Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu einer jedenfalls im Sitzungs-
ablauf etwas ungewöhnlichen Zeit. Die heutige Sitzung
habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes
in Verbindung mit § 21 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung
auf Verlangen der Koalitionsfraktionen einberufen. Inter-
fraktionell ist vereinbart worden, zusammen mit dem Ta-
gesordnungspunkt 1 als Zusatzpunkt 1 den Antrag der
Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/13896 mit dem
Titel „Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten“
sowie als Zusatzpunkt 2 den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/14079 mit dem
Titel „Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz
ökologisch modernisieren“ aufzurufen. Ich vermute, dass
Sie damit einverstanden sind. - Das ist offensichtlich der
Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun also die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 c
sowie die gerade angekündigten Zusatzpunkte 1 und 2
auf:
1 a) Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin
Bewältigung der Hochwasserkatastrophe -
Rasche Soforthilfe und zügiger Wiederaufbau
b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“ und zur Änderung weiterer Gesetze
({0})
- Drucksache 17/14078 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({1})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 ({2})
- Drucksache 17/14000 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Agnes Alpers,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten
- Drucksache 17/13896 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({3})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz ökologisch modernisieren
- Drucksache 17/14079 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({4})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Präsident Dr. Norbert Lammert
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Auch hierzu höre ich
keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel.
({5})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem Hochwasser der letzten Wochen traf uns in Deutschland eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes. War am 29. Mai 2013 in
ersten Meldungen noch einfach von einer Hochwasserlage in verschiedenen Regionen Deutschlands die Rede,
so erwuchs daraus binnen weniger Tage eine Hochwasserkatastrophe, die die Pegelstände von 2002 zum Teil
noch übertroffen hat. Sommerlicher Dauerregen verursachte innerhalb von nur elf Jahren eine zweite sogenannte Jahrhundertflut. Hauptbetroffen sind die Flussgebiete von Elbe und Donau. Aber auch zahlreiche andere
Gebiete, etwa an Saale, Mulde, Havel und Neckar, hatten
und haben unter dieser Katastrophe schwer zu leiden.
Der erste Katastrophenalarm wurde am 1. Juni im
Landkreis Leipzig ausgelöst. Wenige Tage später, am
5. Juni, gab es bereits in 43 Gebietskörperschaften Katastrophenalarm, am Ende in insgesamt 56 Städten oder
Landkreisen. In acht Bundesländern mussten Menschen
ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Der Höchststand
der Evakuierungen war am 10. Juni erreicht: fast 85 000;
das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl einer Großstadt. Am härtesten war Sachsen-Anhalt betroffen, mit
40 000 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten.
Die Gesamthöhe der Schäden können wir derzeit
überhaupt noch nicht absehen. Beinahe sprachlos haben
auch mich die Bilder gemacht, die sich mir bei meinen
Besuchen vor Ort boten, aber auch die Eindrücke, die ich
in Gesprächen mit Betroffenen gewonnen habe, in Passau, in Pirna, in Greiz, in Bitterfeld, in Wittenberge, in
Lauenburg, in Hitzacker: Menschen, die vor ihren verwüsteten Wohnungen, Häusern oder Geschäften stehen,
in ihrer Fassungslosigkeit und Verzweiflung, ihrer
Angst, manche zum zweiten Mal innerhalb von elf Jahren, aber eben auch Menschen mit ihrem Mut und ihrer
Entschlossenheit, sich trotz allem nicht unterkriegen zu
lassen. Das sind Eindrücke, die ich nicht vergessen
werde, und deshalb muss geholfen werden, schnell, direkt, unbürokratisch, nachhaltig.
({0})
Genau das tun wir: In der Stunde der Not ist unser
Land fest entschlossen und in der Lage, schnell und unmittelbar zu helfen. So hat sich jetzt das nach 2002 für
genau solche Katastrophen eingerichtete Gemeinsame
Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern bewährt. Dort gingen über 40 Hilfsanfragen der Länder
ein, nach Sandsäcken, Transportleistungen, Hochleistungspumpen oder Personal. Was benötigt wurde, das
wurde vermittelt, teilweise auch aus unseren Nachbarländern, wie zum Beispiel über 800 000 Sandsäcke aus
Dänemark.
Die Einsatzkräfte der Bundeswehr - es handelte sich
zeitweise um den größten Einsatz, den sie je hatte -, des
Technischen Hilfswerks und der Bundespolizei haben
unermüdlich angepackt. Kluge Menschen haben ausgerechnet, dass Bundeswehr, THW und Bundespolizei insgesamt über 200 000 Einsatztage geleistet haben. Noch
um ein Vielfaches mehr waren es aber bei den Angehörigen der Feuerwehren und aller anderen Hilfsorganisationen, die meisten von ihnen ehrenamtliche Helfer. Hier
hat sich das Ehrenamt erneut als eine zentrale Stütze unserer Gesellschaft erwiesen. Herzlichen Dank!
({1})
Ich möchte auch ein Dankeschön an all die Betriebe
sagen, die die ehrenamtlichen Helfer freigestellt und
ganz unbürokratisch reagiert haben.
({2})
Nicht zu vergessen sind die Freunde, Verwandten und
Nachbarn, die geholfen haben, die wildfremden Menschen, die plötzlich da waren und mit angepackt haben,
oder die Jugendlichen, die sich über die sozialen Netzwerke zum Helfen verabredet haben.
({3})
Wir erleben einmal mehr: In der Stunde der Not stehen die Menschen in Deutschland zusammen. Sie packen gemeinsam an, sie stehen einander bei. Wir sind ein
starkes Land. Der Zusammenhalt ist eine der größten
Stärken unseres Landes.
({4})
Allen Helferinnen und Helfern danke ich von dieser
Stelle aus noch einmal ganz herzlich, im Namen der ganzen Bundesregierung und - ich bin sicher - auch im Namen des ganzen Hohen Hauses.
({5})
Sie haben mit Ihrem persönlichen Einsatz für Ihre Mitmenschen noch Schlimmeres verhindert, Sie haben Leben gerettet. Das ist gelebte Solidarität.
Zu dieser gelebten Solidarität leistet auch die Politik
ihren Beitrag. Deshalb haben Bund und Länder über die
akute Bewältigung der Katastrophe hinaus weitere
Schritte unternommen:
Erstens. Die Bundesregierung hat den Ländern sehr
früh ihre Unterstützung bei den Soforthilfen zugesagt:
Zu jedem Landes-Euro geben wir einen Bundes-Euro
dazu. Über die Ausgestaltung ihrer Soforthilfeprogramme entscheiden die Bundesländer selbst. Das geht
nur direkt vor Ort.
Die Soforthilfen sollen Privathaushalten zugutekommen, etwa bei Schäden an Hausrat oder bei Ölschäden
an Wohngebäuden. Sie sollen die erste Not der betroffenen Menschen lindern, sei es, um sich Kleidung zu besorgen, oder, um die Wohnung wieder bewohnbar zu
machen.
Mit den Soforthilfen soll auch Gewerbetreibenden
und Unternehmen unter die Arme gegriffen werden, damit die Arbeit möglichst schnell wieder aufgenommen
werden kann.
Im Bereich der kommunalen Infrastruktur in den betroffenen Gemeinden dienen die Soforthilfen der schnellen Schadensbeseitigung, insbesondere an Schulen, Leitungen und Straßen. Die Menschen vor Ort müssen so
schnell wie möglich wieder mobil sein, ihrer Arbeit
nachgehen können und zur Normalität zurückfinden.
Dringend gebraucht werden die Soforthilfen auch für
die zum Teil massiv betroffene Landwirtschaft, wo
ganze Ernten vernichtet wurden. Mit den Soforthilfen
sollen die am stärksten betroffenen Betriebe schnell wieder auf die Beine kommen. Dies wird durch weitere
Maßnahmen begleitet, zum Beispiel durch ein Förderprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank.
Insgesamt rechnen wir derzeit mit einem Bundesanteil an den Soforthilfen in Höhe von 400 Millionen Euro.
Zweitens. Neben der Soforthilfe muss ein zügiger
Wiederaufbau gewährleistet werden; denn rasche Soforthilfen lindern zwar die erste Not, doch können sie nicht
das ganze, das massive Ausmaß der Schäden beheben,
die das Hochwasser bei Privathaushalten, Unternehmen
und in der Infrastruktur von Bund, Ländern und Gemeinden verursacht hat.
Für einen zügigen Wiederaufbau sind deshalb erhebliche finanzielle Anstrengungen notwendig. Entschädigungen und Wiederherstellung der Infrastruktur können
nicht mit den bislang geplanten und gegenwärtig verfügbaren Haushaltsmitteln finanziert werden. Deshalb machen wir jetzt mit dem Aufbauhilfegesetz den Weg frei
für einen Aufbauhilfefonds. Wie schon nach der Hochwasserkatastrophe 2002 wird auch dieser Fonds als Sondervermögen des Bundes errichtet. Das gibt uns die erforderliche Flexibilität. So können wir bedarfsgerecht
und zielgenau die notwendigen Mittel bereitstellen. Die
Mittel dieses Fonds wird der Bund vorfinanzieren. Der
Fonds hat ein Ausgabevolumen von 8 Milliarden Euro.
Das erforderliche Gesetzgebungsverfahren wollen und
werden Bund und Länder bis zum 5. Juli abgeschlossen
haben.
Der genaue Schlüssel zur Verteilung der Hilfsmittel
an die vom Hochwasser betroffenen Bundesländer wird
dann mit einer Verordnung festgelegt. Dies kann erst geschehen, wenn wir die Schäden besser abschätzen können, aber dann muss und wird es geschehen. Der Fonds
wird gemeinsam von Bund und Ländern getragen, die so
ihrer gemeinsamen Verantwortung angesichts dieser nationalen Aufgabe auch finanziell gerecht werden.
Die Kosten für den Wiederaufbau der zerstörten Bundesinfrastruktur, vor allem der beschädigten Straßen und
Bahnschienen, übernimmt der Bund allein. Wir rechnen
allein hier mit 1,5 Milliarden Euro. Für die anderen Leistungen wird es eine hälftige Aufteilung der Finanzierung
geben. Die Länder werden ihren Anteil an den Kosten
des Aufbaufonds, also Tilgung und Zinsen, über einen
Zeitraum von 20 Jahren erbringen. Alle Bundesländer,
direkt betroffen oder nicht, beteiligen sich an der Finanzierung. Auch hier stehen Bund und Länder solidarisch
zusammen.
({6})
Der Bund wird den neuen Fonds nicht über Steuererhöhung vorfinanzieren, sondern über eine höhere Nettokreditaufnahme in diesem Jahr. Das können wir verantworten, und zwar guten Gewissens, weil der Bund durch
den erfolgreichen Konsolidierungskurs der Bundesregierung solide Finanzen vorzuweisen hat.
({7})
Trotz der Hochwasserhilfen und der erhöhten Nettokreditaufnahme im Rahmen des notwendigen Nachtragshaushalts in diesem Jahr halten wir die Schuldenregel
weiterhin mit deutlichem Abstand ein.
({8})
Morgen - das nur zur Information - beraten und beschließen wir im Kabinett einen strukturell ausgeglichenen Haushalt für 2014. Dank allen, die daran mitgewirkt
haben!
({9})
Planungssicherheit besteht für die Länder und Kommunen jetzt auch über die künftige Höhe der sogenannten Entflechtungsmittel. Diese erhalten die Länder übergangsweise für zusätzliche Investitionen, vor allem in
die Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gemeindeverkehrswege oder Wohnraumförderung. Auch dies
kann natürlich dazu beitragen, die durch das Hochwasser
zerstörte Infrastruktur wiederaufzubauen.
Wir haben vereinbart, diese Mittel ab dem Jahr 2014
bis zu ihrem vorgeschriebenen Auslaufen im Jahr 2019
auf dem aktuellen Niveau fortzuschreiben. In diesem
Zusammenhang haben sich die Länder bereit erklärt,
dem Entwurf eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages im Bundesrat zuzustimmen.
Das ist eine gute Nachricht. Damit bringen wir ein wichtiges Anliegen Deutschlands innerstaatlich zum Abschluss.
({10})
Drittens. Über die Soforthilfen und den Aufbaufonds
hinaus wird die Bundesregierung auch ihre weiteren bereits begonnenen Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe fortführen. Weil gerade
auch viele Unternehmen schweren Schaden erlitten haben, hat die Bundesregierung am 5. Juni 2013 ein ZehnPunkte-Programm verabschiedet, das zu einem großen
Teil schon umgesetzt ist. So hat die Kreditanstalt für
Wiederaufbau ihre Förderprogramme für hochwassergeschädigte Unternehmen, Private und Kommunen geöffnet. Sie bietet Kredite zu einem Signalzins von 1 Prozent
an. Das Gesamtvolumen der zinsverbilligten Kredite
liegt bei circa 100 Millionen Euro. Zur Überwindung
kurzfristiger Liquiditätsprobleme hilft die KfW außerdem mit der Möglichkeit der Stundung von Zinsen und
Tilgungsleistungen sowie weiteren Flexibilisierungen.
Die KfW hat hierzu eine Hotline geschaltet.
Außerdem stützen wir in Not geratene Unternehmen
schnell und wirksam durch ein Sonderprogramm zur
Kurzarbeit. Über die bereits bestehenden Möglichkeiten
hinaus übernehmen wir zusätzlich die Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten in der Kurzarbeit. So
können Betriebe ihre qualifizierten Beschäftigten halten
und müssen sie nicht wegen Arbeitsausfällen entlassen.
({11})
Noch etwas kommt hinzu: Arbeitnehmer, die bei Aufräumarbeiten helfen, verlieren nicht ihren Anspruch auf
Kurzarbeitergeld.
Manche Betriebe mussten oder müssen vorübergehend schließen und haben Einbußen zu verkraften. Sie
brauchen Zeit, um die notwendigen Sanierungs- und Finanzierungsgespräche zu führen. Diese Zeit geben wir
den Betrieben. Mit einer Änderung der Insolvenzordnung werden wir die gesetzliche Frist von drei Wochen
nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aussetzen, innerhalb der ein Unternehmen sonst einen Insolvenzantrag
stellen müsste. Kein sanierungsfähiger Betrieb soll
durch das Hochwasser in die Insolvenz gezwungen werden.
({12})
Die vom Hochwasser Betroffenen können auch mit
steuerlichen Erleichterungen rechnen. Maßnahmen aus
einem mit den Ländern abgestimmten Rahmenkatalog
können kurzfristig umgesetzt werden. Zehn Länder haben bereits entsprechende Maßnahmen aus diesem Katalog auf den Weg gebracht. Zu den wichtigsten Möglichkeiten für Steuererleichterungen gehören unter anderem
die Anpassung der Steuervorauszahlungen, die Stundung
fälliger Steuern, der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge, die Bildung steuerfreier
Rücklagen und Abschreibungserleichterungen bei Ersatzbeschaffungen oder die steuerliche Berücksichtigung
der notwendigen Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung.
Außerdem wollen wir die Spendenbereitschaft erhöhen. Hierzu hat das Bundesfinanzministerium den Ländern einen sogenannten Spendenerlass zur Abstimmung
vorgelegt. Er enthält eine Vielzahl steuerlicher Verfahrenserleichterungen im Bereich des Spendenrechts. Ich
möchte allen, die mit ihren Spenden dazu beigetragen
haben, die Not zu lindern, ein herzliches Dankeschön sagen.
({13})
Viertens. Bund und Länder bekommen auch aus Europa Unterstützung. So hat die EU-Kommission bereits
deutlich gemacht, dass der Solidaritätsfonds der Europäischen Union für Hilfen zur Verfügung steht. Der
Fonds wurde nach dem Hochwasser 2002 geschaffen. Er
hat bereits damals gute Hilfe geleistet, und er wird es
auch heute wieder tun.
