Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich. Ich teile Ihnen mit, dass interfraktionell vereinbart worden ist, die Unterrichtung durch die Bundesregierung auf der Drucksache 17/12611 mit dem Titel
„Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2013“ federführend dem Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung sowie zur Mitberatung dem
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, dem Ausschuss für Gesundheit und dem Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit zu überweisen. Einwände? - Keine. Dann haben wir das so beschlossen.
Dann können wir nun zu Tagesordnungspunkt 1 kommen:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft
({0}).
Unter der sogenannten Bundeskompensationsverordnung kann sich sicher jeder sofort etwas vorstellen.
({1})
Das, was an Interpretationsspielräumen verbleibt, wird
möglicherweise Bestandteil der Befragung der Bundesregierung sein. Bevor diese stattfindet, bitte ich den zuständigen Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit um einen kurzen einleitenden Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der
heutigen Tagesordnung des Kabinetts wurden drei
Punkte aus dem Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit behandelt: zum Ersten der Entwurf des Endlagersuchgesetzes, den wir in der nächsten Sitzungswoche mit den
Fraktionen gemeinsam parallel einbringen und dann
auch diskutieren werden; zum Zweiten der erste Rechenschaftsbericht zur Nationalen Strategie zur biologischen
Vielfalt und zum Dritten die Bundeskompensationsverordnung, über die ich Sie jetzt unterrichten möchte.
Diese Kompensationsverordnung ist heute vom Bundeskabinett beschlossen worden. Sie wurde gemeinsam
von mir und dem Bundesverkehrsminister und der Bundeslandwirtschaftsministerin vorgelegt. Sie war in meinem Zehn-Punkte-Programm vom August letzten Jahres
enthalten. Es ist kein Zufall, dass wir uns im Kontext der
Energiewende und des Endlagersuchgesetzes besonders
intensiv mit diesen Fragen beschäftigen; denn die Energiewende stellt gerade auch den Naturschutz vor besondere Herausforderungen.
Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien und
der Energienetze ist ohne die Inanspruchnahme von
Grundflächen und die damit verbundenen Eingriffe in
Natur und Landschaft nicht zu bewerkstelligen. Das gilt
für die Errichtung von Windkraftanlagen. Das gilt aber
ebenso und insbesondere auch für Energiefreileitungen,
wie sie im Netzentwicklungsplan geregelt sind. Dies
kann sich nicht nur nachteilig auf Tiere und Landschaftsbild auswirken; durch den weiteren Ausbau wird auch
der Druck auf land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen erhöht, und zwar sowohl durch das Vorhaben
selbst, das diese Flächen in Anspruch nimmt, wie auch
durch die erforderliche Kompensation, die dann vorzunehmen ist.
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist kein
Instrument zur Verhinderung von Vorhaben. Sie verlangt
aber, die mit ihnen einhergehenden Beeinträchtigungen
von Natur und Landschaft möglichst zu vermeiden, jedenfalls aber auszugleichen oder zu ersetzen. Deshalb
kann sie einen wichtigen Beitrag zur naturverträglichen
Gestaltung der Energiewende leisten. Das ist bisher nur
in sehr unzureichendem Maße der Fall, weil wir in
16 verschiedenen Bundesländern 16 unterschiedliche
Herangehensweisen beim Vollzug haben. Das hat sowohl für den Naturschutz wie auch für die Vorhabensträger, deren Planer und die zuständigen Behörden eine
Fülle von Problemen zur Folge. Deshalb haben wir uns
bereits vor Monaten gemeinsam darauf verständigt, in
Gesprächen mit den Ländern und den übrigen Ministerien sowie den beteiligten Verbänden nach einer gemeinsamen bundesweiten Regelung zu suchen. Das wird im
Übrigen nachvollziehbar, wenn Sie an die großen Hochgeschwindigkeitsenergiefreileitungen denken, die von
der Nordsee länderübergreifend bis in die Verbrauchszentren im Süden Deutschlands führen sollen. Es wäre
hochproblematisch, wenn man für den Bau einer einzigen Leitung vier, fünf oder sechs unterschiedliche Eingriffsregelungen anwenden müsste.
Die Verordnung soll dazu beitragen, dass der Vollzug
der Eingriffsregelungen effektiver wird: effektiver im
Sinne transparenter und beschleunigter Verfahren, aber
auch effektiver im Sinne einer qualitativ besseren Kompensation. Unser Ziel ist es, dass wir sowohl für das Gelingen der Energiewende als auch für den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen und für den Naturschutz am
Ende einen Mehrwert generieren und dass es auf keiner
Seite Verlierer, sondern auf allen Seiten Gewinner gibt.
Deshalb werden wir die Anforderungen an Vermeidung
und Kompensation von Eingriffen erstmals bundeseinheitlich konkretisieren und standardisieren. Hierzu werden bundesweite Vorgaben eingeführt, unter anderem zu
einem Biotopwertverfahren, auf dessen Grundlage in der
Regel Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes kompensiert werden, sowie zur Bemessung der Ersatzzahlungen,
die insbesondere für real nicht kompensierbare Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes erhoben werden.
Welche Beeinträchtigungen sind damit gemeint? Damit
sind insbesondere Turm- und Mastbauten gemeint, die in
die Höhe gehen. Sie führen zu einer vertikalen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Man kann sie in der
Regel nicht real kompensieren, es sei denn, es gibt in der
Nachbarschaft einen anderen Mast oder einen anderen
Turm, den man abbauen kann; aber das ist in vielen Fällen nicht der Fall, vor allen Dingen dann nicht, wenn
Leitungsmasten und Windräder errichtet werden.
Die Verordnung soll darüber hinaus zur Verringerung
der Inanspruchnahme von land- und forstwirtschaftlich
genutzten Flächen beitragen. Dazu werden Anreize für
eine möglichst hochwertige und damit flächensparende
Aufwertung von Natur und Landschaft gesetzt. Es wird
ein Bonus für die Kompensation durch Entsiegelung und
Wiedervernetzung von Lebensräumen eingesetzt. Um es
konkret zu formulieren: Es kann Fälle geben, in denen es
Sinn macht, nicht die 150. Streuobstwiese herzustellen,
sondern bereits bestehende Flächen so aufzuwerten, dass
sie dann auch unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes eine höhere Bedeutung haben. Das gilt insbesondere
für Rückbau und Entsiegelung. Es gilt für die Renaturierung von Bachläufen, aber auch für die Wiedervernetzung von Lebensräumen.
Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Deshalb haben wir die Länder im Vorfeld in die
Besprechungen mit eingebunden. Ich weiß, dass die
Länder jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Vollzug
der Eingriffsregelungen haben. Deshalb war es wichtig,
sie einzubeziehen. Ich hoffe aber, dass die Länder auch
erkennen, dass es jetzt die Chance zu einer stärkeren
Vereinheitlichung des Vollzuges gibt. Insofern hoffe ich,
dass wir diese Verordnung noch vor der Sommerpause
endgültig, also auch mit Zustimmung des Bundesrates,
verabschieden können. Sie wird eine Übergangsfrist für
das Inkrafttreten vorsehen, damit sich alle Beteiligten
darauf einstellen können.
Vielen Dank.
Die erste Nachfrage hat der Kollege Miersch.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister
Altmaier, Sie haben dargelegt, dass das Ziel eine bundeseinheitliche Regelung ist. Ich war damals Berichterstatter in der Großen Koalition, als wir diesen Dreiklang gerettet haben. Ich weiß noch, wie die Länder darum
gekämpft haben. Nun hat das bayerische Kabinett letzten
Mittwoch eine bayerische Kompensationsverordnung
verabschiedet; eine Woche vor dem Bundeskabinett.
Wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt vor dem Hintergrund, dass Sie eine bundeseinheitliche Regelung erreichen wollen?
Ich war ganz zu Beginn meiner Amtszeit auf dem
Deutschen Bauerntag in Fürstenfeldbruck und habe dort
gemeinsam mit dem in Bayern für Landwirtschaft zuständigen Kollegen zu den versammelten Landwirten
gesprochen. Wir waren uns damals beide darüber im
Klaren, dass wir eine entsprechende Verordnung brauchen. Es gab dann einen edlen Wettstreit, bei dem es sozusagen darum ging, wer zuerst mit seinen Arbeiten fertig ist.
Ich bin überzeugt, dass es aus Sicht aller Bundesländer, auch aus Sicht Bayerns, Sinn machen wird, eine
bundeseinheitliche Regelung einzuführen, weil die Vorteile auf der Hand liegen: Für Investoren, Landwirte und
Naturschutzverbände ist es dann wesentlich einfacher,
die Folgen von Maßnahmen abzuschätzen und zu Ergebnissen zu kommen. Deshalb vertraue ich darauf, dass unser, mit guten Argumenten unterfütterter Vorschlag am
Ende Unterstützung findet.
Kollege Süßmair.
Herr Minister Altmaier, wie berücksichtigt die Bundesregierung Forderungen von Naturverbänden, aber
auch zum Beispiel vom Bundesverband WindEnergie,
dass ein multifunktionaler Ausgleich vor Ort, der aus naturfachlicher Sicht und auch aus Gründen der Akzeptanz
vor Ort sehr sinnvoll ist, weiterhin möglich sein soll?
Ja, das wird mit dieser Verordnung, wenn ich das
richtig sehe, auch weiterhin möglich sein.
Ich kenne jetzt nicht die konkreten Forderungen, auf
die Sie sich beziehen, aber Multifunktionalität heißt in
diesem Fall ja, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
durchgeführt werden, die jeweils auf die Kompensation
mehrerer beeinträchtigter Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes gerichtet sind und zugleich weitere Anforderungen, unter anderem des
Gebiets- und Artenschutzes, abdecken, um die Inanspruchnahme von Flächen so gering wie möglich zu halten. Das verstehe ich unter Multifunktionalität, und das
ist auch ausdrücklich in der vorliegenden Verordnung
enthalten.
Frau Kurth, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, vor
meiner Frage möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir
es nicht nur mit Blick auf die Energiewende, sondern generell sehr gut und sehr richtig finden, dass es endlich
eine bundeseinheitliche Regelung geben soll, um Ausgleich und Kompensation zu regeln. Das war bisher unter den einzelnen Ländern immer sehr schwierig.
Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung möchte ich Sie gern fragen
- wir kennen den Entwurf ja noch nicht im Detail, sondern nur das, was bisher allgemein diskutiert worden ist;
wenn wir aber richtig informiert sind, sieht die Verordnung Abweichungsregelungen zum Beispiel in der Bewertung von Biotopen vor: man kann drei Punkte nach
oben und drei Punkte nach unten bewerten -: Wird nicht
die Einheitlichkeit gefährdet, wenn jedes Land doch
wieder erhebliche Abweichungsmöglichkeiten hat? Inwieweit sieht das Verfahren auch quasi Öffnungsklauseln vor bis hin zu unbestimmten Rechtsbegriffen? Wenn
ich richtig informiert bin, dann gibt es unter anderem Formulierungen wie: Anforderungen in angemessenem Umfang anerkennen. Das ist, wie Sie wissen, hinlänglich allgemein. Trägt das Ihrer Meinung nach wirklich zur
Vereinheitlichung bei?
Wir mussten eine schwierige Balance finden zwischen dem Wunsch, eine möglichst einheitliche, bundesweite Regelung zu bekommen, und der Notwendigkeit,
auf spezifische Situationen und Probleme vor Ort Rücksicht nehmen zu können. Das haben wir dadurch gelöst,
dass wir gesagt haben: Der Kernbereich der Verordnung
ist abweichungsfest und für alle Länder verbindlich.
Dann gibt es immer die von Ihnen zitierten Möglichkeiten, mit deren Hilfe man vor Ort in den einzelnen Ländern zu etwas abweichenden Regelungen im Detail
kommen kann. Das halte ich auch für richtig. Schon das
BGB hat mit unbestimmten Rechtsbegriffen operiert.
Diese haben seit über 100 Jahren Bestand, und man hat
damit nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht, weil
sie immer wieder an die praktischen Anforderungen angepasst wurden.
Ich gehe allerdings davon aus, dass wir im Laufe der
Anwendung durch die Bundesländer zu einer noch stärkeren Gleichförmigkeit kommen werden, weil sich gute
und gelingende Lösungen herumsprechen und dann auch
durchsetzen werden. Wir werden also nach meiner Ansicht insgesamt eine wesentlich stärkere Einheitlichkeit
haben, als es bis jetzt der Fall ist.
Kollege Kelber.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister
Altmaier, erwartet die Bundesregierung, dass man sich
mit dieser Verordnung die Möglichkeit erkauft, dass in
Zukunft für die Erledigung staatlicher Pflichtaufgaben
im Bereich Naturschutz - ich denke an Natura 2000 und
die EU-Wasserrahmenrichtlinie - Ersatzgelder für Naturzerstörungen eingesetzt werden? Wird mit dieser Verordnung nicht quasi ein Ablasshandel eingeführt?
Nein, das wird nicht passieren. Es hat auch in der Vergangenheit die Möglichkeit gegeben, Ersatzgelder zu
zahlen; die wurden auch entsprechend verwendet. Im
Augenblick werden zur Umsetzung der Energiewende
weitere Flächen in erheblichem Umfang benötigt. Wir
erwarten, dass allein in diesem Jahr der Flächenverbrauch für den Ausbau der Windkraftanlagen an Land
um 50 Prozent steigen wird. Das wird auch im nächsten
Jahr aller Voraussicht nach in ähnlicher Größenordnung
der Fall sein. Wir werden in den nächsten Jahren mit
dem Ausbau der Leitungen beginnen. In dem Maße, wie
Ersatzgelder gezahlt werden, wird Geld für Naturschutzbelange zur Verfügung stehen. Das ist aber kein Ablasshandel. Das führt vielmehr dazu, dass vorhandene Flächen qualitativ aufgewertet werden.
Im Übrigen ist es auch möglich, dass neue Flächen
hinzukommen. Das ist bewusst nicht ausgeschlossen.
Wir geben durch die Vergabe von Bonuspunkten nur einen Anreiz, die Wiedervernetzung von Lebensräumen,
die Renaturierung oder die Entsiegelung von Flächen
voranzutreiben. Ich halte das für ein sehr nachvollziehbares Anliegen, gerade auch unter dem Gesichtspunkt
des Naturschutzes.
Eine knappe Nachfrage.
Erwarten Sie, dass die bisher zur Verfügung stehenden steuerlichen Mittel für Naturschutzmaßnahmen erhalten bleiben und durch die Ersatzzahlungen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden?
Das hoffe und wünsche ich sehr.
Frau Behm.
Vielen Dank. - In der Vergangenheit ist es immer
wieder vorgekommen, dass Kompensationsmaßnahmen
nach wenigen Jahren andere Kompensationsmaßnahmen
überlagert haben. Das heißt, nach wenigen Jahren wurde
wieder die gleiche Fläche in Anspruch genommen, und
die zuvor auf dieser Fläche durchgeführte Kompensationsmaßnahme war damit quasi obsolet. Jetzt nehme ich
wahr, dass in der Bundeskompensationsverordnung die
dingliche Sicherung von Kompensationsmaßnahmen
nicht generell festgelegt werden soll. Ich hätte gerne gewusst, welches Ressort das aus welchem Grund eingebracht hat und welche Konsequenzen das Ihrer Meinung
nach für den Naturschutz hat.
Können Sie die Frage konkretisieren?
Die Konkretisierung lautet: Warum gibt es keine generelle dingliche Sicherung von Kompensationsmaßnahmen? So besteht doch die Gefahr, dass bei einem nächsten Planvorhaben wieder die gleiche Fläche für eine
Kompensationsmaßnahme genutzt wird.
Es ist doch so, dass Sie das ganz schwer statisch festschreiben und dinglich sichern können, weil Sie nicht
wissen, welche Anforderungen etwa durch den Ausbau
von erneubaren Energien oder den Bau von Leitungen
entstehen. Entscheidend ist deshalb, dass wir insgesamt
im Bereich des Naturschutzes vorankommen und den
Flächenverbrauch insgesamt reduzieren. Das liegt sowohl im Interesse der Landwirtschaft wie im Interesse
des Naturschutzes.
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass wir im Kabinett über den Rechenschaftsbericht zur Nationalen
Strategie zur biologischen Vielfalt gesprochen haben. Zu
den Bereichen, in denen wir positive Entwicklungen zu
verzeichnen haben, gehört die Flächeninanspruchnahme.
Hier kommt es zu einer Reduzierung des Flächenverbrauchs. Diese Reduzierung ist noch nicht so umfangreich, wie wir uns das wünschen; aber wir kommen in
dem Bereich voran. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir
dank der Zuwächse beim Ersatzgeld - nach den Planungen der Bundesländer ist eine Vielzahl von Maßnahmen
im Bereich der erneuerbaren Energien zu erwarten - insgesamt beim Naturschutz vorankommen. Ich bin mir
nicht sicher, ob eine generelle - und damit über die gesetzliche Anforderung einer rechtlichen Sicherung hinausgehende - dingliche Sicherung im Einzelfall tatsächlich zu guten und verträglichen Ergebnissen führt.
Kollege Goldmann.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Da ich aus einer Region komme, in der im Bereich regenerative Energien
vieles auf dem Weg ist, befinde ich mich angesichts dieser neuen Verordnung an der Grenze des Entsetzens. Ich
bin besorgt - ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie diese
Sorge teilen -, weil eigentlich alles, was wir im Moment
machen - Planung von 380-kV-Leitungen, nachgeordnete Netze, Windmühlen -, im Grunde genommen über
Flächen ausgeglichen wird.
Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viel Fläche
von den Bauern für den Ausbau der regenerativen Energieträger insgesamt zur Verfügung gestellt werden
muss? Oder haben Sie eine Vorstellung davon - diese
Verordnung hat ja fast Gesetzescharakter -, wie viel
Geld hier fließen wird? Und ist es richtig, dass dieses
Geld überwiegend an das Umweltbundesamt geht, das
dann in Eigenregie darüber verfügt, wofür entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden?
Herr Kollege Goldmann, da wir Koalitionspartner
sind, teile ich wahrscheinlich viele Auffassungen mit Ihnen, auch all diejenigen, die im Koalitionsvertrag festgelegt sind; aber Ihr Entsetzen teile ich nicht. Ich habe
nämlich immer wieder festgestellt, dass so mancher Flächenverbrauch auf gemeinsame Wünsche - auch aus Ihrer Fraktion - zurückzuführen ist. Denken Sie nur an die
Freiflächenregelung für Photovoltaik, die wir vor einiger
Zeit gemeinsam beschlossen haben.
Viele Landwirte befinden sich in folgender Situation:
Zum einen nehmen sie verantwortungsvoll und gerne die
Funktion von Energiewirten wahr und leisten damit einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende; das führt
allerdings zu Flächenverbrauch. Zum anderen wollen sie
für die verbrauchte Fläche dann aber nicht noch weitere
Flächen stilllegen, sodass der Anteil der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen noch weiter eingeschränkt
würde.
Ich kann Ihnen gerne Berechnungen - die gibt es bei
den zuständigen Referaten meines Hauses mit Sicherheit zur Verfügung stellen, wie groß der dadurch verursachte
Flächenverbrauch ist. Unser Ziel ist es, mit der Kompensationsverordnung einen Weg vorzugeben, der es ermöglicht, die sich notwendigerweise aus der Energiewende,
die wir gemeinsam wollen, ergebenden Folgen zu einem
vernünftigen Ausgleich zu bringen. Windräder werden
nun einmal meistens auf land- oder forstwirtschaftlich
genutzten Flächen gebaut, weil sie sich in der Großstadt
nicht ganz ohne Störungen integrieren lassen. Deshalb
haben wir sie auf den weiten Flächen in Niedersachsen,
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, aber nun auch
zunehmend in Bayern, Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg. Wir haben deshalb gesagt, dass ein Weg
zu einem vernünftigen Ausgleich darin besteht, dass
dort, wo die Naturschutzverbände es wollen, vorhandene
Flächen aufgewertet werden können und damit ein wichtiger Beitrag zur qualitativen Verbesserung des Naturschutzes geleistet werden kann.
Die Gelder werden von den Ländern - nicht vom Umweltbundesamt, das keine Mittel aus dem Ersatzgeld erhält - unterschiedlichen Empfängern zur Verfügung gestellt, und wir werden dafür sorgen, dass sie angemessen
verwendet werden.
Kollege Krischer, bitte.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich
möchte an eine Frage anknüpfen, welche die Kollegin
Behm eben gestellt hat. Als Vorsitzender eines Landschaftsbeirates habe ich in der Praxis über viele Jahre die
Erfahrung gemacht, dass nach einigen Jahren häufig
nicht mehr bekannt ist, welche Flächen für Kompensationsmaßnahmen ausgewiesen worden sind, und diese
dann anderweitig in Anspruch genommen werden oder
gar ganz verschwinden. Wie stellt die Verordnung sicher,
dass Kompensationsmaßnahmen dauerhaft erhalten bleiben und dokumentiert werden? Welche konkreten Verbesserungen bringt diese Verordnung, um jenen Missstand zu beenden?
Da kann ich Sie beruhigen. Ich habe zwar vorhin gesagt, dass ich im Hinblick auf eine dingliche Sicherung
sehr zurückhaltend bin. Aber es wird ein Kompensationskataster geben, in dem man wird nachsehen können,
welche Flächen zu Kompensationszwecken verwendet
worden sind. Das ist ein großer Beitrag zu mehr Transparenz bei den Kompensationsmaßnahmen und ein großer Fortschritt im Vergleich zum Status quo.
Kollege Miersch.
Vielen Dank. - Herr Minister, ohne dass ich den Verordnungstext im Einzelnen kenne, bin ich ein wenig
hellhörig geworden, als Sie den Begriff „Rückbauten“
verwendet haben. Vielleicht zur Beruhigung des Kollegen Goldmann: Ich befürchte, dass sich die Agrarlobby
bei dieser Kompensationsverordnung durchgesetzt hat.
Insofern lautet meine Frage: Schließen Sie aus, dass
ein Landwirt mit den Ersatzgeldzahlungen, die er für
Flächen, die er in Anspruch genommen hat, dann beispielsweise einen ohnehin notwendigen Stallrückbau im
Außenbereich finanziert?
({0})
Es ist so, dass wir lange über diese Fragen gesprochen
haben. Es gab aus der Landwirtschaft den Wunsch, dass
man bestimmte Kompensationsmaßnahmen gesetzlich
festschreibt und privilegiert. Das konnten wir aus grundsätzlichen rechtlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht tun. Deshalb haben wir bestimmte Anreize gegeben, indem wir Bonuspunkte ausweisen. Wir
haben diese Dinge im Übrigen im Gespräch mit Naturschutzverbänden entwickelt. Die Idee der Entsiegelung
beispielsweise ist mir von der Naturlandstiftung Saar nahegebracht worden, die bundesweit vorbildliche Maßnahmen auf diesem Gebiet durchgeführt hat.
Sie haben Ställe im Außenbereich angesprochen, die
zurückgebaut werden sollen. Ich muss Ihnen diese Frage
schriftlich beantworten. Im Übrigen sähe ich es aber im
Einzelfall nicht als ein Problem an, wenn auf diese
Weise wertvolles Land entsiegelt und dadurch der Naturschutzwert erhöht würde.
Kollegin Kotting-Uhl.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich
habe eine Frage zur stattgefundenen Partizipation, von
der wir ja wissen - das wird immer öfter deutlich -, dass
sie für die Akzeptanz von Gesetzesvorhaben unabdingbar ist. Ich frage Sie jetzt nicht, ob Sie bei der Erstellung
des Entwurfs der Verordnung Verbände einbezogen haben; denn davon gehe ich selbstverständlich aus.
So ist es auch.
Ja. - Mich würde jetzt interessieren, in welcher Phase
der Erarbeitung dies stattgefunden hat und auch hinsichtlich welcher Regelungsinhalte. Ich will mich da ganz
besonders auf die Antwort beziehen, die Sie Herrn
Goldmann gegeben haben. In dieser haben Sie von Flächenberechnungen gesprochen. Sind auch da die Umweltverbände einbezogen worden?
Ich kann Ihnen noch einmal den Ablauf der Entstehung darlegen. Ich habe im August 2012 angekündigt,
dass ich gerne eine solche Verordnung erstellen möchte.
Wir haben dann im September 2012 einen Referentenentwurf vorgelegt. Über diesen ist auch in den Fachkreisen schon intensiv diskutiert worden. Es gab dann eine
erste Ressortabstimmung, und im November, Dezember
2012 haben wir die offizielle Länder- und Verbändebeteiligung durchgeführt. Danach haben wir den Entwurf
überarbeitet und ihn dann weiter mit den Ressorts unter
Beteiligung der Länder abgestimmt.
Frau Kollegin Kurth.
Herr Minister, mir geht es noch einmal sehr stark darum, dass die Kompensationsverordnung Vorteile für
den Vollzug des Naturschutzes bringen soll, der ja sehr
stark unter Druck gerät, und dass wir klare und handhabbare Regelungen haben wollen. In § 2 des Entwurfs der
Verordnung, in dem es um die allgemeinen Anforderungen an die Kompensation geht, wird ja - jedenfalls soweit ich es kenne - unter anderem erwähnt, dass auch
Flächen für die Kompensation genutzt oder angerechnet
werden können, die aus Naturschutzmaßnahmen rekrutieren. Wie wird im Verordnungsentwurf sichergestellt,
dass es sich dabei um zusätzliche Flächen handelt und
nicht um Flächen, die ohnedies schon in einem Vorhaben
gewertet worden sind bzw. einem Vorhaben zugerechnet
werden? Wie wird sichergestellt, dass wirklich nur zusätzlich anerkannte Maßnahmen eingerechnet werden
können?
Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstanden
habe. Wir wollen schon zulassen, dass vorhandene Flächen weiter aufgewertet werden.
Nein, das meinte ich nicht. Es ist klar, dass Flächen
aufgewertet werden sollen. Mir geht es darum, dass aber
nicht Flächen angerechnet werden, die bereits in Maßnahmen verplant sind, also dass nicht für die Kompensation angerechnet werden kann, was eigentlich schon
einer anderen Maßnahme zugeschlagen ist.
Gut. Aus meiner Sicht ist klar, dass das nicht geschehen soll. Das muss im örtlichen Vollzug sichergestellt
werden.
Meine Frage war, wie das im Entwurf geregelt ist.
Denn der örtliche Vollzug ist ja die Schwierigkeit, mit
der wir heute zu kämpfen haben.
Ja.
({0})
Die Kollegin Behm hat noch einmal um das Wort gebeten.
Wunderbar. - Wir haben ja miterlebt, dass die Fronten
zwischen dem Umweltministerium und dem Agrarministerium sehr umkämpft waren und dass diese Frage
strittig war. Durch die Flächenfraßkampagne des Deutschen Bauernverbandes, die wir vor allen Dingen im
vergangenen Jahr erlebt haben, wurde ja der Eindruck
erweckt, die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen sei vor allen Dingen durch Ausgleichsmaßnahmen
bedingt. Das stimmt aber nicht; denn dafür wird nur ein
Bruchteil der landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch
genommen. Sehr viel größer ist das Problem der Überbauung durch Verkehr, Siedlungen usw.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen:
Ist es tatsächlich zutreffend, dass wir eine bundeseinheitliche Kompensationsverordnung bekommen werden, in
der geregelt ist, dass, wenn agrarstrukturelle Belange betroffen sind - was auch immer das heißt; das ist im ländlichen Raum ein weites Feld -, die regionalen Forstoder Landwirtschaftsbehörden hinzugezogen werden,
um zu entscheiden, ob die entsprechenden Flächen in
Anspruch genommen werden können? Ich bin sehr besorgt, wenn das so ist, weil -
Ja. Wir führen jetzt aber keine Debatte, sondern sind
bei der Befragung der Bundesregierung.
({0})
Ja, gut; okay.
Es ist in der Tat so, dass die agrarstrukturellen Belange berücksichtigt werden. Das heißt, zu einer Inanspruchnahme besonders geeigneter Böden für die Landwirtschaft wird es nur dann kommen, wenn zunächst
geprüft wurde, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch
Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung
von Lebensräumen usw. oder durch Bewirtschaftungsoder Pflegemaßnahmen erbracht werden kann. Als für
die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete
Böden sind diejenigen Böden anzusehen, die, bezogen
auf den jeweiligen Landkreis oder die jeweilige kreisfreie Stadt, eine besonders hohe Nutzbarkeit aufweisen.
Die Bewertung der Nutzbarkeit erfolgt nach dem Kriterium der Bodenfruchtbarkeit nach dem Bodenschätzungsgesetz; das ist ein relativ objektives Kriterium.
