Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/6/2013

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung. In den zurückliegenden Tagen haben eine Reihe von Kollegen ihre Geburtstage gefeiert, und zwar die Kollegen Rolf Hempelmann und Wolfgang Nešković ihren 65. Geburtstag und die Kollegin Doris Barnett ihren 60. Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses auch auf diesem Wege noch einmal herzliche Grüße und alles Gute für die nächsten Jahre. ({0}) Die FDP-Fraktion hat mitgeteilt, dass im Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für den verstorbenen Kollegen Dr. Max Stadler der bisherige Stellvertreter, der Kollege Jimmy Schulz, als ordentliches Mitglied vorgeschlagen wird. Als nachfolgendes stellvertretendes Mitglied wird der Kollege Pascal Kober benannt. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verwendung von Drohnentechnologie durch die Bundeswehr ({1}) ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren Ergänzung zu TOP 54 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel - Drucksache 17/13708 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({2}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme Ost und West im Rahmen der Städtebauförderung - Drucksache 17/12508 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({3}) Innenausschuss Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Für universelle Nachhaltigkeitsziele - Entwicklungs- und Umweltagenda zusammenführen - Drucksache 17/13727 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({4}) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für eine nachhaltige Entwicklungsagenda ab 2015 - Millenniumsentwicklungsziele und Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestalten - Drucksache 17/13762 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({5}) Auswärtiger Ausschuss Präsident Dr. Norbert Lammert Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss e) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({6}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({7}) Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt - Drucksache 17/13625 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({8}) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung f) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({9}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({10}) Ökologischer Landbau und Bioenergieerzeugung - Zielkonflikte und Lösungsansätze - Drucksache 17/13626 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({11}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung g) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({12}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({13}) Zukunft der Automobilindustrie - Drucksache 17/13672 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({14}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung h) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({15}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({16}) Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien Präzisierung und Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffstrategie - Drucksache 17/13673 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({17}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung i) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2008 und 2009 - Drucksache 17/1350 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({18}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien j) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht 2009 und 2010 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - 23. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/5200 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({19}) Petitionsausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien k) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2010 und 2011 - Drucksache 17/9100

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Innenausschuss ({0}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien l) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht 2011 und 2012 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - 24. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/13000 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({1}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({3}) - Drucksachen 17/9852, 17/11053, 17/11636, 17/13720 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({4}) zu dem Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge ({5}) - Drucksachen 17/10818, 17/12219, 17/12220, 17/12628, 17/13721 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({6}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften ({7}) - Drucksachen 17/12375, 17/12532, 17/12533, 17/12925, 17/13722 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({8}) zu dem Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes - Drucksachen 17/10422, 17/12722, 17/13388, 17/13723 Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen ZP 7 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesamtvolumen der Wahlversprechen von Bundeskanzlerin Dr. Merkel - Auswirkungen auf die Steuer- und Haushaltspolitik des Bundes ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Drucksache 17/13706 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({9}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({10}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul, Volker Beck ({11}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Export von Überwachungs- und Zensurtechnologie an autoritäre Staaten verhindern - Demokratische Proteste unterstützen - Drucksachen 17/13489, 17/13763 Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz ZP 10 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien ({12}) - Drucksache 17/13707 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({13}) Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Präsident Dr. Norbert Lammert ZP 11 Beratung des Berichts des Innenausschusses ({14}) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung - zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Aufnahme von Kultur und Sport in das Grundgesetz - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Kultur gut stärken - Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern - Drucksachen 17/10644, 17/10785 ({15}), 17/13750 Berichterstattung: Abgeordnete Wolfgang Bosbach Ingo Wellenreuther Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Stefan Ruppert Frank Tempel Wolfgang Wieland ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Jürgen Trittin, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu der Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft genannt, zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika KOM ({16})136 endg.; Ratsdok. 7396/13 hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäische Union Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft nur mit starker Parlamentsbeteiligung - Drucksache 17/13733 ZP 13 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zu der Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft genannt, zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika KOM ({17})136 endg.; Ratsdok. 7396/13 hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäische Union Vereinbarung über die Herausnahme von audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen von den Verhandlungen der EU mit den USA zu einem transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen ({18}) erzielen - Drucksache 17/13732 ZP 14 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({19}) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine moderne und nachhaltige Verbraucherpolitik - Drucksachen 17/12694, 17/13761 Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch ZP 15 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({20}) zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira DrobinskiWeiß, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern - Drucksachen 17/12689, 17/13274 Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch ZP 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Tier- und Artenschutz durch Beschränkung des Wildtierhandels stärken - Drucksache 17/13713 ZP 17 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Hofmann ({21}), Michael Hartmann ({22}), Christine Lambrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Präsident Dr. Norbert Lammert System der Kriminal- und Rechtspflegestatistiken in Deutschland optimieren und auf eine solide rechtliche Grundlage stellen - Drucksache 17/13715 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({23}) Rechtsausschuss ZP 18 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen - Drucksache 17/13704 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({24}) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO ZP 19 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben - Drucksache 17/13717 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({25}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ZP 20 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Sibylle Pfeiffer, Hartwig Fischer ({26}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Helga Daub, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Zerstörung des kongolesischen Naturerbes verhindern - Drucksache 17/13711 Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 18, 37, 38 a und 38 b, 50 b sowie 53 werden abgesetzt. Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunktliste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs. Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? - Das ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, in diesen Tagen sind wir auch in Berlin mit unseren Gedanken bei den Menschen in den vom Hochwasser betroffenen Regionen unseres Landes. Die Lage in den Hochwassergebieten ist weiterhin kritisch. In einigen Teilen sinken die Pegel zwar bereits wieder, andere Regionen erwarten dagegen noch die Scheitelwelle. Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen, zahlreiche Gegenden waren oder sind noch vom Verkehr abgeschnitten, in vielen Betrieben und Unternehmen ruht die Produktion. Das alles erinnert an das Jahr 2002, als wir von einer Flut sprachen, die nur einmal im Jahrhundert vorkomme. Wir haben uns getäuscht. Die Menschen in den Hochwassergebieten erleben gerade eine Flut, die die von 2002 an manchen Stellen möglicherweise noch übertrifft. Mancherorts hat das Wasser die höchsten Pegelstände seit Jahrhunderten erreicht. Erste Aufgabe ist es daher jetzt zunächst, Leben zu schützen, Schäden so weit wie möglich zu verhindern und Hilfe so schnell wie möglich an die Stellen zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Unser Dank gilt den Helferinnen und Helfern vor Ort. Ich nenne hier die Polizei, die Feuerwehr, die Rettungsdienste, die mit einigen Tausend Helfern vor Ort sind, und die Soldaten der Bundeswehr, vor allem aber auch die vielen freiwilligen Helfer, die Nachbarn, die Freunde. Zu den ermutigenden Erfahrungen solcher Katastrophen gehört wieder einmal, dass Not und Leid einhergehen mit tatkräftiger Hilfe und eindrucksvoller menschlicher Zuwendung. Auch dort, wo die Pegel sinken, beginnt nun eine schwierige Zeit. Denn wenn die akute Gefahr gebannt ist, stellen sich materielle und häufig auch existenzielle Folgeprobleme. Hunderte von Millionen Euro an öffentlichen und privaten Mitteln wurden seit 2002 in Dämme und Schutzmaßnahmen investiert. Viele, denen die Flut von 2002 alles genommen hat, haben sich danach eine völlig neue Existenz aufgebaut. Dass eine zweite Flut nun manches erneut zerstört, Wohnungen und Häuser, kommunale Infrastruktur wie berufliche Existenzen, ist besonders bitter. Wir lassen die betroffenen Menschen nicht allein. Bund und Länder haben für die Flutgebiete bereits erhebliche finanzielle Mittel zugesagt; auch die Europäische Union hat Hilfe versprochen. Für Regierungen wie Parlamente gilt: Schnelle Hilfe für die Flutopfer muss Priorität haben. Das ist auch Konsens aller Fraktionen hier in diesem Haus. Im Namen aller Mitglieder des Deutschen Bundestages bekräftige ich unsere gemeinsame Absicht und Bereitschaft, den Menschen in den Hochwasserregionen nach Kräften zur Seite zu stehen. ({27}) Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c auf: a) Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Peter Götz, Dr. Michael Meister und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeord- neten Dr. Birgit Reinemund, Heiner Kamp, Dr. Volker Wissing und der Fraktion der FDP Lage der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksachen 17/11461, 17/13343 - Präsident Dr. Norbert Lammert b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({28}) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE Kommunen von den Kosten für bauliche Maß- nahmen an Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen befreien - Drucksachen 17/10820, 17/12452 - Berichterstattung: Abgeordneter Peter Götz c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({29}) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Dietmar Bartsch, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wer bestellt, bezahlt - Konnexität zugunsten der Kommunen im Grundgesetz verankern - Drucksachen 17/6491, 17/13301 Berichterstattung: Abgeordnete Michael Frieser Gisela Piltz Jan Korte Wolfgang Wieland Bei der Beratung dieser Vorlagen zur Situation der Kommunen wird sicherlich noch Gelegenheit sein, aus der Sicht der Fraktionen ergänzende Hinweise und Anregungen zu den von mir zuvor genannten Aspekten zu geben. Zu der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt 90 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch, sodass wir so verfahren können. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble das Wort. ({30})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung dankt Ihnen, Herr Präsident, für die Worte, die Sie eben zu der katastrophalen Flut und zu der Situation der Menschen, die wieder von einem solch schrecklichen Ereignis betroffen sind, gesprochen haben. Was Sie gesagt haben, ist die Haltung aller Fraktionen und ist die Haltung der Bundesregierung. Uns alle machen die Bilder von dieser Flut betroffen. ({0}) Wir fühlen mit den Menschen und tun alles, um so rasch, so wirkungsvoll und so unbürokratisch wie möglich zu helfen. Jetzt geht es zunächst darum, die Schäden möglichst gering zu halten. Deswegen sind die Rettungsdienste vor Ort im Einsatz. Die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk helfen nach besten Kräften. Die Verwaltungen, die Polizeien, die Rettungsdienste, die ehrenamtlichen Helfer und die vielen freiwillig tätigen Bürgerinnen und Bürger leisten großartige Arbeit. Wir können stolz auf dieses hohe Maß an bürgerschaftlichem Engagement sein. ({1}) Wir werden über die Sofortmaßnahmen hinaus mit den Ländern zusammen alles Notwendige tun, um bei der längerfristigen Bewältigung der Flutfolgen solidarisch zu helfen. Darauf können sich alle verlassen. Niemand kann im Augenblick die Schäden abschätzen. Das ist auch gar nicht die entscheidende Frage. Vielmehr muss jetzt getan werden, was jetzt getan werden kann, und danach wird man gründlich aufarbeiten und tun, was dann zu tun ist. Das werden wir wie beim letzten Mal solidarisch, gemeinsam leisten. Man sieht im Übrigen in diesen Tagen auch, was alles in den letzten zehn Jahren vielerorts erfolgreich geleistet worden ist. Auch das gehört in diesen Tagen der Betroffenheit zu unserer Botschaft. Meine Damen und Herren, darin zeigt sich - um zum Gegenstand unserer Debatte zu kommen -, dass bürgerschaftliches Engagement vor allem vor Ort gelebt wird. Das gilt übrigens besonders in Zeiten der Globalisierung, europäischer Krisen und Diskussionen. Deswegen sind lebensfähige Kommunen von entscheidender Bedeutung für eine lebensfähige Demokratie. Deswegen ist die Gestaltungs- und Leistungsfähigkeit der Kommunen von einer entscheidenden, zentralen Bedeutung. ({2}) Aus diesem Grund hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode viel, wahrscheinlich mehr als die meisten kommunalen Vertreter erwartet haben, für die Kommunen getan, obwohl - das muss man gelegentlich dann doch in Erinnerung rufen - die prioritäre Zuständigkeit für die Kommunen nach unserem Grundgesetz bei den Ländern liegt. Die Länder achten auch gelegentlich sehr darauf, dass ihnen in ihre Zuständigkeit nicht eingegriffen wird. Lediglich bei der Finanzierung sind sie bereit, dem Bund hinreichend Verantwortung zu überlassen. Wir haben diese Verantwortung wahrgenommen und in dieser Legislaturperiode Leistungen in einem enormen Umfang, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder, für die Gemeinden übernommen. Ich erinnere daran, dass wir die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vollständig übernehmen. Wir haben damit eine Entscheidung der rot-grünen RegieBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble rung korrigiert. Wir entlasten die Kommunen damit um fast 20 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2016. ({3}) Das schafft für alle Kommunen Spielräume zur Stärkung von Investitionen. Es profitieren vor allen Dingen struktur- und finanzschwache Kommunen. Der Bund unterstützt die Kommunen massiv beim Ausbau des Kinderbetreuungsangebots für unter Dreijährige. Auch für diesen Bereich haben die Länder nach dem Grundgesetz die prioritäre Zuständigkeit. Wir haben die Mittel gerade noch einmal um weitere 580 Millionen Euro aufgestockt, um den Ausbau zu beschleunigen und das Angebot zu erweitern. Wir haben in dieser Legislaturperiode auch dafür gesorgt, dass sich noch mehr Kreise und Städte, wenn sie es wollen, selbstständig um Langzeitarbeitslose kümmern können. Wo diese Entscheidung getroffen wurde, hat es sich übrigens sehr bewährt. Auch darin zeigt sich, dass Föderalismus, dezentrale Entscheidungen und Subsidiarität die effizientere Gestaltungs- und Ordnungsform sind. ({4}) Wir haben das Bildungspaket bei voller Kostenerstattung durch den Bund in kommunale Zuständigkeit überführt. ({5}) Wir haben uns übrigens - auch daran will ich erinnern auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise stellvertretend für Länder und Kommunen verschuldet - das war die finanzpolitische Lage -, um den Kommunen mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm durch ein Tal zu helfen und einen Modernisierungsschub für die kommunale Infrastruktur zu ermöglichen. Das haben wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise getan. Wir haben die Folgen für die Neuverschuldung im Bundeshaushalt in dieser Legislaturperiode gut bewältigt. Ich möchte aber sagen: Es ist kein Zufall. Das Rekordjahr kommunaler Defizite war nicht etwa 2010, sondern 2003. Jedermann weiß, wer damals Regierungsverantwortung in Deutschland getragen hat. ({6}) Darin zeigt sich die unterschiedliche Haltung früherer Bundesregierungen und der heutigen Bundesregierung. Wir reden nicht nur von kommunalfreundlicher Politik, sondern handeln. ({7}) - Ich weiß schon, dass Sie die Zahlen nicht gerne hören. In einer Zeit der großen Parolen und großen Versprechungen ist es gelegentlich ganz gut, an Folgendes zu erinnern: Das Jahr 2003, als Sie regiert haben, war, ohne Wirtschaftskrise, der Höhepunkt kommunaler Defizite. ({8}) Im Übrigen zahlt sich unsere kommunalfreundliche Politik aus. Die Kommunen haben das Jahr 2012 mit einem Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden Euro abgeschlossen. Sie erreichen als erste staatliche Ebene vor Bund und Ländern einen positiven Finanzierungssaldo. ({9}) Die Zahlen sind wirklich eindrucksvoll. Diese erfreuliche Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Das zeigen auch die Schätzungen der kommunalen Spitzenverbände selbst. Natürlich ist die finanzielle Situation der einzelnen Kommunen unterschiedlich. ({10}) In diesem Zusammenhang wird auf die hohen Kassenkredite hingewiesen. Sie sind vor allen Dingen ein Problem einzelner Bundesländer. Meine Damen und Herren, da können Sie sich gleich wieder empören - es ist auch empörend -: Die Hälfte der bundesweiten kommunalen Kassenkredite entfällt allein auf Kommunen in Nordrhein-Westfalen. ({11}) Auch dort sind übrigens nicht alle Kommunen betroffen, auch dort bestehen erhebliche Ungleichgewichte; aber die Landesregierung tut nichts, um diesen Ungleichgewichten entgegenzuwirken. ({12}) Reden wir einmal, was die Eigenverantwortung der Länder für die Kommunen anbetrifft, über RheinlandPfalz. Dort ist höchstrichterlich festgestellt worden, dass das Land die Kommunen entgegen Recht und Gesetz finanziell zu schlecht ausgestattet hat. Auch das ist eine Wahrheit, die in dieser Debatte gesagt werden muss. ({13}) Die Länder müssen ihrer Verantwortung für die Kommunen, die ihnen das Grundgesetz zuweist, nachkommen, und zwar alle Länder; sie müssen für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und für einen Ausgleich kommunaler Finanzkraftunterschiede sorgen. Darauf haben die Gemeinden einen Anspruch. Es ist doch für die Länder wirklich kein Ruhmesblatt, dass sich viele Kommunen, übrigens auch in NordrheinWestfalen, in erster Linie auf den Bund verlassen, nach dem Bund rufen, nicht nach der zuständigen Landesregierung, weil sie von dort wenig Hilfe erwarten. ({14}) Der Bund nimmt seinen Teil der Verantwortung wahr. Wir schultern übrigens zunehmend Dinge, die ursprünglich in Länderverantwortung lagen. Darüber werden wir auch in den nächsten Jahren miteinander reden müssen, wenn wir erneut über die Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen zu diskutieren haben. Ich will das besonders dringliche und wichtige Thema des Ausbaus der Betreuung in Kindertagesstätten als Beispiel nennen. Wir alle sind gemeinsam der Auffassung, dass allen Eltern in Deutschland, wenn sie es wünschen, ein Betreuungsplatz für ihre unter dreijährigen Kinder zur Verfügung gestellt werden sollte. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode die Weichen dafür gestellt, dass aus einem Nischenangebot ein flächendeckendes Angebot wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Zahl der Betreuungsplätze auf 780 000 zu erhöhen und damit gegenüber dem Stand von 2006 zu verdreifachen. Wir sind auf einem guten Weg: Der Deutsche Landkreistag hat vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass mit Beginn des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz im August das notwendige Angebot letztlich zur Verfügung stehen wird. Die Bereitstellung eines solchen Angebots ist nach dem Grundgesetz originäre Aufgabe der Länder und Kommunen. Der Betrieb von Kindertagesstätten gehört zu den klassischen kommunalen Aufgaben. Es ist die Aufgabe der Länder und Kommunen, hier die Eltern zu unterstützen. Das schließt natürlich die Finanzierungsverantwortung mit ein. Ohne den Anstoß des Bundes wäre aber in der Fläche nichts geschehen. Dass sich hier in den vergangenen Jahren in Deutschland so viel getan hat - es sind Hunderttausende neue Kitaplätze geschaffen worden -, ist die Folge der Initiative des Bundes und vor allem der von ihm bereitgestellten massiven finanziellen Hilfen: Wir stellen bis zum Jahre 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro für Investitionen und Betrieb im Bereich der Kindertagesstätten bereit; ab 2015 werden es dauerhaft jährlich 845 Millionen Euro sein. Der Ausbau der Kinderkrippenplätze ist zwischen Bund und Ländern vereinbart. Der Bund hat alle seine Zusagen eingehalten, er hat die Mittel freiwillig sofort weitergegeben, und er hat den Ausbau mit weiteren Initiativen flankiert: Bereitstellung von KfW-Krediten, Unterstützung betrieblicher Kinderbetreuung, Initiativen zur Sprach- und Integrationsförderung, Elternbegleitung, Gewinnung von Fachkräften für die Kitas. All dies hat der Bund zusätzlich getan, und dennoch gibt es Diskussionen, ob denn alle Länder alle Mittel des Bundes wirklich zügig an die Kommunen, für die sie gedacht sind, weitergeben; auch dies muss erwähnt werden. ({15}) Die Länder dürfen am Ende nicht Sand im Getriebe sein, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu gewährleisten. Deshalb werden wir in der kommenden Legislaturperiode in Bezug auf die Gesamtverantwortung von Bund und Ländern darüber verhandeln müssen, auch über die Finanzierung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen; das muss in einem grundsätzlichen Kontext geschehen. Wir haben uns verpflichtet, hier in der nächsten Legislaturperiode eine Neuregelung auf den Weg zu bringen. Aber das erfordert, dass Bund und Länder gemeinsam Verantwortung übernehmen; das will ich festhalten. Eine letzte Bemerkung. Es bleibt entscheidend, dass die Kommunen vor Ort hinsichtlich der Ausgaben und Einnahmen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bekommen, sonst wird kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Nur mit der Zuweisung von Aufgaben gegen volle Finanzierung ist kommunale Selbstverwaltung inhaltlich noch nicht hinreichend ausgestaltet. Umgekehrt brauchen die Gemeinden mehr Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf ihre eigenen Einnahmen. Wir haben es in dieser Legislaturperiode leider nicht geschafft, darüber einen hinreichenden Konsens zu erzielen. Das Angebot bleibt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode noch einmal einen solchen Versuch unternehmen wollen. Es geht entscheidend darum, dass wir die Kommunen stärken. Das ist das eigentliche Anliegen; denn sie sind die Grundlage einer lebendigen Demokratie. Sie sind im Übrigen auch Basis eines Europas, wenn dieses Europa dem Titel „In Vielfalt geeint“ gerecht werden will. Herzlichen Dank. ({16})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält jetzt der Kollege Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion. ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003820, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich möchte Ihnen für die einfühlsamen und richtigen Worte danken, die Sie zur Flutkatastrophe gefunden haben. In der Tat: Das ist kein Thema für parteipolitische Auseinandersetzungen. In diesem Moment sollte der Bundestag insgesamt zusammenstehen und klarmachen, dass wir die Flutopfer nicht alleine lassen, dass wir alle möglichen Hilfen gewähren, die jetzt benötigt werden. ({0}) Das Hochwasser wird schwerste Schäden hinterlassen. Für jeden Einzelnen kann eine Überschwemmung eine existenzvernichtende Katastrophe sein, für einige zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre. Wir dürfen die Menschen, die Unternehmen und die Kommunen in diesem Unglück nicht alleinlassen. Mich ermutigt die große Solidarität, die überall Platz greift, die große Hilfsbereitschaft der Menschen. Wir sollten mit Respekt und Hochachtung den Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz danken. Das Zusammenstehen in der Not zeigt, wie viel Gemeinsinn in unserer Gesellschaft steckt. Daran müssen wir uns in der Politik ein Beispiel nehmen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Wenn es um die Finanzierung der Hilfen in Milliardenhöhe geht, wird sich die sozialdemokratische Fraktion absolut konstruktiv verhalten. Es ist gut, dass bereits erste Gelder zugesagt sind, aber das reicht natürlich bei weitem nicht aus. Ich halte es für erforderlich, wie im Jahr 2002 einen Hilfsfonds einzurichten. Dieser Hilfsfonds wird mit mehreren Milliarden Euro ausgestattet werden müssen. Die unbürokratische und schnelle Auszahlung der Hilfen 2002 muss der Maßstab für die Hilfen in diesem Jahr sein. ({1}) Darauf haben die betroffenen Kommunen einen Anspruch. Damit komme ich zu einem Thema, Herr Schäuble, was wir etwas kritischer diskutieren müssen: die Lage der Kommunen. Den Kommunen in Deutschland ist es in den letzten vier Jahren schlecht gegangen. Da bin ich anderer Meinung als Sie. Sie lenken den Blick gerne auf Nordrhein-Westfalen. Ich will Ihnen ein Beispiel aus Hessen geben. In Hessen hat die schwarz-gelbe Landesregierung mit Landtagsmehrheit den kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro gekürzt. Man hat den Kommunen 340 Millionen Euro weggenommen, um den Landeshaushalt zu sanieren, Herr Jung. Dafür hat sie vom Staatsgerichtshof eine Ohrfeige bekommen. Das war verfassungswidrig, ({2}) und das ist kein Umgang mit den Kommunen. Sie haben vier Jahre lang Politik zulasten der Kommunen gemacht. Ihre Klientelpolitik hat immer dazu geführt, dass private Taschen gefüllt wurden, und das Gegenstück dazu waren Schulden und Steuerausfälle bei den Kommunen. ({3}) Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Kommunen rund 1,6 Milliarden Euro gekostet. ({4}) Die Änderung bei der Unternehmensbesteuerung hat zu Ausfällen in Höhe von 650 Millionen Euro geführt. Das gescheiterte Gesetz zum Abbau der kalten Progression hätte die Kommunen weitere 600 Millionen Euro gekostet. Meine Damen und Herren, das ist Politik zulasten Dritter. ({5}) Ihre Klientelgeschenke werden durch steigende Gebühren in den Kommunen und durch steigende kommunale Schulden bezahlt. Die deutschen Kommunen haben Kassenkredite in der unvorstellbaren Höhe von 48 Milliarden Euro. Das können sie kaum noch verkraften. Wahr ist: Einige Kommunen haben sich in den letzten Jahren sanieren können. Wahr ist aber auch: Es gibt sehr viele Kommunen, die immer weiter in den Schuldenstrudel hineingetrieben werden. Deshalb brauchen wir eine grundlegend andere Politik auf Bundes- und Landesebene gegenüber den Kommunen. ({6}) Wir treten für einen Investitions- und Entschuldungspakt ein. Dazu gehört erstens die Unterstützung der Kommunen bei den Sozialausgaben. Da haben wir über den Vermittlungsausschuss bei den Hartz-IV-Verhandlungen erreicht, dass die Lasten, die sich aus der Grundsicherung im Alter ergeben, Schritt für Schritt vom Bund übernommen werden. Auf die Idee wären Sie nicht gekommen, und ohne den von uns angerufenen Vermittlungsausschuss wäre das nicht passiert. Der nächste Schritt ist, sich jetzt die Kosten der Eingliederungshilfe, unter denen die Kommunen besonders stark leiden, genauer anzuschauen. Zweitens werden wir einen Investitionspakt von Bund und Ländern auf den Weg bringen, von dem insbesondere die finanzschwachen Kommunen profitieren sollen. Schließlich brauchen wir drittens einen Entschuldungspakt zugunsten der Kommunen, bei dem wir vornehmlich die Einnahmebasis der Kommunen verstärken. Die Kommunen werden von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes angemessen profitieren, und wir wollen auch die Gewerbesteuer weiterentwickeln. ({7}) In dem Zusammenhang müssen wir auch über die Städtebauförderung reden. Die Koalition hat die Städtebauförderung als zentrales Instrument für die zukunftsfähige Entwicklung der Städte und Gemeinden in den vergangenen vier Jahren systematisch gekürzt und vernachlässigt. Trotz eines unstreitig anerkannten Bedarfes in Höhe von 700 Millionen Euro stehen nur 455 Millionen Euro zur Verfügung - und das, obwohl ein von Ihnen selbst vorgelegtes Gutachten belegt, dass die Städtebauförderung eine enorme Investitionsanreizwirkung hat. Auf 1 Euro öffentliche Gelder kommen 7 Euro private Gelder, die investiert werden. Das ist eine optimale Relation. Ihnen fehlt aber nicht nur das Verständnis für eine angemessene Finanzausstattung, sondern auch für die inhaltliche Ausrichtung der Strukturförderung des Bundes an den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Kommunen. Dazu gehört vor allem, das Programm „Soziale Stadt“ wieder vernünftig auszustatten. Es war falsch, dieses Programm 2010 um fast 70 Prozent zu kürzen. ({8}) Das war ein absoluter Fehlgriff, Herr Schäuble. Da verwundert es auch nicht, dass in den 20 größten Städten Deutschlands nur noch drei CDU-Oberbürgermeister regieren. Auch die sind nicht mehr sicher - jedenfalls wenn Sie diese Politik nicht grundlegend korrigieren. ({9}) Mit dem Programm „Soziale Stadt“ konnten in der Vergangenheit in vielen Stadtquartieren drohende Abwärtsentwicklungen gestoppt werden. Wir wollen sichtbare städtebauliche Erneuerungen im Wohnumfeld sowie im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur. Diese sind Voraussetzung dafür, dass das soziale Miteinander, der nachbarschaftliche Zusammenhalt und die Integration gelebt werden können. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Das Ziel der SPD sind starke Kommunen. Wir wollen die Kommunen wieder stärken. Von starken Kommunen hängt es ab, ob unsere Kinder gute Kindergärten und Schulen vorfinden. Von starken Kommunen hängt es ab, wie Menschen aufwachsen und leben. Von starken Kommunen hängt es ab, ob Integration, ob das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft gelingt, und davon hängt auch ab, ob sich die Menschen in unseren Gemeinden und Städten sicher fühlen. Das ist der zentrale Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir wollen, dass es allen besser geht. Das ist das Gegenteil von Klientelpolitik für einige wenige. In den Kommunen fangen wir damit an. Vielen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, erlaube ich mir einen dezenten Hinweis an die Bundesratsbank. Mit Blick auf das Thema, das wir gerade beraten, und die herausragende Verantwortung der Länder für die Situation der Kommunen hätte ich es nicht für übertrieben gehalten, wenn diese Verantwortung der Länder durch eine erkennbare Präsenz auf der Bundesratsbank unterstrichen worden wäre. ({0}) Nun erhält die Kollegin Reinemund für die FDPFraktion das Wort, der ich gleichzeitig zu ihrem heutigen Geburtstag gratuliere. Alle guten Wünsche! ({1})

Dr. Birgit Reinemund (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Glückwünsche. Es ist mir ein Vergnügen, mit Ihnen allen heute gemeinsam älter zu werden, auch wenn mir nicht wirklich zum Feiern zumute ist. Es ist angesichts der furchtbaren Bilder über die Flutkatastrophe, die uns alle sehr bewegen, wirklich schwer, gerade heute eine Debatte zur Lage der Kommunen zu führen. Gerne schließe ich mich den Worten des Bundestagspräsidenten und der Kollegen an. Das gilt vor allen Dingen für den Dank an alle Helfer, die aus allen Regionen Deutschlands in die Überschwemmungsgebiete gehen, um Nothilfe zu leisten. ({0}) Wir haben einen großen Konsens, und wir alle sichern unbürokratische und schnelle Nothilfe zu - kurz- und langfristig für die Menschen und für die Betriebe. Wirtschaftsminister Rösler hat erste Gespräche geführt und Programme angekündigt. Ich danke unserem Bundestagspräsidenten, dass er auf die leere Bundesratsbank hingewiesen hat. Ich halte es, um mit den Worten der linken Seite des Hauses zu sprechen, für einen Skandal, dass die Länder heute mit keiner einzigen Person hier vertreten sind. Unser aller Ziel sind starke Kommunen. Eine angemessene Finanzausstattung ist verfassungsmäßig festgeschrieben. Die Kommunen sind Gebietskörperschaften der Länder, das heißt, diese stehen in direkter Verantwortung. Herr Oppermann, Sie wissen genauso gut wie ich, dass das grün-rote Baden-Württemberg in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen den kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro gekürzt hat. Das geschah nicht in Zeiten der Krise, sondern in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen. ({1}) Das heißt nicht, dass wir die Verantwortung abschieben; aber die Aussage: „Der Bund muss zahlen!“, kann nicht die alleinige Lösung für die Probleme sein. ({2}) Aus gutem Grund wurden die komplexen Bund-Länder-Beziehungen gemeinsam im Rahmen der Föderalismusreformen I und II entflochten, um Verantwortlichkeiten klar zuordnen zu können. Im Rahmen einer Föderalismuskommission III sollte endlich die Struktur der Kommunalfinanzen neu geordnet werden und das Prinzip der Konnexität verankert werden; das heißt, wer bestellt, der bezahlt. Das ist bei der letzten Reform an Ihnen gescheitert. Diese Koalition hat dafür gesorgt, dass die Kommunen heute finanziell deutlich besser dastehen als vor vier Jahren. 2012 verzeichneten sie einen Überschuss von 1,8 Milliarden Euro. Für die Zeit ab 2013 werden mindestens 4 Milliarden Euro pro Jahr prognostiziert. Zum Vergleich: 2009, unter Finanzminister Steinbrück, stöhnten sie über ein Defizit von 7,5 Milliarden Euro. ({3}) Ohne Zweifel gibt es nach wie vor Kommunen, die mit dem Rücken zur Wand stehen, je nach eigener Wirtschaftskraft, nach der Sozialstruktur, aber auch nach der Wirtschaftskraft ihrer Region und ihres Bundeslandes. Denken Sie an NRW, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Dabei spielen der kommunale Finanzausgleich - dieser ist Ländersache -, der Länderfinanzausgleich und natürlich die Gesamtwirtschaftslage Deutschlands eine große Rolle. Sie alle kennen die Abhängigkeit der Kommunen von Gewerbesteuer, Einkommensteuer und von den Sozialkosten bei hoher Arbeitslosigkeit. Die Kommunen profitieren zuallererst von unserer soliden Finanz- und Wirtschaftspolitik. Wir haben Rekordsteuereinnahmen und die höchste Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze aller Zeiten. Kurz: höhere Einnahmen und geringere Ausgaben auch und gerade für die Kommunen. ({4}) Wir setzen in dieser Legislaturperiode zudem auf eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen zum Wohle der Kommunen. Der Bund übernimmt die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Das ist die größte Entlastung aller Zeiten. Sie beträgt rund 4,5 Milliarden Euro jährlich plus alle Steigerungen. Auch wenn Sie es noch so oft erzählen: Das war ein Vorschlag unseres Finanzministers, nicht der Opposition. ({5}) Bei den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernimmt der Bund mittlerweile durchschnittlich 36,4 Prozent. Die Grünen fordern heute ehrgeizige 37,7 Prozent in zwei Schritten. ({6}) 2009 waren wir bei 26 Prozent. Wir übernehmen die vollen Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket. Rund 73 Prozent der berechtigten Kinder nehmen diese Leistungen mittlerweile in Anspruch. So etwas gab es noch nie. Die SPD hat angekündigt, dass sie dies rückabwickeln will. Für die Investitionen in Krippenplätze steuern wir 5,4 Milliarden Euro bei, für die Betriebskosten geben wir zukünftig jährlich 845 Millionen Euro. Die Städtebauförderung führen wir gleichbleibend mit rund 455 Millionen Euro fort. Das ist gut für die Kommunen, für das lokale Handwerk, für Arbeitsplätze und für das Gewerbesteueraufkommen. ({7}) Es ist richtig: In der Krise hatten wir zusätzliche Mittel aus den Konjunkturpaketen, die mittlerweile ausgelaufen sind. Außerdem haben wir durchgesetzt: Verbesserung bei der Konversion, beim Planungsrecht, beim Baurecht, bei der Bürgerbeteiligung, bei E-Government, bei Breitbandversorgung, bei der Ärzteversorgung im ländlichen Raum und nicht zuletzt beim Beteiligungsrecht der Kommunen in der Gesetzgebung im Bundestag. Der Bundesrat konnte sich übrigens nicht dazu durchringen. Dies alles sind notwendige Hilfen für die Kommunen. Eine Strukturreform ersetzt das aber noch lange nicht. Auf keinen Fall darf diese positive Entwicklung jetzt gefährdet werden. Zu Recht warnt der Deutsche Städteund Gemeindebund vor den Steuererhöhungsplänen von SPD und Grünen. Sie würden der lokalen Wirtschaft schaden, Arbeitsplätze gefährden und die Kommunen schwächen. Wir werden unseren Weg der Konsolidierung und der Unterstützung der Strukturreform in dieser Konstellation ab Oktober weitergehen und auf eine Föderalismuskommission III hinarbeiten. Denn wir müssen durch die gesamtstaatliche Brille schauen. Ein Hin- und Herschieben der Kosten darf es künftig nicht mehr geben. Bei der Schuldenbremse des Fiskalpakts wird eine gesamtstaatliche Betrachtungsweise eingefordert. In die Berechnung sollen die Schulden des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Sozialversicherungen einfließen. Es ist richtig: Wir sind noch nicht am Ziel angekommen. Doch egal, wie Sie es drehen und wenden, wenn Sie die Lage in 2009 mit der in 2013 vergleichen, müssen Sie zugeben, dass es vier gute Jahre für Deutschland und vier gute Jahre für Deutschlands Kommunen waren. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege Steffen Bockhahn das Wort. ({0})

Steffen Bockhahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004014, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist beeindruckend, wie sich in diesen Tagen viele Menschen in Süddeutschland und in Ostdeutschland gegenseitig helfen, sich füreinander aufopfern. Das ist ein großer Beweis dafür, dass es in diesem Land noch Solidarität und Miteinander gibt. Das ist in dieser schweren Stunde, denke ich, eine gute Nachricht. ({0}) Es ist ebenso eine gute Nachricht, dass die Katastrophenstäbe offensichtlich ganz hervorragend arbeiten. Man merkt das auch daran, dass wir zum Glück bisher keinen Verlust von Menschenleben zu beklagen haben. Ich hoffe, dass das so bleibt. Das ist ein Beweis für die Stärke der Kommunen und ihre Leistungsfähigkeit. Denn ohne die aktive Mithilfe der Kommunen in diesen Katastrophenstäben könnte die Arbeit nicht so gut organisiert werden. Ich denke, an diesem Punkt sollte man allen Helferinnen und Helfern, egal ob sie in Amtsstuben oder direkt am Deich sind, „Danke!“ und „Weiter so!“ sagen. Wir drücken ihnen die Daumen, dass es nicht noch schlimmer kommt, als es ohnehin schon ist. ({1}) Ich finde es erstaunlich, dass das offensichtlich nur bei der Fraktion Die Linke so gesehen wird. Kommunen und Betroffene - da sind wir bei der Verantwortung, die wir gemeinsam tragen - dürfen jetzt nicht alleingelassen werden. Es ist, denke ich, unsere gemeinsame Entscheidung, dass wir Geld in die betroffenen Gebiete geben werden; diese Entscheidung ist auch richtig. Aber es ist die Aufgabe der Bundesregierung, jetzt ganz schnell Verbindlichkeit dahin gehend zu schaffen, wie die Antragsverfahren aussehen und welche Kriterien es gibt. Das Ganze muss vor allem eines sein, nämlich unbürokratisch. Es müssen Straßen erneuert werden, es müssen Kitas saniert werden, und es müssen Gebäude wiederhergerichtet werden. Dabei können und dürfen wir die Kommunen nicht alleinelassen. Zinsgünstige Kredite allein werden überschuldeten Kommunen kaum helfen. Wir brauchen echte Hilfe, auch vom Bund. Meine Damen und Herren, ich denke, nur wenige von Ihnen wissen das: Am letzten Donnerstag, heute vor einer Woche, ist vor der polnischen Ostseeküste ein Schiff untergegangen, die „Georg Büchner“. Warum erzähle ich Ihnen das? Die „Georg Büchner“ ist ein Kulturdenkmal, das über Jahrzehnte in der Hansestadt Rostock, meiner Heimatstadt, gelegen hat. Zehntausende Menschen fühlen sich eng mit dem Schiff verbunden. Die „Georg Büchner“ war ein Ausbildungsschiff, auf dem sehr viele Menschen gefahren sind und gelernt haben. Dieses Schiff konnte von der Kommune nicht mehr gehalten werden. Es wären etwa 5 Millionen Euro notwendig gewesen, um dieses Kulturdenkmal zu sanieren. Das war nicht möglich. Es war der Kommune nicht möglich, und es war dem Trägerverein nicht möglich. Dem Schiff wurde der Denkmalstatus entzogen. Es sollte nach Litauen geschleppt und abgewrackt werden. Dazu ist es nicht gekommen. Die „Georg Büchner“ ist schlicht abgesoffen. Sie ist damit ein Stück weit Sinnbild für die Lage der Kommunen in Deutschland. Die Kommunen haben 2012 - ich finde, das ist eine ganz beeindruckende Zahl - Gesamtsteuereinnahmen in Höhe von etwa 198 Milliarden Euro gehabt, und zwar bereinigt. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2013 hat ein Volumen von 302 Milliarden Euro; das ist etwa ein Drittel mehr. Wenn man sich vor Augen führt, dass von diesen 198 Milliarden Euro etwa ein Viertel sofort an Sozialleistungen weggegangen ist, dann ist das schon beeindruckend, weil es deutlich macht, wie eng die Lage der Kommunen ist. Wenn allein ein Viertel der Gesamteinnahmen zur Finanzierung der notwendigen Sozialleistungen gebraucht wird - dann ist noch keine Angestellte finanziert, noch kein Schulbuch gekauft, noch kein Spielplatz saniert, noch keine Straßenbahn bezahlt und noch kein neuer Radweg gebaut -, dann zeigt das, wie eng die Budgets der Kommunen in Deutschland tatsächlich sind. Außerdem ist dann noch kein einziger Cent für Kultur investiert worden. Es ist erschütternd, zu sehen, wie massiv in den letzten Jahren Stellen bei Theatern und Orchestern gestrichen wurden. Man muss sich einmal vergegenwärtigen, wie viele Sparten an Theatern in den letzten Jahren deutschlandweit geschlossen worden sind, wie viele Orchester zusammengelegt wurden und fusioniert sind. Alles das ist eine Folge der mangelnden kommunalen Finanzausstattung. ({2}) Als Bach, Mozart und Bruckner ihre üppigen Konzerte geschrieben haben, haben sie nicht daran gedacht, dass es irgendwann klamme Kommunen geben würde, die sich keine Orchester mehr leisten können, um diese Konzerte auch zu spielen. Aber das kann ja nicht bedeuten, dass wir künftig auf Bach, Bruckner und Mozart verzichten. Wir brauchen auch um der Kultur willen eine angemessene kommunale Finanzausstattung. ({3}) Kommunen machen Fehler - natürlich -, und sie geben auch Geld an falschen Stellen aus. Aber dabei sind sie in guter Gesellschaft: mit den Ländern, mit dem Bund und mit der EU. Natürlich muss vieles besser gemacht werden. Aber man kann den Kommunen zweifelsfrei nicht vorwerfen, dass sie sich nicht kümmern würden. Sie haben Steuern erfunden, und sie haben Steuern in teilweise absurde Höhen getrieben. Alles das hat nur bedingt geholfen. Ich habe mir ein paar Zahlen herausgesucht. Die Stadt Oberhausen hat etwa 1,8 Milliarden Euro Schulden; der Grundsteuerhebesatz liegt bei 590 Prozent, der Gewerbesteuerhebesatz bei 520 Prozent. Nürnberg hat fast 1,3 Milliarden Euro Schulden; der Hebesatz der Grundsteuer B liegt bei 535 Prozent und der Gewerbesteuerhebesatz bei 447 Prozent. Wenn man das Ganze durchdekliniert, stellt man fest: Es ist erschreckend. Je nachdem, welche Region Deutschlands man betrachtet, findet man zum Teil Steuersätze vor, die nicht mehr zur Leistungsfähigkeit passen. In meiner Heimatstadt Rostock, wo ich seit 2004 in der Bürgerschaft, im Kommunalparlament, bin - seit 2009 bin ich Vorsitzender des Finanzausschusses -, haben wir gerade wieder die Steuern erhöhen müssen, weil wir keine andere Chance mehr hatten. Wir haben jetzt in einer 200 000-Einwohner-Stadt einen Hebesatz der Grundsteuer B von 480 Prozent und einen Gewerbesteuerhebesatz von 465 Prozent. Ich wäre mir sofort mit der FDP einig, wenn sie sagt: Das ist zu viel; das ist nicht mehr wirtschaftsfreundlich. - Das stimmt. Das ist zu viel, und das ist nicht mehr wirtschaftsfreundlich. Nur, die Kommune hat gar keine andere Chance mehr. Man muss einsehen, dass Kostensteigerungen aufgefangen werden müssen. Entweder macht man das über diesen unvernünftigen Weg der Erhöhung der Kommunalsteuern, oder man redet endlich einmal darüber, wie die Kommen vernünftig ausgestattet werden können. Ich bin für die zweite Variante, meine Damen und Herren. ({4}) Wenn man die zweite Variante verfolgt, dann muss man sich anschauen, wo immer wieder die Probleme entstehen: Das sind eben genau die Stellen, an denen der Bund Aufgaben auf die Kommunen abwälzt, ohne diese Aufgaben auszufinanzieren. Deswegen hat die Linke die ganz klare Position: Wir brauchen endlich ein Konnexitätsprinzip für das Verhältnis zwischen Bund und Kommunen. Es ist in Ordnung, wenn der Bund den KommuSteffen Bockhahn nen eine Aufgabe überträgt; aber dann muss er diese Aufgabe auch voll ausfinanzieren. ({5}) Ich will Ihnen ein schönes Beispiel dafür geben: In meiner Heimatstadt Rostock gibt es eine Schleuse am Mühlendamm. Diese Schleuse ist enorm wichtig, erstens weil nur durch diese Schleuse Flutschutz betrieben werden kann und zweitens weil diese Schleuse für Sportboote, Kanus und Ruderboote die einzige Durchfahrt zwischen Ober- und Unterwarnow darstellt. Diese Schleuse nicht öffnen zu können, ist in etwa so, als wenn man die Alster von der Elbe trennt; das ist einfach nicht vernünftig. Die Sanierung dieser Schleuse würde 2 Millionen Euro kosten. Der Bund möchte sich dieser Schleuse entledigen und stellt sich stur. Die Kommune kann die Schleuse nicht allein sanieren. Das Ergebnis: Die Schleuse ist geschlossen, und das Wasser- und Schifffahrtsamt fordert die Kommune dazu auf, darüber nachzudenken, den Damm zuzuschütten und diese Durchfahrt dauerhaft zu sperren. Das, meine Damen und Herren, ist der Umgang des Bundes mit den Kommunen in Deutschland, und der ist falsch. ({6}) Es gibt weitere Beispiele, die so absurd sind, dass man es kaum fassen kann. Legendär ist das Eisenbahnkreuzungsgesetz. Beim Eisenbahnkreuzungsgesetz geht es darum, dass, wenn Bahnübergänge geschlossen werden, für den Bahnübergang eine Kreuzung gebaut werden muss. Die Kosten werden dann zwischen Bund, Kommune und Bahn geteilt; jeder muss ein Drittel tragen. In Brandenburg gibt es die Gemeinde Rückersdorf mit 1 500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Rückersdorf hat einen Gesamthaushalt in Höhe von etwa 15,7 Millionen Euro und einen Schuldenstand in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Diese Gemeinde wird nun gezwungen, in eine Eisenbahnkreuzung, die sie gar nicht will, 2,5 Millionen Euro zu investieren. Das ist die Politik dieser Bundesregierung im Umgang mit den Kommunen, und diese Politik ist falsch. ({7}) Es wird immer wieder darauf verwiesen - wir haben das auch heute schon mehrfach gehört -, dass die Kommunen in Deutschland unglaubliche Überschüsse erwirtschaften würden. Das stimmt auch - im Durchschnitt. Aber im Durchschnitt war der See einen Meter tief, und die Kuh ist trotzdem ertrunken. ({8}) Diese Überschüsse sind enorm ungleich verteilt: Einigen wenigen Kommunen geht es sehr gut; ich gönne ihnen das. Diesen wenigen Kommunen stehen aber unfassbar viele Kommunen gegenüber, die keine Chance haben, ihren Haushalt in den Griff zu bekommen. Wir müssen darüber reden, wie wir zu gleichen Chancen für alle Kommunen und damit zu dem grundgesetzlich garantierten Anspruch auf gleiche Lebensverhältnisse überall in Deutschland kommen. Gleiche Chancen sind die Voraussetzung dafür, dass es den Kommunen möglich ist, gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. Da müssen wir alle zusammen noch deutlich mehr tun: Dazu brauchen wir eine grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die deprimierende Lage der Kommunen in vielen Teilen der Republik führt auch zu einem Rückzug der Menschen aus der aktiven Beteiligung. Ich glaube, keine der Parteien dieses Hohen Hauses kann sich davon freisprechen, dass es überall in Deutschland immer schwieriger wird, Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahlen zu finden. Es wird nämlich immer schwieriger, zu verstehen, was man in der Kommunalpolitik tatsächlich noch gestalten kann. Das, meine Damen und Herren, ist ein echtes Problem. Es ist vor allen Dingen auch ein Problem für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland; sie muss nämlich zuerst von unten wachsen. Wenn wir nicht einmal mehr genügend Bewerberinnen und Bewerber finden, um die Kommunalparlamente voll zu besetzen, was ist das für ein Armutszeugnis für alle von uns? Davor sollten wir uns hüten. Auch deswegen müssen wir die Kommunalpolitik wieder attraktiver machen. Wir müssen ihr wieder Gestaltungsspielraum geben, meine Damen und Herren. ({9}) Das ganze - Entschuldigung! - Gerede darüber, was die Kommunen alles tun könnten und müssten, ist teilweise absurd. Wie viele Kommunen wurden in den letzten Jahren ausdrücklich gezwungen, ihr Eigentum zu verkaufen, um den Haushalt einmalig zu sanieren? Heute müssen wir uns ganz oft über Probleme am Wohnungsmarkt unterhalten. Da kann ich nur sagen: Augen auf bei der Entscheidung, und zwar vorher und nicht danach! Man darf sich nicht wundern, dass, wenn man Kommunen dazu zwingt, ihre Wohnungsbestände zu veräußern, im Nachgang kaum noch sozialer Wohnungsbau vorhanden ist. Die Kommunen könnten dies leisten. Wenn man sie aber ihrer Möglichkeiten beraubt, werden die Kommunen hier nicht steuernd eingreifen können. Kurzum, meine Damen und Herren: Egal welche Bundesregierung in den letzten Jahren am Werk gewesen ist, die Lage der Kommunen hat sich im Grundsatz nicht verbessert. Da muss noch einiges passieren. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun die Kollegin Katrin GöringEckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Erneut müssen viele Menschen gegen massives Hochwasser kämpfen. Unser Dank gilt den vielen Helferinnen und Helfern: denen von den Freiwilligen Feuerwehren, denen von der Bundeswehr, denen, die ehrenamtlich helfen, den Nachbarinnen und Nachbarn. Viele Notunterkünfte wurden gar nicht gebraucht, weil die Menschen bei Freunden, bei Nachbarn, zum Teil auch bei ganz Fremden untergekommen sind. Die jetzigen Schäden übertreffen vielerorts das Ausmaß des sogenannten Jahrhunderthochwassers von 2002. Mich beeindruckt sehr, mit welch großer Ruhe die Betroffenen handeln und dass sie vor allem den Mut nicht verlieren. Ich zolle diesen Menschen sehr viel Respekt. ({0}) Wenn man in den Hochwassergebieten unterwegs ist, riecht man Öl und Gas und sieht allerorten braune Wasser- und Schlammmassen. Wenn wir hier schon längst wieder bei anderen Themen sind, werden die Menschen dort immer noch versuchen, ihre Häuser wieder trocken und sauber zu bekommen. Dann werden Unternehmen versuchen müssen, neue Maschinen zu finanzieren. Hier und da wird man völlig neu anfangen müssen. Einer Gärtnerei sind zum dritten oder vierten Mal alle Pflanzen weggeschwommen. Mancher braucht zum zweiten, mancher zum dritten Mal eine komplett neue Wohnungseinrichtung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir denken an diese Menschen. Das dürfen wir aber nicht nur heute hier tun, sondern unsere Hilfe muss kontinuierlich sein. Sie muss unbürokratisch sein und darf nicht nur aus warmen Worten am heutigen Tag bestehen. ({1}) Ich finde übrigens, dass wir dabei auch besonders an die Menschen in den kleinen Orten mit nur hundert und nicht hunderttausend Einwohnerinnen und Einwohnern denken sollten, die ganz oft vergessen werden. Die Menschen in diesen Orten haben häufig das Gefühl, ihr Hochwasserschutz sei nur halb so wichtig wie der Damm vor einer großen Stadt. Die unbürokratische Hilfe muss also an erster Stelle stehen. Aber viele Leute vor Ort fragen natürlich auch: Wie sieht es jetzt eigentlich mit den Lehren aus der Katastrophe von 2002 aus? Ist wirklich getan worden, was getan werden musste? - Diesen Fragen können wir uns in dieser Debatte nicht entziehen. Natürlich brauchen wir Mauern. Natürlich brauchen wir Deiche. Natürlich brauchen wir Schutz. Aber wir brauchen definitiv auch mehr ökologischen Hochwasserschutz. Wir brauchen Flussauen, die renaturiert sind. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht immer mehr Landschaft versiegelt wird. In Deutschland nimmt die Siedlungsfläche in jeder Sekunde um 12 Quadratmeter zu. Dort kann das Regenwasser nicht mehr abfließen. Auch dem müssen wir ins Auge blicken. Das spielt ebenfalls eine Rolle, wenn wir heute an die Hochwasseropfer denken und sagen, dass sich hier wirklich langfristig etwas ändern muss, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Damit bin ich natürlich auch bei der Situation der Kommunen. Ehrlich gesagt, finde ich es angesichts der Realität nicht besonders angemessen, wenn Sie sich heute hier quasi auf die Schulter klopfen. Sie wissen genau: Die Kommunen schieben einen Schuldenberg in Höhe von 120 Milliarden Euro vor sich her. Was das heißt, kann jeder sehen, der mit offenen Augen durch Städte und Ortschaften geht. ({3}) Man kann das an den öffentlichen Gebäuden genau sehen. Man kann es an Fassaden sehen. Man kann es an Turnhallen sehen. Man kann es auch an den 1 100 Schwimmbädern sehen, die in den letzten Jahren geschlossen worden sind. Hunderte stehen noch vor der Schließung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das hat mit Daseinsvorsorge zu tun. Ist es eigentlich noch möglich, ein ganz normales gemeinschaftliches Leben in einer Kommune zu führen? Haben Kinder, Jugendliche und Erwachsene eigentlich noch Freizeitmöglichkeiten? Stehen eigentlich noch Bibliotheken zur Verfügung? Gibt es noch Theater? Können sie ins Schwimmbad gehen? Sind die Turnhallen in Ordnung oder nicht? Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist für mich auch eine Frage der Demokratie. Wer die Kommunen im Regen stehen lässt, betreibt hier eine echte Gefährdung. ({4}) Es geht nicht nur um den Schuldenberg, sondern auch um das fehlende Geld für Investitionen. Die KfW hat festgehalten, dass sich der Investitionsrückstand in den Kommunen auf 128 Milliarden Euro beläuft. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Was sollen die Kinder eigentlich denken - trotz guter Lehrer, trotz viel Engagement -, wenn der schäbigste Bau in der Ortschaft immer die Schule ist, liebe Kolleginnen und Kollegen? Das muss sich ändern. ({5}) Die Kommunen sind der Ort, wo Politik und Demokratie erlebt werden. ({6}) Durch die schwarz-gelben Steuergesetze und insbesondere das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit dem Sie unter anderem die Hoteliers bedient haben - das war Ihre Antwort -, haben Sie den Kommunen in den letzten drei Jahren mehr als 5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entzogen. ({7}) Das ist Klientelpolitik zulasten der Bürgerinnen und Bürger und zulasten der Kommunen. ({8}) Natürlich ist es richtig, die Kosten für die Grundsicherung im Alter zu übernehmen; das ist aber erst auf Druck des Bundesrates geschehen. ({9}) Aber dass Sie nicht über die Eingliederungshilfe mit dem entsprechenden Kostenzuwachs und nicht über andere soziale Pflichtleistungen diskutieren, zeigt, dass Sie weder die Kommunen noch die Investitionen im Blick haben. Das wird übrigens auch durch Ihre Versprechungen in den letzten Tagen deutlich. ({10}) Mit ungedeckten Schecks tun Sie so als ob. Wir von den Grünen sind gerade in den letzten Wochen sehr hart angegriffen worden, weil wir gesagt haben, wie wir das, was wir vorhaben, finanzieren wollen. Was machen Sie? - Sie machen Versprechungen von der Mütterrente bis zur Kindergelderhöhung, ohne nur an einer einzigen Stelle zu sagen, wie sie bezahlt werden sollen. ({11}) Sie lassen die Kommunen insbesondere beim Ausbau der Kindertagesstätten im Regen stehen und machen Versprechungen an anderer Stelle. ({12}) Ich will Ihnen sagen, wie ich das finde: Das ist unsolide und unseriös. Offensichtlich wird aber, dass das inzwischen auch einigen im Kanzleramt klar geworden ist; denn die Nervosität steigt. Sie wissen, dass Sie seit Jahren an der Realität der Menschen vor Ort vorbeiregiert haben. Es wird Zeit, dass sich das ändert, und zwar ganz spürbar. Ich bin sicher: Es wird sich etwas in den Kommunen ändern. Der Investitionsstau muss behoben werden. Die Menschen sollen wissen, dass wieder in die Schulen und in die Bildung ihrer Kinder investiert wird. Sie sollen wissen, dass ihre Realität und nicht die der Lobbyisten wichtig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der 22. September wird das zeigen. Vielen Dank. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Peter Götz ist der nächste Redner für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Peter Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000705, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hochwasser hält Deutschland weiter im Griff. Auch von unserer Seite, Herr Präsident, ein herzliches Dankeschön für die treffenden und einfühlsamen Worte zu Beginn der heutigen Debatte. Wir erleben in diesen Tagen auf dramatische Weise, mit welchen Emotionen tatsächlicher und drohender Schaden in vielen Städten und Gemeinden verbunden ist. Wir haben gestern von Bundesminister Peter Ramsauer im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung einen ersten Bericht zur Lage sowie zum Ausmaß der Schäden an Infrastruktur und Gebäuden erhalten. Schulen und Kindergärten in den Städten, aber auch im ländlichen Raum sind genauso betroffen wie das eigene Heim oder die Wohnung. Es wird - das wissen wir - Milliarden kosten, um diese Schäden zu beseitigen. Wenn wir die große Solidarität sehen, wenn wir erleben, wie Tausende bis zur Erschöpfung gegen Wassermassen kämpfen, sind wir zuversichtlich, dass es in einem gemeinsamen Kraftakt gelingen wird, zusammen mit den betroffenen Kommunen nicht nur die Schäden zu beseitigen, sondern vor allem dafür zu sorgen, dass der Hochwasserschutz vor Ort weiter zügig verbessert wird. Meine Damen und Herren, zurück zur Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zur Lage der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland, mit der wir uns heute auch auseinandersetzen. Die kommunalfreundliche Politik der Bundesregierung ist ein milliardenschwerer Segen für die Städte und Gemeinden in unserem Land. ({0}) Das ist, in einem Satz gesagt, das Fazit der Antwort auf unsere Große Anfrage. Wir danken allen, die an der ausführlichen Beantwortung von nahezu 100 Fragen mitgearbeitet haben. Die Antworten zeigen deutlich, dass die Politik der Bundesregierung, verteilt über viele Politikbereiche, entscheidend zur Stärkung der Kommunen und der kommunalen Selbstverwaltung beiträgt. An die Adresse der Linken sei gesagt: Man sollte sich zwischendurch vielleicht einmal daran erinnern, wie zu Zeiten der DDR die kommunale Selbstverwaltung behandelt worden ist. ({1}) Wir haben in den vergangenen vier Jahren eine einmalige und in dieser Größenordnung bisher noch nie da gewesene Leistungsbilanz zugunsten der Kommunen aufzuweisen. Das ist nicht nur unsere Einschätzung; diese Einschätzung wird auch von den kommunalen Spitzenverbänden geteilt. Ihnen, Herr Dr. Schäuble, danken wir für Ihr großes Verständnis für die berechtigten kommunalen Belange, das Sie bei allen Begehrlichkeiten, die an den Bundesfinanzminister immer wieder herangetragen werden, jeweils hatten. Sie haben zur Zeit der Gemeindefinanzkommission immer wieder gesagt: Wir machen nichts gegen die Kommunen, und wir helfen im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten. - Ich weiß, das haben viele nicht geglaubt, aber Sie haben Wort gehalten. Dafür herzlichen Dank! ({2}) Lassen Sie mich dazu auch noch sagen: Ohne Ihr Verständnis für die kommunalen Belange wären die Städte und Gemeinden heute nicht da, wo sie sind. Sie sind nicht nur auf einem guten Weg, sondern haben auch ein gutes Ergebnis vorzuweisen. Allein durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter von jährlich 4,5 Milliarden Euro - das wurde bereits gesagt - werden die Kommunen in den Jahren 2012 bis 2016 von Sozialausgaben in einer Größenordnung von nahezu 20 Milliarden Euro entlastet. Der Bund leistet damit einen deutlichen und vor allem nachhaltig aufwachsenden Beitrag zur Stabilisierung und dauerhaften Verbesserung der Kommunalfinanzen. Das ist seit Bestehen der Bundesrepublik die größte finanzielle Entlastung, die je eine Bundesregierung beschlossen hat. Sie können schimpfen und dagegen wettern - diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. ({3}) Wir danken deshalb auch der Bundeskanzlerin für diese großartige Bundesleistung. Kein Bundeskanzler zuvor hat so viel für die Kommunen bewirkt wie Angela Merkel. ({4}) Sie, Frau Kollegin Göring-Eckardt, haben mit Ihrer Stimme die Gewerbesteuerumlage angehoben. Sie haben die Grundsicherung im Alter eingeführt, ohne den Kommunen das notwendige Geld dafür zur Verfügung zu stellen. ({5}) Wir haben diese Ihre rot-grüne kommunalfeindliche Politik beendet. ({6}) Wenn wir die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage weiter analysieren, dann sehen wir, dass wir beliebig weiter über die Erfolge in unserer Leistungsbilanz sprechen können: Man kann es nicht oft genug sagen: Der Bund unterstützt den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren mit 5,4 Milliarden Euro, und er leistet damit den Ländern, die dafür eigentlich zuständig sind, eine unschätzbare Hilfe. ({7}) Als weiteres Stichwort nenne ich das Bildungs- und Teilhabepaket, das wir auf den Weg gebracht haben. ({8}) Hinzu kommt - auch das ist leider bei vielen in Vergessenheit geraten -, dass die kommunalen Spitzenverbände künftig noch besser, als das bisher je der Fall war, in bundespolitische Entscheidungen eingebunden werden. ({9}) Schließlich sorgt auch die positive wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, die übrigens auch etwas mit unserer Politik zu tun hat, erstmals nach 2008 wieder für einen Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2012. Kollegin Reinemund hat es gesagt: In den Folgejahren ab 2013 wird mit noch größeren Finanzierungsüberschüssen gerechnet. Wenn wir uns an die Zeit der rot-grünen Regierung zurückerinnern, dann wissen wir, um nur ein Beispiel zu nennen, dass das kommunale Defizit im Jahr 2003, in einer Zeit, als es noch keine internationale Finanzmarktund Wirtschaftskrise gab, bei 8,4 Milliarden Euro lag. Defizit, nicht Überschuss! Es gibt natürlich - das ist unstrittig - Wermutstropfen. Leider ist das Bild der Kassenkredite mit 47 Milliarden Euro nach wie vor alarmierend. Der Bundesfinanzminister hat es angesprochen: Allein knapp die Hälfte aller Kassenkredite in Deutschland stammt aus Kommunen in Nordrhein-Westfalen. ({10}) Herr Oppermann, es ist schon bemerkenswert, dass Ihr Kanzlerkandidat jetzt auf einmal die Kommunen ins Herz schließt. Zu seiner Zeit als Finanzminister und Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen ist die Höhe der Kassenkredite dort exorbitant gestiegen. ({11}) Wenn er jetzt den Feuerwehrmann spielt, sollte er nicht vergessen, dass er vorher vor Ort fleißig mitgezündelt hat. ({12}) Die größte kommunale Entlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben wir ganz ohne Steuererhöhungen hinbekommen und gleichzeitig die staatliche Neuverschuldung gesenkt. ({13}) Noch eines: Wenn der Deutsche Städte- und Gemeindebund diese Woche die SPD dringend vor einer Steuererhöhung warnt und zu Recht auf den kaum zu bewältigenden Bürokratieaufwand bei der Einführung der Vermögensteuer hinweist, beweist dies einmal mehr, dass neue Steuern der falsche Weg sind. ({14}) Am 1. August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz in Kraft. ({15}) Es gibt übrigens aus dem Jahr 2006 eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die zum Inhalt hat, dass sie sich an den Kosten mit je einem Drittel beteiligen wollen. Das haben viele vergessen. Einige Länder haben sehr lange gebraucht, bis sie gemerkt haben, dass sie nicht nur die Gelder des Bundes, sondern auch ihren eigenen Finanzanteil an die Kommunen geben müssen. Wir fordern, dass unsere Hilfen uneingeschränkt bei den Kommunen ankommen und nicht an den klebrigen Fingern der Länderfinanzminister hängen bleiben. ({16}) Während Rot-Grün in seiner Regierungszeit ständig neue Aufgaben erfand, die von den Kommunen zu finanzieren waren, wurde unter Führung von CDU und CSU diese kommunalfeindliche Politik beendet. ({17}) Heute gilt zu Recht der Grundsatz: Wer bestellt, der bezahlt. Die Politik der christlich-liberalen Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen verdient das Vertrauen der Kommunen. Dies unterstreicht die Antwort auf unsere Große Anfrage sehr deutlich. Es liegt im ureigenen Interesse der Städte, Gemeinden und Landkreise, dass dieser Politikstil mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wolfgang Schäuble weiter fortgeführt werden kann. Dafür lohnt es sich zu arbeiten. Herzlichen Dank. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Bernd Scheelen für die SPD-Fraktion. ({0})

Bernd Scheelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002772, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich unbotmäßigerweise mit einer leichten Kritik an Ihrer Äußerung hinsichtlich der fehlenden Präsenz von Vertretern auf der Länderbank beginnen. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass die Länderbank nicht voll besetzt ist, ({0}) weil das, um das es hier geht, dieses Papier hier, die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der eigenen Koalitionsfraktionen ist. Das Papier enthält nichts anderes als die ultimative Lobhudelei. Dafür, dass sich die Ländervertreter eine Debatte dazu nicht anhören wollen, habe ich volles Verständnis. ({1}) Ich habe auch Verständnis dafür, dass keine Vertreter von CDU-geführten Ländern hier sind; denn auch sie wollen sich das nicht anhören. ({2}) Es ist ein sehr merkwürdiger Vorgang, dass die eigenen Fraktionen die Regierung fragen: Waren wir nicht toll? Die Regierung bestätigt das auch noch. 92 Fragen auf 117 Seiten: Es hat mich viel Lebenszeit gekostet, das alles durchzulesen. Es hat sich nicht gelohnt: Das Papier ist dick, aber der Inhalt ist dünn. ({3}) Herr Minister Schäuble, Sie haben in Ihrem Vortrag im Wesentlichen darauf abgehoben, wie kommunalfreundlich diese Regierung ist und was Sie alles für die Kommunen getan haben. Ich sage Ihnen: All das, was Sie hier beschreiben, ist nicht auf Ihre eigene Initiative zurückzuführen, sondern das ist auf Druck derjenigen passiert, die im Moment nicht hier sind, weil sie sich um ihre Kommunen kümmern. Sie haben diese Forderungen durchgesetzt, und zwar im Vermittlungsverfahren zum Bildungs- und Teilhabepaket und im Vermittlungsverfahren zum Fiskalpakt. Genau das ist die Wahrheit. ({4}) Ein Wort zur Gemeindefinanzkommission. ({5}) - Ich? ({6}) Der Kollege Rüttgers hat den Kommunen in NordrheinWestfalen in fünf Jahren 3 Milliarden Euro weggenommen. Deswegen haben viele Kommunen in NordrheinWestfalen ein Problem. ({7}) Kollege Finanzminister Schäuble hat tatsächlich, als er merkte, dass die Gemeindefinanzkommission vor dem Scheitern stand, einen Vorschlag gemacht. Er hat die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände eingeladen, die Präsidenten und die Hauptgeschäftsführer, und einige Staatssekretäre; das waren insgesamt neun Personen. Ihnen hat er den Vorschlag gemacht, der Bund könne die Kosten für die Grundsicherung im Alter übernehmen. Er hat allerdings mit diesem Vorschlag eine Forderung verbunden. Er hat nämlich gefordert, dass die Kommunen dem Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer zustimmen. Das haben die Kommunen abgelehnt - zu Recht übrigens. ({8}) Damals - Herr Minister Schäuble, Sie werden sich erinnern - hatten wir das hier diskutiert; genau diesen Punkt haben wir in diesem Hohen Haus diskutiert. Ich hatte damals auch Gelegenheit, dazu zu sprechen. Ich habe Ihnen gesagt: Wir unterstützen Sie in der Frage, aber ich fürchte, dass wir die Einzigen sind, die Sie darin unterstützen. - Denn es kam nach dem Vortrag sofort Gegenwind, insbesondere aus der FDP-Fraktion. Der Kollege Wissing hat gesagt: Mit uns nicht machbar! Die Kollegin Homburger hat gesagt: Der Minister tut ja etwas, aber nicht das, was wir wollen. - Der Kollege Brüderle wird sich an seine eigenen Worte erinnern. Er hat gesagt: Das ist mit uns nicht abgestimmt. Dann haben wir gesagt: Wir machen da mit. - Dann haben anlässlich des Bildungs- und Teilhabepakets, das Sie sich auch auf die Fahnen schreiben - Sie schmücken sich hier übrigens überall mit fremden Federn -, ({9}) das Ihnen aber das Bundesverfassungsgericht aufs Auge gedrückt hat - ohne Urteil des Bundesverfassungsgerichts wären Sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen, ein Bildungs- und Teilhabepaket zu machen -, ({10}) die SPD-geführten Länder im Vermittlungsausschuss Ihnen abverhandelt, dass der Bund schrittweise die Kosten der Grundsicherung im Alter übernimmt. Jetzt haben Sie vorhin - ich weiß gar nicht mehr, wer es war, ich glaube, es war der Kollege Götz oder auch Sie, Herr Minister - behauptet, Sie würden damit eine Fehlentwicklung korrigieren, die unter Rot-Grün passiert ist. Da sage ich Ihnen, was wirklich passiert ist. Wir haben damals ein Problem nach 16 Jahren Helmut Kohl gelöst, das die schwarz-gelbe Kohl-Regierung niemals angepackt hat, ({11}) nämlich etwas für die Kriegerwitwen zu tun, die nach dem Krieg kaum Gelegenheit hatten, eigene Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen, und die letztlich von Sozialhilfe leben mussten, das aber nicht taten, weil sie die Sorge hatten, dass auf ihre Kinder zurückgegriffen würde. ({12}) Um das auszuschalten, haben wir dieses Gesetz gemacht und den Kommunen dafür 800 Millionen D-Mark gegeben, weil das die Summe war, die damals für diesen Personenkreis, der neu in dieses Gesetz aufgenommen wurde, berechnet worden war. Dann hat sich das in den letzten Jahren dramatisch entwickelt, das ist völlig richtig. Der Bundesanteil hat sich leicht erhöht. Aber deswegen ist die Forderung auch richtig gewesen, das in die Zuständigkeit des Bundes zu übergeben. Denn letztlich ist es so, dass die kommunalen Haushalte noch vor 40 Jahren Investitionshaushalte waren. Da war Geld da, um in die kommunale Infrastruktur zu investieren, in Straßen, in Gebäude, in Schulen, in Weiterbildungseinrichtungen, in Büchereien, in Schwimmbäder und Ähnliches. Mittlerweile sind kommunale Haushalte reine Sozialhaushalte, und zwar infolge von Bundesgesetzgebung, die im Wesentlichen in den 16 Jahren unter Helmut Kohl geschaffen worden ist. ({13}) Es war wichtig und richtig, das zu korrigieren. Mich hat nur gewundert, dass Sie den Weg einer Großen Anfrage gewählt haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie dazu einen Gipfel veranstalten. ({14}) 45 Gipfel in dreieinhalb Jahren, davon allein neun in diesem Jahr - ich könnte sie alle vorlesen, aber angesichts meiner Zeit, die begrenzt ist, verzichte ich darauf. Warum haben Sie oder die Kanzlerin keinen Gipfel einberufen? Eines ist klar: Sie hätten keine schönen Bilder produzieren können. Sie wären Gefahr gelaufen, dass Bürgermeister, wie das vor zehn Jahren schon einmal der Fall war, hier in Bettlerkleidung aufgetreten wären. Das würde jeder Gipfelstrategie widersprechen; denn das Ziel der Gipfel, die Sie ständig veranstalten, ist ja nur, schöne Bilder zu produzieren. Das wäre aber nicht passiert. Deswegen sagen wir - glaube ich - zu Recht: „Über allen Gipfeln ist Ruh‘“. Der Schluss dieses Gedichts von Goethe lautet: „Warte nur, balde ruhest du auch.“ Das gilt für Sie. Vielen Dank. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Peter Röhlinger für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Peter Röhlinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004137, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, in dem Wirrwarr von Zahlen einige andere Akzente zu setzen, auch deswegen, weil übrigens meine Kämmerin schon am Anfang meiner Amtszeit gesagt hat: Der Röhlinger versteht nichts von Finanzwirtschaft, aber er ist sparsam. - Damit konnte ich sehr gut leben; denn wenn man sich gut beraten lässt, kann man vor dem Hintergrund auch erfolgreich sein. Zunächst ein uneingeschränkter Dank auch in diesem Zusammenhang an die Helfer, an die Feuerwehren und Polizisten vor Ort. Ich habe mir in Jena die neuralgischen Punkte angeschaut und muss sagen: Wir haben unsere Aufgaben - bei uns fand die Jahrhundertflut 1994 statt - offensichtlich so gut gemacht, dass die neuralgischen Punkte dem Wasser standgehalten haben. Aber es war wesentlich mehr. Wir haben uns in Übereinstimmung mit den Dezernenten in Jena darauf verständigt, dass wir parteiübergreifend - die MdBs aus Ostthüringen - an die zuständigen Minister in Thüringen schreiben werden, dass insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den Talsperren und den Wehren und den Kommunen vor Ort verbessert werden kann und muss. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass das eintreffen wird, was viele bislang nicht wahrhaben wollen: Die Zahl der Unwetter wird zunehmen, und das nicht nur kurzfristig. An den Anfang möchte ich meinen Dank an diejenigen stellen, die in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, dass es den Kommunen deutlich besser geht. Tatsächlich waren die letzten vier Jahre für die Kommunen vier gute Jahre, auch wenn die Opposition das nicht wahrhaben will. Ein Blick in die Zeitung des Deutschen Städtetags, der nun weiß Gott kein Vertreter der FDP-Politik ist, macht das deutlich. Im Übrigen kommt mir die Differenzierung in reiche und arme Städte bei Ihrer Kritik viel zu kurz, insbesondere bei Ihnen, Frau Göring-Eckardt. Sie müssten als gebürtige Thüringerin doch eigentlich aus eigener Anschauung wissen, dass es in einer beachtlichen Anzahl an Städten in Thüringen gelungen ist, im Verhältnis zur Vergangenheit ungeahnte Fortschritte zu erzielen, insbesondere wenn es um die Erfüllung der von Ihnen erwähnten kulturellen Ansprüche geht, und die Lebensqualität zu verbessern. Im Übrigen, Frau Göring-Eckardt, bin ich es als Christ gewohnt, zuerst einmal Danke zu sagen, bevor ich die Hand aufhalte und fordere: immer noch mehr, mehr, mehr! - Auch dem Bund stehen nur Steuergelder zur Verfügung. ({0}) Das Ergebnis ist, dass man mit 80 Milliarden Euro in die neue Legislaturperiode startet. Wie ich höre, können diese 80 Milliarden Euro egalisiert werden. Das alles spiegelt sich in den aktuellen Zahlen wider. Wie ich sehe - das verwundert mich nicht -, geht meine Redezeit zu Ende. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen herzlich zu bedanken. Das ist heute mein letztes Grußwort von diesem Pult aus. Meine Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter war für mich eine sehr lehrreiche Zeit. Es war für mich sehr interessant, über die Barriere zu steigen und Kommunalpolitik aus der Sicht eines Bundestagsabgeordneten zu betrachten. Ich habe viel gelernt und habe viel Verständnis, wenn sich die Länder bemühen, Städte zu unterstützen, aber dann das Feedback fehlt. Man darf nicht vergessen: Letztlich werden die Steuergelder der öffentlichen Hand verbraten. Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen ungeachtet der Fraktionszugehörigkeit viel Freude - bleiben Sie gesund! - und uns weiterhin gute Erfolge. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Lieber Kollege Röhlinger, den herzlichen Dank, den Sie gerade für die gute Zusammenarbeit geäußert haben, geben wir genauso gerne zurück. Sie gehören zu den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die vor oder neben der Wahrnehmung des Mandats im Deutschen Bundestag wichtige Aufgaben in ihren jeweiligen Kommunen übernommen haben. Unter diesem Gesichtspunkt ganz herzlichen Dank für Ihre Arbeit und alles Gute für die nächsten Jahre. ({0}) Britta Haßelmann ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Herr Finanzminister, wenn man sich Ihre Analyse genauer anschaut, dann stellt man fest, dass sie keinem Faktencheck standhält. Sie haben mithilfe der Farbenlehre versucht, aufzuzeigen, dass es den Kommunen überall, wo Schwarz-Gelb regiert, gut geht und überall, wo Rot-Grün regiert, schlecht geht. Das ist so was von billig und hat nichts mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu tun. Sie müssen sich nur die Situation in Nordrhein-Westfalen anschauen; darauf haben Sie abgezielt. 2010 sind zwei Verfassungsgerichtsurteile ergangen, und zwar alle gegen die alte schwarz-gelbe Regierung. In den Urteilen betreffend das Einheitslastenausgleichsgesetz und die Finanzierung der Kinderbetreuung wird deutlich, dass sich die schwarz-gelbe Landesregierung unter Führung von Herrn Rüttgers auf dem Rücken der Kommunen saniert hat. Inzwischen ist es so, dass die rot-grüne Landesregierung seit 2010 unter anderem durch die Umsetzung der Urteile den Kommunen zusätzlich 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt hat. Deshalb finde ich es unmöglich, wenn Sie mit der These aufwarten: Wo Schwarz-Gelb regiert, geht es den Kommunen gut; da, wo Rot-Grün regiert, geht es ihnen schlecht. - Das entspricht nicht den Tatsachen, und das entspricht auch nicht der Lebenswirklichkeit der Menschen in den Städten und Gemeinden. ({0}) Das Zweite, meine Damen und Herren. Diese Große Anfrage mit ihren 92 Fragen und den wunderbaren Antworten belegt doch durch Zahlen, dass Steuersenkungen für die Kommunen Mindereinnahmen bedeuten. Das können sich Kommunen in der jetzigen Finanzsituation nicht leisten. ({1}) Die Zahl, die Frau Göring-Eckardt genannt hat, stammt aus Ihrer Anfrage. Wenn man zwei und zwei zusammenzählt, landet man bei Gesetzen, die Sie beschlossen haben und die zu einem Minus von 5,2 Milliarden Euro für die kommunale Ebene geführt haben. ({2}) Das heißt Steuersenkung auf Pump, Steuersenkung zulasten der Infrastruktur in den Städten und Gemeinden. Damit muss Schluss sein. Das ist falsch. Das können die Kommunen vor Ort nicht kompensieren. ({3}) Das dritte und letzte Problem: Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht immer weiter auseinander. Deshalb nützt es nichts, wenn Sie behaupten: Wir haben alles so toll gemacht. - Natürlich ist die Entlastung bei der Grundsicherung gut. Die haben im Vermittlungsausschuss und hier Länder und Bund zusammen beschlossen. Darüber bin ich froh. Es ist ein Plus von 4 Milliarden Euro für die Kommunen. Das eigentliche Problem, nämlich dass die Schere zwischen armen und reichen Kommunen weiter auseinandergeht, zeigt sich an drei Zahlen: 128 Milliarden Euro Investitionsstau, 47,9 Milliarden Euro Kassenkredite und fast 45 Milliarden Euro soziale Kosten durch Bundesgesetze. Darum müssen wir uns kümmern, ({4}) und zwar in den nächsten Jahren. Es nützt nichts, sich auf die Schultern zu klopfen und zu sagen: Alles ist ganz toll. ({5}) Es gibt wahnsinnig viel zu tun. Die sozialen Kosten sind eines der großen Themen der Zukunft. Dafür haben wir die Verantwortung. Das Konnexitätsprinzip ist längst nicht umgesetzt. Das wissen auch Sie; denn wer den Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung beschließt, hat ihn auch zu finanzieren. Es geht nicht an, dass man sagt: Wir stellen großzügig 4 Milliarden Euro zur Verfügung, und das muss langen. - Rechtsanspruch bedeutet nicht eine Quote von 35 Prozent und einen Betrag von 4 Milliarden Euro, sondern bedeutet, dass jede und jeder ihr bzw. sein Recht wahrnehmen kann. Dabei müssen wir den Kommunen Unterstützung bieten. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächster Redner ist der Kollege Karl Holmeier für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Karl Holmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004059, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leistungsfähige Kommunen sind das Fundament unserer Gesellschaft und somit unseres Staates. Es war das Ziel der christlich-liberalen Koalition, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Dies haben wir erreicht wie keine Regierung zuvor. Die Antworten auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liefern dafür den ganz klaren Beweis. Wer von Kommunalfreundlichkeit spricht, meint die christlich-liberale Koalition mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. ({0}) Bevor ich auf einzelne Punkte dieser hervorragenden Leistungsbilanz eingehe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, unserem „Chefkommunalpolitiker“ Peter Götz ganz herzlich für seine hervorragende Arbeit in der AG Kommunalpolitik und somit für die Kommunen in Deutschland zu danken. ({1}) Viele Impulse gingen und gehen von Peter Götz aus. Dafür danke schön! Ich danke auch der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie unserem Finanzminister Wolfgang Schäuble für die großartige Unterstützung unserer Kommunen. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung stand im Mittelpunkt unseres bundespolitischen Handelns. Unter der Führung der CDU/CSU haben die Kommunen die größte Entlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erfahren. Nachdem die Kommunen im Jahr 2005 nach sieben Jahren Rot-Grün mit dem Rücken an der Wand standen, hat die christlich-liberale Koalition sie wieder fit gemacht. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Wir haben die Kommunen allein in dieser Legislaturperiode unter dem Strich mit jährlich 5 Milliarden Euro entlastet. Im Jahr 2012 - wir haben es schon oftmals gehört - hatten sie einen Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden Euro; ich wiederhole: einen Überschuss. Im Jahr 2003 unter Rot-Grün hat es ganz anders ausgeschaut. Dabei schlägt sich vor allem die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung positiv in den Bilanzen der Kommunen wieder. ({2}) Hier unterstützt der Bund die Kommunen jährlich mit etwa 4,5 Milliarden Euro. Das ist wie ein dauerhaftes Konjunkturprogramm für Kommunen. Wir bereinigen damit eine kommunale Belastung, die Rot-Grün eingeführt hat. Darüber hinaus ist es mir als Vertreter des ländlichen Raumes sowie als Verkehrs- und Baupolitiker besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir gerade in diesen Bereichen entscheidend zur Entlastung der Kommunen beigetragen haben. Angesichts der demografischen Entwicklung haben wir einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit auf die strukturschwachen Kommunen auf dem Land gelegt. Im Vergleich zu früheren Wahlperioden ist festzuhalten: Der demografische Wandel ist von der christlich-liberalen Koalition erstmals ressortübergreifend betrachtet und bearbeitet worden. Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben das Ehrenamt gestärkt und werden es auch weiter tun. Gerade in der jetzigen Flutkatastrophe zeigt sich, wie wichtig das Ehrenamt ist. Dafür einen herzlichen Dank! ({3}) Wir haben im November 2012 einen Antrag zur Zukunft der ländlichen Räume verabschiedet, der ganz konkrete Handlungsanweisungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in ländlichen Räumen enthält. Besonders wichtig für die Kommunen und die Menschen in den ländlichen Räumen war uns dabei die lückenlose Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen. Das hatten wir in dem Antrag zur Zukunft der ländlichen Räume in besonderer Weise berücksichtigt. Die aktuellen Entscheidungen der Bundesnetzagentur zu den Entgelten für die Teilnehmeranschlussleitungen und den Plänen über die künftige Nutzung frei werdender Funkfrequenzen für die mobile Breitbandnutzung zeigen, dass unsere Politik Wirkung zeigt. Wir sind auf einem guten und richtigen Weg. Das gilt im Übrigen auch für die Unterstützung der Länder und Kommunen im Rahmen der Kompensationsmittel für die Aufgaben, die nach der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen sind. Wir greifen den Ländern jedes Jahr mit über 2,5 Milliarden Euro unter die Arme: zur Gemeindeverkehrsfinanzierung, für den sozialen Wohnungsbau und für den Hochschulbau. Für das Jahr 2014 haben wir diese sogenannten Entflechtungsmittel vorerst festgeschrieben, und wir haben erklärt, dass wir dies bis 2019 weiter tun wollen, sofern sich die Länder bereit erklären, auch dieses Geld zweckgebunden zu verwenden. ({4}) Ein paar Worte zum Antrag der Linken zum Eisenbahnkreuzungsgesetz. Diesen Antrag lehnen wir natürlich ab. Es zeigt sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die christlich-liberale Koalition in dieser Legislaturperiode insgesamt viel geleistet hat, aber in besonderer Weise sehr viel für die Kommunen. ({5}) Während andere nur viel geredet haben, haben wir für die Kommunen gehandelt und dabei viel erreicht. CDU und CSU sind die Interessenvertreter der Kommunen. Andere tun nur so. ({6}) Nur mit einer christlich-liberalen Regierung nach der Bundestagswahl werden auch künftig die Interessen der Kommunen in Deutschland gut vertreten sein. ({7}) Herzlichen Dank. ({8})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Für die SPD-Fraktion erhält jetzt die Kollegin Kirsten Lühmann das Wort. ({0})