Auch die Europäische Investitionsbank steht bereit,
die Finanzierung von Wiederaufbaumaßnahmen zu unterstützen. Die Bundesregierung wird sich weiter dafür
einsetzen, europäische Instrumente schnell und wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Auch die Möglichkeiten im Bereich Strukturförderung müssen genutzt
werden, um auf die Herausforderungen der Flut gezielt
reagieren zu können.
Fünftens. Im Bundesinnenministerium haben wir einen Stab „Fluthilfe“ eingesetzt, der unter anderem die
aufseiten des Bundes erforderliche Steuerung und Koordinierung der Soforthilfe oder die Abwicklung des Fluthilfefonds übernimmt. Das Bundesinnenministerium hat
im Internet eine Fluthilfeseite mit wichtigen Informationen für die Bürger freigeschaltet. Auch das Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat auf
seiner Internetseite einen Bürgerservice zur aktuellen
Hochwasserlage mit Informationen über Hilfsangebote,
Vorsorge und Möglichkeiten zur Selbsthilfe eingerichtet.
Sechstens. So wichtig alle nationalen und europäischen Hilfen auch sind, es ist unumgänglich, unsere
Hochwasservorsorge zu verbessern, und zwar deutlich.
Wir müssen vorausschauend handeln. Wir müssen aus
den sogenannten Jahrhunderthochwassern, die tatsächlich aber im Rhythmus weniger Jahre auftreten, die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Dabei
ist zu differenzieren. Zum einen: Was hatten wir eigentlich geplant, konnte aber nicht umgesetzt werden, weil
die Planungsverfahren zu kompliziert waren oder zu
lange gedauert haben? Zum anderen: Wo brauchen wir
neue Konzepte?
Hierzu müssen alle ihren Beitrag leisten: Bund, Länder, Kommunen, Anwohner, Landwirte, Betriebe, alle.
Der Aus- und Neubau von Deichen ist wichtig, aber er
allein reicht nicht aus, um mit extremem Hochwasser
fertig zu werden, wie wir es jetzt ja erlebt haben. Ganz
banal: Das Wasser muss ja irgendwohin. Deshalb benötigen wir zum Beispiel mehr großräumige Rückhalteflächen.
({14})
Als erfolgreiches Beispiel hat sich die Überflutung der
Havelpolder in Brandenburg erwiesen, die effektiv zur
Senkung der Pegelstände geführt hat.
Flüsse wie Donau und Elbe kann man nicht abschnittsweise betrachten. Sie enden nicht an Landesgrenzen. Mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten habe ich deshalb vereinbart, dass wir für
Investitionen in den vorbeugenden Hochwasserschutz
eine abgestimmte Strategie entwickeln. Ich begrüße sehr,
dass sich der Bundesumweltminister mit seinen KolleBundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
ginnen und Kollegen der Länder dieses Themas angenommen hat und dies vorantreiben will. Ich begrüße
auch sehr, dass die Koalitionsfraktionen eigene Vorschläge hierzu entwickelt haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist noch
zu früh für ein Fazit. Stattdessen gilt es, den Betroffenen
weiterhin bei den Aufräumarbeiten zu helfen, rasche Soforthilfe und einen zügigen Wiederaufbau zu gewährleisten und die langfristig erforderlichen Maßnahmen zu
ergreifen, um uns alle noch besser vor solchen Katastrophen schützen zu können. Nach allem, was wir in den
letzten Tagen an Solidarität bei den Bürgerinnen und
Bürgern wie auch in der Politik, und zwar über Landesund Parteigrenzen hinweg, erleben durften, bin ich zuversichtlich, dass wir diese nationale Herausforderung
gemeinsam bewältigen werden. Unser Land stellt einmal
mehr unter Beweis, dass der so oft bemühte Begriff der
Solidarität für uns keine Phrase ist. Ich finde, wir dürfen
ein wenig stolz auf das sein, was unser Land ausmacht
und stark macht. Denn immer dann, wenn es darauf ankommt, sind wir füreinander da.
Herzlichen Dank.
({15})
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
Malu Dreyer.
({0})
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin ({1}):
Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr verehrte Frau
Bundeskanzlerin! Meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Das jüngste Hochwassergeschehen
an Elbe und Donau hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie existenziell gefährdend die Naturgewalten
sein können. Wir Bundesländer, insbesondere auch
Rheinland-Pfalz, können, selbst wenn wir dieses Mal
nicht in besonderem Maße betroffen waren, die leidvollen Erfahrungen mit Hochwasser aus eigener Anschauung sehr gut nachvollziehen. Es war und ist für uns deshalb Verpflichtung und Selbstverständnis zugleich,
solidarisch für die gemeinschaftliche Finanzierung der
Hochwasserfolgen einzutreten.
({2})
Am Rhein sind wir diesmal vergleichsweise glimpflich davongekommen. Aber es hätte auch uns schlimmer
treffen können. Wir müssen damit rechnen, dass es uns
jederzeit wieder treffen kann. Die Bundesländer stehen
auch deshalb solidarisch zueinander, selbst wenn es von
allen Ländern, nicht nur von den aktuell betroffenen,
eine große finanzielle Kraftanstrengung erfordert, diese
Solidarität zu unterlegen. Die Länderhaushalte werden
das, gerade vor dem Hintergrund der Schuldenbremse,
auch in den kommenden Jahren noch sehr deutlich spüren.
Beim Hochwasserschutz ist Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren ein solidarischer Partner. Das gilt nicht nur für
den Aufbauhilfefonds, den wir jetzt auflegen. Besonders
gefreut hat mich, dass so viele ehrenamtliche Helfer und
Helferinnen aus der gesamten Bundesrepublik in die
Hochwassergebiete geeilt sind, zum Teil unter Einsatz
ihres Urlaubs und ohne zu fragen, wer sie bezahlt.
({3})
Unser Gemeinwesen, das, was den Staat im Innersten
zusammenhält, funktioniert; die Bundeskanzlerin hat es
eben gerade gesagt. Das ist eine beruhigende und schöne
Erkenntnis, trotz dieser großen Notsituation in manchen
Bundesländern.
({4})
Aus unserer Verantwortung als Rhein-Anlieger, einer
wirtschaftlichen, verkehrstechnischen und - auch das
wollen wir nicht vergessen - touristischen und kulturgeschichtlichen Lebensader Deutschlands, wissen wir, dass
Hochwasserschutz nur gemeinsam funktionieren kann.
Unsere Flüsse machen eben nicht an Ländergrenzen halt.
Solidarität wird am Rhein seit vielen Jahren großgeschrieben. Deshalb haben wir in den letzten Jahrzehnten
konsequent Hochwasservorsorge betrieben und als vergleichsweise kleines Bundesland mit 900 Millionen Euro
sehr viel Geld investiert, um Hochwasserschutzanlagen
zu ertüchtigen und auszubauen. Genau wie wir mit unseren Poldern und Rückhalteräumen entlang des Rheins im
Fall der Fälle zum Schutz von Köln und Düsseldorf beitragen können, sind wir dankbar dafür, dass unsere
Nachbarn rheinaufwärts, in Baden-Württemberg und in
Frankreich, dasselbe für uns tun. Diese gemeinsame Verantwortung tragen die Länder auch in finanzieller Hinsicht.
({5})
Nicht zuletzt angesichts der Herausforderungen für
die Länderhaushalte setzt sich Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren auf Bundesebene dafür ein, dass sich der
Bund auch bei der Prävention stärker engagiert: beim
Deichausbau, beim Polderbau und bei den laufenden
Unterhaltungsmaßnahmen. Dabei verkennen wir nicht
die Zuständigkeiten der Länder für den Hochwasserschutz. Ich sage aber auch: Wenn Hochwasserkatastrophen wie diese den bundesstaatlichen Solidarfall auslösen, dann muss dies erst recht für die kontinuierliche
Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim
Hochwasserschutz, also bei der Prävention, gelten.
({6})
Daran müssen wir arbeiten. Wir brauchen aus meiner
Sicht einen nationalen Pakt für den Hochwasserschutz.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer ({7})
Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen, der Rhein ist eine der Lebensadern im Westen
Deutschlands, genau wie die Elbe und die Donau für den
südlichen und östlichen Teil von überragender Bedeutung sind. Hier wie dort konzentrieren sich herausragende Natur- und Kulturlandschaften genauso wie
bedeutende wirtschaftliche Infrastrukturen und Produktionsstätten. In einem vernetzten, hochtechnisierten
Land wie dem unseren verursacht eine Naturkatastrophe
vom Ausmaß des aktuellen Hochwassers nicht nur
immense Schäden an Ort und Stelle, sondern hat auch
Auswirkungen auf die überörtliche Infrastruktur wie
Verkehrsachsen, auf Produktionen, die voneinander abhängen, kurzum: auf ganze Regionen, Länder, auf die
gesamte Nation. Die Flut von 2013 hat uns erneut die
Verletzlichkeit unseres Landes vor Augen geführt, genau
wie 2002, und dies in einer vergleichsweise gesegneten
Weltregion, was die Gefahr von Naturkatastrophen anbelangt.
Auch aus diesem Grund analysieren wir sehr genau
die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den
Wasserhaushalt. Auch wenn es zu früh ist, genaue Prognosen abzugeben, so müssen wir doch damit rechnen,
dass die Zahl extremer Wetterereignisse zunimmt, Hochwasser öfter und vor allem in ihren Spitzen mit höheren
Pegeln auftreten werden. Aus Verantwortung für das
Heute und für die uns folgenden Generationen nehmen
wir diese Herausforderung sehr ernst.
Das Risiko steigt; das zeigt schon das vergangene Jahrzehnt. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen für den
Hochwasserschutz intensivieren. Ich bin heute davon
überzeugt, dass wir losgelöst von diesem aktuellen Ereignis die Verantwortung haben, beim Hochwasserschutz in
Deutschland sehr viel enger zusammenzurücken. Wir benötigen einen nationalen Pakt für Hochwasserschutz, einen Pakt, der über Zusammenarbeit und Finanzierung im
Hochwasserfall hinausgeht, einen Pakt im eigentlichen
Wortsinne: ein Bündnis - getragen von Solidarität, Fürsorge und Rücksichtnahme - für mehr Hochwasserschutz.
Sosehr ich mich freue, dass 2013 erneut die bundesweiten Hilfsmechanismen im Großen - wie beim Ausbauhilfefonds, diesmal auch mit den Stimmen der CDU/
CSU und der FDP - wie auch bei den nachbarschaftlichen, ehrenamtlichen Hilfen funktioniert haben, muss
ich dennoch sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass
wir mehr gemeinsame Verantwortung tragen müssen.
Die Verantwortung von Ländern und Bund besteht darin,
heute eine Bund-Länder-übergreifende Gesamtstrategie
zu entwickeln, damit wir morgen oder übermorgen beim
nächsten Hochwasser sagen können: Es ist weniger
schlimm gekommen, als wir befürchtet haben. Es ist weniger schlimm gekommen, weil wir uns schon im Vorfeld aus gesamtstaatlicher Solidarität besser vorbereitet
haben: weil wir ein Gesamtkonzept entwickelt und die
Umsetzung kontinuierlich durch eine gemeinsame Finanzierung sichergestellt haben - für einen besseren
Hochwasserschutz für die gesamte Republik.
({8})
Hochwasser, meine sehr verehrten Herren und Damen, wird sich nie ganz verhindern lassen. Aus den Erfahrungen in meinem Land kann ich jedoch sagen:
Hochwasserschutz ist immer ein Bündel vieler Maßnahmen. Dazu gehören Prävention und Vorsorge, ein konsequentes Hochwasserrisikomanagement und technischer
Hochwasserschutz durch Deiche, Polder und auch durch
Überflutungsflächen. Im Vordergrund steht nicht zuletzt
die Erkenntnis: Unser Hochwasserschutz muss nachhaltiger werden. Es ist keine neue Erkenntnis, dass wir den
Flüssen mehr Raum geben müssen, um - was ich sehr
schön umschrieben finde - mehr Breit- als Hochwasser
zuzulassen.
({9})
Die Grundanforderungen an eine solche Strategie hat
Rheinland-Pfalz in einem für den Bundesrat vorbereiteten Antrag skizziert. Es geht um folgende Bausteine in
einem abgestimmten Gesamtkonzept: Flächenvorsorge
durch Schaffung von Retentionsräumen und Rückverlegung von Deichen, natürlicher Wasserrückhalt, mehr
Raum für die Flüsse und Revitalisierung der Flussauen,
technischer Hochwasserschutz, Bau und Ertüchtigung
von Deichen und Poldern, Stärkung der Eigenvorsorge,
Prüfung, wie eine Elementarschadensversicherung für
alle Bürger und Bürgerinnen eingeführt werden kann,
Bauvorsorge und Verhaltensvorsorge zur Minimierung
des Schadenspotenzials, um Leib und Leben zu schützen, und funktionierender Katastrophenschutz.
Um den letzten Punkt, meine sehr geehrten Herren
und Damen, mache ich mir dabei die allerwenigsten Sorgen. Die Hochwassermeldedienste und der Katastrophenschutz von Feuerwehren, Polizei und THW haben
auch dieses Mal ihre Leistungsfähigkeit vollständig unter Beweis gestellt. Dafür bedanke auch ich mich sehr
herzlich.
({10})
Sehr viel langwieriger und auch kostenträchtiger wird
die Realisierung der anderen Schritte sein. Neben einem
Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz brauchen wir
auch langfristige Sicherheit für die Finanzierung. Ehrlich verstandene Solidarität kann aus meiner Sicht keine
Einbahnstraße sein. Hochwasserschutz kostet Geld, und
zwar viel Geld. Er ist eine Form der Daseinsvorsorge nationalen Ausmaßes, wie es die Bereitstellung von Trinkwasser, Elektrizität und Wärme ist.
Für die Finanzierung dieser gemeinschaftlichen
Aufgabe verfügen wir über bewährte Strukturen. Die
Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bietet hierfür einen möglichen Rahmen. Es wäre ein erster wichtiger
Schritt, einen eigenen Rahmenplan Hochwasser- oder
Ministerpräsidentin Malu Dreyer ({11})
Binnenhochwasserschutz aufzulegen und zusätzliche
Mittel - auch des Bundes - zu hinterlegen.
Meine sehr geehrten Herren und Damen, für mich ist
die zuletzt geübte Solidarität der Gradmesser für zukünftige Maßnahmen im Rahmen einer wirksamen Hochwasservorsorge. Letztlich profitieren alle auch vom Hochwasserschutz am Rhein, an der Mosel und an anderen
Flüssen. Dass hierfür alleine in meinem Bundesland
noch finanzielle Mittel in Höhe von rund 500 Millionen
Euro notwendig sind, zeigt die Größenordnung, vor der
wir alle heute in Zeiten der Schuldenbremse noch stehen.
Ich sage ausdrücklich noch einmal: Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe. In der Notsituation sind
alle vom Hochwasserschutz überzeugt. Wenn man allerdings zwei, drei oder vier Jahre später Deiche baut oder
rückverlegt und sagt: „Wir investieren dauerhaft Geld in
diese Vorsorge“ - das ist tatsächlich eine Gesamtleistung
unseres Staates -, dann denkt kein Mensch mehr an
Hochwasserschutz und hat Verständnis für entsprechende Maßnahmen.
({12})
Ich würde mich freuen, wenn wir beim Hochwasserschutz über die wichtigen Finanzierungsfragen hinaus,
die uns heute beschäftigen - ich möchte hinzufügen,
dass wir sehr froh sein können, diesen Solidarpakt geschaffen zu haben -, in Richtung einer abgestimmten
Strategie vorankämen. Neben der Sofort- und Aufbauhilfe für die akut Betroffenen wäre das sicherlich das
richtige Signal für die Menschen in unserem Land.
Herzlichen Dank.
({13})
Patrick Döring von der FDP-Fraktion ist der nächste
Redner.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder von den überfluteten
Städten und Dörfern haben uns alle zutiefst bewegt.