In die Bewertung sollen weitere Kriterien wie die
Größe und der Zuschnitt der Flächen, ihre äußere und innere Erschließung sowie weitere natürliche Ertragsbedingungen einbezogen werden, wenn hierfür ein behördliches Konzept vorliegt. Soweit agrarstrukturelle
Belange betroffen sein können, beteiligt die zuständige
Behörde im Zulassungsverfahren die zuständigen Landwirtschafts- und Forstbehörden; das ist der Punkt, auf
den Sie abgehoben haben.
Wir kommen bei all diesen Punkten natürlich immer
wieder in eine schwierige Situation, weil es einerseits
ein nachvollziehbares Interesse der Landwirtschaft ist,
dass sie ihre besonders geeigneten Böden weiterhin
landwirtschaftlich nutzen möchte, und weil es andererseits ein nachvollziehbares Interesse des Naturschutzes
ist, zu verhindern, dass die Inanspruchnahme bestimmter
Flächen generell dazu führt, dass immer weniger natürliche Lebensräume zur Verfügung stehen. Dieses Problem
muss man in der Praxis zu lösen versuchen. Wir haben es
für richtig angesehen, die agrarstrukturellen Belange in
diesem Umfang zu berücksichtigen. Wir glauben, dass
man darüber gemeinsam mit den Naturschutzverbänden
diskutieren und sich darauf einigen kann.
Jetzt hat der Kollege Krischer und danach noch einmal Frau Kurth das Wort. Ich glaube, nach diesen mir
vorliegenden Wortmeldungen können wir diesen Teil der
Befragung abschließen.
({0})
Herr Minister, es sind des Öfteren Fragen zum Vollzug und zur praktischen Umsetzung vor Ort aufgetaucht.
Da drängt sich mir die Frage auf: Hat man das, was Sie
vorschlagen, einem Praxistest unterzogen, das Ganze
also in einer bestimmten Region - wie auch immer - unter praktischen Bedingungen überprüft, und, wenn ja,
mit welchen Ergebnissen?
Ja, es sind Fallbeispiele durchgerechnet worden, und
wir haben über dieses Thema auch mit den Ländern gesprochen. Wir sind überzeugt, dass wir eine ausgesprochen praxistaugliche Regelung getroffen haben. Wir
haben allerdings auch eine Art Sicherheitsnetz aufgespannt. Es besteht darin, dass es, wenn die Verordnung
in Kraft tritt, noch eine Übergangszeit gibt, in der optiert
werden kann, in der man sich also entscheiden kann, ob
man die bisherige oder die neue Regelung in Anspruch
nimmt. Ich bin überzeugt, dass nach sehr kurzer Zeit die
allermeisten für die neue Regelung optieren werden,
weil sie sich im Vergleich zu der noch bestehenden Regelung in vielen Fällen als besser erweisen wird.
Frau Kurth.
Herr Minister, bislang ist es grundsätzlich so, dass bei
allen Eingriffen in die Natur der Ausgleich vor dem Ersatz stehen soll, um die Funktion des Naturhaushalts
erhalten zu können. Diese Rangfolge ist quasi eine
Grundvoraussetzung für naturschutzfachlich korrektes
Handeln.
Nach der jetzigen Regelung ist ein funktionsbezogener Ausgleich - der Ausgleich, der erfolgen muss, wenn
die Funktion des Naturhaushalts durch eine Maßnahme
erheblich gestört wird - nur noch bei besonderer
Schwere des Eingriffs vorgesehen. Stimmen Sie mir zu,
dass der Vorrang von Ausgleich vor Ersatz gefährdet
würde, wenn dieser Grundsatz gesetzlich auf den Bereich der besonderen Schwere eingegrenzt wird?
Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Wir werden
weiterhin in vielen Fällen einen Naturalausgleich haben.
Es wird Fälle geben, wo ein Ausgleich schwer oder
gar nicht möglich ist, weil es sich vor allen Dingen um
vertikale Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes handelt - ich habe ja gesagt: bei Windrädern und Mastbauten -; in diesen Fällen ist davon auszugehen, dass es in
Zukunft in verstärktem Maße zur Zahlung eines Ersatzgeldes kommen wird.
Ansonsten bin ich nicht Ihrer Auffassung, dass es sich
um eine Umkehrung der bisherigen Systematik handelt.
Vielen Dank.
Ich schließe damit diesen Teil der Befragung ab.
Zu anderen Fragen der heutigen Kabinettssitzung hat
die Kollegin Enkelmann um das Wort gebeten.
Kollege Altmaier, am Wochenende wurde bekannt,
dass die Verhandlungen über die sogenannte Strompreisbremse gescheitert sind. Gleichzeitig gab es Informationen - unter anderem aus der Welt -, wonach der Strom
noch einmal drastisch teurer werden soll, unter anderem
durch Anhebung der Ökosteuerumlage.
Jetzt ist die Frage: Was tut die Bundesregierung, um
diesen drastischen Preisanstieg zu verhindern? Bitte
schieben Sie den Schwarzen Peter Altmaier nicht auf die
Länder, sondern sagen Sie uns: Was tut die Bundesregierung?
Vielen Dank. - Ich muss das zunächst einmal korrigieren: Es geht nicht um die Ökosteuerumlage, es geht
um die EEG-Umlage. Diese Umlage wird jedes Jahr am
15. Oktober neu berechnet und dann für das Folgejahr
festgesetzt. Sie ist in den letzten Jahren stärker gestiegen, als alle es für zuträglich und vertretbar gehalten hätten.
Ich habe am 28. Januar darauf hingewiesen, dass es
für den Herbst dieses Jahres ein erhebliches Steigerungsrisiko gibt. Zum ersten Mal weist der zuständige Minister Monate im Voraus auf ein solches Problem hin. Ich
möchte, dass man darüber diskutiert, solange Lösungen
gefunden werden können.
Ich habe dann auch Vorschläge vorgelegt, wie man
die EEG-Umlage für die Verbraucherinnen und Verbraucher stabil halten und damit den Strompreisanstieg begrenzen kann. Über diese Vorschläge haben wir in einer
Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den zuständigen Um29588
welt-, Energie- und Wirtschaftsministern in insgesamt
fünf Sitzungen diskutiert. Wir haben dort zu meinem
großen Bedauern feststellen müssen, dass die Bundesländer in ihrer Gesamtheit nicht bereit sind, die notwendigen Maßnahmen mitzutragen und damit sicherzustellen, dass ein solches Gesetz auch eine Mehrheit im
Bundesrat findet.
Als zuständiger Minister werde ich die Entwicklung
weiterhin sehr genau im Auge behalten. Ich bin überzeugt, dass in dem Maße, in dem sich das Preisrisiko in
den nächsten Wochen und Monaten konkretisiert, auch
der Handlungsdruck auf alle Beteiligten steigen wird.
Ich darf nur darauf hinweisen, dass eine der entscheidenden Zahlen für die Höhe der EEG-Umlage der jeweilige Börsenstrompreis ist: Je höher der Börsenstrompreis, desto niedriger die EEG-Umlage; je niedriger der
Börsenstrompreis, desto höher die EEG-Umlage. Als die
EEG-Umlage im letzten Jahr festgesetzt wurde, hatten
die Netzbetreiber die Erwartung, dass der durchschnittliche Börsenstrompreis 2013 bei 5,1 Cent die Kilowattstunde liegen würde. Als ich im Januar gewarnt habe
und meine Vorschläge vorgelegt habe, lag der durchschnittliche Börsenstrompreis bei 4,5 Cent. Er liegt inzwischen zeitweise unter 4 Cent. Das heißt, wir haben
hier eine Entwicklung, die keinen Anlass zur Entwarnung gibt. Deshalb hoffe ich, dass alle Beteiligten ihrer
Verantwortung gerecht werden und noch zu einer Lösung kommen.
Kollege Miersch.
Meine Frage geht auch an Sie, Herr Minister
Altmaier.
Sie haben das Thema Gesetzentwurf zur Endlagersuche angesprochen, das heute im Kabinett behandelt
wurde. Wir konnten lesen, dass Sie vor oder nach einem
Geheimtreffen stehen. Meine Frage insoweit: Wann legen Sie Ihre Konzeption für eine Zwischenlagerung jenseits von Gorleben vor?
Es ist so: Wir haben zunächst einmal im politischen
Bereich, das heißt, mit den Bundestagsfraktionen von
CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen und unter Beteiligung
aller 16 Bundesländer, eineinhalb Jahre lang über einen
Endlagerkonsens gesprochen. Diese Gespräche haben in
Ihrer Gegenwart und mit Ihrer konstruktiven Mitwirkung vor etwa zwei Wochen zu einem Ergebnis geführt.
Auf dieser Grundlage haben wir heute im Kabinett
den Gesetzentwurf beschlossen. Wir werden ihn gemeinsam mit den Fraktionen einbringen und dieses Verfahren
in den Ausschüssen gemeinsam gestalten und tragen.
Ein Teil dieses Konsenses besteht darin, dass noch
ausstehende Transporte von Behältern mit hochradioaktiven Abfällen, die aus dem Ausland zurück nach
Deutschland gebracht werden, woher sie auch stammen,
nicht mehr in das Zwischenlager Gorleben, sondern in
andere Zwischenlager gehen sollen.
Im Augenblick gibt es zwei Gesprächsebenen. Auf
der einen Ebene führe ich Gespräche mit den Bundesländern, auf deren Territorium sich solche Zwischenlager
befinden. Insgesamt gibt es 15 davon. Einige davon sind
in besonderer Weise geeignet, weil man bei ihnen den
Transportweg minimieren kann. Dazu gibt es von einzelnen Bundesländern auch bereits öffentliche Erklärungen.
Heute Morgen wurde im Landtag von Schleswig-Holstein eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgegeben, von der ich hoffe, dass sie inzwischen zu einem
positiven Votum geführt hat oder führen wird.
Daneben habe ich heute Mittag nach der Kabinettsentscheidung ein erstes Gespräch mit den Betreibern der
Kraftwerke und denen, die diesen Müll entsorgen müssen,
geführt. Es war für mich ganz wichtig, dass wir uns - Regierung, Opposition und Bundesländer - zunächst politisch einigen und dann erst mit den Betreibern über die
Frage sprechen, wie diese Einigung umzusetzen sein wird.
Wir haben uns bei der Frage, ob wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, darauf verständigt, zunächst einmal die rechtlichen, technischen und finanziellen Probleme in Gesprächen auf Expertenebene
aufzulisten. Diese Gespräche werden wir in den nächsten Wochen führen. Das wird dadurch erleichtert werden, dass wir dann auch von den betroffenen Bundesländern wissen, ob sie bereit sind, solche Behälter
aufzunehmen. Dann kann man die Diskussion auf diejenigen Standorte verengen, die in Betracht kommen.
Ich habe die große Hoffnung, dass es uns gelingen
kann, bis zur endgültigen Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes durch Bundestag und Bundesrat Klarheit in der Frage der Zwischenlagerung zu schaffen.
Frau Vogt.
Herr Minister, die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg hat ja einen erheblichen Anteil daran,
dass dieser Konsens zustande kommen konnte. Leider
haben wir vonseiten der Union in Baden-Württemberg
schon heftige Gegenwehr erfahren, und zwar vom Landtagsfraktionsvorsitzenden, Herrn Hauk, aber auch vom
Landesvorsitzenden, Herrn Strobl, der ja auch Kollege
hier im Bundestag ist. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob
Sie diesbezüglich auch mit Ihren Parteikollegen aus Baden-Württemberg im Gespräch sind und wie Sie insgesamt den Meinungsbildungsprozess in der CDU/CSUBundestagsfraktion beurteilen. Denn mir ist aufgefallen,
dass von anderen Parteien durchaus sehr hochrangige
Vertreter bei den Gesprächen waren, während von der
Union die zwar sehr geschätzten, aber doch vielleicht
nicht mit maximalem Einfluss ausgestatteten Berichterstatterinnen und Berichterstatter vertreten waren.
Frau Kollegin Vogt, erstens war die Union bei den abschließenden Gesprächen mit Maria Flachsbarth vertreBundesminister Peter Altmaier
ten. Das ist eine sehr hochrangige und kompetente Vertretung. Die Kollegin Flachsbarth hat, so wie der
Kollege Miersch auch, konstruktiv daran mitgewirkt,
dass wir eine Lösung gefunden haben. Zweitens will ich
darauf hinweisen, dass die Union unter anderem durch
den Bundesumweltminister und durch mehrere Ministerpräsidenten und Landesminister vertreten war, sodass
wir, glaube ich, adäquat an den Gesprächen teilgenommen haben.
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe mich in dem
knappen Jahr meiner bisherigen Amtszeit sehr dafür eingesetzt, in einem fairen Verfahren eine parteiübergreifende Lösung für die Endlagersuche zu finden. Das ist
uns gelungen. Ich wünsche mir, dass diese Lösung nicht
nur im Bundestag und im Bundesrat, sondern auch auf
der Ebene der Länder von den jeweiligen Landtagen
breit getragen wird. Das gilt ausdrücklich auch für die
Frage der Bestimmung der Zwischenlager, die die wenigen zurückzunehmenden Behälter aufnehmen werden,
die nach Inkrafttreten des Endlagersuchgesetzes noch
transportiert werden müssen.
Insofern wünsche ich mir auch, dass die politisch Verantwortlichen in diesen Bundesländern auf die Opposition zugehen, so wie ich in meiner Eigenschaft als Bundesumweltminister auf die Opposition zugegangen bin,
und dass man dann versucht, zu gemeinsamen Lösungen
zu kommen, die auf Landesebene und auch auf Bundesebene gemeinsam getragen werden. Ich werde jedenfalls
nicht müde, für einen solchen Konsens zu werben, auch
deshalb, weil ich weiß, dass die Endlagersuche für uns
alle noch schwer genug werden wird.
Bisher war es so, dass es für viele darum ging, ein bestimmtes Endlager eher nicht zu bauen. Jetzt müssen wir
ein Endlager finden. Das ist ein Prozess, der uns lange
beschäftigen wird.
Hoffentlich länger als die verfügbare Redezeit, Herr
Minister.
Im Übrigen wird der Bundestag gefordert sein, auf jeder Verfahrensstufe eine gesetzliche Entscheidung zu
treffen. Deshalb haben wir alle ein Interesse daran, dass
dies im Konsens geschieht.
Vielen Dank. - Gibt es unabhängig von der heutigen
Kabinettssitzung weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Befragung der Bundesregierung.
Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksache 17/13171 Ich werde die Geschäftsbereiche in der Ihnen mitgeteilten Reihenfolge der Ministerien aufrufen.
Wir bleiben zunächst im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Kollegin Katherina Reiche steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 1 der Kollegin Dorothea
Steiner auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass im Land Niedersachsen und in der Freien Hansestadt Bremen Laserdruckgeräte in Polizei- und Justizbehörden
gegen emissionsärmere Geräte auf Tintenstrahlbasis ausgetauscht werden, und daraus, dass seitens der Hersteller bis
heute kein Blauer Engel nach dem neuen, ergänzten Prüfverfahren - Grenzwert der RAL-UZ 171 - beantragt wurde?
Herr Präsident! Frau Kollegin, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Die Bundesregierung begrüßt es grundsätzlich, wenn technisch veraltete Arbeitsplatzdrucker
gegen Drucker mit geringeren Ultrafeinstaubemissionen
und höherer Energieeffizienz ausgetauscht werden. Die
neue Grundlage zur Vergabe des Blauen Engels für
Bürogeräte mit Druckfunktion RAL-UZ 171 gilt seit
1. Januar 2013. Ein Hersteller hat bereits einen Antrag
für einen Laserdrucker nach der neuen RAL-Vergabegrundlage gestellt. Weitere Hersteller haben ihre Absicht
bekundet, Anträge für Laserdrucker zu stellen. Die Prüfung ist aber noch nicht abgeschlossen.
Während einer Übergangszeit bis Ende 2013 werden
zudem noch Bürogeräte mit Druckfunktion erhältlich
sein, die noch der alten Vergabegrundlage RAL-UZ 122,
Ausgabe 2011, entsprechen. Diese Geräte mit dem
Blauen Engel erfüllen zwar nur die Anforderungen aus
dem Jahr 2011, sind aber emissionsärmer und energieeffizienter als die, die ein solches Umweltzeichen nicht
tragen.
Untersuchungen der BAM, der Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung, und des FraunhoferInstituts für Holzforschung Wilhelm-Klauditz-Institut
zeigen, dass Laserdrucker im UFP-Bereich sehr unterschiedliche Mengen an Aerosolen emittieren. Der neue
Prüfwert zur Erlangung des Blauen Engels wurde deshalb so festgelegt, dass nur die besonders emissionsarmen Drucker die Kriterien der RAL-UZ 171 erfüllen.
Nur diese Drucker können als beste Produkte ihrer Produktgruppe zukünftig den Blauen Engel erhalten. Das
lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass nun von anderen Druckern Gesundheitsgefahren ausgingen.
Nachfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Ich möchte die
Frage der toxischen Auswirkungen und der Risiken noch
etwas vertiefen.
In Anbetracht der Tatsache, dass jeder Laserdrucker
ein buntes Potpourri von anorganischen und organischen
Nanopartikeln ausstößt - ich las irgendwo die Zahl von
mehr als 1 Milliarde Nanopartikeln pro Seite - und mir
nicht bekannt ist, dass wir die damit verbundenen Risiken bisher bewertet haben, frage ich Sie: Welche belastbaren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die
Auswirkungen dieser Nanopartikel auf den menschlichen Körper, insbesondere auf Lunge und Blutkreislauf?
Frau Kollegin, ich darf Sie dahin gehend korrigieren,
dass wir tatsächlich Erkenntnisse haben, weil die Befürchtungen, die im Raum stehen, ja tatsächlich schon alt
sind. Mit der Diskussion, die im Umfeld einer ganz bestimmten Gruppe, nano-Control, immer wieder vorangetrieben wird, gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung, haben wir uns selbstverständlich beschäftigt.
Ich hatte eben in der Beantwortung der Frage nur kurz
erwähnt - ich kann es jetzt gern ausführlicher machen -,
dass sowohl die BAM, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, als auch das Fraunhofer-Institut
Wilhelm-Klauditz-Institut diesen Sachverhalt mehrfach
und umfassend überprüft haben. Sie sind dem nachgegangen, und die Erkenntnis nach mehrfachen, auch
intensiven Prüfungen verschiedener Drucker war, dass
Laserdrucker bei normalem Druckbetrieb in Innenräumen und im Vergleich zu anderen Quellen kaum bzw.
gar nicht zur UFP-Belastung in den Räumen beitragen.
Die Studien kann ich Ihnen gerne zukommen lassen.
Aber es wurde hinreichend untersucht.
Weitere Zusatzfrage.
Ja. - Ich glaube, da sind wir unterschiedlicher Auffassung, was eine hinreichende Untersuchung und eine belastbare Studie ist. Das scheint mir in diesem Fall nicht
zuzutreffen, insbesondere wenn man bedenkt, dass - was
ja der Anlass meiner Fragestellung war - das Bundesland Niedersachsen und die Freie Hansestadt Bremen
diese Laserdrucker aus gesundheitlichen Gründen bereits aus dem Verkehr gezogen haben, und zwar umgehend. Daher frage ich Sie: Sieht die Bundesregierung
nicht doch die Notwendigkeit, eine Risikobewertung der
toxischen Auswirkungen von Laserdruckern auf den
Weg zu bringen, um anschließend auch weitergehende
Handlungsoptionen entwickeln zu können?
Frau Kollegin Steiner, unsere Information ist die, dass
in Niedersachsen deshalb die Drucker ausgetauscht wurden, weil sie schlichtweg zu alt waren
({0})
und man irgendwann einmal auch im öffentlichen Bereich neue braucht.
Zu Bremen ist Folgendes zu sagen: Die Bremer
Landesbehörde selbst hat das Bremer Umweltinstitut
eingeschaltet, das danach im Auftrag des Bremer Justizministeriums wegen möglicher Häufung der Krankheitsfälle eine intensive Untersuchung durchgeführt hat. Die
Ergebnisse, die dann aus Bremen kamen, besagten, dass
es keinen Zusammenhang zwischen Krankheitsfällen
und dem Drucker gegeben hat. Wie gesagt, das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung und das schon
genannte Fraunhofer-Institut sind mit der Sache befasst,
und zwar nicht nur irgendwie, Frau Kollegin. Es wurde
sehr wohl über die Mengen und die chemische Zusammensetzung der emittierten Partikel geforscht, und es
wurde geprüft, welche emittierten Feinstpartikel wirklich aus dem Tonermaterial stammen. Die Prüfungen
waren also umfangreich, und insofern kann ich die Befürchtungen dieses einen und sehr kleinen Vereins, der
immer wieder Ängste zu schüren versucht, nicht bestätigen.
({1})
Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Behm auf:
Mit welchen Ergebnissen ist das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Schutz von Buchenwäldern in einem
System von Prozessschutzgebieten“ ({0}), bei dem es um die Erfassung aller über
100 Hektar großen Buchenwaldgebiete in Deutschland geht,
abgeschlossen worden, und wann ist die Veröffentlichung des
Endberichts, der bereits 2011 vorliegen sollte, vorgesehen?
Frau Kollegin Behm, der Abschlussbericht zu dem
Vorhaben „Schutz von Buchenwäldern in einem System
von Prozessschutzgebieten“ liegt im Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vor, und
die Ergebnisse sowie die Form der sich dann anschließenden Veröffentlichung des Forschungsberichts werden
zurzeit geprüft.
Bitte schön, Zusatzfrage.
Vielen Dank. - Sie werden also geprüft. Es wäre ja interessant, zu wissen, welche Ergebnisse da tatsächlich
vorliegen, auch im Zusammenhang mit der Untersuchung von Herrn Professor Spellmann zu den schon
dauerhaft aus der Nutzung genommenen Waldflächen in
Deutschland. Diese Untersuchung findet jetzt gerade
statt und wird hoffentlich demnächst veröffentlicht werden. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung ist das ja durchaus eine interessante Fragestellung. Deswegen frage ich
Sie: Werden Ergebnisse dazu noch vor Abschluss dieser
Legislaturperiode vorgelegt werden, oder ist der EinCornelia Behm
druck richtig, dass das auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben werden soll?
Darum geht es nicht. Es waren zwei Forschungsvorhaben notwendig. Bei dem einen Forschungsvorhaben,
das durch das BfN durchgeführt wurde, wurden Buchenwälder über 100 Hektar aufgelistet und kartiert. Gleichwohl war auch immer eine enge Zusammenarbeit mit
den Landesforstverwaltungen notwendig. Sie wissen,
dass wir nicht nur Bundeswälder haben, sondern auch
Landeswälder und Wälder im Kommunalbestand. Die
Zusammenarbeit mit den Ländern ist so - ich formuliere
es einmal allgemein -, dass diese zwar von uns eine
Veröffentlichung der Zahlen fordern, sich aber bei der
Veröffentlichung eigener Daten nicht immer sehr freigiebig zeigen, sodass sich die Zusammenführung der Daten
schwierig gestaltet hat.
Jetzt haben wir einen weiteren Forschungsbericht gemacht. In dem zweiten Bericht wird sehr viel Wert auf
eine klare Bilanzierung aller dauerhaft aus der Nutzung
genommenen Waldflächen gelegt. Die Bilanzierungskriterien werden derzeit abgestimmt, um am Ende zu einer
wirklich fundierten Studie zu kommen, an deren Ergebnis nicht gezweifelt werden kann und die keine Missinterpretationen zulässt. Deswegen zieht sich der Vorgang
noch ein bisschen hin.
„Noch ein bisschen“ sagt nicht, ob wir das Ergebnis
noch in dieser Legislaturperiode zu sehen bekommen. Aber damit, dass die Länder nicht liefern, haben wir
schon unsere Erfahrungen gemacht. Bayern ist da in die
Kritik geraten. Können Sie mir sagen, welche Länder
nicht geliefert haben? Es wäre vielleicht an den Politikerinnen und Politikern, Druck auszuüben, damit diese
Zahlen endlich zur Verfügung gestellt werden.
Ich will jetzt nicht der Versuchung erliegen, rot-grün
regierte, grün-rot regierte oder andersfarbig regierte
Länder zu nennen. Nehmen Sie bitte unsere Erfahrung
so hin, und reden Sie, jeder dort, wo er reden kann. Dass
es mit der Auskunftsfreudigkeit der Länder allgemein
nicht weit her ist, ist ein Grund dafür, dass sich der
Prozess so lang hingezogen hat. Das nur auf Bayern zu
reduzieren, wäre falsch. Auch andere Länder haben gezögert. Ich kann die Namen gerne später zusammenstellen. Ob das allerdings hilft, den Prozess zu beschleunigen, weiß ich nicht; denn wir wollen ja gemeinsam
vorankommen.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Vogt auf:
Wie bewertet die Bundesregierung das Eckpunktepapier
der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz,
LAI, wonach Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten
in Gebieten möglich sein sollen, für die nachgewiesen ist,
dass eine Grenzwerteinhaltung nur mit unverhältnismäßigen
Maßnahmen zu erreichen ist, und wird sie diese Eckpunkte
zur Grundlage der deutschen Position in den anstehenden Verhandlungen zur Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie auf
EU-Ebene machen?
Frau Kollegin Vogt, die Europäische Kommission hat
beschlossen, ihre Luftreinhaltepolitik und so auch die
Luftqualitätsrichtlinie umfassend zu revidieren. Nach
aktuellen Vorstellungen der Kommission sollen zunächst
die thematische Strategie zur Luftreinhaltung und die
Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für
bestimmte Luftschadstoffe kurzfristig fortgeschrieben
werden. Die Novellierung der Luftqualitätsrichtlinie soll
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Für die Revision der Luftqualitätsrichtlinie hat die
Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz
deutlich im Vorfeld der von der Kommission initiierten
Revision im Auftrag der Umweltministerkonferenz ein
Eckpunktepapier mit den deutschen Positionen erarbeitet. Auf der Herbst-UMK 2011 hat die UMK das
Eckpunktepapier zur Kenntnis genommen und in ihrem
Beschluss den Bund darum gebeten, die im Eckpunktepapier dargelegten Positionen in die Rechtsetzungsverhandlungen grundsätzlich einfließen zu lassen.
Auch aus Sicht der Bundesregierung sollen bei der
Revision der Luftqualitätsrichtlinie für Gebiete, in denen
trotz des Eingreifens aller geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen noch Emissionsgrenzwerte, insbesondere für Stickstoffdioxid und Feinstaub, überschritten
werden, unter strengen Bedingungen erneut Möglichkeiten zur Fristverlängerung vorgesehen sein.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Meine Nachfrage ist, ab wann für Sie Maßnahmen unverhältnismäßig sind und wer das dann am Ende bestimmt.
Frau Kollegin, Sie wissen, dass hier die Länder im
Vollzug sind und dass der Bund seinerseits viel getan
hat, um das Thema Luftqualität und Luftreinhaltung
auch in dieser Legislaturperiode voranzubringen. Wir
haben mit der Industrieemissionsrichtlinie, die wir jetzt
auch in nationales Recht umgesetzt haben, die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Großemittenten zukünftig nur noch nach festen Regeln emittieren dürfen.
Ganz zu Anfang der Legislaturperiode - Sie werden
sich erinnern: die Vorbereitungen fanden in der Großen
Koalition statt - haben wir uns mit dem Thema Kleinfeuerungsanlagen beschäftigt und bei diesen Anlagen für
den Zeitraum bis zum Jahr 2015 insbesondere mit Blick
auf einen Hausbrand für mehr Qualität gesorgt.
Wir haben in dieser Legislaturperiode das Thema
Euro-6-Norm sowohl für Pkw als auch für Lkw vorangebracht. Gleichwohl sind beispielsweise Kommunen
- auch in Baden-Württemberg -, die unglücklicherweise
im Kessel liegen, aus dem sie halt auch nicht herauskommen können, gefordert, die Arbeit fortzusetzen.
Stuttgart ist eine Metropole, wo es unter der Maßgabe
der Verhältnismäßigkeit sehr schwierig ist, zu mehr
Luftqualität zu kommen, wenn man nicht den gesamten
Pkw-Verkehr verbieten will. Für diese speziellen Fälle
bemühen wir uns um weitere Ausnahmeregelungen.
Die Frage war, wer am Ende kontrolliert, ob tatsächlich eine Unverhältnismäßigkeit vorliegt.
Frau Kollegin, zunächst werden die Messwerte vor
Ort genommen und im UBA gesammelt. Dann werden
sie ausgewertet. Das geht dann an die Europäische Kommission, die wiederum eine Auswertung vornimmt.
