Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung. In den zurückliegenden Tagen haben eine Reihe von Kollegen ihre Geburtstage gefeiert, und zwar die Kollegen Rolf Hempelmann
und Wolfgang Nešković ihren 65. Geburtstag und die
Kollegin Doris Barnett ihren 60. Geburtstag. Im Namen
des ganzen Hauses auch auf diesem Wege noch einmal
herzliche Grüße und alles Gute für die nächsten Jahre.
({0})
Die FDP-Fraktion hat mitgeteilt, dass im Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ für den verstorbenen Kollegen Dr. Max
Stadler der bisherige Stellvertreter, der Kollege Jimmy
Schulz, als ordentliches Mitglied vorgeschlagen wird.
Als nachfolgendes stellvertretendes Mitglied wird der
Kollege Pascal Kober benannt. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall.
Dann ist das so beschlossen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP:
Verwendung von Drohnentechnologie durch
die Bundeswehr
({1})
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren
Ergänzung zu TOP 54
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über
den Waffenhandel
- Drucksache 17/13708 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({2})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina
Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme
Ost und West im Rahmen der Städtebauförderung
- Drucksache 17/12508 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({3})
Innenausschuss
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Für universelle Nachhaltigkeitsziele - Entwicklungs- und Umweltagenda zusammenführen
- Drucksache 17/13727 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({4})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bärbel
Kofler, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulla Burchardt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Für eine nachhaltige Entwicklungsagenda ab
2015 - Millenniumsentwicklungsziele und Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestalten
- Drucksache 17/13762 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({5})
Auswärtiger Ausschuss
Präsident Dr. Norbert Lammert
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
e) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({6}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({7})
Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt
- Drucksache 17/13625 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({8})
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
f) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({9}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({10})
Ökologischer Landbau und Bioenergieerzeugung - Zielkonflikte und Lösungsansätze
- Drucksache 17/13626 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({11})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
g) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({12}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({13})
Zukunft der Automobilindustrie
- Drucksache 17/13672 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({14})
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
h) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({15}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({16})
Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit
Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien Präzisierung und Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffstrategie
- Drucksache 17/13673 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({17})
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
i) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2008
und 2009
- Drucksache 17/1350 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({18})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
j) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht 2009 und 2010 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- 23. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/5200 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({19})
Petitionsausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
k) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für
die Jahre 2010 und 2011
- Drucksache 17/9100
Innenausschuss ({0})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
l) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht 2011 und 2012 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- 24. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/13000 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({1})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
ZP 3 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({2}) zu dem Achten Gesetz zur
Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({3})
- Drucksachen 17/9852, 17/11053, 17/11636,
17/13720 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb
ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
({4}) zu dem Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge ({5})
- Drucksachen 17/10818, 17/12219, 17/12220,
17/12628, 17/13721 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({6}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung
steuerlicher Vorschriften ({7})
- Drucksachen 17/12375, 17/12532, 17/12533,
17/12925, 17/13722 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({8}) zu dem Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes
- Drucksachen 17/10422, 17/12722, 17/13388,
17/13723 Berichterstattung:
Abgeordneter Jörg van Essen
ZP 7 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Gesamtvolumen der Wahlversprechen von
Bundeskanzlerin Dr. Merkel - Auswirkungen
auf die Steuer- und Haushaltspolitik des Bundes
ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels
und Überwachung von Prostitutionsstätten
- Drucksache 17/13706 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({9})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({10}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul,
Volker Beck ({11}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Export von Überwachungs- und Zensurtechnologie an autoritäre Staaten verhindern - Demokratische Proteste unterstützen
- Drucksachen 17/13489, 17/13763 Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz
ZP 10 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien ({12})
- Drucksache 17/13707 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({13})
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 11 Beratung des Berichts des Innenausschusses
({14}) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung
- zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Aufnahme
von Kultur und Sport in das Grundgesetz
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia
Jochimsen, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Kultur gut stärken - Staatsziel Kultur im
Grundgesetz verankern
- Drucksachen 17/10644, 17/10785 ({15}),
17/13750 Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Bosbach
Ingo Wellenreuther
Dr. Dieter Wiefelspütz
Dr. Stefan Ruppert
Frank Tempel
Wolfgang Wieland
ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Künast, Jürgen Trittin, Kerstin Andreae, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
zu der Empfehlung für einen Beschluss des
Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme
von Verhandlungen über ein umfassendes
Handels- und Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft genannt, zwischen der Europäischen
Union und den Vereinigten Staaten von Amerika
KOM ({16})136 endg.; Ratsdok. 7396/13
hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung gemäß
Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m.
§ 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag
in Angelegenheiten der Europäische Union
Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft nur mit starker Parlamentsbeteiligung
- Drucksache 17/13733 ZP 13 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
zu der Empfehlung für einen Beschluss des
Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme
von Verhandlungen über ein umfassendes
Handels- und Investitionsabkommen, transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft genannt, zwischen der Europäischen
Union und den Vereinigten Staaten von Amerika
KOM ({17})136 endg.; Ratsdok. 7396/13
hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung gemäß
Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m.
§ 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Deutschem Bundestag
in Angelegenheiten der Europäische Union
Vereinbarung über die Herausnahme von audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen
von den Verhandlungen der EU mit den USA
zu einem transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen ({18}) erzielen
- Drucksache 17/13732 ZP 14 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({19}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch,
Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine moderne und nachhaltige Verbraucherpolitik
- Drucksachen 17/12694, 17/13761 Berichterstattung:
Abgeordnete Mechthild Heil
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Erik Schweickert
Caren Lay
Nicole Maisch
ZP 15 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({20}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Elvira DrobinskiWeiß, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher
verbessern
- Drucksachen 17/12689, 17/13274 Berichterstattung:
Abgeordnete Mechthild Heil
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Erik Schweickert
Caren Lay
Nicole Maisch
ZP 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Tier- und Artenschutz durch Beschränkung
des Wildtierhandels stärken
- Drucksache 17/13713 ZP 17 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank
Hofmann ({21}), Michael Hartmann ({22}), Christine Lambrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Präsident Dr. Norbert Lammert
System der Kriminal- und Rechtspflegestatistiken in Deutschland optimieren und auf eine
solide rechtliche Grundlage stellen
- Drucksache 17/13715 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({23})
Rechtsausschuss
ZP 18 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der
als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich
Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen
- Drucksache 17/13704 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({24})
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
ZP 19 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und
in Europa vorantreiben
- Drucksache 17/13717 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({25})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
ZP 20 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christian Ruck, Sibylle Pfeiffer, Hartwig
Fischer ({26}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Helga Daub,
Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Zerstörung des kongolesischen Naturerbes
verhindern
- Drucksache 17/13711 Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 18, 37, 38 a und 38 b, 50 b sowie 53
werden abgesetzt. Darüber hinaus kommt es zu den in
der Zusatzpunktliste dargestellten weiteren Änderungen
des Ablaufs.
Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? - Das ist
offenkundig der Fall. Dann haben wir das so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und
Herren, in diesen Tagen sind wir auch in Berlin mit unseren Gedanken bei den Menschen in den vom Hochwasser betroffenen Regionen unseres Landes. Die Lage
in den Hochwassergebieten ist weiterhin kritisch. In einigen Teilen sinken die Pegel zwar bereits wieder, andere Regionen erwarten dagegen noch die Scheitelwelle.
Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen,
zahlreiche Gegenden waren oder sind noch vom Verkehr
abgeschnitten, in vielen Betrieben und Unternehmen
ruht die Produktion. Das alles erinnert an das Jahr 2002,
als wir von einer Flut sprachen, die nur einmal im Jahrhundert vorkomme. Wir haben uns getäuscht. Die Menschen in den Hochwassergebieten erleben gerade eine
Flut, die die von 2002 an manchen Stellen möglicherweise noch übertrifft. Mancherorts hat das Wasser die
höchsten Pegelstände seit Jahrhunderten erreicht.
Erste Aufgabe ist es daher jetzt zunächst, Leben zu
schützen, Schäden so weit wie möglich zu verhindern und
Hilfe so schnell wie möglich an die Stellen zu bringen, wo
sie am dringendsten gebraucht wird. Unser Dank gilt den
Helferinnen und Helfern vor Ort. Ich nenne hier die Polizei, die Feuerwehr, die Rettungsdienste, die mit einigen
Tausend Helfern vor Ort sind, und die Soldaten der Bundeswehr, vor allem aber auch die vielen freiwilligen Helfer, die Nachbarn, die Freunde. Zu den ermutigenden Erfahrungen solcher Katastrophen gehört wieder einmal,
dass Not und Leid einhergehen mit tatkräftiger Hilfe und
eindrucksvoller menschlicher Zuwendung.
Auch dort, wo die Pegel sinken, beginnt nun eine
schwierige Zeit. Denn wenn die akute Gefahr gebannt
ist, stellen sich materielle und häufig auch existenzielle
Folgeprobleme. Hunderte von Millionen Euro an öffentlichen und privaten Mitteln wurden seit 2002 in Dämme
und Schutzmaßnahmen investiert. Viele, denen die Flut
von 2002 alles genommen hat, haben sich danach eine
völlig neue Existenz aufgebaut. Dass eine zweite Flut
nun manches erneut zerstört, Wohnungen und Häuser,
kommunale Infrastruktur wie berufliche Existenzen, ist
besonders bitter.
Wir lassen die betroffenen Menschen nicht allein.
Bund und Länder haben für die Flutgebiete bereits erhebliche finanzielle Mittel zugesagt; auch die Europäische Union hat Hilfe versprochen. Für Regierungen wie
Parlamente gilt: Schnelle Hilfe für die Flutopfer muss
Priorität haben. Das ist auch Konsens aller Fraktionen
hier in diesem Haus.
Im Namen aller Mitglieder des Deutschen Bundestages bekräftige ich unsere gemeinsame Absicht und Bereitschaft, den Menschen in den Hochwasserregionen
nach Kräften zur Seite zu stehen.
({27})
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c auf:
a) Beratung der Antwort der Bundesregierung auf
die Große Anfrage der Abgeordneten Klaus-Peter
Flosbach, Peter Götz, Dr. Michael Meister und
der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeord-
neten Dr. Birgit Reinemund, Heiner Kamp,
Dr. Volker Wissing und der Fraktion der FDP
Lage der Kommunen in der Bundesrepublik
Deutschland
- Drucksachen 17/11461, 17/13343 -
Präsident Dr. Norbert Lammert
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({28}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten
Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE
Kommunen von den Kosten für bauliche Maß-
nahmen an Kreuzungen von Eisenbahnen und
Straßen befreien
- Drucksachen 17/10820, 17/12452 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Götz
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({29}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert,
Dr. Dietmar Bartsch, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Wer bestellt, bezahlt - Konnexität zugunsten
der Kommunen im Grundgesetz verankern
- Drucksachen 17/6491, 17/13301 Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Frieser
Gisela Piltz
Jan Korte
Wolfgang Wieland
Bei der Beratung dieser Vorlagen zur Situation der
Kommunen wird sicherlich noch Gelegenheit sein, aus
der Sicht der Fraktionen ergänzende Hinweise und Anregungen zu den von mir zuvor genannten Aspekten zu geben.
Zu der Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt 90 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch, sodass wir so verfahren können.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble das Wort.
({30})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Bundesregierung dankt Ihnen, Herr Präsident, für die Worte, die Sie eben zu der katastrophalen
Flut und zu der Situation der Menschen, die wieder von
einem solch schrecklichen Ereignis betroffen sind, gesprochen haben. Was Sie gesagt haben, ist die Haltung
aller Fraktionen und ist die Haltung der Bundesregierung. Uns alle machen die Bilder von dieser Flut betroffen.
({0})
Wir fühlen mit den Menschen und tun alles, um so rasch,
so wirkungsvoll und so unbürokratisch wie möglich zu
helfen.
Jetzt geht es zunächst darum, die Schäden möglichst
gering zu halten. Deswegen sind die Rettungsdienste vor
Ort im Einsatz. Die Bundeswehr und das Technische
Hilfswerk helfen nach besten Kräften. Die Verwaltungen, die Polizeien, die Rettungsdienste, die ehrenamtlichen Helfer und die vielen freiwillig tätigen Bürgerinnen
und Bürger leisten großartige Arbeit. Wir können stolz
auf dieses hohe Maß an bürgerschaftlichem Engagement
sein.
({1})
Wir werden über die Sofortmaßnahmen hinaus mit
den Ländern zusammen alles Notwendige tun, um bei
der längerfristigen Bewältigung der Flutfolgen solidarisch zu helfen. Darauf können sich alle verlassen.
Niemand kann im Augenblick die Schäden abschätzen. Das ist auch gar nicht die entscheidende Frage.
Vielmehr muss jetzt getan werden, was jetzt getan werden kann, und danach wird man gründlich aufarbeiten
und tun, was dann zu tun ist. Das werden wir wie beim
letzten Mal solidarisch, gemeinsam leisten.
Man sieht im Übrigen in diesen Tagen auch, was alles
in den letzten zehn Jahren vielerorts erfolgreich geleistet
worden ist. Auch das gehört in diesen Tagen der Betroffenheit zu unserer Botschaft.
Meine Damen und Herren, darin zeigt sich - um zum
Gegenstand unserer Debatte zu kommen -, dass bürgerschaftliches Engagement vor allem vor Ort gelebt wird.
Das gilt übrigens besonders in Zeiten der Globalisierung, europäischer Krisen und Diskussionen. Deswegen
sind lebensfähige Kommunen von entscheidender Bedeutung für eine lebensfähige Demokratie. Deswegen ist
die Gestaltungs- und Leistungsfähigkeit der Kommunen
von einer entscheidenden, zentralen Bedeutung.
({2})
Aus diesem Grund hat die Bundesregierung in dieser
Legislaturperiode viel, wahrscheinlich mehr als die
meisten kommunalen Vertreter erwartet haben, für die
Kommunen getan, obwohl - das muss man gelegentlich
dann doch in Erinnerung rufen - die prioritäre Zuständigkeit für die Kommunen nach unserem Grundgesetz
bei den Ländern liegt. Die Länder achten auch gelegentlich sehr darauf, dass ihnen in ihre Zuständigkeit nicht
eingegriffen wird. Lediglich bei der Finanzierung sind
sie bereit, dem Bund hinreichend Verantwortung zu
überlassen. Wir haben diese Verantwortung wahrgenommen und in dieser Legislaturperiode Leistungen in einem
enormen Umfang, unbeschadet der Zuständigkeit der
Länder, für die Gemeinden übernommen. Ich erinnere
daran, dass wir die Kosten der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung vollständig übernehmen. Wir
haben damit eine Entscheidung der rot-grünen RegieBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
rung korrigiert. Wir entlasten die Kommunen damit um
fast 20 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2016.
({3})
Das schafft für alle Kommunen Spielräume zur Stärkung von Investitionen. Es profitieren vor allen Dingen
struktur- und finanzschwache Kommunen.
Der Bund unterstützt die Kommunen massiv beim
Ausbau des Kinderbetreuungsangebots für unter Dreijährige. Auch für diesen Bereich haben die Länder nach
dem Grundgesetz die prioritäre Zuständigkeit. Wir haben die Mittel gerade noch einmal um weitere 580 Millionen Euro aufgestockt, um den Ausbau zu beschleunigen und das Angebot zu erweitern.
Wir haben in dieser Legislaturperiode auch dafür gesorgt, dass sich noch mehr Kreise und Städte, wenn sie
es wollen, selbstständig um Langzeitarbeitslose kümmern können. Wo diese Entscheidung getroffen wurde,
hat es sich übrigens sehr bewährt. Auch darin zeigt sich,
dass Föderalismus, dezentrale Entscheidungen und Subsidiarität die effizientere Gestaltungs- und Ordnungsform sind.
({4})
Wir haben das Bildungspaket bei voller Kostenerstattung durch den Bund in kommunale Zuständigkeit überführt.
({5})
Wir haben uns übrigens - auch daran will ich erinnern auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise stellvertretend für Länder und Kommunen
verschuldet - das war die finanzpolitische Lage -, um
den Kommunen mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm
durch ein Tal zu helfen und einen Modernisierungsschub
für die kommunale Infrastruktur zu ermöglichen. Das
haben wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise getan. Wir
haben die Folgen für die Neuverschuldung im Bundeshaushalt in dieser Legislaturperiode gut bewältigt.
Ich möchte aber sagen: Es ist kein Zufall. Das Rekordjahr kommunaler Defizite war nicht etwa 2010, sondern 2003. Jedermann weiß, wer damals Regierungsverantwortung in Deutschland getragen hat.
({6})
Darin zeigt sich die unterschiedliche Haltung früherer
Bundesregierungen und der heutigen Bundesregierung.
Wir reden nicht nur von kommunalfreundlicher Politik,
sondern handeln.
({7})
- Ich weiß schon, dass Sie die Zahlen nicht gerne hören.
In einer Zeit der großen Parolen und großen Versprechungen ist es gelegentlich ganz gut, an Folgendes zu erinnern: Das Jahr 2003, als Sie regiert haben, war, ohne
Wirtschaftskrise, der Höhepunkt kommunaler Defizite.
({8})
Im Übrigen zahlt sich unsere kommunalfreundliche
Politik aus. Die Kommunen haben das Jahr 2012 mit einem Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden Euro
abgeschlossen. Sie erreichen als erste staatliche Ebene
vor Bund und Ländern einen positiven Finanzierungssaldo.
({9})
Die Zahlen sind wirklich eindrucksvoll. Diese erfreuliche Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Das zeigen auch die Schätzungen der kommunalen Spitzenverbände selbst.
Natürlich ist die finanzielle Situation der einzelnen
Kommunen unterschiedlich.
({10})
In diesem Zusammenhang wird auf die hohen Kassenkredite hingewiesen. Sie sind vor allen Dingen ein Problem einzelner Bundesländer. Meine Damen und Herren,
da können Sie sich gleich wieder empören - es ist auch
empörend -: Die Hälfte der bundesweiten kommunalen
Kassenkredite entfällt allein auf Kommunen in Nordrhein-Westfalen.
({11})
Auch dort sind übrigens nicht alle Kommunen betroffen,
auch dort bestehen erhebliche Ungleichgewichte; aber
die Landesregierung tut nichts, um diesen Ungleichgewichten entgegenzuwirken.
({12})
Reden wir einmal, was die Eigenverantwortung der
Länder für die Kommunen anbetrifft, über RheinlandPfalz. Dort ist höchstrichterlich festgestellt worden, dass
das Land die Kommunen entgegen Recht und Gesetz
finanziell zu schlecht ausgestattet hat. Auch das ist eine
Wahrheit, die in dieser Debatte gesagt werden muss.
({13})
Die Länder müssen ihrer Verantwortung für die Kommunen, die ihnen das Grundgesetz zuweist, nachkommen,
und zwar alle Länder; sie müssen für eine angemessene
Finanzausstattung der Kommunen und für einen Ausgleich kommunaler Finanzkraftunterschiede sorgen. Darauf haben die Gemeinden einen Anspruch.
Es ist doch für die Länder wirklich kein Ruhmesblatt,
dass sich viele Kommunen, übrigens auch in NordrheinWestfalen, in erster Linie auf den Bund verlassen, nach
dem Bund rufen, nicht nach der zuständigen Landesregierung, weil sie von dort wenig Hilfe erwarten.
({14})
Der Bund nimmt seinen Teil der Verantwortung wahr.
Wir schultern übrigens zunehmend Dinge, die ursprünglich in Länderverantwortung lagen. Darüber werden wir
auch in den nächsten Jahren miteinander reden müssen,
wenn wir erneut über die Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen zu diskutieren haben.
Ich will das besonders dringliche und wichtige Thema
des Ausbaus der Betreuung in Kindertagesstätten als
Beispiel nennen. Wir alle sind gemeinsam der Auffassung, dass allen Eltern in Deutschland, wenn sie es wünschen, ein Betreuungsplatz für ihre unter dreijährigen
Kinder zur Verfügung gestellt werden sollte. Wir haben
in der vergangenen Legislaturperiode die Weichen dafür
gestellt, dass aus einem Nischenangebot ein flächendeckendes Angebot wird. Unser gemeinsames Ziel ist es,
die Zahl der Betreuungsplätze auf 780 000 zu erhöhen
und damit gegenüber dem Stand von 2006 zu verdreifachen. Wir sind auf einem guten Weg: Der Deutsche
Landkreistag hat vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass mit Beginn des Rechtsanspruchs auf einen
Krippenplatz im August das notwendige Angebot letztlich zur Verfügung stehen wird. Die Bereitstellung eines
solchen Angebots ist nach dem Grundgesetz originäre
Aufgabe der Länder und Kommunen. Der Betrieb von
Kindertagesstätten gehört zu den klassischen kommunalen Aufgaben. Es ist die Aufgabe der Länder und Kommunen, hier die Eltern zu unterstützen. Das schließt natürlich die Finanzierungsverantwortung mit ein.
Ohne den Anstoß des Bundes wäre aber in der Fläche
nichts geschehen. Dass sich hier in den vergangenen
Jahren in Deutschland so viel getan hat - es sind Hunderttausende neue Kitaplätze geschaffen worden -, ist
die Folge der Initiative des Bundes und vor allem der
von ihm bereitgestellten massiven finanziellen Hilfen:
Wir stellen bis zum Jahre 2014 insgesamt 5,4 Milliarden
Euro für Investitionen und Betrieb im Bereich der
Kindertagesstätten bereit; ab 2015 werden es dauerhaft
jährlich 845 Millionen Euro sein. Der Ausbau der Kinderkrippenplätze ist zwischen Bund und Ländern vereinbart. Der Bund hat alle seine Zusagen eingehalten, er hat
die Mittel freiwillig sofort weitergegeben, und er hat den
Ausbau mit weiteren Initiativen flankiert: Bereitstellung
von KfW-Krediten, Unterstützung betrieblicher Kinderbetreuung, Initiativen zur Sprach- und Integrationsförderung, Elternbegleitung, Gewinnung von Fachkräften für
die Kitas. All dies hat der Bund zusätzlich getan, und
dennoch gibt es Diskussionen, ob denn alle Länder alle
Mittel des Bundes wirklich zügig an die Kommunen, für
die sie gedacht sind, weitergeben; auch dies muss erwähnt werden.
({15})
Die Länder dürfen am Ende nicht Sand im Getriebe
sein, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit der
Kommunen zu gewährleisten. Deshalb werden wir in der
kommenden Legislaturperiode in Bezug auf die Gesamtverantwortung von Bund und Ländern darüber verhandeln müssen, auch über die Finanzierung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen; das muss in einem
grundsätzlichen Kontext geschehen. Wir haben uns verpflichtet, hier in der nächsten Legislaturperiode eine
Neuregelung auf den Weg zu bringen. Aber das erfordert, dass Bund und Länder gemeinsam Verantwortung
übernehmen; das will ich festhalten.
Eine letzte Bemerkung. Es bleibt entscheidend, dass
die Kommunen vor Ort hinsichtlich der Ausgaben und
Einnahmen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bekommen,
sonst wird kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt.
Nur mit der Zuweisung von Aufgaben gegen volle
Finanzierung ist kommunale Selbstverwaltung inhaltlich
noch nicht hinreichend ausgestaltet. Umgekehrt brauchen die Gemeinden mehr Gestaltungsmöglichkeiten in
Bezug auf ihre eigenen Einnahmen. Wir haben es in dieser Legislaturperiode leider nicht geschafft, darüber einen hinreichenden Konsens zu erzielen. Das Angebot
bleibt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode noch
einmal einen solchen Versuch unternehmen wollen. Es
geht entscheidend darum, dass wir die Kommunen stärken. Das ist das eigentliche Anliegen; denn sie sind die
Grundlage einer lebendigen Demokratie. Sie sind im
Übrigen auch Basis eines Europas, wenn dieses Europa
dem Titel „In Vielfalt geeint“ gerecht werden will.
Herzlichen Dank.
({16})
Das Wort erhält jetzt der Kollege Thomas Oppermann
für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident, ich möchte Ihnen für die einfühlsamen und richtigen Worte danken, die Sie zur Flutkatastrophe gefunden haben. In der Tat: Das ist kein
Thema für parteipolitische Auseinandersetzungen. In
diesem Moment sollte der Bundestag insgesamt zusammenstehen und klarmachen, dass wir die Flutopfer nicht
alleine lassen, dass wir alle möglichen Hilfen gewähren,
die jetzt benötigt werden.
({0})
Das Hochwasser wird schwerste Schäden hinterlassen. Für jeden Einzelnen kann eine Überschwemmung
eine existenzvernichtende Katastrophe sein, für einige
zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre. Wir dürfen
die Menschen, die Unternehmen und die Kommunen in
diesem Unglück nicht alleinlassen.
Mich ermutigt die große Solidarität, die überall Platz
greift, die große Hilfsbereitschaft der Menschen. Wir
sollten mit Respekt und Hochachtung den Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz danken. Das Zusammenstehen in der Not zeigt, wie viel Gemeinsinn in unserer Gesellschaft steckt. Daran müssen wir uns in der Politik ein
Beispiel nehmen. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen:
Wenn es um die Finanzierung der Hilfen in Milliardenhöhe geht, wird sich die sozialdemokratische Fraktion
absolut konstruktiv verhalten.
Es ist gut, dass bereits erste Gelder zugesagt sind,
aber das reicht natürlich bei weitem nicht aus. Ich halte
es für erforderlich, wie im Jahr 2002 einen Hilfsfonds
einzurichten. Dieser Hilfsfonds wird mit mehreren Milliarden Euro ausgestattet werden müssen. Die unbürokratische und schnelle Auszahlung der Hilfen 2002 muss
der Maßstab für die Hilfen in diesem Jahr sein.
({1})
Darauf haben die betroffenen Kommunen einen Anspruch.
Damit komme ich zu einem Thema, Herr Schäuble,
was wir etwas kritischer diskutieren müssen: die Lage
der Kommunen. Den Kommunen in Deutschland ist es
in den letzten vier Jahren schlecht gegangen. Da bin ich
anderer Meinung als Sie.
Sie lenken den Blick gerne auf Nordrhein-Westfalen.
Ich will Ihnen ein Beispiel aus Hessen geben. In Hessen
hat die schwarz-gelbe Landesregierung mit Landtagsmehrheit den kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro gekürzt. Man hat den Kommunen 340 Millionen Euro weggenommen, um den Landeshaushalt zu
sanieren, Herr Jung. Dafür hat sie vom Staatsgerichtshof
eine Ohrfeige bekommen. Das war verfassungswidrig,
({2})
und das ist kein Umgang mit den Kommunen.
Sie haben vier Jahre lang Politik zulasten der Kommunen gemacht. Ihre Klientelpolitik hat immer dazu geführt, dass private Taschen gefüllt wurden, und das Gegenstück dazu waren Schulden und Steuerausfälle bei
den Kommunen.
({3})
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Kommunen rund 1,6 Milliarden Euro gekostet.
({4})
Die Änderung bei der Unternehmensbesteuerung hat zu
Ausfällen in Höhe von 650 Millionen Euro geführt. Das
gescheiterte Gesetz zum Abbau der kalten Progression
hätte die Kommunen weitere 600 Millionen Euro gekostet. Meine Damen und Herren, das ist Politik zulasten
Dritter.
({5})
Ihre Klientelgeschenke werden durch steigende Gebühren in den Kommunen und durch steigende kommunale Schulden bezahlt. Die deutschen Kommunen haben
Kassenkredite in der unvorstellbaren Höhe von 48 Milliarden Euro. Das können sie kaum noch verkraften.
Wahr ist: Einige Kommunen haben sich in den letzten
Jahren sanieren können. Wahr ist aber auch: Es gibt sehr
viele Kommunen, die immer weiter in den Schuldenstrudel hineingetrieben werden. Deshalb brauchen wir eine
grundlegend andere Politik auf Bundes- und Landesebene gegenüber den Kommunen.
({6})
Wir treten für einen Investitions- und Entschuldungspakt ein. Dazu gehört erstens die Unterstützung der
Kommunen bei den Sozialausgaben. Da haben wir über
den Vermittlungsausschuss bei den Hartz-IV-Verhandlungen erreicht, dass die Lasten, die sich aus der Grundsicherung im Alter ergeben, Schritt für Schritt vom Bund
übernommen werden. Auf die Idee wären Sie nicht gekommen, und ohne den von uns angerufenen Vermittlungsausschuss wäre das nicht passiert. Der nächste
Schritt ist, sich jetzt die Kosten der Eingliederungshilfe,
unter denen die Kommunen besonders stark leiden, genauer anzuschauen.
Zweitens werden wir einen Investitionspakt von Bund
und Ländern auf den Weg bringen, von dem insbesondere die finanzschwachen Kommunen profitieren sollen.
Schließlich brauchen wir drittens einen Entschuldungspakt zugunsten der Kommunen, bei dem wir vornehmlich die Einnahmebasis der Kommunen verstärken.
Die Kommunen werden von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes angemessen profitieren, und wir wollen
auch die Gewerbesteuer weiterentwickeln.
({7})
In dem Zusammenhang müssen wir auch über die
Städtebauförderung reden. Die Koalition hat die Städtebauförderung als zentrales Instrument für die zukunftsfähige Entwicklung der Städte und Gemeinden in den
vergangenen vier Jahren systematisch gekürzt und vernachlässigt. Trotz eines unstreitig anerkannten Bedarfes
in Höhe von 700 Millionen Euro stehen nur 455 Millionen Euro zur Verfügung - und das, obwohl ein von
Ihnen selbst vorgelegtes Gutachten belegt, dass die Städtebauförderung eine enorme Investitionsanreizwirkung
hat. Auf 1 Euro öffentliche Gelder kommen 7 Euro private Gelder, die investiert werden. Das ist eine optimale
Relation.
Ihnen fehlt aber nicht nur das Verständnis für eine angemessene Finanzausstattung, sondern auch für die inhaltliche Ausrichtung der Strukturförderung des Bundes an
den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Kommunen. Dazu gehört vor allem, das Programm „Soziale
Stadt“ wieder vernünftig auszustatten. Es war falsch,
dieses Programm 2010 um fast 70 Prozent zu kürzen.
({8})
Das war ein absoluter Fehlgriff, Herr Schäuble. Da verwundert es auch nicht, dass in den 20 größten Städten
Deutschlands nur noch drei CDU-Oberbürgermeister regieren. Auch die sind nicht mehr sicher - jedenfalls
wenn Sie diese Politik nicht grundlegend korrigieren.
({9})
Mit dem Programm „Soziale Stadt“ konnten in der
Vergangenheit in vielen Stadtquartieren drohende Abwärtsentwicklungen gestoppt werden. Wir wollen sichtbare städtebauliche Erneuerungen im Wohnumfeld
sowie im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur. Diese sind Voraussetzung dafür, dass das soziale Miteinander, der nachbarschaftliche Zusammenhalt
und die Integration gelebt werden können.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Das Ziel
der SPD sind starke Kommunen. Wir wollen die Kommunen wieder stärken. Von starken Kommunen hängt es
ab, ob unsere Kinder gute Kindergärten und Schulen
vorfinden. Von starken Kommunen hängt es ab, wie
Menschen aufwachsen und leben. Von starken Kommunen hängt es ab, ob Integration, ob das Zusammenleben
von Menschen unterschiedlicher Herkunft gelingt, und
davon hängt auch ab, ob sich die Menschen in unseren
Gemeinden und Städten sicher fühlen. Das ist der zentrale Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir wollen,
dass es allen besser geht. Das ist das Gegenteil von
Klientelpolitik für einige wenige. In den Kommunen
fangen wir damit an.
Vielen Dank.
({10})
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, erlaube ich mir einen dezenten Hinweis an die Bundesratsbank. Mit Blick auf das Thema, das wir gerade beraten,
und die herausragende Verantwortung der Länder für die
Situation der Kommunen hätte ich es nicht für übertrieben gehalten, wenn diese Verantwortung der Länder
durch eine erkennbare Präsenz auf der Bundesratsbank
unterstrichen worden wäre.
({0})
Nun erhält die Kollegin Reinemund für die FDPFraktion das Wort, der ich gleichzeitig zu ihrem heutigen
Geburtstag gratuliere. Alle guten Wünsche!
({1})
Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die Glückwünsche. Es ist mir ein Vergnügen, mit Ihnen allen heute gemeinsam älter zu werden, auch wenn mir nicht wirklich
zum Feiern zumute ist. Es ist angesichts der furchtbaren
Bilder über die Flutkatastrophe, die uns alle sehr bewegen, wirklich schwer, gerade heute eine Debatte zur
Lage der Kommunen zu führen. Gerne schließe ich mich
den Worten des Bundestagspräsidenten und der Kollegen an. Das gilt vor allen Dingen für den Dank an alle
Helfer, die aus allen Regionen Deutschlands in die Überschwemmungsgebiete gehen, um Nothilfe zu leisten.
({0})
Wir haben einen großen Konsens, und wir alle sichern
unbürokratische und schnelle Nothilfe zu - kurz- und
langfristig für die Menschen und für die Betriebe. Wirtschaftsminister Rösler hat erste Gespräche geführt und
Programme angekündigt.
Ich danke unserem Bundestagspräsidenten, dass er
auf die leere Bundesratsbank hingewiesen hat. Ich halte
es, um mit den Worten der linken Seite des Hauses zu
sprechen, für einen Skandal, dass die Länder heute mit
keiner einzigen Person hier vertreten sind.
Unser aller Ziel sind starke Kommunen. Eine angemessene Finanzausstattung ist verfassungsmäßig festgeschrieben. Die Kommunen sind Gebietskörperschaften
der Länder, das heißt, diese stehen in direkter Verantwortung. Herr Oppermann, Sie wissen genauso gut wie
ich, dass das grün-rote Baden-Württemberg in Zeiten
von Rekordsteuereinnahmen den kommunalen Finanzausgleich um 340 Millionen Euro gekürzt hat. Das geschah nicht in Zeiten der Krise, sondern in Zeiten von
Rekordsteuereinnahmen.
({1})
Das heißt nicht, dass wir die Verantwortung abschieben;
aber die Aussage: „Der Bund muss zahlen!“, kann nicht
die alleinige Lösung für die Probleme sein.
({2})
Aus gutem Grund wurden die komplexen Bund-Länder-Beziehungen gemeinsam im Rahmen der Föderalismusreformen I und II entflochten, um Verantwortlichkeiten klar zuordnen zu können. Im Rahmen einer
Föderalismuskommission III sollte endlich die Struktur
der Kommunalfinanzen neu geordnet werden und das
Prinzip der Konnexität verankert werden; das heißt, wer
bestellt, der bezahlt. Das ist bei der letzten Reform an Ihnen gescheitert.
Diese Koalition hat dafür gesorgt, dass die Kommunen heute finanziell deutlich besser dastehen als vor vier
Jahren. 2012 verzeichneten sie einen Überschuss von
1,8 Milliarden Euro. Für die Zeit ab 2013 werden mindestens 4 Milliarden Euro pro Jahr prognostiziert. Zum
Vergleich: 2009, unter Finanzminister Steinbrück, stöhnten sie über ein Defizit von 7,5 Milliarden Euro.
({3})
Ohne Zweifel gibt es nach wie vor Kommunen, die
mit dem Rücken zur Wand stehen, je nach eigener Wirtschaftskraft, nach der Sozialstruktur, aber auch nach der
Wirtschaftskraft ihrer Region und ihres Bundeslandes.
Denken Sie an NRW, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Dabei spielen der kommunale Finanzausgleich - dieser
ist Ländersache -, der Länderfinanzausgleich und natürlich die Gesamtwirtschaftslage Deutschlands eine große
Rolle. Sie alle kennen die Abhängigkeit der Kommunen
von Gewerbesteuer, Einkommensteuer und von den Sozialkosten bei hoher Arbeitslosigkeit. Die Kommunen
profitieren zuallererst von unserer soliden Finanz- und
Wirtschaftspolitik. Wir haben Rekordsteuereinnahmen
und die höchste Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze aller Zeiten. Kurz: höhere Einnahmen und
geringere Ausgaben auch und gerade für die Kommunen.
({4})
Wir setzen in dieser Legislaturperiode zudem auf eine
ganze Reihe von Einzelmaßnahmen zum Wohle der
Kommunen. Der Bund übernimmt die Kosten der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Das ist die größte Entlastung aller Zeiten. Sie beträgt
rund 4,5 Milliarden Euro jährlich plus alle Steigerungen.
Auch wenn Sie es noch so oft erzählen: Das war ein Vorschlag unseres Finanzministers, nicht der Opposition.
({5})
Bei den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernimmt der Bund mittlerweile durchschnittlich
36,4 Prozent. Die Grünen fordern heute ehrgeizige
37,7 Prozent in zwei Schritten.
({6})
2009 waren wir bei 26 Prozent. Wir übernehmen die vollen Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket. Rund
73 Prozent der berechtigten Kinder nehmen diese Leistungen mittlerweile in Anspruch. So etwas gab es noch
nie. Die SPD hat angekündigt, dass sie dies rückabwickeln will. Für die Investitionen in Krippenplätze steuern wir 5,4 Milliarden Euro bei, für die Betriebskosten
geben wir zukünftig jährlich 845 Millionen Euro. Die
Städtebauförderung führen wir gleichbleibend mit rund
455 Millionen Euro fort. Das ist gut für die Kommunen,
für das lokale Handwerk, für Arbeitsplätze und für das
Gewerbesteueraufkommen.
({7})
Es ist richtig: In der Krise hatten wir zusätzliche Mittel
aus den Konjunkturpaketen, die mittlerweile ausgelaufen sind.
Außerdem haben wir durchgesetzt: Verbesserung bei
der Konversion, beim Planungsrecht, beim Baurecht, bei
der Bürgerbeteiligung, bei E-Government, bei Breitbandversorgung, bei der Ärzteversorgung im ländlichen
Raum und nicht zuletzt beim Beteiligungsrecht der
Kommunen in der Gesetzgebung im Bundestag. Der
Bundesrat konnte sich übrigens nicht dazu durchringen.
Dies alles sind notwendige Hilfen für die Kommunen.
Eine Strukturreform ersetzt das aber noch lange nicht.
Auf keinen Fall darf diese positive Entwicklung jetzt
gefährdet werden. Zu Recht warnt der Deutsche Städteund Gemeindebund vor den Steuererhöhungsplänen von
SPD und Grünen. Sie würden der lokalen Wirtschaft
schaden, Arbeitsplätze gefährden und die Kommunen
schwächen. Wir werden unseren Weg der Konsolidierung und der Unterstützung der Strukturreform in dieser
Konstellation ab Oktober weitergehen und auf eine Föderalismuskommission III hinarbeiten. Denn wir müssen
durch die gesamtstaatliche Brille schauen. Ein Hin- und
Herschieben der Kosten darf es künftig nicht mehr geben. Bei der Schuldenbremse des Fiskalpakts wird eine
gesamtstaatliche Betrachtungsweise eingefordert. In die
Berechnung sollen die Schulden des Bundes, der Länder,
der Kommunen und der Sozialversicherungen einfließen.
Es ist richtig: Wir sind noch nicht am Ziel angekommen. Doch egal, wie Sie es drehen und wenden, wenn
Sie die Lage in 2009 mit der in 2013 vergleichen, müssen Sie zugeben, dass es vier gute Jahre für Deutschland
und vier gute Jahre für Deutschlands Kommunen waren.
({8})
Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege
Steffen Bockhahn das Wort.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist beeindruckend, wie
sich in diesen Tagen viele Menschen in Süddeutschland
und in Ostdeutschland gegenseitig helfen, sich füreinander aufopfern. Das ist ein großer Beweis dafür, dass es in
diesem Land noch Solidarität und Miteinander gibt. Das
ist in dieser schweren Stunde, denke ich, eine gute Nachricht.
({0})
Es ist ebenso eine gute Nachricht, dass die Katastrophenstäbe offensichtlich ganz hervorragend arbeiten.
Man merkt das auch daran, dass wir zum Glück bisher
keinen Verlust von Menschenleben zu beklagen haben.
Ich hoffe, dass das so bleibt.
Das ist ein Beweis für die Stärke der Kommunen und
ihre Leistungsfähigkeit. Denn ohne die aktive Mithilfe
der Kommunen in diesen Katastrophenstäben könnte die
Arbeit nicht so gut organisiert werden. Ich denke, an diesem Punkt sollte man allen Helferinnen und Helfern,
egal ob sie in Amtsstuben oder direkt am Deich sind,
„Danke!“ und „Weiter so!“ sagen. Wir drücken ihnen die
Daumen, dass es nicht noch schlimmer kommt, als es
ohnehin schon ist.
({1})
Ich finde es erstaunlich, dass das offensichtlich nur bei
der Fraktion Die Linke so gesehen wird.
Kommunen und Betroffene - da sind wir bei der Verantwortung, die wir gemeinsam tragen - dürfen jetzt
nicht alleingelassen werden. Es ist, denke ich, unsere gemeinsame Entscheidung, dass wir Geld in die betroffenen Gebiete geben werden; diese Entscheidung ist auch
richtig. Aber es ist die Aufgabe der Bundesregierung,
jetzt ganz schnell Verbindlichkeit dahin gehend zu schaffen, wie die Antragsverfahren aussehen und welche Kriterien es gibt. Das Ganze muss vor allem eines sein,
nämlich unbürokratisch. Es müssen Straßen erneuert
werden, es müssen Kitas saniert werden, und es müssen
Gebäude wiederhergerichtet werden. Dabei können und
dürfen wir die Kommunen nicht alleinelassen. Zinsgünstige Kredite allein werden überschuldeten Kommunen kaum helfen. Wir brauchen echte Hilfe, auch vom
Bund.
Meine Damen und Herren, ich denke, nur wenige von
Ihnen wissen das: Am letzten Donnerstag, heute vor einer Woche, ist vor der polnischen Ostseeküste ein Schiff
untergegangen, die „Georg Büchner“. Warum erzähle
ich Ihnen das? Die „Georg Büchner“ ist ein Kulturdenkmal, das über Jahrzehnte in der Hansestadt Rostock,
meiner Heimatstadt, gelegen hat. Zehntausende Menschen fühlen sich eng mit dem Schiff verbunden. Die
„Georg Büchner“ war ein Ausbildungsschiff, auf dem
sehr viele Menschen gefahren sind und gelernt haben.
Dieses Schiff konnte von der Kommune nicht mehr gehalten werden. Es wären etwa 5 Millionen Euro notwendig gewesen, um dieses Kulturdenkmal zu sanieren. Das
war nicht möglich. Es war der Kommune nicht möglich,
und es war dem Trägerverein nicht möglich. Dem Schiff
wurde der Denkmalstatus entzogen. Es sollte nach Litauen geschleppt und abgewrackt werden. Dazu ist es
nicht gekommen. Die „Georg Büchner“ ist schlicht abgesoffen. Sie ist damit ein Stück weit Sinnbild für die
Lage der Kommunen in Deutschland.
Die Kommunen haben 2012 - ich finde, das ist eine
ganz beeindruckende Zahl - Gesamtsteuereinnahmen in
Höhe von etwa 198 Milliarden Euro gehabt, und zwar
bereinigt. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2013 hat
ein Volumen von 302 Milliarden Euro; das ist etwa ein
Drittel mehr. Wenn man sich vor Augen führt, dass von
diesen 198 Milliarden Euro etwa ein Viertel sofort an
Sozialleistungen weggegangen ist, dann ist das schon
beeindruckend, weil es deutlich macht, wie eng die Lage
der Kommunen ist. Wenn allein ein Viertel der Gesamteinnahmen zur Finanzierung der notwendigen Sozialleistungen gebraucht wird - dann ist noch keine Angestellte finanziert, noch kein Schulbuch gekauft, noch
kein Spielplatz saniert, noch keine Straßenbahn bezahlt
und noch kein neuer Radweg gebaut -, dann zeigt das,
wie eng die Budgets der Kommunen in Deutschland tatsächlich sind.
Außerdem ist dann noch kein einziger Cent für Kultur
investiert worden. Es ist erschütternd, zu sehen, wie
massiv in den letzten Jahren Stellen bei Theatern und
Orchestern gestrichen wurden. Man muss sich einmal
vergegenwärtigen, wie viele Sparten an Theatern in den
letzten Jahren deutschlandweit geschlossen worden sind,
wie viele Orchester zusammengelegt wurden und fusioniert sind. Alles das ist eine Folge der mangelnden kommunalen Finanzausstattung.
({2})
Als Bach, Mozart und Bruckner ihre üppigen Konzerte geschrieben haben, haben sie nicht daran gedacht,
dass es irgendwann klamme Kommunen geben würde,
die sich keine Orchester mehr leisten können, um diese
Konzerte auch zu spielen. Aber das kann ja nicht bedeuten, dass wir künftig auf Bach, Bruckner und Mozart
verzichten. Wir brauchen auch um der Kultur willen eine
angemessene kommunale Finanzausstattung.
({3})
Kommunen machen Fehler - natürlich -, und sie geben auch Geld an falschen Stellen aus. Aber dabei sind
sie in guter Gesellschaft: mit den Ländern, mit dem
Bund und mit der EU. Natürlich muss vieles besser gemacht werden. Aber man kann den Kommunen zweifelsfrei nicht vorwerfen, dass sie sich nicht kümmern
würden. Sie haben Steuern erfunden, und sie haben Steuern in teilweise absurde Höhen getrieben. Alles das hat
nur bedingt geholfen.
Ich habe mir ein paar Zahlen herausgesucht. Die Stadt
Oberhausen hat etwa 1,8 Milliarden Euro Schulden; der
Grundsteuerhebesatz liegt bei 590 Prozent, der Gewerbesteuerhebesatz bei 520 Prozent. Nürnberg hat fast
1,3 Milliarden Euro Schulden; der Hebesatz der Grundsteuer B liegt bei 535 Prozent und der Gewerbesteuerhebesatz bei 447 Prozent. Wenn man das Ganze durchdekliniert, stellt man fest: Es ist erschreckend. Je nachdem,
welche Region Deutschlands man betrachtet, findet man
zum Teil Steuersätze vor, die nicht mehr zur Leistungsfähigkeit passen.
In meiner Heimatstadt Rostock, wo ich seit 2004 in
der Bürgerschaft, im Kommunalparlament, bin - seit
2009 bin ich Vorsitzender des Finanzausschusses -, haben wir gerade wieder die Steuern erhöhen müssen, weil
wir keine andere Chance mehr hatten. Wir haben jetzt in
einer 200 000-Einwohner-Stadt einen Hebesatz der
Grundsteuer B von 480 Prozent und einen Gewerbesteuerhebesatz von 465 Prozent. Ich wäre mir sofort mit der
FDP einig, wenn sie sagt: Das ist zu viel; das ist nicht
mehr wirtschaftsfreundlich. - Das stimmt. Das ist zu
viel, und das ist nicht mehr wirtschaftsfreundlich. Nur,
die Kommune hat gar keine andere Chance mehr. Man
muss einsehen, dass Kostensteigerungen aufgefangen
werden müssen. Entweder macht man das über diesen
unvernünftigen Weg der Erhöhung der Kommunalsteuern, oder man redet endlich einmal darüber, wie die
Kommen vernünftig ausgestattet werden können. Ich bin
für die zweite Variante, meine Damen und Herren.
({4})
Wenn man die zweite Variante verfolgt, dann muss
man sich anschauen, wo immer wieder die Probleme
entstehen: Das sind eben genau die Stellen, an denen der
Bund Aufgaben auf die Kommunen abwälzt, ohne diese
Aufgaben auszufinanzieren. Deswegen hat die Linke die
ganz klare Position: Wir brauchen endlich ein Konnexitätsprinzip für das Verhältnis zwischen Bund und Kommunen. Es ist in Ordnung, wenn der Bund den KommuSteffen Bockhahn
nen eine Aufgabe überträgt; aber dann muss er diese
Aufgabe auch voll ausfinanzieren.
({5})
Ich will Ihnen ein schönes Beispiel dafür geben: In
meiner Heimatstadt Rostock gibt es eine Schleuse am
Mühlendamm. Diese Schleuse ist enorm wichtig, erstens
weil nur durch diese Schleuse Flutschutz betrieben werden kann und zweitens weil diese Schleuse für Sportboote, Kanus und Ruderboote die einzige Durchfahrt
zwischen Ober- und Unterwarnow darstellt. Diese
Schleuse nicht öffnen zu können, ist in etwa so, als wenn
man die Alster von der Elbe trennt; das ist einfach nicht
vernünftig. Die Sanierung dieser Schleuse würde 2 Millionen Euro kosten. Der Bund möchte sich dieser
Schleuse entledigen und stellt sich stur. Die Kommune
kann die Schleuse nicht allein sanieren. Das Ergebnis:
Die Schleuse ist geschlossen, und das Wasser- und
Schifffahrtsamt fordert die Kommune dazu auf, darüber
nachzudenken, den Damm zuzuschütten und diese
Durchfahrt dauerhaft zu sperren. Das, meine Damen und
Herren, ist der Umgang des Bundes mit den Kommunen
in Deutschland, und der ist falsch.
({6})
Es gibt weitere Beispiele, die so absurd sind, dass
man es kaum fassen kann. Legendär ist das Eisenbahnkreuzungsgesetz. Beim Eisenbahnkreuzungsgesetz geht
es darum, dass, wenn Bahnübergänge geschlossen werden, für den Bahnübergang eine Kreuzung gebaut werden muss. Die Kosten werden dann zwischen Bund,
Kommune und Bahn geteilt; jeder muss ein Drittel tragen. In Brandenburg gibt es die Gemeinde Rückersdorf
mit 1 500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Rückersdorf hat einen Gesamthaushalt in Höhe von etwa
15,7 Millionen Euro und einen Schuldenstand in Höhe
von 2,6 Millionen Euro. Diese Gemeinde wird nun gezwungen, in eine Eisenbahnkreuzung, die sie gar nicht
will, 2,5 Millionen Euro zu investieren. Das ist die Politik dieser Bundesregierung im Umgang mit den Kommunen, und diese Politik ist falsch.
({7})
Es wird immer wieder darauf verwiesen - wir haben
das auch heute schon mehrfach gehört -, dass die Kommunen in Deutschland unglaubliche Überschüsse erwirtschaften würden. Das stimmt auch - im Durchschnitt.
Aber im Durchschnitt war der See einen Meter tief, und
die Kuh ist trotzdem ertrunken.
({8})
Diese Überschüsse sind enorm ungleich verteilt: Einigen
wenigen Kommunen geht es sehr gut; ich gönne ihnen
das. Diesen wenigen Kommunen stehen aber unfassbar
viele Kommunen gegenüber, die keine Chance haben,
ihren Haushalt in den Griff zu bekommen. Wir müssen
darüber reden, wie wir zu gleichen Chancen für alle
Kommunen und damit zu dem grundgesetzlich garantierten Anspruch auf gleiche Lebensverhältnisse überall
in Deutschland kommen. Gleiche Chancen sind die Voraussetzung dafür, dass es den Kommunen möglich ist,
gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. Da müssen wir
alle zusammen noch deutlich mehr tun: Dazu brauchen
wir eine grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Die deprimierende Lage der Kommunen in vielen
Teilen der Republik führt auch zu einem Rückzug der
Menschen aus der aktiven Beteiligung. Ich glaube, keine
der Parteien dieses Hohen Hauses kann sich davon freisprechen, dass es überall in Deutschland immer schwieriger wird, Kandidatinnen und Kandidaten für die
Kommunalwahlen zu finden. Es wird nämlich immer
schwieriger, zu verstehen, was man in der Kommunalpolitik tatsächlich noch gestalten kann. Das, meine Damen und Herren, ist ein echtes Problem. Es ist vor allen
Dingen auch ein Problem für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland; sie muss nämlich zuerst von
unten wachsen. Wenn wir nicht einmal mehr genügend
Bewerberinnen und Bewerber finden, um die Kommunalparlamente voll zu besetzen, was ist das für ein Armutszeugnis für alle von uns? Davor sollten wir uns hüten. Auch deswegen müssen wir die Kommunalpolitik
wieder attraktiver machen. Wir müssen ihr wieder Gestaltungsspielraum geben, meine Damen und Herren.
({9})
Das ganze - Entschuldigung! - Gerede darüber, was
die Kommunen alles tun könnten und müssten, ist teilweise absurd. Wie viele Kommunen wurden in den letzten Jahren ausdrücklich gezwungen, ihr Eigentum zu
verkaufen, um den Haushalt einmalig zu sanieren?
Heute müssen wir uns ganz oft über Probleme am Wohnungsmarkt unterhalten. Da kann ich nur sagen: Augen
auf bei der Entscheidung, und zwar vorher und nicht danach! Man darf sich nicht wundern, dass, wenn man
Kommunen dazu zwingt, ihre Wohnungsbestände zu
veräußern, im Nachgang kaum noch sozialer Wohnungsbau vorhanden ist. Die Kommunen könnten dies leisten.
Wenn man sie aber ihrer Möglichkeiten beraubt, werden
die Kommunen hier nicht steuernd eingreifen können.
Kurzum, meine Damen und Herren: Egal welche Bundesregierung in den letzten Jahren am Werk gewesen ist,
die Lage der Kommunen hat sich im Grundsatz nicht
verbessert. Da muss noch einiges passieren.
({10})
Das Wort erhält nun die Kollegin Katrin GöringEckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Erneut müssen viele Menschen gegen massives Hochwasser kämpfen. Unser Dank gilt den vielen Helferinnen
und Helfern: denen von den Freiwilligen Feuerwehren,
denen von der Bundeswehr, denen, die ehrenamtlich helfen, den Nachbarinnen und Nachbarn. Viele Notunterkünfte wurden gar nicht gebraucht, weil die Menschen
bei Freunden, bei Nachbarn, zum Teil auch bei ganz
Fremden untergekommen sind.
Die jetzigen Schäden übertreffen vielerorts das Ausmaß des sogenannten Jahrhunderthochwassers von
2002. Mich beeindruckt sehr, mit welch großer Ruhe die
Betroffenen handeln und dass sie vor allem den Mut
nicht verlieren. Ich zolle diesen Menschen sehr viel Respekt.
({0})
Wenn man in den Hochwassergebieten unterwegs ist,
riecht man Öl und Gas und sieht allerorten braune Wasser- und Schlammmassen.
Wenn wir hier schon längst wieder bei anderen Themen sind, werden die Menschen dort immer noch versuchen, ihre Häuser wieder trocken und sauber zu bekommen. Dann werden Unternehmen versuchen müssen,
neue Maschinen zu finanzieren. Hier und da wird man
völlig neu anfangen müssen. Einer Gärtnerei sind zum
dritten oder vierten Mal alle Pflanzen weggeschwommen. Mancher braucht zum zweiten, mancher zum dritten Mal eine komplett neue Wohnungseinrichtung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir denken an diese
Menschen. Das dürfen wir aber nicht nur heute hier tun,
sondern unsere Hilfe muss kontinuierlich sein. Sie muss
unbürokratisch sein und darf nicht nur aus warmen Worten am heutigen Tag bestehen.
({1})
Ich finde übrigens, dass wir dabei auch besonders an
die Menschen in den kleinen Orten mit nur hundert und
nicht hunderttausend Einwohnerinnen und Einwohnern
denken sollten, die ganz oft vergessen werden. Die Menschen in diesen Orten haben häufig das Gefühl, ihr
Hochwasserschutz sei nur halb so wichtig wie der
Damm vor einer großen Stadt.
Die unbürokratische Hilfe muss also an erster Stelle
stehen. Aber viele Leute vor Ort fragen natürlich auch:
Wie sieht es jetzt eigentlich mit den Lehren aus der Katastrophe von 2002 aus? Ist wirklich getan worden, was
getan werden musste? - Diesen Fragen können wir uns
in dieser Debatte nicht entziehen.
Natürlich brauchen wir Mauern. Natürlich brauchen
wir Deiche. Natürlich brauchen wir Schutz. Aber wir
brauchen definitiv auch mehr ökologischen Hochwasserschutz. Wir brauchen Flussauen, die renaturiert sind. Wir
müssen dafür sorgen, dass nicht immer mehr Landschaft
versiegelt wird. In Deutschland nimmt die Siedlungsfläche in jeder Sekunde um 12 Quadratmeter zu. Dort kann
das Regenwasser nicht mehr abfließen. Auch dem müssen wir ins Auge blicken. Das spielt ebenfalls eine Rolle,
wenn wir heute an die Hochwasseropfer denken und sagen, dass sich hier wirklich langfristig etwas ändern
muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({2})
Damit bin ich natürlich auch bei der Situation der
Kommunen. Ehrlich gesagt, finde ich es angesichts der
Realität nicht besonders angemessen, wenn Sie sich
heute hier quasi auf die Schulter klopfen. Sie wissen genau: Die Kommunen schieben einen Schuldenberg in
Höhe von 120 Milliarden Euro vor sich her. Was das
heißt, kann jeder sehen, der mit offenen Augen durch
Städte und Ortschaften geht.
({3})
Man kann das an den öffentlichen Gebäuden genau sehen.
Man kann es an Fassaden sehen. Man kann es an Turnhallen sehen. Man kann es auch an den 1 100 Schwimmbädern sehen, die in den letzten Jahren geschlossen worden
sind. Hunderte stehen noch vor der Schließung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das hat mit
Daseinsvorsorge zu tun. Ist es eigentlich noch möglich,
ein ganz normales gemeinschaftliches Leben in einer
Kommune zu führen? Haben Kinder, Jugendliche und
Erwachsene eigentlich noch Freizeitmöglichkeiten? Stehen eigentlich noch Bibliotheken zur Verfügung? Gibt es
noch Theater? Können sie ins Schwimmbad gehen? Sind
die Turnhallen in Ordnung oder nicht?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist für mich
auch eine Frage der Demokratie. Wer die Kommunen im
Regen stehen lässt, betreibt hier eine echte Gefährdung.
({4})
Es geht nicht nur um den Schuldenberg, sondern auch
um das fehlende Geld für Investitionen. Die KfW hat
festgehalten, dass sich der Investitionsrückstand in den
Kommunen auf 128 Milliarden Euro beläuft. Ich sage
Ihnen ganz ehrlich: Was sollen die Kinder eigentlich
denken - trotz guter Lehrer, trotz viel Engagement -,
wenn der schäbigste Bau in der Ortschaft immer die
Schule ist, liebe Kolleginnen und Kollegen? Das muss
sich ändern.
({5})
Die Kommunen sind der Ort, wo Politik und Demokratie erlebt werden.
({6})
Durch die schwarz-gelben Steuergesetze und insbesondere das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit dem Sie
unter anderem die Hoteliers bedient haben - das war Ihre
Antwort -, haben Sie den Kommunen in den letzten drei
Jahren mehr als 5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen
entzogen.
({7})
Das ist Klientelpolitik zulasten der Bürgerinnen und
Bürger und zulasten der Kommunen.
({8})
Natürlich ist es richtig, die Kosten für die Grundsicherung im Alter zu übernehmen; das ist aber erst auf
Druck des Bundesrates geschehen.
({9})
Aber dass Sie nicht über die Eingliederungshilfe mit
dem entsprechenden Kostenzuwachs und nicht über andere soziale Pflichtleistungen diskutieren, zeigt, dass Sie
weder die Kommunen noch die Investitionen im Blick
haben. Das wird übrigens auch durch Ihre Versprechungen in den letzten Tagen deutlich.
({10})
Mit ungedeckten Schecks tun Sie so als ob.
Wir von den Grünen sind gerade in den letzten Wochen sehr hart angegriffen worden, weil wir gesagt haben, wie wir das, was wir vorhaben, finanzieren wollen.
Was machen Sie? - Sie machen Versprechungen von der
Mütterrente bis zur Kindergelderhöhung, ohne nur an einer einzigen Stelle zu sagen, wie sie bezahlt werden sollen.
({11})
Sie lassen die Kommunen insbesondere beim Ausbau
der Kindertagesstätten im Regen stehen und machen
Versprechungen an anderer Stelle.
({12})
Ich will Ihnen sagen, wie ich das finde: Das ist unsolide
und unseriös.
Offensichtlich wird aber, dass das inzwischen auch einigen im Kanzleramt klar geworden ist; denn die Nervosität steigt. Sie wissen, dass Sie seit Jahren an der Realität der Menschen vor Ort vorbeiregiert haben. Es wird
Zeit, dass sich das ändert, und zwar ganz spürbar.
Ich bin sicher: Es wird sich etwas in den Kommunen
ändern. Der Investitionsstau muss behoben werden. Die
Menschen sollen wissen, dass wieder in die Schulen und
in die Bildung ihrer Kinder investiert wird. Sie sollen
wissen, dass ihre Realität und nicht die der Lobbyisten
wichtig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der
22. September wird das zeigen.
Vielen Dank.
({13})
Peter Götz ist der nächste Redner für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hochwasser hält Deutschland weiter im Griff. Auch von unserer
Seite, Herr Präsident, ein herzliches Dankeschön für die
treffenden und einfühlsamen Worte zu Beginn der heutigen Debatte.
Wir erleben in diesen Tagen auf dramatische Weise,
mit welchen Emotionen tatsächlicher und drohender
Schaden in vielen Städten und Gemeinden verbunden
ist. Wir haben gestern von Bundesminister Peter
Ramsauer im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung einen ersten Bericht zur Lage sowie zum Ausmaß der Schäden an Infrastruktur und Gebäuden erhalten. Schulen und Kindergärten in den Städten, aber auch
im ländlichen Raum sind genauso betroffen wie das
eigene Heim oder die Wohnung. Es wird - das wissen
wir - Milliarden kosten, um diese Schäden zu beseitigen.
Wenn wir die große Solidarität sehen, wenn wir erleben, wie Tausende bis zur Erschöpfung gegen Wassermassen kämpfen, sind wir zuversichtlich, dass es in einem gemeinsamen Kraftakt gelingen wird, zusammen
mit den betroffenen Kommunen nicht nur die Schäden
zu beseitigen, sondern vor allem dafür zu sorgen, dass
der Hochwasserschutz vor Ort weiter zügig verbessert
wird.
Meine Damen und Herren, zurück zur Antwort der
Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zur Lage der
Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland, mit der
wir uns heute auch auseinandersetzen. Die kommunalfreundliche Politik der Bundesregierung ist ein milliardenschwerer Segen für die Städte und Gemeinden in unserem Land.
({0})
Das ist, in einem Satz gesagt, das Fazit der Antwort auf
unsere Große Anfrage.
Wir danken allen, die an der ausführlichen Beantwortung von nahezu 100 Fragen mitgearbeitet haben.
Die Antworten zeigen deutlich, dass die Politik der
Bundesregierung, verteilt über viele Politikbereiche, entscheidend zur Stärkung der Kommunen und der kommunalen Selbstverwaltung beiträgt. An die Adresse der Linken sei gesagt: Man sollte sich zwischendurch vielleicht
einmal daran erinnern, wie zu Zeiten der DDR die kommunale Selbstverwaltung behandelt worden ist.
({1})
Wir haben in den vergangenen vier Jahren eine einmalige und in dieser Größenordnung bisher noch nie da
gewesene Leistungsbilanz zugunsten der Kommunen
aufzuweisen. Das ist nicht nur unsere Einschätzung;
diese Einschätzung wird auch von den kommunalen
Spitzenverbänden geteilt.
Ihnen, Herr Dr. Schäuble, danken wir für Ihr großes
Verständnis für die berechtigten kommunalen Belange,
das Sie bei allen Begehrlichkeiten, die an den Bundesfinanzminister immer wieder herangetragen werden, jeweils hatten. Sie haben zur Zeit der Gemeindefinanzkommission immer wieder gesagt: Wir machen nichts
gegen die Kommunen, und wir helfen im Rahmen unserer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten. - Ich weiß,
das haben viele nicht geglaubt, aber Sie haben Wort gehalten. Dafür herzlichen Dank!
({2})
Lassen Sie mich dazu auch noch sagen: Ohne Ihr Verständnis für die kommunalen Belange wären die Städte
und Gemeinden heute nicht da, wo sie sind. Sie sind
nicht nur auf einem guten Weg, sondern haben auch ein
gutes Ergebnis vorzuweisen.
Allein durch die Übernahme der Grundsicherung im
Alter von jährlich 4,5 Milliarden Euro - das wurde bereits gesagt - werden die Kommunen in den Jahren 2012
bis 2016 von Sozialausgaben in einer Größenordnung
von nahezu 20 Milliarden Euro entlastet. Der Bund leistet damit einen deutlichen und vor allem nachhaltig aufwachsenden Beitrag zur Stabilisierung und dauerhaften
Verbesserung der Kommunalfinanzen. Das ist seit Bestehen der Bundesrepublik die größte finanzielle Entlastung, die je eine Bundesregierung beschlossen hat. Sie
können schimpfen und dagegen wettern - diese Zahlen
sprechen eine eindeutige Sprache.
({3})
Wir danken deshalb auch der Bundeskanzlerin für
diese großartige Bundesleistung. Kein Bundeskanzler
zuvor hat so viel für die Kommunen bewirkt wie Angela
Merkel.
({4})
Sie, Frau Kollegin Göring-Eckardt, haben mit Ihrer
Stimme die Gewerbesteuerumlage angehoben. Sie haben
die Grundsicherung im Alter eingeführt, ohne den Kommunen das notwendige Geld dafür zur Verfügung zu
stellen.
({5})
Wir haben diese Ihre rot-grüne kommunalfeindliche
Politik beendet.
({6})
Wenn wir die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage weiter analysieren, dann sehen wir,
dass wir beliebig weiter über die Erfolge in unserer Leistungsbilanz sprechen können:
Man kann es nicht oft genug sagen: Der Bund unterstützt den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter
drei Jahren mit 5,4 Milliarden Euro, und er leistet damit
den Ländern, die dafür eigentlich zuständig sind, eine
unschätzbare Hilfe.
({7})
Als weiteres Stichwort nenne ich das Bildungs- und
Teilhabepaket, das wir auf den Weg gebracht haben.
({8})
Hinzu kommt - auch das ist leider bei vielen in Vergessenheit geraten -, dass die kommunalen Spitzenverbände künftig noch besser, als das bisher je der Fall war,
in bundespolitische Entscheidungen eingebunden werden.
({9})
Schließlich sorgt auch die positive wirtschaftliche
Entwicklung unseres Landes, die übrigens auch etwas
mit unserer Politik zu tun hat, erstmals nach 2008 wieder
für einen Finanzierungsüberschuss von 1,8 Milliarden
Euro im Jahr 2012. Kollegin Reinemund hat es gesagt:
In den Folgejahren ab 2013 wird mit noch größeren
Finanzierungsüberschüssen gerechnet.
Wenn wir uns an die Zeit der rot-grünen Regierung
zurückerinnern, dann wissen wir, um nur ein Beispiel zu
nennen, dass das kommunale Defizit im Jahr 2003, in einer Zeit, als es noch keine internationale Finanzmarktund Wirtschaftskrise gab, bei 8,4 Milliarden Euro lag.
Defizit, nicht Überschuss!
Es gibt natürlich - das ist unstrittig - Wermutstropfen.
Leider ist das Bild der Kassenkredite mit 47 Milliarden
Euro nach wie vor alarmierend. Der Bundesfinanzminister hat es angesprochen: Allein knapp die Hälfte aller
Kassenkredite in Deutschland stammt aus Kommunen in
Nordrhein-Westfalen.
({10})
Herr Oppermann, es ist schon bemerkenswert, dass Ihr
Kanzlerkandidat jetzt auf einmal die Kommunen ins
Herz schließt. Zu seiner Zeit als Finanzminister und Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen ist die Höhe der
Kassenkredite dort exorbitant gestiegen.
({11})
Wenn er jetzt den Feuerwehrmann spielt, sollte er nicht
vergessen, dass er vorher vor Ort fleißig mitgezündelt
hat.
({12})
Die größte kommunale Entlastung in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland haben wir ganz ohne
Steuererhöhungen hinbekommen und gleichzeitig die
staatliche Neuverschuldung gesenkt.
({13})
Noch eines: Wenn der Deutsche Städte- und Gemeindebund diese Woche die SPD dringend vor einer Steuererhöhung warnt und zu Recht auf den kaum zu bewältigenden Bürokratieaufwand bei der Einführung der
Vermögensteuer hinweist, beweist dies einmal mehr,
dass neue Steuern der falsche Weg sind.
({14})
Am 1. August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen
Krippenplatz in Kraft.
({15})
Es gibt übrigens aus dem Jahr 2006 eine Vereinbarung
zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die zum Inhalt hat, dass sie sich an den Kosten mit je einem Drittel
beteiligen wollen. Das haben viele vergessen. Einige
Länder haben sehr lange gebraucht, bis sie gemerkt haben, dass sie nicht nur die Gelder des Bundes, sondern
auch ihren eigenen Finanzanteil an die Kommunen geben müssen. Wir fordern, dass unsere Hilfen uneingeschränkt bei den Kommunen ankommen und nicht an
den klebrigen Fingern der Länderfinanzminister hängen
bleiben.
({16})
Während Rot-Grün in seiner Regierungszeit ständig
neue Aufgaben erfand, die von den Kommunen zu finanzieren waren, wurde unter Führung von CDU und CSU
diese kommunalfeindliche Politik beendet.
({17})
Heute gilt zu Recht der Grundsatz: Wer bestellt, der bezahlt. Die Politik der christlich-liberalen Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen verdient das Vertrauen der Kommunen. Dies unterstreicht die Antwort
auf unsere Große Anfrage sehr deutlich. Es liegt im ureigenen Interesse der Städte, Gemeinden und Landkreise,
dass dieser Politikstil mit Bundeskanzlerin Angela
Merkel und Wolfgang Schäuble weiter fortgeführt werden kann. Dafür lohnt es sich zu arbeiten.
Herzlichen Dank.
({18})
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Bernd
Scheelen für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich unbotmäßigerweise mit einer leichten Kritik an Ihrer Äußerung hinsichtlich der fehlenden Präsenz von Vertretern
auf der Länderbank beginnen. Ich habe ein gewisses
Verständnis dafür, dass die Länderbank nicht voll besetzt
ist,
({0})
weil das, um das es hier geht, dieses Papier hier, die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der eigenen
Koalitionsfraktionen ist. Das Papier enthält nichts anderes als die ultimative Lobhudelei. Dafür, dass sich die
Ländervertreter eine Debatte dazu nicht anhören wollen,
habe ich volles Verständnis.
({1})
Ich habe auch Verständnis dafür, dass keine Vertreter
von CDU-geführten Ländern hier sind; denn auch sie
wollen sich das nicht anhören.
({2})
Es ist ein sehr merkwürdiger Vorgang, dass die eigenen Fraktionen die Regierung fragen: Waren wir nicht
toll? Die Regierung bestätigt das auch noch. 92 Fragen
auf 117 Seiten: Es hat mich viel Lebenszeit gekostet, das
alles durchzulesen. Es hat sich nicht gelohnt: Das Papier
ist dick, aber der Inhalt ist dünn.
({3})
Herr Minister Schäuble, Sie haben in Ihrem Vortrag
im Wesentlichen darauf abgehoben, wie kommunalfreundlich diese Regierung ist und was Sie alles für die
Kommunen getan haben. Ich sage Ihnen: All das, was
Sie hier beschreiben, ist nicht auf Ihre eigene Initiative
zurückzuführen, sondern das ist auf Druck derjenigen
passiert, die im Moment nicht hier sind, weil sie sich um
ihre Kommunen kümmern. Sie haben diese Forderungen
durchgesetzt, und zwar im Vermittlungsverfahren zum
Bildungs- und Teilhabepaket und im Vermittlungsverfahren zum Fiskalpakt. Genau das ist die Wahrheit.
({4})
Ein Wort zur Gemeindefinanzkommission.
({5})
- Ich?
({6})
Der Kollege Rüttgers hat den Kommunen in NordrheinWestfalen in fünf Jahren 3 Milliarden Euro weggenommen. Deswegen haben viele Kommunen in NordrheinWestfalen ein Problem.
({7})
Kollege Finanzminister Schäuble hat tatsächlich, als
er merkte, dass die Gemeindefinanzkommission vor dem
Scheitern stand, einen Vorschlag gemacht. Er hat die
Vertreter der kommunalen Spitzenverbände eingeladen,
die Präsidenten und die Hauptgeschäftsführer, und einige Staatssekretäre; das waren insgesamt neun Personen. Ihnen hat er den Vorschlag gemacht, der Bund
könne die Kosten für die Grundsicherung im Alter übernehmen. Er hat allerdings mit diesem Vorschlag eine
Forderung verbunden. Er hat nämlich gefordert, dass die
Kommunen dem Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer zustimmen. Das haben die Kommunen abgelehnt - zu Recht übrigens.
({8})
Damals - Herr Minister Schäuble, Sie werden sich erinnern - hatten wir das hier diskutiert; genau diesen
Punkt haben wir in diesem Hohen Haus diskutiert. Ich
hatte damals auch Gelegenheit, dazu zu sprechen. Ich
habe Ihnen gesagt: Wir unterstützen Sie in der Frage,
aber ich fürchte, dass wir die Einzigen sind, die Sie darin
unterstützen. - Denn es kam nach dem Vortrag sofort
Gegenwind, insbesondere aus der FDP-Fraktion. Der
Kollege Wissing hat gesagt: Mit uns nicht machbar! Die Kollegin Homburger hat gesagt: Der Minister tut ja
etwas, aber nicht das, was wir wollen. - Der Kollege
Brüderle wird sich an seine eigenen Worte erinnern. Er
hat gesagt: Das ist mit uns nicht abgestimmt.
Dann haben wir gesagt: Wir machen da mit. - Dann
haben anlässlich des Bildungs- und Teilhabepakets, das
Sie sich auch auf die Fahnen schreiben - Sie schmücken
sich hier übrigens überall mit fremden Federn -,
({9})
das Ihnen aber das Bundesverfassungsgericht aufs Auge
gedrückt hat - ohne Urteil des Bundesverfassungsgerichts wären Sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen,
ein Bildungs- und Teilhabepaket zu machen -,
({10})
die SPD-geführten Länder im Vermittlungsausschuss Ihnen abverhandelt, dass der Bund schrittweise die Kosten
der Grundsicherung im Alter übernimmt.
Jetzt haben Sie vorhin - ich weiß gar nicht mehr, wer
es war, ich glaube, es war der Kollege Götz oder auch
Sie, Herr Minister - behauptet, Sie würden damit eine
Fehlentwicklung korrigieren, die unter Rot-Grün passiert ist. Da sage ich Ihnen, was wirklich passiert ist. Wir
haben damals ein Problem nach 16 Jahren Helmut Kohl
gelöst, das die schwarz-gelbe Kohl-Regierung niemals
angepackt hat,
({11})
nämlich etwas für die Kriegerwitwen zu tun, die nach
dem Krieg kaum Gelegenheit hatten, eigene Beiträge in
die Rentenversicherung einzuzahlen, und die letztlich
von Sozialhilfe leben mussten, das aber nicht taten, weil
sie die Sorge hatten, dass auf ihre Kinder zurückgegriffen würde.
({12})
Um das auszuschalten, haben wir dieses Gesetz gemacht und den Kommunen dafür 800 Millionen D-Mark
gegeben, weil das die Summe war, die damals für diesen
Personenkreis, der neu in dieses Gesetz aufgenommen
wurde, berechnet worden war.
Dann hat sich das in den letzten Jahren dramatisch
entwickelt, das ist völlig richtig. Der Bundesanteil hat
sich leicht erhöht. Aber deswegen ist die Forderung auch
richtig gewesen, das in die Zuständigkeit des Bundes zu
übergeben.
Denn letztlich ist es so, dass die kommunalen Haushalte noch vor 40 Jahren Investitionshaushalte waren.
Da war Geld da, um in die kommunale Infrastruktur zu
investieren, in Straßen, in Gebäude, in Schulen, in Weiterbildungseinrichtungen, in Büchereien, in Schwimmbäder und Ähnliches. Mittlerweile sind kommunale
Haushalte reine Sozialhaushalte, und zwar infolge von
Bundesgesetzgebung, die im Wesentlichen in den
16 Jahren unter Helmut Kohl geschaffen worden ist.
({13})
Es war wichtig und richtig, das zu korrigieren. Mich
hat nur gewundert, dass Sie den Weg einer Großen Anfrage gewählt haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass
Sie dazu einen Gipfel veranstalten.
({14})
45 Gipfel in dreieinhalb Jahren, davon allein neun in diesem Jahr - ich könnte sie alle vorlesen, aber angesichts
meiner Zeit, die begrenzt ist, verzichte ich darauf. Warum haben Sie oder die Kanzlerin keinen Gipfel einberufen? Eines ist klar: Sie hätten keine schönen Bilder produzieren können. Sie wären Gefahr gelaufen, dass
Bürgermeister, wie das vor zehn Jahren schon einmal der
Fall war, hier in Bettlerkleidung aufgetreten wären. Das
würde jeder Gipfelstrategie widersprechen; denn das
Ziel der Gipfel, die Sie ständig veranstalten, ist ja nur,
schöne Bilder zu produzieren. Das wäre aber nicht passiert. Deswegen sagen wir - glaube ich - zu Recht:
„Über allen Gipfeln ist Ruh‘“. Der Schluss dieses Gedichts von Goethe lautet: „Warte nur, balde ruhest du
auch.“ Das gilt für Sie.
Vielen Dank.
({15})
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Peter Röhlinger
für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, in dem
Wirrwarr von Zahlen einige andere Akzente zu setzen,
auch deswegen, weil übrigens meine Kämmerin schon
am Anfang meiner Amtszeit gesagt hat: Der Röhlinger
versteht nichts von Finanzwirtschaft, aber er ist sparsam. - Damit konnte ich sehr gut leben; denn wenn man
sich gut beraten lässt, kann man vor dem Hintergrund
auch erfolgreich sein.
Zunächst ein uneingeschränkter Dank auch in diesem
Zusammenhang an die Helfer, an die Feuerwehren und
Polizisten vor Ort. Ich habe mir in Jena die neuralgischen Punkte angeschaut und muss sagen: Wir haben unsere Aufgaben - bei uns fand die Jahrhundertflut 1994
statt - offensichtlich so gut gemacht, dass die neuralgischen Punkte dem Wasser standgehalten haben. Aber es
war wesentlich mehr. Wir haben uns in Übereinstimmung mit den Dezernenten in Jena darauf verständigt,
dass wir parteiübergreifend - die MdBs aus Ostthüringen - an die zuständigen Minister in Thüringen schreiben werden, dass insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den Talsperren und den Wehren und den
Kommunen vor Ort verbessert werden kann und muss.
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass das eintreffen
wird, was viele bislang nicht wahrhaben wollen: Die
Zahl der Unwetter wird zunehmen, und das nicht nur
kurzfristig.
An den Anfang möchte ich meinen Dank an diejenigen stellen, die in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, dass es den Kommunen deutlich besser
geht. Tatsächlich waren die letzten vier Jahre für die
Kommunen vier gute Jahre, auch wenn die Opposition
das nicht wahrhaben will. Ein Blick in die Zeitung des
Deutschen Städtetags, der nun weiß Gott kein Vertreter
der FDP-Politik ist, macht das deutlich. Im Übrigen
kommt mir die Differenzierung in reiche und arme
Städte bei Ihrer Kritik viel zu kurz, insbesondere bei Ihnen, Frau Göring-Eckardt. Sie müssten als gebürtige
Thüringerin doch eigentlich aus eigener Anschauung
wissen, dass es in einer beachtlichen Anzahl an Städten
in Thüringen gelungen ist, im Verhältnis zur Vergangenheit ungeahnte Fortschritte zu erzielen, insbesondere
wenn es um die Erfüllung der von Ihnen erwähnten kulturellen Ansprüche geht, und die Lebensqualität zu verbessern. Im Übrigen, Frau Göring-Eckardt, bin ich es als
Christ gewohnt, zuerst einmal Danke zu sagen, bevor ich
die Hand aufhalte und fordere: immer noch mehr, mehr,
mehr! - Auch dem Bund stehen nur Steuergelder zur
Verfügung.
({0})
Das Ergebnis ist, dass man mit 80 Milliarden Euro in die
neue Legislaturperiode startet. Wie ich höre, können
diese 80 Milliarden Euro egalisiert werden. Das alles
spiegelt sich in den aktuellen Zahlen wider.
Wie ich sehe - das verwundert mich nicht -, geht
meine Redezeit zu Ende. Ich möchte die Gelegenheit
nutzen, mich bei Ihnen herzlich zu bedanken. Das ist
heute mein letztes Grußwort von diesem Pult aus. Meine
Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter war für mich eine
sehr lehrreiche Zeit. Es war für mich sehr interessant,
über die Barriere zu steigen und Kommunalpolitik aus
der Sicht eines Bundestagsabgeordneten zu betrachten.
Ich habe viel gelernt und habe viel Verständnis, wenn
sich die Länder bemühen, Städte zu unterstützen, aber
dann das Feedback fehlt. Man darf nicht vergessen:
Letztlich werden die Steuergelder der öffentlichen Hand
verbraten.
Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen ungeachtet der Fraktionszugehörigkeit viel Freude - bleiben
Sie gesund! - und uns weiterhin gute Erfolge.
({1})
Lieber Kollege Röhlinger, den herzlichen Dank, den
Sie gerade für die gute Zusammenarbeit geäußert haben,
geben wir genauso gerne zurück. Sie gehören zu den
zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die vor oder neben der Wahrnehmung des Mandats im Deutschen Bundestag wichtige Aufgaben in ihren jeweiligen Kommunen übernommen haben. Unter diesem Gesichtspunkt
ganz herzlichen Dank für Ihre Arbeit und alles Gute für
die nächsten Jahre.
({0})
Britta Haßelmann ist die nächste Rednerin für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Herr Finanzminister,
wenn man sich Ihre Analyse genauer anschaut, dann
stellt man fest, dass sie keinem Faktencheck standhält.
Sie haben mithilfe der Farbenlehre versucht, aufzuzeigen, dass es den Kommunen überall, wo Schwarz-Gelb
regiert, gut geht und überall, wo Rot-Grün regiert,
schlecht geht. Das ist so was von billig und hat nichts
mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu tun. Sie
müssen sich nur die Situation in Nordrhein-Westfalen
anschauen; darauf haben Sie abgezielt. 2010 sind zwei
Verfassungsgerichtsurteile ergangen, und zwar alle gegen die alte schwarz-gelbe Regierung. In den Urteilen
betreffend das Einheitslastenausgleichsgesetz und die
Finanzierung der Kinderbetreuung wird deutlich, dass
sich die schwarz-gelbe Landesregierung unter Führung
von Herrn Rüttgers auf dem Rücken der Kommunen saniert hat.
Inzwischen ist es so, dass die rot-grüne Landesregierung seit 2010 unter anderem durch die Umsetzung der
Urteile den Kommunen zusätzlich 1 Milliarde Euro zur
Verfügung gestellt hat. Deshalb finde ich es unmöglich,
wenn Sie mit der These aufwarten: Wo Schwarz-Gelb
regiert, geht es den Kommunen gut; da, wo Rot-Grün regiert, geht es ihnen schlecht. - Das entspricht nicht den
Tatsachen, und das entspricht auch nicht der Lebenswirklichkeit der Menschen in den Städten und Gemeinden.