Menschen haben ihr Hab und Gut und manchmal auch
Angehörige verloren. Wir haben aber auch gesehen: Die
Menschen packen an. Sie verzagen nicht. Wir sehen diesen Zusammenhalt und das Miteinander. Das ist vorbildlich, macht Mut und zeigt: Wir leben in einer großartigen
Republik mit einer lebendigen Bürgergesellschaft.
({0})
Das THW, das Rote Kreuz, die Feuerwehren und die
vielen Organisationen und Freiwilligen vor Ort haben
tapfer gekämpft und gearbeitet - bis zur Erschöpfung.
Deshalb geht unser Dank an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer genauso wie an die vielen hauptamtlichen Helferinnen und Helfer. Unser Dank geht auch an
die Soldatinnen und Soldaten. Diese vorbildliche Arbeit
der Bundeswehr bei dieser Flutkatastrophe ist auch ein
Verdienst unseres Bundesverteidigungsministers. Lieber
Herr Minister de Maizière, Sie haben die Truppe besser
im Griff, als mancher von der Opposition gelegentlich
glaubt.
({1})
Wenn das Wasser, der Schlamm und die Sandsäcke
weg sind, dann kommt die nächste Herkulesaufgabe;
denn dann geht es um den Wiederaufbau. Wohnungen
müssen renoviert und Betriebe müssen flottgemacht
werden. Der geplante Fonds wird den Wiederaufbau in
den Flutregionen erheblich erleichtern. Keiner soll nach
der Flut materiell schlechter dastehen als vorher.
Mit dem Nachtragshaushalt gehen wir auch einen
haushalterisch vernünftigen Weg. Das zeigt, dass sich
Konsolidierung und gutes Wirtschaften auszahlen. Frei
nach Gerhard Schröder: Im Vergleich zu 2002 haben wir
nicht alles anders, aber vieles besser gemacht. Wir müssen jetzt nämlich nicht befürchten, die Verfassung zu
brechen und dass unser Haushalt in Schieflage gerät,
wenn wir diesen Nachtragshaushalt beschließen, sondern wir können mit einem ausgeglichenen Haushalt
2014 weiter solide wirtschaften. Es zahlt sich eben aus
- das zeigt diese Krise -, wenn man eine Wahlperiode
maßhält.
({2})
Gelegentlich haben einige Ministerpräsidenten angesichts der Fluthilfen sogar Steuererhöhungen ins Gespräch gebracht. Das wäre in dieser ökonomischen Lage
nun wirklich der falsche Weg gewesen. Es ist gut, dass
es für diese Nothilfe bei der Schuldenbremse eine Ausnahme gibt. Es ist noch besser, dass die Bundesregierung
morgen einen strukturell ausgeglichenen Haushalt für
2014 vorlegen kann. Das zeigt: Auch in schweren Zeiten
geht beides.
({3})
Wir werden in der Zukunft aber auch darüber sprechen müssen, wie wir den technischen Hochwasserschutz in unserem Land verbessern. Wenn man hierzu
von 2002 bis 2013 Bilanz zieht, dann muss man feststellen: Es hat nicht am Geld gemangelt, sondern es hat vielerorts am Willen gemangelt.
Wir alle wissen, wie aufwendig und mühevoll ein Planungsverfahren ist. Wir alle, gerade wir Liberalen, wollen eine engagierte Bürgerbeteiligung, auch im Planungsverfahren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn alle Landwirte, alle Bewohner, alle Unternehmer,
alle Träger der öffentlichen Belange in den Städten, die
von Hochwasser betroffen sind, mit den Planungen zufrieden sind, dann darf es nicht sein, dass ein Funktionär
in einem trockenen Büro in Berlin-Mitte über den Weg
der Verbandsklage die Realisierung einer Hochwasserschutzmaßnahme verhindern kann.
({4})
Deshalb brauchen wir analog zur Planungsbeschleunigung, wie wir sie zur Bewältigung der Infrastrukturherausforderungen nach der deutschen Einheit geschaffen haben, ein Planungsbeschleunigungsgesetz für den
technischen Hochwasserschutz: mit verkürzten Rechtswegen, nicht mit weniger Bürgerbeteiligung, aber mit
weniger Funktionärsbeteiligung zum Wohle der Menschen in den betroffenen Städten.
({5})
Der Bundestag tagt heute an einem Dienstag; das ist
außergewöhnlich. Aber außergewöhnliche Ereignisse erfordern auch außergewöhnliche politische Maßnahmen.
Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, die betroffenen
Gemeinden haben gezeigt: In Zeiten, in denen es schwierig ist, stehen wir zusammen. Wir arbeiten kooperativ. Das hat Tradition in dieser Republik. Wir alle, die wir
Mitglieder dieses Hauses sind, können stolz darauf sein,
dass uns das gelingt.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort erhält nun die Kollegin Katja Kipping für
die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So manchem Betrieb steht nach dem Hochwasser nun finanziell
das Wasser bis zum Hals. So manches landwirtschaftliche Unternehmen ist existenziell gefährdet. Auch Hoteliers und Gastronomen sind betroffen. Viele Menschen
haben während der Flut ihr Hab und Gut verloren. Diese
Menschen brauchen nun Hilfe, und zwar unbürokratisch
und schnell. Da werden wir die Bundesregierung beim
Wort nehmen.
({0})
Noch ist das Ausmaß der Schäden nicht in Gänze abzuschätzen. Jetzt die Höhe des Fluthilfefonds definitiv
auf 8 Milliarden Euro zu begrenzen, heißt, einen Deckel
einzuziehen, wo eigentlich kein Deckel hingehört. 2002
betrug das Volumen des Hilfefonds 10 Milliarden Euro.
Ich meine, zu gegebener Zeit wird man die Höhe des
Fluthilfefonds noch einmal überprüfen müssen.
Herr Döring, in einer solchen Situation ideologische
Gesänge des Sparens und ideologische Gesänge für ein
Verbot zur Aufnahme von Krediten anzustimmen, so wie
Sie das hier gemacht haben, finde ich zutiefst unangemessen.
({1})
- Wenn das bei Ihnen unideologisch ist, dann will ich
nicht wissen, was dabei herauskommt, wenn Sie so richtig ideologisch werden.
({2})
Ich habe mich mit Menschen unterhalten, die von der
Flut direkt betroffen sind, und dabei so manchen guten
Hinweis bekommen. Ich möchte nur einen nennen. Viele
Menschen und Unternehmen, die innerhalb weniger
Jahre zum wiederholten Male vom Hochwasser betroffen sind, wollen aus den direkt gefährdeten Gebieten
wegziehen. Aber sie wollen eben in der Region bleiben.
Diesen Menschen muss man jetzt Unterstützung anbieten, sei es durch die Ausweisung von neuen Gewerbegebieten, sei es in Form einer Entschädigung, um ihnen einen Neuanfang in der Region zu ermöglichen. Das ist
eine wichtige Voraussetzung, damit die Menschen aus
den besonders gefährdeten Gebieten wegziehen, aber in
der Region bleiben können.
({3})
Bei den vom Hochwasser Betroffenen sollte unser besonderes Augenmerk denen gelten, die ohnehin wenig
haben, also Menschen, die kein Auto haben, um einfach
wegzufahren, Menschen, die sich eben nicht für die Zeit
der Flut ein Hotelzimmer leisten können, oder Menschen, die keine Verwandten haben, bei denen sie für einige Tage unterkommen können. Eine Kollegin aus
Grimma hat mir erzählt, dass es zum Beispiel Flutopfer
gab, die bis zu einer Woche in einer Notunterkunft in einer Turnhalle leben mussten, und zwar in dem Wissen,
dass all ihr Hab und Gut währenddessen durch das
Hochwasser zerstört wird.
Insofern hat mich eine Geschichte besonders berührt.
Eine sächsische Oberbürgermeisterin erzählte mir von
einer recht armen Familie, die alle Materialien für die
Schuleinführung ihrer Tochter im Keller gelagert hatte,
und vom Ranzen bis zum Schreibheft war alles dem
Hochwasser zum Opfer gefallen. Die Oberbürgermeisterin wollte nun bei der Neuanschaffung von Schulheften
helfen, und sie sagte zu mir: Aber bei Geldspenden müssen wir davon ausgehen, dass das sofort auf die Sozialleistungen angerechnet wird.
({4})
Deswegen mussten wir einen Gutschein für einen
Schreibwarenladen organisieren. Der örtliche Schreibwarenladen war aber auch von der Flut betroffen.
({5})
- Ja, zum Glück hat sich inzwischen herumgesprochen,
dass Fluthilfe und Spendengelder nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden müssen.
({6})
Aber es gibt bisher keine verbindliche Verordnung. Deswegen fordere ich in diesem Zusammenhang die Regierung auf: Sorgen Sie mit einer Verordnung dafür, dass es
hier verbindliche Sicherheit gibt! Die Fluthilfe darf nicht
auf Hartz IV angerechnet werden.
({7})
Nur ein kleiner Teil der Schäden ist versichert. Ich
habe mit Interesse wahrgenommen, dass sich die Bundesregierung in einer Vorlage ganz klar gegen eine allgemeine Pflichtversicherung ausspricht. Darin heißt es:
Das zu geringe Bewusstsein in der Bevölkerung soll
durch Kampagnen geschärft werden. - Glauben Sie denn
ernsthaft, dass das zu geringe Bewusstsein in der Bevölkerung das Problem ist? Allein in Sachsen gibt es
17 000 Wohngebäude, die als nicht versicherbar gelten.
Deswegen lautet eine zentrale Erkenntnis der letzten
Wochen: Wir müssen ran an die Versicherungsgesetze.
({8})
Es kann nicht sein, dass sich die Versicherungen einfach
die Rosinen herauspicken. Wir brauchen eine allgemeine
öffentliche Versicherung gegen Elementarschäden.
Wenn wir jetzt über das Hochwasser sprechen, dann
geht es natürlich zuallererst um schnelle Hilfe. Aber es
geht auch um die Frage, wie wir in Zukunft solche großen Schäden vermeiden können. Beim Hochwasserschutz geht es nicht nur um das Bauen von Mauern und
um mobile Schutzwände. Sie können kurzfristig helfen,
aber sie bringen auch Probleme mit sich. In meiner Heimatstadt Dresden zum Beispiel konnte durch mobile
Wände größerer Schaden verhindert werden. Im Ergebnis hat das aber die Fließgeschwindigkeit der Elbe erhöht, und andere Städte wie Magdeburg, die weiter nördlich liegen, waren dann deutlich stärker betroffen.
Deswegen steht für uns als Linke eines ganz klar fest:
Allein auf technischen Hochwasserschutz zu setzen,
reicht nicht aus. Nachhaltiger Hochwasserschutz bedeutet nämlich vor allem eins: Wir brauchen Platz, damit
Regenwasser versickern kann, und es braucht natürlichen Überflutungsraum.
({9})
Nach der Flut 2002 hat beispielsweise eine von der
sächsischen Staatsregierung eingesetzte Expertenkommission die Empfehlung gegeben, allein in Sachsen
7 500 Hektar natürliche Überschwemmungsfläche zu
schaffen. In den letzten zehn Jahren hat das von der
CDU regierte Sachsen gerade einmal 111 Hektar Überflutungsfläche geschaffen. Wenn wir so kleckern, dann
werden wir den drohenden Gefahren von Hochwasser
wahrlich nicht gerecht.
({10})
Meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, in
der extreme Wetterlagen zunehmen und Jahrhunderthochwasser zu Jahrzehnthochwassern werden. Das ist
auch eine Folge von globaler Erwärmung, und die ist
von Menschen gemacht. Klimaschutz und die Reduktion
von CO2 galten lange Zeit als ein Thema allein für Ökos
oder, uncharmant ausgedrückt, für Körnerfresser. Ich
denke, inzwischen kann niemand mehr die Augen vor
der folgenden Tatsache verschließen: Wer beim Klimaschutz und beim nachhaltigen Hochwasserschutz spart,
bekommt eine Rechnung präsentiert, die unbezahlbar ist.
Klimaschutz und nachhaltiger Hochwasserschutz sind
von enormer Bedeutung für uns alle. Deswegen dürfen
sie nicht auf dem Altar von Profitinteressen geopfert
werden.
({11})
Abschließend möchte ich mich auch im Namen der
Linken bei allen Helferinnen und Helfern bedanken, den
hauptamtlichen wie auch den ehrenamtlichen, sowie
dem Technischen Hilfswerk. Ihrem selbstlosen Einsatz
ist es zu verdanken, dass sich die Schäden in Grenzen
gehalten haben. Ihr Einsatz war praktizierte Solidarität.
Sie, die jenseits der Kameras und jenseits der medialen
Öffentlichkeit geschuftet haben, sind die wahren Heldinnen und Helden der Fluthilfe. Ihnen gehört unser Dank.
Herzlichen Dank.
({12})
Nächster Redner ist der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich.
({0})
Stanislaw Tillich, Ministerpräsident ({1}):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Genauso wie 2002 hat uns im
Sommer 2013 ein schweres Hochwasser getroffen, und
zwar nicht Sachsen allein. Am Ende waren 11 von 16 Bundesländern von diesem Hochwasser ernsthaft betroffen.
Die Rekordpegelstände von 2002 - es war ein sogenanntes Jahrtausendhochwasser - wurden vielerorts
übertroffen, in einigen Regionen sogar weit darüber hinaus. Die Schadensbilder des Jahres 2013 gleichen denen des Jahres 2002. Menschen wurden zu Zehntausenden evakuiert. Die Menschen standen und stehen noch
immer fassungslos vor ihren verwüsteten Häusern und
Wohnungen. Der Vollständigkeit halber sei nur erwähnt:
Mit der Auszahlung der Soforthilfen im Freistaat Sachsen am 6. Juni war zwischen der Bundesministerin Frau
von der Leyen und dem Freistaat Sachsen geregelt, wie
mit Hartz-IV-Empfängern bei den Soforthilfen umzugehen ist. Diese Hilfen werden nicht angerechnet.
Die Bilder vom Hochwasser 2013 gleichen sich von
Passau über Meißen, Bitterfeld und Magdeburg bis nach
Fischbeck. Es ist eine Naturkatastrophe nationalen Ausmaßes.
Während des Hochwassers waren Tausende von professionellen, ehrenamtlichen und freiwilligen Hilfskräften im Einsatz. Auch mehr als 19 000 Soldaten, unter ihnen Soldaten aus den Niederlanden und aus Frankreich,
haben bei der Bewältigung bzw. der Bekämpfung des
Hochwassers geholfen. Ihnen gilt unser Dank.
({2})
Die Feuerwehren hatten bis zu 75 000 Mann im Einsatz.
Es ist die Rede von dem größten Feuerwehreinsatz seit
dem Zweiten Weltkrieg. Hinzu kamen Einsatzkräfte der
Bundespolizei, vom Technischen Hilfswerk, der Rettungsdienste und auch natürlich der Polizeien.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich ({3})
Meine Damen und Herren, es war überwältigend, zuerst zu sehen und dann selbst zu erleben, wie über soziale Netzwerke aus virtueller Freundschaft und unverbindlichen Likes verbindliche Absprachen wurden. Aus
Aktivitäten in den virtuellen Netzwerken wurde reale
Hilfe für Menschen in Not. Dafür gebührt den vielen
jungen Menschen unser Dank.
({4})
Dieses gegenseitige Füreinander-Dasein ist nicht nur
für mich persönlich als Ministerpräsident eines betroffenen Landes ein großartiges Zeichen eines starken gesellschaftlichen Zusammenhalts. Deswegen an dieser Stelle
noch einmal: Allen Helfern gilt mein herzlicher Dank.
Danke Deutschland!