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Sehr verehrte Zuhörende! Als ich mir diese Große Anfrage angeschaut habe, kam mir spontan das Motto eines Pizzalieferservice in den Sinn: Sie bestellen, wir liefern. - Die Bundesregierung hat bestellt, und Sie, liebe Koalition, haben geliefert: einen Strauß von Fragen, die die Bundesregierung gerne beantworten wollte, die ihr aber niemand gestellt hat. Und so haben Sie diese Aufgabe übernommen. ({0}) Was meine ich damit? Ich meine unter anderem die Frage 22. Sie lautet: Warum fällt die Sicherstellung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen in die Zuständigkeit der Länder? Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen von FDP, CDU und CSU, die Antwort auf diese Frage gehört zum Basiswissen für unsere Arbeit im Bundestag. Welches Bild von unserer Arbeit wollen Sie der Bevölkerung vermitteln? Was wir hier machen sollen, ist, die Regierung zu kontrollieren, und zwar im Sinne der Bevölkerung. Das möchte ich Ihnen noch einmal ins Gebetbuch schreiben. Augenscheinlich scheint es in Ihrem Politikverständnis gewisse Lücken zu geben, wenn Sie schon die Regierung danach fragen müssen. ({1}) Als der Bundesfinanzminister vorgetragen hat, bin ich fast ein bisschen betroffen geworden. Er hat uns erklärt, dass der Bund immer mehr Aufgaben übernimmt, die eigentlich die Länder haben, und den Kommunen dafür das Geld gibt, das er doch selber nicht hat. Herr Finanzminister, Sie haben dabei völlig ausgeblendet, dass es sehr viele Aufgaben gibt, die der Bund den Ländern überantwortet, wofür er ihnen nicht ausreichend Geld gibt. Ich erinnere uns nur an den neuen Bundespersonalausweis, an das Gesetz zum elektronischen Aufenthaltstitel und an das E-Government-Gesetz. Wir haben die Kommunen verpflichtet, das umzusetzen, ihnen aber nicht das Geld dafür gegeben. Herr Götz, was Sie hier behaupten, nämlich dass diese Regierung den Kommunen, wenn sie die Erfüllung einer Aufgabe von ihnen verlangt, auch das Geld dafür gibt, ist einfach nicht wahr. ({2}) Ich komme zu dem letzten Gesetz, das ich angesprochen habe, zum E-Government-Gesetz. Es ist schon spannend, dass die Bundesregierung in den Gesetzentwurf schreibt: Das wird die Kommunen wohl etwas kosten; wir wissen aber nicht genau, wie viel, also müssen wir ihnen auch nichts geben. - Bei den Beratungen dieses Gesetzes haben Sie von der Koalition uns dann erklärt: Die Kommunen haben doch schon alle eine Homepage. Es wird wohl nicht so schwierig sein, noch eine Seite hinzuzufügen; das kostet schon nicht viel. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich habe in der letzten Woche mit einigen Kommunalvertretern geredet. Ja, sie haben alle eine Homepage. Nur, diese Homepage ist nicht für das ausgelegt, was wir von den Kommunen verlangen, nämlich Anträge elektronisch auszufüllen und auch eine elektronische Unterschrift mitzusenden. Dafür müssen diese Homepages komplett neu gestaltet werden. Zusätzlich müssen diese Anträge noch verarbeitet werden. Viele Kommunen haben sich inzwischen in Gemeinschaft, in den Landkreisen, eine Software angeschafft, die normale Vorgänge bearbeiten kann, die aber - ich habe nachgefragt - nicht in der Lage ist, diese elektronischen Anträge zu verarbeiten. Das heißt, die Kommunen müssen jetzt nicht nur eine komplett neue Software bestellen, sie müssen auch - wieder einmal - das gesamte Personal neu schulen. Das ist es, was wir den Kommunen aufbürden, und das ist es, was der Bundesregierung in dieser Antwort noch nicht einmal eine Erwähnung wert ist. Das ist ungehörig. ({3}) Erwähnenswert ist Ihnen jedoch das Thema der Umgestaltung der Kommunen nach dem Weggang von Armeen, sei es der Bundeswehrabzug im Rahmen der Neuordnung oder seien es britische bzw. amerikanische Armeen, die uns im Rahmen des Abzugs verlassen. Ab Seite 75 lesen wir zwei Seiten Prosa dazu, ohne klare Aussage, wie die Regierung den Kommunen denn nun helfen will. Etwas klarer sind die Antworten auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zum selben Thema. Unter anderem hatten wir gefragt, was die Bundesregierung plant, um die Kommunen beim Umbauprozess nach dem Abzug der Truppen konkret zu unterstützen. Diese Antwort war ganze acht Zeilen lang und lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Aufgrund von Sparzwängen sei es doch schon ein Fortschritt, dass die Mittel für die Städtebauförderung im Jahr 2013 nicht gekürzt worden seien. - Das ist doch unglaublich, meine Herren und Damen. ({4}) Es gibt noch viele weitere Punkte in dieser sogenannten Antwort, bei denen es genauso aussieht. Hinsichtlich des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen bestand beispielsweise die einzige Aktivität dieser Regierung darin, auf einem ihrer vier IT-Gipfel eine Arbeitsgruppe zum Thema „digitale Infrastruktur“ zu veranstalten mit René Obermann, dem Chef der Telekom, als Vorsitzendem. ({5}) Abschließend kann ich nur sagen, wenn ich mir Ihre „Umfrage“ anschaue: Diese Pizza ist XXL; ihr Nährwert tendiert gegen null. - Schade. Danke schön. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Patrick Döring ist der nächste Redner für die FDPFraktion. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich in dieser Debatte der Blick der einzelnen Kolleginnen und Kollegen auf die Lage im Land und auf die Lage in den Kommunen ist. ({0}) Ich finde es auch bemerkenswert, dass es kein Kollege der Sozialdemokraten, der Linkspartei oder der Grünen fertiggebracht hat, eine grundlegend positive Bemerkung zu der Entlastung der Kommunen zu machen. Es sind heute nämlich 3 Millionen Menschen mehr in Arbeit als 2009. Das ist die beste Entlastung für die Kommunen und eine Verbesserung der Situation in Deutschland. Dafür machen wir Politik und nicht für irgendwelche Statistiken. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Döring, darf der Kollege Bockhahn eine Zwischenfrage stellen?

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe nur drei Minuten. Deshalb lasse ich keine Zwischenfragen zu. ({0}) Ich finde es beschämend, dass manche ganz offensichtlich den Wert bzw. das Niveau der Sozialstaatlichkeit in Deutschland ausschließlich auf der Grundlage der Transferzahlungen von der einen staatlichen Ebene an die andere bemessen. Das ist nicht der Maßstab. Der Maßstab ist, dass möglichst viele Menschen die Chance haben, ihr Leben selbst zu gestalten, und das hat diese Koalition geschafft. ({1}) Dank fleißiger Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben so viele Menschen Arbeit wie zuletzt 1990. Das ist die Errungenschaft der letzten guten vier Jahre. ({2}) Ich finde es bemerkenswert, dass mit zum Teil weinerlichen Reden darauf hingewiesen wird, dass es Unterschiede in der kommunalpolitischen Haushaltslage gibt. Ja, die gibt es. Dass Herr Scheelen die Gewerbesteuer verteidigt, mag zur Folklore gehören. ({3}) Aber zur Wahrheit gehört auch: Die konjunkturzyklische Abhängigkeit der Gewerbesteuer stabilisiert die Finanzen von Kommunen nicht, sondern destabilisiert sie. Wir wollten stabilere Finanzen für die Kommunen schaffen. ({4}) Einen Beitrag haben wir geleistet: Dank der vielen Menschen in Beschäftigung sind die Steuereinnahmen, auch die der Kommunen, so hoch wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Das gilt für den Bund, die Länder und eben auch für die Städte und Gemeinden. ({5}) Es gibt Kommunalpolitiker, die mit diesen Steuereinnahmen gut umgehen und ihre Schulden vermindern, und es gibt welche, die machen zusätzliche Schulden. ({6}) Diese Unterschiede wird man in diesem Hause wohl deutlich machen dürfen. Es gibt Unterschiede zwischen Schwarz und Gelb und Rot und Grün. ({7}) Ich will auch etwas zur Städtebauförderung sagen. Ja, wir haben in der Städtebauförderung Veränderungen vorgenommen. Da einige von Ihnen manchmal ein fast religiöses Verhältnis zur „sozialen Stadt“ haben, will ich hinzufügen: ({8}) Wir haben die Mittel für das Städtebauförderungsprogramm „Die soziale Stadt“ zwar gemindert; aber wir haben diese Mittel doch genommen, um etwas anderes zu tun. Wir haben nämlich zwei neue Städtebauförderprogramme aufgelegt, und zwar für aktive Stadt- und Ortsteilzentren sowie für kleinere und mittlere Kommunen, weil viele Deutsche im ländlichen Raum wohnen. Die Städtebauförderung ist für alle da, nicht nur für die großen Städte. Das haben wir umgesetzt. Wir haben seit 1998 insgesamt 7,6 Milliarden Euro in die Städtebauförderung investiert. In diesem Jahr sind es 455 Millionen Euro. ({9}) Es ist gut, dass wir in dieser Koalition nicht nur die Städte, sondern alle Kommunen gefördert haben. Das macht eine kluge Städtebauförderungspolitik aus. Vielen Dank. ({10})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Hans-Joachim Hacker ist nun für die SPD der nächste Redner. ({0})

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Döring, ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Sie nicht mit Zahlen umgehen können. Wir freuen uns alle, dass es weniger Arbeitslose gibt. Aber wir dürfen nicht nur über die Zahl der Arbeitslosen, sondern müssen auch über die schlechten Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland diskutieren. Zu Ihrer Arithmetik: Zwei Zahlen sprechen für sich. 2009 betrug die Gesamtsumme der Städtebaufördermittel 569 Millionen Euro. 2013 sind es 455 Millionen Euro. Ich wiederhole es für Sie, Herr Döring: 569 Millionen Euro und 455 Millionen Euro bei einem Bedarf von 700 Millionen Euro. In Anbetracht dieser Zahlen verstehe ich Ihr Lob für die Städtebauförderpolitik dieser Regierung nicht. Das ist doch nicht nachzuvollziehen, Herr Döring. ({0}) Die beiden Zahlen sprechen für sich und für die Politik der schwarz-gelben Koalition in diesen vier Jahren. ({1}) Es gibt einen Grundsatz, der da lautet: Eine gut funktionierende Kommune, die ihre sozialen Aufgaben wahrnehmen kann, ist ein Garant für sozialen Frieden. Wer das vernachlässigt, riskiert, dass der soziale Friede geschädigt wird. Wir haben in den letzten Jahren in Europa Beispiele dafür gesehen - kaum zu glauben: in Europa -, und zwar in Großstädten in Frankreich und in England und zuletzt auch in Stockholm. Die Hauptursache ist meistens soziale Segregation, das heißt die Ausgrenzung, das Abschieben von Menschen in Problemstadtgebiete. Mit Wohnungspolitik und Städtebaupolitik, aber auch mit Mietenpolitik kann gegengesteuert werden. Auf diesen Feldern, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat diese Regierung kläglich versagt. ({2}) Sie haben eine rückwärtsgewandte Mietrechtsreform durchgeführt, und Sie haben eine Städtebauförderung vorgenommen, die den Bedürfnissen der Menschen in den Kommunen nicht gerecht wird. Sicherlich tragen alle drei Ebenen im Staat Verantwortung: die Kommunen, die Länder und der Bund. Auch der Bund muss als zentraler Verantwortungsträger seine Verantwortung wahrnehmen; aber in der Städtebaupolitik - dafür sprechen Beispiele - ist die schwarzgelbe Koalition dieser Verantwortung nicht nachgekommen: Sie haben die Mittel für die Städtebauförderung - das habe ich gesagt - drastisch gekürzt. Sie haben keine Maßnahmen gegen Mietsteigerungen vor allen Dingen in den deutschen Großstädten ergriffen. Wir haben an dieser Stelle mehr als einmal darüber diskutiert, was Sie unter einer Förderung der Regionalentwicklung verstehen. Sie haben die Wohnungsbestände der TLG Wohnen an eine Heuschrecke verkauft. Sie haben darauf verzichtet, hier wenigstens in einem überschaubaren Maß eine Strukturförderpolitik zu betreiben. ({3}) Man kann es so sagen: Die finanzielle Bilanz der Städtebauförderung ist ein in Zahlen gegossener Offenbarungseid dieser schwarz-gelben Koalition. ({4}) Für diese Aussage gibt es Beweise - ich habe schon Zahlen genannt -: Heute stehen für die Städtebauförderung 20 Prozent weniger Mittel bereit als 2009. Sie haben die Mittel für das wichtige Programm „Soziale Stadt“ - das beklagen Kommunalpolitiker in allen Städten meines Wahlkreises, egal welcher Fraktion oder Partei die Bürgermeister angehören - um zwei Drittel gekürzt. Das Programm war 2009 mit 105 Millionen Euro ausgestattet; in diesem Jahr sind es 40 Millionen Euro, der Haushaltsansatz sah ursprünglich 30 Millionen Euro vor. Die Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, die sich jetzt vor Ort den Bürgerdiskussionen stellen, bewerten es als großen Erfolg, hier Einfluss genommen zu haben, sodass die Mittel für das Programm von 30 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro und die Bundesmittel für die Städtebauförderung insgesamt von 350 Millionen Euro auf gut 450 Millionen Euro aufgestockt worden sind. Das ist kein Erfolg; das, was Sie im Bereich der Städtebaupolitik geleistet haben, ist ein Desaster. ({5}) Ich erinnere daran: Im Jahr 2011 war der Etat des Programms „Soziale Stadt“ mit lediglich 29 Millionen Euro ausgestattet. Schauen wir einmal, was das für die Länder bedeutet: Mecklenburg-Vorpommern -

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie können das mit Blick auf die längst überschrittene Redezeit sicher nicht mehr im Einzelnen vortragen.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, das hätte ich gerne gemacht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich glaube es Ihnen aufs Wort.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wäre gerne auf die Plagiate im Bereich der Mietrechtspolitik eingegangen. Gestatten Sie mir, dass ich noch zwei Zahlen nenne?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aber gerne.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen nennen: 2009 standen Mecklenburg-Vorpommern 2,4 Millionen Euro aus dem Programm „Soziale Stadt“ zur Verfügung; 2013 sind es lediglich 869 000 Euro. Dem Land Nordrhein-Westfalen standen im Jahre 2009 noch 23,6 Millionen Euro zur Verfügung; 2013 sind es nur noch 9,1 Millionen Euro. Das ist das Ergebnis Ihrer Städtebaupolitik. Die Kommunen brauchen einen Wechsel, der hoffentlich am 22. September von den Wählern auf den Weg gebracht wird. ({0}) Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ingbert Liebing ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Ingbert Liebing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003801, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der bisherige Verlauf der Debatte hat deutlich gemacht: Hinter uns liegt eine Wahlperiode mit einer außerordentlich erfolgreichen Politik für unsere Kommunen in Deutschland. ({0}) Unter dieser Regierung sind die kommunalen Interessen in guten Händen. Da Sie von den Sozialdemokraten, Herr Scheelen, jetzt groß spektakeln, möchte ich gerne eines fragen: Wo sind denn eigentlich Ihre Spitzengenossen? Kein Fraktionsvorsitzender, kein Parteivorsitzender und schon gar nicht der Kanzlerkandidat lassen sich bei dieser Debatte über die Lage der Kommunen blicken. Das zeigt, welchen Stellenwert dieses Thema für Sie wirklich hat. ({1}) Sicher, die Unterschiede zwischen den Kommunen sind groß, und niemand von uns bestreitet, dass es auch in den Kommunen Probleme gibt. ({2}) Aber das Entscheidende ist: Die Gesamtbilanz der kommunalen Haushalte weist seit dem vergangenen Jahr wieder Überschüsse, wieder schwarze Zahlen auf. Schwarze Zahlen sind besser als rote Zahlen. Dies wird umso deutlicher, wenn wir die heutige Lage der Kommunen in die langfristige Entwicklung einordnen. Wo standen wir vor vier Jahren, wo standen wir vor acht Jahren? 2005, nach sieben Jahren Rot-Grün an der Regierung, befanden sich die Kommunen in der größten Finanzkrise, die wir jemals hatten. In den drei Jahren 2002 bis 2004 hatten wir jedes Jahr große Defizite zu verzeichnen, insgesamt 16 Milliarden Euro. Die Finanzkrise trug den Titel „Rot-Grün“. ({3}) Ab 2006, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel, ging es wieder aufwärts. Es folgten gute Jahre, in denen Haushaltsüberschüsse zu verzeichnen waren. Insgesamt 19 Milliarden Euro Überschüsse wurden in den kommunalen Haushalten von 2005 bis 2009 erzielt, dann kam die große Wirtschaftskrise. Ich sagte es bereits: Schwarze Zahlen sind besser als rote Zahlen. Sie haben rote Zahlen geschrieben, wir schreiben schwarze Zahlen. ({4}) 2009, zu Beginn dieser Wahlperiode, gab es zwei verfassungswidrige Gesetze aus rot-grüner Regierungszeit, die wir zu korrigieren hatten: Sowohl die Verwaltungsstruktur der Hartz-IV-Gesetze war verfassungswidrig als auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche in Hartz-IV-Familien. ({5}) - Ja, schreien Sie ruhig. Offensichtlich trifft es Sie, Herr Scheelen. ({6}) Beide verfassungswidrigen Gesetze haben wir korrigiert. Wir haben sie neu geregelt, jetzt sind sie verfassungsfest. Wir haben die Jobcenter in guter Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur und Kommunen pragmatisch neu aufgestellt. Die Praktiker vor Ort sind damit zufrieden. ({7}) Wir haben die Option der kommunalen Aufgabenwahrnehmung in Bezug auf die Langzeitarbeitslosigkeit ausgebaut und dauerhaft abgesichert. Damit sind die Praktiker vor Ort ebenfalls hochzufrieden. Wir haben auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche mit dem Bildungs- und Teilhabepaket neu geregelt. Ich sage ausdrücklich: Dieses Bildungspaket ist ein Erfolgsprogramm. Ich habe mir vor wenigen Wochen einen ganzen Tag Zeit genommen, um in meinem Wahlkreis mit all denen zu sprechen, die damit zu tun haben: mit den Verwaltungen, die das organisieren - sowohl in meinem Optionskreis als auch bei der BA -, mit einem Sportverein, mit Schulen, mit einem Freizeitheim und dem Kinderschutzbund. Bei einigen Details war der eine oder andere Wunsch noch offen; manches davon haben wir schon aufgenommen. Aber der generelle Tenor war: Alle sind sich einig, dass es genau richtig war, auf Sachleistungen statt auf die Erhöhung der Regelsätze zu setzen. ({8}) Nicht einer hat den Vorschlag, die Regelsätze anzuheben und von den Sachleistungen Abstand zu nehmen, den Sie von der SPD jetzt in die parlamentarische Beratung eingebracht haben, unterstützt. Nicht einer! Keiner hat behauptet, es sei ein bürokratisches Monster; von Stigmatisierung war nicht die Rede. Mit Ihren Thesen verbreiten Sie ein Horrorszenario, das mit der Wirklichkeit in unserem Land nichts zu tun hat. Wir erreichen mit unserem Bildungspaket Kinder und Jugendliche, die früher nie eine Chance auf Teilhabe gehabt hätten. Mit Ihren Vorschlägen würden sie nie eine Chance bekommen. Deshalb ist unser Programm gut und richtig gewesen. ({9}) Wir haben viel erreicht; trotzdem bleibt in der kommenden Wahlperiode noch viel zu tun. Wir werden die Kommunen finanziell weiter stärken. Die Bundesbeteiligung bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen ist Bestandteil unseres Programms; das ist fest zugesagt. ({10}) Wir werden noch konsequenter dafür sorgen müssen, dass Bundesleistungen für die Kommunen auch dort ankommen und nicht an klebrigen Fingern des einen oder anderen Landesfinanzministers hängen bleiben. Ich habe es gerade wieder in meinem Heimatland Schleswig-Holstein erlebt. Dort hat die Landesfinanzministerin der Grünen den Kommunen 13 Millionen Euro aus der Bundesleistung für die Grundsicherung vorenthalten und für die eigene Kasse abgezweigt. Das muss in Zukunft ausgeschlossen werden. Wir werden die Kommunen weiter stärken, damit sie neue Herausforderungen annehmen können, zum Beispiel bei der Energiewende, wenn es um stärkere Dezentralität und kommunale Verantwortung geht, oder beim demografischen Wandel, wenn es darum geht, gerade in den ländlichen Räumen den Breitbandausbau oder die Sicherung der Gesundheitsvorsorge voranzubringen. Das Gleiche gilt für die altersgerechte Quartiersentwicklung in den Städten. Hinter uns liegen vier gute Jahre für die Kommunen in Deutschland. Nicht alle Probleme sind gelöst, aber daran wollen und werden wir mit unserer kommunalen Kompetenz und unserer breiten Verankerung in den Kommunen unseres Landes weiterarbeiten; denn das dient den Menschen in den Dörfern und Städten. Hier geben wir den Menschen Heimat, und hier sorgen wir dafür, dass die konkreten Probleme und Bedürfnisse der Menschen in Bezug auf den Staat direkt vor ihrer eigenen Haustür gelöst werden können. Das erwarten die Menschen von uns, und das ist Richtschnur unseres Handelns. Deshalb sorgen wir für starke Kommunen in unserem Land. Vielen Dank. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Antje Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003646, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, am heutigen Tag anerkennen, was wir für die Kommunen geleistet haben. Damit konnte keiner rechnen. So viel Großmütigkeit war Ihnen nicht zuzutrauen. Das aber, was Sie teilweise in Ihren Reden hier dargestellt haben, war schon unsäglich. Herr Oppermann hat sich bemüht - er hatte allerdings auch keine Zeit mehr, der Debatte weiter zuzuhören -, hochzurechnen, was alles an Belastungen wir den Kommunen auferlegt haben. Ich glaube, er ist auf 1,8 Milliarden Euro gekommen. Frau Göring-Eckardt, so hässliche Kommunen, wie Sie sie beschreiben, habe ich in Thüringen noch nie gesehen. Was für eine Auffassung von Kommunalpolitikern haben Sie, wenn Sie behaupten, dass diese das Geld für alles Mögliche, aber nicht für Schulsanierung ausgegeben haben? Ich kann an dieser Stelle nur ein herzliches Dankeschön sowohl Kommunalpolitikern, die das ehrenamtlich machen, aber auch Elterninitiativen sagen, die trotz schwieriger finanzieller Situation den Schwerpunkt auf Kindergärten und Schulen legen. Alle, die das nicht machen, gehören von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt. Ich glaube, dass die meisten Kommunalpolitiker hier ein sehr großes Verantwortungsbewusstsein haben. ({0}) Da ich aber wusste, dass von Ihnen eine Anerkennung nicht zu erwarten ist - wir brauchen Sie auch nicht, weil die kommunalen Spitzenverbände sie uns schon ins Buch geschrieben haben -, habe ich Ihnen eine Pressemitteilung vom 9. November 2012 mitgebracht - darin geht es um die Grundsicherung -, in der der Präsident des Deutschen Städtetages, der Präsident des Deutschen Landkreistages und der Präsident des Deutschen Städteund Gemeindebundes - ich zitiere - schreiben: Dies ist ein wichtiger und bedeutender Schritt zur dringend benötigten Entlastung unserer Haushalte. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände loben weiter, „dass der Bund mit der Kostenübernahme einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation leistet“. ({1}) Nicht einer von Ihnen konnte diesen Satz über die Lippen bringen. Das ist, finde ich, verhältnismäßig kleingeistig. ({2}) - Selbstverständlich haben wir das selber gemacht, Herr Scheelen. ({3}) Wir haben erreicht, dass die Kosten der Grundsicherung zugunsten der Kommunen vom Bund übernommen wurden. Ich bin froh, dass Frau Kollegin Reinemund eben noch einmal erwähnt hat, dass es Schäuble, unser Finanzminister, war, der das als Erster in den Raum gestellt hat. Das bleibt so, auch wenn Sie es noch hundertmal anders behaupten. Herr Scheelen, ausgerechnet Sie zitieren das Verfassungsgerichtsurteil zum Bildungspaket. An Ihrer Stelle wäre mir das peinlich; denn Ihnen wird in dem Verfassungsgerichtsurteil bestätigt, dass Sie bei den Hartz-IVReformen die Kinder schlicht vergessen haben. ({4}) Sie haben den kinderbezogenen Bedarf vergessen. Zwar haben Sie Telefax- und Telefonkosten eingerechnet, nicht aber den Schulranzen und das Mittagessen fürs Kind. ({5}) Ich wäre an Ihrer Stelle ganz still. Wir haben das zugunsten der Kinder repariert. Mit 730 Millionen Euro wird es den Kindern jetzt ermöglicht, am Sport und an Schulfreizeiten teilzunehmen sowie ein kostenloses Mittagessen zu bekommen. Das haben Sie nicht auf die Reihe bekommen. ({6}) Wir haben es gemacht. Ich sage auch an dieser Stelle allen auf kommunaler Ebene, die dieses Bildungspaket zum Erfolg machen, ein großes Dankeschön; denn es ist tatsächlich so, dass es Kommunen gibt, die einfach nicht wollen, dass es gelingt, weil sie uns beweisen wollen, dass es eine falsche Entscheidung war. Bei den Kommunen, in denen sich alle Beteiligten zugunsten der Kinder zusammenschließen, klappt es. Ich will weiter das Programm „Frühkindliche Sprachförderung“ erwähnen. Sie haben es nicht hinbekommen, dass Kinder mit Sprachdefiziten zusätzliche Förderung bekommen. Wir setzen 400 Millionen Euro in über 4 000 Kindergärten zum Wohle der Kinder ein. Kinder, die zu Hause nicht in hinreichendem Umfang gefördert werden, werden damit auf die Schule gut vorbereitet. Das ist ein Bundesprogramm, welches erheblichen Erfolg hat. Es wurde in der Legislaturperiode, in der Sie an der Regierung waren, jedenfalls nicht eingeführt. Ich komme zu einem weiteren Punkt, zum THW. Es gibt einen guten Anlass, Danke für all das zu sagen, was in der momentan schwierigen Situation in den Hochwassergebieten vom THW und vielen anderen Ehrenamtlichen geleistet wird. Wir haben weitsichtig auch da in den letzten Jahren schon Mittel zur Verfügung gestellt, damit Mitglieder geworben werden konnten. ({7}) Ich hoffe wirklich sehr, dass all diejenigen, die heute ehrenamtlich an der Seite der Rettungskräfte stehen, beim THW, beim Roten Kreuz oder bei den Sanitätern hängen bleiben, weiter mitmachen, um die Kommunen zu stärken. Wir haben aber auch nichtmonetäre Maßnahmen durchgeführt. Wir haben zum Beispiel die Beteiligung der Kommunen an der Gesetzgebung sichergestellt. Lieber Herr Scheelen, wiederum ist es die SPD, die im Vermittlungsausschuss das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz blockiert, mit dem den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden soll, in Beiräten mitzuwirken und die Haushalte der Länder im Auge zu behalten. In der Pressemitteilung von Deutschem Städtetag, Deutschem Landkreistag und Deutschem Städte- und Gemeindebund heißt es weiter, dass man sehr wohl Befürchtungen hat, dass die Länder das Geld, das wir aus Bundesmitteln zur Verfügung stellen, nicht weiterreichen. Zum Antrag der Linken kann ich nur sagen: Herr Bockhahn, in Ihrem Antrag steht ein Supersatz. Wenn einzeln darüber abgestimmt würde, würde ich meine Fraktionsspitze bitten, dem zustimmen zu dürfen. Ich zitiere: Wenn der Bund jetzt die Kosten im Bereich Grundsicherung im Alter schrittweise übernimmt, ist dies zu begrüßen. Das ist der beste Satz in Ihrem Antrag. Dem kann ich voll zustimmen. ({8}) Sie haben aber anscheinend unsere Verfassung nicht gelesen; denn Sie haben in Ihrer Rede eben behauptet, dass es in Ordnung wäre, dass der Bund Aufgaben auf die Kommunen überträgt, wenn er Geld dafür zur Verfügung stellt. Das ist eindeutig verfassungswidrig. Das ist nicht in Ordnung. Art. 84 Grundgesetz verbietet das, und das ist auch richtig so. Durch die Auftragsvergabe des Bundes an die Kommunen ist die jetzige Situation erst entstanden. Die Grundsicherung ist ein gutes Beispiel: Rot-Grün hat ein Gesetz erlassen und den Kommunen nicht das Geld dafür gegeben. ({9}) - Das, was Sie als Konnexität beschreiben, ist bei uns verfassungswidrig. Damit ist Ihr Antrag nicht zu retten. ({10}) Wir haben noch viel zu tun; die Kollegen haben das schon gesagt. Wir haben vieles erreicht, aber es ist auch noch vieles übrig. Wir stehen zur Unterstützung der Kommunen zur Verfügung, auch in der nächsten Legislaturperiode. Ich bin sehr froh, dass in den vorangegangenen Reden schon die Aussage getätigt wurde, dass neben den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen auch die Kommunen wegen der Hochwasserkatastrophe dringend Unterstützung und Hilfe brauchen. Es ist aus30710 gesprochen traurig, dass all die Schulen und Kindergärten, die frisch saniert worden sind, jetzt unter Wasser stehen. Wir werden dieses Problem gemeinsam angehen. Die Kommunen wissen uns ganz sicher an ihrer Seite. ({11})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 17/13748. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit der Mehrheit der Koalition abgelehnt. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 4 b. Hier geht es um die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zum Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kommunen von den Kosten für bauliche Maßnahmen an Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen befreien“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 17/12452, den Antrag der Fraktion Die Linke abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0}) - Muss nicht. Aber der Zwischenruf stellt doch sicher, dass Sie es im Protokoll haben. ({1}) - Na also. ({2}) - Das nehme ich mit besonderer Rührung zur Kenntnis, Herr Kollege Bockhahn. Unter dem Tagesordnungspunkt 4 c geht es um die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem An- trag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Wer bestellt, bezahlt - Konnexität zugunsten der Kommunen im Grundgesetz verankern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13301, diesen Antrag der Fraktion Die Linke abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Diese Beschlussempfeh- lung ist wiederum mit Mehrheit angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern Gemeinnützigen Wohnungswirtschaftssektor entwickeln - Drucksache 17/13552 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({3}) Rechtsausschuss Haushaltsausschuss b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Programm „Soziale Stadt“ zukunftsfähig weiterentwickeln - Städtebauförderung sichern - Drucksachen 17/10999, 17/12453 Berichterstattung: Abgeordnete Petra Müller ({5}) c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({6}) - zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wohnungsnot bekämpfen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wohn- und Mietensituation von Studierenden verbessern - Drucksachen 17/12485, 17/12481, 17/11696, 17/13776 Berichterstattung: Abgeordneter Karl Holmeier Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion der SPD werden wir später namentlich abstimmen. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11696 zur Wohn- und Mietensituation von StuPräsident Dr. Norbert Lammert dierenden in seine Beschlussempfehlung einbezogen. Dieser Antrag soll jetzt mit beraten werden. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke. ({7})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Merkel! Sie ist schon gegangen, aber vielleicht kommt sie noch zur Debatte zurück. Sehr geehrter Herr Ramsauer! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf muss man ja erfahrungsgemäß mit einigem rechnen. Da darf man sich auch nicht wundern, dass selbst die Bundeskanzlerin plötzlich eine 180-Grad-Kehre hinlegt und ihr Herz für Mieterinnen und Mieter entdeckt. Drei Monate vor der Bundestagswahl erkennt also die Kanzlerin - vielleicht war es auch ihr Beraterstab -, dass in Deutschland 35 Millionen Menschen in Mietwohnungen leben. Das ist ja ein erquickliches Wählerpotenzial. Daher wundert es uns nicht, dass solche Aussagen so kurz vor der Bundestagswahl gemacht werden. Die Kanzlerin nimmt auch so Unworte wie „Mietendeckelung“ oder „Mietpreisbremse“ in den Mund. Was ist das? Ein unmoralisches Angebot an einen künftigen Koalitionspartner oder doch nur der plumpe Versuch, Millionen Wählerinnen und Wähler hinter die Fichte zu führen? Dass die FDP da aufschreit und so tut, als kritisiere sie die Kanzlerin, ist ein nur allzu verständliches Signal in Richtung der eigenen Klientel. Liebe Wählerinnen und Wähler, wenn die CDU/CSU wirklich etwas für Mieterinnen und Mieter in diesem Land tun wollte, hätte sie einfach nur auf das kürzlich in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz verzichten und das Mietrecht mieterfreundlich reformieren sollen. ({0}) Das tat sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie hat in einem vierjährigen Gesetzgebungsverfahren entgegen scharfer Kritik der kommunalen Spitzenverbände, der Mietervereine, gegen den Rat fast aller Experten, ja selbst gegen die Bedenken des Bundesrats die Mieterrechte eingeschränkt. Sie hat keine wirksame Bremse zur Deckelung der Bestandsmieten eingebaut. Dort aber wäre dazu Gelegenheit gewesen. Nein, Sie will Mieterinnen und Mieter die Kosten der energetischen Sanierung ihrer Wohnungen über die Modernisierungsumlage allein überlassen, und Sie hat sich auch gegen die Forderung zur Beschränkung von Neuvertragsmieten vehement gesperrt. Wie gesagt, es dauerte vier Jahre, und dabei wurde von allen Seiten, selbst von Politikern der CDU/ CSU-Fraktion, permanent Kritik geäußert. Das alles ist an der Kanzlerin vorbeigerauscht. Sie war schließlich mit Wichtigerem beschäftigt. Aber auch die SPD, die sich jetzt über einen Themenklau durch die CDU empört, hat die Wohnungspolitik nicht wirklich erfunden. Auch von dort war jahrelang wenig zu den Themen Wohnen und Mieten sowie Mieterrechte zu hören. Erst jetzt, nur wenige Meter vor der Kanzlerin, tritt der Kanzlerkandidat der SPD auf die Mietpreisbremse; dies sagt er jedenfalls. In Wirklichkeit verwechselt er aber die Bremse mit dem Gaspedal. Auch eine Mietsteigerung um 15 Prozent in vier Jahren bleibt eine Mietsteigerung, die deutlich über der Entwicklung der Realeinkommen liegt. Die Mieterinnen und Mieter müssen also auch bei diesem Vorschlag tiefer in die Tasche greifen, wenn sie es denn noch können. Fakt ist: Immer mehr Mieterhaushalte, auch normalverdienende, müssen einen überproportional wachsenden Teil ihres Nettoeinkommens für Wohnkosten ausgeben. 30 bis 50 Prozent sind bei weitem keine Seltenheit mehr, und die Tendenz ist steigend. Wofür gibt es 10 Prozent Mietsteigerung über dem Mietspiegel bei Wiedervermietung? Weder ist die vermietete Wohnung mit den Jahren um 10 oder 15 Prozent größer geworden, noch steigt durch eine Neuvermietung der Gebrauchswert automatisch um 10 Prozent. Verbessert der Vermieter die Wohnung durch eine energetische Sanierung, darf er nach dem Willen der Regierung 11 Prozent der Kosten auf die Mieterinnen und Mieter umlegen, nach dem Wunsch der SPD 9 Prozent. Im ersten Fall zahlen die Mieterinnen und Mieter die Sanierungskosten in neun Jahren zurück, im zweiten Fall in elf Jahren, und zwar unabhängig davon, ob sich ein entsprechender Vorteil bei den Betriebs- oder Heizkosten ergibt; denn für solch einen Nachweis gibt es keinen gesetzlichen Zwang. Danach wird die Miete natürlich nicht wieder gesenkt. Sie bleibt aber auch nicht auf dem durch die Modernisierungsumlage erhöhten Niveau. Denn in der Zwischenzeit sind ja neun oder elf Jahre vergangen, und es gibt die Möglichkeit, alle vier Jahre 15 Prozent draufzulegen. Es ist also durchaus möglich, dass diese Miete dann automatisch um weitere 30 Prozent steigt. Bei Weitervermietungen steigt sie sogar noch mehr. Die Linke sagt: Ohne Verbesserung des Gebrauchswertes einer Wohnung soll und darf es keine Mietsteigerungen geben. ({1}) Das ist auf anderen Märkten im Übrigen auch so. Ein Autohersteller, der ein besonderes Modell auf den Markt bringt, erhöht den Preis für dieses Modell, wenn er es nicht verändert, im Laufe der Jahre auch nicht einfach so. Denn das wäre paradox, und die Kunden würden ihm dann davonlaufen. Genau das aber können Mieterinnen und Mieter nicht. Sie können nicht einfach den Anbieter wechseln, weil sie auf ihre Wohnung angewiesen sind, weil sie da, wo sie arbeiten, wohnen müssen, weil sie da, wo sie studieren, wohnen wollen und weil sie ihr Leben in ihrem Zuhause sicher verbringen wollen. Auf dem Wohnungsmarkt bestimmt weder der Wert noch der Gebrauchswert den Preis der Ware Wohnung, sondern ausschließlich das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nicht das Geringste zu tun. Das ist nackter, purer Kapitalismus. ({2}) Nun höre ich oft den Einwand, das sei schlimmstenfalls ein Problem der Metropolen; im Durchschnitt seien die Mieten ja nur unwesentlich gestiegen. Aber in Metropolregionen leben mittlerweile 50 Prozent der Mieterinnen und Mieter - die Tendenz ist steigend -, und kein Mensch wohnt in Durchschnittshausen. Auch außerhalb der Metropolen, selbst in sich entleerenden Regionen, fliegen den Menschen die Wohnkosten mittlerweile um die Ohren, weil die Preise für Strom, Gas, Wasser, Abwasser und Mobilität förmlich explodieren. Auch darauf hat die Bundesregierung keine Antwort. Sie hat weder einen Plan, noch hat sie den Willen, hier irgendetwas zu tun. ({3}) Meine Damen und Herren, ich habe bisher nur über die neu aufkommende Wohnungsnot durch Miet- und Wohnkostensteigerungen gesprochen. Jetzt komme ich zum Totalversagen der Bundesregierung bei der notwendigen demografiegerechten Umgestaltung der Wohnungswirtschaft und Stadtentwicklung und zur unaufschiebbaren energetischen Sanierung des Gebäudebestandes. Durch ihre halbherzige, wankelmütige Haltung bei der Umsetzung selbst gesetzter Klimaschutzziele im Gebäudebereich macht sich diese Bundesregierung mitschuldig an irreparablen Umweltschäden und Klimakatastrophen. Die derzeitige Mangelsituation auf dem Wohnungsmarkt, die gewaltigen Defizite bei der Bereitstellung von altersgerechtem und barrierefreiem Wohnraum, der Einbruch bei klimagerechtem Umbau der Gebäudewirtschaft sind die Quittungen für jahrelanges Nichtstun, Lavieren oder abergläubiges Hoffen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Der Markt aber erklärt sich gerade da für nicht verantwortlich. Das ist sogar verständlich, weil wir es hier nicht mit konjunkturellen, sondern mit strukturellen politischen Problemen zu tun haben. Um der aktuellen Wohnungsnot zu begegnen, die aktuellen Probleme zu beheben und eine langfristig verlässliche, sozial ausgewogene, bedarfs- und klimagerechte Entwicklung der Wohnungswirtschaft zu beginnen, reichen die althergebrachten Steuerungs- und Anreizprogramme bei weitem nicht mehr aus. ({4}) Wir brauchen vor allem ein Umdenken in der Politik, dass Wohnen keine gewöhnliche Ware ist, und das politische Bewusstsein, dass wir uns hier im Bereich der sozialen Daseinsvorsorge bewegen. Wir müssen endlich wirklich handeln. Die Linke hat das immer gefordert, nicht nur in Wahlkampfzeiten. Wir haben mit unserem Antrag, das Wohnen als Grundrecht in den Menschenrechtskatalog des Grundgesetzes aufzunehmen - gleich zu Beginn der Legislaturperiode -, mit unserer Forderung, barrierefreies Wohnen in die Novelle zum Baugesetzbuch verpflichtend aufzunehmen, mit unseren wiederkehrenden Anträgen zur Aufstockung, Verstetigung und sozial-ökologischen Umgestaltung der Städtebauförderung und mit unseren Anträgen und Aktionen gegen das von der Bundesregierung durchgepeitschte Mietrechtsänderungsgesetz Neues vorgeschlagen. Wir setzen das fort mit unseren heute vorliegenden Anträgen zur Verbesserung der Wohnsituation von Studierenden, zur Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und zur Errichtung eines gemeinnützigen Sektors in der Wohnungswirtschaft. ({5}) Wir wollen damit erreichen, dass die aktuelle Wohnungsnot in den Metropolen und Universitätsstädten wirklich bekämpft und der Mietpreistreiberei überall ein wirksamer Riegel vorgeschoben wird. Das wird nicht durch Lippenbekenntnisse der Kanzlerin im Wahlkampf zu leisten sein, sondern dazu bedarf es eines rigorosen Umbaus des Mietrechts und einer gravierenden Umstrukturierung des Bundeshaushalts. Daran könnte man die Ernsthaftigkeit des Willens einer Bundesregierung zur Beseitigung von Wohnungsnot und Mietpreistreiberei wirklich messen. Wir wollen mindestens 700 Millionen Euro jährliche Kompensationsleistungen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau, und zwar verstetigt, regelmäßig evaluiert und durch Bund-Länder-Vereinbarungen dauerhaft zweckgebunden gesichert. Die Fördermittel sollen im wohnungswirtschaftlichen Kreislauf verbleiben und zur Entwicklung eines relevanten, sozial verpflichtenden Bestandes an öffentlichen Wohnungen genutzt werden. Daraus soll sich - das ist der Kern unseres zweiten Antrags - strategisch ein gemeinwohlorientierter Sektor in der Wohnungswirtschaft entwickeln. Wohlgemerkt, wir wollen nicht einfach die Wiederbelebung der traditionellen Wohnungsgemeinnützigkeit, sondern wir wollen die Idee der Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft neu konzipieren, um schließlich ein wirksames, relevantes Korrektiv zum ausschließlich renditeorientierten Wohnungsmarkt zu etablieren. ({6}) An diesem Konzept arbeiten wir schon einige Zeit. ({7}) Es gibt dafür Unterstützer quer durch die Gesellschaft, in der ganzen Republik. Glücklicherweise ist es außerhalb dieses Hauses möglich, ein solches Projekt parteiübergreifend zu entwickeln und voranzutreiben. Zum Schluss kurz zusammengefasst: Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU- und FDP-Fraktion, stimmen Sie heute unseren Anträgen einfach zu! Dann hätten Sie die Merkel’sche Mietpreisbremse bereits vor der Wahl umgesetzt und nicht ein Wahlversprechen postuliert, das hinterher nicht gehalten wird. ({8}) Lassen Sie Ihren Ankündigungen und Wahlversprechen einfach Taten folgen! Dafür wäre heute ein guter Tag. Danke schön. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Peter Götz das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000705, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland debattieren, müssen wir auch bei diesem Tagesordnungspunkt die schlimmen Auswirkungen in den Hochwasserregionen sehen. ({0}) Immer mehr Menschen müssen sich vor dem Hochwasser in Sicherheit bringen. Tausende Häuser sind evakuiert. Die Folgen für die betroffenen Menschen vor Ort können wir nur erahnen. Es ist gut und richtig, dass von allen Seiten unbürokratisch Hilfe angeboten wird. Die furchtbaren Ereignisse in den Hochwassergebieten helfen vielleicht auch ein wenig, die stark dramatisierenden Überschriften der Anträge der Opposition zur heutigen wohnungspolitischen Debatte ins richtige Licht zu rücken. ({1}) „Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern …“, „Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt“, „Wohnungsnot bekämpfen …“, ich fühle mich bei diesen Überschriften zurückversetzt in die Zeit, als in Deutschland flächendeckend eine echte Wohnungsnot herrschte. Es ist keine Frage, dass eine angemessene Versorgung mit Wohnraum zu den Grundbedürfnissen eines menschenwürdigen Lebens gehört. Auch wenn seit drei Jahren der Aufwärtstrend auf dem Wohnungsmarkt unverkennbar ist, erleben wir in vielen Großstädten und Universitätsstädten Engpässe mit überproportional stark steigenden Mieten. Das Angebot kann dort mit der wachsenden Nachfrage nicht mithalten. Wir haben das gestern bei der Sachverständigenanhörung im Ausschuss bestätigt bekommen. Die Sachverständigen haben aber auch bestätigt, dass wir in Deutschland von einer Wohnungsnot weit entfernt sind. Ja, es gibt Städte oder Stadtteile, die stärker nachgefragt sind als andere. Neue oder modernisierte Wohnungen in diesen Stadtteilen steigern die Nachfrage zusätzlich; es ist oft „chic“ oder „in“, dort zu wohnen. Es gibt aber auch Städte und ganze Landstriche, in denen der Wohnungsleerstand den Wohnungsuchenden zu niedrigen Mieten verhilft und Hauseigentümer schon seit Jahren keinen Überschuss mehr aus der Vermietung von Wohnungen erzielen. Die Folge sind sinkende Immobilienwerte, mit allem, was dazugehört. Was will ich damit sagen? Deutschland hat einen sehr differenzierten Wohnungsmarkt. Die Politik muss passund zielgenau auf bestimmte Engpässe reagieren. Bund, Länder und Gemeinden sind in ihrer jeweiligen Zuständigkeit zum Handeln aufgefordert. „Zuständigkeit“ ist ein wichtiges Stichwort: Wenn es darum geht, Maßnahmen für neuen Wohnraum zu günstigen Mieten zu treffen, müssen wir uns das Engagement der Länder genauer anschauen. Seitdem ihnen 2006 bzw. 2007 im Rahmen der Föderalismusreform die Zuständigkeit für die Förderung von sozialem Wohnraum übertragen wurde - sie wollten diese Zuständigkeit -, sind allein die Länder für die Förderung von sozialem Wohnraum zuständig. Es ging bei der Übertragung nie um eine Abschaffung der Förderung von sozialem Wohnraum. Der Bund stellt den Ländern für diese Aufgabe nach wie vor jedes Jahr 518 Millionen Euro zur Verfügung. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann aber auch nicht sein, dass zum Beispiel das Land Berlin die Bundesmittel, die es für den sozialen Wohnungsbau erhalten hat, in die Finanzierung landeseigener Altverpflichtungen umleitet und anschließend nach dem Bund ruft, damit er die Probleme am Berliner Wohnungsmarkt löst. ({2}) Beim Bund nehmen und den Bedürftigen nicht geben, das ist mehr als unmoralisch. Eine Sanierung von Landeshaushalten auf dem Rücken einkommensschwacher Wohnungssuchender und Mieter, wie sie gerade in Berlin unter Rot-Rot erfolgt ist, darf nicht weiter hingenommen werden. Seit Wiedereintritt der CDU in die Berliner Regierung vollzieht sich dort Gott sei Dank ein Umdenken. ({3}) Meine Damen und Herren, wir brauchen in jedem Fall eine Selbstverpflichtung der Länder für eine Zweckbindung künftiger Mittel des sozialen Wohnungsbaus. ({4}) Herr Bundesminister Ramsauer hat auch Vorschläge unterbreitet, ({5}) mit denen der Bund auf den Trend der regionalen Wohnungsengpässe reagieren kann. ({6}) Die größte Attraktivität, Herr Pronold, strahlt für mich dabei der Vorschlag der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung aus. ({7}) Wenn ich mich recht erinnere, wurde sie 2006 unter dem damaligen Bundesfinanzminister Steinbrück abgeschafft. In der Geschichte der deutschen Wohnungspolitik war aber nichts erfolgreicher als eine steuerliche För30714 derung. Sie lässt Marktmechanismen wirken und hat eine hohe private Investitionsbereitschaft zur Folge. ({8}) Was kann den Wohnungsuchenden denn Besseres passieren als stark steigende Wohnungsbauzahlen in nachgefragten Lagen? Regelungen über das Mietrecht sind nur befristete Mangelverwaltungen. ({9}) Die Lösung der Probleme liegt in der Schaffung von neuem Wohnraum. ({10}) Nutzen wir doch einfach die guten Erfahrungen der Vergangenheit! Aber leider haben SPD und Grüne ein Problem mit erfolgreichen steuerpolitischen Instrumenten. Ihr Geschrei bestätigt dies. Gerade haben wir es bei dem im Bundesrat abgelehnten Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden erneut erleben dürfen. ({11}) Auch dort haben sich SPD und Grüne rein ideologisch zulasten von Umwelt und Mietern positioniert. Beim Blick in die Wahlprogramme von SPD und Grünen bekommt man eine wohnungspolitische Gänsehaut. ({12}) Wen, bitte schön, wollen Sie mit der Einführung einer Vermögensabgabe oder einer Vermögensteuer eigentlich für Investitionen in neue Wohnungen begeistern? Glauben Sie allen Ernstes, neue steuerliche Belastungen bei Immobilien animierten jemanden, in Wohnungen zu investieren? Der bessere Weg ist der Vorschlag des Bundesministers Peter Ramsauer, die Leistungsfähigkeit des Wohngeldes zu erhöhen. Das Wohngeld kann einkommensschwachen Mietern bei der Versorgung mit angemessenem Wohnraum helfen. Ich hoffe, dass wir, wenn wir diesen Vorschlag machen, nicht wieder die gleiche Blockadehaltung der von SPD und Grünen regierten Länder erleben wie bei der gerade genannten steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung. Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen. Für mich ist auch der Erwerb von Belegungsrechten ein geeignetes Instrument, um preisgünstigen Wohnraum vor Ort anbieten zu können. Meine Damen und Herren, den eigentlichen Schlüssel hält die kommunale Wohnungspolitik in der Hand. Wenn zum Beispiel in der Stadt München - nur als Beispiel, Herr Pronold - kein geeignetes Bauland zur Verfügung gestellt oder ausgewiesen wird, können dort auch keine neuen Wohnungen entstehen. ({13}) Der Engpass treibt die Mieten nach oben, und die Mieter haben letzten Endes das Nachsehen, wenn sie sich um eine günstige Wohnung bewerben. Wo kommunale Grundstücke oder Wohngebäude gezielt nur so auf den Markt gebracht werden, dass stark steigende Immobilienwerte die kommunalen Kassen füllen, sind Erwartungen an günstige neue Mietwohnungen auch nicht mehr erfüllbar. Wenn überzogene Renditeforderungen an eigene, also kommunale, Wohnungsunternehmen formuliert werden - auch das gibt es -, kann von diesen Unternehmen nicht gleichzeitig ein moderates Mietenniveau eingefordert werden. ({14}) Kommunen mit Wohnungsengpässen müssen sich deshalb selbst aktiv an der Problemlösung beteiligen. Durch eine langfristig angelegte Baulandpolitik vor Ort lassen sich die lokalen Engpässe am Wohnungsmarkt am besten lösen. Das muss auch kein Bauen auf der grünen Wiese sein. Wir haben nach wie vor große innerstädtische Brachflächen, seien es Industrie- oder Militärbrachen, die reaktiviert werden können. Mit den bewährten Instrumenten der Städtebauförderung kann der Bund, aber können auch die Länder den Kommunen helfen, diese Flächen zu entwickeln. Meine Damen und Herren, ich finde es ausgesprochen gut, dass die Bundespolitik die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als eine der tragenden Säulen für die Wirtschaftskraft Deutschlands wiederentdeckt hat. CDU und CSU werden in den nächsten Wochen den richtigen Instrumentenmix für eine gute Wohnungspolitik präsentieren. Der rot-grüne Schlachtruf „Bildung statt Beton“ vergangener Jahre hat nachweislich nicht funktioniert und kann zu den Akten gelegt werden. Wir brauchen beides, eine bessere Bildung unserer Kinder, aber auch bezahlbare Wohnungen, in denen unsere Kinder aufwachsen können. - Herzlichen Dank. Frau Präsidentin, gestatten Sie mir am Ende meiner Rede noch ein persönliches Wort. Dies war nach 23 Jahren aktiver Arbeit im Deutschen Bundestag meine letzte Rede in diesem Hohen Haus. Ich möchte mich für das gute Miteinander bedanken, auch über Fraktionsgrenzen hinweg und bei allen Unterschieden, die politisch zu diskutieren waren. Ich muss sagen: Ich war gerne Mitglied des Deutschen Bundestages. Ich wünsche Ihnen eine gute Zukunft und persönlich alles Gute. Diesem Hohen Haus, diesem Parlament wünsche ich weiterhin eine positive Entwicklung. Herzlichen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Götz, im Namen des ganzen Hauses gebe ich Ihren Dank für die gute Zusammenarbeit gerne zurück. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Durch Ihr starkes Engagement sowohl auf kommunalpolitischer wie auf Bundesebene haben Sie gezeigt, wie sehr Sie sich für die Demokratie eingesetzt haben. Vielen Dank und Ihnen persönlich alles Gute. ({0}) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Als Nächster kommt der Kollege Florian Pronold für die SPD-Fraktion zu Wort. ({1})

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich hätte erwartet, dass der Kollege Götz etwas zu den neuen Erkenntnissen seiner Kanzlerin zum Thema Mietpreisbremse sagt. ({0}) - Das weiß ich. Das ist doch schön. Aber er hat trotzdem nichts dazu gesagt, auch wenn er dort sitzt. ({1}) Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Frau Bundeskanzlerin Themenklau bei der SPD betreibt. Da muss ich sie in Schutz nehmen; denn wer sich rechtlich auskennt, der weiß, dass Klauen bedeutet, jemandem etwas wegzunehmen. Das ist wie bei einer Handtaschenräuberin. Die nimmt die Handtasche, und dann ist sie weg. Aber das Thema „bezahlbares Wohnen“, das Thema „Mietpreisbremse“ bleibt bei der SPD, das kann die Kanzlerin nicht klauen. ({2}) Das, was die Kanzlerin macht, ist Hütchenspielerei. Sie tut jetzt so, als würde es nach der Wahl unter dem Hütchen, auf dem „CDU“ steht, eine Mietpreisbremse geben. Aber wenn die Wählerinnen und Wähler nach der Wahl unter dieses Hütchen schauen, dann werden sie feststellen, dass es nichts anderes war als Wahlbetrug. Das ist das, was die Kanzlerin vorhat. ({3}) Wir von der SPD stehen für bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt. Uns geht es darum, dass die Menschen, die in den Innenstädten wohnen und die für niedrige und mittlere Löhne hart arbeiten, auch in den Innenstädten wohnen bleiben können. Die alleinerziehende Mutter, die Rentnerin, der Rentner, der Taxifahrer, der Polizeibeamte, die Krankenschwester, alle die, die für uns auch Dienst tun, sollen in ihrer angestammten Wohnung bleiben können. Deswegen werden wir verhindern, dass es zu Mietexzessen kommt. ({4}) Dazu gehören drei Elemente. Das erste Element. Wir werden über das Mietrecht dafür Sorge tragen, dass Menschen nicht über den Löffel balbiert werden, dass die Mieterinnen und Mieter nicht zu den Melkkühen der Nation werden. Das zweite Element. Wir müssen den Neubau ankurbeln und müssen darüber hinaus bei der Sanierung von Wohnungen dafür Sorge tragen, dass diese auf die Höhe der Zeit kommen, und zwar mit energetischer Sanierung und vor allem mit Barrierefreiheit. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich die Menschen in diesen sanierten Wohnungen das Leben noch leisten können. Es geht nicht, dass heute in Großstädten viele Menschen 30 oder 35 Prozent ihres Nettoeinkommens dafür ausgeben müssen, um in diesen Wohnungen leben zu können. Das ist zu viel. Das darf nicht weiter so sein. ({5}) Das dritte Element ist, dass wir auch dafür Sorge tragen, dass unsere Städte zusammenhalten. In den Stadtteilen müssen Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Berufen zusammenleben können und darf keine Verdrängung stattfinden. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch der Zusammenhalt in den Wohnquartieren erhalten bleibt oder gefördert wird. Deswegen ist das Programm „Soziale Stadt“ so wichtig für die Zukunft dieses Landes und für alle Menschen, die in den Städten leben. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Pronold, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Jarzombek zulassen?

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Pronold, Sie sind ja auch der Schattenminister der SPD für das Thema Wohnungsbau. Deshalb möchte ich gerne auch einmal ein bisschen von der Bundesebene auf die kommunale Ebene zu sprechen kommen. Unabhängig von dem, was Sie uns hier dazu gesagt haben, was auf der Bundesebene erforderlich ist, stelle ich an Sie die Frage, was denn auf der kommunalen Ebene erforderlich ist. Um das ganz konkret zu fragen: In Düsseldorf wird gerade zum Beispiel eine überfraktionelle Initiative vorbereitet, nach der künftig bei neu auszuweisenden Gebieten auch 20 Prozent sozialer Wohnungsbau und 20 Prozent mietpreisgebundener Wohnungsbau zwangsweise vorzusehen sind. Glauben Sie, dass das ein gutes Modell ist, und setzen Sie sich dafür ein, dass auch in anderen Städten so etwas umgesetzt wird? Wir können aus Berlin nämlich mit Sicherheit nicht alles alleine regeln.

Florian Pronold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003612, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben insoweit recht, als dass, wenn Sie die Wohnungsnot vor Ort in den Griff bekommen wollen, alle Akteure, die auch vor Ort Verantwortung tragen, in einem Boot sitzen und am besten noch in die gleiche Richtung rudern müssen: Dazu gehören die Kommunen, die Ausweisung von Bauland, aber zum Beispiel auch der Bund, wenn ich an manche Liegenschaften denke, die durch die BImA verwaltet werden. ({0}) Hier kann es nicht nur nach dem Höchstpreisprinzip gehen, sondern auch danach, mit welchen Konzepten man in den Kommunen bezahlbaren Wohnraum schaffen will. Dazu gehört, dass man bei neuen Projekten durch eine entsprechende Förderung dafür Sorge trägt, dass es auch sozialen Wohnungsbau gibt und dass ein gewisser Anteil von Wohnungen, die im Neubau entstehen, bezahlbar sind, wodurch zum Beispiel alle Menschen, die dies wollen, in den Innenstädten wohnen können. Dazu gehört, dass Genossenschaften, private Bauträger und städtische Baugesellschaften dafür Sorge tragen, dass das Wohnen bezahlbar bleibt. Nur ein Beispiel, weil die städtischen Wohnungsbaugesellschaften immer in der Kritik stehen: In München liegt die durchschnittliche Miete für Wohnungen von städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei etwa 6,30 Euro, während das durchschnittliche Kaltmietenniveau in München bei über 10 Euro liegt. Ohne das Engagement der städtischen Wohnungsbaugesellschaften und ohne die Durchmischung von Wohnraum hätten Mieterinnen und Mieter mit unteren und mittleren Einkommen überhaupt keine Chance mehr, in solchen Städten zu leben. Deswegen ist es richtig, dass wir alle ins Boot holen und dafür Sorge tragen müssen, dass es auch bei Neubau bezahlbare Wohnungen gibt. ({1}) Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was diese schwarz-gelbe Bundesregierung und insbesondere dieser Bauminister, der er ja auch sein soll, der Herr Ramsauer, angekündigt haben und was dabei herausgekommen ist: Vor wenigen Monaten haben wir erlebt, dass es mehrere Gipfel zum Thema „Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum für Studentinnen und Studenten?“ gab. Ergebnis: Nichts! Sie haben gerade wieder davon gesprochen, dass das Wohngeld erhöht werden muss. Bis heute ist es nicht erhöht worden. Was ist passiert? Das Gegenteil ist passiert. Der Heizkostenzuschuss ist von dieser schwarz-gelben Koalition gestrichen worden. Das ist ein Anschlag auf diejenigen, die hart arbeiten und es sich trotzdem nicht leisten können, zu diesen hohen Mieten zu wohnen. Das haben Sie gestrichen. Das ist die Bilanz dieser Regierung. ({2}) Sie haben angekündigt, der soziale Wohnungsbau sei wichtig. Jawohl! 518 Millionen Euro werden dafür vom Bund jährlich noch zur Verfügung gestellt. Sie haben im schwarz-gelben Koalitionsvertrag angekündigt, dass Sie hier bis zum Ende der Wahlperiode zu einer verlässlichen Regelung kommen wollen. Was ist passiert? Für ein Jahr haben Sie es verlängert. Sie beklagen hier, dass die Mittel von den Ländern nicht zweckgerichtet eingesetzt werden. Da haben Sie recht. Aber warum legen Sie nicht fest, dass diese Mittel für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden müssen? Wer regiert denn? Sie tun es. Beklagen Sie es nicht, sondern handeln Sie doch endlich entsprechend! ({3}) Die Städtebauförderung ist eines der wichtigsten Elemente, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu organisieren. Diese schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Mittel für die Städtebauförderung massiv gekürzt. Am stärksten hat sie das Programm „Soziale Stadt“ zusammengestrichen. ({4}) Ich habe mir zig Projekte in ganz Deutschland angeschaut und habe gesehen, wie es gelungen ist, Glasscherbenviertel in die Stadtgesellschaft zurückzuholen, welch wichtige Arbeit dort geleistet worden ist, um die Integration zu fördern, um ein attraktives Wohnumfeld zu schaffen. Bei diesem Programm haben Sie den Rotstift am stärksten angesetzt. 2010 haben Sie die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ um über 70 Prozent gekürzt. ({5}) Jetzt hört man in Reden im Deutschen Bundestag - das war auch in der letzten Debatte zu diesem Thema so -, das stimme gar nicht, die Mittel für Städtebauförderung und insbesondere für das Programm „Soziale Stadt“ seien doch fast verdoppelt worden. Das ist wieder einmal ein typischer Taschenspielertrick. Sie haben die Mittel erst auf 25 Millionen Euro gekürzt, dann haben Sie sie auf 40 Millionen Euro erhöht. Das bedeutet aber, dass für das Programm „Soziale Stadt“ heute immer noch weniger als die Hälfte dessen ausgegeben werden kann, was unter Wolfgang Tiefensee bereitgestellt wurde. Wenn Sie da von einer Verdopplung der Mittel sprechen, belügen Sie die Menschen. Sie haben die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ vielmehr halbiert und richten damit einen Schaden vor Ort an, der kaum wiedergutzumachen ist. ({6}) Wir haben dann noch alle möglichen anderen Ankündigungen gehört. Eine degressive AfA wollen Sie einführen. Wer regiert denn seit vier Jahren in der Bundesrepublik Deutschland? ({7}) Warum haben Sie es denn nicht gemacht, wenn das so wichtig ist? Sie wollen die energetische Sanierung fördern. Warum haben Sie die KfW-Mittel dafür gekürzt? Sie wollen den altersgerechten Umbau fördern. Warum haben Sie das entsprechende Programm der Bundesregierung gestrichen? Diese Fragen müssen Sie beantworten. ({8}) Jetzt komme ich zum Thema Eigenheimzulage. Es gab eine Ankündigung von Herrn Ramsauer, die Zulage wieder einzuführen. Alle, die sich ein bisschen mit der Thematik auskennen, wissen, dass für die Eigenheimzulage einmal 8 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Warum haben Sie die Eigenheimzulage nicht längst wieder eingeführt, wenn das eine so gute Idee ist? - Erinnern wir uns auch daran, wie hoch die einzelnen Beträge waren, die ausgezahlt wurden. Glaubt denn irgendwer tatsächlich, dass die Eigenheimzulage, also eine Zulage von wenigen Tausend Euro, mehr jungen Familien ermöglicht, dort, wo Wohnungsnot besteht, nämlich in den Metropolregionen, Eigentum zu erwerben? Glaubt irgendwer, dass diese Zulage ein Beitrag zur Bekämpfung von Wohnungsnot in Metropolregionen ist? ({9}) Das ist nichts anderes als Ankündigungspolitik, hinter der nichts steckt, und vor allem werden die Probleme in unseren Städten dadurch nicht gelöst. ({10}) Vonseiten der Bundesregierung wurde nun groß angekündigt, etwas zu tun, um Mieterinnen und Mieter vor Exzessen bei Mieten zu schützen. Die Kanzlerin schreibt bei der SPD ab und will eine Mietpreisbremse einführen. Teile der Union und der FDP polemisieren dagegen. Drum will ich einmal sagen, worum es uns dabei geht. Es geht uns um mehrere Dinge. Der erste Punkt ist: Wir wollen - ({11}) - Sie können mir dazu gerne eine Zwischenfrage stellen. Dann werde ich Ihnen dazu ausführlich antworten. ({12}) - Machen Sie das doch! ({13}) - Ja, eben. Die zwölf Minuten stehen für guten Inhalt. Ich danke Ihnen, dass Sie mir das attestieren. ({14}) Aber jetzt will ich Ihnen etwas zur Mietpreisbremse sagen, weil das die FDP offensichtlich nicht versteht. Das Ganze hat nichts damit zu tun, wie viel Mittel in einen Neubau investiert werden, weil von unserem Konzept Neubaumieten, also Erstvermietungen, überhaupt nicht berührt werden. Uns geht es um den Fall, dass jemand aus einer Wohnung auszieht und ein Nachmieter einzieht. Dieser Nachmieter - das können Sie in Berlin reihenweise beobachten - zahlt auf einmal 30 oder 40 Prozent mehr Miete, obwohl an dieser Wohnung beim Mieterwechsel gar nichts gemacht worden ist. Das treibt die Mietpreise nach oben. Das vertreibt die Menschen an den Stadtrand. Diese Entwicklung wollen wir stoppen. Das ist der Punkt. ({15}) Dazu gehört auch, dass diejenigen, die einen Makler beauftragen, ihn bezahlen. Ein Beispiel: Jemand macht sich im Internet kundig und schaut, wo es eine Wohnung für ihn gibt. Er findet eine Wohnung, und der Vormieter schickt ihn zu dem Eigentümer. Der Eigentümer sagt: Ja, Sie können die Wohnung haben. Aber ich habe einen Makler engagiert. Bitte wenden Sie sich an ihn. - Dann zahlt der Mieter, ohne den Makler bestellt zu haben, noch zwei Monatsmieten für den Makler, obwohl dieser überhaupt nichts getan hat. Wo liegt denn darin der Sinn? Wir wollen ein marktwirtschaftliches Prinzip einführen: Wer bestellt, soll auch bezahlen. Die Mieterinnen und Mieter dürfen mit den Kosten hierfür nicht belastet werden. ({16}) Wir werden deswegen eine Mietpreisbremse einführen. ({17}) - Keine Sorge, ich habe noch zwei Minuten Redezeit, wenn Sie das beruhigt. - Diese Mietpreisbremse wird bei der Wiedervermietung ansetzen und die Steigerung der Mietkosten deckeln. Wir werden dafür Sorge tragen, dass der Heizkostenzuschuss wiederkommt. Und wir werden auch dafür Sorge tragen, dass die Kosten von energetischer Sanierung die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzen. Heute ist es doch so, dass, wenn eine Wohnung für 25 000 Euro saniert wird, die Miete monatlich um 210 Euro zusätzlich erhöht werden kann. Wer kann sich denn das leisten? Dass die Menschen hier Angst und Sorge haben, muss man doch verstehen, und darauf muss man eine Antwort geben. Die Antwort lautet, dass man die Kosten einer energetischen Sanierung fair in der Gesellschaft, also zwischen allen, die davon profitieren, dass es energetische Sanierung und CO2-Einsparungen gibt, verteilen muss, also zwischen dem Staat, den Mieterinnen und Mietern und den Vermietern. Wir sind für eine faire Kostenteilung in dieser Frage. Niemand soll übervorteilt werden. Wir werden die Mittel für Städtebauförderung wieder auf 700 Millionen Euro anheben, und wir werden dafür Sorge tragen, dass das Programm „Soziale Stadt“ zum Leitprogramm wird, damit der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wieder wächst. ({18}) Wir werden Bündnisse für bezahlbares Wohnen vor Ort schließen, in denen man - nicht mit Druck, sondern dadurch, dass alle Akteure zusammenhelfen - sich Gedanken macht, wie man über Baulandausweisungen und andere Dinge zu bezahlbarem neuen Wohnraum kommen kann. ({19}) Sehr geehrte Damen und Herren von der schwarz-gelben Opposition, Sie hätten heute die Möglichkeit - und Sie haben sie bis zum Ende dieser Wahlperiode -, deutlich zu machen, ob Ihr Herz für Mieterinnen und Mieter schlägt oder nicht. Dem Rechtsausschuss liegt unser Antrag für die Mietpreisbremse vor. Die Kanzlerin findet das toll. Wir sind bereit, diese Mietpreisbremse in dieser Wahlperiode ins Gesetz zu schreiben. Ich bin gespannt, ob Sie da mitgehen. Da könnten Sie beweisen, ob Sie es mit dem Schutz von Mieterinnen und Mietern tatsächlich ernst meinen. Ihre Mietrechtsreform, die zum 1. Mai 2013 in Kraft getreten ist, war das Gegenteil. ({20})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Patrick Döring das Wort. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht Städtebauförderprogramme, nicht Gesetze und auch nicht diese Debatte werden dazu führen, dass in den Ballungsräumen, in denen die Wohnungsmärkte erkennbar angespannt sind, Wohnungen gebaut werden. Vielmehr werden die meisten vermieteten Wohnungen in Deutschland von Männern und Frauen gebaut, die ihre Ersparnisse investieren, die ihr Geld nicht auf den Kopf hauen, die ihre Ersparnisse nicht in die Schweiz bringen, die ihre Ersparnisse nicht irgendwo verzocken, sondern die ihre Ersparnisse einsetzen, um vermietbaren Wohnraum zu schaffen. Das sind diejenigen, mit denen wir diese Probleme lösen. Das gelingt aber nicht, indem wir sie beschimpfen. ({0}) Diese Investoren haben vor allen Dingen ein Interesse, nämlich dass Rechtssicherheit besteht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es werden hier nun Begriffe wie „Mietexzesse“ verwendet. ({1}) Die Durchschnittsmiete in den zehn größten Städten in Deutschland - nicht in Durchschnittshausen, liebe Kollegin Bluhm - hat sich von 1992 bis 2012 von 7,01 Euro auf 7,96 Euro pro Quadratmeter entwickelt. Ja, das ist ein Anstieg, aber ein Anstieg weit unterhalb der Inflationsrate. In den deutschen Großstädten wohnt man preiswerter als in allen anderen Großstädten der Europäischen Union dank der vielen engagierten Vermieterinnen und Vermieter. ({2}) Dann spricht der sogenannte Schattenminister davon, man wolle Neubau ankurbeln. Ja, Wohnungsnot löst man am besten durch Neubau. Aber Neubau entsteht immer dann, wenn für diejenigen, die in die Märkte investieren wollen, Rechtssicherheit besteht. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, nicht über denjenigen, die ihre Ersparnisse in Wohnungen investieren, das Damoklesschwert einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe schweben zu lassen und ihnen nicht zusätzlich in die Tasche zu greifen. Statt sich um die Mieterinnen und Mieter zu kümmern, ist das, was Sie in Ihrem Wahlprogramm haben, eines der größten Mieterhöhungsprogramme. ({3}) Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, dass 1,5 Prozent Vermögensabgabe auf den vermieteten Wohnraum in Berlin-Charlottenburg vom Vermieter bezahlt werden? Das alles wird doch eins zu eins an den Mieter weitergegeben und führt am Ende zu Mieterhöhungen. Sie sind die Miettreiber in diesem Haus und nicht diese Koalition. ({4}) Des Weiteren wird über Sanierung gesprochen. Damit sind wir beim Kernpunkt, warum sich meine Fraktion gegen die Mietpreisbremse wehrt. Geschätzter Kollege Pronold, die Realität auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland ist nicht, dass eine Wohnung, wenn ein Mieter ausgezogen ist, anschließend zu einer 30 Prozent höheren Miete vermietet wird, ohne dass zuvor etwas an der Wohnung gemacht wurde. Viele Vermieter nutzen nach einem Auszug die Gelegenheit, nicht nur die Wände zu weißeln, sondern auch die Bodenbeläge auszubessern, das Bad zu renovieren und eine neue Küche einzubauen. ({5}) Die dann entstandene verbesserte Wohnsituation muss sich genauso in der Miete niederschlagen wie eine energetische Sanierung; denn sonst wird die Wohnqualität nicht steigen, sondern sinken. ({6}) Dass ausgerechnet Sie jetzt den Wert der energetischen Sanierung erkennen und das Hohelied der energetischen Sanierung singen, nachdem Sie alle unsere Angebote betreffend die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten der energetischen Sanierung von Wohnraum im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss abgewehrt haben ({7}) und sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben, dass diejenigen Vermieterinnen und Vermieter, die den Wohnraum für ihre Mieterinnen und Mieter ertüchtigen wollen, Steuervorteile bekommen, ist unglaubwürdig. ({8}) Wir haben Vorschläge gemacht und wollten sogar den Bundesanteil erhöhen, um eine Förderung durch Zuschussprogramme zu ermöglichen. Sie hätten gemeinsam mit uns einen großen Schritt gehen und für eine verbesserte Wohnraumsituation und mehr energetische Sanierung in Deutschland sorgen können. Aber Sie haben sich verweigert. ({9}) Wir werden die Herausforderungen in den Ballungsräumen angehen. Das geht am besten mit Investitionssicherheit und degressiven Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in Neubau. ({10}) Die Kappungsgrenze in unserem neuen Mietrecht wird dazu führen, dass sich die Neubaumieten noch moderater entwickeln. Wir haben ein kluges Mietrecht geschaffen, das zu einer guten Entwicklung führen wird. In Deutschland herrscht flächendeckend Gott sei Dank keine Wohnungsnot. In denjenigen Ballungsräumen, in denen Wohnungsnot herrscht, wird sie beseitigt, wenn wir die Investoren pfleglich behandeln. Sie tun das Gegenteil. Das ist das Schlimmste. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Daniela Wagner hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Daniela Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004184, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Döring hat uns in seiner Rede wieder einen tiefen Einblick in seine Kenntnisse der Realität in Deutschland gewährt. ({0}) Das gilt insbesondere für die Passage seiner Rede, in der er schildert, was in Wohnungen passiert, bevor neue Mieterinnen und Mieter einziehen. Aber ich will zur Sache kommen. Ich will Ihnen nicht unsere Initiativen und Anträge der letzten Jahre herunterleiern. ({1}) - Genau, das finde ich auch. - Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Koalition, irgendetwas müssen die Grünen in den letzten drei Jahren richtig gemacht haben, wenn jetzt sogar die Bundeskanzlerin die Lage der Mieterinnen und Mieter in Deutschland entdeckt und für so manches Zähneknirschen insbesondere im Lager der Wirtschaftsliberalen sorgt. Seit Jahren sind die Probleme deutlich wahrnehmbar. Die aktuellen Zahlen belegen: Wohnen wird immer teurer, nicht nur in angesagten Großstädten, sondern auch in kleineren Universitätsstädten. Selbst die Zahl der Landkreise mit steigenden Mieten nimmt erheblich zu. 30 bis 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete auszugeben, ist nach unserer Auffassung entschieden zu viel. ({2}) Darauf haben wir immer wieder hingewiesen. Selbst die Berichte der Bundesregierung belegen dies inzwischen. Die Koalitionsfraktionen sehen das noch nicht ein, wohl aber die Kanzlerin. Der Neubau nimmt zwar zu. Aber leider handelt es sich weitgehend um Eigentumswohnungen. Damit steigt der Druck auf Mieterinnen und Mieter weiter. Wie Sie vielleicht wissen, reicht zurzeit die Spanne der durchschnittlichen Mietpreissteigerungen bei Wiedervermietung von 19 Prozent in Berlin bis zu 44 Prozent in Konstanz am Bodensee. Ich kann Ihnen versichern, dass solche Steigerungen durchgesetzt werden, ohne dass zuvor irgendetwas an den Wohnungen getan wurde. So ist die Situation. Das kann so nicht weitergehen. ({3}) Es kann auch nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger mit weniger hohem Einkommen, junge Familien und Studierende die verfehlte Wohnungspolitik der Bundesregierung und von Teilen der Länder ausbaden und die kurzfristigen Renditeerwartungen der Finanzbranche finanzieren müssen. ({4}) Ich möchte dazu noch etwas sagen: Auch die kommunalen Haushalte geraten immer mehr unter Druck. Die Angemessenheitsgrenzen bei den Kosten der Unterkunft müssen angepasst werden. Aber staatliche Unterstützungsleistungen, Transferleistungen aus Steuermitteln sind nicht dazu da, die Renditeerwartungen von Investoren zu erfüllen, sondern sie sind dazu da, den Menschen zu helfen. Wir haben ein Gesamtkonzept zur Dämpfung der Mietpreisentwicklung bereits vorletztes Jahr in den Bundestag eingebracht, und wir haben dazu verschiedene Vorschläge gemacht, zum Beispiel dass, wenn bei einem Mieterwechsel die Wohnung wieder vermietet wird, der nachfolgende Mieter nicht mehr als 10 Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete zahlen soll. Wir haben diesen Antrag monatelang in den Ausschüssen hin- und hergewälzt. Sie haben vor sage und schreibe drei Monaten, also drei Monate, bevor die Kanzlerin genau dieses Instrumentarium fordert, diesen Antrag abgelehnt. ({5}) Da steht natürlich schon die Frage im Raum: Was soll das eigentlich alles? Was macht eigentlich die Bundeskanzlerin im Moment mit diesem Thema? Ich kann Ih30720 nen nur sagen - das ist es, was mich dabei ärgert -, dass Ihre Herangehensweise, nachdem Sie seit Jahren jede Initiative der Opposition zur Dämpfung der Mietpreise abgelehnt haben, gerade jetzt, ein Vierteljahr vor der Wahl, plötzlich das Thema Miete für sich in Anspruch zu nehmen, zeigt, dass Sie Probleme der Mieterinnen und Mieter ersichtlich nicht ernst nehmen, sondern sie nur zum Spielball des Wahlkampfs machen. ({6}) Sie haben auch bei der BauGB-Novelle einmal mehr die Möglichkeit verschlafen, eine Mietpreisbremse einzubauen. Dort hätte es die Möglichkeit gegeben. Ich nenne nur die Stichworte „Sanierungssatzung“ und „Milieuschutzsatzung“. Auch hier gibt es selbstverständlich Möglichkeiten, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um die Mietpreisentwicklung zu bremsen. ({7}) Sie zahlen Kompensationsmittel für die soziale Wohnraumförderung an die Länder. Aber was machen die Länder damit? Das ist in einigen Reden angeklungen. Sie machen damit, was sie wollen, nur fördern sie nicht den sozialen Wohnungsbau. Das ist Ihre Sache, Herr Bundesminister Ramsauer, Sie müssen sich darum kümmern, dass ein zweckgebundener Einsatz bei den Ländern durchgesetzt wird. ({8}) Sie, Kollege Götz, haben völlig recht, wenn Sie kritisieren, dass die Bundesmittel nicht dazu da sind, auf Kosten der Steuerzahler auf Umwegen Länderhaushalte zu sanieren oder was auch immer zu finanzieren, zum Beispiel schöne Flugplätze wie den von Kassel-Calden. Nur, dann setzen Sie das doch durch, kümmern Sie sich darum! ({9}) Über die Städtebauförderung braucht man gar nicht mehr viel zu sagen. Damit haben Sie ein ganz lustiges Spiel getrieben: rauf, runter, rauf, runter, bis das ganze Land die Übersicht verloren hat. Jetzt legen Sie ein bisschen was drauf und sagen: Wir haben doch die Mittel erhöht. - Tatsache ist, dass die Mittel für die Städtebauförderung, jedenfalls seit ich im Bundestag bin, insgesamt nur abgesenkt worden sind. Fast noch viel schlimmer ist, dass Sie den nichtinvestiven Teil vollkommen gestrichen haben, sodass es sich im Prinzip um eine reine Baumaßnahmenförderung handelt. Aber all das andere, was bei der Städtebauförderung wichtig war, haben Sie erfolgreich beerdigt. ({10}) Kommen wir nun zu dem sehr schönen Thema der Konversionsareale, also beispielsweise Kasernen für preiswerte Wohnungen für Studentinnen und Studenten zu nutzen. Das ist in der Tat - Herr Ramsauer und auch die Kanzlerin haben das jetzt gefordert - eine tolle Idee. Daran haben viele gedacht, auch Kommunalpolitiker. Nur, warum kümmern Sie sich eigentlich nicht darum, dass diese Areale auch für die Kommunen bezahlbar sind? ({11}) Es hat keinen Sinn, wenn Grundstücke zu Preisen verkauft werden, die sich nur noch Investoren leisten können, die alles mit Glas, Stahl und Beton vollstellen. ({12}) Wenn Sie preiswerte Studierendenwohnungen dort haben wollen, dann braucht man Grundstückspreise, die es den Kommunen und den Studentenwerken möglich machen, solche Grundstücke zu erwerben. Das Gegenteil aber passiert. Der Bund feilscht seit Monaten und Jahren mit verschiedenen Kommunen, um höchste Preise zu erzielen. Das hat zum Resultat, dass auf den Grundstücken nichts, aber auch gar nichts passiert. Hier müssen wir - das sage ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Bundestagsfraktion - auch Ihre Absichten noch ein bisschen nachschärfen. Wir müssen ernsthaft etwas tun, sonst wird nichts passieren. ({13}) Wir haben verschiedene Vorschläge unterbreitet: Absenken der Kappungsgrenze, Begrenzen der Wiedervermietungsmiete, Absenken der Modernisierungsumlage usw. Sie haben alles, aber auch wirklich alles blockiert. Im Übrigen haben wir darauf geachtet - das sage ich an die Adresse der Koalition -, dass unsere Vorschläge maßvoll sind, weil wir natürlich wissen, dass Übermaß und Übereifer in diesem Geschäft Investitionen abschrecken und dann das Gegenteil passiert, die Wohnungsverknappung eher noch zunimmt. Wir wandern also auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite muss es attraktiv sein, man muss noch Geld verdienen können, aber es muss auch eine Bremse geben, damit Mieterinnen und Mieter nicht überfordert werden. All das haben wir Ihnen in vielen Initiativen dargelegt. Sie haben alles in Bausch und Bogen komplett abgelehnt. ({14}) Es ist ganz interessant, dass Sie jetzt plötzlich Ihr Herz für die Mieterinnen und Mieter entdecken. Bei den Maklergebühren gibt es ein ähnliches Phänomen. Was haben wir Ihnen gesagt? Wir brauchen ein Bestellerprinzip. Es ist absurd, dass diese Kosten immer auf den Wohnungssuchenden übergewälzt werden können. Wer bestellt, bezahlt. ({15}) Das gilt im übrigen Leben. Das hat auch beim Mietrecht zu gelten. Sie haben alle unsere Vorschläge in Bausch und Bogen abgelehnt. Stattdessen kommen Sie mit einem Fossil der Wohnungspolitik, der Eigenheimzulage. Genau! Bauen wir noch ein paar Häuser auf der grünen Wiese, die in 20 Jahren niemand mehr braucht. Wir brauchen in den Städten eine Innenentwicklung, die preiswerten Wohnraum sicherstellt, und keine Eigenheimzulage. ({16}) All das Genannte wollen wir in eine komplett andere Wohnungspolitik überführen. Die brauchen wir. Die ist dringend notwendig. Ich setze darauf, dass wir gemeinsam mit der SPD eine andere Wohnungspolitik ab 22. September in diesem Land realisieren werden, sodass Wohnen kein Luxusgut mehr ist, sondern ein Recht für alle Menschen in unserem Land. Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung hat der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer das Wort. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erst am 28. Februar dieses Jahres über diesen gesamten Themenkomplex gesprochen. Heute gilt wie am 28. Februar: Nachdem ich mir sehr aufmerksam angehört habe, wie die Oppositionsfraktionen über Deutschland und Wohnen in Deutschland sprechen, habe ich den Eindruck, sie sprechen über ein ganz anderes Land, aber nicht über unseres. ({0}) Wohnen und Leben in Deutschland ist Premiumleben, ist Premiumwohnen. ({1}) Das bekomme ich von den vielen Gästen, die ich aus der ganzen Welt empfange, immer wieder bestätigt. Ich gehöre nicht zu denen, die unser Land schlechtreden wollen. Das tue ich nicht. Sie sollten es auch nicht tun. ({2}) Ich habe bei dieser Debatte am 28. Februar auch betont, dass die Bundesregierung bei dem Thema Wohnen sehr sensibilisiert ist; denn es ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Aber ich habe auch gesagt: Wir sollten bei dieser Debatte die parteipolitischen Unterschiede, ({3}) die es durchaus gibt, nicht dazu hernehmen, um in sachfremder Weise in ganz unterschiedliche Richtungen zu wirken. Bitte ziehen Sie mit der Bundesregierung an einem Strang, ({4}) wenn es darum geht, in den Überhitzungszonen unseres Landes, in den Problemgebieten Angebot und Nachfrage zu einem sozial gerechten Ausgleich zu bringen. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, Kollege Liebich würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen?