Die Kommission scheint mir an der Stelle nicht hinreichend stringent zu arbeiten. Wir konnten für 24 der
57 Städte, die wir gemeldet haben, weitgehend ohne Diskussion eine Fristverlängerung erreichen. Andere Kommunen mussten Antworten auf Nachfragen liefern, weil
ihre Argumentation durch die Kommission nicht nachvollzogen werden konnte. Das spiegeln wir jetzt wider,
um auf den gleichen Argumentationsstand zu kommen.
Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel, wo es schwierig ist, sich mit der Kommission darauf zu einigen, was
nun eigentlich gilt. Wir haben uns von Anfang an beispielsweise für die Kleinfeuerungsanlagen starkgemacht
und auf eine kurze Übergangszeit gedrungen. Wenn es
jetzt aber darum geht, die Ökodesign-Richtlinie entsprechend umzusetzen, sagt die Kommission: Macht das
Ganze nicht so schnell! - Die Bewertungsgrundlage ist
also nicht immer gleich, wenn es darum geht, tatsächlich
eine Ausnahmeregelung für eine Kommune zu genehmigen.
Wir fahren gleich mit der Frage 4 der Kollegin Ute
Vogt fort:
Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass mit einem solchen Grundsatz der verbindliche Normcharakter von Grenzwerten - auch EU-weit - verloren ginge?
Frau Kollegin, bereits in der geltenden Luftqualitätsrichtlinie sind in Art. 22 Regelungen zur Verlängerung
der Fristen für die Einhaltung bestimmter Grenzwerte
vorgesehen. Die Bundesregierung sieht nicht die Gefahr,
dass durch eine der in dem Eckpunktepapier der BundLänder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz genannten Regelungen der Rechtscharakter von Grenzwerten verloren ginge. Das entspricht auch nicht dem Charakter des LAI-Vorschlages, also dem Vorschlag der
gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft.
So hebt das zitierte Eckpunktepapier ausdrücklich hervor, dass das Niveau der Grenzwerte und somit auch ihr
Schutzzweck, die menschliche Gesundheit, beibehalten
werden soll. Folglich soll durch diesen Eckpunkt möglichen Abweichungstendenzen bei Immissionsgrenzwerten gerade entgegengewirkt werden. Zudem soll hinsichtlich etwaiger Vertragsverletzungsverfahren im Fall von
Grenzwertüberschreitungen trotz des Ergreifens aller
geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen auch
Rechtssicherheit gewährt werden.
Zusatzfrage?
Wir stimmen sicherlich überein, dass wir häufig die
Schwierigkeit haben, dass wir in Deutschland bei der
Umsetzung relativ genau sind, während Länder in der
Überprüfung oft nicht so exakt arbeiten. Die Frage ist,
ob die Bundesregierung nicht befürchtet, dass dadurch,
dass man dieses Tor öffnet, ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Ländern entsteht, die möglicherweise schon bei der Umsetzung nicht so stringent vorgehen und dann auch von den Ausnahmemöglichkeiten
noch wesentlich mehr Gebrauch machen würden, als es
bei uns der Fall wäre.
Wie gesagt, wir müssen derzeit für die 57 Städte, bei
denen wir uns um eine Fristverlängerung bemühen, sehr
genau den Nachweis führen. Die Kommission hat - das
habe ich eben schon ausgeführt - sehr detaillierte Nachfragen bezüglich einiger Kommunen gestellt.
Auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel bei der
Industrieemissionsrichtlinie, aufgrund derer andere Länder ihre großen Anlagen viel mehr nachrüsten müssen
als wir unsere, oder auch beim Thema Kleinfeuerungsanlagen eben nicht lockergelassen. Wir wollen auch,
dass zum Beispiel bei der Ökodesign-Richtlinie keine
schwächeren Grenzwerte gelten, weil nur durch ein Bündel von Maßnahmen für große Anlagen, kleine Anlagen
und Individualverkehr die Möglichkeit geschaffen wird,
europaweit zu mehr Luftqualität zu kommen.
Wir versuchen natürlich, bei allen Richtlinien, die die
Luftqualität betreffen, zu hohen Standards zu kommen,
und fordern, so gut es eben geht, auch von anderen Ländern ein, dies entsprechend umzusetzen. Das ist nicht
immer so stringent - so haben Sie es gerade formuliert wie bei uns.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf den Zeitplan. Können Sie uns sagen, wie das weitere Vorgehen
sein wird? Sie hatten es in Ihrer Antwort auf meine erste
Frage schon angedeutet.
Am 20. Februar 2013 hat die Kommission uns mitgeteilt, wo es keine Einwände gibt bzw. wo wir nacharbeiten müssen. Für Gebiete, wo die Kommission keine Einwände hat, haben wir bis zum Ende des Jahres 2014
Zeit, den Grenzwert einzuhalten. Für die Fälle, wo die
Kommission Einwände hat, bereiten wir gemeinsam mit
den Ländern eine umfassende Antwort vor. Das sind momentan die Fristen. Uns liegt noch kein Zeitplan für die
gesamte Luftqualitätsrichtlinie vor. Wir wissen noch
nicht, wann die Kommission mit den Konsultationen beginnen will.
Danke schön.
Wir kommen zur Frage 5 des Kollegen Krischer:
Wie sieht der weitere Zeitplan der Bundesregierung zur
Schaffung eines gesetzlichen Rahmens bei der Förderung von
unkonventionellem Erdgas - Fracking - aus, und weshalb
- bitte konkrete Gründe benennen - kam es bisher trotz anderweitiger Ankündigungen zu keiner Einigung innerhalb der
Bundesregierung?
Herr Kollege Krischer, die Bundesregierung hat den
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der UVP-Verordnung Bergbau am 7. bzw.
11. März in die formelle Anhörung der beteiligten
Kreise eingebracht. Die eingegangenen zahlreichen und
recht umfangreichen Stellungnahmen betreffen wichtige
Aspekte des Wasserrechts und des Bergrechts. Die Stellungnahmen bedürfen daher einer gründlichen Auswertung und Diskussion. Von dem Ergebnis der Prüfung und
der Diskussion hängt der weitere Zeitplan für die Regelungen hinsichtlich der Aufsuchung und Gewinnung von
Erdgas, Erdöl und Erdwärme unter Einsatz der FrackingTechnologie ab.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für diese
Auskunft. - Ihre Antwort verwundert mich nur etwas,
weil von Regierungsmitgliedern - wenn ich es richtig in
Erinnerung habe, sogar vom anwesenden Umweltminister - der 10. April bzw. der 24. April als mögliche Zeitpunkte für Kabinettsbeschlüsse genannt worden sind. Da
die Anhörung von Beteiligten noch läuft und die Auswertung aussteht, erstaunt es mich, dass hier konkrete
Termine genannt worden sind. Ich bitte Sie, mir dafür
eine Erklärung zu geben.
Daran schließt sich natürlich die Frage an: Wie soll
im Hinblick auf die zu Ende gehende Legislaturperiode
und die am 22. September stattfindende Bundestagswahl
noch ein Gesetzgebungsverfahren inklusive Bundesratsbeteiligung durchgeführt werden können, wenn die
nächstmögliche Sitzungswoche im Mai ist?
Ihre erste Frage habe ich schon beantwortet. Die Stellungnahmen waren umfangreich. Interessanterweise
kommen aus einzelnen Bundesländern immer dann,
wenn man einen neuen Stand hat, gleich die nächsten
Nachforderungen, die dann wieder geprüft werden müssen. Übrigens wird in keinem der Gutachten, die die
Bundesländer in Auftrag gegeben haben, ein Totalverbot
der Fracking-Technologie gefordert.
Was ist unsere Intention, und woran bemisst sich am
Ende ein erfolgreicher Entwurf? An erster Stelle steht
der Schutz von Trinkwasser, menschlicher Gesundheit
und Umweltgütern. Dann folgt die Abwägung mit wirtschaftlichen Interessen. Wir haben in unserem Haus den
Schwerpunkt auf eine möglichst umfassende Regelung
von Trinkwasserschutzgebieten inklusive Querbohrungen gesetzt. Gleichwohl sind die Details komplex; darüber wird diskutiert. Insofern kann ich Ihnen kein Datum nennen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir mit
Hochdruck daran arbeiten.
Ich möchte konkret nachfragen: Rechnen Sie damit,
dass noch in dieser Legislaturperiode dem Deutschen
Bundestag ein Gesetzentwurf vorgelegt wird?
Ich halte das Problem für so dringend, dass wir einen
Gesetzentwurf vorlegen sollten. Ob dieser dann durch
den Bundesrat kommt und ob das anerkannt wird, was
schon während der laufenden Diskussionen und im Rahmen einer informellen Beteiligung der Bundesländer
eingeflossen ist, hängt von den beteiligten Ländern ab.
Ob wir das Verfahren im Bundesrat zügig abschließen
können, weiß ich daher nicht. Es ist jedenfalls die feste
Auffassung beider beteiligter Ressorts, zu einem Abschluss und zu einem Gesetzentwurf zu kommen.
Kollege Schwabe.
Frau Staatssekretärin, das ist ja eine spannende Geschichte, die Sie uns hier erzählen. Aber am Ende geht es
nicht darum, was der Bundesrat macht, sondern es geht
erst einmal darum, ob die Bundesregierung in der Lage
ist, etwas vorzulegen. Sie ist faktisch dazu nicht in der
Lage. Es ist wohl so, dass es gestern eine Sitzung innerhalb der Koalition gegeben hat, und morgen gibt es,
wenn ich es richtig verstanden habe, erneut eine Sitzung;
denn in der Koalition und auch in der Unionsfraktion
- wie man so hören und auch lesen kann - gibt es mas29594
sive Widerstände gegen das, was Herr Altmaier und Herr
Rösler gemeinsam auf den Tisch gelegt haben.
Deswegen frage ich Sie an dieser Stelle: Halten Sie
die Vorschläge, die Herr Altmaier und Herr Rösler gemacht haben - die Daten haben Sie ja gerade genannt -,
für ausreichend, oder findet die Bundesregierung, dass
man an diesen Vorschlägen Verbesserungen vornehmen
muss?
Zunächst muss ich sagen: Zu Beratungen der Koalitionsfraktionen kann ich hier keine Stellung nehmen.
Das werde ich auch nicht tun. Der Tagesordnungspunkt
heißt ja auch nicht Fraktionsbefragung, sondern Regierungsbefragung.
Ich glaube, dass wir einen guten Entwurf vorgelegt
haben. Wir bemühen uns aber, im laufenden Verfahren
auch Anregungen aufzunehmen. Das finde ich bei diesem Punkt auch wichtig. Wir haben bei dem, was der
Herr Minister gerade zum Thema Endlager gesagt hat,
gelernt, wie wichtig es ist, frühzeitig Belange aus allen
Teilen der Bundesrepublik mit aufzunehmen. Das tun
wir. Es bleibt dem Parlament danach immer noch vorbehalten, weitere Veränderungen in das parlamentarische
Verfahren einzubeziehen.
In einem Punkt, Herr Kollege, sei mir eine andere
Auffassung erlaubt: Sehr wohl ist es richtig, dass zunächst die Regierung einen Entwurf vorlegen muss;
gleichwohl hängt aber auch wegen der überschaubaren
verbleibenden Zeit in dieser Legislaturperiode einiges
davon ab, dass der Bundesrat seinen Willen dokumentiert, mitzumachen und mitzuentscheiden. Tut er es
nicht, dann wird das Gesetz unter die Diskontinuität fallen, was am Ende schade wäre.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Krischer auf:
Wird die Bundesregierung Initiativen auf europäischer
Ebene zum Beispiel im Rahmen der derzeit laufenden ILUCReform - ILUC: indirekte Landnutzungsänderung - unterstützen, die eine Streichung oder Veränderung des prioritären
Netzzugangs für Strom aus erneuerbaren Energien in der europäischen Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien
({0}) zum Ziel haben?
Herr Kollege Krischer, die Bundesregierung wird auf
europäischer Ebene keine Initiativen unterstützen, die
eine Streichung oder Änderung des prioritären Netzzugangs für Strom aus erneuerbaren Energien in der europäischen Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien
- das ist die Richtlinie 2009/28/EG - zum Ziel haben.
Ungeachtet dessen ist es in Deutschland und in Europa zwingend notwendig, dass wir den Rechtsrahmen
so weiterentwickeln, dass wir im europäischen Verbund
den stark wachsenden Anteil erneuerbarer Energien so
effizient in die europäische Stromversorgung integrieren
können wie nur möglich. In Deutschland versuchen wir
aktuell mit verschiedenen Gesetzgebungsvorhaben im
Netzbereich - insbesondere mit dem Bundesbedarfsplangesetz -, die Netzinfrastruktur zukunftsfähig zu gestalten. Auch die deutlich verbesserte Zusammenarbeit
der europäischen Netzbetreiber unterstreicht, dass wir
die Energiewende in Deutschland auch im europäischen
Kontext beachten müssen.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für diese
Auskunft, die mich sehr freut. Dennoch möchte ich noch
einmal ganz konkret nachfragen: Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, die entsprechende EU-Verordnung im Rahmen der ILUC-Novelle zu verändern, was
die Fragen des Netzzugangs und des Vorrangs der Einspeisung von erneuerbaren Energien angeht? Ich bitte
um eine klare Aussage - ja oder nein. Das wäre mir
wichtig.
Herr Kollege Krischer, solche Überlegungen sind mir
nicht bekannt. Der Erfolg unseres EEG besteht ja darin,
dass der Einspeisevorrang und auch der Netzzugang entsprechend geregelt sind. Insofern haben wir jetzt auch
keinen Anlass zu einer Änderung unserer Position.
Danke.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Schwabe auf:
Können nach Ansicht der Bundesregierung Unternehmen
nach derzeit geltendem Recht in Deutschland Bohrungen unter Einsatz der Fracking-Technologie durchführen, bei der sie
umwelttoxische oder gesundheitsgefährdende Chemikalien
einsetzen?
Herr Kollege Schwabe, es wird eine etwas längere
Antwort, weil das Thema komplex ist.
Die Aufsuchung oder Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen - nur für die bergfreien Bodenschätze Erdöl,
Erdgas oder Erdwärme kommt ja der Einsatz von Fracking-Technologie infrage - bedürfen einer sogenannten
Bergbauberechtigung nach dem Bundesberggesetz, das
heißt üblicherweise zunächst einer Erlaubnis für die Aufsuchung und nachfolgend einer Bewilligung für die Gewinnung.
Die Aufsuchung oder Gewinnung ist zu versagen, soweit überwiegend öffentliche Interessen dem entgegenstehen. Zu den überwiegenden öffentlichen Interessen gehören nach der Rechtsprechung auch Umweltbelange zum Beispiel das Wasserrecht, das Bodenrecht oder das
Naturschutzrecht.
Ob der Einsatz umwelttoxischer und gesundheitsgefährdender Chemikalien gegen diese Bestimmung verstößt, ist von der zuständigen Bergbehörde der Länder
im jeweiligen Einzelfall anhand der Fracking-Fluide, die
vor Ort verwendet werden oder auch nicht, sowie der
geologischen Gegebenheiten zu prüfen. Sowohl für die
Aufsuchung als auch für die Gewinnung von Bodenschätzen müssen darüber hinaus Betriebspläne aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen werden. In diesem Verfahren wird die Einhaltung abfall- und
sonstiger allgemeiner umweltrechtlicher Vorschriften ein
weiteres Mal geprüft.
Ist mit Tiefbohrungen unter Einsatz der FrackingTechnologie auch eine Gewässerbenutzung verbunden,
bedürfen die Bohrungen zudem der Erlaubnis nach dem
Wasserhaushaltsgesetz. Eine Gewässerbenutzung liegt
vor, wenn Stoffe in Gewässer entweder zielgerichtet eingeleitet oder eingebracht werden; eine Gewässerbenutzung liegt aber auch dann vor, wenn eine Maßnahme geeignet ist, in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß
nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit
herbeizuführen.
Die wasserrechtliche Erlaubnis ist zu versagen, wenn
schädliche, nicht vermeidbare oder ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Ob der Einsatz
von Stoffen zu den genannten Gewässerveränderungen
führen wird, ist ebenfalls von der zuständigen Bergbehörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde zu entscheiden. Die Länder haben zudem die Möglichkeit,
nach dem Wasserhaushaltsgesetz das Fracking in Wasserschutzgebieten durch Verordnung generell zu verbieten, wenn es der Schutzzweck des betreffenden Wasserschutzgebietes erfordert.
Bitte sehr, Herr Kollege Schwabe, falls es da noch
Zusatzfragen geben sollte.
({0})
Ich möchte die Antwort von zwei Minuten in fünf Sekunden zusammenfassen: Es ist nicht ausgeschlossen. Das ist sozusagen die Realität.
Im Gegensatz zu dem, was Sie gerade noch einmal
versucht haben uns nahezubringen, ist es nicht der Bundesrat. Der Bundesrat hat im Übrigen eine Position beschlossen, an der Sie sich orientieren könnten. Dann
könnten Sie sich sehr schnell mit ihm einigen. Es ist
vielmehr die Bundesregierung, die nicht zu Potte
kommt. Der Herr Bundesumweltminister Altmaier hat in
einem Zehn-Punkte-Papier im letzten Jahr eine Lösung
angekündigt, aber bis heute gibt es eine solche Lösung
nicht.
Ich möchte Sie noch einmal fragen: Ist es nicht so,
dass in der Tat die Länder sich in rechtlich schwierigen
Situationen befinden in dieser Frage und es zum Teil
auch vom Wohlverhalten der Unternehmen abhängig ist,
ob sie solche Maßnahmen anwenden oder nicht anwenden?
Die Befugnisse der Wasserbehörden sind gegeben,
und sie sind weitreichend, aber unser Ziel ist es, die Befugnisse der Wasserbehörden weiter zu stärken. Beispiel:
In einem Trinkwasserschutzgebiet kann schon jetzt Fracking untersagt werden.
Nicht geregelt sind Querbohrungen, also wenn man
außerhalb eines Schutzgebietes bohrt, aber per Querbohrung möglicherweise ein Trinkwasserschutzgebiet erreicht. Wir schlagen vor, solche Dinge mit zu regeln. Wir
schlagen darüber hinaus vor, dass Vorprüfungen und
eine umfängliche Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden und dass auch bei bestimmten Fördermengen bereits Vorprüfungen erfolgen sollen. Davon erhoffen und
erwarten wir uns zusätzlichen Schutz und zusätzliche Sicherheit.
Wir sind dabei, das abzustimmen. Noch einmal: Ich
hoffe, dass wir in dieser Legislaturperiode - wir arbeiten
daran - ein Gesetz vorlegen können.
Das mit der Hoffnung ist auch gut, und wir können
auch alle gemeinsam beten, aber es liegt in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung der Bundesregierung, ein
entsprechendes Gesetz vorzulegen.
Ich habe noch eine Frage: Sehen Sie eigentlich eine
ökonomische Notwendigkeit, sehr schnell in solche Verfahren einzutreten, oder wäre es nicht eigentlich eher geboten, wie es der Bundesrat vorgezeichnet hat, in einem
abgestuften Verfahren zunächst einmal probeweise Fracking-Maßnahmen durchzuführen, diese wissenschaftlich abzusichern und zu sehen, ob die gesetzgeberischen
Maßnahmen ausreichend sind, um dann erst in einigen
Jahren zu einer endgültigen gesetzlichen Position und zu
einer abschließenden gesetzlichen Lösung zu kommen?
Mit anderen Worten: Sehen Sie eine ökonomische Notwendigkeit, solches Gas, das im Fracking-Verfahren gewonnen wird, sehr schnell einzusetzen?
Ob ein Vorhaben ökonomisch notwendig ist oder
nicht, entscheidet nicht die Bundesregierung, sondern
das Unternehmen. Die Unternehmen werden für sich
feststellen, ob es sich lohnt, in Deutschland diese Technologie zu nutzen.
Im Übrigen darf ich zum Ersten darauf hinweisen,
dass wir konventionelle Erdgasgewinnung schon seit
Jahrzehnten in Deutschland haben. Ich weise zum Zweiten darauf hin, dass es bei der Regelung nicht nur um
Fracking zur unkonventionellen Erdgasgewinnung, sondern möglicherweise auch zur Gewinnung von Erd29596
wärme geht; Erdwärme zählt ja nun ganz unzweifelhaft
zu den erneuerbaren Energien.
Ich könnte jetzt nur noch referieren, wie sich andere
Länder verhalten. Das muss ich jetzt nicht tun; das alles
werden Sie wissen. Die USA haben sich dafür entschieden, diese Möglichkeit zu nutzen. Aber wir sind nicht in
den USA; wir sind in der Bundesrepublik Deutschland
und haben unsere Gesetze so anzupassen, dass zwischen
den Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger, einem
hohen Wasserschutzniveau - dieses Schutzniveau wollen wir auch stärken - und ökonomischen Interessen ein
guter Ausgleich gefunden wird. Das ist Ziel und Zweck
dessen, was wir erarbeiten.
Kollege Krischer.
Frau Staatssekretärin, ich habe gerade mit großem
Interesse Ihre Überlegungen vernommen. Nach der gesetzlichen Regelung soll ausgeschlossen sein, dass beim
Fracking Horizontalbohrungen, die mehrere Kilometer
umfassen können, von außerhalb eines Trinkwasserschutzgebiets unter einem Trinkwasserschutzgebiet geführt werden können. Wenn ich die Gesetzentwürfe, die
die Minister Rösler und Altmaier verabredet haben, richtig interpretiere, ist eine solche Regelung darin bisher
nicht vorhanden. Kann ich davon ausgehen, dass dann,
wenn Sie uns doch noch etwas vorlegen - die Hoffnung
stirbt zuletzt; dass bisher nichts vorliegt, hat seinen
Grund ja nicht darin, dass die Bundesländer da eine
Rolle spielen, sondern darin, dass Sie sich in der Koalition nicht geeinigt haben; da hat der Kollege Schwabe
völlig recht -, eine klare Regelung vorhanden sein wird,
die ein solches Horizontalbohren unter Trinkwasserschutzgebieten untersagt?
Wir haben eine solche Regelung intensiv diskutiert,
ja. Was am Ende drinsteht, Herr Kollege, wird man sehen, wenn wir das Gesetz eingebracht haben. Wir halten
das für richtig.
Die Frage 8 der Kollegin Hendricks wird schriftlich
beantwortet.
Von daher rufe ich jetzt die Frage 9 des Kollegen Ott
auf:
Welche Kenntnisse und konkreten Zahlen liegen der Bundesregierung zu dem Ausmaß von für 2013 und 2014 geplante
oder schon durchgeführte Stellenstreichungen in Deutschland
im Bereich der erneuerbaren Energien vor ({0}), und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für die Durchführung und gegebenenfalls Beschleunigung der Energiewende angesichts der Berichterstattung zur geplanten Stellenkürzung bei namhaften Unternehmen, deren Werke bis zur
Hälfte der Stellen abbauen wollen und dies mit der kriselnden
Windenergiesparte begründen?
Herr Kollege Ott, die Entwicklung der Beschäftigung
im Bereich der erneuerbaren Energien wird in einem laufenden Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit abgeschätzt. Entsprechende branchenbezogene
Zahlen sind in einer aktuellen Kurzstudie zu finden, unter www.erneuerbare-energien.de veröffentlicht. Ich
würde Ihnen den vollständigen Link schriftlich zukommen lassen; das vorzulesen, macht sich hier etwas
schlecht.
Im Kern zeigen die Zahlen, dass der Beschäftigungsrückgang bei der Photovoltaik weitgehend vom Beschäftigungsanstieg bei der Windenergie kompensiert wurde.
Dabei ist bemerkenswert, dass im untersuchten Jahr
2012 sowohl bei der Photovoltaik als auch bei der Windenergie der Zubau in Deutschland auf Rekordniveau
war. Die Ursache für die Probleme der Unternehmen ist
also nicht in einem zu geringen Tempo bei der Energiewende in Deutschland zu suchen, sondern in den in beiden Branchen weltweit bestehenden Überkapazitäten.
Kollege Ott.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Die Studie ist mir bekannt. Ich frage aus einem ganz konkreten und aktuellen
Anlass. Die Firma Schaeffler hat in Wuppertal ein Werk
mit 1 500 Beschäftigten. Sie hat jetzt angekündigt, dass
sie 750 Beschäftigte entlassen will - aufgrund der Flaute
in der Windenergiesparte. Meine Frage an Sie ist, ob Ihnen Hinweise darauf vorliegen, dass auch andere Windkrafthersteller derartige Schwierigkeiten haben und ob
nach Ihrer Ansicht auch andere Gründe dahinterstehen
wie zum Beispiel - das wird befürchtet - Produktionsverlagerungen ins Ausland.
Die Zahlen geben keinen Hinweis darauf, Herr Kollege. Wie gesagt, im letzten Jahr wurden Verluste in der
PV-Branche durch gute Ergebnisse in der Windbranche
kompensiert.
Ich will jetzt keinem Unternehmen zu nahe treten,
aber das scheint mir mittlerweile eine sehr gängig gewordene Begründung zu sein, auch dann, wenn es unternehmensinterne Probleme oder Fehlentscheidungen des
Managements gab. Ob das konkret bei diesem Unternehmen der Fall ist, kann ich nicht sagen; ich möchte da um
Gottes willen nicht missverstanden werden. Aber es
scheint mittlerweile branchenüblich zu sein, die Energiewende oder einen angeblich nicht vorhandenen oder
nicht schnell voranschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energie für einen Abbau von Beschäftigten verantParl. Staatssekretärin Katherina Reiche
wortlich zu machen. Ich persönlich halte dies für nicht
besonders redlich.
Ich war heute Morgen auf einer großen Windkonferenz in Mecklenburg-Vorpommern. Die Windbranche
boomt. Es werden Einstellungen, auch bei Zulieferbetrieben, vorgenommen. Es würde mir schwerfallen, eine
solche Begründung zu akzeptieren.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, vielen Dank. - Konkret nachgefragt: Die Ankündigung der Firma Schaeffler, von den 1 500 Beschäftigten die Hälfte, also 750, wegen Auftragsschwierigkeiten
entlassen zu wollen, scheint Ihnen nicht mit der Auftragslage in Deutschland begründet zu sein?
Das können wir zumindest nicht aus den Zahlen ablesen, Herr Kollege. Um ein paar Zahlen zu nennen: In der
Photovoltaik - darin sind wir uns einig - gibt es globale
Überkapazitäten. Die sind seit langem bekannt und in
diesem Hause hinreichend diskutiert worden. Bei der
Windenergie ist es ähnlich. Hier stehen Produktionskapazitäten in Höhe von 80 Gigawatt einem Zubau von
45 Gigawatt gegenüber.
Im Übrigen gehen Märkte zurück, die Sie möglicherweise nicht im Fokus haben. In China gab es 2012 ein
Minus von 25 Prozent. Da die Unternehmen keineswegs
nur für den deutschen oder europäischen Markt produzieren, sondern weltweit exportieren müssen, um zu
überleben, müsste man, was die Begründung des Unternehmens angeht, nicht nur auf den deutschen Markt,
sondern auch auf den Weltmarkt schauen. In den USA
zum Beispiel begründet sich ein Rückgang von Windenergieinstallationen aus den eben diskutierten ShaleGas-Vorkommen. In den USA ist es momentan unrentabler, in Wind zu investieren als in unkonventionelles
Erdgas.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Ott auf:
Wie ist der aktuelle Stand des geplanten Klubs der Energiewendestaaten, dessen Gründung nun im Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen
Bundestages für Anfang Juni dieses Jahres angekündigt
wurde, und inwieweit sehen die aktuellen Planungen die
Schaffung eines Mehrwerts der geplanten Allianz im Vergleich zu bestehenden Institutionen und Initiativen vor?
Herr Kollege, in seinem Klub möchte Herr Minister
Altmaier Vorreiterstaaten im Bereich erneuerbarer Energien zusammenbringen. Dazu plant Minister Altmaier
für Anfang Juni, verschiedene Vertreter solcher Vorreiterstaaten nach Berlin einzuladen. Dazu hat er bereits im
Rahmen seiner Teilnahme an der jährlichen Versammlung der IRENA in Abu Dhabi im Januar 2013 informelle Konsultationen mit verschiedenen Vorreiterstaaten
geführt und die Idee eines solchen Klubs diskutiert.
Bei den aktuellen Planungen der Ausgestaltung wird
die Schaffung des Mehrwerts des Erneuerbare-EnergienKlubs besonders beachtet. Beim Erneuerbare-EnergienKlub handelt es sich um eine politische Initiative, die
nicht über neue Strukturen oder ein eigenes Sekretariat
verfügen soll. Sie soll IRENA, die Internationale Agentur für erneuerbare Energien, in der Deutschland aktives
Mitglied ist, vielmehr politisch hochrangig unterstützen.