({5})
Wir wissen: Die Beseitigung der neuen Hochwasserschäden und der Wiederaufbau übersteigen die Leistungsfähigkeit der einzelnen betroffenen Länder. Deshalb erfordern sie eine gesamtstaatliche Kraftanstrengung. Das
ist auch der Grund für diese Sondersitzung des Bundestages. Frau Bundeskanzlerin, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihre Regierungserklärung. Sie haben
sich vor Ort selbst ein Bild über die Schäden gemacht,
gerade als die Situation in Pirna am schlimmsten war
und die Menschen noch auf den Hochwasserscheitel
warteten.
Wir debattieren heute über die Einrichtung eines Aufbauhilfefonds. Auch dafür gilt Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und allen anderen Mitgliedern der Bundesregierung, aber auch allen Abgeordneten des Deutschen
Bundestages mein herzlicher Dank; denn was jetzt erforderlich ist, ist ein schnelles Startsignal für den Wiederaufbau in den betroffenen und durch das Hochwasser geschädigten Gebieten.
({6})
Jetzt sind Länder und Bund gefordert, Hand in Hand die
Voraussetzungen für den Wiederaufbau zu schaffen, genauso wie es die Fluthelfer getan haben, indem sie die
Sandsäcke von Hand zu Hand weitergereicht haben, um
das Hochwasser zu bekämpfen.
Beim Flutgipfel am 13. Juni im Kanzleramt haben
Länder und Bund gemeinsamen den Rahmen abgesteckt.
Vereinbart wurde der Aufbauhilfefonds 2013 mit einem
Volumen von 8 Milliarden Euro zur Beseitigung der
Hochwasserschäden, finanziert jeweils zur Hälfte vom
Bund und von den Ländern. Das Ergebnis ist gut. Es ist
allerdings eine Kraftanstrengung für alle, sowohl für den
Bund als auch für die Länder. Aber auch hier haben wir
wieder deutlich gemacht: Es geht eben nur gemeinsam.
Für alle Betroffenen - nicht nur in Sachsen - sind das
Fluthilfegesetz und der Aufbauhilfefonds eine Initialzündung für den Wiederaufbau. Diese setzt Kräfte frei,
auf die es jetzt ankommt, und darauf warten alle.
Die Mittel aus dem Aufbauhilfefonds werden wirken.
Sie werden Mut machen zur rechten Zeit, und sie werden
neue Hoffnung wecken, weil sie den Menschen eine
neue Perspektive, eine neue Chance eröffnen. Ich sage
ihnen für den Freistaat Sachsen zu: Jeder Euro, der zur
Verfügung steht, wird so angelegt, dass er der Beseitigung der Schäden und dem Wiederaufbau, aber auch
dem zukünftigen Hochwasserschutz dienen wird. Beides
ist förderwürdig; dafür werben wir. Beides gehört zusammen.
({7})
Unser Ziel in Sachsen ist, dass es keinen Wiederaufbau nach Schema F gibt nach dem Motto: Alles genauso
wie vorher und an der gleichen Stelle, wie es einmal
war. - In diesem Zusammenhang wollen wir mit den beteiligten Ländern und dem Bund darüber sprechen, dass
die Entschädigungssummen von den Betroffenen auch
für den Neuanfang - weg vom Wasser - verwendet werden können, damit sie beim nächsten und übernächsten
Mal nicht wieder betroffen sind, was ja andernfalls nicht
ausgeschlossen ist, und so enorme Schäden wieder auftreten.
Der Freistaat Sachsen hat aus dem Hochwasser 2002
seine Lehren gezogen. Ich möchte unseren Elbnachbarn
und hier insbesondere der Tschechischen Republik, der
dortigen Verwaltung und dem dortigen Ministerpräsidenten, für die Zusammenarbeit danken.
({8})
Sie haben in einer entscheidenden Sekunde den Ablauf
an der Moldau-Kaskade angehalten und damit letztendlich nicht nur Prag, sondern auch Dresden und die Unterlieger geschützt.
({9})
Wir haben die Kommunikation deutlich verbessert
und damit die Vorwarnzeiten erheblich verlängert. Wir
haben vielerorts den Hochwasserschutz verbessert, indem Retentionsflächen und weitere Überschwemmungsflächen geschaffen worden sind.
Wir werden auch aus dem Hochwasser 2013 lernen.
Da, wo schon Baurecht besteht, muss der Hochwasserschutz rasch umgesetzt werden. Der Hochwasserschutz
muss weiter beschleunigt werden. Wir brauchen Vorfahrtsregeln für den Hochwasserschutz, genauso wie das
heute bei den erneuerbaren Energien der Fall ist oder wie
es in der Vergangenheit beim Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz nach der deutschen Einheit möglich
wurde.
({10})
Präventiver Hochwasserschutz muss für jede Kommune zum Standard werden. Wir wollen noch mehr Retentionsflächen schaffen. Da, wo es geht, sollten zum
Beispiel Industriebrachen an Flussläufen geräumt werden, um dem Wasser mehr Raum zu geben. Ich will aber
auch deutlich machen: 72 Prozent der Landesfläche waren bei diesem Hochwasser 2013 im Freistaat Sachsen
überschwemmt. Breiter geht es kaum noch.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich ({11})
Uns allen ist klar, dass das, was wir heute hier beraten
und was der Bundestag und der Bundesrat in der kommenden Woche beschließen werden, nicht selbstverständlich ist. Dabei sind mir zwei Punkte besonders
wichtig. Erstens: Alle Mittel aus dem Aufbauhilfefonds
sind Hilfe zur Selbsthilfe. Zweitens: Die betroffenen
Länder leisten ihren Beitrag. Das ist Ausdruck eines föderalen Systems. Denn entgegen manch anderslautenden
Stimmen hat bei den Verhandlungen über den Aufbauhilfefonds keine Seite die andere übervorteilt. Alle Länder übernehmen für den Zeitraum von 20 Jahren die Tilgungs- und Zinslasten. Die Lasten sind dabei anteilig
verteilt. Auch das ist Ausdruck unseres föderalen Systems.
Ich danke als Ministerpräsident eines vom Hochwasser betroffenen Landes dem Bund für seinen Beitrag an
dieser gemeinsamen Kraftanstrengung. Die Übernahme
der Kosten für die Einsätze der Bundeswehr und des
THW sowie die langfristige Finanzierung des Fonds sind
für mich Ausdruck seiner Bereitschaft, den Ländern in
dieser Notsituation beizustehen. Das ermöglicht es den
Ländern, Solidarität zu üben und das gemeinsam gesteckte Ziel der Schuldenbremse zu erreichen.
Der Wille zum Wiederaufbau nach dem Hochwasser 2013 ist in allen Städten und Gemeinden in den betroffenen Gebieten vorhanden. Er ist nach wie vor ungebrochen, bei allen.
Schlimm hat es aber die Gastronomie und das Übernachtungsgewerbe erwischt. Für sie darf nach der Flutwelle nicht noch eine Stornierungswelle kommen. Die
meisten Gaststätten und Hotels, Cafés und Ferienwohnungen auch im Freistaat Sachsen waren überhaupt nicht
betroffen. Deswegen mein Appell, der gleichzeitig auch
eine Einladung ist: Kommen Sie nach Sachsen und in
die anderen vom Hochwasser betroffenen Regionen
Deutschlands! Es lohnt sich.
({12})
Meine Damen und Herren Bundestagsabgeordnete,
lassen wir die Menschen nicht im Stich. Geben wir ihnen
eine neue Chance zum Wiederaufbau. Ich bitte Sie um
die Zustimmung zum Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“.
Vielen Dank.
({13})
Die Kollegin Katrin Göring-Eckardt ist die nächste
Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,
es ist gut, es ist richtig, dass wir heute alle gemeinsam
denjenigen danken, die schnell geholfen haben, die unmittelbar bereit waren, loszugehen. Dank gilt nicht nur
denjenigen, die das professionell tun - dem THW, der
Feuerwehr, der Bundeswehr -, sondern auch den vielen
ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich über
die sozialen Netzwerke ganz schnell verabredet haben.
Für sie war das übrigens kein Neuland; sie haben das
einfach gemacht, wie sie das immer tun. Insofern herzlichen Dank an die Helferinnen und Helfer!
({0})
Ja, es ist notwendig, dass wir jetzt über schnelle Hilfe
beim Wiederaufbau reden. Deswegen begrüßen wir den
8-Milliarden-Euro-Hilfsfonds. Wir werden seiner Einrichtung zustimmen können, übrigens auch deswegen,
weil er zumindest einigermaßen solide finanziert ist, anders als manche Versprechen, die in diesen Tagen von
Ihrer Seite gemacht werden.
({1})
Jetzt heißt es ja, die Lage in den Hochwassergebieten
sei entspannt; das hören wir alleweil in den Nachrichten.
Das Gegenteil ist der Fall: Für viele Betroffene zeigt sich
erst jetzt das Ausmaß der Katastrophe. Das heißt, sie
müssen ihren kompletten Hausrat entsorgen. Alles, was
sie nicht retten konnten - Sofas, Kühlschränke, Betten,
Spielzeug, Wände, Parkettböden -, ist nur noch Müll;
was gerade noch blühende Gärten waren, sind jetzt
Schlammwüsten. Manche müssen ihre Häuser für immer
verlassen.
Nicht wenige Unternehmerinnen und Unternehmer,
ob in Grimma, in Lauenburg, in Deggendorf oder in Treben, stehen vor erheblichen Einbußen. Manche haben
auch das Gefühl, dass sie vor dem Aus stehen, weil ihre
Ware wegschwamm, weil die Produktionsräume geflutet
sind, weil die Computer abgesoffen sind. Auf Wochen
und Monate hinaus sind Betriebe lahmgelegt; Hotels und
Gaststätten fehlt es an Urlaubern. Für viele geht es nicht
nur um den Besitz und die Frage, wie sie dazu wieder
kommen, sondern um die pure Existenz.
Man könnte denken, das war 2002 schon so ähnlich.
Trotz der großen Solidarität damals wie heute gibt es etwas, das ist anders: Damals sprachen wir von einer Jahrhundertflut; jetzt, nur elf Jahre später, haben viele Menschen zum zweiten Mal Hab und Gut verloren. Ihnen
fehlt heute der Mut, weil sie sich fragen: Sollen wir noch
einmal alles aufbauen?
Frau Kollegin, ich habe hier den Wunsch nach einer
Zwischenfrage des Kollegen Kurth von der FDP.
Sehr gerne.
Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht mit Ihrer
Analyse, dass die Computer weggeschwommen sind;
Sie nannten Grimma. Warum ist Grimma abgesoffen?
Haben dort Umweltschutzverbände für den Aufbau einer
Deichwand eben nicht gesorgt? Sind sie dagegen vorgegangen?
({0})
Sie kommen - die Älteren wissen das - aus Thüringen. In Gera wurde eine zweite Spundwand nicht aufgebaut, weil Umweltschutzverbände gegen das Fällen von
sechs Kastanien vorgegangen sind. In Riesa, also in
Sachsen, wurde der Ameisenbläuling, eine Schmetterlingsart, gefunden. Deswegen konnte dort eine Deichwand nicht aufgebaut werden; man ist auch dagegen vorgegangen.
({1})
Ich weiß nicht, wie es den Ameisenbläulingen nach
der Überflutung in Riesa jetzt geht. Aber ich möchte
gerne von Ihnen wissen, wie Sie es finden - Sie benennen hier die richtigen Punkte -, dass Deichbauten, auch
Deichrückbauten in den Gebieten, wo überflutet werden
sollte, nicht durchgeführt wurden. In Sachsen gab es
30 entsprechende Vorhaben; nur zwei sind umgesetzt
worden, weil man gegen die restlichen aus Umweltschutzgründen vorgegangen ist. Wie bewerten Sie diese
Situation aus heutiger Sicht?
({2})
Das war jetzt Ihre Frage, Herr Kollege. - Bitte schön,
Frau Göring-Eckardt.
Herr Kurth, am liebsten würde ich jetzt sagen: Das ist
eine Frage, die die Menschen, die jetzt in ihren
Schlammhäusern sitzen, für ziemlich unangemessen halten.
({0})
Ich will Ihnen aber klar und deutlich sagen: Das Gegenteil ist der Fall. In den letzten Jahren ist an der einen
oder anderen Stelle drastisch in den technischen Hochwasserschutz investiert worden. Der ökologische Hochwasserschutz aber ist hintangestellt worden.
({1})
Wir können das am Beispiel Sachsen-Anhalt sehen. Dort
wurde 30-mal so viel in den technischen wie in den ökologischen Hochwasserschutz investiert. Auch in Sachsen
und Bayern ist das der Fall.
Solange wir keinen ökologischen Hochwasserschutz
haben und wir immer höhere Deiche und Mauern bauen,
so lange werden die Flüsse nichts anderes tun, als noch
schneller zu fließen. Wir haben zu wenig Überflutungsflächen; das stimmt. Aber Maßnahmen scheitern nicht
daran,
({2})
dass sich Leute Gedanken darüber machen, wie man einen Ausgleich zwischen ökologischen Vorhaben und
ökologischem Hochwasserschutz herstellen kann. Sie
scheitern vielmehr daran, dass wir immer nur kurzfristig
handeln und immer nur bis zum nächsten Tag denken.
Das langfristige Handeln findet eben nicht statt, Herr
Kurth.
({3})
Es ist klar und eindeutig: Wir brauchen ein radikales
Umdenken beim Hochwasserschutz. Die Anzahl der
schweren Hochwasser hat sich in den letzten Jahrzehnten verdoppelt. Dass das der Fall ist, zeigt die Häufigkeit
der Hochwasser in der letzten Zeit. Wir wissen, dass jeder Euro, der in den Hochwasserschutz investiert wird,
10 Euro für die Beseitigung der Schäden spart. Zur Vermeidung der Überflutungen müssen Bund und Länder
sich endlich zusammentun. Meine Damen und Herren,
die Flüsse kennen keinen Föderalismus.
({4})
Wir müssen dafür sorgen, dass tatsächlich oben am
Fluss gehandelt wird, damit es unten am Fluss nicht zur
Überschwemmung kommt. Dass jetzt viele hier sagen:
„Für die Hilfsleistungen bedanken wir uns“, das ist gut,
das ist richtig. Wir dürfen aber am Ende des Jahres nicht
wieder vergessen haben, dass es auf die langfristigen
Maßnahmen ankommt. Die kurzfristige Hilfe ist das
eine; das Deichbauen das andere. Es sind die langfristigen Maßnahmen, auf die es ganz zentral ankommt.
({5})
Es geht dabei übrigens nicht nur um die Überflutungsflächen. Es geht auch um die Frage des Klimaschutzes. Im letzten Jahr hat das Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung festgestellt, dass extreme Regenfälle und extreme Hitzewellen mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Frau Kollegin, ich bin gezwungen, wenn eine Wortmeldung vorliegt, Ihnen dies mitzuteilen. Der Wunsch
einer Wortmeldung besteht. Es handelt sich um eine
Zwischenfrage des Kollegen Drexler von der FDP. Lassen Sie diese Zwischenfrage zu?
({0})
Ich habe den Eindruck, dass es daran im Moment kein
Interesse gibt. Deswegen fahre ich fort.
({0})
Wenn die FDP Herrn Drexler Redezeit geben will, kann
sie das ja tun.
Mir geht es darum, deutlich zu machen: Klimaschutz
und Hochwasserschutz hängen sehr eng zusammen. Wir
dürfen uns nicht nur auf die Folgen unserer Hochwasserkatastrophe konzentrieren, sondern müssen auch einmal
dorthin schauen, wo die Folgen von Hochwasser noch
viel drastischer sind, nämlich nach Indien. Im Norden
Indiens sind derzeit Zehntausende von Menschen von einem Hochwasser betroffen. Es gibt inzwischen mehrere
Hundert, womöglich sogar tausend Tote. Auch das hat
mit der Versiegelung der Landschaft und mit mangelndem Klimaschutz zu tun.