({0})
Das Zweite, meine Damen und Herren. Diese Große
Anfrage mit ihren 92 Fragen und den wunderbaren Antworten belegt doch durch Zahlen, dass Steuersenkungen
für die Kommunen Mindereinnahmen bedeuten. Das
können sich Kommunen in der jetzigen Finanzsituation
nicht leisten.
({1})
Die Zahl, die Frau Göring-Eckardt genannt hat, stammt
aus Ihrer Anfrage. Wenn man zwei und zwei zusammenzählt, landet man bei Gesetzen, die Sie beschlossen haben und die zu einem Minus von 5,2 Milliarden Euro für
die kommunale Ebene geführt haben.
({2})
Das heißt Steuersenkung auf Pump, Steuersenkung zulasten der Infrastruktur in den Städten und Gemeinden.
Damit muss Schluss sein. Das ist falsch. Das können die
Kommunen vor Ort nicht kompensieren.
({3})
Das dritte und letzte Problem: Die Schere zwischen
armen und reichen Kommunen geht immer weiter auseinander. Deshalb nützt es nichts, wenn Sie behaupten:
Wir haben alles so toll gemacht. - Natürlich ist die Entlastung bei der Grundsicherung gut. Die haben im Vermittlungsausschuss und hier Länder und Bund zusammen beschlossen. Darüber bin ich froh. Es ist ein Plus
von 4 Milliarden Euro für die Kommunen.
Das eigentliche Problem, nämlich dass die Schere
zwischen armen und reichen Kommunen weiter auseinandergeht, zeigt sich an drei Zahlen: 128 Milliarden
Euro Investitionsstau, 47,9 Milliarden Euro Kassenkredite und fast 45 Milliarden Euro soziale Kosten durch
Bundesgesetze. Darum müssen wir uns kümmern,
({4})
und zwar in den nächsten Jahren. Es nützt nichts, sich
auf die Schultern zu klopfen und zu sagen: Alles ist ganz
toll.
({5})
Es gibt wahnsinnig viel zu tun. Die sozialen Kosten
sind eines der großen Themen der Zukunft. Dafür haben
wir die Verantwortung. Das Konnexitätsprinzip ist längst
nicht umgesetzt. Das wissen auch Sie; denn wer den
Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung beschließt,
hat ihn auch zu finanzieren. Es geht nicht an, dass man
sagt: Wir stellen großzügig 4 Milliarden Euro zur Verfügung, und das muss langen. - Rechtsanspruch bedeutet
nicht eine Quote von 35 Prozent und einen Betrag von
4 Milliarden Euro, sondern bedeutet, dass jede und jeder
ihr bzw. sein Recht wahrnehmen kann. Dabei müssen
wir den Kommunen Unterstützung bieten.
({6})
Nächster Redner ist der Kollege Karl Holmeier für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Leistungsfähige Kommunen sind das Fundament unserer
Gesellschaft und somit unseres Staates. Es war das Ziel
der christlich-liberalen Koalition, die kommunale
Selbstverwaltung zu stärken. Dies haben wir erreicht wie
keine Regierung zuvor. Die Antworten auf die Große
Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP liefern dafür den ganz klaren Beweis. Wer von Kommunalfreundlichkeit spricht, meint die christlich-liberale Koalition mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
({0})
Bevor ich auf einzelne Punkte dieser hervorragenden
Leistungsbilanz eingehe, möchte ich die Gelegenheit
nutzen, unserem „Chefkommunalpolitiker“ Peter Götz
ganz herzlich für seine hervorragende Arbeit in der
AG Kommunalpolitik und somit für die Kommunen in
Deutschland zu danken.
({1})
Viele Impulse gingen und gehen von Peter Götz aus. Dafür danke schön! Ich danke auch der Bundesregierung
und der Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie unserem
Finanzminister Wolfgang Schäuble für die großartige
Unterstützung unserer Kommunen.
Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung stand
im Mittelpunkt unseres bundespolitischen Handelns. Unter der Führung der CDU/CSU haben die Kommunen die
größte Entlastung in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland erfahren. Nachdem die Kommunen im
Jahr 2005 nach sieben Jahren Rot-Grün mit dem Rücken
an der Wand standen, hat die christlich-liberale Koalition
sie wieder fit gemacht. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Wir haben die Kommunen allein in dieser Legislaturperiode unter dem Strich mit jährlich 5 Milliarden
Euro entlastet. Im Jahr 2012 - wir haben es schon oftmals gehört - hatten sie einen Finanzierungsüberschuss
von 1,8 Milliarden Euro; ich wiederhole: einen Überschuss. Im Jahr 2003 unter Rot-Grün hat es ganz anders
ausgeschaut. Dabei schlägt sich vor allem die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung positiv in den
Bilanzen der Kommunen wieder.
({2})
Hier unterstützt der Bund die Kommunen jährlich mit
etwa 4,5 Milliarden Euro. Das ist wie ein dauerhaftes
Konjunkturprogramm für Kommunen. Wir bereinigen
damit eine kommunale Belastung, die Rot-Grün eingeführt hat.
Darüber hinaus ist es mir als Vertreter des ländlichen
Raumes sowie als Verkehrs- und Baupolitiker besonders
wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir gerade in diesen
Bereichen entscheidend zur Entlastung der Kommunen
beigetragen haben. Angesichts der demografischen Entwicklung haben wir einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit auf die strukturschwachen Kommunen auf
dem Land gelegt. Im Vergleich zu früheren Wahlperioden ist festzuhalten: Der demografische Wandel ist von
der christlich-liberalen Koalition erstmals ressortübergreifend betrachtet und bearbeitet worden.
Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben
das Ehrenamt gestärkt und werden es auch weiter tun.
Gerade in der jetzigen Flutkatastrophe zeigt sich, wie
wichtig das Ehrenamt ist. Dafür einen herzlichen Dank!
({3})
Wir haben im November 2012 einen Antrag zur Zukunft
der ländlichen Räume verabschiedet, der ganz konkrete
Handlungsanweisungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in ländlichen Räumen enthält. Besonders
wichtig für die Kommunen und die Menschen in den
ländlichen Räumen war uns dabei die lückenlose Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen. Das
hatten wir in dem Antrag zur Zukunft der ländlichen
Räume in besonderer Weise berücksichtigt.
Die aktuellen Entscheidungen der Bundesnetzagentur zu den Entgelten für die Teilnehmeranschlussleitungen und den Plänen über die künftige Nutzung frei werdender Funkfrequenzen für die mobile Breitbandnutzung
zeigen, dass unsere Politik Wirkung zeigt. Wir sind auf
einem guten und richtigen Weg.
Das gilt im Übrigen auch für die Unterstützung der
Länder und Kommunen im Rahmen der Kompensationsmittel für die Aufgaben, die nach der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen sind. Wir
greifen den Ländern jedes Jahr mit über 2,5 Milliarden
Euro unter die Arme: zur Gemeindeverkehrsfinanzierung, für den sozialen Wohnungsbau und für den Hochschulbau. Für das Jahr 2014 haben wir diese sogenannten Entflechtungsmittel vorerst festgeschrieben, und wir
haben erklärt, dass wir dies bis 2019 weiter tun wollen,
sofern sich die Länder bereit erklären, auch dieses Geld
zweckgebunden zu verwenden.
({4})
Ein paar Worte zum Antrag der Linken zum Eisenbahnkreuzungsgesetz. Diesen Antrag lehnen wir natürlich ab.
Es zeigt sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die christlich-liberale Koalition in dieser Legislaturperiode insgesamt viel geleistet hat, aber in besonderer Weise sehr viel für die Kommunen.
({5})
Während andere nur viel geredet haben, haben wir für
die Kommunen gehandelt und dabei viel erreicht. CDU
und CSU sind die Interessenvertreter der Kommunen.
Andere tun nur so.
({6})
Nur mit einer christlich-liberalen Regierung nach der
Bundestagswahl werden auch künftig die Interessen der
Kommunen in Deutschland gut vertreten sein.
({7})
Herzlichen Dank.
({8})
Für die SPD-Fraktion erhält jetzt die Kollegin Kirsten
Lühmann das Wort.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
Sehr verehrte Zuhörende! Als ich mir diese Große Anfrage angeschaut habe, kam mir spontan das Motto eines
Pizzalieferservice in den Sinn: Sie bestellen, wir liefern. - Die Bundesregierung hat bestellt, und Sie, liebe
Koalition, haben geliefert: einen Strauß von Fragen, die
die Bundesregierung gerne beantworten wollte, die ihr
aber niemand gestellt hat. Und so haben Sie diese Aufgabe übernommen.
({0})
Was meine ich damit? Ich meine unter anderem die
Frage 22. Sie lautet:
Warum fällt die Sicherstellung einer angemessenen
Finanzausstattung der Kommunen in die Zuständigkeit der Länder?
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen von FDP, CDU
und CSU, die Antwort auf diese Frage gehört zum Basiswissen für unsere Arbeit im Bundestag. Welches Bild
von unserer Arbeit wollen Sie der Bevölkerung vermitteln? Was wir hier machen sollen, ist, die Regierung zu
kontrollieren, und zwar im Sinne der Bevölkerung. Das
möchte ich Ihnen noch einmal ins Gebetbuch schreiben.
Augenscheinlich scheint es in Ihrem Politikverständnis
gewisse Lücken zu geben, wenn Sie schon die Regierung danach fragen müssen.
({1})
Als der Bundesfinanzminister vorgetragen hat, bin ich
fast ein bisschen betroffen geworden. Er hat uns erklärt,
dass der Bund immer mehr Aufgaben übernimmt, die eigentlich die Länder haben, und den Kommunen dafür
das Geld gibt, das er doch selber nicht hat. Herr Finanzminister, Sie haben dabei völlig ausgeblendet, dass es
sehr viele Aufgaben gibt, die der Bund den Ländern
überantwortet, wofür er ihnen nicht ausreichend Geld
gibt. Ich erinnere uns nur an den neuen Bundespersonalausweis, an das Gesetz zum elektronischen Aufenthaltstitel und an das E-Government-Gesetz. Wir haben die
Kommunen verpflichtet, das umzusetzen, ihnen aber
nicht das Geld dafür gegeben. Herr Götz, was Sie hier
behaupten, nämlich dass diese Regierung den Kommunen, wenn sie die Erfüllung einer Aufgabe von ihnen
verlangt, auch das Geld dafür gibt, ist einfach nicht
wahr.
({2})
Ich komme zu dem letzten Gesetz, das ich angesprochen habe, zum E-Government-Gesetz. Es ist schon
spannend, dass die Bundesregierung in den Gesetzentwurf schreibt: Das wird die Kommunen wohl etwas kosten; wir wissen aber nicht genau, wie viel, also müssen
wir ihnen auch nichts geben. - Bei den Beratungen dieses Gesetzes haben Sie von der Koalition uns dann erklärt: Die Kommunen haben doch schon alle eine Homepage. Es wird wohl nicht so schwierig sein, noch eine
Seite hinzuzufügen; das kostet schon nicht viel.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich habe in der
letzten Woche mit einigen Kommunalvertretern geredet.
Ja, sie haben alle eine Homepage. Nur, diese Homepage
ist nicht für das ausgelegt, was wir von den Kommunen
verlangen, nämlich Anträge elektronisch auszufüllen
und auch eine elektronische Unterschrift mitzusenden.
Dafür müssen diese Homepages komplett neu gestaltet
werden. Zusätzlich müssen diese Anträge noch verarbeitet werden. Viele Kommunen haben sich inzwischen in
Gemeinschaft, in den Landkreisen, eine Software angeschafft, die normale Vorgänge bearbeiten kann, die aber
- ich habe nachgefragt - nicht in der Lage ist, diese elektronischen Anträge zu verarbeiten. Das heißt, die Kommunen müssen jetzt nicht nur eine komplett neue Software bestellen, sie müssen auch - wieder einmal - das
gesamte Personal neu schulen. Das ist es, was wir den
Kommunen aufbürden, und das ist es, was der Bundesregierung in dieser Antwort noch nicht einmal eine Erwähnung wert ist. Das ist ungehörig.
({3})
Erwähnenswert ist Ihnen jedoch das Thema der Umgestaltung der Kommunen nach dem Weggang von Armeen, sei es der Bundeswehrabzug im Rahmen der Neuordnung oder seien es britische bzw. amerikanische
Armeen, die uns im Rahmen des Abzugs verlassen. Ab
Seite 75 lesen wir zwei Seiten Prosa dazu, ohne klare
Aussage, wie die Regierung den Kommunen denn nun
helfen will.
Etwas klarer sind die Antworten auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zum selben Thema. Unter anderem hatten wir gefragt, was die Bundesregierung plant,
um die Kommunen beim Umbauprozess nach dem Abzug
der Truppen konkret zu unterstützen. Diese Antwort war
ganze acht Zeilen lang und lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Aufgrund von Sparzwängen sei es doch
schon ein Fortschritt, dass die Mittel für die Städtebauförderung im Jahr 2013 nicht gekürzt worden seien. - Das ist
doch unglaublich, meine Herren und Damen.
({4})
Es gibt noch viele weitere Punkte in dieser sogenannten Antwort, bei denen es genauso aussieht. Hinsichtlich
des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen bestand
beispielsweise die einzige Aktivität dieser Regierung darin, auf einem ihrer vier IT-Gipfel eine Arbeitsgruppe
zum Thema „digitale Infrastruktur“ zu veranstalten mit
René Obermann, dem Chef der Telekom, als Vorsitzendem.
({5})
Abschließend kann ich nur sagen, wenn ich mir Ihre
„Umfrage“ anschaue: Diese Pizza ist XXL; ihr Nährwert
tendiert gegen null. - Schade.
Danke schön.
({6})
Patrick Döring ist der nächste Redner für die FDPFraktion.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, wie
unterschiedlich in dieser Debatte der Blick der einzelnen
Kolleginnen und Kollegen auf die Lage im Land und auf
die Lage in den Kommunen ist.
({0})
Ich finde es auch bemerkenswert, dass es kein Kollege
der Sozialdemokraten, der Linkspartei oder der Grünen
fertiggebracht hat, eine grundlegend positive Bemerkung zu der Entlastung der Kommunen zu machen. Es
sind heute nämlich 3 Millionen Menschen mehr in
Arbeit als 2009. Das ist die beste Entlastung für die
Kommunen und eine Verbesserung der Situation in
Deutschland. Dafür machen wir Politik und nicht für irgendwelche Statistiken.
({1})
Herr Kollege Döring, darf der Kollege Bockhahn eine
Zwischenfrage stellen?
Ich habe nur drei Minuten. Deshalb lasse ich keine
Zwischenfragen zu.
({0})
Ich finde es beschämend, dass manche ganz offensichtlich den Wert bzw. das Niveau der Sozialstaatlichkeit in Deutschland ausschließlich auf der Grundlage der
Transferzahlungen von der einen staatlichen Ebene an
die andere bemessen. Das ist nicht der Maßstab. Der
Maßstab ist, dass möglichst viele Menschen die Chance
haben, ihr Leben selbst zu gestalten, und das hat diese
Koalition geschafft.
({1})
Dank fleißiger Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben so
viele Menschen Arbeit wie zuletzt 1990. Das ist die Errungenschaft der letzten guten vier Jahre.
({2})
Ich finde es bemerkenswert, dass mit zum Teil weinerlichen Reden darauf hingewiesen wird, dass es Unterschiede in der kommunalpolitischen Haushaltslage gibt.
Ja, die gibt es. Dass Herr Scheelen die Gewerbesteuer
verteidigt, mag zur Folklore gehören.
({3})
Aber zur Wahrheit gehört auch: Die konjunkturzyklische
Abhängigkeit der Gewerbesteuer stabilisiert die Finanzen von Kommunen nicht, sondern destabilisiert sie. Wir
wollten stabilere Finanzen für die Kommunen schaffen.
({4})
Einen Beitrag haben wir geleistet: Dank der vielen Menschen in Beschäftigung sind die Steuereinnahmen, auch
die der Kommunen, so hoch wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Das gilt für den Bund, die Länder und eben auch für die Städte und Gemeinden.
({5})
Es gibt Kommunalpolitiker, die mit diesen Steuereinnahmen gut umgehen und ihre Schulden vermindern,
und es gibt welche, die machen zusätzliche Schulden.
({6})
Diese Unterschiede wird man in diesem Hause wohl
deutlich machen dürfen. Es gibt Unterschiede zwischen
Schwarz und Gelb und Rot und Grün.
({7})
Ich will auch etwas zur Städtebauförderung sagen. Ja,
wir haben in der Städtebauförderung Veränderungen
vorgenommen. Da einige von Ihnen manchmal ein fast
religiöses Verhältnis zur „sozialen Stadt“ haben, will ich
hinzufügen:
({8})
Wir haben die Mittel für das Städtebauförderungsprogramm „Die soziale Stadt“ zwar gemindert; aber wir haben diese Mittel doch genommen, um etwas anderes zu
tun. Wir haben nämlich zwei neue Städtebauförderprogramme aufgelegt, und zwar für aktive Stadt- und Ortsteilzentren sowie für kleinere und mittlere Kommunen,
weil viele Deutsche im ländlichen Raum wohnen. Die
Städtebauförderung ist für alle da, nicht nur für die großen Städte. Das haben wir umgesetzt. Wir haben seit
1998 insgesamt 7,6 Milliarden Euro in die Städtebauförderung investiert. In diesem Jahr sind es 455 Millionen
Euro.
({9})
Es ist gut, dass wir in dieser Koalition nicht nur die
Städte, sondern alle Kommunen gefördert haben. Das
macht eine kluge Städtebauförderungspolitik aus.
Vielen Dank.
({10})
Hans-Joachim Hacker ist nun für die SPD der nächste
Redner.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Herr Döring, ich verstehe Ihre Aufregung
nicht. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass
Sie nicht mit Zahlen umgehen können. Wir freuen uns
alle, dass es weniger Arbeitslose gibt. Aber wir dürfen
nicht nur über die Zahl der Arbeitslosen, sondern müssen auch über die schlechten Beschäftigungsverhältnisse
in Deutschland diskutieren.
Zu Ihrer Arithmetik: Zwei Zahlen sprechen für sich.
2009 betrug die Gesamtsumme der Städtebaufördermittel 569 Millionen Euro. 2013 sind es 455 Millionen
Euro. Ich wiederhole es für Sie, Herr Döring: 569 Millionen Euro und 455 Millionen Euro bei einem Bedarf
von 700 Millionen Euro. In Anbetracht dieser Zahlen
verstehe ich Ihr Lob für die Städtebauförderpolitik dieser
Regierung nicht. Das ist doch nicht nachzuvollziehen,
Herr Döring.
({0})
Die beiden Zahlen sprechen für sich und für die Politik
der schwarz-gelben Koalition in diesen vier Jahren.
({1})
Es gibt einen Grundsatz, der da lautet: Eine gut funktionierende Kommune, die ihre sozialen Aufgaben wahrnehmen kann, ist ein Garant für sozialen Frieden. Wer
das vernachlässigt, riskiert, dass der soziale Friede geschädigt wird. Wir haben in den letzten Jahren in Europa
Beispiele dafür gesehen - kaum zu glauben: in Europa -,
und zwar in Großstädten in Frankreich und in England
und zuletzt auch in Stockholm. Die Hauptursache ist
meistens soziale Segregation, das heißt die Ausgrenzung, das Abschieben von Menschen in Problemstadtgebiete. Mit Wohnungspolitik und Städtebaupolitik, aber
auch mit Mietenpolitik kann gegengesteuert werden.
Auf diesen Feldern, meine sehr verehrten Damen und
Herren, hat diese Regierung kläglich versagt.
({2})
Sie haben eine rückwärtsgewandte Mietrechtsreform
durchgeführt, und Sie haben eine Städtebauförderung
vorgenommen, die den Bedürfnissen der Menschen in
den Kommunen nicht gerecht wird.
Sicherlich tragen alle drei Ebenen im Staat Verantwortung: die Kommunen, die Länder und der Bund.
Auch der Bund muss als zentraler Verantwortungsträger
seine Verantwortung wahrnehmen; aber in der Städtebaupolitik - dafür sprechen Beispiele - ist die schwarzgelbe Koalition dieser Verantwortung nicht nachgekommen: Sie haben die Mittel für die Städtebauförderung
- das habe ich gesagt - drastisch gekürzt. Sie haben
keine Maßnahmen gegen Mietsteigerungen vor allen
Dingen in den deutschen Großstädten ergriffen. Wir haben an dieser Stelle mehr als einmal darüber diskutiert,
was Sie unter einer Förderung der Regionalentwicklung
verstehen. Sie haben die Wohnungsbestände der TLG
Wohnen an eine Heuschrecke verkauft. Sie haben darauf
verzichtet, hier wenigstens in einem überschaubaren
Maß eine Strukturförderpolitik zu betreiben.
({3})
Man kann es so sagen: Die finanzielle Bilanz der
Städtebauförderung ist ein in Zahlen gegossener Offenbarungseid dieser schwarz-gelben Koalition.
({4})
Für diese Aussage gibt es Beweise - ich habe schon
Zahlen genannt -: Heute stehen für die Städtebauförderung 20 Prozent weniger Mittel bereit als 2009. Sie haben die Mittel für das wichtige Programm „Soziale
Stadt“ - das beklagen Kommunalpolitiker in allen Städten meines Wahlkreises, egal welcher Fraktion oder Partei die Bürgermeister angehören - um zwei Drittel gekürzt. Das Programm war 2009 mit 105 Millionen Euro
ausgestattet; in diesem Jahr sind es 40 Millionen Euro,
der Haushaltsansatz sah ursprünglich 30 Millionen Euro
vor. Die Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb,
die sich jetzt vor Ort den Bürgerdiskussionen stellen, bewerten es als großen Erfolg, hier Einfluss genommen zu
haben, sodass die Mittel für das Programm von 30 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro und die Bundesmittel
für die Städtebauförderung insgesamt von 350 Millionen
Euro auf gut 450 Millionen Euro aufgestockt worden
sind. Das ist kein Erfolg; das, was Sie im Bereich der
Städtebaupolitik geleistet haben, ist ein Desaster.
({5})
Ich erinnere daran: Im Jahr 2011 war der Etat des Programms „Soziale Stadt“ mit lediglich 29 Millionen Euro
ausgestattet. Schauen wir einmal, was das für die Länder
bedeutet: Mecklenburg-Vorpommern -
Herr Kollege, Sie können das mit Blick auf die längst
überschrittene Redezeit sicher nicht mehr im Einzelnen
vortragen.
Herr Präsident, das hätte ich gerne gemacht.
Ich glaube es Ihnen aufs Wort.
Ich wäre gerne auf die Plagiate im Bereich der Mietrechtspolitik eingegangen. Gestatten Sie mir, dass ich
noch zwei Zahlen nenne?
Aber gerne.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will die Zahlen für
Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen
nennen: 2009 standen Mecklenburg-Vorpommern
2,4 Millionen Euro aus dem Programm „Soziale Stadt“
zur Verfügung; 2013 sind es lediglich 869 000 Euro.
Dem Land Nordrhein-Westfalen standen im Jahre 2009
noch 23,6 Millionen Euro zur Verfügung; 2013 sind es
nur noch 9,1 Millionen Euro. Das ist das Ergebnis Ihrer
Städtebaupolitik.
Die Kommunen brauchen einen Wechsel, der hoffentlich am 22. September von den Wählern auf den Weg
gebracht wird.
({0})
Vielen Dank.
({1})
Ingbert Liebing ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
bisherige Verlauf der Debatte hat deutlich gemacht: Hinter uns liegt eine Wahlperiode mit einer außerordentlich
erfolgreichen Politik für unsere Kommunen in Deutschland.
({0})
Unter dieser Regierung sind die kommunalen Interessen
in guten Händen.
Da Sie von den Sozialdemokraten, Herr Scheelen,
jetzt groß spektakeln, möchte ich gerne eines fragen: Wo
sind denn eigentlich Ihre Spitzengenossen? Kein Fraktionsvorsitzender, kein Parteivorsitzender und schon gar
nicht der Kanzlerkandidat lassen sich bei dieser Debatte
über die Lage der Kommunen blicken. Das zeigt, welchen Stellenwert dieses Thema für Sie wirklich hat.
({1})
Sicher, die Unterschiede zwischen den Kommunen
sind groß, und niemand von uns bestreitet, dass es auch
in den Kommunen Probleme gibt.
({2})
Aber das Entscheidende ist: Die Gesamtbilanz der kommunalen Haushalte weist seit dem vergangenen Jahr
wieder Überschüsse, wieder schwarze Zahlen auf.
Schwarze Zahlen sind besser als rote Zahlen.
Dies wird umso deutlicher, wenn wir die heutige Lage
der Kommunen in die langfristige Entwicklung einordnen. Wo standen wir vor vier Jahren, wo standen wir vor
acht Jahren? 2005, nach sieben Jahren Rot-Grün an der
Regierung, befanden sich die Kommunen in der größten
Finanzkrise, die wir jemals hatten. In den drei Jahren
2002 bis 2004 hatten wir jedes Jahr große Defizite zu
verzeichnen, insgesamt 16 Milliarden Euro. Die Finanzkrise trug den Titel „Rot-Grün“.
({3})
Ab 2006, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel, ging
es wieder aufwärts. Es folgten gute Jahre, in denen Haushaltsüberschüsse zu verzeichnen waren. Insgesamt
19 Milliarden Euro Überschüsse wurden in den kommunalen Haushalten von 2005 bis 2009 erzielt, dann kam die
große Wirtschaftskrise. Ich sagte es bereits: Schwarze
Zahlen sind besser als rote Zahlen. Sie haben rote Zahlen
geschrieben, wir schreiben schwarze Zahlen.
({4})
2009, zu Beginn dieser Wahlperiode, gab es zwei verfassungswidrige Gesetze aus rot-grüner Regierungszeit,
die wir zu korrigieren hatten: Sowohl die Verwaltungsstruktur der Hartz-IV-Gesetze war verfassungswidrig als
auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche in
Hartz-IV-Familien.
({5})
- Ja, schreien Sie ruhig. Offensichtlich trifft es Sie, Herr
Scheelen. ({6})
Beide verfassungswidrigen Gesetze haben wir korrigiert.
Wir haben sie neu geregelt, jetzt sind sie verfassungsfest.
Wir haben die Jobcenter in guter Zusammenarbeit
zwischen Bundesagentur und Kommunen pragmatisch
neu aufgestellt. Die Praktiker vor Ort sind damit zufrieden.
({7})
Wir haben die Option der kommunalen Aufgabenwahrnehmung in Bezug auf die Langzeitarbeitslosigkeit ausgebaut und dauerhaft abgesichert. Damit sind die Praktiker vor Ort ebenfalls hochzufrieden. Wir haben auch die
Regelsätze für Kinder und Jugendliche mit dem Bildungs- und Teilhabepaket neu geregelt. Ich sage ausdrücklich: Dieses Bildungspaket ist ein Erfolgsprogramm.
Ich habe mir vor wenigen Wochen einen ganzen Tag
Zeit genommen, um in meinem Wahlkreis mit all denen
zu sprechen, die damit zu tun haben: mit den Verwaltungen, die das organisieren - sowohl in meinem Optionskreis als auch bei der BA -, mit einem Sportverein, mit
Schulen, mit einem Freizeitheim und dem Kinderschutzbund. Bei einigen Details war der eine oder andere
Wunsch noch offen; manches davon haben wir schon
aufgenommen. Aber der generelle Tenor war: Alle sind
sich einig, dass es genau richtig war, auf Sachleistungen
statt auf die Erhöhung der Regelsätze zu setzen.
({8})
Nicht einer hat den Vorschlag, die Regelsätze anzuheben
und von den Sachleistungen Abstand zu nehmen, den
Sie von der SPD jetzt in die parlamentarische Beratung
eingebracht haben, unterstützt. Nicht einer! Keiner hat
behauptet, es sei ein bürokratisches Monster; von Stigmatisierung war nicht die Rede. Mit Ihren Thesen verbreiten Sie ein Horrorszenario, das mit der Wirklichkeit
in unserem Land nichts zu tun hat. Wir erreichen mit unserem Bildungspaket Kinder und Jugendliche, die früher
nie eine Chance auf Teilhabe gehabt hätten. Mit Ihren
Vorschlägen würden sie nie eine Chance bekommen.
Deshalb ist unser Programm gut und richtig gewesen.
({9})
Wir haben viel erreicht; trotzdem bleibt in der kommenden Wahlperiode noch viel zu tun. Wir werden die
Kommunen finanziell weiter stärken. Die Bundesbeteiligung bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen ist Bestandteil unseres Programms; das ist
fest zugesagt.
({10})
Wir werden noch konsequenter dafür sorgen müssen,
dass Bundesleistungen für die Kommunen auch dort ankommen und nicht an klebrigen Fingern des einen oder
anderen Landesfinanzministers hängen bleiben. Ich habe
es gerade wieder in meinem Heimatland Schleswig-Holstein erlebt. Dort hat die Landesfinanzministerin der
Grünen den Kommunen 13 Millionen Euro aus der Bundesleistung für die Grundsicherung vorenthalten und für
die eigene Kasse abgezweigt. Das muss in Zukunft ausgeschlossen werden.
Wir werden die Kommunen weiter stärken, damit sie
neue Herausforderungen annehmen können, zum Beispiel bei der Energiewende, wenn es um stärkere Dezentralität und kommunale Verantwortung geht, oder beim
demografischen Wandel, wenn es darum geht, gerade in
den ländlichen Räumen den Breitbandausbau oder die
Sicherung der Gesundheitsvorsorge voranzubringen.
Das Gleiche gilt für die altersgerechte Quartiersentwicklung in den Städten.
Hinter uns liegen vier gute Jahre für die Kommunen
in Deutschland. Nicht alle Probleme sind gelöst, aber daran wollen und werden wir mit unserer kommunalen
Kompetenz und unserer breiten Verankerung in den
Kommunen unseres Landes weiterarbeiten; denn das
dient den Menschen in den Dörfern und Städten. Hier
geben wir den Menschen Heimat, und hier sorgen wir
dafür, dass die konkreten Probleme und Bedürfnisse der
Menschen in Bezug auf den Staat direkt vor ihrer eigenen Haustür gelöst werden können. Das erwarten die
Menschen von uns, und das ist Richtschnur unseres Handelns. Deshalb sorgen wir für starke Kommunen in unserem Land.
Vielen Dank.
({11})
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
die Kollegin Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe nicht damit
gerechnet, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, am heutigen Tag anerkennen, was wir
für die Kommunen geleistet haben. Damit konnte keiner
rechnen. So viel Großmütigkeit war Ihnen nicht zuzutrauen. Das aber, was Sie teilweise in Ihren Reden hier
dargestellt haben, war schon unsäglich.
Herr Oppermann hat sich bemüht - er hatte allerdings
auch keine Zeit mehr, der Debatte weiter zuzuhören -,
hochzurechnen, was alles an Belastungen wir den Kommunen auferlegt haben. Ich glaube, er ist auf 1,8 Milliarden Euro gekommen.
Frau Göring-Eckardt, so hässliche Kommunen, wie
Sie sie beschreiben, habe ich in Thüringen noch nie gesehen. Was für eine Auffassung von Kommunalpolitikern haben Sie, wenn Sie behaupten, dass diese das Geld
für alles Mögliche, aber nicht für Schulsanierung ausgegeben haben? Ich kann an dieser Stelle nur ein herzliches
Dankeschön sowohl Kommunalpolitikern, die das ehrenamtlich machen, aber auch Elterninitiativen sagen,
die trotz schwieriger finanzieller Situation den Schwerpunkt auf Kindergärten und Schulen legen. Alle, die das
nicht machen, gehören von den Bürgerinnen und Bürgern abgewählt. Ich glaube, dass die meisten Kommunalpolitiker hier ein sehr großes Verantwortungsbewusstsein haben.
({0})
Da ich aber wusste, dass von Ihnen eine Anerkennung
nicht zu erwarten ist - wir brauchen Sie auch nicht, weil
die kommunalen Spitzenverbände sie uns schon ins
Buch geschrieben haben -, habe ich Ihnen eine Pressemitteilung vom 9. November 2012 mitgebracht - darin
geht es um die Grundsicherung -, in der der Präsident
des Deutschen Städtetages, der Präsident des Deutschen
Landkreistages und der Präsident des Deutschen Städteund Gemeindebundes - ich zitiere - schreiben:
Dies ist ein wichtiger und bedeutender Schritt zur
dringend benötigten Entlastung unserer Haushalte.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände loben
weiter, „dass der Bund mit der Kostenübernahme einen
erheblichen Beitrag zur Verbesserung der kommunalen
Finanzsituation leistet“.
({1})
Nicht einer von Ihnen konnte diesen Satz über die Lippen bringen. Das ist, finde ich, verhältnismäßig kleingeistig.
({2})
- Selbstverständlich haben wir das selber gemacht, Herr
Scheelen.
({3})
Wir haben erreicht, dass die Kosten der Grundsicherung
zugunsten der Kommunen vom Bund übernommen wurden. Ich bin froh, dass Frau Kollegin Reinemund eben
noch einmal erwähnt hat, dass es Schäuble, unser
Finanzminister, war, der das als Erster in den Raum gestellt hat. Das bleibt so, auch wenn Sie es noch hundertmal anders behaupten.
Herr Scheelen, ausgerechnet Sie zitieren das Verfassungsgerichtsurteil zum Bildungspaket. An Ihrer Stelle
wäre mir das peinlich; denn Ihnen wird in dem Verfassungsgerichtsurteil bestätigt, dass Sie bei den Hartz-IVReformen die Kinder schlicht vergessen haben.
({4})
Sie haben den kinderbezogenen Bedarf vergessen. Zwar
haben Sie Telefax- und Telefonkosten eingerechnet,
nicht aber den Schulranzen und das Mittagessen fürs
Kind.
({5})
Ich wäre an Ihrer Stelle ganz still. Wir haben das zugunsten der Kinder repariert. Mit 730 Millionen Euro wird es
den Kindern jetzt ermöglicht, am Sport und an Schulfreizeiten teilzunehmen sowie ein kostenloses Mittagessen
zu bekommen. Das haben Sie nicht auf die Reihe bekommen.
({6})
Wir haben es gemacht.
Ich sage auch an dieser Stelle allen auf kommunaler
Ebene, die dieses Bildungspaket zum Erfolg machen, ein
großes Dankeschön; denn es ist tatsächlich so, dass es
Kommunen gibt, die einfach nicht wollen, dass es gelingt, weil sie uns beweisen wollen, dass es eine falsche
Entscheidung war. Bei den Kommunen, in denen sich
alle Beteiligten zugunsten der Kinder zusammenschließen, klappt es.
Ich will weiter das Programm „Frühkindliche Sprachförderung“ erwähnen. Sie haben es nicht hinbekommen,
dass Kinder mit Sprachdefiziten zusätzliche Förderung
bekommen. Wir setzen 400 Millionen Euro in über
4 000 Kindergärten zum Wohle der Kinder ein. Kinder,
die zu Hause nicht in hinreichendem Umfang gefördert
werden, werden damit auf die Schule gut vorbereitet.
Das ist ein Bundesprogramm, welches erheblichen Erfolg hat. Es wurde in der Legislaturperiode, in der Sie an
der Regierung waren, jedenfalls nicht eingeführt.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, zum THW. Es
gibt einen guten Anlass, Danke für all das zu sagen, was
in der momentan schwierigen Situation in den Hochwassergebieten vom THW und vielen anderen Ehrenamtlichen geleistet wird. Wir haben weitsichtig auch da in den
letzten Jahren schon Mittel zur Verfügung gestellt, damit
Mitglieder geworben werden konnten.
({7})
Ich hoffe wirklich sehr, dass all diejenigen, die heute ehrenamtlich an der Seite der Rettungskräfte stehen, beim
THW, beim Roten Kreuz oder bei den Sanitätern hängen
bleiben, weiter mitmachen, um die Kommunen zu stärken.
Wir haben aber auch nichtmonetäre Maßnahmen
durchgeführt. Wir haben zum Beispiel die Beteiligung
der Kommunen an der Gesetzgebung sichergestellt. Lieber Herr Scheelen, wiederum ist es die SPD, die im Vermittlungsausschuss das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz
blockiert, mit dem den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden soll, in Beiräten mitzuwirken und die
Haushalte der Länder im Auge zu behalten. In der Pressemitteilung von Deutschem Städtetag, Deutschem
Landkreistag und Deutschem Städte- und Gemeindebund heißt es weiter, dass man sehr wohl Befürchtungen
hat, dass die Länder das Geld, das wir aus Bundesmitteln
zur Verfügung stellen, nicht weiterreichen.
Zum Antrag der Linken kann ich nur sagen: Herr
Bockhahn, in Ihrem Antrag steht ein Supersatz. Wenn
einzeln darüber abgestimmt würde, würde ich meine
Fraktionsspitze bitten, dem zustimmen zu dürfen. Ich zitiere:
Wenn der Bund jetzt die Kosten im Bereich Grundsicherung im Alter schrittweise übernimmt, ist dies
zu begrüßen.
Das ist der beste Satz in Ihrem Antrag. Dem kann ich
voll zustimmen.
({8})
Sie haben aber anscheinend unsere Verfassung nicht
gelesen; denn Sie haben in Ihrer Rede eben behauptet,
dass es in Ordnung wäre, dass der Bund Aufgaben auf
die Kommunen überträgt, wenn er Geld dafür zur Verfügung stellt. Das ist eindeutig verfassungswidrig. Das ist
nicht in Ordnung. Art. 84 Grundgesetz verbietet das, und
das ist auch richtig so. Durch die Auftragsvergabe des
Bundes an die Kommunen ist die jetzige Situation erst
entstanden. Die Grundsicherung ist ein gutes Beispiel:
Rot-Grün hat ein Gesetz erlassen und den Kommunen
nicht das Geld dafür gegeben.
({9})
- Das, was Sie als Konnexität beschreiben, ist bei uns
verfassungswidrig. Damit ist Ihr Antrag nicht zu retten.
({10})
Wir haben noch viel zu tun; die Kollegen haben das
schon gesagt. Wir haben vieles erreicht, aber es ist auch
noch vieles übrig. Wir stehen zur Unterstützung der
Kommunen zur Verfügung, auch in der nächsten Legislaturperiode. Ich bin sehr froh, dass in den vorangegangenen Reden schon die Aussage getätigt wurde, dass neben den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen
auch die Kommunen wegen der Hochwasserkatastrophe
dringend Unterstützung und Hilfe brauchen. Es ist aus30710
gesprochen traurig, dass all die Schulen und Kindergärten, die frisch saniert worden sind, jetzt unter Wasser stehen. Wir werden dieses Problem gemeinsam angehen.
Die Kommunen wissen uns ganz sicher an ihrer Seite.
({11})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
der Drucksache 17/13748. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit der Mehrheit der Koalition abgelehnt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 4 b. Hier geht
es um die Abstimmung über die Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
zum Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kommunen von den Kosten für bauliche Maßnahmen an
Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen befreien“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 17/12452, den Antrag der Fraktion
Die Linke abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen
bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
- Muss nicht. Aber der Zwischenruf stellt doch sicher,
dass Sie es im Protokoll haben.
({1})
- Na also.
({2})
- Das nehme ich mit besonderer Rührung zur Kenntnis,
Herr Kollege Bockhahn.
Unter dem Tagesordnungspunkt 4 c geht es um die
Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem An-
trag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Wer bestellt,
bezahlt - Konnexität zugunsten der Kommunen im
Grundgesetz verankern“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13301,
diesen Antrag der Fraktion Die Linke abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Diese Beschlussempfeh-
lung ist wiederum mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun
Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Agnes Alpers,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern Gemeinnützigen Wohnungswirtschaftssektor
entwickeln
- Drucksache 17/13552 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({3})
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({4}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol,
Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Programm „Soziale Stadt“ zukunftsfähig weiterentwickeln - Städtebauförderung sichern
- Drucksachen 17/10999, 17/12453 Berichterstattung:
Abgeordnete Petra Müller ({5})
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({6})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Michael
Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt
- zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun
Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten
Tackmann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Wohnungsnot bekämpfen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern einer
gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln
- zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Wohn- und Mietensituation von Studierenden verbessern
- Drucksachen 17/12485, 17/12481, 17/11696,
17/13776 Berichterstattung:
Abgeordneter Karl Holmeier
Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion der SPD werden wir später namentlich abstimmen.
Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11696 zur Wohn- und Mietensituation von StuPräsident Dr. Norbert Lammert
dierenden in seine Beschlussempfehlung einbezogen.
Dieser Antrag soll jetzt mit beraten werden. - Dazu sehe
ich keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke.
({7})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau
Merkel! Sie ist schon gegangen, aber vielleicht kommt
sie noch zur Debatte zurück. Sehr geehrter Herr
Ramsauer! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf
muss man ja erfahrungsgemäß mit einigem rechnen. Da
darf man sich auch nicht wundern, dass selbst die Bundeskanzlerin plötzlich eine 180-Grad-Kehre hinlegt und
ihr Herz für Mieterinnen und Mieter entdeckt. Drei
Monate vor der Bundestagswahl erkennt also die Kanzlerin - vielleicht war es auch ihr Beraterstab -, dass in
Deutschland 35 Millionen Menschen in Mietwohnungen
leben. Das ist ja ein erquickliches Wählerpotenzial. Daher wundert es uns nicht, dass solche Aussagen so kurz
vor der Bundestagswahl gemacht werden.
Die Kanzlerin nimmt auch so Unworte wie „Mietendeckelung“ oder „Mietpreisbremse“ in den Mund. Was
ist das? Ein unmoralisches Angebot an einen künftigen
Koalitionspartner oder doch nur der plumpe Versuch,
Millionen Wählerinnen und Wähler hinter die Fichte zu
führen? Dass die FDP da aufschreit und so tut, als kritisiere sie die Kanzlerin, ist ein nur allzu verständliches
Signal in Richtung der eigenen Klientel.
Liebe Wählerinnen und Wähler, wenn die CDU/CSU
wirklich etwas für Mieterinnen und Mieter in diesem
Land tun wollte, hätte sie einfach nur auf das kürzlich in
Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz verzichten
und das Mietrecht mieterfreundlich reformieren sollen.
({0})
Das tat sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie hat in einem
vierjährigen Gesetzgebungsverfahren entgegen scharfer
Kritik der kommunalen Spitzenverbände, der Mietervereine, gegen den Rat fast aller Experten, ja selbst
gegen die Bedenken des Bundesrats die Mieterrechte
eingeschränkt. Sie hat keine wirksame Bremse zur Deckelung der Bestandsmieten eingebaut. Dort aber wäre
dazu Gelegenheit gewesen. Nein, Sie will Mieterinnen
und Mieter die Kosten der energetischen Sanierung ihrer
Wohnungen über die Modernisierungsumlage allein
überlassen, und Sie hat sich auch gegen die Forderung
zur Beschränkung von Neuvertragsmieten vehement gesperrt. Wie gesagt, es dauerte vier Jahre, und dabei
wurde von allen Seiten, selbst von Politikern der CDU/
CSU-Fraktion, permanent Kritik geäußert. Das alles ist
an der Kanzlerin vorbeigerauscht. Sie war schließlich
mit Wichtigerem beschäftigt.
Aber auch die SPD, die sich jetzt über einen Themenklau durch die CDU empört, hat die Wohnungspolitik
nicht wirklich erfunden. Auch von dort war jahrelang
wenig zu den Themen Wohnen und Mieten sowie Mieterrechte zu hören. Erst jetzt, nur wenige Meter vor der
Kanzlerin, tritt der Kanzlerkandidat der SPD auf die
Mietpreisbremse; dies sagt er jedenfalls. In Wirklichkeit
verwechselt er aber die Bremse mit dem Gaspedal.
Auch eine Mietsteigerung um 15 Prozent in vier Jahren bleibt eine Mietsteigerung, die deutlich über der
Entwicklung der Realeinkommen liegt. Die Mieterinnen
und Mieter müssen also auch bei diesem Vorschlag tiefer
in die Tasche greifen, wenn sie es denn noch können.
Fakt ist: Immer mehr Mieterhaushalte, auch normalverdienende, müssen einen überproportional wachsenden
Teil ihres Nettoeinkommens für Wohnkosten ausgeben.
30 bis 50 Prozent sind bei weitem keine Seltenheit mehr,
und die Tendenz ist steigend. Wofür gibt es 10 Prozent
Mietsteigerung über dem Mietspiegel bei Wiedervermietung? Weder ist die vermietete Wohnung mit den Jahren
um 10 oder 15 Prozent größer geworden, noch steigt
durch eine Neuvermietung der Gebrauchswert automatisch um 10 Prozent.
Verbessert der Vermieter die Wohnung durch eine
energetische Sanierung, darf er nach dem Willen der
Regierung 11 Prozent der Kosten auf die Mieterinnen
und Mieter umlegen, nach dem Wunsch der SPD 9 Prozent. Im ersten Fall zahlen die Mieterinnen und Mieter
die Sanierungskosten in neun Jahren zurück, im zweiten
Fall in elf Jahren, und zwar unabhängig davon, ob sich
ein entsprechender Vorteil bei den Betriebs- oder
Heizkosten ergibt; denn für solch einen Nachweis gibt es
keinen gesetzlichen Zwang.
Danach wird die Miete natürlich nicht wieder gesenkt. Sie bleibt aber auch nicht auf dem durch die
Modernisierungsumlage erhöhten Niveau. Denn in der
Zwischenzeit sind ja neun oder elf Jahre vergangen, und
es gibt die Möglichkeit, alle vier Jahre 15 Prozent draufzulegen. Es ist also durchaus möglich, dass diese Miete
dann automatisch um weitere 30 Prozent steigt. Bei
Weitervermietungen steigt sie sogar noch mehr. Die
Linke sagt: Ohne Verbesserung des Gebrauchswertes einer Wohnung soll und darf es keine Mietsteigerungen
geben.
({1})
Das ist auf anderen Märkten im Übrigen auch so. Ein
Autohersteller, der ein besonderes Modell auf den Markt
bringt, erhöht den Preis für dieses Modell, wenn er es
nicht verändert, im Laufe der Jahre auch nicht einfach
so. Denn das wäre paradox, und die Kunden würden ihm
dann davonlaufen. Genau das aber können Mieterinnen
und Mieter nicht. Sie können nicht einfach den Anbieter
wechseln, weil sie auf ihre Wohnung angewiesen sind,
weil sie da, wo sie arbeiten, wohnen müssen, weil sie da,
wo sie studieren, wohnen wollen und weil sie ihr Leben
in ihrem Zuhause sicher verbringen wollen. Auf dem
Wohnungsmarkt bestimmt weder der Wert noch der Gebrauchswert den Preis der Ware Wohnung, sondern ausschließlich das Missverhältnis zwischen Angebot und
Nachfrage. Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nicht
das Geringste zu tun. Das ist nackter, purer Kapitalismus.
({2})
Nun höre ich oft den Einwand, das sei schlimmstenfalls ein Problem der Metropolen; im Durchschnitt seien
die Mieten ja nur unwesentlich gestiegen. Aber in
Metropolregionen leben mittlerweile 50 Prozent der
Mieterinnen und Mieter - die Tendenz ist steigend -,
und kein Mensch wohnt in Durchschnittshausen. Auch
außerhalb der Metropolen, selbst in sich entleerenden
Regionen, fliegen den Menschen die Wohnkosten mittlerweile um die Ohren, weil die Preise für Strom, Gas,
Wasser, Abwasser und Mobilität förmlich explodieren.
Auch darauf hat die Bundesregierung keine Antwort. Sie
hat weder einen Plan, noch hat sie den Willen, hier irgendetwas zu tun.
({3})
Meine Damen und Herren, ich habe bisher nur über die
neu aufkommende Wohnungsnot durch Miet- und Wohnkostensteigerungen gesprochen. Jetzt komme ich zum
Totalversagen der Bundesregierung bei der notwendigen
demografiegerechten Umgestaltung der Wohnungswirtschaft und Stadtentwicklung und zur unaufschiebbaren
energetischen Sanierung des Gebäudebestandes. Durch
ihre halbherzige, wankelmütige Haltung bei der Umsetzung selbst gesetzter Klimaschutzziele im Gebäudebereich macht sich diese Bundesregierung mitschuldig an irreparablen Umweltschäden und Klimakatastrophen.
Die derzeitige Mangelsituation auf dem Wohnungsmarkt, die gewaltigen Defizite bei der Bereitstellung von
altersgerechtem und barrierefreiem Wohnraum, der
Einbruch bei klimagerechtem Umbau der Gebäudewirtschaft sind die Quittungen für jahrelanges Nichtstun,
Lavieren oder abergläubiges Hoffen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Der Markt aber erklärt sich
gerade da für nicht verantwortlich. Das ist sogar verständlich, weil wir es hier nicht mit konjunkturellen,
sondern mit strukturellen politischen Problemen zu tun
haben. Um der aktuellen Wohnungsnot zu begegnen, die
aktuellen Probleme zu beheben und eine langfristig verlässliche, sozial ausgewogene, bedarfs- und klimagerechte Entwicklung der Wohnungswirtschaft zu beginnen, reichen die althergebrachten Steuerungs- und
Anreizprogramme bei weitem nicht mehr aus.
({4})
Wir brauchen vor allem ein Umdenken in der Politik,
dass Wohnen keine gewöhnliche Ware ist, und das politische Bewusstsein, dass wir uns hier im Bereich der sozialen Daseinsvorsorge bewegen. Wir müssen endlich
wirklich handeln. Die Linke hat das immer gefordert,
nicht nur in Wahlkampfzeiten. Wir haben mit unserem
Antrag, das Wohnen als Grundrecht in den Menschenrechtskatalog des Grundgesetzes aufzunehmen - gleich
zu Beginn der Legislaturperiode -, mit unserer Forderung, barrierefreies Wohnen in die Novelle zum Baugesetzbuch verpflichtend aufzunehmen, mit unseren
wiederkehrenden Anträgen zur Aufstockung, Verstetigung und sozial-ökologischen Umgestaltung der Städtebauförderung und mit unseren Anträgen und Aktionen
gegen das von der Bundesregierung durchgepeitschte
Mietrechtsänderungsgesetz Neues vorgeschlagen. Wir
setzen das fort mit unseren heute vorliegenden Anträgen
zur Verbesserung der Wohnsituation von Studierenden,
zur Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und zur
Errichtung eines gemeinnützigen Sektors in der Wohnungswirtschaft.
({5})
Wir wollen damit erreichen, dass die aktuelle Wohnungsnot in den Metropolen und Universitätsstädten
wirklich bekämpft und der Mietpreistreiberei überall ein
wirksamer Riegel vorgeschoben wird. Das wird nicht
durch Lippenbekenntnisse der Kanzlerin im Wahlkampf
zu leisten sein, sondern dazu bedarf es eines rigorosen
Umbaus des Mietrechts und einer gravierenden Umstrukturierung des Bundeshaushalts. Daran könnte man
die Ernsthaftigkeit des Willens einer Bundesregierung
zur Beseitigung von Wohnungsnot und Mietpreistreiberei wirklich messen. Wir wollen mindestens 700 Millionen Euro jährliche Kompensationsleistungen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau, und zwar verstetigt,
regelmäßig evaluiert und durch Bund-Länder-Vereinbarungen dauerhaft zweckgebunden gesichert. Die Fördermittel sollen im wohnungswirtschaftlichen Kreislauf
verbleiben und zur Entwicklung eines relevanten, sozial
verpflichtenden Bestandes an öffentlichen Wohnungen
genutzt werden.
Daraus soll sich - das ist der Kern unseres zweiten
Antrags - strategisch ein gemeinwohlorientierter Sektor
in der Wohnungswirtschaft entwickeln. Wohlgemerkt,
wir wollen nicht einfach die Wiederbelebung der traditionellen Wohnungsgemeinnützigkeit, sondern wir wollen die Idee der Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft neu konzipieren, um schließlich ein wirksames,
relevantes Korrektiv zum ausschließlich renditeorientierten Wohnungsmarkt zu etablieren.
({6})
An diesem Konzept arbeiten wir schon einige Zeit.
({7})
Es gibt dafür Unterstützer quer durch die Gesellschaft, in
der ganzen Republik. Glücklicherweise ist es außerhalb
dieses Hauses möglich, ein solches Projekt parteiübergreifend zu entwickeln und voranzutreiben.
Zum Schluss kurz zusammengefasst: Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU- und FDP-Fraktion,
stimmen Sie heute unseren Anträgen einfach zu! Dann
hätten Sie die Merkel’sche Mietpreisbremse bereits vor
der Wahl umgesetzt und nicht ein Wahlversprechen postuliert, das hinterher nicht gehalten wird.
({8})
Lassen Sie Ihren Ankündigungen und Wahlversprechen
einfach Taten folgen! Dafür wäre heute ein guter Tag.
Danke schön.
({9})
Jetzt hat Peter Götz das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen, wenn wir heute über die Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft in Deutschland debattieren, müssen wir auch bei diesem Tagesordnungspunkt die
schlimmen Auswirkungen in den Hochwasserregionen
sehen.
({0})
Immer mehr Menschen müssen sich vor dem Hochwasser in Sicherheit bringen. Tausende Häuser sind evakuiert. Die Folgen für die betroffenen Menschen vor Ort
können wir nur erahnen. Es ist gut und richtig, dass von
allen Seiten unbürokratisch Hilfe angeboten wird.
Die furchtbaren Ereignisse in den Hochwassergebieten helfen vielleicht auch ein wenig, die stark dramatisierenden Überschriften der Anträge der Opposition zur
heutigen wohnungspolitischen Debatte ins richtige Licht
zu rücken.
({1})
„Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern …“, „Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt“, „Wohnungsnot
bekämpfen …“, ich fühle mich bei diesen Überschriften
zurückversetzt in die Zeit, als in Deutschland flächendeckend eine echte Wohnungsnot herrschte.
Es ist keine Frage, dass eine angemessene Versorgung
mit Wohnraum zu den Grundbedürfnissen eines menschenwürdigen Lebens gehört. Auch wenn seit drei Jahren der Aufwärtstrend auf dem Wohnungsmarkt unverkennbar ist, erleben wir in vielen Großstädten und
Universitätsstädten Engpässe mit überproportional stark
steigenden Mieten. Das Angebot kann dort mit der
wachsenden Nachfrage nicht mithalten. Wir haben das
gestern bei der Sachverständigenanhörung im Ausschuss
bestätigt bekommen. Die Sachverständigen haben aber
auch bestätigt, dass wir in Deutschland von einer Wohnungsnot weit entfernt sind. Ja, es gibt Städte oder Stadtteile, die stärker nachgefragt sind als andere. Neue oder
modernisierte Wohnungen in diesen Stadtteilen steigern
die Nachfrage zusätzlich; es ist oft „chic“ oder „in“, dort
zu wohnen. Es gibt aber auch Städte und ganze Landstriche, in denen der Wohnungsleerstand den Wohnungsuchenden zu niedrigen Mieten verhilft und Hauseigentümer schon seit Jahren keinen Überschuss mehr aus der
Vermietung von Wohnungen erzielen. Die Folge sind
sinkende Immobilienwerte, mit allem, was dazugehört.
Was will ich damit sagen? Deutschland hat einen sehr
differenzierten Wohnungsmarkt. Die Politik muss passund zielgenau auf bestimmte Engpässe reagieren. Bund,
Länder und Gemeinden sind in ihrer jeweiligen Zuständigkeit zum Handeln aufgefordert. „Zuständigkeit“ ist
ein wichtiges Stichwort: Wenn es darum geht, Maßnahmen für neuen Wohnraum zu günstigen Mieten zu treffen, müssen wir uns das Engagement der Länder genauer
anschauen. Seitdem ihnen 2006 bzw. 2007 im Rahmen
der Föderalismusreform die Zuständigkeit für die Förderung von sozialem Wohnraum übertragen wurde - sie
wollten diese Zuständigkeit -, sind allein die Länder für
die Förderung von sozialem Wohnraum zuständig. Es
ging bei der Übertragung nie um eine Abschaffung der
Förderung von sozialem Wohnraum. Der Bund stellt den
Ländern für diese Aufgabe nach wie vor jedes Jahr
518 Millionen Euro zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, es kann aber auch nicht sein, dass zum Beispiel das Land Berlin die Bundesmittel, die es für den
sozialen Wohnungsbau erhalten hat, in die Finanzierung
landeseigener Altverpflichtungen umleitet und anschließend nach dem Bund ruft, damit er die Probleme am
Berliner Wohnungsmarkt löst.
({2})
Beim Bund nehmen und den Bedürftigen nicht geben,
das ist mehr als unmoralisch. Eine Sanierung von Landeshaushalten auf dem Rücken einkommensschwacher
Wohnungssuchender und Mieter, wie sie gerade in
Berlin unter Rot-Rot erfolgt ist, darf nicht weiter hingenommen werden. Seit Wiedereintritt der CDU in die
Berliner Regierung vollzieht sich dort Gott sei Dank ein
Umdenken.
({3})
Meine Damen und Herren, wir brauchen in jedem Fall
eine Selbstverpflichtung der Länder für eine Zweckbindung künftiger Mittel des sozialen Wohnungsbaus.
({4})
Herr Bundesminister Ramsauer hat auch Vorschläge
unterbreitet,
({5})
mit denen der Bund auf den Trend der regionalen Wohnungsengpässe reagieren kann.
({6})
Die größte Attraktivität, Herr Pronold, strahlt für mich
dabei der Vorschlag der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung aus.
({7})
Wenn ich mich recht erinnere, wurde sie 2006 unter dem
damaligen Bundesfinanzminister Steinbrück abgeschafft. In der Geschichte der deutschen Wohnungspolitik war aber nichts erfolgreicher als eine steuerliche För30714
derung. Sie lässt Marktmechanismen wirken und hat
eine hohe private Investitionsbereitschaft zur Folge.
({8})
Was kann den Wohnungsuchenden denn Besseres
passieren als stark steigende Wohnungsbauzahlen in
nachgefragten Lagen? Regelungen über das Mietrecht
sind nur befristete Mangelverwaltungen.
({9})
Die Lösung der Probleme liegt in der Schaffung von
neuem Wohnraum.
({10})
Nutzen wir doch einfach die guten Erfahrungen der
Vergangenheit! Aber leider haben SPD und Grüne ein
Problem mit erfolgreichen steuerpolitischen Instrumenten. Ihr Geschrei bestätigt dies. Gerade haben wir es bei
dem im Bundesrat abgelehnten Gesetz zur steuerlichen
Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an
Wohngebäuden erneut erleben dürfen.
({11})
Auch dort haben sich SPD und Grüne rein ideologisch
zulasten von Umwelt und Mietern positioniert.
Beim Blick in die Wahlprogramme von SPD und Grünen bekommt man eine wohnungspolitische Gänsehaut.
({12})
Wen, bitte schön, wollen Sie mit der Einführung einer
Vermögensabgabe oder einer Vermögensteuer eigentlich
für Investitionen in neue Wohnungen begeistern? Glauben Sie allen Ernstes, neue steuerliche Belastungen bei
Immobilien animierten jemanden, in Wohnungen zu investieren?
Der bessere Weg ist der Vorschlag des Bundesministers
Peter Ramsauer, die Leistungsfähigkeit des Wohngeldes
zu erhöhen. Das Wohngeld kann einkommensschwachen
Mietern bei der Versorgung mit angemessenem Wohnraum helfen. Ich hoffe, dass wir, wenn wir diesen Vorschlag machen, nicht wieder die gleiche Blockadehaltung
der von SPD und Grünen regierten Länder erleben wie bei
der gerade genannten steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen. Für
mich ist auch der Erwerb von Belegungsrechten ein geeignetes Instrument, um preisgünstigen Wohnraum vor
Ort anbieten zu können.
Meine Damen und Herren, den eigentlichen Schlüssel
hält die kommunale Wohnungspolitik in der Hand. Wenn
zum Beispiel in der Stadt München - nur als Beispiel,
Herr Pronold - kein geeignetes Bauland zur Verfügung
gestellt oder ausgewiesen wird, können dort auch keine
neuen Wohnungen entstehen.
({13})
Der Engpass treibt die Mieten nach oben, und die Mieter
haben letzten Endes das Nachsehen, wenn sie sich um
eine günstige Wohnung bewerben. Wo kommunale
Grundstücke oder Wohngebäude gezielt nur so auf den
Markt gebracht werden, dass stark steigende Immobilienwerte die kommunalen Kassen füllen, sind Erwartungen an günstige neue Mietwohnungen auch nicht mehr
erfüllbar. Wenn überzogene Renditeforderungen an eigene, also kommunale, Wohnungsunternehmen formuliert werden - auch das gibt es -, kann von diesen Unternehmen nicht gleichzeitig ein moderates Mietenniveau
eingefordert werden.
({14})
Kommunen mit Wohnungsengpässen müssen sich
deshalb selbst aktiv an der Problemlösung beteiligen.
Durch eine langfristig angelegte Baulandpolitik vor Ort
lassen sich die lokalen Engpässe am Wohnungsmarkt am
besten lösen. Das muss auch kein Bauen auf der grünen
Wiese sein. Wir haben nach wie vor große innerstädtische Brachflächen, seien es Industrie- oder Militärbrachen, die reaktiviert werden können. Mit den bewährten Instrumenten der Städtebauförderung kann der Bund,
aber können auch die Länder den Kommunen helfen,
diese Flächen zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, ich finde es ausgesprochen
gut, dass die Bundespolitik die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als eine der tragenden Säulen für die Wirtschaftskraft Deutschlands wiederentdeckt hat. CDU und
CSU werden in den nächsten Wochen den richtigen
Instrumentenmix für eine gute Wohnungspolitik präsentieren. Der rot-grüne Schlachtruf „Bildung statt Beton“
vergangener Jahre hat nachweislich nicht funktioniert
und kann zu den Akten gelegt werden. Wir brauchen
beides, eine bessere Bildung unserer Kinder, aber auch
bezahlbare Wohnungen, in denen unsere Kinder aufwachsen können. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir am Ende meiner
Rede noch ein persönliches Wort. Dies war nach 23 Jahren aktiver Arbeit im Deutschen Bundestag meine letzte
Rede in diesem Hohen Haus. Ich möchte mich für das
gute Miteinander bedanken, auch über Fraktionsgrenzen
hinweg und bei allen Unterschieden, die politisch zu diskutieren waren. Ich muss sagen: Ich war gerne Mitglied
des Deutschen Bundestages. Ich wünsche Ihnen eine
gute Zukunft und persönlich alles Gute. Diesem Hohen
Haus, diesem Parlament wünsche ich weiterhin eine
positive Entwicklung.
Herzlichen Dank.
({15})
Herr Götz, im Namen des ganzen Hauses gebe ich Ihren Dank für die gute Zusammenarbeit gerne zurück. Ich
wünsche Ihnen alles Gute. Durch Ihr starkes Engagement
sowohl auf kommunalpolitischer wie auf Bundesebene
haben Sie gezeigt, wie sehr Sie sich für die Demokratie
eingesetzt haben. Vielen Dank und Ihnen persönlich alles
Gute.
({0})
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Als Nächster kommt der Kollege Florian Pronold für
die SPD-Fraktion zu Wort.
({1})
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich hätte
erwartet, dass der Kollege Götz etwas zu den neuen Erkenntnissen seiner Kanzlerin zum Thema Mietpreisbremse sagt.
({0})
- Das weiß ich. Das ist doch schön. Aber er hat trotzdem
nichts dazu gesagt, auch wenn er dort sitzt.
({1})
Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Frau Bundeskanzlerin Themenklau bei der SPD betreibt. Da muss
ich sie in Schutz nehmen; denn wer sich rechtlich auskennt, der weiß, dass Klauen bedeutet, jemandem etwas
wegzunehmen. Das ist wie bei einer Handtaschenräuberin. Die nimmt die Handtasche, und dann ist sie weg.
Aber das Thema „bezahlbares Wohnen“, das Thema
„Mietpreisbremse“ bleibt bei der SPD, das kann die
Kanzlerin nicht klauen.
({2})
Das, was die Kanzlerin macht, ist Hütchenspielerei.
Sie tut jetzt so, als würde es nach der Wahl unter dem
Hütchen, auf dem „CDU“ steht, eine Mietpreisbremse
geben. Aber wenn die Wählerinnen und Wähler nach der
Wahl unter dieses Hütchen schauen, dann werden sie
feststellen, dass es nichts anderes war als Wahlbetrug.
Das ist das, was die Kanzlerin vorhat.
({3})
Wir von der SPD stehen für bezahlbares Wohnen in
der sozialen Stadt. Uns geht es darum, dass die Menschen, die in den Innenstädten wohnen und die für niedrige und mittlere Löhne hart arbeiten, auch in den Innenstädten wohnen bleiben können. Die alleinerziehende
Mutter, die Rentnerin, der Rentner, der Taxifahrer, der
Polizeibeamte, die Krankenschwester, alle die, die für
uns auch Dienst tun, sollen in ihrer angestammten Wohnung bleiben können. Deswegen werden wir verhindern,
dass es zu Mietexzessen kommt.
({4})
Dazu gehören drei Elemente. Das erste Element. Wir
werden über das Mietrecht dafür Sorge tragen, dass
Menschen nicht über den Löffel balbiert werden, dass
die Mieterinnen und Mieter nicht zu den Melkkühen der
Nation werden.
Das zweite Element. Wir müssen den Neubau ankurbeln und müssen darüber hinaus bei der Sanierung von
Wohnungen dafür Sorge tragen, dass diese auf die Höhe
der Zeit kommen, und zwar mit energetischer Sanierung
und vor allem mit Barrierefreiheit. Wir müssen dafür
Sorge tragen, dass sich die Menschen in diesen sanierten
Wohnungen das Leben noch leisten können. Es geht
nicht, dass heute in Großstädten viele Menschen 30 oder
35 Prozent ihres Nettoeinkommens dafür ausgeben müssen, um in diesen Wohnungen leben zu können. Das ist
zu viel. Das darf nicht weiter so sein.
({5})
Das dritte Element ist, dass wir auch dafür Sorge tragen, dass unsere Städte zusammenhalten. In den Stadtteilen müssen Menschen unterschiedlicher Herkunft und
mit unterschiedlichen Berufen zusammenleben können
und darf keine Verdrängung stattfinden. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auch der Zusammenhalt in den
Wohnquartieren erhalten bleibt oder gefördert wird.
Deswegen ist das Programm „Soziale Stadt“ so wichtig
für die Zukunft dieses Landes und für alle Menschen, die
in den Städten leben.
({6})
Herr Kollege Pronold, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Jarzombek zulassen?
Gerne.
Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Kollege Pronold, Sie sind ja auch
der Schattenminister der SPD für das Thema Wohnungsbau. Deshalb möchte ich gerne auch einmal ein bisschen
von der Bundesebene auf die kommunale Ebene zu sprechen kommen.
Unabhängig von dem, was Sie uns hier dazu gesagt haben, was auf der Bundesebene erforderlich ist, stelle ich
an Sie die Frage, was denn auf der kommunalen Ebene
erforderlich ist. Um das ganz konkret zu fragen: In Düsseldorf wird gerade zum Beispiel eine überfraktionelle
Initiative vorbereitet, nach der künftig bei neu auszuweisenden Gebieten auch 20 Prozent sozialer Wohnungsbau und 20 Prozent mietpreisgebundener Wohnungsbau zwangsweise vorzusehen sind. Glauben Sie,
dass das ein gutes Modell ist, und setzen Sie sich dafür
ein, dass auch in anderen Städten so etwas umgesetzt
wird? Wir können aus Berlin nämlich mit Sicherheit nicht
alles alleine regeln.
Sie haben insoweit recht, als dass, wenn Sie die Wohnungsnot vor Ort in den Griff bekommen wollen, alle
Akteure, die auch vor Ort Verantwortung tragen, in
einem Boot sitzen und am besten noch in die gleiche
Richtung rudern müssen:
Dazu gehören die Kommunen, die Ausweisung von
Bauland, aber zum Beispiel auch der Bund, wenn ich an
manche Liegenschaften denke, die durch die BImA verwaltet werden.
({0})
Hier kann es nicht nur nach dem Höchstpreisprinzip gehen, sondern auch danach, mit welchen Konzepten man
in den Kommunen bezahlbaren Wohnraum schaffen
will.
Dazu gehört, dass man bei neuen Projekten durch eine
entsprechende Förderung dafür Sorge trägt, dass es auch
sozialen Wohnungsbau gibt und dass ein gewisser Anteil
von Wohnungen, die im Neubau entstehen, bezahlbar
sind, wodurch zum Beispiel alle Menschen, die dies wollen, in den Innenstädten wohnen können.
Dazu gehört, dass Genossenschaften, private Bauträger und städtische Baugesellschaften dafür Sorge tragen,
dass das Wohnen bezahlbar bleibt.
Nur ein Beispiel, weil die städtischen Wohnungsbaugesellschaften immer in der Kritik stehen: In München liegt die durchschnittliche Miete für Wohnungen
von städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei etwa
6,30 Euro, während das durchschnittliche Kaltmietenniveau in München bei über 10 Euro liegt. Ohne das Engagement der städtischen Wohnungsbaugesellschaften
und ohne die Durchmischung von Wohnraum hätten
Mieterinnen und Mieter mit unteren und mittleren Einkommen überhaupt keine Chance mehr, in solchen Städten zu leben. Deswegen ist es richtig, dass wir alle ins
Boot holen und dafür Sorge tragen müssen, dass es auch
bei Neubau bezahlbare Wohnungen gibt.
({1})
Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was diese
schwarz-gelbe Bundesregierung und insbesondere dieser
Bauminister, der er ja auch sein soll, der Herr Ramsauer,
angekündigt haben und was dabei herausgekommen ist:
Vor wenigen Monaten haben wir erlebt, dass es mehrere Gipfel zum Thema „Wie schaffen wir bezahlbaren
Wohnraum für Studentinnen und Studenten?“ gab. Ergebnis: Nichts!
Sie haben gerade wieder davon gesprochen, dass das
Wohngeld erhöht werden muss. Bis heute ist es nicht erhöht worden. Was ist passiert? Das Gegenteil ist passiert.
Der Heizkostenzuschuss ist von dieser schwarz-gelben
Koalition gestrichen worden. Das ist ein Anschlag auf
diejenigen, die hart arbeiten und es sich trotzdem nicht
leisten können, zu diesen hohen Mieten zu wohnen. Das
haben Sie gestrichen. Das ist die Bilanz dieser Regierung.
({2})
Sie haben angekündigt, der soziale Wohnungsbau sei
wichtig. Jawohl! 518 Millionen Euro werden dafür vom
Bund jährlich noch zur Verfügung gestellt. Sie haben im
schwarz-gelben Koalitionsvertrag angekündigt, dass Sie
hier bis zum Ende der Wahlperiode zu einer verlässlichen Regelung kommen wollen. Was ist passiert? Für
ein Jahr haben Sie es verlängert.
Sie beklagen hier, dass die Mittel von den Ländern
nicht zweckgerichtet eingesetzt werden. Da haben Sie
recht. Aber warum legen Sie nicht fest, dass diese Mittel
für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden müssen? Wer regiert denn? Sie tun es. Beklagen Sie es nicht,
sondern handeln Sie doch endlich entsprechend!
({3})
Die Städtebauförderung ist eines der wichtigsten Elemente, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu organisieren. Diese schwarz-gelbe Bundesregierung hat
die Mittel für die Städtebauförderung massiv gekürzt.
Am stärksten hat sie das Programm „Soziale Stadt“ zusammengestrichen.
({4})
Ich habe mir zig Projekte in ganz Deutschland angeschaut und habe gesehen, wie es gelungen ist, Glasscherbenviertel in die Stadtgesellschaft zurückzuholen, welch
wichtige Arbeit dort geleistet worden ist, um die Integration zu fördern, um ein attraktives Wohnumfeld zu
schaffen. Bei diesem Programm haben Sie den Rotstift
am stärksten angesetzt. 2010 haben Sie die Mittel für das
Programm „Soziale Stadt“ um über 70 Prozent gekürzt.
({5})
Jetzt hört man in Reden im Deutschen Bundestag
- das war auch in der letzten Debatte zu diesem Thema
so -, das stimme gar nicht, die Mittel für Städtebauförderung und insbesondere für das Programm „Soziale
Stadt“ seien doch fast verdoppelt worden. Das ist wieder
einmal ein typischer Taschenspielertrick. Sie haben die
Mittel erst auf 25 Millionen Euro gekürzt, dann haben
Sie sie auf 40 Millionen Euro erhöht. Das bedeutet aber,
dass für das Programm „Soziale Stadt“ heute immer
noch weniger als die Hälfte dessen ausgegeben werden
kann, was unter Wolfgang Tiefensee bereitgestellt
wurde. Wenn Sie da von einer Verdopplung der Mittel
sprechen, belügen Sie die Menschen. Sie haben die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ vielmehr halbiert
und richten damit einen Schaden vor Ort an, der kaum
wiedergutzumachen ist.
({6})
Wir haben dann noch alle möglichen anderen Ankündigungen gehört. Eine degressive AfA wollen Sie einführen. Wer regiert denn seit vier Jahren in der Bundesrepublik Deutschland?
({7})
Warum haben Sie es denn nicht gemacht, wenn das so
wichtig ist? Sie wollen die energetische Sanierung fördern. Warum haben Sie die KfW-Mittel dafür gekürzt?
Sie wollen den altersgerechten Umbau fördern. Warum
haben Sie das entsprechende Programm der Bundesregierung gestrichen? Diese Fragen müssen Sie beantworten.
({8})
Jetzt komme ich zum Thema Eigenheimzulage. Es
gab eine Ankündigung von Herrn Ramsauer, die Zulage
wieder einzuführen. Alle, die sich ein bisschen mit der
Thematik auskennen, wissen, dass für die Eigenheimzulage einmal 8 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Warum haben Sie die Eigenheimzulage nicht längst wieder
eingeführt, wenn das eine so gute Idee ist? - Erinnern
wir uns auch daran, wie hoch die einzelnen Beträge waren, die ausgezahlt wurden. Glaubt denn irgendwer tatsächlich, dass die Eigenheimzulage, also eine Zulage
von wenigen Tausend Euro, mehr jungen Familien ermöglicht, dort, wo Wohnungsnot besteht, nämlich in den
Metropolregionen, Eigentum zu erwerben? Glaubt irgendwer, dass diese Zulage ein Beitrag zur Bekämpfung
von Wohnungsnot in Metropolregionen ist?
({9})
Das ist nichts anderes als Ankündigungspolitik, hinter
der nichts steckt, und vor allem werden die Probleme in
unseren Städten dadurch nicht gelöst.
({10})
Vonseiten der Bundesregierung wurde nun groß angekündigt, etwas zu tun, um Mieterinnen und Mieter vor
Exzessen bei Mieten zu schützen. Die Kanzlerin schreibt
bei der SPD ab und will eine Mietpreisbremse einführen.
Teile der Union und der FDP polemisieren dagegen.
Drum will ich einmal sagen, worum es uns dabei geht.
Es geht uns um mehrere Dinge.
Der erste Punkt ist: Wir wollen - ({11})
- Sie können mir dazu gerne eine Zwischenfrage stellen.
Dann werde ich Ihnen dazu ausführlich antworten.
({12})
- Machen Sie das doch!
({13})
- Ja, eben. Die zwölf Minuten stehen für guten Inhalt.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir das attestieren.
({14})
Aber jetzt will ich Ihnen etwas zur Mietpreisbremse sagen, weil das die FDP offensichtlich nicht versteht.
Das Ganze hat nichts damit zu tun, wie viel Mittel in
einen Neubau investiert werden, weil von unserem Konzept Neubaumieten, also Erstvermietungen, überhaupt
nicht berührt werden. Uns geht es um den Fall, dass jemand aus einer Wohnung auszieht und ein Nachmieter
einzieht. Dieser Nachmieter - das können Sie in Berlin
reihenweise beobachten - zahlt auf einmal 30 oder
40 Prozent mehr Miete, obwohl an dieser Wohnung
beim Mieterwechsel gar nichts gemacht worden ist. Das
treibt die Mietpreise nach oben. Das vertreibt die Menschen an den Stadtrand. Diese Entwicklung wollen wir
stoppen. Das ist der Punkt.
({15})
Dazu gehört auch, dass diejenigen, die einen Makler
beauftragen, ihn bezahlen. Ein Beispiel: Jemand macht
sich im Internet kundig und schaut, wo es eine Wohnung
für ihn gibt. Er findet eine Wohnung, und der Vormieter
schickt ihn zu dem Eigentümer. Der Eigentümer sagt: Ja,
Sie können die Wohnung haben. Aber ich habe einen
Makler engagiert. Bitte wenden Sie sich an ihn. - Dann
zahlt der Mieter, ohne den Makler bestellt zu haben,
noch zwei Monatsmieten für den Makler, obwohl dieser
überhaupt nichts getan hat. Wo liegt denn darin der
Sinn? Wir wollen ein marktwirtschaftliches Prinzip einführen: Wer bestellt, soll auch bezahlen. Die Mieterinnen und Mieter dürfen mit den Kosten hierfür nicht belastet werden.
({16})
Wir werden deswegen eine Mietpreisbremse einführen.
({17})
- Keine Sorge, ich habe noch zwei Minuten Redezeit,
wenn Sie das beruhigt. - Diese Mietpreisbremse wird
bei der Wiedervermietung ansetzen und die Steigerung
der Mietkosten deckeln. Wir werden dafür Sorge tragen,
dass der Heizkostenzuschuss wiederkommt. Und wir
werden auch dafür Sorge tragen, dass die Kosten von
energetischer Sanierung die Menschen nicht in Angst
und Schrecken versetzen. Heute ist es doch so, dass,
wenn eine Wohnung für 25 000 Euro saniert wird, die
Miete monatlich um 210 Euro zusätzlich erhöht werden
kann. Wer kann sich denn das leisten? Dass die Menschen hier Angst und Sorge haben, muss man doch verstehen, und darauf muss man eine Antwort geben. Die
Antwort lautet, dass man die Kosten einer energetischen
Sanierung fair in der Gesellschaft, also zwischen allen,
die davon profitieren, dass es energetische Sanierung
und CO2-Einsparungen gibt, verteilen muss, also zwischen dem Staat, den Mieterinnen und Mietern und den
Vermietern. Wir sind für eine faire Kostenteilung in dieser Frage. Niemand soll übervorteilt werden.
Wir werden die Mittel für Städtebauförderung wieder
auf 700 Millionen Euro anheben, und wir werden dafür
Sorge tragen, dass das Programm „Soziale Stadt“ zum
Leitprogramm wird, damit der Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft wieder wächst.
({18})
Wir werden Bündnisse für bezahlbares Wohnen vor
Ort schließen, in denen man - nicht mit Druck, sondern
dadurch, dass alle Akteure zusammenhelfen - sich Gedanken macht, wie man über Baulandausweisungen und
andere Dinge zu bezahlbarem neuen Wohnraum kommen kann.
({19})
Sehr geehrte Damen und Herren von der schwarz-gelben Opposition, Sie hätten heute die Möglichkeit - und
Sie haben sie bis zum Ende dieser Wahlperiode -, deutlich zu machen, ob Ihr Herz für Mieterinnen und Mieter
schlägt oder nicht. Dem Rechtsausschuss liegt unser Antrag für die Mietpreisbremse vor. Die Kanzlerin findet
das toll. Wir sind bereit, diese Mietpreisbremse in dieser
Wahlperiode ins Gesetz zu schreiben. Ich bin gespannt,
ob Sie da mitgehen. Da könnten Sie beweisen, ob Sie es
mit dem Schutz von Mieterinnen und Mietern tatsächlich
ernst meinen. Ihre Mietrechtsreform, die zum 1. Mai
2013 in Kraft getreten ist, war das Gegenteil.
({20})
Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Patrick
Döring das Wort.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht Städtebauförderprogramme, nicht Gesetze und auch nicht diese Debatte
werden dazu führen, dass in den Ballungsräumen, in denen die Wohnungsmärkte erkennbar angespannt sind,
Wohnungen gebaut werden. Vielmehr werden die meisten vermieteten Wohnungen in Deutschland von Männern und Frauen gebaut, die ihre Ersparnisse investieren,
die ihr Geld nicht auf den Kopf hauen, die ihre Ersparnisse nicht in die Schweiz bringen, die ihre Ersparnisse
nicht irgendwo verzocken, sondern die ihre Ersparnisse
einsetzen, um vermietbaren Wohnraum zu schaffen. Das
sind diejenigen, mit denen wir diese Probleme lösen.
Das gelingt aber nicht, indem wir sie beschimpfen.
({0})
Diese Investoren haben vor allen Dingen ein Interesse,
nämlich dass Rechtssicherheit besteht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es werden
hier nun Begriffe wie „Mietexzesse“ verwendet.
({1})
Die Durchschnittsmiete in den zehn größten Städten in
Deutschland - nicht in Durchschnittshausen, liebe Kollegin Bluhm - hat sich von 1992 bis 2012 von 7,01 Euro auf
7,96 Euro pro Quadratmeter entwickelt. Ja, das ist ein Anstieg, aber ein Anstieg weit unterhalb der Inflationsrate. In
den deutschen Großstädten wohnt man preiswerter als in
allen anderen Großstädten der Europäischen Union dank der vielen engagierten Vermieterinnen und Vermieter.
({2})
Dann spricht der sogenannte Schattenminister davon,
man wolle Neubau ankurbeln. Ja, Wohnungsnot löst man
am besten durch Neubau. Aber Neubau entsteht immer
dann, wenn für diejenigen, die in die Märkte investieren
wollen, Rechtssicherheit besteht. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, nicht über denjenigen, die ihre Ersparnisse in Wohnungen investieren, das Damoklesschwert
einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe schweben
zu lassen und ihnen nicht zusätzlich in die Tasche zu
greifen. Statt sich um die Mieterinnen und Mieter zu
kümmern, ist das, was Sie in Ihrem Wahlprogramm haben, eines der größten Mieterhöhungsprogramme.
({3})
Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, dass 1,5 Prozent
Vermögensabgabe auf den vermieteten Wohnraum in
Berlin-Charlottenburg vom Vermieter bezahlt werden?
Das alles wird doch eins zu eins an den Mieter weitergegeben und führt am Ende zu Mieterhöhungen. Sie sind
die Miettreiber in diesem Haus und nicht diese Koalition.
({4})
Des Weiteren wird über Sanierung gesprochen. Damit
sind wir beim Kernpunkt, warum sich meine Fraktion
gegen die Mietpreisbremse wehrt. Geschätzter Kollege
Pronold, die Realität auf dem Wohnungsmarkt in
Deutschland ist nicht, dass eine Wohnung, wenn ein
Mieter ausgezogen ist, anschließend zu einer 30 Prozent
höheren Miete vermietet wird, ohne dass zuvor etwas an
der Wohnung gemacht wurde. Viele Vermieter nutzen
nach einem Auszug die Gelegenheit, nicht nur die
Wände zu weißeln, sondern auch die Bodenbeläge auszubessern, das Bad zu renovieren und eine neue Küche
einzubauen.