Minister Altmaier steht dazu mit dem Generalsekretär
von IRENA in engem Kontakt.
Eine Nachfrage, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Haben Sie
schon eine ungefähre Vorstellung davon, wer zu diesem
Kreis gehören wird? Sieben oder acht Staaten wurden
von Minister Altmaier bei der letzten Konferenz der Vertragsparteien eingeladen. Hat sich der Kreis mittlerweile
vergrößert?
Wir haben Gespräche mit anderen Staaten geführt,
unter anderem mit Indien. Das habe ich schon neulich im
Umweltausschuss berichtet. Es stehen immer noch Konsultationen mit anderen Ländern aus. Aber bis zum
1. Juni ist noch ein wenig Zeit. Der Minister selbst telefoniert mit seinen Kolleginnen und Kollegen, um eine
respektable Runde von Vorreiterstaaten zusammenzubekommen.
Weitere Zusatzfrage.
Jetzt würde ich doch gerne auf den zweiten Teil meiner Frage zurückkommen: Was soll denn der Mehrwert
eines solchen Klubs sein? Sie haben IRENA und die Tatsache, dass der Minister mit dem Generalsekretär in
Kontakt steht, angesprochen; das ist natürlich schön.
Aber dies ist bereits ein breiter Zusammenschluss im
Hinblick auf erneuerbare Energien. Was soll denn jetzt
ganz konkret der Mehrwert des von Minister Altmaier
geplanten Klubs sein?
Hier geht es darum, ein politisches Momentum zur
Unterstützung der erneuerbaren Energien in anderen
Ländern zu schaffen, insbesondere hinsichtlich häufig
festgefahrener Verhandlungen im Klimaschutzbereich.
Es geht also nicht um Strukturen, sondern um ein politisches Momentum für erneuerbare Energien.
Kollege Schwabe.
Frau Staatssekretärin, das alles wäre nicht so schlimm
- es versteht vielleicht auch keiner außer uns im Saal,
worüber wir diskutieren -, wenn es nicht einer der zehn
Punkte aus dem Zehn-Punkte-Programm wäre, das ich
gerade schon angesprochen habe. Der Klub der Energiewendestaaten ist mit einem großen öffentlichen Brimborium vorgestellt worden, und wir merken: Die politische
Substanz geht gegen null.
Wenn man im Duden nachschlägt, was ein Klub ist,
dann liest man dort: Es ist eine „Vereinigung von Menschen mit bestimmten gemeinsamen Interessen und Zielen“. Dort steht, es ist eine „Clique“ oder ein „Lokal, in
dem regelmäßig Musiker, besonders Jazzmusiker auftreten“. Ihr Klub ist eigentlich gar nichts. Ihr Klub umfasst
Gespräche, die auch bisher stattgefunden haben. Das ist
auch vollkommen okay. Aber nennen Sie es dann nicht
„Klub“, und machen Sie daraus keine große Medienkampagne!
Ich frage Sie noch einmal: Wo ist die Substanz? Müssen Sie nicht eingestehen, dass es ein Marketing-Gag
war, um im Zehn-Punkte-Programm tatsächlich auf zehn
Punkte zu kommen, aber es am Ende keine politische
Substanz hat?
Erst einmal vielen Dank für die Aufklärung über den
Begriff „Klub“. Ich würde aus der Auswahl die erste Definition nehmen: das Zusammenkommen von Gleichgesinnten, und zwar von Einzelpersonen. Das ist nämlich
der Unterschied zwischen staatlichen Strukturen und,
wenn Sie so wollen, Political Leaders, also Personen, die
in Regierungsverantwortung sind und sich vorgenommen haben, erneuerbare Energien nach vorne zu bringen.
Immer mehr Staaten beziehen erneuerbare Energien in
ihr Energieportfolio mit ein, mit unterschiedlicher Intensität. Wir sitzen mit allen in einem Boot, wenn es darum
geht, im Bereich Klimaschutz gemeinsam voranzukommen. Wir wollen hier - ich sage es noch einmal - ein
politisches Momentum schaffen. Eine Verknüpfung von
erneuerbaren Energien und mehr Klimaschutz ist das
Ziel dieser Idee, dieses Vorhabens.
Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Becker. Wo
ist er? - Er ist nicht da. Also kommen wir nicht zu den
Fragen 11 und 12 des Kollegen Becker. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Miersch. Er ist auch nicht mehr da. Also kommen wir nicht zu den
Fragen 13 und 14 des Kollegen Miersch. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Bei den Fragen 15 und 16 der Kollegin Kotting-Uhl
ist die schriftliche Beantwortung vorher beantragt worden und erfolgt dann auch.
Wir kommen zu den Fragen 17 und 18 des Kollegen
Bollmann. - Den Kollegen Bollmann kann ich auch
nicht sehen. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 19
und 20 des Kollegen Röspel werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 21 und 22 des Kollegen
Gerdes, die Fragen 23 und 24 des Kollegen Kaczmarek,
die Frage 25 des Kollegen Wagner und die Fragen 26
und 27 des Kollegen Hagemann.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Die Frage 28 der Kollegin Koczy wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 29 des
Kollegen Hunko wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage
30 der Kollegin Koczy wird schriftlich beantwortet.
Somit kommt wieder der Kollege Schwabe mit seiner
Frage zum Zuge.
({0})
- Diese Art von scheinbarer Vorzugsbehandlung könnte
man sich eigentlich patentieren lassen. Sie entspricht
aber unserem Reglement; darauf will ich alle aufmerksam machen, die den Eindruck haben, hier gäbe es ein
ungewöhnliches Verfahren.
Ich rufe also die Frage 31 des Kollegen Schwabe auf:
Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag in
dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Regelung der unkonventionellen Förderung von Erdgas - Fracking - vorlegen?
({1})
- Aber sicher dürfen Sie, Herr Kollege.
Gut, ich folge dem Präsidenten sehr gerne, und wenn
er mir nicht das Wort erteilt -
Der Parlamentarische Staatssekretär Otto legt zu
Recht Wert darauf, dass ich darauf hinweise, dass sich
diese Frage an das Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie richtet und dass der Parlamentarische
Präsident Dr. Norbert Lammert
Staatssekretär Otto liebenswürdigerweise zur Verfügung
steht, diese Frage nun sachkundig, vollständig und abschließend zu beantworten.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich bin schwer beeindruckt.
Die Bundesregierung antwortet dem Kollegen
Schwabe: Derzeit prüfen und beraten die zuständigen
Ministerien die eingegangenen Stellungnahmen der Länder und natürlich auch der Verbände. Deshalb ist momentan noch nicht einzuschätzen, ob in der verbleibenden, relativ kurzen Zeit, wie wir beide wissen, noch ein
Gesetzentwurf vorgelegt werden kann.
Es gibt trotzdem eine Nachfrage. - Bitte schön, Herr
Kollege Schwabe.
Das ist jetzt wirklich spannend, Herr Staatssekretär. - Frau Reiche geht leider. Das ist aber in Ordnung;
denn sie muss jetzt nicht antworten. - Ich hatte mich ursprünglich geärgert, dass meine Fragen zum Thema
Fracking auf zwei Bereiche verteilt worden sind: auf den
Umweltbereich und den Wirtschaftsbereich. Jetzt finde
ich dies aber besonders spannend; denn ich kann Ihnen
nun dieselben Fragen stellen wie der Kollegin Reiche.
Ich bin gespannt, ob ähnliche Antworten kommen.
Die Kollegin Reiche hat gerade deutlich gemacht,
dass sie zwar nicht über koalitionsinterne Verhandlungen
berichten mag, dass aber aus ihrer Sicht Veränderungsbedarf bei den von den Ministern Altmaier und Rösler
eingebrachten Vorschlägen besteht. Eine Frage in diesem
Zusammenhang hat der Kollege Krischer gerade angesprochen: Die Frage der Horizontalbohrungen ist bisher
nicht geklärt.
Sehen Sie, wie die Staatssekretärin Reiche, auch Änderungsbedarf bei den Vorschlägen von Herrn Rösler
und Herrn Altmaier?
Lieber Herr Kollege Schwabe, ich werde zu den noch
laufenden Auswertungen und Gesprächen zwischen den
Häusern hier natürlich nicht öffentlich Stellung nehmen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Bundeswirtschaftsministerium sehr gerne noch in dieser Legislaturperiode
einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen würde.
Ich kann Ihnen auch verraten - aber das wird Sie jetzt
nicht übermäßig beeindrucken -, dass wir - die betreffenden Häuser und letztlich auch die Bundesländer und
die Verbände - uns einig sind, dass es eine absolute Priorität für den Schutz der Umwelt und des Trinkwassers
geben muss. Wie wir das dann konkret umsetzen, darüber wird im Moment noch beraten.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Inhalte interner Beratungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in
der Fragestunde des Deutschen Bundestages ausgebreitet werden dürfen. Das ist das normale Verfahren. Sie
können daher so lange fragen, wie Sie mögen - das ist
Ihr gutes Recht -; aber es ist auch mein gutes Recht, das,
was noch intern beraten werden muss, noch nicht auszubreiten.
Nachdem wir jetzt wissen, wer welches gute Recht
hat, erfahren wir, ob der Kollege Schwabe von seinem
guten Recht, eine weitere Nachfrage zu stellen, Gebrauch machen will.
Gerne. - Das ist interessant. Natürlich ist es Ihr gutes
Recht, intern alles Mögliche zu beraten. Das Spannende
ist bloß, dass die Legislaturperiode ausläuft und wir immer noch keine gesetzlichen Grundlagen haben, was daran liegt, dass Sie nicht in der Lage sind, dem Bundestag
entsprechende Gesetzesvorhaben zu präsentieren.
Ich möchte Sie nach Ihrer Einschätzung bezüglich der
aktuellen Rechtslage fragen. Wie ist diese heute, falls
der Deutsche Bundestag keine Beschlüsse mehr fassen
kann, weil es keine entsprechenden Vorlagen gibt?
Meine konkrete Frage: Können nach Ansicht der Bundesregierung Unternehmen nach derzeit geltendem
Recht in Deutschland Bohrungen unter Einsatz der Fracking-Technologie durchführen, bei der sie umwelttoxische oder gesundheitsgefährdende Chemikalien einsetzen?
Lieber Herr Kollege Schwabe, ich hatte Ihnen schon
gesagt, dass das Bundeswirtschaftsministerium durchaus
ein Interesse daran hat, eine Klärung herbeizuführen. Ich
brauche nicht zu betonen - Sie sind mindestens genauso
dicht dran wie ich -, dass es schon in den vergangenen
Jahrzehnten, jedenfalls in den letzten Jahren, FrackingAnwendungen in Deutschland gegeben hat. Daraus werden Sie messerscharf folgern können - die Logik ist klar -,
dass die derzeit geltende Rechtslage die Anwendung von
Fracking in gewissem Umfang und unter gewissen Voraussetzungen erlaubt.
Das gemeinsame Interesse der Bundesregierung in
Übereinstimmung mit den Bundesländern und den Verbänden liegt darin, eine gewisse Rechtsklarheit zu bekommen und die Bedenken und die Gesichtspunkte, die
in der Diskussion - auch von Ihnen - vorgebracht werden, zu berücksichtigen.
Der Kollege Krischer möchte noch einmal nachfragen.
Herr Staatssekretär Otto, herzlichen Dank für die
Auskünfte. - Ich möchte ganz konkret nachfragen. Die
Kollegin Staatssekretärin Reiche hat eben ausgeführt,
dass sie - ich gehe davon aus, dass sie für das BMU ge29600
sprochen hat - große Sympathie dafür hat, den von den
Ministern Rösler und Altmaier vorgelegten Entwurf dahin gehend zu verändern, dass die Horizontalbohrungen
außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten nicht unter
Trinkwasserschutzgebiete geführt werden können. Das
ist eine relevante Frage, da solche Horizontalbohrungen
mehrere Kilometer umfassen können. Wie steht das
BMWi zu dieser Frage, wenn das BMU das befürwortet?
Können wir davon ausgehen, dass sich eine solche Regelung in dem vorzulegenden Gesetzentwurf wiederfinden
wird, da ein zuständiges Haus dies schon befürwortet?
Lieber Kollege Krischer, es gibt jetzt zwei Alternativen: Entweder Sie haben mir nicht zugehört, als ich auf
die Frage des Kollegen Schwabe geantwortet habe, oder
Sie wollen mich in unziemlicher Weise zu einem Verhalten veranlassen, das ich zuvor ausgeschlossen habe. Ich
habe dem Kollegen Schwabe gesagt - und ich sage es
auch Ihnen -, dass das Gegenstand interner Abstimmungen ist, zu denen ich zu diesem Zeitpunkt nicht Stellung
nehmen möchte und auch nicht Stellung nehmen kann.
Dabei bleibt es.
Offensichtlich haben Sie das Vertrauen verloren, dass
Sie nach der nächsten Bundestagswahl hier als rot-grüne
Koalition die Verantwortung tragen. Wenn Sie diesen
Glauben noch hätten, dann würden Sie sagen: Das ist
doch fein; lasst uns bis nach der Bundestagswahl warten.
Dass Sie uns jetzt drängen, noch vor der Bundestagswahl etwas vorzulegen,
({0})
lässt für mich Rückschlüsse auf Ihre Erwartungen und
Hoffnungen in Bezug auf die Bundestagswahl zu.
({1})
Jedenfalls gibt es keine für Glaubensfragen zuständigen Bundesministerien, sodass sich hier Nachfragen erübrigen.
Wir schließen damit diesen Teil der Befragung ab.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts auf. Die Fragen 32 und 33 des Kollegen Movassat,
die Frage 34 der Kollegin Cramon-Taubadel, die Fragen 35 und 36 des Kollegen Koenigs und die Frage 37
der Kollegin Dağdelen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 38 des Kollegen Ströbele auf, der
mit einer bemerkenswerten zeitlichen Präzision rechtzeitig zur Beantwortung seiner Frage hier im Plenarsaal
eingetroffen ist:
Haben die Bundesregierung und die ihr unterstellten Militär- und Sicherheitsbehörden nach der unzureichenden Antwort auf meine schriftliche Frage 9 auf Bundestagsdrucksache
17/12582 zum Thema nunmehr nach Auswertung aller zugänglichen Informationen insbesondere auch aus der Luftüberwachung durch Flugzeuge, Drohnen oder Satelliten Erkenntnisse zum Mohnanbau in Afghanistan, inwieweit
inzwischen Anbaufläche und Produktionsmenge eine Größe
erreicht haben, die höher ist als je zuvor seit Beginn des Krieges, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass damit
auch die Bekämpfung des Anbaus von und des Handels mit
Opium und Heroin durch afghanische und ISAF-Sicherheitskräfte total gescheitert ist auch angesichts dessen, dass die
Weltnachfrage nach diesen Drogen wieder zu mehr als
90 Prozent aus Afghanistan ({0}) gedeckt wird?
Sie haben recht, Herr Präsident. Ich bin genauso beeindruckt wie Sie. Das war eine Punktlandung vom Abgeordneten Ströbele, dessen Frage ich wie folgt beantworte: Die Bundesregierung stützt ihre Datenlage zur
Drogensituation in Afghanistan, wie Sie wissen, primär
auf Erkenntnisse der Vereinten Nationen, in diesem Fall
speziell auf die Berichte des Büros der Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung, UNODC.
Insoweit erhebt sie keine eigenen Daten. Dieser Hintergrund wurde Ihnen, Herr Abgeordneter, bereits in einer
Antwort auf Ihre schriftliche Frage vom Februar 2013
mitgeteilt. Einzelheiten zu darüber hinausgehenden
Quellen entnehmen Sie bitte einem Schreiben, das in der
Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt ist.
Der letzte VN-Bericht wurde am 15. April 2013, also
deutlich nach Ihrer Februaranfrage, veröffentlicht. Er
enthält bereits Schätzungen zum Umfang des Schlafmohnanbaus in Afghanistan für das Jahr 2013, weist
aber auch darauf hin, dass endgültige Zahlen zur Produktion von Opium erst nach Auswertung der Ernteergebnisse vorliegen können. Auch in diesem Jahr ist ein
Anstieg der Anbauflächen zu erwarten. Insoweit wird
Afghanistan voraussichtlich der weltweit größte Opiumproduzent bleiben.
Die Bundeswehr hatte nie ein Mandat, im Bereich der
Drogenbekämpfung tätig zu sein. Die im Aufbau befindlichen afghanischen Sicherheitskräfte, speziell die Polizei, müssen sich in den nächsten Jahren noch weiterentwickeln und ihre Fähigkeiten zur Drogenbekämpfung
verbessern.
Bitte sehr, Herr Kollege Ströbele.
Frau Staatsministerin, Sie können davon ausgehen,
dass mir meine früheren Fragen und die Antworten der
Bundesregierung bekannt sind. Weil ich Zweifel an den
Zahlen habe, die Sie mir vor etwa einem Monat geschickt haben, habe ich Sie ganz konkret gefragt und gebeten, mir nicht nur die Zahlen der Bundesregierung zu
nennen, sondern auch Zahlen bei nachgeordneten Behörden abzufragen, um mir zu bestätigen - nach meinen Informationen ist das nämlich so -, dass der Opiumanbau
in Afghanistan inzwischen ein nie gekanntes Maß erreicht hat. Das lässt nach elf Jahren Drogenanbaubekämpfung doch nur den Schluss zu, dass ebenjene geHans-Christian Ströbele
scheitert ist. Warum beantworten Sie diese Frage nicht,
sondern reden darum herum? Dass die Bundesregierung
nicht entsprechend beauftragt war usw., das ist mir alles
bekannt.
Herr Abgeordneter, ich sagte bereits, dass Afghanistan
bedauerlicherweise weiterhin der weltweit größte Produzent von Opium, Heroin und Cannabis ist. Ich kann Ihnen
gerne noch einmal die konkreten Zahlen aus dem vom
UNODC veröffentlichten Afghanistan Opium Survey
2012 nennen: Auf einer Fläche von 154 000 Hektar wurde
Schlafmohn angebaut, aus dem etwa 3 700 Tonnen
Opium produziert wurden. Damit stieg die Drogenanbaufläche im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent.
Das bestätigt Ihre These, auch wenn Sie andere Angaben haben, wie Sie eben noch einmal erläutert haben. In
dem Bericht stand allerdings auch, dass der Ertrag aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse und Pilzbefalls
um 36 Prozent gesunken ist und dass er damit zwar geringer als 2011, aber immer noch sehr hoch war.
Herr Ströbele.
Sie haben meine Frage wieder nicht beantwortet. Die
Zahl von 154 000 Hektar Mohnanbaufläche haben Sie
mir schon einmal genannt; die kenne ich. Ich halte diese
Zahl nicht für richtig. Sie ist erheblich höher. Es sind nahezu 200 000 Hektar Opiumanbaufläche. Können Sie
mir bestätigen, dass dies die mit Abstand höchste Zahl
seit elf Jahren ist, also seit die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz ist, sei es im Rahmen von ISAF, sei es im
Rahmen des Enduring-Freedom-Mandats?
Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen die Frage beantwortet habe. Es ist Ihr gutes Recht, andere Ansichten zu
diesen Zahlen zu haben. Sie haben selbst gesagt, dass Sie
andere Quellen haben. Ich bin auch gerne bereit, Ihnen
Einsicht in die Anlage, die sich als Verschlusssache in
der Geheimschutzstelle befindet, zu gewähren. Sie können als Abgeordneter jederzeit Einsicht nehmen.
Wir stellen mit großer Sorge fest, dass sich die Größe
der Anbaufläche nicht verringern lässt, obwohl man in
Afghanistan versucht, dem Problem durch die Beseitigung von Drogenanbauflächen zu begegnen. Das ist aber
in erster Linie eine Aufgabe der afghanischen Regierung. Wir können mithelfen, die afghanische Regierung
zu befähigen, Drogenanbau und Drogenhandel zu bekämpfen.
Sie wissen, dass das Auswärtige Amt vier Drogenbekämpfungsprojekte für Afghanistan mit einem Umfang
von über 1 Million Euro bewilligt hat. Deutschland hat
auch den Bau eines Drogenlabors für das Hauptquartier
der Counter-Narcotics Police Afghanistan, CNPA, in
Kabul finanziert. Ich glaube, dass dies der richtige Weg
ist, um dem Problem zu begegnen, auch wenn ich weiß,
dass es bei weitem nicht ausreicht.
({0})
Nachfragen dazu liegen jedenfalls jetzt nicht vor.
Die Fragen 39 und 40 der Kollegin Hänsel sollen nun
auch schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Beck auf:
Wie viele afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr
oder deutsche Organisationen in Afghanistan arbeiten, haben
seit 2002 einen Asylantrag in Deutschland gestellt, und wie
wurden diese jeweils beschieden ({0})?
Ich bitte den Parlamentarischen Staatssekretär Ole
Schröder, sie zu beantworten.
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Seit dem Jahr
2002 haben mehr als 32 000 afghanische Staatsangehörige beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
BAMF, einen Asylantrag gestellt. Die erfragten Hintergründe zu Asylantragstellern bzw. die jeweiligen Gründe
für eine Asylantragstellung werden beim BAMF nicht
statistisch erhoben. Daher können konkrete Aussagen
darüber, wie viele afghanische Ortskräfte, die seit 2002
für deutsche Stellen in Afghanistan gearbeitet haben, in
Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nicht getroffen werden. Nach Schätzungen des BAMF liegt die
Zahl der ehemaligen Ortskräfte, die im Jahr 2012 in
Deutschland Asyl beantragt haben, im niedrigen zweistelligen Bereich.
Bitte schön, Herr Beck.
Herr Staatssekretär, es gibt ja im Zusammenhang mit
dieser Frage auch eine innenpolitische Diskussion darüber, ob man den Ortskräften in Afghanistan, die für die
Bundeswehr oder für die deutschen Entwicklungsdienste
tätig waren, nicht grundsätzlich die Aufnahme anbieten
muss, falls sie wegen ihrer Zusammenarbeit mit deutschen Stellen unter Druck kommen. Es ist eigentlich
Usus bei Auslandseinsätzen, dass man, wenn man abzieht, den Menschen, die mit einem zusammenarbeiten
und die dadurch gegebenenfalls gefährdet sind, anbietet,
mitzugehen.
Deshalb würde mich schon interessieren, wie viele einen solchen Antrag gestellt haben. Insbesondere interessiert mich - ich hatte danach gefragt; darauf möchte ich
eine Antwort haben -, in wie vielen Fällen Anträge auf
Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland von Ortskräften gestellt wurden und wie viele dieser Anträge bis29602
Volker Beck ({0})
lang entweder nicht beschieden oder abgelehnt wurden
und aus welchen Gründen dies gegebenenfalls so ist. Ich
beziehe mich noch einmal auf meine Ausgangsfrage und
bitte um vollständige Beantwortung.
Wir machen genau das, was Sie eben von der Bundesregierung verlangt haben: Wir stellen den Ortskräften,
die in Afghanistan Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind, in Aussicht, dass sie nach Deutschland kommen dürfen. Aber das muss natürlich nach einer Einzelfallprüfung festgestellt werden.
Bisher haben 24 Ortskräfte des Verteidigungsministeriums und 3 Ortskräfte des Bundesministeriums des Innern um eine Prüfung und Bewertung ihrer persönlichen
Situation vor dem Hintergrund einer möglichen Bedrohung gebeten. Dies wird jetzt im Einzelfall geprüft werden.
Nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie bitten, uns über
die jeweiligen Verfahrensstände zu informieren. Gibt es
schon Aufnahmezusagen? Gibt es Ablehnungen? Wie
viele von diesen 27 Verfahren, die Sie jetzt genannt haben, sind noch in der Schwebe?
Ich darf in diesem Zusammenhang darum bitten, dass
Sie versuchen, die nächste Frage zur NPD, die schriftlich
beantwortet wird, diesmal - ich stelle sie zum zweiten
Mal - vollständig zu beantworten. Denn sonst muss ich
Sie als Verfassungsorgan gegebenenfalls im Rahmen einer Organklage zur Auskunft verpflichten.
({0})
Bisher sind 15 Fälle geprüft worden. Dabei handelt es
sich noch nicht um eine formelle Antragstellung. In einem aktuellen Fall wurde die Gefährdungssituation bereits so bewertet, dass eine Aufnahme nach Deutschland
möglich sein wird.
Der Kollege Ströbele möchte dazu noch eine Zusatzfrage stellen.
Genau. Danke, Herr Vorsitzender. - Herr Staatssekretär, ich frage mich - und gebe die Frage an Sie weiter -,
mit welcher Begründung eigentlich jetzige oder bald
ehemalige Mitarbeiter der Bundeswehr oder anderer
deutscher oder alliierter Stellen in Afghanistan einen
Asylantrag stellen, zum Beispiel die 27, die Sie genannt
haben. Denn die Sicherheitslage in Afghanistan wird
nach Angaben der Bundesregierung ständig besser und
soll bis zum Ende des Jahres 2014 so gut sein, dass die
afghanischen Sicherheitsbehörden die Sicherheit der Bevölkerung garantieren können.
Inwieweit eine Gefährdungslage für einzelne Ortskräfte besteht, muss im Einzelfall geprüft werden. Das
hängt auch davon ab, in welcher Region sie sich befinden. Das kann man nicht pauschal beurteilen.
Die Frage 42 des Kollegen Volker Beck soll schriftlich
beantwortet werden. Das gilt auch für die Fragen 43
und 44 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter, für die Fragen 45
und 46 des Kollegen Lars Klingbeil, für die Fragen 47
und 48 der Kollegin Brigitte Zypries, die Fragen 49 und 50
des Kollegen Gerold Reichenbach, die Fragen 51 und 52
des Kollegen Michael Hartmann sowie die Fragen 53
und 54 der Kollegin Kirsten Lühmann. Diese waren alle
dem Innenministerium zugedacht.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 55 des Kollegen
Dr. Tobias Lindner und die Frage 56 der Kollegin Sevim
Dağdelen sollen schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Bereich des Bundesministeriums
der Finanzen. Die Fragen 57 und 58 des Kollegen
Manuel Sarrazin, die Fragen 59 und 60 der Kollegin
Dr. Barbara Höll sowie die Fragen 61 und 62 des Kollegen Dr. Axel Troost sind allesamt zur schriftlichen Beantwortung angemeldet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Ich darf den Parlamentarischen Staatssekretär Ralf
Brauksiepe bitten
({0})
- tja -,
({1})
die mitgebrachten Antworten sorgfältig zu verwahren,
weil nicht auszuschließen ist, dass eine ähnliche Frage
neu gestellt wird und dann tatsächlich beantwortet werden muss.
Die Fragestellerin der Fragen 63 und 64 ist die Kollegin Anette Kramme. Da die Kollegin nicht im Saal ist,
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 65 des Kollegen Arfst Wagner wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen 66 und 67 der Kollegin
Ulla Jelpke. Da sie nicht anwesend ist, wird verfahren,
wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Damit ist dieser Geschäftsbereich in der gerade beschriebenen Weise heute abgehandelt.
Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf.
Ich begrüße die Kollegin Behm, die immer noch da
ist, und freue mich, dass der Parlamentarische Staatssekretär - ({2})
- Wo ist er? - Er ist nicht da. Kann der Herr Staatsminister oder sonst jemand aushelfen? - Auch nicht. Dann
schauen wir einmal - Frau Behm, haben Sie noch einen
Augenblick Zeit? -,
({3})
ob wir dieses Problem möglicherweise durch Umstellung der Reihenfolge lösen können.
Dann kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung.
Da Frau Evers-Meyer nicht anwesend ist, wird bei
den Fragen 69 und 70 so verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Aber der Kollege Ströbele ist da.
Daher rufe ich die Frage 71 des Kollegen Ströbele
auf:
Welche Planung haben Bundesregierung und Bundeswehr
für den Einsatz deutscher Streitkräfte in Afghanistan für die
Zeit nach Ende 2014, wenn bis dahin die Sicherheitslage in
Afghanistan nicht gut ist oder wieder schlechter wird und die
afghanischen Sicherheitskräfte nicht oder nicht mehr in der
Lage sind, die Sicherheit der Bevölkerung ausreichend zu garantieren, und wie soll nach Auffassung der Bundesregierung
die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan zum Jahreswechsel 2014/2015 und danach verbindlich vorgenommen
werden?
Ich bitte den Parlamentarischen Staatssekretär
Schmidt, die Frage zu beantworten.