In Deutschland wird pro Sekunde eine Fläche von
12 Quadratmetern versiegelt. Durch intensive Landwirtschaft werden, gerade in den Flussauen, immer mehr Böden verdichtet. Die Erderwärmung führt dazu, dass es zu
mehr Regenfällen kommt. Aus diesem Grund muss man
sagen: Klimawandel und Hochwasserschutz hängen verdammt eng zusammen. Deshalb gehört das auf die politische Agenda.
({1})
Es macht wenig Sinn, dass die Bundesregierung im
nationalen und europäischen Zusammenhang, beispielsweise bei der Reform des Emissionshandels, Klimaschutzmaßnahmen verhindert und weiter ausbremst. So
werden wir das 40-Prozent-Ziel bis 2020 nicht erreichen.
Wir haben übrigens einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgelegt. Wir werden sehen, wie Sie sich dazu
verhalten.
({2})
Ich will klar und deutlich sagen: Die Sofortmaßnahmen, die wir heute ergreifen, sind gut und richtig. Wir
werden darüber reden müssen, wie es, gerade in den
Hochwassergebieten, eigentlich mit dem Versicherungsschutz steht, wo sich die Menschen überhaupt versichern
können und was es bedeutet, eine hohe Selbstbeteiligung
zu haben und sich diese schlichtweg nicht alle paar Jahre
leisten zu können. Wir werden aber vor allem darüber reden müssen, wie wir die langfristigen Maßnahmen gestalten, wie wir das gemeinsam tun und wie wir das so
machen, dass uns die Leute in den Hochwassergebieten
nicht wieder fragen: Was habt ihr eigentlich in den letzten Jahren getan?
({3})
Vielen Dank, Frau Kollegin Göring-Eckardt. Nächster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion
der FDP unser Kollege Dr. Jürgen Koppelin. Bitte schön,
Kollege Jürgen Koppelin.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich möchte erst einmal den Betroffenen unsere Solidarität aussprechen. Ich glaube, die Betroffenen, die
heute hier unsere Debatte verfolgen, sind weniger daran
interessiert, Frau Kollegin von den Grünen,
({0})
das zu hören, was Sie heute vorgetragen haben; diese
Menschen wollen hören, was wir für sie machen.
({1})
Diese Menschen haben schwere Tage erlebt, hatten
Schäden an Haus und Hof und mussten gleichzeitig den
Kampf gegen die Wassermassen aufnehmen. Insofern
haben sie unsere Solidarität wirklich verdient. Wir sprechen nicht nur unsere Solidarität aus, sondern handeln
auch: In dieser Woche und am heutigen Tag zeigen wir
den betroffenen Menschen, dass uns das, was wir vor Ort
gesehen haben - Frau Bundeskanzlerin hat das vorhin
sehr deutlich geschildert -, nicht unberührt lässt. Wir
helfen auch finanziell. Wir geben zu: Ja, wir nehmen
neue Schulden auf. Aber es ist zum Wohle dieser Menschen; denn wir wollen sie nicht alleinlassen.
Da ich gerade von Solidarität und Anerkennung spreche, sage ich jetzt einmal in Richtung der Linken: Es ist
sehr nett anzuhören, dass Sie das THW loben. Aber warum fällt es Ihnen eigentlich so schwer, auch den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Ihren Dank auszusprechen?
({2})
- Frau Kipping, das gehört auch dazu. - Sie lehnen im
Haushaltsausschuss immer alle Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr ab, ob es um Hubschrauber
geht oder um ganz einfache Dinge, die die Bundeswehr
braucht und die auch jetzt zum Einsatz gekommen sind.
({3})
- Entschuldigung, Frau Enkelmann, Sie haben sich noch
nie damit beschäftigt. Sie sollten einmal Ihre Leute im
Haushaltsausschuss erleben, wie sie die Beschaffung
von allem, aber auch allem, was die Bundeswehr bekommen soll, ablehnen, selbst die Beschaffung der einfachsten Sachen.
({4})
- Sie offenbaren sehr deutlich, auch mit Ihren Zurufen,
dass Sie überhaupt nicht gewillt sind, der Bundeswehr
Dank auszusprechen. Ich will es tun.
({5})
Um eine Hausnummer zu nennen: Die Kosten bei der
Bundeswehr und der Bundespolizei lagen bei etwa
100 Millionen Euro. Auch das trägt der Bund, und das
ist selbstverständlich.
Der Kollege Patrick Döring hat zu Recht darauf hingewiesen - das kann ich wiederholen -: Wir können all
das jetzt machen, weil wir eine gute Konjunktur haben,
weil wir solide Haushaltspläne aufgestellt haben. Ich
sage in Richtung des Bundesrates: Ich würde mich
freuen, wenn die Reihen des Bundesrates genauso gut
besetzt wären, wenn wir die erste Diskussion über den
Bundeshaushalt führen, damit Sie sehen können, wie
man solide Haushaltspolitik macht.
({6})
Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam der Vorschlag, vielleicht die Körperschaftsteuer zu erhöhen oder
den Solidaritätszuschlag anzuheben. Ich bin froh, dass
wir das nicht machen. Denn mir ist schon klar: Hätten
wir das gemacht, wären wir diese Erhöhung nie wieder
losgeworden; das wäre nicht zeitlich begrenzt, sondern
auf Dauer gewesen. Ich erinnere da an die Sektsteuer:
Sie ist auch für eine bestimmte Sache eingeführt worden,
und es gibt sie heute immer noch, obwohl die kaiserliche
Marine - für sie waren die Einnahmen vorgesehen schon zweimal abgesoffen ist.
({7})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dies ist
heute vermutlich meine letzte Rede hier im Deutschen
Bundestag.
({8})
Insofern freue ich mich, dass ich zu einem Punkt sprechen kann, bei dem überwiegend große Übereinstimmung herrscht.
({9})
Ich bin froh, dass diese Übereinstimmung herrscht. Weil
in den Medienberichterstattungen manches anders aussieht, will ich einmal deutlich sagen: Es gab hier sehr oft
große Übereinstimmung zwischen allen Fraktionen, und
dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin auch sehr dankbar,
dass ich Freundschaften zu Mitgliedern aller Fraktionen
pflegen konnte.
Ich erlaube mir, bei meiner letzten Rede zwei Geschenke zu machen. Das größte Geschenk geht natürlich
an meine eigene Fraktion - das werden Sie verstehen -:
Sie bekommen Wolfgang Kubicki als meinen Nachfolger.
({10})
Das zweite Geschenk geht an die Sozialdemokraten.
Das meine ich sehr ehrlich, und das ist mir auch sehr
wichtig,
({11})
denn ich habe gesagt: Ich habe Freundschaften zu Mitgliedern aller Fraktionen gepflegt; 23 Jahre war ich im
Bundestag und 19 Jahre im Haushaltsausschuss. Ich
habe unter anderem eine Freundschaft mit dem leider
verstorbenen Peter Struck gepflegt. Von ihm bekam ich
eines Tages etwas, was ich jetzt an die SPD zurückgeben
möchte - vielleicht finden Sie eine Möglichkeit, es in
der Friedrich-Ebert-Stiftung unterzubringen -: Es ist
eine Pfeife von Peter Struck. Ich möchte diese den Sozialdemokraten zurückgeben.
Herzlichen Dank. Ihnen allen alles Gute.
({12})
Vielen Dank, Dr. Jürgen Koppelin. Ganz persönlich
alles erdenklich Gute.
({0})
Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Florian Pronold. Bitte schön, Kollege
Florian Pronold.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Hochwasser, die Flut, hat viele Menschen
vor Ort ihrer Existenz beraubt. Ich komme selber aus
Deggendorf. Ich war öfter gemeinsam mit dem Kollegen
Kalb vor Ort. Die Betroffenheit der Menschen dort ist
kaum in Worte zu fassen.
Beim Aufräumen vor Ort habe ich ein fast 90-jähriges
Ehepaar kennengelernt, das nicht ihr Haus verlassen
wollte. Sie hatten schon die Flut 1954 erlebt, die nicht so
schlimm war. Abends sind sie in ihr Schlafzimmer im
ersten Stock gegangen. In der Nacht ist das Wasser dann
langsam gestiegen. Am nächsten Morgen wurde um sieben Uhr an ihr Fenster geklopft. Vor dem Schlafzimmerfenster befand sich ein Ruderboot, mit dem sie evakuiert
werden sollten. Die alte Frau fragte: Wie sind Sie denn
durch das Tor gekommen? Das war doch zu. - Dieses
Beispiel zeigt, wie dramatisch die Situation ist. Wasserstände stiegen binnen weniger Minuten auf zwei, drei
Meter. Wohnungen und Geschäfte sind vernichtet worden. Die Menschen sind verzweifelt.
Das, was ihnen Hoffnung gegeben hat, ist die unglaubliche Hilfsbereitschaft. „Das Wir entscheidet“ - das ist
das Motto der Hilfe, die vor Ort geleistet worden ist. Gerade junge Menschen, denen man immer unterstellt, sie
hätten keinen Gemeinschaftssinn mehr, sind aktiv geworden. Die Studenten der Fachhochschulen haben in vielen
Städten, beispielsweise in Passau und Deggendorf, Hilfe
organisiert. In einer Stadt mit 30 000 Einwohnern wie
Deggendorf haben sich 5 500 Menschen zum Helfen,
zum Aufräumen gemeldet. Das ist eine tolle Leistung.
({0})
Ich habe gesehen, dass die Polizei, die Feuerwehr, das
THW, die Bergwacht, das Rote Kreuz und die Bundeswehr, aber auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
vor Ort alles Notwendige getan haben, um zu helfen. Sie
haben rund um die Uhr gearbeitet. Sie waren völlig übermüdet. Sie haben wirklich Tolles geleistet. Dafür kann
man ihnen im Namen des ganzen Hauses nur ein ganz
herzliches Dankeschön sagen.
({1})
Der Kreisjugendring hat ein riesiges Lager organisiert, in dem unmittelbar benötigte Güter untergebracht
wurden. Es ist so viel zusammengekommen, dass wir gar
nicht alles verteilen konnten. Restaurants haben Essen
für die Helfer gekocht. Insgesamt war eine unglaublich
tolle Hilfsbereitschaft vorhanden.
Ich wünsche mir, dass die von der Flut betroffenen
Menschen und die Helfer diese Bundestagsdebatte verfolgen und sagen: Jawohl, wir haben das Gefühl, da wird
geholfen, die kümmern sich. - Ich finde es gut, dass wir
gemeinschaftlich den Flutopferhilfefonds beschließen.
({2})
Aber eines muss ich noch loswerden: Herr Döring
und Herr Kurth, ganz ehrlich: Dass Sie in der Debatte
über die Hochwasserhilfe versuchen, Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, das finde ich schäbig.
({3})
Wir Sozialdemokraten werden das anders machen als
CDU/CSU und FDP im Jahr 2002.
Kollege Florian Pronold, Kollege Drexler möchte
eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese?
({0})
Nein, ich gestatte sie nicht.
({0})
Sie können ja im Anschluss eine Kurzintervention machen, wenn Sie das Spiel fortsetzen wollen. Ich will auf
die Fakten eingehen.
Fakt ist, dass wir 2002, beim letzten Hochwasser, einen riesigen Streit hatten über die Frage, wie die Beseitigung der Schäden finanziert werden soll. Auch diesmal
gab es eine Debatte darüber, ob es sinnvoll ist, das auf
Pump zu finanzieren. Und jetzt stellen Sie sich hierhin,
sagen, dass wir in den nächsten Jahren einen strukturell
ausgeglichenen Haushalt erreichen würden,
({1})
und behaupten, die Fluthilfe sei dabei schon finanziert.
Damit belügen Sie die Menschen. So ist das nämlich
nicht. Diese Fluthilfe wird auf Pump finanziert. Dieses
Geld wird in den nächsten Jahren fehlen. Die nächsten
Generationen sind in zweifacher Hinsicht belastet: Zum
einen müssen sie die Risiken des Klimawandels tragen,
und zum anderen erfolgt die Finanzierung dieser Flutopferhilfe erst in den nächsten Jahren.
({2})
Diese Flutopferhilfe wird auf Pump finanziert.
Wir haben 2002 die Soforthilfe in Höhe von 7 Milliarden Euro hier im Deutschen Bundestag sauber gegenfinanziert.
({3})
Damals hat die FDP dagegen gestimmt und die CDU/
CSU sich enthalten. Wir werden dieses Thema jetzt nicht
nutzen, um eine Debatte darüber zu führen, wie man
richtig finanziert. Wir wollen, dass den Menschen geholfen wird. Deswegen werden wir heute dieser Finanzierung zustimmen, auch wenn sie nicht unseren Vorstellungen entspricht.
({4})
Die Infrastruktur ist in hohem Maße betroffen. Zur
Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen, dass die Notwendigkeit, Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, auch
jenseits der Aufbauhilfe enorm groß ist. Jetzt geben Sie
den Ländern - berechtigterweise - die sogenannten Entflechtungsmittel bis zum Jahr 2019. Diese Entflechtungsmittel waren eigentlich vorgesehen, um vor Ort den
sozialen Wohnungsbau zu fördern und den öffentlichen
Personennahverkehr zu finanzieren. Es muss jedem klar
sein: Wenn das die Gegenfinanzierung ist, dann fehlt das
Geld nachher an anderer Stelle.
({5})
Deswegen wäre es klug gewesen, auf ein paar Steuergeschenke zu verzichten und das Betreuungsgeld nicht einzuführen. Das Geld hätte man verwenden sollen, um den
Menschen jetzt zu helfen, und zwar nachhaltig.
({6})
Was viele Betroffene vor Ort wirklich beschäftigt
- das ist heute schon mehrfach angesprochen worden -,
ist die Frage des Versicherungsschutzes. Viele, die in
Hochwassergebieten leben, haben die Erfahrung machen
müssen, dass sie entweder keine Versicherung mehr bekommen, dass ihnen die Versicherung nach dem ersten
Hochwasserschaden gekündigt worden ist oder dass sie
Beiträge zahlen müssten, die so hoch sind, dass sie sich
eine Versicherung nicht leisten können. Wir haben bereits
2002 und 2004 über diese Frage diskutiert. Die Bundesregierung hat im Finanzausschuss eine Stellungnahme
abgegeben, nach der sie eine Versicherungslösung ablehnt. Ich glaube, wir stehen in der Verantwortung und
müssen uns bemühen, eine Versicherungslösung für Elementarschäden, und zwar für alle Elementarschäden, auf
den Weg zu bringen.
({7})
Denn auch bei einer kleinen Flut, über die nicht im Deutschen Bundestag diskutiert wird, gibt es Menschen, die
um ihre Existenz gebracht werden. Dann gibt es aber
keine Hilfsprogramme. Für diese Menschen müssen wir
genauso etwas tun wie für diejenigen, die wiederholt von
Flut betroffen sind. Deswegen müssen wir alles dafür
tun, eine bezahlbare, vernünftige Elementarversicherung
für alle Menschen in diesem Land, die eine solche Versicherung brauchen, zu schaffen.
({8})
Heute stellen wir zwar gemeinschaftlich Geld zur
Verfügung; aber auf das Morgen kommt es an. Wir müssen morgen nämlich deutlich mehr tun als in der Vergangenheit. Wir müssen nicht nur Geld für die Beseitigung
von Hochwasserschäden zur Verfügung stellen, sondern
wir müssen aus der Erfahrung, dass Jahrhunderthochwasser nicht nur einmal im Jahrhundert auftreten, auch
die notwendigen Konsequenzen ziehen und mit allem
Nachdruck dafür sorgen, dass solche Katastrophen nicht
mehr vorkommen.
Wir haben gesehen, dass die Situation an den Stellen,
an denen man sich in den letzten zehn Jahren um den
Hochwasserschutz gekümmert hat, deutlich besser war.