({5})
Die dann entstandene verbesserte Wohnsituation muss
sich genauso in der Miete niederschlagen wie eine energetische Sanierung; denn sonst wird die Wohnqualität
nicht steigen, sondern sinken.
({6})
Dass ausgerechnet Sie jetzt den Wert der energetischen Sanierung erkennen und das Hohelied der energetischen Sanierung singen, nachdem Sie alle unsere Angebote betreffend die steuerliche Absetzbarkeit der
Kosten der energetischen Sanierung von Wohnraum im
Bundesrat und im Vermittlungsausschuss abgewehrt haben
({7})
und sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben,
dass diejenigen Vermieterinnen und Vermieter, die den
Wohnraum für ihre Mieterinnen und Mieter ertüchtigen
wollen, Steuervorteile bekommen, ist unglaubwürdig.
({8})
Wir haben Vorschläge gemacht und wollten sogar den
Bundesanteil erhöhen, um eine Förderung durch Zuschussprogramme zu ermöglichen. Sie hätten gemeinsam mit uns einen großen Schritt gehen und für eine verbesserte Wohnraumsituation und mehr energetische
Sanierung in Deutschland sorgen können. Aber Sie haben sich verweigert.
({9})
Wir werden die Herausforderungen in den Ballungsräumen angehen. Das geht am besten mit Investitionssicherheit und degressiven Abschreibungsmöglichkeiten
für Investitionen in Neubau.
({10})
Die Kappungsgrenze in unserem neuen Mietrecht wird
dazu führen, dass sich die Neubaumieten noch moderater entwickeln. Wir haben ein kluges Mietrecht geschaffen, das zu einer guten Entwicklung führen wird. In
Deutschland herrscht flächendeckend Gott sei Dank
keine Wohnungsnot. In denjenigen Ballungsräumen, in
denen Wohnungsnot herrscht, wird sie beseitigt, wenn
wir die Investoren pfleglich behandeln. Sie tun das Gegenteil. Das ist das Schlimmste.
Vielen Dank.
({11})
Die Kollegin Daniela Wagner hat jetzt das Wort für
Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Döring hat
uns in seiner Rede wieder einen tiefen Einblick in seine
Kenntnisse der Realität in Deutschland gewährt.
({0})
Das gilt insbesondere für die Passage seiner Rede, in der
er schildert, was in Wohnungen passiert, bevor neue
Mieterinnen und Mieter einziehen. Aber ich will zur Sache kommen.
Ich will Ihnen nicht unsere Initiativen und Anträge
der letzten Jahre herunterleiern.
({1})
- Genau, das finde ich auch. - Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Koalition, irgendetwas müssen die Grünen in den letzten drei Jahren richtig
gemacht haben, wenn jetzt sogar die Bundeskanzlerin
die Lage der Mieterinnen und Mieter in Deutschland entdeckt und für so manches Zähneknirschen insbesondere
im Lager der Wirtschaftsliberalen sorgt.
Seit Jahren sind die Probleme deutlich wahrnehmbar.
Die aktuellen Zahlen belegen: Wohnen wird immer teurer, nicht nur in angesagten Großstädten, sondern auch in
kleineren Universitätsstädten. Selbst die Zahl der Landkreise mit steigenden Mieten nimmt erheblich zu. 30 bis
40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für
Miete auszugeben, ist nach unserer Auffassung entschieden zu viel.
({2})
Darauf haben wir immer wieder hingewiesen. Selbst die
Berichte der Bundesregierung belegen dies inzwischen.
Die Koalitionsfraktionen sehen das noch nicht ein, wohl
aber die Kanzlerin.
Der Neubau nimmt zwar zu. Aber leider handelt es
sich weitgehend um Eigentumswohnungen. Damit steigt
der Druck auf Mieterinnen und Mieter weiter. Wie Sie
vielleicht wissen, reicht zurzeit die Spanne der durchschnittlichen Mietpreissteigerungen bei Wiedervermietung von 19 Prozent in Berlin bis zu 44 Prozent in Konstanz am Bodensee. Ich kann Ihnen versichern, dass
solche Steigerungen durchgesetzt werden, ohne dass zuvor irgendetwas an den Wohnungen getan wurde. So ist
die Situation. Das kann so nicht weitergehen.
({3})
Es kann auch nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger
mit weniger hohem Einkommen, junge Familien und
Studierende die verfehlte Wohnungspolitik der Bundesregierung und von Teilen der Länder ausbaden und die
kurzfristigen Renditeerwartungen der Finanzbranche
finanzieren müssen.
({4})
Ich möchte dazu noch etwas sagen: Auch die kommunalen Haushalte geraten immer mehr unter Druck. Die
Angemessenheitsgrenzen bei den Kosten der Unterkunft
müssen angepasst werden. Aber staatliche Unterstützungsleistungen, Transferleistungen aus Steuermitteln
sind nicht dazu da, die Renditeerwartungen von Investoren zu erfüllen, sondern sie sind dazu da, den Menschen
zu helfen.
Wir haben ein Gesamtkonzept zur Dämpfung der
Mietpreisentwicklung bereits vorletztes Jahr in den Bundestag eingebracht, und wir haben dazu verschiedene
Vorschläge gemacht, zum Beispiel dass, wenn bei einem
Mieterwechsel die Wohnung wieder vermietet wird, der
nachfolgende Mieter nicht mehr als 10 Prozent mehr als
die ortsübliche Vergleichsmiete zahlen soll. Wir haben
diesen Antrag monatelang in den Ausschüssen hin- und
hergewälzt. Sie haben vor sage und schreibe drei Monaten, also drei Monate, bevor die Kanzlerin genau dieses
Instrumentarium fordert, diesen Antrag abgelehnt.
({5})
Da steht natürlich schon die Frage im Raum: Was soll
das eigentlich alles? Was macht eigentlich die Bundeskanzlerin im Moment mit diesem Thema? Ich kann Ih30720
nen nur sagen - das ist es, was mich dabei ärgert -, dass
Ihre Herangehensweise, nachdem Sie seit Jahren jede
Initiative der Opposition zur Dämpfung der Mietpreise
abgelehnt haben, gerade jetzt, ein Vierteljahr vor der
Wahl, plötzlich das Thema Miete für sich in Anspruch
zu nehmen, zeigt, dass Sie Probleme der Mieterinnen
und Mieter ersichtlich nicht ernst nehmen, sondern sie
nur zum Spielball des Wahlkampfs machen.
({6})
Sie haben auch bei der BauGB-Novelle einmal mehr
die Möglichkeit verschlafen, eine Mietpreisbremse einzubauen. Dort hätte es die Möglichkeit gegeben. Ich
nenne nur die Stichworte „Sanierungssatzung“ und
„Milieuschutzsatzung“. Auch hier gibt es selbstverständlich Möglichkeiten, Rechtsgrundlagen zu schaffen, um
die Mietpreisentwicklung zu bremsen.
({7})
Sie zahlen Kompensationsmittel für die soziale
Wohnraumförderung an die Länder. Aber was machen
die Länder damit? Das ist in einigen Reden angeklungen. Sie machen damit, was sie wollen, nur fördern sie
nicht den sozialen Wohnungsbau. Das ist Ihre Sache,
Herr Bundesminister Ramsauer, Sie müssen sich darum
kümmern, dass ein zweckgebundener Einsatz bei den
Ländern durchgesetzt wird.
({8})
Sie, Kollege Götz, haben völlig recht, wenn Sie kritisieren, dass die Bundesmittel nicht dazu da sind, auf
Kosten der Steuerzahler auf Umwegen Länderhaushalte
zu sanieren oder was auch immer zu finanzieren, zum
Beispiel schöne Flugplätze wie den von Kassel-Calden.
Nur, dann setzen Sie das doch durch, kümmern Sie sich
darum!
({9})
Über die Städtebauförderung braucht man gar nicht
mehr viel zu sagen. Damit haben Sie ein ganz lustiges
Spiel getrieben: rauf, runter, rauf, runter, bis das ganze
Land die Übersicht verloren hat. Jetzt legen Sie ein bisschen was drauf und sagen: Wir haben doch die Mittel erhöht. - Tatsache ist, dass die Mittel für die Städtebauförderung, jedenfalls seit ich im Bundestag bin, insgesamt
nur abgesenkt worden sind. Fast noch viel schlimmer ist,
dass Sie den nichtinvestiven Teil vollkommen gestrichen
haben, sodass es sich im Prinzip um eine reine Baumaßnahmenförderung handelt. Aber all das andere, was bei
der Städtebauförderung wichtig war, haben Sie erfolgreich beerdigt.
({10})
Kommen wir nun zu dem sehr schönen Thema der
Konversionsareale, also beispielsweise Kasernen für
preiswerte Wohnungen für Studentinnen und Studenten
zu nutzen. Das ist in der Tat - Herr Ramsauer und auch
die Kanzlerin haben das jetzt gefordert - eine tolle Idee.
Daran haben viele gedacht, auch Kommunalpolitiker.
Nur, warum kümmern Sie sich eigentlich nicht darum,
dass diese Areale auch für die Kommunen bezahlbar
sind?
({11})
Es hat keinen Sinn, wenn Grundstücke zu Preisen
verkauft werden, die sich nur noch Investoren leisten
können, die alles mit Glas, Stahl und Beton vollstellen.
({12})
Wenn Sie preiswerte Studierendenwohnungen dort haben wollen, dann braucht man Grundstückspreise, die es
den Kommunen und den Studentenwerken möglich machen, solche Grundstücke zu erwerben. Das Gegenteil
aber passiert. Der Bund feilscht seit Monaten und Jahren
mit verschiedenen Kommunen, um höchste Preise zu erzielen. Das hat zum Resultat, dass auf den Grundstücken
nichts, aber auch gar nichts passiert. Hier müssen wir
- das sage ich auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Bundestagsfraktion - auch Ihre Absichten noch ein bisschen nachschärfen. Wir müssen
ernsthaft etwas tun, sonst wird nichts passieren.
({13})
Wir haben verschiedene Vorschläge unterbreitet: Absenken der Kappungsgrenze, Begrenzen der Wiedervermietungsmiete, Absenken der Modernisierungsumlage usw. Sie haben alles, aber auch wirklich alles
blockiert. Im Übrigen haben wir darauf geachtet - das
sage ich an die Adresse der Koalition -, dass unsere Vorschläge maßvoll sind, weil wir natürlich wissen, dass
Übermaß und Übereifer in diesem Geschäft Investitionen abschrecken und dann das Gegenteil passiert, die
Wohnungsverknappung eher noch zunimmt. Wir wandern also auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite
muss es attraktiv sein, man muss noch Geld verdienen
können, aber es muss auch eine Bremse geben, damit
Mieterinnen und Mieter nicht überfordert werden. All
das haben wir Ihnen in vielen Initiativen dargelegt. Sie
haben alles in Bausch und Bogen komplett abgelehnt.
({14})
Es ist ganz interessant, dass Sie jetzt plötzlich Ihr Herz
für die Mieterinnen und Mieter entdecken.
Bei den Maklergebühren gibt es ein ähnliches Phänomen. Was haben wir Ihnen gesagt? Wir brauchen ein Bestellerprinzip. Es ist absurd, dass diese Kosten immer auf
den Wohnungssuchenden übergewälzt werden können.
Wer bestellt, bezahlt.
({15})
Das gilt im übrigen Leben. Das hat auch beim Mietrecht
zu gelten.
Sie haben alle unsere Vorschläge in Bausch und Bogen abgelehnt. Stattdessen kommen Sie mit einem Fossil
der Wohnungspolitik, der Eigenheimzulage. Genau!
Bauen wir noch ein paar Häuser auf der grünen Wiese,
die in 20 Jahren niemand mehr braucht. Wir brauchen in
den Städten eine Innenentwicklung, die preiswerten
Wohnraum sicherstellt, und keine Eigenheimzulage.
({16})
All das Genannte wollen wir in eine komplett andere
Wohnungspolitik überführen. Die brauchen wir. Die ist
dringend notwendig. Ich setze darauf, dass wir gemeinsam mit der SPD eine andere Wohnungspolitik ab
22. September in diesem Land realisieren werden, sodass Wohnen kein Luxusgut mehr ist, sondern ein Recht
für alle Menschen in unserem Land.
Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.
({17})
Für die Bundesregierung hat der Bundesminister
Dr. Peter Ramsauer das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben erst am 28. Februar dieses Jahres
über diesen gesamten Themenkomplex gesprochen.
Heute gilt wie am 28. Februar: Nachdem ich mir sehr
aufmerksam angehört habe, wie die Oppositionsfraktionen über Deutschland und Wohnen in Deutschland sprechen, habe ich den Eindruck, sie sprechen über ein ganz
anderes Land, aber nicht über unseres.
({0})
Wohnen und Leben in Deutschland ist Premiumleben,
ist Premiumwohnen.
({1})
Das bekomme ich von den vielen Gästen, die ich aus der
ganzen Welt empfange, immer wieder bestätigt. Ich gehöre nicht zu denen, die unser Land schlechtreden wollen. Das tue ich nicht. Sie sollten es auch nicht tun.
({2})
Ich habe bei dieser Debatte am 28. Februar auch betont, dass die Bundesregierung bei dem Thema Wohnen
sehr sensibilisiert ist; denn es ist ein Grundbedürfnis der
Menschen. Aber ich habe auch gesagt: Wir sollten bei
dieser Debatte die parteipolitischen Unterschiede,
({3})
die es durchaus gibt, nicht dazu hernehmen, um in sachfremder Weise in ganz unterschiedliche Richtungen zu
wirken. Bitte ziehen Sie mit der Bundesregierung an einem Strang,
({4})
wenn es darum geht, in den Überhitzungszonen unseres
Landes, in den Problemgebieten Angebot und Nachfrage
zu einem sozial gerechten Ausgleich zu bringen.
({5})
Herr Minister, Kollege Liebich würde Ihnen gern eine
Zwischenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen?
Ja.
Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie sagen, dass
Wohnen in Deutschland Premiumwohnen ist, würde
mich interessieren, was Sie jenen Mieterinnen und
Mietern antworten, die in den vergangenen Jahren, in
den vergangenen Jahrzehnten, muss man sagen, ihre
Wohnung aus finanziellen Gründen aufgeben und verlassen mussten, so wie es in einem Teil meines Wahlkreises, in Berlin-Prenzlauer Berg - Sie kennen den Bezirk
ja sehr gut; es ist hier gleich in der Nähe -, nahezu der
gesamten Bevölkerung ergangen ist; denn die Bevölkerung in Prenzlauer Berg ist in den letzten Jahren komplett ausgetauscht worden.
Das hatte auch andere Gründe, lieber Herr Kollege.
Ich komme in einem weiteren Teil meiner Rede genau
auf diese Frage zu sprechen und bitte Sie, mit einer
Antwort im Laufe meiner Rede zufrieden zu sein. Die
Themen „Wohngeld“ und „Kosten der Unterkunft“
werde ich selbstverständlich noch behandeln.
({0})
Ich möchte ganz ausdrücklich auch die vielen absurden Vorwürfe der Opposition zurückweisen. Das haben
die Kollegen Peter Götz und Patrick Döring ja in sehr
trefflicher Weise gerade ebenfalls getan. Wir sollten
auch gegenseitig so fair sein, ein realistisches Bild der
Wirklichkeit zu zeichnen und nicht ein völlig verzerrtes.
Ich finde, dass uns Pauschalisierungen und massive Dramatisierungen nicht helfen; aber natürlich helfen auch
Verharmlosungen nicht.
({1})
- Frau Künast, bitte etwas Geduld!
({2})
Tatsache ist, dass sich die Wohnungsmärkte in
Deutschland sektoral und auch regional ausgesprochen
unterschiedlich entwickeln. Die Ursachen für Wohnraumverknappungen und überproportionale Mietsteigerungen sind ebenso vielschichtig. Fest steht aber - ich
möchte das noch einmal betonen -, dass wir in Deutschland einen hohen Versorgungsgrad haben und dass wir
auch hohe qualitative Standards haben, an deren Verbesserung wir weiter arbeiten. Ein Beitrag dazu ist auch
unsere hervorragend verlaufende Arbeit bei der energetischen Gebäudesanierung.
({3})
Ich möchte das, was hier gesagt worden ist, richtigstellen: Die Programme, die wir hier fahren, haben Hochkonjunktur. Von einer flächendeckenden Wohnungsknappheit kann also überhaupt keine Rede sein.
({4})
Wir hatten nach einer längeren Phase der Stagnation
- das muss man so sehen; die Ursachen hierfür sind auch
bekannt - seit 2010 wieder einen Aufwärtstrend. Zwei
Stichworte sind schon genannt worden: die Abschaffung
der degressiven AfA und die Abschaffung der Eigenheimzulage. Das waren Bestandteile der damaligen
Koch/Steinbrück-Liste. Im Jahr 2006 wurden sie dann
abgeschafft. Im ersten Jahr nach einer solchen Abschaffung gibt es keine Bremsspuren, im zweiten machen sich
die ersten Folgen bemerkbar, und im dritten und vierten
Jahr sieht man die Auswirkungen. Das heißt, im Jahr
2009 hatten wir einen Tiefststand bei Baugenehmigungen - es gab etwa 150 000 - zu verzeichnen. Wir waren
einmal bei 300 000 bis 400 000 und darüber. Im Jahr
2011 haben wir Gott sei Dank wieder 228 000 Baugenehmigungen für Wohnungen gehabt. Das hat sich 2012
weiter fortgesetzt. Im ersten Quartal 2013 wurden im
Vergleich zum Vorjahresquartal noch einmal 13 Prozent
mehr Baugenehmigungen für Wohnungen ausgesprochen.
Gemeinsames Ziel muss es also sein, diese positive
Trendwende zu verstetigen. Dazu rufe ich alle Fraktionen dieses Hauses auf. Vorrangiges Ziel muss sein:
Bauen, bauen und nochmals bauen.
({5})
Nicht strangulieren, sondern initiieren. Gegen Mangel
hilft nur bauen. Jede zusätzliche Mietwohnung und auch
jedes zusätzliche Eigenheim entspannt die Situation. Ich
sage das ausdrücklich, weil ich diese Diskriminierung
von Eigentum nicht mehr hören kann.
({6})
Eigentum stabilisiert unsere Gesellschaft, Eigentum an
Wohnungen ist ein zentraler Bestandteil der Altersvorsorge. Eigentum ist eine Grundlage des Solidar- und des
Sozialstaates. Denn nur wer Eigentum hat, kann Solidarität üben. Wenn niemand mehr Eigentum hat, haben wir
nur eine Mangelverwaltung. Das kann wirklich niemand
wollen.
({7})
Jede zusätzliche Eigentumswohnung und jedes zusätzliche Eigenheim entspannen die Situation. Deshalb
sollten wir uns darauf konzentrieren, die Investitionstätigkeit insgesamt zu stärken. Das hat oberste Priorität.
Herr Minister, es gibt von der Kollegin Künast den
Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Ich komme auf alles noch zu sprechen. Ich kenne die
Fragen von Frau Künast und kann sie auch selber stellen.
Danke.
({0})
Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich nenne drei
wichtige Aktionsbereiche:
Erstens. Die Wiedereinführung der degressiven AfA;
das ist schon angesprochen worden. Ich halte die Verbesserung einer degressiven Abschreibungsmöglichkeit für
einen ganz wichtigen Impuls.
({1})
Denn durch diese steuerstundende Liquiditätshilfe werden Investitionsanreize gegeben.
({2})
Zweitens. Die Wiederbelebung der sozialen Wohnraumförderung; auch das ist bereits angeschnitten worden. Wir haben die gesetzliche Verantwortung im Rahmen der Föderalismusreform auf die Bundesländer
übertragen.
Frau Kollegin Wagner, Sie haben mir zugerufen, ich
solle mich darum kümmern. Ich sage Ihnen ganz ehrlich
- lassen Sie sich das auch von anderen berichten -: Es
vergeht keine Landesbauministerkonferenz, in der wir
nicht über dieses Thema intensiv gesprochen hätten. Ich
kann und will mich überhaupt nicht auf den Standpunkt
zurückziehen, dass es Ländersache ist und den Bundesbauminister nichts mehr angeht. Natürlich muss ich
mich auch darum kümmern, nicht zuletzt deshalb, weil
der Bund als Kompensation für die Übertragung dieser
Zuständigkeit auf die Länder die berühmten 518 Millionen Euro gibt.
({3})
Die Verhandlungen laufen seit einiger Zeit. Da sie
noch nicht zu einem Ergebnis geführt haben - schieben
wir die möglichen Ursachen mal beiseite - und unklar
ist, wie es nach 2013 weitergeht, schreiben wir in einem
ersten Schritt die Mittel für 2014 schlicht und einfach
fort. Wir werden nach der Wahl dafür sorgen, dass es für
die Länder und für die soziale Wohnraumförderung gut
weitergeht.
Meine Position in dieser Frage ist hinreichend bekannt - ich habe das oft genug auch mit den Bauministern der Länder erörtert -: Ich plädiere für ein Entgegenkommen. Allerdings erwarte ich im Gegenzug, dass die
Mittel, die der Bund den Ländern bereitstellt, zweckgebunden eingesetzt werden.
({4})
Das machen einige Länder ganz vorbildlich, beispielsweise Hamburg, Nordrhein-Westfalen und der Freistaat
Bayern. Einige andere Länder - ich nenne sie jetzt
nicht - haben da noch Verbesserungsspielraum.
({5})
Einige haben auch die Neubautätigkeit wieder aufgenommen und arbeiten nicht nur alte Dinge ab.
Drittens. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld liegt
im Bereich der sozial- und mietrechtlichen Flankierung.
Hier nehmen wir unsere Verantwortung sehr wohl wahr.
Ich lasse mir die Mietrechtsnovelle, die wir vor wenigen
Monaten verabschiedet haben und die nun in Kraft ist,
nicht schlechtreden. Wir haben den Ländern ein wichtiges Instrument in die Hand gegeben.
({6})
Wir haben in Problemzonen, also dort, wo die Mieten
explodieren, einen Deckel eingeführt, sodass die Mieten
innerhalb von drei Jahren nicht mehr um bis zu 20 Prozent, sondern nur noch um bis zu 15 Prozent erhöht werden können. Ich halte dies für richtig.
Daneben stehen wir natürlich voll und ganz - das
wäre wahrscheinlich die Zwischenfrage der Kollegin
Künast gewesen - zum Wohngeld und zu den Kosten der
Unterkunft. 16 Milliarden Euro fließen hier jährlich. Ich
setze diese Summe einmal in Bezug zu etwas anderem,
weil wir in diesem Kreis auch häufig über Verkehrsinfrastruktur reden: Die Mittel für den gesamten Straßenausbau und -neubau sowie für die Instandhaltung betragen
gerade einmal etwas über 5 Milliarden Euro. Für die soziale Flankierung - für das Zahlen von Wohngeld und
für die Übernahme der Kosten der Unterkunft - zahlen
wir also das Dreifache der Summe, die wir in den Straßenbau investieren. Wer hier sagt, meine Damen und
Herren, das sei schmählich zu wenig, der leugnet die
Realität.
({7})
Gleichwohl sage ich klipp und klar: Wir haben im Bereich des Wohngeldes Reformbedarf; das werden wir
nach der Bundestagswahl neu justieren müssen. Ich habe
bereits im Februar einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Das kann nicht in einem laufenden Haushaltsjahr
umgesetzt werden, aber wir werden uns darüber wieder
unterhalten.
Nun ein Wort zum Mietrecht, meine Damen und Herren.
Herr Ramsauer, Frau Bluhm würde Ihnen gern eine
Zwischenfrage stellen.
({0})
Ich verweise auf die Bemerkung des Kollegen Zöller.
({0})
Ich gehe ja gerade auf die drei Handlungsfelder ein
und will nun zum Mietrecht kommen. Bei allem, was
wir im Bereich des Mietrechts tun, meine Damen und
Herren, sollten wir immer sehr genau prüfen, inwieweit
sich Instrumente wie eine Mietpreisbremse auf den
Wohnungsneubau auswirken.
({1})
Das ist ein ganz wichtiger Maßstab, an dem wir alles messen müssen. Alles, was wir in diesem Bereich tun, darf
nicht den Wohnungsneubau abwürgen. Darauf hat die
Bundeskanzlerin in aller Eindeutigkeit und Klarheit hingewiesen; das hat sie betont. Ich verwahre mich ausdrücklich gegen die vorhin von Ihnen, Herr Kollege
Pronold, ausgesprochene Beleidigung, mit der Sie die
Bundeskanzlerin als eine „Handtaschenräuberin“ bezeichnet haben.
({2})
Das ist sonst nicht Ihr Stil.
Im Übrigen gibt es im Wirtschaftsstrafrecht bereits
seit langem eine Bestimmung, die Mietwucher begrenzt:
Bei Wiedervermietungen darf die Miete maximal
20 Prozent über der Miete für vergleichbaren Wohnraum
liegen. Aber wir wissen auch, dass diese Bestimmung in
der Praxis kaum Anwendung findet. Wir sind bereit,
auch hier etwas zu tun.
Das alles, meine Damen und Herren, sind wir den
Mietern, den Eigentümern und nicht zuletzt den Investoren schuldig, deren Investitionen wir uns nur wünschen
können; denn je mehr gebaut wird, desto weniger Nöte
werden wir haben.
({3})
Am Ende, lieber Peter Götz, auch von meiner Seite
ein herzliches Dankeschön, das ich, ohne anmaßend zu
sein, im Namen aller Bundesregierungen, unter denen du
dich diesem Thema zugewandt hast, aussprechen darf.
Du bist seit 23 Jahren im Parlament. Ich habe dich immer als das baupolitische Gewissen dieses Parlaments
und als das kommunalpolitische Gewissen unserer Fraktion wahrgenommen. Du bist sozusagen die Personifizierung dessen, was wir immer als Politik aus einem
Guss bezeichnen, für die Kommunen, für die Länder, für
den Bund. Dafür Respekt und Anerkennung und ein
herzliches Dankeschön.
({4})
Die Kollegin Heidrun Bluhm hat das Wort zu einer
Kurzintervention.
({0})
Herr Minister Ramsauer, da Sie meinten, dass Sie
meine Frage, die Sie nicht kennen können, mit Ihrer
Rede schon beantwortet haben, muss ich jetzt zu diesem
parlamentarischen Instrument greifen,
({0})
um Ihnen deutlich zu machen, dass Sie genau das nicht
getan haben.
Wenn die Kanzlerin, Frau Merkel, eine Mietpreisbremse und ähnliche Dinge in die politische Debatte einführt, gehe ich davon aus, dass sie das gemeinsam mit
ihrem Fachminister, der sie berät, erarbeitet hat.
({1})
Weder Herr Götz noch Herr Döring, die der Regierungskoalition angehören, noch Sie haben in irgendeiner
Weise die jetzt von Frau Merkel in die Diskussion eingeführte Mietpreisbremse erwähnt.
({2})
Glauben Sie nicht, dass es an dieser Stelle wichtig und
notwendig gewesen wäre, diesen Punkt den Mieterinnen
und Mietern zu erläutern, die sich Verlässlichkeit wünschen und wissen wollen, ob Sie das, was Sie im Wahlkampf versprechen, wirklich ernst meinen und umsetzen
wollen?
({3})
Ich hätte von Ihnen als Fachminister erwartet, dass
Sie nicht nur über Straßenbau und Ähnliches diskutieren, sondern dass Sie auch die Ideen der Kanzlerin aufgreifen, erläutern und damit den Mieterinnen und Mietern Sicherheit für die Zukunft geben.
Danke schön.
({4})
Herr Minister, zur Antwort. Bitte schön.
({0})
Frau Kollegin Bluhm, ich habe einige Minuten in
meiner Rede zum Themenkomplex Mietpreisbremse gesprochen, und zwar unter Verwendung dieses Begriffs.
({0})
Ihre Behauptung, dass ich das Thema nicht behandelt
hätte, verstehe ich nicht; denn das trifft nicht zu. Sie sind
Geschäftsfrau und auf diesem Sektor tätig. Sie selber
sind Vermieterin mehrerer Objekte und haben daher viel
Ahnung von der Praxis.
({1})
Sie lächeln jetzt. Tun Sie doch nicht so, als wüssten
Sie nicht, wie welche Maßnahme wirkt. Tun Sie nicht so,
als hätten Sie die Bundeskanzlerin nicht verstanden, die
klipp und klar gesagt hat - ich will es einmal so ausdrücken -: Wir brauchen mehr Wohnraum. Alles, was diesem Ziel dient, ist zu veranlassen, alles, was dem entgegensteht, ist zu unterlassen, und zwar bei gleichzeitiger
sozial- und mietrechtlicher Flankierung.
Die Bundeskanzlerin hat völlig recht, wenn sie sagt:
Dort, wo wir Überhitzungen zu verzeichnen haben, müssen wir diese Überhitzungen angehen und bekämpfen.
({2})
Sie hat Vorschläge dazu gemacht. Aber es muss klar
sein: Die Mittel, die wir einsetzen, dürfen nicht dazu
führen, dass der Neubau sozusagen stranguliert wird;
({3})
denn damit würden wir das einreißen, was wir uns an anderer Stelle mühsam erstritten und erarbeitet haben.
({4})
Zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich das Wort
Renate Künast.
Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie ahnen, was ich fragen will; deshalb dürfte Ihnen die Replik
leichtfallen. Sie haben gerade selber gesagt, dass Sie
viele Minuten über das Thema Mietpreis, MietpreisRenate Künast
bremse usw. gesprochen haben. Aber ehrlich gesagt: Das
waren nur Worte, Inhalt gab es keinen.
({0})
Sie sagen: Neubau, Neubau, Neubau! - Aber auch am
Ende Ihrer Rede ist immer noch unklar, wie die Mietpreisbremse bei der Vermietung von Neubauwohnungen
genau gestaltet werden soll. Wie soll die Miete für eine
Neubauwohnung im Vergleich zur ortsüblichen Miete
gedeckelt werden? Ab welchem Betrag soll die Bremse
greifen, damit Ihr Motto: „Neubau, Neubau, Neubau“
nicht zu einer über Jahre stattfindenden Verteuerung und
Anhebung der ortsüblichen Miete führt? Die Antwort
auf diese Frage sind Sie schuldig geblieben.
({1})
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Frau Merkel einen
Vorstoß gemacht hat, den Herr Schäuble nachher wieder
zurücknahm.
({2})
Sie müssen uns irgendwann einmal sagen, was Sie eigentlich wollen, und können uns nicht nur auf nachfolgende Zeiten vertrösten. Die Mieterinnen und Mieter haben ein Recht, beurteilen zu können, was Ihr Programm
tatsächlich beinhaltet.
({3})
- Die Mieter und die Vermieter auch. Aber noch ist in
Deutschland kein Vermieter verhungert. Mieter hingegen können ihre Miete manchmal nicht mehr zahlen.
Die soziale Verantwortung hat einer - als Minister sowieso -, dessen Partei das „S“ für „sozial“ im Namen
trägt.
Es herrscht also immer noch Unklarheit, wie die
Bremse eigentlich gestaltet werden soll, Herr Ramsauer.
({4})
Herr Minister, bitte zur Antwort.
Frau Kollegin Künast, ich fürchte: Wer nichts zur
Kenntnis nehmen will, widersteht auch jedem Erklärungsversuch.
({0})
Deshalb habe ich Probleme mit Ihnen.
({1})
Frau Künast, Angebot und Nachfrage regeln auch
Mietpreise. Deswegen ist Ihre Politik, die - wie ich aus
Ihren Worten heraushöre und aus den Programmen Ihrer
Partei herauslese - vor allen Dingen von Verboten geprägt ist, investitionsfeindlich. Angesichts investitionsfeindlicher Politik braucht man sich nicht zu wundern,
wenn nicht in den Wohnungsbau investiert wird.
Wenn ich jemanden, der in Wohnungen und Immobilien investieren will, von vornherein mit investitionsfeindlichen Restriktionen überziehe und ihm drohe, statt
Anreize zu geben, brauche ich mich nicht zu wundern,
wenn nicht gebaut wird. Gott sei Dank haben wir in
Deutschland seit drei Jahren wieder einen anderen
Trend. Es gibt eine steigende Zahl von Baugenehmigungen. Bis zur Wohnungsfertigstellung vergehen dann
noch ein bis zwei Jahre.
Deswegen war es auch nicht schädlich, sondern richtig, dass wir den Ländern - Stichwort „Subsidiarität“ bei der letzten Mietrechtsnovelle flankierend die Möglichkeit gegeben haben, diese Mietpreisbremse einzuführen. Wir sind auch bereit, den Straftatbestand im
Wirtschaftsstrafrecht, über den ich gesprochen habe, zu
präzisieren, damit diese Norm in der Praxis auch Anwendung finden kann. Es wurde schon die Grenze von
20 Prozent genannt. Daran können wir arbeiten.
({2})
Jetzt hat das Wort für die SPD-Fraktion der Kollege
Michael Groß.
({0})
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin
regelrecht dankbar für die Nachfragen, weil dadurch
noch einmal deutlich wurde, dass es den Strang, an dem
wir alle gemeinsam ziehen sollten, gar nicht gibt. Wir
wüssten auch gar nicht, in welche Richtung wir gemeinsam ziehen sollten.
Festzustellen ist, dass wir, seitdem Sie Minister sind,
Herr Ramsauer, weniger Neubauaktivitäten als in den
vier Jahren zuvor haben. Wenn man sich Ihre Leistungsbilanz ansieht, dann ist außer Runden Tischen und angekündigten Eigenheimzulagen nichts zu erkennen. Es ist
weiterhin so, dass viele Menschen in den Städten dieser
Republik Angst haben, dass sie ihre Mieten nicht mehr
bezahlen können.
({0})
Sie haben von Rechtssicherheit und Investitionssicherheit gesprochen. Was haben wir denn darunter zu
verstehen, wenn Sie ein Mietrecht erlassen - es ist im
Mai in Kraft getreten - und Ihre Bundeskanzlerin ein
paar Wochen später auf einmal das Thema Mietpreissenkung entdeckt? Selbst diejenigen, die sich bisher auf Sie
haben verlassen können oder meinten, sich auf Sie
verlassen zu können, sind in den letzten Tagen ein wenig
verunsichert. Das kann man auch sehr gut nachvollziehen.
Angesichts Ihrer jetzigen Aussagen und auch der
Aussagen aus der Regierungskoalition in den letzten
Wochen könnten die Leute in Deutschland den Eindruck
haben: Es gibt keine Probleme. All diejenigen, die
Wohngeld beantragen müssen, weil sie ein zu geringes
Einkommen haben, können sich beruhigt zurücklehnen
und müssen sich keine Sorgen machen, was ihre Daseinsvorsorge betrifft.
Sie befinden sich zurzeit in der Situation, erklären zu
müssen, warum es da ein Hin und Her gibt. Ich habe gerade gelesen, dass einige Mitglieder der CDU von der
Kanzlerin einen Sonderparteitag erwarten bzw. verlangen, weil sie sich übergangen fühlen. Natürlich kann ich
mir sehr gut vorstellen, warum Sie Probleme mit der
„Sozialen Stadt“ haben; denn dabei geht es darum, die
Menschen zu beteiligen und die Dinge letztendlich von
unten nach oben zu entwickeln.
Die Faktenlage ist eindeutig. Schon heute fehlen in
den Ballungsgebieten bzw. in den Universitätsstädten
250 000 Wohnungen. Der Mieterbund spricht von Wohnungsnot. Schon jetzt liegen in einigen Großstädten die
Leerstandsquoten bei unter 1 Prozent. Das heißt, dass
sich angesichts der steigenden Nachfrage in diesen Städten die Situation für Mieterinnen und Mieter weiter verschärfen wird.
Zusätzlich steigt die Anzahl der Haushalte. Sie selber
gehen davon aus, dass die Anzahl der Haushalte auf über
41 Millionen steigen wird. Das wäre innerhalb weniger
Jahre eine Zunahme um 3 Millionen. Sie haben und geben darauf - wir haben es gerade erlebt - keine konkrete
Antwort.
Die Mieter haben Sie nicht im Blick. Sie haben zugelassen, dass in einigen Regionen bei Wiedervermietungen zurzeit Mieterhöhungen von über 30 Prozent
möglich sind. Das ist für normale Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer nicht tragbar. Sie wissen auch, dass
zurzeit eine Situation besteht, in der sich Familien und
Alleinerziehende, die eine Wohnung suchen, so vorkommen, als würden sie ausgegrenzt. Sie kommen für die
Vermieter als Mieter gar nicht infrage. Neben dem Geld
spielen dabei auch noch der soziale Status oder der Familienstand eine Rolle.
Wir brauchen ein Bündnis für bezahlbares Wohnen,
und wir müssen alle beteiligen. An dieser Stelle will ich
ausdrücklich allen Investoren und Eigentümern danken,
aber auch den Genossenschaften und den kommunalen
Wohnungsunternehmen, die sich am Wohnungsmarkt im
Interesse der Mieterinnen und Mieter engagieren; denn
sie müssen letztlich die sinnvolle Wohnungsbaupolitik,
die wir fordern, umsetzen.
({1})
Unser Ziel ist ein breit angelegtes Maßnahmenbündel
für den Wohnungsbau: energetische Sanierung und familien- und altersgerechter Umbau von Häusern. Das alles
muss eingebettet sein in eine Politik der „Sozialen
Stadt“. Ich bekenne mich hier zu diesem Programm.
Herr Döring hat gerade gesagt, die SPD habe ein quasi
religiöses Verhältnis zum Programm „Soziale Stadt“. Ja,
es war eines der wichtigsten Programme, und es ist es
immer noch, auch mit Blick auf die Zukunft. Das hat damit zu tun, dass wir die Menschen unterstützen müssen,
damit sie in ihren Wohnquartieren vernünftig leben können. Es geht um Zusammenhalt, gute Nachbarschaft und
darum, dass die Kinder eine Zukunft haben. Es ist notwendig, für dieses Programm wesentlich mehr Geld in
die Hand zu nehmen. Wir dürfen die Mittel nicht dauernd kürzen, weil die Städte sonst letztendlich nicht
mehr handlungsfähig sind.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition und lieber Herr Ramsauer, hören Sie auf mit
nebulösen Versprechen! Sorgen Sie für Planbarkeit und
Investitionssicherheit! Familien brauchen das, um entscheiden zu können, wo sie leben, mieten oder bauen
wollen.
Herzlichen Dank.
({3})
Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Petra Müller
jetzt das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist dynamisch. Ich
glaube, darüber besteht in diesem Hohen Hause Einigkeit. Das war es dann aber auch schon mit der Einigkeit.
Diese Dynamik, die wir feststellen können, verdankt der
deutsche Wohnungsmarkt der kontinuierlichen Politik
der schwarz-gelben Koalition in den letzten vier Jahren.
({0})
- Jawohl, das ist so.
({1})
Wir haben ein positives Investitionsklima erst möglich gemacht. Die Eigentümerquote ist stetig angestiegen. Sie liegt bei 46 Prozent. Das ist ein gutes Signal.
Jawohl! Der Wohnungsneubau in Deutschland zieht an.
Wir hatten in 2012 7,4 Prozent mehr Baugenehmigungen. Auch das ist ein gutes Signal.
({2})
Das ist ein gutes Signal für Mieter, für Vermieter, für Investoren und für die Immobilienwirtschaft.
Petra Müller ({3})
Auf dem Wohnungsmarkt findet ein Umbruch statt;
das ist richtig. Ballungsräume stehen massiv unter
Druck. Universitätsstädte und Großstädte platzen aus
allen Nähten. Das nehmen wir natürlich zur Kenntnis.
Die beste Garantie für niedrige Mieten ist ein breites
Wohnungsangebot für die Mieter. Ich zitiere den Minister: bauen, bauen, bauen.
({4})
Eine Mietpreisbremse bzw. ein stärkeres Anziehen
der Mietpreisbremse - das ist Ihre Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen - ist kein Mittel gegen steigende
Mieten. Das ist kurzsichtig. Ich sage Ihnen heute: Sie
produzieren eine Wohnungsnot in den nächsten Jahren.
Schauen Sie nach Schweden; die haben uns das vorgemacht. Man sollte aus den Fehlern der anderen lernen.
Größere Sanierungen im Wohnungsbestand wären
dann geradezu unmöglich. Wer bisher mit einer Vergleichsmiete von 6 Euro pro Quadratmeter gerechnet
hat, muss heute bei gestiegenen Baukosten mit 8 Euro
rechnen. Wenn es zu einer Kappung kommt, wenn es zu
einer Begrenzung der Mieterhöhung auf 10 Prozent
kommt, dann landen wir bei 6,60 Euro. Da ist dann
Schluss. Welcher private Bauherr soll dann noch investieren?
({5})
Wie soll er damit sein Auskommen im Alter sichern?
Kein Bauherr würde Ihre Politik überleben. Sie vergiften
damit das Investitionsklima in Deutschland. Das darf ich
Ihnen hier sagen.
({6})
Die Lösung ist doch, den Wohnungsbau zu fördern,
und nicht, ihn zu verhindern - ganz einfach. Deshalb
gibt es ganz klare Forderungen:
Erstens an die Kommunen: mehr Bauland ausweisen,
Nachverdichtungen möglich machen; bauen, bauen,
bauen. Denn nur durch mehr Wohnraum kann der Druck
vom Wohnungsmarkt genommen werden.
Zweitens. Unsere Aufgabe für die nächste Legislaturperiode ist, die Bauprozesse zu beschleunigen. Bei den
Großprojekten haben wir das schon erfolgreich getan,
bei den kleinen müssen wir das jetzt auch machen. Das
wird der Mittelpunkt liberaler Politik in der Zukunft
sein.
({7})
Drittens. Die Grunderwerbsteuer muss sinken. Dies
ist eine berechtigte Forderung von uns an die Bundesländer; aber nein, sie wird erhöht, und die Grundstücke
werden teurer. Allen voran geht das SPD-geführte
Schleswig-Holstein mit 6,5 Prozent. Damit machen Sie
den Wohnungsbau kaputt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Last, but not least: Wohnungsbau und Klimapolitik
gehören zusammen. Konvergenz - und nicht Konkurrenz - ist hier das Stichwort.
Die Mittel für die Wohnraumförderung - 518 Millionen Euro seitens des Bundes - müssen zweckgebunden
werden. Dadurch wäre auch das Land Berlin, in dem der
größte Wohnungsmangel herrscht, verpflichtet, Sozialwohnungen zu bauen.
({8})
Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von
Frau Herlitzius zulassen?
Nein.
({0})
250 000 neue Wohnungen im Jahr - das ist die Marke,
die wir erreichen wollten. Sie ist in Sicht, sie ist fast erreicht. Wir Liberale wollen diesen positiven Trend weiter fördern. Mietpreisbremse stoppt Entwicklung. Dies
wird bereits durch das Wort Bremse ausgedrückt; das
kann man sich so vielleicht ganz gut merken.
Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({1})
Jetzt hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion der
Kollege Gero Storjohann.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! 80 Prozent der deutschen Bevölkerung leben in
Gebieten mit sehr wohl ausgeglichenen Wohnverhältnissen, und 20 Prozent der Bevölkerung wohnen in größeren Städten. Insbesondere dort kommt es in den begehrten Lagen in den Zentren zu Engpässen bei günstigem
Wohnraum. Das ist hier schon mehrfach festgestellt worden und auch nichts Neues.
Wir haben auch festgestellt, dass hier eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen besteht. Wir wissen auch, dass die Verantwortung
besonders bei den Ländern und den Kommunen liegt
und dass der Bund seine Rolle hierbei abgegeben hat,
aber dennoch zu seiner Verantwortung steht. Besonders
in den SPD-regierten Ländern wollen wir einfordern,
dass mehr Bauland ausgewiesen wird, gerade auch in
den Innenstadtlagen, und dass dort Verdichtungen erfolgen können.
({0})
Auch die Genehmigungsverfahren zum Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohnhäusern müssen beschleunigt
werden.
({1})
Nicht nur im Bereich des regulären Wohnungsbaus
- die Zahlen steigen -, sondern auch im sozialen Wohnungsbau macht diese Bundesregierung mit Minister
Peter Ramsauer einen guten Job. Das kann man nicht
von allen Landesregierungen sagen. Einige Landesregierungen haben hier nachzubessern. Damit meine ich nicht
meine Landesregierung in Schleswig-Holstein. Sie hat
beim sozialen Wohnungsbau immer ihren Job gemacht
und ist ein Vorbild. Einige Länder haben dies jetzt
kapiert und werden entsprechend nacharbeiten.
Das Ziel, dass Kommunen, Länder und Bund verstärkt tätig werden und ihre Verantwortung wahrnehmen, sollte uns alle einen; denn Wohnungspolitik ist
nicht Parteipolitik, sondern sie dient der Grundversorgung, zu der wir alle gemeinsam stehen müssen.
({2})
Wir stehen dazu. Es gibt unterschiedliche Zahlen. Die
Zahlen, die mir vorliegen, besagen, dass jedes Jahr
17 Milliarden Euro für Wohnen, für die Kosten der Unterkunft und Wohngeld ausgegeben werden. Das ist ein
Batzen Geld; das ist politisch so gewollt. Seit der Föderalismusreform 2007 hat der Bund den Ländern jährlich
518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung
an die Hand gegeben. Eigentlich haben wir das im guten
Glauben gemacht. Wir sind davon ausgegangen, dass die
Länder dieses Geld selbstverständlich für die Wohnraumförderung einsetzen und nicht für das Abzahlen von
Altverträgen nutzen. Dies muss man nicht unbedingt gesetzlich festlegen; denn das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
({3})
Alle, die Verantwortung tragen, können ihre Länder an
diese Selbstverständlichkeit erinnern.
({4})
Mit dem neuen Mietrecht ab 1. Mai dieses Jahres haben wir ein wirksames Instrument geschaffen, welches
den Ländern die Möglichkeit gibt, den Anstieg der Mieten vor Ort bremsen zu können. Die Länder haben nun
die Möglichkeit, mit einer Kappungsgrenze von 15 Prozent auf diesem Markt zu wirken. Sie müssen natürlich
einen entsprechenden Beschluss herbeiführen. Es ist unser Wunsch, dass sie genau definieren, welche Gebiete
besonders belastet sind und welche Gebiete mit einer
Kappungsgrenze von 15 Prozent versehen werden. Dann
ist es auch die Aufgabe der Länder, in diesen Gebieten
besonders zu fördern und dort für eine Marktberuhigung
zu sorgen. Nur zu kappen und nichts weiter zu tun, das
kann nicht die Lösung sei.
({5})
Die Länder sind ebenfalls am Zug, wenn es darum
geht, das Bauen für Investoren attraktiver zu machen.
Dazu trägt die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht
bei. Ich verstehe das natürlich, weil die Grunderwerbsteuer reines Landesgeld ist. Aber eine 6,5-prozentige
Grunderwerbsteuer ist ein Programm zur Verhinderung
von Neubau und kein Programm zur Beschleunigung
von Neubau. Auch das muss ganz deutlich gesagt werden.
In Deutschland hat niemand mehr Wohnungen privatisiert als SPD, Grüne und Linke zusammen.
({6})
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier, der ja gleich
zum nächsten Tagesordnungspunkt sprechen wird,
zeichnete als Chef des Kanzleramtes mit dafür verantwortlich, dass 200 000 Eisenbahnerwohnungen des
Bundes privatisiert wurden. Der SPD-Kanzlerkandidat
Steinbrück war als Finanzminister dafür verantwortlich,
dass 86 000 Wohnungen der BfA privatisiert wurden.
Ein rot-grüner Senat hat in Berlin vor ein paar Jahren die
GSW veräußert; es handelte sich dabei um die größte
kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die es in Berlin
gab.
({7})
- Rot-Rot? Meinetwegen; noch schlimmer. Aber angesichts dessen, was Sie immer so sagen, habe ich fast den
Eindruck, dass auch Sie da immer zugestimmt haben.
({8})
In Baden-Württemberg hat die grün-rote Landesregierung - die grün-rote Landesregierung, Frau Künast - erst
vor kurzem 22 000 Wohnungen der Landesbank BadenWürttemberg veräußert. Stehen Sie denn wenigstens
dazu?
({9})
Ihre Äußerungen sind nicht immer unbedingt stringent,
wenn es um Argumente geht.
Jetzt zur berühmten Mietpreisdeckelung. 60 Prozent
der Vermieter in Deutschland sind private Vermieter,
auch Kleinvermieter,
({10})
und 40 Prozent sind Profis. Bei den Profis mache ich mir
überhaupt keine Sorgen; sie passen auf, dass die Mieten
auch in Anbetracht der Inflation regelmäßig angepasst
werden. Bei den privaten Vermietern ist das anders. Sie
haben ein gutes Verhältnis zu ihren Mietern, und sie
trauen sich nicht immer, ein solches Gespräch zu führen.
Von privaten Vermietern wird die Miete in der Regel
dann angepasst, wenn es einen Mieterwechsel gibt. Vor
diesem Hintergrund müssen wir sehr wohl aufpassen,
dass wir keine falschen Regelungen einführen, die dann
dafür sorgen würden, dass auch private Vermieter gezwungenermaßen Mietpreissteigerungen durchsetzen.
Das ist also ein kompliziertes Thema, bei dem es keine
einfachen Lösungen gibt.
Was die Menschen insgesamt bewerten, ist die Bruttomiete. Sie ist in Deutschland insgesamt gestiegen,
auch infolge vieler politischer Entscheidungen im Hinblick auf die Nebenkosten; es ist der Strom, es ist die
Heizung, es sind die Grundsteuern. Das alles hat sich in
der letzten Zeit sehr stark verteuert, während die Nettomiete ziemlich stabil geblieben und in geringerem Maße
als die Inflationsrate gestiegen ist.
({11})
In Deutschland insgesamt sind die Nettokaltmieten
in den vergangenen 20 Jahren um 9,4 Prozent von
5,04 Euro pro Quadratmeter auf 5,51 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Inflationsbereinigt bedeutet das, dass
wir heute für das Wohnen weniger bezahlen als 1992.
Die Inflation ist im gleichen Zeitraum um 40 Prozent
gestiegen. Damit liegen die realen Mieten unter dem
Niveau von vor 20 Jahren. Das ist die Realität. Dennoch
verkenne ich nicht, dass wir in manchen Innenstadtlagen
extrem große Probleme haben. Es gibt auch Probleme
mit schwarzen Schafen. Diesen schwarzen Schafen
möchten wir als Union gerne das Handwerk legen.
({12})
Deswegen finde ich es richtig, dass wir eine starke
Kanzlerin haben, die die Probleme, die sie erkennt, auch
aufgreift.
({13})
- Die Begeisterung steigt, weil die Kanzlerin gerade den
Saal betreten hat und jetzt auf der Regierungsbank Platz
nimmt.
Das Problem in den Innenstadtlagen werden wir anpacken, aber so, dass es kein Abwürgen gibt, sondern
dass die Investoren weiterhin mit Zuversicht in den
Wohnungsbau investieren können. Die Anhörung gestern im Ausschuss hat ja auch ergeben: Eine Beschränkung bezüglich der Mieten kann nur eine Lösung für drei
Jahre sein, sie darf nicht für immer gelten. Für einen
gewissen Zeitraum können wir als Union diesen Weg
mitgehen. Wir werden jetzt verantwortungsvoll ausarbeiten, wie das genau gemacht werden kann.
Zum Schluss: Der Hauptpunkt, der die ganze Wohnungswirtschaft umtreibt, sind die Vorstellungen bzw.
Forderungen der Grünen im Hinblick auf eine Vermögensteuer.
({14})
Die Grünen fordern eine Vermögensteuer, ohne zu ahnen, was das für Auswirkungen auf die Investoren hat.
Im Wohnungsbestand ist diese Position fatal: Das Betriebsvermögen der Wohnungsunternehmen besteht zu
90 Prozent aus Grundbesitz. Wir sprechen in diesem Bereich nicht etwa von Renditen zwischen 10 und 15 Prozent, sondern von Renditen zwischen 2 und 4 Prozent.
({15})
Wenn dann auch noch mit einer Vermögensteuer eingegriffen wird, wird das Neubau eher verhindern und zu einer nochmaligen Steigerung der Mieten führen; denn das
alles muss - Sie wissen ganz genau, wie das geht, Frau
Wagner - natürlich auf die Betriebskostenabrechnung
umgelegt werden.
({16})
Meine Damen und Herren, die Union steht für eine
gut aufgestellte Wohnungsbaupolitik. Davon profitieren
alle: die Vermieter und die Mieter. Wir werden den Antrag der Linken zum bedarfsgerechten Wohnen heute an
den Ausschuss überweisen. Bei den anderen Anträgen
folgen wir der Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Herzlichen Dank.
({17})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Kumpf für die
SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Minister Ramsauer, wir haben auch
Probleme mit Ihnen.
({0})
Es ist nicht so, dass wir hier die Situation schlechtreden.
Der Kollege Kauder betont immer wieder, dass Politik
damit beginnt, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Unser
Eindruck ist, dass Sie die Wirklichkeit nicht wahrnehmen, dass Sie sie ausblenden. Sie reden Ihre Bilanz
schön.
({1})
Sie wollen nicht wahrnehmen - dabei wird die Zahl immer wieder betont -, dass zurzeit 250 000 bezahlbare
Wohnungen fehlen
({2})
und dass, wenn die derzeitige Politik fortgesetzt wird,
2025 1 Million Wohnungen fehlen werden.
({3})
Sie wollen auch nicht wahrnehmen, dass die Mieten
in nicht wenigen Ballungszentren - nicht nur in Überhitzungsregionen - exorbitant steigen, dass Verdrängungsprozesse ablaufen, dass sich die Segregation beschleunigt. Was Sie auch nicht wahrnehmen wollen, ist der
Protest der Mieter und Mieterinnen, die sich nicht nur
gegen die erhöhten Mieten, sondern auch gegen das von
der Koalition veränderte Mietrecht wenden und nicht nur
in Berlin, sondern auch an anderen Orten auf die Straße
gehen.
Sie wollen auch nicht wahrnehmen, dass die steigenden Energiekosten gerade Haushalte mit kleinem Einkommen an die Armutsgrenze treiben. Wer ein Drittel
seines Einkommens für Wohnen und für Energie verwenden muss - bei kleinen Haushalten sind es sogar
50 Prozent -, muss an anderer Stelle sparen: an Kultur,
an Bildung, an Freizeit. Das ist unsozial.
({4})
Die Kanzlerin ist eine kluge Frau. Sie ist jetzt gerade
irgendwo hier im Saal unterwegs; wahrscheinlich wirbt
sie für ihre Mietpreisbremse.
({5})
Sie hat die Notbremse gezogen und schließt sich jetzt
unserer Forderung an, eine solche Mietpreisbremse einzuführen - eine kluge Entscheidung, eine richtige Entscheidung.
({6})
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben heute die Möglichkeit, Ihrer Kanzlerin schon jetzt zu
folgen: indem Sie unseren Anträgen zustimmen. Sie
müssen nicht Ihren Parteitag abwarten, Sie können sich
hier einen Ruck geben und eine Kehrtwende einlegen.
Unterstützen Sie einfach unsere Anträge!
({7})
- Genau, das ist ein guter Vorschlag.
Wir wollen nämlich eine Rückkehr zu einem sozial
ausgewogenen Mietrecht. Wir wollen, dass die Energiewende und die energetische Sanierung sozial gerecht gestaltet werden. Wir wollen, dass die Maklergebühren neu
geregelt werden: Wer bestellt, der bezahlt.
Ein soziales Mietrecht ist die eine Seite. Dass neue
Wohnungen gebraucht werden, ist die andere Seite. Da
sind wir uns auch einig, glaube ich.
Dafür müssen Sie aber die entsprechenden Instrumente in die Hand nehmen. Deswegen sind wir dafür,
dass die Länder bis 2019 entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt bekommen - und nicht nur bis 2015; das
greift viel zu kurz. Diese Mittel müssen die Länder dann
tatsächlich für den Wohnungsbau verwenden und nicht
für das Stopfen der Haushaltslöcher.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein Wort zur
Städtebauförderung. Die Stadt- und Quartiersentwicklung ist eine entscheidende Zukunftsaufgabe, aus der
sich die schwarz-gelbe Bundesregierung seit drei Jahren
zurückgezogen hat.
({8})
Für die Städtebauförderung werden seitens des Bundes
im Haushalt 2013 nur 455 Millionen Euro in die Hand
genommen. Das sind 20 Prozent weniger als 2009, Frau
Müller. Herr Ramsauer hat wohl das kleine Einmaleins
verlernt. Oder ist das etwa das bayerische Einmaleins:
Eine Verringerung soll auf einmal eine Verstetigung oder
Konsolidierung sein?
Sie haben in dieser Legislaturperiode beim Programm
„Soziale Stadt“ den Rückwärtsgang eingelegt. Wir von
der SPD - Sie könnten uns folgen - wollen hier wieder
Gas geben und mehr Mittel einstellen, nämlich 700 Millionen Euro, damit die Menschen mitentscheiden, mitgestalten und Anteil an der Zukunftsgestaltung ihrer Städte
und Stadtteile nehmen können; denn die Menschen sind
die Seele unserer Städte und Gemeinden.
Wir wollen gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen, den Mieter- und Sozialverbänden, der Bau- und
Wohnungswirtschaft, den Wohnungsgenossenschaften
und den Gewerkschaften ein Bündnis für bezahlbares
Wohnen und eine sozial gerechte Stadt schließen. Schließen Sie sich uns an. Heute ist noch Zeit dazu. Wir sind
den Menschen gegenüber dazu verpflichtet.
Herzlichen Dank.
({9})
Für die FDP-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Sebastian Körber.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sollten uns in dieser Debatte wieder den Zahlen und
Fakten zuwenden. Schauen wir uns einmal die aktuellen
Zensusergebnisse an. Ich empfehle das besonders der
Kollegin Künast und dem Kollegen Pronold; Frau
Kumpf, ein Blick darauf würde auch Ihnen sicher nicht
schaden.
({0})
Sie kaprizieren sich hier immer auf die Mietmärkte in
Deutschland. Schauen wir uns einfach einmal an, welche
Leerstände bei uns in Bayern - lieber Kollege Pronold,
ich spreche Sie da besonders an - teilweise herrschen.
Bei mir zu Hause in Oberfranken haben wir eine
Leerstandsquote von etwa 5,4 Prozent. In den östlichen
Teilen Deutschlands liegt sie teilweise bei 10 Prozent.
Es ist doch augenscheinlich, dass man in Ballungsräumen, in denen die Leerstandsquote ganz minimal ist,
wenn wir sie dort überhaupt noch vorfinden, neue Wohnungen bauen muss; denn zusätzlichen Wohnraum kann
man dort ausschließlich in Form von Neubau schaffen.
Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass es sich auch
lohnt und rechnet, Neubau in den Ballungsräumen in
Deutschland zu betreiben.
({1})
Es ist klar, das wir Anreize setzen müssen, um die Investitionen dort zu erhöhen, etwa durch eine degressive
AfA.
({2})
Schauen Sie sich die Zahlen des Zensus an - ich stelle
sie Ihnen gerne zur Verfügung -: 60 Prozent der Mietwohnungen werden von privaten Vermietern vermietet.
Dazu gehören auch Eigentumswohnungen, Frau Kollegin Wagner. Eigentumswohnungen werden von den
Menschen nicht nur selbst genutzt, sondern auch vermietet, weil jemand beispielsweise seine Altersvorsorge dadurch absichert.
({3})
Das dürfen wir nicht vergessen. Sie tun immer so, als ob
in Deutschland eine ganz andere Welt herrscht.
Wir haben als schwarz-gelbe Regierungskoalition
schon sehr viele positive Punkte umgesetzt. Das hören
Sie nicht so gerne; ich weiß. Dabei wissen Sie, dass das
wirklich gut ist. Schauen Sie sich nur einmal die
Planungsrechtsnovelle an, mit der wir den Kommunen
gezielt Erleichterungen einräumen, sodass dort etwa
Umnutzungen erfolgen können. Das ist zum Beispiel bei
Konversionsflächen, bei alter Bausubstanz ganz wichtig,
weil diese dann einfacher umgenutzt werden können.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hier
können wir die Kommunen nicht aus der Verantwortung
entlassen. Das Baurecht in Deutschland sieht nun einmal
so aus, dass die Kommune die Planungshoheit hat.
({4})
Das hören Sie natürlich auch nicht gerne; denn die größten Städte werden von der SPD regiert - allen voran
München, lieber Florian Pronold. Dort werden übrigens
die Ziele, die der Münchner Oberbürgermeister sich
selbst gesetzt hat, bei weitem nicht erfüllt.
({5})
Wir haben auch mit dem Mietrechtsänderungsgesetz
die richtigen Anreize gesetzt, damit es sich etwa lohnt,
energetisch zu sanieren. Frau Bundesministerin
Leutheusser-Schnarrenberger hat, wie ich finde, ein sehr
gutes Gesetz vorgelegt, das dazu beiträgt, dass wieder
gezielt Anreize gesetzt werden. Ihre Vermögensteuerpläne würden dazu führen, dass es sich bald für niemanden mehr lohnt und es für niemanden einen Anreiz gibt,
ein Haus zu bauen oder zu kaufen und zu sanieren. Da
können wir Sie nicht herauslassen, und das werden wir
auch nicht.
Wenn ich mir jetzt Ihre Pläne von der sogenannten
Mietpreisbremse anschaue, dann frage ich mich, was Sie
da eigentlich machen wollen. Sie wollen regulativ eingreifen, sodass bald bestimmte Mieten vorgegeben werden. Das wollen Sie damit doch im Prinzip erreichen.
({6})
Das werden wir ganz klar ablehnen, weil dann überhaupt
kein Anreiz mehr bestehen würde, Neubau zu betreiben.
Diese Anreize würden zurückgesetzt.
({7})
- Ich habe Ihnen zugehört, Herr Pronold. Sie dürfen sich
da nicht in die Irre führen lassen: Sie setzen die Anreize
einfach zurück. Es gibt dann für niemanden mehr einen
Anreiz, etwas zu bauen. Das ist das Problem.
({8})
Schauen Sie sich doch die Zensuszahlen an; ich stelle
sie Ihnen gleich gerne zur Verfügung. Was ist denn der
nächste Schritt? Irgendwann wollen Sie dann auch noch
die Mieten staatlich festlegen. Das wäre eine „DDR
light“.
({9})
So etwas wollen doch eigentlich nur noch manche Kollegen von der Linken. So sieht das doch aus.
({10})
Ich halte diesen Gutmenschenwahlkampf, den Sie
hier vorgeben betreiben zu wollen, wirklich für grundfalsch. Sie spielen mit den Ängsten der Mieterinnen und
Mieter. Das ist falsch. Wir brauchen ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Das ist der beste Mieterschutz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({11})
Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/13552 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Tagesordnungspunkt 5 b. Wir kommen zur Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD
sowie des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel
„Programm ‚Soziale Stadt‘ zukunftsfähig weiterentwi-
ckeln - Städtebauförderung sichern“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/12453, den Antrag der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung an-
genommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP, da-
gegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
auf Drucksache 17/13776. Der Ausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck-
sache 17/12485 mit dem Titel „Bezahlbares Wohnen in
der sozialen Stadt“. Wir stimmen nun über Buchstabe a
der Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion
der SPD namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind
alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall.
Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgeben konnte? - Das ist nicht der
Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später be-
kannt gegeben.1)
Da wir jetzt eine Reihe von Abstimmungen durchzu-
führen haben, bitte ich Sie sehr, sich in die Reihen zu be-
geben, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt.
Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung auf Drucksache 17/13776 fort.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 17/12481 mit dem Titel „Wohnungsnot bekämp-
fen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern
einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln“.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitions-
fraktionen und die SPD. Die Linke war dagegen, Bünd-
nis 90/Die Grünen haben sich enthalten.
Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11696 mit dem
Titel „Wohn- und Mietensituation von Studierenden ver-
bessern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen mit dem gleichen Stim-
menverhältnis wie bei der letzten Abstimmung.
1) Ergebnis Seite 30737 D
Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 54 a bis 54 f
sowie Zusatzpunkte 2 a bis 2 l auf:
54 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Bundeszentralregistergesetzes und anderer
registerrechtlicher Vorschriften zum Zweck der
Zulassung der elektronischen Antragstellung
bei Erteilung einer Registerauskunft
- Drucksache 17/13616 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs
- Drucksache 17/13617 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({1})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 17/13662 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union ({2})
- Drucksache 17/13665 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({3})
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
e) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Europawahlgesetzes
- Drucksache 17/13705 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({4})
Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Tobias Lindner, Oliver Krischer, Ute Koczy,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nachhaltige und gerechte Rohstoffpolitik Innovationsstrategie für die Wirtschaft
- Drucksache 17/13568 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({5})
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
ZP 2 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über
den Waffenhandel
- Drucksache 17/13708 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({6})
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina
Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme
Ost und West im Rahmen der Städtebauförderung
- Drucksache 17/12508 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({7})
Innenausschuss
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Für universelle Nachhaltigkeitsziele - Entwicklungs- und Umweltagenda zusammenführen
- Drucksache 17/13727 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({8})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Bärbel Kofler, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulla
Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Für eine nachhaltige Entwicklungsagenda ab
2015 - Millenniumsentwicklungsziele und
Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestalten
- Drucksache 17/13762 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung ({9})
Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
e) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung ({10}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({11})
Konzepte der Elektromobilität und deren Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt
- Drucksache 17/13625 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({12})
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
f) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({13}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({14})
Ökologischer Landbau und Bioenergieerzeugung - Zielkonflikte und Lösungsansätze
- Drucksache 17/13626 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({15})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
g) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({16}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({17})
Zukunft der Automobilindustrie
- Drucksache 17/13672 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({18})
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
h) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
({19}) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung ({20})
Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit
Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien Präzisierung und Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffstrategie
- Drucksache 17/13673 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({21})
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
i) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
2008 und 2009
- Drucksache 17/1350 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({22})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
j) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht 2009 und 2010 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- 23. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/5200 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({23})
Petitionsausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
k) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für
die Jahre 2010 und 2011
- Drucksache 17/9100 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({24})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
l) Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Tätigkeitsbericht 2011 und 2012 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
- 24. Tätigkeitsbericht - Drucksache 17/13000 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({25})
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Hier geht es um Überweisungen im vereinfachten
Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. - Sie sind damit einverstanden. Dann geschieht das so.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 55 a bis o auf. Hier
handelt es sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,
zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 55 a:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur
Änderung des Öko-Landbaugesetzes
- Drucksache 17/12855 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({26})
- Drucksache 17/13736 Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz
Heinz Paula
Dr. Christel Happach-Kasan
Alexander Süßmair
Cornelia Behm
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13736, den Gesetzentwurf des
Bundesrates auf Drucksache 17/12855 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer möchte dem Gesetzentwurf
zustimmen? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit
ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die
Oppositionsfraktionen haben sich enthalten.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge
sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Dies ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen.
Tagesordnungspunkt 55 b:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({27}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom
Koenigs, Kerstin Müller ({28}), Volker Beck
({29}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Anwendung der Administrativhaft und
willkürliche Festnahmen durch israelische
und palästinensische Sicherheitskräfte verurteilen
- Drucksachen 17/11166, 17/11742 Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Hörster
Günter Gloser
Dr. Rainer Stinner
Kerstin Müller ({30})
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11742, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11166 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die
Koalitionsfraktionen und Gegenstimmen durch die Oppositionsfraktionen.
Tagesordnungspunkt 55 c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({31}) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom
Koenigs, Kerstin Müller ({32}), Volker Beck
({33}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Gaza-Blockade beenden
- Drucksachen 17/11167, 17/11743 Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Hörster
Günter Gloser
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({34})
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11743, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11167 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen; die Koalition war dafür, die
Opposition dagegen.
Tagesordnungspunkt 55 d:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe ({35}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner,
Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE
Freiheit für Mumia Abu-Jamal
- Drucksachen 17/8916, 17/12923 Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Frieser
Angelika Graf ({36})
Marina Schuster
Annette Groth
Volker Beck ({37})
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12923, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/8916 abzulehnen. Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist
angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP
und SPD. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten,
die Linke hat dagegen gestimmt.
Tagesordnungspunkt 55 e:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ({38}) zu
dem Antrag der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tiergerechte Legehennenhaltung stärken
- Drucksachen 17/12842, 17/13285 Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Stier
Heinz Paula
Dr. Christel Happach-Kasan
Alexander Süßmair
Friedrich Ostendorff
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13285, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12842 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die
Koalitionsfraktionen und Gegenstimmen durch die Oppositionsfraktionen.
Tagesordnungspunkt 55 f:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit ({39}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Karin
Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Ressourcenschutz durch Vorgabe einer Mindestnutzungsdauer für technische Produkte
- Drucksachen 17/13096, 17/13696 Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Brand
Gerd Bollmann
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Horst Meierhofer
Ralph Lenkert
Dorothea Steiner
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13696, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/13096 abzulehnen. Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Enthaltung von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen und gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke wurde die Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition angenommen.
Tagesordnungspunkt 55 g:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({40})
Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
hier: Elektronische Verteilung von Bundestagsdrucksachen ({41})
- Drucksache 17/13654 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Kaster
Sonja Steffen
Gisela Piltz
Alexander Ulrich
Volker Beck ({42})
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 55 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({43})
Sammelübersicht 590 zu Petitionen
- Drucksache 17/13501 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die
Sammelübersicht ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 55 i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({44})
Sammelübersicht 591 zu Petitionen
- Drucksache 17/13502 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Sammelübersicht ist einstimmig
angenommen.
Tagesordnungspunkt 55 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({45})
Sammelübersicht 592 zu Petitionen
- Drucksache 17/13503 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei
Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen war
die Fraktion Die Linke, alle übrigen waren dafür.
Tagesordnungspunkt 55 k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({46})
Sammelübersicht 593 zu Petitionen
- Drucksache 17/13504 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die
Sammelübersicht ist angenommen bei Gegenstimmen
der Fraktion Die Linke; alle anderen waren dafür.
Tagesordnungspunkt 55 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({47})
Sammelübersicht 594 zu Petitionen
- Drucksache 17/13505 Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Die
Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die
Linke und Zustimmung aller anderen angenommen.
Tagesordnungspunkt 55 m:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({48})
Sammelübersicht 595 zu Petitionen
- Drucksache 17/13506 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Sammelübersicht angenommen
bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Linke und SPD waren dagegen, enthalten hat sich niemand.
Tagesordnungspunkt 55 n:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({49})
Sammelübersicht 596 zu Petitionen
- Drucksache 17/13507 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei
Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen
waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion
Die Linke hat sich enthalten.
Tagesordnungspunkt 55 o:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({50})
Sammelübersicht 597 zu Petitionen
- Drucksache 17/13508 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung
durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 3 bis 6. Ich
rufe zunächst Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({51}) zu dem Achten Gesetz zur
Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({52})
- Drucksachen 17/9852, 17/11053, 17/11636,
17/13720 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? - Das ist ebenso nicht der Fall. Wir kommen
zur Abstimmung.
Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3
Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im
Deutschen Bundestag über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist. Das gilt auch für die noch folgenden drei
Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13720? - Die
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die
Linke gestimmt, alle anderen waren dafür.
Zusatzpunkt 4:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({53}) zu dem Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der
privaten Altersvorsorge ({54})
- Drucksachen 17/10818, 17/12219, 17/12220,
17/12628, 17/13721 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist
auch nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13721? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist
angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt, alle anderen waren dafür.
Zusatzpunkt 5:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({55}) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur
Änderung steuerlicher Vorschriften ({56})
- Drucksachen 17/12375, 17/12532, 17/12533,
17/12925, 17/13722 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist
ebenso nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13722? - Wer
stimmt dagegen? - Das ist einstimmig, Enthaltungen
gibt es keine.
Zusatzpunkt 6:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({57}) zu dem Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes
- Drucksachen 17/10422, 17/12722, 17/13388,
17/13723 Berichterstattung:
Abgeordneter Jörg van Essen
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Gibt es Erklärungen? - Das ist
ebenso nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/13723? - Wer
stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das war einstimmig.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Es ging um das Thema „Bezahlbares
Wohnen in der sozialen Stadt“ sowie die Drucksachen
17/12485 und 17/13776. Es wurden 567 Stimmen abgegeben, davon haben 306 Abgeordnete mit Ja gestimmt,
mit Nein haben 198 gestimmt, enthalten haben sich
63 Abgeordnete. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 567;
davon
ja: 306
nein: 198
enthalten: 63
Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({58})
Manfred Behrens ({59})
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({60})
Dirk Fischer ({61})
Axel E. Fischer ({62})
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({63})
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Rudolf Henke
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({64})
Dr. Egon Jüttner
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers
({65})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer ({66})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller ({67})
Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann ({68})
Michaela Noll
Franz Obermeier
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({69})
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht ({70})
Anita Schäfer ({71})
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt ({72})
Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön ({73})
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Armin Schuster ({74})
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Stephan Stracke
Karin Strenz
Thomas Strobl ({75})
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel ({76})
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg ({77})
Peter Weiß ({78})
Sabine Weiss ({79})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar G. Wöhrl
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christine AschenbergDugnus
Daniel Bahr ({80})
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Bijan Djir-Sarai
Gerhard Drexler
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther ({81})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Dr. Lutz Knopek
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h.c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth ({82})
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner ({83})
Michael Link ({84})
Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller ({85})
Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann
({86})
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({87})
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Christiane RatjenDamerau
Hagen Reinhold
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel
({88})
Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({89})
Nein
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding ({90})
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({91})
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h.c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf ({92})
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann
({93})
Hubertus Heil ({94})
Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz ({95})
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe ({96})
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange ({97})
Dr. Karl Lauterbach
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({98})
Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Manfred Nink
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({99})
Michael Roth ({100})
Marlene Rupprecht
({101})
Axel Schäfer ({102})
Marianne Schieder
({103})
Werner Schieder ({104})
Ulla Schmidt ({105})
Silvia Schmidt ({106})
Carsten Schneider ({107})
Swen Schulz ({108})
Ewald Schurer
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h.c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff
({109})
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck ({110})
Volker Beck ({111})
Cornelia Behm
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz ({112})
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Susanne Kieckbusch
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Markus Kurth
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Kerstin Müller ({113})
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth ({114})
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner ({115})
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler
Enthalten
DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Annette Groth
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jutta Krellmann
Caren Lay
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ulrich Maurer
Niema Movassat
Thomas Nord
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Michael Schlecht
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich
fraktionsloser
Abgeordneter
Wolfgang Nešković
Jetzt rufe ich Zusatzpunkt 7 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gesamtvolumen der Wahlversprechen von
Bundeskanzlerin Dr. Merkel - Auswirkungen
auf die Steuer- und Haushaltspolitik des Bundes
Ich gebe für die SPD-Fraktion dem Kollegen
Dr. Frank-Walter Steinmeier das Wort.
({116})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am Wochenende war es so weit: Die Kanzlerin hat die
Maske fallen lassen, und wir alle waren Zeugen.
({0})
Sparen, Haushaltsdisziplin, Konsolidierung - das ist
die Botschaft, die wir gehört haben - war alles gestern,
was schert uns das noch? Das ist offensichtlich das Muster, nach dem Sie erneut auf Wählerfang gehen wollen.
Sie alle von FDP, CDU und CSU machen sich zu Wiederholungstätern; denn genau mit dieser Masche haben
Sie im Sommer 2009 die Wähler gelockt - mit Wahlgeschenken und Steuersenkungen.
({1})
Gehalten haben Sie davon nichts, außer der Belohnung
einiger spendenfreudiger Großhoteliers.
({2})
Vor vier Jahren war das Wahlbetrug. Seit dem Wochenende wissen wir: Den nächsten bereiten Sie gerade vor.
({3})
Vier Jahre haben Sie, meine Damen und Herren von
der Koalition, gemeinsam den Bürgern vorgemacht:
Sparen ist erste Bürgerpflicht. - Gemeint haben Sie es
vor allem für andere: für Länder und Gemeinden sowie
für Griechen und Spanier. Sich selbst aber haben Sie
großzügig Kredit gegeben. 100 Milliarden Euro Neuverschuldung, das ist in Wahrheit ein ordentlicher Schluck
aus der Pulle.
({4})
Man muss sich das einmal vorstellen: 100 Milliarden
Euro Neuverschuldung bei Rekordsteuereinnahmen!
Angesichts dessen ist es Heuchelei, wenn Sie sich am
Ende der Legislaturperiode vor den Wähler stellen und
sagen: Wir haben ordentlich gewirtschaftet. - Das ist
Heuchelei!
({5})
Ich bin aber auch sicher: Sie werden ab sofort nicht
einmal mehr heucheln können,
({6})
nachdem Ihre Parteivorsitzende am Wochenende das
Füllhorn über die ganze Republik ausgeschüttet hat. Die
Katze ist damit aus dem Sack. Nichts gilt mehr von den
hehren Haushaltsgrundsätzen. Nichts gilt mehr von den
Konsolidierungsversprechen. Wenn ich mir vor Augen
führe, was Sie planen, dann komme ich zu dem Schluss,
dass Sie jetzt vorhaben, Party zu machen: ein Wochenende, eine Telefonschaltkonferenz und zahllose Wahlversprechen in Höhe von 46,5 Milliarden Euro. Finanzierung? Gegenfinanzierung? - Fehlanzeige! Wer will
schon so kleinlich sein?
({7})
Stellen Sie sich nur einmal eine Sekunde vor: Irgendjemand anderes hier im Haus wäre auf die Idee gekommen, Milliardenausgaben ohne einen einzigen Cent an
Gegenfinanzierung vorzuschlagen. Was hätten Sie dann
hier im Haus und in der Öffentlichkeit veranstaltet? Sie
nehmen für sich andere Maßstäbe in Anspruch. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich sage Ihnen:
Die Öffentlichkeit wird das auch nicht.
({8})
Mir geht es gar nicht nur um das Volumen dessen,
was Sie hier vorschlagen. Was mich wirklich aus der
Haut fahren lässt, ist, wie dreist Sie den Wähler bei Ihren
Ankündigungen hinter die Fichte führen. Sie handeln
nicht nur anders, als Sie es versprechen. Sie machen das
genaue Gegenteil. Ich nenne als Beispiel Mieten und
Wohnen. Vor zwei Monaten - daran erinnern wir uns alle
noch sehr gut - prügeln Sie mit Ihrer Mehrheit hier im
Deutschen Bundestag das Mietrechtsänderungsgesetz
durch das Parlament, ein paar Wochen später auch durch
den Bundesrat. Ihre Leute brüsten sich bei „Haus &
Grund“ und anderen Organisationen damit, dass jetzt
endlich eine Besserstellung von Vermietern und Eigentümern erreicht sei.
({9})
Es ist wahr: Tatsächlich führt das, was Sie gemacht haben, zu einer Schlechterstellung der Mieter. Ich erinnere
mich sehr gut, dass wir hier im Hause noch einen Antrag
auf Einführung einer Kappungsgrenze bei Neuvermietungen gestellt haben. Sie haben gesagt: „Das ist Sozialismus“, und haben das abgelehnt. Jetzt erklären Sie ab
sofort: Die Kappungsgrenze ist richtig. - Das müsste Ihnen doch die Schamesröte ins Gesicht treiben.
({10})
In Wahrheit bekommen Sie am Ende der Legislaturperiode ein bisschen Panik, weil Sie die ganze Zeit die
Krise in Europa benutzt haben, um sich zu verstecken
und das Nichtstun zu rechtfertigen. Es kommt nicht von
ungefähr, wenn wir feststellen: Ihre Bundesregierung hat
in dieser Legislaturperiode 45 Gipfel veranstaltet,
({11})
45 Gipfel, auf denen nichts entschieden worden ist. Das
ist Organisation von Stillstand. Aber das ist keine Zukunftsgestaltung.
({12})
Die Gegenwart beschwören, niemanden beunruhigen
und Hoffen auf bessere Tage, das ist jedenfalls keine
Politik. In die Zukunft kann man sich nicht hineinschleichen. Die muss man an den Hörnern packen. Man muss
sie gestalten. Genau das tun Sie nicht, weil Sie Angst davor haben.
Herzlichen Dank.
({13})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Hermann
Gröhe. Bitte schön, Kollege Hermann Gröhe.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ihrem eher peinlichen Getöse zum Wahlprogramm der Union, das im Übrigen erst in zwei Wochen
beschlossen wird, versuchen SPD und Grüne nichts anderes als ein ziemlich plumpes Ablenkungsmanöver.
Ihre Panik, Herr Steinmeier, war mit Händen zu greifen.
({0})
Das ist ein Ablenkungsmanöver, weil doch Ihre Programme, die Programme der Grünen und der SPD, in der
Öffentlichkeit zu Recht mit Pauken und Trompeten
durchgefallen sind. Beifall fanden sie überhaupt nur
noch bei der Linkspartei.
({1})
Ihr Programm des Abkassierens, des Bevormundens,
wäre ein Abstiegsprogramm für Deutschland mit schlimmen Folgen für den Arbeitsmarkt. Darin waren sich nahezu alle Kommentatoren einig. Ich zitiere aus dem
Handelsblatt:
({2})
Was als Angriff auf Reiche daherkommt, trifft in
Wahrheit aber auch die Mittelschicht. Und könnte
der Wirtschaft schweren Schaden zufügen.
Weil Ihnen das sicher lieber ist, zitiere ich aus dem
Spiegel. Der ist nun nicht das Zentralorgan der deutschen Wirtschaft:
({3})
Die Pläne der Partei belasten keineswegs nur Topverdiener. Hauptverlierer sind die Angehörigen der
Mittelschicht.
({4})
Meine Damen, meine Herren, Ihre Politik gefährdet
Arbeitsplätze und damit stabile Sozialkassen und die
Steuereinnahmen unseres Staates. Wer die Wirtschaftskraft eines Landes untergräbt, landet im Schuldensumpf.
Sie haben eben nicht begriffen, dass wir die Rekordeinnahmen, die wir heute haben, der Rekordbeschäftigung
verdanken und dass Rekordbelastungen beides gefährden und den Abstieg unseres Landes bedeuten. Deswegen verstehen Sie auch nicht, warum für uns eine konsequente Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung
({5})
und Zukunftsinvestitionen zusammengehören. Durch die
Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung stärken wir
Wachstum und Beschäftigung und erarbeiten uns Spielräume, die ohne Frage begrenzt sind. Nicht alles, was
wünschenswert ist, ist auch machbar.
({6})
Manches wird nur schrittweise möglich sein. Wir brauchen die Bereitschaft, Prioritäten zu setzen. Diese Prioritäten hat unsere Parteivorsitzende, die Bundeskanzlerin,
eindeutig genannt: Familie, Bildung und Forschung,
Infrastruktur. Damit stärken wir den Zusammenhalt in
unserer Gesellschaft und die Zukunftsfähigkeit unseres
Landes.
({7})
Wir dürfen aber nicht nur in die Wahlprogramme
schauen. Schauen wir uns die Taten an.
