von 1936 haben? Muss man da nicht handeln? Das ist konkret. Da geht es um Eigentumsrechte; da geht es um konkrete Belastungen. Um diese Dinge muss man sich kümmern. ({1}) Wir wissen, wo in Deutschland Deiche weich sind. Müssen wir das nächste Mal unter einer anderen Regierung wieder darüber reden, wenn die dortige Region abgesoffen ist? Sollten wir nicht jetzt handeln? Müssen wir nicht jetzt etwas konkret umsetzen? Schauen wir einmal in unsere Verwaltungen. In welchem Bundesland gibt es in dem zuständigen Ministerium studierte Wasserwirtschaftler? Wann sind da einmal neue, junge studierte Wasserwirtschaftler eingestellt worden? In welcher Kreisverwaltung, in welcher Stadtverwaltung gibt es studierte Wasserwirtschaftler als Dezernenten? An der Antwort darauf kann man ablesen, welche Priorität gesetzt wird. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viel gemacht; das ist sicherlich so. Über die GAK „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ wurden für den Hochwasserschutz 2 Milliarden Euro ausgegeben. Aber richtig ist auch, dass 50 Millionen Euro an Bundesmitteln nicht abgeflossen sind, weil es offensichtlich keine entsprechenden Maßnahmen gab. Das ist die Wahrheit. Auch über diese Dinge muss man ganz konkret sprechen. Ist es nicht auch richtig, dass wir immer noch in Wasserschutzgebieten bauen, dass wir dort immer noch Versiegelungen vornehmen und dass wir Ausgleichsmaßnahmen durchführen, die oft wenig sinnvoll sind, um dem Hochwasserschutz gerecht zu werden? Auch darüber müssen wir reden. Wenn wir das nicht tun, kommt es wieder zu den Ereignissen, die wir dann gemeinsam beklagen müssen. ({2}) Manchmal stellt sich uns natürlich auch die Frage - ich habe es eben gesagt: das Leben ist konkret -: Gehen Biodiversität und Ökologie vor Hochwasserschutz bzw. Menschenschutz? Man muss darüber entscheiden, und zwar in einer zumutbaren Zeit, damit auch entsprechend gehandelt werden kann. Wenn wir das nicht machen, werden wir dieser Aufgabe nicht gerecht. ({3}) Wir werden aber trotz aller Maßnahmen, die wir gemeinsam sinnvoll umsetzen, feststellen, dass es immer Naturkatastrophen und auch Hochwasser geben wird. Wir sollten den Bürgern nicht vortäuschen, dass wir etwas regeln können, was von einer höheren Macht ausgeht. Ich wünsche mir - und das erwarte ich eigentlich von jeder Regierung -, dass wir denken und handeln auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf der Basis von ideologischen Einbildungen. Das ist unsere zentrale Aufgabe. Dass dieses Parlament diese Aufgabe erfüllt, wäre mein Wunsch für die Zukunft. Ich wünsche den Menschen, die von dieser Katastrophe betroffen sind, dass sie den Mut haben, neu anzufangen, dass sie mit unserer Hilfe die meisten Schäden beseitigen können und dass sie wieder ein schönes Leben in ihrer Heimat haben. In meiner Heimat, im Teutoburger Wald, sagt man zum Abschied: Glück auf! Herzlichen Dank, dass ich hier elf Jahre arbeiten durfte. ({4})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Kollege Georg Schirmbeck. Ganz persönlich alles Gute. Unser Kollege Wolfgang Nešcović hat seine Rede zu Protokoll gegeben. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/14078, 17/14000, 17/13896 und 17/14079 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Alle sind damit einverstanden; Widerspruch erhebt sich nicht. Dann haben wir dies so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. Juni 2013, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.