({9})
- Es gibt bestimmte Regionen, in denen das verdammt
schwierig ist. Da Sie Passau ansprechen, sage ich dazu:
Dort fließen drei Flüsse zusammen. Dort werden Sie
Hochwasser nie verhindern können. - In anderen Städten sind aber eine ganze Menge Maßnahmen unternommen worden, die dazu geführt haben, dass die Folgen des
Hochwassers dort nicht so schlimm waren, wie sie sonst
gewesen wären.
Die Menschen vor Ort haben nicht vergessen, dass wir
20 Jahre lang über den Donau-Ausbau diskutiert haben.
Den Menschen in Niederalteich zum Beispiel wurde immer gesagt: Einen Hochwasserschutz gibt es erst, wenn
auch Staustufen gebaut werden. Erst vor einem halben
Jahr wurde diese Position von der Staatsregierung aufgegeben. Das war aber zu spät, um für Hochwasserschutz zu
sorgen. Jetzt sind sie besonders betroffen. Deswegen haben wir eine besondere Verantwortung, dort zu helfen.
({10})
Wir müssen den Hochwasserschutz - das ist heute
schon angesprochen worden - länderübergreifend regeln. Ich glaube, der Bund hat dabei, auch wenn die Zuständigkeiten klar verteilt sind, eine koordinierende
Funktion. Denn wenn in einem Land etwas gemacht
wird, bedeutet das, dass in einem anderen Land vielleicht ein stärkeres Hochwasser entsteht, wenn dort weniger gemacht wird. Deswegen muss man dies länderübergreifend angehen.
Nur 5 Prozent der Flächen, die 2002 als Retentionsflächen, als Rückzugsräume für die Flüsse im Falle eines
Hochwassers, vorgesehen waren, werden heute dafür genutzt. Dieses Projekt müssen wir wieder nachhaltig angehen. Wir müssen auch über Planungsbeschleunigungen nachdenken.
({11})
Natürlich müssen wir uns auch über den Widerstand vor
Ort unterhalten; das ist überhaupt keine Frage. Aber das,
was Sie von der FDP hier gerade gemacht haben - Sie
haben nicht nur die Umweltschutzverbände, sondern
auch den Bauernverband, der vor Ort immer heftig dabei
ist, ins Abseits gestellt -, halte ich für nicht in Ordnung.
({12})
Wir brauchen einen ökologischen Hochwasserschutz,
und die betroffenen Menschen vor Ort müssen einbezogen werden, damit es vernünftig funktionieren kann.
Ich bitte Sie, über die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nachzudenken.
({13})
Das sind diejenigen, die vor Ort bei Hochwasser helfen.
Sie haben eine Reform gemacht, durch die die Leute vor
Ort abgezogen werden. Das darf nicht sein.
({14})
Ich bitte Sie, das Forschungsprogramm KLIWAS
wieder aufzugreifen. Nur 22 Millionen Euro werden zur
Verfügung gestellt, um den Zusammenhang zwischen
dem Entstehen von Hochwasser und dem Klimawandel
zu erforschen. Sie lassen dieses Programm 2014 auslaufen. Es muss wieder installiert werden, damit wir einen
vernünftigen Hochwasserschutz bekommen.
({15})
Stärken Sie die Kommunen! Tun Sie alles dafür, dass
wir den Betroffenen mit einer Elementarversicherung für
alle vorsorgend helfen!
({16})
Vielen Dank, Kollege Florian Pronold. - Nächster
Redner in unserer Aussprache für die Fraktion von CDU
und CSU unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön,
Kollege Norbert Barthle.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die
CDU/CSU-Fraktion sagen, dass unser allererster Gedanke in dieser Parlamentsdebatte den Betroffenen, den
Opfern dieses Hochwassers gilt. Dies erfordert unser
Mitgefühl. Wir stehen auch zu der notwendigen Hilfsbereitschaft.
Unser zweiter Gedanke gilt den vielen, vielen Helfern
aus den Hilfsorganisationen, aber auch den freiwilligen
Helfern, die vor Ort sofort unbürokratisch zu Hilfe geeilt
und füreinander eingestanden sind. Ihnen gilt unser
zweiter Gedanke. Es wurde schon erwähnt: Allein das
Technische Hilfswerk und die Bundeswehr haben bisher
zusammen rund 215 000 Mann- respektive Frautage geleistet; die Arbeit der sonstigen Hilfsorganisationen ist in
dieser Berechnung noch nicht enthalten. Wir, der Bund,
haben sofort entschieden, die Kosten hierfür - sie betragen rund 100 Millionen Euro - allein zu tragen. Das ist
eine Selbstverständlichkeit.
Notfälle und Naturkatastrophen sind normalerweise
die Stunden der Regierungen. Deshalb will ich an dieser
Stelle meinen ganz herzlichen Dank auch an die unionsgeführte Bundesregierung aussprechen, besonders an
Bundeskanzlerin Angela Merkel und an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die schnell und zeitnah
verhandelt und sich mit den Ländern auf eine Finanzierung geeinigt haben, um aktuell Soforthilfe leisten zu
können und später auch die Folgen dieser Katastrophe
bewältigen zu können.
({0})
Solche Zeiten sind nicht die Zeiten für parteipolitische Auseinandersetzungen. Diese Woche ist die Woche
des Parlaments. In diesem Parlament herrscht eine große
Einigkeit darüber, dass wir diesen Nothilfefonds einrichten und damit solidarisch den Opfern beistehen und dafür sorgen, dass die Folgen beseitigt werden können.
Wenn irgendwo in Europa, wenn irgendwo in Deutschland eine Notsituation eintritt, dann ist der Bundestag in
der Lage, schnell und kurzfristig Hilfe zu leisten. Wir
werden alle Gesetzgebungsmaßnahmen in dieser einen
Sitzungswoche durchziehen, um den Weg frei zu machen, damit der Bundesrat abschließend am 5. Juli entscheiden kann. Ich danke deshalb nochmals allen Fraktionen, die in dieser Debatte ihr Einverständnis erklärt
haben, dem zuzustimmen.
Aber auch in solchen Zeiten muss es erlaubt sein, dass
man einige Fakten zur Finanzierung sagt. Zur Finanzierung muss gesagt werden, dass der ursprüngliche Vorschlag der Länder zur Finanzaufteilung bedeutet hätte,
dass allein der Bund die Kosten trägt. Ich glaube, das
kann nicht der richtige Weg sein; denn Solidarität ist
keine Einbahnstraße, wie schon erwähnt wurde, sondern
da sind alle gefordert.
({1})
Nach den Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin
haben nun einige Länder gemeint, sie könnten die notwendigen Kosten nicht - wörtlich zitiert - „einmal eben
so ausschwitzen“. Auch der Bund kann die Kosten nicht
einmal eben so ausschwitzen. Nein, wir errichten einen
Sonderfonds in Höhe von 8 Milliarden Euro. Davon abziehen werden wir 1,5 Milliarden Euro, für die wir alleine einstehen, nämlich für die dem Bund gehörende
Infrastruktur. Der Rest wird zwischen Bund und Ländern
aufgeteilt. Die Länder beteiligen sich dann noch mit
3,25 Milliarden Euro an der Abfinanzierung, an der Verzinsung und der Tilgung, dieses Sonderfonds, über
20 Jahre hinweg gestreckt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen,
dass die Finanzsituation des Bundes und der Länder
- das wird in der Öffentlichkeit häufig übersehen - so
aussieht, dass es den Ländern in ihrer Gesamtheit im
Schnitt besser geht als dem Bund. Der Bund ist höher
verschuldet als die Länder. Lassen Sie mich an dieser
Stelle auch erwähnen, dass die derzeit hohen Steuereinnahmen in der Regel zwischen Bund und Ländern hälftig
aufgeteilt werden. Auch die Länder profitieren also von
der derzeit guten Situation; das wird in der Öffentlichkeit relativ häufig übersehen und falsch dargestellt. Deshalb fand ich es auch unpassend, dass sich der Finanzminister eines Landes - ich will jetzt keinen Namen
nennen - während der Verhandlung darüber beklagt hat,
dass der Bund nicht solidarisch sei. Das, meine Damen
und Herren, war absolut unangemessen. Wir sind wirklich solidarisch und übernehmen den Großteil der Kosten.
({2})
Der Bund kann sich das - ich sage es etwas salopp auch leisten. Was heißt das? Wir können diese 8 Milliarden Euro schultern, zulasten neuer Schulden im Jahr
2013. Die Neuverschuldung wird dieses Jahr, im Jahre
2013, auf 25,1 Milliarden Euro - statt auf 17,1 Milliarden Euro - ansteigen. Wir können diese 8 Milliarden Euro schultern, weil die notwendigen Risikopuffer
in unseren Haushalten enthalten sind.
({3})
Wir haben in vier Jahren die im Jahre 2010 vorgesehene
Nettokreditaufnahme, damals noch 86 Milliarden Euro
- es war übrigens ein Steinbrück-Haushalt, Herr
Pronold, in dem diese 86 Milliarden Euro Neuverschuldung vorgesehen waren -, auf nur noch knapp 6 Milliarden Euro im kommenden Jahr reduziert. Also 80 Milliarden Euro weniger Neuverschuldung innerhalb von
vier Jahren - das müssen Sie erst einmal nachmachen.
({4})
Das sorgt dafür, dass wir jetzt den notwendigen Puffer
haben, um diese 8 Milliarden Euro aufnehmen zu können, ohne dass die Schuldenbremse tangiert wird. Im
Gegenteil, wir haben eigentlich noch relativ viel Luft,
was die Schuldenbremse anbelangt.
({5})
Wir müssen noch nicht einmal die Nothilferegelung der
Schuldenbremse in Anspruch nehmen, die in der grundgesetzlichen Formulierung enthalten ist. Wir nehmen
sie, wie gesagt, nicht in Anspruch; denn wir haben uns
die notwendigen Puffer erarbeitet.
An dieser Stelle erlaube ich mir den zarten Hinweis,
dass es schön wäre, wenn sich alle Bundesländer - nicht
nur einige wenige, sondern alle Bundesländer - jetzt auf
den Weg machen würden, für die Einhaltung der Schuldenbremse Vorsorge zu treffen und sich die notwendigen
Puffer zu erarbeiten, damit man in Notsituationen wie
der heutigen nicht sagen muss: Es sollen bitte andere
helfen; wir können es nicht.
({6})
Meine Damen und Herren, es sollte auch erwähnt
werden, dass im Zuge dieser Vereinbarungen auch über
die Entflechtungsmittel gesprochen wurde. Die Entflechtungsmittel werden nun bis Ende 2019 fortgeschrieben, und zwar in der derzeitigen Höhe von jährlich
2,6 Milliarden Euro. Also, von Entflechtung kann eigentlich keine Rede sein; denn die Verflechtung bleibt
da. Die Entflechtungsmittel werden vom Bund geleistet.
Sie wären eigentlich 2014 ausgelaufen. Sie werden jetzt
bis 2019 fortgeschrieben. Damit hat sich ein weiteres
Mal ein Phänomen gezeigt, das wir in den vergangenen
Monaten immer wieder beobachten konnten: Beispielsweise hat der Bundesrat seine Zustimmung zum Fiskalpakt mit Leistungen des Bundes verknüpft. Auch an dieser Stelle wurde die Zustimmung an eine Leistung des
Bundes geknüpft, die mit der Fluthilfe direkt eigentlich
nichts zu tun hat. Das hat für mich, meine Damen und
Herren, einen leicht negativen Beigeschmack.
({7})
Positiv festzuhalten ist, dass damit für den Bund, die
Länder und die Kommunen für die kommenden Jahre
Planungssicherheit gegeben ist, sodass die notwendigen
Schutzvorkehrungen, was den Hochwasserschutz anbelangt, getroffen werden können.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal all den
freiwilligen, ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern
sowie den Helferinnen und Helfern aus den verschiedenen Hilfsorganisationen meinen ganz herzlichen Dank
aussprechen.
Die Fluthilfe und die Beseitigung der Folgen der Flut
sind nationale Aufgaben. Wir stehen den betroffenen
Menschen zur Seite, wir lassen sie mit ihrem Schicksal
nicht allein. Wir können, glaube ich, als Nation ein Stück
weit stolz darauf sein, dass - das muss man zum Schluss
auch einmal feststellen - diese Ehrenamtskultur bei uns
so gut ausgeprägt ist wie kaum irgendwo anders auf dieser Welt. Ein herzliches Dankeschön dafür!
({8})
Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. - Nächster
Redner für die Fraktion Die Linke: unser Kollege Jan
Korte. Bitte schön, Kollege Jan Korte.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich den Präsidenten des THW, Herrn
Broemme, herzlich begrüßen. Schön, dass Sie bei dieser
Debatte anwesend sind. Ihnen und Ihren Kolleginnen
und Kollegen vielen Dank für die geleistete Arbeit!
({0})
Bei uns in Sachsen-Anhalt beginnen die Aufräumarbeiten, und es wird Bilanz gezogen, vor allem in Magdeburg und Halle. Besonders betroffen sind zurzeit noch
Fischbeck und auch mein Wahlkreis, zu dem unter anderem der Raum Bitterfeld/Bernburg gehört. Auch in Aken
sieht es nicht gut aus.
Frau Bundeskanzlerin, Sie waren in meinem Wahlkreis in Bitterfeld zu Gast. Ich persönlich fand, das war
eine gute Geste. Andere vor Ort fanden das nicht so hilfreich; aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, ist, welche Schlussfolgerungen wir aus der
Hochwasserkatastrophe ziehen. Ich finde, der neue Bundestag sollte in einem Jahr erneut hier zusammenkommen, und dann sollte darüber diskutiert werden, was erledigt wurde und was noch offen ist. Das sollten wir
heute hier festhalten und dem neuen Bundestag mit auf
den Weg geben.
({1})
Ich habe in der vergangenen Woche mit vielen Einsatzkräften und mit vielen Ehrenamtlichen vor Ort gesprochen. Ich möchte vier ganz konkrete Punkte einmal
ansprechen, auf die es nicht sofort Antworten gibt, aber
über die wir nachdenken müssen und für die wir Regelungen finden müssen - einiges ist schon angesprochen
worden -:
Erstens. Wir müssen ganz klar dazu kommen, den
Deichbau und den Deichschutz bundeseinheitlich zu regeln. Wir brauchen einen Bundesplan, der im Übrigen
auch die Bergbaufolgelandschaften gerade in SachsenAnhalt und Sachsen mit in den Blick nimmt und integriert. Da hat der Bund jetzt eine Verpflichtung.
({2})
Viele Helfer haben mir gesagt: Im Katastrophenfall gibt
es nur einen Deich. - Genauso muss es im Katastrophenfall einen Krisenstab geben. Wir mussten erleben, dass
es in vielen Gebieten zwischen Ländern, Landkreisen
und anderen hin und her ging. Das müssen wir ändern.
Im Katastrophenfall muss gelten: Es gibt einen Deich, es
gibt einen Stab.
({3})
Zweitens will ich zumindest kurz ansprechen: Als die
Flut kam, war natürlich noch nicht absehbar, welche katastrophalen Folgen sie haben wird. Als sich dies dann
langsam herausstellte, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin,
anfangs vorgeschlagen, wir müssten 100 Millionen Euro
zur Verfügung stellen. Mittlerweile sind wir erfreulicherweise dazu gekommen, dass doch ein bedeutend höherer
Betrag - ich fürchte, er wird nicht ausreichen - zur Verfügung gestellt wird. Eine Anmerkung will ich trotzdem
machen: In meinem Wahlkreis ist es für die Leute nur relativ schwer nachvollziehbar, dass wir für die Banken
hier in einer Woche Milliarden zur Verfügung stellen ohne große Debatte. Dass es in diesem Fall so lange gedauert hat, sollte uns ein wenig zu denken geben, und
das sollten wir in Zukunft korrigieren.