({8})
- Hören Sie zu! - Jetzt zeigt sich bei den Roten hoffentlich bald Schamesröte. Dreimal hat Ihnen der Landesverfassungsgerichtshof in Nordrhein-Westfalen die Verfassungswidrigkeit Ihrer Haushalte vorgeworfen.
({9})
Zuletzt im März hat der Landesverfassungsgerichtshof
Sie überführt, in verfassungswidriger Weise die Gerechtigkeit zwischen den Generationen mit Füßen zu treten.
({10})
Ähnliches hat der Landesrechnungshof der rheinlandpfälzischen Regierung bescheinigt.
({11})
Auf dem Weg zur Haushaltskonsolidierung sind Sie
nicht glaubwürdiger Mahner, sondern mehrfach erwischter Geisterfahrer.
({12})
Die christlich-liberale Koalition hat bereits 2012 und
damit vier Jahre vor der Zeit das Gebot der Schuldenbremse unserer Verfassung eingehalten. Zugleich haben
wir mit dieser Politik Wachstum und Beschäftigung in
einer Weise gefördert,
({13})
die es uns ermöglicht hat, in den letzten Jahren die Familien um 4,6 Milliarden Euro im Jahr zu entlasten,
13 Milliarden Euro zusätzlich in Bildung und Forschung
zu investieren, die Kommunen milliardenschwer beim
Ausbau der Kitaplätze zu unterstützen und sie von Beträgen in Milliardenhöhe durch die Übernahme der Kosten
für die Grundsicherung im Alter zu entlasten.
Wir stehen dafür, diesen Kurs zu halten, konsequent
unseren Haushalt weiter in Ordnung zu bringen, uns
nicht von Ihrer Schuldenmacherei anstecken zu lassen
({14})
und zugleich in das zu investieren, was die Stärke unseres Landes ausmacht, nämlich in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, in unsere Familien und in Bildung
und Forschung.
Herzlichen Dank.
({15})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion Die Linke unser Kollege Dr. Gregor Gysi.
Bitte schön, Kollege Dr. Gregor Gysi.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich
es richtig verstanden habe, fordert die Kanzlerin vor den
Wahlen Folgendes: eine Mietpreisbremse, die Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Rente auch für
Kinder, die vor 1992 geboren wurden, höhere steuerliche
Kinderfreibeträge, die vor allem den Besserverdienenden deutlich mehr zugutekämen als den anderen.
({0})
Als Ausgleich für Haushalte mit geringerem Einkommen fordert sie die Erhöhung des Kindergeldes von 184
auf 219 Euro pro Kind, und sie will mehr Geld für den
Straßenbau.
({1})
- Ich habe da eine Frage: Wer hat eigentlich in den letzten acht Jahren regiert? War das nicht die Bundeskanzlerin?
({2})
Warum hat sie denn bisher nichts davon umgesetzt?
({3})
Ich will zu ihren Gunsten annehmen, dass es ihre
selbstkritischste Rede war. Sie hat geschildert, was sie
eigentlich hätte machen müssen, aber nicht gemacht hat.
({4})
Nun stellt sich die nächste Frage, ob diese Selbstkritik zu
einer Besserung führt oder ob man nicht damit rechnen
kann, dass es umgesetzt wird.
Herr Steinbrück, Sie werfen der Kanzlerin vor, dass
sie vieles bei der SPD abgeschrieben hat. Als SPD wäre
ich sehr zurückhaltend, wenn ich sehe, was Sie alles bei
uns abgeschrieben haben - wenn ich darauf einmal hinweisen darf.
({5})
Aber wer hat schon etwas dagegen, dass wir so erfolgreich sind, dass die anderen bei uns abschreiben? Das
müssen wir uns nicht gegenseitig vorwerfen.
({6})
Ich muss Ihnen auch sagen: Wirklich ernst ist es uns
mit der Mietpreisbremse. Wir haben sie schon im Januar
vorgeschlagen. Neuvermietung ist kein Grund für eine
Mietsteigerung. Der Wert der Wohnung ist doch gar
nicht erhöht worden. Wieso sagt man, dass ein Mieterwechsel eine Mietsteigerung von 10, 20 oder 30 Prozent
rechtfertigt? Das ist unerträglich, und wir müssen es
endlich beenden, und zwar mit einem Gesetz.
({7})
Ich habe gesagt, Herr Steinbrück, dass es noch eine
Frage gibt. Sie regiert seit acht Jahren. Vier Jahre davon
waren Sie dabei. In dieser Zeit ist davon auch nichts umgesetzt worden. Das will ich nur am Rande kritisch bemerken. Auch das kann man ändern.
({8})
Ich frage mich beim Mietrecht - Herr Steinmeier, das
haben Sie völlig zu Recht kritisiert -: Warum haben wir
nicht die Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken im
Bundesrat genutzt, um das zu stoppen oder wenigstens
in den Vermittlungsausschuss zu schicken?
({9})
Das haben Sie nicht gemacht. Dabei ist eine Regelung
- das sage ich Ihnen - rechtsstaatlich abenteuerlich,
nämlich die zur Zwangsräumung per einstweiliger Verfügung. Danach können Sie die Wohnung des Betroffenen per einstweiliger Verfügung räumen lassen und bringen den Betroffenen dadurch in Obdachlosigkeit.
Kommt dann sechs Monate später in der Hauptsache
eine gegenteilige Entscheidung, dann nützt ihm das gar
nichts mehr. Das sind abenteuerliche Vorschläge. Ich
nehme an, irgendwann wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden müssen.
Die Vorschläge der Kanzlerin kranken im Kern an
drei Problemen: Die Union will erstens die Steuerungerechtigkeit aufrechterhalten. Sie schließen Steuererhöhungen für Reiche, für Vermögende, für Besserverdienende aus. Ich stelle daher die Frage: Woher soll das
Geld für diese sozialen Versprechen kommen?
({10})
Das Zweite ist die soziale Schieflage. Ich habe schon gesagt: Kinder von Menschen mit höheren Einkommen
werden bevorzugt. Das Dritte ist: Die FDP hat gesagt,
mit ihr können diese Vorschläge nicht umgesetzt werden. Die Kanzlerin sagt aber, dass sie weiterhin mit ihnen koalieren will. Es ist ein übler Trick, dass man immer jemanden an der Seite hat, der Nein sagt, um dann
zu sagen: Ich habe das Edle gewünscht, aber die FDP hat
mich daran gehindert. Das sollten Sie sich als FDP nicht
bieten lassen. Sagen Sie doch einmal, Sie seien auch dafür. Das wird spannend. Dann können wir das ja noch im
Juni beschließen.
({11})
Die Kanzlerin folgt diesbezüglich Franz Müntefering
und sagt, dass es falsch ist, Politiker an ihren Wahlversprechen zu messen. Ich aber sage Ihnen: Das ist der
Kern des Problems. Diese falschen Wahlversprechen,
die nicht erfüllt werden, erzeugen Politik- und Demokratieverdrossenheit.
({12})
Dass sie nicht erfüllt werden, Herr Kauder und Herr
Schäuble, haben Sie im Fernsehen bewiesen. Sie beide
haben erklärt, dass das Ganze unter einem Finanzierungsvorbehalt steht. Gleichzeitig erklären Sie: Steuererhöhungen wird es nicht geben. Damit sagen Sie: Das
Ganze fällt aus.
({13})
Selbst wenn es im Koalitionsvertrag stünde, was Sie mit
der FDP nicht schaffen, müssen Sie es nicht machen.
Das kennen wir von der Rentenangleichung Ost und
West. Diese steht in der Koalitionsvereinbarung, aber
Sie haben sie nicht umgesetzt.
({14})
Es tut mir leid: Die Vorschläge der Bundeskanzlerin
sind offenkundig nur für die Mülltonne gedacht, zumindest dann, wenn die Regierung aus Union und FDP fortgesetzt wird, was ich der Bevölkerung allerdings beim
besten Willen nicht wünschen kann.
Danke schön.
({15})
Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser
Kollege Patrick Döring. Bitte schön, Kollege Patrick
Döring.
({0})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wahlprogramm der Union - Hermann Gröhe hat es gesagt - steht
zur Diskussion. Es ist noch nicht einmal verabschiedet,
und schon sind Teile der Opposition so in Aufregung,
dass diese Aktuelle Stunde beantragt wird.
({0})
In den vergangenen gut vier Jahren haben wir bewiesen: Man kann Steuern senken, gleichzeitig Rekordmehreinnahmen erzielen und einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist solide Politik, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({1})
Wenn Sie uns Vorwürfe machen, wir hielten unsere
Versprechungen vor der Wahl nicht,
({2})
dann weise ich darauf hin, dass wir die Familien entlastet und alles dafür getan haben, dass jene, die morgens
aufstehen und arbeiten gehen, am Ende des Tages mehr
haben als jene, die liegen bleiben, und wir haben keine
neuen Schulden gemacht. Das ist der Erfolg dieser Koalition und die Lehre aus der Krise in Europa.
({3})
Verehrter Herr Gysi, es gibt Teile in den Vorschlägen
der Union, die nicht mit dem Programm der FDP übereinstimmen. Das ist auch gut so; denn aus gutem Grund
sind die Liberalen eine eigenständige Partei, und die
Christlich Demokratische Union und die CSU sind eigenständige Parteien.
({4})
Aber wir haben in den vergangenen vier Jahren bewiesen: In den entscheidenden Punkten raufen wir uns zusammen und erarbeiten gute Kompromisse.
({5})
Das heißt: Leistungsgerechtigkeit statt Umverteilung,
solide Haushalte statt immer neue Schulden, meine sehr
verehrten Damen und Herren.
({6})
Schauen wir uns einmal die Programme an, die schon
verabschiedet sind. Es ist bemerkenswert, wie oft die
Spitzenpolitiker von Union und FDP erleben müssen,
wie Herr Trittin, Herr Steinbrück, Herr Steinmeier und
andere ihre eigenen Wahlprogramme verleugnen.
({7})
Schauen wir doch einmal dort hinein. Sie haben mit Ihren Programmen das Ziel einer massiven steuerlichen
Erhöhung für die arbeitende Mitte der Bevölkerung verabschiedet.
({8})
Jetzt wollen Sie nicht mehr dazu stehen. Jetzt erzählen
Sie den Menschen, es träfe ja vielleicht erst die Leute,
die 60 000 Euro oder 80 000 Euro im Jahr verdienen,
aber verschweigen die Abschaffung der Pendlerpauschale, die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das
trifft jeden hier in Deutschland, jeden Arbeitnehmer, und
diesen Arbeitnehmern nehmen Sie mehr vom sauer verdienten Geld. Sie streuen den Leuten Sand in die Augen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({9})
Das Gleiche gilt für die Vermögensteuer. Da stellt
sich Herr Steinbrück beim DIHK hin und sagt: Wir sind
für eine Vermögensteuer, aber gegen eine Substanzbesteuerung. Eine Vermögensteuer, die die Substanz
nicht angreift, gibt es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer 1,5 Prozent vom Vermögen der Deutschen
nehmen will, der soll es ihnen dann auch sagen.
({10})
Es schmälert immer die Substanz, wenn man keine Gewinne erwirtschaften kann. Sie wollen den Menschen
ans Ersparte und an die Betriebsvermögen. Das ist die
Realität.
({11})
Gänzlich unverständlich ist, dass Sie dennoch immer
mehr Schulden machen wollen. In Wahrheit wollen Sie
den Fiskalpakt nicht.
({12})
In Wahrheit wollen Sie nicht, dass ganz Europa den Weg
der Solidität einschlägt. Sie wollen nicht, dass ganz Europa spart, sondern Sie wollen hier in Deutschland mehr
Steuern erheben, damit Sie mehr Schulden machen können und damit Sie mit Ihrem Freund in Paris die Welle
des Schuldenmachens in ganz Europa wieder anschieben
können.
({13})
Es geht Ihnen nicht um Solidität und stabiles Geld. Es
geht um Inflation und um mehr Geld für den Staat, um
mehr Schulden in Europa und darum, auch in Deutschland mehr Möglichkeiten für mehr Schulden zu schaffen. Das ist Ihr Versuch, meine sehr verehrten Damen
und Herren.
({14})
Im Kern geht es um eines: Leistungsgerechtigkeit
oder Umverteilung? Sie definieren Gerechtigkeit in diePatrick Döring
sem Land ausschließlich über Umverteilung, und wir
- die Freien Demokraten, die bürgerliche Koalition definieren Gerechtigkeit über Leistungsgerechtigkeit.
Deshalb freuen wir uns darüber, dass jetzt 3 Millionen
Menschen mehr als zu Beginn unserer Wahlperiode Arbeit haben. Darum freuen wir uns darüber, dass mehr
Menschen selbstständig sind als zu Beginn dieser Wahlperiode.
({15})
Und darum freuen wir uns darüber, dass sich Leistung
lohnt. Wir glauben, dass es gut ist, den Menschen mehr
Geld vom Brutto zu lassen,
({16})
wir glauben, dass es richtig ist, den Menschen ihr Erspartes zu lassen und keinen Staat aufzubauen, der überall nur eines kennt: mehr vom Geld der Bürger und mehr
Schulden. Das ist der falsche Weg, liebe Kolleginnen
und Kollegen.
({17})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege
Jürgen Trittin. - Bitte schön, Kollege Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf einer
Telefonkonferenz ist sich die Kanzlerin treu geblieben.
Sie hat Finanzzusagen und -versprechungen über
28 Milliarden Euro gemacht. Damit ist sie ihrer Tradition treu geblieben.
({0})
Frau Merkel ist die Schuldenkanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
({1})
In den letzten vier Jahren wurden neue Schulden in
Höhe von 100 Milliarden Euro gemacht.
({2})
Sie haben den Mövenpicks in den letzen vier Jahren
4 Milliarden auf Pump finanzierte Euro geschenkt. Ihr
Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat Bund, Länder und
Gemeinden in Deutschland in den letzten vier Jahren
32 Milliarden Euro gekostet.
({3})
Auf das Ganze wollten Sie noch zusätzliche Schulden in
Höhe von 6,5 Milliarden Euro setzen, um die Besserverdienenden, die oberen 20 Prozent in diesem Lande, zu
entlasten. Das ist Ihre Politik, mit der Sie Schulden
machen.
({4})
Wir können das fortsetzen: Auf Pump wollen Sie die
nächsten vier Jahre 4,8 Milliarden Euro für das Betreuungsgeld aus dem Fenster schmeißen. Da springt hier
der Herr Gröhe ans Rednerpult und spricht vom Schuldensumpf. Lieber Herr Gröhe, Sie sind doch der größte
Ochsenfrosch des Steuer- und Schuldensumpfs der Koalition.
({5})
In der Amtszeit von Frau Merkel sind gesamtstaatliche Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro gemacht
worden.
({6})
Die Bundesrepublik Deutschland hatte mal eine Staatsverschuldungsquote von 63 Prozent. Unter Frau Merkel
ist sie auf 82 Prozent gestiegen. Der deutsche Schuldenberg ist von 1,8 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro
gestiegen. Das heißt: Ein Viertel der gesamtstaatlichen
Verschuldung in Deutschland sind Merkel-Schulden.
Das ist Ihre Politik. Das ist Ihr Schuldensumpf, Herr
Gröhe.
({7})
Sie stehen im Wettbewerb mit Herrn Döring. Der
kommt hier nach vorne und verliert kein Wort darüber,
({8})
dass die FDP auf ihrem Bundesparteitag Mehrausgaben
in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen hat,
({9})
ohne einen einzigen Euro gegenfinanziert zu haben.
({10})
Die FDP will den Soli abschaffen. Das macht
13,6 Milliarden Euro. Die FDP will jene Steuerschlupflöcher in Deutschland einführen, die wir in Europa - in
Holland und in Irland - gerade abschaffen wollen.
({11})
Sie wollen aus Deutschland eine Steueroase für Großkonzerne machen.
({12})
Das hilft dem Mittelstand nicht. Das hilft Amazon,
Google und Apple, aber nicht dem deutschen Mittelstand. Das ist Ihre Politik.
({13})
Deutschlands Wachstumsrate geht zurück, und zwar
von 0,6 auf 0,3 Prozent. Was muss man in so einer Situation tun? Man muss investieren. Was aber macht Frau
Merkel? Sie investiert nicht, sondern konsumiert. 27 ihrer 28 Milliarden Euro fließen in direkte Transfers. So
sieht die Strategie zur Sicherung der Zukunft Deutschlands aus.
({14})
1 Milliarde Euro darf der Herr Ramsauer für Investitionen ausgeben. Schauen Sie sich doch einmal das hier
von einigen zitierte grüne Finanzprojekt an: 20 Prozent
der Ausgaben fließen in den Schuldenabbau; das ist übrigens die Vermögensabgabe. 40 Prozent unserer Ausgaben fließen in Investitionen in Bildung, in Energie und in
Infrastruktur. Das sind fast 13 Milliarden Euro. Das ist
das 13-Fache der Summe, die Ihre Kanzlerin einplant.
Sie reden vom Investieren, aber Sie verjuxen das Geld.
Das ist Ihre Politik. Das ist wirtschaftspolitisch falsch.
({15})
Sie sagen, Sie hätten das alles finanziert.
({16})
Da kommt mir ein schöner Verdacht auf. Wie wollen Sie
denn die Mütterrente finanzieren? Wo wollen Sie das
Geld denn hernehmen? Wenn Sie sie über die Rentenbeiträge finanzieren wollten, dann müsste der Beitragssatz
um 0,7 Prozentpunkte ansteigen. Reden Sie doch mal
mit dem DIHK darüber, wie viele Arbeitsplätze aufgrund höherer Arbeitskosten verloren gehen. Wenn Sie
die Mütterrente nicht auf Pump finanzieren wollen, müssen Sie sie über höhere Beiträge finanzieren.
({17})
Sie nehmen in der Familienpolitik Transfers vor. Aber
von diesen Transfers profitieren diejenigen, die am wenigsten haben, nämlich die 1,6 Millionen Kinder in
Deutschland, die in Bedarfsgemeinschaften leben, überhaupt nicht. Die Hälfte der Steuererleichterungen im
Rahmen des Familiensplittings, das Sie planen, würde
bei den oberen 20 Prozent der Bevölkerung landen. Anders gesagt: Anstatt in Infrastruktur und in Kitaplätze zu
investieren, anstatt dafür zu sorgen, dass die 220 000
Kitaplätze, die noch fehlen, geschaffen werden, begössen Sie erneut Ihre Klientel. Schwarz-Gelb - das ist Politik auf Pump zugunsten von Leuten, die es nicht nötig
haben, das ist Politik für Transfers statt für Kindertagesstätten.
({18})
Letzte Bemerkung.
({19})
Jetzt sind Sie für eine Mietpreisbremse,
({20})
jetzt sind Sie dafür, dass wir keine Schulden mehr aufnehmen, dass die Renten erhöht werden usw. Ich sage
Ihnen eines: Sie hätten all das tun können. Sie hätten an
dieser Stelle tatsächlich eine andere Politik machen können; aber Sie haben es vier Jahre lang nicht gemacht.
({21})
Jetzt stellen Sie sich hin und fordern das Gegenteil von
dem, was Sie machen. Ihre Spindoktoren nennen das
„asymmetrische Demobilisierung“. Ich sage Ihnen: Man
braucht dafür gar kein Fremdwort. Das ist schlicht und
ergreifend - auf Deutsch gesagt - Heuchelei. Sie haben
die Heuchelei zum obersten Prinzip Ihrer Politik erklärt.
({22})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär
Steffen Kampeter. Bitte schön, Herr Parlamentarischer
Staatssekretär.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Um Finanzminister zu werden, bedarf es mehr,
als nur einen grauen Anzug anzuziehen; es bedarf Solidität und Seriosität.
({0})
Herr Kollege Trittin, ich bezweifle, dass Sie sich mit diesem Auftritt vor dem Hohen Hause einen Gefallen getan
haben.
({1})
Ich möchte der Opposition danken, dass sie diese Aktuelle Stunde zu Fragen der Haushaltspolitik beantragt
hat,
({2})
und zwar deswegen, weil so klar und deutlich wird, wo
die Unterschiede zwischen den finanzpolitischen Konzeptionen der Regierung und der Opposition liegen und
was eigentlich die christlich-liberale Koalition mit ihrer
soliden Finanzpolitik in den letzten Jahren für Deutschland geleistet hat.
({3})
Der Kollege Steinbrück, der es jetzt vorgezogen hat,
das Hohe Haus zu verlassen, war der letzte Finanzminister der SPD. Sein Haushaltsentwurf, die Eröffnungsbilanz dieser Koalition, hat eine Nettokreditaufnahme
von über 80 Milliarden Euro binnen eines Jahres prognostiziert. Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister der christlich-liberalen Koalition, wird Ende Juni
einen Haushalt vorlegen, der einen strukturellen Ausgleich, also eine Null mit Perspektive vorsieht. Das sind
Qualitätsunterschiede in der Haushaltspolitik, die wohl
kaum deutlicher sein könnten.
({4})
Wir haben in dieser Legislaturperiode alle zusätzlichen
politischen Schwerpunkte ohne Steuererhöhungen finanziert. Man kann Politik auch ohne Abkassieren machen,
meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist das
Credo einer verantwortlichen Politik.
({5})
Herr Kollege Steinmeier, die von Ihnen als Kanzleramtsminister verantworteten Hartz-IV-Regeln sind wegen Verfassungswidrigkeit sämtlich vom Verfassungsgericht einkassiert worden.
({6})
Wir konnten in dieser Legislaturperiode die Gerechtigkeitslücke bei Hartz IV mit dem Bildungs- und Teilhabepaket, aus unserem Haushalt finanziert, schließen. Das
ist konkrete Haushalts- und Solidaritätspolitik der christlich-liberalen Koalition.
({7})
Wir haben 50 Prozent mehr in Bildung und Forschung investiert. Wir haben mit der Finanzierung der
Grundsicherung im Alter für die größte Entlastung der
Kommunen - weit über 20 Milliarden Euro - gesorgt
und haben jede Steuermehreinnahme für die Absenkung
der Nettokreditaufnahme verwendet.
({8})
So muss man es machen. Es gibt keinen Zusammenhang
zwischen solider Haushaltspolitik und ständigen Steuererhöhungen. Das Gegenteil ist richtig. Man muss den
Haushaltsausgleich wollen, nicht nur Steuererhöhungen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.
({9})
Das gilt nicht nur für den Bundeshaushalt; es gilt auch
für die Sozialversicherungen. Wer bei den Sozialversicherungen solide wirtschaftet, kann beispielsweise, wie
wir es getan haben, den Rentenversicherungsbeitrag senken oder - das wurde liebevoll von Ihnen unterstützt die Eintrittsgebühr für Arztpraxen abschaffen. Politische
Schwerpunktsetzung und solides Haushalten sind der
Markenkern christlich-liberaler Finanz- und Wirtschaftspolitik. Das ist der zentrale Unterschied.
({10})
Ich will auch dem Eindruck entgegentreten, Deutschland habe ein Einnahmeproblem. Wir bekommen von
den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Jahr deutlich
über 600 Milliarden Euro. Das Geld steht zuvorderst
nicht dem Staat, sondern natürlich den Bürgerinnen und
Bürgern zu. Ohne Änderungen der steuerlichen Rahmengesetze und bei solidem, moderatem Wachstum haben
die Steuerschätzer für das nächste Jahr die 700 Milliarden Euro fest angepeilt. Mit diesen 700 Milliarden Euro
kann man Politik machen; wenn man es will. Man muss
aber ehrlich sagen, was geht, was wichtig ist, was weniger wichtig ist. Ein Spruch Willy Brandts lautete „Mehr
Demokratie wagen“, bei Steinbrück und Trittin heißt es:
„Mehr Belastung wagen“. Armseliger kann ein Zukunftsgestaltungsanspruch einer Oppositionspartei kaum
noch sein.
({11})
Bei entsprechenden Einnahmen kann man sich überlegen, wo man in Deutschland noch Gerechtigkeitslücken schließen will. Kollege Trittin hat eben die Mütterrenten angesprochen
({12})
und in dem Zusammenhang gesagt, da würde Geld
verjuxt. Schlimmer kann man die Lebensleistung von
Müttern in diesem Land nicht verachten als durch diese
herablassende Bemerkung.
({13})
Herr Kollege Trittin, Sie sollten sich für diese Entgleisung entschuldigen.
({14})
In dieser Debatte muss ein weiterer Punkt klar und
deutlich herausgestellt werden - Kollege Döring hat darauf hingewiesen -: die Mär, dass die Belastungsoffensive, die Rot-Grün vorschlägt, nur wenige Menschen in
diesem Land trifft.
({15})
Die SPD sagt immer: Wir holen es uns bei den Freiberuflern, die haben es sowieso dicke. Das würde bedeuten: weniger Arbeitsplatzsicherheit für die Rechtsanwaltsgehilfin oder für den medizinisch-technischen
Assistenten. Der Kollege Trittin schlägt vor, die Vermögensabgabe auch auf Wohneigentum zu erheben. Das bedeutet Mieterhöhungen für die Mieterinnen und Mieter
in Deutschland.
({16})
Wenn ich lese, was Sie in Bezug auf die betriebliche
Substanzbesteuerung vorhaben, kann ich nur sagen: Das
ist ein brutaler Angriff auf den Mittelstand, auf seine Investitionskraft, und das ist ein Angriff auf die Zukunft
Deutschlands. Es betrifft uns alle, was in diesen Steuerplänen enthalten ist.
({17})
Als ganz besonders zynisch, Herr Kollege Trittin,
empfinde ich Ihre Argumentation in Bezug auf die von
Ihnen geforderte private Vermögensabgabe, die die Grünen als solitär bezeichnen. Sie soll von Privatpersonen
erhoben werden. In einem Interview haben Sie gesagt:
Die Betroffenen können ja eine GmbH gründen.
({18})
- Ja, ja, das war Ihr Tenor: Man soll also in eine Kapitalgesellschaft flüchten.
({19})
Lieber Herr Kollege Trittin, das alles macht deutlich,
wie sehr Sie gegen das private Eigentum eingestellt sind.
Das ist nichts anderes als eine Einladung zum Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, insbesondere der kleinen
und mittelständischen Strukturen, durch ausländische Investoren.
({20})
Der Vorsitzende des Verbandes der Familienunternehmer hat alle Abgeordneten auf den Aspekt hingewiesen,
dass die eigentumsfeindliche Politik von Rot und Grün
die Verlagerung von Kapitalien ins Ausland besonders
befördert und die Eigentümerstruktur in Deutschland gefährdet. Die kleinen und mittleren Unternehmen, die Sie
mit Ihren rot-grünen Steuerplänen ins Mark treffen, sind
das Rückgrat des Wohlstandes unseres Landes. Viele
fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kleinen
und mittleren Unternehmen haben Deutschland nach
vorne gebracht. Sie wollen das Fundament unserer Zukunft durch diese Belastungsoffensive zerstören. Das ist
ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
({21})
SPD und Grüne können sich nicht vorstellen, mit dem
Geld der Bürger verantwortungsvoll umzugehen.
({22})
Das Einzige, was Ihnen zur politischen Lösung von Problemen einfällt, ist, bei den Bürgerinnen und Bürgern
mehr einzufordern,
({23})
um es ihnen dann möglicherweise wieder zurückzugeben, also das Prinzip: rechte Tasche, linke Tasche. Unser
Verständnis von Bürgern ist ein anderes. Wir glauben an
einen wirkmächtigen Staat. Wir brauchen in bestimmten
Bereichen einen starken Staat. Aber wir glauben zuvorderst, dass die Eigenverantwortung, die Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger respektiert und nicht
überfordert werden darf. Deswegen treten wir für eine
Ausgabendiät ein. Wir glauben, dass es Belastungsgrenzen gibt und dass Rot und Grün mit diesem Programm
dieses Land niemals regieren sollten.
({24})
Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist der Kollege Carsten Schneider. Bitte schön, Kollege Carsten Schneider.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
hatte gedacht, dass der Herr Staatssekretär die Gelegenheit wahrnimmt, die Pläne der CDU, der er ja angehört,
zum Wahlprogramm 2013 - dabei geht es um die
nächste Legislaturperiode - mit zu erklären. Er hat aber
gar keine Zeit darauf verwandt. Im Gegenteil, er hat
nicht einmal Zeit darauf verwandt, darauf hinzuweisen,
dass es diese Koalition aus Schwarz und Gelb geschafft
hat, in vier Jahren größten Wachstums, höchster Steuereinnahmen und niedrigster Arbeitslosigkeit immer noch
neue Schulden - 100 Milliarden Euro - aufzunehmen.
Herr Döring, Sie haben vorhin gesagt, Sie würden solide wirtschaften. Wissen Sie eigentlich, was für Haushalte Sie hier jedes Jahr beschlossen haben?
({0})
Jedes Jahr war die Ziffer rot. Sie schaffen es nicht einmal
für das Jahr 2014 - wo wir doch wirklich Rekordsteuereinnahmen haben -, eine Null hinzubekommen.
({1})
Nein, jedes Jahr haben Sie neue Schulden gemacht.
({2})
Bei der Wahl 2009 haben Sie versprochen, die Steuern zu senken. 2013 verspricht die CDU, jede Menge
neue Sozialleistungen rauszuhauen, die überhaupt nicht
gegenfinanziert sind. Sie wollen die Sozialkassen weiter
plündern, den Sozialstaat unterhöhlen. Damit kündigen
Sie wieder die nächste Wahllüge an. Ich finde, es ist
abenteuerlich, das aus dem Munde eines Bundesfinanzministers zu hören.
({3})
Sie stehen damit, meine ich, klar in der Tradition desjenigen, der hier gestern in der Aktuellen Stunde verteidigt hat, dass er von nichts eine Ahnung hat. Er führt
zwar das Verteidigungsministerium und ist für die Beschaffung von Flugzeugen im Wert von 1 Milliarde Euro
zuständig, hat aber keine Ahnung, ist nicht informiert
Carsten Schneider ({4})
worden. Wahrscheinlich ist es bei Ihnen in der Partei immer so, dass man nicht richtig weiß, was man tut. Das
wahre Problem in Deutschland ist, dass Sie mit dem
Geld der Steuerzahler nicht solide umgehen.
({5})
Ich komme zum Thema Wachstum. Zu Beginn dieser
Koalition hatte Deutschland ein Wachstum von fast
4 Prozent. Wie viel haben wir dieses Jahr noch? 0,4 Prozent! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Das ist,
finde ich, alles andere als ein Erfolgsausweis.
({6})
Deswegen ist es wichtig und richtig, klar zu fragen: Was
muss man daran eigentlich ändern? Herr Trittin hat zwei
wichtige Punkte genannt. Die hat Ihnen die EU-Kommission im Übrigen in der vorigen Woche ins Stammbuch geschrieben. Das Erste ist: Es muss damit aufgehört werden, von der Substanz zu leben. Das heißt, es
muss mehr investiert werden. In Ihrer Regierungszeit
sind die Investitionen in Deutschland gesunken.
Der zweite Punkt betrifft die Bildung. Um langfristig
in Deutschland leistungsstark zu bleiben, ist entscheidend, dass wir in die Köpfe unserer Kinder investieren.
Was tun Sie an dieser Stelle?
({7})
Nichts! Im Gegenteil, Sie wollen für das Ehegattensplitting eine neue steuerliche Leistung in Höhe von 30 Milliarden Euro - das nennt sich dann Familiensplitting einführen, ohne etwas dafür zu tun, dass jedes Kind einen Kindergarten- bzw. Krippenplatz bekommt und jeder, der sich darum bewirbt, einen Platz an der Universität erhält, an der er exzellent ausgebildet wird. Das
wären die Zukunftsaufgaben für Deutschland.
({8})
Sie haben in dieser Legislaturperiode 100 Milliarden
Euro neue Schulden aufgenommen, und Sie haben es
nicht geschafft, die 20 Milliarden Euro, die dafür eingesetzt wurden, um 2009 die Konjunktur wieder in Gang
zu bringen, zu tilgen. Das ist nicht passiert. Daran rühren
Sie nicht: Sie tilgen sie nicht, obwohl die wirtschaftliche
Lage exzellent ist.
Wir müssten - als Sozialdemokraten stehen wir dafür
- die Subventionen in Deutschland streichen. Haben Sie
das getan? Oder haben Sie Subventionen erhöht? Sie haben mit dem Hotelsteuerprivileg - auch Herr Trittin hat
darauf hingewiesen - den Hoteliers knapp 5 Milliarden
Euro in die Tasche gesteckt. Das Ganze haben Sie mit
Steuergeld subventioniert. Das Ergebnis Ihrer Politik
sind höhere Schulden.
Deswegen kann ich, meine sehr verehrten Damen und
Herren, nur zu dem Schluss kommen, dass Sie selbst
nicht mehr glauben, für die Vorschläge, welche die
Union hier heute oder in den vergangenen Tagen vorgelegt hat, Verantwortung übernehmen zu können. Auch
glauben Sie nicht, sie umsetzen zu können; denn wenn
Sie sich einigermaßen ernst nehmen würden, könnten
Sie nicht - wie Herr Ramsauer das getan hat - für Eigenheimzulagen in Höhe von 8 Milliarden Euro sein. Dann
können Sie auch nicht, wie die FDP, für die Abschaffung
des Solis - das macht 13 Milliarden Euro aus - sein.
Auch können Sie dann nicht - nachdem Sie den Staat finanziell ausgehöhlt haben - auf der anderen Seite Mehrausgaben in der Größenordnung von Milliarden planen,
die nicht zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und zu
mehr Gerechtigkeit in Deutschland führen.
Vielen Dank.
({9})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der FDP unser Kollege Otto Fricke. Bitte
schön, Kollege Otto Fricke.
({0})
Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um Wahlversprechen und den Vorwurf
der Wahllüge. An die Adresse der SPD muss ich sagen:
Ich kann verstehen, dass Sie sich mit dem Thema Wahllügen beschäftigen, aber nur, weil Sie mit der größten
Wahllüge in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Erfahrungen gemacht haben. Sie haben doch gesagt:
18 Prozent Mehrwertsteuer gibt es mit uns nie! Kaum
hatten Sie eine Koalition mit der CDU/CSU gebildet, haben Sie aber gesagt: 19 Prozent Mehrwertsteuer gibt es
mit uns auf jeden Fall.
({0})
So viel zum Thema Wahllügen.
({1})
Es gibt eigentlich nur ein vernünftiges Wahlgeschenk,
das man als Politiker dem Bürger machen kann: solide
Haushalte und eine stabile Währung. Alles andere ist
kein Geschenk an die Bürger. Nichts anderes können wir
machen; denn es geht nicht um unser Geld, sondern um
das Geld der Bürger. Wir haben die Verantwortung, für
Stabilität zu sorgen, und das haben wir in den letzten vier
Jahren getan.
Zu den Vorwürfen, die hier geäußert wurden, und zu
der Schwarzmalerei will ich Folgendes sagen: Ich bitte,
irgendwann einmal zu erkennen, dass wir nicht auf einer
Insel leben, sondern in einer globalisierten Welt. Was
sagen Ihnen die Leute, die nur 1 Kilometer hinter der
deutschen Grenze leben? Die sagen: Mensch, die Haushaltszahlen, die die schwarz-gelbe Koalition geschaffen
hat, die hätte ich gerne in unserem Land; dann ginge es
uns besser. Die Wirtschaftszahlen, die Schwarz-Gelb in
den letzten vier Jahren erreicht hat, die hätte ich gerne;
dann ginge es uns besser. Die Arbeitslosenquote, die
Schwarz-Gelb gesenkt hat, hätte ich gerne; dann ginge
es uns besser. So sichere Renten wie in Deutschland
hätte ich gerne; dann ginge es uns besser - usw.
({2})
Das wollen Sie einfach nicht wahrhaben. Sie schauen
nur auf den eigenen Bauchnabel.
Ich will noch etwas anderes sagen: Wir müssen immer wieder verdeutlichen, wie das politische Spiel leider
oft läuft. Jeder Politiker, der sagt: „Das ist ein guter
Grund, mehr Geld auszugeben, und das ist auch ein guter
Grund, mehr Geld auszugeben“, der bekommt von den
Betroffenen immer Zustimmung. Das findet man gut.
Das ist anders bei demjenigen, der sagt: Ich finde das
auch nicht schlecht, aber wir müssen das finanzieren
können. - Ich will das einmal am Beispiel Mütterrente
verdeutlichen: Meine Mutter gehört zu der Alterskohorte, die das treffen würde. Sie würde für ihre Erziehungsleistung etwas bekommen. Ich werde zu diesem
Thema trotzdem immer sagen: Das geht nur dann, wenn
wir es finanzieren können.
({3})
Ich habe die CDU so verstanden - das will ich deutlich sagen; da bin ich mir ziemlich sicher -, dass sie die
schwarze Null genauso wie wir erreichen will. Ich habe
die CDU so verstanden, dass sie mit der Schuldentilgung
spätestens 2016 beginnen will.
({4})
Wenn es doch nicht so kommen sollte, wenn es Schwierigkeiten geben sollte, was ich mir aber nicht vorstellen
kann, dann kann ich nur eines feststellen: Die Garanten
für solide Haushalte sitzen in diesen Reihen. Garant für
solide Haushalte ist die FDP. Das haben wir in den letzten vier Jahren deutlich gezeigt.
({5})
Ich habe nicht die Hoffnung, dass die Opposition eine
solide Haushaltspolitik betreiben würde. Ganz ehrlich:
Immer dann, wenn ich in der letzten Zeit dachte, dass an
dem, was Herr Trittin zu Steuern und Abgaben sagt,
vielleicht etwas Wahres dran sein könnte,
({6})
dann habe ich mir die Aussagen von Boris Palmer,
Christine Scheel und Winfried Kretschmann vor Augen
geführt, und dann wusste ich ziemlich sicher, dass das,
was die Grünen wollen, eigentlich nur Quatsch ist, es ihnen im Wahlkampf aber wohl ein bisschen hilft.
Herr Trittin, Sie sagen: Es ist gar kein Problem, wenn
10 Prozent der Steuerzahler mehr bezahlen.
({7})
- Sehen Sie, das ist der Unterschied. Sie gehen nur nach
der Frage der Maximierung - wo kriege ich den größten
Applaus? -, während es für uns beim Thema Steuern
nicht darum geht, zwischen 90 und 10 aufzuteilen.
({8})
Die 10 Prozent entsprechen 5 Millionen Steuerzahlern,
5 Millionen Bürgern dieses Landes, die viel dafür tun,
dass es in diesem Land vorangeht. Diese 5 Millionen
Leute sind Ihnen vollkommen egal. Das ist Ihre Politik
gegenüber den Menschen, die in diesem Land Leistung
erbringen.
({9})
Ich will noch etwas zur SPD sagen. Herr Steinmeier
ist jetzt leider auch nicht mehr da. - Doch, er sitzt dort
hinten. Ich bitte um Entschuldigung. - Herr Steinbrück
hat hier immer wieder gesagt, dass sich die SPD auch ein
bisschen an ihn anpassen muss. Ich habe inzwischen das
Gefühl, dass Herr Steinbrück sich nur noch an die SPD
anpasst.
Herr Steinmeier, was Sie in Ihrer Rede gemacht haben, war spannend. Sie haben immer wieder gesagt, wie
schlimm das alles sei. Wenn ich das richtig sehe, sind
Sie, Herr Steinmeier, aber gar nicht gegen die Vorschläge der Kanzlerin, oder? Sie unterstützen doch all
diese Vorschläge. Das haben Sie aber nicht gesagt. Das
haben Sie klammheimlich unter den Tisch fallen lassen.
Oder sind Sie dagegen? Sind Sie gegen die Vorschläge
der CDU zur Rente? Ja oder nein?
({10})
- Sehen Sie, da läuft das Spiel wieder.
({11})
Man kritisiert, und gleichzeitig ist man klammheimlich
dafür. Das ist Ihre Art und Weise.
Jetzt werden viele Bürger, die zugehört haben, fragen:
Na ja, ist ja schön, dass der von der FDP das erzählt,
aber stimmt das? Daher werde ich die Zahlen, die dies
beweisen, kurz darlegen. Wenn es um vernünftige Haushalte geht, wenn es um die Vermeidung von Wahlgeschenken geht, dann muss ich nur auf eines schauen: auf
die Ausgaben. Es ist wie beim Bürger selbst. Wann hat
er Probleme? Wenn die Ausgaben zu hoch sind. Schauen
wir uns das einmal an. Wir hatten sieben Jahre RotGrün. Was ist in dieser Zeit mit den Ausgaben passiert?
26 Milliarden Euro mehr Ausgaben am Ende der Legislaturperiode. Dann hatten wir vier Jahre Große Koalition. 31 Milliarden Euro mehr Ausgaben am Ende der
Legislaturperiode. Dann kam die FDP in die Regierung.
Was passierte?
({12})
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland haben wir die Ausgaben um fast 2 Milliarden Euro am Ende einer Legislaturperiode gesenkt. Ich
sage Ihnen: Das ist die Kunst, gute Haushaltsführung zu
machen. Das sind die Wahlgeschenke, für die der Beschenkte am Schluss nicht zahlen muss.
Herzlichen Dank.
({13})
Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen unsere Kollegin Frau Lisa Paus. Bitte schön,
Frau Kollegin Paus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Kampeter, ich empfehle Ihnen, zumindest einen der inzwischen unzähligen Faktenchecks zum grünen Steuerkonzept zu lesen. Sie alle bestätigen, dass das, was wir
gesagt haben, stimmt. 90 Prozent der Bürgerinnen und
Bürger in diesem Land sollen entlastet werden.
({0})
10 Prozent sollen belastet werden. Die reichsten 0,4 Prozent - das sind rund 350 000 Bürgerinnen und Bürger in
diesem Land - wollen wir tatsächlich zu einer einmaligen Vermögensabgabe heranziehen. Das Betriebsvermögen soll nicht in der Substanz besteuert werden,
({1})
das haben wir eindeutig ausgeschlossen. Auf dieser
Grundlage können wir in diesem Land endlich damit anfangen, Schulden abzubezahlen.
({2})
Herr Fricke, ich finde es gut, wie Sie die Wahlversprechen der CDU hier durchaus kritisiert haben. Da bin
ich an Ihrer Seite. Aber was ist denn mit den Wahlversprechen der FDP? Dazu haben Sie hier kein Wort verloren. Auch Sie versprechen 30 Milliarden Euro Steuerentlastungen und sagen mit keinem Wort, wie Sie das
finanzieren wollen. Das hätten Sie hier machen können.
({3})
Treffsicher zum Vatertag ging es los. Da versprach Finanzminister Schäuble die Einführung des Familiensplittings. Über Kosten und Ausgestaltung hat er sich erst
einmal ausgeschwiegen und das natürlich mit Grund;
denn das Familiensplitting - wir haben es einmal nachrechnen lassen - würde in diesem Land Steuerausfälle
von über 30 Milliarden Euro bedeuten.
({4})
Finanzierung? Fehlanzeige.
Letzte Woche legte die Kanzlerin nach und machte
Wahlversprechen in Höhe von 29 Milliarden Euro. Das
Familiensplitting hat sie ein bisschen eingeschrumpft,
dafür soll es eine Erhöhung des Kinderfreibetrags und
des Kindergelds geben. Diese geplante Erhöhung von
Kinderfreibetrag und Kindergeld würde Mehrausgaben
in Höhe von 7,5 Milliarden Euro bedeuten. Aber auch
hier gilt: Finanzierung? Fehlanzeige.
({5})
Dies sind Wahlversprechen auf ungedecktem Scheck.
({6})
Dabei könnte man es schon bewenden lassen, weil
man davon ausgehen kann, dass es ja sowieso nicht dazu
kommt. Aber es ist interessant, sich einmal genauer anzusehen, was der Schwerpunkt des CDU-Wahlkampfes
werden wird: Familienpolitik sozusagen als die Speerspitze. Dafür will sich die CDU/CSU einsetzen. Wie
sieht denn die Familienförderung à la Merkel aus, wie
sie uns bisher bekannt geworden ist?
({7})
Es ist nichts anderes als eine Umverteilung von unten
nach oben. Der richtige Name steht drauf, Familienförderung, aber der Inhalt ist völlig falsch. Das Einzige, das
Sie damit machen, ist eine Klientelbedienung, eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Daran erinnern
wir uns noch sehr gut. Außerdem geht Ihr Konzept an
der Lebensrealität, den Bedürfnissen und Problemen von
Familien in diesem Lande vollkommen vorbei.
({8})
Ich fange an mit der Umverteilung von unten nach
oben. Wir erinnern uns noch an den Anfang dieser Legislaturperiode. Auch da haben Sie den Kinderfreibetrag
und das Kindergeld erhöht. Dies bedeutete pro Monat:
0 Euro für Kinder, deren Eltern im Hartz-IV-Bezug sind,
20 Euro mehr für die Mittelschicht und 40 Euro mehr für
die oberen 10 Prozent. Was schlagen Sie, innovativ wie
Sie sind, diesmal vor? Wiederum 0 Euro für Kinder, deren Eltern im Hartz-IV-Bezug sind, 35 Euro mehr für die
Mittelschicht und ganze 53 Euro mehr für die oberen
10 Prozent. Die oberen 10 Prozent sollen noch einmal
mehr bekommen. Die Schere zwischen den oberen
10 Prozent und der Mittelschicht würde durch Ihre Vorschläge von 93 Euro auf 111 Euro pro Kind erweitert.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Vorschlag, meine
Damen und Herren von der CDU/CSU!
({9})
Ich stelle es noch einmal anhand konkreter Zahlen
zum Kinderregelsatz dar. Zurzeit ist der Kinderregelsatz
gestaffelt, abhängig vom Alter des Kindes. Da bekommt
man für ein Kind von null bis sechs Jahren 215 Euro im
Monat und für ein Kind bis zu 18 Jahren 287 Euro im
Monat. Das gilt für die Kinder der Armen in diesem
Lande.
({10})
Ihr Vorschlag sieht vor, dass die Kinder aus wohlhabenden Familien in diesem Lande nicht 215 Euro oder
287 Euro monatlich vom Staat bekommen, sondern dass
sie mit monatlich 330 Euro bezuschusst werden. Darauf
können sich die oberen 10 Prozent in unserem Lande bei
der CDU/CSU verlassen. Ich finde, das sollte man den
Bürgerinnen und Bürgern sagen, meine Damen und
Herren.
({11})
Wir sehen nicht ein, dass ein Kind aus einer wohlhabenden Familie mehr staatliche Förderung bekommen
soll als ein Kind im Regelsatzbezug.
({12})
Deswegen schlagen wir in der Tat etwas anderes vor.
Wir finden, jedes Kind in diesem Land ist gleich viel
wert; es sollte zumindest dem Staat bei der Förderung
gleich viel wert sein. Deswegen wollen wir die unübersichtlichen Regelungen von Kinderregelsatz, Kinderzuschlag, Kinderfreibetrag und Kindergeld zu einer Kindergrundsicherung zusammenfassen. Wir werden in der
nächsten Legislaturperiode mit dem Einstieg in die Kindergrundsicherung beginnen. Darauf können Sie sich bei
uns verlassen.
({13})
Ich habe, was die CDU/CSU angeht, noch etwas vergessen. Sie sind ja so stolz darauf, das Ehegattensplitting
nicht anfassen zu wollen. Auch wir werden das Ehegattensplitting nicht auf einen Schlag abschaffen. Aber wir
halten es in der Tat nicht für sinnvoll, dass eine wohlhabende Familie in diesem Lande, die wirklich richtig viel
verdient, durch den Ehegattensplittingvorteil zurzeit bis
zu 15 800 Euro pro Jahr zusätzlich vom Staat geschenkt
bekommt. Wir finden, das muss nicht sein. Dieses Geld
wollen wir sinnvoller ausgeben. Deswegen wollen wir
den Ehegattensplittingvorteil abschaffen - Entschuldigung, abschmelzen.
({14})
- Abschmelzen.
({15})
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ihre Vorschläge gehen an der Lebensrealität der Menschen in
diesem Lande vorbei.
({16})
Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum eine Familie,
die sich vornimmt, die Kinder gemeinsam zu betreuen,
dann, wenn beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren,
schlechter gestellt werden soll als eine Familie, in der
der eine Partner voll und der andere nicht arbeitet.
({17})
Wir finden, das ist ungerecht gegenüber den Familien
und den Alleinerziehenden in diesem Lande. Über
25 Prozent der Kinder in diesem Lande wachsen im
Moment nicht in einer traditionellen Familie auf. Familienförderung muss da stattfinden, wo Kinder sind. Deswegen muss sie zielgenau neu ausgerichtet werden,
durch eine Verbesserung der Infrastruktur und den Einstieg in die Kindergrundsicherung. Das können Sie am
22. September dieses Jahres wählen.
({18})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Norbert
Barthle. Bitte schön, Kollege Norbert Barthle.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir
die Debattenbeiträge anhöre, dann muss ich sagen: Kleines Kompliment an die Linken; bei Ihnen weiß man
wenigstens, was Sie kritisieren. Wenn ich mir aber die
Redner von Rot und Grün anhöre, dann muss ich sagen:
Bei Ihnen herrscht argumentatives Durcheinander. Da
blickt man gar nicht mehr durch, was Sie an der Regierungspolitik eigentlich kritisieren wollen.
({0})
Das zeigte sich schon bei der Beantragung dieser Aktuellen Stunde. Eigentlich haben wir es ja mit einem Plagiat zu tun. Denn zuerst haben die Grünen eine Aktuelle
Stunde zu diesem Thema beantragt, dann kam die alte
Tante SPD hinterhergetrabt und hat zum selben Thema
ebenfalls eine Aktuelle Stunde beantragt. Das heißt: Ihnen fehlt der Ansatzpunkt und Ihnen fehlen die Ideen,
um überhaupt Kritik an der Regierungsarbeit zu üben.
({1})
Es läuft immer auf dasselbe hinaus; das ist schon interessant und wirft ein Schlaglicht auf die derzeitige Situation. In der Opposition weiß man offensichtlich nicht so
recht, wo man ansetzen soll.
Das ist auch kein Wunder. Denn wenn Sie ernsthaft
die Frage stellen, wie die Ankündigungen der Bundeskanzlerin, die zum großen Teil auf Parteitagsbeschlüssen
beruhen, finanziert werden sollen, müssen Sie sich aus
meiner Sicht die Gegenfrage gefallen lassen: Wo waren
Sie eigentlich in den letzten vier Jahren? Haben Sie im
Ausland gelebt? Wir haben doch vier Jahre lang gezeigt,
wie es geht.
({2})
Wir haben vier Jahre lang gezeigt, dass wir solide wirtschaften können, dass wir mit dem Geld der Steuerzahler
sparsam umgehen und dass wir seriöse Politik machen.
Wir haben es uns in diesen vier Jahren leisten können,
neue Maßnahmen einzuleiten bzw. neue Ausgaben zu
beschließen, und trotzdem haben wir die Neuverschuldung massiv zurückgeführt. Wir haben uns finanzielle
Spielräume erwirtschaftet, und diese haben wir auch genutzt.
Meine Damen und Herren, wie war denn die Ausgangslage? Wenn sich Herr Steinmeier hier darüber erregt, dass in der Regierungszeit der Kanzlerin 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht worden seien, dann
hätte er sich an seinen Sitznachbar Steinbrück wenden
müssen: Der hat in einem Jahr gleich mal 86 Milliarden
Euro neue Schulden machen wollen, 86 Milliarden in einem, nicht in vier Jahren.
({3})
Für 2010 hatte Finanzminister Steinbrück 86 Milliarden
Euro neue Schulden vorgesehen; das lässt sich im Haushaltsplan nachlesen.
({4})
Nach 86 Milliarden Euro damals, vor vier Jahren, sind
wir jetzt bei 6 Milliarden. Das ist eine Leistung! Ein
Rückgang um 80 Milliarden - das hat noch keine Regierung geschafft, insbesondere keiner von denen, die heute
in der Opposition sind, im Bund sowieso nicht, und in
den Ländern machen Sie das Gegenteil.
({5})
Man braucht sich die Zahlen nur anzugucken: Im Jahr
2014 werden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen, im Jahr 2015 einen Haushalt ohne jegliche
Neuverschuldung - so etwas ist bisher noch nie erreicht
worden -, und im Jahr 2016 beginnt die Rückzahlung
der Schulden.
({6})
Das ist die Bilanz dieser Koalition, das ist die Bilanz,
mit der wir vor die Wählerinnen und Wähler treten. Da
werden die Fakten überzeugen und nicht das laute Geschrei von Herrn Trittin.
({7})
Der Kollege Fricke hat darauf hingewiesen, wie wir
das erreicht haben, nämlich indem wir die Ausgaben stabil gehalten haben. Wir geben nach vier Jahren Regierungszeit 2 Milliarden Euro weniger aus als am Anfang
der Legislaturperiode.
({8})
Zeigen Sie mir ein Bundesland, in dem SPD oder
Grüne regieren - mit Baden-Württemberg gibt es ja inzwischen auch ein Bundesland, in dem die Grünen regieren -, wo am Ende der Legislaturperiode weniger ausgegeben wird als am Anfang!
({9})
Ich kenne keins. Das liegt daran, dass SPD und Grüne
nicht sparen können. Sie können es nicht. Wir haben bewiesen, dass wir es können. Das ist die Bilanz, mit der
wir vor die Wählerinnen und Wähler treten.
({10})
Wir haben die Neuverschuldung zurückgeführt,
obwohl in diesen vier Jahren externe neue Herausforderungen auf uns zugekommen sind: Wir haben den Kapitalstock des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, befüllt. Wir haben die Mittel der Europäischen
Investitionsbank aufgestockt, damit sie armen Ländern
helfen kann. Das waren zusätzliche Ausgaben von
20 Milliarden Euro. Wir haben die Länder und die Kommunen entlastet; auch das waren rund 20 Milliarden
Euro. Wir haben die Bürgerinnen und Bürger in den letzten vier Jahren um rund 25 Milliarden Euro entlastet.
Wir haben den Beitrag zur Rentenversicherung auf
18,9 Prozent gesenkt. Wir haben die Praxisgebühr abgeschafft usw. usf.
Wir haben in diesen vier Jahren 13 Milliarden Euro
mehr für Bildung und Forschung ausgegeben, 13 Milliarden zusätzlich. Wir haben in diesem Parlament entschieden, dass wir für Infrastrukturmaßnahmen 1,7 Milliarden Euro mehr ausgeben. Sie sehen: Wir geben an
den richtigen Stellen mehr Geld aus - weil wir uns die
Spielräume dafür erwirtschaftet haben - und sparen an
anderer Stelle.
({11})
Die kluge Politik von Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble - im Parlament ergänzt durch Volker Kauder
und Rainer Brüderle - hat dazu geführt, dass wir uns etwas leisten und trotzdem die Verschuldung zurückführen
können.
({12})
Schauen wir uns nun an, was in den Ländern geschieht! Was erleben die Bürger in Baden-Württemberg?
Da werden nicht nur die Schulden erhöht - 3,3 Milliarden Euro mehr -; da werden die Gebühren erhöht, die
Steuern werden erhöht, und die Neuverschuldung wird
erhöht. Das ist die Bilanz der Grünen in BadenWürttemberg, Herr Trittin. Was geschieht in NRW? Genau dasselbe.
({13})
Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren,
dort, wo SPD oder Grüne regieren, wird mehr abgezockt, mehr ausgegeben und werden mehr Schulden gemacht.
({14})
Da, wo wir regieren, wird solide und seriös regiert.
Danke.
({15})
Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes Kahrs.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben ja hier schon über einen längeren
Zeitraum eine Aktuelle Stunde, die wir beantragt haben.
Es steht in der Tagesordnung: Aktuelle Stunde zu den
Auswirkungen der Wahlversprechen der Bundeskanzlerin. Es ist weder die Bundeskanzlerin noch irgendeiner
der verantwortlichen Minister anwesend.
({0})
Es wäre reizend, wenn bei der Diskussion hier im Parlament - wir sind nun einmal der Souverän - die Bundeskanzlerin und die zuständigen Fachminister zugegen
wären.
({1})
Alles andere - das muss man auch einmal sagen - ist
einfach Ausdruck mangelnden Respekts vor diesem Parlament, und das ist unanständig.
({2})
Ich schätze den Kollegen Steffen Kampeter ja sehr.
({3})
Aber er ist einer von nur zweien, die auf dieser Regierungsbank sitzen.
({4})
Auf die Sachebene hat er sich in seiner Rede auch nicht
wirklich verirrt.
Schauen Sie sich einfach einmal an, wie diese Regierung hier präsent ist. Das zeigt auch, was diese Regierung von den Versprechen der Bundeskanzlerin hält.
Wenn man diese Frage nicht diskutieren will, sich drückt
und feige in die Büsche schlägt, dann kann es eben nicht
so sein; dann hat man ein Problem.
Schauen Sie sich des Weiteren einmal an, was denn
innerhalb der CDU/CSU von den Vorschlägen der Kanzlerin gehalten wird. Dann wird es erst richtig interessant.
So war in Spiegel Online zu lesen: „Unionspolitiker
fordern Sonderparteitag von Merkel“. Denn bei Ihnen
soll es keinen Parteitag geben, sondern einige Funktionäre sollen das abnicken.
Herr Schlarmann, der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, hat sich zu Wort gemeldet und gesagt:
Die Willensbildung einer Partei muss, ähnlich wie
in jedem Verein, in den dafür vorgesehenen Gremien stattfinden. Und nicht in kleinen, intransparenten Führungszirkeln. Deshalb wäre es sinnvoll,
über das Wahlprogramm und die Art des Wahlkampfs, so wie unsere Mitbewerber, auf einem Parteitag zu diskutieren.
Ehrlich: Dazu kann man nicht viel sagen - außer: Der
Mann hat recht.
({5})
Das sieht auch die FDP so; denn sie hat auch einen
Parteitag veranstaltet.
({6})
- Das macht sich besser.
Wenn man sich das anguckt, stellt man fest, dass man
innerhalb der CDU/CSU gerne auch einmal über die
Vorschläge der Kanzlerin sprechen würde.
Schauen wir uns einfach einmal an, um welche Vorschläge es hier geht. Es gibt zum Beispiel Ärger über die
Mietpreisbremse - etwas, was wir Sozialdemokraten
fordern, was wir richtig und gut finden und was den Anstieg der Mieten insbesondere in den Ballungszentren
begrenzen soll. Dann wird hier im Deutschen Bundestag
ein Gesetz beschlossen, in dem überhaupt nichts zu diesem Thema steht, obwohl wir es mehrfach gefordert haben.
({7})
- Das Gegenteil steht drin. Carsten Schneider hat wie
immer recht.
Jetzt haben wir folgendes Problem: Die Kanzlerin
verspricht etwas, obwohl das Gesetz erst vor einigen
Wochen beschlossen wurde. Wir fragen uns alle, warum
sie diese Eingebung nicht etwas früher hatte.
Man muss sich einfach einmal anhören, was innerhalb
der CDU zu dem Vorschlag der Kanzlerin gesagt wird.
Da meldet sich der wirtschaftspolitische Sprecher der
Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer. Er wähnt Frau Merkel
schon auf dem Weg in den Sozialismus. „Wohin das führen kann, haben wir in der DDR auch gesehen“, sagte er.
({8})
So viel zum Thema Mietpreisbremse. Man weiß also,
warum man keinen Parteitag zu dem Thema veranstaltet;
denn das könnte peinlich werden.
Wir haben uns als SPD dann hier hingestellt und gesagt: Natürlich kann man das alles versprechen. Das sind
alles schöne Dinge. Es gibt viele Menschen, die davon
positiv betroffen sind. Das ist alles in Ordnung. Die
Frage ist nur: Wie wird das gegenfinanziert?
Wenn man diese Frage stellt, fangen die Kolleginnen
und Kollegen von CDU und CSU an, mit großer Lautstärke über die SPD, die Linke und die Grünen zu reden.
Nur auf der Sachebene sind sie auf einmal ganz weit
weg; denn es ist keine Gegenfinanzierung vorhanden.
Dann werden wir kritisiert, weil wir konkrete Vorschläge
zur Gegenfinanzierung dessen, was wir wollen, gemacht
haben. Unseriöser geht es gar nicht mehr.
Aber in solchen Fällen hat man ja einen Fraktionsvorsitzenden. Das ist nicht nur bei der SPD so, sondern auch
bei der CDU/CSU. Weil Herr Kauder ahnt, was auf ihn
zukommt, hat er sich auch gleich gemeldet und gesagt
- das fand ich immer ganz wunderbar -: Was wir in unserem Wahlprogramm versprechen, steht unter einem
Finanzierungsvorbehalt. - Das heißt also: Lasst doch die
Merkel versprechen, was sie will. Das sammeln wir sowieso alles wieder ein. Sie kann sich ruhig den ganzen
Tagen hinstellen und irgendetwas erzählen. Wir werden
das nicht machen. Und deswegen brauchen wir auch keinen Parteitag.
({9})
Das ist unsolide und nicht reell, zeigt aber, wie weit es
mit der Union gekommen ist.
Abschließende Bemerkung: Dass gespart würde diese Illusion wollen wir uns doch gleich mal nehmen.
Wir hatten gestern den Fachminister de Maizière hier,
der Hunderte von Millionen verschleudert hat und dann
sagt, es ist gute Praxis in seinem Ministerium, den
Minister nicht zu informieren. Na dann Glück auf!
({10})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Thomas
Strobl. Bitte schön, Kollege Thomas Strobl.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Diese Debatte hat Unterschiede deutlich gemacht: SPD und Grüne stehen für die Aufnahme neuer
Schulden und wollen höhere Steuern.
({0})
Das, was die CDU/CSU dagegen in ihr Regierungsprogramm schreibt, geht nicht über die finanziellen Verhältnisse hinaus. Wir werden keine zusätzlichen Schulden
aufnehmen und werden auch nicht die Steuern erhöhen.
({1})
Aber wir werden selbstverständlich Prioritäten setzen.
Wir werden die Spielräume, die wir gemeinsam mit den
fleißigen Menschen in diesem Lande erarbeitet haben,
zur Politikgestaltung nutzen.
Was SPD und Grüne hingegen in ihren Wahlprogrammen versprechen, ist unglaubwürdig, ungerecht und für
den Erhalt der Arbeitsplätze in unserem Lande ungemein
gefährlich. Trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung,
trotz staatlicher Rekordeinnahmen wollen Sozialdemokraten und Grüne massiv Steuern erhöhen. Das müsse so
sein, so erzählen sie uns gerne, weil sie die Mitte der
Gesellschaft entlasten wollten.
Ich frage mich ernsthaft: Welche Mitte meinen Sie eigentlich, wenn Sie dieses Wort in den Mund nehmen?
Wenn Sie die Mitte der Gesellschaft entlasten wollten,
dann hätten Sie das gemeinsam mit uns längst tun können. Wir haben seit zwei Jahren in allen Branchen
Lohnzuwächse. Aber Sie verhindern, dass diese Lohnzuwächse bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
ankommen. Sie verweigern im Bundesrat bei der Einkommensteuer die Anpassung an die Preisentwicklung.
Sie blockieren den Abbau der kalten Progression.
({2})
Das ist Ihre erste Steuererhöhung für die Mittelschicht.
Sie trifft die Ehrlichen und Fleißigen. Das ist Ihre Politik
gegen die kleinen Leute.
Aber es kommt noch besser, meine sehr verehrten
Damen und Herren. Den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer haben Sie gemeinsam mit uns erhöht,
weil das verfassungsrechtlich geboten war, aber die
dazugehörende Anpassung des Einkommensteuertarifs
haben Sie dann blockiert. Das Ergebnis ist: Der Tarifverlauf steigt jetzt noch viel steiler an, und zwar gerade bei
den kleinen Einkommen. Das ist Ihre Politik: Gegen die
Reichen reden und bei den Kleinen und in der Mitte abkassieren und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
schröpfen.
({3})
Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir wollen.
({4})
Thomas Strobl ({5})
Ein Zweites. Steuererhöhungen, so die SPD und die
Grünen, müssten sein - das erzählen sie uns gerne -,
weil sie ohne neue Schulden auskommen wollten. Ich
weiß gar nicht, wo die SPD und die Grünen waren, als
wir hier die Eckpunkte für den Bundeshaushalt beschlossen haben. Diese Bundesregierung legt für das nächste
Jahr einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt
vor.
({6})
Wenn es Ihnen beim Thema Schuldenabbau ernst wäre,
dann hätten Sie doch längst dort, wo Sie regieren,
({7})
Ihren Worten Taten folgen lassen können.
({8})
Doch wie sieht die Wirklichkeit aus, Kollege Lange?
In Nordrhein-Westfalen stehen Rot-Grün seit 2010 zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 6 Milliarden
Euro zur Verfügung, 6 Milliarden Euro mehr, als beim
Regierungswechsel zu erwarten waren. In Baden-Württemberg sind es 4 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen.
Und was passiert?
({9})
In Nordrhein-Westfalen haben Sozialdemokraten und
Grüne dreimal in Folge einen verfassungswidrigen
Schuldenhaushalt vorgelegt. Hannelore Kraft ist die
Schuldenkönigin in Nordrhein-Westfalen.
({10})
In Baden-Württemberg macht die grün-rote Landesregierung allein im aktuellen Haushalt 3,5 Milliarden
Euro Schulden. Man möchte planvoll bis zum Jahr 2020
jedes Jahr zusätzliche milliardenschwere Schulden anhäufen, so sagen die Grünen in Baden-Württemberg.
Winfried Kretschmann ist der Schuldenpräsident in Baden-Württemberg.
Unionsgeführte Länder hingegen machen längst keine
Schulden mehr. Bayern etwa plant den Abbau der alten
Schulden. Das zeigt die Wirklichkeit: Nicht die SPD,
nicht die Grünen, sondern die Union, diese Koalition stehen für eine solide Finanz- und Haushaltspolitik.
({11})
Nun, meine Damen und Herren, wollen wir zu einem
entscheidenden Punkt kommen. Da es heute um Wahlzusagen geht, schauen wir einmal das grüne Wahlprogramm an. Wofür brauchen Sie denn das Geld aus den
von Ihnen geplanten Steuererhöhungen? Sie wollen
Hartz IV erhöhen und zugleich die Sanktionen für Arbeitsunwillige abschaffen. Das heißt: bedingungsloses
Grundeinkommen. Trittin - er ist nicht mehr im Saal macht die grüne Partei zu einer roten Partei. Sie wollen
die Einkommen der Mittelschicht stärker besteuern und
reichen das Geld nach Hartz IV durch. Und ausgerechnet
Sie wollen nun mit uns im Wahlkampf über Gerechtigkeit reden.
({12})
Nun, wenn das Ihre soziale Gerechtigkeit ist, dann reden
wir gerne mit Ihnen über soziale Gerechtigkeit.
({13})
Aber dann reden wir nicht nur über Hartz IV, sondern
auch über Gerechtigkeit für nachfolgende Generationen
({14})
und für Familien mit Kindern, über die Renten von
Müttern und auch über die Gerechtigkeit für die, die
morgens um sechs auf den Wecker hauen, um sieben zur
Arbeit gehen und abends müde ins Bett fallen, weil es
auch für sie eine soziale Gerechtigkeit gibt. Auch darüber werden wir reden.
({15})
Darum geht es im September. Die Wählerinnen und
Wähler werden dann dafür sorgen, dass Sie sich nach der
Wahl weder beim Bundeshaushalt noch bei der Mittelschicht bedienen können.
({16})
Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Anton Schaaf. Bitte schön, Kollege
Anton Schaaf.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! So ein schäbiges Spiel habe ich ganz selten erlebt, und zwar in doppelter Hinsicht.
({0})
Die Kanzlerin war am Wochenende unterwegs und hat
sozialpolitische Vorschläge gemacht. Einige davon können wir übrigens absolut nachvollziehen.
({1})
Aber diese Koalition hier hat die Kanzlerin mit ihren
Vorschlägen heute in ihren Wortbeiträgen völlig alleine
gelassen. Keiner ist der Kanzlerin bei diesen Vorschlägen beigesprungen, und niemand von Ihnen hat hier darstellen können, wie man diese Vorschläge finanzieren
will.
Ganz im Gegenteil! Der Fraktionsvorsitzende der
Union hat am Montag bzw. Dienstag sofort gesagt: Ach,
die Kanzlerin kann vorschlagen, was sie will. Das steht
alles unter Finanzierungsvorbehalt. - Die Redner der
Koalition haben sich hierhingestellt und ausschließlich
über solide, ausgeglichene Haushalte diskutiert.
Wenn man ehrlich miteinander ist, dann muss man
doch sagen: Um die Mütterrente für die Mütter, die vor
1992 Erziehungszeiten hatten, anständig zu gestalten
und mit der Mütterrente gleichzustellen, die die Mütter
erhalten, die nach 1992 Erziehungszeiten haben, braucht
man 13,2 Milliarden Euro. Norbert Barthle, sag mir einmal, wo die 13,2 Milliarden Euro herkommen sollen.
Dazu hat keiner der Rednerinnen und Redner der Koalition auch nur ein einziges Wort gesagt. Sie haben gesagt:
Wir machen keine Schulden. Sie haben sogar gesagt:
Wir senken die Steuern. Wir erhöhen nicht die Beiträge Trotzdem wollen Sie 13,2 Milliarden Euro für die Mütterrente irgendwo herhaben. Es ist schäbig, so zu argumentieren und zu agieren.
({2})
Da ich gerade bei der Wahrheit bin: Norbert Barthle,
wenn ich mich recht entsinne, ging es um den Haushalt
mit 86 Milliarden Euro Neuverschuldung, den Peer
Steinbrück im Rahmen der Großen Koalition vorgelegt
hat.
({3})
Wer war denn da eigentlich haushaltspolitischer Sprecher der Union?
({4})
Wer hat diesen Haushalt denn durchgehen lassen? Sie
waren das, Norbert Barthle, und Ihre Fraktion war mit
dabei.
({5})
Sie wissen auch genau, wie diese 86 Milliarden Euro
zustande gekommen sind. Es ist schäbig, so zu argumentieren. Es ging natürlich darum, dass wir ein kommunales Investitionsprogramm brauchten, und es ging natürlich darum, die Kurzarbeiterregelung zu verlängern.
({6})
Das war der Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg,
den wir jetzt im Moment auch in diesem Lande haben.
Deswegen ist es schäbig, so zu argumentieren.
({7})
Übrigens: Dieses Spiel zwischen FDP und Union jetzt
gerade ist auch bezeichnend. Um das einmal klipp und
klar zu sagen: Das ist wirklich Wahlbetrug. Die Kanzlerin versucht, die Wählerinnen und Wähler mit sozialpolitischen Vorschlägen massiv einzuschläfern, und die
FDP hält wirtschaftsliberal komplett dagegen. Beide
glauben, damit ihre Wählerklientel bedienen zu können.
Aber das geht nicht mehr auf, und ich sage Ihnen auch,
wieso nicht. Ich mache das einmal an einem Beispiel
fest.
Die Mütterrente wäre ein solches Beispiel, Kollege
Kampeter. Sie wollen übrigens nicht 13,2 Milliarden
Euro in die Hand nehmen, um die Mütterrenten anzugleichen, sondern nur 6 Milliarden Euro. Sie stellen die
Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, gar nicht
den anderen gleich. Das ist überhaupt nicht Ihr Interesse.
Sagen Sie das doch! Sie wollen nur 6 Milliarden Euro
zur Verfügung stellen.
Es geht Ihnen um die Ausweitung von einem Entgeltpunkt auf zwei Entgeltpunkte. Die Mütter der nach 1992
geborenen Kinder haben aber drei Entgeltpunkte. Sie
wollen auch hier ungleich behandeln. Keine Besserstellung, weiterhin Ungleichbehandlung: Das ist die Wahrheit, um die es hier geht.
Hinsichtlich der Wahlversprechen kann man ja einmal
den Faktencheck machen. Ich habe mir Ihren Koalitionsvertrag herausgesucht
({8})
und mir nur einmal die Themen angeschaut, um die ich
mich in den letzten Jahren gekümmert habe, und geguckt, was Sie davon versprochen und abgearbeitet haben:
Sie haben eine Verbesserung bei der Kindererziehung
und der Alterssicherung versprochen. In dieser Legislaturperiode: Totalausfall! Nichts passiert!
Der Kampf gegen Altersarmut steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Nichts ist passiert, überhaupt nichts. Sie
sind komplett gescheitert. Frau von der Leyen ist mit ihrer Lebensleistungsrente komplett vor die Wand gefahren. Sie hat rentenpolitisch überhaupt nichts umsetzen
können. Um ehrlich zu sein: Rentenpolitisch, aber auch
insgesamt sozialpolitisch sind Sie eine Nichtregierungsorganisation, zumindest für diese Legislaturperiode.
({9})
Ich möchte auf ein Wahlversprechen eingehen, das
Sie klammheimlich eingesammelt haben - damit haben
Sie im Osten Wahlkampf gemacht und dafür sicherlich
eine Menge Stimmen im Osten der Republik kassiert -,
nämlich die Ost-West-Angleichung der Renten. Was Sie
da in dieser Legislaturperiode gemacht haben, ist wirklich unanständig, um das einmal klipp und klar zu sagen.
Sie haben den Menschen gesagt, Sie würden in dieser
Legislaturperiode eine rentenrechtliche Angleichung erreichen. Dieses Versprechen haben Sie klammheimlich
und nichtöffentlich eingesammelt. Die Menschen aber
warten auf die Einlösung dieses Versprechens.
Ich sage Ihnen, warum Sie dieses Versprechen eingesammelt haben. Sie haben festgestellt, dass nur eine rentenrechtliche Angleichung zwischen Ost und West nicht
geht; denn dann fällt den Menschen auf, dass Ihnen die
Ostrentner nichts wert sind und Sie für sie kein Geld in
die Hand nehmen wollen. Die Angleichung hätte 6 Milliarden Euro gekostet. Da haben Sie sich überlegt: Dann
machen wir lieber gar nichts. Dann merken die Menschen im Osten nicht, dass wir sie über den Tisch gezogen haben.
Das, was die Kanzlerin vorgeschlagen hat, entspricht
genau dem, was Sie mit diesem Koalitionsvertrag gemacht haben: Sie wollen die Wähler hinter die Fichte
führen. Nach dem 22. September sind Ihre Ankündigungen nichts mehr wert. Deswegen macht es absolut Sinn,
dass ab dem 22. September Peer Steinbrück auf dem
Stuhl des Kanzlers Platz nimmt und dass sich die Regierungskoalition ändert.
({10})
Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion von CDU/CSU unser Kollege Hans
Michelbach.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Zukunft. Es
geht insbesondere um die Erhaltung der Leistungsfähigkeit für unsere Menschen, für unseren Wirtschaftsstandort und für unser Land. Das ist die Voraussetzung.
Man kann immer wieder schauen, welche Modelle,
welche Konzepte am erfolgreichsten waren. Wir haben
den Kraftakt der deutschen Wiedervereinigung mit dem
Konzept der zweiläufigen Finanzpolitik geschultert.
Unter einem Finanzminister Theo Waigel haben wir gewissermaßen zweiläufig Haushaltskonsolidierung und
Wachstumsentwicklung als großes Ziel, als Konzept verfolgt.
({0})
Dieses Konzept ist aufgegangen. Genau das müssen
wir jetzt in der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise in
Europa wieder in Angriff nehmen. Zweiläufige Finanzpolitik heißt: auf der einen Seite Haushaltskonsolidierung und auf der anderen Seite Nutzung der Wachstumspotenziale, die durch die fleißigen Menschen, durch die
tüchtigen Betriebe in Deutschland zweifellos erreicht
werden.
({1})
Schon einmal haben wir bewiesen, dass wir durch
Wachstum weitere Spielräume erschließen können.
Diese Spielräume dienen neben der Haushaltskonsolidierung dazu, die Menschen zu motivieren, die Menschen an der Aufschwungdividende teilhaben zu lassen.
Das ist wichtig.
Auch haben wir das Problem, dass die Menschen bei
ihrer Arbeit immer mehr leisten müssen, aber der Fiskus
durch die kalte Progression brutal zuschlägt, weil aufgrund des Grenzsteuersatzes trotz Erhöhung des Einkommens nicht mehr viel übrig bleibt. Sie waren es
- das gebe ich Ihnen für diese Legislaturperiode mit
nach Hause -, die die Abschaffung der kalten Progression, dieser heimlichen Steuererhöhung für den normalen Arbeitnehmer, blockiert haben. Diese Wahrheit müssen Sie ertragen.
({2})
Wir haben immer wieder zurückzublicken.
({3})
Wir haben 1998 trotz des Kraftaktes der deutschen Einheit eine Stabilisierung der Haushalte erreicht.
({4})
Sie wissen, wie es weiterging: Nur wenige Jahre später
hat Rot-Grün, nachdem Sie 1998 die Verantwortung
übertragen bekommen haben, den Offenbarungseid geleistet. Sie haben die Haushalte nicht mehr schultern
können.
({5})
Sie haben nicht mehr in Wachstum investieren können.
Sie haben nur noch neue Schulden gemacht. Jetzt machen wir das Gegenteil.
({6})
Wir versuchen durch die zweiläufige Finanzpolitik, 2013
die Finanz- und Wirtschaftskrise zu überwinden und die
Erfolgsstory fortzuführen, wie wir sie nach der deutschen Einheit und der Wiedervereinigung hatten.
({7})
Die christlich-liberale Koalition hat in dieser Legislaturperiode viel für die Menschen, für unseren Standort
Deutschland erreicht.
({8})
Nun machen wir programmatisch deutlich, dass CDU
und CSU die politische Kraft für soziale Marktwirtschaft, für Stabilität, für Wachstum, für gesellschaftlichen Zusammenhalt
({9})
und die Chancen auf Aufstieg sind. Es geht letzten Endes um Wachstum statt Stillstand, meine Damen und
Herren.
({10})
Es geht um Investitionen statt rot-grüner Zukunftsverweigerung.
({11})
Es geht um Vollbeschäftigung oder wieder mehr Arbeitslosigkeit.
({12})
Es geht um Steuervereinfachung oder Steuererhöhungen
durch Rot-Grün.
({13})
Das sind die Alternativen, die die Menschen kennen
müssen. Wir machen den Menschen ein klares Angebot.
({14})
Die Leute können deutlich sehen, wo die Unterschiede
sind. Sie wollen die Menschen bevormunden.
({15})
Wir wollen den Menschen mehr Freiraum geben.
({16})
Sie wissen am besten, was sie mit ihrem erarbeiteten
Geld anfangen können. Sie brauchen die notwendigen
Freiräume, um selbst zu investieren, um selbst zu
kaufen, und nicht eine staatliche Bevormundungspolitik
Ihrer Genossen.
({17})
Die wollen die Menschen in Deutschland nicht.
({18})
Deswegen sage ich Ihnen: Sie entwerfen ein rotgrünes Horrorszenario bei den Steuern. Sie überfordern
die Steuerzahler. Auf breiter Front soll es Steuererhöhungen geben.
({19})
Sie wollen die Erbschaftsteuer verdoppeln. Damit vernichten Sie die Mittelstandsarbeitsplätze. Sie wollen das
Ehegattensplitting abschaffen. Sie wollen die niedrigeren Mehrwertsteuersätze erhöhen.
({20})
Sie wollen auf breiter Front abkassieren, wie Sie es immer gemacht haben, und dann verteilen, weil Sie nur
glücklich sind, wenn Sie Verteilungspolitik machen können. Das ist der falsche Ansatz für Deutschland.
({21})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende
unserer Aktuellen Stunde angelangt und kommen zum
nächsten Tagesordnungspunkt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
Gorleben
- Drucksache 17/13700 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen.
Erste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion von CDU/CSU unsere Kollegin Frau Dr. Maria
Flachsbarth. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Maria
Flachsbarth.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eingangs der Debatte will ich als Ausschussvorsitzende
ein paar der wichtigsten Eckdaten liefern.
Der Ausschuss ist am 26. März 2010 als 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages in dieser
Legislatur eingesetzt worden. Am 22. April 2010 haben
wir uns konstituiert und die Arbeit aufgenommen. Die
letzte Sitzung fand am 16. Mai dieses Jahres statt. Der
Auftrag des Ausschusses war, die Frage zu beantworten,
ob es auf dem Weg zur zentralen Lenkungsentscheidung
der Bundesregierung vom 13. Juli 1983, den Salzstock in
Gorleben untertägig und keinen anderen Standort mehr
obertägig zu erkunden, Manipulationen gegeben hat. Darüber hinaus hatte der Ausschuss die Frage zu bearbeiten, inwieweit in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre
Änderungen am ursprünglichen Erkundungs- oder Endlagerkonzept, zum Beispiel wegen fehlender Salzrechte,
vorgenommen wurden.
Insgesamt umfasste der Untersuchungszeitraum
- wohl einmalig für einen Untersuchungsausschuss dieses Hauses - mehr als 30 Jahre. Zur Erledigung unseres
Auftrags haben wir 95 Sitzungen mit einer Gesamtdauer
von 250 Stunden abgehalten. Zur Unterstützung der
Beweisaufnahme haben wir im Dezember 2010 einen
Ermittlungsbeauftragten eingesetzt, der rund 5 600 Akten des Bundesamtes für Strahlenschutz gesichtet hat.
Davon haben wir 1 100 Akten nach Berlin angefordert,
weitere rund 1 700 Ordner wurden dem Ausschuss aufgrund von Beweisbeschlüssen unmittelbar übersandt,
insgesamt also 2 800 Ordner. In öffentlicher Sitzung haben wir zur Beweisaufnahme fünf Sachverständige angehört und über 50 Zeugen - teilweise mehrfach - vernommen. Die stenografischen Protokolle darüber
umfassen mehr als 2 800 Seiten.
Aufgrund des bis in die 1970er-Jahre zurückreichenden Untersuchungszeitraums musste es Schwierigkeiten
bei der Beweisaufnahme geben. Einige Zeugen waren
schon verstorben oder aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage, befragt zu werden. Teils war
ihre Erinnerung verblasst. Akten waren zum Teil nicht
mehr auffindbar oder zum Teil aufgrund des Ablaufs der
üblichen Aufbewahrungsfristen bereits vernichtet.
Heute debattieren wir über den Abschlussbericht. Wie
der Presse zu entnehmen war, wurde Einigkeit über einen einheitlichen Feststellungs- bzw. Bewertungsteil
nicht erzielt. Bezüglich der Bewertung der verschiedenen Fraktionen war das fast zu erwarten. Während die
Koalitionsfraktionen es als erwiesen ansehen, dass der
Standort Gorleben allein nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt wurde, und immer wieder darauf
hinweisen, dass bis heute keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die die Eignungshöffigkeit des
Salzstocks infrage stellen, sehen die Oppositionsfraktionen ihre Vorwürfe bestätigt, die Auswahlkriterien seien
je nach Erkundungslage angepasst worden und man
habe, um den für den Betrieb der Kernkraftwerke notwendigen Entsorgungsnachweis erbringen zu können,
diesbezüglich immer wieder nachgesteuert. Ich bin davon überzeugt, dass die Rednerinnen und Redner der
Fraktionen das im Detail nachweisen werden.