Herr Präsident, im Sinne einer kameradschaftlichen
Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung
({0})
und in freudiger Wahrnehmung der Präsenz des Kollegen Ströbele erlaube ich mir, diese Frage, die er, wenn
ich es richtig sehe, in gewisser Weise in Anknüpfung an
die Nachfragen, die er bereits der Kollegin Staatsministerin Pieper, also den Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amts betreffend, gestellt hat, wie folgt zu beantworten: Die aktuellen Planungen der NATO bezüglich
einer NATO-geführten Ausbildungs-, Beratungs- und
Unterstützungsmission berücksichtigen die Entwicklungen in Afghanistan und die Planungen der Bundeswehr,
die einer endgültigen Festlegung der Planungen der
NATO vorgreifen.
Der Bundesminister der Verteidigung und der Bundesaußenminister haben letzte Woche die in den Bedingungen einer entsprechenden Konzeption genannten
Zahlen und den Rahmen der Ausbildungsmission dargestellt. Es geht um 600 bis 800 Soldaten, die im Wesentlichen ausbilden sollen. Wir gehen davon aus - das ist
eine der Bedingungen -, dass die Ziele des fortschreitenden Aufbaus der afghanischen Sicherheitskräfte und der
Übernahme der Sicherheitsverantwortung im Rahmen
der Umsetzung der sogenannten Transitionsziele erreicht
werden.
Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte - ein
ganz wichtiger Aspekt, um dafür zu sorgen, dass die
afghanische Seite die Sicherheitsverantwortung wahrnehmen kann - nähert sich, was den Personalumfang betrifft, der Zielgröße von 352 000 Soldaten. Es ist beabsichtigt, diese Personalstärke bis zum Jahre 2018
beizubehalten. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, dass
die Bundesregierung in ihrem planerischen Vorschlag
erst einmal von einem Zeitraum von zwei Jahren ausgeht; das heißt, es geht um die Jahre 2015 und 2016.
Eine weitergehende Vorausschau im Hinblick auf die Sicherheitslage zu geben, würden Sie weder von mir verlangen, noch wäre ich in der Lage, sie zu geben, ohne ins
Spekulative zu geraten.
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben gegenwärtig schon 85 Prozent des Landes in eigene Sicherheitsverantwortung übernommen. Im Norden, dem Verantwortungsbereich der Bundeswehr, ist die Übernahme
bereits in allen Distrikten erfolgt. Die derzeit deutlich -
Herr Staatssekretär, Sie achten bitte auch gelegentlich
auf die Zeit, ja?
Selbstverständlich, Herr Präsident. - Die Planungsannahmen stimmen deswegen grundsätzlich überein: Wir
gehen davon aus, dass sich die Sicherheitslage in Richtung einer gewissen Stabilität so entwickelt, dass es verantwortbar ist, dass wir mit der Ausbildungsmission in
Afghanistan nach 2014 beginnen.
Kollege Ströbele.
Herr Staatssekretär, die Zahl 315 000 ist mir auch bekannt; davon können Sie ausgehen.
Meine Frage: Können Sie bestätigen, dass bei den Sicherheitskräften, die derzeit in Afghanistan ausgebildet
sind, jedes Jahr ein Schwund von etwa einem Drittel der
Mannschaftsstärke festzustellen ist? Geben Sie mir
recht, dass, wenn das der Fall ist, zu befürchten ist, dass
nach dem Abzug der alliierten Truppen entweder wieder
ein schrecklicher Bürgerkrieg entsteht oder die NATO
und die internationalen Kräfte dort bleiben?
Herr Kollege Ströbele, die Zahlen kann ich nicht bestätigen. Wir haben allgemeine Informationen über einen
gewissen Schwund. Ich würde Ihnen, Ihr Einverständnis
vorausgesetzt, die aktuellen Zahlen - soweit sie uns zugänglich sind - noch zuleiten wollen.
Man muss differenzieren zwischen der Entwicklung
bei den afghanischen Streitkräften und bei der afghanischen Polizei; dort gab es, wie wir wissen, eine Zeit lang
in der Tat eine sehr hohe Schwundquote.
Man muss auch insgesamt differenzieren - Sie gestatten, dass ich den Blick auf den Norden Afghanistans
richte -: Wir haben im Norden eine relative Stabilität der
afghanischen Streitkräfte: Das 209. afghanische Korps,
das im Wesentlichen der Partner bei der Sicherheitsgewährleistung im Norden ist, ist ein stabiles und in der
partnerschaftlichen Arbeit durchaus gutes Korps. Sie
wissen, dass wir die Frage der Innentäter - ich suche
nach einem Wort - im Griff behalten, wir zumindest bisher erfreulicherweise feststellen können, dass solche
Vorfälle eine absolute Ausnahme darstellen.
Es wird notwendig sein, dass wir uns über die Fragen
der Erkenntnisgewinnung, Nachrichtengewinnung, Information auch immer ein aktuelles Bild von der Sicherheitslage verschaffen, auch 2015 und 2016.
Kollege Ströbele, Sie haben eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben wieder meine Frage
nicht beantwortet.
Das war nicht meine Absicht!
Ich will sie jetzt noch einmal in anderer Form stellen:
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts dessen, dass
die Vorhersagen bezogen auf den Erfolg des Einsatzes
der Bundeswehr in Afghanistan seit 2011 und der NATO
insgesamt - Enduring Freedom und ISAF - nicht eingetroffen sind, einzuräumen, dass auch hier zumindest die
Möglichkeit oder hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass
die Voraussage wieder nicht zutrifft? Hat die Bundesregierung für den Fall, dass ihre Sicherheitsvoraussage
nicht eintritt, irgendwelche Pläne? Oder ignorieren Sie
das und sagen: „Wir schauen uns das am 1. Januar 2015
an, und dann überlegen wir neu“?
Herr Kollege, ich will mich entschuldigen, wenn ich
Ihre Frage nicht beantwortet haben sollte.
Ihre „Stimmen Sie mir zu“-Anfragen beantworte ich
allerdings so nicht. Ich versuche, zu differenzieren: Ich
stimme Ihnen insoweit zu, als es - so habe ich Sie auch
verstanden - notwendig ist, dass die Sicherheitslage genau analysiert wird. Ich habe mir in meiner langjährigen
politischen Arbeit und aufgrund meiner Lebenserfahrung angewöhnt, Prognosen über Entwicklungen - in
Afghanistan und anderswo - große Skepsis entgegenzubringen.
Denken Sie an die Tatarenmeldungen in Afghanistan.
Ich erinnere an den bildhaften Satz einer verantwortlichen Kirchenführerin: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Der war falsch und daneben. Das gilt genauso für die
Vorstellung, in Afghanistan würde sozusagen ein irdisches Paradies entstehen. Die Wahrheit liegt, wie so oft,
in der Mitte und ist in den Regionen unterschiedlich.
Wir werden uns die Mühe machen, die Sicherheitslage Punkt für Punkt zu beurteilen, und dann - ich würde
mich freuen, wenn Sie das so akzeptieren würden - ein
Stück auch auf Voraussehbarkeit und Sicht zu fahren. Ich
bin nicht in der Lage, Ihnen heute eine Prognose dafür
zu geben, wie sich Afghanistan bis 2020 sicherheitsmäßig entwickeln wird. Ich bin allerdings mit einem gewissen Optimismus ausgestattet, sodass ich sagen kann,
dass sich das, was sich in den letzten elf Jahren in Afghanistan entwickelt hat, heute räsonabel und erträglich
darstellt.
Kollege Volker Beck hat eine Nachfrage.
Vor dem Hintergrund, den Sie gerade geschildert haben, dass es schwer ist, eine Sicherheitsprognose für die
Zukunft abzugeben, will ich wissen, wie die Bundeswehr mit ihren Ortskräften umgeht und ob sie sie darüber informiert, dass es Aufnahmemöglichkeiten in
Deutschland gibt. Wie stellen Sie den Ortskräften der
Bundeswehr die Aussicht auf Erfolg bezüglich dieser
Aufnahmemöglichkeiten in Deutschland jeweils dar?
Lieber Herr Kollege Beck, Sie haben dem Kollegen
Schröder, BMI, ja eine Frage gestellt, die in diese Richtung ging, und mit der Androhung juristischen Ungemachs auch Zahlen herausverlangt; ich darf das so feststellen.
({0})
- Ich habe mich auf die Zahlen hinsichtlich der Asylbewerber bzw. der behandelten Fälle von Ortskräften in
Afghanistan sowohl des BMI als auch des Auswärtigen
Amts und des Bundesministeriums der Verteidigung bezogen.
Ich kann Ihnen hier nicht mit einer Antwort dienen,
weil es bei Ihrer Zusatzfrage eigentlich nicht um das SiParl. Staatssekretär Christian Schmidt
cherheitsszenario ging, was ja, Herr Präsident, bei strenger Bewertung des zulässigen Inhalts von Zusatzfragen
der Fall sein müsste. Ich biete allerdings an, die Zahlen
nachzuliefern, damit Sie mir nicht auch juristisches Ungemach androhen oder eventuell auch noch das Bundesverfassungsgericht bemühen müssen, das sich ja häufiger mit Klagen aus dieser Stadt befassen muss.
({1})
Das kann nur eine Klarstellung und keine Nachfrage
sein. Einen Satz, bitte, Kollege Volker Beck. Sie kennen
die Geschäftsordnung und wenden sie ja ununterbrochen
an. Insofern wissen Sie, was Sie zu tun haben.
({0})
Bitte schön.
Und ich weiß natürlich, dass der Präsident die Sitzung
leitet.
Ich wollte nur zwei Sachen klarstellen:
Meine Einlassung bezüglich der Organklage bezog
sich darauf, dass die Bundesregierung die Frage zum
NPD-Verbotsverfahren endlich wahrheitsgemäß und
umfassend beantworten soll, weil sie entsprechend gestellt wurde.
Herr Kollege Beck, dann nehme ich das mit dem Ausdruck der Erleichterung zurück.
So geht es natürlich nicht.
Von Ihnen hatte ich nicht Zahlen erfragt, sondern ich
hatte darum gebeten, zu sagen, was Sie den Ortskräften
sagen, was sie machen können, um eine Aufnahme hier
bewilligt zu bekommen, und wie Sie die Aussichten darstellen.
Die Zahlen hat der Herr Kollege Schröder genannt.
Jetzt Herr Staatssekretär, und dann ist dieser Punkt
beendet.
Bevor wir jetzt allgemein erleichtert sind, darf ich sagen: Diese schwierige Frage, die Sie stellen, ist existenziell für unsere Ortskräfte. Ich darf mich insofern aber
doch der Antwort des Kollegen Schröder anschließen,
dass wir eine Einzelfallprüfung vornehmen werden.
Zum Zeitraum, nach dem Sie fragen: Das geschieht
natürlich, bevor Afghanistan eine andere Sicherheitsstruktur erhält. Der Rahmen ist bis 2014 gesteckt. Wir
wollen uns nach pflichtgemäßem Ermessen und im Bewusstsein einer gewissen Vorsorgeverantwortung für die
für uns tätigen afghanischen Kräfte dann auch so zügig
wie möglich entscheiden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Jetzt springen wir,
wie wir vorhin vereinbart haben, zurück in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Gerd Müller zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 68 unserer Kollegin Cornelia Behm
auf:
Welche Schlussfolgerungen für die Agrarstrukturpolitik
zieht die Bundesregierung aus der von ihr in Auftrag gegebenen Studie des Thünen-Instituts, der zufolge der Einfluss von
Kapitalanlegern in der ostdeutschen Landwirtschaft gewachsen ist und voraussichtlich weiter wachsen wird, und mit welchen Mitteln will sie den negativen Aspekten dieser Entwicklung, wie zum Beispiel dem verstärkten Arbeitsplatzabbau
und den Spezialisierungstendenzen, die dem Ziel zuwiderlaufen, Stoff- und Produktionskreisläufe zu schließen, begegnen?
Herr Müller, ich bitte Sie, zu antworten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Entschuldigung, dass
ich eben einige Sekunden zu spät gekommen bin.
Frau Behm, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das
Thünen-Institut hat im Auftrag des BMELV und auf
Bitte der Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder den Entwurf eines internen Zwischenberichts der
Studie zu Ausmaß und Entwicklung des Erwerbs von
Kapitalanteilen durch nichtlandwirtschaftliche Investoren und landwirtschaftliche Unternehmen vorgelegt. Der
verschärfte Wettbewerb um Eigentum und Flächenbewirtschaftung ist ein allgemeiner Trend, an dem auch
viele erfolgreiche landwirtschaftliche Unternehmen teilnehmen.
In vielen Betrieben haben die Anteilskäufe positive
Effekte, bedeuten meist eine verstärkte Investitionstätigkeit, eine gestärkte Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung von Arbeitsplätzen. In anderen Betrieben kommt es
zu Spezialisierungstendenzen, beispielsweise im Biogasmarkt und bei der Fruchtveredelung, zu Rationalisierungen und auch zu einem Abbau von Arbeitskräften.
Im Hinblick auf mögliche Konsequenzen sind in diesem Fall insbesondere die Länder gefragt, denen in der
Föderalismusreform I im Jahr 2006 die Zuständigkeit für
das landwirtschaftliche Grundstücksverkehrsrecht übertragen wurde. Die Länder sind auch deshalb gefragt,
weil Ergebnisse der Studie belegen, wie unterschiedlich
die Situation auf dem Bodenmarkt in den einzelnen Regionen ist.
Das Ganze ist kompliziert, aber Sie, Frau Behm, haben es verstanden; denn Sie sind die Fachfrau dafür.
Frau Kollegin Behm hat die erste Nachfrage. Bitte
schön, Frau Kollegin Behm.
Im Zusammenhang mit dem Vorliegen dieser Studie
wurde darauf hingewiesen, dass das Agrarressort, also
Ihr Ressort, eine Bewertung dieser Entwicklung vermeidet und auf positive und negative Effekte, wie Sie sie gerade angeschnitten haben, verweist. Ich meine schon,
dass der Verweis auf die Zuständigkeit der Bundesländer
insofern nicht ausreicht, als Sie als zuständiges Ressort
durchaus eine Meinung dazu haben könnten. Ich finde,
Sie sollten zum Ausdruck bringen, was aus Ihrer Sicht
auf Landesebene sinnvollerweise umzusetzen wäre.
Es gibt ja das Grundstücksverkehrsgesetz, das Verpachtung und Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke
regelt. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung nicht
sinnvoll und notwendig, die grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigungspflicht auf die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen landwirtschaftlicher Unternehmen
auszuweiten? Bisher geht es ja immer nur um Grundstücke. Hier wäre jetzt die Frage: Kann man das Ganze auf
Gesellschaftsanteile ausweiten?
Frau Kollegin, diese Frage ist natürlich interessant.
Ich muss Sie noch einmal darauf verweisen, dass wir es
hier eben mit der Gesetzgebungskompetenz der Länder
für den landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr zu tun
haben. Im Föderalismus wäre vieles zwar wünschenswert - etwa die Stärkung der Bundeskompetenz -, aber
so ist das nun einmal.
Wir haben uns - das möchte ich Ihnen gerne zur
Kenntnis geben; vielleicht haben Sie es noch nicht erfahren - auf der Amtschef- und Agrarministerkonferenz
vom 10. bis 12. April 2013 in Berchtesgaden zusammen
mit den Bundesländern mit diesem Thema sehr ausführlich beschäftigt. Es gibt dazu einen umfassenden Bericht. Darin wird unter anderem auf die Positionierung
der Länder eingegangen. Das ist ein Thema, das wir mit
den Ländern besprechen müssten.
Frau Kollegin Behm, Sie haben die Möglichkeit, eine
zweite Nachfrage zu stellen.
Ich gebe zu, es ist so, dass das Grundstücksverkehrsrecht in die Hoheit der Länder übergegangen ist. Es wird
leider viel zu wenig angewendet. Aber die Bundesregierung hat ja immerhin über die Privatisierungsgrundsätze
mit der Hoheit über die BVVG-Privatisierungstätigkeit
ein gewisses Aktionsfeld, mit dem sie immer noch Einfluss auf die Entwicklung der Agrarstrukturen, zumindest in Ostdeutschland, nehmen kann. Sie hat damit die
Möglichkeit, diskriminierungsfreie Regelungen zum Direkterwerb und zu den Ausschreibungen zu schaffen und
dafür zu sorgen, dass vor allem kleine Betriebe, die für
Kapitalanleger weniger interessant sind, bei den Ausschreibungen zum Zuge kommen, zum Beispiel durch
kleinere Losgrößen, aber auch dadurch, dass man die
Höchstgrenze für den Erwerb von BVVG-Flächen reduziert.
Meine Fraktion hat ja entsprechende Vorschläge gemacht; einiges davon ist auch mit den Ländern diskutiert
worden. Da würde ich gerne wissen, wie der Stand der
Abstimmung mit den Ländern in Bezug auf den Vorschlag ist, die Losgrößen herabzusetzen, und was die
Bundesregierung von dem Vorschlag hält, für den Erwerb von BVVG-Flächen eine Obergrenze - zum Beispiel 100 Hektar - über alle Verkaufsarten hinweg einzuführen.
Das war jetzt natürlich eine sehr differenzierte Frage
zum Verfahren der über die BVVG geregelten Vergabe.
Dies nehme ich gerne mit, Frau Behm, um Ihnen schriftlich differenziert zu antworten; denn dazu ist es notwendig, dass entsprechende Rückfragen gestellt werden. Ich
sehe Ihr Anliegen, das auch unser Anliegen ist, dass wir
vor Ort, insbesondere in den ostdeutschen Ländern, bei
Grund und Boden - Grund und Boden ist nach wie vor
attraktiv - nicht zu einer kompletten Loslösung der Investoren aus den Regionen dadurch kommen, dass sich
hier private Kapitalgesellschaften in großem Stile in den
Bodenerwerb einschalten. Dies ist ebenso Ihr Ziel wie
unser Ziel. Ich nehme dies also gern mit und gebe Ihnen,
so Sie einverstanden sind, einen differenzierten schriftlichen Bericht auf die doch sehr detaillierte Frage, zu der
ich aus dem Stand heraus nicht sagen kann, wie die
BVVG dies nun im Einzelnen handhabt.
({0})
Vielen Dank, Frau Behm und Herr Staatssekretär
Dr. Müller.
Die Fragen 72 und 73 des Kollegen Dr. Ernst Dieter
Rossmann aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden
schriftlich beantwortet, sodass wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit kommen. Die Parlamentarische Staatssekretärin Annette
Widmann-Mauz steht zur Beantwortung der Fragen zur
Verfügung.
Die Fragen 74 und 75 der Kollegin Dr. Martina
Bunge werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen daher nun zur Frage 76 der Kollegin
Elisabeth Scharfenberg:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Reaktion des Bundesministeriums für Gesundheit auf die Kritik der Stiftung
Warentest, dass für eine vollständige Absicherung im Pflegefall der Pflege-Bahr ({0}) mit einer unVizepräsident Eduard Oswald
geförderten Pflegetagegeldversicherung ergänzt werden
sollte, nachdem der Pflege-Bahr doch eigentlich gerade Menschen mit geringem Einkommen oder mit Vorerkrankungen,
die keine zusätzliche ungeförderte Pflegetagegeldversicherung abschließen können, den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung ermöglichen sollte, und warum sollten Menschen, die sich ungeförderte Pflegezusatzversicherungen
leisten können, den in allen Belangen ungünstigeren PflegeBahr abschließen?
Ich bitte Sie, Frau Staatssekretärin, diese Fragen zu
beantworten.
Herr Präsident! Frau Kollegin Scharfenberg, die Bundesregierung widerspricht der in Ihrer Frage angeführten
Einschätzung zur geförderten Pflegevorsorge im Verhältnis zu ungeförderten Pflegezusatzversicherungen
ausdrücklich. Das Ziel der Bundesregierung bei der
staatlich geförderten Pflegevorsorge ist es, den Einstieg
in die private Vorsorge zu fördern. Die staatlich geförderte Pflegevorsorge leistet damit einen wichtigen
Beitrag insbesondere dazu, die Finanzierungslücke zwischen zukünftigen Pflegekosten und den Pflegeleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zu reduzieren.
Dies kann insbesondere auch Menschen mit Vorerkrankungen oder Menschen mit unterdurchschnittlichem
Einkommen helfen, im Pflegefall eine größere Freiheit
zu haben, um zu entscheiden, wie sie gepflegt werden
wollen.
Darüber hinaus sehen die gesetzlichen Regelungen,
denen geförderte Produkte dann auch genügen müssen,
zahlreiche Vorteile gegenüber ungeförderten Produkten
vor, zum Beispiel niedrigere Verwaltungs- und Abschlusskosten oder Regelungen zur Ruhendstellung im
Falle von finanzieller Hilfebedürftigkeit.
Wer darüber hinaus eine vollständige Deckung der Finanzierungslücke wünscht, der sollte sich sicherlich verschiedene Angebote einholen und auch prüfen, welche
Absicherung im jeweiligen Einzelfall das beste PreisLeistungs-Niveau bietet. In vielen Fällen wird es sicher
eine Kombination aus geförderter und ungeförderter
Pflegezusatzversicherung sein.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Sieht denn die
Bundesregierung die Gefahr, dass sich im Pflege-Bahr
- Sie haben es ja eben kurz erwähnt - nur die schlechten
Risiken - ich meine mit schlechten Risiken die Menschen, die chronisch krank sind - sammeln und dass die
Beiträge daraufhin entsprechend stark ansteigen müssten?
Frau Kollegin Scharfenberg, nein, diese Befürchtung
sehen wir nicht. Wir sehen, dass im Moment in der privaten Pflegeversicherungswirtschaft in der Regel ungeförderte Pflegeprodukte nur noch in Kombination mit
der geförderten Vorsorge angeboten werden und damit
eine Risikodurchmischung gegeben sein wird. Deshalb
teilen wir diese Befürchtungen nicht.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg.
Wie will denn die Bundesregierung der Gefahr stark
steigender Beiträge im Pflege-Bahr konkret begegnen?
Frau Kollegin Scharfenberg, bereits die gesetzlichen
Regelungen sehen Maßnahmen vor, die den Anstieg der
Beiträge dämpfen. Insbesondere die Begrenzung der Abschluss- und Vermittlungskosten sind hier zu nennen, die
zu einer günstigeren Kostenentwicklung von geförderten
Produkten gegenüber nichtgeförderten Produkten führen.
Jetzt hat unsere Kollegin Cornelia Behm eine Nachfrage. Bitte.
Frau Staatssekretärin, glaubt die Bundesregierung,
dass die Förderung von 5 Euro im Monat beim PflegeBahr, der zumeist ohnehin schon wesentlich höhere Tarife als ungeförderte Pflegezusatzversicherungen hat und
dessen Tarife voraussichtlich weiter steigen werden,
wirklich einen Anreiz bietet, eine solche Versicherung
abzuschließen? Soll die Förderung von 5 Euro im Monat
die Risiken des Kontrahierungszwangs ausgleichen?
Frau Kollegin Behm, 5 Euro bei einem Mindesteigenbeitrag von 10 Euro für eine gesetzlich geförderte private Pflegevorsorge machen insbesondere in den Bereichen, in denen das vereinbarte Leistungsvolumen dem
gesetzlichen Minimum entspricht, bis zu 30 Prozent des
eigentlichen Beitrages aus. Das ist eine erhebliche Erleichterung, insbesondere für Geringverdiener, um in
eine private Pflegevorsorge einzusteigen. Deshalb halten
wir dies angesichts der Tatsache, dass viele Menschen
aufgrund von Vorerkrankungen oder erhöhtem Risiko
keinen Vertrag über ein nichtgefördertes Vorsorgeprodukt abschließen können, weil die Versicherungen sie
ablehnen, für ein wirklich gutes Angebot, den Einstieg
zur Deckung von Lücken im Alter frühzeitig zu beginnen.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Vizepräsident Eduard Oswald
Wir kommen jetzt zur Frage 77, ebenfalls unserer
Kollegin Elisabeth Scharfenberg:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Hinweis der Stiftung
Warentest, dass die Beiträge zum Pflege-Bahr, die ja auch bei
Pflegebedürftigkeit weitergezahlt werden müssen, bei ungünstiger Beitragsentwicklung und fehlender Leistungsdynamisierung im Extremfall die im Pflegefall ausgezahlten Leistungen,
etwa in der Pflegestufe 0 oder I, sogar übersteigen können, und
gedenkt die Bundesregierung, als Konsequenz daraus die Beitragszahlung im Pflegefall als Kriterium für die Gewährung der
staatlichen Förderung abzuschaffen?
Ich darf Sie um die Beantwortung bitten.
Frau Kollegin Scharfenberg, die Aussagen der Stiftung Warentest zu den Risiken der Beitragsentwicklung
werden von uns nicht geteilt. Da die Versicherungsunternehmen ungeförderte Pflegetagegeldversicherungen vornehmlich in Kombination mit geförderten Pflegezusatzversicherungen anbieten, ist vielmehr damit zu rechnen,
dass sich die für die Beitragskalkulation maßgebliche
Risikostruktur der Versicherten von geförderten Zusatzversicherungen mit zunehmender Fallzahl immer weiter
an jene von ungeförderten Zusatzversicherungen angleichen wird.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine Beitragsfreiheit im Leistungsfall durch entsprechend höhere Prämien vorfinanziert werden müsste. Der Beitrag ist zudem, gemessen am Leistungsanspruch im Leistungsfall,
in aller Regel geringfügig. Schließlich steht es den Versicherten frei, Verträge mit einer Dynamisierung des Leistungsanspruchs zu vereinbaren.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg.
Meine erste Nachfrage bezieht sich auf die Beitragsweiterzahlung nach dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit.
Warum hat die Bundesregierung denn genau das zum
Kriterium gemacht? Es gibt auch ungeförderte Verträge,
bei denen die Beitragszahlung nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit endet.
Sehr geehrte Frau Kollegin Scharfenberg, zunächst
einmal möchte ich bemerken, dass sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten sozialen Pflegeversicherung die Beiträge bei Leistungsbezug weiter entrichtet
werden. Ich denke, auch das gehört in diesen Kontext
mit hinein. Im Vergleich zu nicht geförderten Produkten
ergibt sich hier keine generelle Schlechterstellung, sondern wir haben auch hier eine Analogie.
Es ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Frage der
Prämiengestaltung natürlich immer an den Leistungen
oder den geringen Beitragseinnahmen bemessen muss.
Somit führt diese Regelung zu einem ausgewogenen
Verhältnis zu den vorhandenen gesetzlichen wie privaten
Vorsorgeprodukten.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Elisabeth
Scharfenberg.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die steigenden Beiträge, mit denen zu rechnen ist. Plant denn die
Bundesregierung, die Förderung zu dynamisieren, um
steigende Beiträge aufzufangen?
Frau Kollegin Scharfenberg, wie ich Ihnen auf eine
der vorangegangenen Fragen bereits geantwortet habe,
teilen wir die Befürchtung der Beitragssatzentwicklung
so nicht. Im Übrigen steht es den Vertragspartnern frei,
auch eine Dynamisierung abzusichern und dies vertraglich zu vereinbaren.
Die Frau Kollegin Cornelia Behm hat noch eine
Nachfrage. - Bitte schön, Frau Kollegin.
Ich würde gerne wissen, Frau Staatssekretärin, ob die
Bundesregierung plant, die Grundsicherung im Alter dahin gehend weiterzuentwickeln, dass sie auch die Weiterzahlung der Beiträge zum Pflege-Bahr ermöglicht.
Frau Kollegin Behm, auch dazu gilt: Wir haben in anderen sozialen Sicherungssystemen der Pflegeabsicherung bisher keine Weiterzahlung der Prämien bzw. Beiträge bei Leistungsbezug vorgesehen. Diskussionen
darüber, in der geförderten Pflegevorsorge eine Weiterzahlung der Prämien bzw. Beiträge vorzusehen, finden
in der Bundesregierung derzeit nicht statt.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 78 und 79 der Kollegin Maria KleinSchmeink und die Frage 80 des Kollegen Dr. Ilja Seifert
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Die Frage 81 des Kollegen Dr. Ilja Seifert, die Fragen 82
und 83 der Kollegin Bettina Herlitzius, die Fragen 84
und 85 des Kollegen Gustav Herzog und die Fragen 86
und 87 des Kollegen Herbert Behrens werden schriftlich
beantwortet. Somit sind wir am Ende unserer Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15.35 Uhr. Dann fahren wir mit der Aktuellen Stunde fort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen unsere
unterbrochene Sitzung fort.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Große Vermögen durch Neuverhandlung des
deutsch-schweizerischen Steuerabkommens
sowie durch eine Vermögensabgabe heranziehen
Erster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege
Dr. Thomas Gambke. Bitte schön, Kollege Dr. Thomas
Gambke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Wir Grünen haben zum
Thema „Steuerabkommen, Steuerhinterziehung“ heute
eine Aktuelle Stunde beantragt, weil durch die aktuell
bekannten Fälle oder besser durch den aktuell bekannten
Fall eines deutlich wird: Um wirksam Steuerhinterziehung zu bekämpfen, brauchen wir Transparenz und nicht
eine anonyme Abgeltungsteuer.