({4})
- Das kann man doch einmal ansprechen. - Ich will auch
erläutern, warum ich glaube, dass - das ist schon angesprochen worden - auch diese 8 Milliarden Euro nicht
ausreichen werden. In Sachsen-Anhalt, in Thüringen und
Sachsen - auch in meinem Wahlkreis - müssen die Bauern enorme Ernteausfälle beklagen. Darüber müssen wir
nachdenken. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie
es im Hinblick auf die Infrastruktur ehrenamtlich tätiger
Vereine, vor allem Sportvereine, weitergeht. In Aken
konnte vor einigen Jahren für 30 000 Euro ein neuer
Fußballplatz angelegt werden. Er ist nun komplett zerstört. Man weiß in Aken nicht - auch Sie kennen die
Finanzlage der Kommunen -, wie man das nötige Geld
zusammenbekommen soll. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir Sondermittel zur Verfügung
stellen können, damit die Ehrenamtlichen weiterarbeiten
können.
({5})
Drittens möchte ich die Situation der freiwilligen
Feuerwehren ansprechen. Sie sind extrem wichtig, gerade bei Katastrophenlagen. Wir müssen darüber nachdenken, ob es richtig war, dass wir den Bundesanteil bei
der Beschaffung neuer Fahrzeuge immer weiter reduziert haben. Wir müssen hier dringend eine Umkehr einleiten und die Geräte der freiwilligen Feuerwehren in einen Topzustand versetzen.
({6})
Ich will in diesem Zusammenhang noch - viertens einen Punkt ansprechen, der Ostdeutschland besonders
betrifft: Viele freiwillige Feuerwehren, gerade im ländlichen Raum, haben das Problem, dass die Einsatzmindeststärke kaum noch zu gewährleisten ist, weil so viele
junge Leute weggezogen sind bzw. zum Arbeiten in den
Westen fahren. Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir den jungen Leuten dort eine Perspektive
verschaffen können, damit auch dort der Katastrophenschutz über die freiwilligen Feuerwehren weiter gewährleistet wird. Das ist eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe, die wir angehen müssen.
({7})
Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Selbstverständlich geht mein Dank an die freiwilligen Feuerwehren, das THW, die Kommunen, die Bundeswehr und
übrigens auch an die Wasserwehren, bei denen vor allem
ältere Feuerwehrkollegen - auch im Alter von über
65 Jahren - aktiv sind, die oftmals zuerst vor Ort waren.
All diesen müssen wir danken. Vor allem danke ich auch
den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bürgermeistern
und Kommunalpolitikern, die in den letzen Wochen
Enormes geleistet haben.
({8})
Auch bei mir vor Ort war es in der Tat bemerkenswert
und bewegend, zu erleben, wie viel Solidarität organisiert wurde und real geworden ist - vor allem von jungen
Leuten. Ich glaube, dass die Politik verpflichtet ist, diese
Solidarität, die in diesem Land vorhanden ist, zu fördern
und auszubauen und den Leuten Mut zu machen, selber
mit anzupacken und die Entwicklung dieser Gesellschaft
in ihre Hände zu nehmen. Auch das sollte eine Lehre aus
der Flutkatastrophe sein.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
({9})
Vielen Dank, Kollege Jan Korte. - Nächste Rednerin
in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen unsere Kollegin Frau Priska Hinz. Bitte
schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut,
dass es in den Hochwassergebieten so viel Solidarität
mit der Bevölkerung von Freiwilligen gegeben hat, die
in diese Gebiete gereist sind. Deswegen ist es auch richtig, dass es eine schnelle Einigung zwischen dem Bund
und den Ländern über die Hochwasserhilfe und darüber
gegeben hat, wie sie zu finanzieren ist.
({0})
Der Bund trägt die Hauptlast; das ist richtig. Ich halte
es, wie meine gesamte Fraktion, allerdings für richtig,
dass wir diese Hauptlast tragen, weil die Länder in einer
anderen Finanzklemme als der Bund stecken, auch wenn
wir - Kollege Barthle, das ist richtig - einen höheren
Schuldenberg als die Länder insgesamt zu verkraften haben. Aber es ist auch so, dass der Bund den Ländern in
den letzten vier Jahren durch die Steuergesetze von
Schwarz-Gelb systematisch Steuern entzogen hat.
({1})
Deswegen halten wir es für richtig, dass wir als Bund
hier stärker eintreten, und im Gegensatz zu der Opposition in 2002 werden wir die Finanzierung auch mittragen.
({2})
Ich glaube nicht, dass die Betroffenen irgendein Verständnis dafür hätten, wenn wir hier in Parteitaktik verfallen und uns gegenseitig vorwerfen würden, dass die
Finanzierung nicht gut genug ist. Den Betroffenen muss
jetzt schnell und unbürokratisch geholfen werden. Deswegen gilt ihnen auch unsere Solidarität. Wir haben im
Haushaltsausschuss ja auch schon zu erkennen gegeben,
dass wir den interfraktionellen Antrag für den Aufbauhilfefonds mittragen werden.
({3})
Ich möchte aber trotzdem deutlich machen, dass wir
anders als der Kollege Döring, der Kollege Barthle und
auch die Kanzlerin die Nettokreditaufnahme von 25 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht für einen Pappenstiel
halten. Ich glaube auch nicht, dass man so nonchalant sagen kann: Na ja, wir halten ja die Schuldenbremse ein,
also ist alles Paletti. Außerdem haben wir den Bundeshaushalt wunderbar konsolidiert; da fällt das nicht weiter
ins Gewicht. - Dass Sie das hier vortragen, ist nun wirklich hanebüchen.
Wir alle wissen doch, dass es mit der Konsolidierung
des Haushalts nicht weit her ist und dass der Bund das
jetzt nur gut tragen kann, weil das Zinsniveau so niedrig
ist, wir eine gute konjunkturelle Lage haben
({4})
und weil Sie für 2013 zusätzlich 5 Milliarden Euro aus
den Sozialversicherungen entnommen haben.
({5})
Deswegen kann man das so gut verkraften.
({6})
Wenn wir eine schlechte konjunkturelle Lage hätten,
dann sähe das schon ganz anders aus. Deswegen muss
man sagen: Ihre Haushalte sind nicht auf finanzielle Vorsorge abgestellt. Wenn wir schwierige Zeiten hätten,
dann müssten wir über ganz andere Maßnahmen der Gegenfinanzierung reden, als wir das heute im Rahmen der
Fluthilfe tun.
({7})
Es ist auch nicht so, dass die zu beschließenden Änderungen des Entflechtungsgesetzes, die mitverabschiedet
werden sollen, eine neue Wohltat des Bundes darstellen.
Die Länder haben Änderungen in diesem Gesetz schon
im letzten Herbst rund um den Fiskalvertrag mit der
Bundesregierung ausgehandelt. Lange hat sich die Koalition geweigert, diese Änderungen im Gesetz auf den
Weg zu bringen. Jetzt wird es gemacht. Das halten wir
für richtig.
Das Geld müssen wir aufwenden, um die jetzigen
Schäden gemeinsam zu reparieren. Wir brauchen aber
einen vorsorgenden Hochwasserschutz, damit wir künftig nicht mehr so viel Geld für Reparaturmaßnahmen bereitstellen müssen. Wenn wir jetzt mehr Geld für den
vorsorgenden Hochwasserschutz zur Verfügung stellen,
dann müssen die Menschen bei der nächsten Hochwasserkatastrophe nicht mehr so sehr leiden. Das wäre ein
richtiger Schritt. Ich hoffe, die Solidarität unter uns hält
so lange an, um einen solchen Hochwasserschutzplan
gemeinsam auf den Weg zu bringen.
Danke schön.
({8})
Vielen Dank, Frau Kollegin Priska Hinz. - Nächster
Redner in unserer Aussprache für die Fraktion der FDP:
unser Kollege Hans-Michael Goldmann. Bitte schön,
Kollege Hans-Michael Goldmann.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich freue mich, dass ich als Vorsitzender des
Agrarausschusses ein paar Worte an Sie richten kann.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Bundeskanzlerin
Merkel heute in besonderer Weise auch die Landwirte
angesprochen hat, die unter dieser Situation ganz besonders leiden: persönlich, für ihre Tiere, ihre Äcker, die Investitionen, die sie getätigt haben. Ich kann Ihnen sagen:
Diese Ansprache tut den Bauern in der jetzigen Situation
unheimlich gut, in der sie in vielfältiger Form ungerechtfertigt an den Pranger gestellt werden, auch von einigen
hier im Parlament.
Ich war schon erschüttert, als Sie, Frau GöringEckardt, in der Sendung Günther Jauch erklärten, dass
die intensive Landwirtschaft für die Hochwasserstände
sozusagen verantwortlich ist, weil dies zu einer Verdichtung der Böden führt. Eine ganz kurze Belehrung: Vielleicht fahren Sie einmal mit einem Rennrad mit einer
schmalen Bereifung durchs Land und dann noch einmal
mit einem Mountainbike mit einer breiten Bereifung.
Wenn Sie sich einmal die Reifen der Fahrzeuge der
Landwirte ansehen, die heute auf solchen Flächen im
Einsatz sind, dann werden Sie feststellen, dass dort überhaupt keine Verdichtung stattfindet.
({0})
Wenn Sie ab und zu auch einmal Stöckelschuhe tragen,
dann müssten Sie eigentlich wissen, dass der Stöckelschuh zu einer stärkeren Verdichtung führt als ein Schuh
mit flacher Sohle.
({1})
- Ja, Frau Göring-Eckardt, da fassen Sie sich an den
Kopf. Ich kann Ihnen nur sagen: Auch ich habe mich an
den Kopf gefasst, als ich Sie in der Sendung Günther
Jauch erlebt habe. Sie haben diese Behauptung heute
wiederholt. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den
Landwirten in der Region. Das ist auch unchristlich, was
Sie machen.
({2})
Wenn Sie dann einem Kollegen von meiner Fraktion,
Herrn Kurth, vorwerfen, er sei nicht an der Sache orientiert, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie nicht an
der Sache orientiert sind. Das, was Sie im Moment machen, nämlich sich nach hinten umzudrehen und mir
noch nicht einmal zuzuhören, ist flegelhaft. So viel präsidiale Verantwortung sollten Sie schon an den Tag legen.
({3})
Ich weiß, dass das nicht in Ihre aktuelle Anti-BauernKampagne passt. Im Moment greifen die Grünen die
Bauern überall dort an, wo das nur möglich ist.
({4})
Ich finde, es ist ungehörig, so etwas zu machen. Die
Bauern sind diejenigen, die unter dem Hochwasser am
meisten gelitten haben. Die Bauern leiden auch langfristig darunter.
({5})
Ich lade Sie ein, mich auf meinem Rückflug zu begleiten. Wenn ich am Freitag mit einem relativ kleinen
Flieger nach Hause fliege, dann können wir über das Gebiet der Elbe fliegen. Dann werden Sie feststellen, dass
die gesamte Region verölt ist. Dann werden Sie auch
feststellen, dass dieses Öl aus dem Wasser in die Böden
eingedrungen ist und diese belastet. Dadurch wird eine
langfristige Perspektive für die Bauern schwierig. Ich
finde, in einer solchen Situation ist das, was Sie heute als
fachlichen Beitrag geleistet haben, ein Skandal und offenbart ein erschreckendes Maß an Unwissenheit.
({6})
Ich will deutlich sagen: Ich bin froh. Auch in Osnabrück gibt es Probleme. Das Gute war, dass die Osnabrücker und die emsländischen Feuerwehren geholfen haben. Dafür sollten wir dankbar sein.
Ich bin dankbar dafür, dass sich so viele Menschen
mobilisiert fühlen. Ich bin dankbar dafür, dass wir das
Geld bereitstellen. Ich bin dankbar dafür, dass wir im
Ausschuss jede Form von Weichenstellung, ob Rentenbank, agrarsoziales Sicherungssystem oder Solidaritätsfonds, angesprochen und auf den Weg gebracht haben.
Wir helfen den Bauern, weil die Bauern ein wichtiger
Teil unserer Gesellschaft sind: Sie pflegen den Boden
und die Tiere und sorgen dafür, dass es uns gut geht.
Herzlichen Dank.
({7})
Nächster Redner in unserer Aussprache ist für den
Bundesrat Dr. Marcel Huber, der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit des Freistaates Bayern. Bitte schön,
Dr. Marcel Huber.
({0})
Dr. Marcel Huber, Staatsminister ({1}):
Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das erste
Juniwochenende mit der Flutkatastrophe, die über dieses
Land hereingebrochen ist, hat auch Bayern erwischt,
nach wochenlangem Dauerregen - ein Starkregenereignis, wie die Fachleute es bezeichnen. In Aschau im
Chiemgau sind in 90 Stunden 400 Liter auf den Quadratmeter geregnet. Das kann man sich gar nicht vorstellen.
Es ist mehr als die Hälfte dessen, was sonst im ganzen
Jahr niedergeht.
Die Folge war Hochwasser. Daraus folgten Deichbrüche, Überflutungen und große Not für viele Menschen.
Ich erinnere mich noch gut an die erste Phase, die heiße
Phase, die Phase der Lebensgefahr, als ein Polizeihubschrauber bei Winzer einen Bauern vom Dach eines
Traktors retten musste, als Menschen von Dächern geborgen werden mussten und viele, viele Deiche bis zur
Erschöpfung der Einsatzkräfte verteidigt werden mussten.
Es wurden auch Deiche aufgegeben und Ortschaften
evakuiert. Mitten in der Nacht klopfte jemand an die Tür
und sagte: Ihr müsst alle raus in die Notunterkunft. Es
wird hier lebensgefährlich.
Staatsminister Dr. Marcel Huber ({2})
Nach dieser dramatischen Phase kam die Phase des
Zurückgehens des Wassers. Man sieht erst dann das Ausmaß der Verwüstungen; die Schäden werden offensichtlich. Das, was man sich mühsam über die Jahre aufgebaut hat - Möbel, Inventar, einen Betrieb -: alles nur
noch Sperrmüll. Häuser, Betriebe, Bauernhöfe sind
durchweicht, nass und dreckig, stinkend nach Fäkalien,
aber auch nach Öl.
In dieser Situation sind Menschen verzweifelt gewesen. Manche hatten nur noch das, was sie am Leibe trugen, bei sich, und manche Existenz ist heute zerstört.
Haus und Betrieb sind nur noch Ruinen. Das hat die
Menschen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht.
Hier ist es notwendig, zu helfen. Das haben auch viele
gemacht. Es haben schon viele angesprochen, welch fantastische Solidarität in diesem Lande zu beobachten war.
Es ist eben kein Land, das nur aus einer Fit-und-Fun-Gesellschaft besteht, aus „Ichlingen“, die nur an sich selber
denken. Auch die Jugend verbringt ihre Zeit nicht nur in
virtuellen Welten vor dem PC. Sie haben gezeigt, dass
sie innovativ mit den sozialen Netzwerken helfen können. Es wurde heute schon angesprochen. Es hat mich
äußerst beeindruckt, was eine junge Studentin erzählt
hat: In deren Vermittlungsstelle in Deggendorf haben
Leute angerufen, die einen Betriebsausflug geplant hatten. Es waren zwei Busse voll Menschen, die eigentlich
einen schönen Tag verbringen wollten und sich dazu entschlossen haben, zu helfen. Aber fahren Sie einmal in
ein Krisengebiet und sagen Sie: Ich habe zwei Busse voll
Helfern mitgebracht! - Durch Facebook und das Internet
wurden diese Menschen an Häuser verwiesen, wo dringend Hilfe notwendig war.
({3})
Ein schönes Beispiel gelebter Solidarität! Junge Menschen mit ihren neuen Methoden, ältere Menschen, die
bereit sind, den Nachbarn zu helfen, egal wie: Das ist
doch eine sehr erfreuliche Beobachtung.
({4})
Natürlich gab es auch die hochprofessionelle Hilfe
der Menschen vor Ort: Die Mandatsträger, Bürgermeister und Landräte haben hervorragende Arbeit geleistet.