Wir haben es also trotz gemeinsamer, wenn auch insbesondere zu Beginn sehr kontroverser Arbeit im Ausschuss nicht geschafft, einen gemeinsamen Feststellungsteil vorzulegen, also eine gemeinsame Grundlage
aus Fakten, die wir erhoben haben, zu schaffen. Das hat
mich enttäuscht, hat mir aber deutlich vor Augen geführt, wie tief die Gräben sind, wie unüberwindlich das
gegenseitige Misstrauen ist und wie sehr die Brille, die
ein jeder aufhat, die eigene Sichtweise prägt. Wenn wir
aber ergebnisorientiert nach einem Endlager suchen wollen - das müssen wir tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden -, dann müssen wir einen Neuanfang
wagen. Im Ausschuss hat sich übrigens gezeigt, dass die
anderen Bundesländer, als der Schwarze Peter in Form
eines benannten Erkundungsstandorts erst einmal in
Niedersachsen lag, überhaupt nicht mehr bereit waren,
Verantwortung in Bezug auf die Nuklearentsorgung zu
übernehmen.
Nun gibt es den Bund-Länder-Konsens zum Endlagersuchgesetz. Erstmals gibt es wieder Offenheit in dieser Frage. Wir müssen jetzt - das ist meine Überzeugung; das sollten wir aus dem Untersuchungsausschuss
gelernt haben - die Gunst der Stunde nutzen, das neue
Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.
({0})
Wer nun wirklich wissen will, wie es war, der kann
mit dem Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses auf ein umfassendes Werk zurückgreifen, um
sich selbst ein Bild von den Entscheidungsprozessen
rund um den Standort Gorleben zu machen. Der Bericht
umfasst rund 1 700 Seiten. Auf einer Begleit-CD werden
in Kürze sämtliche stenografischen Protokolle der Zeugenvernehmung und der Sachverständigenanhörung sowie ausgewählte Dokumente - 123 an der Zahl - zur
Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Das alles wird
man auch auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages einsehen können. Kopien der Beweismaterialien
sollen gemäß einem Ausschussbeschluss mindestens bis
zum Ende der 19. Wahlperiode im Parlamentsarchiv zur
Einsichtnahme zur Verfügung stehen.
Ich möchte im Hinblick auf die Lehren, die wir hoffentlich aus dem Wust an Arbeit gezogen haben, einen
Punkt herausheben. Das ist die Frage der Öffentlichkeitsarbeit. Für die damalige Zeit gab es durchaus
moderne Ansätze. Es gab das Gorleben-Hearing der Niedersächsischen Landesregierung sowie die GorlebenKommission und die Information durch Vertreter des
Bundes und insbesondere durch BGR und PTB bzw.
BfS. Es gab außerdem die Mitwirkung des Bundes an
der Gemeinsamen Informationsstelle zur nuklearen Entsorgung und Informationsveranstaltungen des Bundes in
den Jahren 1981 bis 1983. Letztendlich muss man aber
feststellen: Es dominierte das fachliche Handeln der
Exekutive ohne zu tiefe Beteiligung der Öffentlichkeit
und Diskussion insbesondere auf dem Weg zur Auswahl
des Standorts durch die 1973 vom Bund beauftragte
KEWA und ab Mitte 1976 durch die interministerielle
Arbeitsgruppe.
Noch vor der Standortbenennung hat das zu Misstrauen und zur Bildung von Mythen geführt, die sich bis
heute in den Standortregionen gehalten haben. Dem versuchen wir nun mit dem neuen Endlagersuchgesetz,
durch Transparenz von Anfang an und durch Entscheidungen der Legislative entgegenzuwirken, durch die sogenannte Bund-Länder-Kommission, aber auch durch
das gesellschaftliche Begleitgremium. Auch das haben
wir hoffentlich aus diesem Untersuchungsausschuss gelernt. Wenn wir das wirklich gelernt haben sollten, dann
hat sich die Arbeit doch noch gelohnt.
Abschließend mein ganz herzlicher Dank an alle, die
an diesem Mammutprojekt mitgearbeitet haben, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. Die
Zusammenarbeit war zum Schluss mehr und mehr konstruktiv und auch fair; zu Anfang war das ein bisschen
anders. Ich bedanke mich sehr herzlich bei dem Beauftragten der Bundesregierung, den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Fraktionen, die wahrlich ganze Arbeit
geleistet haben, und ebenso bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats, die insbesondere zum Ende der Ausschussarbeit sehr viel zu tun
hatten. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank. Uns
allen wünsche ich einen Weg in eine bessere Zukunft
und dass die Fragen, die wir bearbeitet haben, ergebnisorientiert beantwortet werden.
Herzlichen Dank.
({1})
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth. Nächste Rednerin für die Fraktion der Sozialdemokraten
ist unsere Kollegin Frau Ute Vogt. Bitte schön, Frau Kollegin Ute Vogt.
({0})
Danke schön, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Kollegin Flachsbarth, ich will mich
dem Dank anschließen, nicht nur dem an das Ausschusssekretariat, sondern auch ausdrücklich dem an die MitarUte Vogt
beiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen, aber natürlich auch dem Dank an alle, die diesen Ausschuss
begleitet haben. Der Dank gilt auch denjenigen im
Wendland und den Mitarbeitern von Greenpeace, die uns
viel Unterstützung gegeben haben, wenn es darum ging,
die Fakten für diesen Untersuchungsausschuss zusammenzutragen.
Ich will gerne ausdrücklich die Frau Vorsitzende in
den Dank einbeziehen; wie Sie sagten, haben wir uns,
zumindest was Sie als Vorsitzende angeht, nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammengerauft. Sie haben den
Ausschuss fair geleitet und so, dass alle berücksichtigt
wurden. Es ist also eine versöhnliche Stimmung, sehr
schön.
({0})
Es ist auch gut, wenn die Einsicht Platz greift, dass es
richtig und vor allem notwendig war, dass der Umweltminister Sigmar Gabriel im Jahr 2009 mit einem ersten
kritischen Bericht zu diesem Untersuchungsausschuss
überhaupt erst den Anstoß gegeben hat. Ich kann Ihnen
auch nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass es Ihre
Bundeskanzlerin war, die damals sehr viel dafür getan
hat, einen kritischen Bericht über Gorleben zu verhindern. Wäre sie damals schon souveräner und einsichtiger
gewesen, hätte es einen Untersuchungsausschuss in dieser Form gar nicht gebraucht.
({1})
Wir sind heute an einem Punkt, an dem wir alle bereit
sind, aus den Fehlern zu lernen, zumindest fast alle.
Aber ich will nicht darüber hinwegsehen, dass es doch
ein schwieriger Start war, der auch seine Auswirkungen
auf das Ende hatte. Die Tatsache, dass wir uns noch nicht
einmal auf einen sachlichen Feststellungsteil einigen
konnten, zeigt doch, dass jedenfalls der größere Teil der
Mehrheit im Ausschuss selbst nach dem Atomausstieg
noch die Schlachten von gestern geschlagen hat.
({2})
Im Berichtsteil der Union und der FDP kann man zum
Beispiel auf Seite 587 lesen, dass das Auswahlverfahren
des Bundes und der Niedersächsischen Landesregierung
vorbildlich gewesen sei und Maßstäbe gesetzt habe. Mit
Verlaub: Das stimmt weder heute, noch stimmte es nach
dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik.
({3})
Aber es passt in die politische Linie, die leider die Arbeit
im Ausschuss auch nach Ihrer Erkenntnis zum Atomausstieg geprägt hat.
Ein Teil des Ausschusses hatte und hat bis zum
Schluss nur sehr beschränkten Aufklärungswillen bewiesen. Der Kollege Grindel zum Beispiel hat schon zu
Anfang des Ausschusses, im April des Jahres 2010,
durch einen Namensartikel Schlagzeilen provoziert, die
lauteten: Es gibt kein besseres Endlager als Gorleben. Bundeskanzlerin Merkel hat noch am Ende der Ausschussarbeit in ihrer Zeugenvernehmung verkündet, dass
sie überhaupt nicht verstehe, wieso man Gorleben nicht
einfach zu Ende erkunde. Das ist eine Augen-zu-unddurch-Methode. Jetzt ist erfreulicherweise auch in weiten Teilen der Regierung die Erkenntnis gewachsen, dass
diese Methode heute nicht mehr gelten darf.
Die Fakten sind eindeutig: Die Standortentscheidung
1977 erfolgte aufgrund politischer Vorgaben. Ministerpräsident Ernst Albrecht sagte: „Gorleben oder kein
Standort in Niedersachsen“, wohl in der Hoffnung, dass
ein strukturschwaches Gebiet mit wenig Besiedelung
wenig Widerstand leisten würde. Wir wissen heute, dass
dies eine trügerische Hoffnung war.
Was folgte, war im Jahr 1983 die politische Einflussnahme auf einen Bericht von Wissenschaftlern, die geschrieben haben: Sinnvoll und notwendig ist die Suche
nach einem alternativen Standort. Es reicht nicht aus, nur
einen Standort zu untersuchen. - Was ist passiert? Genau
diese Sätze wurden aus dem Bericht gestrichen, nachdem aus dem Kanzleramt ein Emissär zu den Wissenschaftlern geschickt wurde und Weisung erteilt hat, den
Hinweis auf die Suche nach einem alternativen Standort
aus dem Bericht zu nehmen. Eine politische Einflussnahme auf wissenschaftliche Arbeit ist ziemlich einmalig in solchen Bereichen.
({4})
Auch die frühere Umweltministerin Angela Merkel
ließ in den 90er-Jahren kritische Stimmen außen vor und
erhörte lieber die Stimmen der Atomindustrie. Nach
1997 wurde der Salzstock aufgrund ihres Entscheids
nicht mehr entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse und
Erfordernisse erkundet, sondern nur noch entlang der
vorhandenen Salzrechte. Ein Verfahrensweg, der - wen
überrascht es? - der Atomindustrie immerhin eine Ersparnis von 365 Millionen D-Mark gebracht hat. Zugleich wurde die Öffentlichkeit getäuscht, indem eine
Salzstudie veröffentlich wurde, in der bundesweit
41 Salzstöcke untersucht, aber am Ende nicht mit Gorleben verglichen wurden. Trotzdem hat die damalige Umweltministerin und heutige Kanzlerin verkündet: „Gorleben bleibt erste Wahl.“ Sie hat so getan, als hätte ein
Vergleich stattgefunden. Auch diese Täuschung konnte
im Ausschuss nicht widerlegt werden.
({5})
Obwohl in dieser Zeit bereits bekannt war, dass das
Deckgebirge nicht ausreichend stark ist, obwohl bekannt
ist, dass die Gorlebener Rinne Wasserzufluss ins Salz ermöglicht,
({6})
und obwohl wir im Ausschuss erörtert haben, dass Gasvorkommen unter dem Salzstock eine zusätzliche Ge30762
fährdung darstellen, trotz dieser Erkenntnisse, die es seit
vielen Jahren gibt, hat man weiter unbeirrt an der Erkundung festgehalten.
Verheerend am Verfahren ist nicht nur, dass kritische
Wissenschaft ignoriert wurde, sondern auch, dass die
Kriterien den Erkundungsergebnissen angepasst worden
sind.
({7})
War zum Beispiel ein ausreichendes Deckgebirge über
dem Salzstock zu Beginn noch ein wichtiges Kriterium
für die Sicherheit des Standortes, war dies, nachdem
man festgestellt hat, dass das Deckgebirge durchlässiger
ist als erwartet, auf einmal keine notwendige Voraussetzung mehr.
Im Ergebnis jedenfalls steht fest: Der Standort Gorleben ist politisch, juristisch und auch wissenschaftlich delegitimiert. Eine unbelastete Erkundung wird an diesem
Standort nicht mehr erfolgen. Wenn wir ihn trotzdem ins
Suchverfahren einbeziehen, dann deshalb, weil wir
Rechtssicherheit wollen, vor allem aber auch, weil es der
Akzeptanz der anderen Bundesländer bedarf. Deshalb ist
es das Mindeste, dass wir gegenüber den Bürgerinnen
und Bürgern in Gorleben deutlich machen, dass für uns
unzweifelhaft feststeht, dass bei einem neuen Verfahren
weitere Transporte von Atommüll nach Gorleben unterbleiben und andere Bundesländer endlich ihre Verpflichtung ernst nehmen und ihre Bereitschaft erklären müssen, auch Atommüll, an dem sie vorher verdient haben,
aufzunehmen.
({8})
Wir haben heute die Verantwortung, aus den Fehlern
der Vergangenheit zu lernen. Ich hoffe, dass die Bereitschaft, sich dieser Verantwortung zu stellen, in den Reihen der Koalition nicht nachlässt; denn wir sind es den
kommenden Generationen schuldig, ihnen nicht den
Müll vor die Füße zu kippen, sondern das Problem einer
Lösung zuzuführen und zu verhindern, dass irgendwann
in ferner Zukunft jemand auf die Idee kommen könnte,
ein Müllexport könnte unser Problem lösen. Wir sind
hier in der Verantwortung, und wenn dieser Ausschuss
einen Sinn hatte, dann den, dass alle Beteiligten erkennen mussten, dass es notwendig ist, gemeinsam die Suche nach einem alternativen Standort zu beginnen. Ich
bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung noch in dieser
Legislaturperiode auf den Weg bringen.
({9})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin in
unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unsere
Kollegin Frau Angelika Brunkhorst. Bitte schön, Frau
Kollegin Angelika Brunkhorst.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben
am letzten Dienstag den Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Gorleben“ an
Herrn Dr. Lammert, den Bundestagspräsidenten, übergeben. Der Bericht liegt bei Herrn Dr. Paul auf dem Tisch;
da kann man sehen, was für ein Paket das ist. Wir haben
in exakt 100 Sitzungen mehr als 50 Zeugen und einige
Sachverständige vernommen, wir haben einen Ermittlungsbeauftragten eingeschaltet, wir haben 2 800 von
insgesamt rund 6 000 Akten bearbeitet. Es war ein unglaublicher Aufwand. Liest man allerdings das Sondervotum der Opposition, dann stellt man resignierend fest:
Der Ausschuss war umsonst; denn die Opposition hält
unbeirrt an ihren Verschwörungstheorien fest, ohne die
Erkenntnisse aus dem Ausschuss überhaupt wahrzunehmen.
({0})
Mir ist bewusst, dass die Verschwörungstheorie, im
bisherigen Erkundungsprozess sei politisch manipuliert
worden, sinnstiftend ist, besonders für die Partei der
Grünen. Offenbar stand für die Grünen sehr schnell fest,
dass der Untersuchungsausschuss erbracht hat und klar
und deutlich aufzeigt, dass die Entscheidung für Gorleben politisch motiviert war. Denn bereits im November
2010, ein halbes Jahr nach Konstituierung des Ausschusses, haben sie das auf ihrem Parteitag schon konstatiert.
Mich wundert heute noch, dass das bei den Grünen so
schnell ging;
({1})
wir haben insgesamt drei Jahre gebraucht. Ich fand das
nicht besonders gut.
Jede Leserin und jeder Leser hat mit Vorliegen des
Abschlussberichts die Möglichkeit, diesen durchzulesen
und zu sehen, dass das objektiv nicht wahr ist. Sie werden auch merken, dass die Argumentation der Opposition nicht schlüssig ist, dass die rudimentären Versuche
der Beweisführung völlig misslungen sind.
({2})
Der Ausschuss war umsonst, aber selbstverständlich
war er nicht kostenlos. Er hat mehrere Millionen Euro
verschlungen. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen. Der Aufwand stand in keinem Verhältnis zum
tatsächlichen Nutzen.
({3})
Meine Damen und Herren, Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist die parlamentarische Betrachtung
und Bewertung abgeschlossenen Regierungshandelns.
Der Untersuchungsausschuss hat nicht geprüft, ob der
Salzstock Gorleben geeignet ist.
({4})
- Ja, ja. - Kern des Auftrags des Untersuchungsausschusses war es, zu untersuchen, ob der Vorwurf stimmt,
dass von der damaligen Regierung unter Bundeskanzler
Helmut Kohl auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, PTB, im Jahr 1983 Druck ausgeübt wurde, den
Zwischenbericht zu ändern. Dieser Vorwurf konnte klar
widerlegt werden. Es gab keine politische Manipulation.
({5})
Der PTB-Zwischenbericht sollte der Bundesregierung
damals als Entscheidungsgrundlage für die Frage dienen, ob der Salzstock auch untertägig erkundet werden
kann, ob er die Voraussetzungen dafür mitbringt. Diese
Frage hat die PTB damals ganz klar mit Ja beantwortet.
Richtig ist, dass es PTB-intern auch Erwägungen gab,
weitere Standorte neben Gorleben zu erkunden. Anders
als die Opposition suggeriert, ging es aber nie um die
Suche nach alternativen Standorten.
({6})
Diskutiert wurde die Erkundung zusätzlicher Standorte. Die Eignungshöffigkeit des Salzstocks wurde von
der PTB nicht infrage gestellt. Bereits die Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, und die
Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern, DBE, die an der Erstellung des PTB-Zwischenberichts mitgearbeitet haben, sagten zum damaligen
Zeitpunkt: Die Erkundung zusätzlicher Standorte macht
zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn. Sollte sich Gorleben
als nicht geeignet darstellen, haben wir auf jeden Fall die
Möglichkeit, relativ schnell auch andere Standorte zu erkunden.
Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, gehen
Sie auf der Zeitschiene 35 Jahre zurück: Nach der Ölkrise, Ende der 70er-Jahre, hatte die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt, SPD, auf den
Ausbau der Kernenergie gesetzt. Er wollte im Endeffekt
circa 50 Kernkraftwerke in Betrieb nehmen. Die Geschichte zeigt uns heute, dass nicht einmal die Hälfte davon gebaut wurde. Damals bestand die Sorge, dass der
Salzstock Gorleben alleine zu klein wäre, um die anfallenden radioaktiven Abfälle aufzunehmen. Aus diesem
entsorgungspolitischen Grund hatte damals Professor
Helmut Röthemeyer als verantwortlicher Wissenschaftler der PTB weitere Standorte diskutiert, allerdings niemals aufgrund sicherheitstechnischer Bedenken.
Es war die feste Leitlinie der damaligen christlich-liberalen Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, dass eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie immer im Gleichklang mit einer sicheren
Entsorgung der radioaktiven Abfälle stehen muss. Deswegen haben wir die Endlagerfrage auch zügig klären
wollen. Davor schon hatte die sozial-liberale Koalition
1976 mit der Vierten Novelle zum Atomgesetz den weiteren Ausbau der Kernenergie von den Fortschritten eines nuklearen Entsorgungs- und Endlagerungskonzepts
abhängig gemacht.
Ich sage das deshalb, weil ich gleich auf den springenden Punkt zu sprechen komme. 1996/1997, also
20 Jahre später, haben die Energieversorger die Entsorgungsvorsorge an den Nachweis der Zwischenlagerung
koppeln wollen. Wir haben das zu dem Zeitpunkt als
christlich-liberale Bundesregierung abgelehnt. Die Endlagerfrage sollte immer noch zügig gelöst werden. Die
Änderung der Entsorgungsvorsorge erfolgte erst mit
dem rot-grünen Atomausstiegsgesetz im Jahre 2002. Seit
dem Zeitpunkt ist der Vorsorgenachweis nicht mehr von
den Fortschritten bei der Endlagerung abhängig, sondern
nur noch von der Zwischenlagerung. Auch das gehört
zur Wahrheit; das muss an dieser Stelle einmal gesagt
werden.
({7})
Von Gorleben-Gegnern und auch von der Opposition
wird gebetsmühlenartig behauptet, dass der Salzstock
Gorleben wegen seines mangelhaften Deckgebirges niemals geeignet sein könnte. Von der PTB wurde die Eignungshöffigkeit trotz angeblicher Mängel im Deckgebirge bestätigt. Anders als die Opposition es darstellt, ist
die Gorlebener Rinne aus wissenschaftlichen Erwägungen heraus kein K.-o.-Kriterium für ein Endlager im
Salzstock. Ich zitiere den Zeugen Professor Röthemeyer,
({8})
der jahrzehntelang verantwortlicher Abteilungs- und
Fachbereichsleiter der PTB und später auch des BfS war.
({9})
Er hat am 10. Juli 2010 gesagt - ich zitiere -:
Die Gorlebener Rinne kann auch als natürliches
Langzeitexperiment bewertet werden. Die Natur hat
hier unter extremen Belastungen und dynamischen
Bedingungen das Isolationspotenzial des Salzstocks
auf seine Langzeitwirkung getestet, und das mit einem ganz eindeutigen Ergebnis. Trotz des vielfältigen geologischen Geschehens, welches im Verlauf
von über 200 Millionen Jahren im Deckgebirge und
an der Erdoberfläche stattgefunden hat, sind die
bisher im Salzstock untersuchten Gesteine in ihrem
mineralogischen und auch chemischen Stoffbestand
praktisch unverändert geblieben. Auch für die
Zukunft ist davon auszugehen, dass die über der
840-Meter-Sohle, die zurzeit aufgefahren ist, lagernden Steinsalzschichten noch für über 8 Millionen Jahre ihre Barrierenfunktion behalten werden.
Mit anderen Worten: Seit 250 Millionen Jahren ist dieser
Salzstock an der zu untersuchenden Stelle unverändert.
Der Salzstock wurde nicht willkürlich ausgewählt;
Frau Flachsbarth hat das bereits dargestellt. Die Entscheidung für den Salzstock Gorleben als vorläufigen
Erkundungsstandort für ein mögliches Endlager im Jahr
1977 ist nachvollziehbar, schrittweise und nach wissenschaftlich abgesicherten Kriterien erfolgt. Es gab das
Auswahlverfahren der KEWA, der KernbrennstoffWiederaufbereitungs-Gesellschaft, die im Auftrag des
Bundesforschungsministeriums gewirkt hat. Es gab das
unabhängige Verfahren des Interministeriellen Arbeitskreises aus Niedersachsen, des IMAK. Der IMAK ging
seinerzeit von 140 Salzstöcken aus. Auf der Grundlage
verschiedener Kriterien - Salzstockgröße, Teufenlage
usw. - wurden 14 Salzstöcke als möglicherweise geeignet identifiziert. Bei der Auswahl des Standorts wurden
dann Kriterien angelegt, die auf der Grundlage von Bewertungsdaten zur Ermittlung von Kernkraftwerksstandorten entwickelt worden waren. Der Salzstock Gorleben
war nach den damals anzulegenden Kriterien ein geeigneter Standort.
Zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Heute, über 30 Jahre
später, haben wir andere Maßstäbe; das ist klar. Die Bundesregierung hat aber für damalige Verhältnisse durchaus Maßstäbe in der Öffentlichkeitsarbeit gesetzt. Es gab
in den Jahren 1981, 1982 und 1983 drei große Informationsveranstaltungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Die Ergebnisse wurden in drei
Bänden mit dem Titel Entsorgung publiziert. Es gab eine
Gemeinsame Informationsstelle des Bundes und des
Landes Niedersachsen in Lüchow bzw. in Gatow. Von
der PTB wurden Vorträge von Wissenschaftlern in der
betroffenen Region organisiert und durchgeführt. Der
PTB-Zwischenbericht wurde veröffentlicht, und es gab
weitere, teilweise sehr detaillierte Veröffentlichungen
und Formate der PTB: PTB aktuell, PTB-Infoblatt und
Pressemitteilungen.
Frau Kollegin, das blinkende Licht ist kein Sympathiezeichen.
({0})
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Auch die
Gorleben-Kommission war eingebunden. Darin saßen
demokratisch legitimierte Kommunalpolitiker.
Wenn ich überhaupt einen Benefit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses feststellen kann, dann
liegt er darin, dass die Diskussion um Gorleben als Erkundungsstandort historisch aufgearbeitet wurde und
dargelegt wurde, dass die Wissenschaftler und Fachbeamten damals integer waren und sich nicht hätten manipulieren lassen.
Ich danke allen, die an der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses so fleißig mitgewirkt
haben.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächste Rednerin ist
für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau
Dorothée Menzner. Bitte schön, Frau Kollegin Dorothée
Menzner.
({0})
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, Regierungshandeln der Vergangenheit zu beleuchten und zu kontrollieren mit dem
Ziel, etwa gemachte Fehler in der Zukunft zu vermeiden.
Über weite Strecken unserer Arbeit musste man aber den
Eindruck gewinnen, dass die Koalition ihre Aufgabe
eher darin sah, Regierungshandeln der Vergangenheit
reinzuwaschen, zu rechtfertigen. Der Ermittlungswille
fehlte. Das setzte sich fort, nachdem die Regierung den
Entschluss fasste, ein neues Suchverfahren anzustreben.
Ich kann es nur als Missachtung der Arbeit unseres
Parlamentes und des Niedersächsischen Landtages verstehen, wenn die Ergebnisse unseres Untersuchungsausschusses sowie des Asse-Untersuchungsausschusses
nicht abgewartet und ausgewertet werden, um sie als
Fundament der Analyse zu nutzen, wie ein neues Verfahren ausgestaltet werden kann.
({0})
Im Abschlussbericht der Koalition steht keine Silbe
über mögliche Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit. Sie konnten offensichtlich keine Fehler entdecken.
Der Arbeit der Koalition merkte man an, was sie als ihren Auftrag begriffen hatte, nämlich herauszufinden,
dass es in Gorleben keine Fehler gab. Der Abschlussbericht der Koalition spiegelt wider, was aus den Aussagen der vielen ehemaligen Beamten hervorgeht,
({1})
deren Berufsleben darin bestand, Gorleben gegen alle
Bedenken als Standort durchzuboxen. Ich gestehe gerne
zu: Es fällt jedem schwer, auch Politikern, Beamten oder
Wissenschaftlern, lebenslange Überzeugungen, eigene
Arbeitsleistungen und eigenes Handeln mit ein bisschen
Abstand kritisch zu hinterfragen und die Überzeugungen
gegebenenfalls über Bord zu werfen. Aber dennoch:
Ausreichend ist das nicht.
Ich möchte einige Beispiele geben; einige hat die
Kollegin Vogt schon vorweggenommen. Im Koalitionsbericht heißt es, die Auswahlverfahren im Jahr 1977
seien „auch aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft und
fortschrittlich“ gewesen, sie seien „vollständig dem Primat der Sicherheit“ gefolgt. Schaut man sich einmal an,
was damals als „Primat der Sicherheit“ galt, sieht man,
dass die geringe Bevölkerungsdichte rund um Gorleben
gemeint war. Wenige betroffene Menschen im damaligen Zonenrandgebiet waren wohl das wichtigste Umweltkriterium, und für die Koalition - das finde ich erschreckend - gilt das auch aus heutiger Sicht immer
noch als fortschrittlich. Gorleben als heilige Kuh! Aber
geologische Eignung ergibt sich nicht durch mantramäßiges Wiederholen, und Bürgerbeteiligung und
Transparenz kann man auch nicht im Nachhinein herstellen.
({2})
Dass Gorleben 1977 Ergebnis eines Auswahlverfahrens des Bundes gewesen sein soll, ist eine oft wiederholte, aber dennoch falsche Behauptung. Eine derartige
Studie fanden wir in den 2 800 Akten nicht. Schließlich
stellte sich heraus, dass sich die Koalition mit ihrer
Behauptung, Gorleben sei Ergebnis eines Auswahlverfahrens, auf ein undatiertes Arbeitspapier ohne nachvollziehbare Herkunft stützte. Es hat zwar ein Auswahlverfahren gegeben, aber da kam nicht Gorleben heraus,
sondern drei andere Standorte, die dann aber wegen der
lokalen Gegenwehr der Bevölkerung, auch aus Reihen
der CDU-Mitgliedschaft, fallengelassen wurden.
Es gibt weitere Beispiele, die ich aus Zeitgründen leider nicht alle ausführen kann. Lassen Sie mich aber noch
etwas zu dem Bericht der Opposition sagen. Man kann
auf 650 Seiten nachlesen, was die Koalition nicht begreifen will: Über Jahrzehnte fehlte ein echtes Konzept für
die Lagerung des gefährlichsten Stoffes, den die Menschheit je hervorgebracht hat. Das ist eine Verantwortungslosigkeit, die ihresgleichen sucht. Gorleben war das Ergebnis von Männerbünden zwischen Regierungsstellen
und Atomindustrie, das Ergebnis von Kungelei und
Machbarkeitswahn. An Gorleben kann man studieren,
wie man es nicht macht.
({3})
Ich bedauere schon, dass wir uns mit SPD und Grünen auf den letzten Metern nicht auf eine Schlussfolgerung einigen konnten - 650 Seiten haben wir gemeinsam
geschafft -, die lauten muss: Gorleben muss raus aus einem neuen Verfahren.
({4})
Wir müssen aus Fehlern lernen. Aus Fehlern lernen
hieße, so schnell wie möglich aus der Atomkraft auszusteigen und nicht weitere neun Jahre Atommüll zu
produzieren. Aus Fehlern lernen hieße, den Zankapfel
Gorleben aus dem Verfahren zu nehmen; denn er ist geologisch ungeeignet und politisch verbrannt.
({5})
Aus Fehlern lernen hieße, keine Vorfestlegung auf
geologische Tiefenlagerung zu treffen, sondern vorab
die Rückholbarkeit der Abfälle oder auch die oberflächennahe Lagerung intensiv zu prüfen. Aus Fehlern lernen hieße, eine von der Industrie und sonstigen Interessen vollkommen unabhängige Forschung im Bereich des
Verbleibs von Atommüll zu gewährleisten.
({6})
Aus Fehlern lernen hieße, einen wirklichen Neuanfang zu machen, indem man Entscheidungswege neu
und transparent gestaltet, Bürgerbeteiligung von Beginn
an organisiert und einen ernstgemeinten, echten Konsens
anstrebt, ohne künstlichen Zeitdruck.
({7})
Aus Fehlern lernen hieße auch, die rund 34 Milliarden Euro Rückstellungen der Atomindustrie endlich in
einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen, damit
sie sicher sind vor Konkurs oder Werteverfall.
({8})
Fazit: Der Untersuchungsausschuss hat wichtige Arbeit geleistet. Alle relevanten Akten sind zusammengetragen und im Archiv des Bundestages auch zukünftig
einsehbar. Zeitzeugen und Handelnde haben protokolliert Stellung bezogen und konnten auch unbequemen
Fragen nicht ausweichen. Zusammenhänge, Querverbindungen, Abhängigkeiten und falsch verstandene Loyalitäten sind nun nachlesbar und transparent.
Das ist eine wichtige Grundlage und Vorarbeit für die
zukünftige Auseinandersetzung mit diesem Thema. Aber
aufgrund von Lebensüberzeugung und eigener Verstrickung so manch eines Abgeordneten, manch einer Fraktion oder Partei sind gemeinsame Schlussfolgerungen
- ich hoffe: noch - nicht möglich. Damit bleibt der Einfluss auf die Frage: „Wohin mit dem Atommüll?“, vorerst
leider gering, und eine Wiederholung alter Fehler droht.
Um das zu verändern, werden Parteien, Parlament,
Regierung, Ministerien, aber auch Aufgabenträger wie
das BfS oder die neu zu schaffende Endlagerbehörde die
Kompetenz, die Einmischung, den Druck und gegebenenfalls auch den Widerstand und den Protest von
Bürgerinnen und Bürgern und der Antiatombewegung
brauchen, und eines verspreche ich, werte Kolleginnen
und Kollegen: Das werden Sie auch bekommen.
Ich fordere die Menschen an dieser Stelle auf:
Schauen Sie weiterhin ganz genau hin, mischen Sie sich
ein und beteiligen Sie sich! Das atomare Erbe geht
- egal ob es uns gefällt oder nicht - uns alle an. Was ich
aus diesem Untersuchungsausschuss gelernt habe: Wir
dürfen es nicht wenigen überlassen.
Ich danke Ihnen.
({9})
Sylvia Kotting-Uhl hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Satz, den wir im Untersuchungsausschuss sicher am
häufigsten gehört haben, lautete: „Vor der Hacke ist es
duster.“ Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis heißt:
Graben bringt Durchblick. Also haben wir drei Jahre
lang gegraben, um uns Durchblick zu verschaffen. Dieser Durchblick mit dem Blick nach hinten war nicht verkehrt, Herr Grindel; denn es stimmt eben nicht, wie sie
so schön gesagt haben, dass dieser Untersuchungsausschuss der teuerste, überflüssigste und längste in der Ge30766
schichte gewesen sei. Vielleicht war er der teuerste und
der längste. Das kann ich nicht beurteilen; denn ich bin
keine Dauer-Parlamentarierin. Der überflüssigste war er
ganz sicher nicht.
({0})
Es ist kein Zufall, dass es so gut geglückt ist, jetzt ein
Endlagersuchegesetz - inzwischen heißt es „Standortauswahlgesetz“ - mit einem breiten Konsens auf den
Weg zu bringen. Als Baden-Württembergerin sage ich:
Die Regierungsübernahme in Baden-Württemberg und
die Bereitschaft allein hätten wahrscheinlich nicht gereicht. Dazu brauchte es noch das Puzzlesteinchen „Untersuchungsausschuss Gorleben“. Das gemeinsam hat
dazu geführt.
({1})
Was ist die Lehre aus Gorleben? Schauen wir noch einmal zurück: Was waren die Dinge, die aus heutiger Sicht
mindestens nicht gut gelaufen sind? Für die bisherigen
- das gilt bis heute - Standortsuche- und -erkundungsverfahren gab es keine Regelung über den Verfahrensablauf.
Die Entscheidungsträger passten Standortsuche und
Standorterkundung den jeweiligen politischen, rechtlichen und finanziellen Gegebenheiten an. Sie waren nicht
das Ergebnis einer planvollen, vorausschauenden Vorgehensweise. Mehrere Fälle von Einflussnahme konnten
nachgewiesen werden.
({2})
Die zentralen Entscheidungen der bisherigen Endlagersuche und -erkundung sind unter Ausschluss der
Öffentlichkeit getroffen worden. Da immer noch bestritten wird - auch Frau Brunkhorst hat das gerade noch
einmal getan -, dass es Einflussnahme gab, will ich das
Beispiel von 1983 noch einmal mit einem Zitat beleuchten. Bereits zum Zeitpunkt der Vorauswahl und Auswahl
des Standortes Gorleben wäre nämlich nach damaligem
Stand von Wissenschaft und Technik eine Alternativenprüfung notwendig gewesen. Bereits damals hätten Auswahl und Erkundung in einem atomrechtlichen Verfahren stattfinden müssen. Aus politischen Gründen sind
diese wissenschaftlichen und technischen Anforderungen nicht eingehalten worden. Die Einflussnahme auf
den Bericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
im Jahr 1983 ist nur ein - allerdings sehr wichtiger Vorgang in dieser Prozesslogik.
Die Empfehlung dieses Berichtes war ursprünglich,
Frau Brunkhorst, zusätzlich Alternativen - das heißt
weitere Standorte - zu erkunden. Diese Empfehlung
musste gestrichen werden. Herr Röthemeyer, der am
1. Juli 2010 als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt hat, sagte - jetzt kommt das wörtliche Zitat -:
„Ja, man musste das als Weisung der Bundesregierung
verstehen.“ - Was brauchen Sie denn noch? Ich verstehe
das nicht. Das ist doch eine Verleugnung der Geschichte,
wenn Sie sich heute hinstellen und sagen: Es gab keine
Einflussnahme, es gab keine Manipulation. - Selbstverständlich gab es Einflussnahmen.
({3})
Das war aus damaliger Sicht der Bundesregierung vielleicht sogar verständlich. Man kann Ihnen aber wahrscheinlich zehnmal schriftlich das vorhalten, was von
den damals betroffenen Menschen gesagt wurde: Sie
werden dann immer noch Nein sagen, genauso wie Sie
sagen, das sei der überflüssigste Untersuchungsausschuss der Geschichte gewesen.
Des Weiteren kommen Sie in Ihrem Koalitionsabschlussbericht zu der unglaublichen Erkenntnis, die
Suche sei sogar aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft
und fortschrittlich gewesen. Das ist - ich muss Ihnen das
sagen - eine weitere Verhöhnung der Menschen im
Wendland. Genau diese Dinge führen zu Politikverdrossenheit.
({4})
Das haben Sie sich wegen solcher Äußerungen vorzuwerfen.
Die Lehren aus Gorleben sind klar. Wir brauchen für
eine erneute erfolgreiche Suche - überhaupt einmal eine
Suche - den Maßstab absoluter Orientierung an Sicherheitskriterien. Ein Vergleich ist nötig; denn Sicherheit
für 1 Million Jahre lässt sich aus heutiger Sicht schwer
definieren. Das heißt, wir brauchen den Vergleich, weil
wir das im Vergleich Sicherste suchen müssen. Wir brauchen Transparenz und Partizipation. Am Wochenende
haben wir gelernt, dass wir alle noch viel zu lernen haben, wie ein Beteiligungsangebot aussehen muss, damit
es angenommen wird. Lernen müssen aber auch diejenigen, die dieses Angebot annehmen sollen, die es eigentlich auch annehmen wollen. Die Zivilgesellschaft insgesamt hat da noch einiges vor sich. Deshalb finde ich es
gut, dass eine Kommission eingerichtet werden soll, in
der Vertreter der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und
der Politik, die anschließend die Verantwortung für die
Entscheidung trägt, gemeinsam Entscheidungen in dieser wichtigen Frage auf den Weg bringen wollen.
Ja, die Zeiten haben sich geändert. Wir brauchen
heute eine andere Form der Bürgerbeteiligung. Aber
Bergrecht anstelle des Atomrechts im Gorleben-Verfahren einzusetzen, nur um sich eine Bürgerbeteiligung zu
ersparen, diese Entscheidung war auch schon damals
nicht ganz auf der Höhe der Zeit.
({5})
Weil die eigentlichen Kampfredner erst nach mir
sprechen und, wie ich vermute, zumindest Herr Paul
gleich sagen wird, dass die Eignungshöffigkeit schon
von Rot-Grün festgestellt wurde
({6})
- richtig, wusste ich es doch -, möchte ich, um Ihnen
gleich den Vorwurf zu ersparen, dass Sie wieder nur die
Hälfte zitieren, vollständig aus dem damaligen Vertrag
zitieren, der - auch das darf man nicht vergessen - eine
erste Kehrtwende, eine erste Lehre aus Tschernobyl bedeutete. Auch damals hat man einen Konsens gesucht,
also auch Zugeständnisse machen müssen. Das Zugeständnis war aber nicht: Gorleben ist eignungshöffig. ({7})
Das Zugeständnis war: Die Eignungshöffigkeit ist nicht
widerlegt. ({8})
Mindestens die Juristen müssten diesen feinen, aber
wichtigen Unterschied erkennen können.
({9})
Liebe Frau Menzner, zum Abschluss zu Ihnen. Ihrer
Meinung nach lautet die Lehre aus dem Gorleben-Untersuchungsausschuss: Gorleben darf nicht im Verfahren
bleiben. - Ich glaube, dass das eine falsche Schlussfolgerung ist. Die erste Lehre ist: Wir müssen entscheiden,
welches Verfahren. Man hat sich nie für ein klares Verfahren entschieden. Aber man hat gesagt: Wir suchen einen Standort aus. Unterwegs legen wir Kriterien fest. Erfüllt der Standort die Kriterien, dann ist es gut, dann ist
er geeignet. - So geht das nicht, und zwar aus vielen
Gründen; das haben wir gelernt. Die Alternative dazu ist
der Vergleich. Man kann aber nicht beide Verfahren vermischen. Entweder ich entscheide, dieser Standort ist geeignet oder eben nicht geeignet,
({10})
oder ich vergleiche alle Standorte und einige fallen im
Zuge des Vergleichs aus dem Verfahren. Ich warne
davor, das klare Verfahren des Vergleichs mit Vorentscheidungen, das ist geeignet, und das ist nicht geeignet,
zu durchmischen und damit das alte Gorleben-Verfahren
durch die Hintertür wieder hereinzuholen. Das würde
den ganzen Prozess konterkarieren.
({11})
Obwohl ich weiß, dass man mich im Wendland dafür
nicht küssen wird - im Gegenteil -, sage ich: Ich glaube
nicht, dass es im Interesse der Sache und der Menschen
im Wendland ist, wenn wir diese unsägliche, politisch
dominierte, von Willkür und nichtwissenschaftlichen
Entscheidungen geprägte Gorleben-Geschichte dadurch
abschließen, dass wir in gewisser Weise wieder einen
politisch gewollten, willkürlichen Beschluss fällen, sondern diese letzte Entscheidung muss wissenschaftlich
begründet fallen.
({12})
Der Kollege Reinhard Grindel hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn das, was im Minderheitenbericht steht, und wenn
das, was Frau Kotting-Uhl und Frau Menzner hier gesagt
haben, richtig wäre, dann hätten sich die Zeitungen bei
der Berichterstattung über unseren Ausschuss doch überschlagen müssen, dann hätten wir uns dort vor Kamerateams gar nicht retten können. Das wäre in der Tat eine
Sensation, die auf das geplante Standortauswahlgesetz
durchschlagen würde. Jeder, der uns zuschaut und sich
fragt, warum die einen das so und die anderen das so sagen, der sollte einmal bei Google News in die Pressearchive schauen. Zum einen wird er ganz wenige Artikel
finden,
({0})
und zum anderen wird er lauter Artikel finden, in denen
steht: „Bei diesem Untersuchungsausschuss ist nichts
Neues herausgekommen“, weil es die Skandale und Unzulänglichkeiten, von denen Sie sprechen, nicht gegeben
hat.
({1})
Herr Trittin geht jetzt gerade, weil er ahnt, was
kommt; aber das ist in Ordnung. Sie haben die sogenannte Anlage 4 zum Atomausstiegsvertrag angesprochen. Ich will das Zitat einmal bringen - Sie haben es ja
angekündigt -:
Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes
wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher
gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben … nicht
entgegen.
Das ist das Zitat. Nichts anderes sagen wir.
Ob Gorleben geeignet ist oder nicht, kann niemand
sagen. Wir sind ja mit der Erkundung nicht am Ende. In
der Tat: Vor der Hacke ist es duster. Aber der entscheidende politische Fakt, an dem Sie nicht vorbeikommen
- ich weiß, dass Ideologen Menschen sind, die sich auch
von Tatsachen nicht beirren lassen; aber ich will es einmal probieren -,
({2})
ist, dass im Jahre 2000 Rot-Grün, Gerhard Schröder und
Jürgen Trittin, zu dem, was bis dahin an Erkundung gelaufen ist, gesagt haben: Diesem Urteil zur Eignungshöffigkeit steht nichts entgegen. - Dazu muss ich Ihnen
ganz klar sagen: Wenn selbst Rot-Grün im Jahr 2000
sagt, Gorleben ist eignungshöffig,
({3})
dann kann ja wohl die Entscheidung 1977, dort zu erkunden, nicht falsch gewesen sein. Dann kann auch die
Entscheidung 1983, in die untertägige Erkundung einzusteigen, nicht offensichtlich falsch gewesen sein.
Die Wahrheit ist:
({4})
Sie wollten mit dem Untersuchungsausschuss aus rein
parteitaktischen Gesichtspunkten das Thema Kernenergie am Kochen halten. Dieser taktische Beweggrund
hatte sich dann mit dem Reaktorunglück von Fukushima
erübrigt. Die Wahrheit ist: Sie haben das Untersuchungsausschussrecht missbraucht, nichts anderes.
({5})
- Es ist in der Tat ungeheuerlich, dass man so etwas
macht, Frau Kollegin Steiner. Da stimme ich Ihnen zu.
Es war von vornherein klar, dass es ein Ausschuss
sein würde, in dem nichts Skandalöses oder Neues zutage gefördert wird. Denn - diesen für einen Untersuchungsausschuss ungewöhnlichen Umstand muss man
unseren Zuhörern und auch dem einen oder anderen Kollegen in Erinnerung rufen - alle Akten, die wir untersucht haben, waren elf Jahre lang im Besitz weiter Teile
der heutigen Opposition, nämlich sieben Jahre im Besitz
des Umweltministers Trittin und vier Jahre im Besitz des
Umweltministers Gabriel. Wenn in diesen Akten etwas
Skandalöses gewesen wäre, hätte Herr Gabriel das spätestens im Wahlkampf 2009 ausgeschlachtet.
({6})
Stattdessen hat er im Wahlkampf die Behauptung
aufgestellt - das war der eigentliche Anlass für den Untersuchungsausschuss -, dass eine gutachterliche Stellungnahme der früheren Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zur Eignung des Salzstocks Gorleben - nicht
zu irgendeiner Art von Auswahlverfahren, sondern zur
Eignung des Salzstocks Gorleben - im Jahre 1983 von
der damaligen Bundesregierung manipuliert worden ist.
Dazu haben wir in der Tat Aussagen. Professor
Röthemeyer, den auch Frau Kotting-Uhl schon erwähnt
hat, hat gesagt:
Ich möchte noch mal betonen, dass es in diesen
Punkten nicht ein Fitzelchen einer Beeinflussung
gegeben hat, wirklich nicht.
Und:
Nochmals: … keine politische Vorgabe im fachlichen, sicherheitsmäßigen Bereich.
Sein Chef, Professor Kind, hat gesagt:
Da ist eine solche Kompetenz vorhanden,
- in der PTB da würde das Ministerium bei einem Versuch, uns
da zu beeinflussen, glaube ich, keine Chancen gehabt haben.
Der spätere Vizepräsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Henning Rösel, hat gesagt:
Ich kann mich nicht … erinnern, dass ich mich zu
irgendeinem Zeitpunkt einer fachlich abweichenden Weisung einer vorgesetzten Behörde hätte beugen müssen.
Damit es klar ist: Es hat keine Beeinflussung der fachlichen Aussagen zur Eignung des Salzstocks Gorleben gegeben. Das ist erwiesen.
({7})
Ich finde es problematisch, dass die Kollegen der Opposition über drei Jahre hinweg durch eine Vielzahl unhaltbarer Behauptungen immer wieder versucht haben,
den Menschen Angst zu machen und den eindeutig
wahrheitswidrigen Eindruck zu erwecken, als ob bei diesem sensiblen Thema die jeweils zuständigen Bundesregierungen nicht nach dem Motto „Sicherheit zuerst“ vorgegangen sind. Das ist unverantwortlich. Deswegen sage
ich, Frau Kotting-Uhl: Es wird in der Tat Zeit, dass bei
diesem Endlagersuchverfahren jetzt wieder die Geologen und nicht die Ideologen die Oberhand gewinnen.
({8})
Ich habe am Ende der Debatte vor über drei Jahren
gesagt:
Ich habe große Zweifel, dass wir, wenn wir spätabends im Untersuchungsausschuss sitzen, die Besuchertribüne schon lange leer sein wird und die
Pförtner und vielleicht auch wir gegen die Müdigkeit ankämpfen,
({9})
Neues oder gar Skandalöses über Gorleben herausfinden werden. Aber dass Herr Gabriel im Wahlkampf ein unglaublicher Dampfplauderer war, werden wir dann in den Akten haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können sagen,
was Sie wollen: Mit der Aussage zur Besuchertribüne
habe ich recht gehabt. Auch damit, dass wir nichts Neues
herausgefunden haben, habe ich recht gehabt. Damit,
dass wir Herrn Gabriel jetzt als Dampfplauderer in den
Akten haben, habe ich ganz besonders recht gehabt.
Herzlichen Dank.
({10})
Kirsten Lühmann hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Verehrte Zuhörende! Ich wohne in der Region
Gorleben.
({0})
Die Menschen dort trauen mittlerweile keinem Politiker
und keiner Politikerin mehr, weil sie sich seit etwa
30 Jahren getäuscht und bewusst fehlinformiert fühlen.
({1})
Das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses hat gezeigt: Die Menschen dort haben recht.
Herr Grindel, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einer
Meinung: Dieser Untersuchungsausschuss hat keine
neuen Erkenntnisse gebracht. Die Erkenntnisse waren
alle da. Nur, sie wurden von Ihnen immer wieder bestritten. In diesem Untersuchungsausschuss haben wir endlich Dokumente und klare Zeugenaussagen dafür gefunden, dass unsere Aussagen zu dem Thema Gorleben, wie
es dazu kam und dass das eine politische Entscheidung
war, richtig waren. Die Dokumente sind jetzt öffentlich,
und die Öffentlichkeit kann sie einsehen. Das ist das
Neue und das Gute dieses Untersuchungsausschusses.
({2})
All dies wäre ohne den mutigen Widerstand der
Wendländer und Wendländerinnen nicht möglich gewesen. Ohne diesen Widerstand hätten wir jetzt nämlich
vermutlich ein Endlager in Gorleben, und vermutlich
wäre dieses Endlager nicht nach dem heutigen Stand der
Technik und Wissenschaft gebaut worden.
({3})
Die Erkundungsarbeiten in Gorleben sind gestoppt. Das
ist gut; das fordern wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen schon seit langem. Wir waren auch dagegen, dass durch eine Erkundung nur im Wendland immer
mehr Fakten pro Standort Gorleben geschaffen werden.
Worum ging es in diesem Gorleben-Ausschuss? Unter
anderem um die Fragen: Wieso wurde der Empfehlung
von Experten, mehrere Standorte zu erkunden, um dann
den besten zu nehmen, nicht entsprochen? Wie wurde
Gorleben, das es in einer wissenschaftlichen Auswahlstudie noch nicht einmal unter die zehn besten Standorte
geschafft hat, plötzlich zum einzig möglichen Standort?
Warum wurden Kriterien, die von Anfang an als unabdingbar für ein sicheres Endlager galten, plötzlich unwichtig, nur weil der Standort Gorleben sie nicht erfüllt
hat?
Gorleben ist nicht aus wissenschaftlichen Gründen als
Atommüllendlager ausgewählt worden, sondern aus
strategischen Gründen der damaligen CDU-geführten
Landesregierung Albrecht. Es war der niedersächsische
Wirtschaftsminister Walther Leisler Kiep, der diesen
Standort aus politischem Kalkül präsentierte. Um der
drohenden Debatte in der Region ein schnelles Ende zu
bereiten, wurde der Standort dann als, die Kanzlerin
würde heute sagen: alternativlos erklärt. Der damalige
Ministerpräsident brachte es auf den Punkt: entweder
Gorleben oder gar kein Standort in Niedersachsen.
Meine Herren und Damen, das ist Populismus pur. Das
wird der Ernsthaftigkeit des Themas in keiner Weise gerecht.
({4})
Die erhoffte Debatte war eben nicht zu Ende. Vielmehr hat diese CDU-Entscheidung den Anfang für eine
Bürgerbewegung im besten Sinne gemacht, in der sich
der erbitterte Widerstand in der Region manifestierte.
Diese Bürgerbewegung, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist bis heute lebendig. Ein Grund dafür ist: Seit fast
40 Jahren wurden sämtliche Entscheidungen zu dem
Thema Gorleben weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen, und das war ein Fehler.
Es gab später noch Versuche, das Verfahren wieder in
ordentliche Bahnen zu lenken, so im Jahre 1983 mit dem
Vorschlag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt,
doch nach Alternativen zu suchen. Doch die damalige
Kohl-Regierung hat das mit einem Federstrich weggewischt. Gleich mehrere Zeugen haben von einer „Weisung aus Bonn“ gesprochen. Das widerspricht der Aussage der CDU, dass sie an einer wissenschaftlich
fundierten Endlagersuche interessiert war. Das war sie
nicht.
Ende der 90er-Jahre hat die damalige Umweltministerin Angela Merkel gegen den Rat von Fachleuten die
Weitererkundung von Gorleben angeordnet. Kritische
Stimmen wurden durch eine Umorganisation innerhalb
einer Behörde einfach kaltgestellt, ein unglaublicher
Vorgang.
({5})
Die CDU-Methode „Augen zu und durch“ funktioniert heute glücklicherweise nicht mehr, dank der harten
parlamentarischen Aufklärungsarbeit sowohl in Gorleben als auch in der Asse. Ich möchte hier stellvertretend
für all die Bürger und Bürgerinnen, die sich dafür eingesetzt haben, Marianne Fritzen und Andreas Graf von
Bernstorff danken. Beide waren auch als Zeugen unseres
Untersuchungsausschusses geladen. Ich muss allerdings
sagen: Wie einige von Ihnen, meine Herren aus den Regierungsfraktionen, mit diesen beiden Menschen, die
sich seit Jahrzehnten für ihre Rechte und die Rechte ihrer
Region einsetzen, umgegangen sind, das steht auf einem
anderen Blatt. Ich bezeichne so etwas als unanständig.
({6})
Der gesellschaftspolitische Druck ist in den letzten
Jahren durch die Katastrophe von Fukushima immens
gewachsen. Wir alle merken, wie schwer es der CDU/
CSU und der FDP fällt, umzuschwenken. Ein Beleg dafür ist der Erkundungsstopp, den die schwarz-gelbe Bundesregierung im letzten November mitten im niedersächsischen Wahlkampf ausrief. Sie hat versucht, in dieser
Frage der Mehrheitsmeinung zu folgen. Das Wahlergebnis zeigt deutlich: Dieses Manöver war unglaubwürdig;
so einfach kann man uns Niedersachsen nicht täuschen.
({7})
Mit Blick auf das Ergebnis im Ausschuss muss ich sagen: Die Legende zu Gorleben, die CDU/CSU und FDP
aufgebaut haben, ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Aus diesem Dilemma führt nur ein Weg: Bleiben
Sie auf dem Weg, den Ihr Umweltminister, Herr
Altmaier, eingeschlagen hat, auf dem Kompromissweg!
Wir haben jetzt noch eine letzte Chance, etwas grundlegend zu korrigieren. Mir ist bewusst: Das geht nicht von
heute auf morgen. Das hat Stephan Weil, der niedersächsische Ministerpräsident, im April auch hier in diesem
Haus gesagt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten,
eine wissenschaftlich fundierte, transparente Endlagersuche auf den Weg zu bringen! Damit könnten wir auch
wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit in die Atompolitik
bringen. Ich denke, das lohnt sich.
Herzlichen Dank.
({8})
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Paul für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Um kein anderes Projekt der deutschen Nachkriegsgeschichte ranken sich so viele Mythen und Legenden wie um das Projekt Gorleben. Das Gute am Untersuchungsausschuss war sicherlich, dass wir diese
Mythen und Legenden ein Stück weit zur Seite schieben
und einen Blick auf die Fakten werfen konnten.
Eine Legende - Frau Vogt hat sie heute wieder zum
Besten gegeben - ist, dass Mitte der 90er-Jahre die Bundesregierung unter Helmut Kohl mit der verantwortlichen Umweltministerin Angela Merkel gemeinsam mit
der Energiewirtschaft an einer Billiglösung für die nukleare Entsorgung gearbeitet haben solle.
({0})
Tatsache - das kann man den Akten entnehmen, und das
haben auch die Zeugen gesagt - ist, dass es in den 90erJahren einen ganz harten Interessengegensatz gab zwischen Energiewirtschaft und SPD auf der einen Seite
und CDU/CSU-geführter Bundesregierung auf der anderen Seite.
({1})
Die Energiewirtschaft wollte die Erkundung in Gorleben
am liebsten unterbrechen, um Geld zu sparen, während
die verantwortliche Umweltministerin im Interesse der
Sicherung der nuklearen Entsorgung an einer zügigen
Erkundung festgehalten hat. Unter dem Strich hat sich
die Umweltministerin durchgesetzt: Am 13. Januar 1997
haben die Vorstände der Energieversorger einer weiteren
zügigen Erkundung Gorlebens zugestimmt. Man kann
also überhaupt nicht sagen, dass Industrie und Bundesregierung an dieser Stelle sozusagen Hand in Hand gegangen wären.
({2})
Eine zweite Legende - auch diese Legende wurde
von Frau Vogt hier vorgetragen - besagt, dass in der Zeit
von Umweltministerin Angela Merkel aus politischen
Gründen Einfluss genommen worden sei in der Frage,
ob man den Salzstock Gorleben parallel erkundet oder
zunächst den Nordosten und dann den Südwesten. Für
eine gestufte Vorgehensweise gab es sicherlich gute
Gründe. Ich nenne drei:
Erstens. Seit den 70er-Jahren, als Gorleben ausgewählt wurde, hatte sich die Lage grundlegend verändert:
Helmut Schmidt - er wurde genannt - bzw. seine sozialliberale Koalition wollte nach der Ölkrise 50 Kernkraftwerke in Deutschland bauen. Mitte der 90er-Jahre war
klar, weniger als die Hälfte würde ans Netz gehen. Das
hieß aber auch, weniger als die Hälfte der Abfälle würde
anfallen. Das hieß auch, ein Endlager muss demnach nur
halb so groß sein, wie ursprünglich angenommen. Deshalb machte es natürlich Sinn, zunächst die eine Hälfte
und dann die andere Hälfte des Salzstocks zu erkunden.
Rechtlich war es auch so: Die zuständigen Behörden in
Niedersachsen haben ganz klar gesagt: Die Salzrechtsinhaber im Südwesten können erst dann enteignet werden,
wenn feststeht, dass der Nordosten als Endlager nicht
ausreicht. Also musste man doch schon allein um der
Rechtssicherheit willen so vorgehen, dass man zunächst
den Nordosten erkundet, bevor man den Südwesten erkundet.
Schließlich haben die Fachleute immer davor gewarnt, Hohlräume unter Tage aufzufahren, die am Ende
gar nicht benötigt werden. Auch diese Hohlraumminimierung sprach dafür, gestuft vorzugehen.
({3})
Frau Merkel fand im Übrigen diese Entscheidung vor.
Schon am 26. Juli 1993 hat das Bundesamt für Strahlenschutz dem damaligen Umweltminister Klaus Töpfer ein
gestuftes Vorgehen vorgeschlagen. Mitnichten kann man
sagen, Frau Merkel habe diese Entscheidung provoziert,
noch weniger, es habe politische Gründe gegeben. Es
waren rein fachlich-wissenschaftliche Gründe, die für
ein solch gestuftes Vorgehen gesprochen haben.
({4})
Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Bei allen
Punkten hat sich in den letzten Jahren letztlich gezeigt:
Die Vorwürfe und Verdächtigungen der Opposition sind
haltlos. Heiße Luft wurde produziert. Die Legenden entsprachen nicht den Fakten.
Selbst die Hauptthese, die von der Opposition immer
wieder, auch heute, vorgetragen wird, nämlich dass
Zweifel an der Eignung Gorlebens bestünden, ist widerlegt. Solche Zweifel finden sich weder in der Erklärung
der rot-grünen Bundesregierung von 2000 - ich erspare
es Ihnen nicht, das zu zitieren -, in der genau dargelegt
wurde, dass es keine Zweifel an der Eignungshöffigkeit
gibt, noch haben die Zeugen - ({5})
Wir haben 50 Zeugen und Sachverständige gehört. Praktisch keiner davon hat Zweifel an der Eignung geäußert.
47 von 50 Zeugen und Sachverständigen haben keine
Zweifel geäußert.
({6})
Ihr Kronzeuge, Professor Röthemeyer, hat in seiner Vernehmung gesagt - hier zitiere ich wörtlich -, dass wir
„Gorleben heute mehr als eignungshöffig zum Quadrat
nennen können“. Das hat Ihr Kronzeuge hier zu Protokoll gegeben. Deshalb ist es vollkommen richtig - dafür
danke ich Peter Altmaier auch noch einmal ganz herzlich -,
dass wir im weiteren Endlagersuchverfahren Gorleben
im Topf lassen. Alles andere würde den Fakten nicht gerecht werden.
Vielen Dank.
({7})
Eckhard Pols hat jetzt das Wort für die CDU/CSUFraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt ist
Frau Lühmann weg, oder?
({0})
- Ja, gut, aber sie ist nicht da. - An Frau Lühmann kann
man sehen, dass es die Opposition mit der Wahrheit
wirklich nicht sehr genau nimmt. Wenn sie behauptet,
sie käme aus der Region, dann müssen wir wirklich lachen.
({1})
Frau Lühmann wohnt mindestens 170 Kilometer weit
entfernt vor den Toren Hannovers. Das kann man nicht
mehr als „aus der Region“ bezeichnen.
({2})
- Je mehr Sie schreien, umso mehr merke ich, dass ich in
der Sache recht habe.
({3})
Nun zum Thema: Wir haben uns drei Jahre im Ausschuss durch Tausende von Aktenvermerken und Gesprächsnotizen gearbeitet und - wir haben es schon gehört - eine Vielzahl von Sachverständigen und Zeugen
angehört. Aber was ist dabei herausgekommen, meine
Damen und Herren? Es ist gar nichts dabei herausgekommen.
Nichts hat sich bewahrheitet von den Anschuldigungen des Kollegen Gabriel, den ich heute übrigens hier
vermisse. Ich wundere mich, dass er nicht da ist. Wenn
ihm dieser Ausschuss damals so wichtig war, müsste er
auch hier sein.
({4})
Er hat wohl schon gleich gesehen, dass dieser Untersuchungsausschuss eigentlich eine Farce war und nur politisch motiviert war, wie der Kollege Grindel bereits gesagt hat.
({5})
Wir haben in diesen drei Jahren Arbeit nichts herausgefunden, was der interessierte Bürger nicht schon
wusste.
({6})
- Vielleicht im Detail schon.
Weil Frau Lühmann den Zeugen von Bernstorff angesprochen hat, möchte ich gerne etwas dazu sagen.
({7})
- Hören Sie zu; dann können Sie weiterreden. - Herr
von Bernstorff ist ein vehementer Kritiker dieser ganzen
Sache, der aber als Grundbesitzer über Jahrzehnte sein
Land als Ausgleichsflächen an den Bund verpachtet,
({8})
damit das Erkundungsbergwerk überhaupt betrieben
werden kann, der sich neben Fischereirechten auch Jagdrechte und sogar einzelne Bäume bezahlen lässt ({9})
er erhält dafür eine nicht unbeträchtliche Summe, wie
der Ausschuss gut herausgearbeitet hat -, und das schon
seit über 30 Jahren. Ein besseres Beispiel für Doppelzüngigkeit kann man hier wirklich nicht finden.
({10})
Wir haben wirklich keinen Hinweis auf irgendwelche
Einflussnahmen der Politik oder manipulierte Gutachten
gefunden. Ich möchte nur einige Punkte kurz anreißen,
weil meine Redezeit sehr knapp ist, bei denen Sachverständige oder Zeugen unser Wissen bestätigt haben wobei, vorweg gesagt, viele Sachverständige und Zeugen überhaupt nicht verstehen können, warum man diesen Salzstock nicht längst zu Ende erkundet hat.
Wir haben schon gehört, dass es der ehemalige Bundeskanzler Schmidt war, der ja 50 Kernkraftwerke in
Deutschland bauen wollte, der dem damals noch ganz
frisch im Amt befindlichen Ministerpräsidenten Ernst
Albrecht - das war 1976/77 - abrang, das Versprechen
seines Vorgängers Alfred Kubel, SPD, zu erfüllen, nun
doch endlich einen Standort in Niedersachsen zu benennen. Dass Gorleben schon 1976 neben vier anderen
möglichen Standorten wissenschaftlich betrachtet
wurde, ist auch von der vom Bund beauftragten KEWA
und dem IMAK, dem Interministeriellen Arbeitskreis
des Landes Niedersachsen, herausgearbeitet worden.
Den Ausschlag gegeben, weswegen Gorleben ausgewählt wurde, hatte unter anderem die Größe des Salzstockes von 40 Quadratkilometern und seine Ausmaße von
14 Kilometern Länge, von bis zu 4 Kilometern Breite
und von 300 Metern bis 3 500 Metern Tiefe, außerdem
auch die Tatsache, dass er über 250 Jahre jungfräulich
blieb, also unverritzt.
({11})
- Ich habe auch nicht gesagt, dass er an der Elbe aufhört.
Ich habe gesagt, er ist 14 Kilometer lang. Hören Sie
doch genau zu, was ich sage, bevor Sie dazwischenrufen.
Immer wieder bestritten wird ja auch, dass es eine Öffentlichkeitsarbeit gab. Sie gab es aber.
Es gab ab Oktober 1977 die Gorleben-Kommission,
ein Gremium aus Vertretern der im Kreistag vertretenen
Parteien und Vertretern der Gemeinden sowie auch von
Land und Bund. Die gorlebenkritische Kreistagsmehrheit hat dieses gut arbeitende Gremium 1991 einfach so
aufgelöst.
Es gab eine Informationsstelle von Land und Bund in
Lüchow, deren Mitarbeiter zum Beispiel mit Schulklassen, Landfrauen und Theologen diskutierten und
versuchten, Spannungen zwischen Kritikern und Befürwortern abzubauen. Die Mitarbeiter dieser Informationsstelle nahmen ihre Tätigkeit mit viel Sachlichkeit in der
Diskussion wahr.
Es gab das Gorleben-Hearing und eine weitere Anzahl von Informationsveranstaltungen mit Bürgern und
für Bürger in der Region; Frau Brunkhorst hat das angesprochen.
Zur damaligen Zeit war das umfassend und wegweisend. Aus heutiger Sicht hätte man sicherlich vieles anders und vielleicht auch besser machen können. Das
wird mit dem neuen Standortauswahlgesetz auch geschehen; eine umfassende Bürgerbeteiligung wird sichergestellt.
Frau Voß, ich komme nun zu Ihnen. Ein angeblicher
K.-o.-Punkt war laut Opposition das gewaltige Gasvorkommen neben, über und unter. Das, was Sie uns da alles erzählt haben, was Sie alles konstruiert haben, hat
sich als unseriös herausgestellt. Sie sind damit völlig in
eine Sackgasse gelaufen.
({12})
Dass Kohlenwasserstoffe in Verbindung mit Salz vorkommen, Frau Voß, das ist bekannt. Aber hätte es diese
in dieser gewaltigen Menge gegeben, wie Sie uns immer
wieder weismachen wollten - daran sind Sie letztendlich
auch gescheitert -, dann wäre diese Menge Gas spätestens in den 20er- oder 30er-Jahren ausgebeutet worden.
All dies sind Wahrheiten, die der Ausschuss herausgearbeitet hat, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade
von der Opposition, die Sie einfach nicht zur Kenntnis
nehmen wollen.
({13})
Dies sollten Sie für eine offene Endlagersuche wirklich
tun, für Gorleben und - das wurde angesprochen - vor
allen Dingen für die Menschen in der Region und für die
Mitarbeiter, die dort arbeiten; denn mit Ihren wiederholten Äußerungen über Manipulation, Vertuschung und
Täuschung greifen Sie auch die Mitarbeiter in dem Erkundungsbergwerk, die Geologen, die dort arbeiten, an.
So kann man nicht mit Menschen umgehen.
Vielen Dank.
({14})
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Kollegin Ute Vogt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Pols,
Sie haben eben in einer aus meiner Sicht ehrenrührigen
Art und Weise die Familie des Grafen von Bernstorff
und ihn selbst beschrieben.
({0})
Ich will zur Richtigstellung darauf hinweisen, dass
Sie versäumt haben, zu erwähnen, dass der heutige
Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Herr
Hennenhöfer, damals mit dem Grafen von Bernstorff
Verhandlungen geführt hat und dass die damalige Bundesregierung bereit gewesen wäre, dem Grafen sehr viel
Geld dafür zu bezahlen, damit er seine Salzrechte verkauft.
({1})
Er hat eben gerade nicht darauf spekuliert, möglichst
viel Geld zu verdienen,
({2})
sondern er hat aufrichtig seiner Überzeugung folgend alles getan, um von der Region, dem Wendland, Atommüll
fernzuhalten, und hat für ein anständiges, faires und vor
allem wissenschaftlich fundiertes Verfahren gekämpft.
({3})
Herr Pols bitte zur Antwort.
Ja, Frau Vogt, auch das hat der Untersuchungsausschuss herausgearbeitet, aber der Untersuchungsausschuss hat auch das herausgearbeitet, was ich gesagt
habe, dass nämlich die Familie des Grafen von
Bernstorff bzw. Herr Andreas Graf von Bernstorff persönlich einer der großen Profiteure dieser ganzen Erkundungsarbeiten ist
({0})
und dass er sich schon 1976 bei den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen die Renovierung bzw. einen
Ausgleich für Feldwege, die dort benutzt wurden, hat bezahlen lassen. Er hat sich, wie gesagt, bis zum heutigen
Tage und darüber hinaus sehr gut bezahlen lassen: durch
Jagdrechte, Fischereirechte und Ländereien als Ausgleichsflächen. Das ist unstreitig, und das finden Sie
auch in den Unterlagen.
({1})
Dass der Herr Hennenhöfer mit ihm verhandelt hat - das
ist auch völlig richtig -, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Familie von Bernstorff noch heute Gelder
vom Bund für Ausgleichsmaßnahmen bekommt. Nur
deshalb konnte das Erkundungsbergwerk so arbeiten,
wie es 30 Jahre lang gearbeitet hat.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf
Drucksache 17/13700.
Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis
zu nehmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig dafür.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Schlussberichts der Enquete-Kommission
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen
Marktwirtschaft“
- Drucksache 17/13300 Hierzu liegen ein gemeinsamer Entschließungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor.
Es ist verabredet, hierzu eine Stunde zu debattieren. Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist der
Kollege Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese
Enquete-Kommission war interessant und erkenntnisreich. Ich will meine Rede mit dem Dank an die Sachverständigen beginnen, die die Kommissionsarbeit, wie
vorgesehen, durch ihr Fach- und Sachwissen bereichert,
unsere Grabenkämpfe ertragen und manchmal auch gezeigt haben, dass sie uns in der Heftigkeit, ihre Positionen an der Stelle durchzusetzen, nicht nachstehen. Ich
bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen für
eine gute Positionierung, für Kollegialität und dafür,
dass sie gelegentlich auch wieder aus dem Schützengraben gefunden haben. Und ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für viel Geduld und
Fleiß.
({0})
31 Kommissionstagungen, unzählige Projektgruppensitzungen, 12 Anhörungen und 13 Expertenrunden in
unterschiedlichen Projektgruppen: Wir haben es uns
nicht leicht gemacht; denn das Thema war in der Tat
weit gefasst. Wir haben uns Gedanken über die Wachstumsperspektiven dieser Republik und über die Fragen
gemacht, was Wohlstand bringt, was Wohlstand heißt
und was Lebensqualität bedeutet. Das ist ein breites
Thema. Ich persönlich meine übrigens, das ist ein zu
weit gefasstes Thema für nur eine Enquete-Kommission.
Themen wie „Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch“, „Demografie und Wachstum“, „Grenzen
nationaler Politik“ und „Vorreiterrolle“ wären in diesem
Zusammenhang an sich schon als Themen geeignet gewesen, um eine eigene Enquete-Kommission zu installieren.
In meinem Dank habe ich schon ein wenig angedeutet, dass es am Schluss keinen Konsens gab, so wie
das bei der einen oder anderen Enquete-Kommission
vielleicht gedacht ist. Ich sage Ihnen aber auch: Mich beruhigt dieser Dissens; denn am Schluss haben wir angesichts der Breite des Themas auch wirtschaftspolitische Gesamtkonzeptionen gegeneinandergestellt. Frau
Lötzer, Sie schauen mich gerade an: Ich hätte mich gewundert, wenn sich unsere Seite mit Ihrer Seite geeinigt
hätte.
({1})
Das hätte mich als Demokraten auch massiv erschüttert.
({2})
- Der demokratische Sozialismus passt nicht zu uns; bei
Ihnen passt die Demokratie nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.
({3})
- Hören Sie mir gut zu, Herr Ott, dann verstehen Sie,
was ich Ihnen sage. Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass
das Thema so breit war, dass der Konsens am Schluss
programmierterweise nicht erreichbar war, und das werden Sie nicht bestreiten.
({4})
Sie und ein erheblicher Teil von den Grünen haben
60 Sondervoten geschrieben. Vor diesem Hintergrund
braucht man nicht zu behaupten - das sage ich Ihnen
ganz offen -, man habe einen Konsens gesucht. Sie haben immer das Gleiche gemacht:
({5})
Sie haben von uns den Konsens gefordert und selber ein
abweichendes Votum geschrieben. Das hat mit Konsens
nichts zu tun. Aus Ihrer demokratischen Sicht ist Konsens nur dann zu erreichen, wenn man Ihrer Meinung ist;
auch das muss man einmal in dieser Klarheit sagen.
({6})
Lassen Sie uns aber nicht gleich am Anfang streiten,
auch wenn ich gerade in Wahlkampfphasen gerne provoziere; das gebe ich offen zu.
({7})
Ich will Ihnen erst einmal erklären, was nach meiner
Meinung der größte Erfolg dieser Enquete-Kommission
war. Der größte Erfolg dieser Enquete-Kommission
stand schon ganz am Anfang fest. Nachdem wir zäh miteinander gerungen haben, was denn der Rahmen dieser
Enquete-Kommission sein soll, legten wir fest, dass wir
uns im Bereich der sozialen Marktwirtschaft bewegen
sollen. Da gab es etliche auf dieser Seite des Hauses - da
schaue ich nicht nur nach ganz links -, die da sehr skeptisch waren und überlegten, ob man sich nicht außerhalb
der sozialen Marktwirtschaft bewegen solle, weil man
die Chance gesehen hat
({8})
- lassen Sie mich doch reden, Mensch, Sie dürfen nachher doch auch reden -, unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem angesichts der aufkommenden Finanzkrise infrage zu stellen. Das haben wir Ihnen von Anfang
an nicht durchgehen lassen.
Ich will jetzt nicht anmaßend sein, aber die soziale
Marktwirtschaft hat ihren Teil dazu beigetragen, Sie, so
hoffe ich jedenfalls, davon zu überzeugen, dass sie leistungsfähig ist und dass sie eine solche Krise überstehen
kann. Auch das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen.
({9})
Die soziale Marktwirtschaft hat sich in der Krise bewährt, und sie hat durch sie gewonnen. Es ist deshalb
eben nicht notwendig, über eine sozial-ökologische
Transformation nachzudenken, so wie Sie das nachher
wohl einfordern werden.
({10})
Das sind nämlich nur schöne Worte für einen grünen
Lack unserer altehrwürdigen sozialen Marktwirtschaft.
Ich finde es schon gut - auch das sage ich Ihnen ganz
offen -, wie Sie das machen: Die generische Bezeichnung für alles, was ökologisch oder positiv besetzt sein
soll, ist grün. Das muss man Ihnen lassen: Das ist schon
gutes Marketing. Aber das war nicht der Kern dessen,
was wir herausarbeiten wollten. Vielmehr ist es uns geglückt, insgesamt zu zeigen, was soziale Marktwirtschaft
im sozialen, im ökonomischen, aber auch im ökologischen Bereich bewegen kann; das möchte ich an dieser
Stelle ganz besonders unterstreichen wie auch die Tatsache, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ keine grüne Erfindung ist, so wie Sie das manchmal darstellen, sondern
aus der Forstwirtschaft kommt. Das zeigt deutlich, dass
Nachhaltigkeit ein fundamentaler, ein klarer Bestandteil
unserer sozialen Marktwirtschaft ist.
({11})
Die Kollegin Bulmahn hat uns gegen Ende der Arbeit
in der Enquete-Kommission eine Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft angeboten. Über diese Begrifflichkeit hätte man, wenn man einen Konsens gewollt
hätte, aus meiner Sicht reden können; denn nachjustieren
muss man in der Tat. Das wäre relativ unstrittig gewesen. Aber sie hat es uns nicht ernsthaft angeboten, weil
sie leider Gottes eigentlich Ihnen, den Grünen und insbesondere der Linken, auf Ihrem Weg folgen wollte.
({12})
Vermutlich hat sie es uns auch deshalb nicht ernsthaft
angeboten, weil dann auch ein nostra culpa hätte kommen müssen; denn bei den aus der Finanz- und EuroKrise resultierenden Schwierigkeiten sind die SPD und
die Grünen in besonderer Weise in Obligo, in einer besonderen Weise in der Schuld.
({13})
Wer hat denn die Überliberalisierung der Finanzmärkte
betrieben?
({14})
Das war doch Rot-Grün, Herr Heil! Wer hat denn die
Aufnahme Griechenlands in die EU beschlossen? Das
war doch Rot-Grün.
({15})
Wer hat denn die Aufkündigung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes betrieben? Das war doch Rot-Grün.
Das war doch Gerhard Schröder.
({16})
So war es doch. Geben Sie es doch zu!
({17})
Dass sich unsere soziale Marktwirtschaft trotz dieses
Sündenfalls behaupten konnte, finde ich großartig. Dass
wir mit dieser Enquete-Kommission die Chance gehabt
haben, Ihre fundamentale Wachstumskritik zu relativieren, auch diesen Ansatz, man müsse Wachstum aktiv begrenzen, den man allenthalben hört, weniger von der
SPD ({18})
- auf Sie komme ich gleich zu sprechen -, aber insbesondere von den Grünen - Sie haben es erst gestern wieder im Ausschuss vorgetragen -,
({19})
möchte ich hier herausarbeiten.
({20})
Die SPD hat an der Stelle in der Tat - weil deren Abgeordneten gerade am lautesten schreien - den größten
Spagat hinter sich.
({21})
Sie haben in der Enquete-Kommission immer betont,
Wachstum sei kein Ziel. In dem bemerkenswerten Antrag „Deutschland 2020 - Zukunftsinvestitionen für eine
starke Wirtschaft“, den ich in weiten Teilen gut finde,
formulieren Sie genau etwas anderes.
({22})
Herr Wiesehügel, übrigens Mitglied in Ihrem Kompetenzteam, sagt im Tagesspiegel auch etwas anderes. Er
sagt, man brauche Konjunkturprogramme, um Wachstum anzukurbeln. Was denn nun? Lassen Sie sich nicht
ständig von Linken und Grünen in Geiselhaft nehmen!
({23})
Ich hätte mich gefreut, wenn es da nicht ständig diesen
offenkundigen Schulterschluss gegeben hätte,
({24})
der mich persönlich hinsichtlich der Frage ein bisschen
skeptisch macht - das sage ich ganz offen -, ob Sie wirklich nicht beabsichtigen, nach der Bundestagswahl gemeinsam in eine bestimmte Richtung zu marschieren.
Da habe ich meine Sorge.
({25})
Jetzt reicht meine Zeit natürlich nicht mehr. Ansonsten hätte ich gerne noch etwas zu den Indikatoren gesagt,
({26})
weil ich gut finde, was wir da erarbeitet haben.
({27})
Aber plötzlich redet die SPD - das sage ich Ihnen ganz
offen - im vorliegenden Entschließungsantrag von
neuen Indikatoren, nicht von denen, die man Gott sei
Dank mit uns in der Enquete-Kommission beschlossen
hat, was gut, was international vergleichbar, was überschaubar und was, im Übrigen mit sozialen und ökologischen Perspektiven ausgestattet, viel besser ist als das,
was die Grünen einseitig vorgeschlagen haben. Das, was
Sie da nun vorschlagen, ist deutlich materialistischer als
das, was wir hier gemeinsam erarbeitet haben.
Es ist insofern gut, dass es uns gelungen ist, die Bedeutung des BIP zu relativieren, aber nicht hinsichtlich
des Aspekts infrage zu stellen, wie es bei uns wirtschaftlich weitergeht. Dass es uns hier nicht nur gelungen ist,
die soziale Marktwirtschaft in ein gutes Licht zu rücken,
sondern auch, darauf hinzuweisen, dass, wie es uns in
Zukunft wirtschaftlich geht, von der Innovationskraft in
unserer Gesellschaft, also ob wir innovativ bleiben, abhängen wird, halte ich für entscheidend.
Herr Kollege!
Ich bin sofort fertig. - Ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass die grüne Seite mitwirken wird, die Innovationskraft zu fördern. Den Eindruck hatte ich weder in
der Enquete-Kommission noch in der aktuellen Tagespolitik.
Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören.
({0})
Jetzt hat die Kollegin Daniela Kolbe für die SPDFraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eigentlich stand in meinem Skript, dass wir
alle in dieser Enquete sehr viel gelernt haben.
({0})
Leider muss ich nach Ihrer Rede, Herr Dr. Nüßlein, diesen Satz jetzt streichen, es tut mir echt leid.
({1})
Erinnern Sie sich noch? Damals, Ende 2010/Anfang
2011, hallte das Krachen der Finanzkrise noch nach, und
das Beben der Weltwirtschaftskrise war auch in
Deutschland, in unserem Land, noch beängstigend zu
spüren. Damals war auch die Banken- und Finanzkrise
noch nicht zu einer Staatsschuldenkrise in der EuroZone geworden. Damals ist die Enquete-Kommission
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt
in der Sozialen Marktwirtschaft“, wie der Titel in ganzer
Schönheit lautet, ins Leben gerufen worden, zunächst
auf Initiative von SPD und Grünen, die anderen Fraktionen haben sich dann angeschlossen.
Wir sind zu einer Zeit gestartet, als die Verheerungen
der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise auch in
Deutschland noch ganz deutlich spürbar waren. Damals
waren wir uns einig, Herr Dr. Nüßlein, dass die Finanzund Wirtschaftskrise das Leitbild des absolut freien, deregulierten Marktes blamiert und auch ad absurdum geführt hat. Wir waren uns einig, dass vieles von dem, was
als Wohlstand daherkam, sich letztlich nur als Blase entpuppt hat, deren Platzen dann einen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen hat, der bei vielen auch noch
heute anhält. Wir sind mit dem gemeinsamen Gefühl gestartet, dass unsere Maßstäbe des Wirtschaftens nicht
mehr verlässlich sind, dass wir neue Maßstäbe für eine
neue Art des nachhaltigen Wirtschaftens brauchen.
Sie haben es selbst gehört: Im Laufe der Enquete ist
diese gemeinsame Gewissheit leider immer mehr verloren gegangen. Viele aus der Koalitionsmehrheit - mir ist
ganz wichtig, zu sagen: beileibe nicht alle, aber eben
viele - meinten zu erkennen, dass diese Krise doch nur
irgendwie ein Betriebsunfall gewesen und ein Weiter-so
bei kleinen Reförmchen schon zu verantworten sei. Die
damit verbundene Verweigerung von Teilen der Union
- ich möchte ganz deutlich unterstreichen, dass es hier
um Teile der Koalition geht -, Neues zu denken und alte
Weisheiten infrage zu stellen, hat unsere Enquete-Kommission an vielen Stellen gelähmt, an denen es notwendig gewesen wäre, mit mehr Neugierde und mehr Mut
nach vorne zu denken. Es ist schon bemerkenswert und
macht mich ein bisschen traurig, dass Frau Merkel zumindest verbal an vielen Punkten und auch gestern bei
ihrem Deutschlandforum - das dürfte jetzt ungefähr der
46. Gipfel gewesen sein - deutlich weiter gegangen ist,
als mancher in der Enquete-Kommission auch nur zu
denken gewagt hätte.
Aus unserer Sicht sind die Herausforderungen klar.
Im Bereich des Ressourcenverbrauchs zum Beispiel haben wir alle sie glasklar, bestechend, intellektuell anregend und dazu im Konsens beschrieben. Ein Weiter-so
unseres Wirtschaftens ist nicht zu verantworten.