({0})
Jetzt ist der Weg frei für automatischen Informationsaustausch.
Der Koalition wird in diesen Tagen noch einmal klar
vor Augen geführt, in welches Desaster wir hineingerutscht wären, wenn wir uns für die Anonymität entschieden hätten. Sie versuchen, mit Halbwahrheiten, mit
Verdrehungen, teilweise mit Falschaussagen Ihre Position zu untermauern. Ich finde das unerträglich.
({1})
Sie haben zum Beispiel gesagt, es gäbe keinen Anstieg bei den Selbstanzeigen. Ich lese im Handelsblatt,
dass die Zahl der Selbstanzeigen sehr deutlich gestiegen
ist. Es gibt 3 356 Selbstanzeigen in den großen Bundesländern. Das zeigt doch auch, wie wichtig im Moment
das Instrument des Ankaufs der CDs ist: weil es den notwendigen Druck ausübt, zur Selbstanzeige zu greifen.
({2})
Uli Hoeneß war nicht der einzige Vermögende, der
offenbar berechnend darauf gebaut hat, bei dem kuscheligen Steuerabkommen in die Anonymität abgleiten zu
können. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen
und Kollegen: Zocken darf sich nicht lohnen!
({3})
Wir wollen Brücken bauen für die Menschen, die in
die Steuerehrlichkeit zurück wollen. Die strafbefreiende
Selbstanzeige ist ein richtiges Instrument. Voraussetzung
muss aber Transparenz sein.
Erinnern wir uns doch noch einmal an die Beratungen
im Finanzausschuss. Wir hatten 23 Sachverständige geladen. Zugegeben, 4 haben sich für das Steuerabkommen
ausgesprochen: Das war ein deutscher Steuerberater, das
war der Staatssekretär des Schweizer Finanzministeriums, das war ein Vertreter der UBS, und das war ein
Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung.
({4})
Liebe Koalition, wenn man sich bei den Schweizern
unterhakt, ist es kein Wunder, dass man dort die Zustimmung zu diesem Steuerabkommen bekommt.
({5})
Wir standen damals vor einer Weggabelung: entweder
Verbleiben in der Anonymität oder Schaffung von
Transparenz mit einem Abkommen, wie es übrigens die
Amerikaner schon im Mai davor unterzeichnet hatten.
Das ist das sogenannte FATCA - Foreign Account Tax
Compliance Act. Sie haben das ignoriert. Was haben wir
erlebt, als wir vor etwas mehr als einem dreiviertel Jahr
zusammen mit dem Finanzausschuss in Luxemburg waren? Damals sagte uns der luxemburgische Finanzminister Frieden: „Unter dem Eindruck des Steuerabkommens
mit der Schweiz sind wir nicht bereit, dem automatischen Informationsaustausch zuzustimmen.“ Das ist
doch die Wahrheit gewesen.
({6})
Österreich hat sich damals in gleicher Art und Weise geäußert.
Was sagt Herr Frieden jetzt, nach dem Scheitern,
nachdem der Bundesrat widersprochen hatte? - Er sagt,
er werde der EU-Zinsrichtlinie zustimmen. Ich will es an
dieser Stelle noch einmal deutlich sagen - ich habe das
in allen meinen Reden so gesagt -: Ich erinnere mich an
die Herren der Koalition - ich erinnere mich an Sie, Herr
Schäuble -, die immer die Verbindung zwischen dem
Steuerabkommen mit der Schweiz und den Maßnahmen,
die innerhalb der EU und auch der USA unternommen
wurden, also EU-Zinsrichtlinie und dem FATCAAbkommen, bestritten haben. Es ist doch jetzt deutlich
geworden, dass diese Verbindung bestand; denn jetzt hat
geradezu ein Dammbruch in Richtung eines automatischen Informationsaustauschs stattgefunden, und das
haben wir denjenigen zu verdanken, die in den Bundesländern die richtige Entscheidung getroffen haben.
({7})
Ich fordere Sie auf: Kommen Sie zur Vernunft
zurück! Es ist doch eine alte Regel - und ich bin nicht
ganz unerfahren in der Sache -: Transparenz ist eine
unabdingbare Voraussetzung für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Das ist doch der Grundsatz, an dem wir uns
orientieren müssen.
({8})
Sie haben für einen Judaslohn von 1,6 Milliarden
Euro - nicht 2 Milliarden Euro, es werden immer
Franken und Euro verwechselt; es waren auch nicht
10 Milliarden Euro, das ist eine nie bestätigte Summe versucht, die Steuerehrlichen zu verraten. Das ist unerträglich;
({9})
denn was wir brauchen, ist Transparenz. Wir brauchen
den Informationsaustausch, wir brauchen auch die
länderbezogenen Offenlegungspflichten, Country by
Country Reporting.
({10})
Auch das wurde von Ihnen abgelehnt. Ich bin froh, dass
uns jetzt noch einmal so deutlich vor Augen geführt
wurde, wie wichtig die Ablehnung im Dezember letzten
Jahres war.
Vielen Dank.
({11})
Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist
unser Kollege Dr. Hans Michelbach.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat in den vergangenen Tagen einen
bedauerlichen steuerrechtlichen Fall benutzt, um ihre gefährliche Polemik gegen die sogenannten Reichen zu
verschärfen, ihre maßlosen Steuer- und Abgabenpläne
zu rechtfertigen
({0})
und ihre verantwortungslose Blockade zum Steuerabkommen mit der Schweiz zu verschleiern. Keinen anderen Zweck hat diese Aktuelle Stunde.
({1})
Mit Ihrer schäbigen Schmutzkampagne
({2})
überziehen Sie wieder einmal aus wahltaktischen Gründen. Das muss ich Ihnen sagen. Herr Steinmeier und
Herr Pronold haben von CSU-Steuerhinterziehern gesprochen. Das ist schäbig, dreist und unverschämt.
({3})
Herr Hoeneß ist weder CSU-Mitglied, noch hat er der
CSU etwas gespendet.
({4})
Das hätten Sie der Bundestagsdrucksache jederzeit entnehmen können. Aber Sie setzen das Gegenteil in Umlauf und verhalten sich nach dem Motto: Es wird schon
etwas hängen bleiben. - Deswegen, meine Damen und
Herren von der Opposition: Das lassen wir Ihnen nicht
mehr durchgehen. Das können wir nicht akzeptieren.
({5})
Es gab und gibt derzeit zum Steuerabkommen mit der
Schweiz keine Alternative,
({6})
um die jährlichen Verjährungen von Steuerhinterziehung
zu unterbinden. Wir legalisieren keine Steuerhinterziehung. Minister Schäuble hat seine Verhandlungsspielräume bis an den Rand ausgeschöpft und ist sogar darüber hinausgegangen. Er hat letzten Endes das Ergebnis
erreicht, das machbar war. Es gibt weitere Initiativen von
Minister Schäuble auf EU-Ebene und auf G-20-Ebene;
mit der OECD werden weitere Maßnahmen verschärft.
Das sollten Sie einmal anerkennen.
({7})
Zur Wahrheit gehört auch: Rot-Grün hat unter Bundesfinanzminister Eichel mit einer Steueramnestie
durchaus zweifelhafte Angebote an Steuerhinterzieher
zu verantworten. Darüber sprechen Sie heute gar nicht
mehr. Dagegen wollten wir mit dem Abkommen mit der
Schweiz Vermögen bis zu 41 Prozent besteuern. Das
trägt zur Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit für
alle bei, und zwar lückenlos. Ihre CDs bieten keinen
lückenlosen Zugriff auf Steuerpflichtige. Das ist der
Unterschied, den Sie anerkennen sollten.
Bei einer strafbefreienden Selbstanzeige gilt in Deutschland im Übrigen auch das Steuergeheimnis, und da gilt
selbstverständlich auch die Anonymität.
({8})
Sie sagen, wir wollten Anonymität gewähren. Dazu sage
ich Ihnen: Diese ist bei dem Steuergeheimnis selbstverständlich gegeben. Deswegen sollten Sie den Menschen
wirklich sagen, was Sache ist.
Unabhängig davon hat diese Koalition mit dem
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz die Anforderungen für
die strafbefreiende Selbstanzeige wesentlich verschärft
und über 40 Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Das war bisher noch nie der Fall. Diese Koalition ist
im Bereich der Bekämpfung der Steuerhinterziehung so
erfolgreich wie noch keine Koalition vorher, meine Damen und Herren.
({9})
Unser generelles Ziel ist der automatische Informationsaustausch mit allen Ländern. Bis dahin gilt: Die
Blockade des ersten Steuerabkommens mit der Schweiz
bleibt falsch, weil das letzten Endes der erste Schritt in
die richtige Richtung gewesen wäre.
({10})
Das wissen Sie von den Grünen und der SPD genau.
Ihre Aufgeregtheit - das sage ich Ihnen ganz deutlich hat einen ganz anderen Grund, meine Damen und Herren
von der Opposition:
({11})
Sie müssen ablenken, ablenken vom eigenen Versagen;
denn außer hohlen Sprüchen und Klassenkampf haben
Sie im Bereich der Bekämpfung der Steuerhinterziehung
nichts zu bieten, aber auch gar nichts.
({12})
Die Regelung der Besteuerungsfragen zwischen
Deutschland und der Schweiz unter Rot-Grün: Fehlanzeige, nichts, aber auch gar nichts! Der Bundesfinanzminister Steinbrück hatte beim Thema „Steuerabkommen
mit der Schweiz“ ein totales Handlungsdefizit. Sein
Credo „Kavallerie statt Diplomatie“ war die Blendgranate, die er letzten Endes zu verantworten hat. Nichts außer Verhärtungen, Drohungen, Verzögerungen und damit
mehr Steuerhinterziehung bei täglich neuen Verjährungen ist übrig geblieben.
({13})
Das heißt, Sie haben 10 Milliarden Euro Einnahmen für
den Fiskus unterschlagen.
({14})
Das ist Untreue gegenüber dem deutschen Steuerzahler,
meine Damen und Herren!
({15})
Deswegen: Spucken Sie keine großen Töne und machen
Sie nicht den dicken Max so wie Ihr Herr Steinbrück!
Wenn es um Erfolgsarbeit geht, ist der Mann schneller
verschwunden, als wir gucken können.
Das, was der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang
Schäuble verhandelt hat, ist der richtige Weg:
({16})
Schritt für Schritt in die richtige Richtung. Schließen Sie
sich dieser Richtung an, meine Damen und Herren!
({17})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist unser
Kollege Thomas Oppermann für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Kollege Thomas Oppermann.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Herr Michelbach, Ihre Rede zeigt mir, dass Sie von dem,
was wir im Augenblick in Deutschland erleben, ganz
schwer getroffen sind.
({0})
Sie haben in Ihrer Rede immer noch dem Steuerabkommen mit der Schweiz nachgetrauert.
({1})
Das zeigt mir, dass Sie den Ernst der Lage noch gar nicht
begriffen haben.
({2})
Natürlich haben wir einen immensen finanziellen
Schaden für unseren Staat durch Steuerhinterziehung;
({3})
aber noch größer als der finanzielle Schaden ist doch im
Augenblick der Vertrauensschaden für unseren demokratischen Rechtsstaat, meine Damen und Herren.
({4})
Normale Leute zahlen Steuern, bevor sie ihren Lohnzettel gesehen haben. Was sollen die denn denken, wenn
sie jetzt sehen, wie leicht es in Deutschland Millionären
gemacht wird, einen Teil ihres Vermögens in Steueroasen vor den Finanzämtern zu verstecken?
({5})
Dazu haben sie gar keine Chance.
({6})
Die millionenschwere grenzüberschreitende Steuerhinterziehung ist eine spezifische Form der Oberschichtenkriminalität, und die muss in Deutschland genauso
hart und genauso unnachgiebig verfolgt werden wie jede
andere Kriminalität auch.
({7})
Aber das ist ganz offenkundig nicht der Fall. In Bayern
fehlen Hunderte Beamte für die Betriebsprüfungen und
für die Steuerfahndung.
({8})
Das ist doch kein entschlossen handelnder Rechtsstaat;
({9})
das grenzt eher oder fast schon an augenzwinkernde
Kumpanei mit Steuerkriminellen, meine Damen und
Herren.
({10})
Und wo ist eigentlich die „Law and Order“-Abteilung
von der CSU, die immer dann auf den Plan tritt, wenn es
darum geht, den Staat mit schweren Geschützen auszustatten und Kriminalität zu bekämpfen? Ich höre gar
nichts von ihr. Ganz offenkundig messen Sie mit zweierlei Maß.
({11})
In welchem Licht erscheint heute das deutsch-schweizerische Steuerabkommen? Das, was Sie, Herr Schäuble,
ausgehandelt haben, war ganz offenkundig auch dafür
gedacht, dass Leute wie Uli Hoeneß nicht öffentlich zur
Verantwortung gezogen werden sollen. Sie wollten eine
die persönliche Reputation von Steuerhinterziehern
schonende Legalisierung von schweren Straftaten.
({12})
Sie wollten, dass diese Menschen weiter als Ehrenmänner in der Mitte unserer Gesellschaft leben können. Sie
wollten diese Menschen nicht stören bei dem, was sie
gemacht haben. Damit offenbaren Sie ein gestörtes Verhältnis zu den Grundwerten unserer Gesellschaft.
({13})
Der wichtigste Grundwert in einem demokratischen
Rechtsstaat ist die Gleichbehandlung aller Menschen vor
dem Gesetz. Da darf kein Unterschied gemacht werden.
({14})
Herr Schäuble, bei allem Respekt, den ich persönlich
für Ihre Verdienste habe, die Sie für unser Land erworben haben:
({15})
In dieser Frage haben Sie nicht die richtige Staatsauffassung.
({16})
Jedes demokratische Gemeinwesen ist existenziell darauf angewiesen, dass die Bürger die geschuldeten Steuern bezahlen. Das ist eine Frage der Staatsräson. Ich
nenne Ihnen einmal die Staatsräson, die die amerikanischen Kollegen von Dr. Schäuble haben. Die US-Staatsräson besagt: Kein Staat auf der Welt, auch keine Bank
im Hoheitsgebiet eines fremden Staates irgendwo auf
der Welt hat das Recht, US-Steuerbürgern dabei zu helfen, die Steuern zu hinterziehen. - Das ist die Staatsräson eines demokratischen Staates, meine Damen und
Herren. Wenn Sie, Herr Schäuble, diese Staatsräson zugrunde gelegt hätten, dann hätten Sie ebenso wie die
Amerikaner Auskunftsansprüche gegenüber Schweizer
Banken durchsetzen können und nicht so ein jämmerliches Steuerabkommen, das nur dazu führt, dass Steuerhinterzieher geschont werden. Das ist die Wahrheit.
({17})
Die Schonzeiten sind vorbei. Wir brauchen eine härtere Gangart bei Steuerhinterziehung in Deutschland.
({18})
Wir wollen eine bundesweit mit den Ländern abgestimmte Steuerfahndung. Wir wollen die Steuerfahndung
internationalisieren, sodass wir auch international ermitteln können, was bisher völlig unzureichend ist. Wir
wollen den automatischen Informationsaustausch mit
Banken in aller Welt und werden ihn politisch durchsetzen. Wir wollen scharfe Sanktionen gegen Banken, die
Steuerhinterziehern behilflich sind. Wir wollen - Herr
Michelbach, hier können wir schnell zusammenkommen, wenn Sie meinen, dass wegen des gescheiterten
Steuerabkommens mit der Schweiz viel Geld verloren
geht - im nächsten Monat die Verlängerung der Verjährung für Steuerhinterzieher, die dem Bundesrat vorgelegt
wird, auch hier beschließen. Dann besteht überhaupt
keine Gefahr, dass irgendwelches Geld verloren geht.
({19})
Wenn wir eine effektive Bekämpfung der Steuerhinterziehung in Deutschland durchgesetzt haben, wenn der
Staat den Steueranspruch und den Strafanspruch bei
Steuerhinterziehern durchsetzen kann, dann werden Vorschriften wie die strafbefreiende Selbstanzeige keine
Rolle mehr spielen. Dafür werden wir sorgen. Dann
brauchen wir keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({20})
Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist unser
Kollege Dr. Volker Wissing. Bitte schön, Kollege
Dr. Volker Wissing.
({0})
Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege
Oppermann, es ist richtig: Es ist erschütternd zu sehen,
wie Menschen, die Vorbilder unserer Gesellschaft sein
wollen, ganz offensichtlich das Recht brechen, für sich
Sonderrechte reklamieren und ihrer Pflicht als Bürgerin
und Bürger nicht nachkommen, ihre Steuern an den Staat
zu zahlen. Wenn das von Persönlichkeiten in besonders
umfangreichem Maße geschieht, die man für integer gehalten hat, die auch Ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
als Berater hinzugezogen hat, dann ist das ein erheblicher Vertrauensbruch. Da haben Sie recht. Aber, Herr
Kollege Oppermann, dieses Vertrauen in unseren Staat
wiederherzustellen, ist eine gemeinsame Aufgabe, die
wir alle haben.
({0})
Das, was Sie gerade abgeliefert haben, war das Verbreiten bewusster Unwahrheiten wider besseres Wissen,
Herr Kollege Oppermann. Das befördert das Misstrauen
in den Staat und führt nicht dazu, dass Vertrauen wiederhergestellt wird.
({1})
Sie haben eben hier an diesem Mikrofon der Öffentlichkeit erklärt, wir könnten im Bundestag Verjährungsfristen für begangene Straftaten rückwirkend verlängern.
Das, Herr Kollege Oppermann - Sie wissen es ganz genau -, ist mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland nicht vereinbar, und deswegen ist das auch
nicht möglich.
({2})
Man sollte den Bürgerinnen und Bürger in dieser
schwierigen Situation nicht auch noch solche kindischen
Ammenmärchen aufbinden.
({3})
Sie sind nicht der Einzige in der SPD, der hier Unsinn
verbreitet. Der Kollege Poß - er ist bei den Sozialdemokraten der neue Mann fürs Grobe - erklärt der Öffentlichkeit, man könne die strafbefreiende Selbstanzeige
mal eben einfach abschaffen.
({4})
Herr Steinbrück sagte kurze Zeit danach - er hat als
Finanzminister eine gewisse Erfahrung -, es wäre vielleicht doch klüger, das Ganze beizubehalten.
({5})
Dann kommt der Kollege Oppermann und versucht, eine
Brücke zwischen Ja und Nein zu bauen, indem er sagt:
Mittelfristig kann man ja mal überlegen, ob man es infrage stellt.
Die Wahrheit ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nach dem Steuerrecht gibt es eine Mitwirkungspflicht der Bürgerinnen und Bürger. Demnach muss der
Bürger dem Staat gegenüber die Wahrheit sagen und sich
offenbaren. Ansonsten kann man die Besteuerungsgrundlage nicht ermitteln. Gleichzeitig haben wir in unserem Rechtssystem seit 1848,
({6})
als die Inquisition abgeschafft worden ist, den Grundsatz
„Nemo tenetur“: Niemand muss sich selbst belasten,
wenn er eine Straftat begangen hat. Diese Lücke wird
durch die strafbefreiende Selbstanzeige geschlossen.
Deswegen ist es doch Unsinn, gegenüber der Öffentlichkeit so zu tun, als wäre das überflüssig, als bräuchte man
so etwas nicht. Ein Bürger, der eine Steuerhinterziehung
begangen hat, muss jederzeit die Brücke zur Ehrlichkeit
nutzen können, um seiner Verpflichtung zur Mitwirkung
nach dem Steuerrecht, der Wahrheitspflicht, nachkommen zu können. Deswegen ist das ein sinnvolles Instrument. Bleiben Sie doch sachlich!
({7})
Wir haben ein ernsthaftes Problem zu lösen. Sie entsachlichen die gesamte Debatte.
({8})
Darüber hinaus erzählen Sie, man könnte bei diesem
Steuerabkommen mit der Schweiz nachverhandeln. Gegenüber der Öffentlichkeit tun die Grünen genau wie Sie
von der SPD so, als sei die Anonymität der Altfälle der
Fehler dieses Abkommens.
({9})
Die Schweiz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat an
dieser Stelle den gleichen Verfassungsgrundsatz wie die
Bundesrepublik Deutschland: Man kann Gesetze nicht
rückwirkend ändern. Die Schweiz hat in der Vergangenheit Anonymität zugesichert. Die Schweiz kann die
Anonymität nicht rückwirkend aufheben.
({10})
Deswegen kann man das auch nicht nachverhandeln. Sie
können doch der Öffentlichkeit nicht ernsthaft erklären,
man solle mit der Schweiz so lange verhandeln, bis dieser Staat seine Verfassung bricht. Ja, was ist denn das für
eine Rechtsauffassung?
({11})
Wie wollen Sie denn mit solch einer Politik das Vertrauen in den Staat zurückgewinnen?
Das ausgehandelte Abkommen war lückenlos: Jeder
Steuerhinterzieher, auch die Altfälle, wäre erfasst und
- es geht niemals anders - mit einer pauschalen Abgeltung belegt worden. Deswegen war das Abkommen richtig. Das Abkommen wäre ein Magnet gewesen, der alle
Nadeln auf einmal aus dem Heuhaufen herausgezogen
hätte. Sie suchen jetzt mit Steuer-CDs einzelne Nadeln
im Heuhaufen und freuen sich, wenn Sie eine gefunden
haben. Ich frage vor der Öffentlichkeit: Ist es nicht besser und auch gerechter, alle zu erfassen, damit keiner
entkommt und der Staat die Steuern insgesamt erhält?
({12})
Wir sind der Meinung: Es ist gerechter, alle zu besteuern
und nicht nur diejenigen, die man erwischt. Damit hätten
wir die Altfälle abgearbeitet.
Jetzt geht es um die Frage: Was ist denn mit der Zukunft? Dazu hat der Kollege Michelbach schon gesagt:
Ja, wir sind für den automatischen Informationsaustausch. Aber die Schweiz war zum damaligen Zeitpunkt
noch nicht so weit. Deswegen haben wir gesagt: Wir
wollen, dass die Kapitalertragsteuer in gleicher Höhe
wie in der Bundesrepublik Deutschland bei jedem abgezogen wird. Damit hätten wir in Zukunft in der Schweiz
genau die gleiche Besteuerung der Konten gehabt wie in
Deutschland.
({13})
Gerechter geht es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es war Ihr Fehler, dazu Nein zu sagen.
({14})
Schauen Sie, die Realität ist doch so: Auch bei der
strafbefreienden Selbstanzeige haben wir unter CDU/
CSU und FDP strengere Regeln, als Sie sie hatten.
({15})
Wir haben die Möglichkeiten, Straffreiheit zu erlangen,
auf das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß reduziert. Auf die Idee hätten auch Sie von der SPD kommen
können, als Sie mit den Grünen regiert haben, aber das
haben Sie nicht getan.
({16})
Wir haben unsere Aufgaben gemacht und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass bei der Besteuerung
100 Prozent Gerechtigkeit geschaffen wird.
({17})
Wir haben die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige auf das notwendige Minimum reduziert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünen haben
in diesem Zusammenhang eine Vermögensabgabe ins
Spiel gebracht - da besteht eigentlich überhaupt kein Zusammenhang -: Wenn Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland ihre Steuern bezahlt und etwas erspart haben, wenn sie für das Alter vorgesorgt haben, dann sollen sie mit einer Vermögensabgabe dafür büßen, dass andere Steuern hinterziehen. Das ist Ihre Logik, mit der Sie
in dieser Aktuellen Stunde argumentieren.
Herr Kollege, beachten Sie die Zeit.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Ich will
Ihnen kurz etwas vorlesen, was die Frage beantwortet,
wie sinnhaft Ihr Vorschlag ist: Eine solche Besteuerung
- Vermögensabgabe - hätte eine zusätzliche Belastung
der Wirtschaft zur Folge. Eine Besteuerung von Betriebsvermögen kann je nach konkreter Ausgestaltung
das Eigenkapital aufzehren und die Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens schmälern. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Substanzbesteuerung, wenn auch in
ertragsschwachen Wirtschaftsjahren von ertragsschwachen Unternehmen in Abhängigkeit vom Unternehmenswert eine solche Steuer bzw. Abgabe entrichtet werden
muss. - Das schreibt der Ministerpräsident von BadenWürttemberg, Herr Kretschmann, an den Parteivorsitzenden der Grünen. Dort, wo die Grünen noch richtig ticken, machen sie sich aufgrund der Politik, die Sie hier
vertreten, Sorgen um unser Land.
({0})
Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Dr. Barbara Höll. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Höll.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Wissing, Ihre pseudojuristischen Darlegungen können Sie sich sparen.
({0})
Wir müssen klar feststellen: Die strafbefreiende Selbstanzeige gab es schon 1919 in der Reichsabgabenordnung. Es ist ganz klar, dass das eine Besonderheit im
Strafrecht ist. Niemand, der in der Straßenbahn schwarz
fährt, seine 40 Euro Strafe bezahlt hat und nach dem
dritten Mal Erwischtwerden eine Strafanzeige am Hals
hat, kann hingehen und sagen: Ich bin bereit, 100, 200,
300 Euro zu zahlen; die Anzeige aber bitte lasst unter
den Tisch fallen.
({1})
Durch solche Bagatellfälle werden die Gerichte en gros
belastet. Auch dagegen müssten wir endlich einmal etwas tun.
({2})
Für den Bereich der Selbstanzeige gilt - das sagen Juristen; Herr Präsident, ich erlaube mir, Rechtsanwalt
Carsten Wegner zu zitieren -:
Die Selbstanzeige ist rein fiskalisch motiviert und
nebenher Folge eines nicht zu leugnenden behördlichen Ermittlungsnotstands.
({3})
Mit ihr will sich der Staat bislang unbekannte Steuerquellen erschließen und verzichtet im Gegenzug
auf seinen Strafanspruch …
({4})
Der vom Staat erstrebte finanzielle Zweck heiligt
die strafrechtlichen Mittel.
({5})
Das ist die Realität. Das ist der Kern der strafbefreienden
Selbstanzeige, und deshalb gehört sie abgeschafft, ohne
Wenn und Aber.
({6})
Schauen wir uns einmal das deutsch-schweizerische
Steuerabkommen an. Es wird immer gesagt, demjenigen, der Steuern umgeht, müsse unbedingt eine Brücke
in die Ehrlichkeit gebaut werden. An diesem Brückenbauen ist schon Herr Eichel gescheitert. Vom 1. Januar
2004 bis zum 31. März 2005 konnte man sich selbst anzeigen: Steueramnestie, Strafzahlung, und alles war
schön. Herr Eichel dachte, dass er 5 Milliarden Euro einnehmen wird; herausgekommen sind 1,39 Milliarden
Euro. Es ist gescheitert. Die Steuersünderinnen und -sünder - dieser Begriff klingt schon ein wenig beschwichtigend -, also diejenigen, die wirklich kriminell gehandelt
haben, haben einen Teufel darauf gegeben, diese Möglichkeit zu nutzen. Jetzt haben wir eine etwas andere Situation. Das hat sicher auch mit dem angebotenen Ankauf der Steuer-CDs zu tun. Nun können sich die
Steuersünder eben nicht mehr sicher sein, was passiert.
Es gab also Verhandlungen mit der Schweiz. Vor kurzem gab es auch ein Treffen der G-20-Staaten, und siehe
da: Selbst die Schweizer Finanzministerin, Frau Eveline
Widmer-Schlumpf, will sich jetzt dem automatischen
Datenaustausch anschließen. Meinen Sie denn, das hätte
die Schweizer Finanzministerin getan, wenn das Steuerabkommen abgeschlossen worden wäre? Mitnichten!
({7})
Sie hatten vorgeschlagen und wollten durchziehen,
dass die sogenannten Altfälle anonym bleiben. Nach Ihren Unterlagen hätten diese 21 bis 41 Prozent des nicht
versteuerten Geldes nachzahlen müssen. Ich verweise
auf den Berliner Steuerprofessor Frank Hechtner, der gesagt hat, dass wahrscheinlich 78 Prozent mit einer Nachzahlung von 21 Prozent davongekommen wären. Die
41 Prozent waren also eine totale Luftnummer.
({8})
Außerdem hätte die Nachzahlung durch die Schweizer
Banken erhoben werden sollen. So hätte keine deutsche
Finanzbehörde die Möglichkeit der Prüfung gehabt. Wo
sind wir hier denn? Wir haben die Hoheit.