Ich war auch selbst in Verbindung. Ich erinnere mich an
ein Gespräch mit Staatssekretär Scheuer um 2 Uhr in der
Früh über die Lage in Passau. Aber auch all die, die sich
quasi professionell im Ehrenamt damit befassen: Feuerwehr, Rotes Kreuz, Johanniter, Malteser, Wasserwacht,
DLRG und auch die Bergwacht mit einer großen Zahl
von Menschen, die aus dem ganzen Land gekommen
sind, um zu helfen: ein wunderschönes Bild.
An dieser Stelle möchte ich mich als Landesvertreter
aber auch bei den Bundesstellen ganz herzlich bedanken:
bei Bundespolizei, dem THW, aber auch der Bundeswehr. Fantastisch, wie man sich hier in die örtlichen Einsatzstäbe eingegliedert hat und wie selbstverständlich
alle zusammengearbeitet haben. Herzlichen Dank hierfür.
({5})
- Dazu komme ich gleich.
Dank auch für die politische und moralische Unterstützung, Frau Bundeskanzlerin und Herr Bundespräsident. Es muss nicht jeder mit Schaufel und Besen helfen.
Auch die moralische Unterstützung ist wichtig. Sie zeigt,
dass sich die politische Führung dieses Landes für die
Menschen interessiert, Zuspruch gibt und auch Hilfe zusagt. Das hat den Menschen sehr geholfen.
Ohne Geld geht es nicht. Wir müssen beim Wiederaufbau große Summen in die Hand nehmen. Wir haben
zum Beispiel in Bayern noch in der Hochwasserwoche
Soforthilfe gewährt. Am Mittwoch hat das Kabinett getagt. Bereits am Nachmittag wurde das Geld überwiesen,
und am Donnerstag wurde die Soforthilfe in Höhe von
1 500 Euro bzw. 5 000 Euro ausgezahlt. Herzlichen
Dank dafür, jetzt diese Aufbauhilfe von Bundesseite zu
unterstützen. Die Initiative, die Sie heute hier auf den
Weg bringen, ist für uns alle von größter Bedeutung.
Aber genauso wichtig ist es, sich dem zu stellen, was auf
uns wartet; denn der Klimawandel wird uns solche Ereignisse in Zukunft wahrscheinlich häufiger und mit
noch größerer Intensität bescheren. Wir müssen uns
dringend vor neuen Ereignissen dieser Art wappnen.
Wichtig ist auch die sofortige Reparatur. Mein Finanzminister hat mir 25 Millionen Euro zur Beseitigung
der Flutschäden zur Verfügung gestellt. Aber es geht
nicht nur um das Flicken. Wir müssen schnellstmöglich
den Stand der Technik - HQ 100 plus 15 Prozent Klimaaufschlag - erreichen. Wir ziehen die Lehren aus den
Geschehnissen. Technischer Hochwasserschutz hat Vorrang, um Ansiedlungen zu schützen oder große Schäden
zu vermeiden. Wir sehen aber: Allein eine Kanalisierung
reicht nicht. Wir müssen Fläche schaffen. Wir müssen
Retentionsräume schaffen. Dabei hilft eine Konfrontation zwischen natürlichem Hochwasserschutz und technischem Hochwasserschutz nicht weiter. Wir brauchen
natürliche Retentionsräume, Deichrückverlegungen, Auwaldvernässungen, Moorrenaturierungen, Uferaufweitungen und vieles mehr.
Gezeigt hat sich aber auch: Das wichtigste Hilfsmittel, das wir benötigen, sind gesteuerte Flutpolder, die so
dimensioniert sind, dass sie Hochwasserwellen wirklich
brechen können. Dafür brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Konsens. Hier dürfen Naturschützer
nicht gegen Bauern und Bürgerinitiativen nicht gegen
Kommunen ausgespielt werden. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, sodass wir jetzt entsprechende Maßnahmen ergreifen können, damit wir in
Zukunft gegen solche Ereignisse gewappnet sind. In
Bayern stehen dafür Mittel in Höhe von 230 Millionen
Euro pro Jahr bis 2020 zur Verfügung. Damit können wir
einiges machen. Aber wir müssen die Maßnahmen auch
umsetzen können. Deshalb bin ich dankbar für die Unterstützung durch Maßnahmen zur Beschleunigung entsprechender Verfahren.
Staatsminister Dr. Marcel Huber ({6})
Abschließend: Danke dafür, dass sich der Bundestag
heute mit diesem Thema befasst, für die Regierungserklärung und für die Aktion, über einen großen Fonds
Hilfe zur Verfügung zu stellen.
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, vor Ihnen sprechen zu dürfen.
({7})
Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Nächster Redner
in unserer Aussprache für die Fraktion von CDU und
CSU: unser Kollege Dr. Michael Luther. Bitte schön,
Kollege Dr. Michael Luther.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Hochwasser ist ein Naturereignis. Hochwasser gibt es
immer wieder einmal, gab es und wird es auch in Zukunft geben. Hochwasser hat die dumme Eigenschaft,
dass es, wenn es besonders hoch ist, eine ganze Menge
Schäden anrichten kann und dass es dann viele Betroffene gibt, die unter dem Hochwasser zu leiden haben.
Ich bin nicht bange um Deutschland; denn ich habe gesehen, was in der Zeit des Hochwassers alles möglich war,
wie viel Hilfe möglich war, wie viele Menschen sich
sehr schnell entschlossen haben, einfach zu helfen; das
wurde heute schon von vielen erwähnt. Ich will an dieser
Stelle den vielen freiwilligen Helfern, die da tätig geworden sind, recht herzlich Dank sagen. Dank auch den
vielen privaten Spendern, die in ihre Tasche gegriffen
haben und für andere Menschen in unserem Land Geld
ausgegeben haben. Dafür herzlichen Dank! Auch herzlichen Dank den professionellen Helfern von Bundeswehr, THW, Feuerwehr, Bundespolizei und den vielen
anderen aus den Nachbarländern, die gekommen sind,
um in Deutschland zu helfen. Herzlichen Dank dafür.
({0})
Ich will an dieser Stelle aber auch mein Mitgefühl
denjenigen aussprechen, die betroffen sind. Sie stehen
jetzt vor einer schwierigen Situation.
Ich kann mich noch gut an das Jahr 2002 entsinnen,
als viele gefragt haben, wie es weitergeht. Durch den
Fonds, den wir heute auflegen, kann diesen Menschen
geholfen werden. Ich bin dankbar dafür, dass es in diesem Bundestag offensichtlich eine große Solidarität in
schwieriger Stunde gibt und dass wir sagen: Wir wollen
8 Milliarden Euro bereitstellen - das ist eine ganze
Menge Geld -, um dann, wenn die Ausmaße der Flutkatastrophe vollständig bekannt sind und man weiß, was
im Einzelnen gemacht werden muss, die Maßnahmen
unbürokratisch umzusetzen. An dieser Stelle ein ganz
besonderes Dankeschön der Regierung, der Frau Bundeskanzlerin, aber auch den Bundesländern. Ich hoffe,
wir können uns selber danken, wenn wir am Freitag die
Maßnahmen auf den Weg gebracht haben werden.
Es gibt aber noch etwas, was an dieser Stelle erwähnt
werden sollte. Es geht darum, ob man etwas in Zukunft
tun kann, damit keine Schäden in diesem Ausmaß entstehen. Ich spreche vom technischen Hochwasserschutz.
In diesem Zusammenhang, Herr Pronold, habe ich Ihren
Redebeitrag nicht richtig verstanden. Kollege Kurth von
der FDP hat vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus
dem Jahr 2002 erwähnt, dass auch damals über den technischen Hochwasserschutz geredet worden ist. Er ist an
vielen Stellen umgesetzt worden, und das war hilfreich.
Die Frage aber muss erlaubt sein: Warum ist er nicht
überall umgesetzt worden? Denn wenn man eine Lehre
ziehen will, muss man fragen, was falsch gemacht worden ist, was verändert werden muss.
({1})
Das, was unbedingt gemacht werden muss, ist: Es
muss schneller gehen. Viele, die 2002 dem Eindruck erlegen sind, es sei ein Jahrhunderthochwasser, und gedacht haben, es treffe sie in ihrem Leben nicht noch einmal,
({2})
haben erfahren müssen, dass es doch schneller geht.
Deswegen muss das Hochwasser von 2013 dazu führen,
dass ein vernünftiger Hochwasserschutz beschleunigt
durchgeführt wird. Da gilt für mich ganz klar die Regel:
Die Städte müssen geschützt werden. Man muss auch
überlegen, ob es Flächen gibt, die als Polderflächen zur
Verfügung stehen können, die also integriert werden
können. Es muss auch die Frage erlaubt sein, ob es
kleine Siedlungen gibt, die möglicherweise aufgegeben
werden müssen, weil es keinen Sinn macht, diese alle 5,
10 oder 20 Jahre erneut aufzubauen. - So weit der Teil
meiner Rede, der den Inhalt dieser Debatte betrifft.
Ich bin 1989 im Rahmen der Herbstrevolution in die
Politik geraten. Ich war Mitglied der Volkskammer und
seit dem 2. Dezember 1990 Mitglied des Bundestages.
Ich habe den Volkskammersaal kennengelernt, den alten
Reichstag, das Wasserwerk, den neuen Plenarsaal in
Bonn und jetzt den neuen Reichstag. Ich habe den Einigungsvertrag erleben dürfen, die staatliche Einheit, die
Umsetzung des Ganzen bis hin zur Einführung des Euro.
Ich finde den Euro gut und will das an dieser Stelle ganz
deutlich sagen. Ich habe Deutschland erlebt, als es noch
unter dem Viermächtestatus stand, und lebe heute in einem geeinten Deutschland, anerkannt in der Welt.
Das war eine tolle geschichtliche Zeit. Ich bin für
diese Zeit dankbar. Ich scheide freiwillig aus dem Deutschen Bundestag aus, weil ich mich dazu entschlossen
habe; denn es gibt auch eine Zeit nach der Politik. Ich
mache das gerne; wir hatten aus diesem Anlass gestern
in der Landesgruppe einen schönen Abend. Ich wünsche
Ihnen alles Gute und möchte mich bei allen recht herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken.
({3})
Gestern hat ein Kollege gesagt, ich sei dafür bekannt,
ein Familienmensch zu sein. Lassen Sie mich deshalb einen letzten Wunsch äußern: Familie und Politik müssen
vereinbar bleiben.
({4})
Ich habe bis heute nicht verstanden, warum man Politik
nicht an sechs Tagen in der Woche betreiben kann und
warum man unbedingt den Sonntag für alle möglichen
Klausurtagungen braucht.
Danke schön.
({5})
Vielen Dank, Kollege Michael Luther. Das haben sicher viele gehört, die uns immer zu Terminen am Sonntag einladen.
({0})
Dr. Michael Luther, von mir ganz persönlich alles Gute.
Nächster Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Georg Schirmbeck für die CDU/CSU-Fraktion.
Bitte schön.
({1})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich selbstverständlich den Dankesworten an alle an, die in der Not geholfen haben. Es ist
schön, dass wir festgestellt haben, dass Deutschland in
der Not wirklich zusammenhält und sich wechselseitig
hilft.
({0})
Wenn wir allgemein über die Dinge reden, sind wir
uns einig. Aber das Leben ist konkret, und wenn wir
ganz konkret über die Dinge reden, sind wir uns eben
nicht einig. Das hat man beispielsweise gesehen, als der
Vizepräsidentin Göring-Eckardt aus den Reihen der FDP
ganz konkrete Fragen gestellt wurden. Fragen dieser Art
stellen sich, und über diese Fragen müssen wir auch zukünftig reden. Denn es gibt, wie wir auch jetzt gesehen
haben, allerhand zu tun, da das eine oder andere nicht
richtig gelaufen ist. Es gibt auch solche in unserem
Land, die in den letzten zehn Jahren sinnvollen Maßnahmen im Wege gestanden haben. Auch darüber muss man
sprechen.
Ist es nicht richtig, dass wir in weiten Teilen unseres
Landes Wasserschutzgebietsgrenzen von 1936 haben?
Muss man da nicht handeln? Das ist konkret. Da geht es
um Eigentumsrechte; da geht es um konkrete Belastungen. Um diese Dinge muss man sich kümmern.
({1})
Wir wissen, wo in Deutschland Deiche weich sind. Müssen wir das nächste Mal unter einer anderen Regierung
wieder darüber reden, wenn die dortige Region abgesoffen ist? Sollten wir nicht jetzt handeln? Müssen wir nicht
jetzt etwas konkret umsetzen?
Schauen wir einmal in unsere Verwaltungen. In welchem Bundesland gibt es in dem zuständigen Ministerium studierte Wasserwirtschaftler? Wann sind da einmal
neue, junge studierte Wasserwirtschaftler eingestellt
worden? In welcher Kreisverwaltung, in welcher Stadtverwaltung gibt es studierte Wasserwirtschaftler als Dezernenten? An der Antwort darauf kann man ablesen,
welche Priorität gesetzt wird.
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren viel gemacht; das ist sicherlich so. Über die GAK „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ wurden
für den Hochwasserschutz 2 Milliarden Euro ausgegeben. Aber richtig ist auch, dass 50 Millionen Euro an
Bundesmitteln nicht abgeflossen sind, weil es offensichtlich keine entsprechenden Maßnahmen gab. Das ist
die Wahrheit. Auch über diese Dinge muss man ganz
konkret sprechen.
Ist es nicht auch richtig, dass wir immer noch in Wasserschutzgebieten bauen, dass wir dort immer noch Versiegelungen vornehmen und dass wir Ausgleichsmaßnahmen durchführen, die oft wenig sinnvoll sind, um
dem Hochwasserschutz gerecht zu werden? Auch darüber müssen wir reden. Wenn wir das nicht tun, kommt
es wieder zu den Ereignissen, die wir dann gemeinsam
beklagen müssen.
({2})
Manchmal stellt sich uns natürlich auch die Frage
- ich habe es eben gesagt: das Leben ist konkret -: Gehen Biodiversität und Ökologie vor Hochwasserschutz
bzw. Menschenschutz? Man muss darüber entscheiden,
und zwar in einer zumutbaren Zeit, damit auch entsprechend gehandelt werden kann. Wenn wir das nicht machen, werden wir dieser Aufgabe nicht gerecht.
({3})
Wir werden aber trotz aller Maßnahmen, die wir gemeinsam sinnvoll umsetzen, feststellen, dass es immer
Naturkatastrophen und auch Hochwasser geben wird.
Wir sollten den Bürgern nicht vortäuschen, dass wir etwas regeln können, was von einer höheren Macht ausgeht. Ich wünsche mir - und das erwarte ich eigentlich
von jeder Regierung -, dass wir denken und handeln auf
der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und
nicht auf der Basis von ideologischen Einbildungen. Das
ist unsere zentrale Aufgabe. Dass dieses Parlament diese
Aufgabe erfüllt, wäre mein Wunsch für die Zukunft. Ich
wünsche den Menschen, die von dieser Katastrophe betroffen sind, dass sie den Mut haben, neu anzufangen,
dass sie mit unserer Hilfe die meisten Schäden beseitigen können und dass sie wieder ein schönes Leben in ihrer Heimat haben.
In meiner Heimat, im Teutoburger Wald, sagt man
zum Abschied: Glück auf! Herzlichen Dank, dass ich
hier elf Jahre arbeiten durfte.
({4})
Vielen Dank, Kollege Georg Schirmbeck. Ganz persönlich alles Gute.
Unser Kollege Wolfgang Nešcović hat seine Rede zu
Protokoll gegeben.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/14078, 17/14000, 17/13896 und
17/14079 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Alle sind damit einverstanden;
Widerspruch erhebt sich nicht. Dann haben wir dies so
beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. Juni 2013,
13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.