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Stefan Liebich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004093, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie sagen, dass Wohnen in Deutschland Premiumwohnen ist, würde mich interessieren, was Sie jenen Mieterinnen und Mietern antworten, die in den vergangenen Jahren, in den vergangenen Jahrzehnten, muss man sagen, ihre Wohnung aus finanziellen Gründen aufgeben und verlassen mussten, so wie es in einem Teil meines Wahlkreises, in Berlin-Prenzlauer Berg - Sie kennen den Bezirk ja sehr gut; es ist hier gleich in der Nähe -, nahezu der gesamten Bevölkerung ergangen ist; denn die Bevölkerung in Prenzlauer Berg ist in den letzten Jahren komplett ausgetauscht worden.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Das hatte auch andere Gründe, lieber Herr Kollege. Ich komme in einem weiteren Teil meiner Rede genau auf diese Frage zu sprechen und bitte Sie, mit einer Antwort im Laufe meiner Rede zufrieden zu sein. Die Themen „Wohngeld“ und „Kosten der Unterkunft“ werde ich selbstverständlich noch behandeln. ({0}) Ich möchte ganz ausdrücklich auch die vielen absurden Vorwürfe der Opposition zurückweisen. Das haben die Kollegen Peter Götz und Patrick Döring ja in sehr trefflicher Weise gerade ebenfalls getan. Wir sollten auch gegenseitig so fair sein, ein realistisches Bild der Wirklichkeit zu zeichnen und nicht ein völlig verzerrtes. Ich finde, dass uns Pauschalisierungen und massive Dramatisierungen nicht helfen; aber natürlich helfen auch Verharmlosungen nicht. ({1}) - Frau Künast, bitte etwas Geduld! ({2}) Tatsache ist, dass sich die Wohnungsmärkte in Deutschland sektoral und auch regional ausgesprochen unterschiedlich entwickeln. Die Ursachen für Wohnraumverknappungen und überproportionale Mietsteigerungen sind ebenso vielschichtig. Fest steht aber - ich möchte das noch einmal betonen -, dass wir in Deutschland einen hohen Versorgungsgrad haben und dass wir auch hohe qualitative Standards haben, an deren Verbesserung wir weiter arbeiten. Ein Beitrag dazu ist auch unsere hervorragend verlaufende Arbeit bei der energetischen Gebäudesanierung. ({3}) Ich möchte das, was hier gesagt worden ist, richtigstellen: Die Programme, die wir hier fahren, haben Hochkonjunktur. Von einer flächendeckenden Wohnungsknappheit kann also überhaupt keine Rede sein. ({4}) Wir hatten nach einer längeren Phase der Stagnation - das muss man so sehen; die Ursachen hierfür sind auch bekannt - seit 2010 wieder einen Aufwärtstrend. Zwei Stichworte sind schon genannt worden: die Abschaffung der degressiven AfA und die Abschaffung der Eigenheimzulage. Das waren Bestandteile der damaligen Koch/Steinbrück-Liste. Im Jahr 2006 wurden sie dann abgeschafft. Im ersten Jahr nach einer solchen Abschaffung gibt es keine Bremsspuren, im zweiten machen sich die ersten Folgen bemerkbar, und im dritten und vierten Jahr sieht man die Auswirkungen. Das heißt, im Jahr 2009 hatten wir einen Tiefststand bei Baugenehmigungen - es gab etwa 150 000 - zu verzeichnen. Wir waren einmal bei 300 000 bis 400 000 und darüber. Im Jahr 2011 haben wir Gott sei Dank wieder 228 000 Baugenehmigungen für Wohnungen gehabt. Das hat sich 2012 weiter fortgesetzt. Im ersten Quartal 2013 wurden im Vergleich zum Vorjahresquartal noch einmal 13 Prozent mehr Baugenehmigungen für Wohnungen ausgesprochen. Gemeinsames Ziel muss es also sein, diese positive Trendwende zu verstetigen. Dazu rufe ich alle Fraktionen dieses Hauses auf. Vorrangiges Ziel muss sein: Bauen, bauen und nochmals bauen. ({5}) Nicht strangulieren, sondern initiieren. Gegen Mangel hilft nur bauen. Jede zusätzliche Mietwohnung und auch jedes zusätzliche Eigenheim entspannt die Situation. Ich sage das ausdrücklich, weil ich diese Diskriminierung von Eigentum nicht mehr hören kann. ({6}) Eigentum stabilisiert unsere Gesellschaft, Eigentum an Wohnungen ist ein zentraler Bestandteil der Altersvorsorge. Eigentum ist eine Grundlage des Solidar- und des Sozialstaates. Denn nur wer Eigentum hat, kann Solidarität üben. Wenn niemand mehr Eigentum hat, haben wir nur eine Mangelverwaltung. Das kann wirklich niemand wollen. ({7}) Jede zusätzliche Eigentumswohnung und jedes zusätzliche Eigenheim entspannen die Situation. Deshalb sollten wir uns darauf konzentrieren, die Investitionstätigkeit insgesamt zu stärken. Das hat oberste Priorität.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, es gibt von der Kollegin Künast den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Ich komme auf alles noch zu sprechen. Ich kenne die Fragen von Frau Künast und kann sie auch selber stellen. Danke. ({0}) Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich nenne drei wichtige Aktionsbereiche: Erstens. Die Wiedereinführung der degressiven AfA; das ist schon angesprochen worden. Ich halte die Verbesserung einer degressiven Abschreibungsmöglichkeit für einen ganz wichtigen Impuls. ({1}) Denn durch diese steuerstundende Liquiditätshilfe werden Investitionsanreize gegeben. ({2}) Zweitens. Die Wiederbelebung der sozialen Wohnraumförderung; auch das ist bereits angeschnitten worden. Wir haben die gesetzliche Verantwortung im Rahmen der Föderalismusreform auf die Bundesländer übertragen. Frau Kollegin Wagner, Sie haben mir zugerufen, ich solle mich darum kümmern. Ich sage Ihnen ganz ehrlich - lassen Sie sich das auch von anderen berichten -: Es vergeht keine Landesbauministerkonferenz, in der wir nicht über dieses Thema intensiv gesprochen hätten. Ich kann und will mich überhaupt nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass es Ländersache ist und den Bundesbauminister nichts mehr angeht. Natürlich muss ich mich auch darum kümmern, nicht zuletzt deshalb, weil der Bund als Kompensation für die Übertragung dieser Zuständigkeit auf die Länder die berühmten 518 Millionen Euro gibt. ({3}) Die Verhandlungen laufen seit einiger Zeit. Da sie noch nicht zu einem Ergebnis geführt haben - schieben wir die möglichen Ursachen mal beiseite - und unklar ist, wie es nach 2013 weitergeht, schreiben wir in einem ersten Schritt die Mittel für 2014 schlicht und einfach fort. Wir werden nach der Wahl dafür sorgen, dass es für die Länder und für die soziale Wohnraumförderung gut weitergeht. Meine Position in dieser Frage ist hinreichend bekannt - ich habe das oft genug auch mit den Bauministern der Länder erörtert -: Ich plädiere für ein Entgegenkommen. Allerdings erwarte ich im Gegenzug, dass die Mittel, die der Bund den Ländern bereitstellt, zweckgebunden eingesetzt werden. ({4}) Das machen einige Länder ganz vorbildlich, beispielsweise Hamburg, Nordrhein-Westfalen und der Freistaat Bayern. Einige andere Länder - ich nenne sie jetzt nicht - haben da noch Verbesserungsspielraum. ({5}) Einige haben auch die Neubautätigkeit wieder aufgenommen und arbeiten nicht nur alte Dinge ab. Drittens. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld liegt im Bereich der sozial- und mietrechtlichen Flankierung. Hier nehmen wir unsere Verantwortung sehr wohl wahr. Ich lasse mir die Mietrechtsnovelle, die wir vor wenigen Monaten verabschiedet haben und die nun in Kraft ist, nicht schlechtreden. Wir haben den Ländern ein wichtiges Instrument in die Hand gegeben. ({6}) Wir haben in Problemzonen, also dort, wo die Mieten explodieren, einen Deckel eingeführt, sodass die Mieten innerhalb von drei Jahren nicht mehr um bis zu 20 Prozent, sondern nur noch um bis zu 15 Prozent erhöht werden können. Ich halte dies für richtig. Daneben stehen wir natürlich voll und ganz - das wäre wahrscheinlich die Zwischenfrage der Kollegin Künast gewesen - zum Wohngeld und zu den Kosten der Unterkunft. 16 Milliarden Euro fließen hier jährlich. Ich setze diese Summe einmal in Bezug zu etwas anderem, weil wir in diesem Kreis auch häufig über Verkehrsinfrastruktur reden: Die Mittel für den gesamten Straßenausbau und -neubau sowie für die Instandhaltung betragen gerade einmal etwas über 5 Milliarden Euro. Für die soziale Flankierung - für das Zahlen von Wohngeld und für die Übernahme der Kosten der Unterkunft - zahlen wir also das Dreifache der Summe, die wir in den Straßenbau investieren. Wer hier sagt, meine Damen und Herren, das sei schmählich zu wenig, der leugnet die Realität. ({7}) Gleichwohl sage ich klipp und klar: Wir haben im Bereich des Wohngeldes Reformbedarf; das werden wir nach der Bundestagswahl neu justieren müssen. Ich habe bereits im Februar einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Das kann nicht in einem laufenden Haushaltsjahr umgesetzt werden, aber wir werden uns darüber wieder unterhalten. Nun ein Wort zum Mietrecht, meine Damen und Herren.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Ramsauer, Frau Bluhm würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Ich verweise auf die Bemerkung des Kollegen Zöller. ({0}) Ich gehe ja gerade auf die drei Handlungsfelder ein und will nun zum Mietrecht kommen. Bei allem, was wir im Bereich des Mietrechts tun, meine Damen und Herren, sollten wir immer sehr genau prüfen, inwieweit sich Instrumente wie eine Mietpreisbremse auf den Wohnungsneubau auswirken. ({1}) Das ist ein ganz wichtiger Maßstab, an dem wir alles messen müssen. Alles, was wir in diesem Bereich tun, darf nicht den Wohnungsneubau abwürgen. Darauf hat die Bundeskanzlerin in aller Eindeutigkeit und Klarheit hingewiesen; das hat sie betont. Ich verwahre mich ausdrücklich gegen die vorhin von Ihnen, Herr Kollege Pronold, ausgesprochene Beleidigung, mit der Sie die Bundeskanzlerin als eine „Handtaschenräuberin“ bezeichnet haben. ({2}) Das ist sonst nicht Ihr Stil. Im Übrigen gibt es im Wirtschaftsstrafrecht bereits seit langem eine Bestimmung, die Mietwucher begrenzt: Bei Wiedervermietungen darf die Miete maximal 20 Prozent über der Miete für vergleichbaren Wohnraum liegen. Aber wir wissen auch, dass diese Bestimmung in der Praxis kaum Anwendung findet. Wir sind bereit, auch hier etwas zu tun. Das alles, meine Damen und Herren, sind wir den Mietern, den Eigentümern und nicht zuletzt den Investoren schuldig, deren Investitionen wir uns nur wünschen können; denn je mehr gebaut wird, desto weniger Nöte werden wir haben. ({3}) Am Ende, lieber Peter Götz, auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön, das ich, ohne anmaßend zu sein, im Namen aller Bundesregierungen, unter denen du dich diesem Thema zugewandt hast, aussprechen darf. Du bist seit 23 Jahren im Parlament. Ich habe dich immer als das baupolitische Gewissen dieses Parlaments und als das kommunalpolitische Gewissen unserer Fraktion wahrgenommen. Du bist sozusagen die Personifizierung dessen, was wir immer als Politik aus einem Guss bezeichnen, für die Kommunen, für die Länder, für den Bund. Dafür Respekt und Anerkennung und ein herzliches Dankeschön. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Heidrun Bluhm hat das Wort zu einer Kurzintervention. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister Ramsauer, da Sie meinten, dass Sie meine Frage, die Sie nicht kennen können, mit Ihrer Rede schon beantwortet haben, muss ich jetzt zu diesem parlamentarischen Instrument greifen, ({0}) um Ihnen deutlich zu machen, dass Sie genau das nicht getan haben. Wenn die Kanzlerin, Frau Merkel, eine Mietpreisbremse und ähnliche Dinge in die politische Debatte einführt, gehe ich davon aus, dass sie das gemeinsam mit ihrem Fachminister, der sie berät, erarbeitet hat. ({1}) Weder Herr Götz noch Herr Döring, die der Regierungskoalition angehören, noch Sie haben in irgendeiner Weise die jetzt von Frau Merkel in die Diskussion eingeführte Mietpreisbremse erwähnt. ({2}) Glauben Sie nicht, dass es an dieser Stelle wichtig und notwendig gewesen wäre, diesen Punkt den Mieterinnen und Mietern zu erläutern, die sich Verlässlichkeit wünschen und wissen wollen, ob Sie das, was Sie im Wahlkampf versprechen, wirklich ernst meinen und umsetzen wollen? ({3}) Ich hätte von Ihnen als Fachminister erwartet, dass Sie nicht nur über Straßenbau und Ähnliches diskutieren, sondern dass Sie auch die Ideen der Kanzlerin aufgreifen, erläutern und damit den Mieterinnen und Mietern Sicherheit für die Zukunft geben. Danke schön. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, zur Antwort. Bitte schön. ({0})

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Frau Kollegin Bluhm, ich habe einige Minuten in meiner Rede zum Themenkomplex Mietpreisbremse gesprochen, und zwar unter Verwendung dieses Begriffs. ({0}) Ihre Behauptung, dass ich das Thema nicht behandelt hätte, verstehe ich nicht; denn das trifft nicht zu. Sie sind Geschäftsfrau und auf diesem Sektor tätig. Sie selber sind Vermieterin mehrerer Objekte und haben daher viel Ahnung von der Praxis. ({1}) Sie lächeln jetzt. Tun Sie doch nicht so, als wüssten Sie nicht, wie welche Maßnahme wirkt. Tun Sie nicht so, als hätten Sie die Bundeskanzlerin nicht verstanden, die klipp und klar gesagt hat - ich will es einmal so ausdrücken -: Wir brauchen mehr Wohnraum. Alles, was diesem Ziel dient, ist zu veranlassen, alles, was dem entgegensteht, ist zu unterlassen, und zwar bei gleichzeitiger sozial- und mietrechtlicher Flankierung. Die Bundeskanzlerin hat völlig recht, wenn sie sagt: Dort, wo wir Überhitzungen zu verzeichnen haben, müssen wir diese Überhitzungen angehen und bekämpfen. ({2}) Sie hat Vorschläge dazu gemacht. Aber es muss klar sein: Die Mittel, die wir einsetzen, dürfen nicht dazu führen, dass der Neubau sozusagen stranguliert wird; ({3}) denn damit würden wir das einreißen, was wir uns an anderer Stelle mühsam erstritten und erarbeitet haben. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich das Wort Renate Künast.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie ahnen, was ich fragen will; deshalb dürfte Ihnen die Replik leichtfallen. Sie haben gerade selber gesagt, dass Sie viele Minuten über das Thema Mietpreis, MietpreisRenate Künast bremse usw. gesprochen haben. Aber ehrlich gesagt: Das waren nur Worte, Inhalt gab es keinen. ({0}) Sie sagen: Neubau, Neubau, Neubau! - Aber auch am Ende Ihrer Rede ist immer noch unklar, wie die Mietpreisbremse bei der Vermietung von Neubauwohnungen genau gestaltet werden soll. Wie soll die Miete für eine Neubauwohnung im Vergleich zur ortsüblichen Miete gedeckelt werden? Ab welchem Betrag soll die Bremse greifen, damit Ihr Motto: „Neubau, Neubau, Neubau“ nicht zu einer über Jahre stattfindenden Verteuerung und Anhebung der ortsüblichen Miete führt? Die Antwort auf diese Frage sind Sie schuldig geblieben. ({1}) Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Frau Merkel einen Vorstoß gemacht hat, den Herr Schäuble nachher wieder zurücknahm. ({2}) Sie müssen uns irgendwann einmal sagen, was Sie eigentlich wollen, und können uns nicht nur auf nachfolgende Zeiten vertrösten. Die Mieterinnen und Mieter haben ein Recht, beurteilen zu können, was Ihr Programm tatsächlich beinhaltet. ({3}) - Die Mieter und die Vermieter auch. Aber noch ist in Deutschland kein Vermieter verhungert. Mieter hingegen können ihre Miete manchmal nicht mehr zahlen. Die soziale Verantwortung hat einer - als Minister sowieso -, dessen Partei das „S“ für „sozial“ im Namen trägt. Es herrscht also immer noch Unklarheit, wie die Bremse eigentlich gestaltet werden soll, Herr Ramsauer. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Minister, bitte zur Antwort.

Dr. Peter Ramsauer (Minister:in)

Politiker ID: 11001772

Frau Kollegin Künast, ich fürchte: Wer nichts zur Kenntnis nehmen will, widersteht auch jedem Erklärungsversuch. ({0}) Deshalb habe ich Probleme mit Ihnen. ({1}) Frau Künast, Angebot und Nachfrage regeln auch Mietpreise. Deswegen ist Ihre Politik, die - wie ich aus Ihren Worten heraushöre und aus den Programmen Ihrer Partei herauslese - vor allen Dingen von Verboten geprägt ist, investitionsfeindlich. Angesichts investitionsfeindlicher Politik braucht man sich nicht zu wundern, wenn nicht in den Wohnungsbau investiert wird. Wenn ich jemanden, der in Wohnungen und Immobilien investieren will, von vornherein mit investitionsfeindlichen Restriktionen überziehe und ihm drohe, statt Anreize zu geben, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn nicht gebaut wird. Gott sei Dank haben wir in Deutschland seit drei Jahren wieder einen anderen Trend. Es gibt eine steigende Zahl von Baugenehmigungen. Bis zur Wohnungsfertigstellung vergehen dann noch ein bis zwei Jahre. Deswegen war es auch nicht schädlich, sondern richtig, dass wir den Ländern - Stichwort „Subsidiarität“ bei der letzten Mietrechtsnovelle flankierend die Möglichkeit gegeben haben, diese Mietpreisbremse einzuführen. Wir sind auch bereit, den Straftatbestand im Wirtschaftsstrafrecht, über den ich gesprochen habe, zu präzisieren, damit diese Norm in der Praxis auch Anwendung finden kann. Es wurde schon die Grenze von 20 Prozent genannt. Daran können wir arbeiten. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat das Wort für die SPD-Fraktion der Kollege Michael Groß. ({0})

Michael Groß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004045, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin regelrecht dankbar für die Nachfragen, weil dadurch noch einmal deutlich wurde, dass es den Strang, an dem wir alle gemeinsam ziehen sollten, gar nicht gibt. Wir wüssten auch gar nicht, in welche Richtung wir gemeinsam ziehen sollten. Festzustellen ist, dass wir, seitdem Sie Minister sind, Herr Ramsauer, weniger Neubauaktivitäten als in den vier Jahren zuvor haben. Wenn man sich Ihre Leistungsbilanz ansieht, dann ist außer Runden Tischen und angekündigten Eigenheimzulagen nichts zu erkennen. Es ist weiterhin so, dass viele Menschen in den Städten dieser Republik Angst haben, dass sie ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. ({0}) Sie haben von Rechtssicherheit und Investitionssicherheit gesprochen. Was haben wir denn darunter zu verstehen, wenn Sie ein Mietrecht erlassen - es ist im Mai in Kraft getreten - und Ihre Bundeskanzlerin ein paar Wochen später auf einmal das Thema Mietpreissenkung entdeckt? Selbst diejenigen, die sich bisher auf Sie haben verlassen können oder meinten, sich auf Sie verlassen zu können, sind in den letzten Tagen ein wenig verunsichert. Das kann man auch sehr gut nachvollziehen. Angesichts Ihrer jetzigen Aussagen und auch der Aussagen aus der Regierungskoalition in den letzten Wochen könnten die Leute in Deutschland den Eindruck haben: Es gibt keine Probleme. All diejenigen, die Wohngeld beantragen müssen, weil sie ein zu geringes Einkommen haben, können sich beruhigt zurücklehnen und müssen sich keine Sorgen machen, was ihre Daseinsvorsorge betrifft. Sie befinden sich zurzeit in der Situation, erklären zu müssen, warum es da ein Hin und Her gibt. Ich habe gerade gelesen, dass einige Mitglieder der CDU von der Kanzlerin einen Sonderparteitag erwarten bzw. verlangen, weil sie sich übergangen fühlen. Natürlich kann ich mir sehr gut vorstellen, warum Sie Probleme mit der „Sozialen Stadt“ haben; denn dabei geht es darum, die Menschen zu beteiligen und die Dinge letztendlich von unten nach oben zu entwickeln. Die Faktenlage ist eindeutig. Schon heute fehlen in den Ballungsgebieten bzw. in den Universitätsstädten 250 000 Wohnungen. Der Mieterbund spricht von Wohnungsnot. Schon jetzt liegen in einigen Großstädten die Leerstandsquoten bei unter 1 Prozent. Das heißt, dass sich angesichts der steigenden Nachfrage in diesen Städten die Situation für Mieterinnen und Mieter weiter verschärfen wird. Zusätzlich steigt die Anzahl der Haushalte. Sie selber gehen davon aus, dass die Anzahl der Haushalte auf über 41 Millionen steigen wird. Das wäre innerhalb weniger Jahre eine Zunahme um 3 Millionen. Sie haben und geben darauf - wir haben es gerade erlebt - keine konkrete Antwort. Die Mieter haben Sie nicht im Blick. Sie haben zugelassen, dass in einigen Regionen bei Wiedervermietungen zurzeit Mieterhöhungen von über 30 Prozent möglich sind. Das ist für normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht tragbar. Sie wissen auch, dass zurzeit eine Situation besteht, in der sich Familien und Alleinerziehende, die eine Wohnung suchen, so vorkommen, als würden sie ausgegrenzt. Sie kommen für die Vermieter als Mieter gar nicht infrage. Neben dem Geld spielen dabei auch noch der soziale Status oder der Familienstand eine Rolle. Wir brauchen ein Bündnis für bezahlbares Wohnen, und wir müssen alle beteiligen. An dieser Stelle will ich ausdrücklich allen Investoren und Eigentümern danken, aber auch den Genossenschaften und den kommunalen Wohnungsunternehmen, die sich am Wohnungsmarkt im Interesse der Mieterinnen und Mieter engagieren; denn sie müssen letztlich die sinnvolle Wohnungsbaupolitik, die wir fordern, umsetzen. ({1}) Unser Ziel ist ein breit angelegtes Maßnahmenbündel für den Wohnungsbau: energetische Sanierung und familien- und altersgerechter Umbau von Häusern. Das alles muss eingebettet sein in eine Politik der „Sozialen Stadt“. Ich bekenne mich hier zu diesem Programm. Herr Döring hat gerade gesagt, die SPD habe ein quasi religiöses Verhältnis zum Programm „Soziale Stadt“. Ja, es war eines der wichtigsten Programme, und es ist es immer noch, auch mit Blick auf die Zukunft. Das hat damit zu tun, dass wir die Menschen unterstützen müssen, damit sie in ihren Wohnquartieren vernünftig leben können. Es geht um Zusammenhalt, gute Nachbarschaft und darum, dass die Kinder eine Zukunft haben. Es ist notwendig, für dieses Programm wesentlich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wir dürfen die Mittel nicht dauernd kürzen, weil die Städte sonst letztendlich nicht mehr handlungsfähig sind. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition und lieber Herr Ramsauer, hören Sie auf mit nebulösen Versprechen! Sorgen Sie für Planbarkeit und Investitionssicherheit! Familien brauchen das, um entscheiden zu können, wo sie leben, mieten oder bauen wollen. Herzlichen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Petra Müller jetzt das Wort. ({0})

Petra Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004115, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist dynamisch. Ich glaube, darüber besteht in diesem Hohen Hause Einigkeit. Das war es dann aber auch schon mit der Einigkeit. Diese Dynamik, die wir feststellen können, verdankt der deutsche Wohnungsmarkt der kontinuierlichen Politik der schwarz-gelben Koalition in den letzten vier Jahren. ({0}) - Jawohl, das ist so. ({1}) Wir haben ein positives Investitionsklima erst möglich gemacht. Die Eigentümerquote ist stetig angestiegen. Sie liegt bei 46 Prozent. Das ist ein gutes Signal. Jawohl! Der Wohnungsneubau in Deutschland zieht an. Wir hatten in 2012 7,4 Prozent mehr Baugenehmigungen. Auch das ist ein gutes Signal. ({2}) Das ist ein gutes Signal für Mieter, für Vermieter, für Investoren und für die Immobilienwirtschaft. Petra Müller ({3}) Auf dem Wohnungsmarkt findet ein Umbruch statt; das ist richtig. Ballungsräume stehen massiv unter Druck. Universitätsstädte und Großstädte platzen aus allen Nähten. Das nehmen wir natürlich zur Kenntnis. Die beste Garantie für niedrige Mieten ist ein breites Wohnungsangebot für die Mieter. Ich zitiere den Minister: bauen, bauen, bauen. ({4}) Eine Mietpreisbremse bzw. ein stärkeres Anziehen der Mietpreisbremse - das ist Ihre Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen - ist kein Mittel gegen steigende Mieten. Das ist kurzsichtig. Ich sage Ihnen heute: Sie produzieren eine Wohnungsnot in den nächsten Jahren. Schauen Sie nach Schweden; die haben uns das vorgemacht. Man sollte aus den Fehlern der anderen lernen. Größere Sanierungen im Wohnungsbestand wären dann geradezu unmöglich. Wer bisher mit einer Vergleichsmiete von 6 Euro pro Quadratmeter gerechnet hat, muss heute bei gestiegenen Baukosten mit 8 Euro rechnen. Wenn es zu einer Kappung kommt, wenn es zu einer Begrenzung der Mieterhöhung auf 10 Prozent kommt, dann landen wir bei 6,60 Euro. Da ist dann Schluss. Welcher private Bauherr soll dann noch investieren? ({5}) Wie soll er damit sein Auskommen im Alter sichern? Kein Bauherr würde Ihre Politik überleben. Sie vergiften damit das Investitionsklima in Deutschland. Das darf ich Ihnen hier sagen. ({6}) Die Lösung ist doch, den Wohnungsbau zu fördern, und nicht, ihn zu verhindern - ganz einfach. Deshalb gibt es ganz klare Forderungen: Erstens an die Kommunen: mehr Bauland ausweisen, Nachverdichtungen möglich machen; bauen, bauen, bauen. Denn nur durch mehr Wohnraum kann der Druck vom Wohnungsmarkt genommen werden. Zweitens. Unsere Aufgabe für die nächste Legislaturperiode ist, die Bauprozesse zu beschleunigen. Bei den Großprojekten haben wir das schon erfolgreich getan, bei den kleinen müssen wir das jetzt auch machen. Das wird der Mittelpunkt liberaler Politik in der Zukunft sein. ({7}) Drittens. Die Grunderwerbsteuer muss sinken. Dies ist eine berechtigte Forderung von uns an die Bundesländer; aber nein, sie wird erhöht, und die Grundstücke werden teurer. Allen voran geht das SPD-geführte Schleswig-Holstein mit 6,5 Prozent. Damit machen Sie den Wohnungsbau kaputt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Last, but not least: Wohnungsbau und Klimapolitik gehören zusammen. Konvergenz - und nicht Konkurrenz - ist hier das Stichwort. Die Mittel für die Wohnraumförderung - 518 Millionen Euro seitens des Bundes - müssen zweckgebunden werden. Dadurch wäre auch das Land Berlin, in dem der größte Wohnungsmangel herrscht, verpflichtet, Sozialwohnungen zu bauen. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Herlitzius zulassen?

Petra Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004115, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. ({0}) 250 000 neue Wohnungen im Jahr - das ist die Marke, die wir erreichen wollten. Sie ist in Sicht, sie ist fast erreicht. Wir Liberale wollen diesen positiven Trend weiter fördern. Mietpreisbremse stoppt Entwicklung. Dies wird bereits durch das Wort Bremse ausgedrückt; das kann man sich so vielleicht ganz gut merken. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Gero Storjohann. ({0})

Gero Storjohann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003643, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 80 Prozent der deutschen Bevölkerung leben in Gebieten mit sehr wohl ausgeglichenen Wohnverhältnissen, und 20 Prozent der Bevölkerung wohnen in größeren Städten. Insbesondere dort kommt es in den begehrten Lagen in den Zentren zu Engpässen bei günstigem Wohnraum. Das ist hier schon mehrfach festgestellt worden und auch nichts Neues. Wir haben auch festgestellt, dass hier eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen besteht. Wir wissen auch, dass die Verantwortung besonders bei den Ländern und den Kommunen liegt und dass der Bund seine Rolle hierbei abgegeben hat, aber dennoch zu seiner Verantwortung steht. Besonders in den SPD-regierten Ländern wollen wir einfordern, dass mehr Bauland ausgewiesen wird, gerade auch in den Innenstadtlagen, und dass dort Verdichtungen erfolgen können. ({0}) Auch die Genehmigungsverfahren zum Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohnhäusern müssen beschleunigt werden. ({1}) Nicht nur im Bereich des regulären Wohnungsbaus - die Zahlen steigen -, sondern auch im sozialen Wohnungsbau macht diese Bundesregierung mit Minister Peter Ramsauer einen guten Job. Das kann man nicht von allen Landesregierungen sagen. Einige Landesregierungen haben hier nachzubessern. Damit meine ich nicht meine Landesregierung in Schleswig-Holstein. Sie hat beim sozialen Wohnungsbau immer ihren Job gemacht und ist ein Vorbild. Einige Länder haben dies jetzt kapiert und werden entsprechend nacharbeiten. Das Ziel, dass Kommunen, Länder und Bund verstärkt tätig werden und ihre Verantwortung wahrnehmen, sollte uns alle einen; denn Wohnungspolitik ist nicht Parteipolitik, sondern sie dient der Grundversorgung, zu der wir alle gemeinsam stehen müssen. ({2}) Wir stehen dazu. Es gibt unterschiedliche Zahlen. Die Zahlen, die mir vorliegen, besagen, dass jedes Jahr 17 Milliarden Euro für Wohnen, für die Kosten der Unterkunft und Wohngeld ausgegeben werden. Das ist ein Batzen Geld; das ist politisch so gewollt. Seit der Föderalismusreform 2007 hat der Bund den Ländern jährlich 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung an die Hand gegeben. Eigentlich haben wir das im guten Glauben gemacht. Wir sind davon ausgegangen, dass die Länder dieses Geld selbstverständlich für die Wohnraumförderung einsetzen und nicht für das Abzahlen von Altverträgen nutzen. Dies muss man nicht unbedingt gesetzlich festlegen; denn das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. ({3}) Alle, die Verantwortung tragen, können ihre Länder an diese Selbstverständlichkeit erinnern. ({4}) Mit dem neuen Mietrecht ab 1. Mai dieses Jahres haben wir ein wirksames Instrument geschaffen, welches den Ländern die Möglichkeit gibt, den Anstieg der Mieten vor Ort bremsen zu können. Die Länder haben nun die Möglichkeit, mit einer Kappungsgrenze von 15 Prozent auf diesem Markt zu wirken. Sie müssen natürlich einen entsprechenden Beschluss herbeiführen. Es ist unser Wunsch, dass sie genau definieren, welche Gebiete besonders belastet sind und welche Gebiete mit einer Kappungsgrenze von 15 Prozent versehen werden. Dann ist es auch die Aufgabe der Länder, in diesen Gebieten besonders zu fördern und dort für eine Marktberuhigung zu sorgen. Nur zu kappen und nichts weiter zu tun, das kann nicht die Lösung sei. ({5}) Die Länder sind ebenfalls am Zug, wenn es darum geht, das Bauen für Investoren attraktiver zu machen. Dazu trägt die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht bei. Ich verstehe das natürlich, weil die Grunderwerbsteuer reines Landesgeld ist. Aber eine 6,5-prozentige Grunderwerbsteuer ist ein Programm zur Verhinderung von Neubau und kein Programm zur Beschleunigung von Neubau. Auch das muss ganz deutlich gesagt werden. In Deutschland hat niemand mehr Wohnungen privatisiert als SPD, Grüne und Linke zusammen. ({6}) Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier, der ja gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt sprechen wird, zeichnete als Chef des Kanzleramtes mit dafür verantwortlich, dass 200 000 Eisenbahnerwohnungen des Bundes privatisiert wurden. Der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück war als Finanzminister dafür verantwortlich, dass 86 000 Wohnungen der BfA privatisiert wurden. Ein rot-grüner Senat hat in Berlin vor ein paar Jahren die GSW veräußert; es handelte sich dabei um die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die es in Berlin gab. ({7}) - Rot-Rot? Meinetwegen; noch schlimmer. Aber angesichts dessen, was Sie immer so sagen, habe ich fast den Eindruck, dass auch Sie da immer zugestimmt haben. ({8}) In Baden-Württemberg hat die grün-rote Landesregierung - die grün-rote Landesregierung, Frau Künast - erst vor kurzem 22 000 Wohnungen der Landesbank BadenWürttemberg veräußert. Stehen Sie denn wenigstens dazu? ({9}) Ihre Äußerungen sind nicht immer unbedingt stringent, wenn es um Argumente geht. Jetzt zur berühmten Mietpreisdeckelung. 60 Prozent der Vermieter in Deutschland sind private Vermieter, auch Kleinvermieter, ({10}) und 40 Prozent sind Profis. Bei den Profis mache ich mir überhaupt keine Sorgen; sie passen auf, dass die Mieten auch in Anbetracht der Inflation regelmäßig angepasst werden. Bei den privaten Vermietern ist das anders. Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihren Mietern, und sie trauen sich nicht immer, ein solches Gespräch zu führen. Von privaten Vermietern wird die Miete in der Regel dann angepasst, wenn es einen Mieterwechsel gibt. Vor diesem Hintergrund müssen wir sehr wohl aufpassen, dass wir keine falschen Regelungen einführen, die dann dafür sorgen würden, dass auch private Vermieter gezwungenermaßen Mietpreissteigerungen durchsetzen. Das ist also ein kompliziertes Thema, bei dem es keine einfachen Lösungen gibt. Was die Menschen insgesamt bewerten, ist die Bruttomiete. Sie ist in Deutschland insgesamt gestiegen, auch infolge vieler politischer Entscheidungen im Hinblick auf die Nebenkosten; es ist der Strom, es ist die Heizung, es sind die Grundsteuern. Das alles hat sich in der letzten Zeit sehr stark verteuert, während die Nettomiete ziemlich stabil geblieben und in geringerem Maße als die Inflationsrate gestiegen ist. ({11}) In Deutschland insgesamt sind die Nettokaltmieten in den vergangenen 20 Jahren um 9,4 Prozent von 5,04 Euro pro Quadratmeter auf 5,51 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Inflationsbereinigt bedeutet das, dass wir heute für das Wohnen weniger bezahlen als 1992. Die Inflation ist im gleichen Zeitraum um 40 Prozent gestiegen. Damit liegen die realen Mieten unter dem Niveau von vor 20 Jahren. Das ist die Realität. Dennoch verkenne ich nicht, dass wir in manchen Innenstadtlagen extrem große Probleme haben. Es gibt auch Probleme mit schwarzen Schafen. Diesen schwarzen Schafen möchten wir als Union gerne das Handwerk legen. ({12}) Deswegen finde ich es richtig, dass wir eine starke Kanzlerin haben, die die Probleme, die sie erkennt, auch aufgreift. ({13}) - Die Begeisterung steigt, weil die Kanzlerin gerade den Saal betreten hat und jetzt auf der Regierungsbank Platz nimmt. Das Problem in den Innenstadtlagen werden wir anpacken, aber so, dass es kein Abwürgen gibt, sondern dass die Investoren weiterhin mit Zuversicht in den Wohnungsbau investieren können. Die Anhörung gestern im Ausschuss hat ja auch ergeben: Eine Beschränkung bezüglich der Mieten kann nur eine Lösung für drei Jahre sein, sie darf nicht für immer gelten. Für einen gewissen Zeitraum können wir als Union diesen Weg mitgehen. Wir werden jetzt verantwortungsvoll ausarbeiten, wie das genau gemacht werden kann. Zum Schluss: Der Hauptpunkt, der die ganze Wohnungswirtschaft umtreibt, sind die Vorstellungen bzw. Forderungen der Grünen im Hinblick auf eine Vermögensteuer. ({14}) Die Grünen fordern eine Vermögensteuer, ohne zu ahnen, was das für Auswirkungen auf die Investoren hat. Im Wohnungsbestand ist diese Position fatal: Das Betriebsvermögen der Wohnungsunternehmen besteht zu 90 Prozent aus Grundbesitz. Wir sprechen in diesem Bereich nicht etwa von Renditen zwischen 10 und 15 Prozent, sondern von Renditen zwischen 2 und 4 Prozent. ({15}) Wenn dann auch noch mit einer Vermögensteuer eingegriffen wird, wird das Neubau eher verhindern und zu einer nochmaligen Steigerung der Mieten führen; denn das alles muss - Sie wissen ganz genau, wie das geht, Frau Wagner - natürlich auf die Betriebskostenabrechnung umgelegt werden. ({16}) Meine Damen und Herren, die Union steht für eine gut aufgestellte Wohnungsbaupolitik. Davon profitieren alle: die Vermieter und die Mieter. Wir werden den Antrag der Linken zum bedarfsgerechten Wohnen heute an den Ausschuss überweisen. Bei den anderen Anträgen folgen wir der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Herzlichen Dank. ({17})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Kumpf für die SPD-Fraktion. ({0})

Ute Kumpf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003166, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Ramsauer, wir haben auch Probleme mit Ihnen. ({0}) Es ist nicht so, dass wir hier die Situation schlechtreden. Der Kollege Kauder betont immer wieder, dass Politik damit beginnt, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Unser Eindruck ist, dass Sie die Wirklichkeit nicht wahrnehmen, dass Sie sie ausblenden. Sie reden Ihre Bilanz schön. ({1}) Sie wollen nicht wahrnehmen - dabei wird die Zahl immer wieder betont -, dass zurzeit 250 000 bezahlbare Wohnungen fehlen ({2}) und dass, wenn die derzeitige Politik fortgesetzt wird, 2025 1 Million Wohnungen fehlen werden. ({3}) Sie wollen auch nicht wahrnehmen, dass die Mieten in nicht wenigen Ballungszentren - nicht nur in Überhitzungsregionen - exorbitant steigen, dass Verdrängungsprozesse ablaufen, dass sich die Segregation beschleunigt. Was Sie auch nicht wahrnehmen wollen, ist der Protest der Mieter und Mieterinnen, die sich nicht nur gegen die erhöhten Mieten, sondern auch gegen das von der Koalition veränderte Mietrecht wenden und nicht nur in Berlin, sondern auch an anderen Orten auf die Straße gehen. Sie wollen auch nicht wahrnehmen, dass die steigenden Energiekosten gerade Haushalte mit kleinem Einkommen an die Armutsgrenze treiben. Wer ein Drittel seines Einkommens für Wohnen und für Energie verwenden muss - bei kleinen Haushalten sind es sogar 50 Prozent -, muss an anderer Stelle sparen: an Kultur, an Bildung, an Freizeit. Das ist unsozial. ({4}) Die Kanzlerin ist eine kluge Frau. Sie ist jetzt gerade irgendwo hier im Saal unterwegs; wahrscheinlich wirbt sie für ihre Mietpreisbremse. ({5}) Sie hat die Notbremse gezogen und schließt sich jetzt unserer Forderung an, eine solche Mietpreisbremse einzuführen - eine kluge Entscheidung, eine richtige Entscheidung. ({6}) Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben heute die Möglichkeit, Ihrer Kanzlerin schon jetzt zu folgen: indem Sie unseren Anträgen zustimmen. Sie müssen nicht Ihren Parteitag abwarten, Sie können sich hier einen Ruck geben und eine Kehrtwende einlegen. Unterstützen Sie einfach unsere Anträge! ({7}) - Genau, das ist ein guter Vorschlag. Wir wollen nämlich eine Rückkehr zu einem sozial ausgewogenen Mietrecht. Wir wollen, dass die Energiewende und die energetische Sanierung sozial gerecht gestaltet werden. Wir wollen, dass die Maklergebühren neu geregelt werden: Wer bestellt, der bezahlt. Ein soziales Mietrecht ist die eine Seite. Dass neue Wohnungen gebraucht werden, ist die andere Seite. Da sind wir uns auch einig, glaube ich. Dafür müssen Sie aber die entsprechenden Instrumente in die Hand nehmen. Deswegen sind wir dafür, dass die Länder bis 2019 entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt bekommen - und nicht nur bis 2015; das greift viel zu kurz. Diese Mittel müssen die Länder dann tatsächlich für den Wohnungsbau verwenden und nicht für das Stopfen der Haushaltslöcher. Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein Wort zur Städtebauförderung. Die Stadt- und Quartiersentwicklung ist eine entscheidende Zukunftsaufgabe, aus der sich die schwarz-gelbe Bundesregierung seit drei Jahren zurückgezogen hat. ({8}) Für die Städtebauförderung werden seitens des Bundes im Haushalt 2013 nur 455 Millionen Euro in die Hand genommen. Das sind 20 Prozent weniger als 2009, Frau Müller. Herr Ramsauer hat wohl das kleine Einmaleins verlernt. Oder ist das etwa das bayerische Einmaleins: Eine Verringerung soll auf einmal eine Verstetigung oder Konsolidierung sein? Sie haben in dieser Legislaturperiode beim Programm „Soziale Stadt“ den Rückwärtsgang eingelegt. Wir von der SPD - Sie könnten uns folgen - wollen hier wieder Gas geben und mehr Mittel einstellen, nämlich 700 Millionen Euro, damit die Menschen mitentscheiden, mitgestalten und Anteil an der Zukunftsgestaltung ihrer Städte und Stadtteile nehmen können; denn die Menschen sind die Seele unserer Städte und Gemeinden. Wir wollen gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen, den Mieter- und Sozialverbänden, der Bau- und Wohnungswirtschaft, den Wohnungsgenossenschaften und den Gewerkschaften ein Bündnis für bezahlbares Wohnen und eine sozial gerechte Stadt schließen. Schließen Sie sich uns an. Heute ist noch Zeit dazu. Wir sind den Menschen gegenüber dazu verpflichtet. Herzlichen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Sebastian Körber. ({0})

Sebastian Körber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004078, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns in dieser Debatte wieder den Zahlen und Fakten zuwenden. Schauen wir uns einmal die aktuellen Zensusergebnisse an. Ich empfehle das besonders der Kollegin Künast und dem Kollegen Pronold; Frau Kumpf, ein Blick darauf würde auch Ihnen sicher nicht schaden. ({0}) Sie kaprizieren sich hier immer auf die Mietmärkte in Deutschland. Schauen wir uns einfach einmal an, welche Leerstände bei uns in Bayern - lieber Kollege Pronold, ich spreche Sie da besonders an - teilweise herrschen. Bei mir zu Hause in Oberfranken haben wir eine Leerstandsquote von etwa 5,4 Prozent. In den östlichen Teilen Deutschlands liegt sie teilweise bei 10 Prozent. Es ist doch augenscheinlich, dass man in Ballungsräumen, in denen die Leerstandsquote ganz minimal ist, wenn wir sie dort überhaupt noch vorfinden, neue Wohnungen bauen muss; denn zusätzlichen Wohnraum kann man dort ausschließlich in Form von Neubau schaffen. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass es sich auch lohnt und rechnet, Neubau in den Ballungsräumen in Deutschland zu betreiben. ({1}) Es ist klar, das wir Anreize setzen müssen, um die Investitionen dort zu erhöhen, etwa durch eine degressive AfA. ({2}) Schauen Sie sich die Zahlen des Zensus an - ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung -: 60 Prozent der Mietwohnungen werden von privaten Vermietern vermietet. Dazu gehören auch Eigentumswohnungen, Frau Kollegin Wagner. Eigentumswohnungen werden von den Menschen nicht nur selbst genutzt, sondern auch vermietet, weil jemand beispielsweise seine Altersvorsorge dadurch absichert. ({3}) Das dürfen wir nicht vergessen. Sie tun immer so, als ob in Deutschland eine ganz andere Welt herrscht. Wir haben als schwarz-gelbe Regierungskoalition schon sehr viele positive Punkte umgesetzt. Das hören Sie nicht so gerne; ich weiß. Dabei wissen Sie, dass das wirklich gut ist. Schauen Sie sich nur einmal die Planungsrechtsnovelle an, mit der wir den Kommunen gezielt Erleichterungen einräumen, sodass dort etwa Umnutzungen erfolgen können. Das ist zum Beispiel bei Konversionsflächen, bei alter Bausubstanz ganz wichtig, weil diese dann einfacher umgenutzt werden können. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hier können wir die Kommunen nicht aus der Verantwortung entlassen. Das Baurecht in Deutschland sieht nun einmal so aus, dass die Kommune die Planungshoheit hat. ({4}) Das hören Sie natürlich auch nicht gerne; denn die größten Städte werden von der SPD regiert - allen voran München, lieber Florian Pronold. Dort werden übrigens die Ziele, die der Münchner Oberbürgermeister sich selbst gesetzt hat, bei weitem nicht erfüllt. ({5}) Wir haben auch mit dem Mietrechtsänderungsgesetz die richtigen Anreize gesetzt, damit es sich etwa lohnt, energetisch zu sanieren. Frau Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat, wie ich finde, ein sehr gutes Gesetz vorgelegt, das dazu beiträgt, dass wieder gezielt Anreize gesetzt werden. Ihre Vermögensteuerpläne würden dazu führen, dass es sich bald für niemanden mehr lohnt und es für niemanden einen Anreiz gibt, ein Haus zu bauen oder zu kaufen und zu sanieren. Da können wir Sie nicht herauslassen, und das werden wir auch nicht. Wenn ich mir jetzt Ihre Pläne von der sogenannten Mietpreisbremse anschaue, dann frage ich mich, was Sie da eigentlich machen wollen. Sie wollen regulativ eingreifen, sodass bald bestimmte Mieten vorgegeben werden. Das wollen Sie damit doch im Prinzip erreichen. ({6}) Das werden wir ganz klar ablehnen, weil dann überhaupt kein Anreiz mehr bestehen würde, Neubau zu betreiben. Diese Anreize würden zurückgesetzt. ({7}) - Ich habe Ihnen zugehört, Herr Pronold. Sie dürfen sich da nicht in die Irre führen lassen: Sie setzen die Anreize einfach zurück. Es gibt dann für niemanden mehr einen Anreiz, etwas zu bauen. Das ist das Problem. ({8}) Schauen Sie sich doch die Zensuszahlen an; ich stelle sie Ihnen gleich gerne zur Verfügung. Was ist denn der nächste Schritt? Irgendwann wollen Sie dann auch noch die Mieten staatlich festlegen. Das wäre eine „DDR light“. ({9}) So etwas wollen doch eigentlich nur noch manche Kollegen von der Linken. So sieht das doch aus. ({10}) Ich halte diesen Gutmenschenwahlkampf, den Sie hier vorgeben betreiben zu wollen, wirklich für grundfalsch. Sie spielen mit den Ängsten der Mieterinnen und Mieter. Das ist falsch. Wir brauchen ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Das ist der beste Mieterschutz. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/13552 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos- sen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Tagesordnungspunkt 5 b. Wir kommen zur Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD sowie des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Programm ‚Soziale Stadt‘ zukunftsfähig weiterentwi- ckeln - Städtebauförderung sichern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck- sache 17/12453, den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung an- genommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP, da- gegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 17/13776. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ab- lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck- sache 17/12485 mit dem Titel „Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt“. Wir stimmen nun über Buchstabe a der Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion der SPD namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgeben konnte? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- lung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später be- kannt gegeben.1) Da wir jetzt eine Reihe von Abstimmungen durchzu- führen haben, bitte ich Sie sehr, sich in die Reihen zu be- geben, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtent- wicklung auf Drucksache 17/13776 fort. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck- sache 17/12481 mit dem Titel „Wohnungsnot bekämp- fen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln“. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitions- fraktionen und die SPD. Die Linke war dagegen, Bünd- nis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp- fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11696 mit dem Titel „Wohn- und Mietensituation von Studierenden ver- bessern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluss- empfehlung ist angenommen mit dem gleichen Stim- menverhältnis wie bei der letzten Abstimmung. 1) Ergebnis Seite 30737 D Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 54 a bis 54 f sowie Zusatzpunkte 2 a bis 2 l auf: 54 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und anderer registerrechtlicher Vorschriften zum Zweck der Zulassung der elektronischen Antragstellung bei Erteilung einer Registerauskunft - Drucksache 17/13616 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({0}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs - Drucksache 17/13617 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({1}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Drucksache 17/13662 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union ({2}) - Drucksache 17/13665 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({3}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss e) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Europawahlgesetzes - Drucksache 17/13705 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({4}) Rechtsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Oliver Krischer, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nachhaltige und gerechte Rohstoffpolitik Innovationsstrategie für die Wirtschaft - Drucksache 17/13568 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({5}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ZP 2 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel - Drucksache 17/13708 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({6}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme Ost und West im Rahmen der Städtebauförderung - Drucksache 17/12508 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({7}) Innenausschuss Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Für universelle Nachhaltigkeitsziele - Entwicklungs- und Umweltagenda zusammenführen - Drucksache 17/13727 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({8}) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für eine nachhaltige Entwicklungsagenda ab 2015 - Millenniumsentwicklungsziele und Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestalten - Drucksache 17/13762 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({9}) Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss e) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({10}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({11}) Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt - Drucksache 17/13625 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({12}) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung f) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({13}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({14}) Ökologischer Landbau und Bioenergieerzeugung - Zielkonflikte und Lösungsansätze - Drucksache 17/13626 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({15}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung g) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({16}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({17}) Zukunft der Automobilindustrie - Drucksache 17/13672 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({18}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung h) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({19}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung ({20}) Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien Präzisierung und Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffstrategie - Drucksache 17/13673 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({21}) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt i) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2008 und 2009 - Drucksache 17/1350 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({22}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien j) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht 2009 und 2010 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - 23. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/5200 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({23}) Petitionsausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien k) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2010 und 2011 - Drucksache 17/9100 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({24}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien l) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht 2011 und 2012 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - 24. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/13000 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({25}) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Hier geht es um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. - Sie sind damit einverstanden. Dann geschieht das so. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 55 a bis o auf. Hier handelt es sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 55 a: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Öko-Landbaugesetzes - Drucksache 17/12855 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({26}) - Drucksache 17/13736 Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz Heinz Paula Dr. Christel Happach-Kasan Alexander Süßmair Cornelia Behm Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13736, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/12855 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer möchte dem Gesetzentwurf zustimmen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die Oppositionsfraktionen haben sich enthalten. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Dies ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen. Tagesordnungspunkt 55 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({27}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kerstin Müller ({28}), Volker Beck ({29}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Anwendung der Administrativhaft und willkürliche Festnahmen durch israelische und palästinensische Sicherheitskräfte verurteilen - Drucksachen 17/11166, 17/11742 Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Hörster Günter Gloser Dr. Rainer Stinner Kerstin Müller ({30}) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11742, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11166 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Gegenstimmen durch die Oppositionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 55 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({31}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kerstin Müller ({32}), Volker Beck ({33}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Gaza-Blockade beenden - Drucksachen 17/11167, 17/11743 Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Hörster Günter Gloser Dr. Rainer Stinner Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller ({34}) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11743, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11167 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen; die Koalition war dafür, die Opposition dagegen. Tagesordnungspunkt 55 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({35}) zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Freiheit für Mumia Abu-Jamal - Drucksachen 17/8916, 17/12923 Berichterstattung: Abgeordnete Michael Frieser Angelika Graf ({36}) Marina Schuster Annette Groth Volker Beck ({37}) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12923, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8916 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten, die Linke hat dagegen gestimmt. Tagesordnungspunkt 55 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({38}) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tiergerechte Legehennenhaltung stärken - Drucksachen 17/12842, 17/13285 Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Heinz Paula Dr. Christel Happach-Kasan Alexander Süßmair Friedrich Ostendorff Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13285, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12842 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Gegenstimmen durch die Oppositionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 55 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({39}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ressourcenschutz durch Vorgabe einer Mindestnutzungsdauer für technische Produkte - Drucksachen 17/13096, 17/13696 Berichterstattung: Abgeordnete Michael Brand Gerd Bollmann Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Horst Meierhofer Ralph Lenkert Dorothea Steiner Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13696, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13096 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke wurde die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition angenommen. Tagesordnungspunkt 55 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({40}) Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Elektronische Verteilung von Bundestagsdrucksachen ({41}) - Drucksache 17/13654 Berichterstattung: Abgeordnete Bernhard Kaster Sonja Steffen Gisela Piltz Alexander Ulrich Volker Beck ({42}) Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 55 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({43}) Sammelübersicht 590 zu Petitionen - Drucksache 17/13501 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 55 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({44}) Sammelübersicht 591 zu Petitionen - Drucksache 17/13502 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Sammelübersicht ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 55 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({45}) Sammelübersicht 592 zu Petitionen - Drucksache 17/13503 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen war die Fraktion Die Linke, alle übrigen waren dafür. Tagesordnungspunkt 55 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({46}) Sammelübersicht 593 zu Petitionen - Drucksache 17/13504 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke; alle anderen waren dafür. Tagesordnungspunkt 55 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({47}) Sammelübersicht 594 zu Petitionen - Drucksache 17/13505 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Zustimmung aller anderen angenommen. Tagesordnungspunkt 55 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({48}) Sammelübersicht 595 zu Petitionen - Drucksache 17/13506 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Sammelübersicht angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Linke und SPD waren dagegen, enthalten hat sich niemand. Tagesordnungspunkt 55 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({49}) Sammelübersicht 596 zu Petitionen - Drucksache 17/13507 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 55 o: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({50}) Sammelübersicht 597 zu Petitionen - Drucksache 17/13508 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 3 bis 6. Ich rufe zunächst Zusatzpunkt 3 auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({51}) zu dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({52}) - Drucksachen 17/9852, 17/11053, 17/11636, 17/13720 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? - Das ist ebenso nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist. Das gilt auch für die noch folgenden drei Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13720? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt, alle anderen waren dafür. Zusatzpunkt 4: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({53}) zu dem Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge ({54}) - Drucksachen 17/10818, 17/12219, 17/12220, 17/12628, 17/13721 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist auch nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13721? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt, alle anderen waren dafür. Zusatzpunkt 5: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({55}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften ({56}) - Drucksachen 17/12375, 17/12532, 17/12533, 17/12925, 17/13722 Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist ebenso nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13722? - Wer stimmt dagegen? - Das ist einstimmig, Enthaltungen gibt es keine. Zusatzpunkt 6: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({57}) zu dem Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes - Drucksachen 17/10422, 17/12722, 17/13388, 17/13723 Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist ebenso nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13723? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das war einstimmig. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Es ging um das Thema „Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt“ sowie die Drucksachen 17/12485 und 17/13776. Es wurden 567 Stimmen abgegeben, davon haben 306 Abgeordnete mit Ja gestimmt, mit Nein haben 198 gestimmt, enthalten haben sich 63 Abgeordnete. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 567; davon ja: 306 nein: 198 enthalten: 63 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({58}) Manfred Behrens ({59}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({60}) Dirk Fischer ({61}) Axel E. Fischer ({62}) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({63}) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Helmut Heiderich Mechthild Heil Rudolf Henke Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung ({64}) Dr. Egon Jüttner Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers ({65}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer ({66}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller ({67}) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann ({68}) Michaela Noll Franz Obermeier Henning Otte Rita Pawelski Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Thomas Rachel Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({69}) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht ({70}) Anita Schäfer ({71}) Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt ({72}) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön ({73}) Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster ({74}) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Stephan Stracke Karin Strenz Thomas Strobl ({75}) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Vogel ({76}) Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg ({77}) Peter Weiß ({78}) Sabine Weiss ({79}) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth WinkelmeierBecker Dagmar G. Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine AschenbergDugnus Daniel Bahr ({80}) Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther ({81}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h.c. Jürgen Koppelin Holger Krestel Patrick Kurth ({82}) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner ({83}) Michael Link ({84}) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller ({85}) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann ({86}) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({87}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane RatjenDamerau Hagen Reinhold Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel ({88}) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({89}) Nein SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding ({90}) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({91}) Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h.c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf ({92}) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({93}) Hubertus Heil ({94}) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({95}) Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe ({96}) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange ({97}) Dr. Karl Lauterbach Gabriele Lösekrug-Möller Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel ({98}) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Manfred Nink Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({99}) Michael Roth ({100}) Marlene Rupprecht ({101}) Axel Schäfer ({102}) Marianne Schieder ({103}) Werner Schieder ({104}) Ulla Schmidt ({105}) Silvia Schmidt ({106}) Carsten Schneider ({107}) Swen Schulz ({108}) Ewald Schurer Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h.c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff ({109}) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({110}) Volker Beck ({111}) Cornelia Behm Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz ({112}) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Markus Kurth Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Kerstin Müller ({113}) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth ({114}) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang StrengmannKuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner ({115}) Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Enthalten DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Jutta Krellmann Caren Lay Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Ulrich Maurer Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Nešković Jetzt rufe ich Zusatzpunkt 7 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesamtvolumen der Wahlversprechen von Bundeskanzlerin Dr. Merkel - Auswirkungen auf die Steuer- und Haushaltspolitik des Bundes Ich gebe für die SPD-Fraktion dem Kollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier das Wort. ({116})

Dr. Frank Walter Steinmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Wochenende war es so weit: Die Kanzlerin hat die Maske fallen lassen, und wir alle waren Zeugen. ({0}) Sparen, Haushaltsdisziplin, Konsolidierung - das ist die Botschaft, die wir gehört haben - war alles gestern, was schert uns das noch? Das ist offensichtlich das Muster, nach dem Sie erneut auf Wählerfang gehen wollen. Sie alle von FDP, CDU und CSU machen sich zu Wiederholungstätern; denn genau mit dieser Masche haben Sie im Sommer 2009 die Wähler gelockt - mit Wahlgeschenken und Steuersenkungen. ({1}) Gehalten haben Sie davon nichts, außer der Belohnung einiger spendenfreudiger Großhoteliers. ({2}) Vor vier Jahren war das Wahlbetrug. Seit dem Wochenende wissen wir: Den nächsten bereiten Sie gerade vor. ({3}) Vier Jahre haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, gemeinsam den Bürgern vorgemacht: Sparen ist erste Bürgerpflicht. - Gemeint haben Sie es vor allem für andere: für Länder und Gemeinden sowie für Griechen und Spanier. Sich selbst aber haben Sie großzügig Kredit gegeben. 100 Milliarden Euro Neuverschuldung, das ist in Wahrheit ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. ({4}) Man muss sich das einmal vorstellen: 100 Milliarden Euro Neuverschuldung bei Rekordsteuereinnahmen! Angesichts dessen ist es Heuchelei, wenn Sie sich am Ende der Legislaturperiode vor den Wähler stellen und sagen: Wir haben ordentlich gewirtschaftet. - Das ist Heuchelei! ({5}) Ich bin aber auch sicher: Sie werden ab sofort nicht einmal mehr heucheln können, ({6}) nachdem Ihre Parteivorsitzende am Wochenende das Füllhorn über die ganze Republik ausgeschüttet hat. Die Katze ist damit aus dem Sack. Nichts gilt mehr von den hehren Haushaltsgrundsätzen. Nichts gilt mehr von den Konsolidierungsversprechen. Wenn ich mir vor Augen führe, was Sie planen, dann komme ich zu dem Schluss, dass Sie jetzt vorhaben, Party zu machen: ein Wochenende, eine Telefonschaltkonferenz und zahllose Wahlversprechen in Höhe von 46,5 Milliarden Euro. Finanzierung? Gegenfinanzierung? - Fehlanzeige! Wer will schon so kleinlich sein? ({7}) Stellen Sie sich nur einmal eine Sekunde vor: Irgendjemand anderes hier im Haus wäre auf die Idee gekommen, Milliardenausgaben ohne einen einzigen Cent an Gegenfinanzierung vorzuschlagen. Was hätten Sie dann hier im Haus und in der Öffentlichkeit veranstaltet? Sie nehmen für sich andere Maßstäbe in Anspruch. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich sage Ihnen: Die Öffentlichkeit wird das auch nicht. ({8}) Mir geht es gar nicht nur um das Volumen dessen, was Sie hier vorschlagen. Was mich wirklich aus der Haut fahren lässt, ist, wie dreist Sie den Wähler bei Ihren Ankündigungen hinter die Fichte führen. Sie handeln nicht nur anders, als Sie es versprechen. Sie machen das genaue Gegenteil. Ich nenne als Beispiel Mieten und Wohnen. Vor zwei Monaten - daran erinnern wir uns alle noch sehr gut - prügeln Sie mit Ihrer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag das Mietrechtsänderungsgesetz durch das Parlament, ein paar Wochen später auch durch den Bundesrat. Ihre Leute brüsten sich bei „Haus & Grund“ und anderen Organisationen damit, dass jetzt endlich eine Besserstellung von Vermietern und Eigentümern erreicht sei. ({9}) Es ist wahr: Tatsächlich führt das, was Sie gemacht haben, zu einer Schlechterstellung der Mieter. Ich erinnere mich sehr gut, dass wir hier im Hause noch einen Antrag auf Einführung einer Kappungsgrenze bei Neuvermietungen gestellt haben. Sie haben gesagt: „Das ist Sozialismus“, und haben das abgelehnt. Jetzt erklären Sie ab sofort: Die Kappungsgrenze ist richtig. - Das müsste Ihnen doch die Schamesröte ins Gesicht treiben. ({10}) In Wahrheit bekommen Sie am Ende der Legislaturperiode ein bisschen Panik, weil Sie die ganze Zeit die Krise in Europa benutzt haben, um sich zu verstecken und das Nichtstun zu rechtfertigen. Es kommt nicht von ungefähr, wenn wir feststellen: Ihre Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode 45 Gipfel veranstaltet, ({11}) 45 Gipfel, auf denen nichts entschieden worden ist. Das ist Organisation von Stillstand. Aber das ist keine Zukunftsgestaltung. ({12}) Die Gegenwart beschwören, niemanden beunruhigen und Hoffen auf bessere Tage, das ist jedenfalls keine Politik. In die Zukunft kann man sich nicht hineinschleichen. Die muss man an den Hörnern packen. Man muss sie gestalten. Genau das tun Sie nicht, weil Sie Angst davor haben. Herzlichen Dank. ({13})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Hermann Gröhe. Bitte schön, Kollege Hermann Gröhe. ({0})

Hermann Gröhe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002666, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ihrem eher peinlichen Getöse zum Wahlprogramm der Union, das im Übrigen erst in zwei Wochen beschlossen wird, versuchen SPD und Grüne nichts anderes als ein ziemlich plumpes Ablenkungsmanöver. Ihre Panik, Herr Steinmeier, war mit Händen zu greifen. ({0}) Das ist ein Ablenkungsmanöver, weil doch Ihre Programme, die Programme der Grünen und der SPD, in der Öffentlichkeit zu Recht mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind. Beifall fanden sie überhaupt nur noch bei der Linkspartei. ({1}) Ihr Programm des Abkassierens, des Bevormundens, wäre ein Abstiegsprogramm für Deutschland mit schlimmen Folgen für den Arbeitsmarkt. Darin waren sich nahezu alle Kommentatoren einig. Ich zitiere aus dem Handelsblatt: ({2}) Was als Angriff auf Reiche daherkommt, trifft in Wahrheit aber auch die Mittelschicht. Und könnte der Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Weil Ihnen das sicher lieber ist, zitiere ich aus dem Spiegel. Der ist nun nicht das Zentralorgan der deutschen Wirtschaft: ({3}) Die Pläne der Partei belasten keineswegs nur Topverdiener. Hauptverlierer sind die Angehörigen der Mittelschicht. ({4}) Meine Damen, meine Herren, Ihre Politik gefährdet Arbeitsplätze und damit stabile Sozialkassen und die Steuereinnahmen unseres Staates. Wer die Wirtschaftskraft eines Landes untergräbt, landet im Schuldensumpf. Sie haben eben nicht begriffen, dass wir die Rekordeinnahmen, die wir heute haben, der Rekordbeschäftigung verdanken und dass Rekordbelastungen beides gefährden und den Abstieg unseres Landes bedeuten. Deswegen verstehen Sie auch nicht, warum für uns eine konsequente Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung ({5}) und Zukunftsinvestitionen zusammengehören. Durch die Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung stärken wir Wachstum und Beschäftigung und erarbeiten uns Spielräume, die ohne Frage begrenzt sind. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch machbar. ({6}) Manches wird nur schrittweise möglich sein. Wir brauchen die Bereitschaft, Prioritäten zu setzen. Diese Prioritäten hat unsere Parteivorsitzende, die Bundeskanzlerin, eindeutig genannt: Familie, Bildung und Forschung, Infrastruktur. Damit stärken wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. ({7}) Wir dürfen aber nicht nur in die Wahlprogramme schauen. Schauen wir uns die Taten an. ({8}) - Hören Sie zu! - Jetzt zeigt sich bei den Roten hoffentlich bald Schamesröte. Dreimal hat Ihnen der Landesverfassungsgerichtshof in Nordrhein-Westfalen die Verfassungswidrigkeit Ihrer Haushalte vorgeworfen. ({9}) Zuletzt im März hat der Landesverfassungsgerichtshof Sie überführt, in verfassungswidriger Weise die Gerechtigkeit zwischen den Generationen mit Füßen zu treten. ({10}) Ähnliches hat der Landesrechnungshof der rheinlandpfälzischen Regierung bescheinigt. ({11}) Auf dem Weg zur Haushaltskonsolidierung sind Sie nicht glaubwürdiger Mahner, sondern mehrfach erwischter Geisterfahrer. ({12}) Die christlich-liberale Koalition hat bereits 2012 und damit vier Jahre vor der Zeit das Gebot der Schuldenbremse unserer Verfassung eingehalten. Zugleich haben wir mit dieser Politik Wachstum und Beschäftigung in einer Weise gefördert, ({13}) die es uns ermöglicht hat, in den letzten Jahren die Familien um 4,6 Milliarden Euro im Jahr zu entlasten, 13 Milliarden Euro zusätzlich in Bildung und Forschung zu investieren, die Kommunen milliardenschwer beim Ausbau der Kitaplätze zu unterstützen und sie von Beträgen in Milliardenhöhe durch die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter zu entlasten. Wir stehen dafür, diesen Kurs zu halten, konsequent unseren Haushalt weiter in Ordnung zu bringen, uns nicht von Ihrer Schuldenmacherei anstecken zu lassen ({14}) und zugleich in das zu investieren, was die Stärke unseres Landes ausmacht, nämlich in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, in unsere Familien und in Bildung und Forschung. Herzlichen Dank. ({15})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linke unser Kollege Dr. Gregor Gysi. Bitte schön, Kollege Dr. Gregor Gysi. ({0})