({2})
Sowohl die sozialen als auch die ökologischen Folgen
wären viel zu dramatisch, als dass das zu riskieren wäre.
({3})
Die Entwicklungen der Globalisierung und der dramatische Bevölkerungsanstieg bei gleichzeitig glücklicherweise steigendem materiellen Wohlstand für viele
sind verbunden mit einem dramatisch gestiegenen Ressourcen- und Naturverbrauch. Gerade der Klimawandel
führt uns vor Augen: Ein massiver sozial-ökologischer
Wandel ist nötig. Wenn wir diesen Wandel nicht herbeiführen, wären die Folgen dramatisch. Aber nach der Enquete wissen wir auch: Verzweifeln ist genauso wenig
geboten, wie den Kopf in den Sand zu stecken.
Daniela Kolbe ({4})
Gerade wo sich die Enquete mit konkreten Fragestellungen befasst hat, hat sie oft auf sehr konstruktive Art
und Weise Antworten gegeben. Sie finden in dem
Schlussbericht der Enquete, der schon von seinen Ausmaßen her beachtlich ist, ganz konkrete Vorschläge, wie
zum Beispiel die chemische Industrie nachhaltiger wirtschaften kann, sowie mutige Vorschläge, wie wir die Finanzmärkte neu ordnen müssten.
Wir brauchen den Mut, die Debatte fortzuführen. Wir
brauchen den Mut, die zweifelsohne extrem schwierigen
Fragen zu beantworten und die Ergebnisse dann umzusetzen. Eine Vogel-Strauß-Taktik können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.
Ich möchte auf ein weiteres konkretes Ergebnis hinweisen. Uns ist es gelungen, eine neue Wohlstandsmessung vorzuschlagen. Dass das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes kein sinnvoller Indikator ist, darüber
waren wir uns sehr schnell einig. Die „W hoch drei“Wohlstandsindikatoren, die wir vorschlagen, stellen aus
meiner Sicht einen sehr guten Kompromiss dar,
({5})
und zwar aus Gründen der Übersichtlichkeit einerseits
und der angemessenen Tiefe der Wohlstandsmessung andererseits.
Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben,
dass wir bei der Frage nach der Wohlstandsmessung auf
der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau waren.
Wir wollten eine Wohlstandsmessung, die tiefgründig,
relevant, verlässlich, international vergleichbar, interessant, gut kommunizierbar und umfassend ist. Ich kann
hier berichten: Wir sind sehr sicher, die eierlegende
Wollmilchsau existiert nicht. Es ging vielmehr um einen
guten Kompromiss. Ich gebe zu: Ich bin ein bisschen betrübt, dass wir trotz ausführlicher Debatte mit extrem
viel Sachverstand - die Betreffenden sitzen heute zum
Teil auf der Zuschauertribüne - nicht in der Lage waren,
eine fraktionsübergreifende Lösung zu finden. Ich formuliere es so: Ich hätte mir an dieser Stelle ein bisschen
mehr Blick in die Zukunft und weniger Profilierungsdrang gewünscht.
({6})
„Puh!“, kann man sagen. Das waren spannende, anstrengende, für die meisten lehrreiche und vor allen Dingen sehr wichtige zweieinhalb Jahre. Wir haben nicht
umsonst geschwitzt; denn wir haben eine, wenn nicht die
zentrale Debatte der kommenden Jahrzehnte auf den parlamentarischen Weg gebracht. Darauf können wir trotz
aller Unterschiede sehr stolz sein.
({7})
- Es freut mich sehr, dass auch die Grünen klatschen.
Mein Dank gilt allen an der Enquete Beteiligten, vor allem denjenigen, die den Auftrag der Enquete beherzigt
haben, langfristige Themen unabhängig von Fraktionsdisziplin zu diskutieren. Gerade den Querdenkerinnen
und Querdenkern möchte ich deshalb meine hohe Anerkennung aussprechen.
Ebenso herzlich möchte ich all jenen danken, die
rings um die Enquete geschwitzt, gearbeitet und gedacht
haben: den Mitgliedern der Enquete - einige sitzen, wie
erwähnt, hier oben - und ihren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern, die sehr viel Sachverstand eingebracht haben. Ganz herzlich und explizit möchte ich an dieser
Stelle dem Sekretariat danken. Ihr habt einen riesengroßen und tollen Job gemacht.
({8})
Für viele der Themen hatten wir nicht ausreichend
Zeit. Aber Probleme verschwinden nicht dadurch, dass
wir erkennen, dass sie sehr komplex und sehr schwierig
zu lösen sind, und sie dann möglichst vermeiden. Wir
müssen uns die Zeit nehmen, die wirklich komplizierten
Fragen unserer Zeit mutig zu stellen und weiter zu diskutieren. Ich wünsche mir sehr, dass diese Debatte weitergeht.
Vielen Dank.
({9})
Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Florian
Bernschneider das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will mich im Namen meiner Fraktion zunächst einmal ganz herzlich bedanken, nicht weil man das aus Höflichkeit so tut, sondern tatsächlich aus Überzeugung. Ich will mich beim
Sekretariat bedanken, bei den Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros, ohne die dieser reibungslose Ablauf der
Enquete-Kommission gar nicht möglich gewesen wäre,
bei den Sachverständigen, die uns in der Tat immer wieder den Blick über den Tellerrand unserer Tagespolitik
hinaus ermöglicht haben, natürlich bei Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, mit denen
nicht immer - ich glaube, das würden auch Sie umgekehrt mit Blick auf uns unterschreiben -, aber immer
wieder, wenn ich zum Beispiel Kollegin Arndt-Brauer
betrachte, ein konstruktiver Dialog in dieser EnqueteKommission möglich war, und auch bei unserer Vorsitzenden Daniela Kolbe,
({0})
die ihre Aufgabe nicht nur konstruktiv, sondern auch immer sehr fair ausgefüllt hat.
Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der
Enquete-Kommission kann man in drei Kategorien einteilen. Es gibt Ergebnisse, bei denen wir uns definitiv
uneinig sind; es gibt Ergebnisse, bei denen wir uns einig
sind, dass wir uns uneinig sind, und es gibt Ergebnisse,
bei denen wir uns tatsächlich einig sind und bei denen
wir es geschafft haben, über die Fraktionsgrenzen hinweg einen Konsens zu erzielen. Wir alle wissen, dass das
die Ergebnisse sind, die wahrscheinlich die deutlichsten
Spuren in der Tagespolitik hinterlassen werden. Davon
gibt es einige.
Nach dem Motto „das Beste zum Schluss“ möchte ich
zuerst zu all jenen Punkten kommen, in denen wir uns
nicht einig sind und bei denen wir nicht zusammenkommen konnten. Das betrifft vor allem - das hat der Kollege Nüßlein angedeutet - ganz grundsätzliche Fragen
der Wirtschafts-, der Gesellschafts- und der Ordnungspolitik. Da fordern Sie von der Opposition, SPD, Grüne
und Linke, einen radikalen Wandel ein. Sie haben einen
Namen dafür: Das ist die sozial-ökologische Transformation, wie Sie es nennen.
Die Kollegin Bulmahn versucht jetzt, das etwas abzuschwächen, indem sie sagt: Es geht uns um eine Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft. - Aber wenn man
in die Texte schaut, stellt man fest, dass da schon etwas
anderes steht, Frau Bulmahn. Ich will aus Ihrem Sondervotum zitieren:
Wie im Adjektiv „sozial-ökologisch“ angezeigt, bedarf es grundlegender Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft …
Sie wollen eine solidarische Ökonomie oder, wie Sie
auch schreiben, eine Demokratisierung der Wirtschaft
und kommen dabei selbst zu der Überzeugung - das ist
schon beachtlich -, dass das, was Sie damit erreichen
möchten, „eine gewaltige Herausforderung an unser Verständnis von Freiheit, Vernunft und Verantwortung“ ist.
Beim besten Willen: Dieses falsche Verständnis von
Freiheit und Verantwortung können wir als Liberale Ihnen einfach nicht entgegenbringen. Denn was bedeutet
eigentlich diese Demokratisierung der Wirtschaft, die
Sie zum Beispiel vorschlagen? Sollen da Claudia Roth
und Sigmar Gabriel entscheiden, wie sich Wirtschaft in
unserem Land zu entwickeln hat?
({1})
Sie haben immer wieder gesagt: Es gibt Branchen, die
wachsen sollen, und es gibt Branchen, die schrumpfen
sollen. - Damit widersprechen Sie einer Grundüberzeugung, die wir alle hätten gewinnen müssen, nämlich dass
Wachstum keine politische Steuerungsgröße ist. Wir Liberale bleiben dabei: Wachstum ist das Ergebnis millionenfacher einzelner Entscheidungen. Die lassen sich
nicht am rot-grünen politischen Reißbrett planen, sondern dafür braucht man einen ordnungspolitischen Rahmen. Das ist und bleibt für uns nun einmal die soziale
Marktwirtschaft, für die uns im Übrigen viele andere
Menschen in Europa beneiden.
({2})
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die Grünen zur Vernunft zurückkehren, was Wirtschaft und Ordnungspolitik angeht. Bei
der SPD bin ich mir nicht sicher. Es ärgert mich ehrlich
gesagt aber schon, mit welcher Doppelzüngigkeit Sie
vorgehen. In wachstumskritischen Zirkeln in Berlin
schmückt man sich mit der sozial-ökologischen Transformation, wenn man aber ins Wahlprogramm der SPD
schaut, dann findet man ganz andere Sätze. Da steht zum
Beispiel, Stabilität setze Wachstum voraus. Wachstum
sei notwendig, um die dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen oder gar um Armut in
der Welt zu überwinden. Da steht weiter, dass Flughäfen,
Bahnhöfe und Häfen die Städte zu Motoren des Wachstums und Fortschritts machen und dass in der Kreativität
- als Rohstoff des 21. Jahrhunderts - immense Wachstumspotenziale stecken.
({3})
Frau Bulmahn, ganz ehrlich: Wenn Sie mit dieser
Haltung in der Enquete-Kommission gesessen hätten,
dann hätten wir an vielen anderen Stellen Konsens finden können. Aber - das ist das Traurige - das gesamte
SPD-Wahlprogramm wird mit dem Slogan „Das Wir
entscheidet“ zusammengebunden. Das entspricht dann
wieder Ihrer Haltung in der Enquete-Kommission. Überall, wo dieses „Wir“ entscheidet, zählt der Einzelne nicht
mehr.
({4})
Das, was Sie uns blumig als Suffizienz verkaufen, ist am
Ende nichts anderes als eine staatlich verordnete Verzichtskultur.
({5})
Egal, ob Sie in die Sondervoten der Enquete-Kommission oder in Ihr Wahlprogramm sehen: Verbote, Gesetze, Steuererhöhungen, Abgabenerhöhungen usw. Im
Notfall muss der Einzelne zu seinem Glück, wie Sie es
definieren, staatlich verpflichtet werden. Auch das ist
mit uns Liberalen nicht zu machen. Deswegen kamen
wir hier zu keinen gemeinsamen Beschlüssen.
({6})
Ich habe versprochen: Das Beste kommt zum Schluss.
Wir waren uns in einigen Punkten einig. Darauf können
wir als Enquete-Kommission stolz sein. Bei der Frage
der Finanzmarktregulierung waren wir uns in großen
Teilen einig. Auch in der PG 3 gibt es Überschneidungen, auf die die Kollegin Skudelny eingehen wird. Vor
allem sollte man das Ergebnis der Projektgruppe 2 lobend erwähnen, nämlich den Indikatorensatz W3, den
CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam entwickelt haben.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann nicht wirklich
nachvollziehen, warum sich Grüne und Linke vehement
dagegen gewehrt haben. Man hat die berechtigte Kritik
am BIP als zu verkürzendes Wohlstandsmaß in die Arbeit aufgenommen, aber am Ende hat man wieder eine
völlig verkürzte Sicht von dem, was Wohlstand in unserer Gesellschaft ausmacht, mit drei oder vier Indikatoren
präsentiert. Damit wird man dem Auftrag der Enquete,
lieber Kollege Ott, auch nicht gerecht.
Das Ergebnis, das wir vorgelegt haben, ist wesentlich
besser. Ich verstehe die SPD nicht, warum sie beim Entschließungsantrag wieder mit den Grünen und Linken
paktiert und nicht zu dem steht, was sie mit Union und
FDP bezogen auf die Wohlstandsindikatoren beschlossen hat. Das mag Parteitaktik sein. Vielleicht ist es die
beschriebene Doppelzüngigkeit oder einfach Orientierungslosigkeit der SPD. Ich weiß es nicht. Das ist alles
geschenkt.
Es ist ein gutes Ergebnis. Darauf sind wir Liberale
stolz. In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank an
alle, die daran konstruktiv mitgearbeitet haben.
({7})
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Ulla
Lötzer das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Kolleginnen! Kollegen! Nach wie
vor stehen wir vor der Situation, dass die globale Krise
andauert: die globale und europäische Finanzkrise, die
soziale Krise mit wachsender Ungleichheit, die Umweltkrise mit ihren Katastrophenfolgen. Insofern war die
Einrichtung der Enquete-Kommission sicherlich sehr
wichtig. Umso schlimmer finde ich das, Kollege
Nüßlein, was Sie hier wieder bieten; denn Sie und die
FDP-Kollegen insgesamt haben in dieser Enquete-Kommission gemeinsame Schlussfolgerungen und Lösungsansätze bei wesentlichen Fragen tatsächlich blockiert.
({0})
Für Sie - das haben Sie gerade sehr deutlich gemacht ist diese Krise einfach ein Betriebsunfall einer ansonsten
gut funktionierenden Politik. Sie meinen tatsächlich, Bekenntnisse zur sozialen Marktwirtschaft würden ausreichen, sich den Problemen zu stellen und dafür Lösungen
zu finden. Das ist keine demokratische Antwort. Das
will ich Ihnen noch einmal deutlich sagen.
({1})
Die Krise ist auch ein Ergebnis einer Politik, die die
Interessen von Menschen den kurzfristigen Renditezielen der Finanzmärkte, der großen Konzerne, der Banken
und der Spekulanten untergeordnet hat. Für diese Politik
sind Sie verantwortlich. Insofern wäre es umso bedeutender gewesen, wenn Sie sich dieser Verantwortung gestellt hätten.
({2})
Die demokratische Antwort auf diese Krise ist, Herr
Nüßlein, ein grundlegender Politikwechsel und keine
Beschwörung, keine Bekenntnisse, keine Rädchen. Eine
sozial-ökologische Transformation
({3})
muss soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Erneuerung
und einer umfassenden Demokratisierung dieser Gesellschaft verbinden.
({4})
Da helfen alle Schreckgespenste nicht.
({5})
- Das ist sicherlich nicht das, was ich gerade dargestellt
habe.
Diese Differenzen spiegeln sich natürlich auch in der
Auseinandersetzung um die Wachstumsfrage wider. Ich
bin ja erstaunt: Nach vielen Auseinandersetzungen haben Sie alle - auch die Vertreter der FDP und der CDU/
CSU - in der Enquete-Kommission erklärt, Wachstum
sei auch Ihrer Auffassung nach kein Ziel von Politik.
Das hat sich eben ganz anders angehört.
({6})
An jeder Stelle im Bericht - und auch heute wieder sagen Sie, Wachstum sei aber Voraussetzung für die Lösung der Probleme. Dabei berücksichtigen Sie immer
noch nicht, dass Wachstum an einen steigenden Ressourcenverbrauch gekoppelt ist und dass Wachstum schon
lange nicht mehr Wohlstand und Lebensqualität für alle
garantiert.
Trotzdem noch einmal, heute zum letzten Mal: Wir
ersetzen nicht die Schrumpfung der Wirtschaft durch das
Verfolgen von Wachstumszielen, sondern wir haben in
dem Bericht eindeutig erklärt: Wir wollen, dass soziale
Entwicklungsziele - die Bekämpfung von Armut zum
Beispiel -, ökologische Entwicklungsziele - die Senkung des Ressourcenverbrauchs - und nicht das Starren
auf Wachstum zum Gegenstand der Politik werden.
({7})
Wir haben auch festgestellt - das lässt sich überall
empirisch nachweisen -, dass wir es in den Industrieländern aus vielfachen Gründen schon lange mit sinkenden
Wachstumsraten zu tun haben. Bei sinkenden Wachstumsraten, so sagen Sie, muss der Sozialstaat geschleift
werden, muss die Arbeitszeit verlängert werden, müssen
die Löhne gesenkt und muss die Prekarisierung von Arbeit vorangetrieben werden. Das ist ja auch leider Ihre
Politik hier und in Europa.
({8})
Wir dagegen haben uns diesem Problem im Sondervotum der Opposition gestellt, haben Lösungen vorgestellt, wie auch bei sinkenden Wachstumsraten der Sozialstaat erhalten bleiben kann, wie Maßnahmen für gute
Arbeit, Umverteilung, Zeitwohlstand und Sicherung des
Sozialstaats, zum Beispiel mit einer Bürgerversicherung,
aussehen können. Dazu gehört auch ein neues Verständnis von Arbeit und Leben in der Gesellschaft. Sorgearbeit und ehrenamtliches Engagement müssen eine ganz
andere Rolle in der Debatte um die Zukunft der Arbeit
spielen.
({9})
Dazu gehört auch die Debatte um Lebensweise und
nachhaltigen Konsum. In dem Bericht gibt es viele sinnvolle Vorschläge dazu. Herr Bernschneider, Sie bezeichnen das immer als Freiheitsberaubung und haben es eben
auch wieder getan. Wenn Sie jeglichen staatlichen Eingriff, jegliche staatliche Rahmensetzung als Freiheitsberaubung darstellen, vertreten Sie nicht den mündigen
Bürger in dieser Gesellschaft.
({10})
Tatsache ist: Sie fordern den mündigen Bürger immer
nur als Ersatz für staatliches Handeln. Wo sind die Maßnahmen zur Demokratisierung, zur Wirtschaftsdemokratisierung? Diese lehnen Sie ab - das haben Sie eben auch
wieder deutlich gemacht -,
({11})
genauso wie eine Stärkung der Rechte der Verbraucher
oder der Bürger und Bürgerinnen im Bereich der Wirtschaft. Nicht Ihre Position, sondern unsere Position hat
etwas mit mündigen Bürgern zu tun.
({12})
Mündige Bürger ersetzen nicht staatliches Handeln.
Im Gegenteil: Sie setzen einen mündigen Staat voraus
und nicht den Nachtwächterstaat, wie Sie ihn in Ihrer
Politik vertreten.
({13})
- Hören Sie doch auf, nach so vielen Jahren auf die DDR
anzuspielen!
Einige gemeinsame Fortschritte wurden allerdings erzielt, so in der Finanzmarktregulierung - das ist erfreulich - und in der Finanzpolitik. Die Feststellung, dass
eine zukunftsfähige Finanzpolitik nicht nur ausgeglichene Haushalte im Blick haben darf, sondern sich an
öffentlicher Daseinsvorsorge, hochwertiger Bildung und
daran orientieren muss, Dienstleistungen zur Verfügung
zu stellen, ist ein guter Teil dieses gemeinsamen Berichts. Wir werden Sie an den Konsequenzen messen;
denn diese bedeuten auch eine andere Politik als Ihr
Spardiktat in Europa.
Große Fortschritte hat es in der Ressourcenfrage gegeben, die Anerkennung der planetarischen Grenzen
zum Beispiel, die Anerkennung der Tatsache, dass eine
absolute Senkung des Ressourcenverbrauchs notwendig
ist. Dass sich allerdings die Koalition hier wieder Handlungsempfehlungen verweigert hat, ist wirklich ein Problem.
({14})
Zu den Indikatoren komme ich jetzt leider nicht mehr.
Ich kann nur sagen: Wir sehen - das gilt auch für den
Entschließungsantrag von SPD und Grünen - das Problem, dass das Verhältnis der verschiedenen Berichte zueinander und der entsprechend zugeordneten Beiräte
nicht geklärt ist. Das gilt für den Nachhaltigkeitsbericht,
den Armuts- und Reichtumsbericht, den neuen Wohlstandsbericht. Deshalb haben wir das Problem, dass das
BIP der zentrale Indikator bleibt und alles andere nur
schmückendes Beiwerk ist. Dieses Problem ist unserer
Auffassung nach also nicht gelöst.
({15})
Ganz zum Schluss möchte auch ich mich bei allen bedanken: bei den Sachverständigen aller Fraktionen, aber
auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Verbände, der Initiativen, der NGOs,
die in vielen Debatten dazu beigetragen haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats, den
Kolleginnen und Kollegen die Arbeit zu erleichtern.
Diese Arbeit war es wert. Es finden sich trotz der Differenzen viele Schätze in dem Bericht.
Danke für die Aufmerksamkeit.
({16})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt
der Kollege Dr. Hermann Ott.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich freue mich, hier zumindest die Mitglieder
der Enquete-Kommission zu sehen. Wir hatten einige
gute Momente, vor allem in den Projektgruppen, in
denen es manchmal gelungen ist, das gemeinsame Erkenntnisinteresse über Ideologie und über Fraktionsdisziplin zu stellen. Wir haben auch in der Analyse einige
gute und brauchbare Ergebnisse erzielt, für die es sich
lohnt, in den knapp 850 Seiten unseres Babys zu blättern.
Erkenntnisse gab es zum Beispiel beim Thema
Wachstum, bei dem selbst Herr Paqué, über den es heute
in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen schönen
Artikel gibt, zustimmen musste - das verbindet ihn übrigens mit Ludwig Erhard -, dass Wachstum niemals Ziel
und Zweck staatlichen Handelns sein darf, sondern
höchstens Mittel. Wir würden sogar noch weiter gehen
und sagen: Das ist nicht einmal mehr ein taugliches Mittel, sondern das ist eine Folge politischen Handelns.
Es gab auch wichtige Erkenntnisse über den Rebound, die, wie ich hoffe, Umweltpolitik, Umweltökonomie und auch die Umweltbewegung animieren werden, systematische Ansätze zu wählen und wegzugehen
von dem Flickenteppich an Maßnahmen; denn ansonsten
werden unsere Effizienzmaßnahmen niemals erfolgreich sein. Anregungen gab es auch zur Entwicklung einer solidarischen Ökonomie, vor allem in der Projektgruppe 5. Darauf bin ich auch sehr stolz.
Mein besonderer Dank für gute Zusammenarbeit
geht, auch im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion
und der Linksfraktion. Wir haben einige respektable
Sondervoten erstellt. So haben wir zum Beispiel die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation
unserer Gesellschaft beschrieben und haben auf mehr als
20 Seiten detailliert Maßnahmen aufgelistet, die geeignet sind, unser Wirtschaftssystem vom Energie- und
Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Liebe Kolleginnen
und Kollegen, damit haben wir die Grundlage für ein zukünftiges ökologisch-soziales Reformprojekt gelegt, und
darauf können wir stolz sein.
({0})
Eine kurze Bemerkung zu Herrn Bernschneider. Es ist
ja wirklich erstaunlich, dass Sie, obwohl Sie der jüngste
Vertreter in diesem Hohen Hause sind, mit Ansichten daherkommen, die eher in das letzte, oder sagen wir besser,
in das vorletzte Jahrhundert gehören. Natürlich wird ein
Wirtschaftssystem, das nicht nur an sozialen, sondern
auch an ökologischen Notwendigkeiten ausgerichtet ist,
anders aussehen als das System, das wir jetzt haben. Natürlich sähe das System, das wir jetzt haben, nämlich die
soziale Marktwirtschaft, anders aus, wenn wir einen
freien Manchester-Kapitalismus hätten. Das heißt, ein
System muss sich evolutionär entwickeln; ansonsten ist
es zum Scheitern verurteilt. Ein Scheitern aber, lieber
Herr Bernschneider und liebe Kollegen von der FDP,
können wir uns nicht leisten.
({1})
Das Kernprojekt des 21. Jahrhunderts, unsere historische Aufgabe ist es, dass wir die Menschenwelt mit der
Umwelt versöhnen, dass wir unsere Wirtschaft einbetten
in die ökologischen Systeme, in die Ökosysteme dieser
Erde, damit unsere Wirtschaft nicht ein Fremdkörper ist,
der die ökologischen Systeme beschädigt.
Gemessen daran - das muss ich deutlich sagen - haben wir in der Enquete-Kommission tatsächlich nicht geliefert. Das lag eben im Wesentlichen an der Koalition,
vor allem an der FDP, obwohl ich die Mitglieder der Enquete-Kommission - ich will explizit Herrn Nüßlein
nennen -, von dieser Kritik, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, ausdrücklich ausnehmen möchte. Anscheinend waren die Mitglieder der Koalition in der EnqueteKommission doch nur zu bereit zur vorurteilsfreien
Zusammenarbeit mit uns. Ansonsten hätte es ja keine
Notwendigkeit dafür gegeben, dass der Koordinierungsausschuss der Koalition da hereingegrätscht ist und seinen Mitgliedern einen Maulkorb verpasst hat.
({2})
Meine Damen und Herren, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Das war undemokratisch, und das ist eine
Schande für dieses Haus.
({3})
Als Konsequenz aus den Erkenntnissen sind Ihre
Handlungsempfehlungen allzu dünn; davon kann sich
jede Bürgerin und jeder Bürger selbst einen Eindruck
verschaffen und staunen.
({4})
Denn die Diskrepanz zwischen der von Ihnen - auch von
Ihnen, Herr Nüßlein - mitgetragenen Analyse, dass es
kein Weiter-so geben kann, und den wenigen harmlosen
Empfehlungen, die Sie am Ende abgeben, könnte größer
nicht sein. Bildlich gesprochen, haben Sie als Arzt nach
der Analyse einer todbringenden Krankheit nur Pflaster
und weiße Salbe verschrieben.
({5})
Damit sind Sie Ihrem Auftrag als Abgeordnete und vor
allem Ihrem speziellen Auftrag als Mitglieder dieser Enquete nicht gerecht geworden, und das ist nicht in Ordnung.
({6})
Im Endeffekt verschieben Sie alle Lösungen auf die
europäische oder globale Ebene und verdammen unser
Parlament zur Untätigkeit. Sie plädieren für ein globales
Emissionshandelssystem, tun aber nichts, um das europäische zu retten. Als Krönung hauen Sie das Einzige,
was Sie wirklich als Ergebnis vorweisen können, nämlich das Indikatorensystem, in die Tonne und stellen hier
einen Entschließungsantrag, der es in das Ermessen des
Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stellt, ob sich daraus neue Indikatoren entwickeln lassen. Meine Damen und Herren,
was soll denn dabei herauskommen, wenn Sie den Bock
zum Gärtner machen?
({7})
Dabei wird gar nichts herauskommen; denn diese Herren
haben überhaupt kein Interesse daran, neue Indikatoren
zu entwickeln.
Kurz gesagt: Ihr Entschließungsantrag ist das Papier
nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Wie es besser
geht, können Sie dem von uns eingebrachten Entschließungsantrag entnehmen.
Herr Kollege.
Zum Schluss noch versöhnliche Worte.
({0})
Wir haben ein kleines bisschen dazu beigetragen, dem
Motto von Antoine de Saint-Exupéry gerecht zu werden:
Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen,
sondern möglich machen.
Herr Kollege.
Das gilt auch für all unsere Sachverständigen, von denen ich hier einige begrüße, und natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats.
Ich danke Ihnen.
({0})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege
Dr. Matthias Heider das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch
ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen,
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats und bei den Sachverständigen, die hier heute zum
Teil anwesend sind, für die interessante und fruchtbare
Zusammenarbeit in diesen Jahren ganz herzlich bedanken.
Ich denke, Umfang und Herausforderungen dieser
Enquete-Kommission hätten gar nicht größer sein können. Dementsprechend ist auch die gemeinsame Lernkurve sehr steil gewesen. Beim Kollegen Ott hat man
das gerade nicht herausgehört. Aber ich denke, wir haben einiges geleistet und vieles gemeinsam geschafft,
auch wenn es zwischendurch mediale Unkenrufe gab,
die nicht zu überhören waren.
Gelegentlich hörte man, dass bei den zu bearbeitenden Themen Uneinigkeit parteipolitisch vorgegeben gewesen sei und die Mitglieder über weite Strecken der
Beratung unglücklich gewesen seien.
({0})
Ich weiß nicht, ob wir hier einen Beitrag zur Forschung
zum Thema Glück hätten leisten müssen, kann Ihnen
jedoch sagen: Es war genau umgekehrt; über weite
Strecken der Beratung waren wir glücklich, jedenfalls
dann, wenn es um das Zusammentragen der Fakten ging.
({1})
Allerdings muss ich Wasser in den Wein gießen:
Auch in einer Enquete-Kommission gehört der Dissens
in der Beratung und in der Bewertung zum Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft, und das finde ich auch
gar nicht schlimm. Im Laufe der Kommissionsarbeit trafen wir auf kontroverse Ansichten: Einige Mitglieder der
Enquete haben vermeintlich aus Sorge um die Umwelt
einem umfassenden Umbau der Wirtschaft, einem bewussten Wachstumsverzicht und sogar einer tiefgreifenden sozial-ökologischen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft das Wort geredet. Das kommt auch
im heute vorliegenden Entschließungsantrag der Oppositionsfraktionen zum Ausdruck. Ich sage Ihnen als Verfechter der sozialen Marktwirtschaft: Es ist meine
Pflicht, das Haus an dieser Stelle vor utopischen Experimenten zu warnen.
({2})
Die Vision einer tiefgreifenden Transformation, meine
Damen und Herren, ist durch die Arbeit dieser EnqueteKommission entzaubert worden.
({3})
Was ist denn mit sozial-ökologischer Transformation
gemeint? Aufschluss gibt uns ein Sondervotum der
Oppositionsfraktionen in Kapitel 7.1.3. Die Verfasser
plädieren für eine „breite und plurale Umbauperspektive“ gegründet auf eine „grundlegende Neuordnung von
Wirtschaft und Gesellschaft“. Das müssen Sie den Menschen draußen im Land erklären.
({4})
Herr Kollege, Frau Leidig möchte eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie diese zulassen?
Bitte schön.
Bitte.
Kollege Heider, Sie malen utopische Experimente
wie ein Schreckgespenst an die Wand. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Aspekte hinweisen.
Erstens. An der Baustelle des neuen Ministeriums für
Bildung und Forschung ist ein Zitat Einsteins angebracht, das sinngemäß lautet: Die Menschheit muss ihr
Denken grundlegend verändern, wenn sie überleben
will. - Es geht also um grundlegende Veränderungen.
Zweitens. Der Bericht der Projektgruppe 5 enthält in
Kapitel 4 einen, wie ich finde, ausgesprochen bemerkenswerten Abschnitt mit der Überschrift „Suffizienz weder Mangel noch Übermaß“. Dort wird ausgeführt:
… der kulturelle Wandel hin zu mehr Mäßigung
und zu einer gerechten Verteilung ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gerechte und
friedliche Welt und für die Steigerung der Lebensqualität.
Auch hier geht es um eine grundlegende Veränderung
des bisherigen Denkens.
Ich finde, es ist notwendig, dass Sie sich mit den gesellschaftlichen Debatten auseinandersetzen, bei denen
es um grundlegende Veränderungen geht. Wir haben
diese Debatten nicht nur mit den verschiedenen NGOs
und gesellschaftlichen Gruppen geführt, sie finden auch
auf der Straße statt, zum Beispiel in Frankfurt im Zuge
der Blockupy-Proteste.
({0})
Ich möchte von Ihnen wissen, warum Sie die Notwendigkeit zu grundlegenden Veränderungen so abwehren,
wo man doch weiß, dass sie notwendig sind, um der
Menschheit wirklich eine Perspektive zu geben.
({1})
Frau Leidig, gerne nehme ich Ihr Statement auf und
beantworte Ihre Frage.
Einem vernünftigen Umgang mit Konsumgütern und
auch einem vernünftigen Umgang mit Produktionsmitteln steht nichts im Wege. Alle Beteiligten haben ein
großes, auch finanzielles Interesse an einem sparsamen
Umgang. Aber braucht es dazu einen Umbau der Gesellschaft, einen neuen Blick auf die Demokratisierung der
Gesellschaft? Was Sie mit der Frage der Transformation
bemänteln, ist in Wirklichkeit ein Raubbau an demokratischen Elementen. Das werfe ich Ihnen an dieser Stelle
vor.
({0})
Herr Kollege, es gibt noch eine weitere Zwischenfrage, nämlich von Herrn Kauch. Möchten Sie auch
diese zulassen?
Herr Kauch, bitte schön.
Herr Kollege, könnten Sie sich vorstellen, dass Frau
Leidig und auch andere den Begriff vom „neuen Denken“ mit dem Begriff vom „neuen Menschen“ verwechseln, den die Kommunisten schaffen wollten und den sie
jetzt auf neuem Wege durch die Hintertür verordnen
wollen?
({0})
Sie reden von neuem Denken, aber sie meinen neue
Regeln; denn sie wollen die Gesellschaft durchregulieren. Sie wollen den Menschen gar keine Möglichkeit zu
neuem Denken geben, sie wollen ihnen das Denken vorwegnehmen. Können Sie sich vorstellen, dass Frau
Leidig diesem Missverständnis unterliegt?
({1})
Herr Kollege Kauch, diese Frage kann ich sehr
schnell beantworten: Ja, das glaube ich auch.
({0})
Möchten Sie noch eine weitere Zwischenfrage von
Frau Leidig zulassen?
Frau Präsidentin, ich würde jetzt gerne fortfahren.
Ich komme zurück auf die sozial-ökologische Transformation. Was ist damit gemeint? Wir glauben, dass Sie
damit Eingriffe in unsere sozialen und marktwirtschaftlichen Grundprinzipien durch eine Ausweitung staatlichen
Handelns meinen. Sie meinen damit eine Neubewertung
und Reorganisation von Arbeit, Produktion und Konsummustern sowie eine Umverteilung von gesellschaftlichem Wohlstand mit einer völlig veränderten Dynamik,
und zwar in Ihrem Sinne. All das meinen Sie.
Der grundlegende Ansatz der von Ihnen gewünschten
tiefgreifenden Transformation ist: mehr Staat als Markt,
mehr Regulierung statt freier Entfaltung und mehr Umverteilung. Das ist der eigentliche Ansatz. Wir wollen
die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger stärken,
indem wir die Freiheit aller, die als Anbieter oder Nachfrager am Markt teilnehmen, schützen und gleichzeitig
für sozialen Ausgleich sorgen. Das ist soziale Marktwirtschaft.
Wir wollen unternehmerisch Handelnde in Zukunft
mehr auf den Schutz der natürlichen Ressourcen ausrichten. Das ist nachhaltiges Wirtschaften. Wir trauen den
Bürgern dieses Landes einfach mehr zu als Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition.
({0})
Das, was ich im Rahmen meiner Tätigkeit in der
Enquete-Kommission gelernt habe, fassen übrigens die
Sachverständigen Professor Bettzüge für die Union und
Professor Schneidewind für die Grünen - Herr Ott, hö30784
ren Sie gut zu! - in einer Ende letzten Jahres gemeinsam
veröffentlichten Analyse - sie stand in einer Ausgabe
der Wirtschaftswoche - zusammen: Es sind „vier unbequeme Wahrheiten, die eine Lösung verhindern“. Die
erste unbequeme Wahrheit ist, dass die ökologischen
Systeme - wie die Erdatmosphäre - an ihre Grenzen geraten. Die anderen drei Wahrheiten, die jetzt folgen, stehen im Gegensatz dazu. Die zweite unbequeme Wahrheit
- Sie können dies im Schlussbericht nachlesen; Frau
Kolbe hat ein Exemplar vor sich auf dem Tisch liegen besteht darin, dass Rohstoffe nicht so schnell knapp werden, wie für die Grenzen unseres Planeten nach Ihrer
Meinung eigentlich gut wäre. Die dritte unbequeme
Wahrheit ist, dass technischer Fortschritt und steigende
Effizienz allein nicht ausreichen werden, den Naturverbrauch absolut zu entkoppeln.
({1})
- Herr Ott, lassen Sie mich doch einmal ausreden. Schuld daran ist auch der Rebound-Effekt; er tut sein
Übriges dazu. Das haben wir in der Enquete gemeinsam
eingekreist. Das hätten Sie doch auch einmal sagen können.
({2})
Schließlich haben wir erkannt, dass die Ökosysteme
Atmosphäre, Meere und Regenwälder globale Güter
sind, auf die die ökonomischen Knappheitssignale keinen Einfluss haben. Dies hat eine Übernutzung zur
Folge. Wir werden dieses Problem bei allen guten Ansätzen national nicht lösen können. Dazu brauchen wir internationale Anstrengungen. Das ist nach unserer Auffassung der richtige Ansatz.
Noch einmal herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit. Ich
freue mich, wenigstens einen in der nächsten Legislaturperiode wiederzusehen.
Vielen Dank.
({3})
Der Kollegin Leidig gebe ich das Wort zu einer Kurzintervention.
Da der Kollege Heider nicht noch einmal eine Frage
von mir beantworten wollte, nutze ich jetzt die Möglichkeit einer Kurzintervention. Ich möchte auf diesen merkwürdigen Vorwurf eingehen, dass gesellschaftliche Veränderung antidemokratisch sein müsse. Das Gegenteil
ist der Fall.
({0})
Wenn Sie sich erstens anschauen, was wir geschrieben
haben, und zweitens sehen, was in den gesellschaftlichen
Debatten passiert, wissen Sie, dass das Gegenteil der
Fall ist.
Ich war jetzt beispielsweise in einer Reihe von Krankenhäusern, um über das Thema Pflegenotstand und das
Problem der systematischen Überlastung von Pflegekräften zu diskutieren. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sagen unisono: Wir wissen sehr gut, wie
Pflege organisiert werden muss, mit wie viel Personal
und mit welchen Zeitbudgets das geschehen muss, um
gut für die Patientinnen und Patienten arbeiten und für
mehr Lebensqualität wirken zu können.
Das Problem ist nur: Sie werden überhaupt nicht gefragt.
({1})
In den Krankenhäusern werden Gutachter und Managementkonzepte eingesetzt, die von oben kommen. Sie
werden nach betriebswirtschaftlichen Maßzahlen diktiert. Das, was Sie da organisieren, ist antidemokratisch.
({2})
Demokratisch wäre, die Beschäftigten bzw. die Bürgerinnen und Bürger in den Wandel einzubeziehen und
sie zu fragen, was man denn verändern müsste, damit
das Erforderliche Realität wird. Sie sagen - das fordern
übrigens gerade junge Leute -: Wir wollen nicht immer
mehr haben wollen müssen. - Ich finde, das ist eine
spannende Herausforderung. Wie bekommt man es hin,
dass die Menschen nicht immer mehr haben wollen müssen, ohne dass Arbeitsplätze zuhauf verloren gehen? Das
ist doch eine zutiefst demokratische Frage. Es reicht
nicht, auf internationaler Ebene Verhandlungen zu führen, sondern wir brauchen Auseinandersetzungen in der
Zivilgesellschaft, die auch auf dieses Parlament Einfluss
haben müssen.
({3})
Zur Antwort bitte der Kollege Heider.
Frau Kollegin Leidig, Sie haben das Thema Pflege
angesprochen. Dieses Thema wird in den nächsten Jahren in unserer Gesellschaft sicherlich sehr präsent sein;
es ist schon heute sehr präsent. Nicht verstanden habe
ich, was das mit demokratischer Legitimation zu tun haben soll.
({0})
Eine demokratische Legitimation haben wir zum Beispiel, wenn eine Entscheidung darüber erforderlich ist,
wie viele Haushaltsmittel dieses Parlament für die Pflege
zur Verfügung stellt.
({1})
Das ist aber nicht das eigentliche Kernanliegen. Wir
haben darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf den von
Ihnen apostrophierten ökologischen Umbruch, die
Transformation, überhaupt nichts nützt, wenn Deutschland zum Beispiel darauf verzichtet, die Fischerei auszuüben. Das wird die Überfischung der Meere nicht verhindern. Wenn Deutschland die Industrie abschafft,
verhindert das nicht, dass die Atmosphäre weiterhin
stark belastet wird. Das sind Beispiele, an denen wir
konkret festmachen, dass es mehr als eines nationalen
Impulses bedarf und man sich nicht auf den Erfolgen
ausruhen darf.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat jetzt Edelgard Bulmahn für die SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Gerade an
die Zuhörer und Zuhörerinnen richte ich die Bitte, in den
Bericht der Enquete-Kommission zu schauen. Die Argumentation, die Darstellung der Herausforderungen, vor
denen wir stehen, und unsere Lösungsvorschläge sind in
diesem Bericht viel differenzierter und viel konkreter,
als diese niveaulose Auseinandersetzung das vielleicht
vermuten lässt. Der Bericht ist nicht schwarz-weiß, sondern viel differenzierter. Deshalb lohnt es sich, in diesen
Bericht zu schauen.
({0})
Die Enquete-Kommission hat sich mit wichtigen Krisenerscheinungen, mit den Wirkungen der Krise beschäftigt. Das war notwendig und wichtig, weil die Folgen der Krisen bisher nicht behoben worden sind. Wir
sollten Problemlösungsvorschläge erarbeiten, die verhindern, dass in Zukunft wieder solche Krisen entstehen
können. Dieses war der Grund für die Einsetzung der
Enquete-Kommission. Deshalb haben wir zweieinhalb
Jahre miteinander gerungen, um zu überzeugenden Antworten zu kommen.
Lassen Sie mich am Anfang meiner Rede einen ganz
herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen richten, vor allen Dingen aber an die Vorsitzende der Kommission, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die
Sachverständigen; denn ohne ihr Engagement könnten
wir heute nicht ein, wie ich finde, trotz aller Lücken akzeptables Ergebnis vorlegen. Deshalb ein herzliches
Dankeschön!
({1})
Das war zugegebenermaßen ein hartes Stück Arbeit,
insbesondere wenn es darum ging, die Koalition durch
gute Sachargumente zu fortschrittlichen Aussagen zu bewegen. In aller Freundschaft sage ich: Ich glaube, es ist
uns an vielen Punkten gelungen, über Fraktionsgrenzen
hinweg gute Vorschläge zu entwickeln, gerade was die
Stabilisierung der Finanzmärkte angeht. Diese Vorschläge sind, wie ich finde, sehr wichtig. Sie werden
eine große Rolle spielen und dazu beitragen, dass wir die
internationalen Finanzmärkte wieder zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurückbringen können, nämlich, die Finanzierung der Realwirtschaft sicherzustellen.
Wir haben auch alternative Vorschläge unterbreitet.
Ich finde, es ist in einer Demokratie nichts Schlechtes,
wenn deutlich wird, dass es unterschiedliche Bewertungen, Ziele und auch Gestaltungsvorschläge gibt. Ich
finde, es ist auch nichts Schlechtes, wenn deutlich wird,
dass politische Entscheidungen immer auch Wertentscheidungen sind.
Die Vorschläge, die wir vorlegen - ich will jetzt über
die Oppositionsvorschläge sprechen -, zeigen Wege zu
einem tragfähigen Wohlstandsmodell auf, bei dem soziale, ökologische und wirtschaftliche Ziele gleichberechtigt in Einklang gebracht werden. Das, lieber Herr
Bernschneider, ist die Neujustierung der sozialen Marktwirtschaft.
({2})
So ist es bislang nämlich nicht. Diese Ziele stehen nicht
gleichberechtigt nebeneinander. Sie werden nicht miteinander verknüpft. Genau das fordern wir in unserem
Bericht.
({3})
Genau das ist notwendig, wenn wir der Anforderung, die
Lebensverhältnisse der Bevölkerung in der Breite zu
verbessern und nicht nur für 10 Prozent der Bevölkerung, gerecht werden wollen. Letzteres wäre nicht die
Politik meiner Partei, der SPD.
({4})
Wir wollen für die Breite der Bevölkerung eine Verbesserung der Lebensverhältnisse.
Die Umsetzung der Empfehlungen, die wir vorgelegt
haben, erfordert viel politischen Mut; dessen muss man
sich klar sein. Es bedarf unseres Mutes, aber auch des
Mutes der Unternehmen, der Gewerkschaften und der
Menschen, die in unserem Land leben. Wenn wir diese
Empfehlungen umsetzen, werden wir den sozialen Zusammenhalt in unserer Bevölkerung stärken und eine
gute wirtschaftliche Entwicklung sichern. Damit werden
wir auch unserer Verantwortung für die künftigen Generationen besser gerecht.
Lassen Sie mich auch eine kritische Anmerkung machen. Mich hat es enttäuscht, dass die Koalition offensichtlich nicht bereit ist, zu akzeptieren - vielleicht hat
sie es auch nicht verstanden -, dass es nicht ausreicht, an
einigen Stellschrauben ein bisschen zu drehen, um diesen tiefgreifenden Wandel unserer sozialen Marktwirtschaft wirklich herbeizuführen. Mich hat auch enttäuscht, dass sie bis heute offensichtlich nicht verstanden
hat, dass uns gerade die Marktwirtschaft in ihrer jetzigen
marktradikalen Form die Finanz-, Wirtschafts- und Umweltkrise beschert hat.
({5})
Offensichtlich haben Sie bisher nicht verstanden, Herr
Nüßlein, dass wir diese Wirtschaftskrise in unserem
Land nur deshalb einigermaßen gut überstanden haben,
weil wir sie mit einem massiven Einsatz von Steuermitteln überwunden haben. Dass Sie das so schnell vergessen, hätte ich nicht erwartet.
({6})
- Auch da müssen Sie Ihr Gedächtnis wieder etwas mobilisieren. Auch das ist falsch. Die Kohl-Regierung hat
damals die Grundlagen für den Euro festgelegt, und das
Europäische Parlament hat die Deregulierung durchgeführt. Im Europäischen Parlament haben im Übrigen die
konservativen Parteien die Mehrheit.
({7})
Deshalb wünsche ich mir, dass wir eine sozialdemokratische Mehrheit im Europäischen Parlament haben, um
das endlich wieder zurechtzurücken.
({8})
- Man muss schon bei der Wahrheit bleiben, lieber Herr
Nüßlein, und hier keine Märchen erzählen oder Legenden bilden. Das ist notwendig.
({9})
Sie haben auch nicht verstanden, lieber Herr Kollege,
({10})
dass ein aufwendig organisierter Kongress, der sicherlich interessant ist und zu dem sogar Gäste aus Bhutan
eingeladen sind, nicht den politischen Willen, wirklich
etwas zu verändern, und auch nicht die notwendigen
Mehrheiten, die man dafür braucht, ersetzt. Sie haben
bisher auch nicht verstanden, dass es moralisch und wirtschaftlich notwendig, klug und vorausschauend ist, dass
Deutschland international eine Vorreiterrolle für diesen
Wechsel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise einnehmen muss. Ich glaube, es ist erforderlich, dass wir
hier in diesem Parlament genau darüber Einigkeit herstellen, weil wir nur dann unserer eigenen Verantwortung gerecht werden.
Für uns Sozialdemokraten ist eines völlig klar: Bei allen verschiedenen Definitionen von Wachstum stellen
wir den Wohlstand und das Wohlergehen von Menschen
in den Mittelpunkt.
Lassen Sie mich auf das eingehen, was Herr Heider
gesagt hat. Sie sprachen darüber, dass utopische Konzepte vorgelegt werden. Daher frage ich Sie, ob Sie die
Nachhaltigkeitsinitiative, die die chemische Industrie
und die Chemiegewerkschaft gerade jetzt gestartet haben
und mit der sie sich sehr anspruchsvolle Ziele und Leitlinien setzen - was ich sehr gut finde -,
({11})
als utopisches Konzept bezeichnen. Darin steht vieles
von dem, was wir in der Enquete-Kommission beschrieben haben.
({12})
Gerade der VCI hat in der Anhörung ausgeführt, dass sie
zur Erreichung der Ziele die passenden staatlichen Rahmenbedingungen brauchen und eine mutige Politik, die
diesen Pfadwechsel unterstützt.
Deshalb sage ich Ihnen: Wir brauchen keine Regierung, in der der Wirtschaftsminister ein Wachstum um
jeden Preis propagiert und der Umweltminister für nachhaltiges Wirtschaften plädiert.
({13})
So gelingt keine Energiewende, und so gelingt auch
nicht der notwendige Wandel, den wir brauchen, um tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Ein versöhnliches Wort zum Schluss, wie es viele zu
Recht gemacht haben. Das, was wir hier erarbeitet und
vorgelegt haben, erfüllt zwar sicherlich nicht immer alle
Erwartungen, im Übrigen auch nicht unsere eigenen;
aber es ist ein guter Anfang. Wir haben ein Stück des
Weges beschritten, den wir weitergehen sollten. Deshalb
liegt es jetzt an uns, ob wir die Handlungsempfehlungen,
auch die der Opposition, in der kommenden Zeit umsetzen. Ich finde, wir müssen handeln. Denn die Uhr steht
auf fünf vor zwölf.
Vielen Dank.
({14})
Die Kollegin Judith Skudelny hat jetzt das Wort für
die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich glaube, die Debatte hier spiegelt ein
bisschen das Spannungsverhältnis wider, das wir in den
einzelnen Projektgruppen hatten. Bei einigen Teilen haJudith Skudelny
ben wir sehr gut miteinander gearbeitet, andere Teile waren eben etwas lustiger. Wir haben bei den Analyseteilen
sehr gut zusammengearbeitet, insbesondere in der PG 3.
Da gibt es auch gute Nachrichten. Wir haben geschaut,
wie es eigentlich um die Umwelt in Deutschland steht.
In Deutschland wird die Qualität der Böden besser, die
Luftqualität wird besser, die Wasserqualität wird besser,
und auch der CO2-Ausstoß sinkt in der Gesamtsumme.
Auch global werden die Probleme mittlerweile in Angriff genommen. In China werden Wasserregelungen
eingeführt, der Boden wird besser und Ähnliches.
Wir haben Probleme in anderen Bereichen. Wir haben
dort Probleme, wo es nicht um das Regionale, sondern
um das Globale geht, bei den sogenannten Allmendegütern wie dem Klima. Der Kollege Heider hat es schon
sehr schön dargestellt: Das Problem ist, dass niemand
die Verantwortung für das Klima übernimmt. Das sind
Senken; es ist ein Raum, auf den jeder Zugriff, aber niemand einen Anspruch hat. Wenn man sich mit dieser
Problemstellung, die wir in der PG 3 sehr gut herausgearbeitet haben, befasst, dann muss man sich bei allen
Maßnahmen - jetzt komme ich zu dem Punkt, an dem es
einen Dissens gibt - fragen: Wirken sie eigentlich global?
Wir haben gesehen: In Deutschland werden alle
Werte besser - natürlich können sie noch besser werden;
darüber müssen wir uns nicht unterhalten -, aber global
werden die Werte immer schlechter. Das heißt, bei allem,
was wir national machen, müssen wir uns fragen: Funktioniert die Transmission? Funktioniert die Übersetzung
ins Globale? Darüber haben wir uns in der Projektgruppe 4 unterhalten. Die einzige Antwort im Bereich
des Klimaschutzes - als Beispiel für ein Allmendegut lautete immer wieder: Vorreiterrolle. Die Opposition
sagte immer wieder: Vorreiterrolle, Vorreiterrolle und
noch einmal Vorreiterrolle. Dabei hat die Opposition
schon in der PG 3 festgestellt, dass überhaupt erst einmal
untersucht werden muss, inwieweit die Vorreiterrolle
global überhaupt eine Wirkung hat. Das ist einer der Forschungsaufträge, die die Opposition in der PG 3 definiert
hat, obwohl das eigentlich einer der Hauptpunkte der
PG 4 ist. Die sozial-ökologische Transformation ist
nichts anderes als eine konkrete Ausgestaltung dieser
Vorreiterrolle, von der wir allerdings überhaupt nicht
wissen, ob sie tatsächlich wirksam ist.
Wir von der Opposition haben gesagt - ({0})
Wir von der Regierung und die Mehrheit in der EnqueteKommission haben gesagt: So einfach wollen wir uns
das nicht machen. Wir wollen uns tatsächlich überlegen:
Wie bekommen wir die globalen Probleme in den Griff?
Welchen Beitrag muss und kann Deutschland dazu leisten? Hier haben wir eine neue Position definiert.
Frau Kollegin, bevor Sie das sagen: Möchten Sie eine
Zwischenfrage von Frau Kolbe zulassen?
Das machen wir am Ende, okay?
({0})
Wir haben uns über eine differenzierte und dosierte
Pionierrolle unterhalten. Die differenzierte und dosierte
Pionierrolle ist ein neuer Weg. Diese Enquete-Kommission wurde schließlich auch deswegen eingesetzt, weil
wir uns nicht auf ausgetrampelten Pfaden vorwärtsbewegen, sondern neue Gedanken entwickeln wollen.
Die differenzierte und dosierte Pionierrolle hat mehrere Bestandteile. Ein Bestandteil ist die Vorbildfunktion. Wenn ich meine Kinder erziehe, kann ich das nicht
tun, indem ich selbst alles falsch mache. Vielmehr habe
ich eine Vorbildfunktion, und diese erfülle ich. Das muss
auch Deutschland tun.
Darüber hinaus brauchen wir aber auch den technischen Fortschritt. Wenn wir innovativ sind und die
Dinge verbessern, wird das zu Wirtschaftswachstum
führen. Das wird zum Teil sicherlich auch zu einem Rebound-Effekt führen. Dazu haben wir ein Gutachten in
Auftrag gegeben, in dem es um die Frage ging: Was bedeutet Rebound eigentlich global? Global bedeutet Rebound, dass sich die Schwellen- und Entwicklungsländer, weil Produkte günstiger werden, vielleicht erstmals
medizinische Versorgung, Transport, Wohnen und Bildung werden leisten können. Das alles sind positive Bestandteile dieses Rebound-Effektes.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
({0})
Als dritten Punkt - ganz kurz - haben wir gesagt: Wir
brauchen auch die internationale Kooperation. Nur mit
diesem Dreiklang, der zwar keine konkreten Maßnahmen beinhaltet, aber zum ersten Mal eine intelligente
Idee verfolgt, werden wir es tatsächlich schaffen, uns
nicht nur besser zu fühlen, sondern am Ende auch etwas
Positives für das Klima und alle Umweltgüter zu bewirken.
({0})
Thomas Gambke hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte muss ich
auf manche Bemerkungen, die heute gemacht wurden,
eingehen. Herr Heider hat gesagt, wir wollten die Industrie abschaffen.
({0})
- Herr Heider, Sie werden das nachlesen können.
({1})
Herr Bernschneider hat von einem Wachstumskommissar gesprochen. Das ist nicht das Niveau, auf dem
wir hier miteinander reden sollten.
({2})
Herr Heider, wenn ich den Menschen sage, dass es in
Deutschland 125 Millionen Handyverträge gibt, dass
Flachbildschirme derzeit alle vier Jahre ausgewechselt
werden oder dass die Gebrauchsfähigkeit mancher Geräte auf zwei Jahre geschrumpft ist, während Sie sagen,
dass wir 3 Prozent Wachstum brauchen, um uns unsere
sozialen Sicherungssysteme überhaupt leisten zu können, stelle ich fest, dass die Leute mir zuhören und sagen: Gott sei Dank spricht das mal jemand an! Was habt
ihr für Lösungen? - Das war der Auftrag an unsere
Enquete-Kommission.
({3})
Man braucht eigentlich nur den Antrag zur Einsetzung der Enquete-Kommission zu lesen. - Für die CDU/
CSU hat Herr Kauder unterschrieben. Wer bei der FDP
gerade Fraktionsvorsitzender war, weiß ich nicht; das
wechselt ja ein bisschen. - In diesem Antrag stand:
- die Frage untersuchen, ob und ggf. wie das deutsche Wirtschafts- und Sozialstaatsmodell die ökologischen, sozialen, demografischen und fiskalischen
Herausforderungen auch mit geringen Wachstumsraten bewältigen kann bzw. welche Wachstumszwänge dem entgegenstehen …
Das war der Auftrag, meine Damen und Herren von der
Koalition, und dem verweigern Sie sich, wenn Sie heute
sagen: Wir wollen über das Thema Wachstum gar nicht
debattieren.
({4})
Herr Kollege, der Kollege Heider würde Ihnen gern
eine Zwischenfrage stellen.
Ja.
Bitte sehr.
Herr Kollege Gambke, wären Sie bereit, zur Kenntnis
zu nehmen, dass ich nicht gesagt habe, dass wir die Industrie abschaffen wollen, sondern dass ich gefragt habe,
was passieren würde, wenn wir die Industrie abschaffen,
und ob das einen Einfluss auf die Atmosphäre haben
würde? Würden Sie mir beipflichten, dass das keinen
Einfluss hätte?
Sie haben sich so geäußert, als ob auf unserer Seite
des Hauses irgendjemand daran denken würde, die Industrie abzuschaffen.
({0})
- So habe ich das verstanden. Ich lehne diese Art von
Fragestellung ab. Ich glaube nicht, dass das das Niveau
ist, auf dem wir dieses Thema hier bereden sollten.
({1})
Herr Professor Miegel hat von einer neuen Wirklichkeit gesprochen. Wir brauchen uns gar nicht über den
Begriff der Transformation zu streiten; aber wir haben in
der Tat eine neue Wirklichkeit: Wir müssen uns angesichts der demografischen Veränderungen, die so sicher
wie das Amen in der Kirche kommen werden, die sozialen Sicherungssysteme anschauen. Wir müssen uns auch
anschauen, wie wir mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit in
Europa umgehen. Wir können uns nicht nach Deutschland zurückziehen und sagen: „Bei uns ist alles prima“,
wenn in den südeuropäischen Ländern über 50 Prozent
der Jugendlichen arbeitslos sind. Dafür brauchen wir
Antworten. Diese Antworten können nicht lauten: Sollen
doch die Portugiesen und die Italiener das Gleiche machen wie wir! - Wie viele 7er-BMWs
({2})
sollen denn noch nach China verkauft werden, bis auch
die Portugiesen und andere keine Arbeitslosigkeit mehr
haben?
({3})
Ich glaube, dass das nicht die richtigen Antworten
sind. Die Antwort, die ich von Ihnen gehört habe, war:
Wir setzen auf Innovationen, die zu Wachstum führen. Ich kann Ihnen sagen: Ja, wir brauchen Innovationen;
aber - das war der Auftrag der Enquete-Kommission wir müssen die Richtung des Wachstums festlegen.
({4})
Das kann nicht Fracking sein, sondern das müssen erneuerbare Energien sein.
({5})
Das kann eine dezentrale Energieversorgung anstelle einer monopolistischen Energieversorgung sein.
Frau Skudelny, Sie haben es gerade so dargestellt, als
ob wir in Deutschland alles richtig gemacht hätten.
Wenn Sie in Niederbayern wohnen würden, wüssten Sie,
dass 10 Prozent unserer Ackerflächen eigentlich in Südamerika sind, von wo wir die Eiweißstoffe importieren,
mit denen wir unsere Schweine füttern und unser Grundwasser verseuchen, sodass wir keine Brauereien mehr
betreiben können, und dass wir das Schweinefleisch
dann nach China verkaufen. Das ist kein Geschäftsmodell, das nachhaltig ist.
({6})
Meine Damen und Herren, ich glaube, Wachstum ist
nicht das Ziel, sondern die Folge von politischem und
wirtschaftlichem Handeln. Das Ziel muss Wohlstand und
Lebensqualität sein - unter der unbedingten Voraussetzung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Wenn wir das
als Ergebnis festhalten können - trotz mancher Bremsmanöver einiger, aber nicht aller Mitglieder der Koalition; da kam auch viel Fruchtbares -, haben wir etwas
erreicht. Ich bedanke mich an dieser Stelle für die wirklich konstruktive Debatte, die wir hatten. Ich hoffe, dass
die Debatte weitergeht; denn die Menschen haben Interesse an dieser Debatte. Sie merken, dass das Thema sie
etwas angeht, dass wir mit der bisherigen Wirtschaftsweise so nicht weitermachen können. Ich freue mich auf
die folgenden Debatten in der nächsten Legislatur.
Vielen Dank.
({7})
Für die CDU/CSU-Fraktion gebe ich jetzt der Kollegin Stefanie Vogelsang das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor
ich in einem kleinen Bericht auf die Arbeit und die Ergebnisse vor allen Dingen der Projektgruppe 2, die den
Auftrag hatte, ein neues Indikatorensystem zur Definition von Wohlstand und Lebensqualität zu erarbeiten,
eingehe, möchte ich eine grundsätzliche Bemerkung machen.
Am Anfang dieser Wahlperiode habe ich hier im
Plenarsaal der Debatte zur Einsetzung der EnqueteKommission gelauscht. Die Worte, die Frank-Walter
Steinmeier damals gesagt hat, habe ich noch genau im
Kopf. Auch an die Worte anderer Kollegen - auch von
den Grünen - erinnere ich mich noch gut. Sie haben gesagt, als Regierungsfraktionen müssten wir doch endlich
verstehen, dass es nicht mehr um Wachstum in dieser
Gesellschaft gehen könne, sondern nur noch um eine
Frage, nämlich darum, wie wir vorhandene materielle
Güter in dieser Welt anders, besser, gerechter verteilen.
Ganz zentral ging es um Folgendes: Wir haben nicht
mehr die Aufgabe, auf Wachstum - ob nun als Ziel, als
Mittel oder als Folge; darauf komme ich später noch zu
sprechen - zu setzen, sondern unsere einzige Aufgabe
ist, Vorhandenes zu verteilen.
Keine drei, vier Monate später hatten wir die europäische Staatsschuldenkrise, und die Diskussionen um
Griechenland, um Irland, um Hilfen für Portugal und andere Länder begannen. Es ist nicht eine einzige Sitzung
in diesem Saal ausgelassen worden, zu fordern - ich
habe auch keinen einzigen Zeitungsartikel zu diesem
Thema gelesen, in dem von Ihnen nicht diese Forderung
aufgemacht worden ist -, Frau Merkel dürfe nicht nur
auf Konsolidierung setzen. Vielmehr müsse die Regierung der Bundesrepublik Deutschland endlich begreifen,
dass es hier um Wachstum gehe.
({0})
Wir müssten die Wachstumskräfte herausarbeiten und
zum Beispiel das Wachstum in Griechenland unterstützen. Mit unseren Initiativen und unserem Engagement
müssten wir uns darauf konzentrieren, das Wachstum in
Irland, in Portugal, in Griechenland nach vorne zu bekommen; dann gehe es uns allen schon besser.
Meine Damen und Herren, bei der Diskussion über
Wohlstand und Lebensqualität ist die Frage, was Wohlstand ist und wie man Wohlstand misst, wahrlich nicht
einfach zu beantworten. Wir haben es uns auch sehr
schwer gemacht. Es gibt für diese Frage keine allgemeingültige Antwort - die Sie von den Linken vielleicht
hätten: Wir als Zentralisten sagen, wenn die und die
Punkte erfüllt sind, hat es euch gefälligst gut zu gehen.
Wohlstand ist ein Begriff, den jeder etwas anders
sieht. Das haben wir auch gemerkt. Wir können den
Wohlstandsbegriff nicht in eine einzige aggregierte Zahl
pressen, mit der wir dann verständlich darstellen könnten, wie es um den Wohlstand in Deutschland und darüber hinaus bestellt ist. Das ist überhaupt nicht zu machen, weil nicht alle Menschen gleich sind, weil nicht
alle Menschen gleich leben wollen,
({0})
weil es Unterschiede gibt, und zwar innerhalb von
Deutschland, innerhalb von Europa und in der Welt.
Ich wollte Sie fragen, ob Frau Bulmahn Ihnen eine
Zwischenfrage stellen darf.
Ja, das darf sie gerne.
Bitte schön.
Frau Vogelsang, stimmen Sie meinen folgenden Ausführungen zu? Wir alle haben in der Enquete - sowohl in
den Projektgruppen als auch in der Gesamt-Enquete die Auffassung vertreten, dass es nicht um die Frage
„Wachstum, ja oder nein?“ geht, sondern um die Frage,
wie man in einer Welt, in der 7 bis 10 Milliarden Menschen ein gutes Leben führen können sollen, die wirtschaftliche Entwicklung, den Arbeitsmarkt und die Umweltentwicklung so miteinander versöhnen kann, dass
wir auf der einen Seite die planetarischen Grenzen nicht
nur anerkennen, sondern auch einhalten und auf der anderen Seite diesen 7 bis 10 Milliarden Menschen ein
wirklich gutes Leben ermöglichen.
Es gab auch überhaupt keinen Dissens darüber, dass
es nicht möglich ist, dieses Ziel durch ein Zurück in die
Steinzeit zu erreichen, sondern dass wir es nur mit einer
hochleistungsfähigen, innovativen Wirtschaft erreichen
können.
Daher haben wir miteinander über die Frage diskutiert, wie wir eine solche Veränderung unserer Wirtschaftweise und Lebensweise erreichen können, um
diese beiden Ziele - Schutz der Umwelt und Einhaltung
der planetarischen Grenzen einerseits und ein gutes Leben für 10 Milliarden Menschen andererseits - vereinbaren zu können. Das war doch der Kern unserer Debatten
und Diskussionen. Stimmen Sie mir zu? Das wollten wir
ja durch die Indikatoren abbilden, über die wir miteinander diskutiert haben.
Frau Kollegin, im Großen und Ganzen stimme ich Ihnen zu. Bei der großen Mehrheit der Mitglieder der
Enquete-Kommission, die im Plenum und in der Projektgruppe, die ich beurteilen kann - das war die Projektgruppe 2 -, diskutiert haben, war die Diskussion auf
diese Ziele ausgerichtet. Was in den anderen Projektgruppen stattgefunden hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Danach haben Sie mich auch nicht gefragt. In den
Bereichen, in denen ich das beurteilen kann, ist es der
großen Mehrheit, aber eben nicht allen, um diese Inhalte
gegangen. Es war auch nicht für alle klar und selbstverständlich, dass wir eine funktionierende und florierende
Wirtschaft brauchen, die auf Wachstumskräfte setzt, um
die Lebensqualität für möglichst viele Menschen auf dieser Welt zu verbessern.
Wir haben uns in unserer Projektgruppe schon nach
relativ kurzer Zeit, nachdem klar war - Frau Kollegin
Kolbe war es, glaube ich, die von der eierlegenden Wollmilchsau gesprochen hat -, dass es diese eine verständliche Zahl nicht gibt, mit der Frage auseinandergesetzt, in
welchen Dimensionen in den Bereichen des Materiellen,
des Sozialen und der Ökologie wir mit welchen Indikatoren abbilden können, wie es um den Wohlstand und
die Lebensqualität der Menschen in Deutschland, aber
auch der Menschen in Europa und in der Welt bestellt
ist. Wir wurden dafür kritisiert. Vonseiten der Grünen
wurde uns gesagt: Das ist viel zu kompliziert. Die Leute
sind nicht interessiert daran. Sie verstehen zehn Zahlen
nicht. Zehn Werte können sie sich nicht merken und
nicht anschauen.
({0})
Andere wollten wirklich nur eine einzige Zahl nehmen
und alles zusammenmauscheln. Dann sähe aber niemand
mehr, wenn es bei der Bildung aufwärts und bei der Qualität der Arbeit abwärts ginge. Alles würde zugekleistert
und zugedeckt. Deswegen können wir damit nichts anfangen.
Die große Mehrheit der Enquete-Kommission ist der
felsenfesten Überzeugung, dass die Menschen in
Deutschland nicht dämlich, sondern interessiert sind, und
dass sie sich sehr wohl die Entwicklung von zehn unterschiedlichen Indikatoren anschauen können. Anhand der
Darstellung der Entwicklung dieser Zahlen können sie
sehr wohl abmessen, wie es in unserer Gesellschaft zugeht.
({1})
Einer unserer Sachverständigen - ich glaube, es war
der Professor Schmidt - hat immer gesagt: Jeder will Auto
fahren können. Wir muten den Leuten zu, den Ölstands-,
Geschwindigkeits-, Touren- und Benzinstandsmesser mit
einem Blick zu erfassen. Niemand spricht davon, dass
Autofahren zu kompliziert ist. Um nichts komplizierter ist
unser Wohlstandsindikatorensatz, unser W3.
Wir als Koalitionsfraktion haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir die Bundesregierung auffordern, unsere Arbeit in den nächsten Wahlperioden weiterzuführen. Wir möchten eben nicht, dass
unser dicker Bericht in den Aktenschränken verschwindet, sondern wir möchten, dass die Erkenntnisse, die wir
gewonnen haben, auch nach außen dokumentiert werden. Wir möchten das in einem Gebäude, im Deutschen
Bundestag, präsent machen. Wir möchten, dass jeder
Bürger, den es interessiert, die Entwicklungen und Veränderungen sofort sehen kann. Wir möchten, dass das
Statistische Bundesamt diese Zahlen im Blick hat, die
Veränderung dokumentiert und mitteilt.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Wenn wir Ihnen diese zehn Indikatoren mit den zehn
Warn- bzw. Hinweislampen als Empfehlung unterbreiten, glauben wir sicherlich nicht, damit etwas ganz Perfektes geschafft zu haben.
({0})
Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass man in vier,
sechs oder acht Jahren vielleicht sagen wird: Da fehlt
noch etwas. Haben wir aber doch einfach den Mut, dies
anzunehmen und diese Arbeit nach außen zu dokumentieren.
Ich danke Ihnen.
({1})
Das Wort hat nun Matthias Zimmer für die CDU/
CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man
nach 28 Monaten teilweise heftiger Debatte - ein wenig
davon haben wir ja auch heute gespürt - heute die Möglichkeit hat, parlamentarisch das letzte Wort zu haben,
erfüllt einen das natürlich schon mit Freude,
({0})
aber auch mit einer gewissen Demut. Lassen Sie mich
deswegen mit einer eher nachdenklichen Note schließen
und drei Fragen hervorheben, die für mich besondere
Bedeutung bekommen haben, auf die ich aber in der Enquete-Kommission keine endgültige Antwort gefunden
habe.
Erstens. Die Rolle der Technik. Unsere Probleme sind
von Technik und einem technischen Denken hervorgerufen worden. Fast alle in der Kommission, über alle Fraktionen hinweg, schienen der Auffassung zu sein, für
technische Probleme gebe es technische Lösungen: die
Techniken des Marktes, Umwelttechniken, Sozialtechniken, Herrschaftstechniken. Die Grammatik des technischen Denkens war auch in der Arbeit der Kommission
dominant. Wir mögen nicht mehr fortschrittsgläubig
sein, aber wir sind zutiefst technikgläubig, bis in die Tiefenstrukturen unseres Denkens hinein. Das ist das vielbeschworene Gehäuse der Hörigkeit, das wir durch unseren Lebensstandard kommod ausgestattet haben.
Wir sind wohlgenährte Troglodyten unserer technischen Möglichkeiten. Technikfolgen haben wir noch immer mit irgendeiner Folgetechnik bewältigt. Ich frage
hier lediglich skeptisch: Können die Probleme auf Dauer
mit der Form des Denkens gelöst werden, die uns die
Probleme eingebracht hat?
({1})
Zweitens. „Wo keine Götter sind, da walten Gespenster“, so Novalis. Die technische Zivilisation hat ihre metaphysische Heimat längst verloren. Die permanente
existenzielle Absturzgefährdung wird durch die Gespenster unserer Zeit abgesichert: Konsum, Bedürfnisbefriedigung, die Zufriedenheit im Materiellen, der Rausch
und der Reiz des Neuen. Unser Gespenst, unser Fetisch,
ist das Wachstum. Kommt es abhanden, stoppt der Motor, bricht Panik aus. Zu viel hängt davon ab.
Wachstum ist nicht nur die irenische Formel der modernen Gesellschaft, sondern ihr existenzieller Urgrund.
Wo Maß und Mitte sind, haben wir ebenso vergessen wie
jene höheren Dinge, die dem Leben einstmals Sinn gaben. Dies zu ändern, liegt aber außerhalb der politischen
Möglichkeiten. Vielleicht kann ja der neue Indikator helfen, die Bedingungen des gesellschaftlichen Diskurses
zu verändern. Damit wäre schon viel erreicht.
({2})
Drittens. Wir haben häufig über die Ambivalenz des
Fortschritts diskutiert. Der Begriff scheint eingedunkelt,
aber nach wie vor von faszinierender Strahlkraft. Immer
noch verspricht er Befreiung von Mühsal und Plage, von
Arbeit und Anstrengung. Immer noch steckt dahinter die
Vorstellung, der Mensch könne das verlorene Paradies
durch die Umgestaltung der Natur zurückgewinnen und
sich im Zuge dessen gewissermaßen selbst zivilisieren
und veredeln.
Das ist eine zentrale Idee im Projekt der Moderne.
Darin zeigt sich noch heute ihr überschießendes normatives Potenzial. Es muss aber eingebunden werden in ein
Bild des Menschen, das ihn als Person ernst nimmt.
Hierzu hat gerade die katholische Soziallehre in den letzten Jahrzehnten viel Nachdenkenswertes beigetragen.
Ich wünsche mir persönlich, dass vor allem die Union
diese Ideen aufgreift, kreativ umsetzt und politisch wirksam werden lässt. Wir wollen als Union nicht nur der
Sachwalter des Bestehenden sein, der alles, was wirklich
ist, als vernünftig verklärt, und ebenso wenig sollten wir
in den Paradigmen reiner Marktliberalität gefangen bleiben. Dies sollten wir anderen überlassen.
({3})
Wir sind keine „gottlosen Selbstgötter“, um ein böses
Wort von Heinrich Heine aufzugreifen, und ebenso wenig stimmen wir in das spöttische Lied ein, der ideale
Lebenszweck sei Borstenvieh und Schweinespeck. Wir
müssen schon den Ehrgeiz haben, die Gesellschaft nach
einem im Transzendenten verhafteten Bild des Menschen zu gestalten.
Ich habe in den vergangenen 28 Monaten viel gelernt:
in den Sitzungen wie in den Arbeitsgruppen, durch Widerspruch ebenso wie durch Zuspruch. Das Lernen war
nicht nur ein inhaltliches; es bestand auch in der Erfahrung der Kooperation über Fraktionsgrenzen hinweg. Im
fachlichen Ringen hat sich manche persönliche Hochachtung entwickelt - auch Freundschaft. Am Ende bedrängte
uns aber der Eindruck, dass wir noch mehr hätten machen
können. Manche Fäden blieben unverbunden liegen. Ich
wünsche mir, dass der Deutsche Bundestag an den aufgeworfenen Fragen weiter arbeitet.
Dazu habe ich einen Wunsch. In der Arbeit der Kommission hat sich an vielen Stellen gezeigt, dass unser Er30792
kenntnisinteresse die Mauern von Fraktions- und Koalitionsdisziplin überwindet. Ich würde solchen Prozessen
gerne mehr Raum geben, ohne die Fragestellungen und
Erkenntnisse gleich wieder zu kanalisieren. Deshalb lautet mein Plädoyer: Wenn sich Enquete-Kommissionen
mit Zukunftsaufgaben beschäftigen, sollten wir ihnen
ein wenig mehr Beinfreiheit lassen.
({4})
Ich bin der Überzeugung: Wir können es dem Deutschen Bundestag zumuten, sich mit einem Bericht auseinanderzusetzen, der nicht schon von vornherein die eingeübten Lagerzugehörigkeiten abbildet. Das erfordert
von allen Fraktionen ein wenig mehr Mut und ein wenig
mehr Vertrauen. Aber ich glaube, es lohnt sich.
({5})
Ich schließe die Aussprache. Wir haben damit den
Schlussbericht der Enquete-Kommission zur Kenntnis
genommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache
17/13730. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13731. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung
der Linken abgelehnt.
Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels
und Überwachung von Prostitutionsstätten
- Drucksache 17/13706 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen
Hartfrid Wolff für die FDP-Fraktion das Wort.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem
von der Koalition vorgelegten Gesetzentwurf wird die
EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels
und zum Schutz seiner Opfer umgesetzt.
({0})
Durch die Erweiterung der Strafvorschrift des § 233 des
Strafgesetzbuches auf die Fälle des Menschenhandels
zum Zwecke der Ausnutzung strafbarer Handlungen und
der Bettelei sowie zum Zwecke der Organentnahme werden diese Fälle ausdrücklich unter Strafe gestellt. Dies
schafft Klarheit und trägt auch der Bedeutung dieser Kriminalitätsphänomene Rechnung.
({1})
Viele zur besseren Bekämpfung des Menschenhandels gemachten Vorschläge hätten eine intensivere Prüfung und Erörterung erfordert,
({2})
die jedoch wegen der Fristgebundenheit der Umsetzung
dieser Richtlinie in dieser Wahlperiode kaum realisierbar
erschienen.
({3})
So halte ich es im Einvernehmen mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für sinnvoll, sich in
der nächsten Legislaturperiode nochmals an die Systematisierung und die Überprüfung der Straftatbestände
zur Bekämpfung des Menschenhandels zu machen.
Die von polizeilicher und staatsanwaltlicher Seite geforderte grundlegende Überarbeitung der Straftatbestände der §§ 232, 233 und 233 a StGB erscheint durch
die relativ geringe Anzahl von Verurteilungen wegen
dieser Vorschriften, die nicht dem tatsächlichen Ausmaß
dieser Kriminalitätsform entspricht, als durchaus diskussionswürdig.
({4})
Das wird in der nächsten Wahlperiode eingehend zu prüfen sein, und es werden gegebenenfalls gesetzgeberische
Vorschläge zu machen sein.
Jedenfalls bleibt es ein schwerwiegendes Problem,
dass oft Täter ihre Opfer unter Ausnutzung von Zwangslagen, Hilflosigkeit, Gewalt oder Drohungen zur Ausbeutung und zur Prostitution bringen. Die kausale Verbindung zwischen Zwangslage und Ausbeutung durch
die Handlungen des Täters muss vorliegen und nachgewiesen werden, um nach derzeitiger Rechtslage verfolgt
werden zu können. Polizeien und Staatsanwaltschaften
weisen darauf hin, dass der Nachweis dieser Umstände
oft schwierig ist.
Immerhin ist es uns jetzt gelungen, einen wichtigen
Punkt außerhalb des Strafrechts anzugehen; das ist
durchaus beachtlich. Wir werden den Betrieb von Prostitutionsstätten zukünftig entsprechend den Regelungen
Hartfrid Wolff ({5})
für andere überwachungsbedürftige Gewerbe in die Gewerbeordnung aufnehmen.
Kaum jemandem im Lande ist verständlich zu machen,
dass sich Betreiber von Spielhallen, Schankwirtschaften
oder Amüsierlokalen einer Betriebsüberwachung oder
gar einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen müssen, aber ausgerechnet Betreiber von Bordellen nicht.
Seit die Sittenwidrigkeit der Prostitution aufgehoben
wurde, war es möglich, Prostitutionsstätten bis hin zum
Flatrate-Großbordell ohne gewerberechtliche Überprüfungsmöglichkeiten einzurichten.
({6})
Bei aller Freude über die Abschaffung von damals falschen Tabus: Eine solche Privilegierung eines bestimmten Gewerbes gegenüber anderen ist kaum nachvollziehbar.
Eine gewisse Betriebsblindheit muss man der damaligen rot-grünen Koalition schon attestieren.
({7})
Das grundsätzlich richtige Ziel, nämlich die Stärkung
der Rechte von Frauen und die Herausnahme dieses Gewerbebereichs aus der Illegalität, wurde zwar erreicht,
die dazugehörigen gewerberechtlichen Rahmenregelungen unterblieben jedoch leider.
({8})
Dies hat zur Folge, dass wir in Deutschland der Ausbeutung von Frauen nicht wirkungsvoll genug entgegentreten können. Bislang gab es kein gewerberechtliches
Instrument, beispielsweise einem verurteilten Menschenhändler die erneute Eröffnung eines Bordells zu
untersagen.
Mit unserem Gesetzentwurf wird eine automatische
Überprüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden
unverzüglich nach Gewerbeanmeldung oder Gewerbeummeldung eingerichtet. Den zuständigen Behörden
stehen nunmehr zur Überwachung des Betriebs zudem
die Auskunfts-, Kontroll- und Nachschaurechte des § 29
der Gewerbeordnung zur Verfügung.
Darüber hinaus kann der Gewerbebetrieb von Auflagen zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der
Prostituierten oder auch der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren,
erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen
abhängig gemacht werden. Dies ist ein deutlicher Fortschritt und eine notwendige Ergänzung zum Schutz der
in diesen Betrieben tätigen Frauen.
Aber zu den weiteren Maßnahmen, die den Opferschutz beim Menschenhandel betreffen, gehört auch die
dringend nötige Überprüfung ausländerrechtlicher Regelungen.
({9})
Dies ist und bleibt ein Anliegen der FDP. Zum Schutz
verschleppter Frauen haben wir in dieser Wahlperiode
einiges geleistet, Herr Kollege Beck.
({10})
Zwangsheirat wird jetzt explizit als Straftat benannt, und
wir haben den ausländischen Opfern von Zwangsverheiratungen zudem ein eigenständiges Wiederkehr- bzw.
Rückkehrrecht eingeräumt.
Die frühere Regelung, wonach der Aufenthaltstitel für
verschleppte junge Frauen nach sechs Monaten automatisch erlosch, wurde für Opfer von Zwangsverheiratungen nunmehr beseitigt. Etwas Vergleichbares strebt die
FDP auch für die Opfer von Zwangsprostitution an. Die
Opfer müssen eine Chance erhalten, sich aus der
Zwangslage befreien zu können, zu der leider oft auch
im Herkunftsland lebende Familien beigetragen haben.
Des Weiteren gilt auch: Gerade zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität ist häufig die Aussage eines
Opfers vor der Polizei oder im Gerichtsverfahren bedeutsam. Diese Aussage erhalten wir aber nur, wenn sich
die Opfer vor Verfolgung hier oder im Heimatland sicher
fühlen können. Ein entsprechender Aufenthaltstitel wäre
deshalb aus unserer Sicht wichtig.
Da aber ausländerrechtliche Regelungen ebenso wie
die eingangs genannten strafrechtlichen Lösungen erhebliche Folgeprobleme aufwerfen können, müssen sie
sorgfältig erwogen und geprüft werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Beck?
Ich bin gleich am Ende meiner Rede, dann können Sie
eine Kurzintervention machen.
({0})
Das werden wir in der nächsten Wahlperiode leisten.
Für die FDP steht der effektive Schutz von Opfern an
oberster Stelle.
({1})
Die vergangenen vier Jahre mit einer Regierungsbeteiligung der FDP waren vier gute Jahre für Deutschland.
({2})
Gerade im Bereich der Innen- und Rechtspolitik haben
wir einige Erfolge erzielt, die dieser Koalition anfangs
kaum einer zugetraut hätte.
({3})
Hartfrid Wolff ({4})
Das werden wir auch fortsetzen.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat nun Eva Högl für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Wolff, das, was Sie hier vorlegen, ist eine Frechheit.