({9})
Zudem sollte die Sache anonym bleiben. Es ging also
um ein Verschonen auf der ganzen Linie. Das wäre
nichts anderes als eine verkappte Großamnestie gewesen. Dem konnte Rot-Rot-Grün im Bundesrat nicht zustimmen, und das war richtig so.
({10})
Bei den Neufällen wollten Sie die Abgeltungsteuer
erheben. Dazu sage ich: Was gibt uns denn die Sicherheit, dass sie von den Schweizer Behörden richtig erhoben und abgeführt wird? Wir haben keine Sicherheit. Sie
wissen selbst, dass die Abgeltungsteuer eine schwierige
Angelegenheit ist. Die Abgeltungsteuer, die Sie unter
der Überschrift „Steuervereinfachung“ eingeführt haben,
hat mitnichten zur Steuervereinfachung beigetragen. Das
ist eine Verkomplizierung. Die Auslegung dieser Vorschrift füllt regelrecht Bände. Man kann Fehler machen;
aber das ist einfach nur Unsinn. Sie wollten das wieder
der Schweiz überlassen. Wir können diese Unkultur der
Steuerhinterziehung und Steuerumgehung nur beseitigen, wenn klar ist: Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern
eine Straftat, und die wird als Straftat verfolgt, und man
kann sich nicht einfach freikaufen.
Wir brauchen auf internationaler Ebene einen automatischen Informationsaustausch. Wir brauchen Maßnahmen und Druck, um sicherzustellen, dass die Staaten,
die sich auf dem Papier bereit erklärt haben, zu helfen,
auch tatsächlich mitwirken. Wir müssen uns auch die
Aktivitäten der deutschen Banken anschauen. Wir müssen zum Beispiel schauen, wie es mit den Niederlassungen der Deutschen Bank in Steueroasen aussieht.
Hier gibt es also viel zu tun. Ich freue mich auf die
Debatte am Freitag und auf Ihr Abstimmungsverhalten
zu unserem Antrag zur Bekämpfung von Steueroasen.
Danke.
({11})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist der
Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble.
Bitte schön, Kollege Dr. Wolfgang Schäuble.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es wäre überraschend gewesen, wenn die Opposition nicht einen beklagenswerten Einzelfall, der viele
Menschen in diesem Land enttäuscht, zum Anlass nehmen würde, eine polemische Debatte zu führen.
({0})
- Ich komme gleich darauf zu sprechen. Herr Kollege,
lassen Sie mich doch in aller Ruhe ein paar Sätze dazu
sagen. Es wurde gesagt, die Öffentlichkeit sei sehr besorgt über die Entwicklung. Deswegen ist es doch gut,
wenn wir sachlich darüber reden, wie die Situation ist,
was wir machen können und was wir gemacht haben.
({1})
- Herr Kollege Poß, hier hat jeder, auch Sie, die Chance,
vorzutragen, was er vortragen möchte; jetzt habe ich die
Möglichkeit dazu. Vielen Dank.
Ich möchte in aller Klarheit sagen: Wir können diese
schwierigen Fälle nur auf der Grundlage geltenden
Rechts aufarbeiten. Das geltende Recht kann man ändern. Wenn Sie die rechtliche Grundlage der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht ändern wollen, ändern Sie das. Rot-Grün hat das aus Versehen Anfang des
vergangenen Jahrzehnts gemacht, es aber schnell wieder
korrigiert, als das Versehen bemerkt wurde. Vorläufig
aber ist die strafbefreiende Selbstanzeige geltendes
Recht. Daher sollte man das nicht inkriminieren.
Eine zweite Bemerkung: Herr Kollege Oppermann,
Sie haben von rechtsstaatlichen Prinzipien gesprochen.
Sie sollten wirklich aufhören, den Menschen einzureden,
man könne die Verjährungsfristen rückwirkend ändern.
Das wäre nun wirklich rechtswidrig. Das kann die
Schweiz nicht beim Bankgeheimnis machen und wir
nicht bei den Verjährungsfristen.
({2})
Eine dritte Bemerkung: Zur Besteuerung von Kapitalerträgen erheben wir in Deutschland die Abgeltungsteuer. Das Gesetz trägt übrigens die Unterschrift meines
geschätzten Amtsvorgängers.
({3})
Das kann man für falsch oder für richtig halten. Von
meinem Amtsvorgänger stammt der bemerkenswerte
Satz: 25 Prozent von X ist besser als 100 Prozent von
nix. - Das ist geltendes Recht, und deswegen konnten
wir mit der Schweiz für Gegenwart und Zukunft nichts
anderes vereinbaren als die exakte Anwendung des in
Deutschland geltenden Rechts in der Schweiz. Wäre das
Abkommen mit der Schweiz in Kraft getreten, würden
Kapitaleinkünfte von in Deutschland Steuerpflichtigen
bei Schweizer Banken genauso behandelt werden, wie
wenn sie bei deutschen Banken anfielen. Sie können das
deutsche Recht kritisieren, aber Sie können das nicht der
Schweiz vorwerfen. Dieses Abkommen war richtig. Ansonsten müssen wir über die Abgeltungsteuer diskutieren.
({4})
Wir haben im Übrigen mit der Schweiz seit geraumer
Zeit einen Informationsaustausch auf der Grundlage des
OECD-Musterabkommens. Wenn wir also im Einzelfall
Grund zu einer Anfrage bei der Schweiz haben, bekommen wir - nur damit keine Zerrbilder entstehen - auch
Auskünfte. Aber sie hängen keinen, sie hätten ihn denn
zuvor. Deswegen muss man erst einmal wissen, bei wem
man anfragen kann. Die Auskunftsmöglichkeiten wären
übrigens gegenüber dem OECD-Standard durch das Abkommen stark verbessert worden. Mit Inkrafttreten des
Abkommens am 1. Januar 2013 hätten wir eine befriedigende Regelung gehabt, die völlig unserer Rechtslage
entspricht.
Jetzt kommt das Problem für die Vergangenheit. Herr
Kollege Gambke, nur damit das klar ist: Das FATCAAbkommen der USA tritt in Kraft für Vermögen, Einkommen und Vermögenseinkünfte ab dem 1. Januar
2014. Heute haben wir den 24. April 2013. FATCA gilt
nicht für die Vergangenheit.
({5})
Es gibt kein Abkommen und keine Regelung, das oder
die irgendetwas für die Vergangenheit bewirkt. Das ist
die Wahrheit, und das Gegenteil ist die Unwahrheit.
({6})
Die Amerikaner haben keinerlei Abkommen für die Vergangenheit. Die Amerikaner haben nach ihrem Doppelbesteuerungsabkommen dieselben Möglichkeiten, von
der Schweiz Auskünfte zu verlangen, wie wir sie haben
und wie sie unsere Steuerverwaltung auch in Anspruch
nimmt. Für die Vergangenheit gab es diese Regelung.
Von der rot-grünen Koalition wurde der Versuch einer
Amnestie unternommen. Der ist nicht sehr erfolgreich
gewesen. Wir haben einen Versuch mit einer Regelung
gemacht, die in 90 Prozent aller Fälle eine höhere Besteuerung als die Regelbesteuerung bei der strafbefreienden Selbstanzeige vorgesehen hätte.
Menschen, die in Deutschland steuerpflichtig sind
und bei Schweizer Banken Einlagen haben, hätten ab
dem 1. Januar drei Möglichkeiten gehabt: Entweder hätten sie einen Nachweis ihres zuständigen Finanzamtes
über die ordnungsgemäße Besteuerung vorlegen müssen, oder sie wären einer pauschalierten Besteuerung,
die höher als die Regelbesteuerung ist, unterworfen worden, oder die Schweizer Bank hätte ihre Geschäftsbeziehung beendet und die Schweiz hätte uns gemeldet, wohin die Bestände abgezogen sind.
Sie haben immer vom Abschleichen geredet. Der jetzige Fall hat Sie gar nicht dazu gebracht, zu sagen, dass
das mit dem Abschleichen offenbar gar keine so große
Gefahr gewesen ist. Im Übrigen, Herr Kollege Gambke,
gebietet die Wahrheit doch, zu sagen, dass der schon erwähnte Ministerpräsident Kretschmann ein Befürworter
dieses Abkommens war - wie ich übrigens von keinem
Landesfinanzminister der Bundesrepublik Deutschland
in den Monaten der Verhandlungen grundsätzliche Einwände gegen dieses Abkommen gehört habe.
({7})
Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!
({8})
Natürlich sind wir in einer durch viele Urteile überprüften, nicht einfachen rechtlichen Beurteilung zu der
Einschätzung gelangt, dass, solange wir die Informationen nicht bekommen, der Ankauf von Datensammlungen auch von Menschen, die sich zumindest nach
Schweizer Recht strafbar machen, zulässig und in einer
rechtlichen Güterabwägung vertretbar ist. Ihr habt das
mitgetragen; wir haben uns daran beteiligt. Dieser Ankauf von Datensammlungen wäre mit dem Inkrafttreten
des Abkommens überflüssig geworden, weil wir alle Informationen gehabt hätten. Ohne das Abkommen ist er
es nicht. Ihn aber zur regelmäßigen Grundlage des Vollzugs von Steuergesetzen zu machen, kann doch nicht im
Ernst die Anforderung an rechtsstaatliche Verhaltensweisen sein.
({9})
Für die Zukunft gilt: Die Lage ist, wie sie ist. Die
meisten Steueransprüche für die Vergangenheit werden
verjährt sein. Die Schweiz wird auch nicht bereit sein,
ein neues bilaterales Abkommen abzuschließen. Wir haben schon die Initiative ergriffen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie in der EU entsprechend den FATCA-Abkommen, die alle mit der amerikanischen Regierung
abgeschlossen haben - wir werden es in den nächsten
Tagen fertigstellen -, auf alle Kapitaleinkünfte auszudehnen und den automatischen Informationsaustausch
für die Zukunft - aber eben nicht rückwirkend - einzuführen. Wir werden darauf drängen, dass die EU ein Verhandlungsmandat auch im Hinblick auf Drittstaaten bekommt.
Luxemburg hat angekündigt, ab 2015 am automatischen Informationsaustausch teilnehmen zu wollen. Der
luxemburgische Finanzminister hat übrigens öffentlich
erklärt: Wenn nicht der Nachfolger von Herrn
Steinbrück die Beziehungen zu Luxemburg wieder in
Ordnung gebracht hätte, dann wäre es in Luxemburg
niemals möglich gewesen, diesen Schritt zu gehen.
({10})
Wissen Sie, die Methoden von Wilhelm II. haben in
Deutschland schon vor 100 Jahren nicht viel Segen gebracht.
({11})
Ich hoffe, dass der automatische Informationsaustausch sehr bald in Europa und darüber hinaus Standard
sein wird. Dann werden wir auch noch einmal in aller
Ruhe über die Abgeltungsteuer diskutieren können.
Gleichzeitig bemühen wir uns, das OECD-Musterabkommen zu erweitern - das ist ein weiterer Schritt -,
um auch darüber den automatischen Informationsaustausch einführen zu können. Das ist noch schwieriger,
und es wird Zeit brauchen. Es wäre natürlich die bessere
Lösung; denn dadurch hätten wir nicht nur in Europa
noch bessere Informationsmöglichkeiten. Wir nutzen das
OECD-Musterabkommen häufig. Wir haben - dies ist
bereits erwähnt worden - in den letzten Jahren über
40 Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Das
ist der Weg, den wir mit großem Nachdruck gehen.
Ich will eine letzte Bemerkung machen. In der öffentlichen Debatte wird zwischen Steuerhinterziehung und
Steuervermeidung gelegentlich nicht genau unterschieden. Beides ist ärgerlich. Deswegen haben wir die Initiative ergriffen, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten in
der globalisierten Welt einzuschränken. Das ist ein mühsamer Weg. Wir gehen ihn konsequent Schritt für
Schritt, um dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen
Steueransprüche, die wir unseren Mitbürgerinnen und
Mitbürgern zumuten müssen, um unseren öffentlichen
Haushalt zu finanzieren, vollständig und den Regeln der
Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit entsprechend vollzogen werden. Das ist der Weg. Alles andere ist unverantwortliche Polemik.
Herzlichen Dank.
({12})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Florian
Pronold. Bitte schön, Kollege Florian Pronold.
({0})
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr
Präsident! Ich war ab 2002 einige Jahre Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Ich kann
mich sehr gut erinnern, wie wir damals die Debatte über
die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und die
Trockenlegung von Steueroasen geführt haben. Das, was
Sie, Herr Wissing und Herr Michelbach, heute gesagt
haben, ist dieselbe Platte wie damals. Sie haben Verständnis für Steuerhinterziehung und Steueroasen geäußert. Sie haben sich immer wieder der geistigen Beihilfe
schuldig gemacht.
({0})
Wir haben 2003 eine Brücke in die Steuerehrlichkeit
geschaffen, aber nicht mit der Möglichkeit der Anonymität.
({1})
- Nein, Entschuldigung. - Bei dieser Brücke in die Steuerehrlichkeit war vorgesehen, dass die Steuerbehörden in
Deutschland erfahren, wer etwas hinterzogen hat.
({2})
Trotzdem wäre dies straffrei geblieben. Wir haben diese
Brücke im Jahr 2003 geschaffen. Alle hätten die Möglichkeit gehabt, diese Brücke in die Steuerehrlichkeit zu
beschreiten. Was ist passiert? So gut wie nichts.
Jetzt wird es spannend. Wann fängt denn die Bereitschaft zur Steuerehrlichkeit an?
({3})
Sie fängt in dem Moment an, in dem es gelingt, SteuerCDs anzukaufen, und die Gefahr der Entdeckung
wächst. Erst dann wurden die Kohlen so glühend heiß,
dass viele nicht mehr ruhig schlafen konnten. Erst dann
stieg die Anzahl der Selbstanzeigen an, und erst dann
kam das Geld gerechterweise zurück nach Deutschland.
({4})
Mit diesem Steuerabkommen mit der Schweiz hätte
man zum Beispiel den Ankauf solcher Steuer-CDs untersagt.
({5})
Wir hätten alle, die sich an kriminellen Machenschaften
in der Schweiz beteiligen, straffrei ausgehen lassen.
Auch das wäre Bestandteil dieses Steuerabkommens gewesen.
({6})
Vor allem hätte es nicht dazu geführt, dass die Anonymität aufgehoben wird. Das war die größte Sauerei bei
Ihrem Versuch.
({7})
In all den Debatten, die wir im Deutschen Bundestag
über dieses Thema geführt haben, haben wir erlebt, wie
sehr das Vorhaben, Steuer-CDs anzukaufen, von Herrn
Wissing und vielen anderen bekämpft worden ist.
({8})
Sie machen sich mehr Sorgen um Steuerhinterzieher und
Staaten, deren Geschäftsmodell auf Steuerhinterziehung
und Wirtschaftskriminalität beruht, als über den ehrlichen und anständigen Steuerzahler in Deutschland.
({9})
Jeder Arbeitnehmer muss seine Steuererklärung abgeben. Aber Millionäre, die meinen, sie könnten für sich
ein Sonderrecht in Anspruch nehmen, bekommen von
FDP und CDU/CSU fürsorglich und inbrünstig Zuwendung, und zwar in jeder Debatte.
({10})
Herr Michelbach, halten Sie sich nur einmal Folgendes vor Augen: Erwin Huber, der frühere Vorsitzende
der CSU, hat wieder einmal bekannt - zu lesen im heutigen Münchner Merkur -, dass dieses Thema im Freistaat
Bayern eine Frage der Standortpolitik war und man sogar Werbung damit gemacht hat, weniger Steuerfahnder
und Steuerprüfer als andere Bundesländer zu haben. Ich
würde mir wünschen, Sie verhielten sich auch den normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber so fürsorglich.
({11})
Aber nein, ein Unternehmen mittlerer Größe wird in
Bayern nur alle 40 Jahre geprüft. Der Bayerische
Oberste Rechnungshof hat festgestellt - das ist fast wie
in Dinner for One an Silvester; er stellt das nämlich
jedes Jahr fest -, dass die bayerische Steuerverwaltung
unterbesetzt ist. 40 Prozent der Posten, die mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht und
mit der Durchführung von Betriebsprüfungen zu tun haben, sind nicht besetzt. Das war Standortpolitik, und das
war gewollt.
({12})
Markus Söder hat angesichts der steuerpolitischen
Debatte, in der im Hinblick auf die rot-grünen Steuerpläne Unsinn und Angst verbreitet werden, noch vor
wenigen Monaten sogar Verständnis für Steuerflucht geäußert, und das als jemand, der Finanzminister eines
Bundeslandes der Bundesrepublik Deutschland ist. Da
muss man sich aufseiten von Schwarz-Gelb doch in
Grund und Boden schämen.
({13})
Sie haben ihn aber nicht korrigiert und ihn nicht zur Rechenschaft gezogen. Das ist das Ärgerliche.
Auch was den Ankauf von Steuer-CDs angeht, ist es
im Freistaat Bayern sehr mau geworden. 22 Angebote
lagen vor, kein einziges ist angenommen worden.
Markus Söder hat angekündigt, dass er sich an dem
Ankauf der CDs durch andere Länder nicht einmal beteiligen will.
({14})
Übrigens haben diese CDs dem Freistaat Bayern in den
letzten zwei Jahren Einnahmen von über einer halben
Milliarde Euro eingebracht. Allerdings hat Bayern keinen Beitrag zur Förderung der Steuerehrlichkeit leisten
wollen. Auch das finde ich schäbig, wenn ich das an dieser Stelle sagen darf.
({15})
Sorgen um die „armen“ Steuerflüchtlinge hat sich insbesondere der bayerische Ministerpräsident gemacht,
und zwar auf einer Reise in die Schweiz. Auf einer Delegationsreise in die Schweiz, die im letzten Jahr stattfand,
hat er die mitreisende SPD-Abgeordnete Aures mehrmals öffentlich aufgefordert, endlich dafür Sorge zu tragen, dass sich die Bundes-SPD bewegt, um dem Steuerabkommen mit der Schweiz Tür und Tor zu öffnen.
Liebe Inge Aures, liebe SPD, liebes Rot-Grün im Bundesrat, herzlichen Dank, dass dieser Unsinn blockiert
worden ist! Das war ein guter Tag für die Steuerehrlichkeit. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein.
({16})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Daniel Volk.
Bitte schön, Kollege Dr. Volk.
({0})
Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Opposition, diese Debatte wird von Ihnen in einem Stil geführt,
den ich zum Teil als für dieses Hohe Haus wirklich unwürdig empfinde.
({0})
Wenn Sie, Herr Kollege Pronold, behaupten, Kollegen
von der Union würden sich gewissermaßen zur Kumpanei mit Steuerhinterziehern hinreißen lassen,
({1})
dann, finde ich, ist das diesem Hohen Haus nicht angemessen.
({2})
Herr Kollege Oppermann, dass Sie einem amtierenden Bundesfinanzminister vorwerfen, er würde sich
nicht ordnungsgemäß um die Kassen des Staates kümmern, ist ebenfalls unwürdig. Hinzu kommt: Es ist auch
falsch. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen.
({3})
Da können Sie dem amtierenden Bundesfinanzminister,
der einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen wird,
doch nicht allen Ernstes vorwerfen, er würde sich nicht
angemessen um die Staatsfinanzen kümmern. Das ist
wirklich unwürdig und falsch.
({4})
Unwürdig ist auch, wenn Sie, liebe Kollegen von der
Opposition, einen Einzelfall, der momentan durch die
Medien geht,
({5})
dazu nutzen, Pauschalurteile zu treffen wie zum Beispiel, alle Millionäre würden bei ihrer Steuerhinterziehung von der Politik geradezu noch unterstützt.
({6})
Eine solche Form der Pauschalisierung ist, glaube ich,
der Ernsthaftigkeit dieses Themas nicht angemessen.
Dementsprechend dankbar bin ich dem Bundesfinanzminister, dass er hier in aller Sachlichkeit noch einmal
dargelegt hat, unter welchen Koordinaten das Abkommen mit der Schweiz ausgehandelt wurde und warum es
für die Vergangenheit die einzig mögliche Lösung gewesen wäre. Sie von der Opposition bieten ja keine Lösungen für die Vergangenheit.
({7})
Es ist abwegig, wenn Sie darauf verweisen, mit dem Ankauf von Steuer-CDs würden alle Steuerpflichtigen
gleichmäßig zur Besteuerung herangezogen. Das ist
einfach falsch. So wird man das niemals schaffen. Der
Ankauf von Steuer-CDs kann immer nur punktuell
wirken, aber niemals gleichmäßig über alle Steuerpflichtigen.
({8})
Das Vertrauen in den Rechtsstaat gebietet aber, dass wir
alle Steuerpflichtigen gleichmäßig zur Besteuerung heranziehen.
({9})
Eine Antwort auf die Frage, wie das erreicht werden soll,
bleiben Sie weiterhin schuldig.
({10})
Natürlich haben Sie bei Ihrer Argumentation ein großes Problem; denn Sie waren es, die mit der Ablehnung
des deutsch-schweizerischen Abkommens für die Vergangenheit bewirkt haben, dass Milliarden, die dem
Bundeshaushalt, aber auch den Länderhaushalten und
den Kommunalhaushalten zugeflossen wären, nicht fließen werden. Das ist Ihre Verantwortung aufgrund der
Ablehnung dieses Steuerabkommens.
({11})
Darüber sollten Sie sich einmal Gedanken machen. Andererseits behaupten Sie doch immer, dass der Staat bzw.
die Bundesländer unterfinanziert seien. Die Widersprüchlichkeit Ihrer Aussagen ist also offensichtlich.
Ich darf jetzt zum zweiten Punkt dieser Aktuellen
Stunde kommen, zur Vermögensabgabe bzw. Vermögensteuer; die SPD spricht von einer Vermögensteuer, die
Grünen sprechen von einer Vermögensabgabe. Diese
Vermögensabgabe soll für zehn Jahre eingeführt werden,
um dann durch eine Vermögensteuer ersetzt zu werden;
das habe ich so, glaube ich, richtig verstanden.
({12})
Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, behauptet überall, Betriebsvermögen würden bei Einführung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe ausgenommen.
({13})
Peer Steinbrück sagt dies entweder wider besseres Wissen, oder er weiß es schlichtweg nicht. Eine Unterscheidung zwischen Privatvermögen einerseits und Betriebsvermögen andererseits ist doch nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts nicht möglich. Dementsprechend wird eine Vermögensteuer oder Vermögensabgabe dazu führen, dass mittelständische Unternehmen
in Deutschland mit einer Substanzbesteuerung belastet
werden, die die Eigenkapitalbasis dieser Unternehmen
reduzieren wird, was negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in Deutschland hat.
Wir haben in den letzten vier Jahren eine Steuerpolitik gemacht, die dazu geführt hat, dass sich Wirtschaft
und Arbeitsmarkt konkurrenzlos gut entwickelt haben.
({14})
Das waren vier gute Jahre für Deutschland. Wir werden
dafür sorgen, dass eine Politik, wie Sie sie vorschlagen,
in Deutschland niemals Raum finden wird.
({15})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege
Jürgen Trittin. Bitte schön, Kollege Jürgen Trittin.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ganz
habe ich das nicht verstanden, Herr Michelbach. Sie haben ja fast so getan, als würden Sie Herrn Hoeneß gar
nicht kennen.
({0})
Er ist immerhin so unbekannt, dass er - das können Sie
nachlesen - mit der Bundeskanzlerin zusammen eine
Initiative entwickelt hat unter der Überschrift „Geh Deinen Weg“.
Da war Ihnen Herr Hoeneß als Kronzeuge gegen eine
angemessene und leistungsgerechte Besteuerung in dieser Gesellschaft lieb. Da kannten Sie ihn noch. Heute ist
das wohl anders.
({1})
Heute erklärt Herr Schäuble: Das ist ein Einzelfall. Lieber Herr Schäuble, das ist ein Einzelfall von 3 356 Einzelfällen; denn so viele Steuerhinterzieher haben sich allein in diesem Jahr aufgrund des Scheiterns dieses
Abkommens selbst angezeigt.
({2})
Eines können Sie dem Herrn Hoeneß nicht vorwerfen,
nämlich dass er sich nicht treu geblieben ist. Er ist weiterhin Kronzeuge. Er ist nämlich der Kronzeuge gegen
Ihr Abkommen, weil er öffentlich erklärt hat: Ich habe
mich darauf verlassen, dass ich für diesen schweren Fehler - so nennt er das heute - künftig in der Anonymität
bleibe. Eine schärfere Kritik an Ihrem Abkommen als
die kann ich mir gar nicht vorstellen.
({3})
Sie wissen, dass es, wenn dieses Abkommen durchgekommen wäre, all die Schritte, von denen Sie jetzt angeblich so begeistert wird, nämlich die Aufhebung der
Haltung von Luxemburg und Österreich und der Schritt
hin zum automatisierten Datenabgleich, nicht gegeben
hätte,
({4})
weil sich Luxemburg und Österreich hinter Ihnen und
Ihrem Geldwaschabkommen versteckt hätten.
({5})
Ja, es gibt einen Schritt hin zu mehr Ehrlichkeit, weil
es einen Verfolgungsdruck gibt, und ich glaube, dass wir
an dieser Stelle ein ganzes Stück weitergekommen sind,
weil wir dieses Abkommen verhindert haben.
({6})
Ich glaube aber auch, dass das nicht hinreichend ist.
Sie können hier nicht einfach sagen: Ich wünsch mir
was. Nein, Sie regieren noch - bis zum 22. September
2013.
Was ist denn mit dem, wie es die USA praktizieren,
und den entsprechenden Vorschlägen? Die Erteilung einer Banklizenz wird dort daran geknüpft, dass der Zugang der USA zu den Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger in dem jeweiligen Land gewährleistet ist. Warum
gehen Sie diesen Schritt nicht?
({7})
Herr Schäuble, Sie haben darüber geredet, dass es
auch um Steuervermeidung und darum geht, Steuerschlupflöcher und Steueroasen für legale Steuervermeidung zu schließen. Warum fassen Sie sich denn nicht an
die eigene Nase? Es ist doch auch so, dass sich Deutschland seine Steueroase gönnt, nämlich im Bereich der
Vermögen- und Erbschaftsteuer.
2 Prozent unseres Steueraufkommens resultieren aus
diesen Steuern. Das ist nicht einmal die Hälfte des
Durchschnitts der entwickelten Industrieländer. Frankreich - übrigens das Frankreich Sarkozys, nicht das
Hollandes - erhält 8,5 Prozent daraus, und das Land des
freien Marktes, des ungezügelten Kapitalismus, die
USA, generiert 13 Prozent seines Aufkommens aus
Steuern auf Vermögen und Erbschaften. Und Sie wollen
krampfhaft daran festhalten, dass Deutschland bei diesen
Steuern eine Steueroase bleibt! Auch das geht nicht.
Auch dieses ist zu beenden.
({8})
Sie können ja lange darüber philosophieren, ob es im
Rahmen der Strafverfolgung Sinn macht, Selbstanzeigen
und Ähnliches zuzulassen. In Bezug auf Straftaten, die
im Ergebnis nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil jemand um Millionen betrogen hat
- stellen Sie sich einmal vor, jemand würde 1 000 Omas
jeweils um 1 000 Euro erleichtern und könnte sich mit
der einfachen Erklärung: „War nicht so gemeint“, von einem öffentlichen Verfahren verabschieden -, sage ich Ihnen: In der Tat glaube ich, dass über eine solche Entscheidung nicht auf dem kurzen Wege zwischen dem
Anwalt und der Staatsanwaltschaft entschieden werden
kann. Das soll möglich bleiben, aber dieses muss durch
ein Gericht entschieden werden. Auf dem Weg in die Legalität darf man nicht durch die Hintertür gehen und anonym bleiben. Da ist schon der Anspruch auf Transparenz
vorhanden.
({9})
Letzte Bemerkung. Uli Hoeneß hat noch einen Satz
gesagt:
Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle
Steuern.
Meine Damen und Herren, dieser Satz war nicht nur
gelogen, sondern auch dumm.
({10})
Es ist klug, Steuern zu zahlen: damit Polizistinnen und
Polizisten für Sicherheit sorgen, damit unsere Kinder zur
Schule, in die Kita und in die Universität gehen können,
damit sozial Schwachen geholfen werden kann. Es ist
klug, Steuern zu zahlen, damit unsere Unternehmen mit
einer leistungsfähigen Infrastruktur wettbewerbsfähig
bleiben.