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich es richtig verstanden habe, fordert die Kanzlerin vor den Wahlen Folgendes: eine Mietpreisbremse, die Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Rente auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, höhere steuerliche Kinderfreibeträge, die vor allem den Besserverdienenden deutlich mehr zugutekämen als den anderen. ({0}) Als Ausgleich für Haushalte mit geringerem Einkommen fordert sie die Erhöhung des Kindergeldes von 184 auf 219 Euro pro Kind, und sie will mehr Geld für den Straßenbau. ({1}) - Ich habe da eine Frage: Wer hat eigentlich in den letzten acht Jahren regiert? War das nicht die Bundeskanzlerin? ({2}) Warum hat sie denn bisher nichts davon umgesetzt? ({3}) Ich will zu ihren Gunsten annehmen, dass es ihre selbstkritischste Rede war. Sie hat geschildert, was sie eigentlich hätte machen müssen, aber nicht gemacht hat. ({4}) Nun stellt sich die nächste Frage, ob diese Selbstkritik zu einer Besserung führt oder ob man nicht damit rechnen kann, dass es umgesetzt wird. Herr Steinbrück, Sie werfen der Kanzlerin vor, dass sie vieles bei der SPD abgeschrieben hat. Als SPD wäre ich sehr zurückhaltend, wenn ich sehe, was Sie alles bei uns abgeschrieben haben - wenn ich darauf einmal hinweisen darf. ({5}) Aber wer hat schon etwas dagegen, dass wir so erfolgreich sind, dass die anderen bei uns abschreiben? Das müssen wir uns nicht gegenseitig vorwerfen. ({6}) Ich muss Ihnen auch sagen: Wirklich ernst ist es uns mit der Mietpreisbremse. Wir haben sie schon im Januar vorgeschlagen. Neuvermietung ist kein Grund für eine Mietsteigerung. Der Wert der Wohnung ist doch gar nicht erhöht worden. Wieso sagt man, dass ein Mieterwechsel eine Mietsteigerung von 10, 20 oder 30 Prozent rechtfertigt? Das ist unerträglich, und wir müssen es endlich beenden, und zwar mit einem Gesetz. ({7}) Ich habe gesagt, Herr Steinbrück, dass es noch eine Frage gibt. Sie regiert seit acht Jahren. Vier Jahre davon waren Sie dabei. In dieser Zeit ist davon auch nichts umgesetzt worden. Das will ich nur am Rande kritisch bemerken. Auch das kann man ändern. ({8}) Ich frage mich beim Mietrecht - Herr Steinmeier, das haben Sie völlig zu Recht kritisiert -: Warum haben wir nicht die Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken im Bundesrat genutzt, um das zu stoppen oder wenigstens in den Vermittlungsausschuss zu schicken? ({9}) Das haben Sie nicht gemacht. Dabei ist eine Regelung - das sage ich Ihnen - rechtsstaatlich abenteuerlich, nämlich die zur Zwangsräumung per einstweiliger Verfügung. Danach können Sie die Wohnung des Betroffenen per einstweiliger Verfügung räumen lassen und bringen den Betroffenen dadurch in Obdachlosigkeit. Kommt dann sechs Monate später in der Hauptsache eine gegenteilige Entscheidung, dann nützt ihm das gar nichts mehr. Das sind abenteuerliche Vorschläge. Ich nehme an, irgendwann wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden müssen. Die Vorschläge der Kanzlerin kranken im Kern an drei Problemen: Die Union will erstens die Steuerungerechtigkeit aufrechterhalten. Sie schließen Steuererhöhungen für Reiche, für Vermögende, für Besserverdienende aus. Ich stelle daher die Frage: Woher soll das Geld für diese sozialen Versprechen kommen? ({10}) Das Zweite ist die soziale Schieflage. Ich habe schon gesagt: Kinder von Menschen mit höheren Einkommen werden bevorzugt. Das Dritte ist: Die FDP hat gesagt, mit ihr können diese Vorschläge nicht umgesetzt werden. Die Kanzlerin sagt aber, dass sie weiterhin mit ihnen koalieren will. Es ist ein übler Trick, dass man immer jemanden an der Seite hat, der Nein sagt, um dann zu sagen: Ich habe das Edle gewünscht, aber die FDP hat mich daran gehindert. Das sollten Sie sich als FDP nicht bieten lassen. Sagen Sie doch einmal, Sie seien auch dafür. Das wird spannend. Dann können wir das ja noch im Juni beschließen. ({11}) Die Kanzlerin folgt diesbezüglich Franz Müntefering und sagt, dass es falsch ist, Politiker an ihren Wahlversprechen zu messen. Ich aber sage Ihnen: Das ist der Kern des Problems. Diese falschen Wahlversprechen, die nicht erfüllt werden, erzeugen Politik- und Demokratieverdrossenheit. ({12}) Dass sie nicht erfüllt werden, Herr Kauder und Herr Schäuble, haben Sie im Fernsehen bewiesen. Sie beide haben erklärt, dass das Ganze unter einem Finanzierungsvorbehalt steht. Gleichzeitig erklären Sie: Steuererhöhungen wird es nicht geben. Damit sagen Sie: Das Ganze fällt aus. ({13}) Selbst wenn es im Koalitionsvertrag stünde, was Sie mit der FDP nicht schaffen, müssen Sie es nicht machen. Das kennen wir von der Rentenangleichung Ost und West. Diese steht in der Koalitionsvereinbarung, aber Sie haben sie nicht umgesetzt. ({14}) Es tut mir leid: Die Vorschläge der Bundeskanzlerin sind offenkundig nur für die Mülltonne gedacht, zumindest dann, wenn die Regierung aus Union und FDP fortgesetzt wird, was ich der Bevölkerung allerdings beim besten Willen nicht wünschen kann. Danke schön. ({15})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Patrick Döring. Bitte schön, Kollege Patrick Döring. ({0})

Patrick Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003748, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wahlprogramm der Union - Hermann Gröhe hat es gesagt - steht zur Diskussion. Es ist noch nicht einmal verabschiedet, und schon sind Teile der Opposition so in Aufregung, dass diese Aktuelle Stunde beantragt wird. ({0}) In den vergangenen gut vier Jahren haben wir bewiesen: Man kann Steuern senken, gleichzeitig Rekordmehreinnahmen erzielen und einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist solide Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Wenn Sie uns Vorwürfe machen, wir hielten unsere Versprechungen vor der Wahl nicht, ({2}) dann weise ich darauf hin, dass wir die Familien entlastet und alles dafür getan haben, dass jene, die morgens aufstehen und arbeiten gehen, am Ende des Tages mehr haben als jene, die liegen bleiben, und wir haben keine neuen Schulden gemacht. Das ist der Erfolg dieser Koalition und die Lehre aus der Krise in Europa. ({3}) Verehrter Herr Gysi, es gibt Teile in den Vorschlägen der Union, die nicht mit dem Programm der FDP übereinstimmen. Das ist auch gut so; denn aus gutem Grund sind die Liberalen eine eigenständige Partei, und die Christlich Demokratische Union und die CSU sind eigenständige Parteien. ({4}) Aber wir haben in den vergangenen vier Jahren bewiesen: In den entscheidenden Punkten raufen wir uns zusammen und erarbeiten gute Kompromisse. ({5}) Das heißt: Leistungsgerechtigkeit statt Umverteilung, solide Haushalte statt immer neue Schulden, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({6}) Schauen wir uns einmal die Programme an, die schon verabschiedet sind. Es ist bemerkenswert, wie oft die Spitzenpolitiker von Union und FDP erleben müssen, wie Herr Trittin, Herr Steinbrück, Herr Steinmeier und andere ihre eigenen Wahlprogramme verleugnen. ({7}) Schauen wir doch einmal dort hinein. Sie haben mit Ihren Programmen das Ziel einer massiven steuerlichen Erhöhung für die arbeitende Mitte der Bevölkerung verabschiedet. ({8}) Jetzt wollen Sie nicht mehr dazu stehen. Jetzt erzählen Sie den Menschen, es träfe ja vielleicht erst die Leute, die 60 000 Euro oder 80 000 Euro im Jahr verdienen, aber verschweigen die Abschaffung der Pendlerpauschale, die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das trifft jeden hier in Deutschland, jeden Arbeitnehmer, und diesen Arbeitnehmern nehmen Sie mehr vom sauer verdienten Geld. Sie streuen den Leuten Sand in die Augen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({9}) Das Gleiche gilt für die Vermögensteuer. Da stellt sich Herr Steinbrück beim DIHK hin und sagt: Wir sind für eine Vermögensteuer, aber gegen eine Substanzbesteuerung. Eine Vermögensteuer, die die Substanz nicht angreift, gibt es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer 1,5 Prozent vom Vermögen der Deutschen nehmen will, der soll es ihnen dann auch sagen. ({10}) Es schmälert immer die Substanz, wenn man keine Gewinne erwirtschaften kann. Sie wollen den Menschen ans Ersparte und an die Betriebsvermögen. Das ist die Realität. ({11}) Gänzlich unverständlich ist, dass Sie dennoch immer mehr Schulden machen wollen. In Wahrheit wollen Sie den Fiskalpakt nicht. ({12}) In Wahrheit wollen Sie nicht, dass ganz Europa den Weg der Solidität einschlägt. Sie wollen nicht, dass ganz Europa spart, sondern Sie wollen hier in Deutschland mehr Steuern erheben, damit Sie mehr Schulden machen können und damit Sie mit Ihrem Freund in Paris die Welle des Schuldenmachens in ganz Europa wieder anschieben können. ({13}) Es geht Ihnen nicht um Solidität und stabiles Geld. Es geht um Inflation und um mehr Geld für den Staat, um mehr Schulden in Europa und darum, auch in Deutschland mehr Möglichkeiten für mehr Schulden zu schaffen. Das ist Ihr Versuch, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({14}) Im Kern geht es um eines: Leistungsgerechtigkeit oder Umverteilung? Sie definieren Gerechtigkeit in diePatrick Döring sem Land ausschließlich über Umverteilung, und wir - die Freien Demokraten, die bürgerliche Koalition definieren Gerechtigkeit über Leistungsgerechtigkeit. Deshalb freuen wir uns darüber, dass jetzt 3 Millionen Menschen mehr als zu Beginn unserer Wahlperiode Arbeit haben. Darum freuen wir uns darüber, dass mehr Menschen selbstständig sind als zu Beginn dieser Wahlperiode. ({15}) Und darum freuen wir uns darüber, dass sich Leistung lohnt. Wir glauben, dass es gut ist, den Menschen mehr Geld vom Brutto zu lassen, ({16}) wir glauben, dass es richtig ist, den Menschen ihr Erspartes zu lassen und keinen Staat aufzubauen, der überall nur eines kennt: mehr vom Geld der Bürger und mehr Schulden. Das ist der falsche Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({17})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Jürgen Trittin. - Bitte schön, Kollege Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003246, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf einer Telefonkonferenz ist sich die Kanzlerin treu geblieben. Sie hat Finanzzusagen und -versprechungen über 28 Milliarden Euro gemacht. Damit ist sie ihrer Tradition treu geblieben. ({0}) Frau Merkel ist die Schuldenkanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. ({1}) In den letzten vier Jahren wurden neue Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro gemacht. ({2}) Sie haben den Mövenpicks in den letzen vier Jahren 4 Milliarden auf Pump finanzierte Euro geschenkt. Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland in den letzten vier Jahren 32 Milliarden Euro gekostet. ({3}) Auf das Ganze wollten Sie noch zusätzliche Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro setzen, um die Besserverdienenden, die oberen 20 Prozent in diesem Lande, zu entlasten. Das ist Ihre Politik, mit der Sie Schulden machen. ({4}) Wir können das fortsetzen: Auf Pump wollen Sie die nächsten vier Jahre 4,8 Milliarden Euro für das Betreuungsgeld aus dem Fenster schmeißen. Da springt hier der Herr Gröhe ans Rednerpult und spricht vom Schuldensumpf. Lieber Herr Gröhe, Sie sind doch der größte Ochsenfrosch des Steuer- und Schuldensumpfs der Koalition. ({5}) In der Amtszeit von Frau Merkel sind gesamtstaatliche Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro gemacht worden. ({6}) Die Bundesrepublik Deutschland hatte mal eine Staatsverschuldungsquote von 63 Prozent. Unter Frau Merkel ist sie auf 82 Prozent gestiegen. Der deutsche Schuldenberg ist von 1,8 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro gestiegen. Das heißt: Ein Viertel der gesamtstaatlichen Verschuldung in Deutschland sind Merkel-Schulden. Das ist Ihre Politik. Das ist Ihr Schuldensumpf, Herr Gröhe. ({7}) Sie stehen im Wettbewerb mit Herrn Döring. Der kommt hier nach vorne und verliert kein Wort darüber, ({8}) dass die FDP auf ihrem Bundesparteitag Mehrausgaben in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen hat, ({9}) ohne einen einzigen Euro gegenfinanziert zu haben. ({10}) Die FDP will den Soli abschaffen. Das macht 13,6 Milliarden Euro. Die FDP will jene Steuerschlupflöcher in Deutschland einführen, die wir in Europa - in Holland und in Irland - gerade abschaffen wollen. ({11}) Sie wollen aus Deutschland eine Steueroase für Großkonzerne machen. ({12}) Das hilft dem Mittelstand nicht. Das hilft Amazon, Google und Apple, aber nicht dem deutschen Mittelstand. Das ist Ihre Politik. ({13}) Deutschlands Wachstumsrate geht zurück, und zwar von 0,6 auf 0,3 Prozent. Was muss man in so einer Situation tun? Man muss investieren. Was aber macht Frau Merkel? Sie investiert nicht, sondern konsumiert. 27 ihrer 28 Milliarden Euro fließen in direkte Transfers. So sieht die Strategie zur Sicherung der Zukunft Deutschlands aus. ({14}) 1 Milliarde Euro darf der Herr Ramsauer für Investitionen ausgeben. Schauen Sie sich doch einmal das hier von einigen zitierte grüne Finanzprojekt an: 20 Prozent der Ausgaben fließen in den Schuldenabbau; das ist übrigens die Vermögensabgabe. 40 Prozent unserer Ausgaben fließen in Investitionen in Bildung, in Energie und in Infrastruktur. Das sind fast 13 Milliarden Euro. Das ist das 13-Fache der Summe, die Ihre Kanzlerin einplant. Sie reden vom Investieren, aber Sie verjuxen das Geld. Das ist Ihre Politik. Das ist wirtschaftspolitisch falsch. ({15}) Sie sagen, Sie hätten das alles finanziert. ({16}) Da kommt mir ein schöner Verdacht auf. Wie wollen Sie denn die Mütterrente finanzieren? Wo wollen Sie das Geld denn hernehmen? Wenn Sie sie über die Rentenbeiträge finanzieren wollten, dann müsste der Beitragssatz um 0,7 Prozentpunkte ansteigen. Reden Sie doch mal mit dem DIHK darüber, wie viele Arbeitsplätze aufgrund höherer Arbeitskosten verloren gehen. Wenn Sie die Mütterrente nicht auf Pump finanzieren wollen, müssen Sie sie über höhere Beiträge finanzieren. ({17}) Sie nehmen in der Familienpolitik Transfers vor. Aber von diesen Transfers profitieren diejenigen, die am wenigsten haben, nämlich die 1,6 Millionen Kinder in Deutschland, die in Bedarfsgemeinschaften leben, überhaupt nicht. Die Hälfte der Steuererleichterungen im Rahmen des Familiensplittings, das Sie planen, würde bei den oberen 20 Prozent der Bevölkerung landen. Anders gesagt: Anstatt in Infrastruktur und in Kitaplätze zu investieren, anstatt dafür zu sorgen, dass die 220 000 Kitaplätze, die noch fehlen, geschaffen werden, begössen Sie erneut Ihre Klientel. Schwarz-Gelb - das ist Politik auf Pump zugunsten von Leuten, die es nicht nötig haben, das ist Politik für Transfers statt für Kindertagesstätten. ({18}) Letzte Bemerkung. ({19}) Jetzt sind Sie für eine Mietpreisbremse, ({20}) jetzt sind Sie dafür, dass wir keine Schulden mehr aufnehmen, dass die Renten erhöht werden usw. Ich sage Ihnen eines: Sie hätten all das tun können. Sie hätten an dieser Stelle tatsächlich eine andere Politik machen können; aber Sie haben es vier Jahre lang nicht gemacht. ({21}) Jetzt stellen Sie sich hin und fordern das Gegenteil von dem, was Sie machen. Ihre Spindoktoren nennen das „asymmetrische Demobilisierung“. Ich sage Ihnen: Man braucht dafür gar kein Fremdwort. Das ist schlicht und ergreifend - auf Deutsch gesagt - Heuchelei. Sie haben die Heuchelei zum obersten Prinzip Ihrer Politik erklärt. ({22})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter. Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. ({0})

Steffen Kampeter (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001062

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Finanzminister zu werden, bedarf es mehr, als nur einen grauen Anzug anzuziehen; es bedarf Solidität und Seriosität. ({0}) Herr Kollege Trittin, ich bezweifle, dass Sie sich mit diesem Auftritt vor dem Hohen Hause einen Gefallen getan haben. ({1}) Ich möchte der Opposition danken, dass sie diese Aktuelle Stunde zu Fragen der Haushaltspolitik beantragt hat, ({2}) und zwar deswegen, weil so klar und deutlich wird, wo die Unterschiede zwischen den finanzpolitischen Konzeptionen der Regierung und der Opposition liegen und was eigentlich die christlich-liberale Koalition mit ihrer soliden Finanzpolitik in den letzten Jahren für Deutschland geleistet hat. ({3}) Der Kollege Steinbrück, der es jetzt vorgezogen hat, das Hohe Haus zu verlassen, war der letzte Finanzminister der SPD. Sein Haushaltsentwurf, die Eröffnungsbilanz dieser Koalition, hat eine Nettokreditaufnahme von über 80 Milliarden Euro binnen eines Jahres prognostiziert. Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister der christlich-liberalen Koalition, wird Ende Juni einen Haushalt vorlegen, der einen strukturellen Ausgleich, also eine Null mit Perspektive vorsieht. Das sind Qualitätsunterschiede in der Haushaltspolitik, die wohl kaum deutlicher sein könnten. ({4}) Wir haben in dieser Legislaturperiode alle zusätzlichen politischen Schwerpunkte ohne Steuererhöhungen finanziert. Man kann Politik auch ohne Abkassieren machen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist das Credo einer verantwortlichen Politik. ({5}) Herr Kollege Steinmeier, die von Ihnen als Kanzleramtsminister verantworteten Hartz-IV-Regeln sind wegen Verfassungswidrigkeit sämtlich vom Verfassungsgericht einkassiert worden. ({6}) Wir konnten in dieser Legislaturperiode die Gerechtigkeitslücke bei Hartz IV mit dem Bildungs- und Teilhabepaket, aus unserem Haushalt finanziert, schließen. Das ist konkrete Haushalts- und Solidaritätspolitik der christlich-liberalen Koalition. ({7}) Wir haben 50 Prozent mehr in Bildung und Forschung investiert. Wir haben mit der Finanzierung der Grundsicherung im Alter für die größte Entlastung der Kommunen - weit über 20 Milliarden Euro - gesorgt und haben jede Steuermehreinnahme für die Absenkung der Nettokreditaufnahme verwendet. ({8}) So muss man es machen. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen solider Haushaltspolitik und ständigen Steuererhöhungen. Das Gegenteil ist richtig. Man muss den Haushaltsausgleich wollen, nicht nur Steuererhöhungen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({9}) Das gilt nicht nur für den Bundeshaushalt; es gilt auch für die Sozialversicherungen. Wer bei den Sozialversicherungen solide wirtschaftet, kann beispielsweise, wie wir es getan haben, den Rentenversicherungsbeitrag senken oder - das wurde liebevoll von Ihnen unterstützt die Eintrittsgebühr für Arztpraxen abschaffen. Politische Schwerpunktsetzung und solides Haushalten sind der Markenkern christlich-liberaler Finanz- und Wirtschaftspolitik. Das ist der zentrale Unterschied. ({10}) Ich will auch dem Eindruck entgegentreten, Deutschland habe ein Einnahmeproblem. Wir bekommen von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Jahr deutlich über 600 Milliarden Euro. Das Geld steht zuvorderst nicht dem Staat, sondern natürlich den Bürgerinnen und Bürgern zu. Ohne Änderungen der steuerlichen Rahmengesetze und bei solidem, moderatem Wachstum haben die Steuerschätzer für das nächste Jahr die 700 Milliarden Euro fest angepeilt. Mit diesen 700 Milliarden Euro kann man Politik machen; wenn man es will. Man muss aber ehrlich sagen, was geht, was wichtig ist, was weniger wichtig ist. Ein Spruch Willy Brandts lautete „Mehr Demokratie wagen“, bei Steinbrück und Trittin heißt es: „Mehr Belastung wagen“. Armseliger kann ein Zukunftsgestaltungsanspruch einer Oppositionspartei kaum noch sein. ({11}) Bei entsprechenden Einnahmen kann man sich überlegen, wo man in Deutschland noch Gerechtigkeitslücken schließen will. Kollege Trittin hat eben die Mütterrenten angesprochen ({12}) und in dem Zusammenhang gesagt, da würde Geld verjuxt. Schlimmer kann man die Lebensleistung von Müttern in diesem Land nicht verachten als durch diese herablassende Bemerkung. ({13}) Herr Kollege Trittin, Sie sollten sich für diese Entgleisung entschuldigen. ({14}) In dieser Debatte muss ein weiterer Punkt klar und deutlich herausgestellt werden - Kollege Döring hat darauf hingewiesen -: die Mär, dass die Belastungsoffensive, die Rot-Grün vorschlägt, nur wenige Menschen in diesem Land trifft. ({15}) Die SPD sagt immer: Wir holen es uns bei den Freiberuflern, die haben es sowieso dicke. Das würde bedeuten: weniger Arbeitsplatzsicherheit für die Rechtsanwaltsgehilfin oder für den medizinisch-technischen Assistenten. Der Kollege Trittin schlägt vor, die Vermögensabgabe auch auf Wohneigentum zu erheben. Das bedeutet Mieterhöhungen für die Mieterinnen und Mieter in Deutschland. ({16}) Wenn ich lese, was Sie in Bezug auf die betriebliche Substanzbesteuerung vorhaben, kann ich nur sagen: Das ist ein brutaler Angriff auf den Mittelstand, auf seine Investitionskraft, und das ist ein Angriff auf die Zukunft Deutschlands. Es betrifft uns alle, was in diesen Steuerplänen enthalten ist. ({17}) Als ganz besonders zynisch, Herr Kollege Trittin, empfinde ich Ihre Argumentation in Bezug auf die von Ihnen geforderte private Vermögensabgabe, die die Grünen als solitär bezeichnen. Sie soll von Privatpersonen erhoben werden. In einem Interview haben Sie gesagt: Die Betroffenen können ja eine GmbH gründen. ({18}) - Ja, ja, das war Ihr Tenor: Man soll also in eine Kapitalgesellschaft flüchten. ({19}) Lieber Herr Kollege Trittin, das alles macht deutlich, wie sehr Sie gegen das private Eigentum eingestellt sind. Das ist nichts anderes als eine Einladung zum Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, insbesondere der kleinen und mittelständischen Strukturen, durch ausländische Investoren. ({20}) Der Vorsitzende des Verbandes der Familienunternehmer hat alle Abgeordneten auf den Aspekt hingewiesen, dass die eigentumsfeindliche Politik von Rot und Grün die Verlagerung von Kapitalien ins Ausland besonders befördert und die Eigentümerstruktur in Deutschland gefährdet. Die kleinen und mittleren Unternehmen, die Sie mit Ihren rot-grünen Steuerplänen ins Mark treffen, sind das Rückgrat des Wohlstandes unseres Landes. Viele fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kleinen und mittleren Unternehmen haben Deutschland nach vorne gebracht. Sie wollen das Fundament unserer Zukunft durch diese Belastungsoffensive zerstören. Das ist ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. ({21}) SPD und Grüne können sich nicht vorstellen, mit dem Geld der Bürger verantwortungsvoll umzugehen. ({22}) Das Einzige, was Ihnen zur politischen Lösung von Problemen einfällt, ist, bei den Bürgerinnen und Bürgern mehr einzufordern, ({23}) um es ihnen dann möglicherweise wieder zurückzugeben, also das Prinzip: rechte Tasche, linke Tasche. Unser Verständnis von Bürgern ist ein anderes. Wir glauben an einen wirkmächtigen Staat. Wir brauchen in bestimmten Bereichen einen starken Staat. Aber wir glauben zuvorderst, dass die Eigenverantwortung, die Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger respektiert und nicht überfordert werden darf. Deswegen treten wir für eine Ausgabendiät ein. Wir glauben, dass es Belastungsgrenzen gibt und dass Rot und Grün mit diesem Programm dieses Land niemals regieren sollten. ({24})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist der Kollege Carsten Schneider. Bitte schön, Kollege Carsten Schneider. ({0})

Carsten Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003218, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gedacht, dass der Herr Staatssekretär die Gelegenheit wahrnimmt, die Pläne der CDU, der er ja angehört, zum Wahlprogramm 2013 - dabei geht es um die nächste Legislaturperiode - mit zu erklären. Er hat aber gar keine Zeit darauf verwandt. Im Gegenteil, er hat nicht einmal Zeit darauf verwandt, darauf hinzuweisen, dass es diese Koalition aus Schwarz und Gelb geschafft hat, in vier Jahren größten Wachstums, höchster Steuereinnahmen und niedrigster Arbeitslosigkeit immer noch neue Schulden - 100 Milliarden Euro - aufzunehmen. Herr Döring, Sie haben vorhin gesagt, Sie würden solide wirtschaften. Wissen Sie eigentlich, was für Haushalte Sie hier jedes Jahr beschlossen haben? ({0}) Jedes Jahr war die Ziffer rot. Sie schaffen es nicht einmal für das Jahr 2014 - wo wir doch wirklich Rekordsteuereinnahmen haben -, eine Null hinzubekommen. ({1}) Nein, jedes Jahr haben Sie neue Schulden gemacht. ({2}) Bei der Wahl 2009 haben Sie versprochen, die Steuern zu senken. 2013 verspricht die CDU, jede Menge neue Sozialleistungen rauszuhauen, die überhaupt nicht gegenfinanziert sind. Sie wollen die Sozialkassen weiter plündern, den Sozialstaat unterhöhlen. Damit kündigen Sie wieder die nächste Wahllüge an. Ich finde, es ist abenteuerlich, das aus dem Munde eines Bundesfinanzministers zu hören. ({3}) Sie stehen damit, meine ich, klar in der Tradition desjenigen, der hier gestern in der Aktuellen Stunde verteidigt hat, dass er von nichts eine Ahnung hat. Er führt zwar das Verteidigungsministerium und ist für die Beschaffung von Flugzeugen im Wert von 1 Milliarde Euro zuständig, hat aber keine Ahnung, ist nicht informiert Carsten Schneider ({4}) worden. Wahrscheinlich ist es bei Ihnen in der Partei immer so, dass man nicht richtig weiß, was man tut. Das wahre Problem in Deutschland ist, dass Sie mit dem Geld der Steuerzahler nicht solide umgehen. ({5}) Ich komme zum Thema Wachstum. Zu Beginn dieser Koalition hatte Deutschland ein Wachstum von fast 4 Prozent. Wie viel haben wir dieses Jahr noch? 0,4 Prozent! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Das ist, finde ich, alles andere als ein Erfolgsausweis. ({6}) Deswegen ist es wichtig und richtig, klar zu fragen: Was muss man daran eigentlich ändern? Herr Trittin hat zwei wichtige Punkte genannt. Die hat Ihnen die EU-Kommission im Übrigen in der vorigen Woche ins Stammbuch geschrieben. Das Erste ist: Es muss damit aufgehört werden, von der Substanz zu leben. Das heißt, es muss mehr investiert werden. In Ihrer Regierungszeit sind die Investitionen in Deutschland gesunken. Der zweite Punkt betrifft die Bildung. Um langfristig in Deutschland leistungsstark zu bleiben, ist entscheidend, dass wir in die Köpfe unserer Kinder investieren. Was tun Sie an dieser Stelle? ({7}) Nichts! Im Gegenteil, Sie wollen für das Ehegattensplitting eine neue steuerliche Leistung in Höhe von 30 Milliarden Euro - das nennt sich dann Familiensplitting einführen, ohne etwas dafür zu tun, dass jedes Kind einen Kindergarten- bzw. Krippenplatz bekommt und jeder, der sich darum bewirbt, einen Platz an der Universität erhält, an der er exzellent ausgebildet wird. Das wären die Zukunftsaufgaben für Deutschland. ({8}) Sie haben in dieser Legislaturperiode 100 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen, und Sie haben es nicht geschafft, die 20 Milliarden Euro, die dafür eingesetzt wurden, um 2009 die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, zu tilgen. Das ist nicht passiert. Daran rühren Sie nicht: Sie tilgen sie nicht, obwohl die wirtschaftliche Lage exzellent ist. Wir müssten - als Sozialdemokraten stehen wir dafür - die Subventionen in Deutschland streichen. Haben Sie das getan? Oder haben Sie Subventionen erhöht? Sie haben mit dem Hotelsteuerprivileg - auch Herr Trittin hat darauf hingewiesen - den Hoteliers knapp 5 Milliarden Euro in die Tasche gesteckt. Das Ganze haben Sie mit Steuergeld subventioniert. Das Ergebnis Ihrer Politik sind höhere Schulden. Deswegen kann ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur zu dem Schluss kommen, dass Sie selbst nicht mehr glauben, für die Vorschläge, welche die Union hier heute oder in den vergangenen Tagen vorgelegt hat, Verantwortung übernehmen zu können. Auch glauben Sie nicht, sie umsetzen zu können; denn wenn Sie sich einigermaßen ernst nehmen würden, könnten Sie nicht - wie Herr Ramsauer das getan hat - für Eigenheimzulagen in Höhe von 8 Milliarden Euro sein. Dann können Sie auch nicht, wie die FDP, für die Abschaffung des Solis - das macht 13 Milliarden Euro aus - sein. Auch können Sie dann nicht - nachdem Sie den Staat finanziell ausgehöhlt haben - auf der anderen Seite Mehrausgaben in der Größenordnung von Milliarden planen, die nicht zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und zu mehr Gerechtigkeit in Deutschland führen. Vielen Dank. ({9})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Otto Fricke. Bitte schön, Kollege Otto Fricke. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um Wahlversprechen und den Vorwurf der Wahllüge. An die Adresse der SPD muss ich sagen: Ich kann verstehen, dass Sie sich mit dem Thema Wahllügen beschäftigen, aber nur, weil Sie mit der größten Wahllüge in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Erfahrungen gemacht haben. Sie haben doch gesagt: 18 Prozent Mehrwertsteuer gibt es mit uns nie! Kaum hatten Sie eine Koalition mit der CDU/CSU gebildet, haben Sie aber gesagt: 19 Prozent Mehrwertsteuer gibt es mit uns auf jeden Fall. ({0}) So viel zum Thema Wahllügen. ({1}) Es gibt eigentlich nur ein vernünftiges Wahlgeschenk, das man als Politiker dem Bürger machen kann: solide Haushalte und eine stabile Währung. Alles andere ist kein Geschenk an die Bürger. Nichts anderes können wir machen; denn es geht nicht um unser Geld, sondern um das Geld der Bürger. Wir haben die Verantwortung, für Stabilität zu sorgen, und das haben wir in den letzten vier Jahren getan. Zu den Vorwürfen, die hier geäußert wurden, und zu der Schwarzmalerei will ich Folgendes sagen: Ich bitte, irgendwann einmal zu erkennen, dass wir nicht auf einer Insel leben, sondern in einer globalisierten Welt. Was sagen Ihnen die Leute, die nur 1 Kilometer hinter der deutschen Grenze leben? Die sagen: Mensch, die Haushaltszahlen, die die schwarz-gelbe Koalition geschaffen hat, die hätte ich gerne in unserem Land; dann ginge es uns besser. Die Wirtschaftszahlen, die Schwarz-Gelb in den letzten vier Jahren erreicht hat, die hätte ich gerne; dann ginge es uns besser. Die Arbeitslosenquote, die Schwarz-Gelb gesenkt hat, hätte ich gerne; dann ginge es uns besser. So sichere Renten wie in Deutschland hätte ich gerne; dann ginge es uns besser - usw. ({2}) Das wollen Sie einfach nicht wahrhaben. Sie schauen nur auf den eigenen Bauchnabel. Ich will noch etwas anderes sagen: Wir müssen immer wieder verdeutlichen, wie das politische Spiel leider oft läuft. Jeder Politiker, der sagt: „Das ist ein guter Grund, mehr Geld auszugeben, und das ist auch ein guter Grund, mehr Geld auszugeben“, der bekommt von den Betroffenen immer Zustimmung. Das findet man gut. Das ist anders bei demjenigen, der sagt: Ich finde das auch nicht schlecht, aber wir müssen das finanzieren können. - Ich will das einmal am Beispiel Mütterrente verdeutlichen: Meine Mutter gehört zu der Alterskohorte, die das treffen würde. Sie würde für ihre Erziehungsleistung etwas bekommen. Ich werde zu diesem Thema trotzdem immer sagen: Das geht nur dann, wenn wir es finanzieren können. ({3}) Ich habe die CDU so verstanden - das will ich deutlich sagen; da bin ich mir ziemlich sicher -, dass sie die schwarze Null genauso wie wir erreichen will. Ich habe die CDU so verstanden, dass sie mit der Schuldentilgung spätestens 2016 beginnen will. ({4}) Wenn es doch nicht so kommen sollte, wenn es Schwierigkeiten geben sollte, was ich mir aber nicht vorstellen kann, dann kann ich nur eines feststellen: Die Garanten für solide Haushalte sitzen in diesen Reihen. Garant für solide Haushalte ist die FDP. Das haben wir in den letzten vier Jahren deutlich gezeigt. ({5}) Ich habe nicht die Hoffnung, dass die Opposition eine solide Haushaltspolitik betreiben würde. Ganz ehrlich: Immer dann, wenn ich in der letzten Zeit dachte, dass an dem, was Herr Trittin zu Steuern und Abgaben sagt, vielleicht etwas Wahres dran sein könnte, ({6}) dann habe ich mir die Aussagen von Boris Palmer, Christine Scheel und Winfried Kretschmann vor Augen geführt, und dann wusste ich ziemlich sicher, dass das, was die Grünen wollen, eigentlich nur Quatsch ist, es ihnen im Wahlkampf aber wohl ein bisschen hilft. Herr Trittin, Sie sagen: Es ist gar kein Problem, wenn 10 Prozent der Steuerzahler mehr bezahlen. ({7}) - Sehen Sie, das ist der Unterschied. Sie gehen nur nach der Frage der Maximierung - wo kriege ich den größten Applaus? -, während es für uns beim Thema Steuern nicht darum geht, zwischen 90 und 10 aufzuteilen. ({8}) Die 10 Prozent entsprechen 5 Millionen Steuerzahlern, 5 Millionen Bürgern dieses Landes, die viel dafür tun, dass es in diesem Land vorangeht. Diese 5 Millionen Leute sind Ihnen vollkommen egal. Das ist Ihre Politik gegenüber den Menschen, die in diesem Land Leistung erbringen. ({9}) Ich will noch etwas zur SPD sagen. Herr Steinmeier ist jetzt leider auch nicht mehr da. - Doch, er sitzt dort hinten. Ich bitte um Entschuldigung. - Herr Steinbrück hat hier immer wieder gesagt, dass sich die SPD auch ein bisschen an ihn anpassen muss. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass Herr Steinbrück sich nur noch an die SPD anpasst. Herr Steinmeier, was Sie in Ihrer Rede gemacht haben, war spannend. Sie haben immer wieder gesagt, wie schlimm das alles sei. Wenn ich das richtig sehe, sind Sie, Herr Steinmeier, aber gar nicht gegen die Vorschläge der Kanzlerin, oder? Sie unterstützen doch all diese Vorschläge. Das haben Sie aber nicht gesagt. Das haben Sie klammheimlich unter den Tisch fallen lassen. Oder sind Sie dagegen? Sind Sie gegen die Vorschläge der CDU zur Rente? Ja oder nein? ({10}) - Sehen Sie, da läuft das Spiel wieder. ({11}) Man kritisiert, und gleichzeitig ist man klammheimlich dafür. Das ist Ihre Art und Weise. Jetzt werden viele Bürger, die zugehört haben, fragen: Na ja, ist ja schön, dass der von der FDP das erzählt, aber stimmt das? Daher werde ich die Zahlen, die dies beweisen, kurz darlegen. Wenn es um vernünftige Haushalte geht, wenn es um die Vermeidung von Wahlgeschenken geht, dann muss ich nur auf eines schauen: auf die Ausgaben. Es ist wie beim Bürger selbst. Wann hat er Probleme? Wenn die Ausgaben zu hoch sind. Schauen wir uns das einmal an. Wir hatten sieben Jahre RotGrün. Was ist in dieser Zeit mit den Ausgaben passiert? 26 Milliarden Euro mehr Ausgaben am Ende der Legislaturperiode. Dann hatten wir vier Jahre Große Koalition. 31 Milliarden Euro mehr Ausgaben am Ende der Legislaturperiode. Dann kam die FDP in die Regierung. Was passierte? ({12}) Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben wir die Ausgaben um fast 2 Milliarden Euro am Ende einer Legislaturperiode gesenkt. Ich sage Ihnen: Das ist die Kunst, gute Haushaltsführung zu machen. Das sind die Wahlgeschenke, für die der Beschenkte am Schluss nicht zahlen muss. Herzlichen Dank. ({13})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Lisa Paus. Bitte schön, Frau Kollegin Paus.

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kampeter, ich empfehle Ihnen, zumindest einen der inzwischen unzähligen Faktenchecks zum grünen Steuerkonzept zu lesen. Sie alle bestätigen, dass das, was wir gesagt haben, stimmt. 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land sollen entlastet werden. ({0}) 10 Prozent sollen belastet werden. Die reichsten 0,4 Prozent - das sind rund 350 000 Bürgerinnen und Bürger in diesem Land - wollen wir tatsächlich zu einer einmaligen Vermögensabgabe heranziehen. Das Betriebsvermögen soll nicht in der Substanz besteuert werden, ({1}) das haben wir eindeutig ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage können wir in diesem Land endlich damit anfangen, Schulden abzubezahlen. ({2}) Herr Fricke, ich finde es gut, wie Sie die Wahlversprechen der CDU hier durchaus kritisiert haben. Da bin ich an Ihrer Seite. Aber was ist denn mit den Wahlversprechen der FDP? Dazu haben Sie hier kein Wort verloren. Auch Sie versprechen 30 Milliarden Euro Steuerentlastungen und sagen mit keinem Wort, wie Sie das finanzieren wollen. Das hätten Sie hier machen können. ({3}) Treffsicher zum Vatertag ging es los. Da versprach Finanzminister Schäuble die Einführung des Familiensplittings. Über Kosten und Ausgestaltung hat er sich erst einmal ausgeschwiegen und das natürlich mit Grund; denn das Familiensplitting - wir haben es einmal nachrechnen lassen - würde in diesem Land Steuerausfälle von über 30 Milliarden Euro bedeuten. ({4}) Finanzierung? Fehlanzeige. Letzte Woche legte die Kanzlerin nach und machte Wahlversprechen in Höhe von 29 Milliarden Euro. Das Familiensplitting hat sie ein bisschen eingeschrumpft, dafür soll es eine Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds geben. Diese geplante Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeld würde Mehrausgaben in Höhe von 7,5 Milliarden Euro bedeuten. Aber auch hier gilt: Finanzierung? Fehlanzeige. ({5}) Dies sind Wahlversprechen auf ungedecktem Scheck. ({6}) Dabei könnte man es schon bewenden lassen, weil man davon ausgehen kann, dass es ja sowieso nicht dazu kommt. Aber es ist interessant, sich einmal genauer anzusehen, was der Schwerpunkt des CDU-Wahlkampfes werden wird: Familienpolitik sozusagen als die Speerspitze. Dafür will sich die CDU/CSU einsetzen. Wie sieht denn die Familienförderung à la Merkel aus, wie sie uns bisher bekannt geworden ist? ({7}) Es ist nichts anderes als eine Umverteilung von unten nach oben. Der richtige Name steht drauf, Familienförderung, aber der Inhalt ist völlig falsch. Das Einzige, das Sie damit machen, ist eine Klientelbedienung, eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Daran erinnern wir uns noch sehr gut. Außerdem geht Ihr Konzept an der Lebensrealität, den Bedürfnissen und Problemen von Familien in diesem Lande vollkommen vorbei. ({8}) Ich fange an mit der Umverteilung von unten nach oben. Wir erinnern uns noch an den Anfang dieser Legislaturperiode. Auch da haben Sie den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöht. Dies bedeutete pro Monat: 0 Euro für Kinder, deren Eltern im Hartz-IV-Bezug sind, 20 Euro mehr für die Mittelschicht und 40 Euro mehr für die oberen 10 Prozent. Was schlagen Sie, innovativ wie Sie sind, diesmal vor? Wiederum 0 Euro für Kinder, deren Eltern im Hartz-IV-Bezug sind, 35 Euro mehr für die Mittelschicht und ganze 53 Euro mehr für die oberen 10 Prozent. Die oberen 10 Prozent sollen noch einmal mehr bekommen. Die Schere zwischen den oberen 10 Prozent und der Mittelschicht würde durch Ihre Vorschläge von 93 Euro auf 111 Euro pro Kind erweitert. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Vorschlag, meine Damen und Herren von der CDU/CSU! ({9}) Ich stelle es noch einmal anhand konkreter Zahlen zum Kinderregelsatz dar. Zurzeit ist der Kinderregelsatz gestaffelt, abhängig vom Alter des Kindes. Da bekommt man für ein Kind von null bis sechs Jahren 215 Euro im Monat und für ein Kind bis zu 18 Jahren 287 Euro im Monat. Das gilt für die Kinder der Armen in diesem Lande. ({10}) Ihr Vorschlag sieht vor, dass die Kinder aus wohlhabenden Familien in diesem Lande nicht 215 Euro oder 287 Euro monatlich vom Staat bekommen, sondern dass sie mit monatlich 330 Euro bezuschusst werden. Darauf können sich die oberen 10 Prozent in unserem Lande bei der CDU/CSU verlassen. Ich finde, das sollte man den Bürgerinnen und Bürgern sagen, meine Damen und Herren. ({11}) Wir sehen nicht ein, dass ein Kind aus einer wohlhabenden Familie mehr staatliche Förderung bekommen soll als ein Kind im Regelsatzbezug. ({12}) Deswegen schlagen wir in der Tat etwas anderes vor. Wir finden, jedes Kind in diesem Land ist gleich viel wert; es sollte zumindest dem Staat bei der Förderung gleich viel wert sein. Deswegen wollen wir die unübersichtlichen Regelungen von Kinderregelsatz, Kinderzuschlag, Kinderfreibetrag und Kindergeld zu einer Kindergrundsicherung zusammenfassen. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode mit dem Einstieg in die Kindergrundsicherung beginnen. Darauf können Sie sich bei uns verlassen. ({13}) Ich habe, was die CDU/CSU angeht, noch etwas vergessen. Sie sind ja so stolz darauf, das Ehegattensplitting nicht anfassen zu wollen. Auch wir werden das Ehegattensplitting nicht auf einen Schlag abschaffen. Aber wir halten es in der Tat nicht für sinnvoll, dass eine wohlhabende Familie in diesem Lande, die wirklich richtig viel verdient, durch den Ehegattensplittingvorteil zurzeit bis zu 15 800 Euro pro Jahr zusätzlich vom Staat geschenkt bekommt. Wir finden, das muss nicht sein. Dieses Geld wollen wir sinnvoller ausgeben. Deswegen wollen wir den Ehegattensplittingvorteil abschaffen - Entschuldigung, abschmelzen. ({14}) - Abschmelzen. ({15}) Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ihre Vorschläge gehen an der Lebensrealität der Menschen in diesem Lande vorbei. ({16}) Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum eine Familie, die sich vornimmt, die Kinder gemeinsam zu betreuen, dann, wenn beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren, schlechter gestellt werden soll als eine Familie, in der der eine Partner voll und der andere nicht arbeitet. ({17}) Wir finden, das ist ungerecht gegenüber den Familien und den Alleinerziehenden in diesem Lande. Über 25 Prozent der Kinder in diesem Lande wachsen im Moment nicht in einer traditionellen Familie auf. Familienförderung muss da stattfinden, wo Kinder sind. Deswegen muss sie zielgenau neu ausgerichtet werden, durch eine Verbesserung der Infrastruktur und den Einstieg in die Kindergrundsicherung. Das können Sie am 22. September dieses Jahres wählen. ({18})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön, Kollege Norbert Barthle. ({0})

Norbert Barthle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir die Debattenbeiträge anhöre, dann muss ich sagen: Kleines Kompliment an die Linken; bei Ihnen weiß man wenigstens, was Sie kritisieren. Wenn ich mir aber die Redner von Rot und Grün anhöre, dann muss ich sagen: Bei Ihnen herrscht argumentatives Durcheinander. Da blickt man gar nicht mehr durch, was Sie an der Regierungspolitik eigentlich kritisieren wollen. ({0}) Das zeigte sich schon bei der Beantragung dieser Aktuellen Stunde. Eigentlich haben wir es ja mit einem Plagiat zu tun. Denn zuerst haben die Grünen eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt, dann kam die alte Tante SPD hinterhergetrabt und hat zum selben Thema ebenfalls eine Aktuelle Stunde beantragt. Das heißt: Ihnen fehlt der Ansatzpunkt und Ihnen fehlen die Ideen, um überhaupt Kritik an der Regierungsarbeit zu üben. ({1}) Es läuft immer auf dasselbe hinaus; das ist schon interessant und wirft ein Schlaglicht auf die derzeitige Situation. In der Opposition weiß man offensichtlich nicht so recht, wo man ansetzen soll. Das ist auch kein Wunder. Denn wenn Sie ernsthaft die Frage stellen, wie die Ankündigungen der Bundeskanzlerin, die zum großen Teil auf Parteitagsbeschlüssen beruhen, finanziert werden sollen, müssen Sie sich aus meiner Sicht die Gegenfrage gefallen lassen: Wo waren Sie eigentlich in den letzten vier Jahren? Haben Sie im Ausland gelebt? Wir haben doch vier Jahre lang gezeigt, wie es geht. ({2}) Wir haben vier Jahre lang gezeigt, dass wir solide wirtschaften können, dass wir mit dem Geld der Steuerzahler sparsam umgehen und dass wir seriöse Politik machen. Wir haben es uns in diesen vier Jahren leisten können, neue Maßnahmen einzuleiten bzw. neue Ausgaben zu beschließen, und trotzdem haben wir die Neuverschuldung massiv zurückgeführt. Wir haben uns finanzielle Spielräume erwirtschaftet, und diese haben wir auch genutzt. Meine Damen und Herren, wie war denn die Ausgangslage? Wenn sich Herr Steinmeier hier darüber erregt, dass in der Regierungszeit der Kanzlerin 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht worden seien, dann hätte er sich an seinen Sitznachbar Steinbrück wenden müssen: Der hat in einem Jahr gleich mal 86 Milliarden Euro neue Schulden machen wollen, 86 Milliarden in einem, nicht in vier Jahren. ({3}) Für 2010 hatte Finanzminister Steinbrück 86 Milliarden Euro neue Schulden vorgesehen; das lässt sich im Haushaltsplan nachlesen. ({4}) Nach 86 Milliarden Euro damals, vor vier Jahren, sind wir jetzt bei 6 Milliarden. Das ist eine Leistung! Ein Rückgang um 80 Milliarden - das hat noch keine Regierung geschafft, insbesondere keiner von denen, die heute in der Opposition sind, im Bund sowieso nicht, und in den Ländern machen Sie das Gegenteil. ({5}) Man braucht sich die Zahlen nur anzugucken: Im Jahr 2014 werden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen, im Jahr 2015 einen Haushalt ohne jegliche Neuverschuldung - so etwas ist bisher noch nie erreicht worden -, und im Jahr 2016 beginnt die Rückzahlung der Schulden. ({6}) Das ist die Bilanz dieser Koalition, das ist die Bilanz, mit der wir vor die Wählerinnen und Wähler treten. Da werden die Fakten überzeugen und nicht das laute Geschrei von Herrn Trittin. ({7}) Der Kollege Fricke hat darauf hingewiesen, wie wir das erreicht haben, nämlich indem wir die Ausgaben stabil gehalten haben. Wir geben nach vier Jahren Regierungszeit 2 Milliarden Euro weniger aus als am Anfang der Legislaturperiode. ({8}) Zeigen Sie mir ein Bundesland, in dem SPD oder Grüne regieren - mit Baden-Württemberg gibt es ja inzwischen auch ein Bundesland, in dem die Grünen regieren -, wo am Ende der Legislaturperiode weniger ausgegeben wird als am Anfang! ({9}) Ich kenne keins. Das liegt daran, dass SPD und Grüne nicht sparen können. Sie können es nicht. Wir haben bewiesen, dass wir es können. Das ist die Bilanz, mit der wir vor die Wählerinnen und Wähler treten. ({10}) Wir haben die Neuverschuldung zurückgeführt, obwohl in diesen vier Jahren externe neue Herausforderungen auf uns zugekommen sind: Wir haben den Kapitalstock des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, befüllt. Wir haben die Mittel der Europäischen Investitionsbank aufgestockt, damit sie armen Ländern helfen kann. Das waren zusätzliche Ausgaben von 20 Milliarden Euro. Wir haben die Länder und die Kommunen entlastet; auch das waren rund 20 Milliarden Euro. Wir haben die Bürgerinnen und Bürger in den letzten vier Jahren um rund 25 Milliarden Euro entlastet. Wir haben den Beitrag zur Rentenversicherung auf 18,9 Prozent gesenkt. Wir haben die Praxisgebühr abgeschafft usw. usf. Wir haben in diesen vier Jahren 13 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgegeben, 13 Milliarden zusätzlich. Wir haben in diesem Parlament entschieden, dass wir für Infrastrukturmaßnahmen 1,7 Milliarden Euro mehr ausgeben. Sie sehen: Wir geben an den richtigen Stellen mehr Geld aus - weil wir uns die Spielräume dafür erwirtschaftet haben - und sparen an anderer Stelle. ({11}) Die kluge Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble - im Parlament ergänzt durch Volker Kauder und Rainer Brüderle - hat dazu geführt, dass wir uns etwas leisten und trotzdem die Verschuldung zurückführen können. ({12}) Schauen wir uns nun an, was in den Ländern geschieht! Was erleben die Bürger in Baden-Württemberg? Da werden nicht nur die Schulden erhöht - 3,3 Milliarden Euro mehr -; da werden die Gebühren erhöht, die Steuern werden erhöht, und die Neuverschuldung wird erhöht. Das ist die Bilanz der Grünen in BadenWürttemberg, Herr Trittin. Was geschieht in NRW? Genau dasselbe. ({13}) Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, dort, wo SPD oder Grüne regieren, wird mehr abgezockt, mehr ausgegeben und werden mehr Schulden gemacht. ({14}) Da, wo wir regieren, wird solide und seriös regiert. Danke. ({15})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes Kahrs. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja hier schon über einen längeren Zeitraum eine Aktuelle Stunde, die wir beantragt haben. Es steht in der Tagesordnung: Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Wahlversprechen der Bundeskanzlerin. Es ist weder die Bundeskanzlerin noch irgendeiner der verantwortlichen Minister anwesend. ({0}) Es wäre reizend, wenn bei der Diskussion hier im Parlament - wir sind nun einmal der Souverän - die Bundeskanzlerin und die zuständigen Fachminister zugegen wären. ({1}) Alles andere - das muss man auch einmal sagen - ist einfach Ausdruck mangelnden Respekts vor diesem Parlament, und das ist unanständig. ({2}) Ich schätze den Kollegen Steffen Kampeter ja sehr. ({3}) Aber er ist einer von nur zweien, die auf dieser Regierungsbank sitzen. ({4}) Auf die Sachebene hat er sich in seiner Rede auch nicht wirklich verirrt. Schauen Sie sich einfach einmal an, wie diese Regierung hier präsent ist. Das zeigt auch, was diese Regierung von den Versprechen der Bundeskanzlerin hält. Wenn man diese Frage nicht diskutieren will, sich drückt und feige in die Büsche schlägt, dann kann es eben nicht so sein; dann hat man ein Problem. Schauen Sie sich des Weiteren einmal an, was denn innerhalb der CDU/CSU von den Vorschlägen der Kanzlerin gehalten wird. Dann wird es erst richtig interessant. So war in Spiegel Online zu lesen: „Unionspolitiker fordern Sonderparteitag von Merkel“. Denn bei Ihnen soll es keinen Parteitag geben, sondern einige Funktionäre sollen das abnicken. Herr Schlarmann, der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, hat sich zu Wort gemeldet und gesagt: Die Willensbildung einer Partei muss, ähnlich wie in jedem Verein, in den dafür vorgesehenen Gremien stattfinden. Und nicht in kleinen, intransparenten Führungszirkeln. Deshalb wäre es sinnvoll, über das Wahlprogramm und die Art des Wahlkampfs, so wie unsere Mitbewerber, auf einem Parteitag zu diskutieren. Ehrlich: Dazu kann man nicht viel sagen - außer: Der Mann hat recht. ({5}) Das sieht auch die FDP so; denn sie hat auch einen Parteitag veranstaltet. ({6}) - Das macht sich besser. Wenn man sich das anguckt, stellt man fest, dass man innerhalb der CDU/CSU gerne auch einmal über die Vorschläge der Kanzlerin sprechen würde. Schauen wir uns einfach einmal an, um welche Vorschläge es hier geht. Es gibt zum Beispiel Ärger über die Mietpreisbremse - etwas, was wir Sozialdemokraten fordern, was wir richtig und gut finden und was den Anstieg der Mieten insbesondere in den Ballungszentren begrenzen soll. Dann wird hier im Deutschen Bundestag ein Gesetz beschlossen, in dem überhaupt nichts zu diesem Thema steht, obwohl wir es mehrfach gefordert haben. ({7}) - Das Gegenteil steht drin. Carsten Schneider hat wie immer recht. Jetzt haben wir folgendes Problem: Die Kanzlerin verspricht etwas, obwohl das Gesetz erst vor einigen Wochen beschlossen wurde. Wir fragen uns alle, warum sie diese Eingebung nicht etwas früher hatte. Man muss sich einfach einmal anhören, was innerhalb der CDU zu dem Vorschlag der Kanzlerin gesagt wird. Da meldet sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer. Er wähnt Frau Merkel schon auf dem Weg in den Sozialismus. „Wohin das führen kann, haben wir in der DDR auch gesehen“, sagte er. ({8}) So viel zum Thema Mietpreisbremse. Man weiß also, warum man keinen Parteitag zu dem Thema veranstaltet; denn das könnte peinlich werden. Wir haben uns als SPD dann hier hingestellt und gesagt: Natürlich kann man das alles versprechen. Das sind alles schöne Dinge. Es gibt viele Menschen, die davon positiv betroffen sind. Das ist alles in Ordnung. Die Frage ist nur: Wie wird das gegenfinanziert? Wenn man diese Frage stellt, fangen die Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU an, mit großer Lautstärke über die SPD, die Linke und die Grünen zu reden. Nur auf der Sachebene sind sie auf einmal ganz weit weg; denn es ist keine Gegenfinanzierung vorhanden. Dann werden wir kritisiert, weil wir konkrete Vorschläge zur Gegenfinanzierung dessen, was wir wollen, gemacht haben. Unseriöser geht es gar nicht mehr. Aber in solchen Fällen hat man ja einen Fraktionsvorsitzenden. Das ist nicht nur bei der SPD so, sondern auch bei der CDU/CSU. Weil Herr Kauder ahnt, was auf ihn zukommt, hat er sich auch gleich gemeldet und gesagt - das fand ich immer ganz wunderbar -: Was wir in unserem Wahlprogramm versprechen, steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. - Das heißt also: Lasst doch die Merkel versprechen, was sie will. Das sammeln wir sowieso alles wieder ein. Sie kann sich ruhig den ganzen Tagen hinstellen und irgendetwas erzählen. Wir werden das nicht machen. Und deswegen brauchen wir auch keinen Parteitag. ({9}) Das ist unsolide und nicht reell, zeigt aber, wie weit es mit der Union gekommen ist. Abschließende Bemerkung: Dass gespart würde diese Illusion wollen wir uns doch gleich mal nehmen. Wir hatten gestern den Fachminister de Maizière hier, der Hunderte von Millionen verschleudert hat und dann sagt, es ist gute Praxis in seinem Ministerium, den Minister nicht zu informieren. Na dann Glück auf! ({10})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Thomas Strobl. Bitte schön, Kollege Thomas Strobl. ({0})

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat Unterschiede deutlich gemacht: SPD und Grüne stehen für die Aufnahme neuer Schulden und wollen höhere Steuern. ({0}) Das, was die CDU/CSU dagegen in ihr Regierungsprogramm schreibt, geht nicht über die finanziellen Verhältnisse hinaus. Wir werden keine zusätzlichen Schulden aufnehmen und werden auch nicht die Steuern erhöhen. ({1}) Aber wir werden selbstverständlich Prioritäten setzen. Wir werden die Spielräume, die wir gemeinsam mit den fleißigen Menschen in diesem Lande erarbeitet haben, zur Politikgestaltung nutzen. Was SPD und Grüne hingegen in ihren Wahlprogrammen versprechen, ist unglaubwürdig, ungerecht und für den Erhalt der Arbeitsplätze in unserem Lande ungemein gefährlich. Trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung, trotz staatlicher Rekordeinnahmen wollen Sozialdemokraten und Grüne massiv Steuern erhöhen. Das müsse so sein, so erzählen sie uns gerne, weil sie die Mitte der Gesellschaft entlasten wollten. Ich frage mich ernsthaft: Welche Mitte meinen Sie eigentlich, wenn Sie dieses Wort in den Mund nehmen? Wenn Sie die Mitte der Gesellschaft entlasten wollten, dann hätten Sie das gemeinsam mit uns längst tun können. Wir haben seit zwei Jahren in allen Branchen Lohnzuwächse. Aber Sie verhindern, dass diese Lohnzuwächse bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen. Sie verweigern im Bundesrat bei der Einkommensteuer die Anpassung an die Preisentwicklung. Sie blockieren den Abbau der kalten Progression. ({2}) Das ist Ihre erste Steuererhöhung für die Mittelschicht. Sie trifft die Ehrlichen und Fleißigen. Das ist Ihre Politik gegen die kleinen Leute. Aber es kommt noch besser, meine sehr verehrten Damen und Herren. Den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer haben Sie gemeinsam mit uns erhöht, weil das verfassungsrechtlich geboten war, aber die dazugehörende Anpassung des Einkommensteuertarifs haben Sie dann blockiert. Das Ergebnis ist: Der Tarifverlauf steigt jetzt noch viel steiler an, und zwar gerade bei den kleinen Einkommen. Das ist Ihre Politik: Gegen die Reichen reden und bei den Kleinen und in der Mitte abkassieren und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schröpfen. ({3}) Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. ({4}) Thomas Strobl ({5}) Ein Zweites. Steuererhöhungen, so die SPD und die Grünen, müssten sein - das erzählen sie uns gerne -, weil sie ohne neue Schulden auskommen wollten. Ich weiß gar nicht, wo die SPD und die Grünen waren, als wir hier die Eckpunkte für den Bundeshaushalt beschlossen haben. Diese Bundesregierung legt für das nächste Jahr einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt vor. ({6}) Wenn es Ihnen beim Thema Schuldenabbau ernst wäre, dann hätten Sie doch längst dort, wo Sie regieren, ({7}) Ihren Worten Taten folgen lassen können. ({8}) Doch wie sieht die Wirklichkeit aus, Kollege Lange? In Nordrhein-Westfalen stehen Rot-Grün seit 2010 zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 6 Milliarden Euro zur Verfügung, 6 Milliarden Euro mehr, als beim Regierungswechsel zu erwarten waren. In Baden-Württemberg sind es 4 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen. Und was passiert? ({9}) In Nordrhein-Westfalen haben Sozialdemokraten und Grüne dreimal in Folge einen verfassungswidrigen Schuldenhaushalt vorgelegt. Hannelore Kraft ist die Schuldenkönigin in Nordrhein-Westfalen. ({10}) In Baden-Württemberg macht die grün-rote Landesregierung allein im aktuellen Haushalt 3,5 Milliarden Euro Schulden. Man möchte planvoll bis zum Jahr 2020 jedes Jahr zusätzliche milliardenschwere Schulden anhäufen, so sagen die Grünen in Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann ist der Schuldenpräsident in Baden-Württemberg. Unionsgeführte Länder hingegen machen längst keine Schulden mehr. Bayern etwa plant den Abbau der alten Schulden. Das zeigt die Wirklichkeit: Nicht die SPD, nicht die Grünen, sondern die Union, diese Koalition stehen für eine solide Finanz- und Haushaltspolitik. ({11}) Nun, meine Damen und Herren, wollen wir zu einem entscheidenden Punkt kommen. Da es heute um Wahlzusagen geht, schauen wir einmal das grüne Wahlprogramm an. Wofür brauchen Sie denn das Geld aus den von Ihnen geplanten Steuererhöhungen? Sie wollen Hartz IV erhöhen und zugleich die Sanktionen für Arbeitsunwillige abschaffen. Das heißt: bedingungsloses Grundeinkommen. Trittin - er ist nicht mehr im Saal macht die grüne Partei zu einer roten Partei. Sie wollen die Einkommen der Mittelschicht stärker besteuern und reichen das Geld nach Hartz IV durch. Und ausgerechnet Sie wollen nun mit uns im Wahlkampf über Gerechtigkeit reden. ({12}) Nun, wenn das Ihre soziale Gerechtigkeit ist, dann reden wir gerne mit Ihnen über soziale Gerechtigkeit. ({13}) Aber dann reden wir nicht nur über Hartz IV, sondern auch über Gerechtigkeit für nachfolgende Generationen ({14}) und für Familien mit Kindern, über die Renten von Müttern und auch über die Gerechtigkeit für die, die morgens um sechs auf den Wecker hauen, um sieben zur Arbeit gehen und abends müde ins Bett fallen, weil es auch für sie eine soziale Gerechtigkeit gibt. Auch darüber werden wir reden. ({15}) Darum geht es im September. Die Wählerinnen und Wähler werden dann dafür sorgen, dass Sie sich nach der Wahl weder beim Bundeshaushalt noch bei der Mittelschicht bedienen können. ({16})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Anton Schaaf. Bitte schön, Kollege Anton Schaaf. ({0})

Anton Schaaf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003623, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! So ein schäbiges Spiel habe ich ganz selten erlebt, und zwar in doppelter Hinsicht. ({0}) Die Kanzlerin war am Wochenende unterwegs und hat sozialpolitische Vorschläge gemacht. Einige davon können wir übrigens absolut nachvollziehen. ({1}) Aber diese Koalition hier hat die Kanzlerin mit ihren Vorschlägen heute in ihren Wortbeiträgen völlig alleine gelassen. Keiner ist der Kanzlerin bei diesen Vorschlägen beigesprungen, und niemand von Ihnen hat hier darstellen können, wie man diese Vorschläge finanzieren will. Ganz im Gegenteil! Der Fraktionsvorsitzende der Union hat am Montag bzw. Dienstag sofort gesagt: Ach, die Kanzlerin kann vorschlagen, was sie will. Das steht alles unter Finanzierungsvorbehalt. - Die Redner der Koalition haben sich hierhingestellt und ausschließlich über solide, ausgeglichene Haushalte diskutiert. Wenn man ehrlich miteinander ist, dann muss man doch sagen: Um die Mütterrente für die Mütter, die vor 1992 Erziehungszeiten hatten, anständig zu gestalten und mit der Mütterrente gleichzustellen, die die Mütter erhalten, die nach 1992 Erziehungszeiten haben, braucht man 13,2 Milliarden Euro. Norbert Barthle, sag mir einmal, wo die 13,2 Milliarden Euro herkommen sollen. Dazu hat keiner der Rednerinnen und Redner der Koalition auch nur ein einziges Wort gesagt. Sie haben gesagt: Wir machen keine Schulden. Sie haben sogar gesagt: Wir senken die Steuern. Wir erhöhen nicht die Beiträge Trotzdem wollen Sie 13,2 Milliarden Euro für die Mütterrente irgendwo herhaben. Es ist schäbig, so zu argumentieren und zu agieren. ({2}) Da ich gerade bei der Wahrheit bin: Norbert Barthle, wenn ich mich recht entsinne, ging es um den Haushalt mit 86 Milliarden Euro Neuverschuldung, den Peer Steinbrück im Rahmen der Großen Koalition vorgelegt hat. ({3}) Wer war denn da eigentlich haushaltspolitischer Sprecher der Union? ({4}) Wer hat diesen Haushalt denn durchgehen lassen? Sie waren das, Norbert Barthle, und Ihre Fraktion war mit dabei. ({5}) Sie wissen auch genau, wie diese 86 Milliarden Euro zustande gekommen sind. Es ist schäbig, so zu argumentieren. Es ging natürlich darum, dass wir ein kommunales Investitionsprogramm brauchten, und es ging natürlich darum, die Kurzarbeiterregelung zu verlängern. ({6}) Das war der Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg, den wir jetzt im Moment auch in diesem Lande haben. Deswegen ist es schäbig, so zu argumentieren. ({7}) Übrigens: Dieses Spiel zwischen FDP und Union jetzt gerade ist auch bezeichnend. Um das einmal klipp und klar zu sagen: Das ist wirklich Wahlbetrug. Die Kanzlerin versucht, die Wählerinnen und Wähler mit sozialpolitischen Vorschlägen massiv einzuschläfern, und die FDP hält wirtschaftsliberal komplett dagegen. Beide glauben, damit ihre Wählerklientel bedienen zu können. Aber das geht nicht mehr auf, und ich sage Ihnen auch, wieso nicht. Ich mache das einmal an einem Beispiel fest. Die Mütterrente wäre ein solches Beispiel, Kollege Kampeter. Sie wollen übrigens nicht 13,2 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Mütterrenten anzugleichen, sondern nur 6 Milliarden Euro. Sie stellen die Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, gar nicht den anderen gleich. Das ist überhaupt nicht Ihr Interesse. Sagen Sie das doch! Sie wollen nur 6 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Es geht Ihnen um die Ausweitung von einem Entgeltpunkt auf zwei Entgeltpunkte. Die Mütter der nach 1992 geborenen Kinder haben aber drei Entgeltpunkte. Sie wollen auch hier ungleich behandeln. Keine Besserstellung, weiterhin Ungleichbehandlung: Das ist die Wahrheit, um die es hier geht. Hinsichtlich der Wahlversprechen kann man ja einmal den Faktencheck machen. Ich habe mir Ihren Koalitionsvertrag herausgesucht ({8}) und mir nur einmal die Themen angeschaut, um die ich mich in den letzten Jahren gekümmert habe, und geguckt, was Sie davon versprochen und abgearbeitet haben: Sie haben eine Verbesserung bei der Kindererziehung und der Alterssicherung versprochen. In dieser Legislaturperiode: Totalausfall! Nichts passiert! Der Kampf gegen Altersarmut steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Nichts ist passiert, überhaupt nichts. Sie sind komplett gescheitert. Frau von der Leyen ist mit ihrer Lebensleistungsrente komplett vor die Wand gefahren. Sie hat rentenpolitisch überhaupt nichts umsetzen können. Um ehrlich zu sein: Rentenpolitisch, aber auch insgesamt sozialpolitisch sind Sie eine Nichtregierungsorganisation, zumindest für diese Legislaturperiode. ({9}) Ich möchte auf ein Wahlversprechen eingehen, das Sie klammheimlich eingesammelt haben - damit haben Sie im Osten Wahlkampf gemacht und dafür sicherlich eine Menge Stimmen im Osten der Republik kassiert -, nämlich die Ost-West-Angleichung der Renten. Was Sie da in dieser Legislaturperiode gemacht haben, ist wirklich unanständig, um das einmal klipp und klar zu sagen. Sie haben den Menschen gesagt, Sie würden in dieser Legislaturperiode eine rentenrechtliche Angleichung erreichen. Dieses Versprechen haben Sie klammheimlich und nichtöffentlich eingesammelt. Die Menschen aber warten auf die Einlösung dieses Versprechens. Ich sage Ihnen, warum Sie dieses Versprechen eingesammelt haben. Sie haben festgestellt, dass nur eine rentenrechtliche Angleichung zwischen Ost und West nicht geht; denn dann fällt den Menschen auf, dass Ihnen die Ostrentner nichts wert sind und Sie für sie kein Geld in die Hand nehmen wollen. Die Angleichung hätte 6 Milliarden Euro gekostet. Da haben Sie sich überlegt: Dann machen wir lieber gar nichts. Dann merken die Menschen im Osten nicht, dass wir sie über den Tisch gezogen haben. Das, was die Kanzlerin vorgeschlagen hat, entspricht genau dem, was Sie mit diesem Koalitionsvertrag gemacht haben: Sie wollen die Wähler hinter die Fichte führen. Nach dem 22. September sind Ihre Ankündigungen nichts mehr wert. Deswegen macht es absolut Sinn, dass ab dem 22. September Peer Steinbrück auf dem Stuhl des Kanzlers Platz nimmt und dass sich die Regierungskoalition ändert. ({10})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion von CDU/CSU unser Kollege Hans Michelbach. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Zukunft. Es geht insbesondere um die Erhaltung der Leistungsfähigkeit für unsere Menschen, für unseren Wirtschaftsstandort und für unser Land. Das ist die Voraussetzung. Man kann immer wieder schauen, welche Modelle, welche Konzepte am erfolgreichsten waren. Wir haben den Kraftakt der deutschen Wiedervereinigung mit dem Konzept der zweiläufigen Finanzpolitik geschultert. Unter einem Finanzminister Theo Waigel haben wir gewissermaßen zweiläufig Haushaltskonsolidierung und Wachstumsentwicklung als großes Ziel, als Konzept verfolgt. ({0}) Dieses Konzept ist aufgegangen. Genau das müssen wir jetzt in der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise in Europa wieder in Angriff nehmen. Zweiläufige Finanzpolitik heißt: auf der einen Seite Haushaltskonsolidierung und auf der anderen Seite Nutzung der Wachstumspotenziale, die durch die fleißigen Menschen, durch die tüchtigen Betriebe in Deutschland zweifellos erreicht werden. ({1}) Schon einmal haben wir bewiesen, dass wir durch Wachstum weitere Spielräume erschließen können. Diese Spielräume dienen neben der Haushaltskonsolidierung dazu, die Menschen zu motivieren, die Menschen an der Aufschwungdividende teilhaben zu lassen. Das ist wichtig. Auch haben wir das Problem, dass die Menschen bei ihrer Arbeit immer mehr leisten müssen, aber der Fiskus durch die kalte Progression brutal zuschlägt, weil aufgrund des Grenzsteuersatzes trotz Erhöhung des Einkommens nicht mehr viel übrig bleibt. Sie waren es - das gebe ich Ihnen für diese Legislaturperiode mit nach Hause -, die die Abschaffung der kalten Progression, dieser heimlichen Steuererhöhung für den normalen Arbeitnehmer, blockiert haben. Diese Wahrheit müssen Sie ertragen. ({2}) Wir haben immer wieder zurückzublicken. ({3}) Wir haben 1998 trotz des Kraftaktes der deutschen Einheit eine Stabilisierung der Haushalte erreicht. ({4}) Sie wissen, wie es weiterging: Nur wenige Jahre später hat Rot-Grün, nachdem Sie 1998 die Verantwortung übertragen bekommen haben, den Offenbarungseid geleistet. Sie haben die Haushalte nicht mehr schultern können. ({5}) Sie haben nicht mehr in Wachstum investieren können. Sie haben nur noch neue Schulden gemacht. Jetzt machen wir das Gegenteil. ({6}) Wir versuchen durch die zweiläufige Finanzpolitik, 2013 die Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwinden und die Erfolgsstory fortzuführen, wie wir sie nach der deutschen Einheit und der Wiedervereinigung hatten. ({7}) Die christlich-liberale Koalition hat in dieser Legislaturperiode viel für die Menschen, für unseren Standort Deutschland erreicht. ({8}) Nun machen wir programmatisch deutlich, dass CDU und CSU die politische Kraft für soziale Marktwirtschaft, für Stabilität, für Wachstum, für gesellschaftlichen Zusammenhalt ({9}) und die Chancen auf Aufstieg sind. Es geht letzten Endes um Wachstum statt Stillstand, meine Damen und Herren. ({10}) Es geht um Investitionen statt rot-grüner Zukunftsverweigerung. ({11}) Es geht um Vollbeschäftigung oder wieder mehr Arbeitslosigkeit. ({12}) Es geht um Steuervereinfachung oder Steuererhöhungen durch Rot-Grün. ({13}) Das sind die Alternativen, die die Menschen kennen müssen. Wir machen den Menschen ein klares Angebot. ({14}) Die Leute können deutlich sehen, wo die Unterschiede sind. Sie wollen die Menschen bevormunden. ({15}) Wir wollen den Menschen mehr Freiraum geben. ({16}) Sie wissen am besten, was sie mit ihrem erarbeiteten Geld anfangen können. Sie brauchen die notwendigen Freiräume, um selbst zu investieren, um selbst zu kaufen, und nicht eine staatliche Bevormundungspolitik Ihrer Genossen. ({17}) Die wollen die Menschen in Deutschland nicht. ({18}) Deswegen sage ich Ihnen: Sie entwerfen ein rotgrünes Horrorszenario bei den Steuern. Sie überfordern die Steuerzahler. Auf breiter Front soll es Steuererhöhungen geben. ({19}) Sie wollen die Erbschaftsteuer verdoppeln. Damit vernichten Sie die Mittelstandsarbeitsplätze. Sie wollen das Ehegattensplitting abschaffen. Sie wollen die niedrigeren Mehrwertsteuersätze erhöhen. ({20}) Sie wollen auf breiter Front abkassieren, wie Sie es immer gemacht haben, und dann verteilen, weil Sie nur glücklich sind, wenn Sie Verteilungspolitik machen können. Das ist der falsche Ansatz für Deutschland. ({21})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer Aktuellen Stunde angelangt und kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes Gorleben - Drucksache 17/13700 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen. Erste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion von CDU/CSU unsere Kollegin Frau Dr. Maria Flachsbarth. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Maria Flachsbarth. ({0})

Dr. Maria Flachsbarth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003527, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs der Debatte will ich als Ausschussvorsitzende ein paar der wichtigsten Eckdaten liefern. Der Ausschuss ist am 26. März 2010 als 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in dieser Legislatur eingesetzt worden. Am 22. April 2010 haben wir uns konstituiert und die Arbeit aufgenommen. Die letzte Sitzung fand am 16. Mai dieses Jahres statt. Der Auftrag des Ausschusses war, die Frage zu beantworten, ob es auf dem Weg zur zentralen Lenkungsentscheidung der Bundesregierung vom 13. Juli 1983, den Salzstock in Gorleben untertägig und keinen anderen Standort mehr obertägig zu erkunden, Manipulationen gegeben hat. Darüber hinaus hatte der Ausschuss die Frage zu bearbeiten, inwieweit in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre Änderungen am ursprünglichen Erkundungs- oder Endlagerkonzept, zum Beispiel wegen fehlender Salzrechte, vorgenommen wurden. Insgesamt umfasste der Untersuchungszeitraum - wohl einmalig für einen Untersuchungsausschuss dieses Hauses - mehr als 30 Jahre. Zur Erledigung unseres Auftrags haben wir 95 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 250 Stunden abgehalten. Zur Unterstützung der Beweisaufnahme haben wir im Dezember 2010 einen Ermittlungsbeauftragten eingesetzt, der rund 5 600 Akten des Bundesamtes für Strahlenschutz gesichtet hat. Davon haben wir 1 100 Akten nach Berlin angefordert, weitere rund 1 700 Ordner wurden dem Ausschuss aufgrund von Beweisbeschlüssen unmittelbar übersandt, insgesamt also 2 800 Ordner. In öffentlicher Sitzung haben wir zur Beweisaufnahme fünf Sachverständige angehört und über 50 Zeugen - teilweise mehrfach - vernommen. Die stenografischen Protokolle darüber umfassen mehr als 2 800 Seiten. Aufgrund des bis in die 1970er-Jahre zurückreichenden Untersuchungszeitraums musste es Schwierigkeiten bei der Beweisaufnahme geben. Einige Zeugen waren schon verstorben oder aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage, befragt zu werden. Teils war ihre Erinnerung verblasst. Akten waren zum Teil nicht mehr auffindbar oder zum Teil aufgrund des Ablaufs der üblichen Aufbewahrungsfristen bereits vernichtet. Heute debattieren wir über den Abschlussbericht. Wie der Presse zu entnehmen war, wurde Einigkeit über einen einheitlichen Feststellungs- bzw. Bewertungsteil nicht erzielt. Bezüglich der Bewertung der verschiedenen Fraktionen war das fast zu erwarten. Während die Koalitionsfraktionen es als erwiesen ansehen, dass der Standort Gorleben allein nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt wurde, und immer wieder darauf hinweisen, dass bis heute keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die die Eignungshöffigkeit des Salzstocks infrage stellen, sehen die Oppositionsfraktionen ihre Vorwürfe bestätigt, die Auswahlkriterien seien je nach Erkundungslage angepasst worden und man habe, um den für den Betrieb der Kernkraftwerke notwendigen Entsorgungsnachweis erbringen zu können, diesbezüglich immer wieder nachgesteuert. Ich bin davon überzeugt, dass die Rednerinnen und Redner der Fraktionen das im Detail nachweisen werden. Wir haben es also trotz gemeinsamer, wenn auch insbesondere zu Beginn sehr kontroverser Arbeit im Ausschuss nicht geschafft, einen gemeinsamen Feststellungsteil vorzulegen, also eine gemeinsame Grundlage aus Fakten, die wir erhoben haben, zu schaffen. Das hat mich enttäuscht, hat mir aber deutlich vor Augen geführt, wie tief die Gräben sind, wie unüberwindlich das gegenseitige Misstrauen ist und wie sehr die Brille, die ein jeder aufhat, die eigene Sichtweise prägt. Wenn wir aber ergebnisorientiert nach einem Endlager suchen wollen - das müssen wir tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden -, dann müssen wir einen Neuanfang wagen. Im Ausschuss hat sich übrigens gezeigt, dass die anderen Bundesländer, als der Schwarze Peter in Form eines benannten Erkundungsstandorts erst einmal in Niedersachsen lag, überhaupt nicht mehr bereit waren, Verantwortung in Bezug auf die Nuklearentsorgung zu übernehmen. Nun gibt es den Bund-Länder-Konsens zum Endlagersuchgesetz. Erstmals gibt es wieder Offenheit in dieser Frage. Wir müssen jetzt - das ist meine Überzeugung; das sollten wir aus dem Untersuchungsausschuss gelernt haben - die Gunst der Stunde nutzen, das neue Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. ({0}) Wer nun wirklich wissen will, wie es war, der kann mit dem Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses auf ein umfassendes Werk zurückgreifen, um sich selbst ein Bild von den Entscheidungsprozessen rund um den Standort Gorleben zu machen. Der Bericht umfasst rund 1 700 Seiten. Auf einer Begleit-CD werden in Kürze sämtliche stenografischen Protokolle der Zeugenvernehmung und der Sachverständigenanhörung sowie ausgewählte Dokumente - 123 an der Zahl - zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Das alles wird man auch auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages einsehen können. Kopien der Beweismaterialien sollen gemäß einem Ausschussbeschluss mindestens bis zum Ende der 19. Wahlperiode im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Ich möchte im Hinblick auf die Lehren, die wir hoffentlich aus dem Wust an Arbeit gezogen haben, einen Punkt herausheben. Das ist die Frage der Öffentlichkeitsarbeit. Für die damalige Zeit gab es durchaus moderne Ansätze. Es gab das Gorleben-Hearing der Niedersächsischen Landesregierung sowie die GorlebenKommission und die Information durch Vertreter des Bundes und insbesondere durch BGR und PTB bzw. BfS. Es gab außerdem die Mitwirkung des Bundes an der Gemeinsamen Informationsstelle zur nuklearen Entsorgung und Informationsveranstaltungen des Bundes in den Jahren 1981 bis 1983. Letztendlich muss man aber feststellen: Es dominierte das fachliche Handeln der Exekutive ohne zu tiefe Beteiligung der Öffentlichkeit und Diskussion insbesondere auf dem Weg zur Auswahl des Standorts durch die 1973 vom Bund beauftragte KEWA und ab Mitte 1976 durch die interministerielle Arbeitsgruppe. Noch vor der Standortbenennung hat das zu Misstrauen und zur Bildung von Mythen geführt, die sich bis heute in den Standortregionen gehalten haben. Dem versuchen wir nun mit dem neuen Endlagersuchgesetz, durch Transparenz von Anfang an und durch Entscheidungen der Legislative entgegenzuwirken, durch die sogenannte Bund-Länder-Kommission, aber auch durch das gesellschaftliche Begleitgremium. Auch das haben wir hoffentlich aus diesem Untersuchungsausschuss gelernt. Wenn wir das wirklich gelernt haben sollten, dann hat sich die Arbeit doch noch gelohnt. Abschließend mein ganz herzlicher Dank an alle, die an diesem Mammutprojekt mitgearbeitet haben, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. Die Zusammenarbeit war zum Schluss mehr und mehr konstruktiv und auch fair; zu Anfang war das ein bisschen anders. Ich bedanke mich sehr herzlich bei dem Beauftragten der Bundesregierung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, die wahrlich ganze Arbeit geleistet haben, und ebenso bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats, die insbesondere zum Ende der Ausschussarbeit sehr viel zu tun hatten. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank. Uns allen wünsche ich einen Weg in eine bessere Zukunft und dass die Fragen, die wir bearbeitet haben, ergebnisorientiert beantwortet werden. Herzlichen Dank. ({1})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth. Nächste Rednerin für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unsere Kollegin Frau Ute Vogt. Bitte schön, Frau Kollegin Ute Vogt. ({0})