({0})
Das wird dem Thema Bekämpfung des Menschenhandels in keinem Punkt gerecht. Menschenhandel ist eines
der schlimmsten Verbrechen in der heutigen Zeit. Es ist
die moderne Form der Sklaverei. Frauen werden zur
Prostitution gezwungen, Männer und Frauen unter
schlimmsten Bedingungen ausgebeutet und Kinder zum
Betteln genötigt. Zwangsprostitution, illegaler Organhandel und Zwangsarbeit: Menschenhandel zielt immer
auf die systematische Ausbeutung von Menschen. Es ist
leider ein äußerst gewinnbringendes Geschäftsfeld für
die Täterinnen und Täter.
({1})
Durch die globale Vernetzung hat der Menschenhandel
zusätzlich noch eine internationale Dimension bekommen und entsprechend zugenommen.
Der erste Bericht der Europäischen Kommission über
Menschenhandel in Europa wurde gerade im April 2013
vorgestellt, und er liefert erschreckende Zahlen. Die
Zahl der Opfer in der Europäischen Union ist zwischen
den Jahren 2008 und 2010 um 18 Prozent auf über
20 000 gestiegen. Wir wissen, dass die Dunkelziffer
noch viel höher liegt. Die andere Zahl ist genauso erschreckend: Die Zahl der Verurteilungen sank im gleichen Zeitraum um 13 Prozent. Deswegen bin ich sehr
froh, dass wir in Europa Gesetze gegen Menschenhandel
haben. Es ist richtig und wichtig, dass sich Europa dieses
Themas angenommen hat. Es gibt ein Übereinkommen
des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels
aus dem Jahr 2005 und die Richtlinie zur Verhütung und
Bekämpfung des Menschenhandels vom 5. April 2011,
die wir umsetzen müssen. Aber die Koalition versagt
komplett bei der wichtigen Aufgabe, diese gute Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umzusetzen.
({2})
Herr Wolff, die Koalitionsfraktionen hatten zwei
Jahre lang Zeit, dieses wichtige Thema engagiert anzugehen und sinnvolle gesetzliche Regelungen vorzulegen.
Ich mache das nicht oft - Herr Kollege Uhl, Sie wissen
das wahrscheinlich -, aber ich zitiere Sie jetzt. Sie haben
gesagt: Die Union wollte mehr, als uns die FDP zugestanden hat. - Das ist ein Armutszeugnis für die Koalition; denn wir haben auch aus den unionsregierten Ländern Bayern und Hessen deutliche Kritik vernommen.
Das ist ein Zeichen, dass diese Koalition - anders als Sie
das gesagt haben, Herr Wolff - bei der wichtigen Aufgabe der Bekämpfung des Menschenhandels völlig
handlungsunfähig ist.
({3})
Was brauchen wir? Wir brauchen einen wirksamen
Schutz der Opfer von Menschenhandel. Die Opfer von
Menschenhandel sind schutzbedürftig. Wir brauchen vor
allem eine Neuregelung im Aufenthaltsrecht. Wir wissen
ganz genau, dass die Personen, die Opfer von Menschenhandel werden, unter einem enormen Druck stehen, sodass wir ihr Aufenthaltsrecht nicht davon abhängig machen dürfen, ob es ein Strafverfahren gibt und ob sie in
einem Strafverfahren aussagen. Wir müssen das Aufenthaltsrecht so ausgestalten, dass sie unabhängig von einem Strafverfahren Bleibemöglichkeiten in unserem
Land bekommen. Das sagt auch die Richtlinie. Aber
dazu sagt Ihr Gesetzentwurf kein Wort.
({4})
Wir waren mit dem Rechtsausschuss in den USA und
haben zusammen mit Herrn Kauder intensive Gespräche
über die dortigen Regelungen geführt. Wir haben uns angeschaut, wie das T-Visum funktioniert. Wir waren uns
einig, das ähnlich zu regeln. Die Opfer und ihre Angehörigen sollten einen Aufenthaltstitel bekommen. Auch
dazu sagt Ihr Gesetzentwurf nichts.
({5})
Wir müssen die Opfer von strafrechtlicher Verfolgung
freistellen. Wir wissen, dass es Begleitstraftaten der
Opfer gibt. Zum Beispiel verstoßen sie gegen die Strafvorschrift über die Verwendung falscher Ausweispapiere, oder sie begehen Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht. Die Richtlinie verlangt, die Opfer von solcher
strafrechtlichen Verfolgung freizustellen. Auch dazu
sagt Ihr Gesetzentwurf kein Wort.
({6})
Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Er
betrifft die Änderung des Strafrechts. Wir müssen nicht
nur die Opfer schützen, sondern auch gewährleisten,
dass die Täter und Täterinnen effektiv bestraft werden.
Alle Experten, ob Polizei, Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaften, Gerichte oder
Opferberatungsstellen, sind sich einig, dass unsere geltenden Strafvorschriften ungenügend sind, wenn es um
eine wirksame Bestrafung der Täter und Täterinnen
geht. Darüber haben wir intensiv diskutiert, sowohl im
Rechtsausschuss als auch in einer Anhörung. Bislang ist
in § 233 StGB davon die Rede, dass der Täter das Opfer
unter Ausnutzung bestimmter Umstände zur Ausbeutung
bringt. Es ist also ein Dazu-Bringen notwendig. Wir
müssen diesen Paragrafen so ändern, dass der Nachweis,
dass das Opfer in die Ausbeutung gedrängt wurde, erleichtert wird. Es muss künftig möglich sein, dass die
Täter schon dann bestraft werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Ausbeutung schaffen. Wir brauchen
eine andere Formulierung. Herr Wolff, Sie wissen ganz
genau, wovon ich spreche. Darin sind alle, die sich mit
dieser Strafvorschrift befasst haben, einer Meinung.
Aber was lese ich in Ihrem Gesetzentwurf? Ich zitiere:
Die zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels in Fachkreisen, insbesondere seitens
Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen
sowie von Seiten der Strafverfolgungsorgane diskutierten weiteren Vorschläge hätten eine intensive
Prüfung und Erörterung erfordert, die das wegen
der Fristgebundenheit der Umsetzung der Richtlinie
angestrebte Inkrafttreten des Gesetzes in dieser
Wahlperiode kaum realisierbar erscheinen lassen.
Herr Wolff, das ist eine Unverschämtheit; das ist eine
Frechheit.
({7})
Sie hatten vier Jahre lang Zeit, sich intensiv Gedanken über gute Vorschläge zu machen. Stattdessen fügen
Sie in Ihrem Gesetzentwurf Folgendes an - weil es so
scheußlich ist, muss ich auch das zitieren -:
Diese und mögliche weitere Vorschläge auch außerhalb des Strafrechts zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Besserstellung
seiner Opfer werden in der nächsten Wahlperiode
eingehend zu prüfen und gesetzgeberische Vorschläge entsprechend dieser Prüfung zu erarbeiten
sein.
Das ist unfassbar, meine Damen und Herren.
({8})
Die niedersächsische Justizministerin, Frau NiewischLennartz, hat nicht einmal 100 Tage dazu gebraucht, um
einen exzellenten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von
Menschenhandel vorzulegen. Ich erwähne das nur, um zu
zeigen, dass man weniger als vier Jahre braucht, um zu
einer guten Regelung zu kommen.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Gewerberecht
machen. Wir haben eine Diskussion über unser Prostitutionsgesetz von 2001, das wir in rot-grüner Regierungszeit auf den Weg gebracht haben. Unser Ziel war es damals - das ist der Leitgedanke dieses Gesetzes gewesen;
der gilt auch noch heute -, die Arbeitsbedingungen von
Prostituierten zu verbessern. Das ist unsere Motivation.
Prostituierte können jetzt ihren Lohn einklagen, sich
krankenversichern, sich arbeitslosenversichern und rentenversichern. Dieses Gesetz ist umfassend evaluiert
worden. Wir haben auch eine lebendige Diskussion
darüber - die ist richtig und gut -, was wir verbessern
müssen.
Wenn man im Gewerberecht etwas ändern und Prostitutionsstätten gewerberechtlich regeln will, dann bin ich
die Letzte, die etwas dagegen hat.
({9})
Ich bin völlig offen für diese Diskussion, weil ich erkenne, dass wir einen Handlungsbedarf haben. Aber wie
Sie, lieber Herr Wolff, das jetzt machen, kann man es
nicht machen.
({10})
Sie fügen eine Nr. 7 im § 38 der Gewerbeordnung ein,
definieren aber nicht, was Prostitutionsstätten sind. Sie
sagen in der Gewerbeordnung mit keinem Wort, was darunter zu verstehen ist.
({11})
- Ich habe den Gesetzentwurf vorliegen. Ich habe ihn
gelesen und kann wohl lesen, Herr Wolff. - Wenn Sie es
ernst damit meinen, Prostitutionsstätten dem Gewerberecht zu unterwerfen, dann müssen Sie eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten einführen,
({12})
dann müssen Sie Kriterien festlegen, dann müssen Sie
sagen, was eine Prostitutionsstätte ist, wo sie in unseren
Städten und Gemeinden sein soll, wie groß sie sein soll,
welche Betreiber sie haben soll und welche hygienischen
und sonstigen Bedingungen zur Ausübung der Prostitution zu erfüllen sind.
({13})
Das wäre richtig. Wir von der SPD sind die Allerletzten
- ich denke, das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen -, die sich einer Diskussion darüber verschließen. Aber so, wie Sie es machen, wird es den Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf den Bundesrat verweisen. Der Bundesrat hat sich am 11. Februar
2011 deutlich positioniert und genau in diese Richtung
argumentiert. Er hat gesagt: Wenn wir etwas am Gewerberecht ändern, dann müssen wir eine Erlaubnispflicht
vorsehen.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole das, was
ich ganz am Anfang gesagt habe: Dieser Gesetzentwurf
wird dem gravierenden Problem des Menschenhandels,
mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, in keiner
Weise gerecht. Er sieht keinen umfassenden Opferschutz
vor, was die Richtlinie aber vorschreibt; Sie verlieren
kein Wort über Beratung, Sensibilisierung oder Begleitmaßnahmen, die für Opfer wichtig sind. Es findet sich
kein Wort zum Aufenthaltsrecht, und Sie scheitern auch
bei der wichtigen Frage der effektiven Bestrafung der
Täter und der Täterinnen. Auch das wäre wichtig gewesen. Auch das schreibt die Richtlinie vor.
Sie nehmen in Kauf, dass wir das Problem des Menschenhandels nicht gut regeln, sondern dass es immer
mehr Opfer von Menschenhandel gibt. Ich sage es Ihnen
ganz offen, Herr Wolff: Dieser Gesetzentwurf ist Murks.
Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie ihn zurück! Lassen Sie
uns nach dem 22. September neu starten.
({14})
Wir haben gute Ideen, wir haben Vorschläge vorgelegt. Wir sind dazu bereit - auch das wissen Sie -,
gemeinsam mit allen Fraktionen zu einer guten Regelung zu kommen. Wir haben zu Anfang dieser Legislaturperiode Ansätze gemacht.
({15})
Sie waren zu keinem Gespräch bereit. Das, was Sie
heute vorlegen, ist alles andere als ein guter Gesetzentwurf. Nutzen Sie die Chance, ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück! Setzen wir uns zusammen, und lassen Sie
uns gemeinsam etwas machen, was den Opfern hilft und
was eine Bestrafung der Täter ermöglicht.
({16})
Vielen Dank.
({17})
Das Wort hat nun Ute Granold für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Das Thema Menschenhandel begleitet mich, seitdem ich
in diesem Parlament bin, seit genau elf Jahren. Seit genau elf Jahren gibt es auch das Prostitutionsgesetz. Lassen Sie mich von dem berichten, was ich aus meiner Erfahrung zu dem Thema weiß.
Ich bin im Stiftungsbeirat von Solwodi. Solwodi
kennt jeder, es ist eine Opferschutzorganisation. Ich
weiß also, wovon ich spreche. Ich bin erschüttert über
die Situation der Menschenhandelsopfer, insbesondere
der Zwangsprostituierten, nicht nur in Deutschland, sondern auch derjenigen in Europa und weltweit. Der Menschenhandel ist ein sehr lukratives Geschäft. 31 Milliarden Euro werden umgesetzt; mit steigender Tendenz.
Illegaler Waffenhandel und Drogenhandel sind nicht so
interessant und lukrativ wie Menschenhandel; denn
Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt. Es werden Prioritäten gesetzt, in welchen Bereichen die Polizei tätig ist.
Ich brauche die Zahl der verurteilten Zuhälter, der Menschenhändler nicht zu wiederholen. Sie wurde bereits
genannt. Die niedrige Zahl liegt in der Natur der Sache,
weil eben Menschenhandel ein Kontrolldelikt ist.
Mit dem Kollegen Siegfried Kauder, unserem jetzigen Vorsitzenden des Rechtsausschusses - ich habe mir
meine Rede von damals durchgelesen -, bin ich im Jahr
2004 zum größten Bordell Europas gereist. Dieses Bordell ist in einem kleinen Landkreis in Tschechien in der
Nähe der bayerischen Grenze. In diesem gibt es 40 Bordelle mit 800 Prostituierten. Die Prostituierten werden
größtenteils aus Südosteuropa rekrutiert. Sie glauben, sie
kommen als Au-pair, als Haushaltshilfe oder als Helfer
in der Gastronomie nach Deutschland. Sie werden dort
eingearbeitet in ein Metier, das sie nicht kennen. Die
durchschnittliche Einarbeitungszeit beträgt sechs bis
acht Wochen. Dann werden die Frauen taxiert - groß,
klein, dick, dünn, mit Narben, ohne Narben, Alter, Gebrechen - und bewertet. Im Jahr 2005 kostete eine Frau
im Durchschnitt 550 Euro, die quer durch Europa verkauft wird. Deutschland ist Ziel- und Transitland für
Menschenhandel. Aufgrund der Globalisierung gibt es
das Phänomen, dass die Frau mal in Spanien oder in
Deutschland ist und weiterverkauft wird. Die Zuhälter
und die Schlepper verdienen daran. Es kommt auch vor,
dass die Schlepper und Zuhälter Frauen sind. Während
unseres Besuches damals wurde eine Rumänin zu
18 Jahren Gefängnis verurteilt, deren Schlepperring aufgeflogen war.
Ich bin seit Jahren mit Leidenschaft bei diesem
Thema engagiert, weil ich selbst erlebt habe, welches
Leid die Frauen erfahren. Ich meine, mich deshalb zu
diesem Thema äußern zu können. Wir sollten alles dazu
beitragen, diesen Frauen und jungen Mädchen zu helfen
- zu 85 Prozent geht es um Zwangsprostitution -, egal
ob es auf nationaler, europäischer oder internationaler
Ebene ist. Demzufolge ist es auch kein Thema für irgendeine parteipolitische Streiterei.
({0})
Unser Gesetzentwurf ist keine „Frechheit oder Unverschämtheit“, sondern ein erster Schritt in die richtige
Richtung. Ich weiß wohl, dass es nur ein erster Schritt
ist. Wenn ich sehe, worüber in den Jahren 2001, 2002
und 2003 in diesem Hause diskutiert wurde und worüber
wir heute reden, dann stelle ich fest, dass wir nicht viel
weiter sind. Damals hatten wir andere Koalitionen. Insofern müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen.
({1})
Wir waren gerade mit dem Menschenrechtsausschuss
in Genf. Dort haben wir mit der für die Bekämpfung von
Menschenhandel zuständigen Kommissarin gesprochen.
Ich war bei vielen Veranstaltungen, auch mit Frau
Dr. Konrad, der ehemaligen Sonderbeauftragten der
OSZE. Über Parteigrenzen hinweg versuche ich, Öffentlichkeit für dieses Thema zu schaffen, weil es noch nicht
öffentlich genug ist. Wir müssen sensibilisieren.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Beck?
Nein. Das machen wir später, Herr Beck.
({0})
Wir versuchen, auf allen Ebenen eine Regelung zu
finden. Es wurde der Bericht über die Situation in Europa angesprochen, der auf EU-Ebene erstellt und im
April veröffentlicht wurde. Wir kennen auch die Zahlen
für Deutschland. Wir haben eine hohe Dunkelziffer. Man
schätzt, dass es ungefähr 880 000 bis 900 000 Menschenhandelsopfer in Europa gibt. Jedes Opfer ist ein
Opfer zu viel. Wir sind bemüht, im Strafgesetzbuch - ich
brauche es nicht zu wiederholen - Regelungen zu treffen. Wir müssen aber noch mehr tun. Wir müssen an die
Opfer denken, und wir müssen insbesondere Präventionsarbeit leisten. 80 Prozent der Prostituierten, die hier
tätig sind, kommen aus dem Ausland. In der Regel kommen arme Menschen hierher. Wir müssen sie sensibilisieren, was es bedeutet, weiter in der Heimat zu leben
oder nach Deutschland zu kommen.
Das müssen wir auch wissen, wenn wir über das Bleiberecht diskutieren. Für die Opfer aus Drittstaaten muss
es ein Bleiberecht geben - unbestritten. Die meisten Opfer, die wir in Deutschland zu beklagen haben - etwa
70 Prozent -, kommen aus Südosteuropa. Für sie braucht
es kein Bleiberecht, weil sie sich aufgrund der EU-Mitgliedschaft überall in Europa aufhalten können. Das
muss man bedenken, und man muss ehrlich sein. Wir
müssen auch darüber nachdenken, ob wir im Rahmen eines Strafprozesses - es geht hier nicht nur um das materielle Strafrecht - auch den Sachbeweis zulassen und
dort neue Wege gehen.
Wir sollten auch darüber nachdenken - dafür kämpfe
ich seit vielen Jahren -, ob wir unser Augenmerk nicht
auch auf die Freier richten. Wenn ein Freier weiß, dass er
zu einer Zwangsprostituierten geht, und das immer wieder tut, dann bin ich der Auffassung, dass dieser Freier
bestraft werden muss. Ein fertiger Gesetzentwurf liegt in
der Schublade.
({1})
Seit 2004 ist leider keine Umsetzung möglich.
Meine Redezeit ist leider vorbei.
({2})
Der Kollege Uhl wird sich noch einmal mit der Gewerbeordnung befassen. Am Ende muss ich sagen: Wir sollten nach diesem ersten Schritt gemeinsam sehr schnell
weitere Schritte in Richtung Opferschutz und Prävention
gehen. Die EU-Richtlinie, über die wir heute reden,
wurde mittlerweile von 13 der 27 Staaten umgesetzt. Es
gibt noch einiges, was wir tun können. Wir sollten Vorbild sein und sie umsetzen, aber auch die nächsten
Schritte, die dringend erforderlich sind, gehen.
Es tut mir leid, dass meine Redezeit zu Ende ist.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat nun Katrin Werner für die Fraktion Die
Linke.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Der Menschenhandel in Europa nimmt zu,
und Deutschland ist eine Drehscheibe dieser modernen
Sklaverei. Dies ist das Ergebnis einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie. Das
konnten wir vor drei Tagen auch in den Katholischen
Nachrichten im Netz, dem kath.net, lesen.
Jetzt könnte man meinen: Schnell gehandelt. Vor zwei
Tagen gab es noch nicht einmal die offizielle Vorlage Ihres Gesetzentwurfs. Aber wenn man genauer hinschaut,
kann man nur noch kopfschüttelnd feststellen: Wir befassen uns zwar endlich mit dem Thema „Bekämpfung
des Menschenhandels“, aber das, was die Koalition hier
vorlegt, ist ein echtes Armutszeugnis.
({0})
Elf Jahre nach Einführung des Prostitutionsgesetzes, elf
Jahre Kritik und Verbesserungsvorschläge - und jetzt haben wir dieses miserable Ergebnis?
Das 2002 verabschiedete Gesetz hat zu einer Zunahme des Menschenhandels in Deutschland geführt.
({1})
Zu diesem Ergebnis kommt die von der Europäischen
Kommission finanzierte Studie. Damit ist offenkundig
auch das rot-grüne Prostitutionsgesetz gescheitert.
({2})
Eine EU-Studie aus dem Jahr 2005 hatte bereits auf
der Basis verschiedener Daten errechnet, dass es im Jahr
2003 in Deutschland bis zu 24 700 Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gab.
In der neuen EU-Studie heißt es, dass es europaweit in
den Jahren von 2008 bis 2010 eine Zunahme von Menschenhandel um 18 Prozent gab. Man spricht allerdings
auch von einer viel höheren Dunkelziffer. Bei einer Untersuchung im Jahr 2007 hat die Bundesregierung festgestellt, dass das Gesetz seine Ziele nicht erreicht hat. Dennoch wurde bis heute nichts unternommen. Ihre aktuelle
Vorlage ist nichts anderes als Flickschusterei.
({3})
Sie müssten sich erst einmal einen Überblick über die
reale Lage verschaffen. Ist Ihnen überhaupt bekannt, wie
viele Frauen in Deutschland zur Prostitution gezwungen
werden?
Der Chef der Augsburger Kriminalpolizei hält eine
Gesetzesänderung für dringend erforderlich. Zitat:
Deutschland ist zum Eldorado für Zuhälter und
Bordellbetreiber geworden. Laut Gesetz dürfen sie
den Prostituierten sogar Anweisungen erteilen und
wir als Polizei können nur zuschauen. Die Ausbeutung der Frauen geht also immer weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und
FDP, glauben Sie wirklich, dass Sie mit Ihrer Vorlage daran etwas ändern?
({4})
Vielleicht gehen Sie noch einmal Ihre eigene Begründung durch. Sie schreiben selbst, die Vorschläge von
Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen zur
Verbesserung der Bekämpfung von Menschenhandel
hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert.
Ich bitte Sie! Die Richtlinie ist vom 5. April 2011.
Der Stichtag war der 6. April 2013.
({5})
Wie viel Zeit brauchen Sie eigentlich noch?
({6})
Zwei Jahre lang lief die Frist zur Umsetzung, und erst
die Rüge der EU-Kommissarin Malmström im April
2013 hat Sie zu diesem Schnellschuss veranlasst.
({7})
Sie selbst verweisen in Ihrer Begründung zudem auf die
Kritik von Vertreterinnen und Vertretern der Rechtswissenschaft, der Polizei und der Staatsanwaltschaft.
So schreiben Sie:
Die polizeiliche und staatsanwaltliche Praxis kritisiert, dass der Nachweis dieser Umstände
- hier geht es um die Ausnutzung der Zwangslage der
Opfer durch die Täter sich als schwierig erweise. Unabdingbar sei die
Aussage der Opferzeugen und -zeuginnen, die aber
oft nicht oder nur schwer zu erlangen sei.
Das lässt doch nur einen Schluss zu: Wir brauchen
endlich einen effektiven Opferschutz. Geben Sie den
Opfern die Gelegenheit, sich zu wehren, und schaffen
Sie endlich die gesetzlichen Grundlagen und erforderlichen Bedingungen, um die Opfer zu schützen. Lassen
Sie die Opfer nicht später zu Angeklagten werden und
sie um Almosen betteln. Helfen Sie den Opfern aus der
Zwangslage. Wir brauchen ein Bleiberecht für alle Opfer.
({8})
Die Linke steht an der Seite der Opfer von Menschenhandel. Ihr Gesetzentwurf dagegen wird keinen einzigen
Fall von Menschenhandel verhindern. Er ist das Papier
nicht wert, auf dem er geschrieben steht.
({9})
Andernfalls müssten Sie nämlich die Machbarkeit und
die finanzielle Unterstützung anders betrachten. Sie meinen, dass dies keine zusätzlichen Haushaltsausgaben erfordere. Glauben Sie allen Ernstes, den Menschenhandel
ohne den zusätzlichen finanziellen Aufwand von Bund,
Ländern oder Gemeinden eindämmen zu können und
Opfern damit wirklich zu helfen? Ich kann nur sagen,
Sie betreiben hier Augenwischerei.
({10})
Das Wort hat nun Monika Lazar für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
einigen Tagen war in der Presse zu lesen, dass die Koalition endlich das Thema „Kampf gegen Menschenhandel“ angehen will. Ich war positiv überrascht, weil auch
zu lesen war, dass den Opfern von Menschenhandel endlich ein Bleiberecht zugesichert werden soll. Diese Forderung teilen wir Grünen seit langem, sind aber bis jetzt
bei der Regierung auf taube Ohren gestoßen. Ich zitiere
aus einem Interview mit Volker Kauder aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 1. Juni:
Wir können nicht länger hinnehmen, dass gerade in
Deutschland die Rechte von Frauen so missachtet
werden und dass unser Land zur Drehscheibe für
Menschen- und Frauenhandel in Europa geworden
ist. Das ist ein Skandal.
({0})
- Klatschen Sie mal nicht zu früh; denn was haben Sie
daraus gemacht? Die Europakonvention gegen Menschenhandel verpflichtet die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Prävention von Menschenhandel, zur Strafverfolgung der Täterinnen und der Täter
und zum Schutz der Opfer. Die Bundesregierung hat es
jedoch bei der Ratifizierung versäumt, diese notwendigen Gesetzesänderungen vorzunehmen. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf muss diese Richtlinie jetzt erfüllen;
denn - es wurde schon gesagt - die Frist ist schon längst
verstrichen.
Doch anstatt genau hinzusehen, was die Richtlinie erfordert, werden nur ein paar strafrechtliche Punkte aufgegriffen, und dann ist es mit der Menschenliebe schon
wieder vorbei. Opferrechte und Opferschutz werden in
dem Gesetzentwurf überhaupt nicht erwähnt. Das ist
wirklich skandalös.
({1})
Der zentrale Punkt jeder strafrechtlichen Reform im
Bereich der Zwangsprostitution - die Strafbarkeit der
Freier, die vorsätzlich die Situation einer Zwangsprostituierten ausnutzen - fehlt gänzlich.
({2})
Dann steht in dem Gesetzentwurf auch noch ganz
frech - das wurde vorhin schon gesagt -, dass aufgrund
von Zeitmangel die Vorschläge der Akteurinnen und Akteure aus den Fachkreisen nicht hätten aufgenommen
werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Koalition, das heißt doch nur, Sie konnten sich nicht
einigen. Denn Zeit genug hatten Sie ja: vier Jahre.
({3})
Der Schutz und das Interesse der Opfer wurden dem
Streit in der Koalition und den Ministerien einfach geopfert. Es ist schlicht beschämend, dass Volker Kauder, wie
in dem Interview, die Situation von Menschenhandelsopfern in Deutschland als einen Skandal beschreibt und
dann mit einem so dünnen Papier um die Ecke kommt.
({4})
Er tönt außerdem, dass das rot-grüne Prostitutionsgesetz für alle Missstände verantwortlich sei.
Elf Jahre nach Einführung des Gesetzes müssen weitere Schritte folgen. Da sind auch wir Grünen mit dabei.
Wir fordern zum Beispiel auch gewerberechtliche Regelungen zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen. Da scheinen wir uns einig zu sein.
({5})
Doch wer regiert, der soll nicht über das lamentieren,
was wir vor zwölf Jahren erarbeitet haben, sondern eigene Ideen präsentieren, die dann auch tragen.
({6})
Die Umsetzung der Richtlinie zum Menschenhandel
wird nicht erst seit gestern diskutiert. Wir Grünen haben
dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt - darüber wurde
hier auch schon diskutiert -,
({7})
in dem wir ausführlich darlegen, was wir uns darunter
vorstellen. Sie müssen dem nur zustimmen. Dann sind
wir viel weiter als mit Ihrem dünnen Gesetzentwurf.
({8})
Das größte Hindernis in der gesamten Diskussion ist
ja immer diese unqualifizierte Gleichsetzung von Prostitution mit dem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Dabei gibt es keine Belege, dass der
Menschenhandel durch das Prostitutionsgesetz angestiegen ist. Das kann die Bundesregierung in ihrer eigenen
Antwort auf unsere Kleine Anfrage nachlesen. Es geht
vielmehr um eine Begleiterscheinung von Armutsmigration, der mit sozialen und integrationspolitischen Maßnahmen begegnet werden muss.
Noch einmal zu ihrem Gesetzentwurf. Als „Schleifchen“ setzen Sie noch eine völlig unkonkrete Änderung
zur Gewerbeordnung oben drauf. Zitat: „Prostitutionsstätten sollen zu den überwachungsbedürftigen Gewerben gehören.“
Es wurde schon gesagt: Es bleiben viel mehr Fragen.
Reicht das aus, oder sollten die Stätten besser einer Genehmigungspflicht unterworfen werden? Was genau
meint die Koalition mit dem Begriff „Prostitutionsstätten“? Hat die Koalition die möglichen mittelbaren Folgen ihrer Regelung bedacht? Ich vermute, es ist nur ein
schneller Kompromiss, mit heißer Nadel genäht. Sie haben sich in den Untiefen der Ressortzuständigkeiten und
der schwarz-gelben Koalitionsstreitigkeiten verheddert.
Das haben weder die Prostituierten noch die Opfer von
Menschenhandel verdient.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie
haben etwas angekündigt und haben es nicht gehalten.
Sie vermischen unzulässigerweise Prostitution und Menschenhandel und werfen somit Nebelkerzen. Sie haben
sich in der Koalition schweren Herzens auf diesen Kompromiss geeinigt; aber das ist viel zu spät und viel zu wenig. So können Sie jedenfalls nicht mit unserer Zustimmung rechnen.
Danke.
({9})
Das Wort hat nun Hans-Peter Uhl für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in unserer Abscheu gegenüber Menschenhandel, Zwangsprostitution und ähnlichen Dingen
einig. Wenn man aber über die Rechtslage, die jetzt besteht, und den Gesetzentwurf, den wir vorlegen, diskutiert und Ihnen zuhört, dann reibt man sich die Augen.
({0})
Ich hoffe, alle von Ihnen haben den Spiegel der letzten
Woche gelesen, der einen 18-seitigen Befund enthält.
({1})
Auf dem Titelbild steht:
BORDELL DEUTSCHLAND
Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert
({2})
Sie tun so, als hätte es nie ein rot-grünes Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2001 gegeben.
({3})
Die Vertreter von Rot und von Grün stellen sich hier hin
und tun so, als hätten sie damit nichts zu tun.
({4})
Jeder Polizeibeamte, jeder Staatsanwalt, jeder Richter in
ganz Deutschland, der mit diesen Delikten zu tun hat,
beklagt den jetzigen Rechtszustand.
Herr Kollege Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Beck?
Nein. Der hat viel zu rechtfertigen, aber das tut er
jetzt nicht auf meine Kosten.
({0})
Jetzt rede ich und werde dies im Detail darstellen.
Herr Kollege Beck, Sie sind in der Spiegel-Titelgeschichte mit Bild und Text erwähnt. Erwähnt sind auch
- in Sektlaune - die damalige SPD-Familienministerin
Christine Bergmann, die damalige Fraktionsvorsitzende
der Grünen, Kerstin Müller, und eine Bordellbesitzerin.
({1})
Mit einem Sektglas in der Hand prosten sie sich zu. Darunter steht:
Drei Frauen in Partylaune, weil Männer in Deutschland endlich bedenkenlos in Bordelle gehen konnten
Das war Ihre Errungenschaft vor zwölf Jahren.
({2})
Jetzt kommen Sie daher und schelten uns dafür, dass wir
zu wenig für die Reglementierung tun.
({3})
Sie waren es, die dieses kriminogene Milieu in den
rechtsfreien Raum entlassen haben. Sie waren es, die
eine Dunkelziffer von Tausenden Zwangsprostituierten
zugelassen haben. Sie waren es, die die Polizei daran gehindert haben, Bordelle zu überprüfen, Razzien durchzuführen und Bordelle zu schließen. Und jetzt kommen Sie
daher und sagen, dass das, was wir machen, viel zu wenig ist.
({4})
- Es ist zu wenig; da gebe ich Ihnen sogar recht.
({5})
Das steht auch in der Vorlage: Sie von der Opposition
haben zweimal vorgelesen, dass darin steht, es sei ein
erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser Schritt geht
mir nicht weit genug - ich hätte gern mehr gehabt -, aber
er geht in die richtige Richtung, weg von Rot-Grün, weg
von dem, was Sie damals gemacht haben.
({6})
Das ist die richtige Richtung. Deswegen gehe ich den
Weg. Das ist zu wenig, aber es geht in die richtige Richtung.
Meine Damen und Herren, wir sollten hier ehrlich
sein. Ich habe einen Vorschlag aus dem rot-grün regierten Bremen gelesen: ein Prostitutionsgesetz über zehn
Seiten, eine Reglementierungswut ohne Ende.
({7})
Keinem CSU-Politiker würde man so etwas zutrauen.
Sie sind jetzt an der Spitze der Bewegung der Reglementierung. Sie wollen an dieses Metier herangehen, als hätten Sie nie was anderes gewollt. Meine Damen und Herren, machen Sie es sich nicht zu leicht. Seien Sie
intellektuell redlicher
({8})
und sagen Sie, dass Sie einen schweren Fehler begangen
haben. Denn Sie haben in einer grenzenlosen Naivität
versucht, ein Gesetz zur Verbürgerlichung dieses Milieus
zu machen. Sie haben geglaubt, man könnte per Gesetz
aus einer Prostituierten eine Friseuse machen,
({9})
die freudig ihrer Arbeit nachgeht, bei der Sparkasse ein
Konto hat, in die Rentenversicherung einzahlt, krankenversichert ist, selbstbestimmte Sexdienstleisterin ist.
Dies und ähnlichen Schwachsinn musste man sich damals, im Jahre 2001, anhören.
({10})
Das alles ist wie eine Seifenblase zerplatzt, die Wirklichkeit hat Sie eingeholt, und jetzt wollen Sie reglementieren. Wir auch,
({11})
und deswegen fangen wir an.
Erstens. Man braucht eine Anmeldung bei der Behörde. Zweitens. Die Behörde hat das Recht, die Stätte
zu betreten. Drittens. Die Behörde kann daraufhin einen
Auflagenbescheid erlassen. Das ist der Einstieg.
({12})
Die Folge wird sein, dass wir den völlig praxisuntauglichen § 232 StGB - und auch § 233 StGB, darüber hat
nur keiner gesprochen: Ausbeutung der Arbeitskraft; es
geht nicht um Sex - schleunigst ändern müssen, weil
beide dem Geist und dem Wortlaut der EU-Richtlinie
widersprechen.
({13})
Auch diesbezüglich haben Sie recht. Aber tun Sie hier
nicht so, als ob Sie keine Schuld auf sich geladen hätten.
({14})
- Sie haben schwere Schuld auf sich geladen, Frau Högl;
Sie am allermeisten, Herr Beck, das wissen Sie ganz genau. Seien Sie ehrlich und anständig.
({15})
Wir brauchen die rechtlichen Möglichkeiten, in den
Bordellen Razzien durchzuführen. Wir brauchen die
rechtlichen Möglichkeiten, ein Bordell zu schließen. Wir
brauchen die Zufälligkeitsprüfung. Wir brauchen die
Verurteilung von Menschenhändlern. Wir müssen diesem verbrecherischen Milieu ein Ende machen. Diese
Form der organisierten Kriminalität existiert in Deutschland in einem Ausmaß wie in keinem anderen europäischen Land. Das hat mit Ihnen zu tun, mit dem, was Sie
vor elf Jahren gemacht haben.
({16})
Ich möchte, dass wir das Thema aus dem Parteienstreit herausnehmen. Nach dem Wahlkampf schauen
wir uns Ihre Regelungsvorschläge an. Auch wir werden
genügend Regelungsvorschläge vorlegen.
Wir machen jetzt unsere ersten Erfahrungen mit der
Anmeldepflicht, mit dem Auflagenbescheid, den man erlassen kann. Das ist der Einstieg, geht in die richtige
Richtung und führt weg von der Regelungsfreiheit, vom
rechtsfreien Raum, den Sie geschaffen haben: Rot-Grün.
({17})
Jeder Jurist, jeder Mensch, der seine Sinne beisammen hat, weiß: Wenn sich der Staat total zurückzieht,
dann erzeugt das einen rechtsfreien Raum. Was passiert
dann? Dann gilt das Recht des Stärkeren. Und wer ist in
dem kriminellen Milieu „Prostitution“ der Stärkere, wer
ist der Schwächere? Muss man diese Frage stellen? Das
kann doch jeder beantworten. Der Stärkere ist der Zuhälter, die Schwächere ist die Frau.
({18})
Wir wollen Regelungen des Staates - Sie haben sie abgeschafft - zum Schutz der Frau. Die wollten Sie nicht haben.
({19})
Wir wollen Frauen schützen; mehr wollen wir nicht.
({20})
Ich erwarte Ihren Beitrag, um auf diesem Weg voranzukommen.
Wir sind nicht am Ende, sondern am Anfang. Es ist
ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, weg von RotGrün.
({21})
Es folgt eine Kurzintervention des Kollegen Volker
Beck.
Herr Uhl hat mich angesprochen, weil ich skandalöserweise mit Bild und Zitat in einem Artikel vorkomme.
Ich möchte ein paar Sachen klarstellen. Ich bekenne,
dass das Prostitutionsgesetz unvollendet geblieben ist,
aber mehr war mit der damaligen Justizministerin nicht
zu machen. Wir hätten uns eine positivrechtliche Ausgestaltung des Berufszweiges oder des Gewerbes gewünscht. Dann hätten wir die jetzigen Probleme nicht.
Sie lösen sie allerdings auch nicht.
Das Prostitutionsgesetz hat zu einer Verbesserung der
Situation für die Prostituierten geführt, aber nicht ausreichend. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass die
Sozialversicherungsquote bei Prostituierten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes um 10 Prozent gestiegen ist.
({0})
In Zukunft wird eine Krankenkasse nicht argumentieren
können: Du bist Prostituierte, hast dich aber heimlich als
Hausfrau oder als Reinigungskraft bei uns angemeldet. Auch für den Status der Prostituierten besteht Rechtssicherheit. Hier haben wir im Sozialversicherungsrecht
einen Fortschritt bewirkt, der zu einer höheren Versicherungsrate geführt hat.
Zu der Entwicklung der Zahlen der Menschenhandelsopfer. Wir hatten im letzten Jahrzehnt tatsächlich eine
Erhöhung zu verzeichnen, aber nicht nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, sondern nach dem Beitritt - das
kann man in der polizeilichen Kriminalstatistik gut nachverfolgen - von Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union.
Ihre eigene Bundesregierung hat uns auf Nachfrage
mitgeteilt: Die Zahl der Menschenhandelsopfer, die Verurteilungszahlen und die Zahl der Verfahren sind in den
letzten Jahren - unabhängig von der Frage, dass wir im30802
Volker Beck ({1})
mer eine hohe Dunkelziffer haben, was problematisch
ist - in allen Parametern gesunken. Das ist kein Grund
zur Entwarnung, aber es ist ein Argument dafür, der Debatte nicht diese Art von Propaganda anzuhängen.
Die entscheidende Frage ist doch: Gibt dieser Gesetzentwurf jetzt auf irgendeines der objektiv bestehenden
Probleme - die hier niemand abstreitet - tatsächlich eine
Antwort? Sie schrauben ein bisschen am Strafrahmen
herum. Ansonsten nehmen Sie diese untaugliche Gewerberechtsregelung vor, die nur eine Rechtsposition stärkt,
nämlich die der Nachbarn, die auf ihren Grundstücken
Nachteile durch Bordelle befürchten. Für den Schutz
von Prostituierten machen Sie nichts. Dafür müssten Sie
nämlich eine Erlaubnispflicht einführen. Sie müssten
den Bordellbetreibern aufgeben, ihr Rechtsverhältnis zu
den Prostituierten zu dokumentieren, damit die Gewerbeaufsicht überhaupt nachprüfen und Fakten finden
kann, die auf eine Ausbeutung von Prostituierten hindeuten.
({2})
Herr Kauder hat erwähnt, wir würden für Menschenhandelsopfer in Zukunft ein Aufenthaltsrecht schaffen.
Es gibt einen Gesetzentwurf von uns, der das vorsieht.
Den kann man bei der zweiten und dritten Lesung einfach mit beschließen; dann haben wir das. Davon aber
findet sich in Ihrem Gesetzentwurf komischerweise kein
einziges Wort.
Ich verstehe auch nicht, warum wir die Strafbarkeitslücke für den Fall nicht schließen, dass Freier vorsätzlich
und wissentlich die Zwangslage einer Prostituierten ausnutzen, indem sie ihre sexuellen Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Warum bestrafen wir das nicht?
({3})
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ja.
Herr Kollege Uhl, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
Herr Kollege Beck, zunächst zu dem, was Sie am
Schluss gesagt haben. Sie haben gesagt, dass Sie mehr
machen wollten, dass die Reform nicht vollendet war
und dass Sie dies bedauern. Die SPD-Justizministerin
habe dies anscheinend nicht mitmachen wollen. Dazu
muss ich Ihnen eines sagen: Wenn Sie, was ich Ihnen
glaube, mehr machen wollten, das aber nicht machen
konnten, hätten Sie die Entlassung des gesamten Milieus
aus dem Recht der Überprüfung nicht mitmachen dürfen.
Erstens. Sie durften ein solches Milieu, das so kriminogen ist, nicht in den rechtsfreien Raum entlassen, nur
weil Ihr Koalitionspartner bei der entsprechenden Regelung nicht mitmachen wollte.
Zweitens. Sie bemängeln etwas, was wir übersehen
hätten. Das haben wir nicht. Die Länder können schon
jetzt nach geltendem Gewerberecht Rechtsverordnungen
erlassen. Das ist in § 38 nachzulesen. Danach sind die
Kontrollen möglich, von denen Sie behaupten, dass sie
nicht möglich sind.
({0})
Die Länder können dies also auf der Grundlage ihres
Rechts machen.
Ich komme zu Ihrer Statistik. Jeder Politiker bemüht
gerne statistische Zahlen, weil sie eine Scheinobjektivität darstellen. Meine Damen und Herren, diese Statistiken über Menschenhandel - dabei geht es um Erkennen,
Ermitteln und Verurteilen - sind - erlauben Sie mir diese
saloppe Formulierung - eine „Deppenstatistik“. Ich sage
Ihnen auch, warum.
Menschenhandel ist ein klassisches Kontrolldelikt.
Wenn Sie nicht kontrollieren, können Sie statistisch zu
dem Ergebnis kommen: Bei uns gibt es keinen Menschenhandel. Das ist so, als wenn Sie die Kontrolleure,
die das Schwarzfahren in der U-Bahn ermitteln, abschaffen würden. Dann würde es keine Schwarzfahrer in der
U-Bahn mehr geben. So ist es auch beim Menschenhandel.
Wenn Sie ein Gesetz machen, nach dem Bordelle und
Prostitutionsstätten nicht mehr überprüft werden dürfen,
weil die Polizei keine rechtliche Handhabe mehr hat,
dort hineinzugehen und zu kontrollieren, können Sie
Menschenhandel natürlich auch nicht feststellen. Das
heißt, in der Strichliste gibt es keinen Strich. Das Ergebnis stellt dann auch keine Beurteilung von Menschenhandel dar.
({1})
Wenn Sie das noch mit dem praxisuntauglichen § 232
kombinieren - auf seiner Grundlage kann man den subjektiven Tatbestand kaum nachweisen; wenn man nicht
ins Bordell hinein kann, dann schon gleich gar nicht -,
ist die Verurteilung von der Aussage des Opfers abhängig. Wenn dann die arme Frau, die vielleicht noch den
Mut hatte, bei der Polizei gegen den Peiniger bzw. Menschenhändler auszusagen, diesem im Gerichtssaal gegenübersitzt, wird sie ihre Aussage sofort zurückziehen,
weil sie weiß, was ihr droht, wenn sie die aufrechterhält.
Das Problem besteht also in der Kombination eines praxisuntauglichen Paragrafen mit der Rechtslage, die Sie
geschaffen haben, dass man in den Bordellen keine Razzien mehr durchführen darf.
({2})
Das heißt, man hat keine Erkenntnislage, um einen Menschenhändler zu verurteilen. Das ist die Lage, und deswegen haben sich die Zahlen so entwickelt, wie sie jetzt
sind. Wir haben in Deutschland wegen Ihrer Gesetzgebung so viel Menschenhandel wie nie zuvor.
({3})
Das Wort hat nun Frank Heinrich für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich erspare es mir, jetzt all die Zahlen, die
man anführen könnte, zu nennen. In den letzten Wochen
hat in Deutschland eine Debatte über Menschenhandel in
Form von Zwangsprostitution begonnen, möglicherweise ausgelöst dadurch, dass die EU-Richtlinie zum
Kampf gegen Menschenhandel nicht fristgemäß umgesetzt wurde.
Der Münchener Polizeipräsident wird in dem besagten Spiegel-Artikel zitiert. Er beklagt die „explosionsartige Zunahme des Menschenhandels aus Rumänien und
Bulgarien“. Herr Beck, das kann tatsächlich unter anderem an diesen beiden Ländern liegen. Aber er spricht
von einer „explosionsartigen Zunahme“.
Doch es fehle ihm an Möglichkeiten, zu ermitteln. … „Wir können nichts beweisen.“
Die Gründe dafür hat mein Kollege gerade dargestellt.
Die Niederlande, das erste Land, das die Prostitution
legalisiert hat, prüft gerade die negativen Folgen dieser
Entscheidung. In Frankreich ist es das Gleiche. Die London School of Economics hat Anfang dieses Jahres eine
Studie herausgegeben, in der der Frage nachgegangen
wurde, ob die legalisierte Prostitution den Menschenhandel fördert. Diese Frage haben Sie, Frau Lazar, anders beantwortet. Die London School of Economics
kommt zu einem klaren Ergebnis: Ja, der registrierte Zustrom aufgrund von Menschenhandel ist in den Ländern,
in denen die Prostitution legalisiert ist, deutlich höher.
Viele Prostituierte arbeiten nicht freiwillig. Die Quote
möchte ich jetzt gar nicht nennen.
({0})
Die Frauen werden gehandelt und sexuell ausgebeutet.
Das ist Sklaverei. Frau Högl, an der Stelle gebe ich Ihnen vollkommen recht. Die sexuelle Ausbeutung von
Frauen als moderne Form der Sklaverei fällt in Deutschland unter anderem aufgrund der Diskussion, wie wir sie
jetzt gerade erleben, auf sehr fruchtbaren Boden. Laut
Hydra e. V. arbeiten 400 000 Prostituierte in Deutschland. Der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität
im LKA Niedersachsen sagt: Neun von zehn Prostituierten werden zur Prostitution gezwungen.
({1})
„Deutschland ist ein Paradies für Menschenhändler“,
stand vor einem Monat in der Welt. „Deutschland ist
Drehscheibe des Menschenhandels“, stand in der Emma.
Das haben wir eben auch von Ihnen gehört. Im Spiegel
war in der letzten Woche vom „Bordell Deutschland“ die
Rede.
1,2 Millionen - nach moderateren Zahlen sind es
800 000 - nehmen täglich die Dienstleistungen von
Prostituierten in Deutschland in Anspruch. Die Gewerkschaft Verdi nannte diese hohe Zahl. Es besteht
dringender Handlungsbedarf. Darüber sind wir uns ja
einig; das hat die Debatte eindeutig gezeigt.
Als Menschenrechtler bin ich froh darüber, dass wir
hier sagen können: Wir haben einen ersten Schritt unternommen.
({2})
In dem Gesetzentwurf steht - das haben wir mehrfach
betont -, dass dies ein erster Schritt ist, dem weitere folgen sollen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Menschenhandel.
({3})
Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um Opfer und
potenzielle Opfer zu schützen. Nach dem Gesetzentwurf
sollen Prostitutionsstätten der gewerberechtlichen Überwachung unterworfen werden.
({4})
Das ist ein erster Schritt. Realpolitisch ist das sehr wichtig.
Wir Menschenrechtspolitiker wünschen uns natürlich
- das gilt für alle in unserer AG -, dass diesem ersten
Schritt weitere folgen werden. Wir gehen vom Ideal aus,
suchen nach der idealen Politik. Die Stichworte stehen
im Raum - Sie haben sie genannt -, zum Beispiel das
Bleiberecht. Wir reden darüber, dass wir beim Aufenthaltsrecht möglicherweise zu Verifizierungen kommen
müssen.
({5})
Das hat der Kollege Wolff eindeutig gesagt.
Wir müssen Ideen einbringen. Deshalb habe ich es
gerne gehört, was Sie zu Bremen gesagt haben. Vielleicht brauchen wir einen nationalen Berichterstatter,
vielleicht sollte eines der vier beteiligten Ministerien
eine Studie, eine Dunkelfeldanalyse in Auftrag geben.
Einige Vorschläge sind schon genannt worden.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland auf ein
stärkeres Engagement warten, auch von uns im Bundestag, ist gestiegen. Eine der wenigen Resolutionen, die
auf dem Kirchentag verabschiedet wurden, befasste sich
mit diesem Thema. Vor wenigen Wochen wurde der Verein „Gemeinsam gegen Menschenhandel“ gegründet.
Projektträger, Hilfsorganisationen und Netzwerke ver30804
folgen gemeinsam die Ziele: Öffentlichkeit schaffen
- Frau Granold, Sie haben sehr oft betont, wie wichtig
die Sensibilisierung ist -, Prävention, Opferschutz und
möglicherweise gesetzgeberische Folgen. Durch die Medien haben wir jetzt die Möglichkeit, unsere Botschaft
zu adressieren. Dabei sehen wir, dass nicht nur auf Staat
und Politik gewartet wird. Überall in Deutschland organisieren sich Menschen, um diese Missbrauchsmöglichkeiten einzudämmen. Dabei geht es nicht gegen die
Prostitution als solche, sondern gegen die kriminellen
Dehnfugen oder Sollbruchstellen, die in diesem Umfeld
eine üble Rolle spielen.
Als Menschenrechtler hat mich ein Satz aus einer der
letzten Reden des Gründers der Heilsarmee - Sie wissen,
dass ich dort seit langer Zeit Mitglied bin -, William
Booth, geprägt. Das treibt mich immer wieder an. In seiner letzten öffentlichen Rede in der Royal Albert Hall in
London sagte er 1912 Folgendes:
Solange Frauen weinen, wie sie es jetzt tun - will
ich kämpfen;
solange Kinder Hunger leiden müssen, wie sie es
jetzt tun - will ich kämpfen;
solange Menschen ins Gefängnis müssen, rein und
raus, rein und raus - will ich kämpfen;
solange es Mädchen gibt, die auf der Straße unter
die Räder geraten,
solange es eine Seele gibt, in der das Licht Gottes
noch nicht scheint - will ich kämpfen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/13706 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin
Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Altersarmut bekämpfen - Mit der Garantierente
- Drucksache 17/13493 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen
Strengmann-Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Was ist das für ein absurdes schwarz-gelbes Theater zur
Rente? Da macht die Regierung vier Jahre bei der Rente
absolut nichts außer vielen Versprechungen, und dann
kommt Angela Merkel und macht die nächsten großen
Versprechungen. Jetzt sollen die Mütter daran glauben,
dass ihre Rente erhöht wird. Wo ist der Gesetzentwurf
dazu? Wer regiert hier eigentlich? Und die Finanzierung? Für Volker Kauder kein Problem. Er sagte im
Bericht aus Berlin: Das wird aus dem Zuschuss zur Rentenversicherung finanziert, der sowieso schon gezahlt
wird. - Hallo? Was ist denn das für ein Unsinn? Mittlerweile hat es aber auch Volker Kauder kapiert und sagt
jetzt: Alles steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Übersetzt: Es wird nicht kommen. Das ist typisch CDU/
CSU bei der Rente: große Klappe, nichts dahinter.
({0})
Die größte Lautsprecherin ist Ursula von der Leyen.
Schon im Koalitionsvertrag gab es eine Reihe von Versprechungen zur Rente, aber die Bundesministerin
wurde nicht müde, weitere Versprechungen draufzusatteln: Kombirente, bessere Zuverdienstmöglichkeiten, erhöhte Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderung,
Rente für Selbstständige und nicht zu vergessen ihr
Lieblingsprojekt, die Zuschussrente oder neuerdings die
Lebensleistungsrente. Aber kein einziger dieser Vorschläge hat es überhaupt nur in den Bundestag geschafft.
Schwarz-Gelb kann es nicht, und Sie wollen auch gar
nicht.
Dabei ist die Altersarmutswelle schon längst in Sicht.
Es wäre dringend notwendig, einen Damm zu bauen, um
sie abzuwehren. Was hat die Ursula von der Leyen nicht
alles für ein Bohei gemacht? Sie hat einen Regierungsdialog und eine mediale Kampagne über die BildZeitung und andere Medien inszeniert, um ihre Zuschussrente zu vermarkten,
({1})
eine Zuschussrente, die kaum jemandem geholfen hätte
und handwerklich so schlecht war, dass die Referentenentwürfe immer wieder nachgebessert werden mussten,
wobei sie nicht wirklich verbessert wurden; denn sie
sind immer schlechter geworden.
({2})
Mittlerweile ist die Zuschussrente mausetot. Kollege
Kolb wird das gleich bestätigen.
Es gibt ein neues Schlagwort: Lebensleistungsrente.
Ein Konzept dazu gibt es nicht. Von der Leyen hat völlig
versagt. Nichts wurde gegen Altersarmut getan. Frau
von der Leyen, Sie haben mehrfach gesagt: Ich stehe für
die Zuschussrente, und ich werde mich daran messen
lassen. - Wenn Sie konsequent wären, müssten Sie zurücktreten.
({3})
Die Alternative zu dieser schwarz-gelben Nullnummer ist die grüne Garantierente. Sie schützt zielgenau
und effektiv vor Altersarmut. Sie erreicht die von Altersarmut bedrohten Gruppen, insbesondere die Frauen. Sie
ist schnell umsetzbar, und sie ist durch unser Steuerkonzept auch gegenfinanziert. Auch das unterscheidet uns
von Schwarz-Gelb: eine solide und gerechte Finanzierung, ohne neue Schulden aufzunehmen.
({4})
Die grüne Garantierente funktioniert nach dem 30-30Prinzip. Jeder und jede, der oder die 30 Jahre in der Rentenversicherung versichert war, erhält garantiert eine
Rente von mindestens 30 Entgeltpunkten; dies sind zurzeit etwa 850 Euro. Bei den 30 Versicherungsjahren werden sämtliche rentenrechtlichen Zeiten mitgerechnet,
also auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, Bildungszeiten,
Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung bis
zum zehnten Lebensjahr. Wir haben die Garantierente so
ausgestaltet, dass sie auch von denen realistisch erreicht
werden kann, die tatsächlich von Altersarmut bedroht
sind. Das unterscheidet unser Konzept vom Konzept der
CDU/CSU, aber auch von der Solidarrente der SPD, die
jeweils 40 Jahre zur Bedingung machen. Wir brauchen
aber kein Placebo, sondern einen echten Schutz vor
Altersarmut. Wir brauchen die grüne Garantierente.
({5})
Für uns ist außerdem wichtig: Die Garantierente ist
eine Versicherungsleistung, eine Rente, und keine zweite
Grundsicherung. Die Menschen haben ein Anrecht darauf, weil sie lange rentenversichert waren. Wer lange
eingezahlt hat, soll eine Garantierente bekommen, ohne
zum Amt gehen zu müssen und ohne umfassende Einkommens- und Vermögensprüfung. Das unterscheidet
die grüne Garantierente von allen anderen Konzepten,
auch von der Mindestrente der Linken, die ebenfalls bedürftigkeitsgeprüft ist.
({6})
Wir brauchen aber keine zweite Grundsicherung. Wir
brauchen eine Garantierente.
({7})
Schließlich: Die grüne Garantierente ist eingebettet in
ein Gesamtkonzept. Dazu gehören vor allem präventive
Maßnahmen - in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt -,
mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn,
mit gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit,
mit höherer Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren.
Auch bei der Rente brauchen wir präventive Maßnahmen. Selbstständige brauchen eine bessere Absicherung
in der Rentenversicherung, Minijobs müssen wieder rentenversicherungspflichtig werden,
({8})
und für Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher müssen wieder Rentenbeiträge gezahlt werden.
Diese präventiven Maßnahmen wirken nur mittel- bis
langfristig. Deshalb brauchen wir schnell die grüne Garantierente gegen die Altersarmutswelle, bevor die große
Flut kommt.
({9})
Die präventiven Maßnahmen sind unbedingt notwendig,
um die Garantierente auch langfristig finanzieren zu
können, damit der Damm auch noch in 20 Jahren hält
und dann noch besser vor Altersarmut schützt.
Noch 108 Tage bis zur Bundestagswahl; dann gehen
wir daran, die Rente zukunftsfest zu machen,
({10})
nachhaltig finanziert und armutsfest. Schwarz-Gelb hat
fertig.
({11})
Das Wort hat nun Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Man merkt in den Bundestagsdebatten in dieser und
wahrscheinlich erst recht in der kommenden Woche natürlich: Es geht langsam auf den Wahlkampf zu. Da hat
die Opposition vor allen Dingen ein Anliegen, nämlich
von zwei wichtigen Tatsachen abzulenken.
Die erste Tatsache ist: Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland steht besser da als in den letzten
20 Jahren.
({0})
Wir haben Rücklagen von 29 Milliarden Euro; so viel
hatten wir in den letzten 20 Jahren noch nie. Die Rentenzahlungen sind sicher. Sie sind auf jeden Fall sicherer als
zum Ende der rot-grünen Koalition 2005.
({1})
2005 musste die Rente auf Pump, mit zusätzlichen Krediten, ausgezahlt werden.
({2})
Peter Weiß ({3})
Jetzt haben wir Rücklagen von 29 Milliarden Euro. Das
ist der Erfolg unserer Rentenpolitik.
({4})
Zweitens. Warum kommen die Oppositionsparteien
mit Garantierente, Solidarrente und anderen Ideen?
({5})
Weil die Rentenreform von 2001 - Walter Riester, RotGrün - einen großen Fehler hatte, der damals offensichtlich nicht erkannt oder bewusst verschwiegen wurde,
nämlich: Wenn das Rentenniveau sinkt, wird für denjenigen, der ein Leben lang gearbeitet und relativ wenig verdient hat, die Gefahr, im Alter auf staatliche Stütze angewiesen zu sein, von Tag zu Tag größer.
({6})
Die wertvolle Empfehlung lautete - das hat Rot-Grün
damals beschlossen -, jeder möge doch bitte auch in eine
Betriebsrente einsparen und möglichst auch einen
Riester-Sparvertrag abschließen. Das lohnt sich für jemanden mit niedrigem Verdienst im Zweifel gar nicht,
auch wenn er sich das Geld vom Mund abspart,
({7})
weil beides auf die Grundsicherung angerechnet wird.
({8})
Das ist der eigentliche Webfehler der Riester’schen Rentenreform,
({9})
der bis zum heutigen Tag vorhanden ist.
Jetzt wollen Rot und Grün so tun, als hätten sie damit
nie etwas zu tun gehabt.
({10})
In der Rede des Kollegen Strengmann-Kuhn ist die Rentenreform von 2001 mit keinem Wort vorgekommen.
Das nennt man „sich aus der Verantwortung stehlen“.
({11})
Jetzt kommen die sagenhafte Vorschläge, wie das
Ganze zu reparieren ist.
({12})
- Bitte schön. - Herr Präsident, eine Zwischenfrage.
Ja, ja. Wenn Sie so großzügig das Wort erteilen, dann
will ich mich nicht einmischen.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr
Weiß, dass Sie die Frage zulassen. Weil Sie gerade gesagt haben, jetzt kämen die großartigen Vorschläge,
möchte ich Sie fragen: Was halten Sie denn von der Ankündigung bzw. dem Vorschlag der Kanzlerin und von
der Bestätigung durch Herrn Kauder, dass man jetzt gewillt ist, eine Mütterrente einzuführen? Herr Kauder verstieg sich sogar noch zu der Aussage, dass sie aus dem
System heraus finanzierbar sei. Nach allem, was wir
wissen, würde die Einführung der Mütterrente 13 Milliarden Euro kosten.
({0})
Die Mütterrente scheint ihnen - der Kanzlerin und Herrn
Kauder - ein drängendes Thema zu sein, zumindest medial. Wir möchten jetzt gerne wissen, ob wir damit rechnen können, dass Sie hierzu - obwohl Sie auf diesem
Gebiet vier Jahre lang nichts getan haben - zeitnah, also
noch in dieser Legislaturperiode, einen Gesetzentwurf
einbringen.
Frau Kollegin, das Thema Mütterrente ist uns als
Unionsfraktion deswegen so wichtig,
({0})
weil für die Zukunft der Rentenversicherung nicht nur
von Bedeutung ist, ob Beiträge gezahlt worden sind,
sondern auch, ob Kinder/Enkelkinder da sind, die die
künftige Rente finanzieren.
({1})
Deswegen ist die Union schon immer der Auffassung
gewesen, dass Kindererziehungszeiten in der Rente eine
Rolle spielen sollten. Helmut Kohl und Norbert Blüm
haben im Jahr 1986 dafür gesorgt - das war zum allerersten Mal in der Geschichte der deutschen Rentenversicherung -, dass Kindererziehungszeiten bei der Rente
berücksichtigt werden.
Peter Weiß ({2})
({3})
Wir wollen die Anrechnung von Kinderziehungszeiten noch einmal deutlich ausweiten. Das kostet Geld; das
ist richtig. Ich will aber darauf hinweisen, dass von den
jährlich 11 Milliarden Euro, die der Bundesfinanzminister zwecks Anrechnung von Kindererziehungszeiten aus
dem Steuersäckel an die Rentenkasse überweist, derzeit
gerade einmal 6 Milliarden Euro tatsächlich für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgegeben werden. Sie sehen: Da sind noch finanzielle Spielräume vorhanden.
({4})
Das Zweite. Sie fragen ständig danach - nicht nur in
der Rentendebatte, auch in anderen Debatten -, ob von
der Koalition nicht jetzt noch, in den letzten drei Sitzungswochen des Parlaments vor der Wahl, Gesetzentwürfe zu erwarten sind.
({5})
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde diese Frage
scheinheilig. Sie haben uns doch schon angekündigt,
dass Sie jeden Gesetzentwurf, der die Rente betrifft, in
den Vermittlungsausschuss ziehen werden.
({6})
Im Vermittlungsverfahren wollen Sie dann Ihre Vorschläge auf die Tagesordnung setzen. Es ist unehrlich,
die Koalition zum Handeln aufzufordern, wenn man
gleichzeitig schon den Knüppel in der Hand hat, mit dem
man verhindern will, dass in dieser Legislaturperiode
noch etwas beschlossen wird.
({7})
Mit Ihrer Verfahrensmehrheit im Vermittlungsausschuss
haben Sie uns schon jetzt hängen gelassen, zum Beispiel
bei der Gebäudesanierung, bei der Entlastung der kleinen Einkommen, beim Abbau der kalten Progression.
Die Folge ist, dass die Bürgerinnen und Bürger finanziell
verhungern. Das ist unverantwortlich.
({8})
Jetzt möchte ich zu dem großartigen Vorschlag der
Grünen kommen, eine Garantierente einzuführen. Hilft
diese Garantierente wirklich? Wer 30 Jahre lang in die
Rente eingezahlt hat, soll unabhängig davon, was er
wirklich eingezahlt hat, 30 Entgeltpunkte gutgeschrieben bekommen; nach derzeitigem Rentenrecht macht
das etwa 844 Euro. Schon an der Zahl sieht man: Da
wurde in Wahrheit bei Frau von der Leyen und ihren
850 Euro geklaut.
({9})
Das Zweite ist: Ein Riester-Vertrag oder eine Betriebsrente, die man angespart hat, soll auf die Garantierente angerechnet werden; nur 20 Prozent soll man behalten dürfen. Ist jemand dagegen Einkommensmillionär
- vielleicht weil er das Geld mit etwas ganz anderem als
mit dem, was man in die Rente einzahlt, verdient hat -,
dann wird es nicht angerechnet. Das soll mir jetzt mal einer klarmachen: Beim Einkommensmillionär sollen die
Rentenpunkte aufgestockt werden, beim Niedrigverdiener, der sich die Beiträge für eine Riester-Rente oder für
eine Betriebsrente vom Mund abgespart hat, soll dies
aber bei der Garantierente angerechnet werden? Entschuldigung, das ist doch ein System, das dazu führt,
dass die Leute ihr Geld lieber verstecken, als es in die
Rente einzuzahlen, und es erst recht nicht in einen
Riester-Sparvertrag oder in eine Betriebsrente einzahlen
wollen. Das ist Ihr Modell.
({10})
Das ist nicht durchdacht, es ist grundfalsch. Wir müssen
doch den belohnen, der etwas auf die Seite gelegt hat.
Deswegen ist der Ansatz der Union schon immer der gewesen: Wenn wir Niedrigverdienern die Rente aufstocken, dann doch bitte so, dass man das, was man im Arbeitsleben zusätzlich angespart hat - zum Beispiel in
Form einer Betriebsrente oder eines Riester-Vertrages -,
zu 100 Prozent behalten darf. Dies darf nicht auf eine
Rente angerechnet werden.
({11})
Also: Das Modell muss genau umgekehrt aussehen,
Herr Strengmann-Kuhn:
({12})
Belohnung für diejenigen, die bei der Betriebsrente und
beim Riester-Vertrag etwas ansparen, und nicht Belohnung für denjenigen, der sein Geld irgendwo anders gebunkert hat, weil es dann bei der Berechnung der Garantierente offensichtlich überhaupt keine Rolle spielt.
({13})
Wir brauchen kein System der Belohnung von Einkommensmillionären. Wir brauchen ein System der Be30808
Peter Weiß ({14})
lohnung der kleinen Sparerinnen und Sparer in unserem
Land.
({15})
- Herr Kollege Strengmann-Kuhn, deswegen will ich Ihnen noch einmal sagen, wie unser Modell aussieht. Das
wollen wir auch präzise in unser Wahlprogramm hineinschreiben.
({16})
Wir wollen, dass derjenige, der ein Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat,
({17})
nach Möglichkeit nicht zum Staat gehen und um staatliche Unterstützung bitten muss, sondern von seiner Rente
leben kann.
({18})
Das geht nur mit Aufstockung der Rentensprüche.
Gleichzeitig wollen wir, dass derjenige, der noch anderes Einkommen hat - zum Beispiel, weil er mit einem
sehr vermögenden Ehepartner verheiratet ist -, diese
Aufstockung nicht beantragen kann. Wenn ein Ehepaar
schon reichlich Einkommen im Alter hat, müssen wir
nach meiner Auffassung nicht noch eine Rente aufstocken und zusätzliches Geld obendrauflegen. Wer genug
hat, muss nicht auch noch weiteres Geld aus der Steuerkasse oder aus der Rentenkasse bekommen.
Derjenige, der zum Leben tatsächlich auf diese kleine
Rente angewiesen ist und sich die Mühe gemacht hat,
trotz allem noch die 5 Euro Mindestbeitrag monatlich
für einen Riester-Sparvertrag auf die Seite zu legen,
({19})
oder seine vermögenswirksamen Leistungen in eine betriebliche Altersversorgung eingebracht hat, sollte aber
dieses Geld, das er dort angespart hat, zu 100 Prozent
zur Absicherung seines Alterseinkommens verwenden
können und nicht auf die Rente anrechnen lassen müssen
- so wollen es nämlich die Grünen, bis auf die 20 Prozent, die sie ihm freundlicherweise lassen wollen.
So sieht unser System aus. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie beantragen. Ihre Garantierente ist in Wahrheit keine Garantierente. Sie ist eine Regelung, die die
Kleinsparer, die, die sich angestrengt haben, eher bestraft. Wir wollen eine Methodik im Rentensystem, die
die kleinen Leute, die mit Mühe Geld fürs Alter auf die
Seite gelegt haben, belohnt und sie ermuntert, auch zusätzlich für das Alter vorzusorgen; denn zusätzliche Altersvorsorge muss sich für jeden in unserem Land lohnen.
Vielen Dank.
({20})
Das Wort hat nun Anton Schaaf für die SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Peter Weiß, wer sich vier
Jahre lang verweigert hat, Rentenpolitik in diesem Land
zu machen, kann der Opposition mit Sicherheit keine
Vorwürfe machen, wenn sie sich Gedanken macht.
({0})
Peter Weiß, ich mache noch einmal das, was ich eben
schon in der Aktuellen Stunde getan habe. Ich habe mir
noch einmal angeschaut, welche Versprechen ihr in eurem Koalitionsvertrag den Menschen gemacht habt. Das
war euer Arbeitsplan. Darin stand, dass ihr etwas zur Armutsvermeidung im Alter tut.
({1})
Ergebnis nach vier Jahren: nichts. Die Ministerin ist mit
allen ihren Plänen kläglich gescheitert, und zwar an Ihnen. Nicht am Bundesrat und nicht an der Opposition,
sondern an Ihnen ist die Ministerin bei der Armutsvermeidung kläglich gescheitert.
({2})
Sich jetzt hier hinzustellen und zu behaupten, man
habe einen Plan, ist nichts anderes als organisierter
Wahlbetrug; denn das hatten Sie schon einmal versprochen. Jetzt tragen Sie es wieder als Versprechen für die
nächste Legislaturperiode vor. Armutsvermeidung wird
mit Ihnen nicht funktionieren.
Zweiter Punkt. Sie haben den Menschen im Koalitionsvertrag versprochen, dass Sie die Zeiten der Erziehung besser bewerten wollen. Bis hierhin, bis zum
heutigen Tag: null, nichts. Jetzt gibt es wieder die Ankündigung der Kanzlerin, dass man mal etwas bei der
Mütterrente machen werde - natürlich erst in der nächsten Legislatur. Sie hatten es aber für diese Legislatur versprochen. An dieser Stelle haben Sie nichts, aber auch
gar nichts zuwege gebracht.
({3})
Den dritten Punkt erspare ich Ihnen auch nicht. Sie
haben die Menschen im Osten in Ihrem Wahlkampf und
mit Ihrem Koalitionsvertrag komplett hinter die Fichte
geführt. Obwohl Sie eine rentenrechtliche Angleichung
Ost-West versprochen hatten, haben Sie nichts dazu gemacht, meine Damen und Herren - überhaupt nichts.
({4})
Wenn Sie sich hierhinstellen und die Oppositionsfraktionen dafür kritisieren, dass sie sich Gedanken darüber
machen, wie man mit diesem Thema umgeht, ist das
wirklich nicht in Ordnung. Es ist auch nicht fair, was Sie
da veranstalten. Sie haben keine Mehrheiten, um Rentenpolitik zu machen. Um das einmal klar zu sagen: Sie
sind renten- und sozialpolitisch eine Nichtregierungsorganisation.
({5})
Ich kann mich auch gerne mit den Forderungen der
Grünen auseinandersetzen. Aber, Wolfgang StrengmannKuhn, an der Stelle muss man dann auch noch einmal ein
Stück weit Bilanz der rentenpolitischen Leistung dieser
Koalition und dieser Regierung ziehen.
Zur Garantierente sage ich Folgendes: Ja, wir als Sozialdemokraten hätten da definitiv Diskussionsbedarf.
Allerdings sind die Hürden für eine Einigung aus meiner
Sicht nicht so hoch, dass wir das nach dem 22. September nicht vernünftig regeln könnten.
Ich will einige Punkte nennen. Ich finde, dass es zumindest an einigen Stellen eine unzulässige Vermischung zwischen Versicherungsleistung auf der einen
Seite und Fürsorgeleistung auf der anderen Seite gibt.
Das muss man ordentlich auseinanderhalten. Das war
der erste inhaltliche Punkt.
Der Punkt, der mich am meisten umtreibt, ist: Wenn
man Freibeträge einräumt, wie ihr es vorgesehen habt
- beispielsweise 20 Prozent bei der Riester-Rente oder
bei der betrieblichen Altersvorsorge -, dann ist das eine
einseitige Priorisierung. Ich würde immer auch die eigenen Beiträge für die Rentenversicherung steuerlich freistellen oder zumindest gleich behandeln; denn ansonsten
liegt eine besondere Priorität auf diesen privaten Altersvorsorgeformen. Damit ist man relativ nahe bei den „Lebensleistungsdingen“ von der Frau von der Leyen, was
ja Gott sei Dank vor die Wand gefahren ist, weil die FDP
an der Stelle ordnungspolitisch ordentlich agiert hat. Das
muss man im Hinterkopf haben.
({6})
- Nicht rentenpolitisch inhaltlich, sondern ordnungspolitisch, meine Herren. Das wollte ich noch ausdrücklich
erwähnt haben. Von daher muss man an der Stelle sehr
genau hinschauen.
Meine Damen und Herren, das ist heute hier meine
letzte Rede im Deutschen Bundestag. Einige werden
sich darüber freuen, andere vielleicht nicht. Man weiß es
nicht so genau.
({7})
Deswegen möchte ich mich bei einigen Menschen bedanken.
Bedanken möchte ich mich vor allen Dingen bei den
rentenpolitischen Berichterstattern der Fraktionen. Ihr
habt mich mit eurer unglaublichen Kompetenz immer außerordentlich gefordert. Ich habe viel lernen müssen, dürfen und können durch die Zusammenarbeit mit euch:
Matthias Birkwald, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Heinrich
Kolb, Peter Weiß. Es war mir immer eine Freude. Es war
immer kollegial, zuweilen auch sehr freundschaftlich.
Dafür bin ich sehr dankbar.
({8})
Es gibt ein paar Menschen, die ich darüber hinaus
noch ganz persönlich erwähnen will: Karl Schiewerling,
du bist in deiner Jugend wahrscheinlich irgendwie in
schlechte Kreise geraten.
({9})
Du hättest nämlich auch ein guter Sozialdemokrat werden können. Manchmal spielt das Leben eben so. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit, die wir hier
miteinander hatten!
Ich danke den Kolleginnen und Kollegen, die mit mir
Abgeordnete aus Essen und Mülheim sind. Stellvertretend danke ich Ulrike Flach, die wie ich aus Mülheim
kommt, aus unserer gemeinsamen Heimatstadt. Ulrike,
ich will meine Wertschätzung für dich einmal wie folgt
formulieren: Wenn wir schon in der unglaublich leidigen
Situation sind, dass jemand aus der FDP Parlamentarische Staatssekretärin werden muss, weil die Mehrheitsverhältnisse so sind, dann du, Ulrike Flach.
({10})
Es gibt ein geflügeltes Wort, dass Politik bzw. das
politische Agieren keine Freundschaften erlaubt. Ich
habe in diesen Jahren hier völlig andere Erfahrungen gemacht. Ich will das an zwei Namen festmachen. Ich habe
hier in diesem Parlament, in der parlamentarischen Arbeit, ja, in meiner eigenen Fraktion wirklich Freunde
fürs Leben gefunden. Zwei davon will ich stellvertretend
nennen. Das ist zum einen jemand, der nicht mehr Mitglied des Bundestages ist, was ich außerordentlich bedaure, nämlich mein Freund Klaas Hübner. Ich finde, er
gehört in diese Reihe, und ich finde, er müsste hier sein.
({11})
Zum anderen ist das Sonja Steffen. Sie ist noch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Ich hoffe sehr, dass
sie auch Mitglied des nächsten Deutschen Bundestages
sein wird. Beide sind Menschen, die ich sehr tief in meinem Herzen mitnehmen werde.
Meine Fraktion hat das eine oder andere mit mir ertragen, mich aber Gott sei Dank meistens getragen.
Ich denke, wenn wir ehrlich sind, geht es uns meistens
so: Abgeordnete sind nur so gut wie ihre Büros, ihre Mitarbeiter. Zum Schluss bedanke ich mich vor allen Dingen
bei all denjenigen, die für mich gearbeitet haben, insbesondere bei zweien, die elf Jahre lang an meiner Seite waren: Das sind Annette Reinhardt und Andrea Franz.
({12})
Nach mir wird für unsere Fraktion noch Silvia
Schmidt sprechen. Auch sie hält heute ihre letzte Rede
hier im Deutschen Bundestag. Silvia, ich wünsche dir alles, alles erdenklich Gute.
Meine Damen und Herren, vielen Dank.
({13})
Trotz einer gewissen Rührung geht jetzt die Debatte
weiter. Der Kollege Kolb von der FDP hat das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
muss sagen, dass ich jetzt nicht imstande bin, mich über
die Garantierente der Grünen auszulassen. Vielmehr will
ich meine vier Minuten Redezeit dir, lieber Toni Schaaf,
widmen.
Es hat sich immer gelohnt, dir zuzuhören. Das hat
man auch heute gemerkt. Wenn du ans Rednerpult trittst,
dann ziehst du die Aufmerksamkeit auf dich, weil alle
wissen, dass du uns, egal woher wir kommen und welchen Hintergrund wir haben, mit deiner authentischen
Art etwas zu sagen hast.
Ich habe mir deinen Werdegang im Bundestagshandbuch noch einmal angeguckt und kann wirklich nur sagen: Chapeau! Respekt! Du hast eine tolle Lebensleistung vollbracht und - da bin ich mir sicher - auch noch
das eine oder andere vor dir. Wir haben uns neulich in
Mannheim getroffen. Dort warst du in Motorradkluft.
({0})
Ich weiß, dass du Hobbys hast, die dich ausfüllen werden. Ein Mensch so aktiv wie du wird sich aber nicht
voll und ganz zurückziehen. Das weiß ich, und das hoffe
ich. Wie auch immer: Du wirst für uns auch aus der
Ferne Ratgeber bleiben.
Du bist ein respektabler und von allen Fraktionen geschätzter Kollege gewesen; das habe ich schon gesagt.
Ich war heilfroh, dass ich dich in der Arbeitsgruppe
wusste, als die SPD ihr Rentenkonzept entwickelt hat,
einen, der die Dinge am Ende zusammenführt und in der
Lage ist, überschießende Ambitionen zu dämpfen, der
auch weiß, dass das alles am Ende etwas kostet und die
Menschen, die hart arbeiten, das mit ihren Steuern und
Sozialversicherungsbeiträgen bezahlen müssen. Diese
Erdung und diese Bodenständigkeit zeichnen dich aus.
Das habe ich immer sehr geschätzt.
Du hast uns die Meinung gesagt, auch heute. Heute
warst du zurückhaltend; da wäre mehr gegangen. Wer
den Toni kennt, der weiß: Das war mit angezogener
Handbremse vorgetragen.
({1})
Du hast uns immer deine Meinung gesagt, oft zu Recht,
auch heute. Mehr will ich dazu nicht sagen. Wir wissen
gemeinsam, wie das zu verstehen ist.
Es wäre noch das eine oder andere zu sagen; aber am
Ende ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Dankeschön. Toni, du warst ein guter Kollege, und wir werden
dich vermissen.
Vielen Dank.
({2})
Ich merke, es wird allmählich eine Feierstunde.
({0})
Jetzt hat der Kollege Birkwald das Wort. Mal sehen,
wie er das meistert.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich werde
Sie nicht enttäuschen, Herr Präsident. Es ist der seltene
Fall eingetreten, dass ich einer Rede des Herrn Kollegen
Kolb fast komplett zustimmen kann. Dafür herzlichen
Dank, lieber Kollege Kolb.
({0})
Dir, lieber Toni, sage ich herzlichen Dank für deine
Arbeit hier. Unsere Wertschätzung dir gegenüber ist
schon angesprochen worden. Ich kann mich dem nur anschließen. Du wirst uns hier fehlen. Danke für die Zeit
mit dir.
({1})
Jetzt geht es aber wieder um die Sache. Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt:
Das Risiko, in der Altersarmut zu landen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Altersarmut
ist schon heute ein Problem. Im Antrag der Grünen heißt
es mit Blick auf die Zukunft:
Ohne Gegenmaßnahmen werden die Altersarmut
… in den nächsten Jahren gravierend zunehmen.
Traurig, aber wahr. Schwarz-Gelb ist bei diesem Thema
ein kompletter Totalausfall. Von der Bundesregierung
kommt zur Bekämpfung der Altersarmut seit fast vier
Jahren kein Gesetzentwurf, kein Antrag - rein gar nichts.
Bald gibt es ja Schulzeugnisse. Im Fach „Bekämpfung der
Altersarmut“, Herr Staatssekretär, bekommt SchwarzGelb nur ein Armutszeugnis. Setzen! Sechs!
({2})
Die Grünen haben nun einen Antrag zur Bekämpfung
der Altersarmut vorgelegt. Darin steht viel Richtiges,
zum Beispiel zu den Verwerfungen am Arbeitsmarkt und
dass das Auseinanderdriften in viele Arme und wenige
Reiche verhindert werden muss. Dafür kämpfen wir Linken schon lange.
({3})
Meine Damen und Herren, die Renten sinken. Jeder
Rentnerjahrgang, der neu in Rente geht, hat im Durchschnitt weniger Rente als der Jahrgang zuvor. Warum?
Unter anderem deshalb, weil SPD und Grüne in ihrer
Regierungszeit das Rentenniveau abgesenkt haben. Eine
Rente von ehedem 1 000 Euro wird im Jahr 2030 eben
nur noch 800 Euro wert sein. Das ist eine wesentliche
Ursache für die Altersarmut von heute und morgen. Die
Grünen wollen das Rentenniveau weiter absenken. Das
hat die Kollegin Brigitte Pothmer vergangenen Oktober
in der Neuen Osnabrücker Zeitung offen zugegeben, und
niemand hat ihr widersprochen. Ich sage Ihnen: Wer das
Rentenniveau weiter absenkt, ist für mehr Altersarmut
verantwortlich und nicht für weniger. Das ist nicht in
Ordnung.
({4})
Wir Linken wollen das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben, also so, wie es im Jahr 2000 war, bevor
SPD und Grüne die Renten in den Sinkflug getrieben haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rente erst ab 67
wird für die ganz große Mehrheit der Beschäftigten
nichts weiter als eine gigantische Rentenkürzung werden. Fast alle Fliesenleger und Erzieherinnen können
nicht bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten. Keine
10 Prozent der 64-Jährigen haben noch einen Vollzeitjob. Schon heute geht jeder Zweite mit Kürzungen in
Rente, im Schnitt mit 109 Euro weniger. Mit der Rente
erst ab 67 wird sich die Höhe der Rentenkürzungen langfristig fast verdoppeln. Damit ist klar: Die Rente erst ab
67 ist eine weitere Ursache für Altersarmut. Was machen
die Grünen? Sie halten an der Rente erst ab 67 fest. Das
ist die Wahrheit; aber das geht nicht.
({5})
Sinkendes Rentenniveau und Rente erst ab 67, das ist
eine ganz gefährliche Kombination. Für viele normal
oder schlecht verdienende jüngere Beschäftigte, die nach
1964 geboren sind, bedeutet das schlicht: Sie müssen im
Alter in Armut leben. Das will die Linke mit aller Kraft
verhindern.
({6})
Altersarmut bekämpfen - mit der grünen Garantierente klappt das nicht. Sie ist eine Mogelpackung. Warum? Zwei Drittel der armen Alten sind Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich.
({7})
Um die grüne Garantierente zu erhalten, muss jemand
aber mindestens 30 Versicherungsjahre vorweisen können.
({8})
Diese Bedingung soll ab sofort gelten. Das heißt: Jede
zweite westdeutsche Rentnerin würde leer ausgehen;
({9})
denn mehr als die Hälfte der Westrentnerinnen erreichen
die geforderten 30 Versicherungsjahre derzeit nicht.