({11})
Deswegen ist diese verlogene Doppelmoral, die im Fall
Hoeneß offensichtlich zutage tritt, nicht akzeptabel. Sie
sollten aufhören, sich zum Schutzpatron für diese verlogene Doppelmoral zu machen.
({12})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Manfred
Kolbe. Bitte schön, Kollege Manfred Kolbe.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Bundesminister a. D. Jürgen Trittin, das war wieder
eine Ansammlung von Sprechblasen und Halbwahrheiten, ohne dass irgendetwas Programmatisches für die
Zukunft in Ihrer Rede enthalten war.
({0})
Ich erwähne einmal drei Punkte:
Erstens: Eichels Steueramnestie - Sie saßen bekanntermaßen zwischen 1998 und 2005 im Kabinett, wenn
auch in einem anderen Ressort, waren also an der Regierungspolitik beteiligt - sah eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage um 60 Prozent bei der hinterzogenen
Einkommensteuer, 80 Prozent bei der Erbschaftsteuer
und 90 Prozent bei der Gewerbesteuer vor. Das Ganze
haben Sie als „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ verkauft.
({1})
Natürlich sollte auch dabei Anonymität gelten. Sie tun
immer so, als seien Sie damals für Offenheit gewesen.
({2})
Natürlich sollte auch dabei Anonymität gelten, Herr
Pronold, weil das Steuergeheimnis ebenfalls gegolten
hätte.
({3})
Noch einmal: Es sollte genauso Anonymität gelten.
({4})
Herr Oppermann, wenn Sie einen Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat sehen, dann müssen Sie eingestehen: Das müsste auch im Hinblick auf Eichels Politik
gelten. Wir haben damals in der Tat einen Verlust des
Vertrauens in den Rechtsstaat gesehen.
Zweitens. Sie haben wieder Uli Hoeneß erwähnt, in
der Hoffnung, uns damit zu treffen. Niemand will sein
Verhalten entschuldigen. Wir wissen auch noch gar nicht
alles. Ich glaube deswegen, wir können uns dazu noch
nicht abschließend äußern. Aber es gibt auch Fälle aus
Ihrem Bereich. Nehmen Sie den französischen Haushaltsminister Cahuzac, einen Champagnersozialisten aus
Paris, also mit Ihnen verwandt.
({5})
Wir erwähnen ihn doch auch nicht jeden Tag und reden
hier nicht von einer verächtlichen Doppelmoral der Sozialisten. Also, wenn Sie solche Beispiele suchen, dann
suchen Sie sie doch auch aus anderen Bereichen heraus.
Drittens. Wenn Sie schon als Finanzminister in spe
- ich glaube nicht, dass Sie Finanzminister werden Vergleiche zwischen dem Steuersystem der USA und
Deutschlands anstellen, dann sollten Sie zumindest
Grundkenntnisse haben. Die Grundsteuer hat in den
USA eine ganz andere Funktion als in Deutschland. Dafür gibt es dort wesentlich andere, niedrigere Steuern.
({6})
Das war also ein Vergleich, der einfach hinkt. Es geht
nicht an, bloß die Grundsteuern zu vergleichen.
Lassen Sie mich zusammenfassen und zu den Fakten
zurückkehren.
({7})
Ich möchte auf das verweisen, was diese Koalition zur
Bekämpfung der Steuerhinterziehung geleistet hat. Es
gibt in der Tat, Herr Pronold, eine Wendemarke: Das ist
das Jahr 2005; das ist die Regierungsübernahme der
Union. Seitdem ist das Leben für Steuerhinterzieher härter geworden.
({8})
- Ich weiß nicht, warum die Sozialdemokraten so lachen. An den ersten Jahren einer unionsgeführten Regierung haben sie ja durchaus mitgewirkt; das haben wir ja
die ersten Jahre gemeinsam bewerkstelligt. Deshalb verstehe ich Ihre Reaktion überhaupt nicht.
({9})
Wir haben damals die Bekämpfung der bandenmäßigen Umsatzsteuerhinterziehung eingeführt. Wir haben
die Telekommunikationsüberwachung bei schweren
Steuerdelikten eingeführt. Wir haben damals die Verjährungsfrist verlängert, Herr Oppermann. Wir sind schon
da, wo Sie noch hinwollen. Bezüglich des Ankaufs von
Steuer-CDs hatte Bundeskanzlerin Merkel von Anfang
an eine glasklare Position gehabt. Außerdem haben wir
die strafbefreiende Selbstanzeige eingeschränkt.
({10})
Zur strafbefreienden Selbstanzeige habe ich heute einmal den Tickerdienst durchgeschaut und bei der SPD
fünf Meinungen dazu gefunden. Da gibt es Herrn
Steinbrück, der sie beibehalten möchte und dann noch
sagt, sie dürfe aber nur dann greifen, wenn die Steuerfahndung noch nicht auf der Spur sei. Das ist eine
Selbstverständlichkeit;
({11})
auch da offenbart Ihr Kanzlerkandidat, indem er das betont, wieder profunde Kenntnis.
Dann gibt es Herrn Stegner, der sie ganz abschaffen
will, Herrn Gabriel, der sie auf geringfügige Delikte beschränken will, und Herrn Oppermann, der sie nur noch
vorübergehend haben will; Sie, Herr Poß, haben eine
fünfte Meinung; an sie erinnere ich mich jetzt nicht
mehr.
({12})
Sie müssen schon wissen, was Sie wollen.
Wir haben hier die notwendigen Reformen durchgeführt. Wir haben schon vor drei Jahren - Herr Pronold,
dazu hat uns niemand gezwungen, weil wir das als
christlich-liberale Koalition gemacht haben, ohne Ihre
Hilfe - den Zeitpunkt der Entdeckung vorverlegt; er war
in der Tat zu spät.
({13})
Wir haben die Teilselbstanzeige abgeschafft - jeder
muss sich jetzt vollkommen offenbaren -, und wir haben
einen Zuschlag für Hinterziehungszinsen eingeführt.
({14})
Also, die Koalition hat hier durchaus gehandelt,
({15})
auf dem Weg zu einem Ziel, zu dem Sie noch hinwollen,
wobei Sie nicht genau wissen, wohin Sie wollen.
({16})
Wir sind auch für die Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige - lassen Sie mich das zum Abschluss
noch sagen -, weil das kein Fremdkörper im Strafrecht
ist, wie es immer dargestellt wird. Auch da zeigt, wer
das sagt, komplette Unkenntnis. Das ist ein Fall des
Rücktritts vom beendeten Versuch, und ihn haben Sie an
vielen Stellen im Strafrecht. Den haben Sie bei der Fälschung von Geld- und Wertzeichen, den haben Sie bei
der Geldwäsche, den haben Sie beim Subventionsbetrug,
den haben Sie bei der Brandstiftung. Wer den Brand
wieder löscht, geht straffrei aus.
({17})
Diesen Rücktritt haben Sie auch bei vielen anderen Tatbeständen. Das ist ein Tatbestand, der durchaus systemimmanent ist.
({18})
Wir haben ihn auf das Notwendige reduziert, und wir
wollen ihn beibehalten.
Diese Bundesregierung wird weiter gegen Steuerhinterziehung kämpfen. Es ist in Deutschland - das ist unser
Erfolg - für Steuersünder härter geworden, und das ist
gut so.
({19})
Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für
die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege
Dr. Carsten Sieling. - Bitte schön, Kollege Dr. Sieling.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In solchen
Aktuellen Stunden gibt es immer den Zeitpunkt, zu dem
sich die Menge der Falschaussagen wirklich angehäuft
hat, sodass man kaum noch die Möglichkeit hat, sie alle
abzuarbeiten.
({0})
Aber ich will gern die Gelegenheit nutzen, einige der
Punkte aufzunehmen.
({1})
Die erste Falschaussage, die ich hier aufnehmen
möchte, weil sie wirklich offenkundig war, Herr Kollege
Kolbe, ist die, dass bei der von Hans Eichel als Finanzminister vorgesehenen Amnestie Anonymität gewahrt
worden wäre. Ganz genau das Gegenteil ist die Wahrheit:
({2})
Die Steuerhinterzieher wären gemeldet worden; sie wären nicht anonym geblieben.
({3})
Das Zweite, was in diesem Zusammenhang wichtig
ist, ist die Tatsache, meine Damen und Herren, dass es
dann darum geht, dass das Steuergeheimnis und das
Bankgeheimnis angegangen werden müssen, und auch
das hat Rot-Grün damals gemacht und versucht. Wir haben hier in diesem Deutschen Bundestag nach 2002 eine
Mehrheit dafür gehabt. Aber dann musste dies wie alle
Steuerfragen in den Bundesrat, und im Bundesrat ist es
von den CDU/FDP-geführten Ländern blockiert worden.
({4})
Herr Kollege Kolbe, Sie waren vielleicht damals noch
Staatsminister in Sachsen und somit aktiv beteiligt, weil
nämlich auch Sachsen das blockiert hat, und darum reden Sie hier falsch Zeugnis. Meine Damen und Herren,
so kann es nicht weitergehen.
({5})
Für schlimmer erachte ich die Eindrücke, die erweckt
werden. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben einen
dieser Eindrücke hier erweckt, die ich noch einmal sehr
deutlich aufnehmen möchte, mit der Unterstellung nämlich, dass wir Sozialdemokraten uns und auch die anderen Oppositionsfraktionen sich jetzt an dem Einzelfall
Hoeneß aufhängten und wir diesen Einzelfall für uns
nutzten.
({6})
Herr Bundesfinanzminister, Sie müssten wissen, was
mittlerweile die Wochenzeitung Die Zeit auch schreibt:
dass seit 2010 47 400 Menschen - ich sage diese Zahl
ganz ausdrücklich - in Deutschland Selbstanzeige vorgenommen haben, weil sie genau diese Gefahr sehen.
47 400-mal Uli Hoeneß! Das ist kein Einzelfall, das ist
eine große Zahl von Menschen, die Gott sei Dank dies
ermöglicht haben. Der politische Punkt ist doch in der
Tat, dass Herr Hoeneß deutlich gesagt hat, warum er gewartet hat: nämlich auf das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen, das Sie natürlich hätten besser machen können. Ich will auch sagen, was Sie während der
Verhandlungen teilweise besser gemacht haben. In der
Debatte hatten Sie schon eine Vorlage vorgelegt. Dann
haben wir gedrängt und gesagt: So geht das nicht. - Daraufhin sind Sie losmarschiert und haben nachverhandelt. Also, dass man nicht nachverhandeln kann, gilt hier
nicht als Ausrede. Allerdings waren diese Nachverhandlungen völlig unzureichend.
Ich will an dieser Stelle einmal, damit das klar ist,
drei zentrale Defizite nennen. Der erste Punkt ist: In dem
Abkommen war vorgesehen, dass deutsche Anleger mit
Geld in der Schweiz noch bis Ende 2012 die Gelegenheit
gehabt hätten, ihr Geld woandershin zu transferieren.
Vielleicht haben Leute wie Herr Hoeneß und andere darauf gewartet, um ihr Geld in anderen Steueroasen anzulegen. Ich weiß es nicht und will ihm das gar nicht unterstellen, aber wenn so eine Frist in dem Abkommen
gestanden hätte, muss man heutzutage von allem ausgehen. Sie haben diese Möglichkeit geschaffen. Das ist der
erste Grund, warum dieses Steuerabkommen mit der
Schweiz abgelehnt werden musste.
({7})
Der zweite Mangel war, dass der hier schon angesprochene automatische Informationsaustausch in dem Abkommen nicht vorgesehen war. Diesen Austausch brauchen wir. Er entspricht internationalen Standards.
Mittlerweile höre ich Gott sei Dank auch aus Ihrem
Hause und auch von Ihnen, dass Sie die Zinsrichtlinie an
dieser Stelle wirksam umsetzen wollen.
({8})
Der dritte Mangel - das will ich ausdrücklich sagen,
Herr Kollege Volk -: Es kann kein Abkommen geschlossen werden, auch wenn Ihnen das gut gefällt, worin festgeschrieben wird, dass die deutschen Behörden nicht
weiter ermitteln dürfen.
({9})
Es muss weiter möglich sein, Menschen, die kriminell
geworden sind, zu fassen. Das hätte ein notwendiger Teil
- Thomas Oppermann hat es „Staatsräson“ genannt dieses Abkommens sein müssen.
Ich will hier zuletzt sehr deutlich sagen, dass die von
SPD und Grünen regierten Bundesländer nicht mit Vergnügen und nicht mit Freude tagtäglich Steuer-CDs kaufen wollen.
({10})
Das ist eine Notmaßnahme;
({11})
das wissen auch Sie, Herr Michelbach. Unglaublich ist,
dass sich an dieser Notmaßnahme nicht alle beteiligen.
Das Bundesfinanzministerium hat in der letzten Woche
erklärt, dass es den Ankauf von Steuer-CDs erstmalig
akzeptiert.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Kauder, hat
vorhin „Hehlerei“ dazwischengerufen. Das habe ich in
den letzten Wochen bisher nur von der FDP gehört. Das
finde ich unglaublich. Das ist keine Hehlerei.
({12})
Ich will hier sagen: Ich erwarte, dass alle Bundesländer
und auch das Bundesfinanzministerium sich dazu stellen
und sich an den Ankaufkosten beteiligen, damit man
zeigt, dass wir es ernst meinen;
({13})
denn wir müssen jetzt Signale setzen.
({14})
Ich sage Ihnen gern an dieser Stelle auch: Für uns ist
das kein Wahlkampfthema. Wir wollen etwas verändern,
hin zu mehr Gerechtigkeit. Wenn Sie in den nächsten
Wochen bereit sind, mit uns durchgreifende Maßnahmen
zu machen, beschließen wir das
({15})
und nehmen damit das Thema aus dem Wahlkampf heraus. Dann machen wir mit Ihnen eine vernünftige Gesetzgebung dazu in Deutschland. Aber ich glaube, Sie
bewegen sich hier nicht. Deshalb brauchen wir den Regierungswechsel.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({16})
Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist
unser Kollege Dr. Mathias Middelberg. Bitte schön, Kollege Dr. Mathias Middelberg.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte hat, wenn man sorgfältig auf die
sachlichen Argumente gehört hat, gezeigt, dass man mit
der Schweiz kein besseres Abkommen hätte aushandeln
können. Ich glaube, das muss man ganz objektiv sehen.
Das, was Wolfgang Schäuble mit der Schweiz ausgehandelt hat, ist das maximal Erreichbare gewesen.
({0})
Ich glaube auch - das hat der Kollege Wissing betont -,
dass dies auch unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit die bessere Lösung ist.
Mit dem Ankauf von Steuer-CDs können wir allenfalls punktuelle Erfolge landen. Auch wenn in diesem
Zusammenhang gerade von 47 000 Menschen die Rede
war: In den vergangenen drei Jahren sind bisher lediglich 2 Milliarden Euro geflossen. Wir hätten mit dem
Steuerabkommen weitaus höhere Beträge erzielt, wenn
wir das Ende letzten Jahres hätten abschließen können.
({1})
Sie beklagen, dass die Anonymität der Anleger gewahrt worden wäre, wenn wir das Abkommen abgeschlossen hätten.
({2})
Die Situation, die wir jetzt haben, ist doch: Die Anleger
bleiben weiterhin anonym.
({3})
Wir sind darauf angewiesen, dass wir durch den Ankauf
einzelner CDs weiter einzelne Beteiligte strafrechtlich
belangen und diese zu Nachzahlungen veranlassen können.
Das Steuerabkommen mit der Schweiz hätte die
Nachversteuerung sämtlicher Konten und Depots in der
Schweiz gewährleistet. Der Kollege Sieling hat das eben
nicht richtig wiedergegeben. Sie haben das nicht richtig
wiedergegeben, Herr Sieling. Sie haben es auch nicht
sorgfältig gelesen. Denn es wäre auf den Kapitalbestand
am 31. Dezember 2010 abgestellt worden. Danach wäre
also mit Abschleichen nichts mehr gewesen; auch diese
Vermögensbestände wären erfasst worden.
Für mich ist der entscheidende Gesichtspunkt - damit
sind wir auch bei der Frage, was das letzten Endes für
den Fiskus bedeutet hätte -: Wir hätten nicht nur auf
Zinsen der dort geparkten Gelder Steuern nacherhoben,
sondern wir hätten auf das gesamte Kapital pauschal
Steuern erhoben. Das heißt, es wären dort die gesamten
Konten und Depots in ihrem Bestand besteuert worden,
und zwar mit einem Steuersatz zwischen 21 und 41 Prozent. Das sind doch die Fakten, und das unterschlagen
Sie in dieser Diskussion.
({4})
Der Kollege Kolbe hat eben zu Recht darauf hingewiesen, wie Ihre Diskussionslage jetzt beim Thema
Selbstanzeige ist. Da wissen Sie selber nicht, wie Sie
sich dazu aufstellen wollen. Er hat die verschiedenen
Beteiligten genannt. Selbst bei Herrn Steinbrück
schwankt das ja. Gestern hat Herr Steinbrück noch gesagt, Selbstanzeigen wären eine sinnvolle Sache; dabei
müssten wir bleiben.
Heute Morgen war davon nur noch ein bisschen die
Rede. Wahrscheinlich hat Herr Gabriel ihn angeschoben.
Jetzt gibt es nur noch die Selbstanzeige in Bagatellfällen.
Damit stellt sich für mich - ich nehme das exemplarisch
heraus - auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit bei
dem, was Sie steuerpolitisch insgesamt verbreiten.
Wir haben uns letzte Woche über das Thema Aufbewahrungsfristen unterhalten. Dabei hat Herr Steinbrück
eine große Welle geschoben und gesagt:
Ich entlaste den Mittelstand, indem ich die Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Belege verkürze.
Jetzt hat die SPD genau das Gegenteil gemacht und dagegen gestimmt. Sie hat ihren eigenen Kanzlerkandidaten bei dem Thema zurückgepfiffen, mit dem er die Mittelständler locken wollte.
({5})
Dann kommt der nächste Punkt. Die Abgeltungsteuer
hat der Bundesfinanzminister schon erwähnt. Wir alle
erinnern uns an den Satz:
Es ist besser, 25 Prozent auf X zu haben statt
42 Prozent auf gar nix.
Das ist Originalton Steinbrück zum Thema Abgeltungsteuer. Er hat dann auch noch ausdrücklich gesagt:
So simpel ist die Rechnung. Dieses Argument
springt einem, wenn man es pragmatisch sieht, ins
Auge.
Das war damals O-Ton Steinbrück.
Wir können uns unter anderen Bedingungen auch
über die Abgeltungsteuer unterhalten. Das finde ich völlig richtig. Aber es steht außer Frage, dass Sie vor ein
paar Jahren immer dies gesagt haben, und jetzt sagt Herr
Steinbrück genau das Gegenteil dessen, was er uns vor
ein paar Jahren, nämlich 2007, erzählt hat.
Genauso ist es beim Thema Unternehmensteuern. Das
wurde wortreich begründet:
Wenn wir keine Unternehmensteuerreform machen,
- also die Unternehmensteuern absenken wird Deutschland weiter an Steuerbasis … verlieren, und die Staatseinnahmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben werden auf Dauer nicht mehr,
sondern weniger.
Eine richtige Erkenntnis Ihres Kanzlerkandidaten. Jetzt
verkauft er uns das genaue Gegenteil.
({6})
Es muss eine große Orgie von Steuererhöhungen geben,
zusätzlich noch die Vermögensteuer und vieles mehr im
Land, damit wir dann da landen, wo Frankreich und andere europäische Staaten, die große ökonomische Probleme haben, heute sind.
({7})
Zum Thema Vermögensteuer sagte Herr Steinbrück
2011:
Wenn damit nur das Privatvermögen gemeint wäre,
hätte ich damit kein Problem.
Dann hätte ich persönlich auch kein Problem damit. Er
sagte aber richtigerweise:
Die Frage ist aber: Wie halten wir es mit dem Firmenvermögen? Wenn wir es voll besteuern, schwächen wir den Mittelstand. Klammern wir es aus,
schaffen wir viele Umgehungsmöglichkeiten nach
dem Motto: Der Picasso hängt bei mir nicht mehr
im Wohnzimmer, sondern im Besucherzimmer meines Betriebs.
Da hat Herr Steinbrück ganz richtig erkannt, was der
Kollege Volk ausgeführt hat: dass man nämlich nicht
vernünftig trennen kann - auch rechtlich nicht - zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen.
Ob Sie ihn zwingen oder ob er das selber macht jetzt erzählt er uns genau das Gegenteil, und zwar bei jeder Gelegenheit.
({8})
Wir können noch ein halbes Dutzend Zitate bringen, in
denen er genau das Gegenteil von dem erzählt, was er
heute als Kanzlerkandidat verkündet oder mit Fußfesseln
verkünden muss. Mit Beinfreiheit ist ja nicht mehr viel
bei Ihrem Kandidaten.
Das ist doch die entscheidende Frage, nämlich nach
der Glaubwürdigkeit, die Sie auch heute groß strapaziert
haben. Der Wähler will, wenn er am 22. September
wählt, wissen: Kann er sich auf das, was da gesagt wird,
verlassen?
Eines ist sicher: Was Sie im Bereich der Steuerpolitik
bisher verkündet haben und wahrscheinlich auch demnächst verkünden werden, ist mit Sicherheit eines, nämlich nicht verlässlich.
({9})
Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion von CDU/CSU unser Kollege Dr. Frank
Steffel. - Bitte schön, Kollege Dr. Frank Steffel.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache,
dass die Selbstanzeige von Uli Hoeneß heute so große
Aufmerksamkeit hier im Bundestag erfährt, aber auch in
der öffentlichen Diskussion, ist aus meiner Sicht geradezu ein Beweis für die Stärke unserer Demokratie und
für die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaats;
({0})
denn obwohl es kritikwürdige Einzelfälle gibt, zeigt der
Fall Hoeneß geradezu vorbildlich, dass es in Deutschland keine Privilegien für wirtschaftliche, politische,
sportliche oder gesellschaftliche Eliten gibt. Wie man
dann auf die Idee kommt, so etwas vorzutragen wie insbesondere Herr Oppermann - er ist mittlerweile gegangen - und Sie, Herr Pronold, ist mir völlig schleierhaft.
Sie unterstellen den Kolleginnen und Kollegen, die hier
sitzen, den Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland, den Mitgliedern der Bundesregierung, Kumpanei
mit Kriminellen. Was erlauben Sie sich eigentlich?
({1})
Was erlauben Sie sich menschlich, und was erlauben Sie
sich politisch?
({2})
Die Kollegin Kotting-Uhl von den Grünen hat eben,
als der Kollege Volk gesprochen hat, zugerufen: So wie
Sie argumentiert die Mafia! - Was erlauben sich hier eigentlich Kolleginnen und Kollegen, die einen anderen
Kollegen mit der Mafia in einen Zusammenhang bringen
und ihm vorwerfen, er mache mit den gleichen Methoden Politik, mit denen die Mafia ihre kriminellen Machenschaften betreibt?
({3})
Das zeigt übrigens, wie blank die Nerven bei Ihnen liegen. Herr Trittin, Ihre Überheblichkeit, mit der Sie argumentiert haben, war genauso abstoßend.
({4})
Das zeigt, dass das das letzte Thema, der letzte Strohhalm ist, mit dem Sie versuchen, die Menschen in der
Republik gegen eine erfolgreiche Bundesregierung aufzubringen. Die Kollegin Höll hat völlig recht: Wenn es
eines Beweises bedurfte, was Sie nach dem 22. September wirklich wollen, dann war es die heutige Debatte. Sie
wollen Rot-Rot-Grün. Sie wollen eine andere Bundesrepublik Deutschland. Wir von Schwarz-Gelb wollen
das nicht. Darüber werden die Menschen am 22. September abstimmen. Ich bin sicher: Sie werden vernünftig
abstimmen, gerade nach dieser Debatte.
({5})
Es freut mich übrigens - um das deutlich zu sagen -,
dass alle heutigen Redebeiträge vom gleichen Duktus
und von der gleichen Werteordnung geprägt waren, als
es um Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steuerehrlichkeit ging. Es ist ein gutes Zeichen für die Menschen
in Deutschland, zu erfahren: Alle Parteien - von ganz
links bis hin zu den marktwirtschaftlich-liberalen Kräften - sind sehr wohl der Auffassung, dass ein funktionierender, starker Staat vernünftige Steuerzahler, Steuereinnahmen und Steuerehrlichkeit braucht. Das gehört zu
unserer Demokratie und gerade zu unserer sozialen
Marktwirtschaft.
({6})
Ich wünsche mir, dass wir, wenn wir das nächste Mal
an dieser Stelle über andere Werte unseres Staates sprechen, beispielsweise über Angriffe auf unsere Polizeibeamten am 1. Mai in Berlin, ebenso einheitlich die Werte
dieses Staates verteidigen, dass wir bei den Themen
Drogen, Drogenhandel, Beschaffungskriminalität und
Drogenverkauf an Kinder und Jugendliche genauso einheitlich unsere Meinung vertreten.
({7})
Ich wünsche mir, dass Beschädigung von privatem Eigentum - von Graffiti bis Diebstahl - in diesem Hause
genauso einheitlich diskutiert und thematisiert wird.
({8})
Lieber Herr Trittin, man merkt Ihnen persönlich Ihre
klammheimliche Freude über den Fall Uli Hoeneß an.
Ich sage Ihnen: Das stößt die Menschen ab!
({9})
Ich kritisiere nicht, dass Uli Hoeneß Steinbrück beraten
hat. Ich kritisiere übrigens auch nicht, dass Uli Hoeneß
im aktuellen Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters in München Partei für den SPD-Kandidaten ergriffen hat. Ich finde es gut, wenn sich Prominente einmischen. Ich finde es gut, wenn Politik Persönlichkeiten
und Prominente um Rat fragt und um Unterstützung bittet. Sie versuchen aber, aus dem Fehler eines Menschen,
aus dem Absturz eines ehemaligen Vorbildes parteipolitischen Nutzen zu ziehen. Das finden die Menschen abstoßend und widerlich.
({10})
Wer wie Uli Hoeneß aus der Abteilung „Attacke“
kommt, darf sich nicht beschweren - ich sage das sehr
bewusst zum Abschluss der Debatte -, wenn er selbst
nach solchen Vorgängen attackiert wird. Wer austeilt,
muss auch einstecken können, und wer Steuern hinterzieht, muss danach auch die Strafe akzeptieren. Ich
glaube, dass Uli Hoeneß selbst zuallererst weiß, dass er
den größten Fehler seines Lebens gemacht hat und dass
er die verdammte Verpflichtung hat, den Menschen zu
zeigen, dass man aus Fehlern lernen kann.
Übrigens, jeder Mensch, selbst Uli Hoeneß, Herr
Trittin, sollte das Recht zur zweiten Chance haben.
({11})
Die Tatsache, dass es einen Haftbefehl gibt, und die Tatsache, dass es Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gibt, zeigen deutlich, dass auch an dieser Stelle
der Rechtsstaat funktioniert. Deshalb bin ich sehr sicher,
dass am Ende der Debatte übrig bleibt, dass alle Menschen in Deutschland wissen: Regeln gelten im Sport für
alle gleich, und Regeln gelten auch in der Steuerpolitik
für alle gleich.
({12})
Da gibt es keine Ausnahmen, keinen Bonus für Prominente,
({13})
keinen Bonus für andere Bevölkerungsgruppen, vielmehr geht es schlicht und ergreifend um die Frage: Haben die Menschen in Deutschland das Gefühl, dass wir
uns darum bemühen, Steuergerechtigkeit und Steuerehrlichkeit herzustellen? Und das ist das Positive am Fall
Hoeneß. Auch er ist ein Beispiel dafür,
({14})
dass alle Deutschen gut beraten sind, lieber ehrlich Steuern zu bezahlen, ruhig zu schlafen, etwas dafür zu tun,
damit Gemeinwesen funktioniert. Denn Uli Hoeneß
selbst wird am meisten das bereuen, was in den letzten
72 Stunden über ihn hereingebrochen ist. Er ist selber
schuld. Und die Menschen, die heute keine Steuern bezahlen, sollten ihn als negatives Vorbild sehen, sich bemühen, es besser zu machen, Steuern zu bezahlen, und
ihr Geld ganz schnell aus der Schweiz zurückholen und
in Deutschland Steuern bezahlen.
Herzlichen Dank.
({15})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit auch gleichzeitig am Schluss unserer
heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. April 2013,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.