Ute Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002823, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Flachsbarth, ich will mich dem Dank anschließen, nicht nur dem an das Ausschusssekretariat, sondern auch ausdrücklich dem an die MitarUte Vogt beiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen, aber natürlich auch dem Dank an alle, die diesen Ausschuss begleitet haben. Der Dank gilt auch denjenigen im Wendland und den Mitarbeitern von Greenpeace, die uns viel Unterstützung gegeben haben, wenn es darum ging, die Fakten für diesen Untersuchungsausschuss zusammenzutragen. Ich will gerne ausdrücklich die Frau Vorsitzende in den Dank einbeziehen; wie Sie sagten, haben wir uns, zumindest was Sie als Vorsitzende angeht, nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammengerauft. Sie haben den Ausschuss fair geleitet und so, dass alle berücksichtigt wurden. Es ist also eine versöhnliche Stimmung, sehr schön. ({0}) Es ist auch gut, wenn die Einsicht Platz greift, dass es richtig und vor allem notwendig war, dass der Umweltminister Sigmar Gabriel im Jahr 2009 mit einem ersten kritischen Bericht zu diesem Untersuchungsausschuss überhaupt erst den Anstoß gegeben hat. Ich kann Ihnen auch nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass es Ihre Bundeskanzlerin war, die damals sehr viel dafür getan hat, einen kritischen Bericht über Gorleben zu verhindern. Wäre sie damals schon souveräner und einsichtiger gewesen, hätte es einen Untersuchungsausschuss in dieser Form gar nicht gebraucht. ({1}) Wir sind heute an einem Punkt, an dem wir alle bereit sind, aus den Fehlern zu lernen, zumindest fast alle. Aber ich will nicht darüber hinwegsehen, dass es doch ein schwieriger Start war, der auch seine Auswirkungen auf das Ende hatte. Die Tatsache, dass wir uns noch nicht einmal auf einen sachlichen Feststellungsteil einigen konnten, zeigt doch, dass jedenfalls der größere Teil der Mehrheit im Ausschuss selbst nach dem Atomausstieg noch die Schlachten von gestern geschlagen hat. ({2}) Im Berichtsteil der Union und der FDP kann man zum Beispiel auf Seite 587 lesen, dass das Auswahlverfahren des Bundes und der Niedersächsischen Landesregierung vorbildlich gewesen sei und Maßstäbe gesetzt habe. Mit Verlaub: Das stimmt weder heute, noch stimmte es nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik. ({3}) Aber es passt in die politische Linie, die leider die Arbeit im Ausschuss auch nach Ihrer Erkenntnis zum Atomausstieg geprägt hat. Ein Teil des Ausschusses hatte und hat bis zum Schluss nur sehr beschränkten Aufklärungswillen bewiesen. Der Kollege Grindel zum Beispiel hat schon zu Anfang des Ausschusses, im April des Jahres 2010, durch einen Namensartikel Schlagzeilen provoziert, die lauteten: Es gibt kein besseres Endlager als Gorleben. Bundeskanzlerin Merkel hat noch am Ende der Ausschussarbeit in ihrer Zeugenvernehmung verkündet, dass sie überhaupt nicht verstehe, wieso man Gorleben nicht einfach zu Ende erkunde. Das ist eine Augen-zu-unddurch-Methode. Jetzt ist erfreulicherweise auch in weiten Teilen der Regierung die Erkenntnis gewachsen, dass diese Methode heute nicht mehr gelten darf. Die Fakten sind eindeutig: Die Standortentscheidung 1977 erfolgte aufgrund politischer Vorgaben. Ministerpräsident Ernst Albrecht sagte: „Gorleben oder kein Standort in Niedersachsen“, wohl in der Hoffnung, dass ein strukturschwaches Gebiet mit wenig Besiedelung wenig Widerstand leisten würde. Wir wissen heute, dass dies eine trügerische Hoffnung war. Was folgte, war im Jahr 1983 die politische Einflussnahme auf einen Bericht von Wissenschaftlern, die geschrieben haben: Sinnvoll und notwendig ist die Suche nach einem alternativen Standort. Es reicht nicht aus, nur einen Standort zu untersuchen. - Was ist passiert? Genau diese Sätze wurden aus dem Bericht gestrichen, nachdem aus dem Kanzleramt ein Emissär zu den Wissenschaftlern geschickt wurde und Weisung erteilt hat, den Hinweis auf die Suche nach einem alternativen Standort aus dem Bericht zu nehmen. Eine politische Einflussnahme auf wissenschaftliche Arbeit ist ziemlich einmalig in solchen Bereichen. ({4}) Auch die frühere Umweltministerin Angela Merkel ließ in den 90er-Jahren kritische Stimmen außen vor und erhörte lieber die Stimmen der Atomindustrie. Nach 1997 wurde der Salzstock aufgrund ihres Entscheids nicht mehr entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfordernisse erkundet, sondern nur noch entlang der vorhandenen Salzrechte. Ein Verfahrensweg, der - wen überrascht es? - der Atomindustrie immerhin eine Ersparnis von 365 Millionen D-Mark gebracht hat. Zugleich wurde die Öffentlichkeit getäuscht, indem eine Salzstudie veröffentlich wurde, in der bundesweit 41 Salzstöcke untersucht, aber am Ende nicht mit Gorleben verglichen wurden. Trotzdem hat die damalige Umweltministerin und heutige Kanzlerin verkündet: „Gorleben bleibt erste Wahl.“ Sie hat so getan, als hätte ein Vergleich stattgefunden. Auch diese Täuschung konnte im Ausschuss nicht widerlegt werden. ({5}) Obwohl in dieser Zeit bereits bekannt war, dass das Deckgebirge nicht ausreichend stark ist, obwohl bekannt ist, dass die Gorlebener Rinne Wasserzufluss ins Salz ermöglicht, ({6}) und obwohl wir im Ausschuss erörtert haben, dass Gasvorkommen unter dem Salzstock eine zusätzliche Ge30762 fährdung darstellen, trotz dieser Erkenntnisse, die es seit vielen Jahren gibt, hat man weiter unbeirrt an der Erkundung festgehalten. Verheerend am Verfahren ist nicht nur, dass kritische Wissenschaft ignoriert wurde, sondern auch, dass die Kriterien den Erkundungsergebnissen angepasst worden sind. ({7}) War zum Beispiel ein ausreichendes Deckgebirge über dem Salzstock zu Beginn noch ein wichtiges Kriterium für die Sicherheit des Standortes, war dies, nachdem man festgestellt hat, dass das Deckgebirge durchlässiger ist als erwartet, auf einmal keine notwendige Voraussetzung mehr. Im Ergebnis jedenfalls steht fest: Der Standort Gorleben ist politisch, juristisch und auch wissenschaftlich delegitimiert. Eine unbelastete Erkundung wird an diesem Standort nicht mehr erfolgen. Wenn wir ihn trotzdem ins Suchverfahren einbeziehen, dann deshalb, weil wir Rechtssicherheit wollen, vor allem aber auch, weil es der Akzeptanz der anderen Bundesländer bedarf. Deshalb ist es das Mindeste, dass wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Gorleben deutlich machen, dass für uns unzweifelhaft feststeht, dass bei einem neuen Verfahren weitere Transporte von Atommüll nach Gorleben unterbleiben und andere Bundesländer endlich ihre Verpflichtung ernst nehmen und ihre Bereitschaft erklären müssen, auch Atommüll, an dem sie vorher verdient haben, aufzunehmen. ({8}) Wir haben heute die Verantwortung, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Ich hoffe, dass die Bereitschaft, sich dieser Verantwortung zu stellen, in den Reihen der Koalition nicht nachlässt; denn wir sind es den kommenden Generationen schuldig, ihnen nicht den Müll vor die Füße zu kippen, sondern das Problem einer Lösung zuzuführen und zu verhindern, dass irgendwann in ferner Zukunft jemand auf die Idee kommen könnte, ein Müllexport könnte unser Problem lösen. Wir sind hier in der Verantwortung, und wenn dieser Ausschuss einen Sinn hatte, dann den, dass alle Beteiligten erkennen mussten, dass es notwendig ist, gemeinsam die Suche nach einem alternativen Standort zu beginnen. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. ({9})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Angelika Brunkhorst. Bitte schön, Frau Kollegin Angelika Brunkhorst. ({0})

Angelika Brunkhorst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003675, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben am letzten Dienstag den Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Gorleben“ an Herrn Dr. Lammert, den Bundestagspräsidenten, übergeben. Der Bericht liegt bei Herrn Dr. Paul auf dem Tisch; da kann man sehen, was für ein Paket das ist. Wir haben in exakt 100 Sitzungen mehr als 50 Zeugen und einige Sachverständige vernommen, wir haben einen Ermittlungsbeauftragten eingeschaltet, wir haben 2 800 von insgesamt rund 6 000 Akten bearbeitet. Es war ein unglaublicher Aufwand. Liest man allerdings das Sondervotum der Opposition, dann stellt man resignierend fest: Der Ausschuss war umsonst; denn die Opposition hält unbeirrt an ihren Verschwörungstheorien fest, ohne die Erkenntnisse aus dem Ausschuss überhaupt wahrzunehmen. ({0}) Mir ist bewusst, dass die Verschwörungstheorie, im bisherigen Erkundungsprozess sei politisch manipuliert worden, sinnstiftend ist, besonders für die Partei der Grünen. Offenbar stand für die Grünen sehr schnell fest, dass der Untersuchungsausschuss erbracht hat und klar und deutlich aufzeigt, dass die Entscheidung für Gorleben politisch motiviert war. Denn bereits im November 2010, ein halbes Jahr nach Konstituierung des Ausschusses, haben sie das auf ihrem Parteitag schon konstatiert. Mich wundert heute noch, dass das bei den Grünen so schnell ging; ({1}) wir haben insgesamt drei Jahre gebraucht. Ich fand das nicht besonders gut. Jede Leserin und jeder Leser hat mit Vorliegen des Abschlussberichts die Möglichkeit, diesen durchzulesen und zu sehen, dass das objektiv nicht wahr ist. Sie werden auch merken, dass die Argumentation der Opposition nicht schlüssig ist, dass die rudimentären Versuche der Beweisführung völlig misslungen sind. ({2}) Der Ausschuss war umsonst, aber selbstverständlich war er nicht kostenlos. Er hat mehrere Millionen Euro verschlungen. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Der Aufwand stand in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen. ({3}) Meine Damen und Herren, Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist die parlamentarische Betrachtung und Bewertung abgeschlossenen Regierungshandelns. Der Untersuchungsausschuss hat nicht geprüft, ob der Salzstock Gorleben geeignet ist. ({4}) - Ja, ja. - Kern des Auftrags des Untersuchungsausschusses war es, zu untersuchen, ob der Vorwurf stimmt, dass von der damaligen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, PTB, im Jahr 1983 Druck ausgeübt wurde, den Zwischenbericht zu ändern. Dieser Vorwurf konnte klar widerlegt werden. Es gab keine politische Manipulation. ({5}) Der PTB-Zwischenbericht sollte der Bundesregierung damals als Entscheidungsgrundlage für die Frage dienen, ob der Salzstock auch untertägig erkundet werden kann, ob er die Voraussetzungen dafür mitbringt. Diese Frage hat die PTB damals ganz klar mit Ja beantwortet. Richtig ist, dass es PTB-intern auch Erwägungen gab, weitere Standorte neben Gorleben zu erkunden. Anders als die Opposition suggeriert, ging es aber nie um die Suche nach alternativen Standorten. ({6}) Diskutiert wurde die Erkundung zusätzlicher Standorte. Die Eignungshöffigkeit des Salzstocks wurde von der PTB nicht infrage gestellt. Bereits die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, und die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern, DBE, die an der Erstellung des PTB-Zwischenberichts mitgearbeitet haben, sagten zum damaligen Zeitpunkt: Die Erkundung zusätzlicher Standorte macht zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn. Sollte sich Gorleben als nicht geeignet darstellen, haben wir auf jeden Fall die Möglichkeit, relativ schnell auch andere Standorte zu erkunden. Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, gehen Sie auf der Zeitschiene 35 Jahre zurück: Nach der Ölkrise, Ende der 70er-Jahre, hatte die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt, SPD, auf den Ausbau der Kernenergie gesetzt. Er wollte im Endeffekt circa 50 Kernkraftwerke in Betrieb nehmen. Die Geschichte zeigt uns heute, dass nicht einmal die Hälfte davon gebaut wurde. Damals bestand die Sorge, dass der Salzstock Gorleben alleine zu klein wäre, um die anfallenden radioaktiven Abfälle aufzunehmen. Aus diesem entsorgungspolitischen Grund hatte damals Professor Helmut Röthemeyer als verantwortlicher Wissenschaftler der PTB weitere Standorte diskutiert, allerdings niemals aufgrund sicherheitstechnischer Bedenken. Es war die feste Leitlinie der damaligen christlich-liberalen Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, dass eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie immer im Gleichklang mit einer sicheren Entsorgung der radioaktiven Abfälle stehen muss. Deswegen haben wir die Endlagerfrage auch zügig klären wollen. Davor schon hatte die sozial-liberale Koalition 1976 mit der Vierten Novelle zum Atomgesetz den weiteren Ausbau der Kernenergie von den Fortschritten eines nuklearen Entsorgungs- und Endlagerungskonzepts abhängig gemacht. Ich sage das deshalb, weil ich gleich auf den springenden Punkt zu sprechen komme. 1996/1997, also 20 Jahre später, haben die Energieversorger die Entsorgungsvorsorge an den Nachweis der Zwischenlagerung koppeln wollen. Wir haben das zu dem Zeitpunkt als christlich-liberale Bundesregierung abgelehnt. Die Endlagerfrage sollte immer noch zügig gelöst werden. Die Änderung der Entsorgungsvorsorge erfolgte erst mit dem rot-grünen Atomausstiegsgesetz im Jahre 2002. Seit dem Zeitpunkt ist der Vorsorgenachweis nicht mehr von den Fortschritten bei der Endlagerung abhängig, sondern nur noch von der Zwischenlagerung. Auch das gehört zur Wahrheit; das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. ({7}) Von Gorleben-Gegnern und auch von der Opposition wird gebetsmühlenartig behauptet, dass der Salzstock Gorleben wegen seines mangelhaften Deckgebirges niemals geeignet sein könnte. Von der PTB wurde die Eignungshöffigkeit trotz angeblicher Mängel im Deckgebirge bestätigt. Anders als die Opposition es darstellt, ist die Gorlebener Rinne aus wissenschaftlichen Erwägungen heraus kein K.-o.-Kriterium für ein Endlager im Salzstock. Ich zitiere den Zeugen Professor Röthemeyer, ({8}) der jahrzehntelang verantwortlicher Abteilungs- und Fachbereichsleiter der PTB und später auch des BfS war. ({9}) Er hat am 10. Juli 2010 gesagt - ich zitiere -: Die Gorlebener Rinne kann auch als natürliches Langzeitexperiment bewertet werden. Die Natur hat hier unter extremen Belastungen und dynamischen Bedingungen das Isolationspotenzial des Salzstocks auf seine Langzeitwirkung getestet, und das mit einem ganz eindeutigen Ergebnis. Trotz des vielfältigen geologischen Geschehens, welches im Verlauf von über 200 Millionen Jahren im Deckgebirge und an der Erdoberfläche stattgefunden hat, sind die bisher im Salzstock untersuchten Gesteine in ihrem mineralogischen und auch chemischen Stoffbestand praktisch unverändert geblieben. Auch für die Zukunft ist davon auszugehen, dass die über der 840-Meter-Sohle, die zurzeit aufgefahren ist, lagernden Steinsalzschichten noch für über 8 Millionen Jahre ihre Barrierenfunktion behalten werden. Mit anderen Worten: Seit 250 Millionen Jahren ist dieser Salzstock an der zu untersuchenden Stelle unverändert. Der Salzstock wurde nicht willkürlich ausgewählt; Frau Flachsbarth hat das bereits dargestellt. Die Entscheidung für den Salzstock Gorleben als vorläufigen Erkundungsstandort für ein mögliches Endlager im Jahr 1977 ist nachvollziehbar, schrittweise und nach wissenschaftlich abgesicherten Kriterien erfolgt. Es gab das Auswahlverfahren der KEWA, der KernbrennstoffWiederaufbereitungs-Gesellschaft, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums gewirkt hat. Es gab das unabhängige Verfahren des Interministeriellen Arbeitskreises aus Niedersachsen, des IMAK. Der IMAK ging seinerzeit von 140 Salzstöcken aus. Auf der Grundlage verschiedener Kriterien - Salzstockgröße, Teufenlage usw. - wurden 14 Salzstöcke als möglicherweise geeignet identifiziert. Bei der Auswahl des Standorts wurden dann Kriterien angelegt, die auf der Grundlage von Bewertungsdaten zur Ermittlung von Kernkraftwerksstandorten entwickelt worden waren. Der Salzstock Gorleben war nach den damals anzulegenden Kriterien ein geeigneter Standort. Zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Heute, über 30 Jahre später, haben wir andere Maßstäbe; das ist klar. Die Bundesregierung hat aber für damalige Verhältnisse durchaus Maßstäbe in der Öffentlichkeitsarbeit gesetzt. Es gab in den Jahren 1981, 1982 und 1983 drei große Informationsveranstaltungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Die Ergebnisse wurden in drei Bänden mit dem Titel Entsorgung publiziert. Es gab eine Gemeinsame Informationsstelle des Bundes und des Landes Niedersachsen in Lüchow bzw. in Gatow. Von der PTB wurden Vorträge von Wissenschaftlern in der betroffenen Region organisiert und durchgeführt. Der PTB-Zwischenbericht wurde veröffentlicht, und es gab weitere, teilweise sehr detaillierte Veröffentlichungen und Formate der PTB: PTB aktuell, PTB-Infoblatt und Pressemitteilungen.

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Frau Kollegin, das blinkende Licht ist kein Sympathiezeichen. ({0})

Angelika Brunkhorst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003675, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Auch die Gorleben-Kommission war eingebunden. Darin saßen demokratisch legitimierte Kommunalpolitiker. Wenn ich überhaupt einen Benefit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses feststellen kann, dann liegt er darin, dass die Diskussion um Gorleben als Erkundungsstandort historisch aufgearbeitet wurde und dargelegt wurde, dass die Wissenschaftler und Fachbeamten damals integer waren und sich nicht hätten manipulieren lassen. Ich danke allen, die an der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses so fleißig mitgewirkt haben. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Dorothée Menzner. Bitte schön, Frau Kollegin Dorothée Menzner. ({0})

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, Regierungshandeln der Vergangenheit zu beleuchten und zu kontrollieren mit dem Ziel, etwa gemachte Fehler in der Zukunft zu vermeiden. Über weite Strecken unserer Arbeit musste man aber den Eindruck gewinnen, dass die Koalition ihre Aufgabe eher darin sah, Regierungshandeln der Vergangenheit reinzuwaschen, zu rechtfertigen. Der Ermittlungswille fehlte. Das setzte sich fort, nachdem die Regierung den Entschluss fasste, ein neues Suchverfahren anzustreben. Ich kann es nur als Missachtung der Arbeit unseres Parlamentes und des Niedersächsischen Landtages verstehen, wenn die Ergebnisse unseres Untersuchungsausschusses sowie des Asse-Untersuchungsausschusses nicht abgewartet und ausgewertet werden, um sie als Fundament der Analyse zu nutzen, wie ein neues Verfahren ausgestaltet werden kann. ({0}) Im Abschlussbericht der Koalition steht keine Silbe über mögliche Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit. Sie konnten offensichtlich keine Fehler entdecken. Der Arbeit der Koalition merkte man an, was sie als ihren Auftrag begriffen hatte, nämlich herauszufinden, dass es in Gorleben keine Fehler gab. Der Abschlussbericht der Koalition spiegelt wider, was aus den Aussagen der vielen ehemaligen Beamten hervorgeht, ({1}) deren Berufsleben darin bestand, Gorleben gegen alle Bedenken als Standort durchzuboxen. Ich gestehe gerne zu: Es fällt jedem schwer, auch Politikern, Beamten oder Wissenschaftlern, lebenslange Überzeugungen, eigene Arbeitsleistungen und eigenes Handeln mit ein bisschen Abstand kritisch zu hinterfragen und die Überzeugungen gegebenenfalls über Bord zu werfen. Aber dennoch: Ausreichend ist das nicht. Ich möchte einige Beispiele geben; einige hat die Kollegin Vogt schon vorweggenommen. Im Koalitionsbericht heißt es, die Auswahlverfahren im Jahr 1977 seien „auch aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft und fortschrittlich“ gewesen, sie seien „vollständig dem Primat der Sicherheit“ gefolgt. Schaut man sich einmal an, was damals als „Primat der Sicherheit“ galt, sieht man, dass die geringe Bevölkerungsdichte rund um Gorleben gemeint war. Wenige betroffene Menschen im damaligen Zonenrandgebiet waren wohl das wichtigste Umweltkriterium, und für die Koalition - das finde ich erschreckend - gilt das auch aus heutiger Sicht immer noch als fortschrittlich. Gorleben als heilige Kuh! Aber geologische Eignung ergibt sich nicht durch mantramäßiges Wiederholen, und Bürgerbeteiligung und Transparenz kann man auch nicht im Nachhinein herstellen. ({2}) Dass Gorleben 1977 Ergebnis eines Auswahlverfahrens des Bundes gewesen sein soll, ist eine oft wiederholte, aber dennoch falsche Behauptung. Eine derartige Studie fanden wir in den 2 800 Akten nicht. Schließlich stellte sich heraus, dass sich die Koalition mit ihrer Behauptung, Gorleben sei Ergebnis eines Auswahlverfahrens, auf ein undatiertes Arbeitspapier ohne nachvollziehbare Herkunft stützte. Es hat zwar ein Auswahlverfahren gegeben, aber da kam nicht Gorleben heraus, sondern drei andere Standorte, die dann aber wegen der lokalen Gegenwehr der Bevölkerung, auch aus Reihen der CDU-Mitgliedschaft, fallengelassen wurden. Es gibt weitere Beispiele, die ich aus Zeitgründen leider nicht alle ausführen kann. Lassen Sie mich aber noch etwas zu dem Bericht der Opposition sagen. Man kann auf 650 Seiten nachlesen, was die Koalition nicht begreifen will: Über Jahrzehnte fehlte ein echtes Konzept für die Lagerung des gefährlichsten Stoffes, den die Menschheit je hervorgebracht hat. Das ist eine Verantwortungslosigkeit, die ihresgleichen sucht. Gorleben war das Ergebnis von Männerbünden zwischen Regierungsstellen und Atomindustrie, das Ergebnis von Kungelei und Machbarkeitswahn. An Gorleben kann man studieren, wie man es nicht macht. ({3}) Ich bedauere schon, dass wir uns mit SPD und Grünen auf den letzten Metern nicht auf eine Schlussfolgerung einigen konnten - 650 Seiten haben wir gemeinsam geschafft -, die lauten muss: Gorleben muss raus aus einem neuen Verfahren. ({4}) Wir müssen aus Fehlern lernen. Aus Fehlern lernen hieße, so schnell wie möglich aus der Atomkraft auszusteigen und nicht weitere neun Jahre Atommüll zu produzieren. Aus Fehlern lernen hieße, den Zankapfel Gorleben aus dem Verfahren zu nehmen; denn er ist geologisch ungeeignet und politisch verbrannt. ({5}) Aus Fehlern lernen hieße, keine Vorfestlegung auf geologische Tiefenlagerung zu treffen, sondern vorab die Rückholbarkeit der Abfälle oder auch die oberflächennahe Lagerung intensiv zu prüfen. Aus Fehlern lernen hieße, eine von der Industrie und sonstigen Interessen vollkommen unabhängige Forschung im Bereich des Verbleibs von Atommüll zu gewährleisten. ({6}) Aus Fehlern lernen hieße, einen wirklichen Neuanfang zu machen, indem man Entscheidungswege neu und transparent gestaltet, Bürgerbeteiligung von Beginn an organisiert und einen ernstgemeinten, echten Konsens anstrebt, ohne künstlichen Zeitdruck. ({7}) Aus Fehlern lernen hieße auch, die rund 34 Milliarden Euro Rückstellungen der Atomindustrie endlich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen, damit sie sicher sind vor Konkurs oder Werteverfall. ({8}) Fazit: Der Untersuchungsausschuss hat wichtige Arbeit geleistet. Alle relevanten Akten sind zusammengetragen und im Archiv des Bundestages auch zukünftig einsehbar. Zeitzeugen und Handelnde haben protokolliert Stellung bezogen und konnten auch unbequemen Fragen nicht ausweichen. Zusammenhänge, Querverbindungen, Abhängigkeiten und falsch verstandene Loyalitäten sind nun nachlesbar und transparent. Das ist eine wichtige Grundlage und Vorarbeit für die zukünftige Auseinandersetzung mit diesem Thema. Aber aufgrund von Lebensüberzeugung und eigener Verstrickung so manch eines Abgeordneten, manch einer Fraktion oder Partei sind gemeinsame Schlussfolgerungen - ich hoffe: noch - nicht möglich. Damit bleibt der Einfluss auf die Frage: „Wohin mit dem Atommüll?“, vorerst leider gering, und eine Wiederholung alter Fehler droht. Um das zu verändern, werden Parteien, Parlament, Regierung, Ministerien, aber auch Aufgabenträger wie das BfS oder die neu zu schaffende Endlagerbehörde die Kompetenz, die Einmischung, den Druck und gegebenenfalls auch den Widerstand und den Protest von Bürgerinnen und Bürgern und der Antiatombewegung brauchen, und eines verspreche ich, werte Kolleginnen und Kollegen: Das werden Sie auch bekommen. Ich fordere die Menschen an dieser Stelle auf: Schauen Sie weiterhin ganz genau hin, mischen Sie sich ein und beteiligen Sie sich! Das atomare Erbe geht - egal ob es uns gefällt oder nicht - uns alle an. Was ich aus diesem Untersuchungsausschuss gelernt habe: Wir dürfen es nicht wenigen überlassen. Ich danke Ihnen. ({9})

Eduard Oswald (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001663

Sylvia Kotting-Uhl hat jetzt das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Satz, den wir im Untersuchungsausschuss sicher am häufigsten gehört haben, lautete: „Vor der Hacke ist es duster.“ Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis heißt: Graben bringt Durchblick. Also haben wir drei Jahre lang gegraben, um uns Durchblick zu verschaffen. Dieser Durchblick mit dem Blick nach hinten war nicht verkehrt, Herr Grindel; denn es stimmt eben nicht, wie sie so schön gesagt haben, dass dieser Untersuchungsausschuss der teuerste, überflüssigste und längste in der Ge30766 schichte gewesen sei. Vielleicht war er der teuerste und der längste. Das kann ich nicht beurteilen; denn ich bin keine Dauer-Parlamentarierin. Der überflüssigste war er ganz sicher nicht. ({0}) Es ist kein Zufall, dass es so gut geglückt ist, jetzt ein Endlagersuchegesetz - inzwischen heißt es „Standortauswahlgesetz“ - mit einem breiten Konsens auf den Weg zu bringen. Als Baden-Württembergerin sage ich: Die Regierungsübernahme in Baden-Württemberg und die Bereitschaft allein hätten wahrscheinlich nicht gereicht. Dazu brauchte es noch das Puzzlesteinchen „Untersuchungsausschuss Gorleben“. Das gemeinsam hat dazu geführt. ({1}) Was ist die Lehre aus Gorleben? Schauen wir noch einmal zurück: Was waren die Dinge, die aus heutiger Sicht mindestens nicht gut gelaufen sind? Für die bisherigen - das gilt bis heute - Standortsuche- und -erkundungsverfahren gab es keine Regelung über den Verfahrensablauf. Die Entscheidungsträger passten Standortsuche und Standorterkundung den jeweiligen politischen, rechtlichen und finanziellen Gegebenheiten an. Sie waren nicht das Ergebnis einer planvollen, vorausschauenden Vorgehensweise. Mehrere Fälle von Einflussnahme konnten nachgewiesen werden. ({2}) Die zentralen Entscheidungen der bisherigen Endlagersuche und -erkundung sind unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen worden. Da immer noch bestritten wird - auch Frau Brunkhorst hat das gerade noch einmal getan -, dass es Einflussnahme gab, will ich das Beispiel von 1983 noch einmal mit einem Zitat beleuchten. Bereits zum Zeitpunkt der Vorauswahl und Auswahl des Standortes Gorleben wäre nämlich nach damaligem Stand von Wissenschaft und Technik eine Alternativenprüfung notwendig gewesen. Bereits damals hätten Auswahl und Erkundung in einem atomrechtlichen Verfahren stattfinden müssen. Aus politischen Gründen sind diese wissenschaftlichen und technischen Anforderungen nicht eingehalten worden. Die Einflussnahme auf den Bericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt im Jahr 1983 ist nur ein - allerdings sehr wichtiger Vorgang in dieser Prozesslogik. Die Empfehlung dieses Berichtes war ursprünglich, Frau Brunkhorst, zusätzlich Alternativen - das heißt weitere Standorte - zu erkunden. Diese Empfehlung musste gestrichen werden. Herr Röthemeyer, der am 1. Juli 2010 als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, sagte - jetzt kommt das wörtliche Zitat -: „Ja, man musste das als Weisung der Bundesregierung verstehen.“ - Was brauchen Sie denn noch? Ich verstehe das nicht. Das ist doch eine Verleugnung der Geschichte, wenn Sie sich heute hinstellen und sagen: Es gab keine Einflussnahme, es gab keine Manipulation. - Selbstverständlich gab es Einflussnahmen. ({3}) Das war aus damaliger Sicht der Bundesregierung vielleicht sogar verständlich. Man kann Ihnen aber wahrscheinlich zehnmal schriftlich das vorhalten, was von den damals betroffenen Menschen gesagt wurde: Sie werden dann immer noch Nein sagen, genauso wie Sie sagen, das sei der überflüssigste Untersuchungsausschuss der Geschichte gewesen. Des Weiteren kommen Sie in Ihrem Koalitionsabschlussbericht zu der unglaublichen Erkenntnis, die Suche sei sogar aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft und fortschrittlich gewesen. Das ist - ich muss Ihnen das sagen - eine weitere Verhöhnung der Menschen im Wendland. Genau diese Dinge führen zu Politikverdrossenheit. ({4}) Das haben Sie sich wegen solcher Äußerungen vorzuwerfen. Die Lehren aus Gorleben sind klar. Wir brauchen für eine erneute erfolgreiche Suche - überhaupt einmal eine Suche - den Maßstab absoluter Orientierung an Sicherheitskriterien. Ein Vergleich ist nötig; denn Sicherheit für 1 Million Jahre lässt sich aus heutiger Sicht schwer definieren. Das heißt, wir brauchen den Vergleich, weil wir das im Vergleich Sicherste suchen müssen. Wir brauchen Transparenz und Partizipation. Am Wochenende haben wir gelernt, dass wir alle noch viel zu lernen haben, wie ein Beteiligungsangebot aussehen muss, damit es angenommen wird. Lernen müssen aber auch diejenigen, die dieses Angebot annehmen sollen, die es eigentlich auch annehmen wollen. Die Zivilgesellschaft insgesamt hat da noch einiges vor sich. Deshalb finde ich es gut, dass eine Kommission eingerichtet werden soll, in der Vertreter der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Politik, die anschließend die Verantwortung für die Entscheidung trägt, gemeinsam Entscheidungen in dieser wichtigen Frage auf den Weg bringen wollen. Ja, die Zeiten haben sich geändert. Wir brauchen heute eine andere Form der Bürgerbeteiligung. Aber Bergrecht anstelle des Atomrechts im Gorleben-Verfahren einzusetzen, nur um sich eine Bürgerbeteiligung zu ersparen, diese Entscheidung war auch schon damals nicht ganz auf der Höhe der Zeit. ({5}) Weil die eigentlichen Kampfredner erst nach mir sprechen und, wie ich vermute, zumindest Herr Paul gleich sagen wird, dass die Eignungshöffigkeit schon von Rot-Grün festgestellt wurde ({6}) - richtig, wusste ich es doch -, möchte ich, um Ihnen gleich den Vorwurf zu ersparen, dass Sie wieder nur die Hälfte zitieren, vollständig aus dem damaligen Vertrag zitieren, der - auch das darf man nicht vergessen - eine erste Kehrtwende, eine erste Lehre aus Tschernobyl bedeutete. Auch damals hat man einen Konsens gesucht, also auch Zugeständnisse machen müssen. Das Zugeständnis war aber nicht: Gorleben ist eignungshöffig. ({7}) Das Zugeständnis war: Die Eignungshöffigkeit ist nicht widerlegt. ({8}) Mindestens die Juristen müssten diesen feinen, aber wichtigen Unterschied erkennen können. ({9}) Liebe Frau Menzner, zum Abschluss zu Ihnen. Ihrer Meinung nach lautet die Lehre aus dem Gorleben-Untersuchungsausschuss: Gorleben darf nicht im Verfahren bleiben. - Ich glaube, dass das eine falsche Schlussfolgerung ist. Die erste Lehre ist: Wir müssen entscheiden, welches Verfahren. Man hat sich nie für ein klares Verfahren entschieden. Aber man hat gesagt: Wir suchen einen Standort aus. Unterwegs legen wir Kriterien fest. Erfüllt der Standort die Kriterien, dann ist es gut, dann ist er geeignet. - So geht das nicht, und zwar aus vielen Gründen; das haben wir gelernt. Die Alternative dazu ist der Vergleich. Man kann aber nicht beide Verfahren vermischen. Entweder ich entscheide, dieser Standort ist geeignet oder eben nicht geeignet, ({10}) oder ich vergleiche alle Standorte und einige fallen im Zuge des Vergleichs aus dem Verfahren. Ich warne davor, das klare Verfahren des Vergleichs mit Vorentscheidungen, das ist geeignet, und das ist nicht geeignet, zu durchmischen und damit das alte Gorleben-Verfahren durch die Hintertür wieder hereinzuholen. Das würde den ganzen Prozess konterkarieren. ({11}) Obwohl ich weiß, dass man mich im Wendland dafür nicht küssen wird - im Gegenteil -, sage ich: Ich glaube nicht, dass es im Interesse der Sache und der Menschen im Wendland ist, wenn wir diese unsägliche, politisch dominierte, von Willkür und nichtwissenschaftlichen Entscheidungen geprägte Gorleben-Geschichte dadurch abschließen, dass wir in gewisser Weise wieder einen politisch gewollten, willkürlichen Beschluss fällen, sondern diese letzte Entscheidung muss wissenschaftlich begründet fallen. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Reinhard Grindel hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Reinhard Grindel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003539, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das, was im Minderheitenbericht steht, und wenn das, was Frau Kotting-Uhl und Frau Menzner hier gesagt haben, richtig wäre, dann hätten sich die Zeitungen bei der Berichterstattung über unseren Ausschuss doch überschlagen müssen, dann hätten wir uns dort vor Kamerateams gar nicht retten können. Das wäre in der Tat eine Sensation, die auf das geplante Standortauswahlgesetz durchschlagen würde. Jeder, der uns zuschaut und sich fragt, warum die einen das so und die anderen das so sagen, der sollte einmal bei Google News in die Pressearchive schauen. Zum einen wird er ganz wenige Artikel finden, ({0}) und zum anderen wird er lauter Artikel finden, in denen steht: „Bei diesem Untersuchungsausschuss ist nichts Neues herausgekommen“, weil es die Skandale und Unzulänglichkeiten, von denen Sie sprechen, nicht gegeben hat. ({1}) Herr Trittin geht jetzt gerade, weil er ahnt, was kommt; aber das ist in Ordnung. Sie haben die sogenannte Anlage 4 zum Atomausstiegsvertrag angesprochen. Ich will das Zitat einmal bringen - Sie haben es ja angekündigt -: Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben … nicht entgegen. Das ist das Zitat. Nichts anderes sagen wir. Ob Gorleben geeignet ist oder nicht, kann niemand sagen. Wir sind ja mit der Erkundung nicht am Ende. In der Tat: Vor der Hacke ist es duster. Aber der entscheidende politische Fakt, an dem Sie nicht vorbeikommen - ich weiß, dass Ideologen Menschen sind, die sich auch von Tatsachen nicht beirren lassen; aber ich will es einmal probieren -, ({2}) ist, dass im Jahre 2000 Rot-Grün, Gerhard Schröder und Jürgen Trittin, zu dem, was bis dahin an Erkundung gelaufen ist, gesagt haben: Diesem Urteil zur Eignungshöffigkeit steht nichts entgegen. - Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen: Wenn selbst Rot-Grün im Jahr 2000 sagt, Gorleben ist eignungshöffig, ({3}) dann kann ja wohl die Entscheidung 1977, dort zu erkunden, nicht falsch gewesen sein. Dann kann auch die Entscheidung 1983, in die untertägige Erkundung einzusteigen, nicht offensichtlich falsch gewesen sein. Die Wahrheit ist: ({4}) Sie wollten mit dem Untersuchungsausschuss aus rein parteitaktischen Gesichtspunkten das Thema Kernenergie am Kochen halten. Dieser taktische Beweggrund hatte sich dann mit dem Reaktorunglück von Fukushima erübrigt. Die Wahrheit ist: Sie haben das Untersuchungsausschussrecht missbraucht, nichts anderes. ({5}) - Es ist in der Tat ungeheuerlich, dass man so etwas macht, Frau Kollegin Steiner. Da stimme ich Ihnen zu. Es war von vornherein klar, dass es ein Ausschuss sein würde, in dem nichts Skandalöses oder Neues zutage gefördert wird. Denn - diesen für einen Untersuchungsausschuss ungewöhnlichen Umstand muss man unseren Zuhörern und auch dem einen oder anderen Kollegen in Erinnerung rufen - alle Akten, die wir untersucht haben, waren elf Jahre lang im Besitz weiter Teile der heutigen Opposition, nämlich sieben Jahre im Besitz des Umweltministers Trittin und vier Jahre im Besitz des Umweltministers Gabriel. Wenn in diesen Akten etwas Skandalöses gewesen wäre, hätte Herr Gabriel das spätestens im Wahlkampf 2009 ausgeschlachtet. ({6}) Stattdessen hat er im Wahlkampf die Behauptung aufgestellt - das war der eigentliche Anlass für den Untersuchungsausschuss -, dass eine gutachterliche Stellungnahme der früheren Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eignung des Salzstocks Gorleben - nicht zu irgendeiner Art von Auswahlverfahren, sondern zur Eignung des Salzstocks Gorleben - im Jahre 1983 von der damaligen Bundesregierung manipuliert worden ist. Dazu haben wir in der Tat Aussagen. Professor Röthemeyer, den auch Frau Kotting-Uhl schon erwähnt hat, hat gesagt: Ich möchte noch mal betonen, dass es in diesen Punkten nicht ein Fitzelchen einer Beeinflussung gegeben hat, wirklich nicht. Und: Nochmals: … keine politische Vorgabe im fachlichen, sicherheitsmäßigen Bereich. Sein Chef, Professor Kind, hat gesagt: Da ist eine solche Kompetenz vorhanden, - in der PTB da würde das Ministerium bei einem Versuch, uns da zu beeinflussen, glaube ich, keine Chancen gehabt haben. Der spätere Vizepräsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Henning Rösel, hat gesagt: Ich kann mich nicht … erinnern, dass ich mich zu irgendeinem Zeitpunkt einer fachlich abweichenden Weisung einer vorgesetzten Behörde hätte beugen müssen. Damit es klar ist: Es hat keine Beeinflussung der fachlichen Aussagen zur Eignung des Salzstocks Gorleben gegeben. Das ist erwiesen. ({7}) Ich finde es problematisch, dass die Kollegen der Opposition über drei Jahre hinweg durch eine Vielzahl unhaltbarer Behauptungen immer wieder versucht haben, den Menschen Angst zu machen und den eindeutig wahrheitswidrigen Eindruck zu erwecken, als ob bei diesem sensiblen Thema die jeweils zuständigen Bundesregierungen nicht nach dem Motto „Sicherheit zuerst“ vorgegangen sind. Das ist unverantwortlich. Deswegen sage ich, Frau Kotting-Uhl: Es wird in der Tat Zeit, dass bei diesem Endlagersuchverfahren jetzt wieder die Geologen und nicht die Ideologen die Oberhand gewinnen. ({8}) Ich habe am Ende der Debatte vor über drei Jahren gesagt: Ich habe große Zweifel, dass wir, wenn wir spätabends im Untersuchungsausschuss sitzen, die Besuchertribüne schon lange leer sein wird und die Pförtner und vielleicht auch wir gegen die Müdigkeit ankämpfen, ({9}) Neues oder gar Skandalöses über Gorleben herausfinden werden. Aber dass Herr Gabriel im Wahlkampf ein unglaublicher Dampfplauderer war, werden wir dann in den Akten haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können sagen, was Sie wollen: Mit der Aussage zur Besuchertribüne habe ich recht gehabt. Auch damit, dass wir nichts Neues herausgefunden haben, habe ich recht gehabt. Damit, dass wir Herrn Gabriel jetzt als Dampfplauderer in den Akten haben, habe ich ganz besonders recht gehabt. Herzlichen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kirsten Lühmann hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Verehrte Zuhörende! Ich wohne in der Region Gorleben. ({0}) Die Menschen dort trauen mittlerweile keinem Politiker und keiner Politikerin mehr, weil sie sich seit etwa 30 Jahren getäuscht und bewusst fehlinformiert fühlen. ({1}) Das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses hat gezeigt: Die Menschen dort haben recht. Herr Grindel, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung: Dieser Untersuchungsausschuss hat keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die Erkenntnisse waren alle da. Nur, sie wurden von Ihnen immer wieder bestritten. In diesem Untersuchungsausschuss haben wir endlich Dokumente und klare Zeugenaussagen dafür gefunden, dass unsere Aussagen zu dem Thema Gorleben, wie es dazu kam und dass das eine politische Entscheidung war, richtig waren. Die Dokumente sind jetzt öffentlich, und die Öffentlichkeit kann sie einsehen. Das ist das Neue und das Gute dieses Untersuchungsausschusses. ({2}) All dies wäre ohne den mutigen Widerstand der Wendländer und Wendländerinnen nicht möglich gewesen. Ohne diesen Widerstand hätten wir jetzt nämlich vermutlich ein Endlager in Gorleben, und vermutlich wäre dieses Endlager nicht nach dem heutigen Stand der Technik und Wissenschaft gebaut worden. ({3}) Die Erkundungsarbeiten in Gorleben sind gestoppt. Das ist gut; das fordern wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen schon seit langem. Wir waren auch dagegen, dass durch eine Erkundung nur im Wendland immer mehr Fakten pro Standort Gorleben geschaffen werden. Worum ging es in diesem Gorleben-Ausschuss? Unter anderem um die Fragen: Wieso wurde der Empfehlung von Experten, mehrere Standorte zu erkunden, um dann den besten zu nehmen, nicht entsprochen? Wie wurde Gorleben, das es in einer wissenschaftlichen Auswahlstudie noch nicht einmal unter die zehn besten Standorte geschafft hat, plötzlich zum einzig möglichen Standort? Warum wurden Kriterien, die von Anfang an als unabdingbar für ein sicheres Endlager galten, plötzlich unwichtig, nur weil der Standort Gorleben sie nicht erfüllt hat? Gorleben ist nicht aus wissenschaftlichen Gründen als Atommüllendlager ausgewählt worden, sondern aus strategischen Gründen der damaligen CDU-geführten Landesregierung Albrecht. Es war der niedersächsische Wirtschaftsminister Walther Leisler Kiep, der diesen Standort aus politischem Kalkül präsentierte. Um der drohenden Debatte in der Region ein schnelles Ende zu bereiten, wurde der Standort dann als, die Kanzlerin würde heute sagen: alternativlos erklärt. Der damalige Ministerpräsident brachte es auf den Punkt: entweder Gorleben oder gar kein Standort in Niedersachsen. Meine Herren und Damen, das ist Populismus pur. Das wird der Ernsthaftigkeit des Themas in keiner Weise gerecht. ({4}) Die erhoffte Debatte war eben nicht zu Ende. Vielmehr hat diese CDU-Entscheidung den Anfang für eine Bürgerbewegung im besten Sinne gemacht, in der sich der erbitterte Widerstand in der Region manifestierte. Diese Bürgerbewegung, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist bis heute lebendig. Ein Grund dafür ist: Seit fast 40 Jahren wurden sämtliche Entscheidungen zu dem Thema Gorleben weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen, und das war ein Fehler. Es gab später noch Versuche, das Verfahren wieder in ordentliche Bahnen zu lenken, so im Jahre 1983 mit dem Vorschlag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, doch nach Alternativen zu suchen. Doch die damalige Kohl-Regierung hat das mit einem Federstrich weggewischt. Gleich mehrere Zeugen haben von einer „Weisung aus Bonn“ gesprochen. Das widerspricht der Aussage der CDU, dass sie an einer wissenschaftlich fundierten Endlagersuche interessiert war. Das war sie nicht. Ende der 90er-Jahre hat die damalige Umweltministerin Angela Merkel gegen den Rat von Fachleuten die Weitererkundung von Gorleben angeordnet. Kritische Stimmen wurden durch eine Umorganisation innerhalb einer Behörde einfach kaltgestellt, ein unglaublicher Vorgang. ({5}) Die CDU-Methode „Augen zu und durch“ funktioniert heute glücklicherweise nicht mehr, dank der harten parlamentarischen Aufklärungsarbeit sowohl in Gorleben als auch in der Asse. Ich möchte hier stellvertretend für all die Bürger und Bürgerinnen, die sich dafür eingesetzt haben, Marianne Fritzen und Andreas Graf von Bernstorff danken. Beide waren auch als Zeugen unseres Untersuchungsausschusses geladen. Ich muss allerdings sagen: Wie einige von Ihnen, meine Herren aus den Regierungsfraktionen, mit diesen beiden Menschen, die sich seit Jahrzehnten für ihre Rechte und die Rechte ihrer Region einsetzen, umgegangen sind, das steht auf einem anderen Blatt. Ich bezeichne so etwas als unanständig. ({6}) Der gesellschaftspolitische Druck ist in den letzten Jahren durch die Katastrophe von Fukushima immens gewachsen. Wir alle merken, wie schwer es der CDU/ CSU und der FDP fällt, umzuschwenken. Ein Beleg dafür ist der Erkundungsstopp, den die schwarz-gelbe Bundesregierung im letzten November mitten im niedersächsischen Wahlkampf ausrief. Sie hat versucht, in dieser Frage der Mehrheitsmeinung zu folgen. Das Wahlergebnis zeigt deutlich: Dieses Manöver war unglaubwürdig; so einfach kann man uns Niedersachsen nicht täuschen. ({7}) Mit Blick auf das Ergebnis im Ausschuss muss ich sagen: Die Legende zu Gorleben, die CDU/CSU und FDP aufgebaut haben, ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Aus diesem Dilemma führt nur ein Weg: Bleiben Sie auf dem Weg, den Ihr Umweltminister, Herr Altmaier, eingeschlagen hat, auf dem Kompromissweg! Wir haben jetzt noch eine letzte Chance, etwas grundlegend zu korrigieren. Mir ist bewusst: Das geht nicht von heute auf morgen. Das hat Stephan Weil, der niedersächsische Ministerpräsident, im April auch hier in diesem Haus gesagt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, eine wissenschaftlich fundierte, transparente Endlagersuche auf den Weg zu bringen! Damit könnten wir auch wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit in die Atompolitik bringen. Ich denke, das lohnt sich. Herzlichen Dank. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Paul für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Paul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um kein anderes Projekt der deutschen Nachkriegsgeschichte ranken sich so viele Mythen und Legenden wie um das Projekt Gorleben. Das Gute am Untersuchungsausschuss war sicherlich, dass wir diese Mythen und Legenden ein Stück weit zur Seite schieben und einen Blick auf die Fakten werfen konnten. Eine Legende - Frau Vogt hat sie heute wieder zum Besten gegeben - ist, dass Mitte der 90er-Jahre die Bundesregierung unter Helmut Kohl mit der verantwortlichen Umweltministerin Angela Merkel gemeinsam mit der Energiewirtschaft an einer Billiglösung für die nukleare Entsorgung gearbeitet haben solle. ({0}) Tatsache - das kann man den Akten entnehmen, und das haben auch die Zeugen gesagt - ist, dass es in den 90erJahren einen ganz harten Interessengegensatz gab zwischen Energiewirtschaft und SPD auf der einen Seite und CDU/CSU-geführter Bundesregierung auf der anderen Seite. ({1}) Die Energiewirtschaft wollte die Erkundung in Gorleben am liebsten unterbrechen, um Geld zu sparen, während die verantwortliche Umweltministerin im Interesse der Sicherung der nuklearen Entsorgung an einer zügigen Erkundung festgehalten hat. Unter dem Strich hat sich die Umweltministerin durchgesetzt: Am 13. Januar 1997 haben die Vorstände der Energieversorger einer weiteren zügigen Erkundung Gorlebens zugestimmt. Man kann also überhaupt nicht sagen, dass Industrie und Bundesregierung an dieser Stelle sozusagen Hand in Hand gegangen wären. ({2}) Eine zweite Legende - auch diese Legende wurde von Frau Vogt hier vorgetragen - besagt, dass in der Zeit von Umweltministerin Angela Merkel aus politischen Gründen Einfluss genommen worden sei in der Frage, ob man den Salzstock Gorleben parallel erkundet oder zunächst den Nordosten und dann den Südwesten. Für eine gestufte Vorgehensweise gab es sicherlich gute Gründe. Ich nenne drei: Erstens. Seit den 70er-Jahren, als Gorleben ausgewählt wurde, hatte sich die Lage grundlegend verändert: Helmut Schmidt - er wurde genannt - bzw. seine sozialliberale Koalition wollte nach der Ölkrise 50 Kernkraftwerke in Deutschland bauen. Mitte der 90er-Jahre war klar, weniger als die Hälfte würde ans Netz gehen. Das hieß aber auch, weniger als die Hälfte der Abfälle würde anfallen. Das hieß auch, ein Endlager muss demnach nur halb so groß sein, wie ursprünglich angenommen. Deshalb machte es natürlich Sinn, zunächst die eine Hälfte und dann die andere Hälfte des Salzstocks zu erkunden. Rechtlich war es auch so: Die zuständigen Behörden in Niedersachsen haben ganz klar gesagt: Die Salzrechtsinhaber im Südwesten können erst dann enteignet werden, wenn feststeht, dass der Nordosten als Endlager nicht ausreicht. Also musste man doch schon allein um der Rechtssicherheit willen so vorgehen, dass man zunächst den Nordosten erkundet, bevor man den Südwesten erkundet. Schließlich haben die Fachleute immer davor gewarnt, Hohlräume unter Tage aufzufahren, die am Ende gar nicht benötigt werden. Auch diese Hohlraumminimierung sprach dafür, gestuft vorzugehen. ({3}) Frau Merkel fand im Übrigen diese Entscheidung vor. Schon am 26. Juli 1993 hat das Bundesamt für Strahlenschutz dem damaligen Umweltminister Klaus Töpfer ein gestuftes Vorgehen vorgeschlagen. Mitnichten kann man sagen, Frau Merkel habe diese Entscheidung provoziert, noch weniger, es habe politische Gründe gegeben. Es waren rein fachlich-wissenschaftliche Gründe, die für ein solch gestuftes Vorgehen gesprochen haben. ({4}) Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Bei allen Punkten hat sich in den letzten Jahren letztlich gezeigt: Die Vorwürfe und Verdächtigungen der Opposition sind haltlos. Heiße Luft wurde produziert. Die Legenden entsprachen nicht den Fakten. Selbst die Hauptthese, die von der Opposition immer wieder, auch heute, vorgetragen wird, nämlich dass Zweifel an der Eignung Gorlebens bestünden, ist widerlegt. Solche Zweifel finden sich weder in der Erklärung der rot-grünen Bundesregierung von 2000 - ich erspare es Ihnen nicht, das zu zitieren -, in der genau dargelegt wurde, dass es keine Zweifel an der Eignungshöffigkeit gibt, noch haben die Zeugen - ({5}) Wir haben 50 Zeugen und Sachverständige gehört. Praktisch keiner davon hat Zweifel an der Eignung geäußert. 47 von 50 Zeugen und Sachverständigen haben keine Zweifel geäußert. ({6}) Ihr Kronzeuge, Professor Röthemeyer, hat in seiner Vernehmung gesagt - hier zitiere ich wörtlich -, dass wir „Gorleben heute mehr als eignungshöffig zum Quadrat nennen können“. Das hat Ihr Kronzeuge hier zu Protokoll gegeben. Deshalb ist es vollkommen richtig - dafür danke ich Peter Altmaier auch noch einmal ganz herzlich -, dass wir im weiteren Endlagersuchverfahren Gorleben im Topf lassen. Alles andere würde den Fakten nicht gerecht werden. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Eckhard Pols hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion.

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt ist Frau Lühmann weg, oder? ({0}) - Ja, gut, aber sie ist nicht da. - An Frau Lühmann kann man sehen, dass es die Opposition mit der Wahrheit wirklich nicht sehr genau nimmt. Wenn sie behauptet, sie käme aus der Region, dann müssen wir wirklich lachen. ({1}) Frau Lühmann wohnt mindestens 170 Kilometer weit entfernt vor den Toren Hannovers. Das kann man nicht mehr als „aus der Region“ bezeichnen. ({2}) - Je mehr Sie schreien, umso mehr merke ich, dass ich in der Sache recht habe. ({3}) Nun zum Thema: Wir haben uns drei Jahre im Ausschuss durch Tausende von Aktenvermerken und Gesprächsnotizen gearbeitet und - wir haben es schon gehört - eine Vielzahl von Sachverständigen und Zeugen angehört. Aber was ist dabei herausgekommen, meine Damen und Herren? Es ist gar nichts dabei herausgekommen. Nichts hat sich bewahrheitet von den Anschuldigungen des Kollegen Gabriel, den ich heute übrigens hier vermisse. Ich wundere mich, dass er nicht da ist. Wenn ihm dieser Ausschuss damals so wichtig war, müsste er auch hier sein. ({4}) Er hat wohl schon gleich gesehen, dass dieser Untersuchungsausschuss eigentlich eine Farce war und nur politisch motiviert war, wie der Kollege Grindel bereits gesagt hat. ({5}) Wir haben in diesen drei Jahren Arbeit nichts herausgefunden, was der interessierte Bürger nicht schon wusste. ({6}) - Vielleicht im Detail schon. Weil Frau Lühmann den Zeugen von Bernstorff angesprochen hat, möchte ich gerne etwas dazu sagen. ({7}) - Hören Sie zu; dann können Sie weiterreden. - Herr von Bernstorff ist ein vehementer Kritiker dieser ganzen Sache, der aber als Grundbesitzer über Jahrzehnte sein Land als Ausgleichsflächen an den Bund verpachtet, ({8}) damit das Erkundungsbergwerk überhaupt betrieben werden kann, der sich neben Fischereirechten auch Jagdrechte und sogar einzelne Bäume bezahlen lässt ({9}) er erhält dafür eine nicht unbeträchtliche Summe, wie der Ausschuss gut herausgearbeitet hat -, und das schon seit über 30 Jahren. Ein besseres Beispiel für Doppelzüngigkeit kann man hier wirklich nicht finden. ({10}) Wir haben wirklich keinen Hinweis auf irgendwelche Einflussnahmen der Politik oder manipulierte Gutachten gefunden. Ich möchte nur einige Punkte kurz anreißen, weil meine Redezeit sehr knapp ist, bei denen Sachverständige oder Zeugen unser Wissen bestätigt haben wobei, vorweg gesagt, viele Sachverständige und Zeugen überhaupt nicht verstehen können, warum man diesen Salzstock nicht längst zu Ende erkundet hat. Wir haben schon gehört, dass es der ehemalige Bundeskanzler Schmidt war, der ja 50 Kernkraftwerke in Deutschland bauen wollte, der dem damals noch ganz frisch im Amt befindlichen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht - das war 1976/77 - abrang, das Versprechen seines Vorgängers Alfred Kubel, SPD, zu erfüllen, nun doch endlich einen Standort in Niedersachsen zu benennen. Dass Gorleben schon 1976 neben vier anderen möglichen Standorten wissenschaftlich betrachtet wurde, ist auch von der vom Bund beauftragten KEWA und dem IMAK, dem Interministeriellen Arbeitskreis des Landes Niedersachsen, herausgearbeitet worden. Den Ausschlag gegeben, weswegen Gorleben ausgewählt wurde, hatte unter anderem die Größe des Salzstockes von 40 Quadratkilometern und seine Ausmaße von 14 Kilometern Länge, von bis zu 4 Kilometern Breite und von 300 Metern bis 3 500 Metern Tiefe, außerdem auch die Tatsache, dass er über 250 Jahre jungfräulich blieb, also unverritzt. ({11}) - Ich habe auch nicht gesagt, dass er an der Elbe aufhört. Ich habe gesagt, er ist 14 Kilometer lang. Hören Sie doch genau zu, was ich sage, bevor Sie dazwischenrufen. Immer wieder bestritten wird ja auch, dass es eine Öffentlichkeitsarbeit gab. Sie gab es aber. Es gab ab Oktober 1977 die Gorleben-Kommission, ein Gremium aus Vertretern der im Kreistag vertretenen Parteien und Vertretern der Gemeinden sowie auch von Land und Bund. Die gorlebenkritische Kreistagsmehrheit hat dieses gut arbeitende Gremium 1991 einfach so aufgelöst. Es gab eine Informationsstelle von Land und Bund in Lüchow, deren Mitarbeiter zum Beispiel mit Schulklassen, Landfrauen und Theologen diskutierten und versuchten, Spannungen zwischen Kritikern und Befürwortern abzubauen. Die Mitarbeiter dieser Informationsstelle nahmen ihre Tätigkeit mit viel Sachlichkeit in der Diskussion wahr. Es gab das Gorleben-Hearing und eine weitere Anzahl von Informationsveranstaltungen mit Bürgern und für Bürger in der Region; Frau Brunkhorst hat das angesprochen. Zur damaligen Zeit war das umfassend und wegweisend. Aus heutiger Sicht hätte man sicherlich vieles anders und vielleicht auch besser machen können. Das wird mit dem neuen Standortauswahlgesetz auch geschehen; eine umfassende Bürgerbeteiligung wird sichergestellt. Frau Voß, ich komme nun zu Ihnen. Ein angeblicher K.-o.-Punkt war laut Opposition das gewaltige Gasvorkommen neben, über und unter. Das, was Sie uns da alles erzählt haben, was Sie alles konstruiert haben, hat sich als unseriös herausgestellt. Sie sind damit völlig in eine Sackgasse gelaufen. ({12}) Dass Kohlenwasserstoffe in Verbindung mit Salz vorkommen, Frau Voß, das ist bekannt. Aber hätte es diese in dieser gewaltigen Menge gegeben, wie Sie uns immer wieder weismachen wollten - daran sind Sie letztendlich auch gescheitert -, dann wäre diese Menge Gas spätestens in den 20er- oder 30er-Jahren ausgebeutet worden. All dies sind Wahrheiten, die der Ausschuss herausgearbeitet hat, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der Opposition, die Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. ({13}) Dies sollten Sie für eine offene Endlagersuche wirklich tun, für Gorleben und - das wurde angesprochen - vor allen Dingen für die Menschen in der Region und für die Mitarbeiter, die dort arbeiten; denn mit Ihren wiederholten Äußerungen über Manipulation, Vertuschung und Täuschung greifen Sie auch die Mitarbeiter in dem Erkundungsbergwerk, die Geologen, die dort arbeiten, an. So kann man nicht mit Menschen umgehen. Vielen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Kollegin Ute Vogt.

Ute Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002823, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Pols, Sie haben eben in einer aus meiner Sicht ehrenrührigen Art und Weise die Familie des Grafen von Bernstorff und ihn selbst beschrieben. ({0}) Ich will zur Richtigstellung darauf hinweisen, dass Sie versäumt haben, zu erwähnen, dass der heutige Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Herr Hennenhöfer, damals mit dem Grafen von Bernstorff Verhandlungen geführt hat und dass die damalige Bundesregierung bereit gewesen wäre, dem Grafen sehr viel Geld dafür zu bezahlen, damit er seine Salzrechte verkauft. ({1}) Er hat eben gerade nicht darauf spekuliert, möglichst viel Geld zu verdienen, ({2}) sondern er hat aufrichtig seiner Überzeugung folgend alles getan, um von der Region, dem Wendland, Atommüll fernzuhalten, und hat für ein anständiges, faires und vor allem wissenschaftlich fundiertes Verfahren gekämpft. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Pols bitte zur Antwort.

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, Frau Vogt, auch das hat der Untersuchungsausschuss herausgearbeitet, aber der Untersuchungsausschuss hat auch das herausgearbeitet, was ich gesagt habe, dass nämlich die Familie des Grafen von Bernstorff bzw. Herr Andreas Graf von Bernstorff persönlich einer der großen Profiteure dieser ganzen Erkundungsarbeiten ist ({0}) und dass er sich schon 1976 bei den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen die Renovierung bzw. einen Ausgleich für Feldwege, die dort benutzt wurden, hat bezahlen lassen. Er hat sich, wie gesagt, bis zum heutigen Tage und darüber hinaus sehr gut bezahlen lassen: durch Jagdrechte, Fischereirechte und Ländereien als Ausgleichsflächen. Das ist unstreitig, und das finden Sie auch in den Unterlagen. ({1}) Dass der Herr Hennenhöfer mit ihm verhandelt hat - das ist auch völlig richtig -, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Familie von Bernstorff noch heute Gelder vom Bund für Ausgleichsmaßnahmen bekommt. Nur deshalb konnte das Erkundungsbergwerk so arbeiten, wie es 30 Jahre lang gearbeitet hat. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 17/13700. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig dafür. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 7 auf: Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ - Drucksache 17/13300 Hierzu liegen ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor. Es ist verabredet, hierzu eine Stunde zu debattieren. Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Enquete-Kommission war interessant und erkenntnisreich. Ich will meine Rede mit dem Dank an die Sachverständigen beginnen, die die Kommissionsarbeit, wie vorgesehen, durch ihr Fach- und Sachwissen bereichert, unsere Grabenkämpfe ertragen und manchmal auch gezeigt haben, dass sie uns in der Heftigkeit, ihre Positionen an der Stelle durchzusetzen, nicht nachstehen. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen für eine gute Positionierung, für Kollegialität und dafür, dass sie gelegentlich auch wieder aus dem Schützengraben gefunden haben. Und ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für viel Geduld und Fleiß. ({0}) 31 Kommissionstagungen, unzählige Projektgruppensitzungen, 12 Anhörungen und 13 Expertenrunden in unterschiedlichen Projektgruppen: Wir haben es uns nicht leicht gemacht; denn das Thema war in der Tat weit gefasst. Wir haben uns Gedanken über die Wachstumsperspektiven dieser Republik und über die Fragen gemacht, was Wohlstand bringt, was Wohlstand heißt und was Lebensqualität bedeutet. Das ist ein breites Thema. Ich persönlich meine übrigens, das ist ein zu weit gefasstes Thema für nur eine Enquete-Kommission. Themen wie „Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch“, „Demografie und Wachstum“, „Grenzen nationaler Politik“ und „Vorreiterrolle“ wären in diesem Zusammenhang an sich schon als Themen geeignet gewesen, um eine eigene Enquete-Kommission zu installieren. In meinem Dank habe ich schon ein wenig angedeutet, dass es am Schluss keinen Konsens gab, so wie das bei der einen oder anderen Enquete-Kommission vielleicht gedacht ist. Ich sage Ihnen aber auch: Mich beruhigt dieser Dissens; denn am Schluss haben wir angesichts der Breite des Themas auch wirtschaftspolitische Gesamtkonzeptionen gegeneinandergestellt. Frau Lötzer, Sie schauen mich gerade an: Ich hätte mich gewundert, wenn sich unsere Seite mit Ihrer Seite geeinigt hätte. ({1}) Das hätte mich als Demokraten auch massiv erschüttert. ({2}) - Der demokratische Sozialismus passt nicht zu uns; bei Ihnen passt die Demokratie nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. ({3}) - Hören Sie mir gut zu, Herr Ott, dann verstehen Sie, was ich Ihnen sage. Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass das Thema so breit war, dass der Konsens am Schluss programmierterweise nicht erreichbar war, und das werden Sie nicht bestreiten. ({4}) Sie und ein erheblicher Teil von den Grünen haben 60 Sondervoten geschrieben. Vor diesem Hintergrund braucht man nicht zu behaupten - das sage ich Ihnen ganz offen -, man habe einen Konsens gesucht. Sie haben immer das Gleiche gemacht: ({5}) Sie haben von uns den Konsens gefordert und selber ein abweichendes Votum geschrieben. Das hat mit Konsens nichts zu tun. Aus Ihrer demokratischen Sicht ist Konsens nur dann zu erreichen, wenn man Ihrer Meinung ist; auch das muss man einmal in dieser Klarheit sagen. ({6}) Lassen Sie uns aber nicht gleich am Anfang streiten, auch wenn ich gerade in Wahlkampfphasen gerne provoziere; das gebe ich offen zu. ({7}) Ich will Ihnen erst einmal erklären, was nach meiner Meinung der größte Erfolg dieser Enquete-Kommission war. Der größte Erfolg dieser Enquete-Kommission stand schon ganz am Anfang fest. Nachdem wir zäh miteinander gerungen haben, was denn der Rahmen dieser Enquete-Kommission sein soll, legten wir fest, dass wir uns im Bereich der sozialen Marktwirtschaft bewegen sollen. Da gab es etliche auf dieser Seite des Hauses - da schaue ich nicht nur nach ganz links -, die da sehr skeptisch waren und überlegten, ob man sich nicht außerhalb der sozialen Marktwirtschaft bewegen solle, weil man die Chance gesehen hat ({8}) - lassen Sie mich doch reden, Mensch, Sie dürfen nachher doch auch reden -, unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem angesichts der aufkommenden Finanzkrise infrage zu stellen. Das haben wir Ihnen von Anfang an nicht durchgehen lassen. Ich will jetzt nicht anmaßend sein, aber die soziale Marktwirtschaft hat ihren Teil dazu beigetragen, Sie, so hoffe ich jedenfalls, davon zu überzeugen, dass sie leistungsfähig ist und dass sie eine solche Krise überstehen kann. Auch das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen. ({9}) Die soziale Marktwirtschaft hat sich in der Krise bewährt, und sie hat durch sie gewonnen. Es ist deshalb eben nicht notwendig, über eine sozial-ökologische Transformation nachzudenken, so wie Sie das nachher wohl einfordern werden. ({10}) Das sind nämlich nur schöne Worte für einen grünen Lack unserer altehrwürdigen sozialen Marktwirtschaft. Ich finde es schon gut - auch das sage ich Ihnen ganz offen -, wie Sie das machen: Die generische Bezeichnung für alles, was ökologisch oder positiv besetzt sein soll, ist grün. Das muss man Ihnen lassen: Das ist schon gutes Marketing. Aber das war nicht der Kern dessen, was wir herausarbeiten wollten. Vielmehr ist es uns geglückt, insgesamt zu zeigen, was soziale Marktwirtschaft im sozialen, im ökonomischen, aber auch im ökologischen Bereich bewegen kann; das möchte ich an dieser Stelle ganz besonders unterstreichen wie auch die Tatsache, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ keine grüne Erfindung ist, so wie Sie das manchmal darstellen, sondern aus der Forstwirtschaft kommt. Das zeigt deutlich, dass Nachhaltigkeit ein fundamentaler, ein klarer Bestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft ist. ({11}) Die Kollegin Bulmahn hat uns gegen Ende der Arbeit in der Enquete-Kommission eine Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft angeboten. Über diese Begrifflichkeit hätte man, wenn man einen Konsens gewollt hätte, aus meiner Sicht reden können; denn nachjustieren muss man in der Tat. Das wäre relativ unstrittig gewesen. Aber sie hat es uns nicht ernsthaft angeboten, weil sie leider Gottes eigentlich Ihnen, den Grünen und insbesondere der Linken, auf Ihrem Weg folgen wollte. ({12}) Vermutlich hat sie es uns auch deshalb nicht ernsthaft angeboten, weil dann auch ein nostra culpa hätte kommen müssen; denn bei den aus der Finanz- und EuroKrise resultierenden Schwierigkeiten sind die SPD und die Grünen in besonderer Weise in Obligo, in einer besonderen Weise in der Schuld. ({13}) Wer hat denn die Überliberalisierung der Finanzmärkte betrieben? ({14}) Das war doch Rot-Grün, Herr Heil! Wer hat denn die Aufnahme Griechenlands in die EU beschlossen? Das war doch Rot-Grün. ({15}) Wer hat denn die Aufkündigung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes betrieben? Das war doch Rot-Grün. Das war doch Gerhard Schröder. ({16}) So war es doch. Geben Sie es doch zu! ({17}) Dass sich unsere soziale Marktwirtschaft trotz dieses Sündenfalls behaupten konnte, finde ich großartig. Dass wir mit dieser Enquete-Kommission die Chance gehabt haben, Ihre fundamentale Wachstumskritik zu relativieren, auch diesen Ansatz, man müsse Wachstum aktiv begrenzen, den man allenthalben hört, weniger von der SPD ({18}) - auf Sie komme ich gleich zu sprechen -, aber insbesondere von den Grünen - Sie haben es erst gestern wieder im Ausschuss vorgetragen -, ({19}) möchte ich hier herausarbeiten. ({20}) Die SPD hat an der Stelle in der Tat - weil deren Abgeordneten gerade am lautesten schreien - den größten Spagat hinter sich. ({21}) Sie haben in der Enquete-Kommission immer betont, Wachstum sei kein Ziel. In dem bemerkenswerten Antrag „Deutschland 2020 - Zukunftsinvestitionen für eine starke Wirtschaft“, den ich in weiten Teilen gut finde, formulieren Sie genau etwas anderes. ({22}) Herr Wiesehügel, übrigens Mitglied in Ihrem Kompetenzteam, sagt im Tagesspiegel auch etwas anderes. Er sagt, man brauche Konjunkturprogramme, um Wachstum anzukurbeln. Was denn nun? Lassen Sie sich nicht ständig von Linken und Grünen in Geiselhaft nehmen! ({23}) Ich hätte mich gefreut, wenn es da nicht ständig diesen offenkundigen Schulterschluss gegeben hätte, ({24}) der mich persönlich hinsichtlich der Frage ein bisschen skeptisch macht - das sage ich ganz offen -, ob Sie wirklich nicht beabsichtigen, nach der Bundestagswahl gemeinsam in eine bestimmte Richtung zu marschieren. Da habe ich meine Sorge. ({25}) Jetzt reicht meine Zeit natürlich nicht mehr. Ansonsten hätte ich gerne noch etwas zu den Indikatoren gesagt, ({26}) weil ich gut finde, was wir da erarbeitet haben. ({27}) Aber plötzlich redet die SPD - das sage ich Ihnen ganz offen - im vorliegenden Entschließungsantrag von neuen Indikatoren, nicht von denen, die man Gott sei Dank mit uns in der Enquete-Kommission beschlossen hat, was gut, was international vergleichbar, was überschaubar und was, im Übrigen mit sozialen und ökologischen Perspektiven ausgestattet, viel besser ist als das, was die Grünen einseitig vorgeschlagen haben. Das, was Sie da nun vorschlagen, ist deutlich materialistischer als das, was wir hier gemeinsam erarbeitet haben. Es ist insofern gut, dass es uns gelungen ist, die Bedeutung des BIP zu relativieren, aber nicht hinsichtlich des Aspekts infrage zu stellen, wie es bei uns wirtschaftlich weitergeht. Dass es uns hier nicht nur gelungen ist, die soziale Marktwirtschaft in ein gutes Licht zu rücken, sondern auch, darauf hinzuweisen, dass, wie es uns in Zukunft wirtschaftlich geht, von der Innovationskraft in unserer Gesellschaft, also ob wir innovativ bleiben, abhängen wird, halte ich für entscheidend.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin sofort fertig. - Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass die grüne Seite mitwirken wird, die Innovationskraft zu fördern. Den Eindruck hatte ich weder in der Enquete-Kommission noch in der aktuellen Tagespolitik. Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPDFraktion das Wort. ({0})

Daniela Kolbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004079, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich stand in meinem Skript, dass wir alle in dieser Enquete sehr viel gelernt haben. ({0}) Leider muss ich nach Ihrer Rede, Herr Dr. Nüßlein, diesen Satz jetzt streichen, es tut mir echt leid. ({1}) Erinnern Sie sich noch? Damals, Ende 2010/Anfang 2011, hallte das Krachen der Finanzkrise noch nach, und das Beben der Weltwirtschaftskrise war auch in Deutschland, in unserem Land, noch beängstigend zu spüren. Damals war auch die Banken- und Finanzkrise noch nicht zu einer Staatsschuldenkrise in der EuroZone geworden. Damals ist die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“, wie der Titel in ganzer Schönheit lautet, ins Leben gerufen worden, zunächst auf Initiative von SPD und Grünen, die anderen Fraktionen haben sich dann angeschlossen. Wir sind zu einer Zeit gestartet, als die Verheerungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise auch in Deutschland noch ganz deutlich spürbar waren. Damals waren wir uns einig, Herr Dr. Nüßlein, dass die Finanzund Wirtschaftskrise das Leitbild des absolut freien, deregulierten Marktes blamiert und auch ad absurdum geführt hat. Wir waren uns einig, dass vieles von dem, was als Wohlstand daherkam, sich letztlich nur als Blase entpuppt hat, deren Platzen dann einen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen hat, der bei vielen auch noch heute anhält. Wir sind mit dem gemeinsamen Gefühl gestartet, dass unsere Maßstäbe des Wirtschaftens nicht mehr verlässlich sind, dass wir neue Maßstäbe für eine neue Art des nachhaltigen Wirtschaftens brauchen. Sie haben es selbst gehört: Im Laufe der Enquete ist diese gemeinsame Gewissheit leider immer mehr verloren gegangen. Viele aus der Koalitionsmehrheit - mir ist ganz wichtig, zu sagen: beileibe nicht alle, aber eben viele - meinten zu erkennen, dass diese Krise doch nur irgendwie ein Betriebsunfall gewesen und ein Weiter-so bei kleinen Reförmchen schon zu verantworten sei. Die damit verbundene Verweigerung von Teilen der Union - ich möchte ganz deutlich unterstreichen, dass es hier um Teile der Koalition geht -, Neues zu denken und alte Weisheiten infrage zu stellen, hat unsere Enquete-Kommission an vielen Stellen gelähmt, an denen es notwendig gewesen wäre, mit mehr Neugierde und mehr Mut nach vorne zu denken. Es ist schon bemerkenswert und macht mich ein bisschen traurig, dass Frau Merkel zumindest verbal an vielen Punkten und auch gestern bei ihrem Deutschlandforum - das dürfte jetzt ungefähr der 46. Gipfel gewesen sein - deutlich weiter gegangen ist, als mancher in der Enquete-Kommission auch nur zu denken gewagt hätte. Aus unserer Sicht sind die Herausforderungen klar. Im Bereich des Ressourcenverbrauchs zum Beispiel haben wir alle sie glasklar, bestechend, intellektuell anregend und dazu im Konsens beschrieben. Ein Weiter-so unseres Wirtschaftens ist nicht zu verantworten. ({2}) Sowohl die sozialen als auch die ökologischen Folgen wären viel zu dramatisch, als dass das zu riskieren wäre. ({3}) Die Entwicklungen der Globalisierung und der dramatische Bevölkerungsanstieg bei gleichzeitig glücklicherweise steigendem materiellen Wohlstand für viele sind verbunden mit einem dramatisch gestiegenen Ressourcen- und Naturverbrauch. Gerade der Klimawandel führt uns vor Augen: Ein massiver sozial-ökologischer Wandel ist nötig. Wenn wir diesen Wandel nicht herbeiführen, wären die Folgen dramatisch. Aber nach der Enquete wissen wir auch: Verzweifeln ist genauso wenig geboten, wie den Kopf in den Sand zu stecken. Daniela Kolbe ({4}) Gerade wo sich die Enquete mit konkreten Fragestellungen befasst hat, hat sie oft auf sehr konstruktive Art und Weise Antworten gegeben. Sie finden in dem Schlussbericht der Enquete, der schon von seinen Ausmaßen her beachtlich ist, ganz konkrete Vorschläge, wie zum Beispiel die chemische Industrie nachhaltiger wirtschaften kann, sowie mutige Vorschläge, wie wir die Finanzmärkte neu ordnen müssten. Wir brauchen den Mut, die Debatte fortzuführen. Wir brauchen den Mut, die zweifelsohne extrem schwierigen Fragen zu beantworten und die Ergebnisse dann umzusetzen. Eine Vogel-Strauß-Taktik können wir uns als Gesellschaft nicht leisten. Ich möchte auf ein weiteres konkretes Ergebnis hinweisen. Uns ist es gelungen, eine neue Wohlstandsmessung vorzuschlagen. Dass das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes kein sinnvoller Indikator ist, darüber waren wir uns sehr schnell einig. Die „W hoch drei“Wohlstandsindikatoren, die wir vorschlagen, stellen aus meiner Sicht einen sehr guten Kompromiss dar, ({5}) und zwar aus Gründen der Übersichtlichkeit einerseits und der angemessenen Tiefe der Wohlstandsmessung andererseits. Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass wir bei der Frage nach der Wohlstandsmessung auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau waren. Wir wollten eine Wohlstandsmessung, die tiefgründig, relevant, verlässlich, international vergleichbar, interessant, gut kommunizierbar und umfassend ist. Ich kann hier berichten: Wir sind sehr sicher, die eierlegende Wollmilchsau existiert nicht. Es ging vielmehr um einen guten Kompromiss. Ich gebe zu: Ich bin ein bisschen betrübt, dass wir trotz ausführlicher Debatte mit extrem viel Sachverstand - die Betreffenden sitzen heute zum Teil auf der Zuschauertribüne - nicht in der Lage waren, eine fraktionsübergreifende Lösung zu finden. Ich formuliere es so: Ich hätte mir an dieser Stelle ein bisschen mehr Blick in die Zukunft und weniger Profilierungsdrang gewünscht. ({6}) „Puh!“, kann man sagen. Das waren spannende, anstrengende, für die meisten lehrreiche und vor allen Dingen sehr wichtige zweieinhalb Jahre. Wir haben nicht umsonst geschwitzt; denn wir haben eine, wenn nicht die zentrale Debatte der kommenden Jahrzehnte auf den parlamentarischen Weg gebracht. Darauf können wir trotz aller Unterschiede sehr stolz sein. ({7}) - Es freut mich sehr, dass auch die Grünen klatschen. Mein Dank gilt allen an der Enquete Beteiligten, vor allem denjenigen, die den Auftrag der Enquete beherzigt haben, langfristige Themen unabhängig von Fraktionsdisziplin zu diskutieren. Gerade den Querdenkerinnen und Querdenkern möchte ich deshalb meine hohe Anerkennung aussprechen. Ebenso herzlich möchte ich all jenen danken, die rings um die Enquete geschwitzt, gearbeitet und gedacht haben: den Mitgliedern der Enquete - einige sitzen, wie erwähnt, hier oben - und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sehr viel Sachverstand eingebracht haben. Ganz herzlich und explizit möchte ich an dieser Stelle dem Sekretariat danken. Ihr habt einen riesengroßen und tollen Job gemacht. ({8}) Für viele der Themen hatten wir nicht ausreichend Zeit. Aber Probleme verschwinden nicht dadurch, dass wir erkennen, dass sie sehr komplex und sehr schwierig zu lösen sind, und sie dann möglichst vermeiden. Wir müssen uns die Zeit nehmen, die wirklich komplizierten Fragen unserer Zeit mutig zu stellen und weiter zu diskutieren. Ich wünsche mir sehr, dass diese Debatte weitergeht. Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Florian Bernschneider das Wort. ({0})