({10})
Eine Garantierente, die sie nicht bekommen, nützt ihnen
nichts. Sie nützt ihnen auch deshalb nichts, weil sie nur
für Neurentnerinnen und Neurentner gedacht ist. Menschen, die schon heute unter Altersarmut leiden, lassen
die Grünen im Regen stehen. Das ist für uns Linke vollkommen inakzeptabel.
({11})
Nun zur Höhe Ihrer Garantierente. 30 Entgeltpunkten
soll sie entsprechen. Das sind ab dem 1. Juli 844,20 Euro
für eine Alleinstehende, brutto. Netto sind das dann noch
757 Euro. Das liegt gerade einmal 50 Euro über dem
Bruttobedarf der Grundsicherung im Alter. 50 Euro sind
viel Geld. Altersarmut verhindern sie nicht. Wegen des
sinkenden Rentenniveaus werden die 30 Entgeltpunkte
jedes Jahr weniger wert. Die grüne Garantierente ist
demnach eine Armutsgarantie. Deswegen: Sorry, Ihr
Konzept ist halbherzig.
({12})
Die Linke fordert gute Arbeit statt Leiharbeit und andere prekäre Jobs, 10 Euro gesetzlichen Mindestlohn
und gute Renten deutlich über der Armutsrisikogrenze
für alle, die jahrzehntelang eingezahlt haben. Als Schutz
vor Altersarmut fordert die Linke eine solidarische Mindestrente von zunächst 900 Euro und dann 1 050 Euro
- netto, steuerfinanziert und einkommens- und vermögensgeprüft - für alle Menschen, die sie brauchen, damit
niemand im Alter in Armut leben muss.
Herzlichen Dank.
({13})
Das Wort hat nun Frank Heinrich für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir beraten heute ein von den Grünen
bekanntes Rentenkonzept; es steht erneut auf der Tagesordnung. Es ist insofern bekannt, als wir in dieser Legislaturperiode das fünfte Mal darüber reden, immer in anderen Zusammenhängen. Bisher hat dieses Konzept
keine Mehrheiten gefunden. Ich denke, es wurde immer
begründet abgelehnt.
Warum sollte es diesmal anders sein - nicht nur von
unserer Seite -, was ist daran neu? Sie haben als Antwort
auf Ihre Große Anfrage zur Altersarmut eine ausführliche Stellungnahme seitens der Bundesregierung bekommen. Die Antwort liegt seit zwei Jahren vor. Darin ist
begründet, warum Ihr Vorschlag für uns nicht akzeptabel
ist. Zur Erinnerung: Die gesetzliche Rentenversicherung
ist beitragsbezogen - das ist einer der Punkte -; allgemeine Mindestrenten gibt es nicht - das ist auch so gewollt -, mit zwei Einschränkungen, die Sie wohl kennen:
bei besonders niedrigen Pflichtbeiträgen vor 1992 und
bei den Kinderberücksichtigungszeiten ab 1992. Es gibt
keinen Bedarf für eine Mindestrente - so denken wir
zumindest -, da wir seit 2003 eine bedarfsorientierte
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben. Wir haben da eine vollkommen andere Herangehensweise und sehen auch keinen Änderungsbedarf.
Ich zitiere aus der erwähnten Antwort der Bundesregierung:
Mit der Einführung der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung ist
- damals die Entscheidung gefallen, die Trennung der versicherungsmäßig ausgestalteten Alterssicherung, insbesondere in Form der gesetzlichen Rentenversicherung, und des als Ergänzung erforderlichen
sozialhilferechtlichen Auffangnetzes beizubehalten.
Das war eine lange erwogene strategische Entscheidung.
Sie sprachen auch die Finanzierung an. Alle Versicherungszeiten sollen als Voraussetzung für den Erhalt der
Garantierente anerkannt werden, auch beitragsfreie Zeiten. Das widerspricht unserer Vorstellung, dass Nichtleistung gerade nicht mit Leistung gleichgesetzt werden
darf. Als flankierende Maßnahme - mein Kollege Weiß
ist darauf eingegangen - 80 Prozent der privaten Altersvorsorge anzurechnen, ist für uns nicht hinnehmbar.
Jetzt komme ich auf einen Punkt zu sprechen, den
mein Kollege schon genannt hat: Die Garantierente erneut auf die Tagesordnung zu setzen, hat schon etwas
von Wahlkampf. Wir müssen uns noch einmal mit den
Themen, die Ihnen wichtig sind, beschäftigen, obwohl
wir da eigentlich so weit aufgeräumt haben, wie wir es
für richtig hielten. Im Gegenteil: Die Arbeitsmarktpolitik der Koalition ist erfolgreich - das ist breit
anerkannt -, die Arbeitslosenquote so niedrig wie lange
nicht. Damit ist die Zahl der Einzahler ins Rentenversicherungssystem sehr hoch. Mein Kollege hat die Zahlen
genannt; sie verdeutlichen die Steigerung. Im Gegensatz
dazu haben Sie die Zahlen in den Zeiten, in denen Sie an
der Regierung waren, heruntergefahren. Wir glauben,
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist der beste
Schutz vor Altersarmut.
Drei Punkte in Ihrem Antrag sind schon ein bisschen
polemisch. Sie haben uns vorgerechnet, dass die Streichung der Rentenbeiträge für ALG-II-Beziehende zur
Verschärfung der absehbar ansteigenden Altersarmut
führten. Wenn Sie das durchrechnen, werden Sie sehen,
dass die Altersarmut nicht wegen dieser Kleinstbeträge
entsteht.
Der zweite Punkt ist, dass Sie sagen, wir würden die
sogenannte Mütterrente mit dem „Notgroschen“ bezahlen. Das sind 13 Milliarden Euro. Das „Notgroschen“ zu
nennen, ist schon ein bisschen herausfordernd.
({0})
Dann zu sagen, dass sich der eigene Rentenbeitrag
wieder lohnen muss, was sich nicht mit der Forderung
nach einer Garantierente, durch die explizit auch Nichtbeitragszahler gefördert werden, deckt, das ist mir nicht
verständlich.
Nein, ich möchte nicht.
- des gefeierten Anton Schaaf?
Das lasse ich natürlich zu. Bitte schön.
Das habe ich jetzt gnadenlos ausgenutzt, das ist schon
klar. - Jetzt zur Mütterrente. Es gibt ja zwei Argumentationsstränge. Der erste ist die Gleichbehandlung derer,
die Erziehungszeiten nach 1992 angerechnet bekommen,
und derer, die sie vor 1992 angerechnet bekommen. Jetzt
sagen Sie mir einmal, wie man, wenn man nicht 13,2 Milliarden Euro einsetzt, sondern - so wie Sie in Ihren Überlegungen - nur 6 Milliarden Euro, die Gleichstellung erreicht. Das schafft man so nicht. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Argumentationsstrang ist die Armutsvermeidung. Selbst wenn wir drei Entgeltpunkte annehmen,
reden wir über um die 80 Euro. Was ist daran armutsvermeidend bei jemandem, der beispielsweise 500 Euro
Rentenanspruch hat? Die Argumentation ist ja völliger
Quatsch.
Ich wollte an dieser Stelle gar nicht auf die Mütterrente eingehen. Ich wollte damit nur die Argumentation
ad absurdum führen. Wenn man die 13 Milliarden Euro,
die im Raum stehen, Notgroschen nennt, dann ist das
schon frappierend. Das kostet uns ja etwas; wir tätigen
diese Aussage nicht leichtfertig. Da ist es schon merkwürdig, wenn gedacht wird, wir bezahlten das aus der
Portokasse.
({0})
Ich selber habe eine dezidierte Meinung zu diesem
Thema; diese ist jetzt aber nicht relevant. Das Thema
Mütterrente ist jedenfalls diskussionswürdig. Ich bin begeistert über die Diskussionen darüber in meinem Umfeld. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieser Diskussionsprozess fortgesetzt wird.
Ich will noch etwas zu dir sagen, lieber Anton. Die
Anekdote, die ich anderen immer wieder gerne erzähle,
wenn es um die Kollegialität geht, die ich als Anfänger
hier in diesem Parlament erfahre, betrifft deine Person.
Wir trafen uns bei „Ossi“. Ich hatte die jüngste meiner
drei hübschen Töchter dabei. In dem Moment, als wir
uns begegneten, lieber Anton, hast du zuerst mich, dann
meine Tochter angeschaut und hast schließlich zu mir
gesagt: Mensch, du kannst ja auch schön! - Du wirst mir
- vielleicht auch den anderen, die nun von dieser Begegnung wissen - immer als guter Kollege in Erinnerung
bleiben. Wir sind in diesem Parlament nicht immer gegeneinander. Ganz herzlichen Dank für deine Kollegialität!
({1})
Ich wollte einfach auf die polemische Begründung
des Antrags eingehen. Mir ist wichtig, darzulegen, dass
es ein Widerspruch ist, wenn man auf der einen Seite
sagt: „Das Zahlen von Rentenbeiträgen muss sich wieder
lohnen“, und auf der anderen Seite die Garantierente
- auch für Nichtbeitragszahler - explizit fördert. Wir finden, dass die Garantierente nicht gerecht ist. Wer bewusst Teilzeit statt Vollzeit arbeitet oder viele beitragsfreie Zeiten aufzuweisen hat, wird gegenüber dem
Durchschnittsverdiener mit höherer Beitragsleistung
- gemäß diesem Modell: zu Recht - subventioniert. Das
kommt für uns nicht infrage. Das Äquivalenzprinzip sowie die lohn- und beitragsorientierte Rente werden so
ausgehebelt. Neue Ungerechtigkeiten wären die Folge,
die in der Bevölkerung sicherlich nicht ohne Widerhall
bleiben würden, wie ich finde: absolut zu Recht. Ich vermute, Sie verstehen, dass wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden.
Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({2})
Das Wort hat nun Silvia Schmidt für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Auch ich trete heute das letzte Mal an das Rednerpult. 16 Jahre Behindertenpolitik im Ausschuss für Arbeit und Soziales zu betreiben, war nicht immer leicht.
Gerade jetzt kommen unglaublich viele Herausforderungen auf uns zu. Diese hätte ich gerne noch gemeistert,
aber leider Gottes bin ich jetzt selbst behindert. Ich habe
nicht die Möglichkeit, mir einen politischen Assistenten
an meine Seite zu nehmen und meine Arbeit fortzusetzen. Das ist nun einmal so in der Politik; Sie kennen das
sicherlich. Ausführlich danken werde ich zum Schluss.
Ich möchte einiges zur Rentenpolitik und insbesondere zu Ihrem Antrag sagen. Generell haben Sie viele
Punkte in Ihrem Antrag aufgenommen. Tendenziell wollen wir alle, dass Menschen im Alter auskömmlich leben
können. Herr Heinrich, ich habe mich gewundert - ich
weiß nicht, ob das jeder angesichts der vielen Formeln,
um die es in der Rentenpolitik geht, mitbekommen hat -,
dass Sie die Ostrenten einfach vergessen haben. Auch
der Antrag macht mir in dieser Hinsicht schwer zu schaffen; denn hier wird allgemein dargelegt, was Altersarmut verursacht. Eine Ursache für Altersarmut ist, dass
Menschen nicht so viel in die Rentenkasse einzahlen
konnten. Das trifft vor allen Dingen auf Ostdeutschland
zu. Hier gibt es überproportional viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Davon sind, wie Sie zu Recht erwähnen, Frauen besonders betroffen. Zum einen verdienen Frauen generell weniger. Hier gibt es noch viel zu
tun. Zum anderen erhalten Frauen im Osten - insofern
sind sie doppelt betroffen - nicht den Tariflohn, der ihnen eigentlich zusteht, weil es noch keine Angleichung
gibt.
Wir haben einiges gemacht. Wenn Sie gestatten,
möchte ich auf einige Anträge meiner Fraktion eingehen. Schließlich diskutieren wir heute im Plenum aller
Voraussicht nach das letzte Mal über das wichtige
Thema Renten. Ich hoffe, dass ich klarmachen konnte,
dass mir Ostdeutschland besonders wichtig ist. Ich
glaube, viele Kolleginnen und Kollegen aus den anderen
Fraktionen sehen das genauso wie ich. Wir haben einen
Antrag auf Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Rentenüberleitungsgesetzes bzw. einer Härtefondsregelung eingebracht; Sie haben diesen leider bereits abgelehnt. Das ist ein ganz
wesentliches Thema. Die unterschiedlichsten Berufsgruppen sprechen uns immer wieder darauf an. Die
Frauen und Männer werden immer älter, sie kämpfen;
das muss man einfach wissen, und dem sollte man Rechnung tragen.
Der andere Punkt betrifft die sofortige Ost-West-Angleichung von pauschal bewerteten Versicherungszeiten.
Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Sie möchten die sogenannte Mütterrente haben, aber selbst wir haben das bei
den Kindererziehungszeiten in unserem Antrag schon
festgeschrieben. Sie hätten also etwas tun können und etwas tun müssen.
({0})
Wir haben natürlich ein Regierungsprogramm - lassen Sie mich diese Anmerkung noch machen -, und unser Antrag wird noch in diesem Hohen Haus behandelt
werden. Wir wollen eine generelle Rentenangleichung
von Ost und West haben. Das soll, natürlich stufenweise,
bis zum Jahr 2020 geschehen. Das ist ganz wichtig. Wir
sprechen in diesem Zusammenhang auch über eine Solidarrente. Das ist ein wesentlicher Punkt.
Als Letztes möchte ich doch noch die Gelegenheit
nutzen, einigen Kolleginnen und Kollegen zu danken. Es
sind nicht allzu viele hier, mit denen ich immer zusammenarbeite. Behindertenpolitik ist vielleicht nicht unbedingt das Lieblingsthema von allen. Maria Michalk ist
eine Seele von Mensch in der CDU/CSU, sie bringt sich
sehr engagiert in die Politik ein. Ich möchte auch Frau
Molitor erwähnen, die sich frisch mit der Materie beschäftigt. Grüßen Sie sie ganz herzlich von mir. Sie soll
weitermachen, und ich hoffe, dass sie weitermacht.
({1})
Silvia Schmidt ({2})
Der liebe Markus Kurth hat dieses Thema über Jahre
hinweg besetzt. Er ist einer der Experten hier im Deutschen Bundestag. Das muss ich ihm einfach lassen.
Markus, bleib dabei, und überzeuge vor allen Dingen
noch viele, die Bundesinitiative „Daheim statt Heim“ zu
unterstützen.
({3})
Das wäre eine ganz wichtige Forderung, die ich noch
hätte.
Ilja Seifert ist nicht da. Er ist genauso Experte in eigener Sache wie ich. Ich bedaure, dass Ilja vielleicht nicht
mehr in den nächsten Deutschen Bundestag einzieht.
Auch er hat viel zur Behindertenpolitik beigetragen.
Ich glaube, dass wir über die Fraktionsgrenzen hinweg ein gleiches Bild haben. Wir konnten uns nie so
böse streiten, wie das andere hier getan haben. Das zeigt,
dass wir alle hier Verantwortung für Menschen übernehmen, die unsere Unterstützung brauchen. Ich bitte Sie:
Reden Sie im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderung nie von Schwachen; denn diese Menschen machen uns stark und lassen uns selber wachsen.
({4})
Lassen Sie mich noch ganz kurz ein Dankeschön loswerden. Ich danke meiner Familie - oben auf der Tribüne sitzen meine Tochter und meine Enkelkinder -, und
ich hoffe, dass ich auch einmal Zeit für sie haben werde.
Meine Tochter hat mich ebenso unterstützt wie meine
Mutter und mein Sohn Peter. Es ist manchmal so: Man
freut sich; das geschieht nicht so oft. Das wissen auch
Sie selber. Deswegen bitte ich Sie: Denken Sie auch an
sich, an Ihre Gesundheit, an Ihre Gefühle, an Liebe und
Hoffnung. Denken Sie auch darüber nach, was Matt
Lamb - das ist ein irisch-amerikanischer Künstler - immer sagt: Das Leben ist keine Generalprobe. - Tun Sie
jetzt, was Sie tun wollen! Vergessen Sie manchmal, dass
immer Forderungen an Sie gestellt werden.
Übrigens, Gott segne Sie alle!
({5})
Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im
Alter arm zu sein, ist etwas, was niemandem zu wünschen ist. Altersarmut ist eine Belastung, der wir vonseiten der Politik nach Möglichkeit präventiv begegnen
müssen; denn sie ist tatsächlich eine ganz schwierige Situation.
Glücklicherweise sind heute erst wenige davon betroffen. Natürlich ist Altersarmut für jeden, der schon
heute davon betroffen ist, ein schweres Schicksal. Aber
man muss auch sagen: Es sind wenige, glücklicherweise.
Es sind deshalb wenige, weil die Rente eben doch für die
meisten aufgrund der Arbeits- und Familienphasen und
der Art, wie das Leben bisher gelebt worden ist, im Alter
noch reicht. Aber es wird Änderungen geben. Das Wichtigste, was die Politik machen muss, um Altersarmut in
der Zukunft zu verhindern, ist, für möglichst viele Menschen Erwerbsbiografien zu verstetigen. Das ist ein Bereich, in dem gerade diese Regierungskoalition so erfolgreich war wie wenige Regierungskoalitionen zuvor,
insbesondere wenn man an die Zeit von Rot-Grün denkt.
Die vergangenen Jahre der christlich-liberalen Koalition waren vier gute Jahre für Deutschland. Insofern ist
es nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, dass wir bei der
Bekämpfung von Altersarmut nichts erreicht hätten. Gerade als Vertreter der jungen Generation muss ich sagen:
Durch die wachstumsorientierte Politik, die diese Regierungskoalition auf den Weg gebracht hat, ist es gelungen, dass so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind wie noch nie in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Das ist wichtig, weil es gerade für die Zukunft verhindern wird, dass Menschen altersarm sind. Das war eine
richtige Politik, und deshalb werden wir die richtige
Politik ab September für vier weitere gute Jahre in
Deutschland fortführen.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die
Grünen, das, was Sie in Ihrem Antrag zum Thema Freibeträge ausführen, finde ich unterstützenswert. Bei Ihrer
Reform der Grundsicherung bzw. der Garantierente
möchten Sie Freibeträge für die anderen Säulen einführen. Das ist ein richtiger Weg; das sage ich als FDP-Politiker ganz bewusst. Wir halten das für den richtigen
Weg. In dieser Hinsicht ist das jetzige Grundsicherungssystem überarbeitungsbedürftig. Bei verschiedenen anderen Punkten können wir nicht mitgehen - das haben
die Kollegen der Union schon angesprochen -, zum Beispiel beim gesetzlichen Mindestlohn. Interessanterweise
schweigen Sie sich in Ihrem Antrag über dessen Höhe
aus. Ihre Forderung von 8,50 Euro, die Sie sonst immer
erheben, führen bei weitem nicht dazu, dass man sich
über das Niveau Ihrer Garantierente hinausbewegen
kann. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Sie
in Ihrem Antrag die Zahl von 8,50 Euro nicht nennen.
({2})
Deshalb wird es auch nicht zielführend sein, wenn Sie es
so machen wie die Linken,
({3})
die über die Rentenpolitik die Höhe des Mindestlohnes
bestimmen. Generell lehnen wir einen gesetzlichen Mindestlohn ab.
Es geht auch nicht - ein Satz noch -, dass Sie sich
über die tatsächlichen Kosten der Garantierente ausschweigen. Sie sprechen von 1 Milliarde Euro in den
nächsten Jahren,
({4})
dann von 5 Milliarden Euro, wenn bestimmte Maßnahmen nicht ergriffen werden. Werden diese Maßnahmen
ergriffen, bleiben die Kosten unter 5 Milliarden Euro.
({5})
Dann müssen Sie aber konkret sagen, welche Maßnahmen das sind. Sie fordern zum Beispiel eine Bürgerversicherung, wie Sie es auch im Bereich der Krankenversicherung wollen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Wir wissen, dass das Arbeitsplätze kosten wird. Am
Ende machen Sie mit Ihrer Steuer- und Gesundheitspolitik genau das, was Sie hier beheben wollen: Sie schaffen
Altersarmut, indem Sie Arbeitsplätze vernichten.
Ihnen, liebe Frau Schmidt, dir, lieber Toni Schaaf,
vielen Dank, dass ich euch habe kennenlernen dürfen in
meiner ersten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ihnen, Frau Schmidt,
wünsche ich vor allen Dingen Gesundheit. Ich freue
mich auf viele Begegnungen mit dir Toni in BadenWürttemberg. Ihnen beiden Gottes Segen.
({0})
Das Wort als letzter Redner zu diesem Debattenpunkt
hat der Kollege Max Straubinger für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren heute diesen Rentenvorschlag der grünen Bundestagsfraktion. Ich bin erstaunt über dieses
Modell, vor allen Dingen, weil es meines Erachtens eine
große Ungerechtigkeit für alle darstellt, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind. Dieses
Modell führte letztendlich dazu, wenn man es ganz drastisch darstellen möchte, dass man nach 30 Jahren ALGII-Bezug eine Rente von knapp 850 Euro bekommt. Ich
frage mich schon, was ein Maurer, was ein Zimmerer,
was ein Dachdecker davon halten soll, der die ganzen
Jahre tagein, tagaus gearbeitet hat und möglicherweise
eine Rente in der gleichen Höhe bezieht.
({0})
Das zeigt sehr deutlich, welche Ungerechtigkeit mit einem solchen System verbunden ist. Wir werden diesen
Antrag natürlich ablehnen.
Ich glaube, es ist gegenüber allen Beitragszahlern und
Beitragszahlerinnen der gesetzlichen Rentenversicherung ein hohes Gebot, am sogenannten Äquivalenzprinzip festzuhalten. Toni Schaaf hat dies gelobt, auch gegenüber dem Kollegen Kolb. Alle Formen von
Verbesserungen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung - das ist eine kritische Diskussionsphase sind immer auch gegenüber den langjährigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern zu begründen. Das geht
bei den Modellen, die heute eingebracht werden, auch
von der SPD, verloren. Über die Modelle der Linken
mag ich gar nicht reden. Der parteipolitische Überbietungswettbewerb - 900 Euro oder 1 050 Euro Rente hat begonnen nach dem Motto: Ich werde heute geboren
und weiß schon, dass ich ab meinem 65. Lebensjahr
- bei den Linken nicht; bei den Linken am liebsten
schon ab dem 50. ({1})
1 000 Euro Rente bekommen kann. Das widerspricht allen Realitäten. Sie wissen alle hier im Raum, dass das
nicht zu bezahlen ist.
Dies bleibt auch der Vorschlag der Grünen schuldig.
Sie reden in Ihrem Antrag von knapp 1 Milliarde Euro
Kosten, aber ich verstehe es nicht, denn Sie haben das
Modell mit Professor Hauser erarbeitet. Professor Hauser
unterstellt 30 Pflichtbeitragsjahre und redet dann von
5 Milliarden Euro Kosten im Jahr. Sie nehmen alle Zeiten,
die in irgendeiner Art und Weise im Leben „entwickelt“
wurden, und diese werden dann als Versicherungszeit
zugrunde gelegt. Ich habe es vorhin schon gesagt:
30 Jahre ALG-II-Bezug bedeuten dann hinterher
850 Euro Rente. Da kann es mit den Kosten gar nicht
ausgehen. Deshalb ist das ein Programm aus dem Wolkenkuckucksheim. Entschuldigung, Herr StrengmannKuhn, ich hätte Ihnen in dieser Rentendebatte mehr und
Besseres zugetraut. Das sage ich Ihnen ganz offen.
({2})
- Nein, nein. - Werte Damen und Herren, ich sage noch
etwas: Wir werden als CDU/CSU - besonders die CSU in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam die Verbesserung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten
umsetzen.
Lieber Toni Schaaf, du hast gesagt, wir hätten das
schon versprochen. Wir haben einen Prüfauftrag in den
Koalitionsvertrag hineingeschrieben.
({3})
„Prüfauftrag“ heißt noch nicht, dass es umgesetzt wird.
Diese Koalition legt besonderen Wert darauf, dass beab30816
sichtigte Leistungen auch finanziell untermauert sind.
Da wir damals mit einer ganz anderen Schuldensituation
in unserem Land konfrontiert waren, war es die erste,
wichtige und richtige Maßnahme, Haushalte zu konsolidieren. Deshalb ist das noch nicht umgesetzt. Wir würden uns auch wünschen, dass es schneller gehen würde.
Aber auch im Sinne der nachfolgenden Generation ist es
das Erste, dass wir Haushaltskonsolidierung betreiben,
dass wir keine neuen Schulden mehr machen. Dann können wir dies in die Tat umsetzen.
({4})
Dafür steht diese Koalition, und das werden wir auch in
der Zukunft beachten, auch in einer weiteren Regierungszeit.
Zum Schluss meiner Rede möchte auch ich Frau Kollegin Schmidt danken und ihr alles Gute wünschen und
meinerseits besonders auch Toni Schaaf herzlich für die
Kollegialität und freundschaftliche Verbundenheit danken. Lieber Toni Schaaf, du vermutest, dass Karl
Schiewerling ob seiner großartigen sozialpolitischenen
Einstellung bei der falschen Partei gelandet ist. Ich
denke, dir wäre es genauso ergangen, wenn du in Bayern
gewesen wärst. Dann wärst du wahrscheinlich bei der
CSU und würdest dort Sozialpolitik machen.
({5})
Ich weiß das aus vielen Begegnungen und Unterhaltungen, die wir freundschaftlich, gelegentlich auch bei einem Bier, gehabt haben.
In diesem Sinne alles Gute für die Zukunft und besten
Dank für die kollegiale Zusammenarbeit!
({6})
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die
Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/13493 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
({0})
- Während der weiteren Zeremonien auf der linken Seite
des Hauses bitte ich gleichzeitig diejenigen, die der wei-
teren Debatte nicht folgen wollen, die notwendigen Um-
gruppierungen vorzunehmen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf:
a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der
Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken
({1})
- Drucksache 17/13081 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken ({2})
- Drucksache 17/13403 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({3})
- Drucksache 17/13769 Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Heinrich
- Bericht des Haushaltsausschusses ({4})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 17/13771 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Karl
Ewald Schurer
Roland Claus
Katja Dörner
b) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
- Drucksache 17/13083 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
- Drucksache 17/13404 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ({5})
- Drucksache 17/13770 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Heinrich
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit ({6}) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Elke Ferner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen
- Drucksachen 17/12847, 17/13770 Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Heinrich
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach.
({7})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe heute die ehrenvolle Aufgabe,
mich von Ihnen zu verabschieden. Aber ich möchte doch
gerne mit dem beginnen, weswegen ich eigentlich heute
hier bin. Mein Minister guckt auch schon sehr zweifelnd.
Wir bringen nämlich eines unserer letzten Gesetzesvorhaben ein. Dieses Gesetzesvorhaben ist eines, auf das
wir auch sehr stolz sein können. Wir beraten heute den
Gesetzentwurf zur Sicherstellung des Notdienstes von
Apotheken und das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.
Mit unserem Vorhaben, die Sicherstellung des Apothekennotdienstes zu fördern, ergänzen wir ganz gezielt
das im letzten Jahr in diesem Hohen Hause beratene und
in Kraft getretene GKV-Versorgungsstrukturgesetz. Dies
ist ein wichtiges Gesetz; denn wir alle wissen aus eigener Erfahrung: Eine Krankheit kommt oft unangekündigt
und hält sich dabei überhaupt nicht gerne an die Öffnungszeiten unserer Apotheken.
Mit unserem Gesetzentwurf zum Apothekennotdienst wollen wir deshalb die Arzneimittelversorgung
der Menschen - gerade auch außerhalb der regulären
Öffnungszeiten der Apotheken - nachhaltig sicherstellen. Dabei haben wir besonders die ländlichen Apotheken im Blick; denn natürlich ist dort der Mangel besonders eklatant, und ich glaube, dass wir mithilfe dieses
Gesetzentwurfs den Notdienst in ländlichen Gebieten
nachhaltig sicherstellen.
Meine Damen und Herren, die Apotheken werden
künftig jeweils zwischen 20 und 6 Uhr den vollständig
erbrachten Notdienst durch einen pauschalen Zuschuss
vergütet bekommen. Gezahlt werden sollen diese Zuschüsse aus einem Fonds, den der Deutsche Apothekerverband errichtet und verwaltet. Die Finanzierung des
Zuschusses erfolgt über eine Erhöhung des Festzuschlags, den die Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel erheben. Dieser ist ausdrücklich zur Förderung der Sicherstellung des
Notdienstes von Apotheken bestimmt und zu diesem
Zweck vollständig an den Fonds abzuführen.
Der zweite Teil, nämlich der Teil, der die arzneimittelrechtlichen und andere Vorschriften betrifft, ist im
Wesentlichen einem besonderen Ziel gewidmet, nämlich
die Arzneimittelsicherheit für die Menschen in unserem
Lande zu erhöhen. Wir setzen hiermit eine europäische
Richtlinie um, wir verschärfen bestehende Dopingvorschriften, und wir sorgen dafür, dass die lang geforderte
Transparenz bei Anwendungsbeobachtungen deutlich
erhöht wird.
({0})
Wir stellen klar, dass für Arzneimittel des Bestandsmarkts, die einer Nutzenbewertung unterzogen werden,
grundsätzlich dieselben Regelungen gelten wie für neue
Arzneimittel. Damit sind wir in der Lage, dem G-BA die
Möglichkeit zu geben, die Bewertung der entsprechenden Arzneimittel zügig und vor alle Dingen rechtssicher
umzusetzen.
Es war immer unser ausdrücklich erklärter Wille, dass
das Nutzenbewertungsverfahren, welches wir mit dem
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz erfolgreich eingeführt haben, auch für den Bestandsmarkt Anwendung
finden muss; denn natürlich kann eine Nutzenbewertung
nicht nur neue Medikamente betreffen, sondern selbstverständlich muss dies auch in der Rückbesinnung gelten.
Außerdem haben wir klargestellt, dass die Schiedsstelle bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages unter
freier Würdigung aller Umstände entscheidet, und der
Gemeinsame Bundesausschuss erhält in den Fällen mehr
Flexibilität bei der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie, in denen mehrere Therapien aus medizinischen oder Evidenzgesichtspunkten gleichermaßen
- gleichermaßen! - zweckmäßig sind. In diesen Fällen
kann künftig der Zusatznutzen gegenüber jeder der gleichermaßen zweckmäßigen Vergleichstherapien nachgewiesen werden. Damit stellen wir sicher, dass vorhandene Evidenz nicht aus formalen Gründen verloren geht.
({1})
Meine Damen und Herren, dies ist im Interesse der
Patienten und Patientinnen und nicht unbedingt im Interesse der Industrie, wie uns manch einer gerne unterstellt. Ergänzend stellen wir sicher, dass, falls kein
Zusatznutzen nachgewiesen werden kann, der Erstattungsbetrag nicht höher sein darf als der Preis der wirtschaftlichsten Alternative. Damit besteht für Hersteller
eben kein Anreiz, eine teure Vergleichstherapie zu wählen, um ohne Nutzennachweis einen hohen Erstattungsbetrag zu erzielen. Das war uns wichtig, meine Damen
und Herren,
({2})
denn darum geht es uns: Wir wollen den Patienten helfen, wir wollen die Arzneimittelversorgung sichern, und
wir wollen sehen, dass alle in diesem Lande ordnungsgemäß versorgt werden.
Liebe Kollegen, das war der offizielle Teil meiner
Rede, jetzt kommt der inoffizielle. Ich möchte mich
heute verabschieden. Natürlich möchte ich damit beginnen, mich bei meiner eigenen Fraktion, die zu dieser späten Stunde so zahlreich erschienen ist,
({3})
besonders herzlich zu bedanken. Wir haben gemeinsam
nicht nur friedliche Zeiten erlebt, aber wir haben sie erfolgreich bewältigt. Ich glaube, dass ich vielen, die jetzt
hier in den Reihen sitzen, sehr viel Dank schulde.
Jetzt schaue ich nicht auf Birgit, obwohl das jetzt gerade jeder erwartet; ich meine sie natürlich immer. Ich
schaue ganz speziell auf Heinz Lanfermann. Unsere gemeinsame Arbeit hat etwas holprig begonnen. Aber wir
beide sind nicht nur zusammen zur Schule gegangen,
sondern haben auch sehr schnell gelernt, miteinander erfolgreich für die FDP zu arbeiten. Herzlichen Dank,
Heinz, dass das so gut gelungen ist!
({4})
Liebe Kollegen, ich bin in diesen 15 Jahren in vier
verschiedenen Ausschüssen gewesen: Ich habe mit der
Umweltpolitik angefangen. Dann habe ich - das war
sehr anregend - die Bildungs- und Forschungspolitik begleitet. Ich bin seitdem erklärter Antiföderalist;
({5})
das sage ich jetzt einmal in Richtung der Herren und Damen von CDU/CSU. Ich war in einer unendlich spannenden Zeit im Haushaltsausschuss, lieber Otto.
Dann habe ich bei den Kollegen aus dem Gesundheitsbereich sehr viel lernen können; das hätte ich nie
gedacht, aber es war so. Ich konnte bei meiner Fraktion
lernen, wie fürchterlich man beim Thema MVZ aufpassen muss.
({6})
Ich konnte bei den geschätzten Kollegen von CDU/CSU,
lieber Jens und lieber Johannes, lernen, wie man nächtelang asynchrone Arzthonorierung diskutieren kann.
({7})
„Asynchron“ fängt eigentlich mit A an; aber es endete
eigentlich immer mit B wie Bayern. Auch das habe ich
dabei gelernt.
({8})
Ich bin dank Herrn Terpe von den Grünen ein großer
Fachmann der Drogenpolitik geworden:
({9})
fünf Anhörungen im Drogenbereich. Ich habe den leider
nicht anwesenden, aber trotzdem geschätzten angehenden
zukünftigen Gesundheitsminister Karlchen Lauterbach
({10})
über viele Monate begleiten können. Ich glaube zwar
nicht, dass er wirklich der zukünftige Gesundheitsminister ist; aber wir wissen ja, wie es so ist. Er hat mir beigebracht, dass die FDP und die CDU/CSU noch so sehr
versuchen können, den Arzneimittelnutzen zu bewerten
und die Preise zu dämpfen: Irgendwo lauert immer der
böse Lobbyismus in unseren Gesetzen.
({11})
Das war etwas schwierig zu ertragen, aber wir haben es
gemeinsam bewältigt.
Ich hatte zudem ein Erweckungserlebnis. Ich habe gelernt: Nicht die FDP, liebe Kollegen, ist der Freund der
Apotheker. Es gibt eigentlich nur eine einzige Fraktion,
die Apothekertage rockt: Das sind die Linken.
({12})
Es war eine spannende Zeit. Aber wenn Sie mich fragen, was bei mir in meiner wahrscheinlich unruhigen
Rentenzeit hängen bleiben wird, dann sage ich: Es sind
unsere ethischen Entscheidungen, beginnend Anfang des
letzten Jahrzehnts mit der Entscheidung zur Stammzellforschung bis hin zu unserem erfolgreichen Antrag zur
PID, zu denen wir zusammen mit Ihnen gekommen sind,
nicht nur mit der FDP, wobei ich das Wort „nur“ jetzt
kleinschreibe. Ich sehe, dass Petra Sitte da ist. Ich weiß,
dass Carola Reimann heute nicht da sein kann. Ich
möchte an dieser Stelle herzliche Grüße an Peter Hintze
und Jerzy Montag richten. Ich glaube, das waren die
tollsten, die beeindruckendsten und die schönsten Zeiten, die ich in diesem Parlament erleben konnte. Denn
nicht immer treffen wir mit Gewalt aufeinander, sondern
vieles machen wir gemeinsam, und das ganz gut.
Herr Präsident, wenn Sie mir erlauben - ({13})
- Frau Präsidentin, Entschuldigung.
Die Frau Präsidentin überlegt gerade, wie sie das hinbekommt.
Das ist die Folge, wenn man Mitglied der FDP-Fraktion ist.
({0})
Ich habe ein gewisses Verständnis für diese Folgen.
({0})
Frau Präsidentin, ich möchte meine Rede mit einem
Zitat eines Politikers beenden, der weit bekannter ist, als
ich das bin: Harry Truman, einem der amerikanischen
Präsidenten. Bei seinem Abschied sagte er:
Ich war kein großer Präsident, aber ich habe eine
wunderbare Zeit mit dem Versuch verbracht, einer
zu werden.
In diesem Sinne, liebe Kollegen, habe ich es auch betrieben. Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute und erfolgreiche Legislatur, das gilt auch für die nächste. Machen Sie es gut, auch ohne mich!
Herzlichen Dank.
({0})
Nun hat die Kollegin Dr. Marlies Volkmer für die
SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dass diese feierliche Stimmung über uns alle gekommen
ist, so versöhnlich, mit so vielen Danksagungen und so
viel gegenseitigem Verständnis, das ist sehr schön. Auch
ich wünsche Ihnen alles Gute, liebe Frau Flach. Trotzdem muss ich diese feierliche und harmonische Stimmung ein bisschen
({0})
durcheinanderbringen. Es tut mir Leid.
({1})
Die gestrige Ausschusssitzung war das Gegenteil von
Harmonie. Es war für mich ein Lehrbeispiel dafür, wie
man Politik nicht machen darf.
({2})
SPD und externe Experten hatten schon 2010 während
der Beratungen zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln auf Fehlentscheidungen und handwerkliche
Fehler im Gesetz hingewiesen. Darüber hat sich die
schwarz-gelbe Koalition ohne Prüfung Kraft ihrer Mehrheit hinweggesetzt.
({3})
Mehr Gehör fanden die großen pharmazeutischen Unternehmen, die verständlicherweise in ihrem unternehmerischen Eigeninteresse handeln.
Gestern brachten die Koalitionsfraktionen in letzter
Sekunde vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses
Anträge für weitreichende Änderungen an der frühen
Nutzenbewertung von Arzneimitteln ein.
({4})
- Nein, lieber Herr Lanfermann.
({5})
Mittwochfrüh um 7.30 Uhr habe ich diese Anträge
auf meinem Tisch gefunden. Das ist auch nicht verwunderlich; denn das Sekretariat des Gesundheitsausschusses hat die Anträge am Dienstagabend zugeleitet bekommen, zu diesem Zeitpunkt war aber niemand mehr im
Sekretariat.
({6})
Bisher gilt bei der frühen Nutzenbewertung: Gibt es
bei einer Erkrankung mehrere evidenzbasierte Therapien, wird die wirtschaftlichste Therapie als Vergleichstherapie für die Nutzenbewertung eines neuen Präparats
gewählt. Künftig kann die pharmazeutische Industrie
selbst die Therapie auswählen, die zum Vergleich bei der
frühen Nutzenbewertung herangezogen wird. Dies wird
natürlich keine Therapie mit einem preisgünstigen Generikum sein, und das wird sich natürlich auf die Arzneimittelpreise auswirken.
Die resultierenden Mehrausgaben dürfen die Beitragszahler dann alleine schultern, übrigens ohne dass
sich an der medizinischen Versorgung etwas verbessert.
Das halten wir für falsch.
({7})
- Ja, da haben Sie recht. Es ist auch skandalös, dass die
Kolleginnen und Kollegen der Koalition kurz vor Ende
der Legislaturperiode ihre eigenen Bemühungen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise derart aushöhlen.
Das erinnert mich daran, wie ein Gesundheitsminister
Seehofer vor Jahren unter dem Beifall der Pharmaindustrie die erarbeitete Positivliste für Arzneimittel in den
Reißwolf steckte. Es ist ebenfalls skandalös, dass Sie
diese bedeutenden Änderungen faktisch in einer Nachtund-Nebel-Aktion durchführen, um jede sachliche Auseinandersetzung zu unterbinden.
Auch die angemessene Diskussion der Anträge im
Rahmen einer dringend notwendigen öffentlichen Anhörung mit unabhängigen Experten wurde von der Koalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt, und das, obwohl Sie
selbst im Ausschuss überhaupt nicht sagen konnten, wie
sich diese Änderungen qualitativ und finanziell auswirken werden. Das ist ein Armutszeugnis für Sie.
({8})
Handeln noch in dieser Legislaturperiode hätten wir
uns bei einem Thema gewünscht, das für viele Patientinnen und Patienten lebensnotwendig ist. Das betrifft die
zeitweiligen Lieferengpässe bei einigen Arzneimitteln
für Krankenhäuser. Hier geht es vor allem um Antibiotika bzw. Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen. Da haben Sie nichts gemacht. Dabei haben
wir es Ihnen leicht gemacht. Wir haben einen Antrag
eingebracht und Ihnen praktisch Lösungen auf dem Silbertablett serviert.
Unser Antrag zeigt deutlich, was alles getan werden
muss, um Lieferengpässe transparent zu machen, ihr
Auftreten zu reduzieren und den Umgang mit ihnen zu
verbessern. Zunächst ist es wichtig, dass die Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte
über drohende Lieferengpässe überhaupt rechtzeitig Bescheid wissen. Dazu müssen die Arzneimittelhersteller
gesetzlich verpflichtet werden;
({9})
denn es ist wichtig, dass dies rechtzeitig bekannt ist, damit man sich auf eine Therapie und auf Therapieumstellungen einstellen kann. Sie setzen auf freiwillige Meldungen. Freiwillige Meldungen reichen nicht, das zeigt
die Praxis. Zweitens brauchen wir eine Bevorratung von
lebensnotwendigen Medikamenten. Die Hersteller müssen eine Vorhaltung dieser Präparate für mindestens
sechs Monate gewährleisten.
Ich möchte noch über einen weiteren Punkt sprechen,
weil er besonders gravierend ist. Im vergangenen Jahr
wurde der patentgeschützte Wirkstoff Alemtuzumab zur
Behandlung einer Form der Leukämie vom Hersteller
europaweit zurückgezogen. Er soll mit der alleinigen
Zulassung für die neue Indikation Multiple Sklerose zu
einem deutlich höheren Preis auf den Markt gebracht
werden. Leider gibt es aktuell keine Möglichkeit, ein
solches Vorgehen, das der Gewinnmaximierung des Unternehmens dient, zu verhindern. Es ist dringend erforderlich, für solche Fälle eine Lösung zu finden,
({10})
damit es nicht zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung von Patientinnen und Patienten kommt.
Wir wollen, dass geprüft wird, ob in diesen Sonderfällen
eine Einschränkung des Patentschutzes möglich ist und
anderen Herstellern die Erlaubnis erteilt werden kann,
dieses Medikament für die ursprüngliche Indikation wieder auf den Markt zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schutz des geistigen Eigentums durch Patente kann bei einer Güterabwägung nicht höher bewertet werden als die Gesundheit
bzw. der Schutz des menschlichen Lebens. Das ist Politik im Sinne der Patientinnen und Patienten. Diese Politik vermissen wir bei Ihnen.
({11})
Der Kollege Michael Hennrich hat für die Unionsfraktion das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Erlauben Sie mir zunächst, bevor ich auf das
eigentliche Thema eingehe, ein paar Worte an Sie, Frau
Flach, richten zu dürfen. Ich habe Sie in vier Jahren Gesundheitsausschuss als jemanden kennengelernt, der
sehr nüchtern und sehr pragmatisch an die Themen herangegangen ist und immer an der Sache orientiert war.
Besonders hat mich in den letzten vier Jahren beeindruckt, dass Sie immer ohne Polemik ausgekommen
sind. Wir haben uns eigentlich ein bisschen an Sie gewöhnt, und jetzt gehen Sie. Das ist schade. Wir wünschen Ihnen aber weiterhin alles Gute und hoffen, dass
Sie der Gesundheitspolitik verbunden bleiben!
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten
heute und in zweiter und dritter Lesung das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz und das Dritte Gesetz zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.
Frau Volkmer, ich möchte vorab einiges zu dem sagen, was Sie zum Thema Beratung bei der Vergleichstherapie gesagt haben. Wir hatten da eine schwierige
Entscheidung zu treffen. Ich sage es Ihnen ganz offen:
Wir haben uns lange überlegt, wie wir uns diesem
Thema nähern, weil wir natürlich wussten, was vonseiten der Opposition auf uns zukommt. Wenn wir ein
Thema, das die Arzneimittelversorgung angeht, vernünftig regeln wollen, sehen wir uns sofort und automatisch
dem Vorwurf ausgesetzt, wieder Interessen der Pharmalobby zu bedienen. Deshalb darf ich Ihnen heute Folgendes in Erinnerung rufen: Wir haben in den letzten vier
Jahren 15 Milliarden Euro Einsparungen im Arzneimittelsektor erzielt.
({1})
Das waren 7 Milliarden Euro bei den Herstellern, 4 Milliarden Euro bei den Apothekern und rund 4 Milliarden Euro über die Rabattverträge. Ich kann mich noch an
die Zeit von Rot-Grün erinnern. Damals hat Bundeskanzler Schröder die Pharmalobby zu einem Glas Rotwein in das Bundeskanzleramt eingeladen.
({2})
Dabei hat man Einsparungen von 600 Millionen Euro erzielt.
({3})
Wir lassen uns von vielen Lobbyismus vorwerfen, aber
nicht von der SPD.
({4})
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz
herzlich bei den Grünen bedanken,
({5})
die bei dieser schwierigen Entscheidung ganz nüchtern
abgewogen haben, ob es Sinn macht. Sie haben dem Gesetzentwurf im Ausschuss nicht zugestimmt, sondern
sich enthalten; aber das hat die Sache für uns ein bisschen einfacher gemacht. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.
({6})
Ich möchte ganz kurz inhaltlich auf die zwei Gesetzentwürfe eingehen, zunächst auf das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz. Wir haben in Deutschland
das Problem, dass die vielen Apotheken in den Ballungsräumen relativ wenige Notdienste durchführen müssen.
Wenn sie Notdienste leisten müssen, dann können sie einen entsprechenden Umsatz verzeichnen. In ländlichen
Regionen, in dünn besiedelten Regionen haben wir das
Problem, dass die Apotheken sehr häufig Notdienst leisten müssen, ohne dass sie entsprechende Umsätze generieren können. Ich glaube, dieses Maßnahmenpaket ist
ein wichtiges Signal an die Apothekerschaft, aber auch
an die Patienten, dass die flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung sichergestellt wird.
In Zukunft bekommt jeder Apotheker, der einen vollständigen Notdienst - von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens ableistet, eine Pauschale von rund 200 Euro. Man muss
auch einmal sagen, um welche Beträge es sich dabei
handelt. Ich denke, das ist eine angemessene Entlohnung. Sie ist nicht zu hoch, sie ist passend.
Ich will zwei Punkte ansprechen, die wichtig sind:
Die Umsatzsteuerproblematik konnten wir leider
nicht gesetzlich regeln. Wir gehen aber davon aus, dass
das Bundesfinanzministerium mit den Landesfinanzministern eine Lösung findet, damit dieser Betrag den Apothekern ungeschmälert zur Verfügung steht.
Ich möchte auch auf die Diskussion über die Verwaltungsstrukturen eingehen. Von der Opposition wurde immer wieder angemerkt, es gebe effizientere Lösungen.
Ich habe mir von der Apothekerschaft sagen lassen, mit
welchen Verwaltungskosten sie ungefähr rechnet. Sie
geht davon aus, dass die Verwaltungskosten bei 1 Prozent liegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der GKVSpitzenverband Bund oder sonst jemand das hätte günstiger machen können.
Ich will auch kurz auf den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer
Vorschriften eingehen. Was haben wir da gemacht? Wir
haben die europäische Pharmakovigilanzrichtlinie umgesetzt. In Zukunft müssen Unternehmen, die freiwillig
Arzneimittel vom Markt nehmen, die Behörden umfassender informieren. Das soll sicherstellen, dass die Unternehmen es sich sehr genau überlegen, ob sie zu dieser
Maßnahme greifen. Wir haben rechtliche Veränderungen
vorgenommen, was die Bekämpfung des Dopings im
Sport angeht, und wir haben, wie gesagt, das AMNOG
noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Dabei haben wir
drei ganz wesentliche Punkte geklärt:
Wir haben zum einen geregelt, dass bei der frühen
Nutzenbewertung im Bestandsmarkt die Unternehmen
die identischen Rechtsmittel haben wie bei neuen Wirkstoffen; da gab es ja gewisse Unsicherheiten. Wir haben
bei der Wahl der Vergleichstherapie eine gewisse Flexibilität geschaffen. Uns war auch wichtig, im Gesetz klarzustellen, dass Unternehmen und GKV-Spitzenverband,
wenn ein Zusatznutzen belegt ist, Preise aushandeln
müssen, dass es also keinen festen Algorithmus gibt.
Mit diesen drei Maßnahmen bringen wir, denke ich,
das AMNOG insgesamt gut zum Laufen. Ich hoffe, dass
wir keinen Nachbesserungsbedarf haben werden. Die
Änderungen, die wir durchgeführt haben, belegen, dass
wir als Gesetzgeber verpflichtet sind, diesen Prozess
weiterhin zu beobachten und, falls es notwendig ist, an
der einen oder anderen Stellschraube zu drehen. Spannend wird jetzt, wie sich das Thema „Preisfindung in der
Schiedsstelle“ entwickelt. Aber auch da sind wir guten
Mutes.
Ich glaube, wir legen heute ein Gesetzespaket vor, das
in die richtige Richtung zeigt. Ich würde mich freuen,
wenn Sie diesem zustimmen würden.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Auch ich möchte zu Beginn ein Wort des
Dankes an die Parlamentarische Staatssekretärin, an
Frau Flach, richten. Unsere Zusammenarbeit konnte man
sicherlich nicht immer als harmonisch und gut bezeichnen, aber Sie haben mir wenigstens etwas beigebracht.
Sie haben mir beigebracht, wie man Kleine Anfragen
und andere parlamentarische Anfragen der Opposition
so beantwortet, dass möglichst wenig daraus entnehmbar
ist. Dadurch haben Sie mich immer wieder dazu angereizt, nachzufragen, nachzuhaken und so meine Oppositionsarbeit zu machen. Insofern war das, glaube ich, ein
gewisses Zusammenspiel. Auch ich wünsche Ihnen alles
Gute auf Ihrem weiteren Weg.
Jetzt zur Sache. Wir reden hier heute über zwei Gesetzentwürfe aus dem Hause Bahr. Bei dem einen geht es
um die Sicherstellung des Apothekennotdienstes. Die
Linke begrüßt, dass die Apothekennotdienste jetzt auch
vergütet werden sollen; denn das hilft, die wohnortnahe
Versorgung auch am Wochenende und in der Nacht, also
rund um die Uhr, zu erhalten, und stärkt die Apotheken
auf dem Land. Deshalb stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu, auch wenn wir das Finanzierungsmodell für unnötig kompliziert und bürokratisch halten. Es ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.
({0})
Beim zweiten Gesetzentwurf geht es um die Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.
Dieser Gesetzentwurf ist eine Art Lumpensammler und
greift verschiedene Sachverhalte auf, die vor dem Ende
der Wahlperiode schnell noch geregelt werden sollen.
({1})
Dem ursprünglichen Entwurf hätten wir übrigens zustimmen können. Umsetzung unstrittiger EU-Richtlinien, Rechtsklarheit für die frühe Nutzenbewertung und
verbesserte Regelungen gegen Doping im Sport - wer
sollte etwas dagegen haben? Auch die Regelung, dass
das Ministerium künftig die Gehälter von Kassenvorständen kontrollieren soll, hätten wir mitgetragen. Doch
mit den weiteren Änderungen haben Sie uns den Weg
zur Zustimmung verbaut. Mit den zwei wichtigsten
möchte ich mich hier auseinandersetzen.
Zuerst zu den Anwendungsbeobachtungen. Wir haben
hier schon oft darüber diskutiert, dass die Mehrzahl der
sogenannten Anwendungsbeobachtungen eben keine
wissenschaftlichen Studien sind, um Medikamente in
der praktischen Anwendung zu untersuchen und die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Es sind vielmehr
schlecht getarnte Marketinginstrumente, bei denen Ärztinnen und Ärzte dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte, meist teure Medikamente einer bestimmten
Firma verordnen. Es gibt ja durchaus auch Anwendungsstudien, die für den Schutz der Patientinnen und Patienten sinnvoll sind. Um diese zu erkennen, brauchen wir
ein verpflichtendes öffentliches Studienregister, wie es
die Linke schon lange fordert. Aber diese notwendige
Maßnahme verweigert Schwarz-Gelb hartnäckig.
({2})
Die Transparenzregeln, die Sie jetzt hier vorschlagen,
reichen absolut nicht aus. Reine Marketingmaßnahmen,
von denen die Patientinnen und Patienten nichts haben,
gehören nicht nur transparent gemacht, sondern gesetzlich verboten.
({3})
Union und FDP aber wollen im Wahlkampf nur die kritischen Bürgerinnen und Bürger beruhigen und vor allem
der Industrie nicht wehtun. So geht es schon mal gar
nicht.
({4})
Gestern Morgen um 7.30 Uhr haben Sie schnell noch
eine Änderung vorgelegt, die es in sich hat, und diese
unmittelbar danach im Gesundheitsausschuss mit Ihrer
Mehrheit durchgestimmt; die Kollegin Volkmer hat dazu
schon viel Richtiges gesagt. Interessant ist übrigens, dass
die Presse sehr viel früher Bescheid wusste als die Mitglieder des Gesundheitsausschusses. „Koalition hilft der
Pharma-Industrie“ oder „Arzneireform wird geändert zugunsten der Industrie“, so lauteten die Schlagzeilen
gestern früh, und zwar nicht etwa im Neuen Deutschland, sondern in der Süddeutschen Zeitung und im Handelsblatt.
({5})
Worum geht es? Die Industrie soll künftig selbst auswählen, gegen welche Vergleichstherapie sich ihre Produkte bei den Prüfungen auf einen Zusatznutzen zu bewähren haben; na ja. Damit sabotieren Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen, Ihr eigenes Gesetz vom letzten Jahr, das AMNOG, das nach Ihren eigenen Aussagen
- vor allem Herr Singhammer hat uns das ja vorgerechnet - die Arzneimittelkosten der Krankenkassen um bis
zu 1,5 Milliarden Euro senken sollte. Den Änderungsantrag der Linken, mit dem die Herstellerrabatte und das
Preismoratorium um weitere zwei Jahre verlängert werden sollten, haben leider alle anderen Fraktionen abgelehnt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Armutszeugnis.
({6})
Was heißt das? Ab dem 1. Januar nächsten Jahres ist
also wieder mit einer Preisspirale bei den Arzneimitteln
zu rechnen.
({7})
Aber das muss Sie ja nicht belasten; denn damit muss
sich dann eine andere Regierung herumärgern.
({8})
Vor allem ärgert es die Versicherten, die dann tiefer in
die Tasche greifen müssen.
Sie haben den Aktionären der Pharmakonzerne
schnell noch einmal gezeigt, wo sie am 22. September
dieses Jahres ihr Kreuzchen machen sollen.
({9})
Aber alle, die keine Pharmaaktien besitzen, alle, die
Krankenkassenbeiträge zahlen, werden daraus hoffentlich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und diese
Regierung abwählen.
({10})
Diesen vollkommenen Murks kann die Linke jedenfalls
nur ablehnen.
Dem Antrag der SPD, etwas gegen Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten zu tun, stimmen wir hingegen
zu. Denn damit wird ein weiteres Problem aufgegriffen,
das diese schwarz-gelbe Bundesregierung links liegen
lässt.
({11})
Die sogenannte Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung zugunsten der Konzerne und zugunsten der
Aktionäre hat dann hoffentlich ab dem 22. September
dieses Jahres ausgedient.
Ich danke Ihnen.
({12})
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Frau Flach, auch von mir noch ein kurzes Wort. Wir waren in den letzten vier Jahren fast nie einer Meinung. Wir
haben uns aber immer sachlich und dabei betont gut gelaunt ausgetauscht. Es hat Spaß gemacht mit Ihnen. Ich
wünsche Ihnen alles Gute.
({0})
Nun zum Gesetzentwurf. Da ist ja viel Routine drin.
Es geht um die Umsetzung von EU-Recht; das haben wir
schon gehört. Die Koalition feiert sich für eine bessere
Vergütung von Apothekennotdiensten.
({1})
Das Ziel, dadurch Landapotheken zu stärken, teilen wir.
Wir müssen nur sagen: Sie haben sich wenig darum gekümmert, was Sie da eigentlich tun. Denn es liegen von
nur zwei Bundesländern, nämlich von Bayern und Baden-Württemberg, überhaupt Zahlen zur Belastung der
Apotheken mit Notdiensten vor; von allen anderen Ländern wissen wir gar nichts über die Verteilung.
Noch weniger haben Sie sich darum gekümmert, sich
mit den Ländern zusammenzusetzen und den jetzigen
Zuschnitt der Notdienstbezirke zu überprüfen, um zu
vermeiden, dass Patienten von einem Ende des Landkreises, wo der ärztliche Notdienst ist, zum anderen
Ende des Landkreises zur Notdienstapotheke fahren
müssen.
({2})
All das hat Sie nicht interessiert. Sie haben nur die besagten 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Da
muss man schon sagen: Das ist Gesetzgebung im Blindflug. Das wirkt trotz der guten Absicht, die wir teilen,
nicht wirklich überzeugend.
({3})
Sie haben im Übrigen auch noch nicht abschließend
geklärt, ob den Apothekern, was die Umsatzsteuer betrifft, nicht eine doppelte Belastung droht; auch daran sei
erinnert. Die heiße Nadel ist nie eine gute Ratgeberin.
Zunächst hieß es, es soll in Apotheken vielleicht
keine Apotheken Umschau, keine Tempos und keine
Weihnachtskalender mehr geben.
({4})
Bei der Beratung stellt sich dann heraus: Doch, es gibt
weiterhin die Apotheken Umschau, die Tempos, die
Pflaster und die Weihnachtskalender. Aber das, was
nicht mit viel Geld im Fernsehen wie die Apotheken
Umschau beworben wird, sondern was sich jetzt eine
Reihe nicht so ABDA-treuer Apotheken überlegt hat
- seien es 1-Euro-Gutscheine oder sonst etwas -, soll
verboten werden. Da muss man schon fragen: Wenn es
denn Kundenbindungsmittel gibt, warum sollen nur die
einen angewendet werden, und warum sollen die anderen verboten werden? Das riecht doch sehr nach einer
kleinen Gefälligkeitsaktion von Schwarz-Gelb zur politischen Kundenbindung. Da sind wir nicht dabei.
({5})
Es freut uns hingegen, dass die Koalition entdeckt
hat, dass der Vorschlag der Grünen zur Verbesserung der
psychotherapeutischen Versorgung gut ist. Wir halten
zwar nicht viel von der Reservequote für die Ärzte; aber
wenigstens ist jetzt gesichert, dass nichtbesetzte Sitze
nicht angerechnet werden. Das wird insbesondere die
psychotherapeutische Versorgung im Osten Deutschlands verbessern; und das ist gut so.
({6})
Richtig ist auch, dass bei der Nutzenbewertung von
Arzneimitteln im Bestandsmarkt Rechtsklarheit geschaffen wird. Damit komme ich zu einem kontroversen
Thema, nämlich die Regelung zur Vergleichstherapie,
die Sie last minute eingebracht haben, dass bei verschiedenen Möglichkeiten nicht die wirtschaftlichste gewählt
werden muss.
Auch Rot-Grün hat oft lange beraten und entsprechende Gesetzentwürfe kurzfristig vorgelegt. Daher will
ich Ihnen gar nicht vorhalten, dass der Gesetzentwurf
sehr kurzfristig vorlag. Aber es fällt schon auf, dass wir
den Gesetzentwurf erst anderthalb Stunden vor der
Ausschussberatung bekommen haben, während Herr
Singhammer die Zeit hatte, die Presse am Vortag ausführlich zu briefen, damit am nächsten Tag etwas in der
Zeitung stand. Bei dieser Gelegenheit hätten Sie uns den
Gesetzentwurf gleich mitgeben können.
({7})
So war es uns kaum möglich, den Gesetzentwurf zu prüfen.
Interessant ist, dass Herr Singhammer der Pharmaindustrie in Aussicht gestellt hat, dass sie jetzt die
Vergleichstherapie auswählen könne, die sie wolle. Der
Kollege Lauterbach hat dann gesagt: Eben das ist
schlecht. - Wenn es so wäre, hätte er auch recht. Nur, das
gibt der Wortlaut des vorgelegten Gesetzentwurfs gar
nicht her.
({8})
Es bleibt dabei, dass der G-BA die zweckmäßige Vergleichstherapie festlegt
({9})
und erst dann - lieber Kollege Spahn, ich sehe, wir sind
uns insoweit einig - der Hersteller tatsächlich eine Auswahlmöglichkeit bekommt.
({10})
Das halten wir für durchaus diskutabel; denn wir wollen,
dass auch da geforscht wird, wo bereits eine Versorgung
mit Generika möglich ist. Es kann ja sein, dass auch dort
noch ein Zusatznutzen erzielt werden kann. Da wir den
Gesetzentwurf nicht großartig diskutieren und überprüfen konnten, befürchten wir allerdings, dass es Manipulationsmöglichkeiten gibt. Wir halten diese Regelung
also für eine Regelung auf Bewährung. Deswegen haben
wir uns in diesem Punkt enthalten.
Der Gesetzentwurf hat insofern durchaus Licht und
Schatten, sodass wir ihm insgesamt nicht zustimmen
können. Wir sind auch nicht sehr zufrieden mit der Minikorrektur beim Doping. Wir hätten vorgeschlagen, einen
Straftatbestand Sportbetrug einzuführen. Das wäre besser, als den Besitz entsprechender Mittel für strafbar zu
erklären. Nun denn, es gibt einige gute Regelungen, einige zweifelhafte und einige gar nicht gute. Deswegen
werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten.
({11})
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer für
die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir verfolgen mit diesem Gesetzentwurf hinsichtlich der arzneimittelrechtlichen Vorschriften zwei
Ziele: Das erste Ziel ist, dass die Patientinnen und Patienten in Deutschland die besten, die neuesten und die
wirksamsten neuen Arzneimittel erhalten. Das zweite
Ziel ist, dass die Finanzen der Krankenversicherungen,
soweit es geht, geschont bleiben.
Bei dem zweiten Ziel sind wir nachprüfbar sehr erfolgreich - der Kollege Michael Hennrich hat die Zahlen
schon genannt -: Es gab in der Geschichte des deutschen
Gesundheitswesens bei den Ausgaben für Arzneimittel
noch nie einen solchen Rückgang. Seitdem wir im Jahr
2010 das AMNOG verabschiedet haben, sind die Ausgaben Jahr für Jahr beträchtlich - in Milliardenhöhe - geschrumpft. Das ist gut so. Wir wollen das fortsetzen. Wir
wollen aber auch, dass die Garantie, die die Menschen in
Deutschland haben, dass sie mit neuen, innovativen Medikamenten bestmöglich versorgt sind, erhalten bleibt.
Deshalb müssen wir beide Ziele in eine Balance bringen.
Es gibt bei den Medikamenten unterschiedliche Preisniveaus in Europa. Nicht immer ist das niedrigste Preisniveau das beste für die Patientinnen und Patienten. Vor
kurzem hat die Universität Bayreuth eine sehr interessante Studie dazu vorgestellt. In ihr wurden 39 neue, eindeutig innovative Substanzen, die für Patientinnen und
Patienten wichtig sind und in den Jahren 2008 bis 2010
auf den Markt gekommen sind, verglichen, und es wurde
untersucht, welche für alle Patientinnen und Patienten
verfügbar geworden sind. Dabei wurde beispielsweise
festgestellt, dass in Spanien, das ein sehr niedriges Preisniveau hat, 8 dieser Substanzen verfügbar waren. Außerdem hat man festgestellt, dass in Italien, wo das Preisniveau ein bisschen höher ist, 11 dieser Substanzen
verfügbar waren. Des Weiteren hat man festgestellt, dass
in Deutschland alle 39 dieser neuen, innovativen Substanzen verfügbar waren, und zwar nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Patienten, sondern für alle.
({0})
Unser Ziel ist es, dass es keine, wie auch immer geartete Abstufung beim Zugang zu neuen, innovativen,
wirksamen Medikamenten in Deutschland gibt. Das
werden wir nicht zulassen. Wir wollen die besten Medikamente für alle.
({1})
Deshalb haben wir diese Änderungen eingebracht. Mit
ihnen verfolgen wir das klare Ziel, noch einmal das zu
präzisieren, was wir bei der AMNOG-Gesetzgebung im
Jahr 2010 auch schon deutlich ausgedrückt hatten. Wir
wollen also die Trennung der beiden Schritte noch einmal präzise festlegen. Schritt eins ist die Feststellung des
Zusatznutzens. Das ist ein empirischer, ein wissenschaftlicher, ein evidenzbasierter Vorgang. Schritt zwei sind
die Preisverhandlungen. Das ist ein ökonomischer Vorgang. Er hat mit dem ersten nichts zu tun.
({2})
Wir wollen auch jedes Risiko vermeiden, dass beide
Schritte vermischt werden könnten.
({3})
Mit dieser Klarstellung machen wir das und erreichen,
dass eine saubere Trennung möglich ist und auch durchgesetzt wird. Das ist unser Ziel. Deshalb legen wir diesen Vorschlag vor. Ich denke, er ist sachgerecht und hilft
dabei, unsere beiden Ziele zu realisieren und damit die
beste Versorgung für alle Patientinnen und Patienten in
Deutschland sicherzustellen.
({4})
Ich möchte in diesem Fall nicht zu Beginn, wie einige
Redner das schon getan haben, sondern am Schluss der
Staatssekretärin - dir, liebe Ulrike Flach - herzlich für
eine gute Zusammenarbeit und eine hervorragende Kooperation in der Koalition danken. Wir haben gemeinsam viel erreicht, denke ich. Darauf können wir stolz
sein.
Danke schön.
({5})
Das Wort hat der Kollege Steffen-Claudio Lemme für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Flach, ich
wünsche Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit.
({0})
Nun zur Sache, zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz: Es waren sicherlich nicht nur viele von uns,
sondern auch viele Versicherte generell schon einmal in
der Situation, nachts oder an einem Sonntag dringend
eine Apotheke aufsuchen zu müssen. In der Not schnell
das geeignete verschreibungspflichtige bzw. apothekenpflichtige Medikament zu bekommen, ist für die betroffenen Menschen wichtig. Auch die Gewissheit zu haben,
dass im Notfall eine Apotheke in der Nähe aufgesucht
werden kann, verleiht den Menschen ein Gefühl von Sicherheit. Daher ist die wohnortnahe Sicherstellung des
Apothekennotdienstes ein wichtiges Element der ambulanten Notfallversorgung.
Dringender Handlungsbedarf besteht insbesondere
auf dem Land, da der Apothekennotdienst hier stark ausgedünnt wurde und die Versicherten immer längere Anfahrtswege zur nächsten Apotheke in Kauf nehmen müssen. Die Finanzierung ist ungerecht. Das Nachsehen
haben zumeist Apotheken im ländlichen Bereich.
Doch was hat uns Schwarz-Gelb hier vorgelegt? Einen Gesetzentwurf, der zu kurz gedacht und zu kurz gesprungen ist.
({1})
Nehmen wir nur einmal die Entstehung des Gesetzes.
Es scheint, als wäre es in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
verfasst worden, um ja noch etwas vor der nächsten
Wahl vorzeigen zu können. Wie ist es sonst zu erklären,
dass die Verbände und der Normenkontrollrat nur zwei
Tage Zeit hatten, ihre Stellungnahmen dazu zu verfassen? Die Länder haben sich dank ihres optimierungsbedürftigen Zeitmanagements erst gar nicht beteiligen können.
Bei dieser Entstehungsgeschichte ist es nicht verwunderlich, dass die Umsetzung deutliche Schwächen aufzeigt. So unterliegt die vorgesehene Einrichtung eines
Fonds und die Verteilung der zusätzlichen Mittel einem
komplizierten Konstrukt. Wir halten es für unlogisch,
den Fonds beim Deutschen Apothekerverband anzusiedeln. Eine mögliche Alternative wäre ja beispielsweise
ein steuerfinanziertes Modell gewesen. Aber dieses haben Sie gar nicht prüfen lassen.
Außerdem produziert der Fonds einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand. Diese Auffassung vertritt ebenso der Normenkontrollrat. Dabei brüstet sich die FDP doch gerne mit der Forderung nach
Bürokratieabbau, und das im großen Stil. Wie man hier
sehen kann, ist das alles nur heiße Luft. Aber das sind
wir ja von Ihnen gewöhnt.
({2})
Ein wichtiges Ziel hätte sein müssen, die Apotheken
in strukturschwachen Regionen zu stärken und sie angemessen dafür zu vergüten, dass sie die Notfallversorgung
mit Arzneimitteln bereitstellen. Es liegt doch auf der
Hand, dass eine Apotheke in Berlin-Schöneberg sonntags und nachts häufiger in Anspruch genommen wird
als eine Apotheke im Harz oder im Thüringer Wald.
({3})
Der Bedarf nach zielgerichteten Maßnahmen für
Apotheken in strukturschwachen Gebieten drängt sich
nahezu auf. Doch durch den vorgelegten Gesetzentwurf
werden die hochfrequentierten Apotheken in Ballungsgebieten noch stärker bevorteilt. Das liegt an der von Ihnen vorgeschlagenen Vergütungsstruktur. Die Bindung
der Notdienstpauschale an das Fixhonorar führt zu einer
deutlichen Bevorzugung der städtischen Apotheken. Die
Vertreterin des GKV-Spitzenverbandes hat davor gewarnt, dass diese Regelung zu einer impliziten Dynamisierung führen kann. Kurzum: Man kann die ländlichen
Apotheken doch nicht dadurch fördern, dass man die
städtischen Apotheken besser bezahlt. Das muss Ihnen
doch einleuchten.
({4})
Auch wenn der Ansatz des Gesetzentwurfes zu begrüßen ist, so lässt die Ausgestaltung doch sehr zu wünschen übrig. Hier ist zu sehen, dass gut gemeint nicht
gleich gut gemacht ist.
Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort hat der Kollege Jens Spahn für die Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn ich hier den Reden der SPD zu diesen beiden Themen lausche, habe ich nicht den Eindruck, dass Sie das
Gesetz in seiner Gesamtwirkung auch nur ansatzweise
verstanden haben.
({0})
- Herr Kelber, Sie können das Gesetz ja einmal erklären.
Ich glaube, Sie wissen nicht einmal, wie es heißt. Also
seien Sie doch an dieser Stelle einfach ruhig. Nur, weil
Sie jetzt gerade einmal zufällig hier im Parlament sitzen,
müssen Sie nicht dazwischenrufen.
({1})
- Herr Kelber, wissen Sie, Sie haben ja ein dunkles Organ. Das kommt immer durch. Deswegen sind Ihre Zwischenrufe immer gut zu verstehen, aber leider nicht besonders inhaltsvoll.
Wir wollen aber jetzt darüber reden, worum es bei
dem Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz geht. Das
sagt nämlich schon der Name. Es geht darum, dass wir
die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit
medizinischen Dienstleistungen in allen Bereichen gewährleisten wollen. Es ordnet sich in einen Gesamtgesetzgebungsprozess ein, den wir in den letzten Jahren
begonnen haben. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wollten wir es für Ärztinnen und Ärzte weiterhin attraktiv machen, sich im ländlichen Raum niederzulassen
und somit dort die Versorgung sicherzustellen.
Daneben geht es jetzt darum, den Notdienst der Apotheken, die zur Verfügung stehen müssen, wenn Patientinnen und Patienten nachts Medikamente brauchen,
erstmals überhaupt pauschal zu vergüten. Mit diesem
Gesetzentwurf sagen wir: Dafür gibt es ein Fixhonorar
von 250 Euro pro Dienst. Bei den Unterschieden, die es
gibt - wir wissen, dass es in Bayern Apotheken gibt, die
nur drei Notdienste im Jahr haben, während andere über
80 Notdienste haben -, spiegelt dies den Mehraufwand
tatsächlich angemessen wider. In einem weiteren Schritt
werden wir in den nächsten Wochen den Krankenhäusern Anreize und auch finanzielle Möglichkeiten geben,
um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen.
Eines unterscheidet uns hier auf jeden Fall. Ihr Schattenkompetenzträger hat hier in einer Rede ja mal gesagt,
das wäre eine Verbeugung vor den Apothekern, und Sie
haben das Ärzte-Versorgungsgesetz ein „Ärztebeglückungsgesetz“ genannt. Durch all dies wird deutlich,
dass Sie nicht verstehen, dass eine gute, flächendeckende Versorgung der Menschen nur mit den Ärzten,
nur mit den Apothekern, nur mit den Pflegekräften erreicht werden kann, und nicht gegen sie.
({2})
Sie polemisieren andauernd gegen Ärzte und Apotheker
und versuchen, einen Keil zwischen Patientinnen und
Patienten sowie Ärzte und Apotheker zu treiben.
({3})
Wir wollen das Gegenteil, und deswegen wollen wir diesen Dienst gerade auch in der Fläche im Land angemessen honorieren.
({4})
Zum nächsten Thema. Frau Volkmer, auch hier muss
ich sagen: Entweder waren Sie böswillig oder Sie haben
es nicht verstanden. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz sieht klar zwei Schritte vor:
Der erste Schritt ist die Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Wir schauen: Wie viel besser ist ein Arzneimittel, das neu auf den Markt kommt, als das, was schon da
ist. Eine solche Nutzenbewertung - ist etwas besser als
das, was schon da ist? - ist immer relativ. Wir lassen
jetzt zu, dass dann, wenn es gegen eine bestimmte
Krankheit schon heute mehr als ein Arzneimittel bzw.
eine Therapie gibt, man einen Vergleich gegen eine von
diesen durchführen kann. Bei einem solchen relativen
Vergleich - es kommt ja immer darauf an, was Sie vergleichen - erhält man halt unterschiedliche Ergebnisse.
Der zweite Schritt ist, dass auf der Grundlage dieser
Ergebnisse Preisverhandlungen geführt werden.
Deswegen ist es einfach nicht redlich, dass Sie sich
hinstellen und sagen, es handelte sich um milliardenschwere Geschenke für die Pharmaindustrie. Es ist okay,
Wahlkampf in diesem Punkt zu betreiben; aber im politischen Miteinander geht es nun einmal gar nicht, die Sachen so sehr zu verfälschen, dass sie nicht einmal mehr
ansatzweise etwas mit dem zu tun haben, was wir tatsächlich regeln. Das finde ich schon schwierig;
({5})
denn im Kern geht es um etwas anderes, und das haben
Sie anscheinend auch noch nicht ganz verstanden.
Sie können hier gerne Pharma-Bashing betreiben,
weil Sie denken, dass es populär ist, immer auf die Pharmaindustrie zu hauen. Aber eines, glaube ich, wissen die
Menschen ziemlich gut, dass es nämlich neue Medikamente etwa gegen Krebs, MS, Rheuma, Hepatitis C, Demenz und viele andere Krankheiten, die tatsächlich auch
besser sind und mehr leisten als die Medikamente, die
schon auf dem Markt sind - es geht also nicht nur um
eine andere Pillenfarbe -, nur dann geben wird, wenn
wir solche Medikamente auch angemessen honorieren.
Sie mögen hier Pharma-Bashing betreiben, weil Sie
meinen, dass das populär ist. Wir meinen, dass es richtig
ist, Innovationen gut zu bezahlen, weil das für eine gute
Patientenversorgung wichtig ist; denn viele Menschen
warten dringend auf diese Medikamente und auf neue
Behandlungsmöglichkeiten. Deswegen stehen wir auch
zu dem, was wir hier tun.
({6})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken.
Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13769, den Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13081 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPDFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich gebe dem Kollegen Wunderlich das Wort zu einem Geschäftsordnungsantrag.
Gemäß § 45 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung ist der
Bundestag beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder, mithin mehr als 310, im Sitzungssaal anwesend sind. Meine Fraktion bezweifelt das.
({0})
Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages,
die wir uns selbst zu Beginn dieser Legislaturperiode gegeben haben, ist eindeutig. Zur Erklärung für alle im
Saal Anwesenden, möchte ich Folgendes ausführen:
({0})
Nach § 45 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung ist festgelegt:
Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden
fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages
bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht
einmütig bejaht …
Vizepräsidentin Petra Pau
In diesem Fall ist mit einem Hammelsprung die Beschlussfähigkeit festzustellen.
({1})
Ich bitte die Geschäftsführer aller Fraktionen zu mir.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Beratung mit
den Geschäftsführern und natürlich mit den uns jederzeit
hilfreich zur Seite stehenden Juristen der Bundestagsverwaltung haben wir die Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages ausgelegt. Es ist unstrittig, dass wir über einen Gesetzentwurf in zweiter und dritter Beratung gültig
abgestimmt haben. Ich habe festgestellt, dass dieser Gesetzentwurf angenommen worden ist.
({3})
Nach unserer Geschäftsordnung kann vor jeder neuen
Abstimmung der Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit gestellt werden. Wir haben den Antrag des
Kollegen Wunderlich für die Fraktion Die Linke, die Beschlussfähigkeit festzustellen, vor der Abstimmung über
Buchstabe b der Beschlussempfehlung auf Drucksache
17/13769, nämlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13403 für erledigt zu erklären,
entgegengenommen.
Die Geschäftsordnung lässt uns keine Wahl: Die Beschlussfähigkeit wird festgestellt, indem alle Kolleginnen und Kollegen den Saal verlassen. Sobald sich das
Präsidium davon überzeugt hat, dass alle Kolleginnen
und Kollegen den Saal verlassen haben, werden wir zur
Feststellung der Beschlussfähigkeit des Hauses die Türen gegenüber dem Präsidium wieder öffnen.
({4})
Mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages werden wir gleichzeitig über die Beschlussempfehlung abstimmen. Das heißt, ich bitte zu
beachten, durch welche Tür Sie den Plenarsaal nach
Aufruf zur Abstimmung betreten. Sie machen damit
deutlich, wie Sie zur Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung für erledigt zu erklären,
stehen.
Durch das Betreten des Saales geben Sie den Schriftführerinnen und Schriftführern die Möglichkeit, zu zählen, wie viele Mitglieder des Hauses anwesend sind.
Nach unserer ständigen Übung ist der Deutsche Bundestag beschlussfähig, wenn von den 620 Mitgliedern des
Hauses mindestens 311 an der nun folgenden Abstimmung teilnehmen.
Ich bitte jetzt, die Voraussetzungen für diese Abstimmung zu schaffen. Dazu gehört, dass die Kolleginnen
und Kollegen bitte den Saal verlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für diejenigen, die
noch anderweitig beschäftigt waren und nicht mitbekommen haben, worum es im Moment geht: Wir sind
dabei, die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages festzustellen und gleichzeitig über die Erledigterklärung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung abzustimmen. Um dies tun zu können, müssen bitte alle
Kolleginnen und Kollegen zuerst einmal den Saal verlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde darauf
aufmerksam gemacht, dass es über das Prozedere Unklarheiten gibt. Wer den Saal einmal verlassen hat, kann
diesen erst dann wieder betreten, wenn ich den Hammelsprung eröffnet habe. Ich bitte Sie daher, den Schriftführerinnen und Schriftführern und vor allen Dingen den
Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung an den Türen
die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht noch schwerer
zu machen. Betreten Sie den Saal also erst dann wieder,
wenn ich die Abstimmung eröffnet habe.
Bevor wir zu diesem Hammelsprung gerufen haben,
haben wir viele Reden gehört, mit denen sich Kolleginnen und Kollegen vom Deutschen Bundestag und von
uns verabschiedet haben. Ich nehme auch zur Kenntnis,
dass der eine oder andere den voraussichtlich letzten
Hammelsprung in seinem Abgeordnetenleben bestreitet.
({5})
- Ich sagte „voraussichtlich“. Wir sind alle keine Hellseher.
Ich bitte noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen,
den Saal jetzt zu verlassen.
Der Kollege Schweickert hat aufgrund der offenkundigen Schwierigkeiten, dies zu tun, mit Einverständnis
des Präsidiums die Erlaubnis, hier sitzen zu bleiben. Wir
werden gemeinsam mit den zählenden Schriftführerinnen und Schriftführern sicherstellen, dass seine Anwesenheit hier entsprechend mitgezählt und protokolliert
wird.
Ich bitte um ein Zeichen, wenn der letzte Kollege
oder die letzte Kollegin die Gelegenheit wahrgenommen
hat, den Saal zu verlassen, und die Türen geschlossen
sind, und - noch wichtiger - um ein Zeichen, ob alle
Schriftführerinnen und Schriftführer auf ihren Positionen sind. - Darf ich das Zeichen als Zustimmung interpretieren? - Dann bedanke ich mich recht herzlich und
eröffne die Abstimmung.
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, zu bedenken,
dass sie durch die Tür gehen, die das Votum zur Erledigterklärung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf
Drucksache 17/13403 signalisiert. Es wird gleichzeitig
Vizepräsidentin Petra Pau
gezählt, wie viele Kolleginnen und Kollegen an dieser
Abstimmung teilnehmen, um die Beschlussfähigkeit zu
überprüfen.
Die Abstimmung ist also eröffnet; ich hoffe, das ist
jetzt auch draußen angekommen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind, uns doch bitte
die Möglichkeit zu eröffnen, die Türen einzusehen, das
heißt, sich noch ein Stückchen weiter in den Saal hineinzubemühen - nicht dass eine Kollegin oder ein Kollege
gehindert wird, an dieser Abstimmung teilzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um ein Signal, ob sich noch Kollegen vor der Tür befinden, die
noch nicht an dieser Abstimmung teilnehmen konnten.
({6})
- Na ja, ich zweifele an, dass es Tausende sind. Wir sind
620 Mitglieder in diesem Haus. Mir würde es schon genügen, wenn ebendiese sich zur Abstimmung aufgerufen
fühlten und jetzt an dieser auch teilnehmen würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, ich bin jetzt
auch in der Lobby vor dem Saal zu hören und zu verstehen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Abstimmung, die der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages dient und
außerdem über die Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13769 erfolgt, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13403 für erledigt zu erklären, teilnehmen wollen, dies auch zu tun und den Saal
durch die Tür ihrer Wahl wieder zu betreten.
({7})
- Ja.
Ich bitte um ein Signal, ob noch Kolleginnen und
Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen,
draußen sind. - Das ist nicht der Fall.
({8})
Ich bitte noch einmal, uns den Blick auf die Türen
freizumachen. Dieser Appell richtet sich an diejenigen
Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind und
sich in der Mitte des Saales aufhalten.
({9})
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis festzustellen
und dem Präsidium unverzüglich zuzuleiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um
Aufmerksamkeit für das Ergebnis der Abstimmung:
267 Kolleginnen und Kollegen haben mit Ja gestimmt.
Es gab eine Enthaltung. Daraus folgt: 268 Kolleginnen
und Kollegen haben an dieser Abstimmung teilgenommen. Ich stelle damit fest, dass der Deutsche Bundestag
beschlussunfähig ist.
Nach § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung ist nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit die Sitzung aufzuheben. Das tue ich hiermit. Die Sitzung ist aufgehoben.