Florian Bernschneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004009, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will mich im Namen meiner Fraktion zunächst einmal ganz herzlich bedanken, nicht weil man das aus Höflichkeit so tut, sondern tatsächlich aus Überzeugung. Ich will mich beim Sekretariat bedanken, bei den Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros, ohne die dieser reibungslose Ablauf der Enquete-Kommission gar nicht möglich gewesen wäre, bei den Sachverständigen, die uns in der Tat immer wieder den Blick über den Tellerrand unserer Tagespolitik hinaus ermöglicht haben, natürlich bei Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, mit denen nicht immer - ich glaube, das würden auch Sie umgekehrt mit Blick auf uns unterschreiben -, aber immer wieder, wenn ich zum Beispiel Kollegin Arndt-Brauer betrachte, ein konstruktiver Dialog in dieser EnqueteKommission möglich war, und auch bei unserer Vorsitzenden Daniela Kolbe, ({0}) die ihre Aufgabe nicht nur konstruktiv, sondern auch immer sehr fair ausgefüllt hat. Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der Enquete-Kommission kann man in drei Kategorien einteilen. Es gibt Ergebnisse, bei denen wir uns definitiv uneinig sind; es gibt Ergebnisse, bei denen wir uns einig sind, dass wir uns uneinig sind, und es gibt Ergebnisse, bei denen wir uns tatsächlich einig sind und bei denen wir es geschafft haben, über die Fraktionsgrenzen hinweg einen Konsens zu erzielen. Wir alle wissen, dass das die Ergebnisse sind, die wahrscheinlich die deutlichsten Spuren in der Tagespolitik hinterlassen werden. Davon gibt es einige. Nach dem Motto „das Beste zum Schluss“ möchte ich zuerst zu all jenen Punkten kommen, in denen wir uns nicht einig sind und bei denen wir nicht zusammenkommen konnten. Das betrifft vor allem - das hat der Kollege Nüßlein angedeutet - ganz grundsätzliche Fragen der Wirtschafts-, der Gesellschafts- und der Ordnungspolitik. Da fordern Sie von der Opposition, SPD, Grüne und Linke, einen radikalen Wandel ein. Sie haben einen Namen dafür: Das ist die sozial-ökologische Transformation, wie Sie es nennen. Die Kollegin Bulmahn versucht jetzt, das etwas abzuschwächen, indem sie sagt: Es geht uns um eine Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft. - Aber wenn man in die Texte schaut, stellt man fest, dass da schon etwas anderes steht, Frau Bulmahn. Ich will aus Ihrem Sondervotum zitieren: Wie im Adjektiv „sozial-ökologisch“ angezeigt, bedarf es grundlegender Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft … Sie wollen eine solidarische Ökonomie oder, wie Sie auch schreiben, eine Demokratisierung der Wirtschaft und kommen dabei selbst zu der Überzeugung - das ist schon beachtlich -, dass das, was Sie damit erreichen möchten, „eine gewaltige Herausforderung an unser Verständnis von Freiheit, Vernunft und Verantwortung“ ist. Beim besten Willen: Dieses falsche Verständnis von Freiheit und Verantwortung können wir als Liberale Ihnen einfach nicht entgegenbringen. Denn was bedeutet eigentlich diese Demokratisierung der Wirtschaft, die Sie zum Beispiel vorschlagen? Sollen da Claudia Roth und Sigmar Gabriel entscheiden, wie sich Wirtschaft in unserem Land zu entwickeln hat? ({1}) Sie haben immer wieder gesagt: Es gibt Branchen, die wachsen sollen, und es gibt Branchen, die schrumpfen sollen. - Damit widersprechen Sie einer Grundüberzeugung, die wir alle hätten gewinnen müssen, nämlich dass Wachstum keine politische Steuerungsgröße ist. Wir Liberale bleiben dabei: Wachstum ist das Ergebnis millionenfacher einzelner Entscheidungen. Die lassen sich nicht am rot-grünen politischen Reißbrett planen, sondern dafür braucht man einen ordnungspolitischen Rahmen. Das ist und bleibt für uns nun einmal die soziale Marktwirtschaft, für die uns im Übrigen viele andere Menschen in Europa beneiden. ({2}) Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die Grünen zur Vernunft zurückkehren, was Wirtschaft und Ordnungspolitik angeht. Bei der SPD bin ich mir nicht sicher. Es ärgert mich ehrlich gesagt aber schon, mit welcher Doppelzüngigkeit Sie vorgehen. In wachstumskritischen Zirkeln in Berlin schmückt man sich mit der sozial-ökologischen Transformation, wenn man aber ins Wahlprogramm der SPD schaut, dann findet man ganz andere Sätze. Da steht zum Beispiel, Stabilität setze Wachstum voraus. Wachstum sei notwendig, um die dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen oder gar um Armut in der Welt zu überwinden. Da steht weiter, dass Flughäfen, Bahnhöfe und Häfen die Städte zu Motoren des Wachstums und Fortschritts machen und dass in der Kreativität - als Rohstoff des 21. Jahrhunderts - immense Wachstumspotenziale stecken. ({3}) Frau Bulmahn, ganz ehrlich: Wenn Sie mit dieser Haltung in der Enquete-Kommission gesessen hätten, dann hätten wir an vielen anderen Stellen Konsens finden können. Aber - das ist das Traurige - das gesamte SPD-Wahlprogramm wird mit dem Slogan „Das Wir entscheidet“ zusammengebunden. Das entspricht dann wieder Ihrer Haltung in der Enquete-Kommission. Überall, wo dieses „Wir“ entscheidet, zählt der Einzelne nicht mehr. ({4}) Das, was Sie uns blumig als Suffizienz verkaufen, ist am Ende nichts anderes als eine staatlich verordnete Verzichtskultur. ({5}) Egal, ob Sie in die Sondervoten der Enquete-Kommission oder in Ihr Wahlprogramm sehen: Verbote, Gesetze, Steuererhöhungen, Abgabenerhöhungen usw. Im Notfall muss der Einzelne zu seinem Glück, wie Sie es definieren, staatlich verpflichtet werden. Auch das ist mit uns Liberalen nicht zu machen. Deswegen kamen wir hier zu keinen gemeinsamen Beschlüssen. ({6}) Ich habe versprochen: Das Beste kommt zum Schluss. Wir waren uns in einigen Punkten einig. Darauf können wir als Enquete-Kommission stolz sein. Bei der Frage der Finanzmarktregulierung waren wir uns in großen Teilen einig. Auch in der PG 3 gibt es Überschneidungen, auf die die Kollegin Skudelny eingehen wird. Vor allem sollte man das Ergebnis der Projektgruppe 2 lobend erwähnen, nämlich den Indikatorensatz W3, den CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam entwickelt haben. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, warum sich Grüne und Linke vehement dagegen gewehrt haben. Man hat die berechtigte Kritik am BIP als zu verkürzendes Wohlstandsmaß in die Arbeit aufgenommen, aber am Ende hat man wieder eine völlig verkürzte Sicht von dem, was Wohlstand in unserer Gesellschaft ausmacht, mit drei oder vier Indikatoren präsentiert. Damit wird man dem Auftrag der Enquete, lieber Kollege Ott, auch nicht gerecht. Das Ergebnis, das wir vorgelegt haben, ist wesentlich besser. Ich verstehe die SPD nicht, warum sie beim Entschließungsantrag wieder mit den Grünen und Linken paktiert und nicht zu dem steht, was sie mit Union und FDP bezogen auf die Wohlstandsindikatoren beschlossen hat. Das mag Parteitaktik sein. Vielleicht ist es die beschriebene Doppelzüngigkeit oder einfach Orientierungslosigkeit der SPD. Ich weiß es nicht. Das ist alles geschenkt. Es ist ein gutes Ergebnis. Darauf sind wir Liberale stolz. In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank an alle, die daran konstruktiv mitgearbeitet haben. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Ulla Lötzer das Wort. ({0})

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Kolleginnen! Kollegen! Nach wie vor stehen wir vor der Situation, dass die globale Krise andauert: die globale und europäische Finanzkrise, die soziale Krise mit wachsender Ungleichheit, die Umweltkrise mit ihren Katastrophenfolgen. Insofern war die Einrichtung der Enquete-Kommission sicherlich sehr wichtig. Umso schlimmer finde ich das, Kollege Nüßlein, was Sie hier wieder bieten; denn Sie und die FDP-Kollegen insgesamt haben in dieser Enquete-Kommission gemeinsame Schlussfolgerungen und Lösungsansätze bei wesentlichen Fragen tatsächlich blockiert. ({0}) Für Sie - das haben Sie gerade sehr deutlich gemacht ist diese Krise einfach ein Betriebsunfall einer ansonsten gut funktionierenden Politik. Sie meinen tatsächlich, Bekenntnisse zur sozialen Marktwirtschaft würden ausreichen, sich den Problemen zu stellen und dafür Lösungen zu finden. Das ist keine demokratische Antwort. Das will ich Ihnen noch einmal deutlich sagen. ({1}) Die Krise ist auch ein Ergebnis einer Politik, die die Interessen von Menschen den kurzfristigen Renditezielen der Finanzmärkte, der großen Konzerne, der Banken und der Spekulanten untergeordnet hat. Für diese Politik sind Sie verantwortlich. Insofern wäre es umso bedeutender gewesen, wenn Sie sich dieser Verantwortung gestellt hätten. ({2}) Die demokratische Antwort auf diese Krise ist, Herr Nüßlein, ein grundlegender Politikwechsel und keine Beschwörung, keine Bekenntnisse, keine Rädchen. Eine sozial-ökologische Transformation ({3}) muss soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Erneuerung und einer umfassenden Demokratisierung dieser Gesellschaft verbinden. ({4}) Da helfen alle Schreckgespenste nicht. ({5}) - Das ist sicherlich nicht das, was ich gerade dargestellt habe. Diese Differenzen spiegeln sich natürlich auch in der Auseinandersetzung um die Wachstumsfrage wider. Ich bin ja erstaunt: Nach vielen Auseinandersetzungen haben Sie alle - auch die Vertreter der FDP und der CDU/ CSU - in der Enquete-Kommission erklärt, Wachstum sei auch Ihrer Auffassung nach kein Ziel von Politik. Das hat sich eben ganz anders angehört. ({6}) An jeder Stelle im Bericht - und auch heute wieder sagen Sie, Wachstum sei aber Voraussetzung für die Lösung der Probleme. Dabei berücksichtigen Sie immer noch nicht, dass Wachstum an einen steigenden Ressourcenverbrauch gekoppelt ist und dass Wachstum schon lange nicht mehr Wohlstand und Lebensqualität für alle garantiert. Trotzdem noch einmal, heute zum letzten Mal: Wir ersetzen nicht die Schrumpfung der Wirtschaft durch das Verfolgen von Wachstumszielen, sondern wir haben in dem Bericht eindeutig erklärt: Wir wollen, dass soziale Entwicklungsziele - die Bekämpfung von Armut zum Beispiel -, ökologische Entwicklungsziele - die Senkung des Ressourcenverbrauchs - und nicht das Starren auf Wachstum zum Gegenstand der Politik werden. ({7}) Wir haben auch festgestellt - das lässt sich überall empirisch nachweisen -, dass wir es in den Industrieländern aus vielfachen Gründen schon lange mit sinkenden Wachstumsraten zu tun haben. Bei sinkenden Wachstumsraten, so sagen Sie, muss der Sozialstaat geschleift werden, muss die Arbeitszeit verlängert werden, müssen die Löhne gesenkt und muss die Prekarisierung von Arbeit vorangetrieben werden. Das ist ja auch leider Ihre Politik hier und in Europa. ({8}) Wir dagegen haben uns diesem Problem im Sondervotum der Opposition gestellt, haben Lösungen vorgestellt, wie auch bei sinkenden Wachstumsraten der Sozialstaat erhalten bleiben kann, wie Maßnahmen für gute Arbeit, Umverteilung, Zeitwohlstand und Sicherung des Sozialstaats, zum Beispiel mit einer Bürgerversicherung, aussehen können. Dazu gehört auch ein neues Verständnis von Arbeit und Leben in der Gesellschaft. Sorgearbeit und ehrenamtliches Engagement müssen eine ganz andere Rolle in der Debatte um die Zukunft der Arbeit spielen. ({9}) Dazu gehört auch die Debatte um Lebensweise und nachhaltigen Konsum. In dem Bericht gibt es viele sinnvolle Vorschläge dazu. Herr Bernschneider, Sie bezeichnen das immer als Freiheitsberaubung und haben es eben auch wieder getan. Wenn Sie jeglichen staatlichen Eingriff, jegliche staatliche Rahmensetzung als Freiheitsberaubung darstellen, vertreten Sie nicht den mündigen Bürger in dieser Gesellschaft. ({10}) Tatsache ist: Sie fordern den mündigen Bürger immer nur als Ersatz für staatliches Handeln. Wo sind die Maßnahmen zur Demokratisierung, zur Wirtschaftsdemokratisierung? Diese lehnen Sie ab - das haben Sie eben auch wieder deutlich gemacht -, ({11}) genauso wie eine Stärkung der Rechte der Verbraucher oder der Bürger und Bürgerinnen im Bereich der Wirtschaft. Nicht Ihre Position, sondern unsere Position hat etwas mit mündigen Bürgern zu tun. ({12}) Mündige Bürger ersetzen nicht staatliches Handeln. Im Gegenteil: Sie setzen einen mündigen Staat voraus und nicht den Nachtwächterstaat, wie Sie ihn in Ihrer Politik vertreten. ({13}) - Hören Sie doch auf, nach so vielen Jahren auf die DDR anzuspielen! Einige gemeinsame Fortschritte wurden allerdings erzielt, so in der Finanzmarktregulierung - das ist erfreulich - und in der Finanzpolitik. Die Feststellung, dass eine zukunftsfähige Finanzpolitik nicht nur ausgeglichene Haushalte im Blick haben darf, sondern sich an öffentlicher Daseinsvorsorge, hochwertiger Bildung und daran orientieren muss, Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, ist ein guter Teil dieses gemeinsamen Berichts. Wir werden Sie an den Konsequenzen messen; denn diese bedeuten auch eine andere Politik als Ihr Spardiktat in Europa. Große Fortschritte hat es in der Ressourcenfrage gegeben, die Anerkennung der planetarischen Grenzen zum Beispiel, die Anerkennung der Tatsache, dass eine absolute Senkung des Ressourcenverbrauchs notwendig ist. Dass sich allerdings die Koalition hier wieder Handlungsempfehlungen verweigert hat, ist wirklich ein Problem. ({14}) Zu den Indikatoren komme ich jetzt leider nicht mehr. Ich kann nur sagen: Wir sehen - das gilt auch für den Entschließungsantrag von SPD und Grünen - das Problem, dass das Verhältnis der verschiedenen Berichte zueinander und der entsprechend zugeordneten Beiräte nicht geklärt ist. Das gilt für den Nachhaltigkeitsbericht, den Armuts- und Reichtumsbericht, den neuen Wohlstandsbericht. Deshalb haben wir das Problem, dass das BIP der zentrale Indikator bleibt und alles andere nur schmückendes Beiwerk ist. Dieses Problem ist unserer Auffassung nach also nicht gelöst. ({15}) Ganz zum Schluss möchte auch ich mich bei allen bedanken: bei den Sachverständigen aller Fraktionen, aber auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Verbände, der Initiativen, der NGOs, die in vielen Debatten dazu beigetragen haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats, den Kolleginnen und Kollegen die Arbeit zu erleichtern. Diese Arbeit war es wert. Es finden sich trotz der Differenzen viele Schätze in dem Bericht. Danke für die Aufmerksamkeit. ({16})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Dr. Hermann Ott. ({0})

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, hier zumindest die Mitglieder der Enquete-Kommission zu sehen. Wir hatten einige gute Momente, vor allem in den Projektgruppen, in denen es manchmal gelungen ist, das gemeinsame Erkenntnisinteresse über Ideologie und über Fraktionsdisziplin zu stellen. Wir haben auch in der Analyse einige gute und brauchbare Ergebnisse erzielt, für die es sich lohnt, in den knapp 850 Seiten unseres Babys zu blättern. Erkenntnisse gab es zum Beispiel beim Thema Wachstum, bei dem selbst Herr Paqué, über den es heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen schönen Artikel gibt, zustimmen musste - das verbindet ihn übrigens mit Ludwig Erhard -, dass Wachstum niemals Ziel und Zweck staatlichen Handelns sein darf, sondern höchstens Mittel. Wir würden sogar noch weiter gehen und sagen: Das ist nicht einmal mehr ein taugliches Mittel, sondern das ist eine Folge politischen Handelns. Es gab auch wichtige Erkenntnisse über den Rebound, die, wie ich hoffe, Umweltpolitik, Umweltökonomie und auch die Umweltbewegung animieren werden, systematische Ansätze zu wählen und wegzugehen von dem Flickenteppich an Maßnahmen; denn ansonsten werden unsere Effizienzmaßnahmen niemals erfolgreich sein. Anregungen gab es auch zur Entwicklung einer solidarischen Ökonomie, vor allem in der Projektgruppe 5. Darauf bin ich auch sehr stolz. Mein besonderer Dank für gute Zusammenarbeit geht, auch im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion und der Linksfraktion. Wir haben einige respektable Sondervoten erstellt. So haben wir zum Beispiel die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation unserer Gesellschaft beschrieben und haben auf mehr als 20 Seiten detailliert Maßnahmen aufgelistet, die geeignet sind, unser Wirtschaftssystem vom Energie- und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit haben wir die Grundlage für ein zukünftiges ökologisch-soziales Reformprojekt gelegt, und darauf können wir stolz sein. ({0}) Eine kurze Bemerkung zu Herrn Bernschneider. Es ist ja wirklich erstaunlich, dass Sie, obwohl Sie der jüngste Vertreter in diesem Hohen Hause sind, mit Ansichten daherkommen, die eher in das letzte, oder sagen wir besser, in das vorletzte Jahrhundert gehören. Natürlich wird ein Wirtschaftssystem, das nicht nur an sozialen, sondern auch an ökologischen Notwendigkeiten ausgerichtet ist, anders aussehen als das System, das wir jetzt haben. Natürlich sähe das System, das wir jetzt haben, nämlich die soziale Marktwirtschaft, anders aus, wenn wir einen freien Manchester-Kapitalismus hätten. Das heißt, ein System muss sich evolutionär entwickeln; ansonsten ist es zum Scheitern verurteilt. Ein Scheitern aber, lieber Herr Bernschneider und liebe Kollegen von der FDP, können wir uns nicht leisten. ({1}) Das Kernprojekt des 21. Jahrhunderts, unsere historische Aufgabe ist es, dass wir die Menschenwelt mit der Umwelt versöhnen, dass wir unsere Wirtschaft einbetten in die ökologischen Systeme, in die Ökosysteme dieser Erde, damit unsere Wirtschaft nicht ein Fremdkörper ist, der die ökologischen Systeme beschädigt. Gemessen daran - das muss ich deutlich sagen - haben wir in der Enquete-Kommission tatsächlich nicht geliefert. Das lag eben im Wesentlichen an der Koalition, vor allem an der FDP, obwohl ich die Mitglieder der Enquete-Kommission - ich will explizit Herrn Nüßlein nennen -, von dieser Kritik, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ausdrücklich ausnehmen möchte. Anscheinend waren die Mitglieder der Koalition in der EnqueteKommission doch nur zu bereit zur vorurteilsfreien Zusammenarbeit mit uns. Ansonsten hätte es ja keine Notwendigkeit dafür gegeben, dass der Koordinierungsausschuss der Koalition da hereingegrätscht ist und seinen Mitgliedern einen Maulkorb verpasst hat. ({2}) Meine Damen und Herren, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Das war undemokratisch, und das ist eine Schande für dieses Haus. ({3}) Als Konsequenz aus den Erkenntnissen sind Ihre Handlungsempfehlungen allzu dünn; davon kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger selbst einen Eindruck verschaffen und staunen. ({4}) Denn die Diskrepanz zwischen der von Ihnen - auch von Ihnen, Herr Nüßlein - mitgetragenen Analyse, dass es kein Weiter-so geben kann, und den wenigen harmlosen Empfehlungen, die Sie am Ende abgeben, könnte größer nicht sein. Bildlich gesprochen, haben Sie als Arzt nach der Analyse einer todbringenden Krankheit nur Pflaster und weiße Salbe verschrieben. ({5}) Damit sind Sie Ihrem Auftrag als Abgeordnete und vor allem Ihrem speziellen Auftrag als Mitglieder dieser Enquete nicht gerecht geworden, und das ist nicht in Ordnung. ({6}) Im Endeffekt verschieben Sie alle Lösungen auf die europäische oder globale Ebene und verdammen unser Parlament zur Untätigkeit. Sie plädieren für ein globales Emissionshandelssystem, tun aber nichts, um das europäische zu retten. Als Krönung hauen Sie das Einzige, was Sie wirklich als Ergebnis vorweisen können, nämlich das Indikatorensystem, in die Tonne und stellen hier einen Entschließungsantrag, der es in das Ermessen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stellt, ob sich daraus neue Indikatoren entwickeln lassen. Meine Damen und Herren, was soll denn dabei herauskommen, wenn Sie den Bock zum Gärtner machen? ({7}) Dabei wird gar nichts herauskommen; denn diese Herren haben überhaupt kein Interesse daran, neue Indikatoren zu entwickeln. Kurz gesagt: Ihr Entschließungsantrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Wie es besser geht, können Sie dem von uns eingebrachten Entschließungsantrag entnehmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zum Schluss noch versöhnliche Worte. ({0}) Wir haben ein kleines bisschen dazu beigetragen, dem Motto von Antoine de Saint-Exupéry gerecht zu werden: Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Hermann E. Ott (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004125, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das gilt auch für all unsere Sachverständigen, von denen ich hier einige begrüße, und natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats. Ich danke Ihnen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Matthias Heider das Wort. ({0})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats und bei den Sachverständigen, die hier heute zum Teil anwesend sind, für die interessante und fruchtbare Zusammenarbeit in diesen Jahren ganz herzlich bedanken. Ich denke, Umfang und Herausforderungen dieser Enquete-Kommission hätten gar nicht größer sein können. Dementsprechend ist auch die gemeinsame Lernkurve sehr steil gewesen. Beim Kollegen Ott hat man das gerade nicht herausgehört. Aber ich denke, wir haben einiges geleistet und vieles gemeinsam geschafft, auch wenn es zwischendurch mediale Unkenrufe gab, die nicht zu überhören waren. Gelegentlich hörte man, dass bei den zu bearbeitenden Themen Uneinigkeit parteipolitisch vorgegeben gewesen sei und die Mitglieder über weite Strecken der Beratung unglücklich gewesen seien. ({0}) Ich weiß nicht, ob wir hier einen Beitrag zur Forschung zum Thema Glück hätten leisten müssen, kann Ihnen jedoch sagen: Es war genau umgekehrt; über weite Strecken der Beratung waren wir glücklich, jedenfalls dann, wenn es um das Zusammentragen der Fakten ging. ({1}) Allerdings muss ich Wasser in den Wein gießen: Auch in einer Enquete-Kommission gehört der Dissens in der Beratung und in der Bewertung zum Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft, und das finde ich auch gar nicht schlimm. Im Laufe der Kommissionsarbeit trafen wir auf kontroverse Ansichten: Einige Mitglieder der Enquete haben vermeintlich aus Sorge um die Umwelt einem umfassenden Umbau der Wirtschaft, einem bewussten Wachstumsverzicht und sogar einer tiefgreifenden sozial-ökologischen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft das Wort geredet. Das kommt auch im heute vorliegenden Entschließungsantrag der Oppositionsfraktionen zum Ausdruck. Ich sage Ihnen als Verfechter der sozialen Marktwirtschaft: Es ist meine Pflicht, das Haus an dieser Stelle vor utopischen Experimenten zu warnen. ({2}) Die Vision einer tiefgreifenden Transformation, meine Damen und Herren, ist durch die Arbeit dieser EnqueteKommission entzaubert worden. ({3}) Was ist denn mit sozial-ökologischer Transformation gemeint? Aufschluss gibt uns ein Sondervotum der Oppositionsfraktionen in Kapitel 7.1.3. Die Verfasser plädieren für eine „breite und plurale Umbauperspektive“ gegründet auf eine „grundlegende Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft“. Das müssen Sie den Menschen draußen im Land erklären. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Frau Leidig möchte eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie diese zulassen?

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Kollege Heider, Sie malen utopische Experimente wie ein Schreckgespenst an die Wand. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Aspekte hinweisen. Erstens. An der Baustelle des neuen Ministeriums für Bildung und Forschung ist ein Zitat Einsteins angebracht, das sinngemäß lautet: Die Menschheit muss ihr Denken grundlegend verändern, wenn sie überleben will. - Es geht also um grundlegende Veränderungen. Zweitens. Der Bericht der Projektgruppe 5 enthält in Kapitel 4 einen, wie ich finde, ausgesprochen bemerkenswerten Abschnitt mit der Überschrift „Suffizienz weder Mangel noch Übermaß“. Dort wird ausgeführt: … der kulturelle Wandel hin zu mehr Mäßigung und zu einer gerechten Verteilung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gerechte und friedliche Welt und für die Steigerung der Lebensqualität. Auch hier geht es um eine grundlegende Veränderung des bisherigen Denkens. Ich finde, es ist notwendig, dass Sie sich mit den gesellschaftlichen Debatten auseinandersetzen, bei denen es um grundlegende Veränderungen geht. Wir haben diese Debatten nicht nur mit den verschiedenen NGOs und gesellschaftlichen Gruppen geführt, sie finden auch auf der Straße statt, zum Beispiel in Frankfurt im Zuge der Blockupy-Proteste. ({0}) Ich möchte von Ihnen wissen, warum Sie die Notwendigkeit zu grundlegenden Veränderungen so abwehren, wo man doch weiß, dass sie notwendig sind, um der Menschheit wirklich eine Perspektive zu geben. ({1})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Leidig, gerne nehme ich Ihr Statement auf und beantworte Ihre Frage. Einem vernünftigen Umgang mit Konsumgütern und auch einem vernünftigen Umgang mit Produktionsmitteln steht nichts im Wege. Alle Beteiligten haben ein großes, auch finanzielles Interesse an einem sparsamen Umgang. Aber braucht es dazu einen Umbau der Gesellschaft, einen neuen Blick auf die Demokratisierung der Gesellschaft? Was Sie mit der Frage der Transformation bemänteln, ist in Wirklichkeit ein Raubbau an demokratischen Elementen. Das werfe ich Ihnen an dieser Stelle vor. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, es gibt noch eine weitere Zwischenfrage, nämlich von Herrn Kauch. Möchten Sie auch diese zulassen?

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kauch, bitte schön.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, könnten Sie sich vorstellen, dass Frau Leidig und auch andere den Begriff vom „neuen Denken“ mit dem Begriff vom „neuen Menschen“ verwechseln, den die Kommunisten schaffen wollten und den sie jetzt auf neuem Wege durch die Hintertür verordnen wollen? ({0}) Sie reden von neuem Denken, aber sie meinen neue Regeln; denn sie wollen die Gesellschaft durchregulieren. Sie wollen den Menschen gar keine Möglichkeit zu neuem Denken geben, sie wollen ihnen das Denken vorwegnehmen. Können Sie sich vorstellen, dass Frau Leidig diesem Missverständnis unterliegt? ({1})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kauch, diese Frage kann ich sehr schnell beantworten: Ja, das glaube ich auch. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Möchten Sie noch eine weitere Zwischenfrage von Frau Leidig zulassen?

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich würde jetzt gerne fortfahren. Ich komme zurück auf die sozial-ökologische Transformation. Was ist damit gemeint? Wir glauben, dass Sie damit Eingriffe in unsere sozialen und marktwirtschaftlichen Grundprinzipien durch eine Ausweitung staatlichen Handelns meinen. Sie meinen damit eine Neubewertung und Reorganisation von Arbeit, Produktion und Konsummustern sowie eine Umverteilung von gesellschaftlichem Wohlstand mit einer völlig veränderten Dynamik, und zwar in Ihrem Sinne. All das meinen Sie. Der grundlegende Ansatz der von Ihnen gewünschten tiefgreifenden Transformation ist: mehr Staat als Markt, mehr Regulierung statt freier Entfaltung und mehr Umverteilung. Das ist der eigentliche Ansatz. Wir wollen die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger stärken, indem wir die Freiheit aller, die als Anbieter oder Nachfrager am Markt teilnehmen, schützen und gleichzeitig für sozialen Ausgleich sorgen. Das ist soziale Marktwirtschaft. Wir wollen unternehmerisch Handelnde in Zukunft mehr auf den Schutz der natürlichen Ressourcen ausrichten. Das ist nachhaltiges Wirtschaften. Wir trauen den Bürgern dieses Landes einfach mehr zu als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition. ({0}) Das, was ich im Rahmen meiner Tätigkeit in der Enquete-Kommission gelernt habe, fassen übrigens die Sachverständigen Professor Bettzüge für die Union und Professor Schneidewind für die Grünen - Herr Ott, hö30784 ren Sie gut zu! - in einer Ende letzten Jahres gemeinsam veröffentlichten Analyse - sie stand in einer Ausgabe der Wirtschaftswoche - zusammen: Es sind „vier unbequeme Wahrheiten, die eine Lösung verhindern“. Die erste unbequeme Wahrheit ist, dass die ökologischen Systeme - wie die Erdatmosphäre - an ihre Grenzen geraten. Die anderen drei Wahrheiten, die jetzt folgen, stehen im Gegensatz dazu. Die zweite unbequeme Wahrheit - Sie können dies im Schlussbericht nachlesen; Frau Kolbe hat ein Exemplar vor sich auf dem Tisch liegen besteht darin, dass Rohstoffe nicht so schnell knapp werden, wie für die Grenzen unseres Planeten nach Ihrer Meinung eigentlich gut wäre. Die dritte unbequeme Wahrheit ist, dass technischer Fortschritt und steigende Effizienz allein nicht ausreichen werden, den Naturverbrauch absolut zu entkoppeln. ({1}) - Herr Ott, lassen Sie mich doch einmal ausreden. Schuld daran ist auch der Rebound-Effekt; er tut sein Übriges dazu. Das haben wir in der Enquete gemeinsam eingekreist. Das hätten Sie doch auch einmal sagen können. ({2}) Schließlich haben wir erkannt, dass die Ökosysteme Atmosphäre, Meere und Regenwälder globale Güter sind, auf die die ökonomischen Knappheitssignale keinen Einfluss haben. Dies hat eine Übernutzung zur Folge. Wir werden dieses Problem bei allen guten Ansätzen national nicht lösen können. Dazu brauchen wir internationale Anstrengungen. Das ist nach unserer Auffassung der richtige Ansatz. Noch einmal herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit. Ich freue mich, wenigstens einen in der nächsten Legislaturperiode wiederzusehen. Vielen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollegin Leidig gebe ich das Wort zu einer Kurzintervention.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da der Kollege Heider nicht noch einmal eine Frage von mir beantworten wollte, nutze ich jetzt die Möglichkeit einer Kurzintervention. Ich möchte auf diesen merkwürdigen Vorwurf eingehen, dass gesellschaftliche Veränderung antidemokratisch sein müsse. Das Gegenteil ist der Fall. ({0}) Wenn Sie sich erstens anschauen, was wir geschrieben haben, und zweitens sehen, was in den gesellschaftlichen Debatten passiert, wissen Sie, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich war jetzt beispielsweise in einer Reihe von Krankenhäusern, um über das Thema Pflegenotstand und das Problem der systematischen Überlastung von Pflegekräften zu diskutieren. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sagen unisono: Wir wissen sehr gut, wie Pflege organisiert werden muss, mit wie viel Personal und mit welchen Zeitbudgets das geschehen muss, um gut für die Patientinnen und Patienten arbeiten und für mehr Lebensqualität wirken zu können. Das Problem ist nur: Sie werden überhaupt nicht gefragt. ({1}) In den Krankenhäusern werden Gutachter und Managementkonzepte eingesetzt, die von oben kommen. Sie werden nach betriebswirtschaftlichen Maßzahlen diktiert. Das, was Sie da organisieren, ist antidemokratisch. ({2}) Demokratisch wäre, die Beschäftigten bzw. die Bürgerinnen und Bürger in den Wandel einzubeziehen und sie zu fragen, was man denn verändern müsste, damit das Erforderliche Realität wird. Sie sagen - das fordern übrigens gerade junge Leute -: Wir wollen nicht immer mehr haben wollen müssen. - Ich finde, das ist eine spannende Herausforderung. Wie bekommt man es hin, dass die Menschen nicht immer mehr haben wollen müssen, ohne dass Arbeitsplätze zuhauf verloren gehen? Das ist doch eine zutiefst demokratische Frage. Es reicht nicht, auf internationaler Ebene Verhandlungen zu führen, sondern wir brauchen Auseinandersetzungen in der Zivilgesellschaft, die auch auf dieses Parlament Einfluss haben müssen. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zur Antwort bitte der Kollege Heider.

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Leidig, Sie haben das Thema Pflege angesprochen. Dieses Thema wird in den nächsten Jahren in unserer Gesellschaft sicherlich sehr präsent sein; es ist schon heute sehr präsent. Nicht verstanden habe ich, was das mit demokratischer Legitimation zu tun haben soll. ({0}) Eine demokratische Legitimation haben wir zum Beispiel, wenn eine Entscheidung darüber erforderlich ist, wie viele Haushaltsmittel dieses Parlament für die Pflege zur Verfügung stellt. ({1}) Das ist aber nicht das eigentliche Kernanliegen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf den von Ihnen apostrophierten ökologischen Umbruch, die Transformation, überhaupt nichts nützt, wenn Deutschland zum Beispiel darauf verzichtet, die Fischerei auszuüben. Das wird die Überfischung der Meere nicht verhindern. Wenn Deutschland die Industrie abschafft, verhindert das nicht, dass die Atmosphäre weiterhin stark belastet wird. Das sind Beispiele, an denen wir konkret festmachen, dass es mehr als eines nationalen Impulses bedarf und man sich nicht auf den Erfolgen ausruhen darf. Vielen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat jetzt Edelgard Bulmahn für die SPDFraktion. ({0})

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Gerade an die Zuhörer und Zuhörerinnen richte ich die Bitte, in den Bericht der Enquete-Kommission zu schauen. Die Argumentation, die Darstellung der Herausforderungen, vor denen wir stehen, und unsere Lösungsvorschläge sind in diesem Bericht viel differenzierter und viel konkreter, als diese niveaulose Auseinandersetzung das vielleicht vermuten lässt. Der Bericht ist nicht schwarz-weiß, sondern viel differenzierter. Deshalb lohnt es sich, in diesen Bericht zu schauen. ({0}) Die Enquete-Kommission hat sich mit wichtigen Krisenerscheinungen, mit den Wirkungen der Krise beschäftigt. Das war notwendig und wichtig, weil die Folgen der Krisen bisher nicht behoben worden sind. Wir sollten Problemlösungsvorschläge erarbeiten, die verhindern, dass in Zukunft wieder solche Krisen entstehen können. Dieses war der Grund für die Einsetzung der Enquete-Kommission. Deshalb haben wir zweieinhalb Jahre miteinander gerungen, um zu überzeugenden Antworten zu kommen. Lassen Sie mich am Anfang meiner Rede einen ganz herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen richten, vor allen Dingen aber an die Vorsitzende der Kommission, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Sachverständigen; denn ohne ihr Engagement könnten wir heute nicht ein, wie ich finde, trotz aller Lücken akzeptables Ergebnis vorlegen. Deshalb ein herzliches Dankeschön! ({1}) Das war zugegebenermaßen ein hartes Stück Arbeit, insbesondere wenn es darum ging, die Koalition durch gute Sachargumente zu fortschrittlichen Aussagen zu bewegen. In aller Freundschaft sage ich: Ich glaube, es ist uns an vielen Punkten gelungen, über Fraktionsgrenzen hinweg gute Vorschläge zu entwickeln, gerade was die Stabilisierung der Finanzmärkte angeht. Diese Vorschläge sind, wie ich finde, sehr wichtig. Sie werden eine große Rolle spielen und dazu beitragen, dass wir die internationalen Finanzmärkte wieder zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurückbringen können, nämlich, die Finanzierung der Realwirtschaft sicherzustellen. Wir haben auch alternative Vorschläge unterbreitet. Ich finde, es ist in einer Demokratie nichts Schlechtes, wenn deutlich wird, dass es unterschiedliche Bewertungen, Ziele und auch Gestaltungsvorschläge gibt. Ich finde, es ist auch nichts Schlechtes, wenn deutlich wird, dass politische Entscheidungen immer auch Wertentscheidungen sind. Die Vorschläge, die wir vorlegen - ich will jetzt über die Oppositionsvorschläge sprechen -, zeigen Wege zu einem tragfähigen Wohlstandsmodell auf, bei dem soziale, ökologische und wirtschaftliche Ziele gleichberechtigt in Einklang gebracht werden. Das, lieber Herr Bernschneider, ist die Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft. ({2}) So ist es bislang nämlich nicht. Diese Ziele stehen nicht gleichberechtigt nebeneinander. Sie werden nicht miteinander verknüpft. Genau das fordern wir in unserem Bericht. ({3}) Genau das ist notwendig, wenn wir der Anforderung, die Lebensverhältnisse der Bevölkerung in der Breite zu verbessern und nicht nur für 10 Prozent der Bevölkerung, gerecht werden wollen. Letzteres wäre nicht die Politik meiner Partei, der SPD. ({4}) Wir wollen für die Breite der Bevölkerung eine Verbesserung der Lebensverhältnisse. Die Umsetzung der Empfehlungen, die wir vorgelegt haben, erfordert viel politischen Mut; dessen muss man sich klar sein. Es bedarf unseres Mutes, aber auch des Mutes der Unternehmen, der Gewerkschaften und der Menschen, die in unserem Land leben. Wenn wir diese Empfehlungen umsetzen, werden wir den sozialen Zusammenhalt in unserer Bevölkerung stärken und eine gute wirtschaftliche Entwicklung sichern. Damit werden wir auch unserer Verantwortung für die künftigen Generationen besser gerecht. Lassen Sie mich auch eine kritische Anmerkung machen. Mich hat es enttäuscht, dass die Koalition offensichtlich nicht bereit ist, zu akzeptieren - vielleicht hat sie es auch nicht verstanden -, dass es nicht ausreicht, an einigen Stellschrauben ein bisschen zu drehen, um diesen tiefgreifenden Wandel unserer sozialen Marktwirtschaft wirklich herbeizuführen. Mich hat auch enttäuscht, dass sie bis heute offensichtlich nicht verstanden hat, dass uns gerade die Marktwirtschaft in ihrer jetzigen marktradikalen Form die Finanz-, Wirtschafts- und Umweltkrise beschert hat. ({5}) Offensichtlich haben Sie bisher nicht verstanden, Herr Nüßlein, dass wir diese Wirtschaftskrise in unserem Land nur deshalb einigermaßen gut überstanden haben, weil wir sie mit einem massiven Einsatz von Steuermitteln überwunden haben. Dass Sie das so schnell vergessen, hätte ich nicht erwartet. ({6}) - Auch da müssen Sie Ihr Gedächtnis wieder etwas mobilisieren. Auch das ist falsch. Die Kohl-Regierung hat damals die Grundlagen für den Euro festgelegt, und das Europäische Parlament hat die Deregulierung durchgeführt. Im Europäischen Parlament haben im Übrigen die konservativen Parteien die Mehrheit. ({7}) Deshalb wünsche ich mir, dass wir eine sozialdemokratische Mehrheit im Europäischen Parlament haben, um das endlich wieder zurechtzurücken. ({8}) - Man muss schon bei der Wahrheit bleiben, lieber Herr Nüßlein, und hier keine Märchen erzählen oder Legenden bilden. Das ist notwendig. ({9}) Sie haben auch nicht verstanden, lieber Herr Kollege, ({10}) dass ein aufwendig organisierter Kongress, der sicherlich interessant ist und zu dem sogar Gäste aus Bhutan eingeladen sind, nicht den politischen Willen, wirklich etwas zu verändern, und auch nicht die notwendigen Mehrheiten, die man dafür braucht, ersetzt. Sie haben bisher auch nicht verstanden, dass es moralisch und wirtschaftlich notwendig, klug und vorausschauend ist, dass Deutschland international eine Vorreiterrolle für diesen Wechsel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise einnehmen muss. Ich glaube, es ist erforderlich, dass wir hier in diesem Parlament genau darüber Einigkeit herstellen, weil wir nur dann unserer eigenen Verantwortung gerecht werden. Für uns Sozialdemokraten ist eines völlig klar: Bei allen verschiedenen Definitionen von Wachstum stellen wir den Wohlstand und das Wohlergehen von Menschen in den Mittelpunkt. Lassen Sie mich auf das eingehen, was Herr Heider gesagt hat. Sie sprachen darüber, dass utopische Konzepte vorgelegt werden. Daher frage ich Sie, ob Sie die Nachhaltigkeitsinitiative, die die chemische Industrie und die Chemiegewerkschaft gerade jetzt gestartet haben und mit der sie sich sehr anspruchsvolle Ziele und Leitlinien setzen - was ich sehr gut finde -, ({11}) als utopisches Konzept bezeichnen. Darin steht vieles von dem, was wir in der Enquete-Kommission beschrieben haben. ({12}) Gerade der VCI hat in der Anhörung ausgeführt, dass sie zur Erreichung der Ziele die passenden staatlichen Rahmenbedingungen brauchen und eine mutige Politik, die diesen Pfadwechsel unterstützt. Deshalb sage ich Ihnen: Wir brauchen keine Regierung, in der der Wirtschaftsminister ein Wachstum um jeden Preis propagiert und der Umweltminister für nachhaltiges Wirtschaften plädiert. ({13}) So gelingt keine Energiewende, und so gelingt auch nicht der notwendige Wandel, den wir brauchen, um tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Ein versöhnliches Wort zum Schluss, wie es viele zu Recht gemacht haben. Das, was wir hier erarbeitet und vorgelegt haben, erfüllt zwar sicherlich nicht immer alle Erwartungen, im Übrigen auch nicht unsere eigenen; aber es ist ein guter Anfang. Wir haben ein Stück des Weges beschritten, den wir weitergehen sollten. Deshalb liegt es jetzt an uns, ob wir die Handlungsempfehlungen, auch die der Opposition, in der kommenden Zeit umsetzen. Ich finde, wir müssen handeln. Denn die Uhr steht auf fünf vor zwölf. Vielen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Judith Skudelny hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hier spiegelt ein bisschen das Spannungsverhältnis wider, das wir in den einzelnen Projektgruppen hatten. Bei einigen Teilen haJudith Skudelny ben wir sehr gut miteinander gearbeitet, andere Teile waren eben etwas lustiger. Wir haben bei den Analyseteilen sehr gut zusammengearbeitet, insbesondere in der PG 3. Da gibt es auch gute Nachrichten. Wir haben geschaut, wie es eigentlich um die Umwelt in Deutschland steht. In Deutschland wird die Qualität der Böden besser, die Luftqualität wird besser, die Wasserqualität wird besser, und auch der CO2-Ausstoß sinkt in der Gesamtsumme. Auch global werden die Probleme mittlerweile in Angriff genommen. In China werden Wasserregelungen eingeführt, der Boden wird besser und Ähnliches. Wir haben Probleme in anderen Bereichen. Wir haben dort Probleme, wo es nicht um das Regionale, sondern um das Globale geht, bei den sogenannten Allmendegütern wie dem Klima. Der Kollege Heider hat es schon sehr schön dargestellt: Das Problem ist, dass niemand die Verantwortung für das Klima übernimmt. Das sind Senken; es ist ein Raum, auf den jeder Zugriff, aber niemand einen Anspruch hat. Wenn man sich mit dieser Problemstellung, die wir in der PG 3 sehr gut herausgearbeitet haben, befasst, dann muss man sich bei allen Maßnahmen - jetzt komme ich zu dem Punkt, an dem es einen Dissens gibt - fragen: Wirken sie eigentlich global? Wir haben gesehen: In Deutschland werden alle Werte besser - natürlich können sie noch besser werden; darüber müssen wir uns nicht unterhalten -, aber global werden die Werte immer schlechter. Das heißt, bei allem, was wir national machen, müssen wir uns fragen: Funktioniert die Transmission? Funktioniert die Übersetzung ins Globale? Darüber haben wir uns in der Projektgruppe 4 unterhalten. Die einzige Antwort im Bereich des Klimaschutzes - als Beispiel für ein Allmendegut lautete immer wieder: Vorreiterrolle. Die Opposition sagte immer wieder: Vorreiterrolle, Vorreiterrolle und noch einmal Vorreiterrolle. Dabei hat die Opposition schon in der PG 3 festgestellt, dass überhaupt erst einmal untersucht werden muss, inwieweit die Vorreiterrolle global überhaupt eine Wirkung hat. Das ist einer der Forschungsaufträge, die die Opposition in der PG 3 definiert hat, obwohl das eigentlich einer der Hauptpunkte der PG 4 ist. Die sozial-ökologische Transformation ist nichts anderes als eine konkrete Ausgestaltung dieser Vorreiterrolle, von der wir allerdings überhaupt nicht wissen, ob sie tatsächlich wirksam ist. Wir von der Opposition haben gesagt - ({0}) Wir von der Regierung und die Mehrheit in der EnqueteKommission haben gesagt: So einfach wollen wir uns das nicht machen. Wir wollen uns tatsächlich überlegen: Wie bekommen wir die globalen Probleme in den Griff? Welchen Beitrag muss und kann Deutschland dazu leisten? Hier haben wir eine neue Position definiert.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, bevor Sie das sagen: Möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kolbe zulassen?

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das machen wir am Ende, okay? ({0}) Wir haben uns über eine differenzierte und dosierte Pionierrolle unterhalten. Die differenzierte und dosierte Pionierrolle ist ein neuer Weg. Diese Enquete-Kommission wurde schließlich auch deswegen eingesetzt, weil wir uns nicht auf ausgetrampelten Pfaden vorwärtsbewegen, sondern neue Gedanken entwickeln wollen. Die differenzierte und dosierte Pionierrolle hat mehrere Bestandteile. Ein Bestandteil ist die Vorbildfunktion. Wenn ich meine Kinder erziehe, kann ich das nicht tun, indem ich selbst alles falsch mache. Vielmehr habe ich eine Vorbildfunktion, und diese erfülle ich. Das muss auch Deutschland tun. Darüber hinaus brauchen wir aber auch den technischen Fortschritt. Wenn wir innovativ sind und die Dinge verbessern, wird das zu Wirtschaftswachstum führen. Das wird zum Teil sicherlich auch zu einem Rebound-Effekt führen. Dazu haben wir ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem es um die Frage ging: Was bedeutet Rebound eigentlich global? Global bedeutet Rebound, dass sich die Schwellen- und Entwicklungsländer, weil Produkte günstiger werden, vielleicht erstmals medizinische Versorgung, Transport, Wohnen und Bildung werden leisten können. Das alles sind positive Bestandteile dieses Rebound-Effektes.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. ({0})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Als dritten Punkt - ganz kurz - haben wir gesagt: Wir brauchen auch die internationale Kooperation. Nur mit diesem Dreiklang, der zwar keine konkreten Maßnahmen beinhaltet, aber zum ersten Mal eine intelligente Idee verfolgt, werden wir es tatsächlich schaffen, uns nicht nur besser zu fühlen, sondern am Ende auch etwas Positives für das Klima und alle Umweltgüter zu bewirken. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Thomas Gambke hat jetzt das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen.

Dr. Thomas Gambke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004037, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte muss ich auf manche Bemerkungen, die heute gemacht wurden, eingehen. Herr Heider hat gesagt, wir wollten die Industrie abschaffen. ({0}) - Herr Heider, Sie werden das nachlesen können. ({1}) Herr Bernschneider hat von einem Wachstumskommissar gesprochen. Das ist nicht das Niveau, auf dem wir hier miteinander reden sollten. ({2}) Herr Heider, wenn ich den Menschen sage, dass es in Deutschland 125 Millionen Handyverträge gibt, dass Flachbildschirme derzeit alle vier Jahre ausgewechselt werden oder dass die Gebrauchsfähigkeit mancher Geräte auf zwei Jahre geschrumpft ist, während Sie sagen, dass wir 3 Prozent Wachstum brauchen, um uns unsere sozialen Sicherungssysteme überhaupt leisten zu können, stelle ich fest, dass die Leute mir zuhören und sagen: Gott sei Dank spricht das mal jemand an! Was habt ihr für Lösungen? - Das war der Auftrag an unsere Enquete-Kommission. ({3}) Man braucht eigentlich nur den Antrag zur Einsetzung der Enquete-Kommission zu lesen. - Für die CDU/ CSU hat Herr Kauder unterschrieben. Wer bei der FDP gerade Fraktionsvorsitzender war, weiß ich nicht; das wechselt ja ein bisschen. - In diesem Antrag stand: - die Frage untersuchen, ob und ggf. wie das deutsche Wirtschafts- und Sozialstaatsmodell die ökologischen, sozialen, demografischen und fiskalischen Herausforderungen auch mit geringen Wachstumsraten bewältigen kann bzw. welche Wachstumszwänge dem entgegenstehen … Das war der Auftrag, meine Damen und Herren von der Koalition, und dem verweigern Sie sich, wenn Sie heute sagen: Wir wollen über das Thema Wachstum gar nicht debattieren. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, der Kollege Heider würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Thomas Gambke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004037, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte sehr.

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gambke, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht gesagt habe, dass wir die Industrie abschaffen wollen, sondern dass ich gefragt habe, was passieren würde, wenn wir die Industrie abschaffen, und ob das einen Einfluss auf die Atmosphäre haben würde? Würden Sie mir beipflichten, dass das keinen Einfluss hätte?

Dr. Thomas Gambke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004037, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben sich so geäußert, als ob auf unserer Seite des Hauses irgendjemand daran denken würde, die Industrie abzuschaffen. ({0}) - So habe ich das verstanden. Ich lehne diese Art von Fragestellung ab. Ich glaube nicht, dass das das Niveau ist, auf dem wir dieses Thema hier bereden sollten. ({1}) Herr Professor Miegel hat von einer neuen Wirklichkeit gesprochen. Wir brauchen uns gar nicht über den Begriff der Transformation zu streiten; aber wir haben in der Tat eine neue Wirklichkeit: Wir müssen uns angesichts der demografischen Veränderungen, die so sicher wie das Amen in der Kirche kommen werden, die sozialen Sicherungssysteme anschauen. Wir müssen uns auch anschauen, wie wir mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit in Europa umgehen. Wir können uns nicht nach Deutschland zurückziehen und sagen: „Bei uns ist alles prima“, wenn in den südeuropäischen Ländern über 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind. Dafür brauchen wir Antworten. Diese Antworten können nicht lauten: Sollen doch die Portugiesen und die Italiener das Gleiche machen wie wir! - Wie viele 7er-BMWs ({2}) sollen denn noch nach China verkauft werden, bis auch die Portugiesen und andere keine Arbeitslosigkeit mehr haben? ({3}) Ich glaube, dass das nicht die richtigen Antworten sind. Die Antwort, die ich von Ihnen gehört habe, war: Wir setzen auf Innovationen, die zu Wachstum führen. Ich kann Ihnen sagen: Ja, wir brauchen Innovationen; aber - das war der Auftrag der Enquete-Kommission wir müssen die Richtung des Wachstums festlegen. ({4}) Das kann nicht Fracking sein, sondern das müssen erneuerbare Energien sein. ({5}) Das kann eine dezentrale Energieversorgung anstelle einer monopolistischen Energieversorgung sein. Frau Skudelny, Sie haben es gerade so dargestellt, als ob wir in Deutschland alles richtig gemacht hätten. Wenn Sie in Niederbayern wohnen würden, wüssten Sie, dass 10 Prozent unserer Ackerflächen eigentlich in Südamerika sind, von wo wir die Eiweißstoffe importieren, mit denen wir unsere Schweine füttern und unser Grundwasser verseuchen, sodass wir keine Brauereien mehr betreiben können, und dass wir das Schweinefleisch dann nach China verkaufen. Das ist kein Geschäftsmodell, das nachhaltig ist. ({6}) Meine Damen und Herren, ich glaube, Wachstum ist nicht das Ziel, sondern die Folge von politischem und wirtschaftlichem Handeln. Das Ziel muss Wohlstand und Lebensqualität sein - unter der unbedingten Voraussetzung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Wenn wir das als Ergebnis festhalten können - trotz mancher Bremsmanöver einiger, aber nicht aller Mitglieder der Koalition; da kam auch viel Fruchtbares -, haben wir etwas erreicht. Ich bedanke mich an dieser Stelle für die wirklich konstruktive Debatte, die wir hatten. Ich hoffe, dass die Debatte weitergeht; denn die Menschen haben Interesse an dieser Debatte. Sie merken, dass das Thema sie etwas angeht, dass wir mit der bisherigen Wirtschaftsweise so nicht weitermachen können. Ich freue mich auf die folgenden Debatten in der nächsten Legislatur. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion gebe ich jetzt der Kollegin Stefanie Vogelsang das Wort. ({0})

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich in einem kleinen Bericht auf die Arbeit und die Ergebnisse vor allen Dingen der Projektgruppe 2, die den Auftrag hatte, ein neues Indikatorensystem zur Definition von Wohlstand und Lebensqualität zu erarbeiten, eingehe, möchte ich eine grundsätzliche Bemerkung machen. Am Anfang dieser Wahlperiode habe ich hier im Plenarsaal der Debatte zur Einsetzung der EnqueteKommission gelauscht. Die Worte, die Frank-Walter Steinmeier damals gesagt hat, habe ich noch genau im Kopf. Auch an die Worte anderer Kollegen - auch von den Grünen - erinnere ich mich noch gut. Sie haben gesagt, als Regierungsfraktionen müssten wir doch endlich verstehen, dass es nicht mehr um Wachstum in dieser Gesellschaft gehen könne, sondern nur noch um eine Frage, nämlich darum, wie wir vorhandene materielle Güter in dieser Welt anders, besser, gerechter verteilen. Ganz zentral ging es um Folgendes: Wir haben nicht mehr die Aufgabe, auf Wachstum - ob nun als Ziel, als Mittel oder als Folge; darauf komme ich später noch zu sprechen - zu setzen, sondern unsere einzige Aufgabe ist, Vorhandenes zu verteilen. Keine drei, vier Monate später hatten wir die europäische Staatsschuldenkrise, und die Diskussionen um Griechenland, um Irland, um Hilfen für Portugal und andere Länder begannen. Es ist nicht eine einzige Sitzung in diesem Saal ausgelassen worden, zu fordern - ich habe auch keinen einzigen Zeitungsartikel zu diesem Thema gelesen, in dem von Ihnen nicht diese Forderung aufgemacht worden ist -, Frau Merkel dürfe nicht nur auf Konsolidierung setzen. Vielmehr müsse die Regierung der Bundesrepublik Deutschland endlich begreifen, dass es hier um Wachstum gehe. ({0}) Wir müssten die Wachstumskräfte herausarbeiten und zum Beispiel das Wachstum in Griechenland unterstützen. Mit unseren Initiativen und unserem Engagement müssten wir uns darauf konzentrieren, das Wachstum in Irland, in Portugal, in Griechenland nach vorne zu bekommen; dann gehe es uns allen schon besser. Meine Damen und Herren, bei der Diskussion über Wohlstand und Lebensqualität ist die Frage, was Wohlstand ist und wie man Wohlstand misst, wahrlich nicht einfach zu beantworten. Wir haben es uns auch sehr schwer gemacht. Es gibt für diese Frage keine allgemeingültige Antwort - die Sie von den Linken vielleicht hätten: Wir als Zentralisten sagen, wenn die und die Punkte erfüllt sind, hat es euch gefälligst gut zu gehen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wohlstand ist ein Begriff, den jeder etwas anders sieht. Das haben wir auch gemerkt. Wir können den Wohlstandsbegriff nicht in eine einzige aggregierte Zahl pressen, mit der wir dann verständlich darstellen könnten, wie es um den Wohlstand in Deutschland und darüber hinaus bestellt ist. Das ist überhaupt nicht zu machen, weil nicht alle Menschen gleich sind, weil nicht alle Menschen gleich leben wollen, ({0}) weil es Unterschiede gibt, und zwar innerhalb von Deutschland, innerhalb von Europa und in der Welt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich wollte Sie fragen, ob Frau Bulmahn Ihnen eine Zwischenfrage stellen darf.

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das darf sie gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000305, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Vogelsang, stimmen Sie meinen folgenden Ausführungen zu? Wir alle haben in der Enquete - sowohl in den Projektgruppen als auch in der Gesamt-Enquete die Auffassung vertreten, dass es nicht um die Frage „Wachstum, ja oder nein?“ geht, sondern um die Frage, wie man in einer Welt, in der 7 bis 10 Milliarden Menschen ein gutes Leben führen können sollen, die wirtschaftliche Entwicklung, den Arbeitsmarkt und die Umweltentwicklung so miteinander versöhnen kann, dass wir auf der einen Seite die planetarischen Grenzen nicht nur anerkennen, sondern auch einhalten und auf der anderen Seite diesen 7 bis 10 Milliarden Menschen ein wirklich gutes Leben ermöglichen. Es gab auch überhaupt keinen Dissens darüber, dass es nicht möglich ist, dieses Ziel durch ein Zurück in die Steinzeit zu erreichen, sondern dass wir es nur mit einer hochleistungsfähigen, innovativen Wirtschaft erreichen können. Daher haben wir miteinander über die Frage diskutiert, wie wir eine solche Veränderung unserer Wirtschaftweise und Lebensweise erreichen können, um diese beiden Ziele - Schutz der Umwelt und Einhaltung der planetarischen Grenzen einerseits und ein gutes Leben für 10 Milliarden Menschen andererseits - vereinbaren zu können. Das war doch der Kern unserer Debatten und Diskussionen. Stimmen Sie mir zu? Das wollten wir ja durch die Indikatoren abbilden, über die wir miteinander diskutiert haben.

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, im Großen und Ganzen stimme ich Ihnen zu. Bei der großen Mehrheit der Mitglieder der Enquete-Kommission, die im Plenum und in der Projektgruppe, die ich beurteilen kann - das war die Projektgruppe 2 -, diskutiert haben, war die Diskussion auf diese Ziele ausgerichtet. Was in den anderen Projektgruppen stattgefunden hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Danach haben Sie mich auch nicht gefragt. In den Bereichen, in denen ich das beurteilen kann, ist es der großen Mehrheit, aber eben nicht allen, um diese Inhalte gegangen. Es war auch nicht für alle klar und selbstverständlich, dass wir eine funktionierende und florierende Wirtschaft brauchen, die auf Wachstumskräfte setzt, um die Lebensqualität für möglichst viele Menschen auf dieser Welt zu verbessern. Wir haben uns in unserer Projektgruppe schon nach relativ kurzer Zeit, nachdem klar war - Frau Kollegin Kolbe war es, glaube ich, die von der eierlegenden Wollmilchsau gesprochen hat -, dass es diese eine verständliche Zahl nicht gibt, mit der Frage auseinandergesetzt, in welchen Dimensionen in den Bereichen des Materiellen, des Sozialen und der Ökologie wir mit welchen Indikatoren abbilden können, wie es um den Wohlstand und die Lebensqualität der Menschen in Deutschland, aber auch der Menschen in Europa und in der Welt bestellt ist. Wir wurden dafür kritisiert. Vonseiten der Grünen wurde uns gesagt: Das ist viel zu kompliziert. Die Leute sind nicht interessiert daran. Sie verstehen zehn Zahlen nicht. Zehn Werte können sie sich nicht merken und nicht anschauen. ({0}) Andere wollten wirklich nur eine einzige Zahl nehmen und alles zusammenmauscheln. Dann sähe aber niemand mehr, wenn es bei der Bildung aufwärts und bei der Qualität der Arbeit abwärts ginge. Alles würde zugekleistert und zugedeckt. Deswegen können wir damit nichts anfangen. Die große Mehrheit der Enquete-Kommission ist der felsenfesten Überzeugung, dass die Menschen in Deutschland nicht dämlich, sondern interessiert sind, und dass sie sich sehr wohl die Entwicklung von zehn unterschiedlichen Indikatoren anschauen können. Anhand der Darstellung der Entwicklung dieser Zahlen können sie sehr wohl abmessen, wie es in unserer Gesellschaft zugeht. ({1}) Einer unserer Sachverständigen - ich glaube, es war der Professor Schmidt - hat immer gesagt: Jeder will Auto fahren können. Wir muten den Leuten zu, den Ölstands-, Geschwindigkeits-, Touren- und Benzinstandsmesser mit einem Blick zu erfassen. Niemand spricht davon, dass Autofahren zu kompliziert ist. Um nichts komplizierter ist unser Wohlstandsindikatorensatz, unser W3. Wir als Koalitionsfraktion haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir die Bundesregierung auffordern, unsere Arbeit in den nächsten Wahlperioden weiterzuführen. Wir möchten eben nicht, dass unser dicker Bericht in den Aktenschränken verschwindet, sondern wir möchten, dass die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, auch nach außen dokumentiert werden. Wir möchten das in einem Gebäude, im Deutschen Bundestag, präsent machen. Wir möchten, dass jeder Bürger, den es interessiert, die Entwicklungen und Veränderungen sofort sehen kann. Wir möchten, dass das Statistische Bundesamt diese Zahlen im Blick hat, die Veränderung dokumentiert und mitteilt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Stefanie Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004180, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn wir Ihnen diese zehn Indikatoren mit den zehn Warn- bzw. Hinweislampen als Empfehlung unterbreiten, glauben wir sicherlich nicht, damit etwas ganz Perfektes geschafft zu haben. ({0}) Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass man in vier, sechs oder acht Jahren vielleicht sagen wird: Da fehlt noch etwas. Haben wir aber doch einfach den Mut, dies anzunehmen und diese Arbeit nach außen zu dokumentieren. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Matthias Zimmer für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Matthias Zimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004192, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man nach 28 Monaten teilweise heftiger Debatte - ein wenig davon haben wir ja auch heute gespürt - heute die Möglichkeit hat, parlamentarisch das letzte Wort zu haben, erfüllt einen das natürlich schon mit Freude, ({0}) aber auch mit einer gewissen Demut. Lassen Sie mich deswegen mit einer eher nachdenklichen Note schließen und drei Fragen hervorheben, die für mich besondere Bedeutung bekommen haben, auf die ich aber in der Enquete-Kommission keine endgültige Antwort gefunden habe. Erstens. Die Rolle der Technik. Unsere Probleme sind von Technik und einem technischen Denken hervorgerufen worden. Fast alle in der Kommission, über alle Fraktionen hinweg, schienen der Auffassung zu sein, für technische Probleme gebe es technische Lösungen: die Techniken des Marktes, Umwelttechniken, Sozialtechniken, Herrschaftstechniken. Die Grammatik des technischen Denkens war auch in der Arbeit der Kommission dominant. Wir mögen nicht mehr fortschrittsgläubig sein, aber wir sind zutiefst technikgläubig, bis in die Tiefenstrukturen unseres Denkens hinein. Das ist das vielbeschworene Gehäuse der Hörigkeit, das wir durch unseren Lebensstandard kommod ausgestattet haben. Wir sind wohlgenährte Troglodyten unserer technischen Möglichkeiten. Technikfolgen haben wir noch immer mit irgendeiner Folgetechnik bewältigt. Ich frage hier lediglich skeptisch: Können die Probleme auf Dauer mit der Form des Denkens gelöst werden, die uns die Probleme eingebracht hat? ({1}) Zweitens. „Wo keine Götter sind, da walten Gespenster“, so Novalis. Die technische Zivilisation hat ihre metaphysische Heimat längst verloren. Die permanente existenzielle Absturzgefährdung wird durch die Gespenster unserer Zeit abgesichert: Konsum, Bedürfnisbefriedigung, die Zufriedenheit im Materiellen, der Rausch und der Reiz des Neuen. Unser Gespenst, unser Fetisch, ist das Wachstum. Kommt es abhanden, stoppt der Motor, bricht Panik aus. Zu viel hängt davon ab. Wachstum ist nicht nur die irenische Formel der modernen Gesellschaft, sondern ihr existenzieller Urgrund. Wo Maß und Mitte sind, haben wir ebenso vergessen wie jene höheren Dinge, die dem Leben einstmals Sinn gaben. Dies zu ändern, liegt aber außerhalb der politischen Möglichkeiten. Vielleicht kann ja der neue Indikator helfen, die Bedingungen des gesellschaftlichen Diskurses zu verändern. Damit wäre schon viel erreicht. ({2}) Drittens. Wir haben häufig über die Ambivalenz des Fortschritts diskutiert. Der Begriff scheint eingedunkelt, aber nach wie vor von faszinierender Strahlkraft. Immer noch verspricht er Befreiung von Mühsal und Plage, von Arbeit und Anstrengung. Immer noch steckt dahinter die Vorstellung, der Mensch könne das verlorene Paradies durch die Umgestaltung der Natur zurückgewinnen und sich im Zuge dessen gewissermaßen selbst zivilisieren und veredeln. Das ist eine zentrale Idee im Projekt der Moderne. Darin zeigt sich noch heute ihr überschießendes normatives Potenzial. Es muss aber eingebunden werden in ein Bild des Menschen, das ihn als Person ernst nimmt. Hierzu hat gerade die katholische Soziallehre in den letzten Jahrzehnten viel Nachdenkenswertes beigetragen. Ich wünsche mir persönlich, dass vor allem die Union diese Ideen aufgreift, kreativ umsetzt und politisch wirksam werden lässt. Wir wollen als Union nicht nur der Sachwalter des Bestehenden sein, der alles, was wirklich ist, als vernünftig verklärt, und ebenso wenig sollten wir in den Paradigmen reiner Marktliberalität gefangen bleiben. Dies sollten wir anderen überlassen. ({3}) Wir sind keine „gottlosen Selbstgötter“, um ein böses Wort von Heinrich Heine aufzugreifen, und ebenso wenig stimmen wir in das spöttische Lied ein, der ideale Lebenszweck sei Borstenvieh und Schweinespeck. Wir müssen schon den Ehrgeiz haben, die Gesellschaft nach einem im Transzendenten verhafteten Bild des Menschen zu gestalten. Ich habe in den vergangenen 28 Monaten viel gelernt: in den Sitzungen wie in den Arbeitsgruppen, durch Widerspruch ebenso wie durch Zuspruch. Das Lernen war nicht nur ein inhaltliches; es bestand auch in der Erfahrung der Kooperation über Fraktionsgrenzen hinweg. Im fachlichen Ringen hat sich manche persönliche Hochachtung entwickelt - auch Freundschaft. Am Ende bedrängte uns aber der Eindruck, dass wir noch mehr hätten machen können. Manche Fäden blieben unverbunden liegen. Ich wünsche mir, dass der Deutsche Bundestag an den aufgeworfenen Fragen weiter arbeitet. Dazu habe ich einen Wunsch. In der Arbeit der Kommission hat sich an vielen Stellen gezeigt, dass unser Er30792 kenntnisinteresse die Mauern von Fraktions- und Koalitionsdisziplin überwindet. Ich würde solchen Prozessen gerne mehr Raum geben, ohne die Fragestellungen und Erkenntnisse gleich wieder zu kanalisieren. Deshalb lautet mein Plädoyer: Wenn sich Enquete-Kommissionen mit Zukunftsaufgaben beschäftigen, sollten wir ihnen ein wenig mehr Beinfreiheit lassen. ({4}) Ich bin der Überzeugung: Wir können es dem Deutschen Bundestag zumuten, sich mit einem Bericht auseinanderzusetzen, der nicht schon von vornherein die eingeübten Lagerzugehörigkeiten abbildet. Das erfordert von allen Fraktionen ein wenig mehr Mut und ein wenig mehr Vertrauen. Aber ich glaube, es lohnt sich. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir haben damit den Schlussbericht der Enquete-Kommission zur Kenntnis genommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13730. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13731. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Drucksache 17/13706 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss ({0}) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Hartfrid Wolff für die FDP-Fraktion das Wort. ({1})

Hartfrid Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003866, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem von der Koalition vorgelegten Gesetzentwurf wird die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer umgesetzt. ({0}) Durch die Erweiterung der Strafvorschrift des § 233 des Strafgesetzbuches auf die Fälle des Menschenhandels zum Zwecke der Ausnutzung strafbarer Handlungen und der Bettelei sowie zum Zwecke der Organentnahme werden diese Fälle ausdrücklich unter Strafe gestellt. Dies schafft Klarheit und trägt auch der Bedeutung dieser Kriminalitätsphänomene Rechnung. ({1}) Viele zur besseren Bekämpfung des Menschenhandels gemachten Vorschläge hätten eine intensivere Prüfung und Erörterung erfordert, ({2}) die jedoch wegen der Fristgebundenheit der Umsetzung dieser Richtlinie in dieser Wahlperiode kaum realisierbar erschienen. ({3}) So halte ich es im Einvernehmen mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für sinnvoll, sich in der nächsten Legislaturperiode nochmals an die Systematisierung und die Überprüfung der Straftatbestände zur Bekämpfung des Menschenhandels zu machen. Die von polizeilicher und staatsanwaltlicher Seite geforderte grundlegende Überarbeitung der Straftatbestände der §§ 232, 233 und 233 a StGB erscheint durch die relativ geringe Anzahl von Verurteilungen wegen dieser Vorschriften, die nicht dem tatsächlichen Ausmaß dieser Kriminalitätsform entspricht, als durchaus diskussionswürdig. ({4}) Das wird in der nächsten Wahlperiode eingehend zu prüfen sein, und es werden gegebenenfalls gesetzgeberische Vorschläge zu machen sein. Jedenfalls bleibt es ein schwerwiegendes Problem, dass oft Täter ihre Opfer unter Ausnutzung von Zwangslagen, Hilflosigkeit, Gewalt oder Drohungen zur Ausbeutung und zur Prostitution bringen. Die kausale Verbindung zwischen Zwangslage und Ausbeutung durch die Handlungen des Täters muss vorliegen und nachgewiesen werden, um nach derzeitiger Rechtslage verfolgt werden zu können. Polizeien und Staatsanwaltschaften weisen darauf hin, dass der Nachweis dieser Umstände oft schwierig ist. Immerhin ist es uns jetzt gelungen, einen wichtigen Punkt außerhalb des Strafrechts anzugehen; das ist durchaus beachtlich. Wir werden den Betrieb von Prostitutionsstätten zukünftig entsprechend den Regelungen Hartfrid Wolff ({5}) für andere überwachungsbedürftige Gewerbe in die Gewerbeordnung aufnehmen. Kaum jemandem im Lande ist verständlich zu machen, dass sich Betreiber von Spielhallen, Schankwirtschaften oder Amüsierlokalen einer Betriebsüberwachung oder gar einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen müssen, aber ausgerechnet Betreiber von Bordellen nicht. Seit die Sittenwidrigkeit der Prostitution aufgehoben wurde, war es möglich, Prostitutionsstätten bis hin zum Flatrate-Großbordell ohne gewerberechtliche Überprüfungsmöglichkeiten einzurichten. ({6}) Bei aller Freude über die Abschaffung von damals falschen Tabus: Eine solche Privilegierung eines bestimmten Gewerbes gegenüber anderen ist kaum nachvollziehbar. Eine gewisse Betriebsblindheit muss man der damaligen rot-grünen Koalition schon attestieren. ({7}) Das grundsätzlich richtige Ziel, nämlich die Stärkung der Rechte von Frauen und die Herausnahme dieses Gewerbebereichs aus der Illegalität, wurde zwar erreicht, die dazugehörigen gewerberechtlichen Rahmenregelungen unterblieben jedoch leider. ({8}) Dies hat zur Folge, dass wir in Deutschland der Ausbeutung von Frauen nicht wirkungsvoll genug entgegentreten können. Bislang gab es kein gewerberechtliches Instrument, beispielsweise einem verurteilten Menschenhändler die erneute Eröffnung eines Bordells zu untersagen. Mit unserem Gesetzentwurf wird eine automatische Überprüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden unverzüglich nach Gewerbeanmeldung oder Gewerbeummeldung eingerichtet. Den zuständigen Behörden stehen nunmehr zur Überwachung des Betriebs zudem die Auskunfts-, Kontroll- und Nachschaurechte des § 29 der Gewerbeordnung zur Verfügung. Darüber hinaus kann der Gewerbebetrieb von Auflagen zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der Prostituierten oder auch der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen abhängig gemacht werden. Dies ist ein deutlicher Fortschritt und eine notwendige Ergänzung zum Schutz der in diesen Betrieben tätigen Frauen. Aber zu den weiteren Maßnahmen, die den Opferschutz beim Menschenhandel betreffen, gehört auch die dringend nötige Überprüfung ausländerrechtlicher Regelungen. ({9}) Dies ist und bleibt ein Anliegen der FDP. Zum Schutz verschleppter Frauen haben wir in dieser Wahlperiode einiges geleistet, Herr Kollege Beck. ({10}) Zwangsheirat wird jetzt explizit als Straftat benannt, und wir haben den ausländischen Opfern von Zwangsverheiratungen zudem ein eigenständiges Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht eingeräumt. Die frühere Regelung, wonach der Aufenthaltstitel für verschleppte junge Frauen nach sechs Monaten automatisch erlosch, wurde für Opfer von Zwangsverheiratungen nunmehr beseitigt. Etwas Vergleichbares strebt die FDP auch für die Opfer von Zwangsprostitution an. Die Opfer müssen eine Chance erhalten, sich aus der Zwangslage befreien zu können, zu der leider oft auch im Herkunftsland lebende Familien beigetragen haben. Des Weiteren gilt auch: Gerade zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist häufig die Aussage eines Opfers vor der Polizei oder im Gerichtsverfahren bedeutsam. Diese Aussage erhalten wir aber nur, wenn sich die Opfer vor Verfolgung hier oder im Heimatland sicher fühlen können. Ein entsprechender Aufenthaltstitel wäre deshalb aus unserer Sicht wichtig. Da aber ausländerrechtliche Regelungen ebenso wie die eingangs genannten strafrechtlichen Lösungen erhebliche Folgeprobleme aufwerfen können, müssen sie sorgfältig erwogen und geprüft werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Hartfrid Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003866, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin gleich am Ende meiner Rede, dann können Sie eine Kurzintervention machen. ({0}) Das werden wir in der nächsten Wahlperiode leisten. Für die FDP steht der effektive Schutz von Opfern an oberster Stelle. ({1}) Die vergangenen vier Jahre mit einer Regierungsbeteiligung der FDP waren vier gute Jahre für Deutschland. ({2}) Gerade im Bereich der Innen- und Rechtspolitik haben wir einige Erfolge erzielt, die dieser Koalition anfangs kaum einer zugetraut hätte. ({3}) Hartfrid Wolff ({4}) Das werden wir auch fortsetzen. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Eva Högl für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Eva Högl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003896, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wolff, das, was Sie hier vorlegen, ist eine Frechheit. ({0}) Das wird dem Thema Bekämpfung des Menschenhandels in keinem Punkt gerecht. Menschenhandel ist eines der schlimmsten Verbrechen in der heutigen Zeit. Es ist die moderne Form der Sklaverei. Frauen werden zur Prostitution gezwungen, Männer und Frauen unter schlimmsten Bedingungen ausgebeutet und Kinder zum Betteln genötigt. Zwangsprostitution, illegaler Organhandel und Zwangsarbeit: Menschenhandel zielt immer auf die systematische Ausbeutung von Menschen. Es ist leider ein äußerst gewinnbringendes Geschäftsfeld für die Täterinnen und Täter. ({1}) Durch die globale Vernetzung hat der Menschenhandel zusätzlich noch eine internationale Dimension bekommen und entsprechend zugenommen. Der erste Bericht der Europäischen Kommission über Menschenhandel in Europa wurde gerade im April 2013 vorgestellt, und er liefert erschreckende Zahlen. Die Zahl der Opfer in der Europäischen Union ist zwischen den Jahren 2008 und 2010 um 18 Prozent auf über 20 000 gestiegen. Wir wissen, dass die Dunkelziffer noch viel höher liegt. Die andere Zahl ist genauso erschreckend: Die Zahl der Verurteilungen sank im gleichen Zeitraum um 13 Prozent. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir in Europa Gesetze gegen Menschenhandel haben. Es ist richtig und wichtig, dass sich Europa dieses Themas angenommen hat. Es gibt ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2005 und die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels vom 5. April 2011, die wir umsetzen müssen. Aber die Koalition versagt komplett bei der wichtigen Aufgabe, diese gute Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umzusetzen. ({2}) Herr Wolff, die Koalitionsfraktionen hatten zwei Jahre lang Zeit, dieses wichtige Thema engagiert anzugehen und sinnvolle gesetzliche Regelungen vorzulegen. Ich mache das nicht oft - Herr Kollege Uhl, Sie wissen das wahrscheinlich -, aber ich zitiere Sie jetzt. Sie haben gesagt: Die Union wollte mehr, als uns die FDP zugestanden hat. - Das ist ein Armutszeugnis für die Koalition; denn wir haben auch aus den unionsregierten Ländern Bayern und Hessen deutliche Kritik vernommen. Das ist ein Zeichen, dass diese Koalition - anders als Sie das gesagt haben, Herr Wolff - bei der wichtigen Aufgabe der Bekämpfung des Menschenhandels völlig handlungsunfähig ist. ({3}) Was brauchen wir? Wir brauchen einen wirksamen Schutz der Opfer von Menschenhandel. Die Opfer von Menschenhandel sind schutzbedürftig. Wir brauchen vor allem eine Neuregelung im Aufenthaltsrecht. Wir wissen ganz genau, dass die Personen, die Opfer von Menschenhandel werden, unter einem enormen Druck stehen, sodass wir ihr Aufenthaltsrecht nicht davon abhängig machen dürfen, ob es ein Strafverfahren gibt und ob sie in einem Strafverfahren aussagen. Wir müssen das Aufenthaltsrecht so ausgestalten, dass sie unabhängig von einem Strafverfahren Bleibemöglichkeiten in unserem Land bekommen. Das sagt auch die Richtlinie. Aber dazu sagt Ihr Gesetzentwurf kein Wort. ({4}) Wir waren mit dem Rechtsausschuss in den USA und haben zusammen mit Herrn Kauder intensive Gespräche über die dortigen Regelungen geführt. Wir haben uns angeschaut, wie das T-Visum funktioniert. Wir waren uns einig, das ähnlich zu regeln. Die Opfer und ihre Angehörigen sollten einen Aufenthaltstitel bekommen. Auch dazu sagt Ihr Gesetzentwurf nichts. ({5}) Wir müssen die Opfer von strafrechtlicher Verfolgung freistellen. Wir wissen, dass es Begleitstraftaten der Opfer gibt. Zum Beispiel verstoßen sie gegen die Strafvorschrift über die Verwendung falscher Ausweispapiere, oder sie begehen Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht. Die Richtlinie verlangt, die Opfer von solcher strafrechtlichen Verfolgung freizustellen. Auch dazu sagt Ihr Gesetzentwurf kein Wort. ({6}) Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Er betrifft die Änderung des Strafrechts. Wir müssen nicht nur die Opfer schützen, sondern auch gewährleisten, dass die Täter und Täterinnen effektiv bestraft werden. Alle Experten, ob Polizei, Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaften, Gerichte oder Opferberatungsstellen, sind sich einig, dass unsere geltenden Strafvorschriften ungenügend sind, wenn es um eine wirksame Bestrafung der Täter und Täterinnen geht. Darüber haben wir intensiv diskutiert, sowohl im Rechtsausschuss als auch in einer Anhörung. Bislang ist in § 233 StGB davon die Rede, dass der Täter das Opfer unter Ausnutzung bestimmter Umstände zur Ausbeutung bringt. Es ist also ein Dazu-Bringen notwendig. Wir müssen diesen Paragrafen so ändern, dass der Nachweis, dass das Opfer in die Ausbeutung gedrängt wurde, erleichtert wird. Es muss künftig möglich sein, dass die Täter schon dann bestraft werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Ausbeutung schaffen. Wir brauchen eine andere Formulierung. Herr Wolff, Sie wissen ganz genau, wovon ich spreche. Darin sind alle, die sich mit dieser Strafvorschrift befasst haben, einer Meinung. Aber was lese ich in Ihrem Gesetzentwurf? Ich zitiere: Die zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels in Fachkreisen, insbesondere seitens Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen sowie von Seiten der Strafverfolgungsorgane diskutierten weiteren Vorschläge hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert, die das wegen der Fristgebundenheit der Umsetzung der Richtlinie angestrebte Inkrafttreten des Gesetzes in dieser Wahlperiode kaum realisierbar erscheinen lassen. Herr Wolff, das ist eine Unverschämtheit; das ist eine Frechheit. ({7}) Sie hatten vier Jahre lang Zeit, sich intensiv Gedanken über gute Vorschläge zu machen. Stattdessen fügen Sie in Ihrem Gesetzentwurf Folgendes an - weil es so scheußlich ist, muss ich auch das zitieren -: Diese und mögliche weitere Vorschläge auch außerhalb des Strafrechts zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Besserstellung seiner Opfer werden in der nächsten Wahlperiode eingehend zu prüfen und gesetzgeberische Vorschläge entsprechend dieser Prüfung zu erarbeiten sein. Das ist unfassbar, meine Damen und Herren. ({8}) Die niedersächsische Justizministerin, Frau NiewischLennartz, hat nicht einmal 100 Tage dazu gebraucht, um einen exzellenten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Menschenhandel vorzulegen. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, dass man weniger als vier Jahre braucht, um zu einer guten Regelung zu kommen. Ich möchte noch eine Bemerkung zum Gewerberecht machen. Wir haben eine Diskussion über unser Prostitutionsgesetz von 2001, das wir in rot-grüner Regierungszeit auf den Weg gebracht haben. Unser Ziel war es damals - das ist der Leitgedanke dieses Gesetzes gewesen; der gilt auch noch heute -, die Arbeitsbedingungen von Prostituierten zu verbessern. Das ist unsere Motivation. Prostituierte können jetzt ihren Lohn einklagen, sich krankenversichern, sich arbeitslosenversichern und rentenversichern. Dieses Gesetz ist umfassend evaluiert worden. Wir haben auch eine lebendige Diskussion darüber - die ist richtig und gut -, was wir verbessern müssen. Wenn man im Gewerberecht etwas ändern und Prostitutionsstätten gewerberechtlich regeln will, dann bin ich die Letzte, die etwas dagegen hat. ({9}) Ich bin völlig offen für diese Diskussion, weil ich erkenne, dass wir einen Handlungsbedarf haben. Aber wie Sie, lieber Herr Wolff, das jetzt machen, kann man es nicht machen. ({10}) Sie fügen eine Nr. 7 im § 38 der Gewerbeordnung ein, definieren aber nicht, was Prostitutionsstätten sind. Sie sagen in der Gewerbeordnung mit keinem Wort, was darunter zu verstehen ist. ({11}) - Ich habe den Gesetzentwurf vorliegen. Ich habe ihn gelesen und kann wohl lesen, Herr Wolff. - Wenn Sie es ernst damit meinen, Prostitutionsstätten dem Gewerberecht zu unterwerfen, dann müssen Sie eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten einführen, ({12}) dann müssen Sie Kriterien festlegen, dann müssen Sie sagen, was eine Prostitutionsstätte ist, wo sie in unseren Städten und Gemeinden sein soll, wie groß sie sein soll, welche Betreiber sie haben soll und welche hygienischen und sonstigen Bedingungen zur Ausübung der Prostitution zu erfüllen sind. ({13}) Das wäre richtig. Wir von der SPD sind die Allerletzten - ich denke, das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen -, die sich einer Diskussion darüber verschließen. Aber so, wie Sie es machen, wird es den Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht. Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf den Bundesrat verweisen. Der Bundesrat hat sich am 11. Februar 2011 deutlich positioniert und genau in diese Richtung argumentiert. Er hat gesagt: Wenn wir etwas am Gewerberecht ändern, dann müssen wir eine Erlaubnispflicht vorsehen. Meine Damen und Herren, ich wiederhole das, was ich ganz am Anfang gesagt habe: Dieser Gesetzentwurf wird dem gravierenden Problem des Menschenhandels, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, in keiner Weise gerecht. Er sieht keinen umfassenden Opferschutz vor, was die Richtlinie aber vorschreibt; Sie verlieren kein Wort über Beratung, Sensibilisierung oder Begleitmaßnahmen, die für Opfer wichtig sind. Es findet sich kein Wort zum Aufenthaltsrecht, und Sie scheitern auch bei der wichtigen Frage der effektiven Bestrafung der Täter und der Täterinnen. Auch das wäre wichtig gewesen. Auch das schreibt die Richtlinie vor. Sie nehmen in Kauf, dass wir das Problem des Menschenhandels nicht gut regeln, sondern dass es immer mehr Opfer von Menschenhandel gibt. Ich sage es Ihnen ganz offen, Herr Wolff: Dieser Gesetzentwurf ist Murks. Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie ihn zurück! Lassen Sie uns nach dem 22. September neu starten. ({14}) Wir haben gute Ideen, wir haben Vorschläge vorgelegt. Wir sind dazu bereit - auch das wissen Sie -, gemeinsam mit allen Fraktionen zu einer guten Regelung zu kommen. Wir haben zu Anfang dieser Legislaturperiode Ansätze gemacht. ({15}) Sie waren zu keinem Gespräch bereit. Das, was Sie heute vorlegen, ist alles andere als ein guter Gesetzentwurf. Nutzen Sie die Chance, ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück! Setzen wir uns zusammen, und lassen Sie uns gemeinsam etwas machen, was den Opfern hilft und was eine Bestrafung der Täter ermöglicht. ({16}) Vielen Dank. ({17})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Ute Granold für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Ute Granold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003538, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Thema Menschenhandel begleitet mich, seitdem ich in diesem Parlament bin, seit genau elf Jahren. Seit genau elf Jahren gibt es auch das Prostitutionsgesetz. Lassen Sie mich von dem berichten, was ich aus meiner Erfahrung zu dem Thema weiß. Ich bin im Stiftungsbeirat von Solwodi. Solwodi kennt jeder, es ist eine Opferschutzorganisation. Ich weiß also, wovon ich spreche. Ich bin erschüttert über die Situation der Menschenhandelsopfer, insbesondere der Zwangsprostituierten, nicht nur in Deutschland, sondern auch derjenigen in Europa und weltweit. Der Menschenhandel ist ein sehr lukratives Geschäft. 31 Milliarden Euro werden umgesetzt; mit steigender Tendenz. Illegaler Waffenhandel und Drogenhandel sind nicht so interessant und lukrativ wie Menschenhandel; denn Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt. Es werden Prioritäten gesetzt, in welchen Bereichen die Polizei tätig ist. Ich brauche die Zahl der verurteilten Zuhälter, der Menschenhändler nicht zu wiederholen. Sie wurde bereits genannt. Die niedrige Zahl liegt in der Natur der Sache, weil eben Menschenhandel ein Kontrolldelikt ist. Mit dem Kollegen Siegfried Kauder, unserem jetzigen Vorsitzenden des Rechtsausschusses - ich habe mir meine Rede von damals durchgelesen -, bin ich im Jahr 2004 zum größten Bordell Europas gereist. Dieses Bordell ist in einem kleinen Landkreis in Tschechien in der Nähe der bayerischen Grenze. In diesem gibt es 40 Bordelle mit 800 Prostituierten. Die Prostituierten werden größtenteils aus Südosteuropa rekrutiert. Sie glauben, sie kommen als Au-pair, als Haushaltshilfe oder als Helfer in der Gastronomie nach Deutschland. Sie werden dort eingearbeitet in ein Metier, das sie nicht kennen. Die durchschnittliche Einarbeitungszeit beträgt sechs bis acht Wochen. Dann werden die Frauen taxiert - groß, klein, dick, dünn, mit Narben, ohne Narben, Alter, Gebrechen - und bewertet. Im Jahr 2005 kostete eine Frau im Durchschnitt 550 Euro, die quer durch Europa verkauft wird. Deutschland ist Ziel- und Transitland für Menschenhandel. Aufgrund der Globalisierung gibt es das Phänomen, dass die Frau mal in Spanien oder in Deutschland ist und weiterverkauft wird. Die Zuhälter und die Schlepper verdienen daran. Es kommt auch vor, dass die Schlepper und Zuhälter Frauen sind. Während unseres Besuches damals wurde eine Rumänin zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, deren Schlepperring aufgeflogen war. Ich bin seit Jahren mit Leidenschaft bei diesem Thema engagiert, weil ich selbst erlebt habe, welches Leid die Frauen erfahren. Ich meine, mich deshalb zu diesem Thema äußern zu können. Wir sollten alles dazu beitragen, diesen Frauen und jungen Mädchen zu helfen - zu 85 Prozent geht es um Zwangsprostitution -, egal ob es auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene ist. Demzufolge ist es auch kein Thema für irgendeine parteipolitische Streiterei. ({0}) Unser Gesetzentwurf ist keine „Frechheit oder Unverschämtheit“, sondern ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich weiß wohl, dass es nur ein erster Schritt ist. Wenn ich sehe, worüber in den Jahren 2001, 2002 und 2003 in diesem Hause diskutiert wurde und worüber wir heute reden, dann stelle ich fest, dass wir nicht viel weiter sind. Damals hatten wir andere Koalitionen. Insofern müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen. ({1}) Wir waren gerade mit dem Menschenrechtsausschuss in Genf. Dort haben wir mit der für die Bekämpfung von Menschenhandel zuständigen Kommissarin gesprochen. Ich war bei vielen Veranstaltungen, auch mit Frau Dr. Konrad, der ehemaligen Sonderbeauftragten der OSZE. Über Parteigrenzen hinweg versuche ich, Öffentlichkeit für dieses Thema zu schaffen, weil es noch nicht öffentlich genug ist. Wir müssen sensibilisieren.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Ute Granold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003538, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Das machen wir später, Herr Beck. ({0}) Wir versuchen, auf allen Ebenen eine Regelung zu finden. Es wurde der Bericht über die Situation in Europa angesprochen, der auf EU-Ebene erstellt und im April veröffentlicht wurde. Wir kennen auch die Zahlen für Deutschland. Wir haben eine hohe Dunkelziffer. Man schätzt, dass es ungefähr 880 000 bis 900 000 Menschenhandelsopfer in Europa gibt. Jedes Opfer ist ein Opfer zu viel. Wir sind bemüht, im Strafgesetzbuch - ich brauche es nicht zu wiederholen - Regelungen zu treffen. Wir müssen aber noch mehr tun. Wir müssen an die Opfer denken, und wir müssen insbesondere Präventionsarbeit leisten. 80 Prozent der Prostituierten, die hier tätig sind, kommen aus dem Ausland. In der Regel kommen arme Menschen hierher. Wir müssen sie sensibilisieren, was es bedeutet, weiter in der Heimat zu leben oder nach Deutschland zu kommen. Das müssen wir auch wissen, wenn wir über das Bleiberecht diskutieren. Für die Opfer aus Drittstaaten muss es ein Bleiberecht geben - unbestritten. Die meisten Opfer, die wir in Deutschland zu beklagen haben - etwa 70 Prozent -, kommen aus Südosteuropa. Für sie braucht es kein Bleiberecht, weil sie sich aufgrund der EU-Mitgliedschaft überall in Europa aufhalten können. Das muss man bedenken, und man muss ehrlich sein. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir im Rahmen eines Strafprozesses - es geht hier nicht nur um das materielle Strafrecht - auch den Sachbeweis zulassen und dort neue Wege gehen. Wir sollten auch darüber nachdenken - dafür kämpfe ich seit vielen Jahren -, ob wir unser Augenmerk nicht auch auf die Freier richten. Wenn ein Freier weiß, dass er zu einer Zwangsprostituierten geht, und das immer wieder tut, dann bin ich der Auffassung, dass dieser Freier bestraft werden muss. Ein fertiger Gesetzentwurf liegt in der Schublade. ({1}) Seit 2004 ist leider keine Umsetzung möglich. Meine Redezeit ist leider vorbei. ({2}) Der Kollege Uhl wird sich noch einmal mit der Gewerbeordnung befassen. Am Ende muss ich sagen: Wir sollten nach diesem ersten Schritt gemeinsam sehr schnell weitere Schritte in Richtung Opferschutz und Prävention gehen. Die EU-Richtlinie, über die wir heute reden, wurde mittlerweile von 13 der 27 Staaten umgesetzt. Es gibt noch einiges, was wir tun können. Wir sollten Vorbild sein und sie umsetzen, aber auch die nächsten Schritte, die dringend erforderlich sind, gehen. Es tut mir leid, dass meine Redezeit zu Ende ist. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Katrin Werner für die Fraktion Die Linke. ({0})

Katrin Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004188, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Menschenhandel in Europa nimmt zu, und Deutschland ist eine Drehscheibe dieser modernen Sklaverei. Dies ist das Ergebnis einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie. Das konnten wir vor drei Tagen auch in den Katholischen Nachrichten im Netz, dem kath.net, lesen. Jetzt könnte man meinen: Schnell gehandelt. Vor zwei Tagen gab es noch nicht einmal die offizielle Vorlage Ihres Gesetzentwurfs. Aber wenn man genauer hinschaut, kann man nur noch kopfschüttelnd feststellen: Wir befassen uns zwar endlich mit dem Thema „Bekämpfung des Menschenhandels“, aber das, was die Koalition hier vorlegt, ist ein echtes Armutszeugnis. ({0}) Elf Jahre nach Einführung des Prostitutionsgesetzes, elf Jahre Kritik und Verbesserungsvorschläge - und jetzt haben wir dieses miserable Ergebnis? Das 2002 verabschiedete Gesetz hat zu einer Zunahme des Menschenhandels in Deutschland geführt. ({1}) Zu diesem Ergebnis kommt die von der Europäischen Kommission finanzierte Studie. Damit ist offenkundig auch das rot-grüne Prostitutionsgesetz gescheitert. ({2}) Eine EU-Studie aus dem Jahr 2005 hatte bereits auf der Basis verschiedener Daten errechnet, dass es im Jahr 2003 in Deutschland bis zu 24 700 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gab. In der neuen EU-Studie heißt es, dass es europaweit in den Jahren von 2008 bis 2010 eine Zunahme von Menschenhandel um 18 Prozent gab. Man spricht allerdings auch von einer viel höheren Dunkelziffer. Bei einer Untersuchung im Jahr 2007 hat die Bundesregierung festgestellt, dass das Gesetz seine Ziele nicht erreicht hat. Dennoch wurde bis heute nichts unternommen. Ihre aktuelle Vorlage ist nichts anderes als Flickschusterei. ({3}) Sie müssten sich erst einmal einen Überblick über die reale Lage verschaffen. Ist Ihnen überhaupt bekannt, wie viele Frauen in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden? Der Chef der Augsburger Kriminalpolizei hält eine Gesetzesänderung für dringend erforderlich. Zitat: Deutschland ist zum Eldorado für Zuhälter und Bordellbetreiber geworden. Laut Gesetz dürfen sie den Prostituierten sogar Anweisungen erteilen und wir als Polizei können nur zuschauen. Die Ausbeutung der Frauen geht also immer weiter. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und FDP, glauben Sie wirklich, dass Sie mit Ihrer Vorlage daran etwas ändern? ({4}) Vielleicht gehen Sie noch einmal Ihre eigene Begründung durch. Sie schreiben selbst, die Vorschläge von Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen zur Verbesserung der Bekämpfung von Menschenhandel hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert. Ich bitte Sie! Die Richtlinie ist vom 5. April 2011. Der Stichtag war der 6. April 2013. ({5}) Wie viel Zeit brauchen Sie eigentlich noch? ({6}) Zwei Jahre lang lief die Frist zur Umsetzung, und erst die Rüge der EU-Kommissarin Malmström im April 2013 hat Sie zu diesem Schnellschuss veranlasst. ({7}) Sie selbst verweisen in Ihrer Begründung zudem auf die Kritik von Vertreterinnen und Vertretern der Rechtswissenschaft, der Polizei und der Staatsanwaltschaft. So schreiben Sie: Die polizeiliche und staatsanwaltliche Praxis kritisiert, dass der Nachweis dieser Umstände - hier geht es um die Ausnutzung der Zwangslage der Opfer durch die Täter sich als schwierig erweise. Unabdingbar sei die Aussage der Opferzeugen und -zeuginnen, die aber oft nicht oder nur schwer zu erlangen sei. Das lässt doch nur einen Schluss zu: Wir brauchen endlich einen effektiven Opferschutz. Geben Sie den Opfern die Gelegenheit, sich zu wehren, und schaffen Sie endlich die gesetzlichen Grundlagen und erforderlichen Bedingungen, um die Opfer zu schützen. Lassen Sie die Opfer nicht später zu Angeklagten werden und sie um Almosen betteln. Helfen Sie den Opfern aus der Zwangslage. Wir brauchen ein Bleiberecht für alle Opfer. ({8}) Die Linke steht an der Seite der Opfer von Menschenhandel. Ihr Gesetzentwurf dagegen wird keinen einzigen Fall von Menschenhandel verhindern. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. ({9}) Andernfalls müssten Sie nämlich die Machbarkeit und die finanzielle Unterstützung anders betrachten. Sie meinen, dass dies keine zusätzlichen Haushaltsausgaben erfordere. Glauben Sie allen Ernstes, den Menschenhandel ohne den zusätzlichen finanziellen Aufwand von Bund, Ländern oder Gemeinden eindämmen zu können und Opfern damit wirklich zu helfen? Ich kann nur sagen, Sie betreiben hier Augenwischerei. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Monika Lazar für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Monika Lazar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003714, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen war in der Presse zu lesen, dass die Koalition endlich das Thema „Kampf gegen Menschenhandel“ angehen will. Ich war positiv überrascht, weil auch zu lesen war, dass den Opfern von Menschenhandel endlich ein Bleiberecht zugesichert werden soll. Diese Forderung teilen wir Grünen seit langem, sind aber bis jetzt bei der Regierung auf taube Ohren gestoßen. Ich zitiere aus einem Interview mit Volker Kauder aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 1. Juni: Wir können nicht länger hinnehmen, dass gerade in Deutschland die Rechte von Frauen so missachtet werden und dass unser Land zur Drehscheibe für Menschen- und Frauenhandel in Europa geworden ist. Das ist ein Skandal. ({0}) - Klatschen Sie mal nicht zu früh; denn was haben Sie daraus gemacht? Die Europakonvention gegen Menschenhandel verpflichtet die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Prävention von Menschenhandel, zur Strafverfolgung der Täterinnen und der Täter und zum Schutz der Opfer. Die Bundesregierung hat es jedoch bei der Ratifizierung versäumt, diese notwendigen Gesetzesänderungen vorzunehmen. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf muss diese Richtlinie jetzt erfüllen; denn - es wurde schon gesagt - die Frist ist schon längst verstrichen. Doch anstatt genau hinzusehen, was die Richtlinie erfordert, werden nur ein paar strafrechtliche Punkte aufgegriffen, und dann ist es mit der Menschenliebe schon wieder vorbei. Opferrechte und Opferschutz werden in dem Gesetzentwurf überhaupt nicht erwähnt. Das ist wirklich skandalös. ({1}) Der zentrale Punkt jeder strafrechtlichen Reform im Bereich der Zwangsprostitution - die Strafbarkeit der Freier, die vorsätzlich die Situation einer Zwangsprostituierten ausnutzen - fehlt gänzlich. ({2}) Dann steht in dem Gesetzentwurf auch noch ganz frech - das wurde vorhin schon gesagt -, dass aufgrund von Zeitmangel die Vorschläge der Akteurinnen und Akteure aus den Fachkreisen nicht hätten aufgenommen werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das heißt doch nur, Sie konnten sich nicht einigen. Denn Zeit genug hatten Sie ja: vier Jahre. ({3}) Der Schutz und das Interesse der Opfer wurden dem Streit in der Koalition und den Ministerien einfach geopfert. Es ist schlicht beschämend, dass Volker Kauder, wie in dem Interview, die Situation von Menschenhandelsopfern in Deutschland als einen Skandal beschreibt und dann mit einem so dünnen Papier um die Ecke kommt. ({4}) Er tönt außerdem, dass das rot-grüne Prostitutionsgesetz für alle Missstände verantwortlich sei. Elf Jahre nach Einführung des Gesetzes müssen weitere Schritte folgen. Da sind auch wir Grünen mit dabei. Wir fordern zum Beispiel auch gewerberechtliche Regelungen zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen. Da scheinen wir uns einig zu sein. ({5}) Doch wer regiert, der soll nicht über das lamentieren, was wir vor zwölf Jahren erarbeitet haben, sondern eigene Ideen präsentieren, die dann auch tragen. ({6}) Die Umsetzung der Richtlinie zum Menschenhandel wird nicht erst seit gestern diskutiert. Wir Grünen haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt - darüber wurde hier auch schon diskutiert -, ({7}) in dem wir ausführlich darlegen, was wir uns darunter vorstellen. Sie müssen dem nur zustimmen. Dann sind wir viel weiter als mit Ihrem dünnen Gesetzentwurf. ({8}) Das größte Hindernis in der gesamten Diskussion ist ja immer diese unqualifizierte Gleichsetzung von Prostitution mit dem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Dabei gibt es keine Belege, dass der Menschenhandel durch das Prostitutionsgesetz angestiegen ist. Das kann die Bundesregierung in ihrer eigenen Antwort auf unsere Kleine Anfrage nachlesen. Es geht vielmehr um eine Begleiterscheinung von Armutsmigration, der mit sozialen und integrationspolitischen Maßnahmen begegnet werden muss. Noch einmal zu ihrem Gesetzentwurf. Als „Schleifchen“ setzen Sie noch eine völlig unkonkrete Änderung zur Gewerbeordnung oben drauf. Zitat: „Prostitutionsstätten sollen zu den überwachungsbedürftigen Gewerben gehören.“ Es wurde schon gesagt: Es bleiben viel mehr Fragen. Reicht das aus, oder sollten die Stätten besser einer Genehmigungspflicht unterworfen werden? Was genau meint die Koalition mit dem Begriff „Prostitutionsstätten“? Hat die Koalition die möglichen mittelbaren Folgen ihrer Regelung bedacht? Ich vermute, es ist nur ein schneller Kompromiss, mit heißer Nadel genäht. Sie haben sich in den Untiefen der Ressortzuständigkeiten und der schwarz-gelben Koalitionsstreitigkeiten verheddert. Das haben weder die Prostituierten noch die Opfer von Menschenhandel verdient. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie haben etwas angekündigt und haben es nicht gehalten. Sie vermischen unzulässigerweise Prostitution und Menschenhandel und werfen somit Nebelkerzen. Sie haben sich in der Koalition schweren Herzens auf diesen Kompromiss geeinigt; aber das ist viel zu spät und viel zu wenig. So können Sie jedenfalls nicht mit unserer Zustimmung rechnen. Danke. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Hans-Peter Uhl für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in unserer Abscheu gegenüber Menschenhandel, Zwangsprostitution und ähnlichen Dingen einig. Wenn man aber über die Rechtslage, die jetzt besteht, und den Gesetzentwurf, den wir vorlegen, diskutiert und Ihnen zuhört, dann reibt man sich die Augen. ({0}) Ich hoffe, alle von Ihnen haben den Spiegel der letzten Woche gelesen, der einen 18-seitigen Befund enthält. ({1}) Auf dem Titelbild steht: BORDELL DEUTSCHLAND Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert ({2}) Sie tun so, als hätte es nie ein rot-grünes Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2001 gegeben. ({3}) Die Vertreter von Rot und von Grün stellen sich hier hin und tun so, als hätten sie damit nichts zu tun. ({4}) Jeder Polizeibeamte, jeder Staatsanwalt, jeder Richter in ganz Deutschland, der mit diesen Delikten zu tun hat, beklagt den jetzigen Rechtszustand.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Der hat viel zu rechtfertigen, aber das tut er jetzt nicht auf meine Kosten. ({0}) Jetzt rede ich und werde dies im Detail darstellen. Herr Kollege Beck, Sie sind in der Spiegel-Titelgeschichte mit Bild und Text erwähnt. Erwähnt sind auch - in Sektlaune - die damalige SPD-Familienministerin Christine Bergmann, die damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Müller, und eine Bordellbesitzerin. ({1}) Mit einem Sektglas in der Hand prosten sie sich zu. Darunter steht: Drei Frauen in Partylaune, weil Männer in Deutschland endlich bedenkenlos in Bordelle gehen konnten Das war Ihre Errungenschaft vor zwölf Jahren. ({2}) Jetzt kommen Sie daher und schelten uns dafür, dass wir zu wenig für die Reglementierung tun. ({3}) Sie waren es, die dieses kriminogene Milieu in den rechtsfreien Raum entlassen haben. Sie waren es, die eine Dunkelziffer von Tausenden Zwangsprostituierten zugelassen haben. Sie waren es, die die Polizei daran gehindert haben, Bordelle zu überprüfen, Razzien durchzuführen und Bordelle zu schließen. Und jetzt kommen Sie daher und sagen, dass das, was wir machen, viel zu wenig ist. ({4}) - Es ist zu wenig; da gebe ich Ihnen sogar recht. ({5}) Das steht auch in der Vorlage: Sie von der Opposition haben zweimal vorgelesen, dass darin steht, es sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser Schritt geht mir nicht weit genug - ich hätte gern mehr gehabt -, aber er geht in die richtige Richtung, weg von Rot-Grün, weg von dem, was Sie damals gemacht haben. ({6}) Das ist die richtige Richtung. Deswegen gehe ich den Weg. Das ist zu wenig, aber es geht in die richtige Richtung. Meine Damen und Herren, wir sollten hier ehrlich sein. Ich habe einen Vorschlag aus dem rot-grün regierten Bremen gelesen: ein Prostitutionsgesetz über zehn Seiten, eine Reglementierungswut ohne Ende. ({7}) Keinem CSU-Politiker würde man so etwas zutrauen. Sie sind jetzt an der Spitze der Bewegung der Reglementierung. Sie wollen an dieses Metier herangehen, als hätten Sie nie was anderes gewollt. Meine Damen und Herren, machen Sie es sich nicht zu leicht. Seien Sie intellektuell redlicher ({8}) und sagen Sie, dass Sie einen schweren Fehler begangen haben. Denn Sie haben in einer grenzenlosen Naivität versucht, ein Gesetz zur Verbürgerlichung dieses Milieus zu machen. Sie haben geglaubt, man könnte per Gesetz aus einer Prostituierten eine Friseuse machen, ({9}) die freudig ihrer Arbeit nachgeht, bei der Sparkasse ein Konto hat, in die Rentenversicherung einzahlt, krankenversichert ist, selbstbestimmte Sexdienstleisterin ist. Dies und ähnlichen Schwachsinn musste man sich damals, im Jahre 2001, anhören. ({10}) Das alles ist wie eine Seifenblase zerplatzt, die Wirklichkeit hat Sie eingeholt, und jetzt wollen Sie reglementieren. Wir auch, ({11}) und deswegen fangen wir an. Erstens. Man braucht eine Anmeldung bei der Behörde. Zweitens. Die Behörde hat das Recht, die Stätte zu betreten. Drittens. Die Behörde kann daraufhin einen Auflagenbescheid erlassen. Das ist der Einstieg. ({12}) Die Folge wird sein, dass wir den völlig praxisuntauglichen § 232 StGB - und auch § 233 StGB, darüber hat nur keiner gesprochen: Ausbeutung der Arbeitskraft; es geht nicht um Sex - schleunigst ändern müssen, weil beide dem Geist und dem Wortlaut der EU-Richtlinie widersprechen. ({13}) Auch diesbezüglich haben Sie recht. Aber tun Sie hier nicht so, als ob Sie keine Schuld auf sich geladen hätten. ({14}) - Sie haben schwere Schuld auf sich geladen, Frau Högl; Sie am allermeisten, Herr Beck, das wissen Sie ganz genau. Seien Sie ehrlich und anständig. ({15}) Wir brauchen die rechtlichen Möglichkeiten, in den Bordellen Razzien durchzuführen. Wir brauchen die rechtlichen Möglichkeiten, ein Bordell zu schließen. Wir brauchen die Zufälligkeitsprüfung. Wir brauchen die Verurteilung von Menschenhändlern. Wir müssen diesem verbrecherischen Milieu ein Ende machen. Diese Form der organisierten Kriminalität existiert in Deutschland in einem Ausmaß wie in keinem anderen europäischen Land. Das hat mit Ihnen zu tun, mit dem, was Sie vor elf Jahren gemacht haben. ({16}) Ich möchte, dass wir das Thema aus dem Parteienstreit herausnehmen. Nach dem Wahlkampf schauen wir uns Ihre Regelungsvorschläge an. Auch wir werden genügend Regelungsvorschläge vorlegen. Wir machen jetzt unsere ersten Erfahrungen mit der Anmeldepflicht, mit dem Auflagenbescheid, den man erlassen kann. Das ist der Einstieg, geht in die richtige Richtung und führt weg von der Regelungsfreiheit, vom rechtsfreien Raum, den Sie geschaffen haben: Rot-Grün. ({17}) Jeder Jurist, jeder Mensch, der seine Sinne beisammen hat, weiß: Wenn sich der Staat total zurückzieht, dann erzeugt das einen rechtsfreien Raum. Was passiert dann? Dann gilt das Recht des Stärkeren. Und wer ist in dem kriminellen Milieu „Prostitution“ der Stärkere, wer ist der Schwächere? Muss man diese Frage stellen? Das kann doch jeder beantworten. Der Stärkere ist der Zuhälter, die Schwächere ist die Frau. ({18}) Wir wollen Regelungen des Staates - Sie haben sie abgeschafft - zum Schutz der Frau. Die wollten Sie nicht haben. ({19}) Wir wollen Frauen schützen; mehr wollen wir nicht. ({20}) Ich erwarte Ihren Beitrag, um auf diesem Weg voranzukommen. Wir sind nicht am Ende, sondern am Anfang. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, weg von RotGrün. ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Es folgt eine Kurzintervention des Kollegen Volker Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Uhl hat mich angesprochen, weil ich skandalöserweise mit Bild und Zitat in einem Artikel vorkomme. Ich möchte ein paar Sachen klarstellen. Ich bekenne, dass das Prostitutionsgesetz unvollendet geblieben ist, aber mehr war mit der damaligen Justizministerin nicht zu machen. Wir hätten uns eine positivrechtliche Ausgestaltung des Berufszweiges oder des Gewerbes gewünscht. Dann hätten wir die jetzigen Probleme nicht. Sie lösen sie allerdings auch nicht. Das Prostitutionsgesetz hat zu einer Verbesserung der Situation für die Prostituierten geführt, aber nicht ausreichend. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Sozialversicherungsquote bei Prostituierten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes um 10 Prozent gestiegen ist. ({0}) In Zukunft wird eine Krankenkasse nicht argumentieren können: Du bist Prostituierte, hast dich aber heimlich als Hausfrau oder als Reinigungskraft bei uns angemeldet. Auch für den Status der Prostituierten besteht Rechtssicherheit. Hier haben wir im Sozialversicherungsrecht einen Fortschritt bewirkt, der zu einer höheren Versicherungsrate geführt hat. Zu der Entwicklung der Zahlen der Menschenhandelsopfer. Wir hatten im letzten Jahrzehnt tatsächlich eine Erhöhung zu verzeichnen, aber nicht nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, sondern nach dem Beitritt - das kann man in der polizeilichen Kriminalstatistik gut nachverfolgen - von Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union. Ihre eigene Bundesregierung hat uns auf Nachfrage mitgeteilt: Die Zahl der Menschenhandelsopfer, die Verurteilungszahlen und die Zahl der Verfahren sind in den letzten Jahren - unabhängig von der Frage, dass wir im30802 Volker Beck ({1}) mer eine hohe Dunkelziffer haben, was problematisch ist - in allen Parametern gesunken. Das ist kein Grund zur Entwarnung, aber es ist ein Argument dafür, der Debatte nicht diese Art von Propaganda anzuhängen. Die entscheidende Frage ist doch: Gibt dieser Gesetzentwurf jetzt auf irgendeines der objektiv bestehenden Probleme - die hier niemand abstreitet - tatsächlich eine Antwort? Sie schrauben ein bisschen am Strafrahmen herum. Ansonsten nehmen Sie diese untaugliche Gewerberechtsregelung vor, die nur eine Rechtsposition stärkt, nämlich die der Nachbarn, die auf ihren Grundstücken Nachteile durch Bordelle befürchten. Für den Schutz von Prostituierten machen Sie nichts. Dafür müssten Sie nämlich eine Erlaubnispflicht einführen. Sie müssten den Bordellbetreibern aufgeben, ihr Rechtsverhältnis zu den Prostituierten zu dokumentieren, damit die Gewerbeaufsicht überhaupt nachprüfen und Fakten finden kann, die auf eine Ausbeutung von Prostituierten hindeuten. ({2}) Herr Kauder hat erwähnt, wir würden für Menschenhandelsopfer in Zukunft ein Aufenthaltsrecht schaffen. Es gibt einen Gesetzentwurf von uns, der das vorsieht. Den kann man bei der zweiten und dritten Lesung einfach mit beschließen; dann haben wir das. Davon aber findet sich in Ihrem Gesetzentwurf komischerweise kein einziges Wort. Ich verstehe auch nicht, warum wir die Strafbarkeitslücke für den Fall nicht schließen, dass Freier vorsätzlich und wissentlich die Zwangslage einer Prostituierten ausnutzen, indem sie ihre sexuellen Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Warum bestrafen wir das nicht? ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Uhl, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Beck, zunächst zu dem, was Sie am Schluss gesagt haben. Sie haben gesagt, dass Sie mehr machen wollten, dass die Reform nicht vollendet war und dass Sie dies bedauern. Die SPD-Justizministerin habe dies anscheinend nicht mitmachen wollen. Dazu muss ich Ihnen eines sagen: Wenn Sie, was ich Ihnen glaube, mehr machen wollten, das aber nicht machen konnten, hätten Sie die Entlassung des gesamten Milieus aus dem Recht der Überprüfung nicht mitmachen dürfen. Erstens. Sie durften ein solches Milieu, das so kriminogen ist, nicht in den rechtsfreien Raum entlassen, nur weil Ihr Koalitionspartner bei der entsprechenden Regelung nicht mitmachen wollte. Zweitens. Sie bemängeln etwas, was wir übersehen hätten. Das haben wir nicht. Die Länder können schon jetzt nach geltendem Gewerberecht Rechtsverordnungen erlassen. Das ist in § 38 nachzulesen. Danach sind die Kontrollen möglich, von denen Sie behaupten, dass sie nicht möglich sind. ({0}) Die Länder können dies also auf der Grundlage ihres Rechts machen. Ich komme zu Ihrer Statistik. Jeder Politiker bemüht gerne statistische Zahlen, weil sie eine Scheinobjektivität darstellen. Meine Damen und Herren, diese Statistiken über Menschenhandel - dabei geht es um Erkennen, Ermitteln und Verurteilen - sind - erlauben Sie mir diese saloppe Formulierung - eine „Deppenstatistik“. Ich sage Ihnen auch, warum. Menschenhandel ist ein klassisches Kontrolldelikt. Wenn Sie nicht kontrollieren, können Sie statistisch zu dem Ergebnis kommen: Bei uns gibt es keinen Menschenhandel. Das ist so, als wenn Sie die Kontrolleure, die das Schwarzfahren in der U-Bahn ermitteln, abschaffen würden. Dann würde es keine Schwarzfahrer in der U-Bahn mehr geben. So ist es auch beim Menschenhandel. Wenn Sie ein Gesetz machen, nach dem Bordelle und Prostitutionsstätten nicht mehr überprüft werden dürfen, weil die Polizei keine rechtliche Handhabe mehr hat, dort hineinzugehen und zu kontrollieren, können Sie Menschenhandel natürlich auch nicht feststellen. Das heißt, in der Strichliste gibt es keinen Strich. Das Ergebnis stellt dann auch keine Beurteilung von Menschenhandel dar. ({1}) Wenn Sie das noch mit dem praxisuntauglichen § 232 kombinieren - auf seiner Grundlage kann man den subjektiven Tatbestand kaum nachweisen; wenn man nicht ins Bordell hinein kann, dann schon gleich gar nicht -, ist die Verurteilung von der Aussage des Opfers abhängig. Wenn dann die arme Frau, die vielleicht noch den Mut hatte, bei der Polizei gegen den Peiniger bzw. Menschenhändler auszusagen, diesem im Gerichtssaal gegenübersitzt, wird sie ihre Aussage sofort zurückziehen, weil sie weiß, was ihr droht, wenn sie die aufrechterhält. Das Problem besteht also in der Kombination eines praxisuntauglichen Paragrafen mit der Rechtslage, die Sie geschaffen haben, dass man in den Bordellen keine Razzien mehr durchführen darf. ({2}) Das heißt, man hat keine Erkenntnislage, um einen Menschenhändler zu verurteilen. Das ist die Lage, und deswegen haben sich die Zahlen so entwickelt, wie sie jetzt sind. Wir haben in Deutschland wegen Ihrer Gesetzgebung so viel Menschenhandel wie nie zuvor. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Frank Heinrich für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Frank Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erspare es mir, jetzt all die Zahlen, die man anführen könnte, zu nennen. In den letzten Wochen hat in Deutschland eine Debatte über Menschenhandel in Form von Zwangsprostitution begonnen, möglicherweise ausgelöst dadurch, dass die EU-Richtlinie zum Kampf gegen Menschenhandel nicht fristgemäß umgesetzt wurde. Der Münchener Polizeipräsident wird in dem besagten Spiegel-Artikel zitiert. Er beklagt die „explosionsartige Zunahme des Menschenhandels aus Rumänien und Bulgarien“. Herr Beck, das kann tatsächlich unter anderem an diesen beiden Ländern liegen. Aber er spricht von einer „explosionsartigen Zunahme“. Doch es fehle ihm an Möglichkeiten, zu ermitteln. … „Wir können nichts beweisen.“ Die Gründe dafür hat mein Kollege gerade dargestellt. Die Niederlande, das erste Land, das die Prostitution legalisiert hat, prüft gerade die negativen Folgen dieser Entscheidung. In Frankreich ist es das Gleiche. Die London School of Economics hat Anfang dieses Jahres eine Studie herausgegeben, in der der Frage nachgegangen wurde, ob die legalisierte Prostitution den Menschenhandel fördert. Diese Frage haben Sie, Frau Lazar, anders beantwortet. Die London School of Economics kommt zu einem klaren Ergebnis: Ja, der registrierte Zustrom aufgrund von Menschenhandel ist in den Ländern, in denen die Prostitution legalisiert ist, deutlich höher. Viele Prostituierte arbeiten nicht freiwillig. Die Quote möchte ich jetzt gar nicht nennen. ({0}) Die Frauen werden gehandelt und sexuell ausgebeutet. Das ist Sklaverei. Frau Högl, an der Stelle gebe ich Ihnen vollkommen recht. Die sexuelle Ausbeutung von Frauen als moderne Form der Sklaverei fällt in Deutschland unter anderem aufgrund der Diskussion, wie wir sie jetzt gerade erleben, auf sehr fruchtbaren Boden. Laut Hydra e. V. arbeiten 400 000 Prostituierte in Deutschland. Der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität im LKA Niedersachsen sagt: Neun von zehn Prostituierten werden zur Prostitution gezwungen. ({1}) „Deutschland ist ein Paradies für Menschenhändler“, stand vor einem Monat in der Welt. „Deutschland ist Drehscheibe des Menschenhandels“, stand in der Emma. Das haben wir eben auch von Ihnen gehört. Im Spiegel war in der letzten Woche vom „Bordell Deutschland“ die Rede. 1,2 Millionen - nach moderateren Zahlen sind es 800 000 - nehmen täglich die Dienstleistungen von Prostituierten in Deutschland in Anspruch. Die Gewerkschaft Verdi nannte diese hohe Zahl. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Darüber sind wir uns ja einig; das hat die Debatte eindeutig gezeigt. Als Menschenrechtler bin ich froh darüber, dass wir hier sagen können: Wir haben einen ersten Schritt unternommen. ({2}) In dem Gesetzentwurf steht - das haben wir mehrfach betont -, dass dies ein erster Schritt ist, dem weitere folgen sollen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Menschenhandel. ({3}) Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um Opfer und potenzielle Opfer zu schützen. Nach dem Gesetzentwurf sollen Prostitutionsstätten der gewerberechtlichen Überwachung unterworfen werden. ({4}) Das ist ein erster Schritt. Realpolitisch ist das sehr wichtig. Wir Menschenrechtspolitiker wünschen uns natürlich - das gilt für alle in unserer AG -, dass diesem ersten Schritt weitere folgen werden. Wir gehen vom Ideal aus, suchen nach der idealen Politik. Die Stichworte stehen im Raum - Sie haben sie genannt -, zum Beispiel das Bleiberecht. Wir reden darüber, dass wir beim Aufenthaltsrecht möglicherweise zu Verifizierungen kommen müssen. ({5}) Das hat der Kollege Wolff eindeutig gesagt. Wir müssen Ideen einbringen. Deshalb habe ich es gerne gehört, was Sie zu Bremen gesagt haben. Vielleicht brauchen wir einen nationalen Berichterstatter, vielleicht sollte eines der vier beteiligten Ministerien eine Studie, eine Dunkelfeldanalyse in Auftrag geben. Einige Vorschläge sind schon genannt worden. Die Zahl der Menschen, die in Deutschland auf ein stärkeres Engagement warten, auch von uns im Bundestag, ist gestiegen. Eine der wenigen Resolutionen, die auf dem Kirchentag verabschiedet wurden, befasste sich mit diesem Thema. Vor wenigen Wochen wurde der Verein „Gemeinsam gegen Menschenhandel“ gegründet. Projektträger, Hilfsorganisationen und Netzwerke ver30804 folgen gemeinsam die Ziele: Öffentlichkeit schaffen - Frau Granold, Sie haben sehr oft betont, wie wichtig die Sensibilisierung ist -, Prävention, Opferschutz und möglicherweise gesetzgeberische Folgen. Durch die Medien haben wir jetzt die Möglichkeit, unsere Botschaft zu adressieren. Dabei sehen wir, dass nicht nur auf Staat und Politik gewartet wird. Überall in Deutschland organisieren sich Menschen, um diese Missbrauchsmöglichkeiten einzudämmen. Dabei geht es nicht gegen die Prostitution als solche, sondern gegen die kriminellen Dehnfugen oder Sollbruchstellen, die in diesem Umfeld eine üble Rolle spielen. Als Menschenrechtler hat mich ein Satz aus einer der letzten Reden des Gründers der Heilsarmee - Sie wissen, dass ich dort seit langer Zeit Mitglied bin -, William Booth, geprägt. Das treibt mich immer wieder an. In seiner letzten öffentlichen Rede in der Royal Albert Hall in London sagte er 1912 Folgendes: Solange Frauen weinen, wie sie es jetzt tun - will ich kämpfen; solange Kinder Hunger leiden müssen, wie sie es jetzt tun - will ich kämpfen; solange Menschen ins Gefängnis müssen, rein und raus, rein und raus - will ich kämpfen; solange es Mädchen gibt, die auf der Straße unter die Räder geraten, solange es eine Seele gibt, in der das Licht Gottes noch nicht scheint - will ich kämpfen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/13706 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Altersarmut bekämpfen - Mit der Garantierente - Drucksache 17/13493 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0}) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Strengmann-Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003888, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist das für ein absurdes schwarz-gelbes Theater zur Rente? Da macht die Regierung vier Jahre bei der Rente absolut nichts außer vielen Versprechungen, und dann kommt Angela Merkel und macht die nächsten großen Versprechungen. Jetzt sollen die Mütter daran glauben, dass ihre Rente erhöht wird. Wo ist der Gesetzentwurf dazu? Wer regiert hier eigentlich? Und die Finanzierung? Für Volker Kauder kein Problem. Er sagte im Bericht aus Berlin: Das wird aus dem Zuschuss zur Rentenversicherung finanziert, der sowieso schon gezahlt wird. - Hallo? Was ist denn das für ein Unsinn? Mittlerweile hat es aber auch Volker Kauder kapiert und sagt jetzt: Alles steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Übersetzt: Es wird nicht kommen. Das ist typisch CDU/ CSU bei der Rente: große Klappe, nichts dahinter. ({0}) Die größte Lautsprecherin ist Ursula von der Leyen. Schon im Koalitionsvertrag gab es eine Reihe von Versprechungen zur Rente, aber die Bundesministerin wurde nicht müde, weitere Versprechungen draufzusatteln: Kombirente, bessere Zuverdienstmöglichkeiten, erhöhte Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderung, Rente für Selbstständige und nicht zu vergessen ihr Lieblingsprojekt, die Zuschussrente oder neuerdings die Lebensleistungsrente. Aber kein einziger dieser Vorschläge hat es überhaupt nur in den Bundestag geschafft. Schwarz-Gelb kann es nicht, und Sie wollen auch gar nicht. Dabei ist die Altersarmutswelle schon längst in Sicht. Es wäre dringend notwendig, einen Damm zu bauen, um sie abzuwehren. Was hat die Ursula von der Leyen nicht alles für ein Bohei gemacht? Sie hat einen Regierungsdialog und eine mediale Kampagne über die BildZeitung und andere Medien inszeniert, um ihre Zuschussrente zu vermarkten, ({1}) eine Zuschussrente, die kaum jemandem geholfen hätte und handwerklich so schlecht war, dass die Referentenentwürfe immer wieder nachgebessert werden mussten, wobei sie nicht wirklich verbessert wurden; denn sie sind immer schlechter geworden. ({2}) Mittlerweile ist die Zuschussrente mausetot. Kollege Kolb wird das gleich bestätigen. Es gibt ein neues Schlagwort: Lebensleistungsrente. Ein Konzept dazu gibt es nicht. Von der Leyen hat völlig versagt. Nichts wurde gegen Altersarmut getan. Frau von der Leyen, Sie haben mehrfach gesagt: Ich stehe für die Zuschussrente, und ich werde mich daran messen lassen. - Wenn Sie konsequent wären, müssten Sie zurücktreten. ({3}) Die Alternative zu dieser schwarz-gelben Nullnummer ist die grüne Garantierente. Sie schützt zielgenau und effektiv vor Altersarmut. Sie erreicht die von Altersarmut bedrohten Gruppen, insbesondere die Frauen. Sie ist schnell umsetzbar, und sie ist durch unser Steuerkonzept auch gegenfinanziert. Auch das unterscheidet uns von Schwarz-Gelb: eine solide und gerechte Finanzierung, ohne neue Schulden aufzunehmen. ({4}) Die grüne Garantierente funktioniert nach dem 30-30Prinzip. Jeder und jede, der oder die 30 Jahre in der Rentenversicherung versichert war, erhält garantiert eine Rente von mindestens 30 Entgeltpunkten; dies sind zurzeit etwa 850 Euro. Bei den 30 Versicherungsjahren werden sämtliche rentenrechtlichen Zeiten mitgerechnet, also auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, Bildungszeiten, Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr. Wir haben die Garantierente so ausgestaltet, dass sie auch von denen realistisch erreicht werden kann, die tatsächlich von Altersarmut bedroht sind. Das unterscheidet unser Konzept vom Konzept der CDU/CSU, aber auch von der Solidarrente der SPD, die jeweils 40 Jahre zur Bedingung machen. Wir brauchen aber kein Placebo, sondern einen echten Schutz vor Altersarmut. Wir brauchen die grüne Garantierente. ({5}) Für uns ist außerdem wichtig: Die Garantierente ist eine Versicherungsleistung, eine Rente, und keine zweite Grundsicherung. Die Menschen haben ein Anrecht darauf, weil sie lange rentenversichert waren. Wer lange eingezahlt hat, soll eine Garantierente bekommen, ohne zum Amt gehen zu müssen und ohne umfassende Einkommens- und Vermögensprüfung. Das unterscheidet die grüne Garantierente von allen anderen Konzepten, auch von der Mindestrente der Linken, die ebenfalls bedürftigkeitsgeprüft ist. ({6}) Wir brauchen aber keine zweite Grundsicherung. Wir brauchen eine Garantierente. ({7}) Schließlich: Die grüne Garantierente ist eingebettet in ein Gesamtkonzept. Dazu gehören vor allem präventive Maßnahmen - in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt -, mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, mit gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit, mit höherer Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren. Auch bei der Rente brauchen wir präventive Maßnahmen. Selbstständige brauchen eine bessere Absicherung in der Rentenversicherung, Minijobs müssen wieder rentenversicherungspflichtig werden, ({8}) und für Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher müssen wieder Rentenbeiträge gezahlt werden. Diese präventiven Maßnahmen wirken nur mittel- bis langfristig. Deshalb brauchen wir schnell die grüne Garantierente gegen die Altersarmutswelle, bevor die große Flut kommt. ({9}) Die präventiven Maßnahmen sind unbedingt notwendig, um die Garantierente auch langfristig finanzieren zu können, damit der Damm auch noch in 20 Jahren hält und dann noch besser vor Altersarmut schützt. Noch 108 Tage bis zur Bundestagswahl; dann gehen wir daran, die Rente zukunftsfest zu machen, ({10}) nachhaltig finanziert und armutsfest. Schwarz-Gelb hat fertig. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man merkt in den Bundestagsdebatten in dieser und wahrscheinlich erst recht in der kommenden Woche natürlich: Es geht langsam auf den Wahlkampf zu. Da hat die Opposition vor allen Dingen ein Anliegen, nämlich von zwei wichtigen Tatsachen abzulenken. Die erste Tatsache ist: Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland steht besser da als in den letzten 20 Jahren. ({0}) Wir haben Rücklagen von 29 Milliarden Euro; so viel hatten wir in den letzten 20 Jahren noch nie. Die Rentenzahlungen sind sicher. Sie sind auf jeden Fall sicherer als zum Ende der rot-grünen Koalition 2005. ({1}) 2005 musste die Rente auf Pump, mit zusätzlichen Krediten, ausgezahlt werden. ({2}) Peter Weiß ({3}) Jetzt haben wir Rücklagen von 29 Milliarden Euro. Das ist der Erfolg unserer Rentenpolitik. ({4}) Zweitens. Warum kommen die Oppositionsparteien mit Garantierente, Solidarrente und anderen Ideen? ({5}) Weil die Rentenreform von 2001 - Walter Riester, RotGrün - einen großen Fehler hatte, der damals offensichtlich nicht erkannt oder bewusst verschwiegen wurde, nämlich: Wenn das Rentenniveau sinkt, wird für denjenigen, der ein Leben lang gearbeitet und relativ wenig verdient hat, die Gefahr, im Alter auf staatliche Stütze angewiesen zu sein, von Tag zu Tag größer. ({6}) Die wertvolle Empfehlung lautete - das hat Rot-Grün damals beschlossen -, jeder möge doch bitte auch in eine Betriebsrente einsparen und möglichst auch einen Riester-Sparvertrag abschließen. Das lohnt sich für jemanden mit niedrigem Verdienst im Zweifel gar nicht, auch wenn er sich das Geld vom Mund abspart, ({7}) weil beides auf die Grundsicherung angerechnet wird. ({8}) Das ist der eigentliche Webfehler der Riester’schen Rentenreform, ({9}) der bis zum heutigen Tag vorhanden ist. Jetzt wollen Rot und Grün so tun, als hätten sie damit nie etwas zu tun gehabt. ({10}) In der Rede des Kollegen Strengmann-Kuhn ist die Rentenreform von 2001 mit keinem Wort vorgekommen. Das nennt man „sich aus der Verantwortung stehlen“. ({11}) Jetzt kommen die sagenhafte Vorschläge, wie das Ganze zu reparieren ist. ({12}) - Bitte schön. - Herr Präsident, eine Zwischenfrage.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ja, ja. Wenn Sie so großzügig das Wort erteilen, dann will ich mich nicht einmischen. ({0})

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie die Frage zulassen. Weil Sie gerade gesagt haben, jetzt kämen die großartigen Vorschläge, möchte ich Sie fragen: Was halten Sie denn von der Ankündigung bzw. dem Vorschlag der Kanzlerin und von der Bestätigung durch Herrn Kauder, dass man jetzt gewillt ist, eine Mütterrente einzuführen? Herr Kauder verstieg sich sogar noch zu der Aussage, dass sie aus dem System heraus finanzierbar sei. Nach allem, was wir wissen, würde die Einführung der Mütterrente 13 Milliarden Euro kosten. ({0}) Die Mütterrente scheint ihnen - der Kanzlerin und Herrn Kauder - ein drängendes Thema zu sein, zumindest medial. Wir möchten jetzt gerne wissen, ob wir damit rechnen können, dass Sie hierzu - obwohl Sie auf diesem Gebiet vier Jahre lang nichts getan haben - zeitnah, also noch in dieser Legislaturperiode, einen Gesetzentwurf einbringen.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, das Thema Mütterrente ist uns als Unionsfraktion deswegen so wichtig, ({0}) weil für die Zukunft der Rentenversicherung nicht nur von Bedeutung ist, ob Beiträge gezahlt worden sind, sondern auch, ob Kinder/Enkelkinder da sind, die die künftige Rente finanzieren. ({1}) Deswegen ist die Union schon immer der Auffassung gewesen, dass Kindererziehungszeiten in der Rente eine Rolle spielen sollten. Helmut Kohl und Norbert Blüm haben im Jahr 1986 dafür gesorgt - das war zum allerersten Mal in der Geschichte der deutschen Rentenversicherung -, dass Kindererziehungszeiten bei der Rente berücksichtigt werden. Peter Weiß ({2}) ({3}) Wir wollen die Anrechnung von Kinderziehungszeiten noch einmal deutlich ausweiten. Das kostet Geld; das ist richtig. Ich will aber darauf hinweisen, dass von den jährlich 11 Milliarden Euro, die der Bundesfinanzminister zwecks Anrechnung von Kindererziehungszeiten aus dem Steuersäckel an die Rentenkasse überweist, derzeit gerade einmal 6 Milliarden Euro tatsächlich für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgegeben werden. Sie sehen: Da sind noch finanzielle Spielräume vorhanden. ({4}) Das Zweite. Sie fragen ständig danach - nicht nur in der Rentendebatte, auch in anderen Debatten -, ob von der Koalition nicht jetzt noch, in den letzten drei Sitzungswochen des Parlaments vor der Wahl, Gesetzentwürfe zu erwarten sind. ({5}) Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde diese Frage scheinheilig. Sie haben uns doch schon angekündigt, dass Sie jeden Gesetzentwurf, der die Rente betrifft, in den Vermittlungsausschuss ziehen werden. ({6}) Im Vermittlungsverfahren wollen Sie dann Ihre Vorschläge auf die Tagesordnung setzen. Es ist unehrlich, die Koalition zum Handeln aufzufordern, wenn man gleichzeitig schon den Knüppel in der Hand hat, mit dem man verhindern will, dass in dieser Legislaturperiode noch etwas beschlossen wird. ({7}) Mit Ihrer Verfahrensmehrheit im Vermittlungsausschuss haben Sie uns schon jetzt hängen gelassen, zum Beispiel bei der Gebäudesanierung, bei der Entlastung der kleinen Einkommen, beim Abbau der kalten Progression. Die Folge ist, dass die Bürgerinnen und Bürger finanziell verhungern. Das ist unverantwortlich. ({8}) Jetzt möchte ich zu dem großartigen Vorschlag der Grünen kommen, eine Garantierente einzuführen. Hilft diese Garantierente wirklich? Wer 30 Jahre lang in die Rente eingezahlt hat, soll unabhängig davon, was er wirklich eingezahlt hat, 30 Entgeltpunkte gutgeschrieben bekommen; nach derzeitigem Rentenrecht macht das etwa 844 Euro. Schon an der Zahl sieht man: Da wurde in Wahrheit bei Frau von der Leyen und ihren 850 Euro geklaut. ({9}) Das Zweite ist: Ein Riester-Vertrag oder eine Betriebsrente, die man angespart hat, soll auf die Garantierente angerechnet werden; nur 20 Prozent soll man behalten dürfen. Ist jemand dagegen Einkommensmillionär - vielleicht weil er das Geld mit etwas ganz anderem als mit dem, was man in die Rente einzahlt, verdient hat -, dann wird es nicht angerechnet. Das soll mir jetzt mal einer klarmachen: Beim Einkommensmillionär sollen die Rentenpunkte aufgestockt werden, beim Niedrigverdiener, der sich die Beiträge für eine Riester-Rente oder für eine Betriebsrente vom Mund abgespart hat, soll dies aber bei der Garantierente angerechnet werden? Entschuldigung, das ist doch ein System, das dazu führt, dass die Leute ihr Geld lieber verstecken, als es in die Rente einzuzahlen, und es erst recht nicht in einen Riester-Sparvertrag oder in eine Betriebsrente einzahlen wollen. Das ist Ihr Modell. ({10}) Das ist nicht durchdacht, es ist grundfalsch. Wir müssen doch den belohnen, der etwas auf die Seite gelegt hat. Deswegen ist der Ansatz der Union schon immer der gewesen: Wenn wir Niedrigverdienern die Rente aufstocken, dann doch bitte so, dass man das, was man im Arbeitsleben zusätzlich angespart hat - zum Beispiel in Form einer Betriebsrente oder eines Riester-Vertrages -, zu 100 Prozent behalten darf. Dies darf nicht auf eine Rente angerechnet werden. ({11}) Also: Das Modell muss genau umgekehrt aussehen, Herr Strengmann-Kuhn: ({12}) Belohnung für diejenigen, die bei der Betriebsrente und beim Riester-Vertrag etwas ansparen, und nicht Belohnung für denjenigen, der sein Geld irgendwo anders gebunkert hat, weil es dann bei der Berechnung der Garantierente offensichtlich überhaupt keine Rolle spielt. ({13}) Wir brauchen kein System der Belohnung von Einkommensmillionären. Wir brauchen ein System der Be30808 Peter Weiß ({14}) lohnung der kleinen Sparerinnen und Sparer in unserem Land. ({15}) - Herr Kollege Strengmann-Kuhn, deswegen will ich Ihnen noch einmal sagen, wie unser Modell aussieht. Das wollen wir auch präzise in unser Wahlprogramm hineinschreiben. ({16}) Wir wollen, dass derjenige, der ein Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat, ({17}) nach Möglichkeit nicht zum Staat gehen und um staatliche Unterstützung bitten muss, sondern von seiner Rente leben kann. ({18}) Das geht nur mit Aufstockung der Rentensprüche. Gleichzeitig wollen wir, dass derjenige, der noch anderes Einkommen hat - zum Beispiel, weil er mit einem sehr vermögenden Ehepartner verheiratet ist -, diese Aufstockung nicht beantragen kann. Wenn ein Ehepaar schon reichlich Einkommen im Alter hat, müssen wir nach meiner Auffassung nicht noch eine Rente aufstocken und zusätzliches Geld obendrauflegen. Wer genug hat, muss nicht auch noch weiteres Geld aus der Steuerkasse oder aus der Rentenkasse bekommen. Derjenige, der zum Leben tatsächlich auf diese kleine Rente angewiesen ist und sich die Mühe gemacht hat, trotz allem noch die 5 Euro Mindestbeitrag monatlich für einen Riester-Sparvertrag auf die Seite zu legen, ({19}) oder seine vermögenswirksamen Leistungen in eine betriebliche Altersversorgung eingebracht hat, sollte aber dieses Geld, das er dort angespart hat, zu 100 Prozent zur Absicherung seines Alterseinkommens verwenden können und nicht auf die Rente anrechnen lassen müssen - so wollen es nämlich die Grünen, bis auf die 20 Prozent, die sie ihm freundlicherweise lassen wollen. So sieht unser System aus. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie beantragen. Ihre Garantierente ist in Wahrheit keine Garantierente. Sie ist eine Regelung, die die Kleinsparer, die, die sich angestrengt haben, eher bestraft. Wir wollen eine Methodik im Rentensystem, die die kleinen Leute, die mit Mühe Geld fürs Alter auf die Seite gelegt haben, belohnt und sie ermuntert, auch zusätzlich für das Alter vorzusorgen; denn zusätzliche Altersvorsorge muss sich für jeden in unserem Land lohnen. Vielen Dank. ({20})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Anton Schaaf für die SPD-Fraktion. ({0})

Anton Schaaf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003623, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Peter Weiß, wer sich vier Jahre lang verweigert hat, Rentenpolitik in diesem Land zu machen, kann der Opposition mit Sicherheit keine Vorwürfe machen, wenn sie sich Gedanken macht. ({0}) Peter Weiß, ich mache noch einmal das, was ich eben schon in der Aktuellen Stunde getan habe. Ich habe mir noch einmal angeschaut, welche Versprechen ihr in eurem Koalitionsvertrag den Menschen gemacht habt. Das war euer Arbeitsplan. Darin stand, dass ihr etwas zur Armutsvermeidung im Alter tut. ({1}) Ergebnis nach vier Jahren: nichts. Die Ministerin ist mit allen ihren Plänen kläglich gescheitert, und zwar an Ihnen. Nicht am Bundesrat und nicht an der Opposition, sondern an Ihnen ist die Ministerin bei der Armutsvermeidung kläglich gescheitert. ({2}) Sich jetzt hier hinzustellen und zu behaupten, man habe einen Plan, ist nichts anderes als organisierter Wahlbetrug; denn das hatten Sie schon einmal versprochen. Jetzt tragen Sie es wieder als Versprechen für die nächste Legislaturperiode vor. Armutsvermeidung wird mit Ihnen nicht funktionieren. Zweiter Punkt. Sie haben den Menschen im Koalitionsvertrag versprochen, dass Sie die Zeiten der Erziehung besser bewerten wollen. Bis hierhin, bis zum heutigen Tag: null, nichts. Jetzt gibt es wieder die Ankündigung der Kanzlerin, dass man mal etwas bei der Mütterrente machen werde - natürlich erst in der nächsten Legislatur. Sie hatten es aber für diese Legislatur versprochen. An dieser Stelle haben Sie nichts, aber auch gar nichts zuwege gebracht. ({3}) Den dritten Punkt erspare ich Ihnen auch nicht. Sie haben die Menschen im Osten in Ihrem Wahlkampf und mit Ihrem Koalitionsvertrag komplett hinter die Fichte geführt. Obwohl Sie eine rentenrechtliche Angleichung Ost-West versprochen hatten, haben Sie nichts dazu gemacht, meine Damen und Herren - überhaupt nichts. ({4}) Wenn Sie sich hierhinstellen und die Oppositionsfraktionen dafür kritisieren, dass sie sich Gedanken darüber machen, wie man mit diesem Thema umgeht, ist das wirklich nicht in Ordnung. Es ist auch nicht fair, was Sie da veranstalten. Sie haben keine Mehrheiten, um Rentenpolitik zu machen. Um das einmal klar zu sagen: Sie sind renten- und sozialpolitisch eine Nichtregierungsorganisation. ({5}) Ich kann mich auch gerne mit den Forderungen der Grünen auseinandersetzen. Aber, Wolfgang StrengmannKuhn, an der Stelle muss man dann auch noch einmal ein Stück weit Bilanz der rentenpolitischen Leistung dieser Koalition und dieser Regierung ziehen. Zur Garantierente sage ich Folgendes: Ja, wir als Sozialdemokraten hätten da definitiv Diskussionsbedarf. Allerdings sind die Hürden für eine Einigung aus meiner Sicht nicht so hoch, dass wir das nach dem 22. September nicht vernünftig regeln könnten. Ich will einige Punkte nennen. Ich finde, dass es zumindest an einigen Stellen eine unzulässige Vermischung zwischen Versicherungsleistung auf der einen Seite und Fürsorgeleistung auf der anderen Seite gibt. Das muss man ordentlich auseinanderhalten. Das war der erste inhaltliche Punkt. Der Punkt, der mich am meisten umtreibt, ist: Wenn man Freibeträge einräumt, wie ihr es vorgesehen habt - beispielsweise 20 Prozent bei der Riester-Rente oder bei der betrieblichen Altersvorsorge -, dann ist das eine einseitige Priorisierung. Ich würde immer auch die eigenen Beiträge für die Rentenversicherung steuerlich freistellen oder zumindest gleich behandeln; denn ansonsten liegt eine besondere Priorität auf diesen privaten Altersvorsorgeformen. Damit ist man relativ nahe bei den „Lebensleistungsdingen“ von der Frau von der Leyen, was ja Gott sei Dank vor die Wand gefahren ist, weil die FDP an der Stelle ordnungspolitisch ordentlich agiert hat. Das muss man im Hinterkopf haben. ({6}) - Nicht rentenpolitisch inhaltlich, sondern ordnungspolitisch, meine Herren. Das wollte ich noch ausdrücklich erwähnt haben. Von daher muss man an der Stelle sehr genau hinschauen. Meine Damen und Herren, das ist heute hier meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Einige werden sich darüber freuen, andere vielleicht nicht. Man weiß es nicht so genau. ({7}) Deswegen möchte ich mich bei einigen Menschen bedanken. Bedanken möchte ich mich vor allen Dingen bei den rentenpolitischen Berichterstattern der Fraktionen. Ihr habt mich mit eurer unglaublichen Kompetenz immer außerordentlich gefordert. Ich habe viel lernen müssen, dürfen und können durch die Zusammenarbeit mit euch: Matthias Birkwald, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Heinrich Kolb, Peter Weiß. Es war mir immer eine Freude. Es war immer kollegial, zuweilen auch sehr freundschaftlich. Dafür bin ich sehr dankbar. ({8}) Es gibt ein paar Menschen, die ich darüber hinaus noch ganz persönlich erwähnen will: Karl Schiewerling, du bist in deiner Jugend wahrscheinlich irgendwie in schlechte Kreise geraten. ({9}) Du hättest nämlich auch ein guter Sozialdemokrat werden können. Manchmal spielt das Leben eben so. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit, die wir hier miteinander hatten! Ich danke den Kolleginnen und Kollegen, die mit mir Abgeordnete aus Essen und Mülheim sind. Stellvertretend danke ich Ulrike Flach, die wie ich aus Mülheim kommt, aus unserer gemeinsamen Heimatstadt. Ulrike, ich will meine Wertschätzung für dich einmal wie folgt formulieren: Wenn wir schon in der unglaublich leidigen Situation sind, dass jemand aus der FDP Parlamentarische Staatssekretärin werden muss, weil die Mehrheitsverhältnisse so sind, dann du, Ulrike Flach. ({10}) Es gibt ein geflügeltes Wort, dass Politik bzw. das politische Agieren keine Freundschaften erlaubt. Ich habe in diesen Jahren hier völlig andere Erfahrungen gemacht. Ich will das an zwei Namen festmachen. Ich habe hier in diesem Parlament, in der parlamentarischen Arbeit, ja, in meiner eigenen Fraktion wirklich Freunde fürs Leben gefunden. Zwei davon will ich stellvertretend nennen. Das ist zum einen jemand, der nicht mehr Mitglied des Bundestages ist, was ich außerordentlich bedaure, nämlich mein Freund Klaas Hübner. Ich finde, er gehört in diese Reihe, und ich finde, er müsste hier sein. ({11}) Zum anderen ist das Sonja Steffen. Sie ist noch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Ich hoffe sehr, dass sie auch Mitglied des nächsten Deutschen Bundestages sein wird. Beide sind Menschen, die ich sehr tief in meinem Herzen mitnehmen werde. Meine Fraktion hat das eine oder andere mit mir ertragen, mich aber Gott sei Dank meistens getragen. Ich denke, wenn wir ehrlich sind, geht es uns meistens so: Abgeordnete sind nur so gut wie ihre Büros, ihre Mitarbeiter. Zum Schluss bedanke ich mich vor allen Dingen bei all denjenigen, die für mich gearbeitet haben, insbesondere bei zweien, die elf Jahre lang an meiner Seite waren: Das sind Annette Reinhardt und Andrea Franz. ({12}) Nach mir wird für unsere Fraktion noch Silvia Schmidt sprechen. Auch sie hält heute ihre letzte Rede hier im Deutschen Bundestag. Silvia, ich wünsche dir alles, alles erdenklich Gute. Meine Damen und Herren, vielen Dank. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Trotz einer gewissen Rührung geht jetzt die Debatte weiter. Der Kollege Kolb von der FDP hat das Wort.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, dass ich jetzt nicht imstande bin, mich über die Garantierente der Grünen auszulassen. Vielmehr will ich meine vier Minuten Redezeit dir, lieber Toni Schaaf, widmen. Es hat sich immer gelohnt, dir zuzuhören. Das hat man auch heute gemerkt. Wenn du ans Rednerpult trittst, dann ziehst du die Aufmerksamkeit auf dich, weil alle wissen, dass du uns, egal woher wir kommen und welchen Hintergrund wir haben, mit deiner authentischen Art etwas zu sagen hast. Ich habe mir deinen Werdegang im Bundestagshandbuch noch einmal angeguckt und kann wirklich nur sagen: Chapeau! Respekt! Du hast eine tolle Lebensleistung vollbracht und - da bin ich mir sicher - auch noch das eine oder andere vor dir. Wir haben uns neulich in Mannheim getroffen. Dort warst du in Motorradkluft. ({0}) Ich weiß, dass du Hobbys hast, die dich ausfüllen werden. Ein Mensch so aktiv wie du wird sich aber nicht voll und ganz zurückziehen. Das weiß ich, und das hoffe ich. Wie auch immer: Du wirst für uns auch aus der Ferne Ratgeber bleiben. Du bist ein respektabler und von allen Fraktionen geschätzter Kollege gewesen; das habe ich schon gesagt. Ich war heilfroh, dass ich dich in der Arbeitsgruppe wusste, als die SPD ihr Rentenkonzept entwickelt hat, einen, der die Dinge am Ende zusammenführt und in der Lage ist, überschießende Ambitionen zu dämpfen, der auch weiß, dass das alles am Ende etwas kostet und die Menschen, die hart arbeiten, das mit ihren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bezahlen müssen. Diese Erdung und diese Bodenständigkeit zeichnen dich aus. Das habe ich immer sehr geschätzt. Du hast uns die Meinung gesagt, auch heute. Heute warst du zurückhaltend; da wäre mehr gegangen. Wer den Toni kennt, der weiß: Das war mit angezogener Handbremse vorgetragen. ({1}) Du hast uns immer deine Meinung gesagt, oft zu Recht, auch heute. Mehr will ich dazu nicht sagen. Wir wissen gemeinsam, wie das zu verstehen ist. Es wäre noch das eine oder andere zu sagen; aber am Ende ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Dankeschön. Toni, du warst ein guter Kollege, und wir werden dich vermissen. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich merke, es wird allmählich eine Feierstunde. ({0}) Jetzt hat der Kollege Birkwald das Wort. Mal sehen, wie er das meistert. ({1})

Matthias W. Birkwald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004012, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht enttäuschen, Herr Präsident. Es ist der seltene Fall eingetreten, dass ich einer Rede des Herrn Kollegen Kolb fast komplett zustimmen kann. Dafür herzlichen Dank, lieber Kollege Kolb. ({0}) Dir, lieber Toni, sage ich herzlichen Dank für deine Arbeit hier. Unsere Wertschätzung dir gegenüber ist schon angesprochen worden. Ich kann mich dem nur anschließen. Du wirst uns hier fehlen. Danke für die Zeit mit dir. ({1}) Jetzt geht es aber wieder um die Sache. Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt: Das Risiko, in der Altersarmut zu landen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Altersarmut ist schon heute ein Problem. Im Antrag der Grünen heißt es mit Blick auf die Zukunft: Ohne Gegenmaßnahmen werden die Altersarmut … in den nächsten Jahren gravierend zunehmen. Traurig, aber wahr. Schwarz-Gelb ist bei diesem Thema ein kompletter Totalausfall. Von der Bundesregierung kommt zur Bekämpfung der Altersarmut seit fast vier Jahren kein Gesetzentwurf, kein Antrag - rein gar nichts. Bald gibt es ja Schulzeugnisse. Im Fach „Bekämpfung der Altersarmut“, Herr Staatssekretär, bekommt SchwarzGelb nur ein Armutszeugnis. Setzen! Sechs! ({2}) Die Grünen haben nun einen Antrag zur Bekämpfung der Altersarmut vorgelegt. Darin steht viel Richtiges, zum Beispiel zu den Verwerfungen am Arbeitsmarkt und dass das Auseinanderdriften in viele Arme und wenige Reiche verhindert werden muss. Dafür kämpfen wir Linken schon lange. ({3}) Meine Damen und Herren, die Renten sinken. Jeder Rentnerjahrgang, der neu in Rente geht, hat im Durchschnitt weniger Rente als der Jahrgang zuvor. Warum? Unter anderem deshalb, weil SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit das Rentenniveau abgesenkt haben. Eine Rente von ehedem 1 000 Euro wird im Jahr 2030 eben nur noch 800 Euro wert sein. Das ist eine wesentliche Ursache für die Altersarmut von heute und morgen. Die Grünen wollen das Rentenniveau weiter absenken. Das hat die Kollegin Brigitte Pothmer vergangenen Oktober in der Neuen Osnabrücker Zeitung offen zugegeben, und niemand hat ihr widersprochen. Ich sage Ihnen: Wer das Rentenniveau weiter absenkt, ist für mehr Altersarmut verantwortlich und nicht für weniger. Das ist nicht in Ordnung. ({4}) Wir Linken wollen das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben, also so, wie es im Jahr 2000 war, bevor SPD und Grüne die Renten in den Sinkflug getrieben haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rente erst ab 67 wird für die ganz große Mehrheit der Beschäftigten nichts weiter als eine gigantische Rentenkürzung werden. Fast alle Fliesenleger und Erzieherinnen können nicht bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten. Keine 10 Prozent der 64-Jährigen haben noch einen Vollzeitjob. Schon heute geht jeder Zweite mit Kürzungen in Rente, im Schnitt mit 109 Euro weniger. Mit der Rente erst ab 67 wird sich die Höhe der Rentenkürzungen langfristig fast verdoppeln. Damit ist klar: Die Rente erst ab 67 ist eine weitere Ursache für Altersarmut. Was machen die Grünen? Sie halten an der Rente erst ab 67 fest. Das ist die Wahrheit; aber das geht nicht. ({5}) Sinkendes Rentenniveau und Rente erst ab 67, das ist eine ganz gefährliche Kombination. Für viele normal oder schlecht verdienende jüngere Beschäftigte, die nach 1964 geboren sind, bedeutet das schlicht: Sie müssen im Alter in Armut leben. Das will die Linke mit aller Kraft verhindern. ({6}) Altersarmut bekämpfen - mit der grünen Garantierente klappt das nicht. Sie ist eine Mogelpackung. Warum? Zwei Drittel der armen Alten sind Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich. ({7}) Um die grüne Garantierente zu erhalten, muss jemand aber mindestens 30 Versicherungsjahre vorweisen können. ({8}) Diese Bedingung soll ab sofort gelten. Das heißt: Jede zweite westdeutsche Rentnerin würde leer ausgehen; ({9}) denn mehr als die Hälfte der Westrentnerinnen erreichen die geforderten 30 Versicherungsjahre derzeit nicht. ({10}) Eine Garantierente, die sie nicht bekommen, nützt ihnen nichts. Sie nützt ihnen auch deshalb nichts, weil sie nur für Neurentnerinnen und Neurentner gedacht ist. Menschen, die schon heute unter Altersarmut leiden, lassen die Grünen im Regen stehen. Das ist für uns Linke vollkommen inakzeptabel. ({11}) Nun zur Höhe Ihrer Garantierente. 30 Entgeltpunkten soll sie entsprechen. Das sind ab dem 1. Juli 844,20 Euro für eine Alleinstehende, brutto. Netto sind das dann noch 757 Euro. Das liegt gerade einmal 50 Euro über dem Bruttobedarf der Grundsicherung im Alter. 50 Euro sind viel Geld. Altersarmut verhindern sie nicht. Wegen des sinkenden Rentenniveaus werden die 30 Entgeltpunkte jedes Jahr weniger wert. Die grüne Garantierente ist demnach eine Armutsgarantie. Deswegen: Sorry, Ihr Konzept ist halbherzig. ({12}) Die Linke fordert gute Arbeit statt Leiharbeit und andere prekäre Jobs, 10 Euro gesetzlichen Mindestlohn und gute Renten deutlich über der Armutsrisikogrenze für alle, die jahrzehntelang eingezahlt haben. Als Schutz vor Altersarmut fordert die Linke eine solidarische Mindestrente von zunächst 900 Euro und dann 1 050 Euro - netto, steuerfinanziert und einkommens- und vermögensgeprüft - für alle Menschen, die sie brauchen, damit niemand im Alter in Armut leben muss. Herzlichen Dank. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Frank Heinrich für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Frank Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute ein von den Grünen bekanntes Rentenkonzept; es steht erneut auf der Tagesordnung. Es ist insofern bekannt, als wir in dieser Legislaturperiode das fünfte Mal darüber reden, immer in anderen Zusammenhängen. Bisher hat dieses Konzept keine Mehrheiten gefunden. Ich denke, es wurde immer begründet abgelehnt. Warum sollte es diesmal anders sein - nicht nur von unserer Seite -, was ist daran neu? Sie haben als Antwort auf Ihre Große Anfrage zur Altersarmut eine ausführliche Stellungnahme seitens der Bundesregierung bekommen. Die Antwort liegt seit zwei Jahren vor. Darin ist begründet, warum Ihr Vorschlag für uns nicht akzeptabel ist. Zur Erinnerung: Die gesetzliche Rentenversicherung ist beitragsbezogen - das ist einer der Punkte -; allgemeine Mindestrenten gibt es nicht - das ist auch so gewollt -, mit zwei Einschränkungen, die Sie wohl kennen: bei besonders niedrigen Pflichtbeiträgen vor 1992 und bei den Kinderberücksichtigungszeiten ab 1992. Es gibt keinen Bedarf für eine Mindestrente - so denken wir zumindest -, da wir seit 2003 eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben. Wir haben da eine vollkommen andere Herangehensweise und sehen auch keinen Änderungsbedarf. Ich zitiere aus der erwähnten Antwort der Bundesregierung: Mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist - damals die Entscheidung gefallen, die Trennung der versicherungsmäßig ausgestalteten Alterssicherung, insbesondere in Form der gesetzlichen Rentenversicherung, und des als Ergänzung erforderlichen sozialhilferechtlichen Auffangnetzes beizubehalten. Das war eine lange erwogene strategische Entscheidung. Sie sprachen auch die Finanzierung an. Alle Versicherungszeiten sollen als Voraussetzung für den Erhalt der Garantierente anerkannt werden, auch beitragsfreie Zeiten. Das widerspricht unserer Vorstellung, dass Nichtleistung gerade nicht mit Leistung gleichgesetzt werden darf. Als flankierende Maßnahme - mein Kollege Weiß ist darauf eingegangen - 80 Prozent der privaten Altersvorsorge anzurechnen, ist für uns nicht hinnehmbar. Jetzt komme ich auf einen Punkt zu sprechen, den mein Kollege schon genannt hat: Die Garantierente erneut auf die Tagesordnung zu setzen, hat schon etwas von Wahlkampf. Wir müssen uns noch einmal mit den Themen, die Ihnen wichtig sind, beschäftigen, obwohl wir da eigentlich so weit aufgeräumt haben, wie wir es für richtig hielten. Im Gegenteil: Die Arbeitsmarktpolitik der Koalition ist erfolgreich - das ist breit anerkannt -, die Arbeitslosenquote so niedrig wie lange nicht. Damit ist die Zahl der Einzahler ins Rentenversicherungssystem sehr hoch. Mein Kollege hat die Zahlen genannt; sie verdeutlichen die Steigerung. Im Gegensatz dazu haben Sie die Zahlen in den Zeiten, in denen Sie an der Regierung waren, heruntergefahren. Wir glauben, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist der beste Schutz vor Altersarmut. Drei Punkte in Ihrem Antrag sind schon ein bisschen polemisch. Sie haben uns vorgerechnet, dass die Streichung der Rentenbeiträge für ALG-II-Beziehende zur Verschärfung der absehbar ansteigenden Altersarmut führten. Wenn Sie das durchrechnen, werden Sie sehen, dass die Altersarmut nicht wegen dieser Kleinstbeträge entsteht. Der zweite Punkt ist, dass Sie sagen, wir würden die sogenannte Mütterrente mit dem „Notgroschen“ bezahlen. Das sind 13 Milliarden Euro. Das „Notgroschen“ zu nennen, ist schon ein bisschen herausfordernd. ({0}) Dann zu sagen, dass sich der eigene Rentenbeitrag wieder lohnen muss, was sich nicht mit der Forderung nach einer Garantierente, durch die explizit auch Nichtbeitragszahler gefördert werden, deckt, das ist mir nicht verständlich.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Frank Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte nicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

- des gefeierten Anton Schaaf?

Frank Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das lasse ich natürlich zu. Bitte schön.

Anton Schaaf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003623, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das habe ich jetzt gnadenlos ausgenutzt, das ist schon klar. - Jetzt zur Mütterrente. Es gibt ja zwei Argumentationsstränge. Der erste ist die Gleichbehandlung derer, die Erziehungszeiten nach 1992 angerechnet bekommen, und derer, die sie vor 1992 angerechnet bekommen. Jetzt sagen Sie mir einmal, wie man, wenn man nicht 13,2 Milliarden Euro einsetzt, sondern - so wie Sie in Ihren Überlegungen - nur 6 Milliarden Euro, die Gleichstellung erreicht. Das schafft man so nicht. Das ist der erste Punkt. Der zweite Argumentationsstrang ist die Armutsvermeidung. Selbst wenn wir drei Entgeltpunkte annehmen, reden wir über um die 80 Euro. Was ist daran armutsvermeidend bei jemandem, der beispielsweise 500 Euro Rentenanspruch hat? Die Argumentation ist ja völliger Quatsch.

Frank Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004054, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte an dieser Stelle gar nicht auf die Mütterrente eingehen. Ich wollte damit nur die Argumentation ad absurdum führen. Wenn man die 13 Milliarden Euro, die im Raum stehen, Notgroschen nennt, dann ist das schon frappierend. Das kostet uns ja etwas; wir tätigen diese Aussage nicht leichtfertig. Da ist es schon merkwürdig, wenn gedacht wird, wir bezahlten das aus der Portokasse. ({0}) Ich selber habe eine dezidierte Meinung zu diesem Thema; diese ist jetzt aber nicht relevant. Das Thema Mütterrente ist jedenfalls diskussionswürdig. Ich bin begeistert über die Diskussionen darüber in meinem Umfeld. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieser Diskussionsprozess fortgesetzt wird. Ich will noch etwas zu dir sagen, lieber Anton. Die Anekdote, die ich anderen immer wieder gerne erzähle, wenn es um die Kollegialität geht, die ich als Anfänger hier in diesem Parlament erfahre, betrifft deine Person. Wir trafen uns bei „Ossi“. Ich hatte die jüngste meiner drei hübschen Töchter dabei. In dem Moment, als wir uns begegneten, lieber Anton, hast du zuerst mich, dann meine Tochter angeschaut und hast schließlich zu mir gesagt: Mensch, du kannst ja auch schön! - Du wirst mir - vielleicht auch den anderen, die nun von dieser Begegnung wissen - immer als guter Kollege in Erinnerung bleiben. Wir sind in diesem Parlament nicht immer gegeneinander. Ganz herzlichen Dank für deine Kollegialität! ({1}) Ich wollte einfach auf die polemische Begründung des Antrags eingehen. Mir ist wichtig, darzulegen, dass es ein Widerspruch ist, wenn man auf der einen Seite sagt: „Das Zahlen von Rentenbeiträgen muss sich wieder lohnen“, und auf der anderen Seite die Garantierente - auch für Nichtbeitragszahler - explizit fördert. Wir finden, dass die Garantierente nicht gerecht ist. Wer bewusst Teilzeit statt Vollzeit arbeitet oder viele beitragsfreie Zeiten aufzuweisen hat, wird gegenüber dem Durchschnittsverdiener mit höherer Beitragsleistung - gemäß diesem Modell: zu Recht - subventioniert. Das kommt für uns nicht infrage. Das Äquivalenzprinzip sowie die lohn- und beitragsorientierte Rente werden so ausgehebelt. Neue Ungerechtigkeiten wären die Folge, die in der Bevölkerung sicherlich nicht ohne Widerhall bleiben würden, wie ich finde: absolut zu Recht. Ich vermute, Sie verstehen, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden. Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Silvia Schmidt für die SPD-Fraktion. ({0})

Silvia Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Auch ich trete heute das letzte Mal an das Rednerpult. 16 Jahre Behindertenpolitik im Ausschuss für Arbeit und Soziales zu betreiben, war nicht immer leicht. Gerade jetzt kommen unglaublich viele Herausforderungen auf uns zu. Diese hätte ich gerne noch gemeistert, aber leider Gottes bin ich jetzt selbst behindert. Ich habe nicht die Möglichkeit, mir einen politischen Assistenten an meine Seite zu nehmen und meine Arbeit fortzusetzen. Das ist nun einmal so in der Politik; Sie kennen das sicherlich. Ausführlich danken werde ich zum Schluss. Ich möchte einiges zur Rentenpolitik und insbesondere zu Ihrem Antrag sagen. Generell haben Sie viele Punkte in Ihrem Antrag aufgenommen. Tendenziell wollen wir alle, dass Menschen im Alter auskömmlich leben können. Herr Heinrich, ich habe mich gewundert - ich weiß nicht, ob das jeder angesichts der vielen Formeln, um die es in der Rentenpolitik geht, mitbekommen hat -, dass Sie die Ostrenten einfach vergessen haben. Auch der Antrag macht mir in dieser Hinsicht schwer zu schaffen; denn hier wird allgemein dargelegt, was Altersarmut verursacht. Eine Ursache für Altersarmut ist, dass Menschen nicht so viel in die Rentenkasse einzahlen konnten. Das trifft vor allen Dingen auf Ostdeutschland zu. Hier gibt es überproportional viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Davon sind, wie Sie zu Recht erwähnen, Frauen besonders betroffen. Zum einen verdienen Frauen generell weniger. Hier gibt es noch viel zu tun. Zum anderen erhalten Frauen im Osten - insofern sind sie doppelt betroffen - nicht den Tariflohn, der ihnen eigentlich zusteht, weil es noch keine Angleichung gibt. Wir haben einiges gemacht. Wenn Sie gestatten, möchte ich auf einige Anträge meiner Fraktion eingehen. Schließlich diskutieren wir heute im Plenum aller Voraussicht nach das letzte Mal über das wichtige Thema Renten. Ich hoffe, dass ich klarmachen konnte, dass mir Ostdeutschland besonders wichtig ist. Ich glaube, viele Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen sehen das genauso wie ich. Wir haben einen Antrag auf Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Rentenüberleitungsgesetzes bzw. einer Härtefondsregelung eingebracht; Sie haben diesen leider bereits abgelehnt. Das ist ein ganz wesentliches Thema. Die unterschiedlichsten Berufsgruppen sprechen uns immer wieder darauf an. Die Frauen und Männer werden immer älter, sie kämpfen; das muss man einfach wissen, und dem sollte man Rechnung tragen. Der andere Punkt betrifft die sofortige Ost-West-Angleichung von pauschal bewerteten Versicherungszeiten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Sie möchten die sogenannte Mütterrente haben, aber selbst wir haben das bei den Kindererziehungszeiten in unserem Antrag schon festgeschrieben. Sie hätten also etwas tun können und etwas tun müssen. ({0}) Wir haben natürlich ein Regierungsprogramm - lassen Sie mich diese Anmerkung noch machen -, und unser Antrag wird noch in diesem Hohen Haus behandelt werden. Wir wollen eine generelle Rentenangleichung von Ost und West haben. Das soll, natürlich stufenweise, bis zum Jahr 2020 geschehen. Das ist ganz wichtig. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch über eine Solidarrente. Das ist ein wesentlicher Punkt. Als Letztes möchte ich doch noch die Gelegenheit nutzen, einigen Kolleginnen und Kollegen zu danken. Es sind nicht allzu viele hier, mit denen ich immer zusammenarbeite. Behindertenpolitik ist vielleicht nicht unbedingt das Lieblingsthema von allen. Maria Michalk ist eine Seele von Mensch in der CDU/CSU, sie bringt sich sehr engagiert in die Politik ein. Ich möchte auch Frau Molitor erwähnen, die sich frisch mit der Materie beschäftigt. Grüßen Sie sie ganz herzlich von mir. Sie soll weitermachen, und ich hoffe, dass sie weitermacht. ({1}) Silvia Schmidt ({2}) Der liebe Markus Kurth hat dieses Thema über Jahre hinweg besetzt. Er ist einer der Experten hier im Deutschen Bundestag. Das muss ich ihm einfach lassen. Markus, bleib dabei, und überzeuge vor allen Dingen noch viele, die Bundesinitiative „Daheim statt Heim“ zu unterstützen. ({3}) Das wäre eine ganz wichtige Forderung, die ich noch hätte. Ilja Seifert ist nicht da. Er ist genauso Experte in eigener Sache wie ich. Ich bedaure, dass Ilja vielleicht nicht mehr in den nächsten Deutschen Bundestag einzieht. Auch er hat viel zur Behindertenpolitik beigetragen. Ich glaube, dass wir über die Fraktionsgrenzen hinweg ein gleiches Bild haben. Wir konnten uns nie so böse streiten, wie das andere hier getan haben. Das zeigt, dass wir alle hier Verantwortung für Menschen übernehmen, die unsere Unterstützung brauchen. Ich bitte Sie: Reden Sie im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung nie von Schwachen; denn diese Menschen machen uns stark und lassen uns selber wachsen. ({4}) Lassen Sie mich noch ganz kurz ein Dankeschön loswerden. Ich danke meiner Familie - oben auf der Tribüne sitzen meine Tochter und meine Enkelkinder -, und ich hoffe, dass ich auch einmal Zeit für sie haben werde. Meine Tochter hat mich ebenso unterstützt wie meine Mutter und mein Sohn Peter. Es ist manchmal so: Man freut sich; das geschieht nicht so oft. Das wissen auch Sie selber. Deswegen bitte ich Sie: Denken Sie auch an sich, an Ihre Gesundheit, an Ihre Gefühle, an Liebe und Hoffnung. Denken Sie auch darüber nach, was Matt Lamb - das ist ein irisch-amerikanischer Künstler - immer sagt: Das Leben ist keine Generalprobe. - Tun Sie jetzt, was Sie tun wollen! Vergessen Sie manchmal, dass immer Forderungen an Sie gestellt werden. Übrigens, Gott segne Sie alle! ({5})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion. ({0})

Pascal Kober (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004075, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Alter arm zu sein, ist etwas, was niemandem zu wünschen ist. Altersarmut ist eine Belastung, der wir vonseiten der Politik nach Möglichkeit präventiv begegnen müssen; denn sie ist tatsächlich eine ganz schwierige Situation. Glücklicherweise sind heute erst wenige davon betroffen. Natürlich ist Altersarmut für jeden, der schon heute davon betroffen ist, ein schweres Schicksal. Aber man muss auch sagen: Es sind wenige, glücklicherweise. Es sind deshalb wenige, weil die Rente eben doch für die meisten aufgrund der Arbeits- und Familienphasen und der Art, wie das Leben bisher gelebt worden ist, im Alter noch reicht. Aber es wird Änderungen geben. Das Wichtigste, was die Politik machen muss, um Altersarmut in der Zukunft zu verhindern, ist, für möglichst viele Menschen Erwerbsbiografien zu verstetigen. Das ist ein Bereich, in dem gerade diese Regierungskoalition so erfolgreich war wie wenige Regierungskoalitionen zuvor, insbesondere wenn man an die Zeit von Rot-Grün denkt. Die vergangenen Jahre der christlich-liberalen Koalition waren vier gute Jahre für Deutschland. Insofern ist es nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, dass wir bei der Bekämpfung von Altersarmut nichts erreicht hätten. Gerade als Vertreter der jungen Generation muss ich sagen: Durch die wachstumsorientierte Politik, die diese Regierungskoalition auf den Weg gebracht hat, ist es gelungen, dass so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) Das ist wichtig, weil es gerade für die Zukunft verhindern wird, dass Menschen altersarm sind. Das war eine richtige Politik, und deshalb werden wir die richtige Politik ab September für vier weitere gute Jahre in Deutschland fortführen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, das, was Sie in Ihrem Antrag zum Thema Freibeträge ausführen, finde ich unterstützenswert. Bei Ihrer Reform der Grundsicherung bzw. der Garantierente möchten Sie Freibeträge für die anderen Säulen einführen. Das ist ein richtiger Weg; das sage ich als FDP-Politiker ganz bewusst. Wir halten das für den richtigen Weg. In dieser Hinsicht ist das jetzige Grundsicherungssystem überarbeitungsbedürftig. Bei verschiedenen anderen Punkten können wir nicht mitgehen - das haben die Kollegen der Union schon angesprochen -, zum Beispiel beim gesetzlichen Mindestlohn. Interessanterweise schweigen Sie sich in Ihrem Antrag über dessen Höhe aus. Ihre Forderung von 8,50 Euro, die Sie sonst immer erheben, führen bei weitem nicht dazu, dass man sich über das Niveau Ihrer Garantierente hinausbewegen kann. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Sie in Ihrem Antrag die Zahl von 8,50 Euro nicht nennen. ({2}) Deshalb wird es auch nicht zielführend sein, wenn Sie es so machen wie die Linken, ({3}) die über die Rentenpolitik die Höhe des Mindestlohnes bestimmen. Generell lehnen wir einen gesetzlichen Mindestlohn ab. Es geht auch nicht - ein Satz noch -, dass Sie sich über die tatsächlichen Kosten der Garantierente ausschweigen. Sie sprechen von 1 Milliarde Euro in den nächsten Jahren, ({4}) dann von 5 Milliarden Euro, wenn bestimmte Maßnahmen nicht ergriffen werden. Werden diese Maßnahmen ergriffen, bleiben die Kosten unter 5 Milliarden Euro. ({5}) Dann müssen Sie aber konkret sagen, welche Maßnahmen das sind. Sie fordern zum Beispiel eine Bürgerversicherung, wie Sie es auch im Bereich der Krankenversicherung wollen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Pascal Kober (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004075, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir wissen, dass das Arbeitsplätze kosten wird. Am Ende machen Sie mit Ihrer Steuer- und Gesundheitspolitik genau das, was Sie hier beheben wollen: Sie schaffen Altersarmut, indem Sie Arbeitsplätze vernichten. Ihnen, liebe Frau Schmidt, dir, lieber Toni Schaaf, vielen Dank, dass ich euch habe kennenlernen dürfen in meiner ersten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ihnen, Frau Schmidt, wünsche ich vor allen Dingen Gesundheit. Ich freue mich auf viele Begegnungen mit dir Toni in BadenWürttemberg. Ihnen beiden Gottes Segen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Das Wort als letzter Redner zu diesem Debattenpunkt hat der Kollege Max Straubinger für die CDU/CSUFraktion. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute diesen Rentenvorschlag der grünen Bundestagsfraktion. Ich bin erstaunt über dieses Modell, vor allen Dingen, weil es meines Erachtens eine große Ungerechtigkeit für alle darstellt, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind. Dieses Modell führte letztendlich dazu, wenn man es ganz drastisch darstellen möchte, dass man nach 30 Jahren ALGII-Bezug eine Rente von knapp 850 Euro bekommt. Ich frage mich schon, was ein Maurer, was ein Zimmerer, was ein Dachdecker davon halten soll, der die ganzen Jahre tagein, tagaus gearbeitet hat und möglicherweise eine Rente in der gleichen Höhe bezieht. ({0}) Das zeigt sehr deutlich, welche Ungerechtigkeit mit einem solchen System verbunden ist. Wir werden diesen Antrag natürlich ablehnen. Ich glaube, es ist gegenüber allen Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen der gesetzlichen Rentenversicherung ein hohes Gebot, am sogenannten Äquivalenzprinzip festzuhalten. Toni Schaaf hat dies gelobt, auch gegenüber dem Kollegen Kolb. Alle Formen von Verbesserungen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung - das ist eine kritische Diskussionsphase sind immer auch gegenüber den langjährigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern zu begründen. Das geht bei den Modellen, die heute eingebracht werden, auch von der SPD, verloren. Über die Modelle der Linken mag ich gar nicht reden. Der parteipolitische Überbietungswettbewerb - 900 Euro oder 1 050 Euro Rente hat begonnen nach dem Motto: Ich werde heute geboren und weiß schon, dass ich ab meinem 65. Lebensjahr - bei den Linken nicht; bei den Linken am liebsten schon ab dem 50. ({1}) 1 000 Euro Rente bekommen kann. Das widerspricht allen Realitäten. Sie wissen alle hier im Raum, dass das nicht zu bezahlen ist. Dies bleibt auch der Vorschlag der Grünen schuldig. Sie reden in Ihrem Antrag von knapp 1 Milliarde Euro Kosten, aber ich verstehe es nicht, denn Sie haben das Modell mit Professor Hauser erarbeitet. Professor Hauser unterstellt 30 Pflichtbeitragsjahre und redet dann von 5 Milliarden Euro Kosten im Jahr. Sie nehmen alle Zeiten, die in irgendeiner Art und Weise im Leben „entwickelt“ wurden, und diese werden dann als Versicherungszeit zugrunde gelegt. Ich habe es vorhin schon gesagt: 30 Jahre ALG-II-Bezug bedeuten dann hinterher 850 Euro Rente. Da kann es mit den Kosten gar nicht ausgehen. Deshalb ist das ein Programm aus dem Wolkenkuckucksheim. Entschuldigung, Herr StrengmannKuhn, ich hätte Ihnen in dieser Rentendebatte mehr und Besseres zugetraut. Das sage ich Ihnen ganz offen. ({2}) - Nein, nein. - Werte Damen und Herren, ich sage noch etwas: Wir werden als CDU/CSU - besonders die CSU in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam die Verbesserung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten umsetzen. Lieber Toni Schaaf, du hast gesagt, wir hätten das schon versprochen. Wir haben einen Prüfauftrag in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben. ({3}) „Prüfauftrag“ heißt noch nicht, dass es umgesetzt wird. Diese Koalition legt besonderen Wert darauf, dass beab30816 sichtigte Leistungen auch finanziell untermauert sind. Da wir damals mit einer ganz anderen Schuldensituation in unserem Land konfrontiert waren, war es die erste, wichtige und richtige Maßnahme, Haushalte zu konsolidieren. Deshalb ist das noch nicht umgesetzt. Wir würden uns auch wünschen, dass es schneller gehen würde. Aber auch im Sinne der nachfolgenden Generation ist es das Erste, dass wir Haushaltskonsolidierung betreiben, dass wir keine neuen Schulden mehr machen. Dann können wir dies in die Tat umsetzen. ({4}) Dafür steht diese Koalition, und das werden wir auch in der Zukunft beachten, auch in einer weiteren Regierungszeit. Zum Schluss meiner Rede möchte auch ich Frau Kollegin Schmidt danken und ihr alles Gute wünschen und meinerseits besonders auch Toni Schaaf herzlich für die Kollegialität und freundschaftliche Verbundenheit danken. Lieber Toni Schaaf, du vermutest, dass Karl Schiewerling ob seiner großartigen sozialpolitischenen Einstellung bei der falschen Partei gelandet ist. Ich denke, dir wäre es genauso ergangen, wenn du in Bayern gewesen wärst. Dann wärst du wahrscheinlich bei der CSU und würdest dort Sozialpolitik machen. ({5}) Ich weiß das aus vielen Begegnungen und Unterhaltungen, die wir freundschaftlich, gelegentlich auch bei einem Bier, gehabt haben. In diesem Sinne alles Gute für die Zukunft und besten Dank für die kollegiale Zusammenarbeit! ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/13493 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. ({0}) - Während der weiteren Zeremonien auf der linken Seite des Hauses bitte ich gleichzeitig diejenigen, die der wei- teren Debatte nicht folgen wollen, die notwendigen Um- gruppierungen vorzunehmen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken ({1}) - Drucksache 17/13081 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken ({2}) - Drucksache 17/13403 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({3}) - Drucksache 17/13769 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Heinrich - Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/13771 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Karl Ewald Schurer Roland Claus Katja Dörner b) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften - Drucksache 17/13083 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften - Drucksache 17/13404 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({5}) - Drucksache 17/13770 - Berichterstattung: Abgeordneter Michael Heinrich c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit ({6}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen - Drucksachen 17/12847, 17/13770 Berichterstattung: Abgeordneter Michael Heinrich Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach. ({7})

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe heute die ehrenvolle Aufgabe, mich von Ihnen zu verabschieden. Aber ich möchte doch gerne mit dem beginnen, weswegen ich eigentlich heute hier bin. Mein Minister guckt auch schon sehr zweifelnd. Wir bringen nämlich eines unserer letzten Gesetzesvorhaben ein. Dieses Gesetzesvorhaben ist eines, auf das wir auch sehr stolz sein können. Wir beraten heute den Gesetzentwurf zur Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken und das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Mit unserem Vorhaben, die Sicherstellung des Apothekennotdienstes zu fördern, ergänzen wir ganz gezielt das im letzten Jahr in diesem Hohen Hause beratene und in Kraft getretene GKV-Versorgungsstrukturgesetz. Dies ist ein wichtiges Gesetz; denn wir alle wissen aus eigener Erfahrung: Eine Krankheit kommt oft unangekündigt und hält sich dabei überhaupt nicht gerne an die Öffnungszeiten unserer Apotheken. Mit unserem Gesetzentwurf zum Apothekennotdienst wollen wir deshalb die Arzneimittelversorgung der Menschen - gerade auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Apotheken - nachhaltig sicherstellen. Dabei haben wir besonders die ländlichen Apotheken im Blick; denn natürlich ist dort der Mangel besonders eklatant, und ich glaube, dass wir mithilfe dieses Gesetzentwurfs den Notdienst in ländlichen Gebieten nachhaltig sicherstellen. Meine Damen und Herren, die Apotheken werden künftig jeweils zwischen 20 und 6 Uhr den vollständig erbrachten Notdienst durch einen pauschalen Zuschuss vergütet bekommen. Gezahlt werden sollen diese Zuschüsse aus einem Fonds, den der Deutsche Apothekerverband errichtet und verwaltet. Die Finanzierung des Zuschusses erfolgt über eine Erhöhung des Festzuschlags, den die Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel erheben. Dieser ist ausdrücklich zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken bestimmt und zu diesem Zweck vollständig an den Fonds abzuführen. Der zweite Teil, nämlich der Teil, der die arzneimittelrechtlichen und andere Vorschriften betrifft, ist im Wesentlichen einem besonderen Ziel gewidmet, nämlich die Arzneimittelsicherheit für die Menschen in unserem Lande zu erhöhen. Wir setzen hiermit eine europäische Richtlinie um, wir verschärfen bestehende Dopingvorschriften, und wir sorgen dafür, dass die lang geforderte Transparenz bei Anwendungsbeobachtungen deutlich erhöht wird. ({0}) Wir stellen klar, dass für Arzneimittel des Bestandsmarkts, die einer Nutzenbewertung unterzogen werden, grundsätzlich dieselben Regelungen gelten wie für neue Arzneimittel. Damit sind wir in der Lage, dem G-BA die Möglichkeit zu geben, die Bewertung der entsprechenden Arzneimittel zügig und vor alle Dingen rechtssicher umzusetzen. Es war immer unser ausdrücklich erklärter Wille, dass das Nutzenbewertungsverfahren, welches wir mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz erfolgreich eingeführt haben, auch für den Bestandsmarkt Anwendung finden muss; denn natürlich kann eine Nutzenbewertung nicht nur neue Medikamente betreffen, sondern selbstverständlich muss dies auch in der Rückbesinnung gelten. Außerdem haben wir klargestellt, dass die Schiedsstelle bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages unter freier Würdigung aller Umstände entscheidet, und der Gemeinsame Bundesausschuss erhält in den Fällen mehr Flexibilität bei der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie, in denen mehrere Therapien aus medizinischen oder Evidenzgesichtspunkten gleichermaßen - gleichermaßen! - zweckmäßig sind. In diesen Fällen kann künftig der Zusatznutzen gegenüber jeder der gleichermaßen zweckmäßigen Vergleichstherapien nachgewiesen werden. Damit stellen wir sicher, dass vorhandene Evidenz nicht aus formalen Gründen verloren geht. ({1}) Meine Damen und Herren, dies ist im Interesse der Patienten und Patientinnen und nicht unbedingt im Interesse der Industrie, wie uns manch einer gerne unterstellt. Ergänzend stellen wir sicher, dass, falls kein Zusatznutzen nachgewiesen werden kann, der Erstattungsbetrag nicht höher sein darf als der Preis der wirtschaftlichsten Alternative. Damit besteht für Hersteller eben kein Anreiz, eine teure Vergleichstherapie zu wählen, um ohne Nutzennachweis einen hohen Erstattungsbetrag zu erzielen. Das war uns wichtig, meine Damen und Herren, ({2}) denn darum geht es uns: Wir wollen den Patienten helfen, wir wollen die Arzneimittelversorgung sichern, und wir wollen sehen, dass alle in diesem Lande ordnungsgemäß versorgt werden. Liebe Kollegen, das war der offizielle Teil meiner Rede, jetzt kommt der inoffizielle. Ich möchte mich heute verabschieden. Natürlich möchte ich damit beginnen, mich bei meiner eigenen Fraktion, die zu dieser späten Stunde so zahlreich erschienen ist, ({3}) besonders herzlich zu bedanken. Wir haben gemeinsam nicht nur friedliche Zeiten erlebt, aber wir haben sie erfolgreich bewältigt. Ich glaube, dass ich vielen, die jetzt hier in den Reihen sitzen, sehr viel Dank schulde. Jetzt schaue ich nicht auf Birgit, obwohl das jetzt gerade jeder erwartet; ich meine sie natürlich immer. Ich schaue ganz speziell auf Heinz Lanfermann. Unsere gemeinsame Arbeit hat etwas holprig begonnen. Aber wir beide sind nicht nur zusammen zur Schule gegangen, sondern haben auch sehr schnell gelernt, miteinander erfolgreich für die FDP zu arbeiten. Herzlichen Dank, Heinz, dass das so gut gelungen ist! ({4}) Liebe Kollegen, ich bin in diesen 15 Jahren in vier verschiedenen Ausschüssen gewesen: Ich habe mit der Umweltpolitik angefangen. Dann habe ich - das war sehr anregend - die Bildungs- und Forschungspolitik begleitet. Ich bin seitdem erklärter Antiföderalist; ({5}) das sage ich jetzt einmal in Richtung der Herren und Damen von CDU/CSU. Ich war in einer unendlich spannenden Zeit im Haushaltsausschuss, lieber Otto. Dann habe ich bei den Kollegen aus dem Gesundheitsbereich sehr viel lernen können; das hätte ich nie gedacht, aber es war so. Ich konnte bei meiner Fraktion lernen, wie fürchterlich man beim Thema MVZ aufpassen muss. ({6}) Ich konnte bei den geschätzten Kollegen von CDU/CSU, lieber Jens und lieber Johannes, lernen, wie man nächtelang asynchrone Arzthonorierung diskutieren kann. ({7}) „Asynchron“ fängt eigentlich mit A an; aber es endete eigentlich immer mit B wie Bayern. Auch das habe ich dabei gelernt. ({8}) Ich bin dank Herrn Terpe von den Grünen ein großer Fachmann der Drogenpolitik geworden: ({9}) fünf Anhörungen im Drogenbereich. Ich habe den leider nicht anwesenden, aber trotzdem geschätzten angehenden zukünftigen Gesundheitsminister Karlchen Lauterbach ({10}) über viele Monate begleiten können. Ich glaube zwar nicht, dass er wirklich der zukünftige Gesundheitsminister ist; aber wir wissen ja, wie es so ist. Er hat mir beigebracht, dass die FDP und die CDU/CSU noch so sehr versuchen können, den Arzneimittelnutzen zu bewerten und die Preise zu dämpfen: Irgendwo lauert immer der böse Lobbyismus in unseren Gesetzen. ({11}) Das war etwas schwierig zu ertragen, aber wir haben es gemeinsam bewältigt. Ich hatte zudem ein Erweckungserlebnis. Ich habe gelernt: Nicht die FDP, liebe Kollegen, ist der Freund der Apotheker. Es gibt eigentlich nur eine einzige Fraktion, die Apothekertage rockt: Das sind die Linken. ({12}) Es war eine spannende Zeit. Aber wenn Sie mich fragen, was bei mir in meiner wahrscheinlich unruhigen Rentenzeit hängen bleiben wird, dann sage ich: Es sind unsere ethischen Entscheidungen, beginnend Anfang des letzten Jahrzehnts mit der Entscheidung zur Stammzellforschung bis hin zu unserem erfolgreichen Antrag zur PID, zu denen wir zusammen mit Ihnen gekommen sind, nicht nur mit der FDP, wobei ich das Wort „nur“ jetzt kleinschreibe. Ich sehe, dass Petra Sitte da ist. Ich weiß, dass Carola Reimann heute nicht da sein kann. Ich möchte an dieser Stelle herzliche Grüße an Peter Hintze und Jerzy Montag richten. Ich glaube, das waren die tollsten, die beeindruckendsten und die schönsten Zeiten, die ich in diesem Parlament erleben konnte. Denn nicht immer treffen wir mit Gewalt aufeinander, sondern vieles machen wir gemeinsam, und das ganz gut. Herr Präsident, wenn Sie mir erlauben - ({13}) - Frau Präsidentin, Entschuldigung.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Frau Präsidentin überlegt gerade, wie sie das hinbekommt.

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Das ist die Folge, wenn man Mitglied der FDP-Fraktion ist. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich habe ein gewisses Verständnis für diese Folgen. ({0})

Ulrike Flach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003119

Frau Präsidentin, ich möchte meine Rede mit einem Zitat eines Politikers beenden, der weit bekannter ist, als ich das bin: Harry Truman, einem der amerikanischen Präsidenten. Bei seinem Abschied sagte er: Ich war kein großer Präsident, aber ich habe eine wunderbare Zeit mit dem Versuch verbracht, einer zu werden. In diesem Sinne, liebe Kollegen, habe ich es auch betrieben. Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute und erfolgreiche Legislatur, das gilt auch für die nächste. Machen Sie es gut, auch ohne mich! Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nun hat die Kollegin Dr. Marlies Volkmer für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Marlies Volkmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass diese feierliche Stimmung über uns alle gekommen ist, so versöhnlich, mit so vielen Danksagungen und so viel gegenseitigem Verständnis, das ist sehr schön. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute, liebe Frau Flach. Trotzdem muss ich diese feierliche und harmonische Stimmung ein bisschen ({0}) durcheinanderbringen. Es tut mir Leid. ({1}) Die gestrige Ausschusssitzung war das Gegenteil von Harmonie. Es war für mich ein Lehrbeispiel dafür, wie man Politik nicht machen darf. ({2}) SPD und externe Experten hatten schon 2010 während der Beratungen zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln auf Fehlentscheidungen und handwerkliche Fehler im Gesetz hingewiesen. Darüber hat sich die schwarz-gelbe Koalition ohne Prüfung Kraft ihrer Mehrheit hinweggesetzt. ({3}) Mehr Gehör fanden die großen pharmazeutischen Unternehmen, die verständlicherweise in ihrem unternehmerischen Eigeninteresse handeln. Gestern brachten die Koalitionsfraktionen in letzter Sekunde vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses Anträge für weitreichende Änderungen an der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln ein. ({4}) - Nein, lieber Herr Lanfermann. ({5}) Mittwochfrüh um 7.30 Uhr habe ich diese Anträge auf meinem Tisch gefunden. Das ist auch nicht verwunderlich; denn das Sekretariat des Gesundheitsausschusses hat die Anträge am Dienstagabend zugeleitet bekommen, zu diesem Zeitpunkt war aber niemand mehr im Sekretariat. ({6}) Bisher gilt bei der frühen Nutzenbewertung: Gibt es bei einer Erkrankung mehrere evidenzbasierte Therapien, wird die wirtschaftlichste Therapie als Vergleichstherapie für die Nutzenbewertung eines neuen Präparats gewählt. Künftig kann die pharmazeutische Industrie selbst die Therapie auswählen, die zum Vergleich bei der frühen Nutzenbewertung herangezogen wird. Dies wird natürlich keine Therapie mit einem preisgünstigen Generikum sein, und das wird sich natürlich auf die Arzneimittelpreise auswirken. Die resultierenden Mehrausgaben dürfen die Beitragszahler dann alleine schultern, übrigens ohne dass sich an der medizinischen Versorgung etwas verbessert. Das halten wir für falsch. ({7}) - Ja, da haben Sie recht. Es ist auch skandalös, dass die Kolleginnen und Kollegen der Koalition kurz vor Ende der Legislaturperiode ihre eigenen Bemühungen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise derart aushöhlen. Das erinnert mich daran, wie ein Gesundheitsminister Seehofer vor Jahren unter dem Beifall der Pharmaindustrie die erarbeitete Positivliste für Arzneimittel in den Reißwolf steckte. Es ist ebenfalls skandalös, dass Sie diese bedeutenden Änderungen faktisch in einer Nachtund-Nebel-Aktion durchführen, um jede sachliche Auseinandersetzung zu unterbinden. Auch die angemessene Diskussion der Anträge im Rahmen einer dringend notwendigen öffentlichen Anhörung mit unabhängigen Experten wurde von der Koalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt, und das, obwohl Sie selbst im Ausschuss überhaupt nicht sagen konnten, wie sich diese Änderungen qualitativ und finanziell auswirken werden. Das ist ein Armutszeugnis für Sie. ({8}) Handeln noch in dieser Legislaturperiode hätten wir uns bei einem Thema gewünscht, das für viele Patientinnen und Patienten lebensnotwendig ist. Das betrifft die zeitweiligen Lieferengpässe bei einigen Arzneimitteln für Krankenhäuser. Hier geht es vor allem um Antibiotika bzw. Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen. Da haben Sie nichts gemacht. Dabei haben wir es Ihnen leicht gemacht. Wir haben einen Antrag eingebracht und Ihnen praktisch Lösungen auf dem Silbertablett serviert. Unser Antrag zeigt deutlich, was alles getan werden muss, um Lieferengpässe transparent zu machen, ihr Auftreten zu reduzieren und den Umgang mit ihnen zu verbessern. Zunächst ist es wichtig, dass die Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte über drohende Lieferengpässe überhaupt rechtzeitig Bescheid wissen. Dazu müssen die Arzneimittelhersteller gesetzlich verpflichtet werden; ({9}) denn es ist wichtig, dass dies rechtzeitig bekannt ist, damit man sich auf eine Therapie und auf Therapieumstellungen einstellen kann. Sie setzen auf freiwillige Meldungen. Freiwillige Meldungen reichen nicht, das zeigt die Praxis. Zweitens brauchen wir eine Bevorratung von lebensnotwendigen Medikamenten. Die Hersteller müssen eine Vorhaltung dieser Präparate für mindestens sechs Monate gewährleisten. Ich möchte noch über einen weiteren Punkt sprechen, weil er besonders gravierend ist. Im vergangenen Jahr wurde der patentgeschützte Wirkstoff Alemtuzumab zur Behandlung einer Form der Leukämie vom Hersteller europaweit zurückgezogen. Er soll mit der alleinigen Zulassung für die neue Indikation Multiple Sklerose zu einem deutlich höheren Preis auf den Markt gebracht werden. Leider gibt es aktuell keine Möglichkeit, ein solches Vorgehen, das der Gewinnmaximierung des Unternehmens dient, zu verhindern. Es ist dringend erforderlich, für solche Fälle eine Lösung zu finden, ({10}) damit es nicht zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung von Patientinnen und Patienten kommt. Wir wollen, dass geprüft wird, ob in diesen Sonderfällen eine Einschränkung des Patentschutzes möglich ist und anderen Herstellern die Erlaubnis erteilt werden kann, dieses Medikament für die ursprüngliche Indikation wieder auf den Markt zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schutz des geistigen Eigentums durch Patente kann bei einer Güterabwägung nicht höher bewertet werden als die Gesundheit bzw. der Schutz des menschlichen Lebens. Das ist Politik im Sinne der Patientinnen und Patienten. Diese Politik vermissen wir bei Ihnen. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Der Kollege Michael Hennrich hat für die Unionsfraktion das Wort. ({0})

Michael Hennrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003551, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zunächst, bevor ich auf das eigentliche Thema eingehe, ein paar Worte an Sie, Frau Flach, richten zu dürfen. Ich habe Sie in vier Jahren Gesundheitsausschuss als jemanden kennengelernt, der sehr nüchtern und sehr pragmatisch an die Themen herangegangen ist und immer an der Sache orientiert war. Besonders hat mich in den letzten vier Jahren beeindruckt, dass Sie immer ohne Polemik ausgekommen sind. Wir haben uns eigentlich ein bisschen an Sie gewöhnt, und jetzt gehen Sie. Das ist schade. Wir wünschen Ihnen aber weiterhin alles Gute und hoffen, dass Sie der Gesundheitspolitik verbunden bleiben! ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten heute und in zweiter und dritter Lesung das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz und das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Frau Volkmer, ich möchte vorab einiges zu dem sagen, was Sie zum Thema Beratung bei der Vergleichstherapie gesagt haben. Wir hatten da eine schwierige Entscheidung zu treffen. Ich sage es Ihnen ganz offen: Wir haben uns lange überlegt, wie wir uns diesem Thema nähern, weil wir natürlich wussten, was vonseiten der Opposition auf uns zukommt. Wenn wir ein Thema, das die Arzneimittelversorgung angeht, vernünftig regeln wollen, sehen wir uns sofort und automatisch dem Vorwurf ausgesetzt, wieder Interessen der Pharmalobby zu bedienen. Deshalb darf ich Ihnen heute Folgendes in Erinnerung rufen: Wir haben in den letzten vier Jahren 15 Milliarden Euro Einsparungen im Arzneimittelsektor erzielt. ({1}) Das waren 7 Milliarden Euro bei den Herstellern, 4 Milliarden Euro bei den Apothekern und rund 4 Milliarden Euro über die Rabattverträge. Ich kann mich noch an die Zeit von Rot-Grün erinnern. Damals hat Bundeskanzler Schröder die Pharmalobby zu einem Glas Rotwein in das Bundeskanzleramt eingeladen. ({2}) Dabei hat man Einsparungen von 600 Millionen Euro erzielt. ({3}) Wir lassen uns von vielen Lobbyismus vorwerfen, aber nicht von der SPD. ({4}) Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bei den Grünen bedanken, ({5}) die bei dieser schwierigen Entscheidung ganz nüchtern abgewogen haben, ob es Sinn macht. Sie haben dem Gesetzentwurf im Ausschuss nicht zugestimmt, sondern sich enthalten; aber das hat die Sache für uns ein bisschen einfacher gemacht. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. ({6}) Ich möchte ganz kurz inhaltlich auf die zwei Gesetzentwürfe eingehen, zunächst auf das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz. Wir haben in Deutschland das Problem, dass die vielen Apotheken in den Ballungsräumen relativ wenige Notdienste durchführen müssen. Wenn sie Notdienste leisten müssen, dann können sie einen entsprechenden Umsatz verzeichnen. In ländlichen Regionen, in dünn besiedelten Regionen haben wir das Problem, dass die Apotheken sehr häufig Notdienst leisten müssen, ohne dass sie entsprechende Umsätze generieren können. Ich glaube, dieses Maßnahmenpaket ist ein wichtiges Signal an die Apothekerschaft, aber auch an die Patienten, dass die flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung sichergestellt wird. In Zukunft bekommt jeder Apotheker, der einen vollständigen Notdienst - von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens ableistet, eine Pauschale von rund 200 Euro. Man muss auch einmal sagen, um welche Beträge es sich dabei handelt. Ich denke, das ist eine angemessene Entlohnung. Sie ist nicht zu hoch, sie ist passend. Ich will zwei Punkte ansprechen, die wichtig sind: Die Umsatzsteuerproblematik konnten wir leider nicht gesetzlich regeln. Wir gehen aber davon aus, dass das Bundesfinanzministerium mit den Landesfinanzministern eine Lösung findet, damit dieser Betrag den Apothekern ungeschmälert zur Verfügung steht. Ich möchte auch auf die Diskussion über die Verwaltungsstrukturen eingehen. Von der Opposition wurde immer wieder angemerkt, es gebe effizientere Lösungen. Ich habe mir von der Apothekerschaft sagen lassen, mit welchen Verwaltungskosten sie ungefähr rechnet. Sie geht davon aus, dass die Verwaltungskosten bei 1 Prozent liegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der GKVSpitzenverband Bund oder sonst jemand das hätte günstiger machen können. Ich will auch kurz auf den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften eingehen. Was haben wir da gemacht? Wir haben die europäische Pharmakovigilanzrichtlinie umgesetzt. In Zukunft müssen Unternehmen, die freiwillig Arzneimittel vom Markt nehmen, die Behörden umfassender informieren. Das soll sicherstellen, dass die Unternehmen es sich sehr genau überlegen, ob sie zu dieser Maßnahme greifen. Wir haben rechtliche Veränderungen vorgenommen, was die Bekämpfung des Dopings im Sport angeht, und wir haben, wie gesagt, das AMNOG noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Dabei haben wir drei ganz wesentliche Punkte geklärt: Wir haben zum einen geregelt, dass bei der frühen Nutzenbewertung im Bestandsmarkt die Unternehmen die identischen Rechtsmittel haben wie bei neuen Wirkstoffen; da gab es ja gewisse Unsicherheiten. Wir haben bei der Wahl der Vergleichstherapie eine gewisse Flexibilität geschaffen. Uns war auch wichtig, im Gesetz klarzustellen, dass Unternehmen und GKV-Spitzenverband, wenn ein Zusatznutzen belegt ist, Preise aushandeln müssen, dass es also keinen festen Algorithmus gibt. Mit diesen drei Maßnahmen bringen wir, denke ich, das AMNOG insgesamt gut zum Laufen. Ich hoffe, dass wir keinen Nachbesserungsbedarf haben werden. Die Änderungen, die wir durchgeführt haben, belegen, dass wir als Gesetzgeber verpflichtet sind, diesen Prozess weiterhin zu beobachten und, falls es notwendig ist, an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen. Spannend wird jetzt, wie sich das Thema „Preisfindung in der Schiedsstelle“ entwickelt. Aber auch da sind wir guten Mutes. Ich glaube, wir legen heute ein Gesetzespaket vor, das in die richtige Richtung zeigt. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem zustimmen würden. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zu Beginn ein Wort des Dankes an die Parlamentarische Staatssekretärin, an Frau Flach, richten. Unsere Zusammenarbeit konnte man sicherlich nicht immer als harmonisch und gut bezeichnen, aber Sie haben mir wenigstens etwas beigebracht. Sie haben mir beigebracht, wie man Kleine Anfragen und andere parlamentarische Anfragen der Opposition so beantwortet, dass möglichst wenig daraus entnehmbar ist. Dadurch haben Sie mich immer wieder dazu angereizt, nachzufragen, nachzuhaken und so meine Oppositionsarbeit zu machen. Insofern war das, glaube ich, ein gewisses Zusammenspiel. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg. Jetzt zur Sache. Wir reden hier heute über zwei Gesetzentwürfe aus dem Hause Bahr. Bei dem einen geht es um die Sicherstellung des Apothekennotdienstes. Die Linke begrüßt, dass die Apothekennotdienste jetzt auch vergütet werden sollen; denn das hilft, die wohnortnahe Versorgung auch am Wochenende und in der Nacht, also rund um die Uhr, zu erhalten, und stärkt die Apotheken auf dem Land. Deshalb stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu, auch wenn wir das Finanzierungsmodell für unnötig kompliziert und bürokratisch halten. Es ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. ({0}) Beim zweiten Gesetzentwurf geht es um die Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Dieser Gesetzentwurf ist eine Art Lumpensammler und greift verschiedene Sachverhalte auf, die vor dem Ende der Wahlperiode schnell noch geregelt werden sollen. ({1}) Dem ursprünglichen Entwurf hätten wir übrigens zustimmen können. Umsetzung unstrittiger EU-Richtlinien, Rechtsklarheit für die frühe Nutzenbewertung und verbesserte Regelungen gegen Doping im Sport - wer sollte etwas dagegen haben? Auch die Regelung, dass das Ministerium künftig die Gehälter von Kassenvorständen kontrollieren soll, hätten wir mitgetragen. Doch mit den weiteren Änderungen haben Sie uns den Weg zur Zustimmung verbaut. Mit den zwei wichtigsten möchte ich mich hier auseinandersetzen. Zuerst zu den Anwendungsbeobachtungen. Wir haben hier schon oft darüber diskutiert, dass die Mehrzahl der sogenannten Anwendungsbeobachtungen eben keine wissenschaftlichen Studien sind, um Medikamente in der praktischen Anwendung zu untersuchen und die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Es sind vielmehr schlecht getarnte Marketinginstrumente, bei denen Ärztinnen und Ärzte dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte, meist teure Medikamente einer bestimmten Firma verordnen. Es gibt ja durchaus auch Anwendungsstudien, die für den Schutz der Patientinnen und Patienten sinnvoll sind. Um diese zu erkennen, brauchen wir ein verpflichtendes öffentliches Studienregister, wie es die Linke schon lange fordert. Aber diese notwendige Maßnahme verweigert Schwarz-Gelb hartnäckig. ({2}) Die Transparenzregeln, die Sie jetzt hier vorschlagen, reichen absolut nicht aus. Reine Marketingmaßnahmen, von denen die Patientinnen und Patienten nichts haben, gehören nicht nur transparent gemacht, sondern gesetzlich verboten. ({3}) Union und FDP aber wollen im Wahlkampf nur die kritischen Bürgerinnen und Bürger beruhigen und vor allem der Industrie nicht wehtun. So geht es schon mal gar nicht. ({4}) Gestern Morgen um 7.30 Uhr haben Sie schnell noch eine Änderung vorgelegt, die es in sich hat, und diese unmittelbar danach im Gesundheitsausschuss mit Ihrer Mehrheit durchgestimmt; die Kollegin Volkmer hat dazu schon viel Richtiges gesagt. Interessant ist übrigens, dass die Presse sehr viel früher Bescheid wusste als die Mitglieder des Gesundheitsausschusses. „Koalition hilft der Pharma-Industrie“ oder „Arzneireform wird geändert zugunsten der Industrie“, so lauteten die Schlagzeilen gestern früh, und zwar nicht etwa im Neuen Deutschland, sondern in der Süddeutschen Zeitung und im Handelsblatt. ({5}) Worum geht es? Die Industrie soll künftig selbst auswählen, gegen welche Vergleichstherapie sich ihre Produkte bei den Prüfungen auf einen Zusatznutzen zu bewähren haben; na ja. Damit sabotieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr eigenes Gesetz vom letzten Jahr, das AMNOG, das nach Ihren eigenen Aussagen - vor allem Herr Singhammer hat uns das ja vorgerechnet - die Arzneimittelkosten der Krankenkassen um bis zu 1,5 Milliarden Euro senken sollte. Den Änderungsantrag der Linken, mit dem die Herstellerrabatte und das Preismoratorium um weitere zwei Jahre verlängert werden sollten, haben leider alle anderen Fraktionen abgelehnt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Armutszeugnis. ({6}) Was heißt das? Ab dem 1. Januar nächsten Jahres ist also wieder mit einer Preisspirale bei den Arzneimitteln zu rechnen. ({7}) Aber das muss Sie ja nicht belasten; denn damit muss sich dann eine andere Regierung herumärgern. ({8}) Vor allem ärgert es die Versicherten, die dann tiefer in die Tasche greifen müssen. Sie haben den Aktionären der Pharmakonzerne schnell noch einmal gezeigt, wo sie am 22. September dieses Jahres ihr Kreuzchen machen sollen. ({9}) Aber alle, die keine Pharmaaktien besitzen, alle, die Krankenkassenbeiträge zahlen, werden daraus hoffentlich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und diese Regierung abwählen. ({10}) Diesen vollkommenen Murks kann die Linke jedenfalls nur ablehnen. Dem Antrag der SPD, etwas gegen Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten zu tun, stimmen wir hingegen zu. Denn damit wird ein weiteres Problem aufgegriffen, das diese schwarz-gelbe Bundesregierung links liegen lässt. ({11}) Die sogenannte Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung zugunsten der Konzerne und zugunsten der Aktionäre hat dann hoffentlich ab dem 22. September dieses Jahres ausgedient. Ich danke Ihnen. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Flach, auch von mir noch ein kurzes Wort. Wir waren in den letzten vier Jahren fast nie einer Meinung. Wir haben uns aber immer sachlich und dabei betont gut gelaunt ausgetauscht. Es hat Spaß gemacht mit Ihnen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. ({0}) Nun zum Gesetzentwurf. Da ist ja viel Routine drin. Es geht um die Umsetzung von EU-Recht; das haben wir schon gehört. Die Koalition feiert sich für eine bessere Vergütung von Apothekennotdiensten. ({1}) Das Ziel, dadurch Landapotheken zu stärken, teilen wir. Wir müssen nur sagen: Sie haben sich wenig darum gekümmert, was Sie da eigentlich tun. Denn es liegen von nur zwei Bundesländern, nämlich von Bayern und Baden-Württemberg, überhaupt Zahlen zur Belastung der Apotheken mit Notdiensten vor; von allen anderen Ländern wissen wir gar nichts über die Verteilung. Noch weniger haben Sie sich darum gekümmert, sich mit den Ländern zusammenzusetzen und den jetzigen Zuschnitt der Notdienstbezirke zu überprüfen, um zu vermeiden, dass Patienten von einem Ende des Landkreises, wo der ärztliche Notdienst ist, zum anderen Ende des Landkreises zur Notdienstapotheke fahren müssen. ({2}) All das hat Sie nicht interessiert. Sie haben nur die besagten 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Da muss man schon sagen: Das ist Gesetzgebung im Blindflug. Das wirkt trotz der guten Absicht, die wir teilen, nicht wirklich überzeugend. ({3}) Sie haben im Übrigen auch noch nicht abschließend geklärt, ob den Apothekern, was die Umsatzsteuer betrifft, nicht eine doppelte Belastung droht; auch daran sei erinnert. Die heiße Nadel ist nie eine gute Ratgeberin. Zunächst hieß es, es soll in Apotheken vielleicht keine Apotheken Umschau, keine Tempos und keine Weihnachtskalender mehr geben. ({4}) Bei der Beratung stellt sich dann heraus: Doch, es gibt weiterhin die Apotheken Umschau, die Tempos, die Pflaster und die Weihnachtskalender. Aber das, was nicht mit viel Geld im Fernsehen wie die Apotheken Umschau beworben wird, sondern was sich jetzt eine Reihe nicht so ABDA-treuer Apotheken überlegt hat - seien es 1-Euro-Gutscheine oder sonst etwas -, soll verboten werden. Da muss man schon fragen: Wenn es denn Kundenbindungsmittel gibt, warum sollen nur die einen angewendet werden, und warum sollen die anderen verboten werden? Das riecht doch sehr nach einer kleinen Gefälligkeitsaktion von Schwarz-Gelb zur politischen Kundenbindung. Da sind wir nicht dabei. ({5}) Es freut uns hingegen, dass die Koalition entdeckt hat, dass der Vorschlag der Grünen zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung gut ist. Wir halten zwar nicht viel von der Reservequote für die Ärzte; aber wenigstens ist jetzt gesichert, dass nichtbesetzte Sitze nicht angerechnet werden. Das wird insbesondere die psychotherapeutische Versorgung im Osten Deutschlands verbessern; und das ist gut so. ({6}) Richtig ist auch, dass bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt Rechtsklarheit geschaffen wird. Damit komme ich zu einem kontroversen Thema, nämlich die Regelung zur Vergleichstherapie, die Sie last minute eingebracht haben, dass bei verschiedenen Möglichkeiten nicht die wirtschaftlichste gewählt werden muss. Auch Rot-Grün hat oft lange beraten und entsprechende Gesetzentwürfe kurzfristig vorgelegt. Daher will ich Ihnen gar nicht vorhalten, dass der Gesetzentwurf sehr kurzfristig vorlag. Aber es fällt schon auf, dass wir den Gesetzentwurf erst anderthalb Stunden vor der Ausschussberatung bekommen haben, während Herr Singhammer die Zeit hatte, die Presse am Vortag ausführlich zu briefen, damit am nächsten Tag etwas in der Zeitung stand. Bei dieser Gelegenheit hätten Sie uns den Gesetzentwurf gleich mitgeben können. ({7}) So war es uns kaum möglich, den Gesetzentwurf zu prüfen. Interessant ist, dass Herr Singhammer der Pharmaindustrie in Aussicht gestellt hat, dass sie jetzt die Vergleichstherapie auswählen könne, die sie wolle. Der Kollege Lauterbach hat dann gesagt: Eben das ist schlecht. - Wenn es so wäre, hätte er auch recht. Nur, das gibt der Wortlaut des vorgelegten Gesetzentwurfs gar nicht her. ({8}) Es bleibt dabei, dass der G-BA die zweckmäßige Vergleichstherapie festlegt ({9}) und erst dann - lieber Kollege Spahn, ich sehe, wir sind uns insoweit einig - der Hersteller tatsächlich eine Auswahlmöglichkeit bekommt. ({10}) Das halten wir für durchaus diskutabel; denn wir wollen, dass auch da geforscht wird, wo bereits eine Versorgung mit Generika möglich ist. Es kann ja sein, dass auch dort noch ein Zusatznutzen erzielt werden kann. Da wir den Gesetzentwurf nicht großartig diskutieren und überprüfen konnten, befürchten wir allerdings, dass es Manipulationsmöglichkeiten gibt. Wir halten diese Regelung also für eine Regelung auf Bewährung. Deswegen haben wir uns in diesem Punkt enthalten. Der Gesetzentwurf hat insofern durchaus Licht und Schatten, sodass wir ihm insgesamt nicht zustimmen können. Wir sind auch nicht sehr zufrieden mit der Minikorrektur beim Doping. Wir hätten vorgeschlagen, einen Straftatbestand Sportbetrug einzuführen. Das wäre besser, als den Besitz entsprechender Mittel für strafbar zu erklären. Nun denn, es gibt einige gute Regelungen, einige zweifelhafte und einige gar nicht gute. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer für die Unionsfraktion. ({0})

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verfolgen mit diesem Gesetzentwurf hinsichtlich der arzneimittelrechtlichen Vorschriften zwei Ziele: Das erste Ziel ist, dass die Patientinnen und Patienten in Deutschland die besten, die neuesten und die wirksamsten neuen Arzneimittel erhalten. Das zweite Ziel ist, dass die Finanzen der Krankenversicherungen, soweit es geht, geschont bleiben. Bei dem zweiten Ziel sind wir nachprüfbar sehr erfolgreich - der Kollege Michael Hennrich hat die Zahlen schon genannt -: Es gab in der Geschichte des deutschen Gesundheitswesens bei den Ausgaben für Arzneimittel noch nie einen solchen Rückgang. Seitdem wir im Jahr 2010 das AMNOG verabschiedet haben, sind die Ausgaben Jahr für Jahr beträchtlich - in Milliardenhöhe - geschrumpft. Das ist gut so. Wir wollen das fortsetzen. Wir wollen aber auch, dass die Garantie, die die Menschen in Deutschland haben, dass sie mit neuen, innovativen Medikamenten bestmöglich versorgt sind, erhalten bleibt. Deshalb müssen wir beide Ziele in eine Balance bringen. Es gibt bei den Medikamenten unterschiedliche Preisniveaus in Europa. Nicht immer ist das niedrigste Preisniveau das beste für die Patientinnen und Patienten. Vor kurzem hat die Universität Bayreuth eine sehr interessante Studie dazu vorgestellt. In ihr wurden 39 neue, eindeutig innovative Substanzen, die für Patientinnen und Patienten wichtig sind und in den Jahren 2008 bis 2010 auf den Markt gekommen sind, verglichen, und es wurde untersucht, welche für alle Patientinnen und Patienten verfügbar geworden sind. Dabei wurde beispielsweise festgestellt, dass in Spanien, das ein sehr niedriges Preisniveau hat, 8 dieser Substanzen verfügbar waren. Außerdem hat man festgestellt, dass in Italien, wo das Preisniveau ein bisschen höher ist, 11 dieser Substanzen verfügbar waren. Des Weiteren hat man festgestellt, dass in Deutschland alle 39 dieser neuen, innovativen Substanzen verfügbar waren, und zwar nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Patienten, sondern für alle. ({0}) Unser Ziel ist es, dass es keine, wie auch immer geartete Abstufung beim Zugang zu neuen, innovativen, wirksamen Medikamenten in Deutschland gibt. Das werden wir nicht zulassen. Wir wollen die besten Medikamente für alle. ({1}) Deshalb haben wir diese Änderungen eingebracht. Mit ihnen verfolgen wir das klare Ziel, noch einmal das zu präzisieren, was wir bei der AMNOG-Gesetzgebung im Jahr 2010 auch schon deutlich ausgedrückt hatten. Wir wollen also die Trennung der beiden Schritte noch einmal präzise festlegen. Schritt eins ist die Feststellung des Zusatznutzens. Das ist ein empirischer, ein wissenschaftlicher, ein evidenzbasierter Vorgang. Schritt zwei sind die Preisverhandlungen. Das ist ein ökonomischer Vorgang. Er hat mit dem ersten nichts zu tun. ({2}) Wir wollen auch jedes Risiko vermeiden, dass beide Schritte vermischt werden könnten. ({3}) Mit dieser Klarstellung machen wir das und erreichen, dass eine saubere Trennung möglich ist und auch durchgesetzt wird. Das ist unser Ziel. Deshalb legen wir diesen Vorschlag vor. Ich denke, er ist sachgerecht und hilft dabei, unsere beiden Ziele zu realisieren und damit die beste Versorgung für alle Patientinnen und Patienten in Deutschland sicherzustellen. ({4}) Ich möchte in diesem Fall nicht zu Beginn, wie einige Redner das schon getan haben, sondern am Schluss der Staatssekretärin - dir, liebe Ulrike Flach - herzlich für eine gute Zusammenarbeit und eine hervorragende Kooperation in der Koalition danken. Wir haben gemeinsam viel erreicht, denke ich. Darauf können wir stolz sein. Danke schön. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Steffen-Claudio Lemme für die SPD-Fraktion. ({0})

Steffen Claudio Lemme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004090, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Flach, ich wünsche Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit. ({0}) Nun zur Sache, zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz: Es waren sicherlich nicht nur viele von uns, sondern auch viele Versicherte generell schon einmal in der Situation, nachts oder an einem Sonntag dringend eine Apotheke aufsuchen zu müssen. In der Not schnell das geeignete verschreibungspflichtige bzw. apothekenpflichtige Medikament zu bekommen, ist für die betroffenen Menschen wichtig. Auch die Gewissheit zu haben, dass im Notfall eine Apotheke in der Nähe aufgesucht werden kann, verleiht den Menschen ein Gefühl von Sicherheit. Daher ist die wohnortnahe Sicherstellung des Apothekennotdienstes ein wichtiges Element der ambulanten Notfallversorgung. Dringender Handlungsbedarf besteht insbesondere auf dem Land, da der Apothekennotdienst hier stark ausgedünnt wurde und die Versicherten immer längere Anfahrtswege zur nächsten Apotheke in Kauf nehmen müssen. Die Finanzierung ist ungerecht. Das Nachsehen haben zumeist Apotheken im ländlichen Bereich. Doch was hat uns Schwarz-Gelb hier vorgelegt? Einen Gesetzentwurf, der zu kurz gedacht und zu kurz gesprungen ist. ({1}) Nehmen wir nur einmal die Entstehung des Gesetzes. Es scheint, als wäre es in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verfasst worden, um ja noch etwas vor der nächsten Wahl vorzeigen zu können. Wie ist es sonst zu erklären, dass die Verbände und der Normenkontrollrat nur zwei Tage Zeit hatten, ihre Stellungnahmen dazu zu verfassen? Die Länder haben sich dank ihres optimierungsbedürftigen Zeitmanagements erst gar nicht beteiligen können. Bei dieser Entstehungsgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass die Umsetzung deutliche Schwächen aufzeigt. So unterliegt die vorgesehene Einrichtung eines Fonds und die Verteilung der zusätzlichen Mittel einem komplizierten Konstrukt. Wir halten es für unlogisch, den Fonds beim Deutschen Apothekerverband anzusiedeln. Eine mögliche Alternative wäre ja beispielsweise ein steuerfinanziertes Modell gewesen. Aber dieses haben Sie gar nicht prüfen lassen. Außerdem produziert der Fonds einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand. Diese Auffassung vertritt ebenso der Normenkontrollrat. Dabei brüstet sich die FDP doch gerne mit der Forderung nach Bürokratieabbau, und das im großen Stil. Wie man hier sehen kann, ist das alles nur heiße Luft. Aber das sind wir ja von Ihnen gewöhnt. ({2}) Ein wichtiges Ziel hätte sein müssen, die Apotheken in strukturschwachen Regionen zu stärken und sie angemessen dafür zu vergüten, dass sie die Notfallversorgung mit Arzneimitteln bereitstellen. Es liegt doch auf der Hand, dass eine Apotheke in Berlin-Schöneberg sonntags und nachts häufiger in Anspruch genommen wird als eine Apotheke im Harz oder im Thüringer Wald. ({3}) Der Bedarf nach zielgerichteten Maßnahmen für Apotheken in strukturschwachen Gebieten drängt sich nahezu auf. Doch durch den vorgelegten Gesetzentwurf werden die hochfrequentierten Apotheken in Ballungsgebieten noch stärker bevorteilt. Das liegt an der von Ihnen vorgeschlagenen Vergütungsstruktur. Die Bindung der Notdienstpauschale an das Fixhonorar führt zu einer deutlichen Bevorzugung der städtischen Apotheken. Die Vertreterin des GKV-Spitzenverbandes hat davor gewarnt, dass diese Regelung zu einer impliziten Dynamisierung führen kann. Kurzum: Man kann die ländlichen Apotheken doch nicht dadurch fördern, dass man die städtischen Apotheken besser bezahlt. Das muss Ihnen doch einleuchten. ({4}) Auch wenn der Ansatz des Gesetzentwurfes zu begrüßen ist, so lässt die Ausgestaltung doch sehr zu wünschen übrig. Hier ist zu sehen, dass gut gemeint nicht gleich gut gemacht ist. Ich danke Ihnen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jens Spahn für die Unionsfraktion. ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich hier den Reden der SPD zu diesen beiden Themen lausche, habe ich nicht den Eindruck, dass Sie das Gesetz in seiner Gesamtwirkung auch nur ansatzweise verstanden haben. ({0}) - Herr Kelber, Sie können das Gesetz ja einmal erklären. Ich glaube, Sie wissen nicht einmal, wie es heißt. Also seien Sie doch an dieser Stelle einfach ruhig. Nur, weil Sie jetzt gerade einmal zufällig hier im Parlament sitzen, müssen Sie nicht dazwischenrufen. ({1}) - Herr Kelber, wissen Sie, Sie haben ja ein dunkles Organ. Das kommt immer durch. Deswegen sind Ihre Zwischenrufe immer gut zu verstehen, aber leider nicht besonders inhaltsvoll. Wir wollen aber jetzt darüber reden, worum es bei dem Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz geht. Das sagt nämlich schon der Name. Es geht darum, dass wir die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Dienstleistungen in allen Bereichen gewährleisten wollen. Es ordnet sich in einen Gesamtgesetzgebungsprozess ein, den wir in den letzten Jahren begonnen haben. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wollten wir es für Ärztinnen und Ärzte weiterhin attraktiv machen, sich im ländlichen Raum niederzulassen und somit dort die Versorgung sicherzustellen. Daneben geht es jetzt darum, den Notdienst der Apotheken, die zur Verfügung stehen müssen, wenn Patientinnen und Patienten nachts Medikamente brauchen, erstmals überhaupt pauschal zu vergüten. Mit diesem Gesetzentwurf sagen wir: Dafür gibt es ein Fixhonorar von 250 Euro pro Dienst. Bei den Unterschieden, die es gibt - wir wissen, dass es in Bayern Apotheken gibt, die nur drei Notdienste im Jahr haben, während andere über 80 Notdienste haben -, spiegelt dies den Mehraufwand tatsächlich angemessen wider. In einem weiteren Schritt werden wir in den nächsten Wochen den Krankenhäusern Anreize und auch finanzielle Möglichkeiten geben, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Eines unterscheidet uns hier auf jeden Fall. Ihr Schattenkompetenzträger hat hier in einer Rede ja mal gesagt, das wäre eine Verbeugung vor den Apothekern, und Sie haben das Ärzte-Versorgungsgesetz ein „Ärztebeglückungsgesetz“ genannt. Durch all dies wird deutlich, dass Sie nicht verstehen, dass eine gute, flächendeckende Versorgung der Menschen nur mit den Ärzten, nur mit den Apothekern, nur mit den Pflegekräften erreicht werden kann, und nicht gegen sie. ({2}) Sie polemisieren andauernd gegen Ärzte und Apotheker und versuchen, einen Keil zwischen Patientinnen und Patienten sowie Ärzte und Apotheker zu treiben. ({3}) Wir wollen das Gegenteil, und deswegen wollen wir diesen Dienst gerade auch in der Fläche im Land angemessen honorieren. ({4}) Zum nächsten Thema. Frau Volkmer, auch hier muss ich sagen: Entweder waren Sie böswillig oder Sie haben es nicht verstanden. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz sieht klar zwei Schritte vor: Der erste Schritt ist die Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Wir schauen: Wie viel besser ist ein Arzneimittel, das neu auf den Markt kommt, als das, was schon da ist. Eine solche Nutzenbewertung - ist etwas besser als das, was schon da ist? - ist immer relativ. Wir lassen jetzt zu, dass dann, wenn es gegen eine bestimmte Krankheit schon heute mehr als ein Arzneimittel bzw. eine Therapie gibt, man einen Vergleich gegen eine von diesen durchführen kann. Bei einem solchen relativen Vergleich - es kommt ja immer darauf an, was Sie vergleichen - erhält man halt unterschiedliche Ergebnisse. Der zweite Schritt ist, dass auf der Grundlage dieser Ergebnisse Preisverhandlungen geführt werden. Deswegen ist es einfach nicht redlich, dass Sie sich hinstellen und sagen, es handelte sich um milliardenschwere Geschenke für die Pharmaindustrie. Es ist okay, Wahlkampf in diesem Punkt zu betreiben; aber im politischen Miteinander geht es nun einmal gar nicht, die Sachen so sehr zu verfälschen, dass sie nicht einmal mehr ansatzweise etwas mit dem zu tun haben, was wir tatsächlich regeln. Das finde ich schon schwierig; ({5}) denn im Kern geht es um etwas anderes, und das haben Sie anscheinend auch noch nicht ganz verstanden. Sie können hier gerne Pharma-Bashing betreiben, weil Sie denken, dass es populär ist, immer auf die Pharmaindustrie zu hauen. Aber eines, glaube ich, wissen die Menschen ziemlich gut, dass es nämlich neue Medikamente etwa gegen Krebs, MS, Rheuma, Hepatitis C, Demenz und viele andere Krankheiten, die tatsächlich auch besser sind und mehr leisten als die Medikamente, die schon auf dem Markt sind - es geht also nicht nur um eine andere Pillenfarbe -, nur dann geben wird, wenn wir solche Medikamente auch angemessen honorieren. Sie mögen hier Pharma-Bashing betreiben, weil Sie meinen, dass das populär ist. Wir meinen, dass es richtig ist, Innovationen gut zu bezahlen, weil das für eine gute Patientenversorgung wichtig ist; denn viele Menschen warten dringend auf diese Medikamente und auf neue Behandlungsmöglichkeiten. Deswegen stehen wir auch zu dem, was wir hier tun. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13769, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13081 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich gebe dem Kollegen Wunderlich das Wort zu einem Geschäftsordnungsantrag.

Jörn Wunderlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003867, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gemäß § 45 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung ist der Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder, mithin mehr als 310, im Sitzungssaal anwesend sind. Meine Fraktion bezweifelt das. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die wir uns selbst zu Beginn dieser Legislaturperiode gegeben haben, ist eindeutig. Zur Erklärung für alle im Saal Anwesenden, möchte ich Folgendes ausführen: ({0}) Nach § 45 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist festgelegt: Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht … Vizepräsidentin Petra Pau In diesem Fall ist mit einem Hammelsprung die Beschlussfähigkeit festzustellen. ({1}) Ich bitte die Geschäftsführer aller Fraktionen zu mir. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Beratung mit den Geschäftsführern und natürlich mit den uns jederzeit hilfreich zur Seite stehenden Juristen der Bundestagsverwaltung haben wir die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ausgelegt. Es ist unstrittig, dass wir über einen Gesetzentwurf in zweiter und dritter Beratung gültig abgestimmt haben. Ich habe festgestellt, dass dieser Gesetzentwurf angenommen worden ist. ({3}) Nach unserer Geschäftsordnung kann vor jeder neuen Abstimmung der Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit gestellt werden. Wir haben den Antrag des Kollegen Wunderlich für die Fraktion Die Linke, die Beschlussfähigkeit festzustellen, vor der Abstimmung über Buchstabe b der Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13769, nämlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13403 für erledigt zu erklären, entgegengenommen. Die Geschäftsordnung lässt uns keine Wahl: Die Beschlussfähigkeit wird festgestellt, indem alle Kolleginnen und Kollegen den Saal verlassen. Sobald sich das Präsidium davon überzeugt hat, dass alle Kolleginnen und Kollegen den Saal verlassen haben, werden wir zur Feststellung der Beschlussfähigkeit des Hauses die Türen gegenüber dem Präsidium wieder öffnen. ({4}) Mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages werden wir gleichzeitig über die Beschlussempfehlung abstimmen. Das heißt, ich bitte zu beachten, durch welche Tür Sie den Plenarsaal nach Aufruf zur Abstimmung betreten. Sie machen damit deutlich, wie Sie zur Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung für erledigt zu erklären, stehen. Durch das Betreten des Saales geben Sie den Schriftführerinnen und Schriftführern die Möglichkeit, zu zählen, wie viele Mitglieder des Hauses anwesend sind. Nach unserer ständigen Übung ist der Deutsche Bundestag beschlussfähig, wenn von den 620 Mitgliedern des Hauses mindestens 311 an der nun folgenden Abstimmung teilnehmen. Ich bitte jetzt, die Voraussetzungen für diese Abstimmung zu schaffen. Dazu gehört, dass die Kolleginnen und Kollegen bitte den Saal verlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für diejenigen, die noch anderweitig beschäftigt waren und nicht mitbekommen haben, worum es im Moment geht: Wir sind dabei, die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages festzustellen und gleichzeitig über die Erledigterklärung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung abzustimmen. Um dies tun zu können, müssen bitte alle Kolleginnen und Kollegen zuerst einmal den Saal verlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass es über das Prozedere Unklarheiten gibt. Wer den Saal einmal verlassen hat, kann diesen erst dann wieder betreten, wenn ich den Hammelsprung eröffnet habe. Ich bitte Sie daher, den Schriftführerinnen und Schriftführern und vor allen Dingen den Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung an den Türen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht noch schwerer zu machen. Betreten Sie den Saal also erst dann wieder, wenn ich die Abstimmung eröffnet habe. Bevor wir zu diesem Hammelsprung gerufen haben, haben wir viele Reden gehört, mit denen sich Kolleginnen und Kollegen vom Deutschen Bundestag und von uns verabschiedet haben. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass der eine oder andere den voraussichtlich letzten Hammelsprung in seinem Abgeordnetenleben bestreitet. ({5}) - Ich sagte „voraussichtlich“. Wir sind alle keine Hellseher. Ich bitte noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen, den Saal jetzt zu verlassen. Der Kollege Schweickert hat aufgrund der offenkundigen Schwierigkeiten, dies zu tun, mit Einverständnis des Präsidiums die Erlaubnis, hier sitzen zu bleiben. Wir werden gemeinsam mit den zählenden Schriftführerinnen und Schriftführern sicherstellen, dass seine Anwesenheit hier entsprechend mitgezählt und protokolliert wird. Ich bitte um ein Zeichen, wenn der letzte Kollege oder die letzte Kollegin die Gelegenheit wahrgenommen hat, den Saal zu verlassen, und die Türen geschlossen sind, und - noch wichtiger - um ein Zeichen, ob alle Schriftführerinnen und Schriftführer auf ihren Positionen sind. - Darf ich das Zeichen als Zustimmung interpretieren? - Dann bedanke ich mich recht herzlich und eröffne die Abstimmung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, zu bedenken, dass sie durch die Tür gehen, die das Votum zur Erledigterklärung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 17/13403 signalisiert. Es wird gleichzeitig Vizepräsidentin Petra Pau gezählt, wie viele Kolleginnen und Kollegen an dieser Abstimmung teilnehmen, um die Beschlussfähigkeit zu überprüfen. Die Abstimmung ist also eröffnet; ich hoffe, das ist jetzt auch draußen angekommen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind, uns doch bitte die Möglichkeit zu eröffnen, die Türen einzusehen, das heißt, sich noch ein Stückchen weiter in den Saal hineinzubemühen - nicht dass eine Kollegin oder ein Kollege gehindert wird, an dieser Abstimmung teilzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um ein Signal, ob sich noch Kollegen vor der Tür befinden, die noch nicht an dieser Abstimmung teilnehmen konnten. ({6}) - Na ja, ich zweifele an, dass es Tausende sind. Wir sind 620 Mitglieder in diesem Haus. Mir würde es schon genügen, wenn ebendiese sich zur Abstimmung aufgerufen fühlten und jetzt an dieser auch teilnehmen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, ich bin jetzt auch in der Lobby vor dem Saal zu hören und zu verstehen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Abstimmung, die der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages dient und außerdem über die Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13769 erfolgt, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13403 für erledigt zu erklären, teilnehmen wollen, dies auch zu tun und den Saal durch die Tür ihrer Wahl wieder zu betreten. ({7}) - Ja. Ich bitte um ein Signal, ob noch Kolleginnen und Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, draußen sind. - Das ist nicht der Fall. ({8}) Ich bitte noch einmal, uns den Blick auf die Türen freizumachen. Dieser Appell richtet sich an diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind und sich in der Mitte des Saales aufhalten. ({9}) Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis festzustellen und dem Präsidium unverzüglich zuzuleiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für das Ergebnis der Abstimmung: 267 Kolleginnen und Kollegen haben mit Ja gestimmt. Es gab eine Enthaltung. Daraus folgt: 268 Kolleginnen und Kollegen haben an dieser Abstimmung teilgenommen. Ich stelle damit fest, dass der Deutsche Bundestag beschlussunfähig ist. Nach § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung ist nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit die Sitzung aufzuheben. Das tue ich hiermit. Die Sitzung ist aufgehoben.